Ethische Standards in der Verwaltung: Ein Beitrag zu Funktion und Legitimation des Amtes in der Bundesrepublik Deutschland unter Einbeziehung der angelsächsischen Perspektive [1 ed.] 9783428537945, 9783428137947

Die Frage nach der Integrität öffentlicher Ämter ist seit geraumer Zeit Gegenstand gesellschaftlicher Debatten. Auf inte

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Ethische Standards in der Verwaltung: Ein Beitrag zu Funktion und Legitimation des Amtes in der Bundesrepublik Deutschland unter Einbeziehung der angelsächsischen Perspektive [1 ed.]
 9783428537945, 9783428137947

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1227

Ethische Standards in der Verwaltung Ein Beitrag zu Funktion und Legitimation des Amtes in der Bundesrepublik Deutschland unter Einbeziehung der angelsächsischen Perspektive

Von Martin Weibezahn

Duncker & Humblot · Berlin

MARTIN WEIBEZAHN

Ethische Standards in der Verwaltung

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1227

Ethische Standards in der Verwaltung Ein Beitrag zu Funktion und Legitimation des Amtes in der Bundesrepublik Deutschland unter Einbeziehung der angelsächsischen Perspektive

Von Martin Weibezahn

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13794-7 (Print) ISBN 978-3-428-53794-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-83794-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Bürger erwarten von Inhabern öffentlicher Ämter ein Mindestmaß an Verlässlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz ihrer Entscheidungen. In einer Phase der Modernisierung und Europäisierung öffentlicher Verwaltung, sich verändernder ökonomischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und einer zunehmenden „Managerialisierung“ des öffentlichen Sektors ist zugleich ein wachsendes gesellschaftliches Bedürfnis nach Rechtschaffenheit und Integrität von Amtsträgern erkennbar. Mit der Entwicklung und Implementierung ethischer Standards für den öffentlichen Dienst wird auf internationaler, europäischer und einzelstaatlicher Ebene versucht, diesem wachsenden Bedürfnis Rechnung zu tragen und das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Trägern staatlicher Verwaltungsinstitutionen zu (re-)vitalisieren. Diese sog. Ethik-Infrastruktur zielt unter anderem ab auf eine hinreichende Abgrenzung privater und öffentlicher Interessen, eine am Gemeinwohl orientierte Aufgabenwahrnehmung sowie eine objektive und effiziente Aufgabenerfüllung nach Recht und Gesetz. Welches Gewicht haben diese Entwicklungen für das Amtsverständnis im demokratischen Verfassungsstaat der Gegenwart? Worin liegen Funktion und Legitimation des öffentlichen Amtes? Die vorliegende Untersuchung versucht – mit einem Schwerpunkt auf dem Amt des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik und im Rechtsvergleich mit dem Civil Service in Großbritannien – auf diese Fragen Antworten zu entwickeln. Die Arbeit wurde im Jahr 2011 von der Juristischen Fakultät der HumboldtUniversität zu Berlin als Dissertation angenommen. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis danke ich herzlich für die langjährige Betreuung der Arbeit, seine wertvollen und pointierten Anregungen und nicht zuletzt für die zügige Erstellung des umfassenden Erstgutachtens. Herrn Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert sei für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens gedankt, auch für die Einladung zur Fortführung der wissenschaftlichen Diskussion. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Juristischen Fakultät und Bibliothek der Universität Aberdeen (Schottland) sowie Peter Marx danke ich für ihre freundliche und zuvorkommende Unterstützung. Dank schulde ich auch Angestellten der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität und Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und Ehemaligen am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis, namentlich Herrn Prof. Dr. Jens Kersten, für wertvolle Kritik in inhaltlichen und Hilfsbereitschaft in administrativen Fragen. Dr. Philipp Riecken danke ich für seine

6

Vorwort

scharfsinnige Begleitung bei der gedanklichen Entwicklung der Arbeit und für anregende wissenschaftliche Diskussionen. Mein Dank gilt auch dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Schriften zum Öffentlichen Recht“. Herzlich danken möchte ich meiner Frau Annika Manegold für ihre stete Unterstützung und Ermutigung, nicht zuletzt in der Endphase der Arbeit. Besonderer Dank gilt meinen Eltern, denen ich diese Arbeit widmen möchte. . Berlin, im Sommer 2012

Martin Weibezahn

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Kapitel Einführung und Problemexposition

14

I. Ethische Verwaltungsstandards als internationales Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Berufsbeamtentum und das Modell bürokratischer Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Modellkonzept Bürokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Hergebrachte Grundsätze versus Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Kritik am traditionellen Bürokratiemodell und Referenzpunkt Civil Service . 29 b) Zwischenbilanz zur Reform des Beamtenrechts: Kein Auszug aus der „Max-Weber-Welt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Rechtsnatur des öffentlichen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Begriffs- und bedeutungsgeschichtliche Annäherung an das Amt . . . . . . . . . . . . 39 a) Wortbedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Interdependenzen des Begriffs zur Gesellschaftsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . 40 c) Modell des Kirchenamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Amt und Ämterorganisation als Ausdruck und Bedingung von Herrschaft . . . . . 44 2. Kapitel Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

51

I. Verfassungsprinzip der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Ideengeschichtliche Komplexität des Republikbegriffs und dessen deutsche Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Formaler oder materialer Republikbegriff des Grundgesetzes? . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Gemeinwohl als Orientierungsgröße? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

8

Inhaltsverzeichnis

II. Republikanische Dimension der Freiheitsgrundrechte im Verfassungsstaat . . . . . . . . 62 1. Grundgesetzlicher Maßstab des Verfassungsprinzips der Freiheit . . . . . . . . . . . . 66 2. „Wohlgeordnete Freiheit“ als effektiver Garantiebereich – grundrechtlicher Status in der Republik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) „Gegenüber“ des staatlichen Amtsträgers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Zwischenfazit: Republikanische Dimension der Freiheitsrechte . . . . . . . . . . . 87 III. Das Amt als republikanisches Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Präzisierung des republikanischen Optimierungsgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Konkretisierung des republikanischen Prinzips in Amtsrechtsverhältnissen . . . . . 95 3. Normativität als Richtschnur für den „Modus“ des Amtshandelns . . . . . . . . . . . . 99 3. Kapitel Staatsverständnis und Amt

103

I. Staatsverständnis etatistischer Prägung und konstitutioneller Gestalt . . . . . . . . . . . . . 104 1. Normative Selbstbindung des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Rechtfertigung und Zweck des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Gedanke einer Verfassungsethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Verändertes Verständnis und Funktionswandel des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Relativität des modernen Staatsbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Neudefinition der „Rolle des Staates“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Formenwandel administrativer Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Managerialisierung des öffentlichen Sektors und „Good Governance“ . . . . . . 124 3. Amtsträger als Vertreter der Staatsidee? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Exemplarische Amtskonzeption des 19. Jahrhunderts Lorenz von Steins . . . . 129 b) Kernfolgerungen aus dem Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts . . . . 131 c) Berufsbeamtentum als „ausgleichender Faktor“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Inhaltsverzeichnis

9

4. Kapitel Das Prinzip Verantwortung als Grundlage des Amtes

140

I. Zur Idee von Verantwortung im Verfassungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Konzeption von Verantwortungsteilung in der modernen Verwaltungslehre . . . . 143 a) Demokratische Legitimation als notwendiger Referenzboden . . . . . . . . . . . . . 145 b) Kritik zum Diskurs der Verantwortungsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Leitbilder der Verantwortungsteilung als Auslegungsproblem des Rechtsanwenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Objektiv-teleologische Argumentation des Normauslegers . . . . . . . . . . . . 151 2. Normative Erwartung des Rechts und „rechtsexterne“ Bedeutungszuschreibungen als Referenzfelder für das Amtsethos . . . . . . . . . . . . 153 II. „Verantwortung“ des Amtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Zuständigkeit oder Verantwortung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Gemeinwohlverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Gemeinwohl als Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Gemeinwohl und Amtsethos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5. Kapitel Civil Service und ethische Verwaltungsstandards in Großbritannien

172

I. Rechtsnatur des Civil Service . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Civil Service und das traditionelle Bürokratiemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Zugangskriterien für Civil Servants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Prinzipien der „Rekrutierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Traditionelle Ausbildung: „Philosophie des Amateurs“? . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Charakteristika des Dienstes unter der Krone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 II. Ethische Verwaltungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Kodifizierte Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

10

Inhaltsverzeichnis 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

III. Die Verfassungsfrage und „The Rule of Law“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 IV. Public Trust – das Prinzip des öffentlichen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 6. Kapitel Fazit und Ausblick

203

I. Schlussfolgerungen aus der britischen Rechtstradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 II. Kodifizierung ethischer Verwaltungsstandards im deutschen Recht? . . . . . . . . . . . . . 205 III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

Einleitung Die Frage nach der Integrität öffentlicher Ämter ist seit geraumer Zeit verstärkt in das gesellschaftliche Bewusstsein getreten. Die international, auf europäischer Ebene und besonders ausgeprägt im angelsächsischen Raum geführten Debatten um die Implementierung eines ethischen Wertekanons für die öffentliche Hand bilden den Kontext, innerhalb dessen die zentrale Fragestellung der nachfolgenden Untersuchung ansetzt. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht das normative Fundament der Funktion und Legitimation des öffentlichen Amtes im Verfassungsrechtssystem der Bundesrepublik Deutschland. Unter rechtsvergleichender Einbeziehung der Rechtsnatur des Civil Service in Großbritannien sollen Grundlagen für ein modernes, Rechtssystem-übergreifendes Amtsverständnis entwickelt werden. Vom verfassungsrechtlichen Grundstock des öffentlichen Amtes ausgehend, wird unter Berücksichtigung seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung im Laufe der Untersuchung zudem der Versuch unternommen, flankierend Aussagen zum Amtsethos des Amtsinhabers zu treffen. Anerkennt ein Subjekt (ein Individuum, wie z. B. ein einzelner Beamter oder ein kollektives Subjekt, wie z. B. das Berufsbeamtentum oder der Civil Service) eine bestimmte Handlungs- oder Verhaltensform, die aus „der Befähigung des Menschen zum sittlich handelnden Wesen erwächst“, als maßgebend für sein Handeln und ist sein Handeln auf Dauer durch diese Anerkennung geprägt, so spricht man von „Ethos“.1 Das Ethos des Amtes bestimmt sich aus konkreter Lebenssituation und Umfeld, (Rechts-)Position und Kompetenzzuschreibung sowie Aufgabe und praktischer Arbeit des Amtswalters. Ethos ist, begriffsgeschichtlich betrachtet, mit der Tugend („arete“) im Sinne erlernter und habitueller Fähigkeit verbunden, zudem mit bewusster „Könnerschaft“ und damit Leistung2. Solches „Ethos“ kann, über normative Grundsätze, übergreifende Rechtsprinzipien und Anforderungen, die auf Handlungsanleitungen zielen – wie z. B. „ethische Standards“ – (auch) „ethisch durchwirkt“ sein3. Im Rahmen der Einführung und Problemexposition (1. Kapitel), die zunächst die internationale Entwicklung ethischer Verwaltungsstandards erschließt (I.), wird vor 1

Siehe Ernst-Wolfgang Böckenförde, Vom Ethos der Juristen, Berlin 2010, S. 9 ff. (9). Henning Ottmann, Geschichte des politischen Denkens, Bd. 1, Teilbd. 1, Stuttgart, Weimar 2001, S. 16. 3 Böckenförde, Vom Ethos der Juristen [Fn. 1], S. 9 f. (9). Ungeachtet aller ethischen, normativen und moraltheologischen Theorien lässt sich „Ethik“ vereinfachend kennzeichnen als die vernunftbestimmte und methodische Reflexion von Moral und Ethos. Vgl. Hermann Krings, Ethik, Ethos, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, 2. Bd., 7. Aufl., Freiburg 1986, Sp. 398, „éthos“ bezeichnet in griechischer Herkunft die Gewöhnung, siehe ebd., m. weit. Nachw. 2

12

Einleitung

dem Hintergrund eines andauernden Reformprozesses im Dienst- und Verwaltungsrecht, einer zunehmenden Ausdifferenzierung administrativen Verwaltungshandelns und veränderter rechtlicher und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen nach der Aktualität des klassischen Modellkonzepts bürokratischer Herrschaft Max Webers gefragt (II.). Die begriffs- und bedeutungsgeschichtliche Annäherung an das Amt (III.) belegt eine enge Verbindung mit dem Herrschaftsgedanken, sowohl im Sinne einer Legitimations-, als auch im Sinne einer Begrenzungsperspektive, denn das Verständnis von Herrschaft als „Dienst“ interpretiert sich als pflichtgemäße und verantwortlich wahrzunehmende „Aufgabe“. Die Begriffsgeschichte des Amtes steht dabei im Zeichen einer Reihe staatsorganisationstheoretischer Dichotomien4. Die weitere Untersuchung (2. Kapitel) wird die Ausprägung und die verfassungsrechtlichen Grundbeziehungen des öffentlichen Amtes im modernen Verfassungsstaat in den Fokus rücken. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, inwiefern das öffentliche Amt als institutionalisiertes Herrschaftsphänomen, über ein auf das Gemeinwohl bezogenes, republikanisches Amtsverständnis, verfassungsrechtlich und rechtsethisch legitimierbar ist. Die Analyse zum republikanischen Amtsverständnis wird versuchen aufzuzeigen, dass das Prinzip des Amtes als öffentlichrechtliches Dienstverhältnis in Form eines Amtsrechtsverhältnisses, aus der Perspektive eines gehaltvollen, rechtsfolgenoffenen Republikprinzips, zum Fundamentalkonzept des modernen Verfassungsstaates gehört. In Bezug auf den Untersuchungsgegenstand des öffentlichen Amtes nehmen in der etatistischen Tradition der Bundesrepublik die argumentativen Funktionen des Staatsbegriffs und das tradierte „Staatsverständnis“ eine besondere Rolle ein5. Das 3. Kapitel widmet sich dem Staatsverständnis in seiner etatistischen Prägung und konstitutionellen Gestalt sowie aktuellen Fragen zur Neudefinition der Bedeutung und Funktion des Staates vor dem Hintergrund des Formenwandels administrativer Aufgabenerfüllung und einer Managerialisierung des öffentlichen Sektors. Anschließend wird hier der Frage nachgegangen, inwiefern Amtsträger als „Vertreter der Staatsidee“ betrachtet werden können.

4 Siehe Ralf Dreier, Amt, öffentlich-rechtlich, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, 1. Bd., 7. Aufl., Freiburg 1985, Sp. 128. In Zuspitzung unterschiedlicher Interpretationsansätze hinsichtlich des mit hoheitlichen Kompetenzen ausgestatteten Amtes der Exekutive stehen sich mit R. Dreier ein funktionales und ein wertbezogenes Verständnis des Amtes elementar gegenüber: Während der wertbezogene Ansatz in der Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes einen eigenständigen und Würde verleihenden Dienst an aufgegebenen Werten erblickt, sieht der funktionale darin eine bloße Funktionswahrnehmung, die sich von vergleichbaren Tätigkeiten in anderen gesellschaftlichen Bereichen nicht grundlegend unterscheidet. Nach R. Dreier führen die vielfältigen Kontroversen um die Reform des öffentlichen Dienstrechts im Kern auf diese Differenz zurück, ebd., Sp. 130. 5 Zu den Entwicklungslinien der juristischen Staatstheorie siehe Christoph Möllers, Der vermisste Leviathan. Staatstheorie in der Bundesrepublik, 1. Aufl., Frankfurt a. M. 2008.

Einleitung

13

Im weiteren Verlauf der Arbeit (4. Kapitel) wird eine eng mit dem öffentlichen Amt verknüpfte Erwartungsposition des Rechts dogmatisch einzuordnen versucht, die mit „Verantwortung“ umschrieben werden kann. Die Analyse spezifischer Ausprägungen des Begriffs und Rechtsprinzips „Verantwortung“ dient der weiteren Konturschärfung der Funktion und Legitimation des öffentlichen Amtes im Verfassungsstaat. Auch ermittelt sie Anknüpfungen für ein Amtsethos: Es ist etwas „was er zu tun hat“6. Was diese Arbeit nicht leistet, ist eine umfassende verwaltungswissenschaftliche oder hermeneutische Analyse zur Kultur und zum Ethos in der Verwaltung. Mit seiner ausgeprägten, institutionalisierten Entwicklung von werteorientierten Grundsätzen für den öffentlichen Dienst nimmt Großbritannien in Europa eine Spitzenposition ein. Die auf diese Weise geprägte Rechtsnatur des Civil Service dient in dieser Arbeit als Referenzpunkt für das bundesrepublikanische, vom Verfassungsstaat geprägte Amtsverständnis. Die rechtsvergleichende Einbeziehung der Entwicklung in Großbritannien (5. Kapitel) hat den Vorzug, dass sich der Civil Service in besonderer Verfasstheit zwischen „Tradition und Modernisierung“7 befindet und sich zwischen dauerhafter Neutralität öffentlich anvertrauter Herrschaft und zunehmender Managerialisierung positionieren muss. Einerseits sind in Großbritannien Reformen zum „New Public Management“ besonders weit fort geschritten, andererseits sind die Prinzipien parteipolitischer Neutralität und Integrität im Mutterland des Parlamentarismus besonders ausgeprägt. Sie haben Bedeutung im Sinne des „Trust“-Gedankens anvertrauter Herrschaft: government als Treuhänder der Civil Society8. Im abschließenden (6.) Kapitel wird ein Fazit gezogen, das Schlussfolgerungen aus der britischen Rechtstradition bemüht und sodann der Frage nachgeht, inwiefern nach den erarbeiteten Erkenntnissen eine Kodifizierung ethischer Verwaltungsstandards im deutschen Recht angezeigt erscheint. Die Arbeit schließt mit einem zusammenfassenden und in die Zukunft blickenden Resümee und der Exposition übergreifender Thesen für ein europäisches Amtsverständnis.

6 Prägnant, unter Bezugnahme auf das Ethik-Verständnis bei Aristoteles, Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, 3., erweit. Aufl., Tübingen 1972, S. 297. Das sittliche Wissen sei „offenkundig kein gegenständliches Wissen, d. h. der Wissende steht nicht einem Sachverhalt gegenüber, den er nur feststellt, sondern er ist von dem, was er erkennt, unmittelbar betroffen“ (ebd.). 7 Siehe Nevil Johnson, Der Civil Service in Großbritannien: Tradition und Modernisierung, DÖV 1994, S. 196 ff. und derselbe, Manager statt Amtswalter? Zu den Veränderungen im britischen Staatsdienst, DÖV 2001, S. 317 ff. 8 Karl-Ulrich Meyn, Staatstheoretische und verfassungshistorische Wurzeln britischer und deutscher Beamtenleitbilder im 20. Jahrhundert, in: Friedrich Gerhard Schwegmann (Hrsg.), Die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums nach 1945. Geburtsfehler oder Stützpfeiler der Demokratiegründung in Westdeutschland?, Düsseldorf 1986, S. 80 ff. (81).

1. Kapitel

Einführung und Problemexposition I. Ethische Verwaltungsstandards als internationales Phänomen Die Debatten zu ethischen Grundwerten im öffentlichen Dienst und ihrer Standardisierung werden auf internationaler Ebene und in zahlreichen Staaten geführt. Die OECD („Organisation for Economic Co-operation and Development“), der 34 Mitgliedsstaaten angehören, hat das Konzept einer „Ethik-Infrastruktur“ entwickelt9. Aus Gründen wiederzugewinnenden Vertrauens der öffentlichen Hand sowie der sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und einer zunehmenden Managerialisierung des öffentlichen Sektors seien u. a. Maßnahmen zur Bereitstellung effizienter rechtlicher Rahmenbedingungen und einer aktiven Zivilgesellschaft notwendig. 1998 stellte die OECD 12 „Principles for Managing Ethics in the Public Service“ auf10. Mit einer „Anti-Korruptions-Konvention“ sowie mit der Durchführung einer standardisierten Umfrage in allen OECD-Mitgliedsstaaten zum Stand der Umsetzung von ethischen Infrastrukturmaßnahmen11 vermittelte die Organisation Prinzipien für eine ethische Infrastruktur in eine breite Öffentlichkeit und schuf eine Basis für ihre internationale Vergleichbarkeit. „Die Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstes setzt eine klare Formulierung der Grundwerte voraus“, so lautet die Kernbotschaft der Public Management Section (PUMA) der OECD12. Im öffentlichen Dienst sollten ethische Standards klar erkennbar sein und „reflektiert werden innerhalb des gesetzlichen Rahmenwerks“13. Ethische Richtlinien sollen zugänglich sein für alle öffentlichen Bediensteten. Die OECD gibt darüber hinaus permanente Richtlinien für den praktischen Umgang mit Interessenskonflikten im öffentlichen Dienst heraus14. 9

OECD, Ethics in the Public Service, Paris 1996. OECD, Principles for Managing Ethics in the Public Service, PUMA Policy Brief Nr. 4, Paris, Mai 1998. 11 OECD, Trust in Government – Ethic measures in OECD Countries, Paris 2000. 12 OECD, Die Förderung der Ethik im öffentlichen Dienst, Maßnahmen in den OECDMitgliedsstaaten, PUMA-Synthese Nr. 7, Paris, September 2000 (deutsche Fassung), S. 2. 13 OECD, Principles for Managing Ethics in the Public Service, PUMA Policy Brief Nr. 4, Paris, Mai 1998, 2. Grundsatz („Ethical standards should be reflected in the legal framework“). 14 OECD, Recommendation of the Council on Guidelines for Managing Conflict of Interest in the Public Service, Paris, Juni 2003 sowie OECD, Guidelines for Managing Conflict of 10

I. Ethische Verwaltungsstandards als internationales Phänomen

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Angestoßen wurde die internationale Ethik-Debatte für den öffentlichen Sektor in angloamerikanischen Staaten, insbesondere in den USA15. Der Standard an ethischen Infrastrukturmaßnahmen ist dort vergleichsweise ausgeprägt und differenziert16. Mit dem „Ethics in Government Act“ wurde bereits 1978 das „Office of Government Ethics“ (OGE) in Washington D. C. als zentrale Einrichtung der Exekutive für Fragen der Ethik im öffentlichen Dienst geschaffen17. Auch in der Europäischen Union haben werteorientierte Maßnahmen in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Unter dem Motiv der Korruptionsbekämpfung und als Ausdruck und Reaktion auf eine Krise der Europäischen Kommission forderte der sog. Middelhoek-Bericht im Jahr 1999 zur Reform der Kommission, „Analyse der derzeitigen Praxis und Vorschläge zur Bekämpfung von Mißmanagement, Unregelmäßigkeiten und Betrug“, die EU-Kommission auf, unter Berücksichtigung der OECD-Grundsätze einen Verhaltenskodex für Beamte18 zu verabschieden19. Es sei ein zentrales „kulturelles“ Anliegen, Maßnahmen zur Stärkung von Integrität, Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht, verbunden mit Transparenz und Offenheit, zu ergreifen.20 Die EU hat daraufhin Gesetzgebungsprozesse zur internationalen Korruptionsbekämpfung und Kodizes initiiert. Der sowohl nach innen wie nach außen, in ihren Beziehungen zur Öffentlichkeit, gerichtete Kodex für gute Verwaltungspraxis der EU-Kommission benennt als „Allgemeine Grundsätze guter Verwaltungspraxis“ Rechtmäßigkeit, DiskriminierungsInterest in the Public Service, PUMA Policy Brief, Paris, September 2005, OECD, Guidelines for Managing Conflict of Interest in the Public Service: Report on Implementation, Paris 2007. Dokumente abrufbar unter URL: www.oecd.org/gov/ethics/conflictofinterest (zuletzt abgerufen [z. a.]: 31. 3. 2012). 15 Näheres und eine umfassende rechtsvergleichende Analyse zu ethischen Standards im öffentlichen Sektor in Deutschland und den USA bietet Nathalie Behnke, Ethik in Politik und Verwaltung, Entstehung und Funktionen ethischer Normen in Deutschland und den USA, 1. Aufl. Baden-Baden 2004, s. S. 138 ff. Vgl. Paul H. Douglas, Ethics in Government, Cambridge, MasS. 1953, der politisch-historisch in die Debatte „politisch moralischer Standards“ einführt (S. 1 ff., Beispiel Großbritannien auf S. 12 ff.), sodann zwischen ethischen Problemlagen der ausführenden (S. 27 ff.) und der legislativen Gewalt (S. 64 ff.) differenziert und schließlich die Notwendigkeit eines „Codes“ herausarbeitet (S. 97 ff., S. 101). 16 Hierzu Behnke, Ethik in Politik und Verwaltung [Fn. 15], S. 139 ff. Siehe auch G. Calvin Mackenzie, Scandal Proof. Do Ethics Laws Make Government Ethical? Washington, D.C. 2002, insbesondere Kapitel 3, „Building the Bastion“, 1961 – 2000, S. 22 ff., Kapitel 4, „The Tightened Net“, S. 55 ff. 17 Diese hat einen zentralen Ethik-Kodex als Leitlinie für die Mitarbeiter der Exekutive erarbeitet; auch die Ethik-Komitees beider Häuser des Kongresses haben seit 1968 eigene Verhaltenskodizes, Behnke, Ethik in Politik und Verwaltung [Fn. 15], S. 149, vgl. ebd., S. 140 f. 18 Die maskuline Form bezieht sich hier wie in der gesamten Arbeit gleichermaßen auf Beamtinnen. Entsprechendes gilt für alle verwendeten Amts- oder Personenbezeichnungen. 19 Ausschuss Unabhängiger Sachverständiger, Zweiter Bericht über die Reform der Kommission, Analyse der derzeitigen Praxis und Vorschläge zur Bekämpfung von Mißmanagement, Unregelmäßigkeiten und Betrug, Bd. II, Brüssel, 10. September 1999. Abrufbar unter URL: http://www.europarl.europa.eu/experts/pdf/rep2 – 2de.pdf [z. a.: 15. 3. 2012]. 20 Ebd., Abschnitt 7.1, S. 270.

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

verbot und Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und Kohärenz des Verwaltungshandelns, d. h. die Kommission achtet danach auf eine kohärente Verwaltungspraxis und wendet gängige Verwaltungsverfahren an; Abweichungen hiervon sind entsprechend sachlich zu begründen.21 Schon mit der Einführung gibt der damalige Vice-Président Réforme Administrative Neil Kinnock vor, dass die ordnungsgemäße Anwendung des Kodex durch die Kommissionsbediensteten fortlaufend überwacht werde. „Jeder Bürger, der sich nicht entsprechend den Regeln des Kodex behandelt fühlt, kann Beschwerde einlegen“.22 Der Verhaltenskodex für EUKommissare gibt Verhaltensregeln zu den Grundsätzen „Independence and Dignity“ und betont die strenge Trennung privater und öffentlicher Interessen23. Der Verhaltenskodex für Beamte und Bedienstete des Europäischen Parlaments24 unterstreicht gleich zu Beginn die Ziele, die das Statut25 in Art. 27 für die Einstellung des Personals der europäischen Institutionen vorgibt, das in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügen soll. Da Titel II den Rechten und Pflichten der Beamten und Bediensteten gewidmet sei, verankere das Statut den „Begriff einer Berufsethik des europäischen öffentlichen Dienstes“.26 Art. 11 Abs. 1 Satz 2 des Statuts lautet: „Der Beamte führt die ihm aufgetragenen Aufgaben objektiv, unparteiisch und unter Einhaltung seiner Loyalitätspflicht gegenüber den Gemeinschaften aus.“ Im Zuge des sog. Konzeptes von „Good Governance“ setzte die EU-Kommission im Jahr 2000 insgesamt 12 Arbeitsgruppen ein, um ein Konzept für reformiertes „Europäisches Regieren“ zu erarbeiten27. Das im Ergebnis der sog. Kinnock-Reform 21

Kodex für gute Verwaltungspraxis in den Beziehungen der Bediensteten der Europäischen Kommission zur Öffentlichkeit, abrufbar unter URL: http://ec.europa.eu/civil_society/ code/index_de.htm (verabschiedet Oktober 2000) [z. a.: 15. 3. 2012] veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften: ABl. L 267 vom 20. 10. 2000 (Inkrafttreten 1. November 2000). Allgemein zu Fragen der Ethik im öffentlichen Dienst informiert die Seite der EU, URL: http://ec.europa.eu/civil_service/admin/ethic/index_de.htm [z. a.: 15. 3. 2012]. 22 Kodex für gute Verwaltungspraxis in den Beziehungen der Bediensteten der Europäischen Kommission zur Öffentlichkeit, ebd. (Vorwort). 23 Code of conduct for Commissioners C(2011) 2904, abrufbar unter URL: http://ec.europa.eu/commission_2010 – 2014/pdf/code_conduct_en.pdf [z. a.: 15. 3. 2012]. 24 Leitfaden für die Pflichten der Beamten und Bediensteten des Europäischen Parlaments vom 11. März 2002, Verhaltenkodex, vom Präsidium angenommen am 7. Juli 2008. 25 Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) über das Statut der Beamten und über die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft, 1962R0031-DE-01.05.2008 – 006. 002 – 6. 26 Das Vorhandensein einer solchen Berufsethik werde zudem durch die Präambel der Rahmenverordnung Nr. 31/EWG vom 18. Dezember 1961 bestätigt, die das Statut zu einem Rechtsinstrument macht, um den Europäischen Gemeinschaften ein unabhängiges, unbestechliches, kompetentes und leistungsfähiges Personal zu verschaffen. 27 Dokumentiert unter URL: http://ec.europa.eu/governance/index_en.htm (Webseite archiviert am 31. Juli 2007) [z. a.: 15. 3. 2012].

I. Ethische Verwaltungsstandards als internationales Phänomen

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erarbeitete Weißbuch28 zur Verwaltungsreform benennt als Zielrichtung, dem zunehmenden Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der „komplexen Maschinerie“ in Brüssel entgegenzuwirken29. Good Governance besteht nach Ansicht der Autoren des Weißbuchs aus fünf Grundsätzen: Offenheit (umfassende Information über die Tätigkeiten der Institutionen und Organe), Partizipation (vermehrte Teilhabemöglichkeiten an den Entscheidungsfindungsprozessen), Verantwortlichkeit (genaue Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Aufgabenstellungen), Effektivität (eine EU-Politik auf der Grundlage von klaren Zielen, Folgenabschätzungen und Erfahrungswerten), Kohärenz (Nachvollziehbarkeit und Stimmigkeit).30 Der europäische Vertrag von Lissabon31, der gemäß seinem Art. 6 am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist, benennt in seinem Art. II-101 EuVerfV das „Recht auf eine gute Verwaltung“. Es spricht viel dafür, dass implizite normative Voraussetzungen dieses Rechts auf gute Verwaltung nicht nur in einem effektiven, integren und professionalisierten öffentlichen Dienst zu sehen sind, sondern auch in einem „Berufsethos“, das eine Resistenz gegen Regelverstöße beinhaltet und damit eine effektive Sanktionierung derselben ermöglicht.32 Auch im Bereich der Wirtschaft sowie von Nichtregierungsorganisationen (NGO) werden Maßnahmen zur Transparenz und Korruptionsbekämpfung zunehmend virulent. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde „Transparency International“ als internationale NGO gegründet33, welche jährlich Korruptionsindizes und Berichte publiziert.

28 Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endg, abrufbar unter URL: http://ec.europa.eu/governance/white_paper/index_en.htm (Webseite archiviert am 31. Juli 2007) [z. a.: 15. 3. 2012]. 29 Weißbuch, ebd., S. 3 f.; der Begriff „Governance“ steht hier für die „Regeln, Verfahren und Verhaltensweisen, die die Art und Weise, wie auf europäischer Ebene Befugnisse ausgeübt werden, kennzeichnen“, ebd., S. 10, Fn. 1. 30 Weißbuch, ebd., S. 13 f. Vgl. hierzu Roberto Hayder, Das Weißbuch „Europäisches Regieren“ der EU-Kommission, Zeitschrift für Gesetzgebung 17 (2002), S. 49 ff. 31 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007, Amtsblatt der europäischen Union, 2007/C 306/01, Ausgabe in deutscher Sprache abrufbar unter URL: http://eur-lex.europa.eu/JOHtml.do?uri=OJ%3AC%3 A2004 %3 A310 %3ASOM%3ADE%3AHTML [z. a.: 31. 3. 2012]. 32 So ausdrücklich Helmut Goerlich, Good Governance und Gute Verwaltung – Zum europäischen Recht auf gute Verwaltung (Art. 41 EuGrCh und Art. II-101 EuVerfV), DÖV 2006, S. 313 ff. (S. 318 ff., 318, 319). 33 Abrufbar unter URL: http://www.transparency.org, siehe auch den deutschen Ableger Transparency International Deutschland e.V. („Transparency Deutschland“), URL: http:// www.transparency.de [jeweils z. a.: 31. 3. 2012].

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

Auch die UNO hat eine internationale rechtsethische Standardsetzung aufgegriffen und eine Anti-Korruptions-Konvention verabschiedet; die Weltbank und die Welthandelsorganisation (WTO) haben entsprechende Initiativen gestartet34. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit ethischen Standards kommt den angloamerikanischen Ländern eine Vorreiterrolle zu.35 Die American Society of Public Administration (ASPA) gibt seit 1984 einen Code of Ethics for Public Administration heraus36. Dessen maßgebliche Standards, „diene dem öffentlichen Interesse“, „respektiere Gesetz und Verfassung“ und „zeige persönliche Integrität“, lassen Rückschlüsse auf einen Kern werteorientierter Prinzipien zu: Offenbar ist die normative Autorität des Gesetzes oder der Verfassung und das darin liegende Rechtsbefolgungsverlangen bzw. dessen implizite Rechtsausführungsanordnung nicht gleichbedeutend mit dem ethischen Überbau von Verfassung und Gesetz, der doch an sich von der gleichen Implikation ausgehen sollte: „respektiere das Gesetz“. Im Zusammenspiel mit dem Ruf nach „Integrität“ wird es deutlicher: Es geht offenbar um die Ausbildung oder Stärkung eines ethischen Bewusstseins im öffentlichen Sektor, Normen anzuwenden bzw. zu befolgen. Auch in anderen angloamerikanischen Ländern wie Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland lassen sich seit den 1980er, intensiviert in den 1990er Jahren im Bereich von Verwaltungspolitik, von Verwaltungspraxis und von Verwaltungswissenschaft erhebliche Anstrengungen zur Standardisierung und Implementierung werteorientierter Prinzipien erkennen37. Als Spiegelbild zu der ameri34 Die UN-Konvention gegen Korruption wurde am 31. Oktober 2003 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und trat am 14. Dezember 2005 in Kraft, Originaldokument und Hintergründe abrufbar unter URL: http://www.transparency.de/UNKonvention.108.0.html. [z. a.: 31. 3. 2012] sowie http://www.unodc.org/unodc/en/treaties/ CAC/ [z. a.: 31. 3. 2012]. Zu den internationalen Initiativen gegen Korruption siehe im Einzelnen Behnke, Ethik in Politik und Verwaltung [Fn. 15], S. 34 ff. m. weit. Nachw. 35 Instruktiv Behnke, ebd., S. 19 f. und 27 ff. Vgl. nur John A. Rohr, To run a constitution: the legitimacy of the administrative state. Lawrence, Kansas, 1986, Conclusion auf S. 171 ff.; Richard A. Chapman (Hrsg.), Ethics in Public Service for the New Millenium, Aldershot 2000; derselbe, Ethics in the British Civil Service, London 1988, sowie jüngst Jocelyne Bourgon, The Future of the Public Service: A Search for a New Balance, Australian Journal of Public Administration (AJPA), 2008, S. 390 ff. sowie die Beiträge in Derlien/Peters (Hrsg.), The State at Work, Volume I, Cheltenham 2008. 36 Behnke, Ethik in Politik und Verwaltung [Fn. 15], S. 29; siehe The American Society for Public Administration, Code of Ethics (2006), abrufbar unter URL: http://www.aspanet.org/ public/ (siehe dort unter „Resources“) [z. a.: 31. 3. 2012]. 37 Siehe Behnke, Ethik in Politik und Verwaltung [Fn. 15], S. 27 ff., die zwischen drei Herangehensweisen in der angelsächsischen Debatte unterscheidet, zum Ersten eine stark normativ geprägte, zum Zweiten eine empirische und zum Dritten eine zwischen beiden Ansätzen liegende, die von den berufsständigen Vereinigungen oder Netzwerken ausgehe. Behnke verweist darauf, dass in den USA vereinzelt sogar Abhandlungen zu finden seien, die bis in die 1950er Jahre zurückreichen, ebd., S. 27 ff. (S. 27, dort in Fn. 22). Siehe Committee on Standards in Public Life, Standards in Public Life (First Report), London 1995; Chapman, Ethics in the British Civil Service [Fn. 35], Robert J. Gregory, Social Capital Theory and Administrative Reform: Maintaining Ethical Probity in Public Service, Public Administration Review, 59

I. Ethische Verwaltungsstandards als internationales Phänomen

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kanischen Ethik-Sektion der ASPA wurde unter dem Dach der European Group of Public Administration (EGPA) 2002 eine „Study Group on Ethics and Integrity“ als Forum für europäische Ethik-Debatten gegründet38. Diese Entwicklung läuft parallel zu einem Trend der zunehmenden Internationalisierung und insbesondere Europäisierung des öffentlichen Dienstes39. Es lässt sich feststellen, dass sowohl auf internationaler, europäischer sowie einzelstaatlicher Ebene Maßnahmen zur Kodifizierung und Standardisierung einer ethischen Infrastruktur in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen haben40. Im Vergleich zu den angelsächsischen Staaten scheint die Neigung in der Bundesrepublik, ethische Standards für den öffentlichen Dienst zu etablieren, u. a. unter Verweis auf ein vergleichsweise ausgewiesenes und differenziertes öffentlichrechtliches Regelwerk, gering zu sein.41 Die Ethik-Infrastruktur in Deutschland hat ein anderes Gesicht als in den angloamerikanischen Staaten. Reformen im Bereich des Vergaberechts, des Bundesdisziplinarrechts und in der Korruptionsbekämpfung lassen zudem ein „Primat der rechtlichen Regulierung“ erkennen42. Neuregelungen wie das Dienstrechtsneuordnungsgesetz und das Beamtenstatusgesetz unterstreichen diese These. Darin wurden zwar Pflichten und Rechte der Beamten43 systematisch neu gefasst, aber inhaltlich nicht wesentlich verändert. Die jüngere Neufassung der Verschwiegenheitspflicht von Beamten soll es beispielsweise ermöglichen, die Korruption besser zu bekämpfen, vgl. § 67 Abs. 2 BBG, § 37 (1999), S. 63 ff.; Kenneth Kernaghan, The Statement of Principles of the Institute of Public Administration of Canada: The Rationale for its Development and Content, Canadian Public Administration, 30 (1987), S. 331 ff.; Colin A. Hughes, Administrative Ethics, in: G.R. Curnow/R.L. Wettenhall (Hrsg.) Understanding Public Administration, Sidney 1981, S. 194 ff. 38 Behnke, Ethik in Politik und Verwaltung [Fn. 15], S. 29, m. weit. Nachw. Hintergründe zu EGPA abrufbar unter URL: http://www.iias-iisa.org/egpa/e/pages/default.aspx [z. a.: 31. 3. 2012]. 39 Vgl. hierzu Ulrich Battis, Hergebrachte Grundsätze versus Ökonomismus – Das deutsche Beamtenrecht in der Modernisierungsfalle, DÖV 2001, S. 309 ff. [zit.: Hergebrachte Grundsätze], zur Europäisierung siehe derselbe, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl., München 2009, Einleitung, Rn. 31 f. 40 Einen Überblick über den internationalen Entwicklungsstand und die Entwicklungen in einzelnen Ländern bieten Leo W. J. C. Huberts/Jeroen Maesschalck/Carole L. Jurkiewicz (Hrsg.), Ethics and Integrity of Governance. Perspectives Across Frontiers, Cheltenham u. a. O. 2008. In diesem Band sind die Ergebnisse einer internationalen Konferenz, die im Juni 2005 in Leuven unter dem gleichen Titel stattfand, analytisch anhand von Einzelbeiträgen aufbereitet. Siehe auch Jill Wakefield, The Right to Good Administration, Alphen aan den Rijn, 2007. 41 Vgl., statt aller, Karl-Peter Sommermann, Brauchen wir eine Ethik des öffentliches Dienstes? VerwArch 1998, S. 290 ff., mit folgender Quintessenz: „Die ethischen Regeln sollen im Verhältnis zum unbedingt einzuhaltenden Mindeststandard der Rechtspflichten als außerrechtliche Orientierungs- und Stabilisierungsmittel wirken.“ (S. 302). 42 Zitat von Behnke, Ethik in Politik und Verwaltung [Fn. 15], Abschnitt 3.6 auf S. 133; siehe auch die ausführliche Aufbereitung der sog. Ethik-Infrastruktur in Deutschland, ebd., Abschnitt 3, S. 85 ff. 43 Das Dienstrechtsneuordnungsgesetz v. 5. 2. 2009 (BGBl. I, S. 160) führte zu einer Anpassung der betreffenden Gesetze an eine geschlechtergerechte Sprache.

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

Abs. 2 BeamtStG, ebenso die Regelung zur Herausgabe von Schmiergeldern, § 71 Abs. 2 BBG, § 42 Abs. 2 BeamtStG. Auch wenn weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung zum öffentlichen Dienst in der Bundesrepublik bisher ein dezidiertes Bedürfnis zur Normierung ethischer Verwaltungsstandards erkennen lassen, ist gleichwohl im Bereich der verwaltungswissenschaftlichen Forschung seit den 1990er Jahren eine zunehmende Befruchtung der internationalen Ethik-Debatte über die Thematisierung der Bedeutung von öffentlichem Amt und Amtsethos zu beobachten44, insbesondere unter Anknüpfung an die Einführung bzw. Forderung von Maßnahmen des New Public Management.45 Die hier in groben Zügen umrissene Entwicklung bildet die Folie, auf der die zentrale Fragestellung der Untersuchung ansetzt: Es sollen die verfassungsrechtlichen Grundpfeiler der Funktion und Legitimation des öffentlichen Amtes bestimmt und daraus Grundlagen für ein modernes Amtsverständnis entwickelt werden. Unter punktueller Berücksichtigung der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Beamtenverhältnisses sollen zudem Aussagen zum Amtsethos des Beamten getroffen werden.

II. Berufsbeamtentum und das Modell bürokratischer Herrschaft Das Berufsbeamtentum46 in Deutschland bildet den kraft verfassungsrechtlicher Regelung öffentlich-rechtlich organisierten Bestandteil des öffentlichen Dienst44

Zahlreiche Schriften zu der Thematik stammen von Josef Isensee, siehe etwa, Das Amt als Medium des Gemeinwohls in der freiheitlichen Demokratie, in: Gunnar Folke Schuppert/ Friedhelm Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, Berlin 2002, S. 241 ff.; vgl. auch Gunnar Folke Schuppert, Staatswissenschaft, 1. Aufl., Baden-Baden 2003 [zit.: Staatswissenschaft], 3. Kapitel, S. 107 ff.; Battis, Hergebrachte Grundsätze [Fn. 39], S. 313 f. 45 Siehe hierzu den nachfolgenden Abschnitt unter II. 2. 46 Die Literatur zu Status, Entwicklung und Legitimation des Berufsbeamtentums sowie zu unterschiedlichen Einzelaspekten ist in der Breite immens. Umfangreiche Nachweise zum Schrifttum Art. 33 GG betreffend bieten Dieter C. Umbach/Thomas Clemens (Hrsg.), Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Bd. 1, Heidelberg 2002; aktuell Ulrich Battis, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2011, Klaus Joachim Grigoleit, in: Klaus Stern/Florian Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, Köln 2010. Im Übrigen vgl. etwa Helmut Lecheler, Das Berufsbeamtentum – Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, in: Peter Badura/Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, Tübingen 2001, S. 359 ff.; Hans Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, in: Walter Wiese (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Dienstes, Bd. 1, 2. Aufl., München 1993; Rudolf Summer, Das Berufsbeamtentum als Instrument des liberalen Verfassungs- und Rechtsstaats, PersV 1996, S. 241 ff.; derselbe, Dokumente zur Geschichte des Beamtenrechts, Bonn 1986; Bernd Wunder, Die Entstehung des modernen Staates und des

II. Berufsbeamtentum und das Modell bürokratischer Herrschaft

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rechts47. Es ist traditionell das personale Element des bürokratischen Verwaltungsstaates48. Diese Rechtsbeziehung steht im Mittelpunkt der Einführung in die Thematik zu Funktion und Legitimation des Amtes. Beamte können in diesem Sinne als genuines Charakteristikum des modernen Staates bezeichnet werden49, der in seiner historisch gewachsenen, idealtypischen Fundierung auf legaler Herrschaft rationalen Charakters beruht50. Diese Herrschaft Berufsbeamtentums in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert, in: Leviathan (2) 1974, S. 459 ff.; Beiträge in Walter Leisner (Hrsg.), Das Berufsbeamtentum im bürokratischen Staat. Beiträge zum Dienstrecht und zur Dienstrechtsreform, Berlin 1975 [zit.: Berufsbeamtentum]; Walter Leisner, Grundlagen des Berufsbeamtentums, in: Josef Isensee (Hrsg.), Walter Leisner: Beamtentum – Schriften zum Beamtenrecht und zur Entwicklung des öffentlichen Dienstes 1968 – 1991, Berlin 1995, S. 109 ff.; Detlef Merten, Das Berufsbeamtentum als Element deutscher Rechtsstaatlichkeit, ZBR 1999, S. 1 ff.; Monika Jachmann, Zu den Anforderungen an die Verwaltungsorganisation im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes: Die verfassungsrechtliche Funktion des Berufsbeamtentums, VR 2001, S. 145 ff. Zur Legitimation des Berufsbeamtentums vgl. insbesondere Josef Isensee, Beamtentum – Sonderstatus in der Gleichheitsgesellschaft. Bundesrepublikanische Spannungsfelder und Legitimationsprobleme, ZBR 1988, S. 141 ff.; derselbe, Affekt gegen Institutionen – überlebt das Berufsbeamtentum? Die neue Legitimationskrise, ZBR 1998, S. 295 ff.; Rudolf Summer, Gehen wir vorwärts oder gehen wir zurück? – Gedanken zu beamtenpolitischen Modernismen –, ZBR 2002, S. 109 ff.; Ulrich Battis, Hergebrachte Grundsätze [Fn. 39]; Beiträge zu den Verhandlungen des 48. Deutschen Juristentags in Mainz 1970, hrsgg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentags, Bd. II (Sitzungsberichte), München 1970, insbesondere das Referat von Helmut Quaritsch, S. O 34–O 57. 47 Als andere Berufsgruppen sind (neben den arbeitsrechtlich Beschäftigten) Berufsrichter und Berufssoldaten als „bereichsspezifische Modifikationen des Beamtenstatus“ zu nennen, vgl. Josef Isensee, Öffentlicher Dienst, in: Ernst Benda/Werner Maihofer/Hans-Jochen Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2., neubearb. u. erweit. Aufl., Berlin, New York 1994, § 32, Rn. 3; Helmut Lecheler, Der öffentliche Dienst, § 110, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland [zit.: HStR], Bd. V, 3. Aufl., Heidelberg 2007. 48 Nicht nur Gunnar Folke Schuppert geht davon aus, dass „allgemein Konsens darüber besteht, daß Berufsbeamtentum […] und moderner Staat untrennbar zusammen gehören“, derselbe, Verwaltungswissenschaft. Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, 1. Aufl., Baden-Baden 2000 [zit.: Verwaltungswissenschaft], S. 69 ff. (69); ähnlich und pointiert Otto Kimminich: „Die Kenntnis der Tatsache, daß das Beamtentum mit dem modernen Staat in einem begrifflichen Zusammenhang steht und historisch gleichzeitig mit ihm gewachsen ist, gehört in Mitteleuropa zur Allgemeinbildung“, Die Bedeutung des Beamtentums für die Herausbildung des modernen Staates, in: Leisner (Hrsg.), Berufsbeamtentum [Fn. 46], S. 47 ff. (47). 49 Vgl. Isensee, Öffentlicher Dienst [Fn. 47], Rn. 3, 10 ff., 12 ff. 50 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. 5., revidierte Aufl., besorgt von Johannes Winckelmann, Tübingen 1921/1972, Kapitel III, S. 122 ff. Eine werkgeschichtliche Studie hierzu bietet Edith Hanke, Max Webers ,Herrschaftssoziologie‘. Eine werkgeschichtliche Studie, in: Edith Hanke/Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.), Max Webers Herrschaftssoziologie. Studien zur Entstehung und Wirkung, Tübingen 2001, S. 19 ff. Webers Herrschaftssoziologie gehört zum Grundfundus soziologischer Analysen und ist in den letzten Jahren erneut Gegenstand eines intensiven wissenschaftlichen Diskurses geworden.

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

bedeutet im Alltag Verwaltung51. Sie wird, im traditionellen Verständnis, in wesentlichen Bereichen ausgeübt und getragen von der Beamtenschaft. Dieser klassische Befund geht auf Max Webers Untersuchung über die Verfasstheit des modernen Staates zurück, die auf einer Analyse der Legitimationsgrundlage und Beschaffenheit sowie auf einer daraus folgenden Typisierung von Herrschaft52 beruht. Als reine Formen legitimer Herrschaft unterscheidet Weber nach ihrer jeweiligen primären Legitimitätsgeltung solche rationalen, traditionalen und charismatischen Charakters. Rationale Herrschaft beruht laut Weber auf der Legalität gesetzter Ordnungen und auf dem Glauben an das Anweisungsrecht der durch die zur Ausübung der Herrschaft Berufenen. Prägnant ist die untrennbare Verknüpfung einer sachlichen, rationalen und unpersönlichen Ordnung mit dem durch diese bestimmten Regelanwender, der kraft formaler Regelhaftigkeit seiner Herrschaftsausübung – seiner Verwaltungstätigkeit – „nach erlernbaren Routinen handelt, die Berechenbarkeit und Rationalität des Entscheidungsverhaltens vermittelt“53. Dieser Zusammenhang lässt sich als Schlüssel des Weberschen Modells begreifen: rationaler Verwaltungsstaat, bürokratische, „unpersönliche“ Organisation und kompetente Gewaltvollziehung durch den als „zur Ausübung von Herrschaft Berufenen“54 allgemein umschriebenen Typus des Beamten bedingen sich gegenseitig und sind notwendigerweise miteinander verschränkt. Dieses Musterbild der Verwaltungsorganisation, entnommen aus Webers Herrschaftssoziologie, soll den Ausgangspunkt der Betrachtung bilden, in welcher strukturelle Eigenarten des Amtes in der klassischen, ausführenden Verwaltung in der Bundesrepublik in den Blick genommen werden. Da Art. 33 Abs. 4 und 5 Grundgesetz (GG) die Einrichtung des Berufbeamtentums gewährleisten, darin rechtliche Aussagen über die Struktur des öffentlichen Dienstes getroffen und den Beamten die Aufgaben hoheitlicher Befugnisse vorbehalten werden, ist die Ausgestaltung des Dienstrechts in Bund wie in den Ländern im Kern verfassungs-

Vgl. Einleitung zu Hanke/Mommsen, ebd., sowie Stefan Breuer, Max Webers Herrschaftssoziologie, Frankfurt a. M./New York, 1991, vgl. insbesondere ebd. zur Frage, wohin rationale Herrschaft tendiert, S. 221 ff.; jüngeren Datums sind Beiträge in: Andreas Anter/Stefan Breuer (Hrsg.), Max Webers Staatssoziologie: Positionen und Perspektiven, 1. Aufl., Baden-Baden 2007. Zur historischen Entwicklung siehe Kimminich, in: Leisner (Hrsg.), Berufsbeamtentum [Fn. 48], S. 51 ff.; Wunder, Die Entstehung des modernen Staates und des Berufsbeamtentums in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert [Fn. 46], Summer, Dokumente zur Geschichte des Beamtenrechts [Fn. 46]; Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums [Fn. 46], S. 455 ff. 51 Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft [Fn. 50], S. 124 ff. 52 Zum Denken in „Verwaltungstypen“ vgl. die aufschlussreiche Übersicht von Schuppert, Verwaltungswissenschaft [Fn. 48], S. 62 ff. 53 Umschreibung des Modells Max Webers von Schuppert, Verwaltungswissenschaft [Fn. 48], S. 66. 54 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft [Fn. 50], S. 124.

II. Berufsbeamtentum und das Modell bürokratischer Herrschaft

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rechtlich vorgegeben55. Die Rechtsnatur des Amtes kann daher nicht losgelöst von seinen integrierenden rechtlichen, personalen und organisatorischen Strukturen erfasst werden. Eine Zugrundelegung von Webers Modell rationaler Herrschaft macht an dieser Stelle Sinn56 : Das Modell, so die Prämisse, vermittelt einen Grundtypus bürokratischer Verwaltungsorganisation, welcher auch im modernen Verwaltungsstaat des 21. Jahrhunderts der Bundesrepublik Deutschland eine gewisse, im Ergebnis freilich näher zu definierende, Nähe zur Rechtswirklichkeit beanspruchen kann. Im Verlauf der Einbeziehung von Gedanken zur Rechtsnatur des britischen Civil Service wird auf diese Frage nochmals zurückzukommen sein. Es lässt sich die Auffassung vertreten, dass die Schlüsselkomponenten des Modells sich noch heute in der Organisationsstruktur der Verwaltung des Bundes wie der Länder wieder finden. Sollte die These zutreffen, dass die umfassenden Fortentwicklungen im Bereich des modernen Dienstrechts im Zeichen von New Public Management und „schlankem Staat“ keine strukturelle Abkehr vom Kern des von Weber entworfenen Musterbilds darstellten, ließe dies Rückschlüsse für die Ausbildung des Amtsverständnisses der Gegenwart zu.

1. Modellkonzept Bürokratie Ausgangspunkt des Bürokratiemodells Max Webers ist eine typisierende Unterscheidung57 zu Herrschaft, die auf Hingabe an die Heiligkeit oder Heldenkraft einer Person und der durch diese offenbarten oder geschaffenen Ordnungen – Webers Definition charismatischer Herrschaft58 – beruht, sowie zu solcher, dessen primäre 55 Dabei werden im Wesentlichen der Bund und die für die Länder vorgegebenen Grundstrukturen in den Blick genommen. Die Kommunen und kommunale Besonderheiten bleiben weitgehend außerhalb dieser Betrachtung. Als unmittelbar bindendes Bundesrecht verpflichtet Art. 33 GG allerdings nicht nur den Bund, sondern auch die Länder. Zur Frage, ob Art. 33 GG lediglich eine Rahmenvorschrift darstellt vgl. Lecheler, Der öffentliche Dienst [Fn. 47], Rn. 11. 56 Luhmann: „Das Bürokratiemodell Max Webers ist ein vertrauter und bewährter Erkenntnisbesitz […].“ Einführender Satz in Niklas Luhmann, Zweck – Herrschaft – System. Grundbegriffe und Prämissen Max Webers, Der Staat 3 (1964), 129 ff. (129). Dieser (relative) Konsens besteht, ungeachtet aller kritischen Auseinandersetzungen mit Webers Werk und Webers Thesen, auch heute fort. 57 Freilich betont Weber, dass keiner dieser drei genannten Idealtypen „historisch wirklich ,rein‘ vorzukommen pflegt“, Wirtschaft und Gesellschaft [Fn. 50], S. 124. 58 Der geistes- und kirchengeschichtliche Hintergrund „charismatischer“ Herrschaft (aus „Gnadengabe“) wird in dieser Arbeit nicht näher untersucht. Die Grundzüge charismatischer Herrschaftsorganisation sind in einer Konzeption Rudolf Sohms hergeleitet worden. Weber beruft sich in seiner Herrschaftssoziologie expressis verbis auf das 1892 in Leipzig veröffentlichte „Kirchenrecht“ Sohms sowie auf eine Studie von Karl Holl, Enthusiasmus und Bußgewalt beim griechischen Mönchtum. Eine Studie zu Symeon dem neuen Theologen, Leipzig 1898. Holl verweist in seinem Werk auf das „Charisma“ der Mönche, die sich durch Wunder bewähren müssen, um die Wertschätzung der Laien zu erringen, ebd., S. 150 ff.

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

Legitimitätsgeltung der Alltagsglaube an die Heiligkeit von jeher geltender Traditionen ist – traditionale Herrschaft. Durch diese Gegenüberstellung gewinnt die Vorstellung von rationaler Herrschaft als konkrete Vollziehung abstrakter, für eine Vielzahl von Fällen gesetzter Regeln eine an den Faktoren Rechtssicherheit, Kontinuität und Berechenbarkeit orientierte Kraft der Legitimität. Eine in diesem Sinne moderne Form rationaler Herrschaft ist nach Weber: „1. ein kontinuierlicher regelgebundener Betrieb von Amtsgeschäften, innerhalb: 2. einer Kompetenz (Zuständigkeit), welche bedeutet: a) einen kraft Leistungsverteilung sachlich abgegrenzten Bereich von Leistungspflichten, b) mit Zuordnung der etwa dafür erforderlichen Befehlsgewalten und c) mit fester Abgrenzung der eventuell zulässigen Zwangsmittel und der Voraussetzungen ihrer Anwendung. Ein derart geordneter Betrieb soll ,Behörde‘ heißen. […] Dazu tritt 3. das Prinzip der Amtshierarchie, d. h. die Ordnung fester Kontroll- und Aufsichtsbehörden für jede Behörde mit dem Recht der Berufung oder Beschwerde von den nachgeordneten an die vorgesetzten. Verschieden ist dabei die Frage geregelt, ob und wann die Beschwerdeinstanz die abzuändernde Anordnung selbst durch eine ,richtige‘ ersetzt oder dies dem ihr untergeordneten Amt, über welches Beschwerde geführt wird, aufträgt. 4. Die Regeln, nach denen verfahren wird, können – technische Regeln, – Normen sein. Für deren Anwendung ist in beiden Fällen, zur vollen Rationalität, Fachschulung nötig. Normalerweise ist also zur Teilnahme am Verwaltungsstab eines Verbandes nur der nachweislich erfolgreich Fachgeschulte qualifiziert und darf nur ein solcher als Beamter angestellt werden. ,Beamte’ bilden den typischen Verwaltungsstab rationaler Verbände, seien dies politische, hierokratische, wirtschaftliche (insbesondere: kapitalistische) oder sonstige.

Auch Fritz Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, Leipzig 1914, wird Weber vermutlich bei der Entwicklung seines Herrschaftstypus’ herangezogen haben. Hier geht es im Wesentlichen um Herrscherweihen und die dem Monarchen zufallende kirchliche Herrschaftsbestätigung durch das „Charisma der Salbung“ (S. 174). Zu den theoretisch-historischen Grundlagen vgl. Thomas Kroll, Max Webers Idealtypus der charismatischen Herrschaft und die zeitgenössische Charisma-Debatte, in: Edith Hanke/ Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.), Max Webers Herrschaftssoziologie. Studien zur Entstehung und Wirkung, Tübingen 2001, S. 47 ff. Für den Fortgang dieser Arbeit wesentlich ist die Erkenntnis, die Weber – dank der Sohmschen Theorie und anderer – gewonnen hat: Dem religiös und kirchengeschichtlich verwurzelten Charisma liegt ein eigenständiges Autoritätsprinzip zugrunde, das sich in Herrschafts- und Machtausübung manifestiert und von Weber zu einer universalen Legitimitätsgrundlage von Herrschaft konzipiert wurde.

II. Berufsbeamtentum und das Modell bürokratischer Herrschaft

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5. Es gilt (im Rationalitätsfall) das Prinzip der vollen Trennung des Verwaltungsstabs von den Verwaltungs- und Beschaffungsmitteln. Die Beamten, Angestellten, Arbeiter des Verwaltungsstabs sind nicht im Eigenbesitz der sachlichen Verwaltungs- und Beschaffungsmittel, sondern erhalten diese in Natural- oder Geldform geliefert und sind rechnungspflichtig. Es besteht das Prinzip der vollen Trennung des Amts- (Betriebs-) Vermögens (bzw. Kapitals) vom Privatvermögen (Haushalt) und der Amtsbetriebsstätte (Bureau) von der Wohnstätte. 6. Es fehlt im vollen Rationalitätsfall jede Appropriation der Amtsstelle an den Inhaber. Wo ein ,Recht‘ am ,Amt‘ konstituiert ist (wie z. B. bei Richtern und neuerdings zunehmenden Teilen der Beamten- und selbst der Arbeiterschaft), dient sie normalerweise nicht dem Zweck einer Appropriation an den Beamten, sondern der Sicherung der rein sachlichen (,unabhängigen‘), nur normgebundenen, Arbeit in seinem Amt. 7. Es gilt das Prinzip der Aktenmäßigkeit der Verwaltung, auch da, wo mündliche Erörterung tatsächlich Regel oder geradezu Vorschrift ist: mindestens die Vorerörterungen und Anträge und die abschließenden Entscheidungen, Verfügungen und Anordnungen aller Art sind schriftlich fixiert. Akten und kontinuierlicher Betrieb durch Beamte zusammen ergeben: das Bureau, als den Kernpunkt jedes modernen Verbandshandelns. 8. Die legale Herrschaft kann sehr verschiedene Formen annehmen, von denen später gesondert zu reden ist. Im folgenden wird zunächst absichtlich nur die am meisten rein herrschaftliche Struktur des Verwaltungsstabes: des ,Beamtentums‘, der ,Bureaukratie‘, idealtypisch analysiert.“59

In einem weiteren, verfeinerten Konstruktionsschritt entwickelt Weber, auf diesem Modellansatz aufbauend, den Typus der legalen Herrschaft mittels eines bürokratischen Verwaltungsstabes, in dem das Amt und der die Verwaltung tragende einzelne Amtsträger stärker in den Mittelpunkt rücken. Letzterer soll nach Weber an sachliche Amtspflichten gebunden, einer geregelten Amtshierarchie unterworfen, mit festen Amtskompetenzen ausgestattet und nach Fachqualifikation rekrutiert sein, mit Alimenten bezahlt werden, seinen Beruf nicht „honoratiorenmäßig“, sondern hauptamtlich ausführen, abhängig von Lebensalter, Leistung und der Beurteilung des Vorgesetzten in einer Laufbahn aufrücken, in ökonomischer Trennung von den Verwaltungsmitteln arbeiten können und schließlich einem strengen, einheitlichen Kontroll- und Disziplinarsystem unterliegen60. Es ist virulent, dass Weber seine im Wege der soziologischen Analyse gewonnenen Kriterien rational-bürokratischer Herrschaft nicht lediglich auf rein empirisch gewonnene Daten tatsächlich wirksamer Handlungsdeterminanten stützt, welche die Operationsweise von bürokratischen Strukturen bestimmen, sondern im Kern mit juristischen Prinzipien und Kategorien operiert, und zwar mit solchen des öffentlichen, des Verwaltungs- und des Beamtenrechts61. Besonders deutlich wird dies im 59

Weber, Wirtschaft und Gesellschaft [Fn. 50] S. 125 – 126 (Hervorhebungen im Original). Weber, Wirtschaft und Gesellschaft [Fn. 50] S. 126 – 127. Wortlaut im 5. Kapitel dieser Arbeit. 61 Eine rechtliche Binnendifferenzierung der Kriterien Webers ist an dieser Stelle nicht notwendig. 60

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Kompetenzzuweisung an die Behörde als eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt62, in den Prinzipien der Amtshierarchie und der Regelhaftigkeit und Normgebundenheit des Amtsgeschäftes sowie in der Institutionalisierung eines regelgebundenen Kontroll- und Disziplinarsystems. Webers Merkmale lassen sich als Strukturprinzipien eines bürokratisch organisierten, rational operierenden Verwaltungsstaates begreifen.63 Die verfassungsrechtliche Klammer zu „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ bildet Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes.

2. Hergebrachte Grundsätze versus Modernisierung Gemäß Art. 33 Abs. 5 GG ist das „Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln“64. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums geben den flexiblen rechtlichen Rahmen für die Entwicklung und Gestaltung des öffentlichen Dienstrechts der Bundesrepublik. Zugleich sind Veränderungen gemäß der

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Vgl. § 35 VwVfG. Ebenso, ausdrücklich, Schuppert, Verwaltungswissenschaft [Fn. 48], S. 66 ff. 64 Mit der im Zuge der Föderalismusreform durch Gesetz vom 28. August 2006, BGBl. I, S. 2034 eingefügten sog. Fortentwicklungsklausel (Ergänzung des Art. 33 Abs. 5 GG um die Worte „und fortzuentwickeln“) werden den Ländern (durch das Gebot der amtsangemessenen Besoldung und Versorgung) beschränkte Gestaltungsspielräume für den Bereich der Besoldung und Versorgung eröffnet. Der Bund kann wie bisher seine besondere Verantwortung für das Dienstrecht gemäß des mit o. g. Gesetz neu aufgenommenen Kompetenztitels der konkurrierenden Gesetzgebung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG hinsichtlich der Statusrechte und -pflichten ausüben, vgl. BeamtStG vom 17. 6. 2008. Im Übrigen eröffnet die Fortentwicklungsklausel des Art. 33 Abs. 5 GG dem Bund und den Ländern keine weiteren Fortentwicklungsmöglichkeiten als sie bisher schon bestanden, Ulrich Battis, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2011, Art. 33 [zit.: Grundgesetz], Rn. 61 a. Im Ergebnis ebenso Wolfram Höfling/Christian Burkiczak, Die Garantie der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums unter Fortentwicklungsvorbehalt – Erste Überlegungen zur Änderung von Art. 33 Abs. 5 GG, DÖV 2007, S. 328 ff. [zit.: Erste Überlegungen]. Zur Föderalismusreform allgemein siehe Michael Nierhaus/Sonja Rademacher, Die große Staatsreform als Ausweg aus der Föderalismusfalle?, LKV 2006, 385 ff. Die Autoren kommen zu dem Fazit, dass mit der Verabschiedung der Föderalismusreform immerhin ein Schritt in die richtige Richtung gelungen, wenn auch nur ein Minimalkonsens zustande gekommen sei (S. 395). Zur Statusgesetzgebung des Bundes nach der Föderalismusreform siehe Ulrich Battis/Klaus Joachim Grigoleit, Die Statusgesetzgebung des Bundes – Dienstrechtliche Gesetzgebungskompetenz und Gesetzgebungspflicht des Bundes nach der Föderalismusreform, ZBR 2008, S. 1 ff. [zit.: Statusgesetzgebung]. Die fiskalische Dimension der Modernisierung von Staats- und Verwaltungsstrukturen als Hintergrund der Föderalismusreform I betont Roland Koch, Das öffentliche Dienstrecht nach der Föderalismusreform I, DVBl. 2008, S. 805 ff., der den gesetzgeberischen Hintergrund der Fortentwicklungsklausel herausarbeitet. 63

II. Berufsbeamtentum und das Modell bürokratischer Herrschaft

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sog. Fortentwicklungsklausel nur insoweit verfassungsrechtlich zulässig, als sie nicht in den Kernbestand der Strukturprinzipien eingreifen65. Auf die Debatte, in jüngerer Zeit im Zuge der Föderalismusreform erneut leidenschaftlich diskutierte Frage, „warum oder ob es Beamte geben muss“, wird im Rahmen dieser Untersuchung nicht im Einzelnen einzugehen sein. Die Argumente hierzu sind im Wesentlichen ausgetauscht66. Aus steuerungsrechtlicher und demokratietheoretischer Sicht spricht viel dafür, jedenfalls am Kern des Konzepts des Berufsbeamtentums festzuhalten67. Art. 33 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 GG bietet hinreichend personalsteuernde und damit auch inhaltliche Gestaltungsspielräume für den demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgeber, verbietet aber eine Abkehr von den Essentialia der Struktur des Berufsbeamtentums68. 65 BVerfGE 117, S. 330 ff. (348 f.). Siehe hierzu Nicolai Panzer, Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum öffentlichen Dienstrecht zwischen Bewahrung und Fortentwicklung, DÖV 2008, S. 707 ff. (708 ff.). Ebenso Wolfram Höfling/Christian Burkiczak, Erste Überlegungen [Fn. 64], S. 334, betonend, dass die Entstehungsgeschichte zur Einfügung der Fortentwicklungsklausel für die Annahme einer ausgesprochen restriktiven Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum streite und sich deren Aussagegehalt vor allem in dieser negativen Hinsicht erschöpfe. Insbesondere tauge die Fortentwicklungsklausel nicht dazu, die hergebrachten Grundsätze des Berufbeamtentums in Frage zu stellen (ebd., S. 334). Für eine Abschaffung des Art. 33 Abs. 4 und 5 GG wiederholt Hans Peter Bull, jüngst: Die Zukunft des Beamtentums: Zwischen Recht und Politik, Staats- und Verwaltungslehre, Die Verwaltung 2009, S. 1 ff. 66 Zu den verschiedenen rechtspolitischen Vorschlägen vgl. statt vieler Wolfram Höfling/ Christian Burkiczak, Erste Überlegungen [Fn. 64], S. 329 ff. Zum Vorschlag der unter der Leitung von Hans Peter Bull eingerichteten Kommission, die zweispurige Differenzierung zwischen Beamten und sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes aufzugeben und ein einheitliches Beschäftigungsmodell auf privatrechtlicher Grundlage zu schaffen, siehe Bericht der von der Landeregierung Nordrhein-Westfalen eingesetzten Kommission „Zukunft des öffentlichen Dienstes – öffentlicher Dienst der Zukunft“, Düsseldorf 2003 (sog. Bull-Kommission), zusammengefasst bei Bull, Das öffentliche Dienstrecht in der Diskussion, DÖV 2004, S. 155 ff. sowie derselbe, Positionen, Interessen und Argumente im Streit um das öffentliche Dienstrecht, Die Verwaltung (37) 2004, S. 327 ff.; kritisch etwa Rudolf Summer, Aussage durch Nichtaussage – Gedanken zu einem seltsamen Papier, ZBR 2003, S. 365 ff. Für ein einheitliches Dienstrecht auch Ingo v. Münch, Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen Dienstrechts, Rechtsgutachten, Studienkommission für die Reform des Öffentlichen Dienstrechts, Bd. 5, Baden-Baden 1973, S. 141; Zur Gegenposition allgemein siehe statt aller etwa Monika Jachmann, Das Berufsbeamtentum – Säule der Rechtsstaatlichkeit?, ZBR (2000), S. 181 ff.; Rudolf Summer, Gehen wir vorwärts oder gehen wir zurück? ZBR 2002, S. 109 ff.; Barbara Remmert, Warum muss es Beamte geben? JZ 2005, S. 53 ff.; resümierend Wolfgang Loschelder, Der Kampf um das Berufsbeamtentum – zum wievielten Mal? ZBR 2004, S. 12 ff. sowie Andreas Voßkuhle, Personal, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann/ derselbe (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, München 2009, § 43 [zit: Grundlagen], Rn. 20 ff. m. zahlr. weit. Nachw. 67 So das Fazit der personal- und verfassungsrechtlichen Analyse von Voßkuhle, Grundlagen [Fn. 66], Rn. 32 und 122. 68 Nachdrücklich Battis, Grundgesetz [Fn. 64], Art. 33, Rn. 67, siehe auch Rn. 68 sowie, zur mit den Reformvorschlägen einhergehenden Forderung einer Abschaffung des Dienst- und Treueverhältnisses, Rn. 61a. Im Ergebnis zustimmend Voßkuhle, Grundlagen [Fn. 66], Rn. 20 ff. Siehe BVerfGE 119, S. 247 ff. (272 f.; S. a. Sondervotum S. 287 ff.).

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

Art. 33 Abs. 5 GG enthält einen Kernbestand von Strukturprinzipien69, die verfassungsmäßig garantiert sind und auch in Zukunft erhalten bleiben müssen, dabei einer konkretisierenden Weiterentwicklung des Beamtenrechts jedoch nicht entgegen stehen. Ungeachtet einer Festlegung, was im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers im Einzelnen ein hergebrachter Grundsatz sei, kann man dem von Franz Mayer in seinem Gutachten für die Studienkommission zur Reform des öffentlichen Dienstrechts nach Durchsicht von Rechtsprechung und Literatur aufgestellten Katalog hergebrachter Grundsätze solche entnehmen, die als besonders traditionsreich und essentiell gelten: – das Beamtenverhältnis ist als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis konzipiert – es besteht eine besondere öffentlich-rechtliche Dienstpflicht, die als einseitige Regelung per Gesetz, nicht durch Vertrag geregelt ist – insbesondere gelten das Laufbahnprinzip, die Hauptberuflichkeit und die fachliche Vorbildung – die Pflicht zum amtsmäßigen persönlichen Verhalten (Amtsverschwiegenheit und achtungswürdiges Verhalten) – das Lebenszeitprinzip – das Leistungsprinzip – das Alimentationsprinzip70. Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt diese Zusammenstellung als wesentlich an: „Als hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums galten bereits unter der Weimarer Reichsverfassung u. a. die Pflicht zu Treue und Gehorsam gegenüber dem Dienstherrn und zu unparteiischer Amtsführung, fachliche Vorbildung, hauptberufliche Tätigkeit, lebenslängliche Anstellung, Rechtsanspruch auf Gehalt, Ruhegehalt, Witwen- und Waisenversorgung.“ Der jeweilige hergebrachte Grundsatz sei „in seiner Bedeutung für die Institution des Berufsbeamtentums in der freiheitlichen rechts- und sozialstaatlichen Demokratie zu würdigen“. Davon hänge ab, in welchem Ausmaß und in welcher Weise er zu beachten sei.71 69

BVerfGE 8, S. 332 ff. (343). Vgl. Franz Mayer, Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen Dienstrechts, Rechtsgutachten, Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bd. 5, Baden-Baden 1973, S. 607 f. Eine umfassende Auflistung unter Bezug auf Franz Mayer sowie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bietet etwa Battis, in: Grundgesetz [Fn. 64], Art. 33, Rn. 71 f. 71 BVerfGE 9, S. 268 ff. (286, alle Zitate dieses Absatzes). Nach der maßgeblichen Definition des BVerfG sind unter hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums der „Kernbestand von Strukturprinzipien“ zu verstehen, „die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind“, BVerfGE 8, S. 332 ff. (343); nahezu wortgleich E 83, S. 89 ff. (98). Das Bundesverfassungsgericht macht damit Rechtslagen, die unter der Weimarer Reichsverfassung bestanden, zum Verfassungsinhalt. Kritisch zum Bezug zur Weimarer Zeit mit Blick auf den damals in der Rechtslehre verbreiteten Gedanken, 70

II. Berufsbeamtentum und das Modell bürokratischer Herrschaft

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Neben einem kennzeichnenden historischen Bezug auf die Entwicklung des Berufsbeamtentums – anknüpfend an die Tradition des liberalen bürgerlichen Rechtsstaats, wie er sich im 19. Jahrhundert allmählich herausgebildet hat und in der Weimarer Reichsverfassung seinen Niederschlag gefunden hat72, jedoch relativiert durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Vereinbarkeit mit der grundgesetzlichen Verfassungsordnung73 – weisen die vom höchsten deutschen Gericht aufgestellten Kriterien eine enge Verbindung zu der rechtlichen Beschaffenheit, der Struktur und den „Funktionen“ des öffentlichen Dienstes im demokratischen Verfassungsstaat auf. Es lässt sich zuspitzend formulieren, dass wesentliche Handlungsund Organisationskomponenten des bürokratischen Strukturmodells Max Webers auch im verfassungsrechtlich determinierten Konzept hergebrachter Grundsätze des Berufsbeamtentums abgebildet sind und damit im Kern auch die Struktur des öffentlichen Dienstes der Gegenwart prägen. Diese Struktur wird ihrerseits wesentlich flankiert von der rechtsförmigen Ausgestaltung des verwaltenden Staates. Es ist evident, dass der Grad der Berechenbarkeit der das Recht garantierenden und erzwingenden Organträgerschaft in ihrem Einfluss und Wirkbetrieb mitbestimmt wird von den rechtlichen Strukturen des jeweiligen Verwaltungssystems im Gefüge des Verfassungsstaats. a) Kritik am traditionellen Bürokratiemodell und Referenzpunkt Civil Service Max Webers Merkmale rational-bürokratischer Verwaltung lassen sich nur bedingt als Strukturprinzipien der Verwaltung des modernen Rechtsstaats begreifen. Dessen Kennzeichnung bürokratischer Verwaltung als „rein technisch zum Höchstmaß der Leistung vervollkommenbare“ und insofern „formal rationalste […] Form der Herrschaftsausübung“74 beruht idealtypisch auf einer präzisen, stetigen, berechenbaren, methodischen, lückenlos effizienten und insofern „unerbittlichen“ Anwendung von Rechtsnormen75. Der Amtsinhaber untersteht damit modellhaft in jedem Augenblick seiner rechtsanwendenden Handlungen Prämissen, die ihm selbst nicht zur Disposition stehen76. Diese Prämissen stellen sich nicht nur in den anzuwendenden Normen selbst und in der zur Anwendung notwendigen Methode der Subsumtion dar, sondern sie spiegeln sich auch im gesamten System der so orgadas Berufbeamtentum vertrete die „Staatsidee“ Rudolf Summer, Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums – ein Torso, ZBR 1992, S. 1 ff. Der Frage, inwiefern Amtsträger als Vertreter der Staatsidee zu bezeichnen sind, widmet sich unten das 3. Kapitel, Abschnitt II. 3. 72 BVerfGE 5, S. 85 ff. (197). 73 Nachdrücklich Monika Jachmann, in: Hermann v. Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl., München 2010, Art. 33 Abs. 5, Rn. 43. 74 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft [Fn. 50], S. 128 (beide Zitate). 75 Claus Offe, Rationalitätskriterien und Funktionsprobleme politisch-administrativen Handelns, in: Leviathan, Zeitschrift für Sozialwissenschaft 1974, S. 333 ff. (333). 76 Siehe Offe, ebd.

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

nisierten und strukturierten bürokratischen Herrschaft wider. Deutlich wird dies beispielsweise am Prinzip der Aktenmäßigkeit, am Prinzip der Hierarchie und an dem der Arbeitsteilung: „Entscheidungen, Verfügungen und Anordnungen sind schriftlich fixiert“77. Nicht die vertrauliche Mitteilung, nicht selbstständige Erkundigung oder gar Vermutung – ebenso wenig die eigene politische Grundüberzeugung oder der persönliche ethische Wertekanon – bilden und bestimmen nach dem Modell die nach außen wirksame Handlung, die Entscheidung des Amtsträgers, sondern allein das, was in Schriftform vorliegt. Hierarchie und Arbeitsteilung sollen erreichen, dass stets gewährleistet sei, welche Entscheidung von welcher Person getroffen wird. Alimentations-, Lebenszeit- und Laufbahnprinzip (verbunden mit dem Streikverbot) sollen bewirken, dass nicht die eigene ökonomisch-soziale Situation des Beamten bestimmend wird für seine Handlungen. Dieser agiert danach unter zeitlich generalisierter Kompetenzvermutung. Er wird, so eine Zielrichtung des Bürokratiemodellkonzepts, unbestechlich78. Zentrales Fundament dieses insofern „rationalitätstheoretischen“ Modells bleibt die „Unumstößlichkeit“ der inhaltlichen Prämissen des Handelns, der Gehorsam gegenüber den allgemeinen Regeln des positivierten Rechts: „Die Legalität ist der Funktionsmodus der Bürokratie.“79 Die formale Rationalität des Weberschen Handlungsmodells beruht also auf einer Organisation staatlicher Herrschaft, die eine unverfälschte und insofern effiziente Durchsetzung des positiven Rechts arrangiert. Dieses Ergebnis soll, jedenfalls bestmöglich, dadurch erreicht werden, indem bestimmte Risiken innerhalb des bürokratischen Verfahrens minimiert werden. Weder zusätzliche Handlungsmotive sollen diesen Prozess erschüttern, noch sollen ihn abweichende Bedingungen kontaminieren. Die Legitimität dieses insoweit mit positivistischem Denk- und Organisationsmodus ausgestatteten Herrschaftssystems beruht auf dem Glauben an ein regulativ bedingtes und begrenztes Recht zur allgemeinen Regelsetzung und konkreten Anweisung80. Weber operiert dabei mit einem Zweck/Mittel-Schema, das sich auf Grundlage der klassischen Organisationslehre wie folgt beschreiben lässt: Die Rationalität der Herrschaft misst sich nach ihrer Eignung als Mittel für beliebige, änderbare Zwecke. Diese Eignung setzt voraus, dass Herrschaftsausübung 77

Weber, Wirtschaft und Gesellschaft [Fn. 50], S. 126. Diese Aussage indiziert bereits den Widerspruch: Die Praxis zeigt häufig das Gegenteil. Schon der „idealtypische“ Ansatz macht daher die Beleuchtung der normativen Grundlagen des Amtes im Verfassungsstaat notwendig, nicht zuletzt mit Blick auf die aus heutiger Sicht enormen Veränderungen der rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen und soziokulturellen Prämissen des klassischen Bürokratiemodells. 79 Offe, Rationalitätskriterien und Funktionsprobleme politisch-administrativen Handelns [Fn. 76], mit einem Zitat von Carl Schmitt, S. 333. 80 Dieser Begriff wird an dieser Stelle in einem übergreifenden Sinne verwendet und soll ungeachtet aller normativen Differenzierung alle rechtlich determinierten Arten der verbindlichen, innerdienstlichen Kommunikation von „oben nach unten“ umfassen. 78

II. Berufsbeamtentum und das Modell bürokratischer Herrschaft

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als zuverlässige Willensübertragung durch Regel, Anweisung (Weber: „Befehl“81) oder Entscheidung verstanden wird, der von vornherein – in bestimmten Grenzen und aus definierbaren Gründen – eine „Pauschalakzeptierung“82 der Beteiligten voraus geht. Handlungsprämissen und handelnde Akteure sind auf diese Weise miteinander verknüpft. An der Spitze der verwaltenden Einheit wird ein Zweck gesetzt und die Handlungen, die als Mittel dazu erforderlich sind, werden „Untergebenen als Aufgabe zugewiesen“; die hierarchische Struktur bewirkt sodann eine Delegation „an Unterinstanzen usw., bis der Boden der Hierarchie“, die bloße Ausführungshandlung erreicht ist83. Der von seinem Vorgesetzten mit einem bestimmten Arbeitsauftrag Angewiesene erfüllt seine Aufgabe in dem dafür vorgesehenen Rahmen. Derart verstandene rationale Herrschaft bewirkt – so das Ideal – unverfälschte Normdurchsetzung84. Das Ideal des Modellbilds wird insbesondere unter Hinweis auf die Komplexität der „modernen“ Anforderungen an das Verwaltungshandeln, die planerisches, vorbereitendes Handeln, die Reflexion von Ressourcen, die Einbeziehung verschiedener Akteure, die Prüfung und die Prognose sowohl der politischen Durchsetzbarkeit und Akzeptanz, als auch der Relevanz für andere Rechtsbereiche sowie die Herstellung eines politischen Konsenses beinhalten können, in Zweifel gezogen.85 Bestimmte Grundannahmen des Modells relativieren ebenfalls das Ideal. So bildet das klassische Bild der vertikalen Kette hierarchischer Entscheidungsfindung „von oben nach unten“ die Wirklichkeit des modernen Verwaltungsstaates nur unzureichend ab. Der wachsende Bedarf an spezialisiertem Fachwissen kann dazu führen, dass „Untergebene sachverständiger sind als ihre Vorgesetzten“86. Auch die dienstlich erforderlichen Außenbeziehungen einfacher Amtswalter widersprechen dem traditionellen Organisationsbild, dass aller „Außenverkehr“87 von der Verwaltungsspitze aus geleitet wird. Zudem gewinnen der Berichtsweg „von unten nach oben“ und Vorgänge vor der formalen, außenwirksamen Entscheidung stärkeres Gewicht, so dass formal zugewiesene übergeordnete Kompetenz und faktischer Einfluss auf Ent-

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Weber, Wirtschaft und Gesellschaft [Fn. 50], S. 125. Luhmann, Zweck – Herrschaft – System. Grundbegriffe und Prämissen Max Webers [Fn. 56], S. 132. 83 Luhmann, ebd., S. 140 (ebd. beide Zitate). 84 Vgl. nur Luhmann, ebd., m. weit. Nachw. zur Hierarchiekritik aus den zwanziger Jahren bis zum Erschienen seines Beitrags (1964), S. 140. 85 Zur Bedeutung der Kriterien der politischen Durchsetzbarkeit, der Akzeptanz und des politischen Konsenses insbesondere Offe, Rationalitätskriterien und Funktionsprobleme politisch-administrativen Handelns [Fn. 76], S. 338 ff. Offe erwägt daher, den Gesichtspunkt des politischen Konsenses – neben denen der legalen Norm-Konformität und der Zweckmäßigkeit – als eine „dritte Quelle für mögliche Kriterien der ,Richtigkeit’ des administrativen Handelns“ zu bezeichnen (ebd., S. 339). 86 Luhmann, Zweck – Herrschaft – System. Grundbegriffe und Prämissen Max Webers [Fn. 56], S. 141. 87 Luhmann, ebd., S. 142. 82

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

scheidungen weit auseinander fallen können und die formale Hierarchie die Komplexität der Entscheidungsfindung nicht ohne weiteres widerspiegelt88. Als ein gemeinsamer Nenner der systemtheoretischen Kritik am Weberschen Herrschaftssystem lässt sich im Schwerpunkt anführen, dass der Blickwinkel des Modells weitgehend auf den internen Vorgang beschränkt sei89. Es ist heute vertrauter Erkenntnisbesitz, dass Weber im Fokus seines rationalen Herrschaftsmodells wesentliche gesellschaftliche „Umweltbeziehungen“ des Systems seiner Analyse außen vor gelassen hat. Sein Modell setzt im Ansatz ein „Kontinuum zwischen der Rationalität bürokratischen Handelns“, den Handlungsprämissen und dem Apparat, der die Handlungen vollzieht, voraus90. In der Konsequenz bleiben damit bestimmte Rückwirkungen aus dem Verhältnis „Umwelt/System“ auf das Verhalten Einzelner innerhalb der Herrschaftsorganisation im Dunkeln. Insofern ist fraglich, ob eine dem Weberschen Idealtypus bürokratischer Verwaltung entsprechende Organisation staatlicher Herrschaft auch in dem Sinne rational ist oder sein kann, dass sie den funktionalen Bedürfnissen der gesellschaftlichen Umwelt und dem Legitimationsbedürfnis der betroffenen Adressaten bürokratischer Entscheidungen genügt. Umgekehrt betrachtet bestehen Zweifel, ob und inwiefern die strukturellen Erfordernisse der gesellschaftlichen „Umwelt“ mittels einer im Weberschen Sinne bürokratisch organisierten Verwaltung bedient werden können bzw. erfüllt werden müssen. Wenn man daher den Beitrag gesellschaftspolitischer Bedingungen mit dem Weberschen 88 Vgl. Luhmann, Zweck – Herrschaft – System. Grundbegriffe und Prämissen Max Webers [Fn. 56], S. 142 f. 89 Es wird hier nicht übersehen, dass Weber sein Modell nicht als uneingeschränkt effiziente, praxisbezogene Handlungsempfehlung entworfen hat. Weber selbst hat die Disfunktionalitäten von Bürokratie in seinen politischen Schriften thematisiert, vgl. dazu Max Weber, Politik als Beruf, in: Johannes Winckelmann (Hrsg.), Gesammelte Politische Schriften, 5. Aufl., Tübingen 1988, S. 505 ff. Es kann hier letztlich offen bleiben, ob die Kennzeichnung der vielschichtigen und in Teilen uneinigen organisationstheoretischen Auseinandersetzung mit Weber als „Fehlinterpretation“ des Weberschen Bürokratie- und Herrschaftsmodells im Kern zutrifft oder zu kurz greift. Siehe hierzu Christoph Reichard, Von Max Weber zum „New Public Management“. Verwaltungsmanagement im 20. Jahrhundert, in: Peter Hablützel/Theo Haldemann u. a. (Hrsg.), Umbruch in Politik und Verwaltung: Ansichten und Erfahrungen zum New Public Management in der Schweiz, Bern 1995, S. 57 ff. (58). 90 Vgl. Offe, Rationalitätskriterien und Funktionsprobleme politisch-administrativen Handelns [Fn. 76,] S. 334 (Zitat auf S. 334), der das „begriffliche Kontinuum“ zu einem „welthistorischen Rationalisierungsprozeß“ sieht (S. 334). Von Luhmann stammt die These, Weber sei von der Prämisse ausgegangen, dass es nur eine richtige, idealtypische oder optimale Form innerer Systemrationalität gäbe und sich mit Erreichen dieser inneren Rationalität zugleich eine harmonische Beziehung zur gesellschaftlichen Umwelt einstelle: Luhmann, Zweck – Herrschaft – System. Grundbegriffe und Prämissen Max Webers [Fn. 56], S. 132 – 133. Ob Weber seinem Model, zumindest jenseits seiner politischen Schriften, eine solche, positivistisch überspannte Grundannahme zugrunde gelegt hat, wird hier nicht abschließend zu beantworten sein. Dies erscheint auch nicht notwendig, denn in dieser Untersuchung interessiert eine rechtlich greifbare Kategorie der Rationalität, die das Amtsethos flankiert. Mit dem aus erkenntnistheoretischer Sicht erstrebenswertem Ziel, gesellschaftliche „Harmonie“ zu erreichen, würde eine Ethik kategorisiert, die sich sowohl dem Erkenntnisinteresse als auch dem Anwendungsbereich dieser Analyse entzieht.

II. Berufsbeamtentum und das Modell bürokratischer Herrschaft

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Rationalitätsbegriff in Beziehung setzt, so stehen möglicherweise bestimmte Merkmale rational-bürokratischer Herrschaft diesen (veränderten) Bedingungen entgegen. Solche Wechselverhältnisse zwischen Binnenstruktur (auch einer solchen, die ihrem zum Idealmodell bürokratischer Herrschaft erhobenen Sollschema genügt) einerseits und gesellschaftlicher Umweltbeziehung und daraus resultierenden funktionalen Erfordernissen andererseits, können in vielfältiger Weise bestehen. Dies gilt um so mehr in einer zunehmend globalisierten sowie ökonomisierten Gesellschaft. Angesichts des Organisationswandels öffentlicher Aufgabenwahrnehmung, einer Zunahme von öffentlich-rechtlich-privaten Kooperationsbeziehungen, eines andauernden Reformprozesses im Dienst- und Verwaltungsrecht und insofern möglicherweise auch einer Neujustierung des Verhältnisses von Staat und Bürger im „aktivierenden“ oder „kooperativen Staat“91, werden eine zunehmende Ausdifferenzierung administrativen Verwaltungshandelns, veränderte Rahmenbedingungen sowie eine veränderte Erwartungshaltung der Bürger erkennbar. Reichard hat diesen Wandel wie folgt in Stichworten zusammengefasst: – Aufgabenwandel von der Ordnungs- zur Leistungs- und Planungsverwaltung – gestiegene Komplexität politisch-administrativer Problemstellungen – sich verschärfender nationaler und internationaler Standortwettbewerb (Verwaltungsleistung als „weicher“ Standortfaktor) – Wandel der Werte und der Einstellungen von Bürgern und Verwaltungsmitarbeitern (postmaterielle Orientierungen) – gestiegene Ansprüche und Erwartungen der Bürger gegenüber den Verwaltungsleistungen (einschließlich Partizipation) – zunehmende Politik- und Staatsverdrossenheit weiter Bevölkerungskreise – dauerhaft krisenhafte Finanzlage des Staates – abnehmende Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Beschäftigungssystem92. Jeder dieser Punkte umschreibt verschiedene Aspekte eines umfassenden Wandels, die auf einen vermeintlichen Auszug aus der „Max-Weber-Welt“ hindeuten könnten93. Das traditionelle Modell rationaler, bürokratischer Herrschaft, so lautet die nahe liegende, sozialwissenschaftlich geprägte These, wird dem Wandel und der Ausdifferenzierung öffentlicher Aufgabenwahrnehmung nicht hinreichend gerecht. 91

Siehe hierzu statt aller Schuppert, Verwaltungswissenschaft [Fn. 48], S. 920 ff. Reichard, Von Max Weber zum „New Public Management“. Verwaltungsmanagement im 20. Jahrhundert [Fn. 89], S. 59 ff. 93 Vgl. Eugenie Samier, Demandarinisation in the New Public Management: Examining Changing Administrative Authority from a Weberian Perspective, in: Edith Hanke/Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.), Max Webers Herrschaftssoziologie, Tübingen 2001, S. 235 ff. [zit.: Demandarinisation]. Kritisch, aus verfassungsrechtlicher Perspektive, Battis, Hergebrachte Grundsätze [Fn. 39], S. 310 ff. 92

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

Betrachtet man diesen Ausdifferenzierungsprozess unter dem Fokus eines veränderten Verständnisses professionellen Verwaltungsmanagements, international als New Public Management bezeichnet, so werden, wiederum prononciert, folgende Aspekte bedeutsam: – Stärkung der Marktorientierung sowie des Wettbewerbdenkens – an Privatunternehmungen orientierte Managementkonzepte – Trennung von strategischer (Politik-) und operativer (Administrations-) Verantwortung – Konzepte der ziel- und ergebnisorientierten Steuerung sowie – dezentrale, teilautonome Strukturen94. Es lässt sich in diesem Rahmen nicht abschließend bewerten, inwieweit die vor allem auf politische wie auf theoretische Grundströmungen im angelsächsischen Raum rückführbaren Konzepte des New Public Management tatsächlich kulturübergreifend wirksam geworden sind. Bei aller berechtigter Skepsis vor Generalisierungen lässt sich konstatieren, dass bei den verschiedenen Reformen des öffentlichen Dienstes weltweit eine länderspezifische Differenzierung erkennbar ist, die sich zum Beispiel in unterschiedlicher Ausbildung des Verwaltungspersonals und veränderter, privatisierter und deregulierter Rekrutierungspraxis, etwa in Großbritannien, niederschlägt. Die rechtsvergleichende Perspektive zum Civil Service bietet sich aus mehreren Gründen an: Zum einen ist, wie bereits angedeutet wurde, seit den 1980er Jahren die Ethik-Debatte in der angelsächsischen Literatur zu Public Administration fest etabliert95. Eine prominente Herangehensweise an die Thematik betont den ethischen Wertekanon des Bürokraten. Die Webers Bürokratiemodell eigene Dichotomie zwischen Politik und Verwaltung, nach der die Politik die wertbestimmenden Zielrichtungen bürokratischen Handelns vorgebe und die Verwaltung als hierarchisch strukturierter und festen Regeln unterworfener „Apparat“ schematisch für die Ausführung dieser Zielvorgaben zuständig sei, sei unzeitgemäß. Erforderlich sei vielmehr eine Bewusstseinsbildung für die dem öffentlichen Leben innewohnenden ethischen Werte96. Diese Forderungen wurden im Zuge der Reformen des öffentli94

Reichard, ebd., S. 64. Vgl. etwa Richard A. Chapman (Hrsg.), Ethics in Public Service for the New Millenium, Aldershot 2000; derselbe, Ethics in the British Civil Service, London 1988, Morton R. Davies/ Alan Doig, Public Service Ethics in the United Kingdom, in: Kenneth Kernaghan/O. P. Dwivedi (Hrsg.), Ethics in the Public Service: Comparative Perspectives, International Institute of Administrative Sciences, Brüssel, S. 49 ff. 96 Siehe Richard A. Chapman, Ethics in the British Civil Service, London 1988. Mit Nathalie Behnke lässt sich als paradigmatisch für diesen Ansatz auf John Rohr, Ethics for Bureaucrats, An Essay on Law and Values, 2. Aufl., New York 1989, verweisen, siehe Behnke, Ethik in Politik und Verwaltung [Fn. 15], S. 27 f. Die beiden anderen von Behnke (ebd.) klassifizierten Herangehensweisen an die angelsächsische Ethik-Debatte, die sich über Fallstudien und quantitative Untersuchungen der Thematik nähern bzw. Praxisfragen und die Frage 95

II. Berufsbeamtentum und das Modell bürokratischer Herrschaft

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chen Dienstes und einer Antikorruptionsdebatte weiter akzentuiert und führten schließlich zur Implementierung ethischer Verwaltungsstandards durch das Mitte der 1990er Jahre aufgrund eines Statements des House of Commons gegründete Komitee unter dem damaligen Vorsitz von Lord Nolan. Dieses besteht bis heute fort und gibt regelmäßig Berichte zu ethischen Verwaltungsstandards und ihrer Umsetzung sowie Empfehlungen für alle Bereiche der öffentlichen Administration heraus97. Der Civil Service Großbritaniens wird in hervorgehobener Weise von ethischen Verwaltungsstandards geprägt. Der angloamerikanische Raum steht zudem, im Kontrast zur etatistischen kontinental-europäischen Verwendung des Staatsbegriffes, für das Erbe einer Tradition der „stateless society“, die, vereinfacht gesprochen, in weiten Teilen nicht auf den Begriff „Staat“ angewiesen ist98 bzw. diesem eine wesentlich geringere strukturbildende Kraft für die Zuordnung der Verwaltung einräumt99. Die strenge Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht, wie sie dem deutschen Rechtssystem eigen ist, wird in Großbritannien nicht vorgenommen. Hieraus ergibt sich eine unterschiedliche Konstruktion des Rechtsverhältnisses zwischen Dienstherr und Beamten100. Inwieweit diese unterschiedlich geprägten Rechtskulturen möglicherweise gleichwohl einem gemeinsamen Wertekanon des öffentlichen Dienstes folgen, wird der Verlauf der Untersuchung zeigen.

der konkreten Umsetzung einzelner ethischer Standards im Bereich des Public Service in den Mittelpunkt rücken, werden im Rahmen dieser Arbeit nicht näher untersucht. Die Empfehlungen des „Nolan Committees“ werden gleichwohl in genereller Form einen wesentlichen Aspekt bei der Charakterisierung der Rechtsnatur des Civil Service bilden. 97 Zum Selbstverständnis des Komitees und zur Geschichte seiner Einsetzung siehe die Dokumentation unter URL: http://www.public-standards.gov.uk/index.html [z. a.: 31. 3. 2012]. 98 Hierzu eingehend Florian Becker, Staat und Krone im Vereinigten Königreich, in: Otto Depenheuer/Markus Heintzen/Matthias Jestaedt/Peter Axer (Hrsg.) Staat im Wort, Festschrift für Josef Isensee, Heidelberg 2007, S. 471 – 488 (471 ff.). Siehe auch Nevil Johnson, Über den Begriff des Staates aus vergleichender Sicht, in: Rudolf Morsey/Helmut Quaritsch/Heinrich Siedentopf (Hrsg.), Staat, Politik, Verwaltung in Europa, Gedächtnisschrift für Roman Schnur, Berlin 1997, S. 167 – 180 (169), unter Hinweis auf die politische Kategorie des „Commonwealth“ und unter Verweis auf K. Dysoni, The state tradition in Western Europe: a study of an idea and institutions, Oxford 1980. 99 Vgl. hierzu und zu Nachfolgendem Karl-Ulrich Meyn, Staatstheoretische und verfassungshistorische Wurzeln britischer und deutscher Beamtenleitbilder im 20. Jahrhundert, in: Friedrich Gerhard Schwegmann (Hrsg.), Die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums nach 1945. Geburtsfehler oder Stützpfeiler der Demokratiegründung in Westdeutschland?, Düsseldorf 1986, S. 80 ff. (81) [zit.: Beamtenleitbilder]. 100 Zur Rechtsnatur des „Crown Service“ siehe im Übrigen 5. Kapitel sowie Schlussfolgerungen im 6. Kapitel.

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

b) Zwischenbilanz zur Reform des Beamtenrechts: Kein Auszug aus der „Max-Weber-Welt“ Den Kern der scheinbar unvereinbaren Gegensätzlichkeit des klassischen Bürokratieideals zu NPM-Modellen vermag man in der Überlagerung unterschiedlicher Entwürfe der Werteorientierung erkennen. Die traditionellen Grundsätze wie Leistungsprinzip, Amtshierarchie, Alimentation, Lebenszeitprinzip, strikte Trennung von Öffentlichem und Privatem, verbunden mit einem öffentlich-rechtlichen Dienstund Treueverhältnis (vgl. Art. 33 Abs. 4 GG) sind mit Grundwerten des öffentlichen Dienstes der Unparteilichkeit und Integrität verknüpft. „In einer etatistischen Verwaltungstradition ist nicht angängig, die Unparteilichkeit der Verwaltung in Frage zu stellen“101. Diese Grundwerte werden durch den NPM-Ansatz überlagert, in dem unternehmerische Werte wie Effizienz, Entscheidungsfreiheit oder Output-Orientierung im Mittelpunkt stehen. In Konsequenz der NPM-Reformen, in der die Privatisierung öffentlicher Aufgaben sowie deregulierende, reregulierende, flexibilisierende und entbürokratisierende Maßnahmen im Mittelpunkt stehen102, wird der traditionelle, bürokratische Strukturen flankierende Wertekanon offenbar in Frage gestellt. Zugleich tauchen neue Schwierigkeiten auf, die mit der Frage nach der Sicherung von Verantwortlichkeiten und Kontrolle oder mit der nach der Verhinderung von Interessenskonflikten, die sich durch größere Entscheidungsspielräume, stärkeren personellen Austausch mit der freien Wirtschaft, höheren Effizienzdruck u. a. ergeben können, zusammenhängen. Verschärft wird dieses Bild durch den vorwiegend in angloamerikanischen Ländern, aber auch auf dem europäischen Festland (insbesondere Schweiz, Österreich, Niederlande und Skandinavien) erkennbaren Prozess zunehmender Ökonomisierung der öffentlichen Verwaltung, der im Bereich Organisation und Personal weit fortgeschritten ist103. Eine Zwischenbilanz zu zehn Jahren „Neues Steuerungsmodell“, das in Deutschland insbesondere in den Kommunen implementiert wurde, fällt jedoch eher bescheiden aus, gemessen an den Erwartungen, die mit der intendierten Effizienzsteigerung und „Output-/OutcomeOrientierung“ verbunden waren. Andererseits hat die sog. Managerialisierung der öffentlichen Verwaltung insbesondere in Form des Neuen Steuerungsmodells die „handlungsleitende Orientierung am Prinzip der Wirtschaftlichkeit dauerhaft verankert“.104

101 Goerlich, Good Governance und Gute Verwaltung [Fn. 32], S. 319. Das Ziel könne im demokratischen Staat freilich nur durch angemessene, flankierende Strukturen verwirklicht werden (ebd.). 102 Siehe Klaus König, Moderne öffentliche Verwaltung, Berlin 2008, S. 671 ff. 103 Hierzu und zu Folgendem siehe die Analyse von Battis, Reform des Beamtenrechts – eine Zwischenbilanz, ZBR 2010, S. 21 ff. (22 ff.) m. weit. Nachw. 104 Battis, Stand und Weiterentwicklung des deutschen Öffentlichen Dienstes, dms – der moderne staat 2009, S. 93 ff. (97).

II. Berufsbeamtentum und das Modell bürokratischer Herrschaft

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Das Verfassungsrecht setzt den Verwaltungsreformen Grenzen. Battis stellt in einer Zwischenbilanz zu den Reformen in Deutschland, in Auswertung der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des EuGH zum Beamtenrecht fest, dass der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses des Art. 33 Abs. 4 GG und der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG, ergänzt um die Fortentwicklungsklausel, „den öffentlichrechtlichen Sonderstatus der Beamten bekräftigt haben“.105 Für den Kerngehalt der beamtenrechtlichen Grundsätze, wie dem Lebenszeitprinzip in Form der lebenszeitigen Übertragung aller einer Laufbahn zugeordneten Ämter, ist, wegen ihrer wesensgeprägten Bedeutung und im Interesse einer Verwirklichung des Gebots gesetzestreuer Verwaltung durch unabhängige Amtsträger, der Weg tief greifender Veränderungen versperrt106. Stellt man die „Funktion“ des Berufsbeamtentums in der parlamentarischen Demokratie und im sozialen Rechtsstaat als Ganzes heraus, so wird man im verfassungsrechtlichen Schwerpunkt davon auszugehen haben, dass diese darin liegt, eine der Bindung an Gesetz und Verfassung geprägte, parteipolitisch neutrale Verwaltung zu gewährleisten107. Gemäß Art. 33 Abs. 4 GG stehen Beamte in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses zur ihrem Dienstherrn. Der besondere Status der Beamten, in der Eigenverantwortlichkeit und Weisungsgebundenheit durch die Pflicht zur Remonstration (vgl. § 63 BBG) flankiert werden, ist im Interesse einer gesetzmäßigen, rechtsstaatlichen Verwaltung im Rahmen einer effektiven Gewaltenteilung grundgesetzlich zu rechtfertigen. Darüber hinaus lässt sich die These aufstellen, dass das Verfassungsrecht, unterstützt durch das europäische Recht und die Rechtsprechung des EuGH, das Verwaltungsrecht in einem solchen Maße durchdringt, dass es in Teilen eine dynamische Entwicklung des Verwaltungsrechts sogar erst ermöglicht. Dies zeigen zum Beispiel die Entwicklung des Informationsrechts108, die Sonderregelungen zur Wahrnehmung eines dem Beamten übertragenen Amts im Ausland (§ 143 BBG, § 60 BeamtStG) oder die flexibilisierten Regelungen zu Abordnung, Versetzung (§§ 27, 28 BBG, §§ 13 ff. BeamtStG) und Zuweisung (§ 29 BBG, § 20 BeamtStG). Eine zentrale dienstrechtliche Reformmaßnahme als Folge insbesondere der vom EuGH protegierten Europäisierung des öffentlichen Dienstes ist die prinzipielle Gleichberechtigung der Unionsbürgerschaft neben der Deutscheneigenschaft als Voraussetzung für die Berufung in das Beamtenverhältnis, ergänzt um die Vertragsstaaten 105 Battis, Reform des Beamtenrechts – eine Zwischenbilanz [Fn. 103] S. 24, unter Bezug auf BVerfGE 117, S. 372 ff. (Versorgung aus dem letzten Amt), BVerfGE 119, S. 247 ff. (niedersächsische Zwangsteilzeit) und BVerfGE 121, S. 205 ff. (Spitzenpositionen auf Zeit), jeweils m. weit. Nachw. in Fn. 57. 106 BVerfGE 121, S. 205 ff. 107 Siehe BVerfGE 70, S. 69 ff. (80). 108 Vgl. Rolf Gröschner/Johannes Masing, Transparente Verwaltung – Konturen eines Informationsverwaltungsrechts, VVDStRL 63 (2004), S. 344 ff., 377 ff. sowie Informationsfreiheitsgesetz des Bundes vom 5. September 2005, BGBl. I, S. 2722, nach dem jedermann gegenüber allen Behörden und Einrichtungen des Bundes einen Anspruch auf Information hat.

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum und andere Drittstaaten, denen die Bundesrepublik oder die EU einen entsprechenden Anspruch eingeräumt haben, z. B. der Schweiz (§ 7 Abs.1 BeamtStG, § 7 BBG). Die differenzierte rechtliche Ausgestaltung sowie europarechtliche Beeinflussung des klassischen Bürokratiemodells im öffentlichen Dienstrecht der Bundesrepublik auf Grundlage des Art. 33 Abs. 2 bis 5 GG stellt keinen Auszug aus der „Max-Weber-Welt“ dar109, eher eine behutsame Europäisierung bei klarer verfassungsrechtlicher Grenzziehung.

III. Rechtsnatur des öffentlichen Amtes Die nähere Betrachtung der „Rechtsnatur“ der Institution des öffentlichen Amtes im Verwaltungsstaat führt zum Kern des Untersuchungsgegenstands und ist unter verschiedenen Aspekten von Bedeutung für den Fortgang der Untersuchung. In der Organisation von Staatlichkeit in Ämtern spiegeln sich in besonderem Maße der Prozess moderner Staatswerdung und die Ausbildung des hierarchisch-bürokratischen Verwaltungssystems wider. Zudem besteht ein grundlegendes Bedürfnis, einen staats- und verwaltungsrechtlichen „Schlüsselbegriff[s]“110 zu verifizieren. Dies ergibt sich auch im Hinblick auf die skizzierte Entwicklung dienstrechtlicher Reformen. Der Prüfauftrag bezogen auf Rechtscharakter und Funktion des Amtes gewinnt an Gewicht, wenn gegenüber stehende Positionen möglicher Folgerungen aus diesem Wandel für den Amtsbegriff betrachtet werden. Zugespitzt lässt sich fragen: Ist die Institution eines gemeinwohlorientierten öffentlichen Amtes ein unverzichtbarer Wesensbestandteil des Verfassungsstaates der Gegenwart111 oder ist der Begriff des traditionellen öffentlichen Amtes angesichts der allgegenwärtigen Internationalisierung, der Verzahnung von Staat und Gesellschaft sowie der Annäherung staatlicher und privater Steuerungsmechanismen im New Public Management112 gänzlich neu zu definieren? 109

Battis, vgl. nur, Stand und Weiterentwicklung des deutschen Öffentlichen Dienstes [Fn. 104], S. 97: Die öffentliche Verwaltung sei nicht aus der „Max-Weber-Welt“ ausgezogen, aber „sie ist auch nicht mehr im ehernen Gehäuse des Staatsapparates mechanisch eingekapselt“. 110 Erleben wir eine „Renaissance“ eines Terminus’? So Gunnar Folke Schuppert, Staatswissenschaft, 1. Aufl., Baden-Baden 2003 [zit.: Staatswissenschaft], 3. Kapitel, S. 107 ff. (107). 111 Pointiert Dirk Baecker: Das Amt sei „nach Erfindung des Seelenheils, der Schrift und des Geldes vermutlich eine der bedeutendsten evolutionären Errungenschaften der menschlichen Gesellschaft“. Derselbe, Ämter, Themen und Kontakte: Zur Form der Politik im Netzwerk der Gesellschaft, in: Birger P. Priddat (Hrsg.), Der bewegte Staat. Formen seiner ReForm. Notizen zur „new governance“ [zit.: Reform], Marburg 2000, S. 9 ff. (21 f.) m. weit. Nachw. 112 Vgl. Samier, Demandarinisation [Fn. 93], S. 235 ff. (258). Samier macht als Folge des NPM u. a. eine Veränderung und Schwächung des traditionellen Amtsethos’ aus: „One of the

III. Rechtsnatur des öffentlichen Amtes

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Zumindest eine Teilantwort auf diesen pointierten Problemaufriss ließ bereits die Beschäftigung mit dem Herrschafts- und Bürokratiemodell Max Webers erkennen. Die Überlegungen zum Aufbau rational-bürokratischer Herrschaftsstrukturen, die durch eine Kompetenzzuteilung staatlicher Autorität an einen kontinuierlich bestehenden, abstrakten Regeln unterworfenen Körper begründet werden und in welchem hierarchische Strukturen und bestimmte normierte Kontrollmechanismen herrschen, sind ohne die Prämisse, dass zwischen Amt und Person unterschieden werde, nicht schlüssig. Wenn das klassische Bürokratiemodell, bezogen auf den Amtsinhaber, eine Qualifikation nach Fachschulung und eine Rekrutierung nach Eignung und Leistung einfordert – vgl. Art. 34 Abs. 2 GG, danach hat „Jeder Deutsche [hat] nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte“ – so ist dies dem Erfordernis bestimmter öffentlicher Entscheidungs- und Aufgabenkompetenz sowie -rationalität geschuldet. Gleiches gilt für die Trennung privaten Vermögens von dem der Verwaltung und die strikte Grenzziehung zwischen Arbeitsplatz und Wohnort: Die Unterscheidung und Unterscheidbarkeit zwischen Amtsinhaber und (Privat-) Person ist Voraussetzung für eine klare Zuordnung staatlicher Entscheidungen zur Institution, etatistisch gewendet: zum Staat. Amtsautorität setzt, so lässt sich bedeutungsgeschichtlich begründen, eine Abstrahierung, Rationalisierung und Entpersonalisierung staatlicher Macht voraus. Dieser Befund vom öffentlichen Amt als zentrale Kategorie der Institutionalisierung und Verrechtlichung von Macht soll nachfolgend in knapper Form begriffs- und bedeutungsgeschichtlich untersetzt werden.

1. Begriffs- und bedeutungsgeschichtliche Annäherung an das Amt a) Wortbedeutung Die geschichtliche Herkunft des Wortes „Amt“ lässt sich im Althochdeutschen auf ambahti oder ambaht zurückführen, im Mittelhochdeutschen wandelt sich die Lautgestalt dann allgemein bis zur Einsilbigkeit zu ambt und amt, die sich im Frühneuhochdeutschen allmählich durchsetzt und im 18. Jahrhundert auch in der Schriftsprache üblich wird. Untersuchungen belegen eine Entlehnung des in lateinischen Texten (Caesar, Festus) überlieferten gallischen ambactus, „Dienstmann, Höriger“, das auf das keltische amb(i)actos113 zurückführt114. most significant changes is a weakening of the traditional public sector ethos of administrators as ,civil servants‘ occupying an office in the service of the state and the public“ (S. 258). 113 Seine Glieder entsprechen dem lateinischen amb(i) – „ringsum, auf beiden Seiten“ und dem lateinischen actus (Partizip Perfekt von agere) – „in Bewegung setzen, treiben, handeln“. Die Zusammensetzung hat wohl nicht passiven („Herumgesandter“), sondern medialen Sinn („der sich um einen Herrn herumbewegt, um ihn ist“), ebenso wie vergleichbaren Bildungen im Griechischen, „umgebend, um jemanden seiend“, Substantiv „Diener“ oder „Dienerin“, s. Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Neubearbeitung, Berlin-Bran-

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

In seinen früheren Verwendungen steht Amt entsprechend den lateinischen Begriffen ministerium, officium oder munus. Während die Ausgangsbedeutung Dienst nur schwach bezeugt ist, haben sich komplexere Bedeutungen stärker entfaltet, welche die „Dienststellung“, den „Rang“, den „Auftrag“, die „Aufgabe“ oder die „Verpflichtung“ beinhalten. Ferner kann Amt den „Bezirk“ meinen, der einem mit Verwaltungsaufgaben Beauftragten unterstellt ist, sowie die „Behörde“ als Institution mit einem entsprechenden Aufgabenbereich. Es lässt sich die folgende zusammenfassende Formulierung für die Bedeutung von Amt aus der Wortgeschichte herleiten: Das Amt bezeichnet eine innerhalb einer bestimmten Ordnungsstruktur auszufüllende Position, die je nach Verantwortungsbereich und Bedeutsamkeit der übertragenen Aufgabe verschieden sein kann – und/oder – „die vom Inhaber einer solchen Position wahrzunehmenden Obliegenheiten vom konkreten Arbeitsauftrag bis zur ethischen Verpflichtung“.115 b) Interdependenzen des Begriffs zur Gesellschaftsgeschichte Dieser weite und in seiner Bezugnahme zu bestimmten gesellschaftlichen Ordnungs- und Verantwortungszusammenhängen komplexe Amtsbegriff macht die Abhängigkeit seiner Bedeutungsschärfe von einem geschichtlichen Prozess sichtbar, den man als Verrechtlichung gesellschaftlicher Macht- und Ordnungsstrukturen bezeichnen kann. Dieser ist eng verbunden mit der Entwicklung der Entstehung des Staates. Stark vereinfacht lässt sich zum Beispiel erkennen, dass in dem Maß, wie sich das, was heute als „Staatshaushalt“ bezeichnet wird, aus dem „Privathaushalt“ feudaler Herrschaftshäuser entwickelt hat – also das Herrschaftsmonopol im Budget zu einem öffentlichen wurde – sich die Funktion der Institution des öffentlichen Amtes herausgebildet hat116. Diese lässt sich in ihrer gesellschaftsgeschichtlichen Entwicklung als „Scharnier“ des Übergangs von privater zu öffentlicher Macht begreifen117. Bereits ein flüchtiger Blick auf die Kontur verschiedener Erz-, Erb- und Hofämter des Hochmittelalters belegt, dass diese aus dem Lehensrecht stammende denburgische Akademie der Wissenschaften und Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Hrsg.), 2. Bd., Stuttgart, Leipzig 1998, zum Begriff Amt, S. 662 ff. (662). 114 Zur Wortgeschichte s. auch Adalbert Erler/Ekkehard Kaufmann (Hrsg.), mitbegründet von Wolfgang Stammler, Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, 1. Bd., Stichwort „Amt“, Berlin 1971 sowie in Neuaufl., hrsgg. von Albrecht Cordes u. a., 1. Lieferung, Berlin 2004; Hartwig Bülck, Sprache und öffentlicher Dienst – Ein Beitrag zu ihrer Geschichte, in: Klaus König/Hans-Werner Laubinger/Frido Wagener (Hrsg.), Öffentlicher Dienst. Festschrift für Carl Hermann Ule, Köln 1977, S. 1 ff. (24 f.). 115 Grimm, Deutsches Wörterbuch [Fn. 113], ebd. 116 Siehe im Einzelnen Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Bd. 2: Wandlungen der Gesellschaft. Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation, Frankfurt a. M. 2007, S. 157 ff. 117 Schuppert, Staatswissenschaft [Fn. 110], S. 111.

III. Rechtsnatur des öffentlichen Amtes

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Ämterverfassung allerdings nur bedingt als Maßstab für die Betrachtung des heutigen Rechts taugt118. Das Gebot einer gedanklichen Trennung von älterer „Ämterverfassung“ und modernem Verwaltungsstaat ergibt sich insbesondere daraus, dass das Erscheinungsbild des Ämterwesens im Mittelalter untrennbar mit einem Herrschaftsverständnis verknüpft ist, das sich vom modernen, rationalen Herrschaftsmodell und dem modernen Staatsbegriff erheblich unterscheidet. Unter Herrschaftsgewalt im Hochmittelalter kann man die Summe einzelner Hoheitsrechte (Regalien) subsumieren. Eine Unterscheidung zu privatrechtlichen Eigentumsrechten entwickelte sich nur langsam. Ein Amt war insoweit schlicht ein zeitlich befristeter und in persönlicher Treuebindung auszuführender Dienst bezogen auf ein bestimmtes Regal. Von einem „öffentlichen“ Amt im modernen Sinn kann zu dieser Zeit noch nicht gesprochen werden119. Neben der organisatorischen Verfestigung der fürstlichen Territorialherrschaft tritt in der geschichtlichen Entwicklung die frühneuzeitliche Konzeption des Königtums, die maßgeblichen Einfluss auf den Amtsbegriff gehabt hat. Als wesentlicher Bestandteil seines tragenden Gedankens ist die Abstrahierungsfunktion des Amtes zu nennen: Die Funktion des Herrschers, der zu Gott vermittelt, den Frieden aufrechterhält und das Volk „glücklich macht“, bleibt, auch wenn der Inhaber stirbt. Die Auffassung vom Königtum als Amt geht einher mit einer in Teilen dem römischen Rechtssystem entlehnten Amtsauffassung und Verwaltungsgliederung, also dem Aufbau einer territorialen Verwaltungsstruktur und eines hierarchisch gegliederten Amtsapparates treuer Diener.120 Der „Archetypus“121 dieser Idee des mit Macht und Einfluss ausgestatteten entpersonalisierten Amtes lässt sich in kirchlichen Amts-Institutionen wieder finden122. Im Hinblick auf den aufgeklärten Begriff des souveränen Staates und die Einsicht in die Notwendigkeit, dass die Staatsgewalt durch seinen Träger (den Monarchen) nicht allein ausgeübt werden kann, entwickelt sich der Amtsbegriff hin zu einem in Wirkungs- und Aufgabenkreis abgegrenzten Teil der Staatlichkeit, in dem die 118 Zu nennen sind z. B. das Erzschenk-, Truchseß-, Marschall-, Kämmer- oder Schatzmeisteramt. Die Ämter in Bezug auf den Kaiser waren den Kurfürsten übertragen; die tatsächliche Ausführung bei Hofe übernahmen indes Adelige kleinerer Reichsstände oder nichtreichsständische Adelige, die in einer Art „vasallitischer Unterwerfung“ bestanden hat. Siehe die Untersuchung von Rudolf Summer, Das Amt im statusrechtlichen Sinne, ZBR 1982, 321 ff. [zit.: Status], S. 331, dort Fn. 103 m. weit. Nachw. 119 Schärfer Summer: „Das Amt […] war daher in dieser rechtlichen Frühzeit ein Auftrag wie jeder andere. […] Die Ämterleihe mag politisch eine starke Wirkung gehabt haben, für eine Bestimmung des Begriffs Amt gibt aber das Lehensrecht nichts her.“ Summer, Status [Fn. 118], S. 329. 120 Wim Blockmans, Geschichte der Macht in Europa. Völker, Staaten, Märkte, Frankfurt a. M./New York 1997, S. 125 f., Zitat des Vorsatzes ebd., S. 125. 121 Dazu Josef Isensee, Das Amt als Medium des Gemeinwohls in der freiheitlichen Demokratie, in: Gunnar Folke Schuppert/Friedhelm Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, Berlin 2002, S. 241 ff. [zit.: Amt], S. 243. 122 Dazu sogleich unter c).

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

Amtsinhaber namens des Staates handeln und zur „zweckmäßigen Verwendung der Staatsgewalt“ entsprechend mit der „Befugnis ausgerüstet sein müssen, um über den Theil der Staatsgewalt zu verfügen, die nöthig ist, um die ihnen übertragene Wirksamkeit den Staatszwecken entsprechend in das Leben treten zu lassen“.123 Die Einbettung des Amtes in eine „bestimmte Ordnungsstruktur“ wird hier aus der Staatsgewalt abgeleitet, so dass dem Amt eine hoheitliche, „organische“ Funktion zukommt, die dauernder Natur ist124. Dogmatisch setzt diese Herleitung des Amtes den Begriff des allgemeinen Staatsdienerverhältnisses bereits voraus. Das Amt schöpft danach seine Existenzberechtigung aus den Bedürfnissen und Zwecken der Staatsverwaltung und dem hierdurch begründeten System der Staatsdienste. In diesem System entwickelt sich ein funktionierender, straff organisierter und hierarchisch gegliederter Verwaltungsorganismus zunächst noch im Sinne einer strukturbedingten Notwendigkeit als Folgerung und Postulat. Max Webers Modell der Bürokratie hat demgegenüber eine ungleich weiter entwickelte Struktur und Bedeutung der Ämterorganisation vor Augen. Mit dem neuzeitlichen dogmatischen „Ursprung“ des Amtes, dem Staatsdienerverhältnis, bricht jedoch auch das klassische Herrschaftsmodell nicht. Die gesellschaftsgeschichtliche Entwicklung des Amtes stützt die im traditionellen Herrschaftsmodell entwickelte These, dass dem Amt eine genuine, staatsbezogene Organisations- und Steuerungsfunktion innewohnt. Das Modell des Kirchenamtes nimmt demgegenüber eine besondere Stellung ein, war in Teilen jedoch auch Vorbild für die Entwicklung der modernen Ämterverfassung. c) Modell des Kirchenamtes Die Bedeutung der Herausbildung kirchenrechtlicher Ämter liegt zunächst darin begründet, dass die Kirche mit der Berufung auf die geistliche Mission als Institution die (relative) Unantastbarkeit ihrer Besitztümer und ihrer Diener gegenüber weltlicher Einflussnahme und insoweit einen gesonderten juristischen Status erlangt hatte. Die im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Bereichen weiter entwickelte Stellung der Kirche lag jedoch in der Art und Weise ihrer Organisationsstruktur. Der Loslösung des Inhabers eines kirchlichen Amtes von der Person liegt eine abstrakte Denkweise zugrunde, die eine streng organisierte, hierarchisch gegliederte Struktur erst ermöglichte. Diese implizierte die Zuschreibung bestimmter Pflichten und Kompetenzen zu einem kirchlichen Amt, das Prinzip der Schriftlichkeit, eine festgelegte Vergütung bzw. ein beneficium, eine Domäne inklusive der dort erlangten

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Johann Friedrich Meisterlin, Die Verhältnisse der Staatsdiener nach rechtlichen Gesichtspunkten entwickelt, Kassel 1838, S. 40 ff. (42). 124 Zur Bezogenheit des Amtes auf den Staatsbegriff siehe 3. Kapitel. Vgl. Summer, Status [Fn. 119], S. 329. Zur dogmengeschichtlichen Entwicklung des Beamtenverhältnisses als besonderes Gewaltverhältnis vgl. Friedrich E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, Eine Untersuchung über normative Strukturen des staatlichen Innenbereichs, Berlin 1977, S. 26 ff.

III. Rechtsnatur des öffentlichen Amtes

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Einkünfte und der damit verbundenen herrschaftlichen Rechte, oder, als schwächere Form der Vergütung, Pfründe zur Deckung des Lebensunterhalts.125 Carl Schmitt hat die institutionalisierte Daseinsform des Kirchenamtes als „römischen Rationalismus“ der katholischen Kirche bezeichnet. Dieser mache das Priestertum zu einem Amt der besonderen Art126. Er nimmt damit Bezug auf das charismatische Prinzip, auf welches, vereinfachend formuliert, das kirchliche Amt fußt127. Danach ist die Organisationsstruktur der Kirche in Interpretation des Neuen Testaments vom Ansatz her nicht rechtlich, sondern charismatisch. Charismatische Organisation bedeutet hier nicht Ordnungslosigkeit, sondern eine auf Freiwilligkeit, Glaubensgehorsam und Liebespflicht beruhende Ordnung oder pneumatische Anarchie. „Ein Charisma haben, heißt den Geist Gottes haben“.128 Im Prinzip und als Ausgangspunkt gedacht gibt es nach Rudolf Sohms Bestimmung der Kirche keine rechtliche Herrschaft vom Menschen über den Menschen. Ordnung schaffendes Element ist dabei das Charisma der Lehre und der Leitung, die durch die „Gemeinde“ durch stillschweigendes Geschehenlassen, durch Akklamation oder durch Wahl anerkannt werden. Wirksam wird dieses durch Vokation und Ordination. Hier kommen in der Konzeption Sohms das Amt und die rechtliche Organisation ins Blickfeld. Nach dem Codex iuris canonici (CIC) ist das Kirchenamt „jedweder Dienst, der durch göttliche oder kirchliche Ermächtigung auf Dauer eingerichtet ist und der Wahrnehmung eines geistlichen Zwecks dient“.129 Das Predigtamt wird dem Berufenen jedoch nicht (durch die Gemeinde) übertragen, der Berufene übt sein Amt öffentlich als Diener, Bote, Beauftragter oder Werkzeug des Geistes aus. Das „Dienstamt“, das die „Verstattung“ der öffentlichen Ausübung des Predigtamtes darstellt, wird durch die Weihe im System der absoluten Ordination zu einer rechtlichen Institution. Die Weihe entwickelte sich weg von der Bedeutung einer Bestellung zum Amt im organisatorischen Sinne, hin zu einer 125 Die Ausführungen zur Funktionsweise und Ausgestaltung des Modells des Kirchenamts sind der Darstellung von Blockmans [Fn. 120] entnommen, ebd., S. 115 ff. (117 f., 118). 126 „Dieser Rationalismus liegt im Institutionellen und ist wesentlich juristisch; seine große Leistung besteht darin, dass er das Priestertum zu einem Amte macht, aber auch das wieder in einer besonderen Art. Der Papst ist nicht der Prophet, sondern der Stellvertreter Christi. Alle fanatische Wildheit eines zügellosen Prophetentums wird durch solche Formierung ferngehalten. Dadurch, dass das Amt vom Charisma unabhängig gemacht ist, erhält der Priester eine Würde, die von seiner konkreten Person ganz zu abstrahieren scheint. Trotzdem ist er nicht der Funktionär und Kommissar des republikanischen Denkens und seine Würde nicht unpersönlich wie die des modernen Beamten, sondern sein Amt geht, in ununterbrochener Kette, auf den persönlichen Auftrag und die Person Christi zurück. Das ist wohl die erstaunlichste complexio oppositorum.“ Carl Schmitt, Römischer Katholizismus und Politische Form. München 1925, S. 19 – 20. 127 Max Weber diente das charismatische Prinzip zur Abgrenzung bzw. Herleitung seines Modells rationaler Herrschaft, siehe oben Teil II und Fn. 58. 128 Rudolf Sohms, Kirchenrecht, Bd. I, Leipzig 1892, S. 28. 129 Can. 145 § 1: „Officium ecclesiasticum est quodlibet munus ordinatione sive divina sive ecclesiastica stabiliter constitutum in finem spiritualem exercendum.“

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

(gestuften) Aufnahme in den Stand der Geweihten, während die Amtsbestellung durch missio canonica vollzogen wird130. Dadurch wird der Geweihte eingereiht in die apostolische Sukzession. Seine Legitimation ergibt sich nicht aus der Ermächtigung oder aus spontaner Glaubensbetätigung der Glaubensgemeinschaft, sondern aus gültiger Herkunft. Papst und Bischöfe vermitteln diese Legitimation im hierarchischen, differenziert organisierten kirchlichen Ämterverband. Dem religiös und kirchengeschichtlich verwurzelten Charisma liegt so ein eigenständiges Autoritätsprinzip zugrunde, das sich in Herrschafts- und Machtausübung hierarchisch organisierter Amtsausübung manifestiert. Das kirchliche Amt erlangt damit einen character indelibilis, einen geistlichen Status, den schwerste Amtsverstöße nicht zerstören können und der in seiner Dauer unbeschränkt ist131. Die Eigentümlichkeit des kirchlichen Amtes liegt in dieser besonderen Spannung zum Charisma, zum Geist Gottes, und dabei weniger im Bezug des Amtes zum Charisma selbst, als in der gleichzeitigen Entkoppelung des Charismas von der Person des Amtsinhabers: Trotz und zugleich über den Weg charismatischer Fundierung ist der Gedanke der Entpersonalisierung dem kirchlichen Amt deutlich eingeschrieben. Das Beispiel des Kirchenamtes132 zeugt daher in beispielhafter Weise von der Institutionalisierung von Macht.

2. Amt und Ämterorganisation als Ausdruck und Bedingung von Herrschaft Die aus Begriffsgeschichte und Rechtsdogmatik herausgearbeiteten unterschiedlichen Bedeutungsstränge finden sich in der gegenwärtigen Rechtssprache wieder, in der „Amt“ sich wechselnd auf den zur Wahrnehmung im Auftrag des

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Zur Problematik des Sohmschen und kirchenrechtlichen Rechtsbegriffs, zum Problem der Amtsstiftung sowie der Ordination und zur Konstruktion des kirchlichen Amtes siehe die kirchenrechtstheoretische Studie von Ralf Dreier, Das kirchliche Amt, München 1972, S. 20 ff, S. 40 ff., S. 142 ff. und 3. Kapitel S. 169 ff. 131 Vgl. Isensee, Amt [Fn. 121], S. 244: Das Amt hat objektive Qualität. 132 Ungeachtet des Umstandes, dass der Begriff des „Amtes“ auf gemeinsame Wurzeln kirchlicher und weltlicher (Rechts-)Sprache verweist, zählen kirchliche Ämter nicht zu den öffentlichen Ämtern i. S. d. Art. 33 Abs. 2 GG, und zwar ungeachtet des jeweiligen Rechtsstatus der Kirche oder Religionsgemeinschaft. Auch insoweit Kirchen und Religionsgemeinschaften gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sind sie keine Institutionen der mittelbaren Staatsverwaltung. Vielmehr sind sie grundsätzlich Träger der in der Verfassung garantierten Grundrechte, nicht deren Bindungsadressaten, vgl. hierzu BVerfGE 18, S. 385 ff. sowie Wolfram Höfling, in: Rudolf Dolzer/Klaus Vogel/Karin Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 33 Abs. 1 bis 3, Heidelberg 2007, Rn. 113 m. weit. Nachw.

III. Rechtsnatur des öffentlichen Amtes

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Staates zugewiesenen Dienst, dessen Organisation oder auf die Person des Amtsträgers bezieht133. Gegenüber den dienstrechtlichen Amtsbegriffen134 kann man das öffentliche Amt in einem weiten, staatsrechtlichen Sinne als den rechtlich verfassten Zusammenhang von staatlichen Aufgaben und Befugnissen im Kompetenzbereich eines kontinuierlichen Betriebs von Amtsgeschäften bezeichnen, die der betraute Amtswalter für den Staat wahrnimmt135. Dementsprechend interpretiert die Verfassungslehre den Begriff des öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG weit, als „jede vom Staat selbst oder einem Träger der mittelbaren Staatsverwaltung vergebene bzw. anvertraute öffentliche Position“136. Zwar sind danach fast alle Positionen des öffentlichen Dienstes137 öffentliche Ämter gemäß Art. 32 Abs. 2 GG, doch gilt nicht die Umkehrung. Nicht jedes Amt wird in einer Form des öffentlichen Dienstes ausgeführt. Der verfassungsrechtliche Amtsbegriff kann daher auch nicht aus der „Dienstähnlichkeit“ des öffentlichen Amtes begründet werden, vielmehr kommt es auf die Art der durch den Amtswalter zu erfüllenden Aufgabe des Gemeinwesens an.138 Für das Vorliegen eines öffentlichen Amtes ist demnach maßgeblich auf das Außenverhältnis zwischen Amtswalter und Dritten abzustellen, nicht auf das Innenverhältnis zwischen Amtswalter und Amtsträger139. 133 Siehe Josef Isensee, Amt [Fn. 121], S. 242. Häufig wird die Bezeichnung in der öffentlichen Debatte auch missverständlich und ohne Trennschärfe gebraucht – der „Job“ des Bundeskanzlers gegenüber dem „Amt“ des Parteivorsitzenden etc., ebd. S. 241. Isensee weist darauf hin, dass der Sprachgebrauch dazu neigt, den traditionellen Begriff des Amtes durch die technische Kategorie der „Funktion“ zu ersetzen, die keinen spezifischen Bezug mehr zum Staat aufweist, derselbe, Transformation von Macht in Recht – das Amt, ZBR 2004, S. 3 ff. (11). 134 Siehe hierzu Summer, Status, [Fn. 118] sowie Battis/Grigoleit, Statusgesetzgebung [Fn. 64]. 135 Vgl. Loschelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis zur öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung [Fn. 148], S. 279 ff. sowie Battis, Amt, staatlich (J), in: Werner Heun u. a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, Stuttgart 2006, S. 45 – 49. 136 Diese Deutung legt der Verfassungstext („jedem öffenlichen Amte“) und der verfassungsrechtliche Kontext (Ziel der möglichst optimalen personellen Besetzung öffentlicher Positionen im Staat) nahe. Vgl. hierzu und zu Folgendem Höfling, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz [Fn. 132], Art. 33 Abs. 1 bis 3, Rn. 74 ff. (74) m. weit. Nachw. sowie Rn. 88 ff. 137 Den Begriff des öffentlichen Dienstes legt das Grundgesetz nicht fest, vgl. Art. 33 Abs. 4 GG. Dieser wird formell verstanden als Tätigkeit im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, siehe BVerfGE 6, S. 267 ff. Zudem wird unterschieden zwischen dem öffentlichen Dienst i. w. S. (Beamte, arbeitsrechtliche Beschäftigte, Richter, Soldaten und sonst. öffentliche Amtsträger) und dem öff. Dienst i. e. S. (Beamte, arbeitsrechtlich Beschäftigte der juristischen Personen des öffentlichen Rechts), siehe Battis, Art. 33 [Fn. 64], Rn. 50, Jachmann, Art. 33 Abs. 4 [Fn. 73], Rn. 30. 138 Näheres hierzu Walter Leisner, Öffentliches Amt und Berufsfreiheit, AöR 93 (1968), S. 161 ff. (175 ff., 181 ff.). 139 Leisner, ebd., S. 183; Höfling, ebd., Rn. 92.

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

Die Art und Weise der Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes ist demnach aufgabenbezogen. Hier unterscheidet sich die Begrifflichkeit nicht wesentlich von seiner Bedeutung in der oben aufgezeigten Wortgeschichte. Stärker betont wird dagegen die Uneigennützigkeit der Diensterfüllung. Der „amtliche“ Tätigkeitsbereich soll, je nach Art des Amtes, inhaltlich normativ umschrieben und abgrenzbar sein sowie in seinem Grundbestand und seinem Funktionspotential immun sein gegenüber einem Wechsel der Person des Amtswalters. Persönliche, nicht-sachliche Erwägungen sind aus der Ausfüllung des öffentlichen Amtes prinzipiell ausgeschlossen. Gefordert wird eine Aufgabenwahrnehmung „sine ira ac studio“140, unter Ausschaltung persönlicher Interessen bzw. „allen rein persönlichen Empfindungselementen“ und auf gewisse Weise „entmenschlicht“. An den Amtsinhaber werden für das Ziel einer uneigennützigen Amtsführung in der Literatur wie in der Rechtsprechung z. T. erhebliche Anforderungen gestellt, die sich teilweise nicht bzw. nicht unmittelbar aus der Verfassung oder dem Gesetz ergeben und daher unter Rückgriff auf „Ethos“ oder dem Gedanken der „Repräsentation“ postuliert werden. Die Führung der Amtsgeschäfte soll nicht nur in Selbstlosigkeit und Uneigennützigkeit, sondern in „Askese, Disziplin und Altruismus“ erfolgen141. Eine Beschäftigung mit der Funktion und Legitimation des Amtes im modernen Verfassungsstaat unterliegt leicht der Versuchung, dem Amt oder einem dieser Kategorie vorgelagerten Ethos notwendige Bedingungen oder Inhalte zuzuschreiben, die gesellschaftlich nützlich oder politisch sinnvoll erscheinen mögen, deren verfassungsrechtliche Herleitung aber in Frage steht. So wird unter Hinweis auf das ökonomische Wettbewerbsprinzip und Konkurrenzprinzip das Bedürfnis eines „kontrapunktierenden Amtsprinzips zwecks Balancierung und Neutralisierung“ postuliert und im Zusammenhang mit dem Amtseid für eine Belebung eines „Ethos der Ehre“, von „Amtswürde“ und „Erhabenheit“ plädiert142. Das Interesse des allgemeinen Wohls wird zugleich zur „Aufgabe“ des hoheitlich handelnden Staates, „fortdauernden Verpflichtung seiner Diener“ sowie zur „Quelle der Würde, Ehre und Legitimation des Staates“ erhoben143. Das Verständnis von Amt als Kategorie verliehener Kompetenz zur „verantwortungsvollen“144 und uneigennützigen Wahrnehmung staatlicher Aufgaben steht in einem besonderen Verhältnis zum Begriff der Herrschaft. Ralf Dreier hat unter 140 Diese und die nachfolgenden beiden Zitate bei Weber, Wirtschaft und Gesellschaft [Fn. 50], S. 563. 141 So Otto Depenheuer, Das öffentliche Amt, § 36, in: HStR III, 3. Aufl., Heidelberg 2005 [zit.: Das öffentliche Amt], Rn. 58 unter Bezugnahme auf die „Objektivität des Amtes“ (Rn. 58) unter der Rubrik „Sittlichkeit des Staates durch das Amt – Idee und Ethos des Amtes“ (Abschnitt C, Rn. 47 ff.). 142 Alle Zitate des Satzes bei Depenheuer, Das öffentliche Amt [Fn. 141], Rn. 86, unter Verweis u. a. auf Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, Stuttgart 1964, S. 113 ff., S. 118 ff. 143 Depenheuer, ebd. 144 Der Vielschichtigkeit des Begriffs „Verantwortung“ und seiner Bedeutung als Grundlage für das Amt widmet sich das 4. Kapitel.

III. Rechtsnatur des öffentlichen Amtes

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Rückgriff auf Max Weber in seinen Ausführungen zum Amtsbegriff „als eine allgemeine Denkform“ Herrschaft als institutionalisierte Macht, und soziale Macht als die Chance der Steuerung andermenschlichen Verhaltens beschrieben145. Versteht man diese Institutionalisierung von Macht146 weniger als eine gedankliche Momentaufnahme, sondern als einen gewachsenen Prozess, der durch Rationalisierung, Verrechtlichung sowie durch die Herausbildung des modernen Staates bestimmt wird, so wird die Klammer zu zwei Aspekten deutlich, die den Amtsbegriff prägen und gleichzeitig an diesen Prozess koppeln: denen der Begrenzung sowie der Legitimation sozialer Macht147. Die dem Amte eingeschriebene limitierende Funktion, liegt nicht, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, in der notwendigen Begrenzung des wahrzunehmenden Aufgabenkreises. Denkbar ist auch die prinzipiell allumfassende Herrschaftsübertragung, wie der Typus des kirchlichen Papstamtes oder des weltlichen Königtums erkennen lässt. Die Lesart von Herrschaft als Dienst, fundiert dieser auf charismatischem Prinzip oder rationalem Verständnis, impliziert (in unterschiedlicher Ausgestaltung) vielmehr eine anvertraute und in diesem Sinne verantwortlich wahrzunehmende Gewalt. Dieser Gedanke zum Wesenskern des öffentlichen Amtes wird im Rahmen dieser Untersuchung näher zu spezifizieren sein. Das Bild vom Legitimationsgedanken des Amtes als institutionalisierte, anvertraute Machtposition wird durch die Abgrenzung zum älteren Gemeinwesen deut145

Ralf Dreier, Das kirchliche Amt [Fn. 130], S. 115 ff. (116). Die organisationstheoretischen und soziologischen Aspekte von Macht und Herrschaft können in dieser Untersuchung nicht in ihrer Komplexität berücksichtigt oder diskutiert werden. Zum Wesenszug sozialer Macht arbeitet Niklas Luhmann, Funktion und Folgen formaler Organisation, 3. Aufl., Berlin 1976, S. 123 ff. (130) heraus: „Durch Transformation von persönlichem Einfluss in systemverliehenen Einfluss verdichtet sich ein Machtnetz zu einem sozialen System.“ Zum Verhältnis des Begriffs der „Macht“ zu dem der „Unsicherheitsabsorption“ als Voraussetzung einer Entscheidung im Rahmen der Theorie operativ geschlossener Organisationssysteme vgl. derselbe, Organisation und Entscheidung, Opladen/Wiesbaden 2000, S. 200 ff. Ohne die organisationstheoretische Abhandlung Luhmanns im Einzelnen nachzuzeichnen, reicht es aus und erscheint es hilfreich, aus seinen an dieser Stelle knapp gehaltenen Überlegungen folgenden Gedanken herauszugreifen: Der Gesichtspunkt der „Macht“ verleitet zu einer Konzentration von sehr heterogenen Thematiken, wie den Durchgriff über Entscheidungsprämissen auf Entscheidungen, ohne über die in einem solchen gedanklichen Operationsschritt notwendigen Erfahrungen und Forschungen wirklich verfügen zu können. Das – insofern besonders erschwerte – „Herausfinden“ von „tatsächlichen“ Machtverhältnissen kann zwar strategisch sehr nützlich sein, „dies Spiel [setzt] jedoch Insiderkenntnisse“ voraus, „die mit soziologischen Untersuchungen schwer zu fassen sind“ (S. 202). Diese Schwierigkeit besteht um so mehr für eine rechtstheoretische Abhandlung. Auch wenn diese punktuell in geeigneter Form empirische Befunde, rechtshistorische Erkenntnisse und organisationstheoretische Modelle einzubeziehen versucht, stehen ihr etwa bei der Behandlung bestimmter Kategorien wie „Macht“ und „Herrschaft“ ein unermesslicher Fundus an Deutungsmodellen und gleichzeitig nur begrenzte Mittel der Analyse zur Verfügung. 147 Siehe hierzu auch, unter Bezug auf R. Dreier, Schuppert, Staatswissenschaft [Fn. 110], S. 114 f. 146

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

licher. Kontur erhält der Begriff durch einen Blick auf die Darstellung des vorneuzeitlichen Amtsverständnisses in der systematischen Darstellung der Institutionalisierung der engeren Staat/Bürger-Beziehungen bei Loschelder148. Dieser fragt, worin die Eigenart des Amtsverständnisses vor der Herausbildung des „Staates im spezifischen Sinne“ liege149. Auf der Grundlage dieser Untersuchung lassen sich bezüglich des vorneuzeitlichen Amtsgedankens, Gesellschafts- und Herrschaftsgefüges folgende Aspekte thesenartig herausstellen: – der Einzelne wird als eingegliedert in eine Gesamtordnung betrachtet, deren Herrschafts- und genossenschaftliche Strukturen vielfältig, vielgestaltig und vielstufig sind; er steht damit nicht einer überpersönlichen ordnenden Kraft gegenüber; – die Stellung des Einzelnen resultiert aus der Struktur der äußeren Ordnung, die dem Zugriff seiner Glieder prinzipiell entzogen ist; – diese Ordnung bindet jede Herrschaft, bis zu „Haus“ und „Freiung“; – diese objektiv vorhandene Ordnung kennt kein Gewaltmonopol, nur eine gestufte Vielfalt von Gewaltbeziehungen: ihre Entscheidungsgewalt ist auf die vorgegebenen Grenzen beschränkt; – die Qualität der gliedschaftlichen Bindung und Betätigung wird durch eine personale Rechtsbeziehung von Treue und Gehorsam, Schutz und Hilfe, Haftung und Fürsorge bestimmt; – das ältere Gemeinwesen ist in erster Linie „Rechts- und Friedensbewahrungsstaat“, nicht Instrument freier Gestaltung, sondern Mittel zur Verwirklichung vorgegebenen, übergeordneten, zu bewahrenden Rechts; – das Recht ist damit umfassender Natur: es bezeichnet die gute Ordnung des Gemeinwesens und seiner Teile insgesamt; – die Gerechtigkeit, die diese Ordnung verwirklicht, ist für ihre Glieder identisch mit der göttlichen Gerechtigkeit selbst; – das Verhalten jedes Einzelnen ist damit hingeordnet auf die Verwirklichung des bonum commune, hieraus ergibt sich eine eigentümliche Verknüpfung von Rechten und Pflichten; – daraus folgt eine Zuschreibung „amtlichen“ Charakters der Ausübung dieser Rechte und Pflichten für jeden Einzelnen etwa bei der Ausübung eines Handwerks 148 Wolfgang Loschelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis zur öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung. Zur Institutionalisierung der engen Staat/Bürger-Beziehungen, Köln u. a. 1982 [zit.: öff.-rechtl. Sonderverbindung], S. 249 ff. 149 Loschelder, ebd., bezieht sich u. a. auf Das Deutsche Genossenschaftsrecht Otto von Gierkes und die Herausarbeitungen von Otto Brunner zu Stadt und Bürgertum in der europäischen Geschichte. Loschelder vermag überzeugend darzulegen, dass es für seine prinzipiellen und strukturellen Beobachtungen keiner detaillierten Erfassung bzw. Darstellung der mittelalterlichen Vorstellungswelten bedarf.

III. Rechtsnatur des öffentlichen Amtes

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oder eines Gewerbes: Sie ist ein Dienst gegenüber dem Gemeinwesen und der organisierten Gesamtheit und bedarf somit der Verleihung seitens des Amtsherrn. Eine solche Verfasstheit des Gemeinwesens kennt das Amt zwar als auf „das Gemeinwohl“ bezogenen „Dienst“150, jedoch ergibt sich das Verständnis des gemeinen Wohls und des Dienstes aus einem Binnen-Verhältnis der Herrschaftspluralität, einer Vielzahl ineinander greifender Herrschafts-, Pflicht- und Treuebeziehungen sowie aus einer Bezogenheit auf göttliche Allmächtigkeit. Essentiell ist die personale rechtliche Verknüpfung zwischen zahlreichen Verrichtungen aus dem officium und dem Gemeinwesen. Eine neuzeitliche, staatsbezogene Deutung des Amtsverständnisses muss in diesem Punkt enger sein. Mit der neuzeitlichen Separierung von Staat und Individuum und der Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols geht der Zerfall einer Ordnungsstruktur einher, in deren gegliedertem Gefüge Herrschaft und jedweder Dienst darin noch nicht streng unterschieden war. Herrschaft und Dienst sind in der vorneuzeitlichen Ordnung mit einer einheitlichen, allumfassenden und durchgängig der „dienstlichen“ (wie privat-gewerblichen) und letztlich der göttlich-gerechten Ordnung dienenden Gemeinwohlbetätigung verknüpft. Die Belange des Einzelnen und die der Gesamtheit sind im älteren, vorneuzeitlichen Gemeinwesen noch nicht prinzipiell getrennt. In der neuzeitlichen Postulierung einer uneigennützigen und distanzierten Amtsausübung zum Zwecke ausschließlich staatlicher Aufgabenerfüllung ist diese prinzipiell personale Rechtsbeziehung zwischen Amtspflichten und dem Gemeinwesen aufgehoben. In diesem Sinne ist das subjektive Prinzip151 für das staatliche Amt ausgeschlossen. Hierin mag man einen Kerngedanken des öffentlichen Amtes erkennen. Der Bezugspunkt des mit einem umfassenden Gewaltmonopol152 ausgestatteten, „mächtigen“ Staates nimmt dem Gedanken einer Legitimation des Amtes aus charismatisch-herrschaftlichen, „natürlichen“ Kategorien, die seine Existenz bestimmen, seine rechtsethische Plausibilität. Es wird erkennbar, dass das Amt im 150 Es sei darauf hingewiesen, dass der Amtsbegriff nach den hier gemachten Überlegungen nicht in ein alternatives Zuordnungsverhältnis zu den Begriffen „Herrschaft“ und „Dienst“ gestellt werden kann. Dies stellt auch Loschelder, öff.-rechtl. Sonderverbindung [Fn. 148], S. 282, mit Hinweis auf den Dienstcharakters des vorneuzeitlichen Amtes – bis hinauf zum Herrscheramt, heraus. Er steht damit nur scheinbar im Widerspruch zu R. Dreier, Das kirchliche Amt, [Fn. 130], S. 130 ff., der gleich zu Beginn seiner Ausführungen zur „Herrschaft als Amt“ hervorhebt, das ein derartiges Verständnis eine Deutung als Dienst impliziert. 151 Hierzu Loschelder, öff.-rechtl. Sonderverbindung [Fn. 148], S. 101 ff., 247 ff., 264 ff., 279 ff., 283. 152 Der Begriff wird hier in seinem eigentlichen und ursprünglichen Verständnis gebraucht: Der moderne Staat als einzig legitime und entscheidende Garantiemacht zur Gewährung von innerem Frieden. Wenn vereinzelt im Hinblick auf Fragen etwa der Funktionsbedingungen oder der Effektivität eine Krise oder Erosion des staatlichen Gewaltmonopols postuliert wird – oder aber, etwa im Zuge der Entwicklung im Sicherheitsrecht oder der Finanzkrise, von einer Vitalisierung – so ist dies für die an dieser Stelle vorgenommenen Folgerungen aus historischperspektivischer Betrachtung irrelevant.

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1. Kap.: Einführung und Problemexposition

modernen, rational-bürokratischen Staat zu seiner Legitimation und Wahrnehmung als anvertraute Position offenbar eine fundiertere Bindung benötigt, als diejenigen Direktiven, die seine Existenz äußerlich begründen. Diese Bindung des gemeinwohlbezogenen Amtes als Herrschaftsphänomen und institutionalisierte Macht ist verfassungsrechtlich zu begründen. Die nachfolgende Betrachtung im 2. Kapitel soll zu den Grundzügen eines gemeinwohlbezogenen, republikanischen Amtsverständnisses näheren Aufschluss geben.

2. Kapitel

Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses Die Grundzüge eines auf das Gemeinwohl bezogenen Amtsverständnisses fußen hinsichtlich ihrer ideengeschichtlichen Fundierung, verfassungsrechtlichen Legitimation und staatsrechtlich-dogmatischen Herleitung wesentlich auf dem Prinzip der Republik153. Das dogmenphilosophische Fundament der Republik besteht in einer antidespotischen Legitimation (Legitimationsprinzip) und einem auf Optimierung angelegten gemeinwohlorientierten Gestaltungsprinzip. Verfassungsrechtlich delegitimiert sind danach alle Arten einer Herrschaft aus eigenem, aus höherem Recht. Diese prinzipielle Aussage gründet in der Vorstellung einer Ordnung des Gemeinwesens, in der freie und gleiche Bürger von ihresgleichen regiert und nicht von Despoten beherrscht werden154.

153 Die ideengeschichtliche Tradition soll in dieser Untersuchung nur partiell gestreift werden. Das hier vertretene Republikverständnis knüpft an die ideengeschichtliche Herleitung Rolf Gröschners, Die Republik, § 23, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II [zit.: HStR II], 3. Aufl., Heidelberg 2004 [zit.: Republik], dort Rn. 13 ff., s. auch Rn. 34 ff., an, der insbesondere das Republikkonzept bei Aristoteles, die Wirkungsgeschichte des römischen Republikverständnisses von Ciceros „res publica res populi“ sowie die neuzeitlichen Entwicklungslinien bei Rousseau und Kant in den Mittelpunkt rückt. Zur ideengeschichtlichen Komplexität des Republikbegriffs siehe auch den nachfolgenden Abschnitt unter I. 1. 154 Die Königreiche Westeuropas stehen zwar in ihrer staatsrechtlichen Verfasstheit außerhalb der Reichweite eines formal definierten Republikbegriffs (Nichtmonarchie), sie taugen jedoch insoweit nicht als Gegenmodell, als sie im Hinblick auf ihren konstitutionell-parlamentarischen, freiheitlichen Charakter nicht in einem kontradiktorischen Gegensatz zu den (formal als nicht monarchisch regiert definierten) Republiken der Europäischen Union stehen. Gerne wird in diesem Zusammenhang auf das Diktum von John Adams verwiesen, der 1787 zur Charakterisierung der englischen Verfassung darlegte „The constitution of England is in truth a republic […]“, zit. nach Wolfgang Mager, Republik, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 5, 1. Aufl., Stuttgart 1984, S. 592. Vgl. Patrick Bahners, Louis Ferdinand hielt sich in Reserve, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Mai 2010, Nr. 103, S. N4, der unter Bezugnahme zu Adams davon spricht, die „polemische Bestimmung der Republik als Nicht-Monarchie“ habe nur einen geschichtspolitischen Sinn. Zu den Wirkungsbedingungen amtsethischer Standards in Großbritannien siehe 5. Kapitel.

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

I. Verfassungsprinzip der Republik Republik beinhaltet die verfassungsrechtliche Absage an jede höhere Legitimation des Staates155. Diese Wirkung des Republikprinzips erschöpft sich mit Blick auf ihren Geltungsgrund in der Verfassung und die verfassungsgebende Gewalt des Volkes, so die im weiteren Verlauf dieses Kapitels zu untersetzende These, nicht im einmaligen Akt originärer konstituierender Gewalt, sondern besteht während der gesamten Dauer des Bestandes der betreffenden Verfassungsordnung fort;156 nicht die äußere Staatsform bereitet den legitimatorischen Boden der Republik, vielmehr setzt diese dem Legitimationsideal, der Struktur und der Kompetenzanmaßung des Obrigkeitsstaats das Gegenmodell der freiheitlichen demokratischen Verfassungsordnung entgegen.

1. Ideengeschichtliche Komplexität des Republikbegriffs und dessen deutsche Rezeption Die Geschichte des Republikbegriffs und seiner ideengeschichtlichen Ausdeutung ist vielschichtig. Versuche begrifflicher Annäherung157 kommen kaum ohne eine Bezugnahme zur europäischen Geistes-158 und Verfassungsgeschichte159 aus, die gemeinhin auf die politeia des Aristoteles und die res publica Ciceros zurückgreifen. Letzteren berühmte Sentenz „res publica res populi“, die in das „Patrimonium der europäischen Rechts- und politischen Verfassungsreflexion“160 eingegangen ist, akzentuiert „die gute innere und äußere Verfassung des Verbandes“161 (populus) und erhebt diese zum normativen Maßstab obrigkeitlichen Handelns – gegründet auf den Rechtskonsens (iuris consensus) der Verbandsmitglieder über Gesellschaftsaufbau 155 Ebenso Wilhelm Henke, Die Republik, § 21, in: HStR I, 2. Aufl., Heidelberg 1995, Rn. 16 und Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 39. 156 Gröschner, ebd., Rn. 38. 157 Siehe insbesondere Wolfgang Mager, Republik [Fn. 154], S. 549 ff. Erhellend, zur deutschen Rezeption des Republikbegriffs, Eckart Klein, Der republikanische Gedanke in Deutschland – Einige historische und aktuelle Überlegungen, DÖV 2009, S. 741 ff. [zit.: Der republikanische Gedanke]. Klein weist zu Recht auf den Umstand hin, dass die Verwendung des Begriffs der „Republik“ durch Staaten gänzlich unterschiedlicher Verfasstheit vorgenommen wird bzw. wurde, wie der Blick auf die Bezeichnungen Französische Republik, Bundesrepublik Deutschland oder Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Deutsche Demokratische Republik oder Volksrepublik China zeigt (S. 742). 158 Näher etwa Gröschner, Republik [Fn. 153] sowie Wilhelm Henke, Die Republik, § 21, in: HStR I, 2. Aufl., Heidelberg 1995. 159 Zum Republikbegriff in der neueren deutschen Verfassungsgeschichte siehe Michael Anderheiden, Gemeinwohl in Republik und Union, Tübingen 2006, S. 225 ff, 234 ff., 244 ff., 250 ff. 160 Mager, Republik [Fn. 154], S. 553. 161 Mager, Republik [Fn. 154], S. 552 ff. (552).

I. Verfassungsprinzip der Republik

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und politische Ordnung. Hierin liegt der geistesgeschichtliche Kern des rezipierten römischen Republikverständnisses, der zugleich über die bloße Umschreibung als „Sache des Volkes“ hinausreicht: Dem Res-Publica-Begriff ist die Vorstellung immanent, dass die notwendige Verwirklichung des öffentlichen Wohls (salus publica, ulilitatis communio, bonum commune) institutionell Personen anvertraut ist, die in einem öffentlichen Amtsverhältnis stehen und von der Verfolgung von Privatinteressen und Eigennutz (bonum particulare, res privata) abzusehen haben.162 Dieses Republikverständnis wurde freilich nicht ungebrochen durch die Jahrhunderte tradiert163. Eine für das moderne Verständnis gewaltenteilig-repräsentativer Verfassung wegweisende Verknüpfung mit dem Freiheitsgedanken hat Immanuel Kant weiter entwickelt: ein Verständnis von Republik als einem Gemeinwesen einer bestimmten Verfasstheit, einer Herrschaftsform, welche die Freiheit seiner Bürger zu gewährleisten hat und sich dadurch zu legitimieren vermag164. Im Mittelpunkt steht die auf die „Constitution […] gegründete Art, wie der Staat“, welcher Regierungsform er auch sein mag, „von seiner Machtvollkommenheit Gebrauch macht“165, republikanisch oder despotisch. Das Entgegenstellen zur Despotie konzipiert die Republik im aufgeklärt-absolutistischen Staat als eine Herrschaftsform, die – unabhängig vom Vorhandensein monarchischer Elemente – auf die Freiheit und Gleichheit seiner Bürger ausgerichtet ist166. Aufgrund der deutschen Rezeption des radikalisierten Republikbegriffs der Französischen Revolution167 seit 1793/94 erfährt diese Auslegung sodann im 19. Jahrhundert einen Bruch. Seit dieser Zeit, insbesondere der Zeit des Vormärz und u. a. in Reaktion auf die als freiheitsbedrohend empfundene Auslegung des mon162

Mager, ebd.; ebenso Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 742 sowie Wilhelm Henke, Zum Verfassungsprinzip der Republik, JZ 1981, S. 249 ff. (250). 163 Vor allem Machiavelli konzipierte eine dezidiert antimonarchische Interpretation des Republikbegriffs. Eine knappe Übersicht zur Rezeption des Republikbegriffs bietet Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 741 ff., ausführlich Mager, Republik [Fn. 154], S. 552 ff. 164 Die Konzeption von Kants Rechts- und Staatsphilosophie begründet ein Frieden suchendes und Frieden sicherndes Republikverständnis, das wesentlich auf der Sicherung und Bewahrung der gleichen Freiheit Aller beruht, dessen Legitimität auf den „vereinigten Willen aller Bürger“ bezogen ist und dessen Verpflichtungsmodus staatlicher Normen auf die Legalität beschränkt ist; vgl. Immanuel Kant, Zum Ewigen Frieden, 1795, Erster Definitivartikel zum ewigen Frieden: „Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein“, in: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Kant’s gesammelte Schriften, Bd. VIII, Berlin 1912, S. 349. Siehe hierzu Horst Dreier, Kants Republik, JZ 2004, S. 745 ff. Dreier hebt einen „bemerkenswert hohen Grad an Übereinstimmung“ mit den zentralen Elementen moderner Verfassungsstaaten hervor (S. 753), warnt aber auch vor der „Gefahr der Überinterpretation“ (S. 755). 165 Kant, Zum ewigen Frieden [Fn. 164], S. 352. 166 Von einer „Einbindung des Monarchen in ein Amtsethos“ spricht daher Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 742. Zu Nachfolgendem vgl. derselbe, ebd., S. 743 f. 167 Siehe hierzu Mager, Republik [Fn. 154], S. 596 ff.

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archischen Prinzips während der Restauration168, ist im deutschen Verfassungsdenken die Vorstellung vorherrschend, dass Republik mit Monarchie im Sinne eines erblichen Staatsoberhaupts unvereinbar ist169. Dementsprechend definiert Georg Jellinek in seiner Allgemeinen Staatslehre Republik als „Nicht-Monarchie, als Negation der Leitung des Staates durch eine physische Person“170. Die Weimarer Reichsverfassung hat an prominenter Stelle, Art. 1 Satz 1 mit dem Satz „Das Deutsche Reich ist eine Republik“ die revolutionäre Abschaffung der Monarchie bestätigt. In der ereignisreichen Gründungsphase der Weimarer Republik war der Kampf um deren inhaltliche Ausdeutung im vollen Gange, wie der Blick auf die spektakulären Proklamationen „Es lebe die deutsche Republik“ durch Philipp Scheidemann einerseits, „(wir) proklamieren […] die freie sozialistische Republik Deutschland“ durch Karl Liebknecht andererseits, zeigen171. Es spricht viel dafür, dass der Republikbegriff in der Weimarer Republik nicht auf die formale Dimension der „Nicht-Monarchie“ verkürzt und die oben dargestellte, aufgeklärte inhaltliche Interpretation nicht vollständig verdrängt, sondern im Sinne einer Freiheits- und Verantwortungskomponente des republikanischen Gedankens aufgegriffen wurde172. Die Proklamation sowie die spätere verfassungsgebende In168 Vgl. etwa Art. 57 der Wiener Schlussakte von 1820, die vorschrieb, dass bei den Staaten der souveränen Fürsten des Deutschen Bundes „die gesamte Staats-Gewalt in dem Oberhaupte des Staats vereinigt“ blieb und die Souveräne „durch eine landständische Verfassung“ (Bezug zu Art. 13 der Deutschen Bundesakte) „nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden werden“ konnten, zitiert nach Mager, Republik [Fn. 154], S. 621. 169 Vgl. Mager, Republik [Fn. 154], S. 599 ff., 618 ff. sowie Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 743. Zur Diskussion in der frühen Bundesrepublik mit Blick auf die Möglichkeit einer monarchische Restauration jüngst Hans-Christof Kraus, Eine Monarchie unter dem Grundgesetz? Hans-Joachim Schoeps, Ernst Rudolf Huber und die Frage einer monarchischen Restauration in der frühen Bundesrepublik, in: derselbe/Heinrich Amadeus Wolff (Hrsg.), Souveränitätsprobleme der Neuzeit, Freundesgabe für Helmut Quaritsch anlässlich seines 80. Geburtstages, Berlin 2010, S. 43 ff. Vgl. hierzu auch Bahners, Louis Ferdinand hielt sich in Reserve [Fn. 154]. Siehe hierzu die nachfolgenden Ausführungen zum Verfassungsprinzip der Republik unter der Geltung des Grundgesetzes unter Abschnitt I. 2. sowie II. und III. 170 Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, fünfter Neudruck der Ausgabe in 3. Aufl. von 1914, Berlin 1929, S. 710 ff. (711). Da im Deutschen Kaiserreich von 1870/71 eine „Mehrheit ganz verschieden gearteter Kollegien in ihrem Zusammenwirken“ die höchste Gewalt inne gehabt hätten, habe dieses allerdings auch republikanischen Charakter gehabt, so derselbe, ebd., S. 712 ff. (712). 171 Zitiert nach Mager, Republik [Fn. 154], S. 645 m. weit. Nachw. Wenig einleuchtend ist daher die Schlussfolgerung Magers, der Republikbegriff habe nunmehr „jegliche Aktualität eingebüßt und sich zur Nichtmonarchie entleert“ (ebd.), denn die in den sehr unterschiedlich akzentuierten Proklamationen offen zu Tage getretene „antimonarchische Legitimität“ des Republikverständnisses wird man vielmehr als Ausdruck des Bestrebens um die inhaltliche Deutungshohheit der Republik zu interpretieren haben. Überzeugend Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 743. Vgl. Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 7 ff. und Rn. 36. 172 Ebenso Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 743. Vgl. Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 7 ff., 11, 36.

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kraftsetzung der Weimarer Republik gingen in ihrem Selbstverständnis entschieden über die verbale bzw. verfassungsrechtliche Feststellung einer Abdankung des Kaisers hinaus173. Hugo Preuß sprach insofern von „republikanische(m) Geiste“174, während Gerhard Anschütz in Interpretation der ersten beiden Sätze der Weimarer Reichsverfassung lediglich ein Verbot jeder „Rechtsänderung im Sinne der durch ihn verneinten Staatsform, d. h. der Monarchie“ erkannt haben will175. Die Einbeziehung von Artikel 1 Absatz 2 der Weimarer Reichsverfassung („Die Staatsgewalt geht vom Volke aus“) erscheint insofern konsequent, als damit die Verknüpfung mit dem Demokratieprinzip einher ging und die revolutionär veränderte verfassungsrechtlichen Legitimationsgrundlage insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Demokratie und der Abgrenzung zu bestimmten, als freiheitsgefährdend angesehenen Formen der Republik, wie z. B. der sozialistischen Räterepublik, erörtert wurde176. Die Entstehungsgeschichte der Weimarer Republik lässt gleichwohl den Schluss zu, dass nicht lediglich die äußere Formveränderung des Staates, sondern der innere Zusammenbruch eines streng subordinationsrechtlich, obrigkeitsstaatlich konzipierten Staats- und Rechtsverständnisses der eigentlich revolutionäre Paradigmenwechsel der Gründung des neuen Staates war177. In der gedanklichen ex post-Betrachtung des turbulenten und schließlich überaus dramatischen politischen Geschehens während und zum Ende der Weimarer Republik wird erkennbar, dass es der jungen deutschen Republik neben aufrichtigen Demokraten mindestens ebenso an echten „Republikanern“ mangelte, die ihre im Grundgedanken freiheitliche Ordnung gegenüber der ideologisch verbrämten nationalsozialistischen Idee der „Volksgemeinschaft“ verteidigten178. 173 Das Novembergeschehen 1918 mit der Proklamation der „Deutsche[n] Republik“ durch den (sozialdemokratischen) Staatssekretär Scheidemann (von einem Fenster des Reichstagsgebäudes aus) kann ebenso in bewusster Abgrenzung zur Ausrufung der „sozialistischen Republik“ durch Karl Liebknecht (wohl von einem Balkon des Berliner Schlosses aus) interpretiert werden, vgl. Philipp Scheidemann, Memoiren eines Sozialdemokraten, Zweiter Band, Dresden 1928, S. 310 ff. (312). 174 Hugo Preuß, Deutschlands Republikanische Reichsverfassung, 2. Aufl. 1923, S. 10 ff. (10). 175 Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Nachdruck 1960, S. 37. 176 Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 743. 177 Vgl. Preuß, Deutschlands Republikanische Reichsverfassung, S. 62: „Die Verfassung der deutschen Republik musste demokratisch und sie musste zugleich parlamentarisch gestaltet werden.“ Siehe auch Richard Thoma, Das Reich als Demokratie, § 16 in: Gerhard Anschütz/ Richard Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 1, Tübingen 1930, S. 186 f., „Republik bedeutet auch Bejahung und Aufbau!“ (186) sowie, unter Verweis auf den Gedanken der Res Publica, Republik sei auch „Stolz der Freiheit und eine Demut der Verantwortung“ (187). Vgl. Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 743 f. und Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 7 ff. 178 Eine differenziert kritische verfassungsgeschichtliche Würdigung zur Gründung und zum Scheitern der Weimarer Republik bietet Hans Mommsen, Zur Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, 1. Aufl., München 2010, siehe dort insbesondere im I. Teil Kapitel 2, Der

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Die im Grundgesetz verankerte Bundes-Republik lässt sich als ein Ergebnis dieser ideengeschichtlichen und verfassungshistorischen Prozesse betrachten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das Republikprinzip im Grundgesetz gegenüber Ansprüchen des republikanischen Gedankens der Weimarer Republik, der sich in materieller Stoßrichtung als „verfassungsrechtliche Kernentscheidung“179 gegen eine obrigkeitsstaatliche Staatsstruktur richtete, zu einer rein formalen Verneinung der Monarchie „degradiert“ wurde oder ob es bestimmte inhaltliche Bedeutungen impliziert.180

2. Formaler oder materialer Republikbegriff des Grundgesetzes? Der normtextliche Befund zum Verfassungsprinzip der Republik erscheint mit Art. 20 Abs. 1 GG („Bundesrepublik“) und Art. 28 Abs. 1 GG, der den Ländern einen den Grundsätzen des „republikanischen […] Rechtsstaates“ entsprechende verfassungsrechtliche Ordnung vorschreibt, vergleichsweise schmal. Formal definiert wird damit ein Staat umschrieben, der nicht als Erbmonarchie verfasst ist und in dem das Staatsoberhaupt nur auf verfassungsmäßig begrenzte Zeit amtiert181. Da 9. November 1918: Chancen und Scheitern der ersten deutschen Republik, S. 38 ff. sowie Kapitel 3, Lehren aus der Geschichte der Weimarer Republik bei der Demokratiegründung des Parlamentarischen Rates 1948/49, S. 53 ff. Zur nationalsozialistischen Staatszwecklehre vgl. Michael Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, Berlin 1974, S. 213 ff. Mit dem berühmten Ausspruch „Recht ist, was dem Volke nützt“ (Populäre Kurzfassung des von Frank, NS-Handbuch, geprägten Satzes „Alles, was dem Volke nützt, ist Recht, alles was ihm schadet, ist Unrecht“) wurde der Anspruch der Ausrichtung einer freiheitlichen demokratischen Ordnung auf das Gemeinwohl der (untergegangenen) Republik entstellt, verkehrt und durch die totale „Zuständigkeit“ und beliebig dehnbare materielle Definitionsmacht der politischen Führung abgelöst. 179 Gerhard Robbers, Republik, in: Matthias Herdegen/Hans Hugo Klein/Hans-Jürgen Papier/Rupert Scholz (Hrsg.), Staatsrecht und Politik, Festschrift für Roman Herzog, München 2009, S. 379 ff. (386). 180 So Josef Isensee, Republik – Sinnpotential eines Begriffs, JZ 1981, S. 1 f. (1). Aktuell wurde daran erinnert, dass zur Zeit der frühen Bundesrepublik indes die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer konstitutionellen monarchischen Restauration in Teilen der Literatur ernsthaft diskutiert wurde, siehe dazu Kraus, Eine Monarchie unter dem Grundgesetz? [Fn. 169], der beklagt, dass in der heutigen deutschen Staats- und Verfassungslehre „das Problem der Monarchie kaum noch thematisiert“ (S. 67) werde. Siehe hierzu nur Bahners, Louis Ferdinand hielt sich in Reserve [Fn. 154]. 181 Horst Dreier, Art. 20 (Republik), Rn. 17, in: derselbe (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. II, [zit.: Republik] 2. Aufl., Tübingen 2006, m. weit. Nachw. (in Fn. 56) zum noch immer vorherrschenden formalen Republikverständnis (Nichtmonarchie), so dass der formalen Absage an die Erbmonarchie allenfalls noch eine „nostalgische Bedeutung“ zukomme, vgl. Jens Kersten, Homogenitätsgebot und Landesverfassungsrecht, DÖV 1993, S. 896 ff. (899): „Kann der Begriff ,Republik‘ für die bundesstaatliche Ordnung schon keine verfassungsrechtliche Wirkung gewinnen, bleibt ihm allein verfassungspolitische Relevanz. So wird man ihn – im

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diese Umschreibung in der staatsrechtlichen Praxis offenbar keine Probleme aufwirft, sind auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nahezu keine Entscheidungen erkennbar, die sich direkt mit dem Verfassungsprinzip der Republik auseinandersetzen182. Die komplexe Dogmatik und der umfassende Sinngehalt der in Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG niedergelegten Verfassungsprinzipien der Demokratie und des Rechtsstaats legen den Schluss nah, so eine verbreitete These in der staatswissenschaftlichen Literatur, dass weitergehende Bedeutungen des republikanischen Prinzips in diese Grundsätze „abgewandert“ seien183 und damit keine verfassungsrechtlich greifbare Grundlage für die „Zuordnung weiterer Sinngehalte“ zum republikanischen Prinzip bestehe184. Gegen einen über den rein formalen Republikbegriff hinaus gehenden, „materialen“ Begriff der gemeinwohlorientierten Republik wendet dezidiert Horst Dreier ein, dass das Gemeinwohl „im demokratischen Verfassungsstaat nicht fixe und vorgegebene Größe“ sei, „sondern Produkt des pluralen, nicht interessefreien Prozesses politischer Willensbildung“.185 Soweit diese Aussage auf die Notwendigkeit einer hinlänglich inhaltlich-definitorischen Offenheit des Gemeinwohlbegriffs abzielt, der „die Funktionsimperative parteienstaatlicher Demokratie“ nicht in Frage stellt186, bestehen keine Bedenken. Es wird zu untersuchen sein, inwieweit die Verwendung eines offenen und nicht lediglich rein formalen Begriffs der Republik begründet werden kann. Dabei wird der Sinne seiner Übersetzung ,Freistaat‘ – in der Bedeutung von ,Verfassungsstaat‘ verstehen können“. Gegen das „obsolete[n] Verständnis“ von der Republik als Nichtmonarchie und für ein materiales Verständnis vom Prinzip der Republik in der res-publica-Tradition Aristoteles’ und Ciceros dezidiert Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, § 71, in: derselbe/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006 [zit.: HStR IV 2006], Rn. 23 ff., vgl. derselbe, Republik – Sinnpotential eines Begriffs, JZ 1981, S. 1 ff. 182 Eine jüngere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich explizit auf die republikanischen Grundsätze, im Zusammenhang mit Erbstreitigkeiten im Hause Hohenzollern, BVerfG (Kammer) NJW 2004, S. 2008 ff. (2011); zuletzt auch BVerfG, 2 BvC 3/07 vom 3. 3. 2009, Absatz-Nr. 109, in Bezug auf Wahlen und deren Kontrolle: „In der Republik ist die Wahl Sache des ganzen Volkes und gemeinschaftliche Angelegenheit aller Bürger.“ Die Breite der Kommentar- und Lehrbuchliteratur fällt ebenfalls quantitativ vergleichsweise dürftig aus, vgl. das Beispiel von Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 744 (dort Fn. 36). Von einer „Vernachlässigung“ des Republikprinzips im deutschen Verfassungsrecht spricht Robbers, Republik [Fn. 179], S. 379. 183 Dreier, Republik [Fn. 181], Rn. 28. 184 Michael Sachs, in: derselbe (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2011, Art. 20, Rn. 10; Herzog, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. III, Art. 20 III, München 2012, Rn. 3 f.; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl., München 1984, S. 581. Vgl. hiergegen nur Robbers, Republik [Fn. 179], S. 386 ff., der von Republik als „Konkordanzbegriff“ spricht, der „unterschiedlichen, bisweilen gegenläufigen Grundsätzen letztlich die gemeinsame Richtung“ gibt (S. 390). 185 Dreier, Republik [Fn. 181], Rn. 22. 186 Dreier, ebd.

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Versuch unternommen, bei der Entwicklung des gemeinwohlbezogenen republikanischen Amtsverständnisses Spannungen „zu demokratischen Legitimations- und rechtsstaatlichen Limitationselementen“187 herauszuarbeiten bzw. aufzulösen. Die Verwendung eines offenen Republikbegriffs ist zunächst zu unterscheiden von der Bezugnahme zu apriorischen, absoluten wertebezogenen Vorgaben zum Gemeinwohl. Die erforderliche und zulässige Konkretisierung in Amtsrechtsverhältnissen nach Maßgabe normativer Vorgaben steht in bewusster Abgrenzung zu substantivistischen Gemeinwohlformeln oder politischem Republikanismus. Der hier vorgenommene Ansatz, institutionelle und amtsethische Bedingungen der Gemeinwohlorientierung herauszuarbeiten, ist streng zu unterscheiden von einer politischen Mobilisierung des Republikprinzips188. Zu Recht wird zwar die zukunftsbezogene Offenheit des Republikbegriffs gewürdigt, seine „rechtlich überschießende Kraft als Manifest für politische Hoffnungen und […] Utopien“189. Es erscheint aber an dieser Stelle geboten, sich mit der „Renaissance“ des normativen, gemeinwohlbezogenen Republikbegriffs als Verfassungsprinzip auseinanderzusetzen190. Der gemeinwohlbezogene, offene Republikbegriff, an die formale Definition („Nichtmonarchie“) anknüpfend und zugleich darüber hinaus gehend, bezeichnet die Republik als antidespotisch und ideologiefeindlich191. Der republikanisch verfasste Staat darf danach weder – wie in der traditionalen Monarchie – auf metaphysische

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Dreier, Republik [Fn. 181], Rn. 25. Vgl. aber Günter Frankenberg, Republik und Sozialstaat, KritV 1995, S. 25 ff., „Republik als öffentliche Gemeinschaft“, ebd., S. 28 ff. sowie derselbe, Die Verfassung der Republik. Autorität und Solidarität in der Zivilgesellschaft, Baden-Baden 1996, S. 70 ff., S. 133 ff.: Republik als Prinzip der sozialen Integration. Die zweifelhafte und in Teilen bedenkliche Richtung eines rechtpolitischen republikanischen Dogmatismus wird erkennbar im umfassenden Werk von Karl Albrecht Schachtschneider, Res publica res populi. Grundlegung einer allgemeinen Republiklehre, Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts-, und Staatslehre, Berlin 1994, welcher Republik u. a. als Ordnung der Herrschaftslosigkeit charakterisiert, in dem das „Sittengesetz“ des Art. 2 Abs. 1 GG der republikanische Schlüsselbegriff sei, ebd., S. 71 ff. sowie S. 259 ff.; grundsätzliche Kritik bei Rolf Gröschner, Freiheit und Ordnung in der Republik des Grundgesetzes, JZ 1996, S. 637 ff., sowie Stefan Huster, Republikanismus als Verfassungsprinzip? Der Staat 34 (1995), S. 606 ff.; vgl. Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 746. 189 So Robbers, Republik [Fn. 179], S. 389 unter Bezugnahme auf Isensee, Republik – Sinnpotential eines Begriffs [Fn. 180], S. 7. 190 Vgl. hierzu jüngst ebenso Robbers, Republik [Fn. 179], S. 379 ff. mit zahlr. weit. Nachw., der insgesamt zwischen sechs zentralen Entwürfen einer inhaltlichen Ausdeutung des Republikprinzips der jüngeren Zeit unterscheidet, unter Bezug im wesentlichen auf Frankenberg, Sommermann, Anderheiden, Schachtschneider, Gröschner und Isensee. 191 Karl-Peter Sommermann, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., München 2010 [zit.: v. Mangoldt/Klein/ Stark, GG II], Art. 20 Abs. 1, Rn. 15, vgl. auch Gröschner, Republik [Fn. 153], S. 378 ff.; Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 744. 188

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„höhere Wahrheiten“, noch – wie in der totalitären Diktatur – auf absolut geltende und monopolistisch ausgedeutete Ideenkonstrukte gestützt werden. Ebenso wenig ließe sich die formal als „Republik“ definierte „Deutsche Demokratische Republik“, mit ihrem in Art. 1 Abs. 1 ihrer Verfassung artikulierten Anspruch, ein „sozialistischer“ Staat „unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei“ zu sein, mit einem offenen Republikbegriff vereinbaren192. Ideologisch-materielle Überfrachtungen stehen der Republik als Verfassungsprinzip des Grundsetzes entgegen, da sie der auf Freiheit begründeten Ordnung widersprechen193. Aus dem republikanischen Verfassungsprinzip lässt sich jedoch, so die Kernthese dieses Kapitels, ein rechtsfolgenoffenes Optimierungsgebot194 mit einer Ausrichtung auf die gebotene Verwirklichung des Gemeinwohls ableiten, zu begreifen als Gestaltungsprinzip einer freiheitlichen Ordnung des Verfassungsstaates. Der Begriff der „Freiheit“ taugt unter diesem Fokus als Schlüssel zum dogmatischen Verständnis des republikanischen Prinzips des Grundgesetzes. Ausgangspunkt der dogmatischen Herleitung ist die Bezugnahme auf die „freiheitliche Ordnung“ in der Verfassung. Die Ordnung des Grundgesetzes wird man in dogmatischer und ideengeschichtlicher Hinsicht sowohl als „demokratisch“, als auch kumulativ, und dies mit verfassungsrechtlich und dogmatisch eigenständiger Bedeutung, als „freiheitlich“ zu bezeichnen haben. Auf die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ nimmt das Grundgesetz an mehreren Stellen Bezug, so in Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 2, Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 GG.195 Hieraus lässt sich ein selbständiger Begriff der „freiheitlichen Ordnung“ ableiten196. Das Bundesverfassungsgericht hat schon in einer seiner frühen Leitentscheidungen den Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im klassischen freiheitlich-republika192 Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Verfassung der DDR vom 6. April 1968 i. d. F. vom 7. Oktober 1974. Demgegenüber formulierte das Neue Forum Leipzig in seinem ersten Informationsblatt am 18. Oktober 1989: „Wir wollen eine res publica […]. Ob eine Partei für alle Zeiten das Machtmonopol beanspruchen kann, werden die Bürger dieses Landes entscheiden.“ Neues Forum Leipzig (Hrsg.), Jetzt oder nie – Demokratie!, 1. Aufl., Leipzig 1989, S. 133 – 134. 193 Zum Verfassungsprinzip der Freiheit siehe sogleich, unter Abschnitt II. 194 Vgl. die Konturierung des Gemeinwohlbegriffs von Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat [Fn. 181], Rn. 17, vgl. Rn. 22. Das Verfassungsprinzip der Republik wird bei Gröschner, Republik [Fn. 153] als Optimierungsgebot charakterisiert, Rn. 13 f., vgl. Rn. 5 („Revisionsbedürftigkeit eines rein formalen Republikbegriffs“) sowie Rn. 40 f., Rn. 51 – 52. Der Verfasser hält eine Ergänzung des von Gröschner gebrauchten Attributs „gehaltvoll“ mit „rechtsfolgenoffen“ der Präzisierung wegen für sinnvoll. Zudem kann bereits per definitionem einer materiellen Überhöhung oder Überdehnung des Begriffs entgegengewirkt werden. Zur Präzisierung des republikanischen Optimierungsgebotes und seiner rechtstheoretischen Einordnung als Verfassungsprinzip sogleich unter Abschnitt II. und III. 195 Vgl. „verfassungsmäßige Ordnung“ in Art. 9 Abs. 2 GG. 196 Dies wurde jüngst von Gröschner herausgearbeitet, Republik [Fn. 153], Rn. 45, der u. a. auch auf die Herrenchiemseeer Entwurfsfassung des Art. 18 GG verweist, in dem die beiden Adjektive „freiheitlich“ bzw. demokratisch“ mit einem „und“ verbunden waren.

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nischen Sinne interpretiert; dieser Grundordnung ist der „Ausschluss jeglicher Gewalt und Willkürherrschaft“197 als antidespotische Grundlage der Freiheit und Gleichheit ins unveränderliche grundgesetzliche Stammbuch geschrieben.198

3. Gemeinwohl als Orientierungsgröße? Der Gemeinwohlbezug im Republikprinzip wird teilweise und unter Verweis auf das Demokratieprinzip bestritten199. Der oben zitierte Verweis Dreiers auf den freien und pluralen politischen Willensbildungsprozess als Ausdruck des Demokratieprinzips des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG und der Mitwirkung der Parteien an diesem Prozess nach Art. 21 GG ist, sofern er den demokratischen Verfassungsstaat umschreibt, unstrittig. Der darin enthaltene Vorwurf, ein materieller Gemeinwohlbegriff sei antipluralistisch und antidemokratisch, da er dem Meinungsbildungsprozess der Demokratie vorgreife oder diesen gar gefährde, erscheint auf den ersten Blick ebenso schlüssig. Sollen Verwaltungsbeamte demokratisch legitimierten Verfassungsorganen oder politischen Parteien vorgeben, was diese im politischen Diskurs, im demokratischen Willensbildungsprozess miteinander aushandeln? Die in derartiger Rhetorik liegende Zurückweisung materialer Gemeinwohlbestimmung erweist sich bei näherer Betrachtung allerdings als nicht zwingend und letztlich irreführend. Sähe man „Gemeinwohl“ ausschließlich als Resultat des politischen Meinungs- und Willenbildungsprozesses, so liefe dieser Begriff als Bezeichnung der Ergebnisse politischer Entscheidungen letztlich leer200. Der politische Kompromiss der Mehrheitsentscheidung, ebenso die spätere Revision dieses Kompromisses, wäre nach diesem Verständnis das „Gemeinwohl“. Zutreffend an diesem Bild ist die Ungewissheit, sich über den Inhalt des Gemeinwohls gewiss zu sein sowie die Erkenntnis, dass gänzlich unterschiedliche Gemeinwohlbelange in der Rechtsordnung existie-

197 Siehe die seit dem SRP-Verbotsurteil kanonisierte Formel des BVerfGE 2, S. 1 ff. (12 f.), nach dem sich die freiheitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung bestimmen lässt, „die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt“. 198 Über Art. 79 Abs. 3 GG ist die republikanische Staatsform des Grundgesetzes des Bundes jeder Änderung entzogen. Strittig für die Länder, Art. 28 Abs. 1 GG, s. Dreier, Republik [Fn. 181], Rn. 27 m. weit. Nachw. in Fn. 82. 199 Vgl. Dreier, Republik [Fn. 181], Rn. 19. Das Gemeinwohl unter Verweis auf den „politischen Meinungs- und Willenbildungsprozeß“ als das Ergebnis, nicht als Maßstab politischer Entscheidungen einordnend, Dieter Grimm, Gemeinwohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Schuppert/Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, Berlin 2002, S. 125 ff. (127). 200 Ebenso Jan Henrik Klement, Verantwortung, Funktion und Legitimation eines Begriffs im Öffentlichen Recht, Tübingen 2006, S. 382. Vgl. Isensee, Konkretisierung des Gemeinwohls in der freiheitlichen Demokratie, in: von Arnim/Sommermann (Hrsg.), Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung, Berlin 2004, S. 95 ff. (97).

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ren201. Daraus folgt allerdings nicht zwingend der Schluss, der Inhalt von Gemeinwohl sei ohne normativ-inhaltliche Substanz. Es lässt sich die entgegengesetzte These formulieren: Der Begriff des Gemeinwohls in Normsätzen ist notwendig auch materieller Natur. Sofern das Gemeinwohl normative Bedeutung hat, muss der Begriff auslegbar sein, anderenfalls wäre die Verpflichtung, das öffentliche Wohl zu fördern, rechtlich wirkungslos202. Aus Blickrichtung des republikanischen Verfassungsstaates ließe sich daher einwenden, dass das Wohl des öffentlichen Gemeinwesens der res publica begrifflich und bedeutungsgeschichtlich immanent sei, ohne dass damit gemeint wäre, das Gemeinwohl sei eine inhaltlich festgelegte und vorgegebene Größe. Der Verweis auf die Parteiendemokratie und den freien, pluralen und ggfs. interessengebundenen politischen Willenbildungsprozess greift insofern Platz, als ein apriorischer, absoluter und unveränderbar vorgegebener Inhalt des Gemeinwohls ausgeschlossen ist. Unter Geltung der freiheitlichen, demokratisch konzipierten Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist für eine geschlossene Gemeinwohldefinition, die sowohl inhaltlich definiert ist, als auch künftigen Änderungen durch demokratisch-politische Entscheidungen entzogen ist, kein Raum. Die durch das Demokratieprinzip des Grundgesetzes geschützte Pluralität der Meinungen wird allerdings nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem Begriff des Gemeinwohls als Rechtsbegriff ein Inhalt zuteil wird, „der nicht dem freien Willen des Normanwenders überlassen bleibt“203. Dort wo das Gemeinwohl, etwa in Form des „öffentlichen Interesses“ als Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm, normtechnisch (zum Zeitpunkt der Rechtsentscheidung bzw. -anwendung) „aktuell“ wird, taugt es auch als rechtlicher Maßstab. Zum Beispiel können das “öffentliche Interesse“ oder „vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls“204 eine wirksame Einschränkung von Grundrechten darstellen, dies jedoch nur dann, wenn die Definition dessen, was im konkreten Fall das zu berücksichtigende öffentliche Interesse sei, nicht gänzlich in das Belieben des einschränkenden Amtsträgers gestellt wird. Es ist gerade die Funktion des Rechts und insbesondere des Verfassungsrechts, Normen auch für politische Entscheidungsträger verbindlich zu setzen und dem politischen Tagesgeschäft zu entziehen205. Insoweit besteht kein Widerspruch zum hier vertretenen rechtsfolgenoffenen materialen Republikbegriff, denn dieser begreift das Gemeinwohl nicht in Form einer 201 Die notwendige Unterscheidung von Gemeinwohl „im Singular“ und „Gemeinwohlbelangen“ hebt auch Schuppert hervor, vgl. derselbe, Gemeinwohl, das, in: derselbe/Friedhelm Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, Berlin 2002, S. 19 ff. (28 ff.). 202 Ebenso Klement, Verantwortung [Fn. 200], S. 380 ff. (380, 382). Vgl. Dieter Fuchs, Gemeinwohl und Demokratieprinzip, in: Schuppert/Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 87 ff. (89): Gemeinwohlbegriff als „Träger angebbarer Inhalte“. 203 Klement, Verantwortung [Fn. 200], S. 384. 204 Vgl. BVerfGE 7, S. 377 ff. (378, 405) (Apothekenurteil) für die Beschränkung der Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. 205 So ausdrücklich, aber ohne Rückbezug auf den Republikbegriff, Klement, Verantwortung [Fn. 200], S. 384.

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

Verpflichtung auf einen abschließenden politisch-ideologischen Zielkatalog für einen „Idealzustand“ von Staat und Gesellschaft; vielmehr beinhaltet er ein Gestaltungsprinzip einer freiheitlichen Ordnung nach den Regeln des Rechts, das ein dem Begriff der res publica innewohnendes Zielbild des Gemeinwohls einschließt206. Dieser Gedanke vom Gemeinwohl als Zielbild des republikanischen Verfassungsstaats wird an der Schnittstelle Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip aktuell.207 Aus Blickrichtung eines offenen Republikbegriffs der freiheitlichen Ordnung flankieren die Aufgaben und Pflichten der Amtswalter die demokratisch-politische Willensbildung und -betätigung (vgl. Art. 5, Art. 8, Art. 9, Art. 21 sowie Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG). Dieses Spannungsfeld zwischen dem Geltungshorizont freiheitlicher Grundrechte bezogen auf den Bürger einerseits und den Amtsträger andererseits soll nachfolgend näher untersucht werden: Inwiefern haben die Freiheitsgrundrechte eine republikanische Dimension? Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus für das republikanische Amtsverständnis ziehen? Zunächst soll der republikanische Bezug grundrechtlicher Freiheit in der gebotenen Kürze entwickelt werden. Sodann wird, aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen, der republikanische Amtsbegriff konkretisiert.

II. Republikanische Dimension der Freiheitsgrundrechte im Verfassungsstaat Das Prinzip der Republik ist mit dem Verfassungsprinzip der Freiheit verknüpft. Aus freiheitsrechtlicher Perspektive bietet es sich an, das relativ offene und weite Synonym für Republik – „Verfassungsstaat“ – als Ausgangspunkt dieses Abschnitts zu nehmen208, denn die grundrechtlich gewährte Freiheit hat in diesem ihren notwendigen Bezugspunkt. Unter „Verfassungsstaat“ ist ein Staat zu verstehen, der durch bestimmte inhaltliche Garantien (materiell) und bestimmte Formqualitäten (formell) gekennzeichnet ist. Die wechselseitige Bedingtheit von Staat und Verfassung kommt zum Ausdruck, indem die den Bedürfnissen der Moderne entsprechende Verfassung die Macht des Staates in den Dienst des Rechts stellt „und diesen verpflichtet, die Rechte

206 Die Funktion des Gemeinwohls als „Zielbegriff“ hebt auch Böckenförde hervor, Gemeinwohlvorstellungen bei Klassikern der Rechts- und Staatsphilosophie, in: Münkler/Fischer (Hrsg.) Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Berlin 2002, S. 43 ff. (62). 207 Ähnlich Klement, Verantwortung [Fn. 200], S. 384: „Im Verfassungsstaat schließen Rechtsstaats- und Demokratieprinzip insoweit einen Kompromiß“, unter Verweis auf Häberle, Die Gemeinwohlproblematik in rechtswissenschaftlicher Sicht, Rechtstheorie 14 (1983), S. 257 ff. (258): Recht und Gesetz als „geronnenes Gemeinwohl“. 208 Vgl. Jens Kersten, Homogenitätsgebot und Landesverfassungsrecht [Fn. 181], ebd.

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der Bürger zu wahren und zu schützen, Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten“.209 Im (Verfassungs-) Staat der Neuzeit treffen damit zwei elementare, komplementäre Komponenten aufeinander: Neben dem Sicherungs- und Ordnungsgedanken tritt als notwendige Legitimationsbedingung die Idee menschlicher Freiheit unter dem Primat des Rechts. Der Staat legitimiert seine Existenz und somit seinen Hoheits- und Machtanspruch wesentlich über die Aufgabe, die natürliche Freiheit des einzelnen Menschen zu wahren und zu schützen, womit sich sein ordnungsrechtlicher Machtanspruch a priori begrenzt. Die Menschenrechte wurden und werden – in rechtlicher Ausformung der Menschenrechtsideen europäischer Naturrechtslehrer, wie Hugo Grotius, Samuel Pufendorf und Christian Wolff, der abstrakt-universellen Philosophie der Freiheit und Selbstbestimmung Immanuel Kants210 und der großen englischen und französischen Staatsphilosophen211 – in der Tradition der amerikanischen und französischen Menschen- und Bürgerrechtserklärungen des 18. Jahrhunderts bis heute verstanden als „natürliche“, d. h. als vorstaatliche und überpositive, zugleich auf den Staat bezogene212 und universale Geltung beanspruchende Rechte des Menschen schlechthin213. Die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes zeigt, dass die Verfassung der Bundesrepublik an den Schutz individueller Freiheit in jenem Verständnis der vorstaatlichen und universalen Geltung als Grundlage und zentrales Ziel staatlichen 209 Josef Isensee, Staat und Verfassung, § 15, in: HStR, Bd. II, 3. Aufl., Heidelberg 2004, Rn. 4 mit zahlr. weit. Nachw. in Fn. 2. 210 Siehe insbesondere Die Metaphysik der Sitten, text- u. seitengleiche Ausgabe zu Bd. VIII der Theorie-Werkausgabe Immanuel Kant, in: Wilhelm Wieschedel (Hrsg.) Werke in 12 Bänden, Frankfurt a. M. 1968, Frankfurt a. M. 1977, siehe hierzu Hasso Hofmann, Geschichtlichkeit und Universalitätsanspruch des Rechtsstaats, in: Der Staat, Bd. 34 (1995), S. 1 ff. [zit.: Rechtsstaat], S. 14, m. weit. Nachw. 211 Zur „rechtsstaatlich-liberalen Auffassung“ von Freiheit besonders bei John Locke sowie Baron Charles Montesquieu vgl. Hasso Hofmann, Das Verfassungsprinzip der Freiheit, in: Manfred Just u. a. (Hrsg.), Recht und Rechtsbesinnung, Gedächtnisschrift für Günther Küchenhoff, Berlin 1987, S. 231 ff. (235 ff.). 212 Vgl. Josef Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, § 115, in: HStR, Bd. V, 2. Aufl., Heidelberg 2000 [zit.: Grundrechtsvoraussetzungen], Rn. 47 ff. (49): „Geschichtlich gesehen, richten sich die Menschenrechte von Anfang an auf den Staat.“ 213 Zu den geistesgeschichtlichen Wurzeln resümierend Klaus Stern, Die Idee der Menschen- und Grundrechte, § 1, in: Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. I, 1. Aufl., Heidelberg 2004, Rn. 9 ff., 14 ff.; ausf. zu den rechtshistorisch-formengeschichtlichen Aspekten und philosophischen Grundlagen Hasso Hofmann, Zur Herkunft der Menschenrechtserklärungen (1988) sowie Die Grundrechte 1789 – 1949 – 1989 [zit: Grundrechte] (1989), beide Aufsätze in: derselbe, Verfassungsrechtliche Perspektiven, Tübingen 1995, S. 3 ff. bzw. S. 23 ff. Zur Entwicklung der Menschenrechte in der angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Entwicklungslinie hin zu einer herrschaftsbegründenden Funktion instruktiv Christoph Enders, in: Karl Heinrich Friauf/ Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Berlin 2006, C vor Art. 1, S. 8 ff. Rn. 1 ff.

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Handelns anknüpft. Im Bewusstsein der rechtspolitischen „Auflösung“ der vorstaatlichen Geltung individueller Freiheit zur Zeit des Nationalsozialismus214 wird das grundgesetzliche Konzept der Grundrechte als „Gegenprogramm zur totalitären Missachtung des Individuums“215 entworfen. Weniger konkret rechtlich handhabbar als die spätere Fassung, aber anschaulich direkt formuliert ist Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzentwurfes des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee aus dem Jahre 1948: „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.“216 Dieses Beziehungsverhältnis des modernen Staates und der Menschenrechte, das als „Zwillingsverhältnis“217 bezeichnet werden kann, ist dabei zugleich ein paradoxes, tritt doch der mit dem umfassenden Gewaltmonopol ausgestattete Staat konstruktiv sowie mannigfach und vielfältig historisch belegt als „natürliche[r] Gegner“218 der Menschenrechte und Widerpart individueller Freiheitsentfaltung auf – dessen Aufgabe und Legitimation zugleich aber dessen Schutz ist. Ohne die Existenz und Präsenz „des staatlichen Monopols legitimer Gewaltsamkeit“ allerdings wären Grundrechte „nicht zu garantieren und ließe sich ihre Verletzung nicht sanktionieren. In diesem Sinne wirkt das ursprünglich bestimmende Motiv der Menschenrechte, die Freiheit der Individuen von übermäßigem und unvernünftigem staatlichem Zwang zu verbürgen, unablässig mit seiner Antithese zusammen.“219 Der Verfassungsstaat ringt um Auflösung dieses paradoxen Grundkonfliktes, um die Synthese des formalen Machtanspruchs des Staates und der formellen und materiellen rechtlichen Durchsetzbarkeit der vorstaatlichen Idee der menschenrechtlichen Freiheit. Das Grundgesetz bindet die Menschenrechte in die Verfassungs214 Zur Ablösung durch das Prinzip der „Volksgemeinschaft“ und der rechtspolitischen Verwerfung der liberalen Antithetik zwischen freiheitssicherndem Recht und freiheitsgefährdender Politik vgl. Walter Pauly, Grundrechtstheorien in der Zeit des Nationalsozialismus und Faschismus, in: Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. 1, Heidelberg 2004, § 14, Rn. 14 ff. (17). Zur nationalsozialistischen Weltanschauung als „Grundlage der Auslegung aller Rechtsquellen“ Michael Stolleis, Recht im Unrecht. Studien zur Rechtsgeschichte des Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 1994, S. 22. 215 Horst Dreier, in: derselbe (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 2. Aufl., Tübingen 2004, Art. 1 I, Rn. 40. 216 Verfassungsausschuss der Ministerpräsidenten-Konferenz der westlichen Besatzungszonen (Hrsg.), Bericht zum Verfassungskonvent auf der Herreninsel von Chiemsee vom 10. bis 23. August 1948, München 1948, S. 61. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Klaus Stern, Die Entstehung des Grundrechtskatalogs des Grundgesetzes, in: derselbe, Staatsrecht, Bd. III/1 1988, § 60, S. 127 ff., 140 ff. 217 Günter Frankenberg, Menschenrechte im Nationalstaat, in: Ulrich Klug/Martin Kriele (Hrsg.), Menschen- und Bürgerrechte, Vorträge aus der Tagung der deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Staatsphilosophie (IVR) in der Bundesrepublik Deutschland vom 9.–12. Oktober 1986 in Köln, Stuttgart 1988, S. 81 ff. (S. 82: „Zwillingsexistenz“). 218 Frankenberg, ebd., S. 82. 219 Frankenberg, ebd.

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staatlichkeit ein, indem es die deutsche Staatsgewalt auf die Achtung und den Schutz der Menschenwürde220 verpflichtet, dies verknüpft (vgl. Art. 1 Abs. 2 GG: „darum“) mit dem universalen Menschenrechtsbekenntnis und sodann mit der unmittelbaren rechtlichen Bindung der Staatsgewalt an die menschenrechtlich221 gefassten Grundrechte der Freiheit und Gleichheit positivrechtlich absichert und für unabänderlich erklärt222. Der Staat strebt mit dieser Inkorporation des seinem Machtanspruch a priori voraus liegenden Freiheitsgedankens, den er zum rechtsverbindlichen Maßstab des Handelns aller öffentlichen Gewalt erhebt, „nach der Überwindung der geschichtlichen Antithese zwischen dem formalen Machtsystem ,Staat‘ und der Idee menschenrechtlicher Freiheit. Er wird dadurch zum Verfassungsstaat.“223

220 Das Bundesverfassungsgericht definiert die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes regelmäßig negativ, also in Konzentration auf die Modalitäten der Verletzungshandlung, vgl. etwa BVerfGE 45, S. 187 ff. (S. 228: „grausam[es], erniedrigend[es]“) und knüpft an die von Günter Dürig im Anschluss an Josef Wintrich entwickelte „Objekt-Formel“ an, wonach die Menschenwürde betroffen ist, wenn „der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird“, Dürig, Der Grundrechtssatz von der Menschenwürde, in: AÖR 81 (1956), S. 117 ff., 127 ff. (127); vgl. derselbe, in: Maunz/Dürig u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, Rn. 28 ff. zu Art. 1 Abs. 1 GG (44. Ergänzungslieferung, Februar 2005) sowie Matthias Herdegen, in: Maunz/Dürig u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, München 2012, Art. 1 Abs. 1, Rn. 28; vgl. BVerfGE 50, S. 166 ff. (175), das – insoweit positiv formulierend – betont, dass dem Menschen „in der Gemeinschaft ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch zukomme“ und es deshalb der menschlichen Würde widerspreche, „den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen“, vgl. schon BVerfGE 9, S. 89 ff. (95). Zur unmittelbaren und mittelbaren Kant-Rezeption des Grundgesetzes eingehend Ralph Alexander Lorz, Modernes Grund- und Menschenrechtsverständnis und die Philosophie der Freiheit Kants. Eine staatstheoretische Untersuchung an Maßstäben des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart u. a. O. 1993, bes. S. 271 ff., 280 ff., 285 ff. 221 Vgl. Angelika Siehr, Die Deutschenrechte des Grundgesetzes. Bürgerrechte im Spannungsfeld von Menschenrechtsidee und Staatsmitgliedschaft, [zit.: Bürgerrechte], Berlin 2001, S. 76 ff., 116 ff., 468 ff. 222 Art. 79 Abs. 3 GG. „[Die Menschrechte] […] genießen […] im Kontext des Grundgesetzes einen besonderen Schutz dadurch, dass die von Art. 1 Abs. 1 und 2 GG erfasste menschenrechtliche Substanz der einzelnen Grundrechte zum Identitätskern der Verfassung gehört, die nicht einmal durch verfassungsänderndes Gesetz angetastet werden darf“, Josef Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, § 115, in: HStR V, 1. Aufl., Heidelberg 1992, Rn. 36. Kritisch zur strikten Geltendmachung des Menschenrechts- oder Menschenwürdekerns Siehr, Bürgerrechte [Fn. 221], S. 346 ff., 351 ff., 468 ff. Siehr anerkennt die Vorstellungen eines Menschenrechts- oder Würdekerns „als letzte Grenze der Einschränkbarkeit bestimmter Freiheitsbetätigungen“ (ebd. S. 356) bzw. „Warnfunktion“ (S. 478) in Kombination mit der Konzeption des Art. 2 Abs. 1 GG als subsidiäres allgemeines Freiheitsrecht. 223 Philipp-Asmus Riecken, Die Duldung als Versammlungsproblem, Berlin 2006, S. 58 f., unter Bezug auf Josef Isensee: „Die geschichtliche Antithese zum formalen Machtsystem des modernen Staates ist die Idee der menschenrechtlichen Freiheit. Sie ist gleich ihm: formal, abstrakt, flexibel und unteilbar. Der Verfassungsstaat strebt die Synthese beider an, dadurch, dass er die Freiheit als ,vorstaatliche‘, unverfügbare Vorgabe, ihre Wahrung und ihren Schutz als das Um-Willen der Staatsgewalt und ihre Gewährleistung als deren Aufgabe anerkennt“, Josef Isensee, Staat und Verfassung, § 13, in: HStR, Bd. I, 2. Aufl., Heidelberg 1995, Rn. 100.

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1. Grundgesetzlicher Maßstab des Verfassungsprinzips der Freiheit Das Verfassungsprinzip der Freiheit, welches im Verständnis der liberal-rechtsstaatlichen Tradition im Grundrechtsteil des Grundgesetzes Niederschlag gefunden hat224, verlangt seiner Grundidee nach die Notwendigkeit zur Rechtfertigung der staatlichen Befugnis, in die Sphäre natürlicher Freiheit des Menschen einzugreifen. Der Staat, obwohl notwendige Bedingung und unverzichtbares Mittel für die Entfaltung menschlicher Freiheit, vermag diesen Zweck unter Missbrauch seiner Machtmittel zu gefährden. Der Grundkonflikt ist gemäß dem natürlichen Anspruch auf Achtung menschlicher Würde „immer schon in einer bestimmten Weise entschieden: Da der Staat seinen Zweck erst aus der wesentlich vorstaatlichen menschlichen Natur erhält, ist der Gebrauch staatlicher Machtmittel vor dieser zu rechtfertigen.“225 Diese metaphysische begründete Grundannahme hat in die Grundrechtsdogmatik des Grundgesetzes, ungeachtet der vielfältigen Strömungen und Linien in der nach wie vor lebhaft geführten grundrechtsdogmatischen Debatte, in Form der abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte Eingang gefunden226. Das Bundesverfassungsgericht227 hat in einer seiner bedeutenden frühen Entscheidungen, dem „Elfes224 Instruktiv die verfassungsdogmatische Herleitung zum Verfassungsprinzip der Freiheit im Grundgesetz von Philipp-Asmus Riecken, Die Duldung als Verfassungsproblem [Fn. 223], S. 55 ff., 68 ff., insb. 80 ff. 225 Christoph Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung. Zur Dogmatik des Art. 1 GG, Tübingen 1997, S. 290 ff. (291). 226 Mit Ralf Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte. Reflexive Regelung rechtlich geordneter Freiheit, Tübingen 2003, S. 72 ff. und Riecken, Die Duldung als Verfassungsproblem [Fn. 223], S. 70 ff., lassen sich in einer Systematisierung der verschiedenen, im Detail variierenden grundrechtsdogmatischen Ansätze drei wesentliche grundrechtsdogmatische Strömungen ausmachen, namentlich erstens die von Alexy eingeführte (und des weiteren ausgebaute) Prinzipientheorie, zweitens diejenigen Ansätze, die auf einem pluralen, ausdifferenziert heterogenen bzw. mehr- oder multifunktionalen Verständnis der Grundrechte beruhen sowie drittens die im Anschluss an Schlink entwickelte „Rekonstruktion“ der Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Funktion. Allen diesen dogmatischen Ansätzen und damit in der weit überwiegenden Zahl grundrechtsdogmatischer Positionen ist die abwehrrechtliche Deutung der Grundrechte wenigstens (teil-)immanent, so dass sie in ihrer Grundstruktur als nahezu einhellig akzeptiert angesehen werden können. Vgl. Wolfram Cremer, Freiheitsgrundrechte. Funktionen und Strukturen, Tübingen 2003, S. 3: Nicht mehr fraglich sei heute, „dass die Freiheitsgrundrechte entsprechend dem bürgerlich-liberalen Grundrechtsverständnis abwehrrechtlichen Schutz, sondern ob sie mehr als negative Freiheit verbürgen“, s. die Ausarbeitung der „nahezu einhellig akzeptierte[n] Normstruktur und Dogmatik“ der Freiheitsgrundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Funktion, ebd., S. 74 ff. (74). Vgl. Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, 1. Aufl., Frankfurt a. M. 1994, S. 313 ff., Bernhard Schlink, Freiheit durch Eingriffsabwehr – Rekonstruktion der klassischen Grundrechtsfunktion, EuGRZ 1984, S. 457 ff. Für eine Rückbesinnung auf die Abwehrfunktion der Grundrechte Udo Di Fabio, Das Recht offener Staaten, Tübingen 1998, S. 84 ff. 227 Das Bundesverfassungsgericht hat beispielsweise im Urteil zum Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer die abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte betont,

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Urteil“, das durch Art. 2 Abs. 1 GG statuierte Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit als Recht „auf menschliche Handlungsfreiheit im weitesten“ bzw. „umfassenden Sinne“ ausgelegt228 und damit menschliche Freiheit als in ihrer Ausübung prinzipiell prima facie unbegrenzt verfassungsrechtlich verortet229. Dieser Maßstab des Verfassungsprinzips der Freiheit kann als Ausdruck einer liberal-rechtsstaatlichen Tradition betrachtet werden, der Idee einer auf menschlicher Autonomie230 fußenden, ursprünglichen Freiheitssphäre, in deren Interesse das Bestreben nach verfassungsmäßiger Beschränkung der Staatsgewalt zu erfolgen hat. Gemeint ist die rechtshistorisch, in Ablösung traditioneller Gruppenbindungen entwickelte Abkehr von der feudalistisch-ständestaatlichen Vorstellung „von ,Freiheiten‘ als […] abgetrotzter Privilegien“; im liberal-rechtsstaatlichen Sinne gilt fortan: „Nicht die Ausübung von Freiheitsrechten ist begründungs-, sondern die Beschränkung des individuellen Freiheitsgebrauchs durch die staatliche Gewalt ist rechtfertigungsbedürftig“.231 Der Rechtsphilosoph Gustav Radbruch wählt die folgende Formulierung: Für den Liberalismus seien „Ausgangspunkt des staatsphilosophischen Denkens die Menschenrechte, die Grundrechte, die Freiheitsrechte des Einzelnen, Teilstücke seiner natürlichen vorstaatlichen Freiheit, die mit dem unbedingten Anspruch auf Achtung in den Staat eingebracht werden, weil der Staat seine Aufgabe und seine Rechtfertigung ausschließlich in ihrem Schutze hat“232. Der BVerfGE 50, S. 290 ff., 337: „Nach ihrer Geschichte und ihrem heutigen Inhalt sind sie in erster Linie individuelle Rechte, Menschen- und Bürgerrechte, die den Schutz konkreter, besonders gefährdeter Bereiche menschlicher Freiheit zum Gegenstand haben. Die Funktion der Grundrechte als objektiver Prinzipien besteht in der prinzipiellen Verstärkung ihrer Geltungskraft, (BVerfGE 7, S. 198 ff., 205 – Lüth), hat jedoch ihre Wurzel in dieser primären Bedeutung.“ 228 BVerfGE 6, S. 32 ff. (36), seitdem ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 59, S. 275 ff. (278), E 80, S. 137 ff. (152), E 97, S. 332 ff. (340). 229 Den Begriff des prima facie-Charakters von Regeln und Prinzipien hat Alexy grundrechtstheoretisch geprägt, siehe derselbe, Theorie der Grundrechte [Fn. 226], S. 87 ff. 230 Die Traditionslinie europäischer Aufklärung in Form des Autonomiegedankens Immanuel Kants ist in die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes – als ein nach den denkbar elementaren und schrecklichen Menschenrechts- und Menschenwürdeverletzungen während der NS-Zeit unabänderlicher und rechtskultureller Standard – als positive inhaltliche Vorgabe eingeflossen (vgl. zur wesentlich „negativ“ gefassten sog. Objekt-Formel insoweit Fn. 220), die Art. 1 Abs. 1 GG „das Format einer staatsgrundsätzlichen Norm verleiht: An der Spitze der menschenrechtlich fundierten Verfassung steht damit das Axiom, dass der Mensch als Mensch mit dem Recht auf Selbstbestimmung ausgestattet, also von Rechts wegen sein eigener Herr sei“, Siehr, Bürgerrechte [Fn. 221], S. 57 (m. weit. Nachw.); zum Autonomiegedanken eingehend Peter Graf Kielmansegg, Volkssouveränität, Stuttgart 1977, S. 99 ff. Zum Autonomiebegriff und seiner zentralen Bedeutung für den Würdebegriff bei Kant vgl. Lorz, Modernes Grund- und Menschenrechtsverständnis und die Philosophie der Freiheit Kants [Fn. 220], S. 114 ff., 119 ff. 231 Nachdrücklich Siehr, Bürgerrechte [Fn. 221], S. 87. Vgl. Hofmann, Das Verfassungsprinzip der Freiheit [Fn. 211], S. 238 ff. 232 Gustav Radbruch, Rechtsphilosophie (1932), S. 62 – 63, zit. nach Ralf Dreier/Stanley L. Paulson (Hrsg.), Gustav Radbruch, Rechtsphilosophie, Heidelberg 1999, S. 67. Radbruch

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radikale neuzeitliche Wandel233, der sich in einem Perspektivenwechsel von der „(Binnen-) Perspektive des Herrschaftsverbandes zu der des autonomen Individuums“234 vollzieht (Siehr), beinhaltet eine Umkehr des Verhältnisses von Freiheit und Freiheitsbeschränkung einschließlich der „Beweislastverteilung“235, grundrechtsdogmatisch eine grundsätzliche Freiheitsvermutung zugunsten des Einzelnen236. Carl Schmitt prägte in diesem Zusammenhang die Denkfigur des rechtsstaatlichen „Verteilungsprinzips“: Die Freiheit des Einzelnen sei „prinzipiell unbegrenzt, während die Befugnis des Staates zu Eingriffen in diese Sphäre prinzipiell begrenzt ist.“237 Mit dem hierin zum Ausdruck gebrachten Regel-Ausnahme-Verhältnis von prinzipiell unbegrenzter individueller Freiheit und prinzipiell beschränkten staatlichen Befugnissen wird die metaphysische Vorstellung der „Vor“-Staatlichkeit menschlicher Freiheit gegenüber staatlicher Hoheitsgewalt von Amtsträgern juristisch handhabbar, der klassische Dreiklang der Grundrechtsprüfung ist in ihm angelegt. Es macht deutlich, dass grundrechtlich abgesicherte Freiheit wegen der prinzipiellen Begrenztheit des Staates in Bezug auf Freiheitsbeschränkungen mehr ist als die Summe der Einzelfreiheitsrechte. Dieser Gedanke findet sich heute auf rechtsdogmatischer Ebene in der Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeiner Handlungsfreiheit bzw. als Auffanggrundrecht im Verhältnis zu den Spezialfreiheitsrechten wieder. Verfassungsrechtlich wird er konstituiert in der Prüffolge der Schutzbereichsbestimmung, des staatlichen Eingriffs und seiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Die Grundrechte sind in ihrer „klassischen“, mit dem Ver-

unternimmt diese Definition unter der achten Rubrik seines Werkes, der „Rechtsphilosophische[n] Parteienlehre“ zur Abgrenzung von „Liberalismus“ und „Demokratie“. Ungeachtet dieser Verortung in der Vorstellung unterschiedlicher Parteienlehren taugt sie als Kurzformel liberaler Rechtstradition. Radbruch schließt denn auch unmittelbar eine Übersetzung der französischen Menschenrechtserklärung von 1789 an: „Der Endzweck aller politischen Gesellschaft ist die Erhaltung der natürlichen und unverjährbaren Menschenrechte“, ebd. 233 Prägnant formuliert die berühmte Virginia Bill of Rights vom 12. Juni 1776, Sect. 1, den Bezug auf die angeborenen, natürlichen Rechte aller Menschen, und dies, eingedenk der Präambel („as the basis and foundation of government“), in herrschaftsbegründender Weise: „That all men are by nature equally free and independent, and have certain inherent rights, of which, when they enter into a state of society, they cannot, by any compact, deprive or divest their posterity; namely, the enjoyment of life and liberty, with the means of acquiring and possessing property, and pursuing and obtaining happiness and safety.“ Abrufbar unter URL: http://www.archives.gov/exhibits/charters/bill_of_rights.html [z. a.: 31. 3. 2012]. 234 Siehr, Bürgerrechte [Fn. 221], S. 76. 235 s. dazu auch Hofmann, Rechtsstaat [Fn. 210], S. 14 f. 236 Vgl. BVerfGE 6, S. 32 ff. (42); E 13, S. 97 ff. (105); E 17, S. 306 ff. (313 f.); E 32, S. 54 ff. (72); E 59, S. 275 ff. (278). 237 Carl Schmitt, Verfassungslehre, 4. Aufl. (unveränderter Nachdruck der 1928 erschienenen 1. Aufl.), Berlin 1965 [zit.: Verfassungslehre], S. 126, s. auch S. 158 u. 164 ff.

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teilungsmodell veranschaulichten bürgerlich-rechtsstaatlichen Funktion „Eingriffsabwehrrechte“238. Die zur Zeit der Weimarer Republik entwickelte Denkfigur Carl Schmitts vermag gleichwohl insofern nicht zu überzeugen, als sie die Gewährung grundrechtlicher Freiheit in einen „staatsfreien“, unpolitischen, privaten Raum projiziert und auch nur ausschließlich dort zu gewährleisten scheint: Mit steigender Intensität der gesellschaftlichen Bindung des Einzelnen entfalle das liberale Verteilungsprinzip und die Idee von der unbegrenzten Freiheit des Einzelnen werde „zu einer bloßen Fiktion“239. Dieser Ansatz geht fehl sowohl im Zusammenhang mit der unter dem Grundgesetz garantierten freiheitlichen und demokratischen Grundordnung240, die den gesellschaftlich-demokratischen, den „politischen“ Freiheitsgebrauch zu ihren fundamentalen Wesensmerkmalen erhebt, als auch im Hinblick auf die oben grob skizzierten historisch-philosophischen Grundlagen prinzipieller Freiheitsvermutung. Das Grundgesetz schlägt mit Art. 2 Abs. 1 GG die Brücke von den überpositiven Fundamenten der Verfassung, der jedem Menschen als Mensch in Selbstbestimmung und Autonomie zukommenden, durch alle Staatsgewalt zu achtende und zu schützenden Würde (Art. 1 Abs. 1 GG) und dem Bekenntnis zu den universalen und überstaatlichen Menschenrechten (Art. 1 Abs. 2 GG) hin zu der damit unlösbar verbundenen Idee einer der staatlichen Rechtsordnung zugrunde liegenden menschlichen Freiheit, dem Recht eines jeden zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit und schließlich aller gemäß Art. 3 Abs. 1 GG vor dem Gesetz gleichen Menschen. Damit wird die verfassungsrechtlich vermittelte Freiheit nicht an den Bereich des „Privaten“ oder „Unpolitischen“ gebunden, sondern vielmehr mit der menschlichen Würde aller vor dem Gesetz gleichen Menschen, der Universalität der Menschenrechte und den rechtsstaatlichen Grundsätzen des Gesetzesvorbehalts (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG) verknüpft: Für die Bundesrepublik wird eine Ordnung konstituiert, „die insgesamt auf die Ermöglichung von Freiheit, in den Formen des Rechts und durch 238 Gertrude Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte. Struktur und Reichweite der Eingriffsdogmatik im Bereich staatlicher Leistungen, Baden-Baden 1988. Lübbe-Wolff plädiert auf der Basis einer konstatierten „Krise des traditionellen diagnostischen Eingriffsbegriffs“ (S. 69) für eine explizite Abkehr von dieser Vorstellung. Sie geht der Frage nach, ob neben „natürlichen“ grundrechtlichen Freiheiten nicht auch „konstituierte, d. h. auf staatlichen Normierungsleistungen beruhende Rechtspositionen“ (S. 73) in bestimmten Fallkonstellationen und unter bestimmten Voraussetzungen dem Schutzbereich der Grundrechte zugerechnet werden können und als Elemente dieses Schutzbereichs gegen staatliche Eingriffe geschützt werden können, ebd., S. 69 ff. (69, 73), 75 ff., und erreicht das erwünschte Ergebnis über die Implikation eines engeren, nicht-traditionellen Eingriffsbegriffs, der „diejenige und nur diejenige positive Ingerenz“ als Eingriff in den Schutzbereich eines Freiheitsgrundrechts bezeichnet, „die sich den dogmatischen Verarbeitungsregeln des Eingriffsschemas fügt“, s. Thesen S. 313 ff. (315). 239 Carl Schmitt, Verfassungslehre [Fn. 237], S. 165 ff. (168). 240 Vgl. hierzu Siehr, Bürgerrechte [Fn. 221], S. 88, die im Zusammenhang mit der „freiheitlich-demokratischen“ Ordnung des Grundgesetzes darauf verweist, dass es verfehlt wäre, „den liberalen gegen den demokratischen Freiheitsbegriff auszuspielen.“

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

die Rationalität formaler Gleichheit zielt“241. Eine solche der Freiheit verpflichtete staatliche Ordnung lässt sich nicht auf einen „außerstaatlichen“, als „unpolitisch“ qualifizierten Bereich des Gemeinwesens reduzieren. Vielmehr konkretisiert das Grundgesetz die in Art. 1 und 2 Abs. 1 GG eingefasste menschenrechtliche Freiheitsidee in speziellen Freiheitsrechten, wie beispielsweise der Meinungsäußerungsbzw. Meinungsverbreitungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) oder der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG): Im Falle der freien Meinungsäußerung im öffentlichen242 Raum oder der Versammlung (nicht notwendigerweise) zu politischen Zwecken wird die prinzipielle Begrenztheit und Rechtfertigungslast staatlicher Eingriff nicht etwa zur Fiktion, vielmehr werden die demokratischen Komponenten bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der Grenzen der staatlichen Eingriffe in Grundrechte relevant243. Diesen Bezug zur freiheitlich demokratischen Grundordnung hat das Bundesverfassungsgericht in einer seiner ersten Grundsatzentscheidungen in der häufig zitierten Formulierung akzentuiert, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit „für die freiheitliche demokratische Ordnung schlechthin konstituierend [sei], indem es den geistigen Kampf, die freie Auseinandersetzung der Ideen und Interessen gewährleistet, die für das Funktionieren dieser Staatsordnung notwendig ist“244. Der individuelle, freiheitliche Charakter des Grundrechts wird damit freilich nicht in Frage gestellt245. Der Grad der schwer messbaren „politischen Wirksamkeit“ des grundrechtlichen Freiheitsgebrauchs taugt nicht zur Einschränkung der prinzipiellen Freiheitsver241 Di Fabio, in: Theodor Maunz/Günter Dürig/Roman Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, München 2012, Art. 2 Abs. 1 Rn. 2. 242 Das Beispiel dient der Auseinandersetzung mit der These Carl Schmitts der Gewährleistung primär „unpolitischer“ Freiheitsbetätigung (unter dem Geltungsbereich des Grundgesetzes wird auch der private Bereich oder das sich Versagen in Form der sog. negativen Meinungsfreiheit von Art. 5 Abs. 1 geschützt). 243 Relevant i. S. v. kumulativ hinzutretend, nicht alternativ zu den „üblichen“ Schranken des Übermaßverbots u. a. 244 BVerfGE 5, S. 85 ff. (205); vgl. BVerfGE 7, S. 189 ff. (208). 245 Art. 5 Abs. 1 GG verbürgt neben der politisch-demokratischen unbedingt auch die bürgerlich-individuelle Freiheit, Herbert Bethge in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2011, Art. 5, Rn. 20; vgl. BVerfGE 57, S. 295 (313); E 87, S. 181 (197). Interpretationen des Art. 5 Abs. 1 GG, wie der von Helmut K. J. Ridder, Meinungsfreiheit, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, 2. Bd., Berlin 1954, S. 243 ff., in Richtung einer „öffentlichen Meinungsfreiheit“ bedürfen, ohne den strukturellen und praktischen Zusammenhang mit dem demokratischen Prinzip in Frage zu stellen, jedenfalls insoweit eines gedanklichen Korrektivs, als der Bezug des Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu der in Art. 1 und 2 Abs. 1 GG konstituierten menschenrechtlichen Freiheitsidee (neben einem Bezug zur höchst individuellen Denkfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG) nicht entäußert werden kann. Vgl. Roman Herzog, in: Theodor Maunz/Günter Dürig/derselbe (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, München 2012, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 5 ff. (8), der den „sowohl-als-auch“-Charakter der Bestimmung hervorhebt: Art. 5 sei sowohl eine Konkretisierung der in Art. 1 und 2 Abs. 1 GG „als thematischer Grundakkord niedergelegten Freiheitsidee“, als auch trete, „als zweiter Grundakkord“, das demokratische Prinzip hinzu.

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mutung246. Das Verfassungsprinzip der Freiheit und das demokratische Prinzip sind unter der Ordnung des Grundgesetzes nicht gegeneinander auszuspielen247. In dem Beispiel der Grundrechte „demokratischen“ Charakters tritt die Relevanz der Grundrechtsvoraussetzungen248, des rechtlichen und realen Umfelds der grundrechtlich verbürgten Freiheit und ihrer „äußeren Umstände“ zu Tage, bis hin zur Existenz staatlicher Autorität, den verheißenen Freiheitsgebrauch einzulösen. Der Rückbezug zur Gesellschaft zählt zu den Möglichkeitsbedingungen der durch den menschenrechtlich konstituierten Verfassungsstaat garantierten „Autonomie“ des Einzelnen: Sie kann nur in gesellschaftlichem, „kollektiven“ Zusammenhang gedacht werden, sie ist durch positives Recht zu realisieren. Damit treten die Freiheitsrechte (auch ohne dass man mit einer spezifisch demokratisch-mitwirkungsrechtlichen Interpretation den Blick auf die Problematik liberalen Freiheitsgebrauchs verstellte) in eine objektivrechtliche Perspektive, in den Bereich der Freiheitsbeschränkungen durch den Staat. Der Staat, der etwa in Gestalt des Amtswalters einer Behörde auf den Plan tritt, darf nicht als interessenpolitisch oder moralisch wertende Instanz agieren, sondern ist auf die ihm (verfassungs-) gesetzlich eingeräumten Befugnisse zur Ordnung des Gemeinwesens, auf die äußere Legalität beschränkt249. So ist es etwa Aufgabe der Versammlungsbehörden und der Landespolizei (Amtsträger), die Durchführung einer angemeldeten Versammlung zum Zwecke der Demonstration und in diesem Sinne „republikanischer“ Willensbetätigung (des Bürgers) zu gewährleisten, grundsätzlich ohne den politischen Inhalt der Versammlung zur Grundlage ihrer Genehmigungsentscheidung zu machen250. Eine politische Interessenvertretung unter dem „Deckmantel“ des Gemeinwohls ist hier gerade nicht erwünscht, sie wäre verfassungsrechtlich (untechnisch gesprochen) 246 Zu Recht weist Wolfram Höfling (in Bezug auf die grundsätzliche Bedeutung des Art. 8 GG) auf die Missverständlichkeit von einer Qualifizierung des Art. 8 Abs. 1 GG als „politisches“ oder „demokratisches“ Grundrecht hin. Es ist zwar nicht untypisches Element des parlamentarischen Repräsentativsystems, dass sich in der Erscheinungsform der Demonstration „ein Stück ursprünglich-ungebändigter Einflussnahme auf den politischen Prozess“ manifestiert. „Die ,politische Wirksamkeit’ eines Grundrechts allein“ sei jedoch kein hinreichendes Kriterium für seine klassifikatorische Einordnung oder eine spezifische Bereichsdogmatik: „Mit nahezu jeder Grundrechtsbetätigung kann eine politische Wirkung in diesem weiteren Sinne verbunden sein“, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2011, Art. 8, Rn. 4 ff. (Zitate Rn. 4, 5). 247 Nachdrücklich Siehr, Bürgerrechte, s. Zitat [Fn. 240]. Vgl. Schuppert, Grundrechte und Demokratie, EuGRZ 1985, S. 525 ff. (526). 248 Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen, HStR, Bd. 5, 2. Aufl., Heidelberg 2000, § 115, Rn. 5 ff. 249 Vgl. Hasso Hofmann, Das Verfassungsprinzip der Freiheit [Fn. 211], S. 240. 250 Zur grundlegenden verfassungrechtlichen Einordnung und den verfassungsgerichtlichen Grundlagen von Art. 8 GG vgl. Ulrich Battis/Klaus Joachim Grigoleit, Neue Herausforderungen für das Versammlungsrecht? NVwZ 2001, S. 121 ff.; siehe auch dieselben, Rechtsextremistische Demonstrationen und öffentliche Ordnung – Roma locuta?, NJW 2004, S. 3459 ff. Vgl. allgemein Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 45: „Republikanische Freiheit ist […] immer Freiheit in der Ordnung des Grundgestzes.“

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unzulässig. Zugleich besteht zwischen der Kooperationspflicht des Staates zur Sicherung des ungehinderten Ablaufs der Demonstration und der demokratischfunktionalen Legitimität der Demonstrationsinhalte eine Konnexität. Mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG werden Meinungsäußerungen in der Regel dann verfassungsrechtlich unterbunden werden können, „wenn sie geeignet sind und darauf abzielen, nationalsozialistisches Gedankengut durch Verherrlichung oder Verharmlosung in der Öffentlichkeit zu legitimieren“.251 Die Freiheitsvermutung zugunsten des Menschen bzw. die Rechtfertigungslast für Freiheitseinschränkungen zu Lasten des Staates gibt noch keine Auskunft über den Grad der verfassungsrechtlich „aktualisierten“ Rechtfertigung solcher Beschränkungen. Die Freiheit des Einzelnen ist im Bild der rechtsstaatlichen Verteilung lediglich prima facie, d. h. dem ersten Anschein nach unbegrenzt252. Der subjektive Gebrauch individueller Freiheit steht stets im Verhältnis zu den Anforderungen der Gemeinschaft, vgl. Art. 2 Abs. 1, 2. Halbsatz GG, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit hat jeder, „sofern er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“ (sog. Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG253). Indem der moderne Verfassungsstaat, ausgehend von der prinzipiellen Freiheitsvermutung zugunsten des Einzelnen, nach Lebensbereichen abgestufte Notwendigkeiten von Freiheitseingriffen und Freiheitsgestaltungen benennt und durch die Verfassungsgerichtsbarkeit näher konkretisiert254, erhält die Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen ein besonderes Gewicht. Je stärker der Freiheitsgebrauch zu Lasten der Gemeinschaft geht, desto eher wird sich dessen Beschränkung auch rechtfertigen lassen. Das in rechtspraktischer Hinsicht Maßgebende in Bezug auf die Rechtswirkung der Grundrechte in ihrem „klassischen“ Verständnis ist daher letztlich nicht die Garantie der Freiheit, sondern die Regelung ihrer Einschränkungsmöglichkeiten255 in Form einer objektivrechtlichen Bestimmung ihres gemeinwohlverträglichen Gebrauchs256. Diese „ungleiche Verteilung von Rechtfertigungslasten ist die eigentliche Pointe des sogenannten rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips.“257 251

Battis/Grigoleit, Neue Herausforderungen für das Versammlungsrecht?, ebd., S. 125. Näher hierzu Alexy, Theorie der Grundrechte [Fn. 226], S. 87 ff., m. weit. Nachw. in Fn. 53 und 54. 253 Den Schranken sind ihrerseits Grenzen gesetzt durch allgemeine verfassungsrechtliche Anforderungen an die Eingriffsrechtfertigung, namentlich dem Übermaßverbot bzw. dem durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, s. BVerfGE 80, S. 137 ff. (153) („Reiten im Walde“), vgl. Di Fabio, in Maunz/Dürig u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, München 2012, Art. 2 Abs. 1, Rn. 39 ff. 254 Etwa Beschränkung der Berufsausübung aufgrund vernünftiger Erwägungen des Gemeinwohls in Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG, BVerfGE 7, S. 377 ff. (405). Für Gröschner, Republik [Fn. 153] ist dies „republikanischer Standard“ für jede Grundrechtsbeschränkung, Rn. 46. 255 Siehe Hofmann, Das Verfassungsprinzip der Freiheit [Fn. 211], S. 240. 256 Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 46. 257 Schlink, Freiheit durch Eingriffsabwehr [Fn. 226], S. 467. 252

II. Republikanische Dimension der Freiheitsgrundrechte

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Das Grundgesetz versteht diese Freiheitsvermutung zugunsten des Individuums, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Menschenbild-Formel hervorgeboben hat, „nicht als diejenige [Freiheit] eines isolierten und selbstherrlichen, sondern als die eines gemeinschaftsbezogenen und gemeinschaftsgebundenen Individuums“258. Robert Alexy hat anhand dieser Formel in Anwendung seines Prinzipienmodells herausgearbeitet, dass das Grundgesetz von dem Bild der negativen, „äußeren“ Freiheit ausgeht, die darin bestehe, dass der Einzelne nicht durch äußeren Zwang an der Wahl zwischen bestimmten Entscheidungsalternativen gehindert werde. Für den Gang dieser Untersuchung ist von Bedeutung, worin diese „negative“ Freiheit gerade nicht besteht, nämlich in der Befolgung eines sittlichen Gesetzes oder einer moralischen Pflicht259. Im Kontext der Gemeinschaftsgebundenheit und -bezogenheit muss sich der Einzelne „diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht, vorausgesetzt, dass dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt“.260 Die Freiheit des Einzelnen ist also im Sinne des Erhalts und der Beförderung des Zusammenlebens der Bürger einschränkbar, allerdings nur aus hinreichenden rechtlichen Gründen in verhältnismäßigem Umfang und nur unter Wahrung seiner Eigenständigkeit und Würde261. Das Prinzip der negativen Freiheit, deren äußere Grenzen allgemeinen Gesetzen folgen, trägt innerhalb dieser Grenzen der Gemeinschaftsbezogenheit des Einzelnen als unabdingbare Voraussetzung gedeihlichen gesellschaftlichen Zusammenlebens Rechnung. Als fundamentale Komponente des grundgesetzlichen Maßstabs rückt damit der rechtsstaatlich verfasste Staat262 in den Mittelpunkt: Der „Verfassungsstaat“, der 258 BVerfGE 45, S. 187 ff. (227) (Lebenslange Freiheitsstrafe). Der erste Teil der Formel verdeutlicht den unauflösbaren Bezug von individueller Freiheit und Menschenwürde, danach liegt Art. 1 Abs. 1 GG „die Vorstellung vom Menschen als eines geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und zu entfalten.“ 259 Hierzu Immanuel Kant, Grundlegung zu Metaphysik der Sitten, in Kants gesammelte Schriften, in: Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Bd. IV, Berlin 1903/11, S. 385 – 464 (446 ff.). Mit Alexy ist daher von dieser, bei Kant dargelegten „positiven inneren Freiheit“ im Sinne einer Befolgung eines „sittlichen Gesetzes aus Pflicht“, eine „äußere Freiheit“ zu unterscheiden, die darin besteht, nicht durch äußeren Zwang an der Wahl bestimmter Entscheidungsalternativen gehindert zu sein, Theorie der Grundrechte [Fn. 226], S. 323. 260 BVerfGE 4, S. 7 (16). 261 BVerfGE ebd.; vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte [Fn. 226], S. 324. Enders hebt die „Sittlichkeit“ von allgemeinen Gesetzen als äußere Grenze der Freiheit im Rechtsstaat unter Geltung des Grundgesetzes hervor, denn in der gesetzlichen Formulierung liege nicht nur die Garantie relativer Allgemeinheit, sondern für den Einzelnen zugleich die Möglichkeit der Identifikation, Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, [Fn. 225], S. 290 ff. (291). 262 Zur rechtstheoretischen Unterscheidung eines formalen und materiellen Rechtsstaatsbegriffs und seiner philosophischen und historischen Wurzeln Hofmann, Rechtsstaat [Fn. 210], S. 1 ff., 11 ff., bilanzierend (S. 12): „Kurz: Den Rechtsstaat im bloß formellen Verstande ohne

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

ausgangs dieses Abschnitts als Synonym für „Republik“ gebraucht wurde, bedarf in seiner dem Verfassungsprinzip der Freiheit verpflichteten Sicherung von Grund- und Menschenrechten das notwendige Instrumentarium einer Rechtsordnung, die die institutionellen, strukturellen und rechtlichen Voraussetzungen zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens, des Gemeinwesens bereitstellt. Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes dienen dem verfassungsstaatlichen Zweck, Herrschaft ausschließlich nach den Maßstäben und in den Formen des Rechts auszuüben; der Vorrang der Verfassung gebietet, dass Rechtserzeugung, Rechtsbewahrung und Rechtsdurchsetzung ihrerseits unter der Herrschaft des Rechts stehen. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist dabei strukturelle Funktionsbedingung; zentrales Rechtsinstrument der Vermittlung zwischen koexistierenden Freiheiten ist das allgemeine Gesetz263. Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung flankiert das Verfassungsprinzip der Freiheit. Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass eine signifikante verfassungsdogmatische Verknüpfung des republikanischen Verfassungsstaats mit dem Freiheitsbegriff erkennbar ist, die sich mittelbar im Schutz und der Sicherung der individuellen Freiheit durch den Staat als Bestandteil des Gemeinwohlgedankens manifestiert264; diese Verknüpfung ist der Ausrichtung des Verfassungsstaates des Grundgesetzes auf das Verfassungsprinzip der Freiheit unter den dargelegten Prämissen immanent265. Zwischen dem Herrschaftsideal der republikanischen Verfassung als Inbegriff der freiheitlichen Ordnung266 und der in der Republik erstrebten freiheitlichen Wirklichkeit gewinnt das staatlich organisierte Amt seine notwendige Mittlerfunktion267. den Sinn von Freiheit gibt es nicht. Der materielle Rechtsstaat ohne förmliche Rechtsstaatlichkeit dagegen ist die reale Drohung eines schrecklichen Zerrbildes“. Zur „Rolle des Rechtsstaates in der Transformation postkommunistischer Gesellschaften“ s. U. Preuß, in: Rechtstheorie 24 (1993), S. 181 ff., 188 ff. (188), Gewaltenteilung als das „Kronjuwel“ jedes rechtsstaatlich verfassten Systems. 263 Zu den beiden Varianten der aufklärerischen Gewaltenteilungslehre s. Hofmann, Rechtsstaat [Fn. 210], S. 20 ff.; instruktiv zu den historischen Grundlagen und der rechtspraktisch begrenzten Bedeutung des Allgemeinheitsgebots in Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG derselbe, Das Postulat der Allgemeinheit des Gesetzes (1987), in: derselbe, Verfassungsrechtliche Perspektiven, Tübingen 1995, S. 260 ff., 295 ff. 264 Ähnlich Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II [Fn. 191], Art. 20 Abs. 1, Rn. 16, vgl. Rn. 18. Für eine direktere Verknüpfung streitet Schachtschneider, res publica res populi [Fn. 188], S. 253 ff., 441 ff., der jedoch von einem gänzlich anderen Freiheitsverständnis ausgeht. 265 Standards individuellen Freiheitsschutzes lassen sich daher aus dem Republikbegriff des Grundgesetzes unmittelbar nicht herleiten, ebenso Sommermann, ebd., Rn. 16, dieser kann jedoch über die Gemeinwohlbindung des Staates mittelbare Wirkung entfalten. Insofern greift für die hier dem Republikprinzip entnommenen normativen Wirkungen der Einwand nicht Platz, mit einer republikanischen Amtsrechtskonzeption werde einer Instrumentalisierung von Gemeinwohlformeln in Form eines „beliebig mobilisierbaren Eingriffsvorbehalt“ der Boden bereitet. 266 Isensee, Republik – Sinnpotentiale eines Begriffs, JZ 1981, S. 1 ff. 267 Dieser Gedanke wird hervorgehoben von Isensee, vgl. etwa Staat und Verfassung, § 15 in: HStR II, 3. Aufl., Heidelberg 2004, Rn. 172, s. auch Rn. 107 ff. u. 131. Vgl. derselbe, Vom

II. Republikanische Dimension der Freiheitsgrundrechte

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Der moderne Verfassungsstaat, so wird von Isensee prononciert, sei darauf angewiesen, dass die reale Verwiesenheit auf Interpretation und Vollzug der Gesetze sich an dem Ideal der res publica, der Verpflichtung auf das gemeine Beste (salus publica) in einer freiheitlichen Ordnung ausrichtet268. Auf diesen Aspekt der Gemeinwohlförderung wird noch näher einzugehen sein. An dieser Stelle soll zunächst die Feststellung genügen, dass hiermit notwendigerweise ein ethischer Maßstab für das Recht umschrieben ist, keine unmittelbare, aus dem Republikbegriff abzuleitende Rechtsverpflichtung i. S. einer Förderung eines bestimmten Idealzustands des Gemeinwohls. Das Verfassungsprinzip der Freiheit statuiert vielmehr ein Definitionsverbot in „jenem inneren Bereich, welcher den Staat nichts angeht, darum vor allem ein Verbot, den Freiheitsgebrauch zu guten von dem zu schlechten Zwecken zu unterscheiden“269. Die Ausrichtung des Verfassungsstaats auf die gebotene Verwirklichung des Gemeinwohls ist als Gestaltungsprinzip einer freiheitlichen Ordnung konzipiert. Im Rahmen dieses rechtsfolgenoffenen Optimierungsgebots der Gestaltung der freiheitlichen Ordnung im Verfassungsstaat entfaltet sich das republikanische Ethos des Amtes.

2. „Wohlgeordnete Freiheit“ als effektiver Garantiebereich – grundrechtlicher Status in der Republik? Es stellt sich nach dem bisher Dargelegten die Frage, in welchem Maße das Grundgesetz, aus dem Blickwinkel der Freiheitsgrundrechte im Verfassungsstaat der Neuzeit, Raum belässt für verfassungsrechtlich determinierte und rechtspraktisch greifbare Wirkungen des republikanischen Prinzips. Die Beantwortung dieser Frage interessiert insoweit, als daraus Rückschlüsse für eine republikanische Konzeption des Amtes zu ziehen sind. Es wurde aufgezeigt, dass die liberal-rechtsstaatliche Auffassung von Freiheit im Grundgesetz in Form des Regel- und Prinzipienmodells im Verständnis einer primär abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte verfassungsrechtliche Wirkung zeichnet. Diese normative Dimension folgt einer Grundintention, die auf der historischen Erfahrung elementarer Freiheitsverletzungen zur Zeit des nationalsozialistischen Regimes beruht, in der die „maßlos missbräuchliche Überanstrengung, Täuschung und Enttäuschung von Gemeinsinn und Opferbereitschaft und […] [der] Terror im Zeichen der Verhöhnung des liberal-rechtsstaatlichen Rechtsdenkens, des Kampfes gegen das subjektive Recht für volksgenössische, vom Primat der

Ethos des Interpreten, in: Herbert Haller u. a. (Hrsg.), Staat und Recht, Festschrift für Günther Winkler, Wien 1997, S. 367 ff. (389 ff). 268 Vgl. etwa in Gemeinwohl im Verfassungsstaat [Fn. 181], § 71, HStR IV 2006, Rn. 8 ff. 269 So Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung [Fn. 225], S. 290 zur Voraussetzung des Schutzes der Menschenwürde im Rahmen des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip des formalen Rechtsstaats des Grundgesetzes als „Richtmaß“ des Verhältnisses von Staat und Mensch.

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

Rechtspflicht beherrschte Rechtsverhältnisse gestanden hatte“.270 Mit dem Rückzug des Staates aus dem Bereich der Gesinnung, des Meinens und der Moral auf die ihm gesetzlich eingeräumten Befugnisse, auf die äußere Legalität und die rechtliche Bestimmtheit und Begrenztheit seiner Eingriffsmöglichkeiten in die prima facie unbegrenzte individuelle Freiheit tritt der unter dem Grundgesetz rechtsstaatlich verfasste Staat einem solchen Rechtsverständnis entgegen. In den Gedanken der „Eigenständigkeit“ des Rechts und der „Herrschaft des Gesetzes“, die über den Vorbehalt und den Vorrang des Gesetzes und dem Grundsatz der Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung (verfassungs-)rechtlich umgesetzt werden, liegt daher mit gutem Grund ein nicht unerhebliches Maß an Rechts- und Gesetzespositivismus, der die kulturellen, eminent gemeinschaftsbezogenen Grundlagen des Rechts an den Rand ethischer Rückbeziehungen auf das Recht verdrängt und damit der Gefahr naturalistischer, „volksgenössischer“, subjektiv-materieller und letztlich willkürlicher Rechtsgeltung vorbeugt. Demgegenüber können die Grundrechte aus freiheitsrechtlicher Perspektive, unbenommen der primären Schutz- und Abwehrfunktionen gegen Übergriffe der politischen Staatsmacht, eine gesellschaftspolitische Kraft entfalten, indem sie „Problemlösungskapazitäten“271 frei setzen, die zentraler autoritärer Lenkung überlegen ist. Im Kontext der Gemeinschaftsgebundenheit und -bezogenheit enthalten die Grundrechte Grundelemente objektiver Ordnung des Gemeinwesens272. Diese werden grundrechtsdogmatisch über die Weite der Einschränkungsmöglichkeiten der Freiheit über die Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG zugunsten des Gemeinwohls umgesetzt. Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass das Prinzip der negativen Freiheit in der hier unternommenen Verwendung die Reichweite grundgesetzlich gesicherter Freiheit keineswegs begrifflich auf „negative Freiheit“ verengt, denn der Umfang des effektiven Grundrechtsschutzes hängt von der Reichweite der rechtlichen Freiheitsgarantie ab. Diese Reichweite, die den effektiven Garantiebereich273 der Grundrechte offenbart, wird im Sinne seiner „republikanischen“ Deutung als Gradmesser gesehen für das Maß der Verwirklichung der freiheitlichen Ordnung

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Hasso Hofmann, Das Verfassungsprinzip der Freiheit, in: Manfred Just/Michael Wollenschläger u. a. (Hrsg.), Recht und Rechtsbesinnung, Gedächtnisschrift für Günther Küchenhoff, Berlin 1987, S. 231 ff. (237). 271 Hofmann, Rechtsstaat [Fn. 210], S. 12. 272 Siehe hierzu Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Neudruck d. 20. Aufl., Heidelberg 1999 [zit.: Verfassungsrecht], Rn. 290 ff. 273 Dieser lässt sich mit Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte [Fn. 238], als derjenige Bereich definieren, in den einzugreifen zugleich eine Verletzung des Grundrechts bedeuten würde, „derjenige Teil des Schutzbereichs also, für den die Voraussetzungen der Zulässigkeit von Eingriffen nicht erfüllbar sind“ (S. 26). Da diese Reichweite zulässiger Eingriffe unter anderem von der Verhältnismäßigkeit „und diese wiederum von veränderlichen Umständen abhängt, ist auch der komplementäre keinerlei Eingriffen mehr unterliegende effektive Garantiebereich des Grundrechts keine fixe, sondern eine veränderliche Größe“, ebd., S. 26.

II. Republikanische Dimension der Freiheitsgrundrechte

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im rechtsstaatlich verfassten Staat274. In dieser zwischen subjektiver Grundrechtsträgerschaft und intersubjektiv geltender Freiheitsordnung vermittelnden Dimension der Republik erscheint Freiheit als aktuelle, rechtlich wirksame oder „wohlgeordnete“ Freiheit275. Erst in dieser „Aktualisierung“ der durch die Grundrechte „garantierten Freiheiten“ könne „die von der Verfassung konstituierte freiheitliche Ordnung des Gemeinwesens Leben gewinnen“.276 Diese Betrachtung steht in vermeintlichem Widerspruch zu der hier als primäre Funktion der Grundrechte ausgemachten Betrachtung des Einzelnen in seiner staatsgerichteten Position unbewehrter rechtlicher Freiheit, im Anschluss an Georg Jellinek auch als „status negativus“ bezeichnet. Denn der grundrechtliche Status des Einzelnen im Jellinekschen Sinn277, der qualifizierenden Relation der rechtlichen Position des Bürgers im Verhältnis zum Staat und damit zum einzelnen Amtsträger, in die der Bürger aufgrund der Grundrechtsnormen versetzt ist, sagt über die inhaltliche Ausgestaltung der durch die Grundrechte gewährten einzelnen Freiheitspositionen nichts Näheres aus278.

274 Gröschner, Republik [Fn. 153] leitet diese Folgerung aus einer Interpretation des Art. 18 GG ab (Rn. 45 – 46) und greift zur Kennzeichnung des republikanischen Freiheitsbegriffs auf die objektivrechtliche Dimension der Grundrechte zurück; man könne insofern von einer „Ausstrahlung des Republikprinzips auf die Grundrechte“ (ebd., Rn. 47) sprechen. 275 Gröschner, ebd., Rn. 46, 47 unter Bezug auf die Rechts- und Staatsphilosophie Immanuel Kants. Kant hebt im „Ersten Definitivartikel zum Ewigen Frieden“ drei Grundsätze hervor, welche für die republikanische Verfassung grundlegend seien: Das Prinzip der „Freiheit der Glieder einer Gesellschaft (als Menschen)“, das Prinzip „der Abhängigkeit aller von einer einzigen gemeinsamen Gesetzgebung (als Untertanen)“ und das „Gesetz der Gleichheit derselben (als Staatsbürger)“, Immanuel Kant, Zum Ewigen Frieden, Ein philosophischer Entwurf, in: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Kant’s gesammelte Schriften, Erste Abteilung: Werke, Bd. VIII, Berlin 1912, S. 349 – 350. Siehe hierzu bereits oben zu Fn. 164 sowie Wolfgang Kersting, Wohlgeordnete Freiheit. Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie, Berlin 1984 und Lorz, der überzeugend darzulegen vermag, dass die weite Schutzbereichsinterpretation des Art. 2 Abs. 1 GG des Bundesverfassungsgerichts und das hier vertretene Verständnis der prima facie unbegrenzten Freiheit, in dem letztlich die Rechtfertigung der Begrenzung der Freiheit im Mittelpunkt steht, in hohem Maße dem Kantschen Freiheitsbegriff entspricht, Lorz, Modernes Grund- und Menschenrechtsverständnis und die Philosophie der Freiheit Kants [Fn. 220], S. 298 ff. 276 Hesse, Verfassungsrecht [Fn. 272], Rn. 288. Bezeichnenderweise benutzt Hesse den Freiheitsbegriff im Plural, denn dessen Konzeption betrachtet die grundrechtlich gewährte Freiheit primär seinem Inhalt nach, der sich entsprechend in den verschiedenen Freiheitsrechten des Grundgesetzes unterschiedlich aktualisiert. 277 Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. unveränd. Aufl., Tübingen 1905, Nachdruck Darmstadt 1963 [zit.: System], S. 83 ff., 94 ff. 278 Hiergegen und die damit verbundene „Eindimensionalität“ richtet sich vornehmlich auch die Kritik, s. Niklas Luhmann, Grundrechte als Institutionen. Ein Beitrag zur politischen Soziologie, Berlin 1965, S. 14 ff. vgl. auch S. 136 ff. zu den aktivbürgerlichen, „eigentlich politischen“ Grundrechten (136).

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

Mit der Statuslehre wird die „das Individuum qualifizierende Position zum Staate“ betrachtet279, ein „Zustand“280, der, in der Diktion Jellineks, das rechtliche „Sein“ und nicht das rechtliche „Haben“ der Person zum Inhalt habe281. In einer perspektivischen Ausrichtung auf den einzelnen Menschen282, in seiner Beziehung zum Staat stellt die Statustheorie im Wege einer abstrakten Gesamtkomposition ein Bündel von Positionen unterschiedlichen Inhalts und unterschiedlicher Struktur dar, nicht aber deren Inhalt selbst. Versieht man die Jellinekschen Thesen zum Inhalt des negativen Status, entsprechend der kritischen Würdigung Alexys283, mit der gemäß Art. 1 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 GG zwingend gebotenen verfassungsrechtlichen Korrektur, dass auch der Gesetzgeber an die Grundrechte und an den Schutz menschenrechtlicher Freiheit gebunden ist, bleibt dessen formaler Charakter erhalten284. In der „republikanischen“ Lesart, die nach dem effektiven Garantiebereich, nach dem tatsächlichen, materiellen oder sozialen Gehalt oder dem „aktivbürgerlichen Moment“285 der Grundrechte fragt, erscheint die Jellineksche Statustheorie daher nicht unmittelbar passfähig und wird hinsichtlich ihrer formalen Gestalt kritisiert286 oder abgelehnt287. Stellt man heraus, dass die Grundrechte die freie und verantwortliche Gestaltung des Lebens der Staatsbürger 279 Jellinek, System [Fn. 277], unterscheidet die klassischen Grundrechtsfunktionen im Verhältnis zwischen Bürger und Staat als passiven, negativen, positiven und aktiven Status, S. 85 ff., 94 ff. (Zitat S. 83). 280 Jellinek, ebd., S. 83. 281 Jellinek, ebd., S. 84. 282 Diese Ausrichtung ist „für das gesamte westliche Menschenrechtsdenken prägend“, Siehr, Bürgerrechte [Fn. 221], S. 70 ff. (85). 283 Alexy, Theorie der Grundrechte [Fn. 226], zur Kritik der Jellinekschen Statustheorie S. 243 ff.: Diese Korrektur gelingt Alexy mit der Einführung des Begriffs des „negativen grundrechtlichen Status“ (S. 244). Dieser Status kann auch durch den Gesetzgeber verletzt werden, „etwa durch die Statuierung von Verbotsnormen, die einer grundrechtlichen Erlaubnisnorm widersprechen“ (S. 244 – 245), vgl. die analytische Herleitung der Jellinekschen Statustheorie, S. 229 ff. 284 In den Worten Alexys: „Der Gegenstand der Statuslehre ist die formale Struktur der rechtlichen Gesamtposition des Bürgers“, ebd., S. 247. 285 Peter Häberle, Die Wesensgehaltgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, 3. Aufl. Heidelberg 1983, S. 18 f. (18): „Nur wer durch die Grundrechte gesichert ist, vermag die ,Herrschenden’ zur Verantwortung zu rufen“ (ebd.). 286 Häberle knüpft in seiner institutionellen Grundrechtskonzeption, die den status processualis in den Mittelpunkt rückt, gleichwohl terminologisch an Jellineks Statustheorie an, die „von ihrem spät-absolutistischen Kopf auf demokratische Füße“ gestellt werden müsse. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 43 ff. (80 f., 81). Siehe auch Eberhard Grabitz, Freiheit und Verfassungssrecht. Kritische Untersuchungen zur Dogmatik und Theorie der Freiheitsrechte, Tübingen 1976, S. 5 ff., 16 ff. 287 Hesse, Verfassungsrecht [Fn. 272], präferiert anstelle der vier Status Jellineks den Begriff des durch die Grundrechte begründeten und gewährleisteten verfassungsrechtlichen Status als einen materiellen Rechtsstatus, „d. h. ein Status konkreten Inhalts, der weder für den Einzelnen noch für die staatlichen Gewalten unbegrenzt verfügbar ist“, der wiederum den Kern eines allgemein staatsbürgerlichen Status des Einzelnen bilde, Rn. 280. Zur Kritik an Jellineks Statustheorie ebd., Rn. 281 f.

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und die Mitwirkung an den Angelegenheiten des Gemeinwesens ermöglichen sollen288, so trifft diese Festsstellung zu, ohne dass hieraus allerdings ein hinreichender Einwand gegen den formalen, analytischen Charakter289 der Statuskonzeption erwüchse. Die Perspektive auf die rechtliche Gesamtposition des Bürgers im Verhältnis zum Staat ist nur eine andere290 : Hier wird die reale, in der jeweiligen grundrechtlichen Einzelposition tatsächlich aktualisierte Freiheit akzentuiert – eine materielle und zugleich veränderliche Größe – dort eine die Reichweite einzelner Freiheitsrechte übergreifende, formalisierte Gesamtkonzeption der Statusbeziehung Staat – Bürger entworfen. Diese Sichtweisen schließen einander nicht grundsätzlich aus, sondern sind, einander ergänzend, aufeinander bezogen. Die inhaltliche Betrachtung kann auf dem (formalen) Statusgedanken aufbauen, ohne ihn gänzlich verwerfen zu müssen. Unbeschadet der der Statuskonzeption vorgehaltenen Kritik, kann diese, mit den verfassungsrechtlich notwendigen Korrekturen versehen, zu den gesicherten Erkenntnissen im Bereich der Grundrechte gerechnet werden291. Sie dient, grob charakterisiert, dazu, eine Grundstruktur des Individuums im Verhältnis zum Staat darzustellen. Der eingangs dieses Absatzes vermerkte vermeintliche Widerspruch, der letztlich auf den grundsätzlichen Gegensatz zwischen formalen und materialen Theorieansätzen rückführbar ist292, lässt sich nach den hier erfolgten Überlegungen zumindest ansatzweise lösen, indem man die unterschiedlichen Perspektiven aufeinander bezieht. Auch wenn man, wie der Verfasser, davon ausgeht, dass die Grundrechte „der liberalen Provenienz“293 von der Freiheit der Person bis hin zur Berufs- und Koalitionsfreiheit zumindest auch und vornehmlich als subjektive Rechte zur Eingriffsabwehr ausgestaltet und damit darauf angelegt sind, den status

288

Vgl. Rudolf Smend, Bürger und Bourgeois im deutschen Staatsrecht, in: derselbe, Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 2. Aufl., Berlin 1968, S. 309 ff. (314 ff., 316 ff.). Hesse, ebd. 289 Das Bild stammt von Alexy, Theorie der Grundrechte, [Fn. 226], S. 246. 290 Treffend Alexy, ebd., „Über die inhaltliche normative Frage, wie seine [i. e. die vier Status] rechtlichen Positionen beschaffen sein sollten, wird weder etwas gesagt noch etwas präjudiziert.“ (S. 246) 291 Im Rahmen einer politisch-soziologischen Betrachtung kommt der systemtheoretische Ansatz Niklas Luhmanns hingegen zu einem Grundrechtsmodell der Garantie von Kommunikationschancen, das sich an der Wirklichkeit moderner, differenzierter Sozialordnungen orientiert, die herkömmlichen Dichotomien Individuum/Staat aufgibt und durch ein komplexeres Beziehungsgefüge ersetzt. Grundrechte dienen danach – „als eine unter vielen funktional äquivalenten Institutionen der industriell-bürokratischen Sozialordnung“ – einer differenzierten Ordnung des Kommunikationswesens. Der Begriff des Staates, auf den die Grundrechte in der hier vertretenen Auffassung bezogen sein sollen, wird bei Luhmann durch den Begriff des politischen Systems ersetzt, so dass diesem Ansatz folgerichtig die Statuslehre in seiner formalisierten Grundkonstellation Individuum/Staat eindimensional und realitätsfern erscheinen muss; Grundrechte als Institutionen [Fn. 278], S. 14 ff., 17 f., 23 (Zitat), 37, 136 ff., 188 f. 292 Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte [Fn. 226], S. 246. 293 Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, § 71, in: HStR IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 115.

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

negativus, den Status der unbewehrten rechtlichen Freiheit, sicherzustellen294, liegt darin keine „Absage an die Gemeinwohlrelevanz der Grundrechtsmaterien“295. Ebenso wenig stellt die Status-Betrachtung die Multivalenz der Grundrechte in Frage, die eine Gesellschaft konstituieren, in der sich eine reale Ordnung entfaltet, in der gesellschaftliche Selbstregulierung stattfindet, die den Wettbewerb der Leistungen und Güter wie der Interessen und Ideen entbindet296 und in der sich grundrechtliche Freiheit in mannigfaltiger Weise aktualisiert und zu unterschiedlichem Grad realisiert. a) „Gegenüber“ des staatlichen Amtsträgers? Die Abstraktion vom subjektiven Einzelrecht, wie er in dem Jellinekschen Statusmodell angelegt ist, gewinnt an Tiefenschärfe, wenn das im Verfassungsstaat angelegte Verhältnis von Individuum und staatlichem Amtsträger betrachtet wird. Der Perspektivwechsel zum Amtsträger führt zugleich zum Fokus der Untersuchung und weist auf den Ausgangspunkt der Überlegungen zur Einbettung des Amtes in das Prinzip der Republik und der Betrachtung seiner herrschaftslegitimatorischen Bedeutung. Wenn die Grundrechte ihrem Wesen nach (vgl. Art. 19 Abs. 3 GG) nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar sein sollen, so wird dies damit begründet, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung297 zu dieser Problematik ausführt, dass die Grundrechte in erster Linie den Einzelnen gegen Eingriffe staatlicher Gewalt schützen sollen und ihm „insoweit“ zugleich die Voraussetzungen für die freie und aktive Gestaltung des Gemeinwesens sichern298. Mit diesem grundrechtlichen Status299 des Einzelnen sei unvereinbar, den Staat selbst zum Teilhaber oder Nutznießer der Grundrechte zu machen. Der Staat könne nicht gleichzeitig Adressat und Berechtigter der Grundrechte sein. Dies gelte nicht nur, wenn er unmittelbar in Erscheinung trete, sondern grundsätzlich auch, wenn er sich zur Erfüllung seiner Aufgaben eines selbständigen Rechtsgebildes bediene, denn vom „Menschen und Bürger als dem ursprünglichen Inhaber der Grundrechte“ handele es sich jeweils nur um eine besondere Erscheinungsform einer einheitlichen Staatsgewalt300. An dem Ergebnis ändere auch die Erwägung nichts, 294

Isensee, ebd. Der Inhalt des negativen Status kann sich ändern und unterschiedlich aktualisieren, der Status als solcher bleibt dabei derselbe. 295 Isensee, ebd. [Fn. 293], Rn. 115. 296 Vgl. BVerfGE 32, S. 311 ff. (317), Isensee, ebd. 297 BVerfGE 21, S. 362 ff. 298 Das Bundesverfassungsgericht macht deutlich, dass die Schutzfunktion der Grundrechte vor Eingriffen der staatlichen Gewalt und aktiv-mitgestalterisches Moment sich nicht ausschließen, sondern vielmehr einander bedingen (ebd., S. 369). 299 Das Bundesverfassungsgericht benennt den Begriff in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich, die Umschreibung mit „das Verhältnis des Einzelnen zur öffentlichen Gewalt“ (ebd., S. 369) ist aber passfähig mit der Jellinekschen Diktion, s. o. 300 Ebd., S. 370.

II. Republikanische Dimension der Freiheitsgrundrechte

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dass die verschiedenen organisatorischen Gebilde sich an Machtfülle wesentlich unterschieden, es im internen Verhältnis Abhängigkeiten und Gewaltunterworfenheit gebe und auch dort Eingriffe eines Hoheitsträgers in die Funktion des anderen geben könne. Hierbei handele es sich der Sache nach um staatliche Kompetenzkonflikte im weiteren Sinne. Die Regelung dieser Beziehungen und die Entscheidung dieser Konflikte sei nicht Gegenstand der Grundrechte, weil „der unmittelbare Bezug zum Menschen fehlt.“301 Auch die Statuierung eines Wertesystems durch die Grundrechte bedeute „die Beziehung allen Rechts zu dem Mittelpunkt dieses Wertesystems, die ,innerhalb der sozialen Gemeinschaft sich frei entfaltende menschliche Persönlichkeit und ihre Würde‘.“302 Diese Konzeption des Bundesverfassungsgerichts knüpft an die oben ausgeführte Status-Beziehung der grund- und menschenrechtlichen Freiheit des Einzelnen an, die im Verhältnis zu den staatlichen Entscheidungsträgern – hier die juristische Person des öffentlichen Rechts – steht. An diesem Grundverständnis der Freiheitsrechte knüpft die grundsätzliche Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an. Mit seinem „individualistische[m] bzw. anthropozenrische[n] […] (Vor-) Verständnis der Grundrechte“ und der daraus abgeleiteten Gegenüberstellung der juristischen Person des öffentlichen Rechts und des Menschen als originärem Träger der Freiheitsrechte bewege sich das Gericht „vor und außerhalb der Verfassung“303. Ungeachtet der Substanz des juristischen Personen des öffentlichen Rechts unter Anwendung von Art. 19 Abs. 3 GG im Einzelnen zugesprochenen Grundrechtsschutzes, vermag der Grundansatz der Kritik nach den im Rahmen dieser Arbeit bisher gewonnenen Erkenntnissen nicht zu überzeugen. Insbesondere ein Verständnis von Freiheit als „ein von der Verfassung in differenzierter Verteilung zugemessener Freiraum“ verkennt die dem freiheitsrechtlichen Statusverständnis zugrundeliegende prinzipielle Freiheitsvermutung zugunsten des Einzelnen. In Konsequenz des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips unter Geltung des Grundgesetzes werden nach Lebensbereichen abgestufte Notwendigkeiten von Freiheitseingriffen und Freiheitsgestaltungen benannt und durch die Verfassungsgerichtsbarkeit näher konkretisiert. Individuelle Freiheit unter Geltung des Grundgesetzes ist – nimmt man die Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen in den Fokus – insoweit „rechtlich geordnete, normgeprägte Freiheit“304. Zugleich wird deutlich, dass Verwaltungsorganisation nicht „grundrechtsneutral“ ist, sondern,

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Ebd., S. 371. Ebd., S. 372. 303 So Friedrich E. Schnapp, Zur Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts, § 52, in: Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, Heidelberg 2006 [zit.: Grundrechtsberechtigung], Rn. 22 m. weit. Nachw. 304 Schnapp, Grundrechtsberechtigung [Fn. 303], Rn. 23, dort auch Zitat des Vor-Vorsatzes zum Verständnis von Freiheit als „zugemessener Freiraum“ unter Verweis auf Hans-Uwe Erichsen, ebd. in Fn. 58. 302

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

unter den vom Gericht genannten, im Einzelnen umstrittenen305 Maßgaben, vom normativen Gehalt der Grundrechte erfasst wird, soweit diese gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ihrem Wesen nach auf die juristischen Personen anwendbar sind. Davon zu unterscheiden ist die Geltung der Grundrechte im öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis306. Die Grundrechtsausübung von Beamten, die im Grundsatz grundrechtsberechtigt sind, kann durch die Einrichtungsgarantie des Art. 33 Abs. 5 GG begrenzt werden. Sie findet ihre Umgrenzung in der durch die Verfassung gebotenen Objektivität und Neutralität des Beamtendienstes im Interesse des Gemeinwohls307, die nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln ist308. Zudem ist zu differenzieren, ob der Beamte in seiner persönlichen Rechtsstellung innerhalb oder außerhalb des Dienstes betroffen ist – oder als Amtswalter, als Organ der öffentlichen Verwaltung und Teil der Staatsorganisation309. Angesichts des den Grundrechten zuvörderst intendierten Schutzes individueller, personaler Freiheit gegenüber dem Staat ist der Auffassung zu folgen, dass staatliche Verwaltungsträger als Amtswalter, sofern sie nicht in ihrer persönlichen Rechtsstellung innerhalb oder außerhalb des Dienstes betroffen sind, keine Grundrechtsträger sind310. Dahinter steht der Gedanke, dass diejenigen, denen obliegt, den grundrechtlich verbürgten Freiheitsanspruch durchzusetzen und zu schützen und gegen die sich zugleich der Anspruch auf Freiheit richtet, im Prinzip nicht zugleich teilhaben können an dieser Freiheit. Art. 1 Abs. 3 GG bindet die drei staatlichen Gewalten an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht. Mit dem Eintritt in den Bereich des Staatlichen tritt demzufolge eine Grundrechtspflichtigkeit ein.

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Dazu näher Herbert Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz, Passau 1985, S. 61 ff., m. umfassenden Nachw., Josef Isensee, Anwendung der Grundrechte auf juristische Personen, § 118, in: HStR V, 2. Aufl., Heidelberg 2000, Rn. 2 ff., Schnapp, Grundrechtsberechtigung [Fn. 303], Rn. 22 ff. m. weit. Nachw. 306 Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die Grundrechte auch im öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis gelten und von der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis nicht außer Kraft gesetzt werden können, BVerfGE 33, S. 1 ff. 307 Helmut Lecheler, Der öffentliche Dienst, § 110, in: HStR V, 3. Aufl., Heidelberg 2007, Rn. 77 und 78. 308 Sofern die persönliche Rechtsstellung des Beamten betroffen ist, ist dessen Grundrechtsschutz im außerdienstlichen Bereich ausgeprägter als im innerdienstlichen, Ulrich Battis, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2011, Art. 33, Rn. 75: Das Tragen einer Anti-Atomkraft-Plakette als politische Meinungsäußerung kann einem Lehrer allenfalls im Dienst (so BVerwGE 84, S. 292 ff.), nicht aber außerhalb desselben verboten werden. Einer muslimischen Lehrerin darf nur aufgrund eines Gesetzes verboten werden, im Unterricht Kopftuch zu tragen, BVerfGE 108, S. 282 ff. Siehe auch Ulrich Battis, Beamtenrecht als Spiegel des heutigen Staatsverständnisses, in: Eberhard Schmidt-Aßmann u. a. (Hrsg.), Festgabe 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, München 2003, S. 771 ff. (777 ff.). 309 Battis, in: Sachs, ebd. 310 Ebenso Walter Krebs, Verwaltungsorganisation, § 108, in: HStR V, 3. Aufl., Heidelberg 2007, Rn. 77.

II. Republikanische Dimension der Freiheitsgrundrechte

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Das System der subjektiv-öffentlichen Rechte vermittelt eine Aktivlegitimation, der die Passivlegitimation des durch seine Amtsträger handelnden Staates entspricht. Isensee formuliert in diesem Zusammenhang besonders pointiert: „Der Verfassungsstaat wird konstituiert durch die Polarität zwischen dem subjektiven Prinzip der Freiheit und dem objektiven des Amtes.“311 Gemeint ist, dass sich in der Statusbeziehung der Freiheitsgrundrechte des Grundgesetzes eine grundsätzliche Inkompatibilität zu den Trägern der Staatsfunktionen offenbart, denen subjektive Eigenmacht und persönliche Selbstverwirklichung in Ausübung ihrer Amtspflichten verwehrt sind. Die von der Weisungshierarchie vorausgesetzte Verpflichtung des staatlichen Amtsträgers zur rechts- und sachbezogenen Aufgabenwahrnehmung soll diesen in die Lage versetzen, bei der Amtsführung von seinen individuellen Interessen schlechthin abzusehen312. Dem systemtheoretisch geprägten Ansatz, eine grundlegende Grundrechtsträgerschaft der öffentlichen Hand zu begründen und damit einem differenzierten Bild staatlicher Funktionshierarchie Rechnung zu tragen, ist angesichts der im Rahmen dieser Betrachtung gewonnenen Erkenntnisse – ungeachtet der durch Art. 33 GG gewährten grundrechtsgleichen Individualrechte – letztlich nicht zu folgen. Der Staat folgt dem Funktionsprinzip des Vorbehalts der Verfassung und des Gesetzes, dem Prinzip der derivativen Zuständigkeit313 : Dem Staat stehen ausschließlich die Kompetenzen zu, die ihm die Verfassung zugesteht314. Bei einer umfänglichen, grundsätzlichen Anwendung grundrechtlicher Freiheiten zugunsten des Staates und seinen Amtsträgern würde das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip auf den Kopf gestellt, mit der Folge, dass dem Staat alles erlaubt wäre, was ihm nicht verboten ist. Der abstrakte und formalisierte Gedanke vom freiheitsrechtlichen Status des Bürgers dient dieser Untersuchung als Folie, das staatliche „Gegenüber“ der ausschließlichen Amtspflichten der Objektivität, Neutralität und Unparteilichkeit, welche die Integrität der Amtsführung315 sichern sollen, sichtbar zu machen. Ohne sie würde das 311 Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, § 71, in: HStR IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 132 ff. (137); siehe derselbe, Positivität und Überpositivität der Grundrechte, § 26, in: Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, Heidelberg 2006, Rn. 64. 312 Wolfgang Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung in der Exekutive, § 107, in: HStR V, 3. Aufl., Heidelberg 2007, Rn. 84. 313 Begriff bei Hans Heinrich Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, § 31 in: HStR II, 3. Aufl., Heidelberg 2004, Rn. 32. 314 Mit Blick auf Kirchen, wissenschaftliche Hochschulen und Rundfunkanstalten als juristische Personen des öffentlichen Rechts vermittelt die Verfassung Grundrechtsschutz wesentlicher Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, der Glaubensvermittlung, der Forschung, der wissenschaftlichen Lehre und des Rundfunks (vgl. Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 5 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). Rupp spricht davon, dass das „Eigenartige“ des Status des beamteten Hochschullehrers gerade darin liege, dass dieser in einem öffentlichen Amt Aufgaben in „gekorener“ Grundrechtsträgerschaft wahrnehme, ebd., Rn. 32, dort in Fn. 82 m. weit. Nachw. 315 Diese Integrität ist mehr als die bloße äußerliche Korrektheit, sie beginnt in der „Vermeidung des bösen Scheins“ und sichert bzw. schafft auf diese Weise das Vertrauen der Öf-

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Bild von einem Rechtssystem, das die „frei entfaltende menschliche Persönlichkeit und Würde“ zum Mittelpunkt erhebt, und damit die Unterscheidung von einem auf die gemeinwohlorientierte Gestaltung einer freiheitlichen Ordnung ausgerichteten Staat und dem Gemeinwesen als Feld pluralistischer Vielfalt, individuellen Beliebens, persönlichen Meinens und freier Persönlichkeitsentfaltung, verschwimmen. Die konstruktive Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im Verfassungsstaat des Grundgesetzes ist in diesem Bild eine notwendige Voraussetzung316, nicht jedoch als Vorstellung eines starren „Gegenübers“, sondern im Sinne eines pluralistisch verfassten, der Herrschaft des Rechts verschriebenen und der Würde des Menschen und seiner freien Entfaltung verpflichteten Gemeinwesens317. Auch die Realisierung der ethischen Gehalte des Verfassungsstaates im Prinzip des Amtes unterliegt dieser komplexen Wechselbeziehung von Staat und Gesellschaft318. Es ist offensichtlich, dass diese Nachzeichnung des Verfassungsstaates – unter dem unverzichtbaren Axiom des einzelnen Menschen und der Sicherung seiner Rechte319 sowie eines prinzipiellen Gegenübers von staatlichem, passivlegitimiertem Amtsträger und grundrechtlich subjektiv aktivlegitimiertem Individuum – lediglich ein grobes Bild der Verfassungswirklichkeit ergibt und im Einzelnen differenziert werden muss. Die Gesellschaft und der Staat, welcher als politische Entscheidungseinheit und Herrschaftsorganisation manifest wird, stehen in diesem Bild in mannigfaltiger Wechselbeziehung (auch dialektischer Art) zueinander, dies allerdings auf der Grundlage einer strukturellen und organisatorischen Unterscheidung320. Ein modernes Gesellschaftsverständnis, das von vielfältigen selbstorganifentlichkeit in die öffentliche Amtsführung, eingehend Ulrich Hilp, Den bösen Schein vermeiden, Berlin 2003, S. 24 ff., 94 ff. 316 Vgl. Udo Di Fabio, Die Staatsrechtslehre und der Staat, Paderborn 2003, S. 70. 317 Die hier zugrunde gelegte grundsätzliche Unterscheidung von Staat und Gesellschaft ist stets erheblicher Kritik ausgesetzt, insbesondere unter Bemühung sozialtheoretischer Ansätze. Für Schachtschneider, Res publica res populi [Fn. 188], ist sie „republikwidrig“ und offenbare einen „neoliberalistische[n] Dualismus“, ebd., S. 159 ff. (159), 175 ff. (175), 253 ff., 441 ff. Die „Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, welche die Freiheit auf ihre Fahnen geschrieben hat“, sei „der letzte Versuch, Herrschaft von Menschen über Menschen zu legitimieren“ (S. 189 – 190). Schachtschneiders Fundamentalkritik beruht jedoch auf einem Fehlschluss, wenn er davon spricht, diese Unterscheidung sei nur dann „logisch“, „wenn Freiheit als vom Staat gewährte, wenn auch grundrechtlich geschützte, unbestimmte Vielfalt materialer Handlungsfreiheiten begriffen wird“, ebd., S. 181. Im Laufe dieser Untersuchung wurde aufgezeigt, dass die Einordnung vom Staat gewährter „Freiheit“ gerade nicht der rechtsstaatlichliberalen Vorstellung von prima facie unbegrenzter individueller Freiheit gegenüber dem Staat entspricht. 318 Vgl. hierzu Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: derselbe (Hrsg.), Staat und Gesellschaft, Darmstadt 1976, S. 395 ff. (410). 319 Zur axiomatischen Eigenart der Menschenrechte im demokratischen Verfassungsstaat westlicher Prägung vgl. Hannah Ahrendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 8. Aufl., München 2001, S. 603 ff. 320 Böckenförde, Staat und Gesellschaft [Fn. 318], S. 405 ff.

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sierten gesellschaftlichen Akteuren ausgeht, zugleich unterschiedliche staatliche Akteure in „privatem Gewand“ kennt, steht einer solchen „starren“ prinzipiellen Unterscheidung, allein aus empirischen Erkenntnissen heraus, skeptisch gegenüber. In diesem Zusammenhang stehen auch die bereits thematisierten Veränderungen der Anforderungen an die Verwaltung und der Reform seiner Gestalt, ebenso wie die Grundannahmen hinsichtlich der Wahl rechtlicher Regelungsformen („regulatory choice“)321. Geht man mit dem Blick der Staatsfunktionenlehre auf den „realen Verfassungsstaat“ von unterschiedlichen „Staats- und Rechtstypen“ und dabei von den folgenden übereinstimmenden Beobachtungen aus – einer zunehmenden Grenzverwischung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht, – einem kontinuierlichen Vordringen des Zweckmoments, – einer Veränderung der Normstruktur von Konditional- zu Final- und Relationalprogrammen, – einer zunehmend prospektiv und flächendeckenden statt einer punktuell-repressiven Wirkung von Recht, – einer zunehmenden Einbeziehung von nicht-staatlichen Akteuren in die Erzeugung und Anwendung von Recht sowie – einer Veränderung von hierarchischen zu konsensualen Steuerungstechniken322, liegt der Wandel der gesellschaftlichen Realisierungsbedingungen von Freiheit im modernen Verwaltungs- und Verfassungsstaat auf der Hand323. Doch auch wenn die 321

Hierzu eingehend Gunnar Folke Schuppert, Staatswissenschaft [Fn. 110 ], S. 591 ff. Diese zusammenfassende Auflistung wurde der Darstellung unterschiedlicher Staatsund Rechtstypen, vom Interventions- zum Gewährleistungsstaat, aus den Grundzügen einer modernen Rechtssetzungslehre Schupperts entnommen, ebd., S. 566 ff. (590). In jüngerer Zeit ist der Schlichtungsprozess Heiner Geißlers zum Bahnprojekt „Stuttgart 21“ als „konsensuale Steuerungstechnik“ Gegenstand der öffentlichen Wahrnehmung geworden. Zur demokratietheoretischen Bedeutung dieses Schlichtungsprozesses siehe Heribert Prantl, Geißler 21, in: Süddeutsche Zeitung, 1. Dezember 2010, S. 4. 323 In seiner fundamentalen Kritik am liberalen Freiheitsverständnis kommt Dieter Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1994, zu dem Schluss, dass die „Trennung von Staat und Gesellschaft, die dem liberalen Sozialmodell zugrunde lag und im Eingriff ihren rechtstechnischen Ausdruck fand, […] überholt“ sei (S. 170). Er begründet seine Kritik mit dem Wandel der Realisierungsbedingungen grundrechtlicher Freiheit, die er u. a. in einem zunehmendem Ausfall der Gesetzesbindung der Verwaltung bzw. der Zunahme verwaltungsinterner Steuerungsmechanismen sowie in neuartigen Staatstätigkeiten und Normtypen begründet sieht. Als Ausweg schlägt er die objektivrechtliche Komponente der Grundrechte, insbesondere die Grundrechtsfunktion der Schutzpflicht vor (ebd., S. 221 ff., insb. 227 ff., 234, 240). Dies führt in der Konsequenz dazu, dass die Grundrechtsdogmatik vor die Aufgabe gestellt wäre, „für jedes einzelne Grundrecht das grundrechtsgebotene Minimum an positivem Gehalt herauszupräparieren“ (ebd., S. 240). Unter einem ähnlichen Ansatz hat bereits Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht [Fn. 286], ein den negativen Freiheitsbegriff liberal-rechtsstaatlicher Deutung ersetzendes Grundprinzip „realer Freiheit“ entwickelt, welches durch die Einzelgrundrechte näher konkretisiert würde, in denen schließlich jeweils das Maß grundrechtlich gesi322

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Beobachtungen einer Zunahme derjenigen Bereiche, in denen die Realisierung rechtlich verbürgter Freiheit von gesellschaftlichen oder staatlichen Vorleistungen materieller oder organisatorischer Natur abhängt, zutreffen, wird dadurch die Grundannahme der perspektivischen Ausrichtung des modernen Verfassungsstaates auf den Menschen und die Vermutung seiner dem Staat „voraus liegenden“ Freiheit nicht zum Fehlschluss. Ebenso wenig wird durch den hohen Grad an Komplexität und Situationsabhängigkeit sich wandelnder Staatstätigkeit und die zunehmende Einbeziehung nicht-staatlicher Akteure in diese, das Bild eines prinzipiellen Gegenübers des Einzelnen in seinem grundrechtlichen Status „vorstaatlicher“, natürlicher Freiheit zu den Funktionsträgern öffentlicher Ämter in ihrer grundsätzlichen Grundrechtspflichtigkeit hinfällig324. Es gründet auf das Modell der prinzipiellen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Grundlage individueller Freiheit und verweist daher letztlich auf die allen modernen Verfassungsstaaten westlicher Prägung innewohnende Legitimationsfunktion für die Existenz staatlicher Ordnung schlechthin325. Das Kennzeichen der freien Gesellschaft im Sinne Karl R. Poppers ist die offene Gesellschaft, die sich dadurch auszeichnet, das in ihr der offene Wettstreit der Ideen, Meinungen, Weltanschauungen und Einstellungen besteht. Sie steht im Gegensatz zur geschlossenen Gesellschaft, in der das Richtige kollektiv oder durch Tabuisierung verbindlich festgelegt ist. In der offenen Gesellschaft Poppers soll im rechtsstaatlichen Rahmen ein jeder nach seiner Façon glücklich werden können326. Dieser Bereich freier Entfaltung und individuellen Beliebens ist im demokratischen Verfassungsstaat prinzipiell frei von staatlicher Bevormundung. Der Verfassungsstaat, gegen dessen Eingriffe sich die Freiheitsrechte primär richten, ist zugleich Garant der rechtsstaatlichen Durchsetzung grundrechtlicher Freiheit. Den Inhabern öffentlicher Ämter ihrerseits ist im Rahmen ihrer Amtsführung bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben nicht eigenes Abschätzen und Bewerten, wohl aber individuelles Belieben und persönliche, die öffentliche Sache ignorierende Selbstverwirklichung versagt. Das Modell erweist sich als das probate dogmatische Mittel, um die staatliche cherter sozialer Entfaltung zu ermitteln sei, ebd., S. 235 ff. (Begriff „realer Freiheit“, im Anschluss an Hesse, ebd., S. 237, zusammenfassend S. 256). Kritisch Riecken, Die Duldung als Verfassungsproblem [Fn. 223], S. 89 f., der zu Recht herausstellt, dass der Verweis auf die sozialgestalterische Verantwortung des Gesetzgebers und die Konkretisierung eines „Grundprinzips“ der Freiheit anhand der Einzelgrundrechte letztlich der Frage nach dem rechtlichen Gehalt dieses Prinzips ausweicht. Diese sozialgestalterische Dimension vermag in einzelnen Grundrechten ihren Ausdruck finden, wie es das Bundesverfassungsgericht in anderem Zusammenhang herausgestellt hat (vgl. dazu unten Fn. 327), sie lässt sich jedoch dem Freiheitsverständnis des Grundgesetzes nicht vorrangig entnehmen. 324 Eine mehrdimensionale soziologische Betrachtung bietet Luhmann, siehe oben in Fn. 291. 325 Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung individueller Freiheit, Opladen 1973, insb. S. 19 ff. 326 Vgl. Karl Raimund Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. 1, Bern 1957, S. 233 f. In diesem Sinne auch Hans Heinrich Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, § 31, in: HStR II, 3. Aufl., Heidelberg 2004, Rn. 27.

II. Republikanische Dimension der Freiheitsgrundrechte

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Ämterordnung der Republik mit den grundrechtlich verbürgten Freiheitsrechten des Einzelnen in Beziehung zu setzen. Mit der Bindung aller staatlichen Gewalt an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht gemäß Art. 1 Abs. 3 GG erfährt diese Beziehung ihre verfassungsrechtliche Verbindlichkeit und rechtspraktische Umsetzung. b) Zwischenfazit: Republikanische Dimension der Freiheitsrechte Die notwendige Gegebenheit objektiv freiheitssichernder Momente auf der Ebene der staatlichen Eingriffsrechtfertigung vermag dem primär abwehrrechtlichen Grundrechtsverständnis eine republikanische Dimension zu verleihen. Der effektive Garantiebereich der Grundrechte taugt als Seismograph für das Maß der Verwirklichung der freiheitlichen Ordnung in der Verfassungswirklichkeit der Republik. In welchem Umfang die Verfassung dem Gesetzgeber bzw. den öffentlichen Gewalten aufgibt, staatliche Schutzpflichten, Leistungs- und Teilhaberechte, Verfahrensgarantien für staatliche Entscheidungsprozesse oder Organisationsprinzipien für öffentliche oder private Einrichtungen zu gewähren bzw. durchzusetzen327, und in diesem Rahmen Formen „positiver“ oder „realer“ Freiheit zur Geltung zu bringen, bedarf insofern keiner vertieften Erörterung, als der grundrechtliche Status, wie oben aufgezeigt, den Kern des republikanischen Beziehungsverhältnisses Bürger – Staat (speziell: staatlicher Amtsträger), auch unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, abzubilden vermag. Konzeptionen, die den effektiven Garantiebereich der Grundrechte und das reale „Substrat“ der Freiheitsverwirklichung in den Mittelpunkt ihres Freiheitsverständnisses rücken328, vermögen in Bezug auf die Einzelgrundrechte und das Maß der Verwirklichung ihres Gebrauchs hohe Relevanz zu entfalten. Ein „republikanisches“ Grundrechtsverständnis muss sich allerdings im Rahmen der hergeleiteten, hier vertretenen Konzeption grundrechtlicher Freiheit bewegen, die zusammenfassend vier Kernkomponenten umfasst: die der prima facie unbegrenzten „natürlichen“ Freiheit des Einzelnen gegenüber dem Staat, der umfassenden Ausrichtung des Verfassungsstaates auf die Achtung und den Schutz der Menschenwürde und der Sicherung eines möglichst hohen Maßes an individueller Freiheit, des grundgesetzlichen Menschenbildes als gemeinschaftsbezogenes und gemeinschaftsgebundenes Individuum sowie die des Bildes eines prinzipiellen 327

Vgl. etwa die Leitentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, für Leistungs- und Teilhaberechte BVerfGE 33, S. 303 ff. (s. S. 330 ff. – absoluter Numerus Clausus), für Schutzpflichten E 39, 1 (Schwangerschaftsabbruch; „Fristenlösung“), für Verfahrensgarantien E 53, 30 (Friedliche Nutzung der Atomenergie; Grundrechtsverletzung durch Außerachtlassen der vom Staat in Erfüllung seiner Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG erlassenen atomrechtlichen Verfahrensvorschriften), für Organisationsprinzipien in Ausgestaltung verfassungsrechtlich garantierter (hier: Rundfunk-) Freiheit BVerfGE 57, S. 295 ff. (Voraussetzungen für die Veranstaltung privater Rundfunksendungen, s. S. 319 ff.). 328 Vgl. etwa Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte [Fn. 238].

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

Gegenübers des Bürgers in seinem grundrechtlichen Status zu den Funktionsträgern öffentlicher Ämter. Das Verfassungsprinzip der Republik kann jedenfalls nicht für eine sozial-gestalterische Umdeutung des grundgesetzlichen Freiheitskonzeptes Pate stehen, die diese von der Verfassung gesetzten Maßstäbe vernachlässigt. Auch die Herleitung eigenständiger Rechtspflichten für den einzelnen Bürger kann ein republikanisches Grundrechtsverständnis – über den schlichten republikanischen Gesetzesgehorsam329 und den Verzicht auf gewalttätige Selbsthilfe im Sinne einer „Friedenspflicht“330 hinaus – nicht begründen. Keinesfalls wird der Grundrechtsträger, wie bereits aufgezeigt wurde, für „das Gemeinwohl“ in die Pflicht genommen. Er ist in den Motiven, Zielen und Maßstäben seines Handelns prinzipiell nicht festgelegt und braucht auf Eigennutz nicht zu verzichten331. Soweit gemeinwohlorientierte Pflichten des Grundrechtsträgers lege artis aus der Verfassung folgen – etwa Eltern-, Schul-, Wehr- und Eigentumspflicht – leiten sie sich aus dem Einzelgrundrecht, nicht unmittelbar aus dem republikanischen Prinzip ab. So zeigt gerade die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, dass die Ausübung dieses Grundrechts besonders leicht in Widerspruch zu den Erfordernissen des guten Zusammenlebens treten kann: Hier ist ausdrücklich die Verpflichtung auf das „Wohle der Allgemeinheit“ in den Wortlaut des Grundrechts aufgenommen. Ob man diese Pflichten als – mittelbar – „republikanisch“ bezeichnen möge, sei als terminologische Frage letztlich dahingestellt. Maßgeblich hingegen ist der Aspekt ihrer rechtsdogmatischen Einordnung: Auch wenn davon auszugehen ist, dass Grundpflichten der Bürger eine verfassungsrechtliche Dimension aufweisen332, sind diese jedoch stets in die Schutzfunktion des Staates eingebunden: sie umschreiben nach ihrem klassischen Profil den status passivus der Bürger; sie sind zu begreifen als „verfassungsverbindlich gemachte Aktivierung und Mobilisierung der den Grundrechtsinhabern zustehenden Freiheiten und Vermögenspotentiale für die Zwecke des Gemeinwohls“333. In „Korrelation“ zu den individuellen Freiheitsrechten nehmen sie den Einzelnen zur Erhaltung des gemeinsamen Zusammenlebens in Anspruch, in

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Dieser lebt als „apriorische Bedingung der Verfassungsstaatlichkeit“ weiter, Hofmann, Grundpflichten und Grundrechte, in: Verfassungsrechtliche Perspektiven [Fn. 213], S. 73 ff. (85) m. weit. Nachw. 330 Dazu Isensee, Die Friedenspflicht der Bürger und das Gewaltmonopol des Staates, in: Georg Müller (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, Festschrift für Kurt Eichenberger, Basel, Frankfurt a. M. 1982, S. 23 ff. 331 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, § 57, in: derselbe/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland [zit.: HStR III], 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 83, derselbe, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, § 71, in: HStR IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 116. 332 Vgl. Volkmar Götz, Grundpflichten als Verfassungsrechtliche Dimension, VVDStRL 41 (1983), S. 7 ff. (12 f.); s. hierzu auch den Mitbericht von Hasso Hofmann zu diesem Beratungsgegenstand, ebd., S. 42 ff.; derselbe, Grundpflichten und Grundrechte (1992), in: Verfassungsrechtliche Perspektiven [Fn. 213], S. 73 ff. 333 Götz, ebd., S. 12.

II. Republikanische Dimension der Freiheitsgrundrechte

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Form von Leistungs- oder Unterlassungspflichten oder Duldungslasten.334 Sie wurzeln weder im vorstaatlichen Freiheitsgedanken, noch entspringen sie einer „Treuepflicht aller Staatsangehörigen“, sondern gründen sich in der Notwendigkeit, Freiheiten im Staat zu organisieren und zu erhalten. Unter dem Rechtsverständnis des Grundgesetzes, das seine Rechtsordnung, wie dargelegt, auf das Prinzip der gleichen rechtlichen Freiheit aller gründet, können Rechtspflichten nur sekundärer, bedingter, abgeleiteter Natur sein, nicht jedoch konstitutiv. Es besteht eine „Asymmetrie“335 im Verhältnis von Grundrechten und Grundpflichten. Die republikanische „Pflicht“, dem Gemeinwohl zu dienen, das Smendsche Ideal des Citoyen336 wird zur politischen Tugend und zum moralischen Appell. Eine „positive Freiheit“ zu selbstlosem Dienst für das gemeine Wohl, gar zentral verbindlich vom Staate inhaltlich definiert, kehrte das rechtsstaatliche Verteilungsmodell in sein Gegenteil337; dies lässt das oben aufgezeigte Grundrechtsverständnis der negativen Freiheit nicht zu. Die Forderung nach Selbstlosigkeit338 und Bürgertugend ist nicht in der Ausübung der grundrechtlichen Freiheit verfassungsrechtlich determiniert, sie liegt wesentlich in einer von der Verfassung vorausgesetzten, nichtrechtlichen (und daher sanktionslosen) „Verfassungsethik“339. Michael Stolleis spricht in diesem Zusammenhang treffend von einem „ethische[n] Leitbild der Mündigkeit“340 der Bürger, sich konstruktiv wie kritisch an den öffentlichen Dingen zu beteiligen, das demokratische Gemeinwesen selbst (mit) zu gestalten und so eine notwendige Bedingung der Freiheit zu schaffen: „Eine ,offene‘ Gesellschaft, die die ihr eigenen Entfaltungsräume nicht benutzt, wird sie langfristig verlieren.“341 334 Dazu und zu den nachfolgenden Aussagen Hofmann, Grundpflichten und Grundrechte, in: Verfassungsrechtliche Perspektiven [Fn. 213], S. 73 ff. (91 ff., Formulierung und Zitat S. 91, Gedanke und nachfolgendes Zitat auf S. 94). 335 Hofmann, ebd., S. 96. 336 Rudolf Smend, Bürger und Bourgeois im deutschen Staatsrecht [Fn. 288], S. 309. 337 Dazu Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat [Fn. 181], Rn. 117. 338 Selbstlosigkeit und Verzicht auf Eigennutz kann in Gestalt der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke, etwa gemeinnütziger eingetragener Vereine, durch den Staat steuerlich über die Abgabenordnung begünstigt werden. Darin liegt indes keine staatliche „Verordnung“ von Gemeinsinn. 339 Michael Stolleis, „Staatsethik“, oder: Vom sittlichen Staat zu den Bürgertugenden, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV) 1995, S. 58 ff. (66) [zit.: Staatsethik]. 340 Stolleis, Staatsethik, S. 66. 341 Stolleis, Staatsethik, S. 67. Diese ethisch erwünschte Einmischung der Bürger, in abgestufter Form und Intensität auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene, wird, so Stolleis, bemerkenswerterweise stets im Sinne der aristotelischen Maxime des mittleren Wegs als Beteiligung „mittleren“ Grads vorausgesetzt, die zufriedenstellend nur über die Selbstregulation des „Systems politischer Willensbildung durch Trägheitsmomente“ funktioniere. „Berufsethos“ – etwa der Journalisten als personale Seite der wichtigen Massenmedien – und „Bürgerethos“ träten dabei in Wechselwirkung. Es handele sich unverkennbar um ein Leitbild ohne universalen Charakter oder Anspruch, sondern um das des „relativ gut informierten […] Bürgers heutiger westlicher Industriegesellschaften“, ebd., S. 68, vorherige Zitate ebd. S. 67.

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

Als Zwischenergebnis sei daher vermerkt: Das „Defizit der Kompetenzausstattung des Verfassungsstaates gegenüber dem Handlungsbedarf des Gemeinwohls“342 ist notwendige Bedingung der insoweit nur bedingt „wohlgeordneten“ Freiheit der Republik. Scharf akzentuiert daher Gröschner: „Der Bürger darf Bourgeois bleiben; als Citoyen mit eigenen Rechtspflichten fungiert der Inhaber des öffentlichen Amtes.“343 Inwiefern das öffentliche Amt unter Geltung des Grundgesetzes als republikanisches Rechtsinstitut konzipiert ist, soll im nachfolgenden Abschnitt näher entwickelt werden.

III. Das Amt als republikanisches Rechtsinstitut Die bisherigen Erkenntnisse zur Einbettung des Amtsgedankens in den republikanischen Verfassungsstaat des Grundgesetzes haben vor Augen geführt, dass das wesentliche Richtmaß dieses Staates in der rechtsstaatlichen Verfasstheit des Verfassungsprinzips der Freiheit liegt. Republikanische Freiheit wird in gesellschaftlichem Zusammenhang existent und ist durch positives Recht zu flankieren und zu realisieren. Zur Verwirklichung der Realisierungs- und Schutzfunktion des Rechts sind staatliche Amtsträger auf (verfassungs-)gesetzlich eingeräumte Befugnisse zur Ordnung des Gemeinwesens, auf die äußere Legalität beschränkt. Der Verfassungsstaat legitimiert seinen Hoheits- und Machtanspruch wesentlich über die Aufgabe, die natürliche Freiheit des einzelnen Menschen zu wahren und zu schützen, womit sich sein ordnungsrechtlicher Machtanspruch a priori begrenzt. Diesem Verhältnis von staatlicher Gewalt und privater Freiheit entspricht die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft344. Auf diesem Fundament des Verfassungsstaates begründet, entfaltet das Amt seinen republikanischen Charakter. Dieser besteht in einem auf Optimierung angelegten gemeinwohlorientierten Gestaltungsprinzip freiheitlicher Ordnung.

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Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat [Fn. 181], Rn. 124. Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 48, unter Verweis auf Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat [Fn. 331], Rn. 105; siehe dazu, in Auseinandersetzung mit Karl Marx und Rudolf Smend, Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat [Fn. 181], Rn. 117: „Die Ausübung der grundrechtlichen Freiheit ist von Verfassungs wegen nicht determiniert. […] Sie ermöglicht politische Tugend, aber sie erschöpft sich nicht darin. Freiheit ist auch Freiheit des Bourgeois. Die Grundrechtsordnung mutet dem Privaten nicht den Verzicht auf Eigennutz zu; aber sie hält ihm den selbstlosen, unmittelbar gemeinnützigen Gebrauch der Freiheit offen.“ 344 Christoph Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung [Fn. 225], S. 290. 343

III. Das Amt als republikanisches Rechtsinstitut

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1. Präzisierung des republikanischen Optimierungsgebotes Die weitere Präzisierung des Gehalts des Republikprinzips des Grundgesetzes als gestalterisches Optimierungsgebot gelingt unter Zuhilfenahme konkretisierender Definitionen. Unbeschadet der Vielschichtigkeit der Begriffe „Prinzip“345 bzw. „Verfassungsprinzip“346 vermag die Kategorisierung von Alexy rechtliche Handhabbarkeit vermitteln. Danach ist der in der Unterscheidung von Regeln und Prinzipien maßgebliche Punkt, dass „Prinzipien Normen sind, die gebieten, dass etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohen Maße realisiert wird.“347 Demnach lassen sie sich als Optimierungsgebote348 auffassen, die dadurch charakterisiert sind, dass sie in unterschiedlichen Graden erfüllt werden können, wobei das gebotene Maß ihrer Erfüllung sowohl von tatsächlichen, als auch von rechtlichen Möglichkeiten abhängt349. Zugleich wird damit ein Sollensgebot ausgedrückt, das eine möglichst weitgehende oder approximative Erfüllung verlangt350. Die Republik ist nicht nur Regelungsgegenstand des Grundgesetzes, der Staatsname enthält gemäß Art. 20 Abs. 1 GG auch den normativen Gehalt des Republikprinzips351. Durch ihre Konstituierung in der Staatsfundamentalnorm wird sie 345 Vgl. Robert Alexy, Zum Begriff des Rechtsprinzips, in: Rechtstheorie, Beiheft 1 (1979), S. 59 ff. (in Auseinandersetzung mit R. Dworkin und H. L. A. Hart). 346 s. Franz Reimer, Verfassungsprinzipien, Ein Normtyp im Grundgesetz, Berlin 2001, insbes. zu den „Vorannahmen“ zum Begriff des Prinzips, S. 146 ff. 347 Alexy, Theorie der Grundrechte [Fn. 226] S. 75 ff. (75); vgl. derselbe, Zum Begriff des Rechtsprinzips [Fn. 345], S. 79 ff. 348 Der Begriff des Gebots wird diesbezüglich in einem weiten Sinne verwendet, indem er auch Erlaubnisse und Verbote umfasst. 349 Im Bereich der rechtlichen Möglichkeiten sind wiederum gegenläufige Prinzipien und Regeln bestimmend, Alexy, Theorie der Grundrechte [Fn. 226], S. 76 ff. 350 Hierdurch kann der prima facie-Charakter von Prinzipien erklärt werden, s. Alexy, Zum Begriff des Rechtsprinzips [Fn. 345], S. 79 ff. (81). 351 Vgl. oben Abschnitt I. 1. Dies kann inzwischen als allgemeine Auffassung gelten. Bestätigend Reimer, Verfassungsprinzipien [Fn. 346], S. 379 f. (380) und S. 206 („unstreitig“), Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 3; weit. Nachweise bei Karl-Peter Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II [Fn. 191], Art. 20 Abs. 1, Rn. 12. Die Gegenansicht von Konrad Löw, Was bedeutet „Republik“ in der Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland“?, DÖV 1979, S. 819 ff. (S. 821: „,Bundesrepublik‘ […] [ist] der Name des Satzsubjekts, aber nicht Satzaussage“), hat sich nicht durchgesetzt. Ihr ist insbesondere entgegenzuhalten, dass die Aufnahme in den Staatsnamen eine normative Herauf- und keine Herabstufung bedeutet; zudem kann ihr auch mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes nicht gefolgt werden; vgl. Theodor Heuss in der 10. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 13. Oktober 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat: 1948 – 1949, Akten und Protokolle, Bd. 5/1, Ausschuss für Grundsatzfragen, München 1993, S. 281: „Ich halte den Begriff ,Republik‘ im Hinblick auf seine inhaltliche Erfülltheit für unerlässlich“. „Es heißt auch nicht ,La France’, sondern ,La République Française‘“, Hermann von Mangoldt, in: Der Parlamentarische Rat: 1948 – 1949, ebd., S. 280;

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

selbst zu einem zentralen Verfassungsprinzip, das folglich bedeutet, dass die Verfassung ein hohes Maß an „Republik“ verwirklichen muss352. Als Norm mit zentraler Bedeutung für die Verfassung muss es dieser „gleichsam das Gesicht und die identifizierende Gestalt“ geben. Hieraus lassen sich Rückschlüsse für den Gehalt des Republikbegriffs selbst ziehen, denn wenn dieser sich im Grundgesetz als explizites353 Verfassungsprinzip niederschlägt, liefe bei einer rein formalen Definition als „Nichtmonarchie“ seine Funktion weitestgehend leer354. Es würde sich gleichsam um ein absolutes und daher „abwägungsresistentes“355 „Optimierungsgebot“ handeln. Seine Aufführung in Art. 20 Abs. 1 GG sowie seine Entstehungsgeschichte legen indes nahe, dass ein in bestimmtem Maße offenes Verständnis der freiheitlichen Ordnung des Gemeinwesens im Verfassungsstaat als Kern des Republikprinzips „zu den allgemeinen Grundsätzen und Leitideen [gehört], die der Verfassungsgeber, weil sie das vorverfassungsmäßige Gesamtbild geprägt haben, von dem er ausgegangen ist, nicht zu einem besonderen Rechtssatz verdichtet hat. […] Es enthält – soweit es nicht in einzelnen Sätzen der geschriebenen Verfassung für bestimmte Sachgebiete ausgeformt und präzisiert ist – keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote und Verbote von Verfassungsrang, sondern ist ein Verfassungsgrundsatz, der der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf“356. Die Aussage sollte nach dem bisher Gesagten in ihrem Kern auch auf das Republikprinzip übertragen werden können. Das Verfassungsprinzip der Republik hat dieselbe rechtliche Verbindlichkeit und dogmatische Grundstruktur wie die anderen in Art. 20 Abs. 1 GG genannten Prinzipien, vom Bundesverfassungsgericht in der zitierten Entscheidung gleichbedeutend (in der Terminologie der Art. 28 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 3 GG) als „Grundsätze“ bezeichnet.357

Würdigung und weit. Nachw. aus den Beratungen des Parlam. Rats bei Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 1 – 2. 352 Vgl. die Definition von Reimer, Verfassungsprinzipien [Fn. 346], S. 249 f. (249): „Das Verfassungsprinzip ist eine Zentralnorm der Verfassung ohne Rechtsfolgenvorherbestimmung.“ Das im Text nachfolgende Zitat und stammt ursprünglich von einer Formulierung Eichenbergers zur Schweizer Bundesverfassung, s. Reimer, ebd., S. 255. 353 Reimer, Verfassungsprinzipien [Fn. 346], S. 206. 354 Vergleiche oben die Ausführungen in Abschnitt I. 1. und 2. dieses Kapitels. 355 s. Reimer, Verfassungsprinzipien [Fn. 346], S. 214 ff. (214 – 215). 356 BVerfGE 25, S. 269 ff. (290) zum Rechtsstaatsprinzip. 357 Vgl. Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 3. Die Republik bedarf als Verfassungsprinzip, auch wenn es, jedenfalls teilweise, impliziten Charakter hat – vgl. BverGE, ebd., „nicht in einzelnen Sätzen […] ausgeformt“ – keiner weiterer begründungs- oder geltungstheoretischer Grundannahmen, „etwa die Abkehr von einem strikten Positivismus“, Reimer, Verfassungsprinzipien, [Fn. 346], S. 212.

III. Das Amt als republikanisches Rechtsinstitut

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Ein Verständnis von der Republik als „positives Leitprinzip“358 einer freiheitlichen Verfassungsordnung, in dem die Republik als Verfassungsprinzip neben einem legitimatorischen auch einen gestaltenden Charakter i. S. eines gemeinwohlorientierten Optimierungsgebotes der freiheitlichen Ordnung hat, ist dogmengeschichtlich359, verfassungshistorisch und dogmatisch gegenüber einer rein formalistischen, ausschließlich auf die Staats- bzw. Regierungsform abstellenden Auslegung vorzugswürdig. Der legitimatorischen Formel „keine Herrschaft aus eigenem Recht“, die (insofern bereits materiell angereichert) dem schlichten, formalen Monarchieverbot zu entnehmen ist, wohnt gleichsam das gestalterische Moment der Verpflichtung aller Herrschaft auf das Recht und der Gestaltung der anvertrauten Herrschaft über die Instrumentarien des Rechts, im Prinzip zum Wohle aller, inne. Inwiefern dieser Gedanke, welcher sich mit dem demokratischen wie auch mit dem rechtsstaatlichen Prinzip berührt, durch den Amtsgedanken in der Tradition der res publica ein eigenes Gepräge erhält,360 wird im weiteren Verlauf dieser Untersuchung herauszustellen sein. Isensee geht davon aus, dass der Verfassungsstaat das „republikanische Erbe“ von Gemeinwohlidee und Gemeinwohlbindung – „res publica res populi“ übernimmt und es sich zu eigen macht361. Der Verfassungsgesetzgeber ist mit Blick auf die Instrumentalisierung des Gemeinwohlgedankens in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft gut beraten

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Begriff entnommen von Hesse, Verfassungsrecht [Fn. 272], Rn. 121; ähnlich Gröschner, Republik [Fn. 153], „Leitstern“, Rn. 52, dessen komprimierte Formel den bisherigen Ergebnissen dieser Untersuchung entspricht: „In einer solchermaßen komplementär auf Freiheit und Ordnung fokussierten Republik ist das Gemeinwohl durch die [regulative] Idee bestimmt, dass die gute Verfassung des Gemeinwesens Möglichkeitsbedingung für das gute Leben aller ist“, ebd.; vgl. derselbe, ebd., Rn. 39, man werde „kein anderes Prinzip des westlichen Verfassungsstaates finden, das so sehr auf Optimierung angelegt“ sei wie das „gemeinwohlorientierte Gestaltungsprinzip der Republik.“ Vgl. Isensee, Republik – Sinnpotential eines Begriffs, JZ 1981, S. 1 ff. (8). 359 Die Dogmengeschichte der Republik soll hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. Vgl. hierzu oben Abschnitt I. 1. sowie eingehend Mager, Republik [Fn. 154], S. 549 ff. Bemerkenswert ist die Feststellung Magers, dass in dem Maße, in dem „Republik“ in der Bedeutung „Nichtmonarchie“ seine Aktualität eingebüßt habe, der Begriff auch für „emotionale Sinnfüllung“ verfügbar geworden sei, „insbesondere für die emphatische Beteuerung des Bürgersinns und Verfassungspatriotismus“, ebd., S. 650. Vgl. Isensee, Republik – Sinnpotentiale eines Begriffs, JZ 1981, S. 1 ff., der feststellt, dem Begriff werde die rechtliche Gegenwartsbedeutung abgesprochen. Kritisch Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 744. Der hier unternommene Versuch einer Rekonstruktion des republikanischen Amtsverständnisses unterliegt der von Mager angesprochenen Versuchung einer politischen Sinnfüllung nicht, denn als Verfassungsprinzip muss die Republik per definitionem ein rechtsfolgenoffener Grundsatz, ein Sollensgebot sein, das sich verfassungsdogmatisch und verfassungshistorisch legitimiert und sich insofern deutlich abgrenzen lässt von aufkommenden Tendenzen zu sozialethischem oder politikwissenschaftlichem „Republikanismus“. 360 „Ethos der res publica“, Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat [Fn. 181], Rn. 22 ff.; Paul Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, § 99, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, Rn. 93 f. 361 Isensee, Staat und Verfassung, § 15, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, Rn. 128 ff.

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

gewesen, die „republikanische Tradition“362, die das „vorverfassungsmäßige Gesamtbild geprägt“ hat und „von dem er ausgegangen ist“ (vgl. die oben zitierte Passage des Bundesverfassungsgerichts), nicht in einer eigenen republikanischen Generalklausel zu formulieren363, sondern ein republikanisches Verfassungsprinzip im Sinne eines Optimierungsgebots zu konstituieren. Wenn man indes dem Verfassungsprinzip der Republik entgegen seiner Entstehungsgeschichte einen rechtsgestalterischen Anspruch abspricht, stieße seine normative Wirkung ins Leere; übrig bliebe allenfalls die politische „Hülse“ eines Verfassungsprinzips in Form eines „moralischen Appellbegriffs“364. Es spricht hingegen nach dem Dargelegten viel dafür, dass der antidespotische Anspruch der Republik als Verfassungsfundamentalnorm eine normative Ausgestaltung erfährt. Der „Verfassungsstaat“ Republik ist, wie aufgezeigt wurde, auf das Verfassungsprinzip der Freiheit bezogen: Sein normativer Anspruch liegt, dogmengeschichtlich verwurzelt in der naturrechtlichen Lehre vom Sozialvertrag365, im modernen Verfassungsbegriff als gewaltenteiligrepräsentativer Ordnung begründet, der sich unter dem Grundgesetz in der prinzipiellen Ausrichtung des Verfassungsstaates auf die Sicherung der gleichen rechtlichen Freiheit aller manifestiert. Zur „Optimierung des Komplementärverhältnisses zwischen Freiheit und Ordnung“366 als prinzipieller Aufgabe der Republik – wobei das gebotene Maß der Erfüllung des Gemeinwohls sowohl von tatsächlichen, als auch von rechtlichen Möglichkeiten abhängt – sind im Rahmen der verfassungsrechtlich vorgegebenen Kompetenzordnung grundsätzlich Amtsträger berufen. Aus 362

Der Generalberichterstatter des Ausschusses für Grundsatzfragen, Carlo Schmid im Plenum des Parlamentarischen Rates, in: Peter Häberle (Hrsg.), Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes. Neuausgabe des Jahrbuchs des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Band 1, 2. Auflage, Tübingen 2010, S. 20. Die ganze Passage lautet: „Der Hauptausschuss schlägt Ihnen den Namen ,Bundesrepublik Deutschland‘ vor. In diesem Namen kommt zum Ausdruck, dass ein Gemeinwesen bundesstaatlichen Charakters geschaffen werden soll, dessen Wesensgehalt das demokratische und soziale Pathos der republikanischen Tradition bestimmt“. – Zwar ist vor dem Hintergrund des hier entwickelten Verständnisses Vorsicht geboten hinsichtlich des in der Passage bemühten „Pathos“. Gleichwohl tritt in dieser Zusammenfassung der Beratungen des Parlamentarischen Rates die vom Verfassungsgeber gewollte inhaltliche Sinngebung des Republikbegriffs unter Rückbeziehung auf entsprechende ideengeschichtliche Traditionen deutlich hervor. 363 Karl-Peter Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, Tübingen 1997, S. 198 ff. (202); Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 41; vgl. Michael Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, Berlin 1974. 364 So aber nachdrücklich Dreier, Republik [Fn. 181], Rn. 23. Dieser soll, laut Dreier, bemerkenswerterweise „den Gemeinsinn der Bürger wie das Ethos der Amtswalter gleichermaßen ansprechen“ (ebd.). Gemeinsinn der Bürger und das Ethos des Amtswalters erscheinen allerdings nicht als die gleichen Seiten der republikanischen „Medaille“, s. o., letzter Abschnitt II. 2. b). Der artikulierten Befürchtung Dreiers, die Deutung des republikanischen Prinzips als Optimierungsgebot bzw. positives Leitprinzip führe zu „einer Einbuße an juristischer Trennschärfe“ (ebd., Rn. 21), hält diese Auslegung, trotz der grundsätzlichen Berechtigung des Einwands, stand (vgl. die weiteren Ausführungen zum Prinzip des Amtes). 365 Vgl. Mager, Republik [Fn. 359], S. 580 ff., 589 ff., 607 ff., 651. 366 Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 51.

III. Das Amt als republikanisches Rechtsinstitut

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diesen verfassungsdogmatischen Erwägungen heraus und auf dieser Grundlage kann man davon sprechen, dass über das Prinzip des Amtes, im treuhänderischen, verantwortungsvollen und uneigennützigen Dienst für die Allgemeinheit, die Idee der Republik institutionalisiert wird. Die gemeinwohlkonkretisierende, rechtsfolgenoffene Gestaltungsaufgabe der Republik367 wird wahrgenommen durch mit öffentlich-rechtlicher Kompetenz ausgestattete Institutionen. In einem rein formalen Republikbegriff könnte der hier entwickelte Gedanke des öffentlichen Amtes nicht abgebildet werden. Streitet man für den rechtsfolgenoffenen, gehaltvollen Republikbegriff, ist darin das Prinzip des Amtes conditio sine qua non. Konsequenterweise wird man daher das Prinzip des Amtes als änderungsfesten Bestandteil des Republikprinzips gemäß Art. 79 Abs. 3 GG zu bezeichnen haben368. Gemeint ist nicht die Ausgestaltung der Ämterordnung im Detail, ebenso wenig bestimmte Staatssegmente. Eine Privatisierung von Staatsaufgaben in großem Stil ist grundsätzlich zulässig. Das Amtsprinzip, also der Grundgedanke der Gestaltung der freiheitlichen Ordnung durch eine öffentliche Ämterverfassung, darf hingegen nach der hier entwickelten Auffassung auch durch verfassungsändernde Mehrheit nicht preisgegeben werden. Der Vertiefung dieses Aspekts, der Konkretisierung des republikanischen Gemeinwohlsgebots in Amtsrechtsverhältnissen, soll der nachfolgende Abschnitt gewidmet werden.

2. Konkretisierung des republikanischen Prinzips in Amtsrechtsverhältnissen Um der Ausformung des republikanischen Prinzips in Amtsrechtsverhältnissen Kontur zu verleihen, seien seine wesentlichen, bisher herausgearbeiteten Ableitungen in Erinnerung gerufen: Als Legitimationsprinzip verbietet es alle Arten einer Herrschaft aus eigenem, aus höherem Recht. Als Gestaltungsprinzip verlangt es, das gebotene Maß der Erfüllung des Gemeinwohls in der grundgesetzlichen Freiheitsordnung zu optimieren (rechtsfolgenoffenes Sollensgebot). Über das Prinzip des

367 Vgl. Paul Kirchhof, Die Identität der Verfassung, § 21, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, Rn. 90: Die als Grundsatz „bestandsfeste Staatsform“ der Republik müsse „stets um ihre materiale Anreicherung und Ausprägung durch Gemeinwohlverpflichtung, Amtsethos, Unbefangenheit und Unparteilichkeit ringen“. 368 Ebenso Ralph Balzer, Republikprinzip und Berufsbeamtentum, Berlin 2009, das „Amtsprinzip des Art. 33 GG ist im Republikprinzip […] verankert. Es ist notwendiger Bestandteil jeder republikanischen Verfassung“, S. 120, weitergehend, ebd., unter Einbeziehung des Beamtenstatus: „Ämterordnung und der Beamtenstatus sind […] der politischen Disposition im Sinne von Art. 79 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 1 GG entzogen“, S. 121, vgl. S. 161 und 189; Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 63 (S. 420); Klein, Der republikanische Gedanke [Fn. 157], S. 745. Vgl. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II [Fn. 191], Art. 20, Abs. 1, Rn. 18, 19, „Grundausrichtung des Gemeinwesens am Gemeinwohl“ (Rn. 19).

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

Amtes im treuhänderischen und uneigennützigen Dienst für die Allgemeinheit wird die Idee der Republik institutionalisiert369. Die republikanische Verfassungsdogmatik gebietet, das Amtsrechtsverhältnis als eine Form des allgemeinen Rechtsverhältnisses zu begreifen, nicht als besonderes Gewaltverhältnis im Sinne der Impermeabilitätslehre oder obrigkeitsstaatlich verstandener Subordinationstheorien370. „Amtsrechtsverhältnisse“ sind Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts, in denen Amtswalter auf der Grundlage der ihnen von Verfassung zugewiesenen Funktionen nach Maßgabe ihrer Gestaltungskompetenz (Zuständigkeiten, Aufgaben und Befugnisse) das Gemeinwohl „in generellen und individuellen, normativen und faktischen Entscheidungen gegenüber dem Bürger […] konkretisieren“371. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG wird die Staatsgewalt durch besondere Organe der gesetzgebenden, vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt ausgeübt. Die hier im Fokus stehenden Organwalter der vollziehenden Gewalt werden auf der Grundlage von Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) nach Maßgabe spezifischer Amtspflichten tätig. Art. 33 Abs. 2 bis 5 GG verbindet das republikanische Amt372. Der Bürger, der gemäß Art. 33 Abs. 1 GG in einem umfassenden Staat-BürgerVerhältnis steht373, hat gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Zugang zu jedem öffentlichen Amte. Im staatsorganisatorischen Grundprinzip374 des Art. 33 Abs. 2 GG wird der 369

Vgl. Josef Isensee, Transformation von Macht in Recht – das Amt, ZBR 2004, S. 3 ff. Battis, Beamtenrecht als Spiegel des heutigen Staatsverständnisses [Fn. 308], S. 771 ff. m. weit. Nachw. zur Rechtsprechung; s. Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 54 in Abgrenzung zu einem Staat-Bürger-Verständnis i. S. eines obrigkeitsstaatlichen Gewaltverhältnisses, wie es insbesondere der Verwaltungsrechtler Otto Mayer vertreten habe. 371 Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 55, der zugleich darauf verweist, dass auch im Rahmen dieser Definition über konkretisierende „Details der Systematisierung der verschiedenen Verfassungs-, Verwaltungs- und Prozessrechtsverhältnisse“ durchaus gestritten werden könne, soweit das „Verfassungsrechtsverhältnis als republikanisches Grundverhältnis“ in seinem Grundbestand dogmatisch akzeptiert würde, ebd., m. weit. Nachw. zur Strukturierung von Rechtsverhältnissen. 372 Ulrich Battis, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2011, Art. 33, Rn. 8. 373 Bodo Pieroth, in: Hans D. Jarass/derselbe, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 11. Aufl., München 2011, Art. 33, Rn. 2. Vgl. BVerfGE 44, S. 125 ff. (141 f.) zum Zusammenhang von demokratischer Mehrheitsherrschaft und der verfassungsrechtlichen Grundverpflichtung aller Staatsgewalt zum Schutz der Würde und Freiheit aller aufgrund „anvertrauter“, „am Wohl aller Bürger“ (ebd., S. 142) auszurichtender Herrschaft, ohne pateiergreifenden Einfluss auf den Grundakt demokratischer Legitimation. 374 Johannes Masing, in: Horst Dreier (Hrsg.) Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Tübingen 2006, Art. 33 Rn. 35. In Deutschland gehört es zu den „Standardforderungen antiständestaatlicher und antiabsolutistischer“ Staatstheorie, ebd., Rn. 4. Es erscheint lehrreich, § 291 von Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts von 1821 im kompletten Wortlaut zu zitieren: „Die Regierungsgeschäfte sind objektiver, für sich ihrer Substanz nach bereits entschiedener Natur (§ 287) und durch Individuen zu vollführen und zu verwirklichen. Zwischen beiden liegt keine unmittelbare natürliche Verknüpfung; die Individuen sind daher nicht durch die natürliche Persönlichkeit und die Geburt dazu bestimmt. Für ihre Bestimmung zu denselben ist das ob370

III. Das Amt als republikanisches Rechtsinstitut

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republikanische Charakter des Amtes deutlich: Weder die demokratische Mehrheitsentscheidung, noch vorrechtliche Privilegien, Partei- oder Klassenzugehörigkeit bestimmen über den Übertritt in ein öffentliches Amt, sondern Eignung, Befähigung und fachliche Leistung.375 Bei erfolgreicher Ausübung des grundrechtsgleichen Rechts verändert sich der Status des Bewerbers, er tritt über in den rechtlich gebundenen Status des „Amts-Citoyen“376. Die Wahrnehmung von Amtsgewalt nach der grundgesetzlich institutionalisierten und einfachgesetzlich ausgestalteten Ämterordnung ist eine gemeinwohlkonkretisierende Gestaltungsaufgabe der Republik. Da sich die Ermittlung von Gemeinwohlgehalten weder als ein „Wahrheitsproblem“ manifestiert, noch eine mit Hilfe des Instrumentariums von Auslegungslehren aufzufindende Position beschreibt, stellt sich die Gemeinwohlfrage in einem pluralistisch verfassten, keinen ideologietradierten weltanschaulichen Gemeinwohlformeln verschriebenem Gemeinwesen, wie Rupert Stettner herausgearbeitet hat, wesentlich als Kompetenzfrage dar, „als Frage, wer zur Realisierung des gemeinen Besten, zu seiner materiellen Auffüllung berufen ist“377. Die Frage stelle sich allerdings nicht im Sinne „dezisionistischer, voraussetzungsloser Bestimmung“, sondern von der Annahme eines „approximativen Auffindens“ von „vertretbaren […] Lösungen“ auf Basis des Gesetzes ausgehend378. Unter Kompetenz wird danach verstanden „die in und zur Erfüllung zugewiesener staatlicher Aufgabe[n] eingeräumte und zugeteilte Aktions- und Handlungsmacht staatlicher Stellen und Organe der drei Staats,funktionen‘ des Inhalts, in Verfolgung

jektive Moment die Erkenntnis und der Erweis ihrer Befähigung, ein Erweis, der dem Staate sein Bedürfnis, und als die einzige Bedingung zugleich jedem Bürger die Möglichkeit, sich dem allgemeinen Stande zu widmen, sichert.“ 375 Mit Blick auf die Zuordnung des Leistungsprinzips zu der „verfassungsgestaltenden Grundentscheidung Republik“ wird die antirepublikanische Seite der Ämterpatronage deutlich, vgl. Ulrich Battis, Hergebrachte Grundsätze [Fn. 39], S. 315. Vgl. BVerfGE 44, S. 125 f. (143). Der Grundsatz des gleichen Zugangs zu öffentlichen Ämtern musste historisch gegen die Privilegien und Bevorzugungen des Adels durchgesetzt werden, vgl. noch ALR II 9 § 35: „Der Adel ist zu den Ehrenstellen im Staat, wozu er geschickt gemacht hat, vorzüglich berechtigt“. Zur Geschichte des gleichen Ämterzugangs vgl. H. Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, in: Walter Wiese (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Dienstes, Bd. 1, 2. Aufl., München 1993, S. 114 ff. 376 Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 58. Vgl. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG II [Fn. 191], Art. 20 Abs. 1, Rn. 18: „Die Mitglieder des Staates sind in der Republik nicht Untertanen, sondern Bürger, citoyens, die an der Gestaltung des Gemeinwesens mitwirken. […] Für alle diejenigen Bürger, die öffentliche Ämter innehaben, bedeutet es im dargelegten Sinne, dass das Gemeinwohl und nicht Partikularinteressen das Handeln bestimmen müssen […]“. 377 Rupert Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, Berlin 1983, S. 202 ff. (203). 378 Stettner, ebd., S. 203 – 204.

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

ihres Gemeinwohlauftrags hoheitliche Akte festgelegter und genau bezeichneter Art setzen zu können.“379 Sofern sachliche Einigkeit dahingehend zu erzielen ist, dass die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben (vgl. Art. 30 GG) auf solcher kompetentieller Basis erfolgt und sich in einer arbeitsteilig gegliederten staatlichen Befugnisordnung vollzieht380, wird deutlich, dass die Ausübung der staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben in einem Bedingungsverhältnis zueinander stehen. Gleichwohl bleibt offen, bedingt durch die Reduktion des öffentlichen Interesses auf eine verfahrensdeterminierte, gesellschaftlich-plural beeinflusste Größe381 und der Gemeinwohlkonkretisierung auf eine kompetentiell definierte Artikulation, nach welcher „Richtschnur“382 die gestufte Administrativkompetenz ihren Gestaltungsspielraum definiert bzw. präzisiert, nach welchem „Modus“383 die republikanische Amtsführung im Dienste des Allgemeinwohls durchgeführt wird. Verfassungsrechtliche Grundlage für den „Modus“ republikanischen Amtshandelns sind normative Vorgaben, etwa die Ausgestaltung von Organisation und Verfahren oder Haushaltsrecht und -kontrolle.384

379 Stettner, ebd., S. 439. Die so definierte Kompetenz umfasst danach auch die „Einweisung der beauftragten Stelle in ein konkretes Aufgabengebiet“ und erschließt zugleich die notwendigen Durchsetzungsmittel, nicht jedoch die auszuführende Sachaufgabe selbst. Kompetenz und Zuständigkeit werden von Stettner als Synonyme verwendet, die jeweils den selbständigen Begriff der Staatsaufgabe voraussetzen, ebd. Ob es möglicherweise terminologisch zweckmäßiger wäre, Kompetenz als Zuständigkeit i. w. S. und als Oberbegriff einer konkreten Gestaltungskompetenz einzuordnen, welche aus der Zuständigkeit i. e. S., Aufgabe und Befugnis besteht, ist keine vorrangige Frage zur Beleuchtung der Gestaltungsspielräume republikanischer Amtsrechtsverhältnisse und hier daher nicht abschließend zu entscheiden, vgl. Gröschner, Republik [Fn. 153], Rn. 69. 380 Stettner, ebd., S. 205. 381 Grundlegend Peter Häberle, Öffentliches Interesse als juristische Problem, Bad Homburg 1970, zu Erscheinungsformen des öffentlichen Interesses bzw. Gemeinwohls als Tatbestandsmerkmal zum Zweck positiver Aufgabenbeschreibung und Kompetenzbestimmung S. 39 ff., zusammenfassend S. 716 ff. 382 Diesen Begriff verwendet Rupert Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre [Fn. 378], in diesem Zusammenhang, S. 205. 383 Schlüsselbegriff Gröschners, Republik [Fn. 153], zur Vermittlung zwischen formalem und materialem Republikverständnisses und definiert als „Art und Weise, in der das Verfahren durchgeführt und das Ergebnis gefunden und begründet wird“ in dem Sinne, dass er der „Regulatividee“ des Gemeinwohls „ausdrücklich Direktivfunktion für das jeweilige Amtsrechtsverhältnis zuschreibt“, wobei der „Inhalt“ des Gemeinwohls schließlich durch die Art und Weise ermittelt werde, „in der ein Amtswalter die entsprechende Idee im Einzelfall umsetzt“ ebd., Rn. 71. 384 Vgl. Schuppert, Staatswissenschaft [Fn. 110], S. 126 ff.

III. Das Amt als republikanisches Rechtsinstitut

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3. Normativität als Richtschnur für den „Modus“ des Amtshandelns Die Befugnis, in Verfolgung des Gemeinwohlauftrags aufgabenbezogene hoheitliche Akte setzen zu können, die Rechtssetzungs- bzw. Rechtsdurchsetzungsbefugnis der Amtswalter, hat ihren normativen und verfassungsgeschichtlichen Ursprung in der „Herrschaft des Gesetzes“ als Grundbedingung jeder rechtsstaatlichen Verfassung, welche in den Grundsätzen des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes zum Ausdruck kommt385. Das Gesetz, das sich verfassungsgeschichtlich als „die rechtlich stärkste Art von Staatswillen“386 in erster Linie an die Exekutive richtet, geht jeder anderen Willensäußerung, namentlich seitens der Verwaltung, vor387. Mit der Etablierung der Herrschaft des Gesetzes wurde der Exekutive „ein erhebliches Maß ihr zustehender Bestimmungsmacht im Staat abgetrotzt“388. Art. 20 Abs. 3 GG statuiert über den Vorrang des Gesetzes389 für die vollziehende Gewalt (ebenso wie für die Recht385 Vgl. Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, unveränd. Nachdruck der 1924 erschienenen 3. Aufl., Berlin 1969, S. 65; s. hierzu Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, § 101, in: HStR V, 3. Aufl., Heidelberg 2007, Rn. 1 ff. 386 Otto Mayer, ebd., S. 68. 387 Nach BVerfGE 8, S. 155 ff. (169 f.) ist unter dem Vorrang des Gesetzes – unter Zugrundelegung der Begriffsdefinition von Otto Mayer (ebd., S. 169) – „die dem Gesetz kraft Verfassungsrechts innewohnende Eigenschaft [zu verstehen], staatliche Willensäußerungen niedrigeren Rangs rechtlich zu hindern oder zu zerstören.“ (ebd., S. 169) Diese hindere den Gesetzgeber nicht, die Subsidiarität einer gesetzlichen Regelung gegenüber allgemeinen Verwaltungsvorschriften anzuordnen (Leitsatz, ebd. S. 156), da eine staatliche Willensäußerung, „die das Gesetz befolgt“ und damit in Einklang mit ihm steht, nicht am Vorrang des Gesetzes scheitern könne (ebd., S. 170); bestätigt durch BVerfGE 40, S. 237 ff. (247): Ein Gesetz kann nicht durch eine Allgemeinverfügung außer Kraft gesetzt oder abgeändert werden, ebenso wenig durch einen Verwaltungsakt durchbrochen oder durch eine, im Vergleich zum Gesetz, Norm niedrigeren Rangs verdrängt werden. Diese dem Gesetz kraft Verfassungsrecht innewohnende Eigenschaft könne sich jedoch „naturgemäß“ nur dann auswirken, wenn ein Widerspruch zwischen Gesetz und Allgemeinverfügung bestehe; eine Allgemeinverfügung, die das Gesetz befolge, könne somit nicht am Vorrang des Gesetzes scheitern. Das Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes ist damit eine Rangordnungsregel (die thematisch nicht das Verhältnis zwischen Bundes- und Landesgesetzen betrifft, vgl. Art. 31 GG), Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes [Fn. 385], Rn. 3. 388 Ossenbühl, ebd., Rn. 1; zur Bindung der vollziehenden Gewalt an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) vgl. derselbe, Gesetz und Recht – Die Rechtsquellen, § 100, in: HStR V, 3. Aufl., Heidelberg 2007, Rn. 4, 14, 17. 389 Unter der Geltung des Grundgesetzes steht zwar nicht das förmliche, d. h. vom Parlament beschlossene Gesetz, sondern die Verfassung an der Spitze der Normenhierarchie, so dass man insofern von einem „Vorrang der Verfassung“ sprechen kann, vgl. Rainer Wahl, Der Vorrang der Verfassung, in: Der Staat 20 (1981), S. 485 ff. Die Zuordnung der Normebenen ist allerdings im Einzelnen kompliziert, wie etwa die vom Bundesverfassungsgericht, als den letztverbindlichen Interpreten der Verfassung, entwickelte Wechselwirkungstheorie im Bereich der Grundrechte zeigt. Überdies ist die Verwaltung gehalten, ein Gesetz zu befolgen, auch wenn sie es für verfassungswidrig und deshalb nichtig hält, solange das Bundesverfassungsgericht nicht ge-

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

sprechung) ein zwingendes Anwendungsgebot und ein Abweichungsverbot390. Die Schrankenfunktion des Gesetzes bewirkt, dass auch im Bereich der sog. gesetzesfreien Verwaltung, in dem sie nach eigenen Zwecksetzungen, „d. h. ohne speziellen formalgesetzlichen Auftrag, das Gemeinwohl verwirklicht“391, sie die Grenzziehungen bestehender Gesetze beachten muss. Unter dem Begriff des Gesetzesvorbehalts, Kompetenzproblem und Zentralfrage der Gewaltenteilung, werden Sachbereiche und Gegenstände umschrieben, die einer autonomen Regelung der Verwaltung entzogen sind392. Der Wirkungsgrad des Vorbehalts des Gesetzes, ergänzt und substantiiert durch die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts393, ist sowohl abhängig von der jeweiligen Verfassungsstruktur, als auch vom herrschenden Staatsverständnis394, so dass, unbenommen aller Typologisierung, Aufarbeitung und dogmatischen Orientierung, von einem „ständigen Wandel“ gesprochen werden kann395. Betrachtet man die Gesetzesbindung der Verwaltung aus der funktionalen Sicht des Staates, so dient sie dazu, ein hohes Maß an Stetigkeit und „Richtigkeit“ des Amtshandelns zu sichern396, welche – aus der Sicht des Bürgers – Voraussetzung sind für Vertrauen in die Verlässlichkeit der Verwaltung und Basis ihrer Akzeptanz. Mit dem Hinweis auf Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes als wesentlicher Verfassungsrahmen der öffentlichen Verwaltung, aus der Perspektive des handelnden Staates als die Gesetzlichkeit des Amtsauftrages bzw. mit dem Gesetz als Auftrag der Verwaltung397 bekundet, sind die unabdingbaren Eckpfeiler normativer Vorgaben der gewaltenteilig und gewaltenverzahnt handelnden Amtswalter benannt. sprochen hat, s. Fritz Ossenbühl, Normenkontrolle durch die Verwaltung, in: Die Verwaltung 2 (1969), S. 393 ff., derselbe, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes [Fn. 385], Rn. 2: „Die Herrschaft des Gesetzes wird durch die Herrschaft der Verfassung nicht aufgehoben, aber überhöht“, m. weit. Nachw. 390 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes [Fn. 385], Rn. 4 f.; vgl. Christoph Gusy, Der Vorrang des Gesetzes, in: JuS 1983, S. 189 ff. (191). 391 Ossenbühl, ebd., Rn. 6. 392 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes [Fn. 385], Rn. 11 ff. 393 Vgl. BVerfGE 33, S. 1 (10 ff.), E 49, S. 89 (126), E 101, S. 1 (34). Die „ebenso rhetorisch einprägsame wie rechtlich unklare Kernaussage der Wesentlichkeitstheorie“ lautet, dass alle wesentlichen Entscheidungen im Staat dem Parlament vorbehalten sind, Michael Kloepfer, Der Vorbehalt des Gesetzes im Wandel, in: JZ 1984, S. 685 ff. (689); dazu Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes [Fn. 385], Rn. 49 und Rn. 52 ff. (56): „Es dürfte weithin Einigkeit darüber bestehen, daß es kaum gelingen wird, generelle Kriterien zu entwickeln, die ein verläßliches Urteil über die ,Wesentlichkeit‘ einer Entscheidung ermöglichen“. 394 Hiermit beschäftigt sich in einem Schwerpunkt das nachfolgende 3. Kapitel. 395 Zum aktuellen Stand Ossenbühl, ebd., Rn. 11 ff. (12). 396 Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, Stuttgart 1964, S. 259 f., aufgegriffen von Schuppert, Staatswissenschaft [Fn. 110], S. 120 f., 125 f. 397 Dazu Ulrich Scheuner, Das Gesetz als Auftrag der Verwaltung (1969), in: Joseph Listl/ Wolfgang Rüfner (Hrsg.), Ulrich Scheuner: Staatstheorie und Staatsrecht, Gesammelte Schriften, Berlin 1978, S. 545 ff., der die Rolle des Gesetzes als Mittel gesellschaftlicher Steuerung und „als Werkzeug wechselnder politischer Intention“ (S. 558) herausstellt und zu

III. Das Amt als republikanisches Rechtsinstitut

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Auch wenn es bisher nicht gelungen ist, im deutschen Staatsrecht einen „allgemeinen Verwaltungsvorbehalt“ als Pendant zum Vorbehalt des Gesetzes zu formulieren398, so können mit Ossenbühl der Selbstverwaltungsvorbehalt (Räume der Selbstverwaltung oder der kommunalen oder der akademischen Selbstverwaltung), die exekutive Vollzugsgewalt, die der Exekutive verbleibende Organisationsgewalt, die für die exekutive Gewalt verbleibende, abfallende Rechtssetzungsbefugnis (die ebenfalls dem Zugriffsrecht des Parlaments verhaftet bleibt) und die exekutive Komplementärgewalt als zentrale Verwaltungsvorbehalte benannt werden. Der zweitgenannte Aspekt, der Gesetzesvollzug betrifft den „Kernbereich“ der Exekutive gemäß Art. 1 Abs. 3 GG, Art. 20 Abs. 3 GG. Mit der Vollzugskompetenz gehen erhebliche Gestaltungsspielräume, insbesondere im Bereich des Auslegung und des Ermessens, einher. „Die Vollzugskompetenz bedeutet Herrschaft über die Alternative“.399 Diese Herrschaft besteht nach Maßgabe der Gesetze: Die Spielräume des administrativen Amtsträgers zur Gestaltung und Auslegung schwinden je nach Regelungsdichte der Gesetze. Der oben letztgenannte Aspekt, in denen „Verwaltungsvorbehalte“ wirken, die exekutive Komplementärgewalt, kann beispielsweise in Form einer „Notkompetenz der Verwaltung“ aktuell werden400. Der Gedanke besteht darin, dass in Fällen eines normativen Vakuums die Verwaltung ermächtigt ist, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen und Regelungen zu treffen, die notwendig sind, um die Funktionsfähigkeit des betreffenden administrativen Bereichs zu sichern oder wieder herzustellen. Dieser Tatbestand spiegelt zugleich die die Verwaltung kennzeichnenden Merkmale der „Permanenz, Ubiquität und Präsenz“401, die mit Blick auf die Steuerungsschwäche des Gesetzes402 in bestimmten Bereichen eine zusätzliche Relevanz erhalten. Recht den auch über 40 Jahre nach Erstellung seiner Schrift (unter veränderten verwaltungspolitischen Vorzeichen) aktuellen Aspekt hervorhebt, dass der Umfang der Gesetzesbindung nicht für alle Aktivitäten der Verwaltung gleichmäßig gestaltet ist. Siehe ebd., S. 561: „Ausführung ist nicht nur diejenige Form der Realisierung von Gesetzesinhalten, die in strikter Bindung an die vorgezeichneten Maßstäbe nur eine Art Subsumtionsprozess vornimmt, sondern im Bereich der Verwaltung gehört zur Ausführung gerade ein wesentliches Element der Mitgestaltung und ergänzenden Konkretisierung.“ 398 Die Thematisierung auf der Staatsrechtslehrertagung in Göttingen 1984 brachte offenbar vergleichsweise geringen substanziellen Ertrag, vgl. aber Hartmut Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), S. 135 ff., Friedrich E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, ebd., S. 172 ff. Siehe, auch zu Folgendem, Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes [Fn. 385], Rn. 68 f. 399 Gerhard Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, Berlin 1979, S. 224 m. weit. Nachw. 400 BVerfGE 33, S. 303 ff. (347). 401 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes [Fn. 385], Rn. 74. 402 Vgl. Schuppert, Grenzen und Alternativen von Steuerung durch Recht, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1. Aufl., Baden-Baden 1990, S. 217 ff.

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2. Kap.: Grundzüge des republikanischen Amtsverständnisses

Wenn jede Gemeinwohlkonkretisierung der Verwaltung zu einer Entfaltung von Kompetenz gedeiht403, und dies im Bereich des Gesetzesvollzugs wie in Bereichen normativen Vakuums, erscheint Kompetenz in diesem Kontext als rechtsethische Herrschaftslegitimation, als „anvertraute Macht zur Suche und zur Erfüllung von in differenzierter Determiniertheit und Offenheit aufgegebenen öffentlichen Interessen“404, die auf das jeweilige Staatsverständnis verweist.

403 404

So Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre [Fn. 377], S. 72. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem [Fn. 381], S. 679.

3. Kapitel

Staatsverständnis und Amt Amtsidee und Staatsverständnis sind eng aufeinander bezogen. Die vorhergehende Analyse des republikanischen Amtsverständnisses war durch das Bild der Statusbeziehung des Einzelnen im Verhältnis negativer Freiheit zum staatlichen Amtsträger als gemeinwohlkonkretisierendem Kompetenzträger bestimmt. Die begriffsgeschichtliche und rechtsanalytische Entwicklung der Rechtsnatur des Amtes öffnete den Blick auf seine Gestalt als öffentliches Amt, als eine Grundkategorie rationaler Herrschaft, in die der neuzeitliche Staatsbegriff bereits anklang und die Idee des souveränen, mit Gewalt- und Rechtdurchsetzungsmonopol ausgestatteten Staates eine Schlüsselposition einnahm. Das traditionelle Konzept bürokratischer Herrschaft Max Webers, systemtheoretisch als lebensfernes Modell kritisiert, ist in modifizierter Form gleichwohl, wie aufgezeigt wurde, in seinem idealtypischen Modellcharakter auch für den Verwaltungsstaat der Moderne weiterhin als Richtschnur tauglich und in Teilen als Grundgerüst der öffentlichen Verwaltung in Form hergebrachter Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes sogar von aktueller verfassungsrechtlicher Relevanz. Dieses Bürokratiemodell, bezogen auf das Berufsbeamtentum als pars pro toto für das öffentliche Dienstrecht405, ist mit dem modernen Staat – dies gilt jedenfalls für seine geschichtliche Entwicklung in Deutschland und seine gedankliche und modellhafte Konstruktion in Kontinental-Europa406 – untrennbar verbunden407. In der etatistischen Deutung der modernen Staatsrechtslehre ist der Staatsbezug des Amtes mit seiner Kategorisierung als dem „kleinsten Baustein der Staatsorganisation“ (Isensee)

405 Vgl. Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft [Fn. 48], ebd. Den Staatsbezug des öffentlichen Dienstrechts in Deutschland eindrücklich zuspitzend Helmut Lecheler, Der öffentliche Dienst, § 72, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1. Aufl., Heidelberg 1988, Rn. 14: „Das öffentliche Dienstrecht ist nicht einer von vielen Teilen des Besonderen Verwaltungsrechts. In der deutschen Staatstradition handelt es sich beim Staatsdienerrecht um genuines Staatsrecht, das die Vorbedingungen für den Wirkbereich des Staates schafft.“ (Hervorhebungen nicht im Original). 406 s. Nevil Johnson, Über den Begriff des Staates aus vergleichender Sicht, in: Rudolf Morsey/Helmuth Quaritsch/Heinrich Siedentopf (Hrsg.), Staat, Politik, Verwaltung in Europa, Gedächtnisschrift für Roman Schnur, Berlin 1997 [zit.: Staat], S. 167 ff. (167 f.). 407 s. die Nachweise in Fn. 48 sowie Bernd Wunder, Die Entstehung des modernen Staates und des Berufsbeamtentums in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert, Leviathan (2) 1974, S. 459 ff.; Kimminich, in: Leisner (Hrsg.), Berufsbeamtentum [Fn. 48], S. 47 ff.

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

trefflich umschrieben408. Ist dieser Staatsbezug des Amtes im modernen Verfassungsstaat mit Blick auf den Funktionswandel des Verwaltungsstaates noch aktuell? Inwiefern manifestiert sich ein Ethos des Amtes im „Staatsverständnis“? Bietet ein modernes Verständnis staatlicher, freiheitlicher Ordnung und ein im besten Sinne bürokratischer, nicht aber „charismatisch“ legitimierter Verwaltungsstaat – jenseits der Bindung an Recht und Gesetz – noch Raum für rechtsethische Anforderungen an staatliche Ämter? Zur Beantwortung dieser Fragen ist es notwendig, eine kurze Exposition dessen zu geben, was als deutsches Staatsverständnis etatistischer Lesart verstanden werden kann.

I. Staatsverständnis etatistischer Prägung und konstitutioneller Gestalt Da die „deutsche Zuneigung zum Staat“409 in besonderem Maße in der klassischen Staatszwecklehre und in der Vorstellung der Selbstbindung des Staates an sein Recht zum Ausdruck kommt410, sollen diese beiden Aspekte im Folgenden näher beleuchtet werden.

1. Normative Selbstbindung des Staates Die Vorstellung von einer normativen Bindung staatlichen Handelns, im Sinne einer Abkehr von religiös oder weltanschaulich-ethisch geleitetem Staatshandeln411, wirkt heute als eine Selbstverständlichkeit der modernen Staatslehre: Die in dieser 408

Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat [Fn. 181], Rn. 132. Johnson, Staat [Fn. 406], S. 169. 410 Instruktiv zu Entwicklung und Kritik der klassischen Staatslehre Jens Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, Tübingen 2000 [zit.: Staatslehre], S. 167 ff. (Staatsrechtslehre Jellineks und Hans Kelsens Kritik), S. 229 ff. (Staatsbegriff), insb. S. 309 ff. (Rechtfertigung und Zweck des Staates) und S. 341 ff. zur Frage der Anschlussfähigkeit der Rechtfertigungs- und Zwecklehre an die heutige Staats- und Verfassungslehre sowie S. 409 ff. (Selbstbindung des Staats an sein Recht) und S. 444 ff. zur Frage der Anschlussfähigkeit der Selbstbindungslehre an die heutige Staats- und Verfassungslehre; insgesamt zusammenfassend S. 455 ff. Vgl. die Referate und Beiträge auf der Hannoveraner Staatsrechtslehrertagung 1989 zum Thema Staatszwecke im Verfassungsstaat – nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 7 ff., hierzu kritisch Schulze-Fielitz, Staatszwecke im Verfassungsstaat – 40 Jahre Grundgesetz – Eine Nachbetrachtung der Staatsrechtslehrertagung 1989, in: StWStP 1 (1990), S. 223 ff. (226 ff.) sowie der Literaturbericht von Schuppert, Diskurse über Staat und Verwaltung. Lesefrüchte zum Thema: Staat und Verfassung, Verwaltung und Verwaltungsverfahren, in: StWStP 2 (1991), S. 122 ff. (125 f.) [zit.: Diskurse]. 411 Stolleis, „Staatsethik“ [Fn. 339], S. 58 ff. (59): In dieser Hinsicht bilde die „entethisierte Staatsraison die einzige Ethik des modernen Machtstaates“. Stolleis bleibt freilich nicht bei dieser Feststellung stehen und entwirft Grundgedanken einer „Verfassungsethik“ der Moderne. 409

I. Staatsverständnis etatistischer Prägung und konstitutioneller Gestalt

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Hinsicht normativ „entfesselte“ Politik wird eingefangen durch die Rechtsbindung des Staates412. Mit dem Zusammenbruch der idealistischen Staatsphilosophie413 wird der Staat zu einem Ordnungsrahmen, der die ökonomische und soziale Entfaltung der Gesellschaft gewähren und die ihm verliehene Macht rechtsstaatlich verwalten und nach außen selbstbewusst repräsentieren soll414. Man kann davon sprechen, dass das deutsche Staatsverständnis eine spezifisch etatistische Prägung erfahren hat. Der Selbstbindungsgedanke wird in der heutigen Staats- und Verfassungslehre, namentlich von Josef Isensee, rezipiert und als Wesenselement des Verfassungsstaates als Rechtsstaat herausgestellt: „Die Staatsgewalt, wiewohl Ort der Rechtserzeugung, ist ihrerseits dem Recht unterworfen. Das Recht, wiewohl Werk der Politik, bildet die Ordnung, in deren Rahmen sich Staatsführung und Rechtsetzung […] zu bewegen haben. Der Staat findet im Recht seine Ordnung, das Recht im Staat die Macht, die es sanktioniert. In der Bindung der Staatsgewalt an das Recht, die in erheblichem Maße Selbstbindung ist, zeigt sich das Eigentliche des Verfassungsstaates als Rechtsstaat.“415 Zugleich dient der Rekurs auf das „vorverfassungsmäßige Gesamtbild“416 dazu, den Staatsbegriff417, verstanden als Rechtswirklichkeit418 und präkonstitutioneller Typus politischer Entscheidungsein-

412 s. Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 411: „Wenn sich der Staat durch seine eigene Rechtsordnung binden soll, so muss ein staatlicher Wille vor seiner Bindung ungebunden vorhanden sein. Dieses Primat des Staats vor dem Recht ist die einfache und zugleich zwingende Prämisse der Paradoxie der normativen Selbstfesselung der Staatsgewalt.“ 413 Vgl. insoweit Hegel, Staat als Verwirklichung einer sittlichen Idee – gegenüber Kelsens staatsrechtlichem Positivismus: der Staat ist identisch mit den Rechtsnormen, die er produziert. 414 Stolleis, „Staatsethik“ [Fn. 339], S. 63. 415 Isensee, Verfassungsrecht als „politisches Recht“, § 162, in: HStR VII, 1. Aufl. 1992, Rn. 29 ff. (29). Vgl. hierzu und zu Folgendem auch derselbe, Staat und Verfassung, § 15, in: HStR II, 3. Aufl. 2004 [Fn. 267], Rn. 28 f., 43 ff., 46 ff., 137 ff., 166 ff., 193 ff. sowie derselbe, Stichwort „Staat“, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, 5. Bd., 7. Aufl. Freiburg 1989, Sp. 133 (150 ff.). Kersten, Staatslehre [Fn. 410], bemerkt kritisch, dass bei Isensee nicht weiter entwickelt werde, was „,Selbstbindung der Staatsgewalt‘ eigentlich meint“, ebd., S. 448 (und zu Folgendem); der Selbstbindungsgedanke diene in diesem Modell vornehmlich als „Metapher“ zur Herstellung einer Verbindung zwischen dem präkonstitutionellen und dem rechtsstaatlichen Staatsbegriff. Insofern leide die begriffliche Schärfe der etatistischen Selbstbindungslehre an dem Problem, „überhaupt Aussagen über den Staat als vorkonstitutionelle Ordnungsmacht treffen zu wollen.“ Vgl. Michael Stolleis, Staatsrechtslehre und Politik, in: Stefan Ruppert/Milosˇ Vec (Hrsg.), Michael Stolleis, Ausgewählte Aufsätze und Beiträge, Studien zur europäischen Rechtsgeschichte; Bd. 265, 2. Halbband, Frankfurt a. M. 2011, S. 973 ff. (986). 416 Isensee, § 15 ebd., Rn. 29: Die verfassungsimmanente Analyse entlaste nicht von der „verfassungstranszendenten Frage, was ,Staat’ ist“, sondern zwinge zum Rekurs auf das „Konzept“, von dem der Verfassungsgeber ausgegangen sei. 417 Der Begriff „Staat“ bezieht seinen Ursprung aus der italienischen Renaissance, „Das Wort ,Staat‘ ist nicht älter als der moderne Staat“, Isensee, § 15 ebd., Rn. 63. Vgl. Stolleis, „Staatsethik“ [Fn. 339], S. 58 ff. 418 Isensee, § 15, ebd., Rn. 46.

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

heit419, in das Bild des Verfassungsstaats der Moderne unter der Herrschaft des Rechts einzupassen: „Die Staatsrechtslehre findet ihren Gegenstand vor, sie macht ihn sich nicht zurecht.“420 Der moderne Staat erscheint in dieser Sicht als „noch nicht ausdifferenzierte Rohform“421 des Verfassungsstaates. Zugleich erscheint die Lehre von der normativen Bindung des Willens des „Staates“ – vorgestellt als großes Individuum einer anorganischen „Staatsperson“ und damit als Denkfigur der juristischen Person des öffentlichen Rechts – an das eigene Recht in Analogie zum kategorischen Imperativ Kants „historisch entrückt“422. Dem Jellinekschen Kalkül423, politische Herrschaft als normverpflichteten „Willen“ (gegenüber unregulierter und unregulierbarer Willkür) des Staates zu begreifen, setzt die systemtheoretische Kritik des staatsrechtlichen Positivismus den Begriff des politischen „Systems“424 entgegen. In der konstitutionellen Lesart der Selbstbindungslehre des Staates garantiert die verfassungsrechtlich determinierte, ausdifferenzierte staatliche Rechts- und Organisationsordnung der postnaturrechtlichen Gesellschaft die Selbstbindung der Politik an das Recht425. Diese Bindung durch die insoweit funktionale Verfassung ist umfassend in dem Sinn, als sie sich auf Einrichtung und Ausübung politischer Herrschaft bezieht, also weder extrakonstitutionelle Herrschaft mit normativem Geltungsanspruch möglich ist, noch bindende Entscheidungen von außerhalb der Ver419

Ebd., Rn. 61 ff. Ebd., Rn. 20. 421 Ebd., Rn. 169, vgl. Rn. 34. 422 Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 445, „nach heutigem Verständnis zu anthropomorph“, vgl. aber S. 447 ff. Im Fazit stellt Kersten fest, dass Jellineks Begründung der normativen Selbstbindung des Staats in Anlehnung an den kategorischen Imperativ im Ergebnis scheitere, auch wenn es sich um „einen der anspruchvollsten Versuche der etatistischen Staatslehre“ handele, „zwischen Faktizität und Normativität zu vermitteln“, ebd., S. 469. Vgl. Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., Berlin 1914, S. 740 f. 423 Hierzu und zur Kritik Niklas Luhmanns s. Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 447 unter Bezug auf S. 445. 424 Niklas Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 7. Aufl., Frankf. a. M. 2008, S. 142 f.; zur Selbstbeschreibung des Rechtssystems vgl. derselbe, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 1. Aufl., Frankfurt a. M. 1995, S. 496 ff. (aufschlussreich, zur unterschiedlichen Betrachtungsweise in einerseits juristischer und andererseits soziologischer Perspektive, insb. S. 540 ff.), zum Begriff der Gesellschaft, innerhalb derer das Rechtssystem operiert und sich vollzieht, ebd., S. 550 ff.; derselbe, Grundrechte als Institution [Fn. 278], S. 14 ff., 26 ff. 425 Vgl. Dieter Grimm, Ursprung und Wandel der Verfassung, § 1, in: HStR I, 3. Aufl. 2003, Rn. 41 f., derselbe, Braucht Europa eine Verfassung?, JZ 1995, S. 581 ff. (582 ff., 584); derselbe, Die Zukunft der Verfassung, [Fn. 323], S. 159 ff. (159): „Die rechtsstaatliche Bindung des Staates ist Selbstbindung“; vgl. Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, 1. Aufl., Frankfurt a. M. 1998, S. 48 ff., 58 f., „Auf das Desiderat der rechtlichen Transformation der vom Recht selbst vorausgesetzten Gewalt antwortet die Idee des Rechtsstaats“ (ebd., S. 58), vgl. ebd., S. 154 ff.; s. hierzu und zu Folgendem die krit. Würdigung von Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 449 ff. sowie S. 469. 420

I. Staatsverständnis etatistischer Prägung und konstitutioneller Gestalt

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fassung liegenden Verfahren hervorgehen können426. Dem Staat ist es verwehrt, neue politische Absichten jenseits seiner eigenen rechtlichen Vorgaben zu verwirklichen. Gleichwohl lässt sich in dieser Sicht über die verfassungsrechtliche Institutionalisierung des Staates das Grundproblem der normativen Selbstbindung des politischen Systems nur „aufheben“, aber nicht „lösen“. Wie hier bereits herausgestellt wurde, musste das dem Grundgesetz zugrunde liegende Konzept des bürgerlichen Rechtsstaates (vgl. Art. 20 Abs. 3, Art. 20 Abs. 2, Art. 1 Abs. 3 GG) der Unterwerfung politischer Herrschaft unter das Recht auch mit der Vorstellung brechen, von der Existenz eines feststehenden, staatlich fixierten Gemeinwohls auszugehen.427 Die Positivität des Rechts als zentrale Errungenschaft der postnaturrechtlichen Gesellschaft bewirkt aufgrund seiner Reversibilität nach Auffassung Dieter Grimms, dass es der Staat in der Hand habe, wo und wie er sich rechtlich binden wolle. Dies folge daraus, dass das Recht, an das die Staatsgewalt im Rechtsstaat gebunden sei, durch ihn selber im Wege politischer Entscheidung geschaffen, für den Staat also nicht (naturrechtlich) vorgegeben und nicht unverfügbar sei. Die damit aufgezeigte grundlegende Problematik der Rechtsbindung des Staates, dass positives Recht auch bei einem hohen Anspruchsniveau der Verrechtlichung im Prinzip reversibel und kontingentiert ist, kann man als Preis für die rechtsstaatliche Machtbegrenzung des Staates und den Freiheitsgewinn des Einzelnen begreifen. Sie legt die grundlegende Funktion der Verfassung offen, in der politische Macht normativ eingebunden428, institutionalisiert und durch eine ausdifferenzierte Rechts-, Organisations- und Verfahrensordnung kanalisiert wird. Mit der unabänderlichen Ausrichtung des Grundgesetzes auf den Schutz der Menschenwürde, den in den Grundrechten verbürgten menschenrechtlichen Freiheitsgedanken und die Verfassungsprinzipien der Demokratie, des Rechtsstaats, der Republik und des sozialen Bundesstaates wird die Problematik reversibler Selbstbindung des Staates verfassungsstaatlich „aufgehoben“ bzw. auf eine verfassungsrechtliche Ebene verlagert. Wie sich zeigt, ist die Rolle des Amtsträgers im Gedankenbild der Rechtsbindung des Staates eine funktionale: Der Inhaber eines öffentlichen Amtes trägt dazu bei, dass die verfassungsrechtlich institutionalisierte Einbindung politischer Macht rechtlich kanalisiert und „ausgeführt“ wird und in der Verfassungswirklichkeit „funktioniert“. Vertreter von Behörden der ausführenden Gewalt bilden (neben den Vertretern der beiden anderen Gewalten) innerhalb des ihnen rechtlich zugewiesenen Umfangs die Rechtsbindung des Staates ab und helfen dadurch, diese zu sichern. Für darüber hinausgehende, amtsethische Anknüpfungen im Verständnis des modernen Verfassungsstaats bietet der Blick auf das staatstheoretische Grundgerüst der Rechtfertigung und des Zwecks des Staates möglicherweise eine weitergehende Differenzierung. 426

Grimm, Ursprung und Wandel der Verfassung [Fn. 425], Rn. 58. s. hierzu und zu Folgendem Grimm, Die Zukunft der Verfassung [Fn. 323], S. 159 ff. 428 Luhmann und Grimm bezeichnen dies als „strukturelle Koppelung“ von Politik und Recht in der Verfassung, s. Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 450. 427

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

2. Rechtfertigung und Zweck des Staates Wie im Abschnitt über die Rechtsnatur des öffentlichen Amtes aufgezeigt wurde429, kann vom öffentlichen Amt als einer „Kategorie genuin staatlicher Zweckverwirklichung“430 gesprochen werden. Staatzwecke431 bedürfen der verfassungsrechtlichen Positivierung432. Der Verfassungsstaat der Bundesrepublik Deutschland normiert durch das Grundgesetz die freiheitliche und demokratische Grundordnung als seinen Zweck433. Das Gesamtbild dieser republikanischen Ordnung wird durch die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderalen Strukturgewährleistungen der Art. 20 Abs. 1 bis 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG, durch die Schutzverpflichtung aller staatlichen Gewalt auf die Menschenwürde und die abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte nach Art. 1 Abs. 1 bis 3 und Art. 2 Abs. 1 GG positiviert. Diese Grundordnung manifestiert sich materiell in einer freiheitlichen und menschenrechtlichen Ausrichtung der Gemeinwohlorientierung und der Sicherheitsgewährung sowie der Sozial- und Friedenssicherung; sie wird ergänzt durch Art. 20a GG.434 429

Siehe oben 1. Kapitel, Abschnitt III. Die Formulierung verwendet Loschelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis zur öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung [Fn. 148], S. 249. 431 Grundlegend Jellinek, Allgemeine Staatslehre [Fn. 422], S. 220 ff, 230 ff., 232 ff., 250 ff.; hierzu Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, § 72, in: HStR, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 1 ff. sowie Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 309 ff., 335 ff., 341 ff. 432 Vgl. Heinz-Christoph Link und Georg Ress, VVDStRL 48 (1990) [Fn. 410], S. 7 ff. und S. 56 ff. Zur strukturellen Unterscheidung von Staatszielen, Staatszwecken, Staatsaufgaben und Verfassungsgrundsätzen siehe grds. Ulrich Scheuner, Staatszielbestimmungen, in: Joseph Listl/Wolfgang Rüfner (Hrsg.), Ulrich Scheuner: Staatstheorie und Staatsrecht. Gesammelte Schriften, Berlin 1978, S. 223 ff. (227 ff.). Vgl. Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen [Fn. 363], S. 84 f., 198 ff. 433 s. Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 341 ff. (342). 434 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen [Fn. 363], hat fünf materielle Grundstaatsziele des modernen, demokratischen Verfassungsstaats identifiziert: die Rechtsstaatlichkeit (im materiellen Sinn), die Sozialstaatlichkeit, sowie Kultur-, Friedens- und Umweltstaatlichkeit (ebd., S. 198 f.). Exemplarisch sei mit Sommermann diesbezüglich die Brandenburgische Verfassung herausgestellt. Art. 2 Abs. 1 formuliert: „Brandenburg ist ein freiheitliches, rechtsstaatliches, soziales, dem Frieden und der Gerechtigkeit, dem Schutz der natürlichen Umwelt und der Kultur verpflichtetes demokratisches Land […].“ (v. 20. 8. 1992, GVBl. 1992 I, S. 298). Den genannten fünf materiellen Orientierungen liegen ihrerseits, so Sommermann, auf einer noch abstrakteren Ebene die „heute evidenten Staatszwecke“ (ebd., S. 199) der Sicherheit und des Gemeinwohls zugrunde. Die in diesem Sinne materiellen sowie evidenten Staatszwecke sind folglich von den genannten, insofern formellen, positivrechtlich normierten Strukturstaats-/Verfassungsprinzipien bzw. Strukturgewährleistungen zu unterscheiden. Zu ähnlichen Ergebnissen bezüglich materieller Staatszwecktypisierungen kommt die Staatsrechtslehrertagung 1989, VVDStRL 48 (1990) [Fn. 410], S. 7 ff. Zum Erfordernis der Existenzerhaltung und Überlebenssicherung des „Staats der Zukunft“ im Zusammenhang mit den dramatischen ökologischen Herausforderungen der Gegenwart 430

I. Staatsverständnis etatistischer Prägung und konstitutioneller Gestalt

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Mit dieser in der heutigen Staatsrechtslehre weithin konsensualen verfassungsdogmatischen Ausgangslage ist die Frage nach dem Staatszweck im Verfassungsstaat des Grundgesetzes freilich nicht abschließend beantwortet. Im Brennpunkt einer Kontroverse vermag man zwei sich gegenüberstehende Grundannahmen erkennen, die sich an der grundsätzlichen Fragestellung entzweien, ob ein staatszweckmäßiger Durchgriff durch die Verfassung auf das der Verfassung vorgelagerte Staatsverständnis bzw. auf die hinter der Verfassung vorfindbare Staatlichkeit zulässig sei435. Die Problematik klang bei der Betrachtung der Gesetzesbindung der Verwaltung unter dem Hinweis auf Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes als wesentlicher „Verfassungsrahmen“ der öffentlichen Verwaltung, aus der Perspektive des handelnden Staates als die (Verfassungs-) Gesetzlichkeit des Amtsauftrages einerseits und dem republikanischen Amtsethos als lückenfüllendes Moment andererseits, bereits an, wurde jedoch in seiner Bedeutung im Hinblick auf den Staatszweck nicht vollends aufgelöst. Von der Beantwortung der aufgeworfenen Kernfrage nach der Zulässigkeit des Durchgriffs auf vorstaatliche Momente hängt ab, ob man das Ethos des Amtes, modellhaft pointiert, als „Staats-“ oder „Verfassungsethos“ zu begreifen vermag. Mit einer sprachlich-begrifflichen Annäherung an das Problem ist zunächst wenig gewonnen, wenn man „Staatszwecke“ dem „Staat“ – und zuvörderst nicht der „Verfassung“ – zuordnet436, da der Verfassungsstaat, wie bereits vermerkt, diese Zwecke in der Regel im positiven Verfassungsrecht verankert bzw. normativ näher ausgestaltet hat. Es spreche, so exemplarisch Ress auf der Staatsrechtslehrertagung 1990, die verfassungsstaatliche Vermutung dafür, „dass die Verfassung das ,Staatsbild‘ normativ abschließend fixiert hat“437. „Eine Erweiterung der verfassungsrechtlichen Legalität“ sei daher nur unter Rückgriff auf „zweifelsfreie“ Elemente moderner Staatlichkeit zulässig438. Damit ist das Grundproblem der etatistischen Lesart benannt, nicht jedoch gelöst, denn der Rekurs auf prägende Kerns. Hans-Peter Schneider, Vom Wandel staatlicher Verantwortung, in: Joachim Jens Hesse/ Christoph Zöpel (Hrsg.), Der Staat der Zukunft, Baden-Baden 1990, S. 127 ff. 435 Hierzu und zum Nachfolgenden Schuppert, Diskurse [Fn. 410], S. 126 ff., der die Kontroverse treffend umschreibt, „Staatsrechtslehre zwischen neo-etatistischer Morgenröte und Verfassungsfieber“, ebd., S. 127; vgl. Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 342 ff., Kontroverse zwischen „der etatistischen und der konstitutionellen Staatsrechtslehre“, ebd., S. 343. Zu den Positionen siehe die Referate und Beiträge auf der Staatsrechtslehrertagung 1989, VVDStRL 48 (1990) [Fn. 410], S. 7 ff. 436 So offenbar die größere Anzahl der auf der oben genannten Tagung anwesenden Staatsrechtslehrer, vgl. statt aller Helmut Quaritsch, Standort und Aufgaben der Staatslehre heute, in: Helmut Neuhaus (Hrsg.), Verfassung und Verwaltung. Festschrift für Kurt G. A. Jeserich zum 90. Geburtstag, Köln u. a. O. 1994, S. 355 ff. (367) sowie Georg Ress, Leitsätze zu den Beratungsgegenständen der Staatsrechtslehrertagung 1989, Staatszweck im Verfassungsstaat – 40 Jahre Grundgesetz, DÖV 1989, S. 1079 ff. (1079): „Staatszwecke gehören zum Staat. Sie sind keine Gesellschaftszwecke und – jedenfalls in sprachlicher Sonderung – auch keine Verfassungszwecke. Das Thema zielt auf den Staat in – oder hinter – der Verfassung.“ 437 Ress, ebd. (S. 1080). 438 Ress, ebd. (S. 1080).

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

funktionen moderner Staatlichkeit wird, zumindest jenseits der in ihrer bloßen Benennung unstrittigen materiellen Zwecke der Freiheits-, Friedens-, Sozial- und Sicherheitsgewährung, gerade nicht „zweifelsfrei“ gelingen. Schuppert hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Dichotomien Verfassung/Staat einerseits in der auf historische Erfahrungen wurzelnden Diskreditierung traditioneller Staatlichkeit, einem davon begünstigten Verfassungspatriotismus und einem damit verbundenen „Paradigmenwechsel“ in der deutschen Staatsrechtslehre von „Staat“ zu „Verfassung“439 münden, sich andererseits aber in einer gegenläufig erkannten Renaissance einer Akzentuierung des „Staates“ als des eigentlichen Themas der Staatsrechtslehre440 niederschlagen, so dass eine Systematisierung von Staatstypen sinnvoll sein kann441. Die Charakteristika des modernen Staates und die Erkenntnisse der Staatsrechtslehre sollen in der hier vertretenden Auffassung als Erklärungs- und Auslegungshilfe für das Staatsverständnis des Verfassungsstaates Bundesrepublik Deutschland Wirkung entfalten – eine verfassungsrechtliche Normativität und konstitutive Bedeutung für das Verfassungsrecht können sie darüber hinaus nicht erlangen. Auch die Kategorie des Staatszwecks hat im demokratischen Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland, sofern mit dieser der Anspruch verfolgt wird, „den Geltungsgrund des Rechts zum Argument innerhalb der Rechtsordnung zu machen“ und insoweit „legitimationserzeugend“ zu wirken, keine verfassungsdogmatische Relevanz442. Insbesondere ein aus dem vorverfassungsrechtlichen Staatszweck der Sicherheit konstruierter Vorrang der Sicherheit vor der Freiheit443 lässt sich mit dem 439 Vgl. Stolleis, Staatsrechtslehre und Politik [Fn. 415], S. 986; Hasso Hofmann, Von der Staatssoziologie zu einer Soziologie der Verfassung, JZ 1999, S. 1065 ff.; kritisch Udo Di Fabio, Die Staatsrechtslehre und der Staat [Fn. 316], S. 69 ff., 77 ff. sowie Isensee, dieser „Paradigmenwechsel“ vollziehe sich jenseits der realen Entwicklung, Staat und Verfassung, in: HStR II, § 15, 3. Aufl. 2004, Rn. 6, m. zahlr. weit. Nachw. 440 Vgl. Isensee, VVDStRL 48 (1990), S. 136 ff. [Fn. 410]; ferner derselbe, Staat und Verfassung, § 15, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, Rn. 18 ff., m. umfass. weit. Nachw.: Die „Wiedergeburt des Staates“ sei programmiert (Rn. 18), denn die „Erkenntnis des Staates geht der Verfassung voraus“ (Rn. 20). 441 Vgl. Schuppert, Diskurse [Fn. 410]. 442 Instruktiv Möllers, Staat als Argument, München 2000, S. 429, siehe dazu S. 193 ff. 443 Vgl. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit. Zu den Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates, Vortrag gehalten vor der Berliner Juristischen Gesellschaft am 24. November 1982, erweiterte Fassung, Berlin, New York 1983, S. 21 f.; derselbe, Die alte Frage nach der Rechtfertigung des Staates. Stationen in einem laufenden Prozeß, JZ 1999, S. 265 ff. (271 ff.), in der Isensee eine „Drei-Stufen-Teleologie des Verfassungsstaates: physische Sicherheit – Freiheit – soziale Sicherheit“ entwickelt, nach der der Staatszweck der Sicherheit die Beschränkung der Freiheit in den Schranken des Rechts rechtfertigt; vgl. derselbe, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, § 111, in: HStR V, 1. Aufl., Heidelberg 1992, Rn. 25 ff., 30 ff.; derselbe, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, § 57, in: HStR III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 46; abgeschwächt, das Staatsziel der Sicherheit aus dem modernen Staatsbegriff in das Verfassungsrecht importierend, jedoch nicht mehr eindeutig im Sinne eines Vorrangs der Sicherheit vor der Freiheit, derselbe, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: HStR IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 79; vgl. derselbe,

I. Staatsverständnis etatistischer Prägung und konstitutioneller Gestalt

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hier entwickelten rechtsstaatlich-liberalen Verfassungsverständnis der Republik nicht vereinbaren. Dieser letztlich naturrechtlich, „weil stets im Rückgriff auf den Altmeister allen Sicherheitsdenkens, Thomas Hobbes, begründete Vorrang der Sicherheit vor der Freiheit“444, von der etatistischen Staatsrechtslehre in die freiheitliche Verfassungsordnung des Grundgesetzes implantiert und dem Grundrechtsverständnis zugrunde gelegt, stellt in seiner Konsequenz eine fragwürdige methodische Abkehr von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dar, nach der sog. schrankenlose Grundrechte nur durch kollidierendes Verfassungsrecht oder Grundrechte Dritter eingeschränkt werden können. Sie lässt sich auch mit der Anerkennung des hier entwickelten republikanischen offenen Amtsverständnisses weder begründen noch vereinbaren. Wie hier aufgezeigt wurde, vermag das republikanische Verfassungsprinzip nur in seiner Gestalt als freiheitliche Ordnung und in seinem Bezug zum Verfassungsprinzip der Freiheit normative Wirkung in Form eines Optimierungsgebotes entfalten. Auch unter Akzentuierung der präkonstitutionellen res publica-Tradition als Auslegungshilfe der Gemeinwohlorientierung lässt sich ein Vorrang des Staatszwecks der Ordnung vor dem Verfassungsprinzip der Freiheit nicht eröffnen. Das Gemeinwohl der Republik ist in einer Verfassung der freiheitlichen Ordnung über deren Amtswalter im Einzelfall konkordant-optimierend zu verwirklichen. Legitimation, Maßstab und Richtschnur allen staatlichen Handelns ist nicht der moderne Staat als präkonstitutioneller Grundtypus445, sondern die Verfassung als grundlegendes Regelwerk und maßgebendes Kompetenzinstrumentarium aller ihr zuzuordnenden öffentlichen Gewalt und der Art und Weise ihrer Ausübung. In ihr und den aus Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Prinzipien des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes hat das Ethos des republikanischen Amtes seinen maßgeblichen Bezugspunkt. Das Ethos des bundesrepublikanischen Amtes hat daher trotz einer besonderen etatistischen Prägung des deutschen Staatsverständnisses einen spezifisch konstitutionellen Gehalt.

3. Gedanke einer Verfassungsethik Wenn den Amtsträgern die Verfassung als Bezugspunkt und das Recht als Maßstab zur Ausbalancierung des Sicherheits-, Ordnungs- und Freiheitsaspekts dient, bleibt die Frage nach der Fähigkeit des Gemeinwesens, diese Balance herzustellen, nach der inneren Staatsraison der Bundesrepublik virulent446. Weder die Kräfte der Marktgesellschaft unter der ordnenden, beratenden oder prozedural steuernden Hand des Staates, noch die Maßnahmen eines zielgerichtet operierenden Staat und Verfassung, § 15, in: HStR II, 3. Aufl., Heidelberg 2004, Rn. 85 f., 91, vgl. ebd. Rn. 29, 33 f., 61 ff. 444 Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 344. 445 Schuppert, Diskurse [Fn. 410], S. 128 ff. m. weit. Nachw. 446 Vgl. grds. Ralf Dahrendorf, Die Staatsraison der Bundesrepublik Deutschland, Konstanz 1976, S. 18 ff.

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

Wohlfahrtsstaates bieten hinreichend Gewähr dafür, dass das gesellschaftliche System institutionalisierter Rechte sowohl „richtig“, rational und verfahrensgerecht, als auch sozial „gerecht“, transparent sowie unter ethischer Rückkopplung an den demokratischen Souverän447 und die Idee der res publica verwirklicht wird. Das demokratische Modell des Verfassungsstaates unterliegt optimistischen anthropologischen Prämissen, wie den Grundannahmen der Lernfähigkeit, der Fähigkeit zu rationaler Handlungssteuerung sowie der des „schlichten“ republikanischen Gesetzesgehorsams448, die jeweils einen spezifischen Bezug zu ethischen Einstellungen aufweisen449. Auch wenn im Konzept der liberalen, pluralen und offenen Gesellschaft auf eine verbindliche Staatsethik gerade um der Entfaltungsfreiheit der Individuen willen verzichtet wird450, kann sich die Frage nach der inneren Balance des Verfassungsstaates einem Rekurs auf sozialethische Komponenten nicht gänzlich entziehen. Die relative Ungewissheit, auf welche Weise der staatliche Amtsträger seine zwischen Freiheit und Ordnung im Einzelfall vermittelnde Funktion wahrnimmt bzw. wahrnehmen soll, hat, neben verfassungsdogmatischer, verwaltungspraktischer und politischer auch eine staatsethische Dimension. Bezieht man die Frage nach dem Zweck des Staates auf die nach dem Maß der Verrechtlichung von Politik bzw. nach den Aufgaben von Institutionen im Spannungsfeld zwischen Politik und Recht, wird erkennbar, dass diese Fragestellungen weder rein politisch451 noch rein rechtlich beantwortet werden können. Sie zielen in ihrem Kern – innerhalb des verfassungsstaatlichen Rahmens der Grundrechtskataloge, Verfassungsprinzipien und Kompetenzordnung – auf den in seinem Grundgedanken gesellschaftlich akzeptierten und in seiner materiellen Gestalt nicht starren „Kodex der Staatsethik […] die im juristischen Gewand als ,Verfassungsethik‘ wieder auftaucht“452. Aus der Sicht des Bürgers äußert sich diese etwa in gegründete Erwartungen der Verlässlichkeit und Transparenz von Entscheidungen staatlicher Institutionen, nicht selten hinter Zeichen der Missbilligung oder Resignation verborgen, wie in der Ablehnung von Korruption oder Misswirtschaft mit Steuergeldern. Dieses Misstrauen vieler Bürger gegenüber staatlichen Institutionen und dem Staat ist hinsichtlich Ursachen, Ausmaß und Gestalt vielfältig und nicht generalisierbar. Die innere Staatsraison der Republik ist gleichwohl, namentlich über die Träger des staatlichen Verwaltungsapparates, mit einer Haltung der Bürger konfrontiert, die sich staatsethisch positiv (wenn auch im Einzelnen flexibel und überaus vielschichtig) dem Grunde nach als

447 448

II. 2. 449

Vgl. Habermas, Faktizität und Geltung [Fn. 425], S. 532 f. Zum Verhältnis republikanischer Freiheit und „Pflichten“ s. o., 2. Kapitel, Abschnitt

s. hierzu und zu Folgendem Stolleis, Staatsethik [Fn. 339], S. 64 ff. s. Habermas, Faktizität und Geltung [Fn. 425]. 451 Viele Fragen, die verfassungsrechtlich behandelt und „gelöst“ werden sollen, haben eher politischen Charakter, vgl. Ralf Dahrendorf, Die Staatsraison der Bundesrepublik Deutschland [Fn. 446], S. 20. 452 Stolleis, Staatsethik [Fn. 339], S. 64. 450

I. Staatsverständnis etatistischer Prägung und konstitutioneller Gestalt

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gemeinsames Interesse an einer „funktionierenden“ sowie wirksamen freiheitlichen und demokratischen Ordnung des Gemeinwesens fassen lässt. Den eingangs genannten positivierten Staatszweck der freiheitlichen und demokratischen Ordnung sollen die Amtswalter der Republik generell im Blickfeld haben und im Interesse des Gemeinwesens im Einzelfall konkret Geltung verschaffen. Im Hinblick auf diesen Staatszweck weist die Frage nach der Fähigkeit des Gemeinwesens zur Optimierung der freiheitlichen Ordnung somit letztlich zurück auf die Frage nach seiner konkreten Ausgestaltung in der Gesellschaft. Insbesondere die kompetenzrechtliche Dimension der personalen Seite der Staatsorganisation ist im Rahmen dieser Untersuchung in unterschiedlichen Zusammenhängen aufgetaucht. So spielt die öffentlich-rechtliche Kompetenzzuweisung der Ämterordnung eine wesentliche Rolle als Bestandteil des bürokratischen Herrschaftsmodells öffentlicher Verwaltung; die fachliche und die soziale Kompetenz sind Kernbestandteile des Leistungsprinzips und damit Grundvoraussetzung für den Zugang zu einem öffentlichen Amt; die Kompetenzordnung des Verfassungsstaates und der öffentlichen Verwaltung erweist sich als Schlüsselkomponente des republikanischen Amtsverständnisses. Die Ämterorganisation erweist sich als Kompetenzfrage. Der Kerngedanke einer Verfassungsethik betrifft neben der Kompetenzverfassung die des Ethos des Amtes, verstanden als persönliche Integrität des einzelnen Amtswalters in seiner konkreten Position innerhalb der Verwaltungs- und Staatsorganisationsstruktur. Verfassungsethische Fragestellungen berühren die Komplexität der Haltung der Menschen in einer staatlichen Gemeinschaft453, eingeschlossen ihre Bereitschaft, Neues und Anderes zu erwägen454. Die Verfassungsethik der Bundesrepublik zielt, so mag man formulieren, auf die Fähigkeit und geistige Flexibilität einer demokratisch, sozial- und rechtsstaatlich verfassten gesellschaftlichen Ordnung, das Gemeinwesen so gestalten, dass es Raum zur freien Entfaltung gibt. Der Verfassungsstaat ist dem Verfassungsprinzip der Freiheit und der Menschenwürde verpflichtet, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 und 3 GG. Die „gute“ Gesellschaft allerdings, die sozialethische Faktoren der menschlichen Gemeinschaft planend überhöht oder das Gemeinwohl verbindlich fixiert, lässt sich in der freiheitlichen Ordnung der Republik nicht von Staats wegen machen, so nahe liegend entsprechende politische Zielhorizonte auch sein mögen. Hier unterscheiden sich republikanische Verfassungsethik und Gemeinwohlethos von Politik. Das Ethos der 453

„Haltung“ meint hier nicht die Einstellung der Bürger gegenüber „ihrem“ Staat, die von totaler Identifikation, über absolutem Desinteresse bis zu radikaler Ablehnung reichen kann. Der Begriff der Haltung geht weiter: In der Ethik versteht man darunter die durch Einübung in allgemein anerkannte zwischenmenschliche Verhaltensmuster gewonnene und zur Gewohnheit gewordene innere Einstellung, aus der heraus Handlungen moralisch beurteilt und ausgeführt werden. In der Kulturanthropologie und der Existenzphilosophie (E. Rothacker; K. Jaspers) wurde die Haltung auch als „Lebensstil“ definiert, als eine vom Individuum gewählte und beibehaltene Verhaltensform, in der auf Lebenssituationen geantwortet wird, Brockhaus, Enzyklopädie in 30 Bänden, Bd. 11, Begriff Haltung, 2) Philosophie, 21., völlig neu bearb. Aufl., Leipzig, Mannheim 2006. 454 Dahrendorf , Die Staatsraison der Bundesrepublik Deutschland [Fn. 446], S. 21 ff.

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

Amtswalter kann flankierend beitragen, dass sich die Gesellschaft („gut“, „gerecht“) entwickelt. In einer offenen Gesellschaft muss soziale Kohäsion aber letztlich das Werk der Bürger der Republik sein. Jeder andere Weg gefährdet die Freiheit selbst455.

II. Verändertes Verständnis und Funktionswandel des Staates Die vorstehend entwickelten rechtsethischen Grundelemente eines bundesrepublikanischen Staatsverständnisses etatistischer Prägung und konstitutioneller Gestalt, Prämissen für den Gehalt von Amt und Amtsethos, müssen dem sich verändernden Verständnis vom Staat und seiner Funktion Rechnung tragen. Da der moderne Staat als postnaturrechtlicher Herrschaftstypus sowie der Überbau staatsbezogener Begriffe456 stets durch politischen, sozialen und normativen Druck herausgefordert ist, stellt sich die Frage, wie sich die dadurch bedingte historische Relativität des Staatsbegriffes auf den Kern des modernen Amtsverständnisses auswirkt. Zur Beantwortung dessen werden in den nachfolgenden Abschnitten Ansätze entwickelt.

1. Relativität des modernen Staatsbegriffes Die begriffliche Verunsicherung hinsichtlich des dreielementaren, ausdifferenzierten und relativ einheitlichen Staatsbegriffes Jellinekscher Prägung hat in der Staatsrechtslehre und in verwandten Wissenschaftsdisziplinen eine lange Tradition457. Zugleich wird in unterschiedlicher Intention und Konzeption das geschicht455 Dieses kritische Bild über die „gute“ Gesellschaft entstammt der liberalen Gesellschaftskonzeption von Dahrendorf, siehe derselbe, Zwei Gasthäuser in jeder Strasse. Soziale Bindung ist eine gute Sache. Eine „gute Gesellschaft“ aber sollten wir uns nicht wünschen, in: DIE ZEIT, Ausgabe 41/2000. 456 Vgl. hierzu und zu nachfolgendem Abschnitt Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 303 ff., der feststellt, dass die im Spätkonstitutionalismus wurzelnden Methoden und Positionen Georg Jellineks zum Herrschaftstypus Staat „staatsrechtliches Allgemeingut“ (S. 307) darstellen. Kersten weist analytisch nach, dass Jellinek die Einheit des Betrachtungsgegenstandes trotz einer werkchronologisch zu beobachtenden Ausdifferenzierung des Staatsbegriffs, relativ betrachtet, zu sichern vermag, indem er „die unterschiedlichen Perspektiven und damit Staatsbegriffe integriert: Ein Staat kann von zwei Seiten betrachtet werden, er hat drei Elemente, deren eines – das Staatsvolk – in vier status eingeordnet werden kann.“ (ebd. S. 306, Hervorhebung im Original) Indem auch Jellinek jedoch im zentralen Begriff der Staatsgewalt Abschied von der uneingeschränkten Souveränität des Staates genommen habe, werde die Einheit des Staatsbegriffs zwar durch die als Wille verstandene Staatsgewalt symbolisiert, diese müsse in absoluter Perspektive des Staates als zeitgenössisches Objekt in Anschluss an Stolleis jedoch begrifflich „zerfallen“. Vgl. Stolleis, Staatsrechtslehre und Politik [Fn. 415], S. 986. 457 Luhmann spricht von einer mehr als zweihundertjährigen „Diskussion“ um den Staatsbegriff, Niklas Luhmann, Soziale Systeme, Grundriß einer allgemeinen Theorie, 7. Aufl.,

II. Verändertes Verständnis und Funktionswandel des Staates

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liche Ende der Staatlichkeit, die Entthronung des Staates458, sein begrifflicher „Zerfall“459 oder seine Entzauberung460 prognostiziert – und im Gegenzug seine Renaissance oder Wiederbelebung beschrieben461. Ungeachtet dieser Antipoden kann man vor dem Hintergrund der Komplexität der weltweiten sozial-gesellschaftlichen Entwicklungen relativ gesichert jedenfalls von einer historischen Relativität der Einheit des Staates und aller Staatsbegriffe ausgehen462. Wie Kersten Frankfurt a. M. 1999, S. 626. Jene „trinitarische Definition“ moderner Staatslehren, bestehend aus Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt, helfe insofern nicht weiter, als die Klarstellung fehle, wie die „Einheit von so heterogenen Sachverhalten zu denken“ sei, ebd. in Fn. 55. 458 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, (München, 1932) Berlin 1963, Vorwort, S. 10; Schmitts Diagnose, dass die „Epoche der Staatlichkeit […] zu Ende“ gehe und mit ihr „der ganze Überbau staatsbezogener Begriffe“, indem das Monopol der politischen Entscheidung, „dieses Glanzstücks europäischer Form und occidentalen Rationalismus […] entthront“ werde, wird im kritischen Kommentar zum ,„Vorwort“ von 1963 (9 – 19) von Marcus Llanque und Herfried Münkler eine durchaus prognostische Qualität nicht abgesprochen. Allerdings vollzögen sich Schmitts Thesen auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts eher in Bezug auf die politischen Ordnungen an der „Peripherie der Machtsysteme“ als die in deren Zentren, siehe dieselben in: Reinhard Mehring (Hrsg.), Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, Ein kooperativer Kommentar, Berlin 2003, S. 9 ff. (19). Siehe auch Carl Schmitt, Staat als ein konkreter, an eine geschichtliche Epoche gebundener Begriff (1941), in: derselbe, Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924 – 1954, Materialien einer Verfassungslehre, Berlin 1958, S. 375 ff. In dieser Abhandlung aus der Zeit des Nationalsozialismus, im Zweiten Weltkrieg erschienen, prognostiziert Schmitt das baldige Ende der im 19. Jahrhundert üblichen und seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelten „Erhebung des Staatsbegriffes zum allgemeinen Normalbegriff der politischen Organisationsform aller Zeiten und Völker“ und das Ende des Zeitalters der Staatlichkeit (ebd., S. 376). 459 Stolleis, Staatsrechtslehre und Politik [Fn. 415], S. 986. 460 Helmut Wilke, Entzauberung des Staates. Überlegungen zu einer sozietalen Steuerungstheorie [sic!], Königstein/TS. 1983; vgl. auch derselbe, Die Ironie des Staates. Grundlinien einer Staatstheorie polyzentrischer Gesellschaft, 1. Aufl., Frankfurt a. M. 1992. 461 Zur bereits vor bald drei Jahrzehnten wiederbelebten Debatte über die veränderte Rolle eines re-vitalisierten Staates siehe Peter B. Evans/Dietrich Rueschemeyer/Theda Skocpol, On the Road towards a More Adequate Undestanding of the State, in: dieselben (Hrsg.), Bringing the State Back In, Cambridge 1985, S. 347 ff. (350): „Meanwhile, in what might be called neoWeberian circles, the habit of speaking of strong versus weak states has florished.“. Vgl. Schuppert, Zur Neubelebung der Staatsdiskussion, in: Der Staat 28 (1989), S. 91 ff. (99 ff.); Schuppert, Rückzug des Staates? – Zur Rolle des Staates zwischen Legitimationskrise und politischer Neubestimmung, DÖV 1995, S. 761 ff.; Aus jüngster Zeit vgl. Stephan Böckenförde, Die Wiederentdeckung des Staates, in: Internationale Politik und Gesellschaft 1 (2002), S. 33 ff.; Isensee, Staat und Verfassung, § 15, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, Rn. 12 ff. (18); Reiner Schmidt, Der Verfassungsstaat im Wandel, in: Carl-Eugen Eberle/Martin Ibler/Dieter Lorenz (Hrsg.), Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart. Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag [zit.: FS Brohm], München 2002, S. 535 ff. Zur neueren Entwicklung im Sicherheitsrecht und bei der Regulierung der Finanzmärkte bemerkt Battis treffend, das von einer „Rückkehr“ des Staates nicht gesprochen werden könne, da dieser „nie abwesend war“, derselbe, Reform des Beamtenrechts – eine Zwischenbilanz, ZBR 2010, S. 21 ff. (22). 462 Pointiert Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 306: „Methodisch gewendet heißt dies aber, dass die in jeder Wissenschaftsgeneration reflexartig neu beschworene ,Krisis der Staatslehre‘ nicht die Pathologie, sondern die Normativität des Fachs ,Staatslehre‘ darstellt.“

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

treffend dargelegt hat, ist heute Herrschaft im Gegensatz zur Auffassung Jellineks nicht mehr als ein primär faktisches, sondern als ein primär verfassungsrechtlich vermitteltes Legitimationsverhältnis zu verstehen463, vgl. Art. 20 Abs. 1 bis 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Art. 1 Abs. 3, Art. 33 Abs. 4 GG – ohne dass man deshalb jedoch gezwungen wäre, auf den Minimalkonsens eines Gestattungstypus464 „Staat“, wie er in der Drei-Elemente-Lehre sowie im Status-Gedanken abgebildet ist, zu verzichten. Gleichwohl drängt sich die Frage auf, ob dies auch unter Einbeziehung der Erkenntnis enorm veränderter innerer und äußerer Rahmenbedingungen465 gilt, denen dieser Gestattungstypus Staat heute ausgesetzt ist und unter denen er agieren muss, welche in der zunehmenden Bedeutung nicht-staatlicher, transnational handelnder Akteure einerseits und den komplexen trans- und supranationalen Verflechtungen des Verfassungsstaates selbst, andererseits, zum Ausdruck kommen. Die veränderten Bedingungen sind in der Diskussion um die Europäische Union als „Alternative“ zum hergebrachten National- und Verfassungsstaat erkennbar466. Auch wenn man in Konsequenz der Rechtsprechung des EuGH von einer Eigendynamik des Rechtsfundaments der EU, des Vertragsrechts oder Primärrechts, zu sprechen vermag und bestimmte Aufgabenfelder des Staates möglicherweise unwiderruflich der EU zugeordnet worden sind467, zeichnet sich eine Staatsqualität der EU auch unter dem

463

Ebd., S. 307. Ebd., S. 306 ff., vgl. S. 108 ff., 136 ff. 465 Vgl. Stephan Böckenförde, Die Wiederentdeckung des Staates [Fn. 461], S. 34 ff. 466 Vgl., auch zu Nachfolgendem, Isensee, Staat und Verfassung, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, Rn. 14 ff.; exemplarisch Dieter Grimm, Braucht Europa eine Verfassung? [Fn. 425], S. 581 ff. (584 ff.), mit dem Fazit, die Umwandlung der EU in einen Bundesstaat sei „kein erstrebenswertes Nahziel“ (590); derselbe, Bitte keinen europäischen Staat durch die Hintertür, in: DIE ZEIT, Ausg. 17/2003 versus Jürgen Habermas, Warum braucht Europa eine Verfassung?, in: DIE ZEIT, Ausg 27/2001; vgl. Stolleis, Staatsrechtslehre und Politik [Fn. 415], S. 986 f. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass die Mitgliedsstaaten „Herren der Verträge“ bleiben, BVerfGE 89, S. 155 ff. (Maastricht), S. 188 ff., 190; vgl. Isensee, Staat und Verfassung (Rn. 14): Noch seien die Nationalstaaten nicht aufgegangen in der supranationalen Gemeinschaft, sie blieben „die Motoren der Integration“ und die „wesentlichen politischen Potenzen“ innerhalb der supranationalen Organisationen. Die EU bildet ihrerseits das Bild eines (insoweit von den Mitgliedsstaaten abgeleiteten) „Geschöpfes der Verträge“ und damit einer „Verfassung“ „ohne Staat“ (BVerfGE, ebd.: „Staatenverbund“), ohne klassischen staatsrechtlichen Inhalt. Zu diesem insofern veränderten Verfassungsbegriff „europarechtliche(r) Regression“ siehe Hofmann, Von der Staatssoziologie zu einer Soziologie der Verfassung [Fn. 439], S. 1074, der auf den revolutionären Charakter verweist, den staats- und europarechtlichen „Ableitungszusammenhang“ des europäischen Primärrechts, die positivrechtliche „Gründungsgewalt“ der „Herren der Verträge“ zu kappen und durch einen Akt „nach Art der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes“ zu ersetzen. Es gebe jedoch „auf diesem Felde keine revolutionäre Kraft und keine revolutionäre Situation“, denn es bestehe keine Notwendigkeit, „durch einen solchen Gründungsakt gegen fremde Herrschaft und Bevormundung eins und frei zu werden und erst durch diese Freiheit Zukunft zu gewinnen“. 467 Siehe Ingolf Pernice, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2, 2. Aufl., Tübingen 2006, Art. 23 Rn. 22 m. weit. Nachw. 464

II. Verändertes Verständnis und Funktionswandel des Staates

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Vertrag von Lissabon noch nicht ab468. Dessen Artikel 4469 bekräftigt den „Vorbehalt der nationalen Identität“, nach dem alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten bei den Mitgliedstaaten verbleiben (Abs. 1) und die Union „die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt“ (Abs. 2), achtet, ebenso wie die „grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit“ (Abs. 2). Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung wird die Europäische Union zudem nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben, so dass gemäß EU-Verfassungsvertrag von Lissabon alle der Europäischen Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten bei den Mitgliedstaaten verbleiben (Art. 5 EuVerfV). Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, „sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind“ (Art. 5 Abs. 3 EuVerfV). Gleichwohl wird man davon sprechen können, dass sich der moderne (nationale) Verfassungsstaat seinerseits vom geschlossenen zu einem europäisierten, kooperativen, offenen und in bestimmtem Maße auch zum „entgrenzten“ Verfassungsstaat entwickelt hat470. „Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen“471 hat heute, unter den sich rasant entwickelnden „Entgrenzungserscheinungen“472 von Information und Kommunikation im Zeitalter des Internet, seine Identität in der Pflege und Gestaltung internationaler und supranationaler Beziehungen zu finden (Schlüsselvorschriften der Art. 23 und 24 GG). Seine gestalterischen Möglichkeiten sind in hohem Maße abhängig und in Teilen eingeschränkt von 468 Vgl. aber nur Helmut Goerlich, Good Governance und Gute Verwaltung, DÖV 2006, S. 313 ff. (315), der unterstreicht, dass sich die Europäische Union hingegen nach außen in weltweiten Zusammenhängen „wie früher ein souveräner Staat verhält“. 469 Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union, Amtsblatt der Europäischen Union, 9. 5. 2008 C 115. 470 s. hierzu und zu Nachfolgendem Reiner Schmidt, Der Verfassungsstaat im Wandel [Fn. 461], S. 537 ff. sowie Stephan Hobe, Der kooperationsoffene Verfassungsstaat, in: Der Staat 37 (1998), S. 521 ff. 471 So schon das Thema der Baseler Staatsrechtslehrertagung im Jahr 1977, vgl. Christian Tomuschat/Reiner Schmidt, VVDStRL 36 (1978), S. 7 ff. und 65 ff.; s. Rainer Wahl, Internationalisierung des Staates, in: Joachim Bohnert u. a. (Hrsg.), Festschrift für Alexander Hollerbach, Berlin 2001, S. 193 ff., zu den „Erscheinungsformen“ internationaler Organisationen ebd., S. 201 ff. (Zitat S. 201). 472 Schmidt, Der Verfassungsstaat im Wandel [Fn. 461], S. 542.

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

den ökonomischen, politischen und rechtlichen Bedingungen dieses internationalen Beziehungsgeflechts. Die im Zusammenhang mit der Schwerpunktverlagerung von Koexistenz zu Kooperation und Entgrenzung geführte Debatte über den Umfang bzw. das Maß der insoweit relativierten Souveränität des Staates braucht hier insofern nicht nachgezeichnet zu werden, als in relativer Betrachtung473 weiterhin davon ausgegangen werden soll, dass der nationale Verfassungsstaat noch immer durch die Elemente des Territoriums, des Staatsvolkes und, wenngleich in modifizierter Form, der Hoheitsgewalt betrachtet werden kann, der als ein „zumindest territorial radiziertes Herrschaftsphänomen die politische Wirklichkeit mitbestimmt“474. Die Bürger fordern von „ihrem“ Verfassungsstaat475 die wesentliche Verantwortung für Gemeinwohl und Freiheitssicherung ein. In der Bundesrepublik hat sich diesbezüglich die Vorstellung des Dualismus von Staat und Gesellschaft zur kategorialen Struktur entwickelt476, in der drei Aspekte im Vordergrund stehen: Die vom Verfassungs-Staat festgelegte rechtliche Rahmenordnung für die in Freiheit gesetzte Gesellschaft (staatliche Rechtsetzungsfunktion), die Regulierungsfunktion des innergesellschaftlichen Beziehungsfeldes im Interesse der Erhaltung der freien Gesellschaft und schließlich die Beteiligung der gesellschaftlichen Kräfte an diesem Regulierungsfeld durch Mitwirkungs- und Einflussmöglichkeiten. Dieser in der deutschen Perspektive historisch entwickelte etatistische „Ordogedanke“477, die Vorstellung, dass sich innerhalb des vom Staat gesetzten Rahmens ein freiheitliches, soziales und wirtschaftlich erfolgreiches Leben am besten entwickeln könne478, ließe sich mit Blick auf den Funktionswandel des Staates und die sozio-ökonomische Gesellschaftsperspektive im Einzelnen modifizieren. Dieser Gedanke braucht jedoch in diesem Rahmen nicht vertieft betrachtet zu werden, so denn die Gattung des Staates als solche nicht gänzlich zu verwerfen wäre. Hierfür besteht jedoch nach der hier vertretenden Auffassung kein Anlass. Das Verfassungsprinzip der Freiheit, der republikanische Amtsgedanke und die Wirkungsbedingungen einer demokratischen Ordnung lassen es sowohl als politisch risikoreich als auch verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen, die Kategorie des Staates und das damit verknüpfe Statusmodell aufzugeben. Es wurde bereits an anderer Stelle 473 Die Unterscheidung zwischen einer absoluten und relativen Betrachtung des modernen Staates erfolgt in Anknüpfung an Kersten, Staatslehre [Fn. 410], vgl. hierzu die Bemerkungen in Fn. 456. 474 Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 308. 475 Vgl. Schuppert, Staatswissenschaft [Fn. 110], S. 317 ff. und S. 319 ff. m. zahlr. weit. Nachw., der herausstellt, dass es voreilig und wenig hilfreich wäre, „den Staat gänzlich zu verabschieden“ und zu Recht betont, dass die Aufgabe der Wissenschaft darin bestehen sollte, die Veränderungen der Staatlichkeit in den Blick zu nehmen: vorerst sei für den Staat „kein glaubwürdiger Ersatz in Sicht“, ebd., S. 317. 476 s. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Stichwort Staat und Gesellschaft, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 5, 1989, 7. Aufl., Freiburg i. B. 1989, Sp. 233. 477 So Schmidt, Der Verfassungsstaat im Wandel [Fn. 461], S. 543. 478 Ein ausländischer Beobachter sprach insofern von einem „geplanten Kapitalismus“, Shonfield, modern capitalism, 1965, zit. bei Schmidt, ebd., S. 544, ebd. in Fn. 46.

II. Verändertes Verständnis und Funktionswandel des Staates

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erörtert, dass die Freiheitsrechte traditionell und aus verfassungsrechtsdogmatischen und -rechtlichen Gründen auch normativ auf den Staat bezogen sind479. Sowenig hierin ein Hindernis für die Entwicklung von trans- und supranationalen Standards liegt, „so wenig darf der Preis für die Europäisierung oder Globalisierung in der Ausbildung von demokratie- oder grundrechtsarmen Herrschaftsstrukturen liegen“480. Dieser rechtspolitische und mit Blick auf Republikprinzip, Statusmodell und Amtsgedanken auch verfassungsdogmatisch begründete Anspruch muss, wie Stephan Hobe gezeigt hat, im Konzept des „offenen Verfassungsstaats“ nicht zwingend aufgegeben werden481, sondern behält auch im Zeitalter der Globalisierung482 ein hohes Maß an normativer Kraft. Die Permeabilität der Verfassungsordnung des offenen Verfassungsstaates für internationale, von dem Zwang zu institutionellem Zusammenwirken gekennzeichnete Vorgaben, so Hobe, hindere den Verfassungsstaat nicht an der aktiven materiellen Gestaltung jener internationalen Kooperationsordnung. Wie an Art. 23, 24 und 25 GG ablesbar ist, nimmt der so verstandene offene Verfassungsstaat Wertungen der internationalen Rechtsordnung in sich auf. Das Ineinanderwirken von Innen- und Außensicht des Staates und seiner Rechtsordnung ist Wesensmerkmal dieses Konzepts. Das Übertragungs- und Kontrollmandat des Staates sorgt für die Wahrung eines gewissen verfassungsstaatlichen Mindeststandards auf der Aufgabenerfüllungsebene des internationalen, zunehmend institutionalisierten Kooperationssystems, welches seinerseits dem Staat, insbesondere hinsichtlich seines Elementes der Staatsgewalt in der Jellinekschen Tradition, Modifikationen seiner Verfassungsordnung abringt. Angesichts bestehenden Problemdrucks und akuter Handlungsnotwendigkeiten fügt sich der Staat in zunehmendem Maße in die Notwendigkeit internationaler institutionalisierter Kooperation: Die staatliche Erfüllung einer Aufgabe sei nur so lange – auf seiner, gegenüber der regionalen und der universellen, Ebene – zu bevorzugen, wie sie sich für die Lösung bzw. Qualität des Problems als angemessen erweist. Der Staat bleibt jedoch in diesem Bild die treibende Kraft für den Transfer von Kompetenzen im internationalen System, indem er selbst seinen vier Kernfunktionen der Aufgabenübertragung (vgl. Art. 23 Abs. 1 GG), der Kontrolle oder des Wächters, der Vollstreckung sowie der Identität auch im dezentralisierten internationalen System der Aufgabenerfüllungsebenen wahrnimmt. Die Pointe und eigentliche Stärke des 479

s. o., 2. Kapitel, Abschnitt II. So Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 308, der im Zusammenhang mit der historischen Relativität der Einheit des Staatsbegriffs Georg Jellineks die hier vertretene Auffassung rechtspolitisch zu bekräftigen vermag, als die „Diffusion von Herrschaft in supranationalen Strukturen“ gegenüber diesem politischen Anspruch „kein Argument gegen den Versuch sein“ könne, „den Staat auf einen einheitlichen Begriff zu bringen“ (ebd.). 481 Hobe, Der kooperationsoffene Verfassungsstaat [Fn. 470], S. 544 ff. 482 „Globalisierung“ beschreibt in diesem Kontext einen tendenziell denationalisierenden Effekt staatlicher Insuffizienz der Problemlösungswahrnehmung, der damit zwar an „jener Grundkonstante des internationalen Systems rührt“, jedoch diese nicht vollends preisgibt, sondern „eine neue Stufe für die Wahrnehmung staatlicher Kompetenzen und Befugnisse“ darstellt, Hobe, Der kooperationsoffene Verfassungsstaat [Fn. 470], S. 522. 480

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

Modells vom kooperationsoffenen Verfassungsstaat liegt darin, dass die Jellineksche These der Trennung von Souveränität und Staatsgewalt nicht nachvollzogen wird: Die Übertragung von Hoheitsrechten berühre zwar den Kern der Staatsgewalt selbst, begründe jedoch, jenseits der Vorstellung einer „geteilten“ Souveränität, „eine Art neuen Zusammenwirkens“ zwischen nationaler Staatsgewalt und einer auf internationaler Ebene etablierten internationalen Organisationsgewalt (bzw. im Falle der supranationalen Gemeinschaften von Integrationsgewalt), indem die Staaten „sozusagen als Stütze der ihnen verloren gehenden Lösungsallmacht und -kompetenz deren Kompensation durch die sich als Bündel nationaler Gewalten erweisende internationale Organisationsmacht und supranationale Integrationsgewalt“483 in sich aufnehmen. Damit erweisen sich diese als ein die nationale Staatsgewalt „anreicherndes“ Kennzeichen, als zentrales Element des offenen Verfassungsstaates. Hobes Verständnis der Struktur des internationalen Systems als eines von Aufgabenerfüllungsebenen und der des Staates als pouvoir intermèdiaire könnte sich als hilfreicher Parameter erweisen für die Struktur von Aufgabenerfüllungsebenen in der Verwaltung in einzelstaatlicher Betrachtung, da Hobe die staatliche Definitionsmacht für die Lösungskompetenz der Probleme der Ebene des Verfassungsstaates prinzipiell nicht entzogen betrachtet. Auch die Darlegungs- und Beweislast für die effizientere Erfüllung einer Aufgabe auf einer anderen als der staatlichen Ebene liege im Wesentlichen und jedenfalls noch prinzipiell bei derjenigen Instanz, welche die Wahrnehmung der Aufgabe für sich beanspruche. Dieser Denkansatz kann im Rahmen der stärker „nach innen“ gerichteten Betrachtung zur denkbaren Neudefinition der Rolle des Staates als „steuernder Verwaltungsstaat“ in seiner Konsequenz für das moderne Amtsverständnis aufgegriffen werden. Für die theoretische Erfassung des Staatsbegriffs bedeutet das Modell des offenen Verfassungsstaates, dass ein Ende der Staatlichkeit erst dann anzunehmen sein dürfte, „wenn die den Staat derzeit (noch) kennzeichnenden Funktionen – Übertragung, Überwachung, Vollstreckung und Identifikation – nicht mehr von ihm wahrgenommen werden können“.484 Zumindest diese Prämisse ist heute, jedenfalls in weiten Teilen, nicht erfüllt und damit ein Ende so verstandener Staatlichkeit auch nicht anzunehmen. In der Konsequenz für das moderne Amtsverständnis bedeutet dies, dass die staatliche Rahmenordnung im Bereich unterschiedlicher Aufgabenerfüllungsebenen durch eine verfassungsrechtlich abgeleitete funktionsfähige Ämterorganisation gesichert wird. In der verfassungsrechtlich und gesetzlich konstituierten Kompetenzordnung sind die Kernfunktionen des offenen Verfassungsstaates durch eine funktionsfähige Ämterorganisation zu gewährleisten. Diesen verfassungsrechtlichen Status der Ämterorganisation könnte man – Hobes Modell des offenen Verfassungsstaates auf eine „Innensicht“ des Staates übertra483 484

Hobe, ebd., S. 545. Hobe, ebd., S. 546.

II. Verändertes Verständnis und Funktionswandel des Staates

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gen – auch als „Modell der offenen Ämterorganisation“ bezeichnen. Grundannahme dieses Gedankens wäre, dass auch im Zeitalter politischer „Kompetenznetzwerke“ und eines offenen, kooperierenden Verwaltungsstaates, in dem private und öffentliche Akteure in vielfältiger Weise miteinander kooperieren, öffentliche Ämter als notwendige, normativ gebundene „Kontaktknotenpunkte“485 fungieren. Diese, mit bestimmten personellen, kompetentiellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet, sind über ihren normativen Erfüllungs- und Ausführungsanspruch in der jeweiligen Aufgabenerfüllungsebene (modellhaft) bestmöglich in der Lage, Stetigkeit, Richtigkeit, Distanz, Transparenz und prinzipielle Gemeinwohlorientierung zu garantieren. So wenig der moderne Staat als postnaturrechtlicher Herrschaftstypus durch seine Einbindung in supranationale Einheiten und internationale Kooperationsgefüge sowie andere veränderte Rahmenbedingungen der internationalen Globalisierung als Kontrolleur, Wächter und damit vollziehender Akteur zentraler Gestalt aufgehoben ist, so wenig kann dieser Staat auf eine funktionsfähige, normativ abgeleitete Ämterorganisation verzichten.

2. Neudefinition der „Rolle des Staates“ Die Frage nach der Neudefinition der „Rolle“ des Staates in seiner Funktion als Verwaltungsstaat ist Folge und Ausdruck der Wandlungsprozesse seiner Handlungsformen und Steuerungsinstrumente. Diese sind wiederum geprägt von der Staats- und Verwaltungsaufgabenentwicklung, wie sie sich etwa in den Abstufungen der öffentlich-rechtlichen Organisationsrahmen für die private Freiheitsbetätigung im öffentlichen Interesse widerspiegelt486. Die seit Beginn der 1990er Jahre wieder verstärkt geführte Staatsaufgabendiskussion in der Bundesrepublik hat gezeigt, dass die maßgeblichen Kriterien zur Abgrenzung staatlicher und privater Aufgaben, formal durch die Nähe zu der dem Staat eigentümlichen Fähigkeit einseitig-hoheitlichen Handelns und material durch die Abgrenzung von inhaltlichen Aufgabenkreisen und spezifisch staatlich überlegener Handlungs- oder Rechtssetzungsmacht sowie Zweckmäßigkeit im öffentlichen Interesse – zunehmend als unscharf identifiziert werden, u. a. weil ein Auseinanderdriften von Aufgaben und Befugnissen des Staates als unübersehbares Kennzeichen des Wandlungsprozesses im Bereich des Verwaltungsstaates487 eine klare Definition erschweren.

485 Den Begriff verwendet Schuppert, Staatswissenschaft [Fn. 110], S. 124 unter Bezugnahme auf Baecker, Reform [Fn. 111], S. 26 f. Zu Nachfolgendem siehe Schuppert, ebd., S. 124 – 125, 125 f. 486 Vgl. Schulze-Fielitz, Staatsaufgabenentwicklung und Verfassung, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, Baden-Baden 1990, S. 11 ff. (17). 487 Schulze-Fielitz, ebd. (S. 18).

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

a) Formenwandel administrativer Aufgabenerfüllung Der Funktionswandel des Verwaltungsstaates in einer Ära der „Transformation“488 geht einher mit einem Formenwandel staatlicher Machtausübung, die sich in informellem Verwaltungshandeln, kooperierender und korporativer Tätigkeit, verhandelnder und kommunikativer, moderierender und konfliktvermittelnder Aufgabenwahrnehmung, häufig als „Steuerungstechniken“ umschrieben, aktualisiert489. Es spricht gleichwohl viel dafür, dass politiktheoretische Deutungen der empirischen Befunde der Policy-Forschung, die in der Verwaltungspraxis eine Zunahme gemischt staatlich-gesellschaftlicher und insoweit nicht-hierarchischer Regelungsformen, im Sinne einer Tendenz zur „Entstaatlichung“ oder als Zeichen für einen „schwachen“ Staat attestieren, zu kurz greifen. Der beobachtete Formenwandel politisch-administrativer Aufgabenerfüllung hin zu Delegierung und Kooperation manifestiert sich vielmehr als eine Folge funktioneller Differenzierung der Verwaltungspraxis. Von zentraler Bedeutung ist dabei zum einen die starke Binnendifferenzierung des Staatsund Verwaltungsapparates sowohl nach Sachgebieten als auch vertikal nach territorial definierten Ebenen (Kommunen, Länder, Regionen und Regionen übergreifende internationale Gremien), und zum anderen die Existenz einer Vielzahl von kooperativen Akteuren in unterschiedlichen gesellschaftlichen Regelungsfeldern, zum Beispiel in Bereichen der Gesundheit, der Wissenschaft u. a. Diese veränderte, neue „Architektur von Staatlichkeit“ ist nicht mit Schwächung oder gar Auflösung staatlicher Strukturen gleichzusetzen bzw. zu „verwechseln“490. Der „Formenwandel politischer Steuerung“ beinhaltet vielmehr ein teils kooperatives, teils konfliktives Element des Zusammenwirkens staatlicher und gesellschaftlicher Akteure, in dem Amtswalter ihren Einfluss auch in nicht-hierarchischen Regelungsformen zur Geltung zu bringen vermögen, durch unterschiedliche Interventionsmöglichkeiten und insbesondere in Form der „Kompetenz zur rechtlichen Ratifizierung getroffener Vereinbarungen oder zur letztinstanzlichen Entscheidung bei Nichteinigung“491. Die Möglichkeiten staatlicher Kontrolle, staatlichen Einflusses und staatlicher Intervention sind dabei sowohl vielseitig als auch vielstufig, sie betreffen etwa die Zusammensetzung und Struktur der Kooperationsverbindung, die Festlegung und Änderung der „Spielregeln“ bzw. prozedurale Regelung, die Gewährung ausgewählt selektiver Unterstützung, die Beeinflussung der nicht-staatlichen Akteure durch Information und Überzeugung sowie die autoritative Letztentscheidung. Die so charakterisierte Entwicklung politisch-administrativer „Steuerung“ und gesellschaftlicher Selbstregelung vollzieht sich bei näherer Betrachtung daher nicht 488 Renate Mayntz, Politische Steuerung: Aufstieg, Niedergang und Transformation einer Theorie, in: Klaus von Beyme/Claus Offe (Hrsg.), Politische Theorie in der Ära der Transformation, Politische Vierteljahresschrift Sonderheft 26/1995, Opladen 1996, S. 148 ff. 489 Vgl. statt aller Schuppert, Rückzug des Staates [Fn. 461], S. 763 ff. 490 Instruktiv Mayntz, Politische Steuerung [Fn. 488], S. 157 ff. (158); ebenso Schuppert, Rückzug des Staates [Fn. 461], S. 763 ff.; derselbe, Veraltungswissenschaft [Fn. 48], S. 430 ff. 491 Mayntz, ebd., S. 159, zu Nachfolgendem S. 160.

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als ein „Rückzug des Staates“ im Sinne einer zwingenden Preisgabe staatlichen Terrains, sie lässt sich vielmehr als Formenwandel staatlicher Machtausübung begreifen, in der sich das Kooperationsprinzip als Handlungsmodus des modernen Verwaltungsstaates manifestiert hat, mit einem insoweit sogar im Einzelnen verbreiterten Spektrum an verwaltungsstaatlich verfassten Handlungsformen und Einflussmöglichkeiten492. Der Staat tritt häufig weder als alleiniger zentraler Akteur, noch als hoheitlicher „Vollstrecker“ gesellschaftlich in Erscheinung. Dieses Phänomen wird häufig als „Mischform von Governance“ bezeichnet493. Hintergrund dieser Klassifizierung ist die Beobachtung, dass Staat und Verwaltung – neben den „klassischen“ Handlungsformen auf dem Gegenstandsgebiet der Rechtsakte, Gebot und Verbot, in Form von Gesetzen und Verwaltungsakten – zunehmend auch als Organisator und Mo492 Dabei wird nicht übersehen, dass allgemeine theoretische Aussagen über den „Staat“ bzw. den Wandel des Staates, die die Anpassung der Definition des Staates notwendig erscheinen lassen, wegen des Mangels an empirischer Plausibiliät des theoretischen Gesamtbildes notwendigerweise an Grenzen stoßen. Maßgeblicher Bezugspunkt ist der konkrete Staat der Bundesrepublik Deutschland, der durch die Verfassung des Grundgesetzes und die darauf aufbauende Rechtsordnung rechtlich konstituiert und organisiert ist. Eine umfassende theoretische Auseinandersetzung mit dem in den Sozialwissenschaften (und den dort durchaus verbreiteten „staatstheoretischen Resignationslehren“, Claus Offe) vielfach beschriebenen „Rückzug“ oder „Abschied“ des Staates wird hier daher unterbleiben. An anderer Stelle wurde bereits vermerkt, dass es zu der Wirkkraft des Staates bis dato keine realistische Alternative gebe, s. die Ausführungen im letzten Abschnitt. Gleichwohl wird konstatiert, dass angesichts einer offenbar sinkenden Steuerungsfähigkeit des Rechts, die einher geht mit einer Reihe von neuen Erscheinungsformen und Wandlungsprozessen staatlichen Handelns, das herkömmliche juristische Verständnis vom Staat neu auszurichten sei, s. Schulze-Fielitz, Der Leviathan auf dem Wege zum nützlichen Haustier?, in: Rüdiger Voigt (Hrsg.), Abschied vom Staat – Rückkehr zum Staat?, 2. Aufl., Neubiberg 1998, S. 95 ff.; vgl. Klaus Günther, Der Wandel der Staatsaufgaben und die Krise des regulativen Rechts, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsausgaben und sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1. Aufl., Baden-Baden 1990, S. 51 ff. sowie Ernst-Hasso Ritter, Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1 (1990), S. 50 ff. Ritter kommt vor dem Hintergrund der kooperativen Verflechtung von Staat und Gesellschaft und des Wandels der staatlichen Steuerungsfunktionen zu dem Ergebnis, dass der Staat und seine Verwaltung keine „monolithische Einheit, sondern ein polyzentrisch handelnder Akteur“ seien. Staatlich-politische Steuerung sei als eine „Führungsaufgabe“ zu verstehen, der vier strategische Funktionen zuzuordnen seien, eine Orientierungs-, eine Organisations-, eine Vermittlungs- und eine Letztentscheidungsfunktion, ebd., S. 83. 493 Mayntz, Politische Steuerung [Fn. 488], S. 160. Unter „Governance“ im sehr weiten Sinn von „Regelungsstruktur“ soll, auf den Nationalstaat bezogen, „das Gesamt aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte von der institutionalisierten zivilgesellschaftlichen Selbstregelung über verschiedene Formen des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure bis hin zu hoheitlichem Handeln staatlicher Akteure“ verstanden werden, Mayntz, Governance im modernen Staat, in: Arthur Benz (Hrsg.), Governance – Regieren in komplexen Regelungssystemen, Wiesbaden 2004, S. 65 ff. (66), vgl. Mayntz, Von der Steuerungstheorie zu Global Governance, in: Gunnar Folke Schuppert/Michael Zürn (Hrsg.), Governance in einer sich wandelnden Welt, PVS, Sonderheft 41, 2008, S. 43 ff., bestätigend Schuppert, Was ist und wozu Governance?, Die Verwaltung 2007, S. 463 ff. (464 ff., 468).

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derator von Verwaltungs- und Kommunikations- oder regionalen Planungs- und Entwicklungsprozessen agieren, zum Beispiel im Umweltrecht, etwa bei der Standortsuche für eine Mülldeponie oder anderen „Locally Unwanted Land Uses“.494 Das Zusammenwirken von Staat und Zivilgesellschaft bei der Regelung kollektiver Sachverhalte erfolgt nach dieser Mischform des Governance also nicht nur in direkter Kooperation, wie in Public-Private-Partnerships, sondern auch in einem komplexen Neben- und Miteinander von Regelungsformen495. Diese Veränderungen bei Handlungsformen und Aufgabenportfolio können als Ausdruck einer veränderten Kommunikationsbeziehung zwischen Staat und Bürger betrachtet werden, die das staatliche Selbstverständnis beeinflussen. Das tradierte Selbstverständnis des paternalistischen Staates, der mit Zwang und Anordnung operiert, ist dabei nicht unerheblich erneuert und ergänzt um das des kooperierenden, des Gewährleistungsstaates496. Dieser muss seinem Anspruch, seiner Verantwortung für das Gemeinwohl, seiner „Systemverantwortung“497 für das Ganze auf unterschiedliche Weise Rechnung tragen. Inwiefern der Gedanke von Verantwortung rechtsdogmatisch und methodisch Platz greifen kann und auf die Grundlagen für ein Amtsethos Einfluss erhebt, soll in einem eigenen Kapitel zum Prinzip Verantwortung als Grundlage des Amtes näher untersucht werden. An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass die Kernfunktionen des Amtes durch den beschriebenen Aufgabenwandel im sog. Gewährleistungsstaat nicht ausgehebelt werden, solange die staatliche Rahmenordnung im Bereich unterschiedlicher Aufgabenerfüllungsebenen durch eine verfassungsrechtlich abgeleitete funktionsfähige Ämterorganisation gesichert wird.

b) Managerialisierung des öffentlichen Sektors und „Good Governance“ Die aufgezeigte Entwicklung des Formenwandels administrativer Aufgabenerfüllung wird begleitet und teilweise überlagert von einem international zu beob494

Schuppert, Veraltungswissenschaft [Fn. 48], S. 125 ff. (129); vgl. auch S. 236 ff. Vgl. Mayntz, Governance im modernen Staat [Fn. 493], S. 68 ff., die mehrere prägnante Elemente lokalisiert, die von Duchbrechungen des hierarchischen Prinzips durch sachliche und rechtliche Abhängigkeitsbeziehungen zwischen verschiedenen Behörden, horizontalen Kooperationsbeziehungen im Rahmen interministerieller Koordination, Politiknetzwerke bis zu der selbstregelnden Tätigkeit von Wirtschaftsverbänden (z. B. Verpflichtung der Mitglieder auf bestimmte Qualitätsstandards) reichen. 496 Vgl. den Habilitationsvortrag von Christian Bumke vom 13. Februar 2002, Publikumsinformation. Erscheinungsformen, Funktionen und verfassungsrechtlicher Rahmen einer Handlungsform des Gewährleistungsstaates, abgedruckt in: Die Verwaltung 2004, S. 3 ff., m. zahlr. weit. Nachw., in der Bumke die zentrale Rolle von Information als Steuerungsfaktor des Gewährleistungsstaates herausarbeitet und vorschlägt, die Publikumsinformation, „unverzichtbares und ersetzbares Steuerungsinstrument des Staates“ (ebd., S. 33), als Handlungsform der Verwaltung zu etablieren (ebd., S. 30 ff.). 497 Begriff von Mayntz, Governance im modernen Staat [Fn. 493], S. 72. 495

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achtenden Prozess, der als zunehmende „Managerialisierung“ des öffentlichen Sektors bezeichnet werden kann. Nach der Ausweitung des öffentlichen Dienstes in den sechziger und siebziger Jahren begann aufgrund der über Jahrzehnte anhaltenden Finanzierungskrise der öffentlichen Haushalte in den OECD-Staaten498 eine internationale Modernisierungsbewegung, die auch das politisch-administrative System der Bundesrepublik erreichte und in unterschiedliche Reformvorhaben mündete, die zum Ziel hatten, den öffentlichen Dienst schlanker und effizienter zu machen499. Im dezentralen politisch-administrativen System der Bundesrepublik wurden auf Bundes- und Länderebene (in Form des „Neuen Steuerungsmodells“ teilweise auch in den Kommunen) Komponenten von Managerialisierung und Ökonomisierung umgesetzt und damit Strategien der Privatisierung, Deregulierung und der Binnenrationalisierung von Staat und Verwaltung verfolgt. Schwerpunkte dabei sind u. a. Budgetierung, Kosten- und Leistungsrechnung und Controlling. Hinzu kommen Prinzipien des „Lean Management“, beispielsweise die „unternehmens-“ interne Dezentralisierung von Verantwortungsbereichen, die teamorientierte Arbeitsorganisation mit einem breit qualifiziertem Personal und die Qualitätssicherung, welche teilweise in Strategien des Reinventing Government, in New Public Management und in das Neue Steuerungsmodell eingegangen sind500. Zwar müssen im Rahmen dieser Abhandlung Einzelheiten der Reformen sowie der vielfach vorgebrachten und zunehmend breiter diskutierten Einwände unberücksichtigt bleiben, wohl aber ist die dahinter stehende (Werte-)Konzeption von Interesse. Das Leistungsprinzip etwa ist im öffentlichen Dienst keine Unbekannte, vielmehr der einzige in der Verfassung 498 s. OECD-Bericht, Performance-related Pay Policies for Government Employees: An Overview of OECD Countries, Paris 2005. Zu den Veränderungen im öffentlichen Dienst in Deutschland, schwerpunktmäßig zur veränderten Beschäftigungsstruktur, untersetzt durch tabellarische Darstellungen von 1960 bis 2002, dabei insbesondere der Zunahme an Teilzeitbeschäftigung, der föderalen Verschiebung des Personalbestandes, dem Rückgang der Beamtenquote (und prozentualen Zunahme der Angestellten) und der Kompression des Laufbahngruppengefüges s. Hans-Ulrich Derlien, Stefan Frank, Öffentlicher Dienst und Gewerkschaftssystem im Wandel, Die Verwaltung 2004, S. 295 ff. 499 Die vor dem skizzierten Hintergrund begonnene Reformgesetzgebung in Deutschland ist noch nicht abgeschlossen. Zu den Dienstrechtsreformen jüngerer Zeit vgl. etwa das Dienstrechtsreformgesetz vom 24. Februar 1997, BGBl. I, S. 322, das Versorgungsreformgesetz vom 29. Juni 1998, BGBl. I, S. 1666, das Versorgungsänderungsgesetz vom 2. Dezember 2001, BGBl. I, S. 3926 sowie das Besoldungsstrukturgesetz vom 21. Juni 2002, BGBl. I, S. 2140 oder das Professorenbesoldungsreformgesetz vom 16. Februar 2002, BGBl. I, S. 96. Zur Föderalismusrefom I und dem gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG ergangenen Beamtenstatusgesetz vgl. die Nachweise in Fn. 64, zum Dienstrechtsneuordnungsgesetz siehe auch Fn. 43. Zu den mit diesen Gesetzesvorhaben und Reformen verbundenen Rechtsfragen s. Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl., München 2009, Einleitung, Rn. 21 ff. sowie derselbe in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2011, Art. 33, Rn. 41 a und 61 ff., jeweils m. zahlr. weit. Nachw. 500 Klaus König, „Public Sector Management“ oder Governance – Leistungs- und Steuerungsprobleme der öffentlichen Verwaltung, in: derselbe (Hrsg.), Zur Managerialisierung und Ökonomisierung der öffentlichen Verwaltung, Speyer 2000 [zit.: „Public Sector Management“], S. 45 ff.

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(vgl. Art. 33 Abs. 2 GG) ausdrücklich benannte Grundsatz (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG) des Berufsbeamtentums: Öffentliche Ämter werden nach dem Leistungsprinzip vergeben. Ziel des Maßnahmenbündels des Dienstrechtsreformgesetzes501 war, das Leistungsprinzip zu stärken, etwa durch die Einführung von Leistungsstufen sowie von Leistungsprämien und -zulagen, als einem System sekundärer Personalführung unterhalb der Schwelle der Beförderung.502 Die Grenzen der zulässigen Differenzierung ergeben sich aus der Stabilität des Ämtergefüges, die eine amtsangemessene Besoldung unter Wahrung des Alimentationsprinzips voraussetzt, sowie dem verfassungsrechtlichen Amtsbegriff. Solange der Reformgesetzgeber die amtsangemessene Besoldung als solche wahrt, kann er seinen Spielraum zur Verwirklichung des Leistungsprinzips innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen ausgestalten503. Auch mag Ergebnisorientierung neuer Leistungsmodelle für die Binnenrationalisierung der öffentlichen Verwaltung sinnvoll sein, Handlungsmaßstab für den öffentlichen Amtsträger ist allerdings nicht die reine, betriebswirtschaftlich bemessene Output-Orientierung der Aufgabenwahrnehmung. Im Kern lautet der Vorwurf zum NPM daher: „Government is different!“504 Als Ausdruck des republikanischen Prinzips ist der Inhaber eines öffentlichen Amtes im Rahmen der rechtlichen Kompetenzordnung auf die im jeweiligen Anwendungsfall rechtlich gebotene Aufgabengestaltung nach Maßgabe der Rechtsordnung verpflichtet, im Zielhorizont einer Verwirklichung des öffentlichen Interesses. Dies schließt Erwägungen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Effizienz, wie sie zum Beispiel der Haushaltsgesetzgeber vorgibt, ausdrücklich ein. Das New Public Management orientiert sich hingegen in signifikanter Weise an Unternehmertum, Markt, Wettbewerb sowie Kundschaft und intendiert in entsprechend spezifischer Weise den effizienten und effektiven Staat. Nicht zuletzt im Zuge dessen setzte in Europa nach der ersten Rezeption der angelsächsisch geprägten NPM-Modelle eine Entwickung ein, die eine „Rückbesinnung auf die kontinentaleuropäische Verwaltungskultur“ beinhaltet505. Good Governance als politisch-administratives Konzept506 geht gegenüber dem NPM erheblich weiter, indem es Aspekte der Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf Grundlage einer für die gesellschaftlich-soziale Entwicklung verlässlichen Rechtsordnung und der Transparenz des öffentlichen Sektors einbezieht507. Wichtige rechtspolitische Maßnahmen sind in diesem Rahmen insbesondere die Transparenz konzeptioneller Korruptionsbekämpfung, die Erhöhung der Akzeptanz politischer Entscheidungen und die Sicherung des Zugangs zu Informa501

s. Fn. 499. Battis in: Sachs [Fn. 499], Art. 33, Rn. 41 a. 503 Vgl. Battis, Berufsbeamtentum und Leistungsprinzip, ZBR 1996, S. 193 ff. (195). 504 s. hierzu und zu Nachfolgendem König, „Public Sector Management“ [Fn. 500], S. 45 ff. (53) m. weit. Nachw. sowie S. 56 ff. 505 Battis, Berufsbeamtentum und Leistungsprinzip [Fn. 503], S. 194. 506 König, ebd., S. 58 ff. 507 Hierzu und zu Nachfolgendem König, ebd. 502

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tionen. Good Governance, verstanden als ordnungspolitisches Konzept „für die Beschreibung einer bestimmten Qualität von politisch-administrativen Rahmenbedingungen“508, lässt sich hiernach als ein „institutionelles Steuerungsmodell“ begreifen, als Korrelat zu den institutionalisierten Binnenstrukturen der Verwaltungsleitung.509 Das Modell von Good Governance beinhaltet ein Regierungssystem, das Politikkonzepte zur Korruptionsbekämpfung, zur Gleichstellung der Geschlechter, Bekämpfung von Armut, bevölkerungspolitische und umweltbezogene Maßnahmen etc. voraussetzt, zudem maßgeblich einen leistungsfähigen und effizienten öffentlichen Dienst.510 Soweit im Zusammenhang mit Good Governance der „aktivierende Staat“ und die Notwendigkeit von Verantwortungsteilung zwischen verschiedenen Akteuren hervorgehoben wird511, wird herauszuarbeiten sein, inwiefern Modellen geteilter „Verantwortlichkeiten“ Bestimmtheit und Transparenz normativer Grundlagen zu Teil wird512. Wird das sehr weit gefasste entwicklungs- und ordnungspolitische Konzept von Good Governance normativ auf einen institutionellen Kern fokussiert, geraten, entsprechend dem Ausgangspunkt dieser Untersuchung, wiederum die Strukturen des öffentlichen Dienstes in das Blickfeld der Betrachtung. Eine rechtsund entwicklungspolitisch hoch anerkennenswerte Institutionenbetrachtung, in der Aspekte der Leistungsfähigkeit und Effizienz, der Verantwortung und Transparenz, der Korruptionsimmunität sowie der Geschlechtergleichstellung im Mittelpunkt 508

Hermann Hill, Governance als Ansatz der GTZ, in: Klaus König/Markus Adam (Hrsg.), Governance als entwicklungspolitischer Ansatz, Speyerer Forschungsberichte 219, Speyer 2001, S. 157 ff. (221). 509 Zur begrifflichen Einordnung von Good Governance in den Governance-Begriff im weiteren Sinn Schuppert, Was ist und wozu Governance? [Fn. 493], S. 474. 510 Hill, Governance als Ansatz der GTZ [Fn. 508], S. 157 ff. 511 Hierzu und zu verschiedenen nationalen und internationalen Konzepten von Good Governance vgl. Hermann Hill, Good Governance – Konzepte und Kontexte, in Schuppert (Hrsg.), Governance-Forschung, Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, 2. Aufl., Baden-Baden 2006, S. 220 ff., s. dort Nachw. in Fn. 143 u. 144. 512 Die Akzentverschiebung von einer stärker akteurorientierten „Steuerungsbetrachtung“ zu einer struktur- und prozessorientierten institutionalistischen Governance-Theorie kann letztlich das „Problemlösungsbias“ (Mayntz), die Schwäche einer steuerungstheoretischen Betrachtung nicht auflösen, die aus rechtssoziologischer Sicht darin gesehen wird, dass sie ein an der Lösung kollektiver Probleme orientiertes Handeln mit dem Ziel einer gemeinwohlorientierten Gestaltung in einem bestimmten Maße voraussetzt; die Motivation der Steuerungsakteure, auch an Machtgewinn und Machterhalt, dürften insofern nicht ausgeblendet werden. Vergleichbar verführt die Konzentration auf Regelungsstrukturen im Good Governance-Ansatz zu dem funktionalistischen Fehlschluss, dass inter- und transnationale Institutionen im Interesse der Lösung kollektiver Probleme bestehen bzw. im Interesse des Gemeinwohls ihre Partikularinteressen kanalisieren, Renate Mayntz, Governance Theory als fortentwickelte Steuerungstheorie? In: Schuppert (Hrsg.), Governance-Forschung [Fn. 511], S. 11 ff. (17). Siehe im Übrigen unten, Das Prinzip Verantwortung als Grundlage des Amtes, 4. Kapitel, insbesondere zur Idee von Verantwortung im Verfassungsstaat und zur Konzeption von Verantwortungsteilung in der modernen Verwaltungslehre.

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stehen, vermag letztlich weder die Frage nach der Funktion und Legitimation des öffentlichen Amtes als dem kleinsten personellen Baustein innerhalb der Binnenstruktur des öffentlichen Dienstes hinreichend zu beantworten, noch die nach dem Ethos des Amtes vollständig auszuklammern.513 Die Einbeziehung von GovernanceKonzepten ist in diesem Zusammenhang hilfreich, um den Blick für die Vielschichtigkeit der „Steuerungsbeziehung“ zwischen Staat und Zivilgesellschaft514 zu öffnen. Der Rekurs auf ein institutionalisiertes Governance-Konzept vermag zu verdeutlichen, dass die Vertreter der politisch-administrativen Institutionen einer mehrfachen Beanspruchung unterliegen. Sie sind betroffen von einer Managerialisierung des öffentlichen Sektors, sie unterliegen den „Traditionskulturen“ ihrer Institution sowie in unterschiedlicher Weise macht- und sachpolitischen Zwängen oder Gegebenheiten515. Zugleich manifestiert sich das Beamtentum, auch in bestimmten bürokratischen Grundmustern, die nach außen verteidigt werden516. Die „sozialtechnische“ Beanspruchung des Beamten im Zuge der Managerialisierung vermag dieses Phänomen zu relativieren; die Kernfrage nach dem Verhältnis des Amtsträgers zum Staat bleibt hingegen virulent und daher gesondert zu betrachten.

3. Amtsträger als Vertreter der Staatsidee? Das staatstheoretische Fundament zu der aufgeworfenen Frage, inwiefern Amtsträger als Vertreter der Staatsidee betrachtet werden können, wurde bereits im 19. Jahrhundert gelegt. Die Zeit nach dem Wiener Kongress 1814/15 wurde als „Stunde des Beamtenstaates in Mitteleuropa“ bezeichnet. Die Verwaltung wurde mehr denn je als Verkörperung der Staatsraison betrachtet; ihr kam die Rolle zu, dem mediatisierten Monarchen abzufordern, Verkörperung planender Vernunft zu sein

513 Zur öffentlichen Verwaltung als selbstreferenzielles soziales System siehe Luhmann, Soziale Systeme [Fn. 457], Kapitel 11, S. 593 ff. 514 König, „Public Sector Management“ [Fn. 500], S. 67. 515 Empirische Forschungen zum Spitzenbeamtentum belegen diese Mehrfachbeanspruchung bereits vor zwei Jahrzehnten, vgl. König, Politiker und Beamte, Zur personellen Diffenzierung im Regierungsbereich, in: Karl Dietrich Bracher u. a. (Hrsg.), Staat und Parteien, Festschrift für Rudolf Morsey zum 65. Geburtstag, Berlin 1992, S. 107 ff.; Vgl. derselbe ebd. mit dem Hinweis, dass man „Teilsystem an Teilsystem“ reihen könnte „bis hin zu einem Loyalitätssystem noch jenseits der Parteipolitik und bis hin zu landsmannschaftlichen Zusammenhängen, die […] in die Provinz reichen“. Zur Rezeption von Governance in der Staatsund Verwaltungsrechtswissenschaft siehe Kersten, Governance in der Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Edgar Grande/Stefan May (Hrsg.), Perspektiven der GovernanceForschung, 1. Aufl., Baden-Baden 2009, S. 45 ff., 49 f. (49): Der Begriff vermittelt zwischen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen einerseits und der staats- und verwaltungsrechtsdogmatischen Rekonstruktion institutioneller Lösungsansätze andererseits. Zur „Anschlussfähigkeit“ an die Verwaltungsrechtsdogmatik darf er den Akteur nicht verabschieden. 516 König, „Public Sector Management“ [Fn. 500], S. 64 ff. (65).

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und zugleich gegenüber widerstreitenden gesellschaftlichen Kräften Führung und Vormundschaft zu beanspruchen517. In der etatistischen Tradition der deutschen Staats- und Verwaltungsrechtslehre hat der öffentliche Charakter des Amtes seinen unmittelbaren Bezugspunkt in der Staatsidee des Gemeinwohls518. a) Exemplarische Amtskonzeption des 19. Jahrhunderts Lorenz von Steins In der insoweit exemplarischen Amtskonzeption Lorenz von Steins von 1866 kommt den Amtsträgern die Aufgabe zu, „die wahre und reine Staatsidee […] zu vertreten.“519 Dies geschieht, in enger Verknüpfung mit dem Prinzip des Königtums, „im Namen des Gemeinwohls“, in Vertretung des staatlichen Gesamtinteresses und in Abgrenzung zu gesellschaftlichen „Sonderinteressen“. Dem Amt als eine durch Leitungsorgane des Staates gebildete, auf Dauer eingerichtete, durch bestimmte Aufgaben und Befugnisse definierte, zur Verwirklichung der Staatszwecke ermächtigte und insoweit selbständige Systemeinheit des Staates kommt bei von Stein die Funktion einer institutionellen Kraft im Staat im Gegenüber zu Interessen einzelner (Gruppen) in der Gesellschaft zu520. Das Amt ist, ausschließlich, dem Staat verbunden und im Staat gedacht. Es tritt auf als unpersönliche Organisationseinheit im Staat. Der staatliche Organisationszusammenhang sichert dem Amt seine herausgehobene Stellung und seine „Überlegenheit“ gegenüber einer Vielzahl der Staatsangehörigen und gegenüber der Gesellschaft und deren Herrschaftsträgern

517 Michael Stürmer, Die Suche nach dem Glück: Staatsvernunft und Utopie, § 1, in: Kurt G. A. Jeserich u. a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, Stutgart 1983, S. 1 ff (11). Hegel hat diese Beobachtung staatstheoretisch zu fassen versucht, indem er die Verwaltung in der Phase des Übergangs der agrarischen Ständegesellschaft zur entsehenden industriellen Klassengesellschaft und eingebettet in das Mächtesystem der Monarchie, als „allgemeinen“, das Gemeinwohl verkörpernden Stand einordnete, siehe Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, Berlin 1821, Mit Hegels eigenhändigen Notizen und mündlichen Zusätzen, G. W. f. Hegel, Werke 7, 1. Aufl., Frankfurt am Main 1986, § 291 sowie § 294. Grundlage der Staatsidee bei Hegel ist „die Verwirklichung der konkreten Freiheit“ (ebd., § 260). Die Orientierung des Staates am Gemeinwohl, am „Zweck des Ganzen“ ist verknüpft mit der Idee der Freiheit und dem Wohlergehen der Individuen (ebd., § 260, Zusatz). 518 Siehe hierzu bereits oben 1. Kapitel, Abschnitt III. 2. Vgl. auch Nachweise ebd. in Fn. 517. 519 Lorenz von Stein, Die Verwaltungslehre, Neudruck der 1. und 2. Aufl. 1866/1884, Aalen 1962, Theil I, Die vollziehende Gewalt, S. 204 ff. (208); Folgezitate ebd., S. 209. 520 Rolf Grawert, Staatsamt und Volksvertretung. Institutionelle Gegenkräfte im politischen Ordnungssystem Lorenz von Steins, in: Roman Schnur (Hrsg.), Staat und Gesellschaft, Studien über Lorenz von Stein, Berlin 1978 [zit.: Staatsamt], S. 245 ff., 255 f.; ebenso Schuppert, Staatswissenschaft [Fn. 110], S. 116 f.

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insgesamt521. Als personalisierte und insoweit verselbständigte Einheit sei der Staat wirkfähig. Damit weicht von Stein substanziell ab von einer staatsbegründenden Subjektstellung des Einzelnen, wie sie in den Theorien vom Staatsvertrag verankert sind. Allerdings fungiert das Amt in seiner Rolle im staatlichen Ordnungssystem nicht lediglich als dem Monarchen zugeordnetes starres, überlegenes und abstraktes Gegenüber der Gesellschaft, sondern wirkt, so von Stein, als „lebendiges“ Glied des Staates; das Amt leite sich zwar aus der Staatsgewalt ab und ist ausschließlich dieser zugeordnet, doch die „außerstaatlichen“ Lebensverhältnisse bedingen „Maß und Art“ der Gewaltermächtigungen: Das Amt, wenn auch streng konzipiert als Konterpart, ist funktional auf die Gesellschaft ausgerichtet. Diese Beziehung leitet von Stein aus dem dialektisch bestimmten Staats- und Amtszweck ab, der darin besteht, die Ordnung der Gesellschaft sachgerecht und den gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprechend zu gestalten522. In dieser rechtssystematisch entwickelten funktionalen Ausrichtung des Amtes auf die Gesellschaft offenbart sich der Gemeinwohlbezug des Amtes, bei gleichzeitiger Unabhängigkeit des staatlichen, auf Ämter zugeschnittenen Ordnungssystems gegenüber gesellschaftlichen Forderungen bei der konkreten Erfüllung sachlicher Aufgaben. Der Gedanke legaler bürokratischer Herrschaft Max Webers ist hier bereits angelegt523. Von Stein stattet durch diese Funktionsbestimmung „Staat und Amt mit einer unausweichlichen Legitimation aus, die charismatische und traditionelle Herrschaftsrechtfertigungen überholt und legale – das heißt in der Situation der Zeit: durch Volk und Volksvertretung aktiv mitbestimmte – Absicherungen überflüssig erscheinen lässt“524. Durch diese Legitimation des durch Amtsträger „tätigen“, um gesellschaftlichen Interessenausgleich im Prinzip bemühten Staates erhält das Amt einen ethischen Kern, einen rechtsethischen Gehalt525. Von Steins Konzeption wird man in seiner starren, überspitzten Abgrenzung von Staat und Gesellschaftsinteressen sowie insbesondere hinsichtlich seiner Ausführungen zur Staatspersönlichkeit kritisch zu hinterfragen haben; auch wird man seiner Konzeption des Königtums als Amtsgrund im modernen demokratischen Verfassungsstaat der Republik kaum oder jedenfalls nicht ungeteilt zustimmen mögen526. Seine Amtskonzeption erweist sich 521 Hierzu und zu nachfolgendem Gedanken der Abkehr von Hobbes, Grawert, Staatsamt, S. 249 f. (249). 522 In den Worten Lorenz von Steins: „Der formale Begriff des Amtes entsteht, indem die Regierung […] den einzelnen concreten Lebensaufgaben der Gemeinschaft gegenübertritt“, Verwaltungslehre I [Fn. 519], S. 204. 523 Hierzu siehe oben 1. Kapitel, Abschnitt II. 1. 524 Grawert, Staatsamt [Fn. 520], S. 251. 525 Ebenso Grawert, ebd., „neuartigen Zugewinn an Ansehen, Ethos und Macht“, „von Steins Staat ist kein Nachtwächterstaat“. 526 Insbesondere die Rolle der „Volksvertretung“ erscheint in von Steins Ordungssystem als staatshemmendes Moment und als Organ der Vermittlung ohne eigentlichen staatlichen Herrschaftsanspruch (demgegenüber fungiert das Königtum als Kern staatlicher Willensbildung), nicht jedoch als im Zentrum gesellschaftlicher Repräsenation und staatlicher Willens-

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gleichwohl als zukunftsorientiert, als er diese mit der „Dynamik gesellschaftlicher Problementwicklungen“527 in Beziehung setzt und ihr im Rahmen seiner vitalisierten Gewaltenteilungslehre eine herausgehobene Stellung im staatlichen Machtgefüge einräumt, diese zugleich aber rückkoppelt an den übergeordneten Staatszweck des gemeinen Wohls aller. Dieser staatstheoretische Gedanke vom öffentlichen Amt als ein gemeinwohlorientierter, institutionalisierter Kontrapunkt gegenüber gesellschaftlichen Einzelinteressen bildet sich in der etatistischen Tradition staatstheoretischer Ansätze in Deutschland in der Überzeugung einer staatstragenden Funktion und Aufgabe des Berufsbeamtentums aus528. Auch wenn das Bild des Berufsbeamtentums als herausgehobener „Träger der Staatsgewalt“ im modernen Verfassungsstaat und mit Blick auf Art. 20 Abs. 2 und 3 sowie Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG korrigiert werden muss529, bleibt gleichwohl der im staatlichen Amtsauftrag ausgedrückte Anspruch gemeinwohlverpflichteten Verhaltens als „Substrat“ der Erkenntnisse von Steins erhalten. Der moderne Verfassungsstaat muss mithin danach fragen, wie dieser Anspruch im konkreten Gefüge der gesellschaftlichen Ordnung generell gesichert werden kann und gesichert werden soll – ohne dass dem Amtsträger eine gegenüber den übrigen Staats- und Verfassungsorganen überhöhte Funktion eingeräumt würde, die weder mit dem Gewaltenteilungsanspruch des Staates, noch mit dessen Funktionswandel, in Einklang zu bringen wäre. b) Kernfolgerungen aus dem Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts Im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung nach 1945530 verneinte das Bundesverfassungsgericht in der als „Beamtenurteil“ bekannt gewordenen, spektakubildung stehende Gewalt des Staates in einer auf vielfältige Augabenbereiche gerichteten (Parteien-)Politik. 527 Grawert, Staatsamt [Fn. 520], S. 251. 528 Stellvertretend für Viele die Äußerung eines Abgeordneten des Parlamentarischen Rates, die Beamten seien „die eigentlichen Träger der staatlichen Aufgaben […] wegen ihrer inneren Neutralität gegenüber widerstreitenden Interessen“, Abg. Reif (FDP) in der 12. Sitzung am 14. Oktober 1948, Prot. S. 8 (28 f.), zit. nach Barbara Remmert, Warum muss es Beamte geben?, JZ 2005, S. 53 ff. (58); kritisch Hans Peter Bull, Beamte – die vernachlässigten Hüter des Gemeinwohls?, DÖV 2007, S. 1029 ff., der insbesondere auf die gleichfalls gemeinwohlkonkretisierende Funktion der Legislative und der Exukutive verweist (1031 f.) und eine „Verklärung des histoischen Beamtenbildes“ in Teilen der rechtswissenschaftichen Literatur zu erkennen meint (1032 ff., 1032). Siehe auch Arnold Köttgen, Das anvertraute öffentliche Amt, in: Konrad Hesse/Siegfried Reicke/Ulrich Scheuner (Hrsg.), Staatsverfassung und Kirchenordnung. Festgabe für Rudolf Smend zum 80. Geburtstag am 15. Januar 1962, Tübingen 1962, S. 119 ff. 529 Zur Kritik stellvertretend Bull, ebd. [Fn. 528]. 530 Vertiefend Rolf Grawert, Der Zusammenbruch des Staates und das Schicksal seiner Beamtenschaft im Spiegel der Nachkriegsjudikatur, in: Friedrich Gerhard Schwegmann

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lären531 Entscheidung532 den notwendigen Funktionszusammenhang zwischen der Kontinuität des Staates und der Beamtenrechtsverhältnisse, mit der Folge, dass alle Beamtenrechtsverhältnisse zum Deutschen Reich mit dem 8. Mai 1945 erloschen waren. Dabei bezog es diese Beamtenrechtsverhältnisse auf einen bestimmten, während der Zeit des nationalsozialistischen Regimes bestehenden bzw. ausgebauten „verfassungsrechtlichen Zustand“533: „Die Zerstörung des verfassungsrechtlichen Schutzes für die wohl-erworbenen Rechte der Beamten, die Regelung der personellen Voraussetzungen für das Beamtenrechtsverhältnis in Verbindung mit der gesetzlichen Verpflichtung zum persönlichen Treueeid auf Hitler und zur Vollstreckung des Willens des von der NSDAP getragenen Staates, sowie die Gerichtspraxis der obersten Disziplinargerichte ergeben mit aller Deutlichkeit, dass das Beamtenverhältnis im nationalsozialistischen Staat ein nur auf diesen Staat und die ihn tragende Ideologie der NSDAP zugeschnittenes Rechtsverhältnis sein sollte und (Hrsg.), Die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums nach 1945, 1. Aufl., Düsseldorf 1986, S. 25 ff. Der Tenor der nach 1945 alsbald herrschenden Rechtsprechung, dass der Zusammenbruch des Deutschen Reiches den Bestand des Beamtenstatus in der Regel nicht beeinträchtigt habe, beruhte in seinem Grundansatz auf der Feststellung, dass die Ereignisse des Jahres 1945 den bisherigen Staat zwar handlungsunfähig, aber nicht in Gänze erledigt hätten. Der 8. Mai 1945 habe, so die diesbezügliche Beamtenrechtsprechung und vorherrschende Literatur, einen innerstaatlichen Ordnungszerfall des nationalsozialistischen Herrschaftssystems markiert und festgeschrieben, nicht jedoch den Fortbestand des Reiches, des Staates erledigt. In beamtenrechtlicher Hinsicht zog man aus dem Dogma vom Fortbestand des Reiches den Schluss, dass auch den bisherigen Reichsbeamten grundsätzlich „der Dienstherr im Sinne des DBG“ (Deutschen Beamtengesetzes), jedenfalls als staatliches Zuordnungsobjekt, erhalten blieb, so ausdrücklich der Dienststrafhof beim Personalamt des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Urt. v. 30. Mai 1949, DÖV 1949, S. 354. Kritisch zu dieser Rechtsprechung, die, „offenbar von dem Bestreben geleitet, staatliche Substanz zu erhalten und die Staatsdiener über die Staatskrise hinwegzuführen“, auch in höchst problematischen Fällen eine rechtspositive Bestätigung von Beamtenverhältnissen betrieb, ohne sich mit der Einbindung des Beamten in das nationalsozialistische Unrechtsregime zu beschäftigen, Grawert, mit einem insoweit gravierenden Beispiel eines Urteils des OVGs Lüneburg vom 22. August 1951; in diesem wurde der Fortbestand der Beamteneigenschaft eines besatzungsrechtlich verurteilten KZ-Arztes bestätigt mit der Begründung im Kern, dass die Rechtskraft des Strafurteils nicht zu einem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis gemäß § 53 DBG geführt habe, da sich diese Norm nur auf deutsche Gerichte beziehe (ebd., S. 30, Zitat ebd. 531 Vgl. die Einschätzung von Ernst Forsthoff, Das Bundesverfassungsgericht und das Berufsbeamtentum, DVBl. 1954, S. 69 ff. (69), das Urteil sei nicht nur von den unmittelbar Betroffenen, sondern von der Öffentlichkeit als „sensationell“ empfunden worden, und dieser Eindruck werde durch die Lektüre des Wortlauts verstärkt, da das außerordentlich umfangreiche Urteil einen wesentlichen Teil seiner Argumentation der „Deutung der Geschichte, nämlich der Geschichte des Berufsbeamtentums im nationalsozialistischen Staat“ widme. Instruktiv die Würdigung von Grigoleit, Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage. Eine dogmatische und historische Untersuchung zum judikativen Anteil an der Staatsleitung, Tübingen 2004, S. 181 ff., 189 ff., 198 ff., der unterstreicht, dass sich das Urteil nicht nur gegen die „Beamtenlobby, sondern gegen die herrschende Staatslehre insgesamt“ richtete (S. 190) und die prekären Folgen des Beamtenurteils für die Frage der „Staatskontinuität als Teil bundesrepublikanischer Staatsraison“ (S. 200 ff., 200) herausarbeitet. 532 BVerfGE 3, S. 58 ff. (85). 533 BVerfGE 3, S. 58 ff. (114).

II. Verändertes Verständnis und Funktionswandel des Staates

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war.“534 Mit Beseitigung dieser bisherigen besonderen „Struktur“ müsse daher auch das bisherige Rechtsverhältnis erlöschen, und zwar ohne formellen Beendigungsakt und unabhängig davon, ob der einzelne Beamte mit dem nationalsozialistischen Regime sympathisierte oder nicht – denn innerhalb des nationalsozialistischen Herrschaftsregimes sei das Berufsbeamtentum als parteipolitisch unabhängige, neutrale Einrichtung des Staates zerstört worden. Das Berufsbeamtentum erscheint im Lichte dieser Argumentation als ein Gebilde, das zwar als ein institutionalisierter Bestandteil der Staatsgewalt fungiert, aber dabei situations-, zeit- und lagebedingt verortet ist. Ohne dass die Kritik535 an der Argumentationskette im sog. Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts hier im Einzelnen nachgezeichnet werden muss, kann das Berufsbeamtentum danach als „substantielles, konkretes Verfassungselement“ begriffen werden, das mit dem normativ bestimmten tatsächlichen verfassungsrechtlichen Gesamtzustand des Staates stehen oder fallen kann, ohne dass der Staat entsprechend der Drei-ElementeLehre als Völkerrechtssubjekt als erloschen oder untergegangen angesehen zu werden braucht536. In rechtsdogmatischer Hinsicht relevant für den Gang dieser Untersuchung ist dabei die Erkenntnis des Gerichts, dass weder ein „überstaatlicher“ noch ein „vorstaatlicher“ Begriff des Berufsbeamtentums als solcher existiert, es vielmehr der Staat grundsätzlich in der Hand hat, sein Verhältnis zum Berufsbeamtentum in verfassungsrechtlicher Weise zu ordnen sowie auch politisch-ideologisch zu prägen – und dass von der Art und Weise und Intensität dieser Gestaltung die Fortgeltung des Statusverhältnisses des Beamten auch bei einem Wechsel der Staatsform abhängt537. Die politisch-historische Motivation des höchsten deutschen 534

BVerfGE 3, S. 58 ff. (113 – 114). Siehe hierzu die Nachweise und die Auseinandersetzung damit bei Grawert, Der Zusammenbruch des Staates und das Schicksal seiner Beamtenschaft im Spiegel der Nachkriegsjudikatur [Fn. 530], S. 39 ff. sowie BGHZ 13, S. 265 ff. (296 ff.). Der BGH, der sich einen Gutteil der rechtswissenschaftlichen Kritik zu eigen machte, beharrte hingegen argumentativ auf den Staat als solchen als Bezugspunkt des Beamtenrechtsverhältnisses und betonte, dass die nationalsozialistischen Umbildungen des Berufsbeamtentums nicht im Nachhinein dessen endgültige Beendigung bewirken könnten. Zur Gegenkritik siehe den sog. Bestätigungsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 6, S. 132 ff. (198), in der das BVerfG in bemerkenswert klarer Weise feststellte, dass „die Institution“ des Berufsbeamtentums rechtlich und „effektiv an den Staat in seiner Verschränkung mit dem Nationalsozialismus“ gebunden und damit sein Status letztlich stärker nationalsozialistisch als formal staatsinstitutionell geprägt war. 536 s. die dogmatischen Schlussfolgerungen Grawerts, Der Zusammenbruch des Staates und das Schicksal seiner Beamtenschaft im Spiegel der Nachkriegsjudikatur [Fn. 530], S. 37 (Zitat ebd.). 537 Das Bundesverfassungsgericht stellt daher eine Formel auf, die das skizzierte Verhältnis von Staat und Berufsbeamtentum näher beleuchtet: Die Vermutung für das Fortbestehen solcher Statusverhältnisse, auch bei grundsätzlicher Änderung der Verfassungslage, könnte um so weniger gelten, je stärker einerseits ihr politischer Gehalt und ihre parteipolitische Verzahnung sei, und je grundsätzlicher und umfassender andererseits eine politische Umwälzung die Verfassung selbst ändere und damit die Statusverhältnisse der Beamten berühre, BVerfGE 6, S. 132 ff. (169 – 170, dazu 152 f., 165). 535

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

Gerichts, Maßstäbe für eine unbelastete, demokratische Neuordnung der Bundesrepublik zu schaffen538, sei konzediert. Ungeachtet dessen können den Bewertungen des Bundesverfassungsgerichts zur Nähe der Beamtenschaft im nationalsozialistischen Staat grundsätzliche Bewertungen zum Verhältnis von Staat und Beamtenschaft entnommen werden, die auch bezogen auf die „modernisierten“ Dienstverhältnisse der heutigen Zeit plausibel und rechtsdogmatisch überzeugend erscheinen: Der wesentliche Inhalt der Dienstverhältnisse wird von der Struktur und Verfasstheit des Staates bestimmt, in dem diese wirken. Die Legitimationsbasis für die Staatsdienerschaft ist, auf der Grundlage der institutionellen Garantie des Art. 33 Abs. 4 GG, gerichtet auf rechtsstaatlich-demokratische Reformanliegen im Geist der Republik, bei einem breiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Zugleich ist der moderne Verwaltungsstaat auf ein gut ausgebildetes und leistungsstarkes Fachbeamtentum angewiesen; aus der Perspektive des Rechtsstaats wird diese Einrichtung grundsätzlich benötigt, um die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu sichern. Die organisierte Institution des Berufsbeamtentums funktioniert im konkreten Wirkungszusammenhang des Staates – mit einer neuen Verfassungsordnung stehen Existenz und Ausformung folgerichtig zur Disposition. Die Vertrauensbasis der Beamtenschaft in ihren Staat wird damit nicht untergraben, vielmehr wird dieses Vertrauen der Staatsdiener auf ihr eigenes, verfassungskonformes und rechtsethisches Verhalten projiziert. Eine zentrale Lehre aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Berufsbeamtentum in der Gründungsphase der Bundesrepublik ist es, sich von der Kategorie des Staates zu der des Verfassungsstaates zu wenden. Die „persönliche Identifikation mit dem Staat“ kann im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter Geltung des Grundgesetzes nicht zum zentralen Ethos des Amtsträgers erhoben werden539. Die Amtsträger in der grundgesetzlichen Ordnung der Bundesrepublik sind nicht Vertreter der „Staatsidee“, sie fungieren als Stütze der rechtsstaatlichen, demokratischen und sozialstaatlichen Verfassungsordnung der Republik. Dieser Gedanke soll anhand der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Funktion des Berufsbeamtentums im demokratischen Verfassungsstaat näher spezifiziert werden.

538 Erklärtes Ziel ist der „demokratische Neubau“, BVerfGE 2, S. 105 ff. (110), und mit Blick auf dieses Ziel könnte eine neue öffentliche Verwaltung „sinnvoll nur in bewußter Abkehr vom Nationalsozialismus aufgebaut werden“, BVerfGE 3, S. 58 ff. (125 f.) unter Berufung auf Bayer. VerfGH, VGHE NF 5 II, S. 166 (192). 539 In diese Richtung aber Depenheuer, Das öffentliche Amt, § 36, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, Rn. 82. Hingegen bekräftigt der Beamte durch seinen Diensteid, vgl. § 64 BBG, den Willen, seine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen und insbesondere die Verfassung und die Gesetze zu wahren. Die Eidesformel umfasst also, auch wenn sie keine konstitutive Bedeutung für die Gültigkeit von Amtshandlungen hat, den Amts- und den Verfassungseid, siehe Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl. München 2009, § 64, Rn. 5.

II. Verändertes Verständnis und Funktionswandel des Staates

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c) Berufsbeamtentum als „ausgleichender Faktor“? Die Verfassungsordnung des Grundgesetzes garantiert einen umfassenden Status der Amtsträger über die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 4 und 5 GG. Das Berufsbeamtentum wird in seiner Funktion im demokratischen Verfassungsstaat in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter Auslegung der hergebrachten Grundsätze in „Anknüpfung an die deutsche Verwaltungstradition“ als eine Institution beschrieben, die, „gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung, eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen soll.“540 Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus dem Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts, das Berufsbeamtentum als „substantielles, konkretes Verfassungselement“ zu begreifen, erscheint die Anknüpfung an die „deutsche Verwaltungstradition“ nicht in Gänze stringent. Gegen die Zuschreibung einer ausgleichenden Rolle gegenüber „den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften“ lässt sich einwenden, hierin sei ein Antiparteienaffekt der Weimarer Zeit zu erkennen und das Berufsbeamtentum werde als Apparat in seiner Bedeutung im demokratischen Verfassungsstaat überhöht.541 Der „Spagat“, den das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung vollzieht, liegt darin, dass eine „sozialwissenschaftliche Kategorie“542 bzw. „soziale Institution“543, das Beamtentum bzw. „Berufsbeamtentum“, in seiner historischen Entwicklung für eine verfassungsrechtliche Bindung seiner institutionellen Garantie herangezogen wird. Allerdings lässt die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch eine andere, verfassungsdogmatisch schlüssigere Lesart zu. Gerade wenn die Erkenntnisse aus dem Beamtenurteil greifen, dass das Berufsbeamtentum von der Struktur und Verfasstheit des Staates bestimmt wird, so erscheint die Interpretation des Berufsbeamtentums in seiner Funktion im demokratischen Rechtsstaat gemäß Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG, ausgestaltet durch Art. 33 Abs. 2 bis 5 GG544 nicht unangemessen. Dies zeigt ein näherer Blick auf die Ausgestaltung des Leistungsprinzips 540 BVerfGE 7, S. 155 ff. (162); s. ferner BVerfGE 8, S. 1 ff. (16); E 11, S. 203 ff. (216 f.); E 21, S. 329 ff. (345); E 44, S. 249 ff. (265); E 56, S. 146 ff. (162); E 64, S. 367 ff. (379); E 99, S. 300 ff. (315). 541 Vgl. Hans Peter Bull, Beamte – die vernachlässigten Hüter des Gemeinwohls? DÖV 2007, S. 1029 ff. unter Hinweis auf Tatsachen, die das historische Beamtentum geprägt haben und eine Idealisierung nicht zuließen (1033 f.). Bull äußert sich kritisch zur zitierten, durch das Bundesverfassungsgericht charakterisierten Rolle des Berufsbeamtentums, dessen gesellschaftlich korrigierende Funktion per Verfassung nicht erkennbar sei (S. 1031). 542 Bull, ebd., S. 1035. 543 Werner Thieme, Verfassungsrechtliche Grenzen einer Reform des öffentlichen Dienstrechts, Rechtsgutachten, Studienkommission für die Reform des Öffentlichen Dienstrechts, Bd. 5, Baden-Baden 1973, S. 301 ff. (320). 544 Vgl. Ulrich Battis, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2011, Art. 33, Rn. 8.

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

des Art. 33 Abs. 2 GG, dem einzigen explizit in der Verfassung benannten hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums. Die Möglichkeit des Zugangs zu öffentlichen Ämtern gemäß Art. 33 Abs. 2 GG und die Ausgestaltung und Handhabung der Rekrutierung des Verwaltungspersonals ist von zentraler Bedeutung für die Qualität der öffentlichen Verwaltung. Es kommt darauf an, ob es gelingt, das Profil einer öffentlichen Aufgabe mit der Qualifikation und der Kompetenz des Personals in Übereinstimmung zu bringen und so die Basis für eine adäquate Aufgabenerfüllung zu schaffen545 sowie bei wachsenden Verwaltungsaufgaben einem rapide steigenden Personalbedarf angemessen begegnen zu können. Mit diesem eher funktionalen Qualitäts- und Kompetenzaspekt sind verschiedene hochsensible politische Aspekte verknüpft, die einen Einfluss auf Rechtsauslegung und Verwaltungswirklichkeit besitzen: Inwieweit bestehen faktische Zugangsbeschränkungen oder politische Rekrutierungsmechanismen zum öffentlichen Dienst? Inwieweit kann Ämterpatronage das öffentliche Amt als solches und dessen Ausfüllung durch die Person des Amtsträgers diskreditieren?546 Die fachliche Qualifikation und die daran anknüpfende Chancengleichheit eines jeden Deutschen stehen im Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Gewährung des Zugangs „zu jedem öffentlichen Amte“547. Das so normierte Leistungsprinzip verbietet eignungsfremde, diskriminierende Auswahlkriterien, die an Geschlecht, sozialer oder ethnischer Herkunft, sozialer Bedürftigkeit, Familienstand, politischer Gesinnung, gesellschaftlichen Beziehungen, Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer politischen Partei, einer Gewerkschaft, einer Konfession oder Weltanschauung anknüpfen548. Die Entscheidung für eine bestimmte Person soll sich ausschließlich an der fachlichen Leistung (sog. „Bestenauslese“) und an den Anforderungen ausrichten, die das zu besetzende Amt an seinen künftigen Inhaber stellt. Grundvoraussetzung der Zugangsgleichheit ist das verfügbare öffentliche Amt: Die Entscheidung über das Ob und den Aufgabenzweck eines Dienstpostens treffen Legislative und Exekutive innerhalb ihrer jeweiligen Zuständigkeit nach Maßgabe der staatlichen Aufgaben, des Personalbedarfs sowie im Rahmen eines bestimmten politischen Spielraums und der Finanzierbarkeit. Betont man die intellektuell-soziale Komponente der hier genannten Kriterien, wird die Wertbezogenheit des öffentlichen Amtes als Funktionsträgerschaft von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im weiteren Sinne deutlich, denn die Erwartungen an den Amtsträger 545 Vgl. Renate Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, 4. Aufl., Heidelberg 1997, S. 148. 546 Es spricht viel dafür, dass Ämterpatronage, die gegen einfaches Recht und gegen Art. 33 Abs. 2 GG verstößt, „wahrscheinlich die Hauptgefahr“ des Berufsbeamtentums bzw. neben Korruption ein „Hauptübel“ der öffentlichen Verwaltung ist, so pointiert, Battis, Hergebrachte Grundsätze [Fn. 39], S. 311 sowie derselbe, Berufsbeamtentum und Leistungsprinzip, ZBR 1996, S. 193 ff. (194). 547 Art. 33 Abs. 2 GG: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“ 548 Vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 BBG.

II. Verändertes Verständnis und Funktionswandel des Staates

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werden maßgeblich von Merkmalen wie sozialer Kompetenz, Teamfähigkeit, hoher Auffassungsgabe, geistiger Flexibilität und Professionalität geprägt: Nur wer jenseits der erforderlichen Eigenpersönlichkeit als Verwalter eines öffentlichen Amtes bereit und fähig ist, im Team eigenverantwortlich und uneigennützig zum Wohle des Ganzen zu wirken, ist nach geltendem Verfassungsrecht in persönlicher Hinsicht ein geeigneter Bewerber für ein öffentliches Amt549. Diese Anforderung impliziert, als Eignung im weiteren Sinne, darüber hinaus die Fähigkeit und die Bereitschaft, die öffentlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheits- und Gleichheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten550. Die verfassungsgebotenen Gleichheitsbestimmungen bei der Personalentscheidung und die Ausrichtung der vielfältigen Anforderungen mittels Eignungs- und Leistungsprinzip an das zu besetzende Amt soll die Funktionstüchtigkeit der Verwaltung und der Rechtsprechung auf hohem fachlichen und menschlichen Niveau sowie die rechtliche Integrität des öffentlichen Dienstes sichern. Die eingangs dieses Abschnitts zitierte Herleitung der institutionellen Garantie des Berufsbeamtentums durch das Bundesverfassungsgericht knüpft an diese Funktion des Amtes im demokratischen Rechtsstaat an und benennt explizit drei Elemente des Leistungsprinzips: Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung. Ein „ausgleichender“ Faktor ist das Berufsbeamtentum im Idealfall insofern, als es im Rahmen seiner Funktion im Verfassungsstaat eine der Bindung an Gesetz und Verfassung geprägte, unparteiische Verwaltung in integerer Amtsführung im Interesse des Gemeinwohls vollziehen sollte. Für eine Verkörperung der „Staatsidee“ durch das Berufsbeamtentum, im Selbstverständnis eines machtbewussten unmittelbaren Staatsorgans, wie sie zur Zeit der Weimarer Republik vertreten wurde551, kann die freiheitliche und demokratische Grundordnung als maßgebliche Bezugsgröße des Berufsbeamtentums unter Geltung des Grundgesetzes nicht Pate stehen. Insofern bedarf jede Charakterisierung des Berufsbeamtentums unter Bezugnahme auf die Rechtstradition der Weimarer Zeit einer kritisch-differenzierten verfassungshistorischen Betrachtung.552 Der Gedanke vom Beamten als 549

Vgl. Josef Isensee, Öffentlicher Dienst, § 32, in: Ernst Benda/Werner Maihofer/HansJochen Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Studienausgabe, Teil 2, 2. Aufl., Berlin/New York 1995, S. 1535. 550 Vgl. BVerfGE 92, S. 140 ff. (151 f.); E 96, S. 152 ff. (163). 551 Siehe etwa Arnold Köttgen, Das deutsche Berufsbeamtentum und die parlamentarische Demokratie, Berlin 1928, die „nationale Staatsidee“ sei „das metaphysische Band für das Berufsbeamtentum“ (S. 75); vgl. ebd. S. 118 f. (118): „Nicht einer toten Verfassung, sondern der lebendigen Nation dient der Beamte, nur ihr gegenüber kann er diejenige Hingabe an den Tag legen, die mit Recht von ihm erwartet wird, nicht aber gegenüber einer abstrakten juristischen Norm“, kritisch Summer, Das Prinzip Verantwortung als Grundlage des Beamtenrechts, ZBR 1999, S. 181 ff. (183), sowie Battis, siehe nur: derselbe, Beamtenrecht als Spiegel des heutigen Staatsverständnisses [Fn. 308], S. 772. 552 Zum „Denken in Mythen“ als Belastung für die Beamtenrechtstradition in Deutschland vgl. Summer, ebd., S. 182.

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3. Kap.: Staatsverständnis und Amt

Repräsentant einer weitgehend abstrakt gewordenen Staatsidee553 bis hin zu einer metaphysischen Verbundenheit zum Staat unter Heranziehung des Begriffs der Nation, wie er am Ausgang der Weimarer Republik kennzeichnend war, zielt maßgeblich auf ein überzogenes Verständnis von Repräsentation, in dem die Wertmaßstäbe von trusteeship, Uneigennützigkeit und Integrität des öffentlichen Amtes Gefahr laufen, umgemünzt zu werden in politische Gefolgschaft554. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Konstruktionsmodells des Berufsbeamtentums als öffentliche Amtsträger trägt dieser Auslegung Rechnung. Durch § 60 Abs. 1 BBG werden die Rechte und Pflichten des Beamten im demokratischen Verfassungsstaat nicht nur präzisiert, sondern auch grundsätzliche Aussagen zum Ethos des Beamten in seiner Gemeinwohlverpflichtung getroffen und die parteipolitische Neutralität des Berufsbeamtentums im Rahmen der pluralistischen Auseinandersetzung von Parteien und Interessengruppen zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung statuiert555. Neutralität bedeutet, dass die Beamten jeder verfassungsmäßigen Regierung zur Verfügung stehen.556 Gegenüber dem von der Amtsführung betroffenen Bürger ist die Neutralität des Berufsbeamtentums nur glaubhaft „auf der Basis eines allen Demokraten gemeinsamen Minimalkonsenses“557, den § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG mit der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ beschreibt. Wie im Rahmen der Herleitung des Verfassungsprinzips der Freiheit aufgezeigt wurde, kommt den Trägern öffentlicher Ämter zudem eine grundrechtssichernde Funktion im demokratischen Verfassungsstaat zu. Der Beamte tritt mit Blick auf die primär abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte zwar zuvörderst als Amtswalter des grundrechtsgebundenen Staates auf den Plan, und damit als derjenige, der die Grundrechte zwar zu achten hat, sie durch die Ausübung von Hoheitsgewalt prima facie aber doch eher zu gefährden scheint558. Der Blick auf die Funktionsvorbehaltsklausel des Art. 34 Abs. 4 GG, nach dem die Ausübung hoheitsrechtlicher 553

Vgl. Gerber, Entwicklung und Reform des Beamtenrechts, VVDStRL 7 (1932), S. 2 ff. (23): „Vergegenwärtigung der ideellen Gemeinschaft“. 554 Zum Verständnis von Repräsentation im demokratischen Verfassungsstaat siehe ErnstWolfgang Böckenförde, Demokratische Willensbildung und Repräsentation, § 34, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR III, 3. Aufl., Heidelberg 2005, Rn. 31 ff. Böckenförde unterstreicht, dass demokratische Repräsentation ohne Rückbezug zum demokratischen Willensbildungsprozess Gefahr laufe, „zum Verhüllungsargument für eine obrigkeitliche, von demokratischer Legitimation und Verantwortlichkeit abgelöste Bestimmung der öffentlichen Interessen, des Wohls der Allgemeinheit zu degenerieren.“ (Rn. 31). 555 Vgl. Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl. München 2009, § 60, Rn. 4. Näheres zur Gemeinwohlverantwortung des Beamten unten im 4. Kapitel, Abschnitt II. 2. 556 Battis, ebd., Rn. 7, m. weit. Nachw. Vgl. derselbe, Beamtenrecht als Spiegel des heutigen Staatsverständnisses [Fn. 308], S. 771 ff. 557 Battis, ebd., Rn. 8. 558 Hierzu siehe Josef Franz Lindner, Grundrechtssicherung durch das Berufsbeamtemtum, ZBR 2006, S. 1 ff. (2).

II. Verändertes Verständnis und Funktionswandel des Staates

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Befugnisse – die nicht selten grundrechtsrelevant ist – in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstund Treueverhältnis stehen, deutet jedoch darauf hin, dass der Verfassungsgesetzgeber das grundrechtsrelevante Handeln des Staates Beamten vorbehalten wissen wollte, „also mindestens stillschweigend davon ausgegangen ist, dass die Grundrechtskonformität hoheitlichen Handelns durch das Berufsbeamtentum befördert wird“559. Das Berufsbeamtentum erscheint im Hinblick auf den Grundsatz der Weisungsgebundenheit zwar zunächst als eher „technisches Glied“ in einer „ununterbrochenen Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern“560 und damit keine „für das Funktionieren der Demokratie eigens konzipierte Institution“561. Das Berufsbeamtentum wirkt gleichwohl insbesondere im Bereich des Rechtsvollzugs als „Sicherungsmechanismus“ gegen grundrechts- und rechtsstaatswidrige Einflüsse der Politik. Zudem verfügt das in der Ministerialverwaltung und den nachgeordneten Fachbehörden und Spezialeinrichtungen verankerte Berufsbeamtentum über Fachwissen, das es ex ante per sachlicher Vorbereitung in den demokratischen Entscheidungsprozess (z. B. Gesetzentwürfe, Vorbereitungen und Abstimmungen mit kommunalen oder privaten Akteuren) einbringt. Auf diese Weise ist das Berufsbeamtentum in besonderer Weise auch mit dem Demokratieprinzip verknüpft. Die Grundsätze der Leistungsorientierung, persönlichen Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit sowie parteipolitischen Neutralität bekommen damit eine eigene, demokratische Legitimationsdimension.

559

Lindner, ebd. BVerfGE 107, S. 59 ff. (87). 561 Hierzu und zu Nachfolgendem eingehend Josef Franz Lindner, Berufsbeamtentum und Demokratieprinzip – ein Zwischenruf, ZBR 2010, S. 26 ff. m. weit. Nachw. (28 ff., Zitate auf S. 28), der eine spezifische Relevanz des Berufsbeamtentums für die Funktionsfähigkeit der Demokratie in der aktuellen Verfassungswirklichkeit begründet. 560

4. Kapitel

Das Prinzip Verantwortung als Grundlage des Amtes Der Begriff der Verantwortung wurde im Rahmen der bisherigen Untersuchung bereits gestreift, ohne dass jedoch eine grundlegende rechtsbegriffliche Einordnung in den Kontext von Verfassungsstaat, Staat- und Amtsverständnis vorgenommen wurde. Dieses im Ansatz zu unternehmen bietet sich an, als im bundesrepublikanischen Staatsverständnis etatistischer Prägung und konstitutioneller Gestalt offenbar eine enge Verknüpfung besteht zwischen dem öffentlichen Amt und der Beschreibung einer Dimension des Rechts als „Verantwortung“. Spezifische Ausprägungen und Funktionen des Begriffs sind daher zur Konturschärfung des öffentlichen Amtes von Bedeutung. Die Konzeption des Verfassungsstaats und die Notwendigkeit des Rechtsstaats, dass seine Amtswalter eine generelle Bereitschaft zur Durchsetzung des Rechts haben (subjektive Seite) und die Gestaltung der Rechtsstrukturen diese Bereitschaft fördert, schützt und zur Durchsetzung verhilft (objektive Seite), zielt in mehrfacher Hinsicht auf die Idee von „Verantwortung“: Die gesicherte Rechtsstellung des Beamten, verbunden mit dem Kernziel, dass der Beamte dem Gesetz Vorrang vor einem, im Einzelfall nicht gedeckten, womöglich parteipolitisch motivierten Wollen der Exekutivspitze einzuräumen hat562, also die Durchsetzung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in der Praxis in unparteiischer Weise und immun gegen Korruption, ist eng verknüpft mit einer Erwartungsposition des Rechts, die mit „Verantwortung“ umschrieben werden kann.

I. Zur Idee von Verantwortung im Verfassungsstaat Funktion und Legitimation von Verantwortung im heutigen Verfassungsstaat sind vielschichtig563. Verantwortung bildet Veränderungen des Rechts ab bzw. organisiert 562 Summer, Das Prinzip Verantwortung als Grundlage des Beamtenrechts, ZBR 1999, S. 181 ff. (182). 563 Instruktiv die umfassende Analyse von Jan Henrik Klement, Verantwortung, Funktion und Legitimation eines Begriffs im Öffentlichen Recht, Tübingen 2006 [zit.: Verantwortung]; vgl. Udo Di Fabio, Verantwortung als Verfassungsinstitut, in: W. Knies (Hrsg.), Staat, Amt, Verantwortung, Festschrift für Friedrich Karl Fromme, München 2002, S. 15 ff.; Ulrich Scheuner, Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung, in: Theo Rittersbach/Willi Geiger (Hrsg.), Festschrift für Gebhard Müller, Tübingen 1970, S. 379 ff.

I. Zur Idee von Verantwortung im Verfassungsstaat

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diese564. Die Verwendung des Begriffs von Verantwortung ist daher als Teil der Bemühungen zu verstehen, Steuerung durch Recht unter den veränderten Rahmenbedingungen des 21. Jahrhunderts zu ermöglichen. Er vermittelt zwischen Freiheit und Bindung, Normativität und Faktizität, positivem Recht und ethischem Anspruch des Rechts sowie zwischen Inhalt und Verfahren. In diesem Sinne soll er „dem Recht helfen, den Anspruch auf Verhaltenslenkung gemäß den Intentionen der Normsetzer sowohl innerhalb der staatlichen Organisation als auch bei den Privaten durchzusetzen“565. Verantwortung566 kann man als Rechtsbegriff näher spezifizieren, indem man seine Funktion in einer „Zuschreibungsrelation“ sieht567, die einer Person, einem Verantwortungsträger, einen (Verantwortungs-) Gegenstand zuschreibt; diese Zuschreibung erfolgt über rechtliche Sollenssätze, oder solche Sollenssätze, also Normen, knüpfen an diese Relation an. Abstrakt und klassisch unterschieden werden kann die Funktion und der Inhalt dieser Zuschreibungsrelation an den Verantwortungsträger in die Formen der Ex-post-Verantwortung und Ex-ante-Verantwortung568. Während bei der Ex-post-Verantwortung ein vergangenes, abgeschlossenes raumzeitliches Geschehen oder ein tatsächlicher Zustand, z. B. ein schadensbegründendes Verhalten als Verantwortungsgegenstand einer Person zugerechnet wird, bezieht sich die Ex-ante-Verantwortung auf eine Aufgabe oder einen Zustand in der Zukunft, verknüpft mit einer Erwartung und einem Zweck. Die in diesem Sinne verstandene Dimension von Verantwortung wird für die Untersuchung des Amtsbegriffes und seines ethischen Kerns im Horizont des Staatsverständnisses stärker von Bedeutung sein als die der Ex-post-Verantwortung, die besonders im (strafrechtlichen wie bürgerlich-rechtlichen) Deliktsrecht zur Geltung kommt. In der auf staatliche Steuerungszwecke und Gemeinwohl orientierten Zukunftsgerichtetheit liegen denn auch die besonderen rechtsdogmatischen Problemfelder und Kritikpunkte des Verantwortungsbegriffs. Ein Amtswalter als staatlicher Verantwortungsträger ist in vielen seiner Entscheidungen mit einem bestimmten Maß an Offenheit, Unbestimmtheit und Prognose und damit Ungewissheit konfrontiert, die ihn in der Anwendung von Normen zu einer Auslegung, Interpretation 564 Hierzu Klement, Verantwortung, S. 29 f. Hier nachfolgendes Bild von der jüngeren Verwendung des Begriffs Verantwortung stammt ebenfalls von Klement, ebd., S. 29. 565 Klement, ebd., S. 30. 566 In philosophischer Hinsicht ist der Begriff Verantwortung bei Hans Jonas ausgeleuchtet, derselbe, Das Prinzip Verantwortung, Frankfurt a. M. 1994, S. 172 ff. 567 Klement, ebd., S. 50 ff. (50): „Zuschreibungsrelationsbegriff“; siehe, ebd., S. 202 f., 457 f. 568 Vgl. Hans Christian Röhl, Verwaltungsverantwortung als dogmatischer Begriff?, Die Verwaltung Beiheft 2 Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht (1999), S. 33 ff. (35 f.); vgl. Kurt Bayertz, Eine kurze Geschichte der Herkunft der Verantwortung, in: derselbe (Hrsg.), Verantwortung: Prinzip oder Problem? Darmstadt 1995, S. 3 ff. (45), der zwischen prospektiver und retrospektiver Verantwortung differenziert; s. Klement, Veranwortung [Fn. 563], S. 50 ff., m. weit. Nachw., dort in Fn. 58 auf S. 50.

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4. Kap.: Das Prinzip Verantwortung als Grundlage des Amtes

und letztlich Bewertung zwingen. Damit ist der Begriff Verantwortung zugleich heuristischer Natur569, indem er der Dogmatik hilft, das durch den rechtlichen Sollenssatz gebotene Verhalten zu ermitteln und das Ergebnis rational zu begründen. Als Kontaktbegriff zur sozialen Realität570 spricht er den einzelnen Verantwortungsträger an, verzögert er Entscheidungen, indem er „den prüfenden Blick auf die Entscheidungsfolgen“ verlangt571. Diese subjektive Dimension von Verantwortung macht das Amt zum normativen „Kristallisationspunkt“ öffentlich-rechtlicher Verantwortungszurechung. Dies unterlegend lassen sich mit Di Fabio vier elementare Kennzeichen der Idee von Verantwortung im modernen Verfassungsstaat ausmachen: Den staatlichen Entscheidungsträger als – notwendig mit einem Mindestmaß an Rechtskompetenz und tatsächlicher Handlungsmöglichkeit ausgestattetes – Subjekt, einen Verantwortungsadressaten, einen sachlichen Verantwortungsumfang und schließlich bestimmte Konsequenzen von Verantwortung572. Stets gilt es dabei, die Doppelbödigkeit des Begriffs zu beachten, der besonders im Rahmen des Diskurses von Verantwortungsteilung virulent wird, zum einen als Bezeichnung für eine regulative Idee im Öffentlichen Recht bzw. darauf beruhenden Normen, gegenüber (zum anderen) der des tatsächlichen Vermögens einer Person hinsichtlich eines bestimmten Zieles, etwa staats- oder gesellschaftspolitischer Reformen. Bei dem Versuch, staatliche Verantwortungsstufen zu systematisieren, besteht die Schwierigkeit, dass Verantwortung, wie Jan Henrik Klement herausgearbeitet hat, häufig „als Platzhalter für das Gesuchte“ steht bzw. Ausdruck eines Anspruchs der Rechtsdogmatik „auf eine eigene normative, das heißt rechtserzeugende Funktion“

569 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, Zur Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts – Reformbedarf und Reformansätze [zit: Reform des Allg. Verwaltungsrechts], in: Wolfgang Hoffmann-Riem/derselbe/Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1. Aufl., Baden-Baden 1993, S. 11 ff. (44); Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl., Berlin 2004, S. 170; Wolfgang Weiß, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, DVBl. 2002, S. 1167 ff. (1175, dort Fn. 81) [zit.: Beteiligung Privater]; hierzu Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 46 ff., mit präzisierender Definition auf S. 49: „Heuristische Rechtsbegriffe sind solche, die in darstellbarer und nachvollziehbarer Weise auf die Konstatierung dogmatischer Sätze Einfluß nehmen, ohne dabei Rechtsbegriffe im engeren Sinne zu sein. Heuristische Begriff sind nicht-dogmatische Begriffe mit dogmatischem Wert“; s. auch ebd., S. 575. 570 Vgl. Klaus F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, München 1994, S. 419. 571 Klement, Veranwortung [Fn. 563], S. 575; diese Dimension des Verantwortungsbegriffs soll nachfolgend im Mittelpunkt der Betrachtung stehen; zu anderen Facetten der verfassungsrechtlichen Diskussion von Verantwortung vgl. Di Fabio, Verantwortung als Verfassungsinstitut [Fn. 563], S. 18 ff., der im Wesentlichen drei Komplexe der Verantwortungsdiskussion im Verfassungsrecht ausmacht, den der staatlichen Aufgabenteilung (möglicherweise mit der Folge einer unzulässigen Verantwortungsdurchtrennung), den der Inpflichtnahme des Staates (wie etwa über Art. 20 a GG) sowie den der Forderung nach mehr plebiszitären oder direkt demokratischen Elementen in den Verfassungen. 572 Di Fabio, ebd., S. 21 ff. (26), ähnlich Scheuner, Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung [Fn. 563], S. 391 ff.

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sein kann573. Da Verantwortung auch als Rechtsbegriff im engeren Sinne, also „Bestandteil rechtlich geltender Normsätze“, Ausfluss der Rechtsordnung sein kann, kommt es zur näheren Einordnung des vielschichtigen Verantwortungsbegriffs darauf an, ob eine in diesem Sinne normative Begriffsverwendung vorliegt oder Verantwortung als dogmatisch geprägter Begriff (weitgehend) eine „Schöpfung der Rechtsanwendung“ ist574. Die „Zauberformel Verantwortung“575 im Verfassungsstaat ist also mit einer hohen Erwartungshaltung der Rechtsdogmatik verknüpft. Sie soll Katalysator sein für die Steuerung durch Recht und damit zugleich der Verwirklichung des Gemeinwohls dienen. Konzeptionell kategorisiert wird der Begriff in der modernen Verwaltungslehre in Form der „Verantwortungsteilung“.

1. Konzeption von Verantwortungsteilung in der modernen Verwaltungslehre Der eingangs und im vergangenen Kapitel dieser Untersuchung umrissene Funktionswandel des Verwaltungsstaates, einhergehend mit einem Formenwandel administrativer Aufgabenerfüllung in Ablösung des Verwaltungshandelns vom strikten Konzept hierarchischer Steuerung, korrespondiert mit der Herausbildung bzw. Nutzung verschiedener, neuer Verantwortungskonzepte. Der Begriff der „Verantwortungsteilung“ lässt zwar auf eine Aufgabenteilung staatlicher und gesellschaftlicher Akteure und damit auf eine Grenzziehung zwischen privatem und staatlichem Terrain bei der Verwirklichung des Gemeinwohls schließen (gemeint ist aber nicht etwa ein „Rückzug“ des Staates auf seine „Kernaufgaben“576). Dem Konzeptversuch zur Verantwortungsteilung liegt aber vielmehr das Bedürfnis zugrunde, die Veränderungen bei der staatlichen Aufgabenwahrnehmung zu systematisieren577, wobei dabei im Wesentlichen der „Verantwortungsbe573 Klement, Veranwortung [Fn. 563], S. 576 f. (576, 577). Zu kritisieren sei daher „die verbreitete Übung“, Ziele, die sich aus dem Diskurs der Verantwortungsteilung ergeben, als Argumente in der juristischen Auslegung von Normen einzusetzen. 574 Zitate (Definition zur Verantwortung als Rechtsbegriff im engeren Sinne sowie Bild von Verantwortung als dogmatischer Begriff als „Schöpfung der Rechtsanwendung“) von Klement, ebd., S. 577. 575 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 26. 576 Vgl. statt aller Schuppert, Rückzug des Staates? [Fn. 461], S. 761 ff. (768). 577 Ausdrücklich Wolfgang Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsrechtsentwicklung, DÖV 1997, S. 433 ff. (441 ff., 441): „Versuch der Systematisierung der Steuerungsverantwortung des Staates“; ähnlich Schuppert, Staatswissenschaft [Fn. 110], S. 291: „Sektoren und Akteure unterscheiden und ordnen“. Zu unterschiedlichen Konzeptionen von Verantwortungsteilung in den Gerichtsbarkeiten vgl. Hoffmann-Riem, Verantwortungsteilung zwischen Staat und Privaten – die Verwirklichung des Rechtsstaats steht nicht unter Staatsvorbehalt, in: derselbe (Hrsg.), Modernisierung von Recht und Justiz, Frankfurt am Main 2001, S. 36 ff. (38 ff.).

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reich“ des Staates in den Blick genommen wird; dieser bleibt als aktivierender oder Gewährleistungsstaat, in unterschiedlicher Intensität, umfassend eingebunden. In rechtspolitischer Abgrenzung zu Konzepten der Deregulierung und Privatisierung und „in Selbstvergewisserung gegenüber dem Abgesang auf den Staat seitens der Globalisierungstheoretiker“578 soll staatliche Steuerung von der Gesellschaft dabei nicht als Eingriff, sondern als der Preis für ihre Teilhabe an der Verantwortung und diese als notwendige Voraussetzung begriffen werden, die eigenen Lebensbedingungen zu gewährleisten579. Bezogen auf die Perspektive des Verwaltungsakteurs wird innerhalb des Schrifttums die prägnante Unterscheidung dreier Grundtypen von Verwaltungsverantwortung getroffen, die der Erfüllungs-, Gewährleistungs- und Auffangverantwortung580 ; diese Typologie des Verantwortungsbegriffs Hoffmann-Riems im Sinne einer Vorstellung von Verantwortungsteilung hat sich weitgehend durchgesetzt581. Übernimmt der Staat die Verantwortung für die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben in eigener Regie, sei es durch eigene Amtswalter oder durch von ihm bedachte „Verwaltungstrabanten“, soll man demnach von Erfüllungsverantwortung sprechen582. In die Bereiche der Begleitung, Kontrolle, Korrektur oder Substitution der Steuerungsaufgaben von Verwaltung soll die so genannte Auffangverantwortung

578 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 26. In diesem Zusammenhang spricht die Politik auch von einem „Kernbereich“ der „alleinigen Verantwortung“ des Staates, siehe Zypries, Eröffnungsrede zur 5. Fachmesse und Kongress für Leistungsfähigkeit in der öffentlichen Verwaltung – Moderner Staat 2001, 19. November 2001, zitiert nach Klement, ebd. 579 Klement, ebd. 580 Anknüpfend an das Konzept der Verantwortungsstufung Schmidt-Aßmanns, Reform des Allg. Verwaltungsrechts [Fn. 569], S. 11 ff. (43 f.) insbesondere Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsrechtsentwicklung [Fn. 577], S. 441 f. und Schuppert, Verwaltungswissenschaft [Fn. 48], S. 404 ff., derselbe, Staatswissenschaft [Fn. 110], S. 290 ff. 581 Hoffmann-Riem, Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff moderner Staatlichkeit, in: Paul Kirchhof u. a. (Hrsg.), Staaten und Steuern: Festschrift für Klaus Vogel zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2000, S. 47 ff. (52 ff.); derselbe, Organisationsrecht als Steuerungsressource, Perspektiven der verwaltungsrechtlichen Systembildung, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/derselbe (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1. Aufl., Baden-Baden 1997, S. 355 ff. (362 ff.); Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat: Vorüberlegungen zu einem Konzept von Staatsentlastung durch Verantwortungsteilung, in: Christoph Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, 1. Aufl., Baden-Baden 1998, S. 72 ff. (102 ff.) [zit.: Vorüberlegungen]; das Trias kritisch aufgreifend Schulze-Fielitz, Grundmodi der Aufgabenwahrnehmung, § 12, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl., München 2012, S. 823 ff. (Rn. 158 ff., 159); von „Verantwortungsverteilung“ spricht Susanne Baer, Verwaltungsaufgaben, § 11, in: Grundlagen des Verwaltungsrechts, ebd., S. 779 ff. (Rn. 58); s. auch die Nachweise in Fn. 580. 582 Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsrechtsentwicklung [Fn. 577], S. 442; Klassische Beispiele für Aufgaben, die durch ein staatliches Wahrnehmungsmonopol gekennzeichnet sind, sind die Bereiche Polizei, Finanzverwaltung, Rechtsschutzgewährung, vgl. Schuppert, Staatswissenschaft [Fn. 110], S. 291.

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fallen583. Im Rahmen der Gewährleistungsverantwortung entfalte sich eine umfassende, differenzierte Gewährleistungsstruktur, der der Staat insbesondere durch eine Rahmen-, Regulierungs- oder Überwachungsverantwortung nachkomme584. a) Demokratische Legitimation als notwendiger Referenzboden Maßgeblicher Bezugspunkt dieser Konzepte ist der Verbund mit dem Grundsatz demokratischer Legitimation der öffentlichen Verwaltung aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Das gesamte Handeln der Verwaltung bedarf demokratischer Legitimation. Im klassischen Modell der hierarchischen Verwaltung sichert das Gebot der Gesetzesbindung der Verwaltung, ausgestaltet bzw. flankiert durch Normprogramme, Personal-, Organisations- und Verfahrensvorgaben (in Verbindung mit der Ministerverantwortlichkeit, die über die Weisungsgewalt in die Verwaltungsorganisation hineinwirkt), dass das Gesetz sich demokratisch zurechenbar zu entfalten vermag, also demokratische Legitimation vom Volk über das Parlament bis hin zur Verwaltung vermittelt. Hierbei wirken unterschiedliche Legitimationsabstufungen und -formen zusammen. Die Ausprägungen demokratischer Legitimation der Verwaltung erweisen sich angesichts der Vielgestaltigkeit der Aufgabenerfüllung und der unterschiedlichen organisatorischen Ausformung als vielschichtig585. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist nicht die Form der demokratischen Zurechnung staatlichen Handelns entscheidend, sondern deren Nachvollziehbarkeit und Effektivität. Notwendig sei, so hat das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, „ein bestimmtes Legitimationsniveau“. Dieses könne bei den verschiedenen Erscheinungsformen von Staatsgewalt im Allgemeinen und der vollziehenden Gewalt im Besonderen unterschiedlich ausgestaltet sein586. Die aus Art. 20 Abs. 2 GG resultierenden Anforderungen an eine „ununterbrochene Legitimationskette“587, ausgehend vom Volk über die von diesem gewählte Vertretung bis hin zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern, sind nach Maßgabe dieser Auslegung in einer Gesamtschau, einer Ergebnisbetrachtung staatlicher Aufgabenwahrnehmung zu bestimmen; ein bestimmtes Legitimationsniveau, auch ein mittelbares, reicht aus. Mit dieser verfassungsrechtlichen Auslegung wurde der Weg geebnet, wie Hoffmann-Riem herausgearbeitet hat, für die „Suche nach legitimationssichernden Faktoren, die ergänzend, verstärkend oder ggfs. sogar substituierend“ zu der über die Gesetzesbindung und Regierungsverantwortlichkeit vermittelten bzw. abgesicherten Legitimation öffentlicher Aufgabenwahrnehmung 583

Vgl. nur Hoffmann-Riem, ebd. Hoffmann-Riem, ebd., S. 441 f.; vgl. den „Funktionsatlas des Gewährleistungsstaates“ von Schuppert, Staatswissenschaft [Fn. 110], S. 293 ff. 585 s. Dreier, Art. 20 (Demokratie) in: derselbe (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. II, 2. Aufl., Tübingen 2006, Rn. 123 ff. (123). 586 BVerfGE 83, S. 60 ff. (72). 587 BVerfGE 83, S. 60 ff. (73); vgl. E 77, S. 1 ff. (40). 584

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durch die Verwaltung bestehen.588 Die Auslegung des Bundesverfassungsrechts wird insofern als zugleich hinreichende wie notwendige „Legitimationsbrücke“ zum sog. „neuen Steuerungsmodell“ betrachtet. Im Hinblick auf die hochkomplex organisierte, mit wechselseitigen Beteiligungsmöglichkeiten verschiedener Akteure ausgestattete, binnendifferenzierte moderne Verwaltungsstruktur sei es durchaus zweifelhaft, so die nahe liegende Argumentation, ob eine umfassende und ausschließliche Regelbindung über hierarchische Aufgabenbefugnisse zu erreichen ist. Die Annahme einer durch Gesetzesbindung und Hierarchie gesicherten Legitimation einer als Einheit gedachten Verwaltung werde jedenfalls um so brüchiger, je stärker staatliche Aufgabenträger mit Trägern außerhalb der Verwaltung kooperieren, je mehr es zu einer differenzierten und abgestuften Aufgabenteilung zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren kommt589. Daher liegt die Folgerung nahe, dass das Denken in Verantwortungsstrukturen in dieser Abkehr vom Bild einer „Einheit der Verwaltung“590 ihren konzeptionellen Ursprung hat591. Die Modelle zur Verantwortungsteilung dienen als Mittel, den „Raum zu thematisieren, der zwischen dem Kern hierarchisch-administrativer Verwaltung und einem Bereich gesellschaftlicher Selbstorganisation im Rahmen der

588 Wolfgang Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsrechtsentwicklung, DÖV 1997, S. 433 (438 f., 438); instruktiv zum Ansatz des Neuen Steuerungsmodells Jens-Peter Schneider, Das neue Steuerungsmodell als Innovationsimpuls für Verwaltungsorganisation und Verwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1. Aufl., Baden-Baden 1997, S. 103 ff. 589 Vgl. Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsrechtsentwicklung [Fn. 588], S. 440 ff. 590 Vgl. hierzu Brun-Otto Bryde/Görg Haverkate, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem, VVDStRL 46 (1988), S. 181 ff. u. 217 ff.; Schuppert, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem, DÖV 1987, S. 757 ff. 591 Nach Schuppert, Verwaltungswissenschaft [Fn. 48], fußt der Gedanke der Verantwortungsstufung in der Suche nach einem auf „Staatsentlastung“ und damit „Aufgabenentlastung“ zielenden Konzept, das er dem umfassenden Mandat der Verwaltung sowie der aufgabenbezogenen Typologie Schmidt-Aßmanns, die in die Verwaltungsmodalitäten Vollzug, Entfaltung, Programmverwirklichung, Initiative und Gesamtverantwortung untergliedert ist, gegenüberstellt, S. 400 ff. (402 ff.; Zitate S. 402); vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, VVDStRL 34 (1976), S. 221 ff. (232 ff.). Schuppert hat die Typologie der „Verantwortungsstufen“ inzwischen durch das Konzept der „Verantwortungsteilung“ ersetzt, s. Schuppert, Staatswissenschaft Fn. [110], S. 290 ff., 291 („weiterentwickelt“); Schuppert, Vorüberlegungen [Fn. 581], S. 102 ff.; vgl. Voßkuhle, Gesetzgeberische Regelungsstrategien der Verantwortungsteilung zwischen öffentlichem und privatem Sektor, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, Baden-Baden 1999, S. 47 ff. (78); kritisch zum Diskurs zur Verantwortungsteilung Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 57 ff. (59 f.), der die mangelnde Präzision der Modelle in der Anwendung auf konkrete Fallkonstellationen sowie fehlende Klarheit und Abgrenzung der „Verantwortungsarten“ untereinander herausstellt, bezogen auf Voßkuhle: „die Darstellung der Vielfalt der Verantwortungskategorien […] könnte leicht verlängert werden“ (Klement, ebd., S. 63).

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allgemeinen Rechtsordnung angesiedelt ist.“592 Die Konzeption von Verantwortungsteilung soll helfen, die verfassungsrechtlich geforderte ununterbrochene Legitimationskette in der modernen Verwaltung zu identifizieren. b) Kritik zum Diskurs der Verantwortungsteilung Die Konzepte zur Verantwortungsteilung bauen in ihren Grundgedanken darauf auf, legitimationssichernde Faktoren zu lokalisieren und Anforderungen zu definieren, die zu einer effektiven Aufgabenerfüllung der Verwaltung im demokratischen Verfassungsstaat notwendig sind. Je „kooperativer“ eine Aufgabe dabei erfüllt wird, desto stärker würden Maßgaben einer „Verantwortungsteilung“ benötigt. Die Verantwortung für Verwaltungsaufgaben müsse sich zu einem bestimmten Maße an den Strukturen ihrer Erfüllung orientieren593. Tatsächlich geht es, wie Susanne Baer herausgestellt hat, um die vertikale und horizontale Verflechtung von Akteuren und Verantwortlichkeiten: So führt etwa eine Privatisierung von Aufgaben nicht dazu, dass diese Verwaltungsaufgaben in Gänze zu Aufgaben der Privaten werden, vielmehr erwachsen hieraus neue Verwaltungsaufgaben, wie die der Kontrolle oder der Überwachung594. Die Vorstellung der Verflechtung und Verteilung von Verantwortlichkeiten im Bereich der staatlichen Aufgabenerfüllung findet sich im Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG)595. Die organisatorische und funktionelle Trennung der Gewalten, fundamentales Ordnungsprinzip des Verfassungsstaates, dient, neben der Kontrolle der Amtsträger und Machtinhaber, der „Verteilung von politischer Macht und Verantwortung“596. Staatliche Entscheidungen sollen möglichst von den Amtsträgern bzw. Organen getroffen werden, die hinsichtlich ihrer Funktion, Organisation und Verfahrensweise über die bestmöglichen Voraussetzungen verfügen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung wirkt nach diesem Ansatz

592 Trute, Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich verändernden Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor, in: Schuppert (Hrsg.) Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat. Baden-Baden 1999, S. 13 ff. (20 f.). 593 Vgl. Baer, Verwaltungsaufgaben [Fn. 581], Rn. 58, die zudem mit Blick auf die (Teil-) Privatisierung und Aufgabenerfüllung durch Private darauf hinweist, dass der starre Gegensatz von Staat und Privaten in der Praxis ebenso überwunden sei wie die „schlichte vertikal-hierarchische Abstufung der Aufgabenerfüllung“, indem z. B. Private unter Aufsicht des Staates handeln, ebd. 594 Baer, ebd. 595 Vgl. Susanne Baer, Vermutungen zu Kernbereichen der Regierung und Befugnissen des Parlaments, in: Der Staat 40 (2001), S. 525 ff. Baer analysiert dies treffend als „System selten exklusiver, eher durchlässiger und meist kooperativer Befugnisse auch zwecks Kontrolle“ (ebd., S. 546, vgl. S. 546 f.). 596 BVerfGE 68, S. 1 ff. (86); vgl. BVerfGE 95, S. 1 ff. (15).

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zielorientiert597, als Optimierungsgebot funktionsgerechter staatlicher Organisation bzw. „Gebot organadäquater Funktionenzuordnung“598. Dieser im verfassungsrechtlichen Gewaltenteilungsprinzip verortete funktionale Ansatz von Verantwortungsverteilung legt, übertragen auf das oben dargelegte verwaltungswissenschaftliche Grundgerüst zur Verantwortungsteilung, den Blick frei auf die Funktion der darin enthaltenen Typologie mit ihren drei Grundformen, Erfüllungs-, Gewährleistungs- und Auffangverantwortung: Die unterschiedlichen Verantwortungsbegriffe bezeichnen verschiedene Formen und Intensitäten staatlicher Aufgabenerfüllung, verschiedene Handlungsoptionen der Verwaltung im Hinblick auf eine Aufgabe, einen Zweck599. Auf den Typus der „Gewährleistungsverantwortung“ bezogen bedeutet dies etwa das Vermögen seines Trägers, durch die ihm rechtlich zur Verfügung stehenden Mittel die Durchführung einer bestimmten Aufgabe in einer bestimmten Zeit oder regelmäßig durch den Einsatz bestimmter Personal- und Sachmittel zu garantieren, die nicht Teil der eigenen Organisationsmacht und der eigenen Finanzressourcen sind600. Rechtsnormen geben auf der einen Seite den Rahmen der Aufgabendurchführung vor und konstituieren wegen der normativen Rechtsbindung der Verwaltung damit eine Erwartung grundsätzlich rechtmäßiger Aufgabenerfüllung601. Auf der anderen Seite vermögen Normen der Verwaltung auch die Befugnis oder Kompetenz einzuräumen, selbst Normen zu setzen und auf diese Weise „finalprogrammiert“ zu handeln. Der Begriff der Verwaltungs- oder spezieller der Gewährleistungsverantwortung schließt dabei ein tatsächliches Vermögen ein, welches über das Recht nur indirekt bestimmt wird. „Verantwortung“ wird für den Amtsträger daher nicht lediglich über die unmittelbar geltende Sollensaussage des Rechts relevant, sondern über die soziale Wirksamkeit, die durch Rechtsnormen als „reale Kausalmacht“602 bzw. Handlungsoption vermittelt wird. Die Bestimmung dessen, 597 Das BVerfG hebt in den zitierten Entscheidungen hervor, dass der Grundsatz dazu diene, dass staatliche Entscheidungen „möglichst richtig“ getroffen würden, zum anderen, dass er eine „Mäßigung der Staatsgewalt insgesamt“ bewirke (Zitate ebd.). Beide Aspekte weisen ein Ziel, als Charakteristikum von Verfassungsprinzipien (ein Optimierungsgebot) aus. 598 Vgl. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, VVDStRL 34 (1976), S. 221 ff., 228 f.; BVerfGE 68, S. 1 ff. (86); E 95, S. 1 ff. (15); vgl. Voßkuhle, Gesetzgeberische Regelungsstrategien der Verantwortungsteilung zwischen öffentlichem und privatem Sektor [Fn. 591], S. 66; s. auch Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 77 f. 599 So auch Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 77 ff. (79) sowie Helmuth Schulze-Fielitz, Rationalität als rechtsstaatliches Prinzip für den Organisationsgesetzgeber – Über Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen „weicher“ Leitbegriffe in der Rechtsdogmatik, in: Paul Kirchhof u. a. (Hrsg.), Staaten und Steuern, Festschrift für Klaus Vogel zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2000, S. 311 ff. (315). 600 Klement, ebd., S. 79. 601 Hierzu zu nachfolgendem Gedanken der Möglichkeit der Normenstatuierung Klement, ebd., S. 79; zur Gewährleistungsverantwortung vgl. Weiß, Beteiligung Privater [Fn. 569], S. 1175. 602 Klement, ebd., S. 79.

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was zu einer optimalen staatlichen Funktionenzuordnung und effektiven Aufgabenerfüllung notwendig ist, geht über die reine Rechtsdogmatik hinaus. Dies entspricht dem Ansatz der Verwaltungslehre, in welcher der Diskurs über Verantwortungsteilung geführt wird, einen multidisziplinär geprägten Verwaltungsbegriff herauszuarbeiten603. Klement hat rechtsanalytisch belegt, dass in den Modellen zur Verantwortungsteilung diese beiden grundsätzlichen Aspekte von Verwaltungsverantwortung, sowohl die auf Normen als auch die auf tatsächliches Vermögen bezogene Begriffe, verwendet werden und eine scharfe Unterscheidung nicht immer gelingt604. Das tatsächliche Vermögen im Diskurs der Verantwortungsteilung kann als ein Kausalkontext bezeichnet werden, in dem der Amtsträger bestimmte Folgen zu bewirken in der Lage ist, so dass die exakte Feststellung des Inhalts der Verantwortung abhängig ist von einer Analyse von Regelungsstrukturen in Gestalt eines „Vergleichs der tatsächlich gegebenen Rechtsordnung mit einer gedachten Rechtsordnung, die dem Postulat der Verantwortung genügt“605. Als Beispiel für die Wirkungsweise von subjektiven Wertungen in der Rechtsdogmatik sei das Sozialstaatsprinzip angeführt, das heute überwiegend so ausgelegt wird, dass es den Staat zwar verpflichtet, an den Bürger bestimmte Leistungen der „Daseinsvorsorge“ zu erbringen, ohne dass der Staat die hierzu erforderlichen Tätigkeiten notwendigerweise mit eigenen Personal- und Sachmitteln ausführen muss606. Dieser rechtsdogmatischen Auslegung liegt zwingend ein Blick auf das reale Problem zugrunde. Es wird deutlich, dass der Kern des Diskurses um Verantwortungsteilung in der Frage der Herstellung bzw. Sicherung des „richtigen“ und notwendigen Maßes an Staatlichkeit bzw. verfassungsstaatlicher Bindung bei der staatlichen Aufgabenerfüllung liegt. Genau hier liegt aber offenbar auch dessen Problematik, denn „Verantwortungsteilung“ kann mal mehr, mal weniger Staat bedeuten; sie kann das Produkt der Privatisierung von Aufgaben bezeichnen607, die Form des Zusammen603

Dazu Schuppert, Verwaltungswissenschaft [Fn. 591], S. 42. Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 80 f.; 105 ff; seine Kritik ist dabei umfassend und grundlegend: Die Protagonisten des Diskurses der Verantwortungsteilung haben, so Klement, „das politische Leitbild des aktivierenden Staates für sich übernommen“ und damit ein konservatives Vorverständnis offenbart (S. 108). 605 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 105 ff. (105); Klement verweist in diesem Zusammenhang zum einen auf eine „politikberatende Funktion“ von Verantwortung insofern, als die rechtspolitische Nutzung der Ergebnisse des genannten Vergleichs als Mittel zur Kreation neuen Rechts besonders nahe liege, zum anderen könne über die rechtsdogmatische Konstatierung von normausfüllenden Sätzen (Definitionen) eine unmittelbare Beeinflussung der Rechtsordnung durch die Typologisierung der Verantwortungsteilung erfolgen, die auf eine „schöpferische Interpretation“ der Rechtsordnung hinauslaufe. 606 Karl-Peter Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., München 2010, Art. 20 Abs. 1, Rn. 117; Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, § 57, in: derselbe/Paul Kirchhof (Hrsg.), HStR III, 2. Aufl. 1996, Rn. 168. 607 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 111, m. weit. Nachw. 604

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wirkens zwischen Staat und Privaten oder letztlich dieses Verhältnis in Gänze und in allen seinen Facetten. Das mit der Einführung des Begriffs, mit der Funktion von „Verantwortungsteilung“ in der Verwaltungsrechtwissenschaft verfolgte Ziel, die verschiedenen Formen von Interaktionen zwischen privatem und staatlichem Sektor zu systematisieren, gerät damit in Gefahr: Der kreative Ansatz, unterschiedliche Stufen staatlich-privater Aufgabenerfüllung zu ordnen, vermag über den Begriff der Verantwortungsteilung möglicherweise einen „überschießenden Deutungsgehalt“ zu produzieren, ohne jedoch das notwendige Maß an methodischer Trennungsschärfe zu erreichen608. aa) Leitbilder der Verantwortungsteilung als Auslegungsproblem des Rechtsanwenders Wenn die Konsequenzen aus dem verwaltungswissenschaftlichen Diskurs zur Verwaltungsverantwortung für eine Konturschärfung des Amtsbegriffes fruchtbar gemacht werden sollen, so sind aus den angesprochenen methodischen Gründen die dogmatischen Ableitungen aus den hinter den Konzepten von Verantwortungsteilung stehenden Leitbildern609, wie etwa das des aktivierenden Staates, soweit dies möglich ist zu abstrahieren. Der „normative Überschuss“, der nicht auf Normtexte selbst rückführbar ist, sondern in den gesellschafts-, staatstheoretischen oder ökonomischen Konzepten seinen Ursprung hat bzw. in Form einer folgenorientierten Auslegung i. e. S.610 in die Rechtsordnung eingebracht wird, ist also bei der Untersuchung dessen, was eine „verantwortungsvolle“ Amtsführung sei, gleichsam zu filtern. Ein wesentliches Stück des prima-facie-Überzeugungsgehalts im Diskurs der Verantwortungsteilung611 liegt in seinen impliziten Wertungen, in der Zielvorstellung einer optimierten und effizienten Verantwortungsteilung, in der der Staat das jeweils „notwendige“ Maß an Eigenleistung bzw. Kontrolle zur öffentlichen Aufgabenerfüllung erbringt. Dieser Zielvorstellung, die sich in einer Typologie optimierter Verantwortungsteilung niederschlägt, liegt ein Abwägungsprozess von Folgen, ein 608 Vgl. grundlegend Susanne Baer, Schlüsselbegriffe, Typen und Leitbilder als Erkenntnismittel und ihr Verhältnis zur Rechtsdogmatik, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, 1. Aufl., Baden-Baden 2004, S. 223 ff. (232 f.) [zit.: Schlüsselbegriffe]; Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 112. 609 Siehe Baer, Schlüsselbegriffe [Fn. 608]; Klement, Verantwortung, S. 107 ff. (108): „Verallgemeinernd wird man sagen können, dass der Diskurs der Verantwortungsteilung das politische Leitbild des aktivierenden Staates für sich übernommen hat und darin sein Vorverständnis offenlegt“; s. auch ebd. S. 179 ff.; umgekehrt demgegenüber Schuppert, Gemeinwohlverantwortung und Staatsverständnis, in: Helmut K. Anheier/Volker Then (Hrsg.), Zwischen Eigennutz und Gemeinwohl: Neue Formen und Wege der Gemeinnützigkeit, Gütersloh 2004, S. 25 ff. (47): „Das Leitbild des aktivierenden Staates nimmt dieses Konzept einer neuen Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft, zwischen der staatlichen Steuerungsverantwortung und der Verantwortung übernehmenden Zivilgesellschaft auf und sucht es konkretisierend umzusetzen.“ 610 Hierzu Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 179 ff. 611 Klement vergleicht dieses Phänomen mit der normativen ökonomischen Theorie des Rechts, Verantwortung [Fn. 563], S. 181 f.

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Auswählen aus mehreren möglichen staatlich-privaten Kooperationsformen zugrunde. Soweit dieser Abwägungsprozess die Begründungsstufe (bzw. „Verifikation“) nicht erreicht, ist dagegen kein hinreichender Einwand zu erheben. Politische Wertungen und rechtspolitische Leitbilder612 spielen unvermeidlich und legitimerweise bei der Rechtsfindung und -anwendung eine wichtige Rolle – herrschafts- und interessenfreie Entscheidungssituationen sind demgegenüber wirklichkeitsfremd613. Allerdings, so die berechtigte Entgegnung von Klement, könnten derartige Leitbilder und Wertungen, wie sie innerhalb des Diskurses der Verantwortungsteilung im Leitbild vom aktivierenden Staat zu finden sind, zulässigerweise nur auf der auslegungsmethodischen Stufe der „Hypothesenbildung“ zur Anwendung kommen. Sofern damit im Rahmen einer folgenorientierten Auslegungsmethode ein „letztes Hilfsmittel“ einer relativ rationalen Begründungsmöglichkeit verfolgt werde, sei dies als unzulässige Form der Rechtsanwendung abzulehnen, da damit der Grundsatz des „Inputs“ der Normtexte zugunsten einer „Output“-Grenze bzw. „Outcome“Orientierung verlassen werde. Die Interpretation nach Leitbildern des Diskurses der Verantwortungsteilung scheitere an nicht auf Normtexte rückführbare Folgebewertungen sowie, aufgrund ihrer fehlenden Funktionalität, letztlich an sich selbst614. bb) Objektiv-teleologische Argumentation des Normauslegers Die Kritik Klements beruht auf einer systematischen Analyse normativ zulässiger Argumentationsformen615, die insbesondere in semantischen, systematischen und objektiv-teleologischen Argumenten als Begründungen aus Rechtstexten bestehen. Ohne diese Analyse hier im Einzelnen nachzuvollziehen, kommt es für den Fortgang dieser Untersuchung auf die Beantwortung der Frage an, worin in diesem Rahmen der Kern einer „verantwortungsvollen“ Amtsführung besteht. Eine erste Annäherung zur Beantwortung dieser Fragestellung, die zunächst weiter im Kontext des Diskurses der Verantwortungsteilung erfolgen soll, wurde bereits gegeben, sie soll an dieser Stelle bekräftigt werden. Maßstab für die rechtliche Argumentation des Rechtsanwenders ist die Auslegung nach Maßgabe von Recht und Gesetz, Art. 20 Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 GG. Die objektiv-teleologische Auslegung bezeichnet eine folgenorientierte Form der Auslegung, die eine Prognose über die tatsächlichen Wirkungen einer Norm erfordert, die sich nicht unmittelbar über den Rekurs auf den „historisch-psychologischen Willen“ oder die „Zwecke“ des Gesetzgebers beziehen lässt, sondern eine Ermittlung 612

Vgl. Baer, Schlüsselbegriffe [Fn. 609], S. 232 ff. Vgl. Ulfrid Neumann, Juristische Argumentationslehre, Darmstadt 1986, S. 84 ff. in Auseinandersetzung mit Alexys These von der juristischen Argumentation als (Sonder-)fall des praktischen Diskurses. 614 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 179 ff. (188 f. m. weit. Nachw. zum „Geschöpf“ Niklas Luhmanns, das Rechtssystem an die „Output-Grenze“ zu verlagern). 615 Ebd., S. 123 ff. 613

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von Wertungen der Norm erfordert, die sich an „systemexternen Folgen“ und zu prognostizierenden Zuständen orientiert und sich damit auf „vernünftige“ oder „im Rahmen der geltenden Rechtsordnung objektive gebotene Zwecke“ orientiert616. Objektiv-teleologisches Argumentieren schließt allerdings die unmittelbare Ausrichtung des Rechts an „überpositiven Idealen“ aus, soweit diese selbst nicht in das Rechtssystem transformiert (und damit freilich nicht mehr „überpositiv“) sind, so dass sich der Rechtsanwender, in seiner Gestalt als Normausleger, in einer Art „Begründungsspirale“ befindet: Die Auslegung einer Norm nach Sinn und Zweck der geltenden Rechtsordnung verweist auf die Auslegung von Normen; die Bindung an die Norm, die der Text ausdrückt, bleibt617. Es geht für den Normausleger darum, aus den Rechtstexten Prinzipien zu begründen, die für die Entscheidung über die Auslegung dieser Norm Geltung beanspruchen; sowohl die Ermittlung der Prinzipien als auch deren Formung in zulässige Argumente erweisen sich als schwieriger Prozess und unterliegen der Gefahr, unter Rückgriff auf angebliche Gesetzeszwecke mitunter den subjektiven Willen des Interpreten zu Tage zu fördern oder diesen gar, unter vermeintlicher Berufung auf „vernünftige“, aus Rechtsprinzipien abgeleitete „Zwecke“, zu verdecken618. Die Bindung an Recht und Gesetz ist dabei zwingend. 616

s. Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., Berlin u. a. 1991, S. 316 ff. (erstes Zitat auf S. 316, vgl. S. 322); Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 3. Aufl., Frankfurt a. M. 1996, S. 295 f.; Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 123 ff., 161 ff., 168 ff., 179 ff. 617 Vgl. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation [Fn. 616], S. 296 f. (296, 297): „im Rahmen der geltenden Rechtsordnung“; „nicht […] empirisch festgestellte, sondern […] normativ ausgezeichnete Zwecke“; ausdrücklich und klarstellend Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 123 ff. (126), 168 ff. (168); vgl. Friedrich Müller/Ralph Christensen, Juristische Methodik, Bd. 1, 9. Aufl., Berlin 2004, Rn. 364, resümierend zur teleologischen Auslegung: „,Sinn und Zweck‘ ist […] keine Methode, sondern bereits ein Ergebnis“. 618 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 169 u. 176 f., weist darauf hin, dass der „Kanon der insoweit zulässigen Argumente“ bei der Genese normativer Rechtsprinzipien bis heute rechtstheoretisch noch nicht vollständig rekonstruiert sei (ebd., S. 177). Für Reimer, Verfassungsprinzipien [Fn. 346] ist daher die übliche Grundunterscheidung zwischen „subjektiver“ und „objektiver“ Auslegung „Suggestion“; gerade die sog. objektiven Auslegungsmethoden erwiesen sich bei genauerem Hinsehen als besonders subjektiv und sicherten in Form einer „Selbstermächtigung des Auslegers“ eher die Berücksichtigung der Zwecke des Interpreten als die des Telos der Norm (ebd., S. 132). Nach der hier vertretenen Auffassung schließt diese warnende Bewertung Reimers allerdings nicht aus, unter Rückbezug auf den Normtext selbst, wertende Bedeutungszuschreibungen vorzunehmen. Auch Schlink, Bemerkungen zum Stand der Methodendiskussion in der Verfassungsrechtswissenschaft, Der Staat 19 (1980), S. 73 ff. [zit.: Methodendiskussion], bemerkt, dass das traditionelle Auslegungs- und Subsumtionsschema unter der Rubrik „teleologische Auslegung“ „ziemlich beliebige, rechtlich unausgewiesene und methodisch undisziplinierte Argumente“ erlaube (S. 90); wichtig ist auch sein Hinweis, dass das Offenlegen der „Unmethode“ das Fehlen einer Auslegungsmethode nicht zu kompensieren vermag. Rolf D. Herzberg, Kritik der teleologischen Gesetzesauslegung, NJW 1990, S. 2525 ff., weist auf die Gefahr der falschen Beschreibung des Normzwecks hin (ebd., S. 2529 f.); s. derselbe, Die ratio legis als Schlüssel zum Gesetzesverständnis? – Eine Skizze und Kritik der überkommenen Auslegungsmethodik, JuS 2005, S. 1 ff.; vgl. Bernd Rüthers, Methodenrealismus in Jurisprudenz und Justiz, JZ 2006, S. 53 ff. (57).

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Alexy verweist daher darauf, dass ausschließlich „diejenigen Zwecke vernünftig oder im Rahmen der geltenden Rechtsordnung objektiv geboten sind, die die im Rahmen der geltenden Rechtsordnung aufgrund vernünftiger Argumentation Entscheidenden setzen würden“.619 Bei der Operationalisierung handelt es sich um ein hermeneutisches Verfahren im Sinne einer Interaktion von Text und Subjekt, das, zurückgebunden an den Text, als „kommunizierbar rational“ und „argumentativ kontrollierbar“ bezeichnet werden kann; ein unkontrolliertes Durchbrechen individueller rechtspolitischer oder ethischer Wertungen soll hierbei vermieden werden620. Bei der Betrachtung von Methoden der Rechtsauslegung erlangt – im Hinblick auf den angesprochenen Prozess der Operationalisierung auf Grundlage und im Rahmen der geltenden Rechts- und Verfassungsordnung – der Rückbezug auf ethische Fragen wiederum Relevanz, allerdings nicht als dogmatisches Mittel zur Ausrichtung des Rechts an eigene Wertungen oder rechtspolitische Leitbilder, sondern als Grundbedingung der Auslegung, der Rechtsanwendung selbst, die in der Erwartung des Rechts begründet liegt.

2. Normative Erwartung des Rechts und „rechtsexterne“ Bedeutungszuschreibungen als Referenzfelder für das Amtsethos Der gebundene „Konstruktivismus“ der Subsumtion und Auslegung, die der Rechtsanwender zu leisten hat, entspricht, methodischer Feinheiten ungeachtet, einer den normativen Erwartungen entsprechenden Operationalisierung der recht-

619

ser).

Theorie der juristischen Argumentation [Fn. 616], S. 296 (Hervorhebung vom Verfas-

620 Die Formulierung ist Schlink, Methodendiskussion [Fn. 618] entnommen, der betont, dass in der gewaltenteiligen Verfassung zwar die Kompetenz politischen Wertens von Legislative und Regierung auf Judikative und Verwaltung delegiert werden müsse, aber die „Freiheit der Verfügung“ dadurch ausgeschlossen werde, dass diese eine gewisse Grenze erfahre, die zwischen der Berücksichtigung von Folgen und der eigenständigen Setzung von Präferenzen angesiedelt sei (ebd., S. 94, s. auch S. 103); Klement, Verantwortung [Fn. 563], spricht von „kreativ nachvollziehend“ (ebd. S. 177, s. auch S. 188 sowie, zur Auseinandersetzung mit Alexy, S. 184 ff.). Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik [Fn. 617], Rn. 364; Thomas W. Wälde, Juristische Folgeorientierung, Königstein/TS. 1979, hebt hervor, der Einwand fehlender Legitimation weitreichender Folgenorientierung in juristischen Entscheidungen gründe sich darauf, dass dem Rechtssystem die demokratische Legitimation und „Verantwortung“ des Gesetzgebers fehle; daher gelte es, „das Legitimitätskonzept so fortzuentwickeln, dass es Kompetenzkriterien in Ansehung der materiellen Funktion einer Entscheidung, ihres Gewichtes und ihrer Wirkungen hervorzubringen imstande“ sei (S. 96); Christian Seiler benennt fünf Gruppen von Interpretationskriterien, anhand derer die teleologische Auslegung vorzunehmen sei, Auslegung als Normkonkretisierung, Heidelberg 2000, S. 30 ff.

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lichen Bedeutung einer Norm bezogen auf einen konkreten Anwendungsfall; sie ist stets normativ gebunden621. Übertragen auf einen speziellen Akteur eines „Rechtsanwenders“, den Inhaber eines öffentlichen Amtes, liegt in eben dieser Erwartung die rechtsethische Komponente seines Amtes; da die Erwartung normativen Charakter hat, kann „Amtsethos“ gerade nicht bedeuten, Rechtsanwendung und -umsetzung anhand überrechtlicher oder eigener, persönlicher Wertvorstellungen zu betreiben, auch nicht, wenn sich alle anderen Auslegungsmethoden als unergiebig erwiesen haben sollten622. Vor dem Hintergrund des Gebots der Rückführbarkeit der Auslegung von Normen auf Normtexte hat das Ethos des Amtes seinen Referenzboden in einer der normativen Erwartung des Rechts entsprechenden Operationalisierung. Keine Preisgabe der auf die Bindung des Normanwenders an Recht und Gesetz rückführbaren Maxime ist hingegen dann gegeben, wenn das Recht selbst eine Operationalisierung, etwa eines Ausdrucks, anhand bestimmter rechtsexterner Bedeutungszuscheibungen zulässt oder gar erwartet, zum Beispiel anhand der Anschauungen des „Durchschnittsbetrachters“ o. ä. Es ist nicht unüblich, dass der Normgeber offene Begriffe verwendet, die eine Wertung des Rechtsanwenders erfordern, welche in den Grenzen des Rechts durch den zuständigen Rechtsanwender grundsätzlich frei gesetzt werden können623. Ein „Rezeptionsbegriff“ ist dabei dann gegeben, „wenn das Recht vom Rechtsanwender die Ausfüllung eines Rechtsbegriffs anhand einer von ihm zu ermittelnden und wahrzunehmenden, rechtsexternen Bedeutungsschreibung verlangt“624. Da die Rechtsordnung auf Rezeptionsbegriffe angewiesen und eine rein formalisierte Rechtsanwendung auf Grundlage einer positivistischen Rechtskonzeption in

621

Schlink, Methodendiskussion [Fn. 618], spricht daher, in Zusammenführung der Positionen von Kriele und Müller zur falsifizierenden Funktion der Folgen, vom Normtext als dem Kriterium für die Scheidung der relevanten von den irrelevanten Folgen, der für jene „Anknüpfungspunkte“ bietet; nur sofern dies der Fall sei, könne die soziale Wirklichkeit in die Rechtsverwirklichung eingebracht werden (ebd., S. 103, lesenswertes Beispiel auf S. 104). 622 Seiler, Auslegung als Normkonkretisierung [Fn. 620], betont, dass auch die zweckbezogene Auslegung letztlich der Verwirklichung der „Rechtsidee“ (Gustav Radbruch) i. S. von Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit diene, und verlangt vom Rechtsanwender, neben der realitätsgerechten Erfassung des zu regelnden Lebensbereichs „durch empirische Erhebungen“, der Berücksichtigung „normativ angeleitete[r] Erwägungen der Zweckmäßigkeit“ und der einzelfallbezogenen Einschätzung des Kausalverlaufs unter Berücksichtigung der Voraussetzungen und Folgen der jeweiligen Regelung, die logische Interpretation i. S. von Savignys und logisches Schlussverfahren, ggfs. den hilfsweisen „rechtsvergleichenden Blick“ auf andere Rechtsordnungen, ebd. S. 30 ff. (Zitate S. 30, 31, 32). 623 Dieser Typus eines für die subjektive Wertung offenen Begriffs wird häufig als „unbestimmter Rechtsbegriff“ bezeichnet, vgl. Röhl, Allgemeine Rechtslehre [Fn. 570], S. 40. 624 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 248 – 249 mit Verweis auf das herausragende Beispiel für einen Rezeptionsbegriff, den Begriff der „Würde des Menschen“ in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG.

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letzter Konsequenz weder denkbar noch wünschenswert ist625, gehören ethische Prinzipien jedenfalls insoweit zu Recht, als das positive Recht diesen Zusammenhang selbst herstellt626. Dieser Zusammenhang kann dazu führen, dass außerrechtliche, ethische Verantwortungskonzepte in das Recht aufgenommen werden; dies ist zum Beispiel insbesondere und offenkundig der Fall, wenn ein Normtext etwa explizit den Ausdruck „Verantwortung“ enthält, die rechtliche Auslegung aber Raum lässt für die Rezeption einer außerrechtlichen Bedeutungszuschreibung. Eine der Schwierigkeiten für den Rechtsanwender liegt darin festzustellen, ob und inwieweit dies der Fall ist. Insbesondere ein staatsrechtlicher Begriff kann auf ein politisches Konzept hindeuten, so dass die Gefahr besteht, mit der (politisch motivierten) Auslegung die Normativität der rechtlichen Bedeutung wiederum auszuhebeln. Verfassungsrechtliche „Schleusenbegriffe“, die in einem bestimmten Maße offen sind für rechtspolitische oder rechtsethische Ordnungsideen, sind daher eher restriktiv als solche zu verstehen und auszulegen627. Schleusenbegriffe sind solche, die „auf vorhandene ethische und soziale Anschauungen verweisen und diesen in ihrem wechselnden Gehalt rechtsverbindliche Bedeutung zuerkennen und sie rechtlich sanktionieren, sie mithin in das positive Recht einschleusen“628. Für die Umsetzung der Erwartungen des Rechtsstaats an den Amtsträger als Rechtsanwender gibt es auch bei strengster Beachtung des Grundbausatzes juristischer Methodik und Subsumtionstechnik letztlich nur unzureichende Anleitungen zur Operationalisierung des Rechtstextes. 625 Dies gilt unabhängig von der Frage, ob ein zutiefst ungerechtes Recht von Rechts wegen statuiert werden darf oder nicht, Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 251; nach H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, sind die Kriterien der Rechtsgültigkeit einer Norm und deren Verwendung unabhängig von ihrem Bezug „zu Sittlichkeit und Gerechtigkeit“, 1. Aufl., Frankfurt a. M. 1973, S. 255 ff. (255), im Original als „The Concept of Law“ erschienen (1. Aufl., Oxford 1961). Dagegen differenziert Alexy, indem er den notwendigen Zusammenhang des Rechts mit der Idee einer richtigen Moral „im Sinne einer begründeten Moral“ herstellt – nicht jedoch mit einer bestimmten, „als richtig auszuzeichnenden inhaltlichen Moral“. Die Idee einer „richtigen Moral“ habe, so Alexy unter Bezugnahme auf Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft, den Charakter einer „regulativen Idee im Sinne eines anzustrebenden Ziels“, die den Anspruch auf Richtigkeit zu einer mit dem Recht notwendig verbundenen idealen Dimension führe; Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, Freiburg 2002, S. 136; vgl. ebd. S. 201 ff. 626 Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, S. 127. 627 Siehe Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 251 ff.; E.-W. Böckenförde, Die Eigenart des Staatsrechts und der Staatsrechtswissenschaft, in derselbe, Staat, Verfassung, Demokratie, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1992, S. 11 ff. (20 f., 27 f.) weist zu Recht darauf hin, dass der Versuch des staatsrechtlichen Positivismus, eine „neutrale“ Interpretation staatsrechtlicher Kernbegriffe, isoliert aus ihrer politischen Bezogenheit, „gescheitert [ist] und […] scheitern“ musste, ebd., S. 25; Voßkuhle, Die Renaissance der „Allgemeinen Staatslehre“ im Zeitalter der Europäisierung und Internationalisierung, JuS 2004, S. 2 ff. (4); vgl. Habermas, Faktizität und Geltung [Fn. 425], S. 554 f. (555), der von einer zunehmend „rechtsphilosophische[n] Gestalt“ der Verfassungsinterpretation spricht. 628 Böckenförde, Vom Ethos der Juristen [Fn. 1], S. 26, dort Fn. 47, unter Verweis auf Böckenförde, Bleibt die Menschenwürde unantastbar?, in: derselbe, Recht, Staat, Freiheit, erw. Ausgabe, Frankfurt a. M. 2006, S. 418.

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Auch die Auslegung von Rezeptionsbegriffen wird zwar in vielen Fällen im Laufe der Zeit durch ihre zunehmende Anwendung als Rechtsbegriff – und je stärker diese durch anerkannte dogmatische Sätze „verrechtlicht“, geprägt und verändert sind – häufig ein Stück weit rechtlich greifbarer operationalisierbar. Dies ist jedoch nicht zwingend gegeben629 – das Recht bleibt stets in bestimmtem Maße dynamisch. Aus der Annahme, dass das Ethos des Amtes aus einer rechtsstaatlichen Erwartungshaltung des Rechts gespeist wird, folgt der Anspruch, die Umsetzung des Rechts, die Anwendung des Gesetzes, die Operationalisierung und die Auslegung des Normtextes, so gut dies möglich ist, aus dem Recht unmittelbar selbst zu gewinnen. In der Konsequenz dieses Gedankens liegt ein Paradox, denn es ist eine Folge des Rückbezugs auf außerrechtliche und ethische Handlungsziele, dass sich Verantwortung, verwendet als Rechtsbegriff im engeren Sinne und damit der Auslegung des Rechtsanwenders unterzogen, in manchen Anwendungsfällen gerade gegen die rechtliche Bindung wendet. Allerdings sollte Verantwortung in der Regel zu einer „strengen“ Anwendung des Rechts führen, zumal es als Rechtsbegriff im engeren Sinne die Berücksichtigung von Rechtssicherheit und Orientierungssicherheit bündelt und dem Rechtsanwender grundsätzlich verbietet, das „Verantwortungsgefühl“ über das Recht zu stellen630. An den Funktionen des Verantwortungsbegriffs als Rechtsbegriff im engeren Sinne sowohl als Ziel als auch als Bedingung des Rechts zeigt sich die Nähe der rechtlichen Verantwortung zu ethischen Normen, die von besonderer Bedeutung ist für die „Verantwortung“ des Amtsträgers: Die beschriebenen Funktionen von Verantwortung „induzieren die bindende Dimension der Verantwortung, den Rückbezug des Begriffs auf heteronome Maßstäbe und die große, abstrakt nicht präzise angebbare Weite der Bindung sowie […] die herausgehobene Stellung des Verant-

629 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 255 f. mit dem Beispiel „Treu und Glauben“ in § 242 BGB; Habermas, Faktizität und Geltung [Fn. 425], S. 316 f. (317), bezeichnet dies als „Anwendungsdiskurs“ offener Normen. Ein Gegenbeispiel bildet der Begriff der „Republik“, der einen solchen „Anwendungsdiskurs“ weniger als andere Staatsfundamentalprinzipien erfahren hat und hinsichtlich der Inkorporierung rechtsfolgenoffener Inhalte, wie es hier vertreten wird, umstritten ist, vgl. auch BVerfGE 109, S. 279 ff. (311 f.) (akustische Wohnraumüberwachung) zur Operationalisierung des Menschenwürdebegriffs als „tragendes Konstitutionsprinzip und oberster Verfassungswert“, wonach der „Gewährleistungsgehalt dieses auf Wertungen verweisenden Begriffs […] in Ansehung des einzelnen Sachverhalts mit dem Blick auf den zur Regelung stehenden jeweiligen Lebensbereich und unter Herausbildung von Fallgruppen und Regelbeispielen“ in der Rechtsprechung zu konkretisieren sei. 630 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 407; vgl. zur Diskussion der „Bürgerverantwortung“ in diesem Kontext Michael Sachs, Bürgerverantwortung im demokratischen Verfassungsstaat, DVBl. 1995, S. 873 ff. (890); zur Remonstrationspflicht des Amtsträgers in den Fällen, in denen das Recht sich als evident ungerecht darstellt und auch aus Gründen der Rechtssicherheit eine Durchsetzung bzw. Befolgung ethisch nicht mehr zu rechtfertigen wäre, siehe Rudolf Summer, Das Prinzip Verantwortung als Grundlage des Beamtenrechts, ZBR 1999, S. 181 ff. (182 f.).

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wortungsträgers im Vergleich zum Pflichtenadressaten“631. Hieraus kann sowohl eine Aufnahme ethischer Zielsätze in das Recht bewirkt werden, als auch umgekehrt ein „Herausziehen“ eines rechtlichen Normsatzes aus dem Recht erfolgen. Letzteres setzt voraus, dass die Qualität von Verantwortung als Bedingung der Wirksamkeit von Recht die normative Qualität eines Rechtssatzes wirksam in Zweifel zieht. Diese besondere Fallkonstellation ist nur in denjenigen Ausnahmefällen denkbar, wenn sich das Recht als offenkundig und evident ungerecht darstellt und auch die aus dem Rechtsstaatsprinzip im Zweifel gebotene Durchsetzung des Rechtssatzes verantwortungsethisch unter allen Umständen nicht mehr zu rechtfertigen ist632. Doch auch in einem solchen Fall wird die sich vordergründig als „verantwortungsethisch“ begründete Nichtanwendung eines Rechtssatzes im Prinzip auf einen rechtlichen bzw. verfassungsrechtlichen Rückbezug verwiesen werden können, wie dies insbesondere im Grundsatz der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG und namentlich in Gestalt der grundrechtlichen Freiheitsgewährleistungen zu Tage tritt. Indem das verfassungsrechtliche Normgefüge des Verfassungsstaats des Grundgesetzes, wie bereits aufgezeigt wurde633, „die Wertmitte der Menschenwürde“634 und das Verfassungsprinzip der Freiheit in den Mittelpunkt stellt, schließt es ein „positivrechtlich gefordertes Ausstrahlen der Idee der Gerechtigkeit auf alle Bereiche des Rechts ein“635. Die Grundrechte verkörpern insoweit auch materiale, vorstaatliche Konstruktions- und Ordnungsprinzipien, die nicht zur Disposition des Staates stehen und die „als solche in das positive Verfassungsrecht unmittelbar ordnungskonstituierend hineinragen“636. Für den Amtsträger stellt die oben beschriebene „Erwartung“ des Rechts den Referenzboden für das Amtsethos dar; bezogen auf den Verantwortungsbegriff, in dem sich die rechtsexterne Bedeutungszuschreibung und damit ein Infiltrieren ethischer Normen in das Recht auf die hier aufgezeigte komplexe Weise vollzieht, stellt sich die Frage, ob diese „Erwartung“ ein unmittelbar rechtlich wirksames Rechtsgebot der Rechtsbefolgung begründet637: Ist der Amtsträger verpflichtet, mehr zu tun als das rechtlich Gebotene? 631 Klement, Veranwortung [Fn. 563], S. 408, vgl. ebenso zu nachfolgend angedeuteter Tendenz von Verantwortung zur „Entrechtlichung“ des Rechts, ebd., S. 407 – 409. 632 Vgl. grundsätzlich, zur Beziehung von Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit, Gustav Radbruch, Rechtsphilosophie [Fn. 232], S. 73 ff., 78 ff. 633 Siehe oben 2. Kapitel, Abschnitt II. 634 Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, [Fn. 225], S. 301. 635 Alexy, Theorie der Grundrechte [Fn. 226], S. 495. 636 Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, [Fn. 225], S. 298 (Hervorhebungen im Original). 637 Im Kontext der Bürgerverantwortung (nicht der des Amtsträgers) verneint Klement dies ausdrücklich, denn ein „Rechtsgebot, den Rechtsgeboten Folge zu leisten“, sei überflüssig und sinnlos, da es sich selbst nur um ein Rechtsgebot handelte; die bloße Verdopplung eines Gebots könne jedoch weder seine reale Bedeutung noch seine Wirksamkeit steigern, ebd., S. 408.

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II. „Verantwortung“ des Amtsträgers Die „Verantwortung“ des Amtsträgers wurde bisher im Kontext von Verantwortung und des Diskurses der Verantwortungsteilung dargelegt, in dessen Rahmen die Rolle des Amtsträgers als Normausleger problematisiert wurde, der der „normativen“ Erwartung des Rechts zu genügen und rechtsexterne Bedeutungszuschreibungen des Rechts zu berücksichtigen hat. Die rechtliche Funktion und Dimension von Verantwortung des Amtsträgers wird darüber hinaus besonders im Zusammenhang mit der Zuschreibung von Zuständigkeiten virulent, wobei im öffentlich-rechtlichen Diskurs mitunter der Eindruck entsteht, als sollten sich die Begriffe (Zuständigkeit und Verantwortung) gegenseitig erklären638. Nachfolgend soll daher in knapper Form skizziert werden, worin die markanten Unterschiede in der Funktion der Verantwortung des Amtsträgers zur Zuständigkeit bestehen.

1. Zuständigkeit oder Verantwortung? „Verantwortung“ als Rechtsbegriff i. e. S. kann auch die Rolle des Zuständigkeitsbegriffes übernehmen, womit häufig potentiell zusätzliche Funktionen verbunden sind, die den Verantwortungsträger sowohl binden als auch „freistellen“ können639. Dieser überschießende Bedeutungsgehalt kann darin liegen, dass die Im Gemeinwohlbezug des Amtsträgers könnte jedoch, wie der nächste Abschnitt untersuchen soll, eine rechtsethische Komponente des Amtsprinzips liegen, die Eingang in die reale Rechtsordnung gefunden hat und über das reine Gebot zur Rechtsbefolgung i. e. S. hinausgeht, siehe nachfolgender Abschnitt 2. 638 Vgl. Werner Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 3, 1. Aufl., Tübingen 2000, Art. 104a, Rn. 10, nach der „Aufgabenverantwortung […] die verfassungsrechtlich zugewiesene Zuständigkeit“ sei; anders in Folgeauflage: „Die Abgrenzung der finanziellen (Ausgaben-)Verantwortung ist […] elementarer Bestandteil einer funktionsfähigen föderativen Verfassungsordnung“, derselbe, Grundgesetz, Bd. 3, 2. Aufl., Tübingen 2008; Weiß, Privatisierung von Staatsaufgaben, München 2002, S. 8; kritisch Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre [Fn. 377], S. 276, vgl. auch ebd., S. 262 zur Nähe der vom Bundesverfassungsgericht „berufenen Verantwortung zum Zuständigkeitstopos“, sowie Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 267 ff., der feststellt, dass man „das in der Rechtssprache diffundierte Wort Verantwortung zu domestizieren“ versuche, indem man seinen Inhalt auf bekannte Kategorien zurückführe, ebd., S. 268 f. 639 Vgl. hierzu und zu nachfolgender Erläuterung Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 263 ff., 275 ff., 284 ff., 310 f. Zum Zusammenhang von (Gesetzgebungs-)Kompetenz, Regelungsbereich, Zuständigkeit und Verantwortung siehe auch BVerfGE 109, S. 190 ff. (234), wonach die Länder nicht befugt sind, einen bestimmten Regelungssachverhalt (hier die Straftäterunterbringung) zu regeln, wenn der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat: Der Bundesgesetzgeber habe das Recht der Sicherungsverwahrung umfassend geregelt und damit an sich gezogen; dadurch habe er die „Verantwortung“ für das Rechtsgebiet vollständig übernommen, der er sich anerkanntermaßen teilweise durch Gesetz wieder entledigen könne. Ein übliches Mittel der Gesetzgebungstechnik

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„Verantwortung“ über die Begründung der Möglichkeit der rechtmäßigen Wahrnehmung einer Aufgabe hinausgeht, etwa indem es in der Hand des Verantwortungsträger liegt, die Bedingungen der Verantwortung, die auf die Rechte und Pflichten anderer Personen ausstrahlen kann, zu erfüllen oder zu beeinträchtigen. So wird zum Beispiel die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht allein im Sinne einer verfassungsunmittelbaren Zuständigkeitszuweisung verstanden, sondern auch als eine Garantie „real wirksamer“, gestaltungsfähiger Eigenverantwortung durch den Staat, die diesen verpflichtet, den Gemeinden die Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, die diese für ein Handeln „in eigener Verantwortung“ (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) benötigen640. Diese Wirkung liegt in der Ambivalenz und in dem „Spielraum“641 begründet, die der Verantwortungsbegriff eröffnet. Dieser Spielraum kann zum Beispiel darin liegen, dass die normative Dichte einer Aufgabenzuweisungsnorm in dem Maße abnimmt, in dem diese (Norm) dem Verantwortungsträger das „Wie“ der Aufgabenerfüllung teilweise überlässt. Wie in der Betrachtung des Diskurses zur Verantwortungsteilung aufgezeigt wurde, ist dabei entscheidend, dass die Norm das „Ob“ regelt und die Verantwortungsteilung zwischen staatlichen und privaten Akteuren auf der Grundlage von normativen Maßstäben und nicht nach rechtspolitisch wünschenswerten Leitbildern erfolgt, die Aufgabenzuweisungsnorm dem Adressaten im Hinblick auf den anzuwendenden Fall also einen Spielraum zur Operationalisierung im Sinne mehrerer zulässiger Verhaltensoptionen überlässt. Ein solcher Spielraum kann auch materieller Natur sein, zum Beispiel in einer Beurteilungsermächtigung liegen, die dem Normadressaten die grundsätzlich „letztverbindliche“ Interpretation i. S. der Subsumtion des konkreten Falles bei der Auslegung eines bestimmten Norminhaltes zubilligt642. Während also die Zuständigkeit von der präzisen arbeitsteiligen Organisationszuweisung, der Sicherung der Entscheidungshierarchie und der Gewährleistung eines möglichst effizienten Verwaltungsablaufes her geprägt ist, betrifft die Zuweisung von Verantwortung darüber hinaus auch die Erreichung oder Bewahrung seien in diesem Zusammenhang Regelungsvorbehalte, mit denen der Bundesgesetzgeber den Ländern „einzelne Regelungsbefugnisse aus dem eigenen Zuständigkeits- und Verantwortungskreis“ übertrage. 640 Vgl. etwa Kyrill-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, 6. Aufl., München 2010, Art. 106 Abs. 5 – 7, Rn. 101 mit zahlr. weit. Nachw. Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 271 f., verweist hinsichtlich der Einrichtungsgarantie in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Parallele zur Entfaltung von objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimensionen und daraus abgeleiteten Schutzansprüchen und darauf, dass aus der „Zielvorstellung“ einer funktionierenden Selbstverwaltung als Einrichtung zurückgeschlossen werde auf die Geltung der Normen, „die zur Bewahrung oder Wiederherstellung des Zielzustandes erforderlich sind“, ebd., S. 272. 641 Der Begriff wird eingebracht und erläutert von Klement, ebd., S. 273 ff. (273). 642 Die Grenzen der Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs werden dabei insbesondere durch eine „vertretbare“ Wahrnehmung dieser Befugnis im Hinblick auf den Sinn und Gehalt des Begriffs bestimmt, vgl. BVerfGE 72, S. 330 ff. (399).

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bestimmter Zustände; hierzu zählt regelmäßig eine größere Vielfalt rechtlich erlaubter Verhaltensweisen. Während beide Begriffe Zuschreibungsrelationsbegriffe sind, die Personen und Gegenstände (Aufgaben) miteinander verbinden, wirkt Verantwortung in diesem Sinne eher „materiell“, Zuständigkeit eher „formell“. Die Zuständigkeit als die von Rechts wegen gegebene Möglichkeit, eine Aufgabe rechtmäßig wahrzunehmen643, hat die Funktion, das aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip abzuleitende grundsätzliche Verbot staatlichen Handelns zu durchbrechen: Der Amtsträger kann nur dann rechtmäßig handeln, wenn sich sein Handeln als Wahrnehmung einer ihm zugewiesenen Aufgabe darstellt – außerhalb dieser Ermächtigung hat er keine Handlungsbefugnis644. Der Verantwortungsbegriff geht potentiell über diese Dimension hinaus und eröffnet dem Amtsträger als einem der primären Normadressaten häufig weitere Funktionen, die sich sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der Rechtsmacht des Verantwortungsträgers auswirken können. Sofern davon eine weite, final programmierte Aufgabenzuweisung an einen Amtsträger verbunden ist, betrifft dessen Verantwortung zudem den Bereich der Garantie auch der tatsächlichen Voraussetzungen für eine effektive Wahrnehmung der betroffenen Aufgabe. Diese zusätzlichen Funktionen des Rechtsbegriffs der Verantwortung können auch das Muster begrenzter und klar definierter Zuständigkeiten zugunsten von bestimmten „Verantwortungsgemeinschaften“ überwinden, die über „generalisierte Zuständigkeiten“ verfügen. Dieses Phänomen sowohl der Moderne des Rechts als auch der „Steuerungskrise“ der Normgeber hat im Rahmen dieser Untersuchung im Zusammenhang mit dem Bestreben, ein flexibles Kooperieren der Verwaltung mit privaten Akteuren zu ermöglichen und die Verwaltung „schlanker“ und effizienter zu gestalten, bereits eine Rolle gespielt. Die Betrachtung des Governance-Begriffs, dem sozialwissenschaftliche Konzeptionen für ein adäquates „Verwalten“ in komplexen Regelungs- und Kooperationssystemen zugrunde liegen645, erweist sich unter Einbeziehung der „Akteurs-Perspektive“ als sinnvoll646, ergänzend zur dogmatischen Präzisierung der normativen Grundlagen des Amtes. 643

Dies beruht in der Regel auf einer ausschließlichen Zuordnung eines Gegenstands (i. S. einer Aufgabe) zu einem Subjekt, vgl. Hans J. Wolff/Otto Bachof/Rolf Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 3, 5. Aufl., München 2004, § 84 Rn. 5 f. Zur häufig synonymen Verwendung der Begriffe Zuständigkeit und Kompetenz s. oben Fn. 379. 644 Wolfgang Weiß, Privatisierung von Staatsaufgaben, München 2002, S. 4 und 89 f.; Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 265 f.; vgl. Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen [Fn. 363], S. 366. 645 Vgl. Arthur Benz, Einleitung, Governance – Modebegriff oder nützliches sozialwissenschaftliches Konzept?, in: derselbe (Hrsg.), Governance – Regieren in komplexen Regelungssystemen, Wiesbaden 2004, S. 11 ff. (13 ff.); Hans-Heinrich Trute/Wolfgang Denkhaus/ Doris Kühlers, Governance in der Verwaltungsrechtswissenschaft, Die Verwaltung 37 (2004), S. 451 ff. (452 ff., 457 ff.); siehe oben, 3. Kapitel, Abschnitt II. 2. 646 Vgl. Kersten, Governance in der Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft [Fn. 515], S. 49.

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Die Verwaltung benötigt materiellen Spielraum, um effektiv, problem- bzw. lösungsorientiert und „bürgernah“ agieren zu können; mehr Effizienz und Schnelligkeit versprechen dabei z. B. Instrumente „informalen“ Verwaltungshandelns. Die Herausforderung informalen Verwaltungshandelns kann darin gesehen werden, dass es der Verwaltung sehr weite Handlungsspielräume einräumt, die sich von einer „hyperkonstitutionalisierten Vorstellung der Verwaltung als schlicht vollziehender Gewalt“ entfernt haben647.

2. Gemeinwohlverantwortung Die in Art. 33 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich normierte allgemeine Dienst- und Treuepflicht des Beamten wird bundesgesetzlich in § 60 BBG durch eine Pflicht zur parteipolitischen Neutralität (Abs. 1 Satz 1) und zur gemeinwohlbezogenen unparteiischen und gerechten Amtsführung, als politische Treuepflicht (Abs. 1 Satz 3) und als Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung bei Ausübung des Rechts zu politischer Betätigung konkretisiert. Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, dass der Beamte seine Aufgaben „unparteiisch und gerecht zu erfüllen“ und dabei „auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen“ hat. Diese Verpflichtung auf „das Wohl der Allgemeinheit“ wird man als eine Verpflichtung des Beamten bei seiner Amtsführung auf das „Gemeinwohl“ zu deuten haben648. Auch spricht nach dem bisher Dargelegten viel dafür, diese einfachgesetzlich ausgestaltete Verpflichtung des Art. 34 Abs. 4 GG als „Richtschnur“ für das Amtsethos des Beamten im demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu betrachten649. Um diese These zu stützen, soll noch einmal der Begriff des Gemeinwohls näher betrachtet werden, zumal bemerkenswert ist, dass in der rechtsdogmatischen Aufbereitung und rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung die Begriffe Gemeinwohl und Verantwortung häufig miteinander kombiniert werden oder in ihrer jeweiligen Deutung verschmelzen650. 647

Jens Kersten/Sophie-Charlotte Lenski, Die Entwicklungsfunktion des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Die Verwaltung 42 (2009), S. 501 ff. (521). 648 § 34 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verwendet gegenüber dem im BBG neu positionierten (bisher §§ 52, 53 BBG a. F.) und sprachlich an die geschlechtergerechte Sprache angepassten § 60 BBG die Formulierung „Ihr Amt zum Wohle der Allgemeinheit zu führen“, was den Gemeinwohlbezug des öffentlichen Amtes deutlicher ausdrückt. 649 Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl., München 2009, § 60, Rn. 5 mit zahlr. weit. Nachw. 650 Vgl. BVerwGE 82, S. 76 ff. (81), Stefan Brink/Heinrich A. Wolff (Hrsg.), Gemeinwohl und Verantwortung, Berlin 2004; Schuppert, Gemeinwohlverantwortung und Staatsverständnis, in: Helmut K. Anheier/Volker Then (Hrsg.), Zwischen Eigennutz und Gemeinwohl: Neue Formen und Wege der Gemeinnützigkeit, Gütersloh 2004, S. 25 ff.; Hoffmann-Riem, Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff moderner Staatlichkeit, in: Paul Kirchhof u. a. (Hrsg.), Staaten und Steuern: Festschrift für Klaus Vogel, Heidelberg 2000, S. 47 ff. (52); Röhl, Verwaltungsverantwortung als dogmatischer Begriff? [Fn. 361], S. 33 ff (52); kritisch Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 380.

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a) Gemeinwohl als Rechtsbegriff Ausgangspunkt der Betrachtung ist die bereits gewonnene Erkenntnis, dass ein inhaltlich feststehender, essentialistischer Gemeinwohlbegriff verfassungsrechtlich nicht existiert651. Prononciert könnte mit Peter Lerche der „formale“ Gemeinwohlbegriff wie folgt gefasst werden: „Gemeinwohl ist im staatlichen Bereich das, was das dafür zuständige Organ als [sic] Gemeinwohl hält“.652 Nach dieser Definition verweist die Verpflichtung auf das Gemeinwohl ausschließlich auf eine subjektive Wertung des behördlichen Adressaten und räumt diesem eine Beurteilungsermächtigung ein. Diese ginge so weit, dass die mit der Verpflichtung auf das Gemeinwohl verknüpfte Rechtsbindung ins Leere liefe; eine Rechtspflicht zu tun, was man selbst für richtig hält, wäre ohne Grenzen und letztlich sinnlos. Sie wäre auch normativ nicht schlüssig. Die gesetzliche Verpflichtung des Hoheitsträgers auf das Wohl der Allgemeinheit, wie sie die oben zitierte Fundamentalnorm im Bundesbeamtengesetz vorgibt, weist vielmehr auf eine dauerhafte Grundlage des Amtsrechtsverhältnisses hin, auf eine grundsätzliche Aussage zur Aufgabe des Beamten im freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat sowie zum Ethos – „Bedacht zu nehmen“ – „[bei] seiner Amtsführung“. Die Amtwahrungspflicht des § 60 Abs. 1 Satz 2 (i. V. m. Satz 1) BBG kann als kontinuierliche Amtszuweisung und damit als dauerhafte Grundlage des Amtsverhältnisses zwischen Amtswalter und Amt verstanden werden653. Geht man so weit, staatsrechtlich einen „materiellen“ Gemeinwohlbegriff zu verwenden, der inhaltliche Maßstäbe des Rechts transportiert, aus dem Gebote, Verbote oder Erlaubnisse zu entnehmen sind, ergibt sich, im Vergleich zum rein formalen Gemeinwohlbegriff Lerches, ebenfalls ein rechtsdogmatisches Dilemma. Es besteht darin, dass eine Gemeinwohlverantwortung oder (in diesem Fall gleichbedeutend) ein Gemeinwohlethos neben die geschriebenen Normen der Rechtsordnung tritt, über den Gemeinwohlbegriff aber inhaltliche Maßstäbe transportiert werden sollen, welche an sich der Rechtsordnung vorbehalten bleiben. Der materielle Gemeinwohlbegriff ist „als solcher verdächtig“654, denn eine a-priori-

651

Siehe oben, 2. Kapitel, Abschnitt I. 2. und III. „Unter dem Grundgesetz auf Rechtsstaatlichkeit und Freiheit eingeschworen nimmt der Jurist das Wort Gemeinwohl ungern in den Mund“, Hasso Hofmann, Verfassungsrechtliche Annäherungen an den Begriff des Gemeinwohls, in: Herfried Münkler/Karsten Fischer (Hrsg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Berlin 2002, S. 25 ff. (25). 652 Lerche, Verfassungsfragen um Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt. Rechtsgutachten. Berlin 1963 [zit.: Verfassungsfragen], S. 35; vgl. Hasso Hofmann, Verfassungsrechtliche Annäherungen an den Begriff des Gemeinwohls [651], S. 29 ff.; Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 380 ff. 653 Vgl. Friedrich E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, Berlin 1977, S. 132. 654 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 381.

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Bestimmung des Gemeinwohls ist mit den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar.655 Einen Ausweg aus diesem rechtsdogmatischen Dilemma weisen die oben gewonnenen Erkenntnisse zu rechtlichen „Schleusenbegriffen“. So könnte man die „Gemeinwohlverantwortung“ als einen zielorientierten offenen Schleusenbegriff bezeichnen, der in einem bestimmten Maße eine rechtsethische Verantwortungsidee in das Recht transportiert. Die Pointe liegt in der Frage, wer für die Auslegung zuständig ist, nach welcher Methode er vorzugehen hat und an welches Verfahren er gebunden ist. Der nahe liegende Vorwurf, ein materieller Gemeinwohlbegriff sei antipluralistisch und antidemokratisch, da er dem pluralistischen Meinungsbildungsprozess vorgreife oder diesen gar gefährde, wurde bereits im Rahmen der Erörterungen um den rechtsfolgenoffenen Republikbegriff ein Stück weit entkräftet. Dieser Vorwurf greift insofern nicht Platz, als auch der „formale“ Gemeinwohlbegriff Lerches letztlich in einen gehaltvollen Gemeinwohlbegriff mündet: Die Festlegungen des zuständigen Organs bzw. Amtswalters, was in der konkreten Fallsituation zur Verwirklichung des Gemeinwohls am zuträglichsten beitrage, welche Gemeinwohlbelange zu berücksichtigen seien, pointiert also, was „Gemeinwohl“ sei, laufen auch nach formaler Begriffsdefinition auf einen materiellen Kern hinaus. Daher erscheint es wenig hilfreich und methodisch ungenau, „materiellen“ und „formalen“ Gemeinwohlbegriff gegeneinander auszuspielen656. Der Begriff des Gemeinwohls ist zwingend Träger materieller Inhalte657, die notwendigerweise geprägt sind „von den Auffassungen über das Um-willen [sic] und die Legitimation der politischen Gemeinschaft […]. Insofern ist der Gemeinwohlbegriff stets ein staatsphilosophisch bzw. staatstheoretisch affizierter Begriff“658. Wovor die Gegner des materiellen Gemeinwohlverständnisses tatsächlich und zu Recht warnen, sind nicht Gemeinwohlbegriffe, die Träger (je nach Fallgestaltung unterschiedlicher) materieller Inhalte sind, sondern der geschlossene Gemeinwohlbegriff, der nicht nur inhaltlich definiert, sondern zudem einer künftigen Än655

Vgl. statt aller Herfried Münkler/Karsten Fischer, Gemeinwohl-Konkretisierungen und Gemeinsinn-Erwartungen im Recht, in: dieselben (Hrsg.) Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Berlin 2002, S. 9 ff. (10 f.). 656 Ebenso und nachdrücklich Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 381 f. (381): „Die Gegenüberstellung von formalem und materialem Gemeinwohlbegriff ist irreführend […]. Daß über den Inhalt von Gemeinwohl durch das zuständige Organ entschieden wird, ist überdies eine bloße Selbstverständlichkeit. Alle Rechtsbegriffe werden letztlich nur dadurch sozial wirksam […]“. 657 Vgl. Fuchs, Gemeinwohl und Demokratieprinzip, in: Gunnar Folke Schuppert/Friedhelm Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, Berlin 2002, S. 87 ff. (89). 658 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Gemeinwohlvorstellungen bei Klassikern der Rechts- und Staatsphilosophie, in: Herfried Münkler/Karsten Fischer (Hrsg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Berlin 2002, S. 43 ff. (62).

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derung in Form von Pluralisierung und differenzierter Prozeduralisierung entzogen ist659. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass der Gemeinwohlbegriff auf ein Ziel, das Wohl der Allgemeinheit hindeutet, so dass diesem ein gewisses Maß an staatspolitischer Zielgebung immanent ist660, was „historisch informierte Bedenken struktureller Mißbrauchsanfälligkeit aller Gemeinwohlformeln“661 erklärt und diese vor dem Hintergrund der grundgesetzlichen Freiheitskonzeption auch geboten erscheinen lässt: Die Vorstellung vom „Monopol des Staates auf das Gemeinwohl“662 ist unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Republik nicht denkbar. Vielmehr stellt sich die duale Gemeinwohlbestimmung im demokratischen Verfassungsstaat durch Gesetzgebung und Verwaltung, das „Paradox, die Einheitlichkeit des Staatswillens zugleich als Organvielfalt zu verstehen“663, als ein Kompetenzphänomen dar664. Die Problematik der Gemeinwohlbestimmung lässt sich auf allen Ebenen der Normenhierarchie und im Kontext der Akteure aller Staatsgewalten finden. Dort, wo das „Gemeinwohl“ oder das „öffentliche Interesse“ als rechtlicher Maßstab einer staatlichen Entscheidung fungiert, etwa als Tatbestandsmerkmal einer 659

Vgl. Isensee, Das Amt als Medium des Gemeinwohls [Fn. 121], S. 250, das Gemeinwohl sei „kein fertiges Handlungsprogramm und keine Dienstanweisung für den Einzelfall.“ Vielmehr sei es „eine regulative Idee“, die der Konkretisierung gemäß der Kompetenz- und Verfahrensregeln der gewaltenteiligen Demokratie bedarf. Vgl. derselbe, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, HStR IV 2006 [Fn. 331], Rn. 71: „Das Grundgesetz enthält keinen vollständigen, abgeschlossenen Plan des Gemeinwohls“, allerdings mit deutlicher Abgrenzung zu prozedualisierenden Gemeinwohlkonzepten (Rn. 92 f.). Zur notwendigen Unbestimmtheit des Gemeinwohls, unter Akzentuierung auf den pluralistisch organisierten Verfassungsstaat und in Differenzierung zwischen Gemeinwohl im Singular und Gemeinwohlbelangen, Schuppert, Gemeinwohl, das, in: Schuppert/Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, Berlin 2002, S. 19 ff. (21 ff.); vgl. Christoph Engel, Offene Gemeinwohldefinitionen, Rechtstheorie 32 (2001), S. 23 ff. 660 Böckenförde, Gemeinwohlvorstellungen bei Klassikern der Rechts- und Staatsphilosophie [Fn. 658], S. 62, „Gemeinwohl fungiert als Zielbegriff, um das, was Aufgabe der politischen Gemeinschaft bzw. des Staates – oder auch einer Weltgemeinschaft – ist und ihre gute Ordnung ausmacht, umzusetzen und zu realisieren.“ 661 Hofmann, Verfassungsrechtliche Annäherungen an den Begriff des Gemeinwohls [Fn. 651], S. 28. 662 Peter Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem. Eine Analyse von Gesetzgebung und Rechtsprechung, Bad Homburg 1970, S. 52. Häberle entwirft, unter Gleichsetzung von „öffentlichem Interesse“ und „Gemeinwohl“ eine Typologie von zwölf Erscheinungsformen des öffentlichen Interesses in Rechts- und Verwaltungsvorschriften, s. ebd. S. 39 ff.; vgl. derselbe, „Gemeinwohl“ und „Gemeinsinn“ im national-verfassungsstaatlichen und europäischen Kontext, in: Münkler/Fischer (Hrsg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Berlin 2002, S. 99 ff. (101). 663 Kersten, Staatslehre [Fn. 410], S. 437; vgl. S. 449 f. 664 Ebenso Lerche, Verfassungsfragen [Fn. 652], S. 35; Münkler/Fischer, GemeinwohlKonkretisierungen und Gemeinsinn-Erwartungen im Recht [Fn. 655], sprechen darüber hinausgehend von einer „Art Gewaltenteilungsproblem“, dergestalt, dass zunehmend eine „Verschiebung der Gemeinwohlverantwortung“ vom Gesetzgeber hin zur Verwaltung zu erkennen sei, die im Streitfall durch die Verwaltungsgerichte zu entscheiden sei, ebd. S. 15.

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Rechtsnorm, wird der handelnde Akteur den Begriff auszufüllen haben, ohne dass dies in sein Belieben gestellt wäre, so dass er den Begriff „als etwas wenigstens im Zeitpunkt der Rechtsentscheidung für eine juristische Sekunde Feststehendes, zumindest in negativer Abgrenzung materiell Definiertes“ anzusehen haben wird665. Wenn das Gemeinwohl also zum Beispiel als Gestalt des „öffentlichen Interesses“ in der Grundrechtsprüfung die Rolle einer sog. Schranken-Schranke einnimmt, die dem staatlichen Akteur für die Einschränkung von Grundrechten bestimmte Grenzen auferlegt, die er einzuhalten hat, um keine Grundrechtsverletzung zu begehen, wird man die in diesem Fall notwendige Definition dessen, was im konkreten Fall von zu berücksichtigendem öffentlichen Interesse sei, nicht oder jedenfalls nicht gänzlich dem potentiell Eingreifenden zu überlassen haben. Die Ablehnung eines geschlossenen Gemeinwohlbegriffs ist daher zu relativieren; sie bedeutet nicht, dass der Begriff als Rechtsbegriff nicht auch Träger bestimmter Inhalte sein kann, die im Einzelfall dem entscheidenden staatlichen Akteur vorgegeben sind. Als Ausdruck eines Kompromisses zwischen Rechtsstaat und Demokratie ist der Gemeinwohlbegriff daher sowohl in notwendigem Maße offen und dem pluralistisch-demokratischen Diskurs unterworfen666, als auch als Rechtsbegriff verbindlich, dem freien politischen Willensbildungsprozess teilweise entzogen und damit zu einem bestimmten Grad „geschlossen“ bzw. vorübergehend „fixiert“667. In diesem Sinne ist das Gemeinwohl als relativ offener Verfassungsbegriff Ausdruck des republikanischen Prinzips. Da pauschale Aussagen über das Gemeinwohl nicht getroffen werden können, sind, jenseits der Verwendung und Konkretisierung als Rechtsbegriff i. e. S., geschlossen definierte inhaltliche Vorgaben für die Gemeinwohlverantwortung des Amtsträgers im Verfassungsstaat der Republik nicht zu haben. Systematisierungen der unterschiedlichen Funktionen verschiedener Gemeinwohlbegriffe und -belange668 sowie prozedurale, kompetentielle und methodische Vorgaben669 helfen bei der rechtlichen Operationalisierung und damit bei der jeweiligen inhaltlichen Konkre-

665 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 384, der betont, dass die Pluralität der Meinungen in der Demokratie durch einen so verwendeten, teilweise geschlossenen, materialen Gemeinwohlbegriff nicht stärker negativ berührt würden als durch andere Normen des Verfassungsrechts auch. 666 Vgl. Peter Häberle, Die Gemeinwohlproblematik in rechtswissenschaftlicher Sicht, in: Rechtstheorie 14 (1983), S. 257 ff. (260 ff., 275 ff.). 667 s. Klement, Verantwortung, S. 384, dort in Fn. 677. 668 Siehe Schuppert, Gemeinwohl [Fn. 659], S. 30 ff.; vgl. Michael Stolleis, Gemeinwohl, in: Roman Herzog u. a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl., Stuttgart 1987, Bd. I, Spalte 1061 ff. (1063 f.). 669 Siehe Peter Häberle, Die Gemeinwohlproblematik in rechtswissenschaftlicher Sicht, in: Rechtstheorie 14 (1983), S. 257 ff. (260 ff.); vgl. Uerpmann, Verfassungsrechtliche Gemeinwohlkriterien, in: Schuppert/Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, S. 179 (180 ff., 185 f.).

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tisierung – sie sind jedoch notwendigerweise niemals abschließend. Die Gemeinwohlverantwortung verbleibt als ein relatives Phänomen der Rechtskultur670. Aus der Verneinung einer (absolut) geschlossenen Gemeinwohlbefugnis unter Geltung des Grundgesetzes ließe sich schließen, dass für ein „ungeschriebenes, in seinen Wurzeln staatstheoretisches, in seiner Wirkung aber rechtliches Gebot der Gemeinwohlförderung“ kein Raum bestehe, da es alle staatlichen Amtsträger „unterschiedslos und unmittelbar auf die Förderung eines bestimmten Idealzustands verpflichtete und selbst durch eine Verfassungsänderung“ nicht aufzuheben wäre671. Der Raum des politischen Entscheidens, so könnte man schlussfolgern, wäre auf eine Weise eingeengt, die nicht mehr mit dem Demokratieprinzip zu vereinbaren sei. Darüber hinaus, wie Klement instruktiv ausführt, sei die Geltung eines verfassungsrechtlichen Rechtsgebots zur Gemeinwohlförderung mangels verfassungstextlichem Anknüpfungspunkt „nicht methodisch korrekt begründbar“. Die staatstheoretische Verpflichtung des Staates als Ganzem auf das Gemeinwohl verlange weder vom Verfassungsgeber noch vom Verfassungsinterpreten, den „Idealzustand zum rechtlich verbindlichen Handlungsziel“ zu erheben672. Zur Frage der Legitimation einer allgemeinen, ungeschriebenen GemeinwohlRechtsverpflichtung aller staatlichen Amtsträger ist es hilfreich, die Erkenntnisse zur Rechtfertigung staatlicher Herrschaft unter Geltung des Grundgesetzes in Erinnerung zu rufen673. Staatszweck des Grundgesetzes ist die freiheitliche demokratische Grundordnung. Das Gemeinwohl der Republik ist in einer Verfassung der freiheitlichen Ordnung über deren Amtswalter im Einzelfall der Rechtsanwendung „konkordant-optimierend“ zu verwirklichen, wobei Legitimation und Maßstab allen staatlichen Handelns weder der moderne Staat präkonstitutioneller Prägung noch dessen Ideal des Gemeinwohls, sondern die Verfassung als maßgebendes Regelwerk und Kompetenzgeber ist. Alle Amtsträger sind im Rahmen ihrer Amtsführung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden, und damit nicht in erster Linie an das Ideal des gemeinen Wohles aller. Der Argumentation Klements ist auch insoweit zu folgen, als eine „universelle Gemeinwohl-Rechtsnorm“ im Grundgesetz nicht ausdrücklich verfassungsrechtlich rezipiert ist. Insbesondere ein vermeintlicher, in etatistischer Interpretation des Verfassungsstaats begründeter Vorrang der Sicherheit vor der Freiheit ist dem Konstruktions- und Legitimationssatz des Grundgesetzes nicht immanent. Allerdings besteht auch keine verfassungsdogmatisch oder methodisch begründete Notwendigkeit, die hier vertretene Interpretation des republikanischen Prinzips als Gestaltungsprinzip und Optimierungsgebot einer freiheitlichen Ordnung zu670 Ähnlich Häberle, ebd., die Gemeinwohlformel sei ein Stück „tradierter Kultur so wie die ,Gerechtigkeit‘. Der Jurist steht hier weniger denn irgendwo sonst ,für sich‘“ (S. 258). 671 Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 386 ff. (386, auch nachfolgendes Zitat). 672 Klement, ebd., S. 387. 673 Siehe oben, 3. Kapitel, Abschnitt I. 2. und II. 3.

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gunsten einer überhöhten demokratisch-politischen Handlungsmaxime aufzugeben. Dem Gemeinwohl als Ausdruck des republikanischen Prinzips sind alle öffentlichen Amtsträger im Rahmen ihrer Amtsführung jedenfalls insofern (mittelbar) verpflichtet, als sie Recht und Gesetz in einer der normativen Erwartung entsprechenden Operationalisierung anzuwenden haben. Im jeweiligen Einzelfall werden sie dabei die die freiheitliche Ordnung konkretisierenden materiellen Maßstäbe des Verfassungs- oder des einfachen Rechts anzuwenden und Verfahrens- und Formvorschriften zu beachten haben. Ein „Durchgriff“ auf ein jenseits dieses Maßstabes liegendes materielles, staatliches oder staatlich fixiertes Gemeinwohl ist dabei, wie bereits mehrfach herausgearbeitet wurde, weder möglich noch statthaft. Ein solcher „Durchgriff“ wäre verfassungswidrig. Vielmehr, versteht man das Verfassungsprinzip der Republik als ein Optimierungsgebot der freiheitlichen Ordnung, lässt sich dieser Prozess der Rechtsanwendung durch zuständige Amtswalter als eine Operationalisierung begreifen, in der die Verwirklichung des Gemeinwohls dergestalt angelegt ist, als eine selbstzweckhafte Operationalisierung des Rechts ausgeschlossen ist. Das republikanische Amtsprinzip ist in diesem Sinne ein verfassungsrechtlich unveränderbarer Bestandteil des Verfassungsrechts: die Operationalisierung des Rechts nach den Regeln des Rechts ist Ausdruck der ausdifferenzierten Gestaltung der freiheitlichen Ordnung. Die „lückenfüllende“ Funktion eines „Amtsethos“ kann daher auch nicht als Ausfluss oder Folge eines ungeschriebenen (verfassungs-) rechtlichen Gemeinwohls im Sinne eines Idealproduktes des Staates betrachtet werden, in dem „Gemeinsinn“ als oberste Handlungsmaxime rechtlich verordnet wäre674. Gleichwohl wird man das Ethos des Amtes am rechtsethischen Gehalt des demokratischen Rechts- und Verfassungsstaates der Republik des Grundgesetzes auszurichten haben, und diese verantwortliche Gestaltung der freiheitlichen Ordnung nach den Regeln des Rechts ermöglicht eine Annäherung an das Zielbild des Gemeinwohls. b) Gemeinwohl und Amtsethos Das einfache Recht trägt dieser Auslegung des republikanischen Amtsprinzips Rechnung. Die bereits aufgeführte einfachgesetzliche Grundlage des § 60 BBG transformiert diesen Gedanken ausdrücklich in das geschriebene Recht. Der Amtsträger hat bei seiner Amtsführung auf das „Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen“. Das Gesetz rezipiert damit keine gesinnungsethische Maxime675, vielmehr 674

Ebenso Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 386, vgl. aber Isensee, Das Amt als Medium des Gemeinwohls [Fn. 121], S. 241 ff.; gänzlich anders Gustav Gundlach, Gemeinwohl, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, 3. Bd., 6. Aufl., Freiburg i. Br. 1959, Sp. 737 – 740, die „Notwendigkeit des Gemeinsinns“ sowohl bei Ausführenden („Vollstrecker des Gemeinwohls“) und Betroffenen betonend und auf „Volkscharakter, […] sittliche und religiöse Höhe“ abstellend (ebd., Sp. 739). 675 Zur Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik siehe Max Weber, Politik als Beruf, in: Johannes Winckelmann (Hrsg.), Gesammelte Politische Schriften, 5. Aufl., Tübingen 1988, S. 505 ff. (542).

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formuliert es die Erwartung einer selbstlosen, überparteilichen und vorausschauenden Haltung, welche sich von einer rein funktionalen Amtsführung unterscheidet. Hierin kann ein Bezug zum Ethos des Amtes gesehen werden, das gegenüber den strukturellen, kompetentiellen und materiellen Vorgaben des Rechts und sonstigen Rahmenbedingungen der Rechtsanwendung ergänzende Funktion hat676. Dies betrifft zum Beispiel Fälle der nur lückenhaften rechtlichen Determinierung des gebotenen Verhaltens gegenüber Antragsstellern, der Wahrnehmung öffentlicher Vermögensinteressen oder allgemein von „Techniken der Absicherung innerer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sowie […] rationale[n] Handhabung von Entscheidungs- und Planungsermessen“677. Für eine solche Auslegung spricht auch der Appellcharakter der Norm, der den „apriorisch-substantialistisch[en] und objektivistischen“ Charakter des Gemeinwohlbegriffs widerspiegelt, der sich entgegen der in der Staatsrechtslehre weit verbreiteten Ansicht in semantischer und letztlich auch normativer Hinsicht nicht unerheblich vom Begriff des „öffentlichen Interesses“ unterscheidet678. Der Gemeinwohlbegriff erhebt „seinen Gültigkeitsanspruch unabhängig von empirisch kontingenten Akteursintentionen“, wohingegen dem öffentlichen Interesse ein konkretes, „pluralistischen Bedingungen genügendes, aposteriorisch-prozeduralistisches Verständnis zugrunde liegt, das eher deskriptiv als appellatorisch auf „Intentionen und Motivationen sozialer Akteure rekurriert.“ Diese Unterscheidung wird insbesondere darin deutlich, dass zwar das öffentliche Interesse des Einzelnen nie Privatinteresse sein, wohl aber ein öffentliches Interesse „am Einzelnen“ bestehen kann, so dass sich in diesem Sinne „manchmal das Öffentliche Interesse und das Privatinteresse decken“679 ; auf der anderen Seite ist die Unterscheidung zwischen privatem Interesse und Gemeinwohl zwingend680, ebenso wie die Unterscheidung von „Bürgerverantwortung“ und der „Verantwortung des Amtsträgers“. „Auf das Gemeinwohl Bedacht zu nehmen“ (BBG) bzw. das Amt „zum Wohle der Allge676 Vgl. Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: Hartmut Maurer u. a. (Hrsg.), Das akzeptierte Grundgesetz, Festschrift für Günter Dürig zum 70. Geburtstag, München 1990, S. 33 ff. (57 ff., 61), nach der der Staat mindestens eine subsidiäre „Letztverantwortung“ für das Gemeinwohl zu übernehmen habe. 677 Karl Peter Sommermann, Brauchen wir eine Ethik des öffentlichen Dienstes?, VerwArch 1998, S. 290 ff. (300). 678 Herausgearbeitet von Münkler/Fischer, Gemeinwohl-Konkretisierungen und Gemeinsinn-Erwartungen im Recht [Fn. 655], S. 18 f. (Zitat, ebenso nachfolgendes, auf S. 18) m. weit. Nachw. 679 Günter Dürig, Die konstanten Voraussetzungen des Begriffes „Öffentliches Interesse“, München 1949, S. 81, 85; vgl. Münkler/Fischer, ebd. [Fn. 678]. 680 Vgl. Luhmann, Die Politik der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 2000, S. 121; nach Münkler/ Fischer Gemeinwohl-Konkretisierungen und Gemeinsinn-Erwartungen im Recht [Fn. 655], S. 19, sei es daher „irreduzile Aufgabe der Politik“, mit der Definition der dem historischen Wandel unterliegenden Begriffe „öffentlich“ und „privat“ die Voraussetzung „für eine berechenbare juristische Begriffsverwendung und -konkretisierung zu schaffen“.

II. „Verantwortung“ des Amtsträgers

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meinheit zu führen“ (BeamtStG) ist stets zu unterscheiden von der Verfolgung privater Interessen. Der im Anschluss an Adam Smith als den Klassiker der Nationalökonomie rezipierte Gedanke einer durch Egoismen in Gemeinwohleffekte transformierenden Wirkung der „arrangierten Handlungen“ in den „Gemeinwohl“ genannten Zustand mit „unsichtbarer Hand“, lässt sich nicht ohne erhebliche Korrekturen auf den Verfassungsstaat übertragen681. Dies liegt zum einen an der mehrdimensionalen Bedeutung des Begriffs des bonum commune, die im klassischen Verständnis über die aktuelle Handlungs- und Entscheidungssituation des Entscheidungsträgers des Staates hinausreicht und das Wohl künftiger Generationen, deren Lebens- und Freiheitschancen mit einbezieht682. Dessen ungeachtet lässt der Gemeinwohlbegriff zwar sogar „Konvergenzen mit dem Eigennutz“ zu683, wobei nicht jedes eigennützige Verhalten als zugleich gemeinwohlförderlich bezeichnet werden kann, allerdings auch im Rahmen der Privatwirtschaft eine Entwicklung zu verzeichnen ist, in der ethische Standards zunehmend an Bedeutung gewonnen und sich zum tragenden Element der Personalführung entwickelt haben. Zum anderen, und darin liegt letztlich der Kern des gemeinwohlbezogenen Amtsrechtsverständnisses, unterscheidet die Ausgestaltung des öffentlichen Amtsrechtsverhältnisses als unparteiischer und aufgabenbezogener öffentlicher Dienst es maßgeblich von privaten Unternehmenskulturen und Gemeinwohlappellen. Die Ausrichtung auf das Gemeinwohl ist dem öffentlichen Amt als Ausschluss selbstzweckhaften und eigennützigen Handelns institutionell eingeschrieben. Der Verzicht auf Selbstbegünstigung und Willkür wird von den Amtswaltern im Verfassungsstaat „nicht als individuelle moralische Leistung abverlangt, sondern [ist] strukturell im System verbürgt und dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit versehen“684. Das Amtsrechtsverhältnis ist, anders als in der vorkonstitutionellen Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis (Impermeabilitätslehre), durch gesetzliche Regelungen ausgestaltet685. So greift das einfache Gesetz, wie das hier herausgegriffene Beispiel von § 60 BBG686 zeigt, ausdrücklich den Gemeinwohlbezug des öffentli681 Anders ausdrücklich Klement, Verantwortung [Fn. 563], S. 388 unter Anknüpfung an Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, 6. Aufl., München 1993, nach der 5. Aufl., London 1789, S. 371. 682 Vgl. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in HStR III, 1. Aufl., Heidelberg 1988, Rn. 25. 683 Über den veränderten Gemeinwohlbegriff der Moderne vgl. Dieter Grimm, Gemeinwohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Münkler/Fischer (Hrsg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Berlin 2002, S. 125 ff. (126). 684 Grimm, Gemeinwohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts [Fn. 683], S. 129 unter Bezugnahme auf Luhmann, Die Politik der Gesellschaft [Fn. 680], S. 84 f., 140 ff. 685 Siehe dazu oben 2. Kapitel Abschnitt III. 2. zu Fn. 370. 686 § 60 BBG kommt eine Auffang- und Klammerfunktion zu. Die Rechte und Pflichten der Beamten ergeben sich vor dem Hintergrund der Geltung der Grundrechte abschließend aus den Beamtengesetzen. Gleichwohl sind die in § 60 BBG genannten Pflichten in Konkretisierung des verfassungsrechtlichen (Art. 33 Abs. 4 GG), in § 4 BBG übernommenen allgemeinen öffent-

170

4. Kap.: Das Prinzip Verantwortung als Grundlage des Amtes

chen Amtes auf und verweist den Beamten auf seine jeweilige Gemeinwohlverantwortung. Die gesetzlich formulierte Pflicht zur Unparteilichkeit kann als negative Konkretisierung der Gemeinwohlverpflichtung begriffen werden.687 Als weitere, ergänzende gesetzliche Ausgestaltungen, anknüpfend an die allgemeine Amtsführungspflicht, sieht der neu formulierte § 61 BBG vor, dass Beamte sich „mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen“ haben (Abs. 1 Satz 1) und das ihnen übertragene Amt „uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen“ (Abs. 1 Satz 2) haben. Das Postulat der Uneigennützigkeit und der Verweis auf die gewissenhafte Amtsführung greifen den in der Verhaltenserwartung eines Ethos des öffentlichen Amtes liegenden außerrechtlichen Bereich auf und gestalten ihn einfachgesetzlich aus. Hierdurch wird die „Eigenverantwortlichkeit“ des Beamten hervorgehoben. Die gesicherte Rechtsstellung ist für den Beamten zudem mit einer „Zumutung“, der persönlichen Verantwortlichkeit für die Rechtmäßigkeit seiner Amtshandlungen verbunden688: Er trägt gemäß § 63 BBG die volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen. Diese Regelung ist ebenfalls im Lichte der verfassungsrechtlichen Konstruktion des gemeinwohlorientierten öffentlichen Amtes und des öffentlich-rechtlichen Dienstund Treueverhältnisses des Art. 33 Abs. 4 GG zu lesen.689 Der Begriff der Verfassungstreue ist auf den Rechtsstaat bezogen. Aus der Bindung an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG folgt, dass der Beamte kraft seines öffentlichen Amtes zwar Teil der Verwaltungshierarchie ist, jedoch, bevor er eine dienstliche Handlung vornimmt, grundsätzlich über ihre Rechtmäßigkeit und damit auch die Grundrechtskonformität des beabsichtigten oder angeordneten Verwaltungshandelns zu reflektieren hat690. Bei Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Anordnung greift das im Einzelnen verfahrensmäßig ausgestaltete (vgl. § 63 Abs. 2 BBG) Konzept der Remonstrationspflicht, das „geradezu als mustergültiger Modellfall für die Auflösung eines Prinzipienkonflikts nach Maßgabe der Argumentationsfigur der praktischen Konkordanz“691 zwischen dem Prinzip der Weisungsgebundenheit und dem Prinzip der persönlichen Verantwortung vermittelt.

lich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses amtsbezogen und im jeweiligen Einzelfall im Detail fein abzustimmen und zu subsumieren, Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl., München 2009, § 60 Rn. 3. 687 Battis, ebd., Rn. 4. 688 s. Josef Franz Lindner, Grundrechtssicherung durch das Berufsbeamtentum, ZBR 2006, S. 1 ff. (9) [zit.: Grundrechtssicherung]. 689 Vgl. hierzu und zu Nachfolgendem Rudolf Summer, Das Prinzip Verantwortung als Grundlage des Beamtenrechts [Fn. 630] sowie derselbe, Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums – ein Torso, ZBR 1992, S. 1 ff. 690 Der Umfang der Prüfungspflicht richtet sich nach der amtsbezogenen Wahrnehmungszuständigkeit, Vorbildung und den Erfahrungen des Beamten, siehe nur Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl., München 2009, § 63 Rn. 3. 691 Lindner, Grundrechtssicherung [Fn. 688], S. 10.

II. „Verantwortung“ des Amtsträgers

171

Mit der Orientierung des öffentlichen Amtes auf das Gemeinwohl ist daher keinesfalls eine Relativierung der rechtsstaatlichen Bindungen an Recht und Gesetz der Amtsführung verknüpft692. Das Gesetz nimmt vielmehr das außergesetzliche Ideal eines zielbezogenen Gemeinwohlverständnisses auf, bezieht die Amtswahrungspflicht auf den demokratischen Repräsentationsgedanken („dient dem ganzen Volk“) und verknüpft sie mit einem Appell – „Bedacht nehmen“ – an das außerrechtlich begründete, der jeweiligen Fallgestaltung vorgelagerte – Ethos des Amtes. Diese einfachgesetzlich normierte Gemeinwohlverantwortung des Amtsträgers ist damit sowohl Ausdruck des republikanischen Amtsprinzips als auch Kernelement des demokratischen und sozialen Rechtsstaats des Grundgesetzes. Zugleich verbleibt die Frage nach der „Gemeinwohlverantwortung“ stets eine „semantische Kompetenzfrage“693, wozu die Verfassung die formalen und materiellen Rahmenbedingungen bereitstellt.

692

Zu Recht weist Klement, Verantwortung, darauf hin, dass in den Fällen, in denen staatliche Akteure sich zur rechtlichen Rechtfertigung ihres Tuns unmittelbar auf das Gemeinwohl berufen, „nicht selten gerade eine Relativierung der ausdrücklichen rechtlichen Bindungen zur Diskussion“ steht (S. 388). 693 Münkler/Fischer, Gemeinwohl-Konkretisierungen und Gemeinsinn-Erwartungen im Recht [Fn. 655], S. 20; vgl. Lerche, Verfassungsfragen [Fn. 652], S. 35, wonach sich „die Einbindung in ein verschleiertes ,Gemeinwohl‘ im Bereich des Staatlich-Politischen (der Staatsleitung) […] zu einer Kompetenzfrage auflöst“; s. Stolleis, Gemeinwohl [Fn. 668], Sp. 1062, wonach angesichts der „fast unbegrenzten“ materialen „Variationsmöglichkeiten“ die praktisch entscheidende Frage nicht sei, was das Gemeinwohl „,in Wahrheit‘ sei, sondern wer es bestimmt“; vgl. Schuppert, Gemeinwohl [Fn. 659], S. 49 f.

5. Kapitel

Civil Service und ethische Verwaltungsstandards in Großbritannien Die nachfolgende Betrachtung widmet sich den rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen des Civil Service in Großbritannien sowie den Auswirkungen der Etablierung kodifizierter ethischer Verwaltungsstandards. Ein gesteigertes öffentliches Bewusstsein sowie die Sorge um eine Erosion der Integrität öffentlicher Ämter bilden den im einführenden Kapitel dieser Arbeit skizzierten Kontext einer Debatte, welche durch die reformbedingten Veränderungen in der öffentlichen Verwaltung neue Impulse erhalten hat.694 Die keineswegs auf das Vereinigte Königreich beschränkte Thematik hat dort eine lange Tradition. Erpressung und unlautere Zuwendung wurden bereits in The Statute of Westminster, The First, von Edward I. von 1275 behandelt. Das Recht des öffentlichen Dienstes in Großbritannien ist seit langem in Bewegung. Die „Next Steps“-Initiative, die 1988 gestartet und als die bedeutsamste Entwicklung im britischen Verwaltungssystem innerhalb der letzten 100 Jahre bezeichnet worden ist695, war der Startpunkt eines noch immer andauernden Reformbestrebens, das, neben der Privatisierung einer Reihe von Aufgaben des Civil Service und der Übernahme von Managementmethoden und „Contracting out“Strategien, die Delegierung und Dezentralisierung von Befugnissen aus dem Geschäftsbereich der Ministerien und ihrer Behörden beinhaltete696. Durch diese Maßnahmen ist die Struktur des Civil Service nachhaltig beeinflusst worden697. Insbesondere die Delegierung von Aufgaben, die Dezentralisierung und die zunehmende rechtliche und praktische Rolle der Agencies hat zu erheblichen Veränderungen bei der Einstellungspraxis geführt und Bewegung in die Profession der Verwaltungsbeamten gebracht. Die folgenden Abschnitte mögen auch darüber Aufschluss geben, inwieweit die rechtlichen Grundlagen und die durch ethische Standards flankierten Rahmenbedingungen des Civil Service von dieser Entwicklung beeinflusst worden sind. 694

Vgl. Derick W. Brinkerhoff, Assessing Political Will for Anti-Corruption Efforts: An Analytical Framework, [2000] 20 Public Administration and Development, S. 239 ff. 695 Terence Daintith/Alan Page, The Executive in the Constitution, Oxford 1999, S. 37. 696 Siehe insbesondere Deregulation and Contracting Out Act 1994. 697 Siehe hierzu im Einzelnen Frederick F. Ridley, Die Wiedererfindung des Staates – Reinventing British Government, Das Modell einer Skelett-Verwaltung, DÖV 1995, S. 569 ff.

I. Rechtsnatur des Civil Service

173

I. Rechtsnatur des Civil Service Zunächst werden Grundelemente des britischen Civil Service698 sowie die Organisation des Zugangs zum Civil Service skizziert. Der Civil Service ist integraler Bestandteil und ein ausführendes Schlüsselelement der Regierungsgewalt des Vereinigten Königreichs699. Der Begriff „Civil Service“ umfasst alle dauerhaft Bediensteten der Krone in ziviler Stellung, die kein politisches700 oder richterliches Amt innehaben und ausschließlich und unmittelbar aus Mitteln bezahlt werden, die das Parlament bewilligt701. Damit ist neben den Departments sowie Non-Departmental Government Bodies (NDPBs) eine große Anzahl der ausführenden Executive Agencies eingeschlossen, die grundsätzlich rechtlich nicht von den Geschäftsbereichen der Ministerien getrennt sind, aber mit diesen eigene administrative Vereinbarungen haben702. Der Begriff „Beamter“ trifft auf den Civil Service daher nur eingeschränkt zu und insoweit, als hiermit ein Bediensteter gemeint ist, „der eine Tätigkeit für eine juristische Person des öffentlichen Rechts ausübt und aus Haushaltsmitteln des Staates oder der Gebietskörperschaft, von der er abhängt, bezahlt wird“.703

698 Die derzeitigen vom Civil Service zur Verfügung gestellten Informationen zur Personalbesetzung des Civil Service zeigt, dass die Gesamtzahl der Bediensteten des Civil Service inklusive agencies und non-departmental government bodies (NDPBs) sich auf ca. 453.000 (auf Basis von Vollzeitäquivalenten) beläuft (1976 war die Anzahl mit etwa 751.000 am höchsten). Quelle abrufbar unter URL: http://www.civilservice.gov.uk/about [z. a.: 31. 3. 2012]. Vgl. William Wade/Christopher Forsyth, Administrative Law, 10. Aufl., Oxford 2009, S. 44 – 45; Peter Barberis, The Changing Role of Senior Civil Servants Since 1979, in: Michael Hunt/Barry J. O’Toole (Hrsg.), Reforms, Ethics and Leadership in Public Service. A Festschrift in honour of Richard A. Chapman, Aldershot 1998, S. 123 ff. 699 Siehe Nr. 2 im Civil Service Code (erstmals veröffentlicht 1996), nunmehr erstmals Teil eines Parlamentsgesetzes gemäß section 5 (5) des Constitutional Reform and Governance Act 2010, abrufbar unter URL: http://www.civilservice.gov.uk/about/values [z. a.: 31. 3. 2012]. 700 Großbritannien kennt keine politischen Beamten, vgl. Karl-Ulrich Meyn, Staatstheoretische und verfassungshistorische Wurzeln britischer und deutscher Beamtenleitbilder im 20. Jahrhundert, in: Friedrich Gerhard Schwegmann (Hrsg.) Die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums nach 1945. Geburtsfehler oder Stützpfeiler der Demokratiegründung in Westdeutschland?, Düsseldorf 1986, S. 80 ff. (99) [zit.: Beamtenleitbilder]. 701 Christoph Demmke, Beamtenrechtsreformen in Europa – Aktuelle Entwicklungen und empirische Erfahrungen, ZBR 2010, S. 109 ff. (111) [zit.: Beamtenrechtsreformen]. 702 Statistische Informationen abrufbar unter URL: http://www.civilservice.gov.uk/about/ facts [z. a.: 31. 3. 2012], vgl. Terence Daintith/Alan Page, The Executive in the Constitution, Oxford 1999, S. 37 ff. Die Armed Forces sind kein Teil des Civil Service, ebenso wenig Lehrer – wohl aber besipielsweise Gefängniswärter. Siehe schon Report of the Royal Commission on the Civil Service 1929 – 31 (Lord Tomlin, Chairman) (1931), Cmd. 3909, Abschnitt Nr. 9. 703 Zitiert nach Demmke, Beamtenrechtsreformen [Fn. 701], S. 113, der mit dieser Definition eine allgemeine, auf alle Mitgliedsstaaten der EU anwendbare Begriffsbestimmung vorschlägt.

174

5. Kap.: Civil Service in Großbritannien

Der Civil Service ist ein „Dienst der Krone“704. In Großbritannien waren die für die Civil Servants geltenden Vorschriften lange Zeit vor allem gewohnheitsrechtlicher Natur und wurden durch sog. „Orders in Council“ in Anwendung der königlichen Prärogative („Royal Prerogative“) ausgestaltet bzw. ergänzt. Darüber hinaus finden zahlreiche arbeitsrechtliche Grundsätze und Regeln ebenfalls Anwendung.705 In Annäherung an die kontinentaleuropäische Tradition parlamentsgesetzlicher Grundlagen für das Beamtentum wurden mit der Initiative eines Constitutional Renewal Bill (durch Lord Chancellor Jack Straw) am 25. März 2008, die als Constitutional Reform and Governance Act 2010 Parlamentsgesetz wurde, wesentliche Grundsätze des Civil Service, die ihn betreffenden core values sowie das Leistungsprinzip (principle of appointment on merit) gesetzlich in Kraft gesetzt.

1. Civil Service und das traditionelle Bürokratiemodell Max Webers Modell rationaler Herrschaft stellt eine noch immer aktuelle Beschreibung der klassischen Bürokratiestruktur dar706. Als ein idealtypischer Ansatz begriffen, kann das Webersche Modell helfen, spezifische strukturelle Aspekte des Civil Service zu identifizieren707. Auch wenn das britische Verwaltungsrechtssystem augenscheinlich Merkmale enthält, die es streng von positivem Verwaltungsrecht anderer europäischer Staaten unterscheidet708, kann man die Verwendung des Weberschen Fingersatzes methodisch dadurch rechtfertigen, dass es auf einer rationalen Methode soziologischer Betrachtung beruht, dessen modellhafte Herangehensweise bereits unterstrichen wurde709.

704 Peter Hennessy, Whitehall, London 1989; Gavin Drewry/Tony Butcher, The Civil Service Today, 2. Aufl., Oxford 1991; Keith Dowding, The Civil Service, London 1995; Committee on the Civil Service (Lord Fulton, Chairman) (1968), The Civil Service: Report of the Committee 1966 – 68, Cmnd. 3638 [zit.: Fulton Report], Treasury and Civil Service Committee, Fifth Report, The Role of The Civil Service (1993 – 1994) HC 27. 705 Vgl. hierzu und zu Nachfolgendem Demmke, Beamtenrechtsreformen [Fn. 701], S. 112 f. 706 Siehe die einführenden Bemerkungen im 1. Kapitel dieser Untersuchung. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, in: Johannes Winckelmann (Hrsg.), 5. Aufl., Tübingen 1972. 707 Siehe Keith Dowding, The Civil Service, London 1995, S. 7 ff. Vgl. Diana Woodhouse, In Pursuit of Good Administration, Oxford 1997, S. 27 ff. (28): „Weber’s concept of bureaucracy may be seen as identifying some of the structural features of traditional public administration and therefore informs the public service model of good administration.“ 708 Wade/Forsyth, Administrative Law [Fn. 698], S. 8. 709 In Bezug auf den Aspekt, dass es um keine kleinteilig exakte Beschreibung bürokratischer Strukturen der verwaltungsmäßigen Realität geht, siehe auch David Beetham, Bureaucracy, 2. Aufl., Buckingham 1996.

I. Rechtsnatur des Civil Service

175

Max Webers Einfluss auf den angelsächsischen Rechtsraum ist häufig thematisiert worden710. Weber betrachtete Bürokratie nicht als Baumuster von Regierungsgewalt, sondern als ein System von Verwaltung. Er legte dar, wie dieser Typus der Administration nach und nach in all den politischen Systemen vorherrschend wurde, in denen eine Reihe von komplexen verwaltungstechnischen Aufgaben zu bewältigen waren. Ungeachtet berechtigter Einwände dahingehend, dass der Ansatz dieser Betrachtung eine intensive Auseinandersetzung zum Verhältnis des Weberschen Modells und der Struktur des Civil Services nicht zulässt, bleibt die Tatsache relevant, dass das britische Verwaltungsrechtssystem in hohem Maße zu Webers Konzept gespiegelt werden kann, verstanden als allgemeine Charakterisierung von hierarchisch gegliederten, mit einem festen, nach Leistungskriterien rekrutierten und auf Lebenszeit eingestellten Personal versehenen Organisationsnetzwerk in modernen Gesellschaften. Nach Max Weber konstituiert sich Bürokratie idealerweise als monokratische Struktur. Es wurde bereits herausgestellt, dass organisatorische und personale Aspekte von Verwaltung strukturell miteinander verknüpft sind711: „Die Gesamtheit des Verwaltungsstabes besteht im reinsten Typus aus Einzelbeamten […], welche 1.

persönlich frei nur sachlichen Amtspflichten gehorchen,

2.

in fester Amtshierarchie,

3.

mit festen Amtskompetenzen,

4.

kraft Kontrakts, also (prinzipiell) auf Grund freier Auslese nach

5.

Fachqualifikation – im rationalsten Fall: durch Prüfung ermittelter, durch Diplom beglaubigter Fachqualifikation – angestellt (nicht: gewählt) sind, –

6.

entgolten sind mit festen Gehältern in Geld, meist mit Pensionsberechtigung, unter Umständen allerdings (besonders in Privatbetrieben) kündbar auch von seiten des Herrn, stets aber kündbar von seiten des Beamten; dies Gehalt ist abgestuft primär nach dem hierarchischen Rang, daneben nach der Verantwortlichkeit der Stellung, im übrigen nach dem Prinzip der „Standesgemäßheit“ […],

7.

ihr Amt als einzigen oder Haupt-Beruf behandeln,

8.

eine Laufbahn: „Aufrücken“ je nach Amtsalter oder Leistungen oder beiden, abhängig vom Urteil der Vorgesetzten, vor sich sehen,

9.

in völliger „Trennung von den Verwaltungsmitteln“ und ohne Appropriation der Amtsstelle arbeiten,

10. einer strengen einheitlichen Amtsdisziplin und Kontrolle unterliegen.“712 710

Vgl. statt allen Dowding, The Civil Service [Fn. 707], S. 7 m. weit. Nachw. Vgl. Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft. Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, 1. Aufl., Baden-Baden 2000, 1. Teil, 1. Kapitel, Abschnitt IV, S. 66 ff. 712 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft [Fn. 706] Kapitel III, S. 126 f. (Hervorhebungen im Original). 711

176

5. Kap.: Civil Service in Großbritannien

Der Civil Service hat traditionell viele der Weberschen Merkmale verkörpert713. Die Philosophie des modernen Civil Service wurde bereits im Northcote-TrevelyanReport von 1853 proklamiert714. Der Bericht, welcher nach einer intensiven parlamentarischen Debatte über Struktur und Verfasstheit des heimischen Civil Service erstellt worden war, forderte – einen kompetenten Verwaltungsstab mit permanenten Amtsträgern, – eine feste Amtshierarchie, – Anstellung aufgrund von fachlicher Qualifikation und gegründet auf eine wettbewerbsmäßige Prüfung anstelle von Ämterpatronage, – Beförderung nach Leistung eher als nach Dienstalter, – eine klare Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit und – eine Gesamtkontrolle durch eine einige Organisation. Die Gemeinsamkeiten mit den (freilich zeitlich später aufgestellten) Weberschen Kategorien sind augenscheinlich. Webers Einschätzung von Bürokratie als unverzichtbares soziales Gefüge sowie als ein charakteristisches Merkmal der Moderne bleibt auch für den modernisierten Civil Service von ungebrochenem Interesse, berührt sie doch unmittelbar Fragen der Verwaltungsstruktur, in sozialer, rechtlicher und ethischer Hinsicht, wie auch die nach wirksamen Kontrollinstanzen innerhalb dieser Struktur715. In einer aktuellen Studie zur Reformentwicklung im Dienstrecht in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wurden die unterschiedlichen europäischen „Beamtensysteme“ anhand ausgewählter Indikatoren untersucht, die Max Weber als Idealtypus einer bürokratischen Organisationsform beschrieben hat, und die sich auf Unterschiede im Bereich des Rechtsstatus, der Rekrutierung und Zugangsbedingungen, Systeme der sozialen Sicherheit, Vorhandensein eines spezifischen Laufbahnrechts, Arbeits-

713 Vgl. Nevil Johnson, Der Civil Service in Großbritannien: Tradition und Modernisierung, DÖV 1994, 196 ff. (196) [zit.: Civil Service]. 714 Report on the Organisation of the Permanent Civil Service, abgedruckt in: Committee on the Civil Service (1968), The Fulton Report [Fn. 704], Cmnd. 3638, Appendix B (nachfolgend The Northcote-Trevelyan-Report). Dort heißt es lesenswert im Wortlaut: „the government of the country could not be carried out without the aid of an efficient body of permanent officers, occupying a position duly subordinate to that of the Ministers who are directly responsible to the Crown and to Parliament, yet possessing sufficient independence, character, ability, and experience to be able to advise, assist, and to some extent, influence, those who are from time to time set over them.“ The Fulton Report von 1968 beschreibt den Civil Service als „fundamentally the product of the nineteenth-century philosophy of the Northcote-Trevelyan Report“, ebd., 1. Kapitel (Chapter 1), Abschnitt Nr. 1, „basic principles […] have prevailed: the essential features of their structures have remained“ (1. Kapitel, Abschnitt Nr. 6). 715 Siehe Beetham, Bureaucracy [Fn. 709], dort insbesondere in Kapitel 2.

I. Rechtsnatur des Civil Service

177

platzsicherheit, Streikrecht u. a. bezogen716. Im Ergebnis der empirischen Befunde ist das Dienstrechtssystem Großbritanniens zwar einer Kategorie zugeordnet, die als „postbürokratisches Positionssystem“ – im Gegensatz zum „bürokratischen Laufbahnsystem“ – umschrieben wird. Gleichwohl kommt die Studie zu dem Schluss, dass trotz deutlich erkennbarer Unterschiede innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU, auch in den „postbürokratischen“ Organisationsmodellen von einem „Totalabschied“ vom bürokratischen Organisationsmodell im Sinne Max Webers nicht gesprochen werden kann.717 Befunde zum Leistungs- und Personalmanagement sowie zur Regulierung718 von Interessenskonflikten im Rahmen ethischer Standards werden zeigen, dass diese Regelungsbereiche des Civil Service durchaus als „bürokratisch“ bezeichnet werden können. Zu berücksichtigen ist, dass in einem solchen Verwaltungsrechtssystem („Positionssystem“) Bedienstete aufgrund ihrer Befähigung für eine spezifische Stelle eingestellt werden, die diese Befähigung erfordert – ein klassisches „Karrieremuster“ besteht insoweit nicht. Der Bedienstete muss grundsätzlich die Stelle wechseln und sich auf eine neue Stelle bewerben, wenn er eine Entwicklung in seiner Karriere nachvollziehen möchte. Dem klassischen Laufbahnsystem entspricht es (ausgenommen spezifisch technische Laufbahnen) hingegen eher, dass der Beamte eine breitere Einsatzfähigkeit besitzt.719 In einem sog. Positionssystem wie in Großbritannien nähert sich die „Funktion“ des Einzelnen im öffentlichen Dienst damit tendenziell einem bestimmten „Berufsbild“ an.720 Die nachfolgende Bestandsaufnahme wird sich insofern zunächst auf die wesentlichen Elemente von rechtlicher Organisation und Status des Civil Service konzentrieren: auf Einstellungsvoraussetzungen und Qualifikation.

2. Zugangskriterien für Civil Servants a) Prinzipien der „Rekrutierung“ Ursprünglich war die 1855 gegründete Civil Service Commission allein verantwortlich für die Einstellung der Civil Servants.721 Als zentrales Organ für die Aus716 Siehe Demmke, Beamtenrechtsreformen [Fn. 701], S. 109 ff. (110 ff.) in Auswertung einer Studie für die Abteilungsleiter des öffentlichen Dienstes der EU-Mitgliedsstaaten, Christoph Demmke/Timo Moilanen, Civil Services in the Europe of 27 – Reform Outcomes and the Future of the Civil Service, Frankfurt a. M. u. a. O. 2010. 717 Demmke, Beamtenrechtsreformen [Fn. 701], S. 117. Vgl. den Befund für das deutsche Beamtenrechtssystem oben im 1. Kapitel, Abschnitt II. 2.: kein Auszug aus der „Max-WeberWelt“. 718 Demmke spricht in diesem Zusammenhang von „Verrechtlichung“, ebd., S. 117. 719 Demmke, ebd., S. 115 f. (116). 720 Demmke, ebd. 721 Siehe Johnson, Civil Service [Fn. 713], S. 198 – 199. Zu den rechtlichen und rechtshistorischen Hintergünden der Civil Service Commission siehe Richard A. Chapman, Setting Standards in a New Organization: The Case of the British Civil Service Commission, in: Ri-

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5. Kap.: Civil Service in Großbritannien

wahl und Ernennung von qualifiziertem Personal wurde sie zentrale Instanz beim Aufbau eines das Königreich umspannenden Civil Services. Ihre Rolle als ein Rückgrat der Beamtenschaft und als Hüter ethischer Standards in Hinblick auf die Zurückdrängung von Korruption und Ämterpatronage ist betont worden.722 Dieses traditionelle Bild der Auswahl der Beamten für den Civil Service hat sich während der letzten fünfundzwanzig bis dreißig Jahre dramatisch geändert. Die Civil Service Commission wurde 1991 abgeschafft und mit der Civil Service Order in Council 1995 ein neues, diversifiziertes System zur Regelung der Rekrutierung eingeführt. Heutige Aufgabe der sog. Civil Service Commissioners, die unmittelbar der Krone unterstellt, selbst aber nicht Teil des Civil Service sowie unabhängig von den Ministerien sind, ist es vorwiegend, die selbständige Reglementierung von diversen Abteilungen der Ministerien oder von den zahlreichen Agencies, die im Wesentlichen für das Procedere und die Kontrolle ihrer Personalauswahl selbst verantwortlich sind, zu überprüfen und die Einhaltung ethischer Verwaltungsstandards zu überwachen723. Zwingende Einstellungsvoraussetzungen für Civil Servants sind die Grundsätze der Einstellung nach Leistung („on merit“) auf Grundlage eines fairen und offenen Verfahrens („fair and open competition“)724. Dieses seit der Civil Service Order in Council von 1870 bestehende Prinzip hat ist nunmehr gesetzlich verankert. Die Grundlagen zur Einstellung von Civil Servants, früher auf Ämter niedrigeren Ranges beschränkt, ist auf sog. Senior Appointments erweitert worden. Demzufolge benötigen auch Ernennungen zum Senior Civil Service, zu sog. Agency Chief Executives und zum Government Actuary spezifische schriftliche Genehmigungen der Civil Service Commissioners725. Die Tatsache, dass das sog. Senior Leadership Committee (SLC)726, das aus einer kleinen Anzahl von Permanent Secretaries bechard A. Chapman (Hrsg.), Ethics in the Public Service for the New Millennium, Aldershot 2000, S. 93 ff.; vgl. auch Wade/Forsyth, Administrative Law [Fn. 698], S. 45. 722 Chapman, ebd., S. 93: „[…] the creation and development of the Civil Service Commission provided the central thrust and bedrock for the promotion of what is now referred to as ,public service ethos‘“. 723 Siehe Civil Service Commission Recruitment Principles, April 2012 Edition, abrufbar unter URL: http://civilservicecommission.independent.gov.uk/civil-service-recruitment/ [z. a.: 31. 3. 2012]. 724 Zentral hervorgehoben und erläutert in Annex A zu den Civil Service Commission Recruitment Principles, ebd. Die Definitionen der Grundsätze im Originalwortlaut: – Merit – means the appointment of the best available person: no one should be appointed to a job unless they are competent to do it and the job must be offered to the person who would do it best. – Fair – means there is no bias in the assessment of candidates. Selection processes must be objective, impartial and applied consistently. – Open – means that job opportunities must be advertised publicly and potential candidates given reasonable access to information about the job and its requirements, and about the selection process. 725 Siehe Civil Service Order in Council 1995, Art. 5 (1) und Schedule 1. 726 Civil Service Management Code (Stand: Juni 2011), Section 5.2.1, Abrufbar unter URL: http://www.civilservice.gov.uk/about/resources/civil-service-management-code [z. a.: 31. 3.

I. Rechtsnatur des Civil Service

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steht, den Head of the Home Civil Service bei der Besetzung des Personals ranghöherer Ämter wie auch bei der Ernennung der meisten dieser Ämter berät, ist ein weiterer Hinweis auf eine Entwicklung in der britischen Staatsorganisation, in der sich das klassische Einstellungsverfahren heute als wenig homogen darstellt727. Relevant ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Delegierung und dezentrale Übertragung an private Agencies728. Nach dem Civil Service (Management Functions) Act 1992 können sowohl Beamte, verantwortlich für ihre Abteilung, als auch Chief Executives für ihre Agency Eignungsüberprüfungen für die Ernennung zu Ämtern innerhalb ihrer Abteilung oder Agency delegieren.729 In diesem Rahmen sind die Aufgaben der Civil Service Commissioners dahingehend geschrumpft, die Einhaltung des Prinzips der Auswahl aufgrund fachlicher Qualifikation auf der Basis des fair and open competition zu überwachen sowie die Einstellungspolitik und -praxis innerhalb des Service und der Agencies zu überprüfen. Sie sollen kontrollieren, ob die Einstellungsvoraussetzungen (Recruitment Principles) von der einstellenden Stelle eingehalten worden ist, und sie sind angehalten, die Ergebnisse

2012]. Der Civil Service Management Code, nunmehr aufgrund gesetzlicher Grundlage des Constitutional Reform and Governance Act 2010 erlassen, wurde erklärt von der Personnel Management and Conditions of Service Division, erlassen unter der Amtsgewalt der Civil Service Order in Council 1995 (Annex A des Code), nach der der Minister für den Civil Service die Möglichkeit hat, der Verwaltung des Home Civil Service Regeln aufzuerlegen und Anweisungen zu erteilen, einschließlich der Entscheidungsgewalt über die Dienstbedingungen der Civil Servants. Der Code setzt Regulierungen und Vorschriften für Ministerien und Agencies bezüglich der Dienstbedingungen von Civil Servants, sowie für die Delegierungen an für die Abteilungen zuständigen Ministern und Amtsträgern, die vom Minister für den Civil Service unter dem Civil Service (Management Functions) Act 1992 vorgenommen wurden, den First Minister der schottischen Exekutive und die Nationalversammlung von Wales, zusammen mit diesen Delegationen zusammenhängenden Bedingungen. Daher schließt er den schottischen Verwaltungsapparat und die Nationalversammlung von Wales mit ein. 727 Zur Entwicklung der Rekrutierung mit einem Schwerpunkt auf Privatisierung und Dekonzentration siehe Nevil Johnson, Manager statt Amtswalter? – Zu den Veränderungen im britischen Staatsdienst, DÖV 2001, S. 317 ff. (320) [zit.: Manager statt Amtswalter?]. 728 Grundlage ist die Civil Order in Council 1995; vgl. The Transfer of Functions (Treasury and Minister for the Civil Service) Order 1995, SI 1995 Nr. 269 sowie Gillian S. Morris, Fragmenting the State: Implications for Accountability for Employment Practices in Public Services, [1999] PL, S. 64 ff. (68 ff.). Zur parlamentsgesetzlichen Grundlage siehe Civil Service (Management Functions) Act 1992, das den Minister für den Civil Service autorisiert, weite Bereiche seiner Befugnisse zu deligieren („to such extent and subject to such conditions as he thinks fit […] to any other servant of the Crown“), S. 1 f. (2). 729 Somit bleibt es eine Angelegenheit individuellen ministerialen Ermessens. Morris, ebd., legt dar, dass es in der Tat beträchtliche Abweichungen im Bereich der Delegierung gab (S. 69). Er betont, dass mehrere andere Aspekte, wie Dauer und Bedingungen von Arbeitsverhältnissen, Klassifizierung von Beschäftigten, deren Entlohnungen und Zuschüsse, Urlaub und Arbeitsstunden, Pensionierungsalter, etc. beim Delegierungsprozess eine Rolle spielen (S. 68). Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass Bestimmungen über die Ausübung des Ermessens in „Handbüchern“ thematisiert werden.

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dieses Verfahrens in jährlichen Berichten zu veröffentlichen730. Allerdings sind eine Reihe von Ausnahmetatbeständen vom Grundsatz des fairen und offenen Verfahrens erlaubt, z. B. bei Einstellungen für die Höchstdauer von bis zu zwei Jahren731. Das Prinzip ist darüber hinaus nicht anwendbar auf besondere Berater der Minister, deren Einstellung die Amtszeit des Ministers nicht überdauern darf, ebenso wenig wie auf Personen, die direkt von der Krone ernannt werden732. Jüngste Versuche, wie im Constitutional Renewal Bill vom März 2008, die Autonomie des britischen Civil Service zu befördern, den neutralen Charakter des Civil Service gesetzlich zu verankern und insbesondere die rechtlichen Kompetenzen der Civil Service Commissioners in Einstellungsfragen zu stärken, um so potentiellen politischen Interessen bei der Besetzung von Stellen entgegenzuwirken, fanden ihren Abschluss in einem Parlamentsgesetz, im Constitutional Reform and Governance Act 2010. Dieses Gesetz hat die Civil Service Commission als Institution („body corporate“) re-etabliert733, allerdings die im ursprünglichen Entwurf 2008 vorgesehenen, weit reichenden Untersuchungsrechte der Civil Service Commissioners („to undertake inquiries without a complaint being made by a civil servant“) nicht festgeschrieben, sondern diese Rechte an einen offizielle Beschwerde seitens eines Beamten („official complaint“) geknüpft.734 Seitdem dezentralisierte, private Agencies erlaubt und zunehmend genutzt worden sind, ist die Einheitlichkeit und Beständigkeit der Einstellungsverfahren in Frage gestellt. Dieser Befund gilt um so mehr, wenn man bedenkt, dass befristete Einstellungen etablierte Praxis geworden sind735. In Anbetracht dessen wird deutlich, dass die Ausnahmen vom Prinzip des fair and open competition nicht nur praktische Gründe reflektieren, sondern auch eine Tendenz zur Zergliederung der Einheitlichkeit des britischen Staatsdienstes offen legen. Zudem erscheinen Zweifel ge730 Vgl. Art. 4 und 8, Civil Service Order in Council 1995. Die Jahresberichte, die im Internet veröffentlicht werden, sind abrufbar unter URL: http://civilservicecommission.independent.gov.uk/publications/annual-reports/ [z. a.: 31. 3. 2012]. 731 Zu dieser und weiteren Ausnahmen siehe Civil Service Commission Recruitment Principles [Fn. 723], Annex C. 732 Siehe Art. 3 (2) (a) (b); 6 (1) (b), Civil Service Order in Council 1995. 733 Zu den erneut veränderten Rechtsgrundlagen siehe URL: http://civilservicecommission.independent.gov.uk/about-us/ [z. a.: 31. 3. 2012]. Im März 2008 veröffentlichte die Regierung ein White Paper „The Governance of Britain – Constitutional Renewal“ und zur gleichen Zeit den Text eines „Constitutional Renewal Bill“. Teil 5 des Gesetzentwurfs betrifft den Civil Service sowie die Civil Service Commissioners. The Constitutional Reform and Governance Bill von 2009 unterscheidet sich in einigen Aspekten von dem vorhergehenden Constitutional Renewal Bill, belässt jedoch die Regelungen betreffend den Civil Service und die Civil Service Commissioners im Wesentlichen gleich. Das parlamentarische Verfahren hierzu ist mit dem Constitutional Reform and Governance Act 2010 abgeschlossen, hat die Rekrutierungskriterien auf gesetzliche Grundlage gestellt sowie die Civil Service Commission wieder etabliert. 734 Vgl. auch die zusammenfassende Darstellung zur jüngsten Reform, abrufbar unter URL: http://www.civilservant.org.uk/csact.shtml [z. a.: 31. 3. 2012]. 735 Vgl. Johnson, Manager statt Amtswalter? [Fn. 727], S. 320.

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boten, ob und wie die Commission, deren Ressourcen zu so einem hohen Maß dezentralisiert worden sind, ihre Überprüfungen effektiv durchzuführen vermag. Zwar sind Permanent Secretary und Chief Executive der Ministerien bzw. Agencies rechtlich verpflichtet zu bescheinigen, dass ihre Delegierten den Rekrutierungsprinzipien befolgen736 ; auf der anderen Seite ist dieses Verfahren aber auf dem Gedanken gegründet, dass jede Abteilung oder Agency eigenes Personal auswählt, und zwar aufgrund unterschiedlicher Kriterien und Bedingungen, die nicht alle den Prinzipien des fairen und offenen Verfahrens verpflichtet sind737. Dem Gefüge eines dezentralisierten Systems, unter dem über 3.000 dezentralisierte „recruitment units“ geschaffen wurden738, steht der Anspruch der Commission gegenüber, zur Entwicklung eines neutralen, effizienten und ethischen Standards verpflichteten Civil Service beizutragen739. Bevor die eigentlichen ethischen Verwaltungsstandards näher betrachtet werden, soll im nachfolgenden Abschnitt kurz auf die Frage nach den Einstellungsvoraussetzungen sowie nach der traditionell typischen Ausbildung von Civil Servants eingegangen werden.

b) Traditionelle Ausbildung: „Philosophie des Amateurs“? Die traditionell vorherrschende Idee für alle dauerhaften Einstellungen im Civil Service war eine humanistische Ausbildung, nicht die rechtswissenschaftliche Examinierung oder die technische Qualifizierung.740 „Most countries recruit their bureaucracy almost exclusively from lawyers: our bureaucracy is not fond of them, who is right?“741

Es wird hier nicht der Versuch unternommen, eine abschließende Bewertung dieser Fragestellung zu ergründen, gleichwohl soll dieser für die Charakterisierung der „Rechtsnatur“ des Civil Service zentrale Aspekt aufgegriffen werden. Der Northcote-Trevelyan-Report dient erneut als Ausgangspunkt: „For the superior situations endeavours should be made to secure the services of the most promising young men of the day, by a competing examination on a level with the highest de736

Siehe Civil Service Commission Recruitment Principles [Fn. 723], unter Abschnitt Nr. 5. Morris, Fragmenting the State: Implications for Accountability for Employment Practices in Public Services, [1999] PL, S. 64 ff. (69). 738 Cabinet Office, Responsibilities for Recruitment for the Civil Service (1994) (London: Cabinet Office), Abschnitt 5.1. 739 Aufgaben und Rechtsgrundlagen abrufbar unter URL: http://civilservicecommission.independent.gov.uk/about-us/what-we-do/ [z. a.: 31. 3. 2012]. 740 Siehe Hennessy, Whitehall [Fn. 704] sowie Northcote-Trevelyan Report [Fn. 714] und Fulton Report [Fn. 704]; Johnson, Manager statt Amtswalter? [Fn. 727], S. 320 und derselbe, Civil Service [Fn. 713], S. 198; Wade/Forsyth, Administrative Law [Fn. 698] heben hervor, dass diese traditionelle Philosophie nunmehr überwunden sei, ebd., S. 46. 741 C. P. Snow’s „fictional permanent secretary“, Hector Rose, „in the novel Homecomings“, 1962, zitiert nach Gavin Drewry, Lawyers in the UK Civil Service, [1981] 59 Public Administration, S. 15 ff. (15). 737

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scription of education in this country“742, so haben die ambitionierten Reformer von 1853 formuliert. Viele dieser „vielversprechenden (hochgebildeten) jungen Männer“743, die im Laufe der Jahre dem Civil Service in Großbritannien zugehörig wurden, sind, so die Einschätzung zeitgenössischer Wissenschaftler, in einer Welt von beschränkt ausgewählten Generalisten, „all-rounders“, geblieben744, im Wesentlichen als „elitäre Gruppe“745. Spiegelt dieses grob verfasste Bild das Gefüge des britischen Civil Service wider? Jede Kurzanalyse der britischen Verwaltungstradition sollte sich der Gefahr stereotyper Schlussfolgerungen bewusst sein746. Eine weitere, im Ton schärfere Beurteilung stammt von William Ryrie, einem stellvertretenden Staatssekretär im Schatzamt, der erklärte, dass das Ideal des Civil Service aus dem 19. Jahrhundert angesichts der veränderten Rolle des Regierens nicht mehr ernst genommen werden könne und letztlich verantwortungslos sei.747 Die Debatte erreichte ihren Höhepunkt, als das Fulton Committee 1968 seinen Bericht veröffentlichte und erklärte, dass der Civil Service weitestgehend noch immer ein „Produkt der Philosophie des Northcote-Trevelyan-Report aus dem 19. Jahrhundert“ sei748, obwohl sich ja die Aufgaben und Problemstellungen des Services seit dieser 742

Northcote-Trevelyan Report [Fn. 714] S. 112. Der Northcote-Trevelyan Report aus der Mitte des 19. Jahrhundert bezieht sich ausschließlich auf „men“, nicht „women“. Aus jüngerer Zeit siehe Cabinet Office (1999), Modernising Government, Cm. 4310, Kapitel 6 („Public Service: We will value public service, not denigrate it“), Abschnitt Nr. 25, S. 60: „Targets for 2004/05 – 35 % of the senior service (the most senior 3,000 civil servants) will be women. In 1998 the figure was 17.8 %. – Women will fill 25 % of the top posts. (What happens at the very top of the civil service is critical for the tone it sets the rest). In 1998, the figure was 12.7 %.“ 744 Hennessy, Whitehall [Fn. 704], S. 174 mit Blick auf die 1960er Jahre. 745 Vgl. Louis Blom-Cooper, Lawyers and Public Administrators: Separate and Unequal, [1984] PL, S. 215 ff. (234). Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Johnson, Manager statt Amtswalter? [Fn. 727], S. 320: „In der allgemeinen Verwaltung dominierte eine ziemlich kleine Gruppe von höheren Staatsdienern, die im allgemeinen keine Juristen waren, sondern meistens eine humanistische Ausbildung hatten.“ 746 Vgl. aber Jeremy Bray’s Urteil über Civil Servants: „hard core of public school, Oxbridge, upper-class classicists with second-class honours degrees“, in The Sunday Times, 5 September 1965, zitiert von Hennessy, Whitehall [Fn. 704], S. 189. 747 William Ryrie, The Role of the Civil Service in Modern Society, Memorandum No. 144, 1967, S. 1085: „There is a general feeling about the Civil Service – both inside and outside it – that ,something is wrong‘. Indeed a great deal is wrong. But diagnosis is difficult because the root of the trouble is not the Civil Service itself but in fact that the whole machinery of government is ill adapted to the tasks of government in society today. […] I think it is impossible to discuss the structure and management of the Civil Service constructively without giving some thought to its role, and indeed to the changed role of government itself in modern society.“ Derselbe: „the 19th-century notion of the intelligent layman, able to turn his hand to anything, relying if necessary on the experts but relegating them to advisory role, is now frivolous and irresponsible“, ebd., S. 1090 – 1091, zitiert bei Hennessy, Whitehall [Fn. 704], S. 191 ff. (192). 748 Fulton Report [Fn. 704], 1. Kapitel, Abschnitt Nr. 1. 743

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Zeit wesentlich verändert hätten. Darüber hinaus legte der Bericht dar, dass der Service noch immer wesentlich auf die „Philosophie des Amateurs“ (bzw. ,generalist‘, ,all-rounder‘) gegründet sei. Dies sei evident in der administrativen Klasse, die die dominante Position innerhalb des Civil Service innehabe.749 Eine abschließende Beurteilung zu dieser Einschätzung des Fulton Komitees, Civil Servants folgten von ihrem Selbstverständnis und ihrer Ausbildung der „Philosophie des Amateurs“, ist hier nicht statthaft. Eine wissenschaftlich fundierte Bewertung zur Bildungsstruktur und zur Tradition des Selbstverständnisses des britischen Civil Service, die die Entwicklungen und die wesentlichen Veränderungen wenigstens seit dem Northcote-Trevelyan-Report auf empirischer Basis verfolgte, ist in diesem Rahmen nicht vorgesehen750 und auch nicht zwingend geboten. Sachdarstellungen herausragender Persönlichkeiten des Civil Service geben als sekundäre Quellen zumindest Einblicke in den hier betrachteten Hintergrund der britischen Rechtstradition des Civil Service. Unersetzliche Basis für die weitere Analyse bleiben die meilensteinartigen Entwürfe, die in den Berichten von Trevelyan und Fulton zum Ausdruck kommen. Es erscheint also auch in methodischer Hinsicht nicht falsch, die genannte Einschätzung des Fulton Komitees kritisch im Auge zu behalten. Das bürokratische System in Whitehall, in bestimmtem Maß so evident auf einer Linie mit Webers Modell rationaler Verwaltung und sich so früh seiner professionellen Ansprüche bewusst, hat in der Vergangenheit zu einem großen Maß eine nicht rechtswissenschaftlich ausgebildete Klasse aufgenommen751. Einen Grund für die Begrenzung von Juristen auf eine Rolle des Rechtsberaters oder auf eine solche, die die Gesetzgebung vorbereitet, könnte darin liegen, dass Juristen innerhalb des Civil Services offensichtlich als Spezialisten, weniger als „allrounder“ eingestuft wurden.752 Auch wenn man Unterschiede zwischen einzelnen 749 Fulton Report [Fn. 704] 1. Kapitel, Abschnitt Nr. 15. Besonders diese Einschätzung führte zu einer Reihe kontroverser Debatten, siehe Hennessy, Whitehall [Fn. 704] S. 195 ff. 750 Es wären wenigstens Auswertungen von Studien der großen Reformperioden wie auch eine Untersuchung der Organisationsstruktur der Regierung, des Civil Service als permanenten Verwaltungsträger, der Ministerien, Abteilungen und Referate sowie abgetrennter Einheiten notwendig, die im Rahmen dieser Untersuchung nicht geleistet wurden. Demzufolge mangelt es der hier angeschnittenen Debatte an detaillierten empirischen und sozio-kulturellen Bewertungsgrundlagen; die abgeleiteten Erkenntnisse leiden damit an einem gewissen Grad der Unsicherheit und Ungenauigkeit. 751 Die Beispiele von Bloom Cooper, Lawyers and Public Administrators: Separate and Unequal [Fn. 745], sind deutlich: Er betrachtet die bürokratische Haltung in Whitewall bezüglich Gefängnisverwaltung als „outside judicial control“ (S. 221), sowie auch die „Crown Agents’ affair“, um dann zu dem Schluss zu kommen, dass eine „Injektion“ rechtlicher Kenntnisse oder rechtskundiger administrativer Beratung der Öffentlichkeit substantielle finanzielle Verluste erspart hätte (S. 222). Vgl. auch Wade/Forsyth, Administrative Law, 8. Aufl., Oxford 2000, S. 54: „The administrators who hold the key positions in Whitehall therefore contrasts markedly with their counterparts in many European countries, where the passport to an official career is a degree in law or a highly specialized training“. 752 Siehe Sir Thomas Barnes, the Treasury Solicitor, in einem Memorandum von 1943: „The Treasury have […] been accustomed to treat lawyers as specialists and class them with

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Ressorts bedenkt753, scheint die unterstrichene generelle Tendenz, dass ausgebildete Juristen nicht den Corps der höheren administrativen Amtsträger bilden, tief verwurzelt zu sein. Es ist vor diesem Hintergrund die Einschätzung formuliert worden, dass der Civil Service zu einer Wahrnehmung der Wirklichkeit tendiere, die ihn erheblich von rechtswissenschaftlich oder rechtstechnisch geprägten Akteuren unterscheide.754 Diceys Argwohn gegen fremdartige Lasterhaftigkeit der droit administratif755 ist nur ein Aspekt der facettenreichen Debatte. Angesichts der im internationalen Maßstab fortschreitenden Spezialisierung der Verwaltungsaufgaben hat die sog. Expertifizierung innerhalb der öffentlichen Verwaltung zugenommen – so dass beispielsweise auch das sog. „Juristenmonopol“ im deutschen öffentlichen Dienst schon seit einiger Zeit der Vergangenheit angehört756. Für den Civil Service von heute wurde trefflich bemerkt: „A distinctly legal voice in the administration is seldom heard“.757 Gleichwohl wird die Charakterisierung aus dem Fulton Report, einer „philosophy of the amateur“ als kennzeichnender „Wesenszug“, dem Civil Service unter Berücksichtigung der jüngsten Reform-Entwicklungen heute nur noch eingeschränkt gerecht. Ein „Antagonismus“758 besteht allerdings insofern fort, als (außerhalb des Justizministeriums) noch immer eine geringe Anzahl an Juristen eingestellt ist, und von diesen die Mehrzahl eher dezidiert als Rechtsberater in den Rechtsabteilungen, weniger in den politischen Fachabteilungen. scientists, architects, doctors, etc. I venture to submit that there is very little analogy between the functions of the lawyer in the public service and the functions of scientists and other specialists“, zitiert von Blom-Cooper, Lawyers and Public Administrators: Separate and Unequal [Fn. 745], S. 223 – 224. Vgl. David Judge, Specialists and Generalists in British Central Government: A Political Debate, [1981] 59 Public Administration, S. 1 ff. (5). 753 Offensichtlich ist der Bedarf an in-house Juristen im Home Office oder im Department of Social Security evidenter als in anderen Regierungsstellen. Drewry, Lawyers in the UK Civil Service [Fn. 741], analysierte die Situation bis 1981, und formulierte eine Unterscheidung zwischen vier „Gruppen“, dem Government Legal Service, den Legal Groups, dem Legal Civil Service und Lawyer Civil Servants sowie dem Legal Career Service; außerdem nimmt er auf Statistiken über Personal innerhalb dieser Gruppen Bezug (S. 16 ff.). 754 Wade/Forsyth, Administrative Law, 8. Aufl., Oxford 2000, S. 56.: „This polarisation of attitudes accentuates the feeling of tension between government and governed which runs through administrative law and suggests an exaggerated notion of the separation of powers.“ Gleichwohl besteht freilich auch in der britischen Verwaltung die Notwendigkeit, viele Sachverhalte aus einer spezifisch rechtlichen Perspektive zu betrachten und zu lösen. Vgl. Drewry, Lawyers in the UK Civil Service [Fn. 741], S. 15. 755 Albert Venn Dicey, Introduction to the study of the law of the constitution, 10. Aufl., London 1959, mit einer Einführung von E. C. S. Wade, Kapitel XII, S. 328 ff. 756 Vgl. nur Ulrich Battis, Stand und Weiterentwicklung des deutschen Öffentlichen Dienstes, dms – der moderne staat 2009, S. 93 ff. (95 m. weit. Nachw.). 757 Wade/Forsyth, Administrative Law [Fn. 698], S. 46 – 47. Zur schärferen Einschätzung aus der 8. Aufl. vgl. das Zitat in Fn. 754. 758 Siehe Wade/Forsyth, Administrative Law [Fn. 698], S. 44 – 47 (47): „This van sometimes lead to a certain antagonism between the legal and official mentalities.“

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Dieses Phänomen kann auf den Charakter des britischen Verwaltungsrechtssystems bezogen werden: Während sich auf dem Kontinent ein separates und rechtlich hoch entwickeltes Gefüge administrativer Normen herausgebildet hat759, sucht man im Rechtssystem Großbritanniens760 vergebens nach einem solchen allumfassenden Rahmen geschriebener Verwaltungsrechtsnormen. Der Constitutional Reform and Governance Act 2010 stellt hinsichtlich der seit den 1990er Jahren anhaltenden Reformbemühungen zum Civil Service einen Höhepunkt und zugleich Wendepunkt dar, als darin der Status des Civil Service sowie der Civil Service Commision erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird.

3. Charakteristika des Dienstes unter der Krone Die allgemeine Kontrolle des Civil Service lag, abgesehen von den Jahren 19681981, stets in den Händen des Schatzamtes. Mit der Implementierung von Fulton 1968 wurde die Kontrolle vom Permanent Secretary des Schatzamtes, der auch Permanent Head of the Civil Service war, auf das neu gegründete Civil Service Department übertragen, dem ein Minister für den Civil Service vorstand, welches aber faktisch durch den Prime Minister geleitet wurde.761 1981 wurde das neu geschaffene Department wieder abgeschafft. Das Schatzamt gewann die Kontrolle zurück, und der Prime Minister blieb Minister für den Civil Service, unterstützt durch ein Management- und Personalamt im Kabinett, das sich insbesondere mit Organisationsfragen sowie Personalmanagement und -training befasst.762 Zur Analyse dessen, was die Rechtsnatur des Civil Service besonders beschreibt, soll kurz auf die Konstruktion „hinter“ diesen Ämtern, auf die Krone als Bezugspunkt, eingegangen werden. Es gilt ein Verständnis dafür zu entwickeln, was den „Crown Service“ im Vereinigten Königreich charakterisiert, wie das rechtliche Band 759 Dies ist natürlich eine sehr vage Beschreibung einer Entwicklung, die offensichtlich in EU-Staaten wie Frankreich, Deutschland, Italien und anderen stark variiert. Dennoch ist ein System von Verwaltungsgerichten, die sich ausschließlich mit Verwaltungsfällen beschäftigen, ein entscheidendes gemeinsames Merkmal, ein weiteres ist die enorme Anzahl von schriftlichen Regeln und Statuten. 760 Schottisches Recht unterscheidet sich bis zu einem gewissen Grad deutlich von englischem Recht. Den Civil Service betreffend wird dennoch das Personal der schottischen und walisischen Exekutive unter Übertragungsvereinbarungen Teil des Home Civil Service bleiben, siehe Scotland Act 1998, S. 51 (2); Government of Wales Act 1998, S. 34 (2). 761 Siehe 767 HC Deb. Col. 455 (26 June 1968); The Minister for the Civil Service Order 1968, SI 1968 Nr. 1656; Civil Service Order in Council 1969 (22 October); O. Hood Phillips/ Paul Jackson/Patricia Leopold, Constitutional and Administrative Law, 8. Aufl., London 2001, Abschnitt 18 – 022. 762 Siehe 12 HC Deb. 658 (12 November 1981); The Transfer of Functions (Minister for the Civil Service and Treasury) Order 1981, SI 1981 No. 1670; The Transfer of Functions (Minister for the Civil Service and Treasury) Order 1987, SI 1987 No. 2039; The Civil Service (Management Functions) Act 1992.

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zwischen der Krone, deren exekutive Rechte durch die Regierung ausgeübt werden, und ihren Bediensteten beschaffen ist. Die „inkrementell“763 entstandene Verfassungsordnung ist dabei ein wesentlicher Faktor: „Die fehlende Formalisierung des Verfassungsinhalts sowie der Voraussetzungen für seine Änderung hat ein erhebliches Maß an Pragmatismus beflügelnder Flexibilität, damit aber auch an verfassungsrechtlicher Unsicherheit zur Folge“764. Die Krone kann als ein Bestandteil der staatlichen Institutionen in den Formen des representative government und als Organisation der civil society bezeichnet werden765. Der Monarch wird zwar als Head of the State bezeichnet, steht aber, wie KarlUlrich Meyn herausgearbeitet hat, im Vergleich zur deutschen Terminologie und Unterscheidung „Staat“/„Gesellschaft“ der Gesellschaft sehr viel näher, „als dies im konstitutionellen Verfassungsdenken beim deutschen Monarchen“766 der Fall war. Alliance to the Crown kann man danach weniger als Loyalität gegenüber dem Monarchen als Inbegriff oder Symbol des Staates begreifen, als vielmehr als Loyalität gegenüber dem Monarchen als Verkörperung der Nation und of the people.767 Das Selbstverständnis des Civil Service knüpft daran an. Im Verhältnis zum in der etatistischen Staatslehre in Deutschland entwickelten Staatsbezug des Berufsbeamtentums ist der britische Beamte gesellschaftstheoretisch betrachtet eher ein Teil der society. Ungeachtet des tatsächlichen politischen Einflussverlustes unter den Bedingungen der parlamentarisch verantwortlichen Regierung ist die Krone nominell noch in allen Funktionen der Verfassungsordnung des Königsreichs präsent768. Die Gesetze werden nominell durch die „Queen-in-Parlament“769 erlassen. Die Identifikation der Krone mit dem Government als der (Zentral-)Regierung entspricht einem Verständnis von der Krone „als aggregierter Körperschaft (corporation aggregate), die sich aus einer Vielzahl von Amtswaltern und Dienststellen zusammensetzt“770, im Gegensatz zu dem Verständnis der Krone als „corporation sole“771

763 Florian Becker, Staat und Krone im Vereinigten Königreich, in: Otto Depenheuer/ Markus Heintzen/Matthias Jestaedt/Peter Axer (Hrsg.) Staat im Wort, Festschrift für Josef Isensee, Heidelberg 2007, S. 471 ff. (473) [zit.: Staat und Krone]. 764 Becker, ebd., S. 474. 765 Siehe hierzu Meyn, Beamtenleitbilder [Fn. 700], S. 93. 766 Meyn, ebd. 767 Hierzu und zum daraus folgenden Bezugspunkt für den Civil Service siehe Meyn, ebd. 768 Becker, Staat und Krone [Fn. 763], S. 476. 769 Dies wird auch in der Verkündungsformel deutlich, hier aus dem Constitutional Reform Act 2005, mit dem der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs (Supreme Court of the United Kingdom) geschaffen wurde: „Be it enacted by the Queen’s most Excellent Majesty, by and with the advice and consent of the Lords Spiritual and Temporal, and Commons, in this present Parliament assembled, and by the authority of the same, as follows: […]“. 770 Becker, Staat und Krone [Fn. 763], S. 477. 771 Becker, ebd., S. 478 mit Hinweis auf William Wade, Crown, Ministers and Officials, in: Maurice Sunkin/Sebastian Payne (Hrsg.), The Nature of the Crown, 1999, S. 23 ff. (24).

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und damit in ihrer Eigenschaft als politischer oder verfassungsrechtlicher Akteur.772 Es gibt, Resultat einer jahrhundertelangen Fehde zwischen Krone und Parlament, die durch die Bill of Rights 1689 im Grundsatz beigelegt wurde, eine Verfassungskonvention, die besagt, dass die Königin ihr Vorrecht als Gesetzgeberin (Royal Prerogative) nur ausübt, wenn der Premierminister ihr einen Vorschlag gemacht, und wenn das Parlament dem Text zugestimmt hat.773 Die aus dem Common Law stammende königliche Prerogative, die dem Monarchen anheim fällt, hat sich zunehmend zu einem Handlungsinstrument der Regierung entwickelt.774 Die rechtliche Beziehung zwischen der Krone und dem Civil Service war 150 Jahre auf hoheitlichem Ermessen gegründet, auf dem Hoheitsrecht der Krone, „Royal Prerogative“. Dieses Prinzip beinhaltet die hoheitliche Kompetenz zur Entlassung „nach Belieben“ („power for dismissal at will“) und die Möglichkeit, Beschäftigungsbedingungen frei festzulegen775. Bisher wurde der Civil Service hauptsächlich über die Vorschriften der Order in Council reguliert, bei denen es sich um hoheitsrechtliche Regierungsverordnungen handelt. Diese Tradition wurde nunmehr durchbrochen, indem der Civil Service mit dem Constitutional Reform and Governance Act 2010 (chapter 25) auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wurde. Dies betrifft auch die fundamentalen ethischen Standards des Civil Service, die auf Grundlage des neuen Gesetzes erlassen werden.776

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Zum diesbezüglichen Disput zwischen Lord Diplock, Lord Simon und Lord Morris siehe Becker, ebd., mit weit. Nachw. 773 Martin Begrich, Die Verfassung des Vereinigten Königreichs, ihre Reform und ihr Wandel, Hanse Law Review 2007, S. 121 ff. (123) [zit.: Verfassung des Vereinigten Königreichs]. 774 Begrich, ebd., S. 126. 775 Siehe Gernot Sydow, Parlamentssuprematie und Rule of Law – Britische Verfassungsreformen im Spannungsfeld von Westminster Parliament, Common-Law-Gerichten und europäischen Einflüssen, Tübingen 2005, S. 75 f. 776 Siehe bereits The Governance of Britain – Constitutional Renewal, Cm 7342 I (März 2008), in dem diese Absicht feierlich erklärt wird (Abschnitt 168): „Over the past 150 years, the Civil Service has been managed under the Royal Prerogative. The Government is of the view that it is now time to put the role, governance and values of the Civil Service on a statutory basis. This will enshrine in legislation the fundamental values of the Civil Service.“ Siehe auch Constitutional Reform and Governance Bill vom 20. Juli 2009. Bereits 2003 veröffentlichte das „Public Administration Select Committee“ einen Entwurf für einen „Civil Service Bill“ und ein Jahr später veröffentlichte die Regierung ihre Konsultationen für einen eigenen Gesetzentwurf. Darin greift die Regierung die den Civil Service betreffenden Werte und Standards des „Select Committee“ und des „Committee on Standards in Public Life“ auf, siehe „A Draft Civil Service Bill, A consultation Document“, November 2004, Cm 6373. Eine Zusammenfassung der umfänglichen „responses“ darauf bietet „The Governance of Britain – Analysis of Consultations“ (Cm 7342 – 3). Einen umfassenden Überblick über die historische Entwicklung des Civil Servive und der Werteorientierung im britischen öffentlichen Dienst bietet Wouter Vandenabeele/Sylvia Horton, The Evolution of the British public service ethos: a historical institutional approach to explaining continuity and change, in: Leo W. J. C. Huberts/Jeroen Maesschalck/Carole L. Jurkiewicz (Hrsg.), Ethics and Integrity of

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Die Immunität der Krone lässt sich ablesen in dem königlichen „Hoheitsrecht“ zur Entlassung der Civil Servants aufgrund königlicher Befugnis. Dieses wurde als eine Regel des Verfassungsrechts betrachtet, deren Grundlage in der „naturgemäß“ uneingeschränkten Hoheitsgewalt des Monarchen begründet lag – „because the King can do no wrong“777. „Hoheitsrecht“ kann treffend als Recht beschrieben werden, auf welches die Krone ihrem Ursprung nach Anspruch hat, nicht aber seine Subjekte778. Die wesentliche Frage, ob zwischen der Krone und ihren Beamten eine vertragsähnliche Bindung besteht und wenn dem so sei, ob die Befugnis der Krone zur Entlassung „nach Belieben“ damit vereinbar wäre, bleibt virulent. Beide Fragen sind im Vereinigten Königreich anhand von Fällen und von Rechtsgelehrten ergiebig debattiert worden779. Im Rahmen eines jüngeren Falls bezüglich dieser Thematik befand das Gericht, dass zwischen Civil Servants und der Krone zwar ein vertragliches Anstellungsverhältnis bestehe, welches allerdings nach Belieben von der Krone beendet werden könne780. Die rechtlichen Folgen sind recht ungewöhnlich, da Civil Servants als vertraglich Bedienstete der Krone effektiv in ihren Möglichkeiten, die sie als Beamte betreffenden Entscheidungen zu überprüfen, eingeschränkt werden können, z. B. wenn sich ihre Beschäftigungsbedingungen verändert haben781. Wade und Forsyth haben Governance. Perspectives Across Frontiers, Cheltenham u. a. O. 2008, S. 7 ff., zur hier angesprochenen aktuellen Entwicklung s. S. 19. 777 Council of Civil Service Unions v. Minister for the Civil Service [1985] AC 374, S. 409 (Lord Diplock). Lord Diplocks Hinweis auf die uneingeschränkte Hohheitsgewalt des Monarchen wird zum Teil als „klassisch“, aber wenig erschöpfend beschrieben, siehe Lord Scarman („valuable, and already ,classical‘, but certainly not exhaustive analysis“), R. v. Secretary of State for the Environment ex p. Nottinghamshire CC [1986] AC, S. 240 ff. (249) (Lord Scarman). Siehe auch Wade/Forsyth, Administrative Law [Fn. 698,] dort in Fn. 4 in Appendix 1, S. 832, die fehlerhafte Ableitung aus diesem Satz beklagend: „much nonsense about the royal prerogative“. 778 Siehe Wade/Forsyth, ebd., S. 53 ff. 779 Die Maxime der Befugnis der Krone, ihre Civil Servants nach Belieben zu entlassen, wird im System des Gewohnheitsrechts allgemein akzeptiert, mal unter Betonung auf dem „öffentlichen Interesse“ („public interest“), auf der Unvereinbarkeit mit einer Situation, in welcher der Krone „die Hände gebunden“ sind („incompatibility with a situation where the Crown is forced to ,tie its hands‘“ – Dunn v. The Queen [1896] 1 QB 116, 117), auf „Brauch“ („custom“) oder auf dem „Hoheitsrecht“, siehe R. v. Civil Service Appeal Board ex p. Bruce [1988] ICR 649; 3 All ER 686, 689 (May L. J.). Zum Gewohnheitsrecht siehe Hales v. The King [1918] 34 TLR 589: „There is a custom that a servant of the Crown retains his employment only during the pleasure of the Crown, and even if a special contract to the contrary could be proved it could not bind the Crown.“ Vgl. Mark Freedland, Contracting the Employment of Civil Servants – A Transparent Exercise?, [1995] PL, S. 224 ff., mit. weit. Nachw. 780 R. v. Lord Chancellor’s Department ex p. Nangle [1991] IRLR 343; [1992] 1 All ER 897; besprochen bei Sandra Fredman/Gillian Morris, Judicial Review and Civil Servants: Contracts of Employment Declared to Exist, [1991] PL, S. 485 ff. 781 Fredman/Morris, ebd.

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darauf hingewiesen, dass das Erfordernis vertraglicher Zustimmung zu solchen Veränderungen zwischen den ungleichen „Parteien“ der Civil Servants und der Krone hinsichtlich der Befugnis letzterer zu „dismissal at will“ bei vorliegendem öffentlichen Interesse nur unzureichenden Rechtsschutz biete782. Gleichwohl sind Civil Servants auch dazu berechtigt, sich auf Vorschriften zu Arbeitsrechtsverhältnissen und sozialer Sicherheit zu berufen, einschließlich finanzieller Entschädigung bei Entlassung aus ungerechten Gründen783. Auch konnten sie sich an das 1972 gegründete, inzwischen aber entmachtete Civil Service Appeal Board wenden, welches bis zu einem gewissen Grad befugt war, die Entscheidungen der Krone zu überprüfen784. Der Constitutional Reform and Governance Act 2010 stellt die Verantwortung und das Recht zur Einstellung und Entlassung zwar nunmehr auf gesetzliche Grundlage und in die Hände des Ministers für den Civil Service. Noch immer bleiben rechtliche Unsicherheiten bezüglich des Schutzes der „Anstellungsverhältnisse“ von Civil Servants bestehen, wobei die jüngsten Reformen auch dazu dienen, diesen Unsicherheiten entgegen zu wirken und die Prärogative zu „zähmen“.785 Andererseits ist es paradox und zugleich aufschlussreich, dass Civil Servants in der Praxis nur selten entlassen werden. Der „Dienst der Krone“, der auch nach den jüngsten Reformen im Grundsatz nicht angetastet wird und hinsichtlich seines rechtlichen Status’ weiterhin in Teilen unbestimmt ist, gilt nach wie vor als eines der sichersten Arbeitsverhältnisse im Vereinigten Königreich786.

II. Ethische Verwaltungsstandards 1. Einführung Bis in die 1990er Jahre hinein waren die wesentlichen Verhaltensregeln der Civil Servants nicht in einem Kodex niedergeschrieben, sondern wurden unter dem Vorsitz von Sir Warren Fisher, dem Leiter des Civil Service, eindrucksvoll vom Board of Inquiry formuliert, welches Anschuldigungen aus dem Fall Ironmonger v Dyne787 untersuchte und festhielt, dass der Civil Service höhere ethische Standards von sich selbst erwarte, als es gemäß moralischer Prinzipien von „Durchschnittsbürgern“ 782

Wade/Forsyth, Administrative Law, [Fn. 698] S. 54 f. Siehe Employment Rights Act 1996 und Industrial Tribunal Act 1996. 784 Siehe R. v. Lord Chancellor’s Department ex p. Nangle, [Fn. 780]. Zum Civil Service Appeal Board siehe URL: http://www.civilserviceappealboard.gov.uk/ [z. a. 31. 3. 2012]. 785 Begrich, Verfassung des Vereinigten Königreichs [Fn. 773], S. 126. 786 Wade/Forsyth, Administrative Law, [Fn. 698] S. 53 ff. (53), gehen davon aus, dass die Ursache dieses Phänomens auf einer tief verwurzelten Konvention beruhe. Das Fulton Committee fand es erstaunlich, dass die Zahl der Entlassungen und Zwangspensionierungen aufgrund von Fehlverhalten und Ineffektivität beispielsweise 1967 nur bei 20 lag, Fulton Report [Fn. 704], Abschnitt 123. 787 Ironmonger v. Dyne [1928] 44 TLR 497. 783

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üblich wäre. Der Staat dürfe erwarten, dass seine Diener jenseits des Verdachts mangelnder Aufrichtigkeit stünden. Dieses in dem Bericht dargelegte Prinzip der „common honesty“788 wurde vom Schatzamt in alle Regierungsstellen verbreitet und war von großer Bedeutung für den Erhalt der Reputation des Civil Service789. Über viele Dekaden hinweg dienten diese Anordnungen als gesetztes Statement für die ethischen Standards790 der Civil Servants791. Sie wurden als eine Art VerhaltensKodex792 angesehen.

2. Kodifizierte Standards Den Anstoß zur Kodifizierung der ethischen Standards im öffentlichen Dienst gab das groß angelegte Programm zur Reform des öffentlichen Dienstes vor gut zwanzig Jahren. Speziell im Hinblick auf Civil Servants sind die grundlegenden Regeln im Civil Service Management Code793 und im Civil Service Code794 niedergeschrieben und können wie folgt zusammengefasst werden. Civil Servants sollen: – ihren Verwaltungen und der jeweils aktuellen Regierung795 loyal dienen und dabei ihre Verantwortlichkeit gegenüber dem Minister anerkennen – ihr Amt mit Ehrlichkeit ausüben, vor allem niemals ihr Amt oder im Zuge der Ausübung ihres Amtes erhaltene Informationen zu Gunsten ihrer privaten Interessen oder der privaten Interessen Dritter missbrauchen – ihr Amt mit Objektivität und Integrität ausüben, insbesondere keinerlei Spenden, Einladungen oder Vorrechte jeglicher Art von Dritten anzunehmen, die als Beeinflussung ihrer persönlichen Entscheidungen gelten könnten – die politische Neutralität des Civil Service aufrechterhalten – nach geltendem Recht, einschließlich Völkerrecht und internationaler Vertragsverpflichtungen, handeln

788 Report of the Board of Enquiry appointed by the Prime Minister to investigate certain Statements affecting Civil Servants, (1928) Cmd. 3037, Abschnitt Nr. 56. 789 Siehe W. J. M. Mackenzie/J. W. Grove, Central Administration in Britain, London 1957, S. 151. 790 Mackenzie/Grove, ebd.: „,Caesar’s wife‘ standard“. 791 Eunan O’Halpin, Head of the Civil Service. A Study of Sir Warren Fisher. London 1989, S. 162. 792 Richard A. Chapman, Ethics in the British Civil Service, London 1988, S. 147. 793 Gemäß Civil Service Order in Council 1995; siehe Fn. 726. 794 Gemäß Cabinet Office 1996, siehe Annex A im Civil Service Management Code, ebd. 795 Dies beinhaltet „the duly constituted Government of the United Kingdom, the Scottish Executive or the National Assembly for Wales constituted in accordance with the Scotland and Government of Wales Acts 1998, whatever their political complexion […]“, Sektion 1 des Civil Service Code [Fn. 794].

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– möglichst anteilnehmend, gründlich, unverzüglich und ohne Vorurteile und Misswirtschaft öffentliche Angelegenheiten erledigen und sich um die angemessene, effektive und effiziente Nutzung öffentlicher Gelder bemühen – in der Ausübung ihres Amtes erhaltene Informationen vertraulich behandeln, insbesondere diese Informationen nicht missbrauchen oder unautorisiert veröffentlichen. Diese kodifizierten Standards enthalten detaillierte Bestimmungen bezüglich Vertraulichkeit und dienstlicher Informationen, ethischer Standards, Einstellungskriterien, politischer Aktivitäten und Disziplin. Zweck der Bestimmungen über Restriktionen politischer Aktivitäten war, das öffentliche Vertrauen in die politische Unparteilichkeit oder allgemeiner in die Neutralität des Civil Service als ständiges Organ der Administration zu erhalten bzw. wiederherzustellen796. Der außerordentlich regulative Anspruch der Kodizes legt zwar nah, dass eine Notwendigkeit gesehen wurde, das Verhältnis zwischen Civil Servants und den Ministern der Krone auf eine andere Weise als durch den traditionellen „Loyalitätstest“ neu zu bestimmen. Mit Blick auf den politischen Zweck des Code ging es allerdings weniger darum, traditionelle Werte durch eine Neudefinition des Civil Service zu ersetzen, als vielmehr eine größere Klarheit und rechtliche Detailliertheit zu schaffen.797 Zudem ist es die verfassungsmäßige und praktische Rolle des Service, die der Civil Service Code festzulegen bestrebt war798 : Civil Servants als Diener der Krone. „Constitutionally, all the Administrations form part of the Crown and, subject to the provisions of this Code, Civil Servants owe their loyalty to the Administrations in which they serve.“799 Der aktuelle Civil Service Code, auf Grundlage des Constitutional Reform and Governance Act 2010 (in Kraft getreten am 11. November 2010) durch den Minister für den Civil Service erlassen, formuliert demgegenüber: „The Civil Service is an integral and key part of the government of the United Kingdom. It supports the Government of the day in developing and implementing its policies, and in delivering 796

Civil Service Management Code, ebd., Abschnitt 4.1.3 Cabinet Office (1995), The Civil Service: Taking Forward Continuity and Change, Cm. 2748, Abschnitt 2.8. 798 Cabinet Office, The Civil Service, Taking Forward Continuity and Change (1995), Cm. 2748, Annex A: Proposed new Civil Service Code, Abschnitt 1, „The constitutional and practical role of the Civil Service is, with integrity, honesty, impartiality and objectivity, to assist […] the Government, of whatever political complexion, […] in formulating policies […], carrying out decisions […] and in administering public services for which the Government is responsible.“ Es ist bemerkenswert, dass Abschnitt Nr. 1 des Civil Service Code, S. 4.1 Annex A des Civil Service Management Code, mit den Worten „for which they are responsible“ endet und nicht, wie die vorgeschlagene Version, mit „for which the Government is responsible“. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die neue Formulierung dazu dienen sollte, den existierenden Rahmen zur Verantwortlichkeit von Civil Servants zu verändern. Vgl. den Pflichtenkatalog und die Beschreibung des Verantwortungsverhältnisses zur Regierung im Civil Service Code, Abschnitte 5 und 9. 799 Civil Service Code, ebd., Abschnitt 2. 797

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public services. Civil servants are accountable to Ministers, who in turn are accountable to Parliament.“800 1995 wurde der erste Bericht des Committee on Standards in Public Life unter dem Vorsitz von Lord Nolan veröffentlicht801. Das Komitee war gebeten worden, den wachsenden öffentlichen Anspruch an ethische Standards im öffentlichen Bereich zu untersuchen802. Als ein Grund für die Einrichtung des sog. Nolan Komitees wurde die allgemeine Erosion des öffentlichen Vertrauens in die Träger öffentlicher Ämter gesehen. In Bezug auf den Civil Service zeigte sich das Komitee einerseits besorgt um die Entwicklung von Reformen im öffentlichen Dienst, welche möglicherweise althergebrachte Verhaltenscodes gefährden könnten, und kam andererseits zu der Einschätzung, dass der Standard der Werteorientierung im Civil Service insgesamt sehr hoch geblieben sei803. Der Report bezieht sich auf ein Weißbuch der Regierung804 und stimmt zu, dass größere Wachsamkeit mit Blick auf ethische Standards im Civil Service von Nöten sei. Es begrüßt und unterstreicht die Kernforderungen – einen neuen Senior Civil Service als ein Symbol der Bedeutung gemeinsamer Werte805 zu gründen – leitende Angestellte der Agencies mit einem neuen Handbuch auszustatten – den neuen Civil Service Code mit sofortiger Gültigkeit einzuführen, sowie – eine Richtlinie zu Widersprüchen von Civil Servants gegenüber den Civil Service Commissioners aufzustellen806. Ungeachtet einiger detaillierterer Kritikpunkte des Nolan Komitees wurden unter Berücksichtigung dieser Empfehlungen von 1995 alle wesentlichen Aspekte dieser Reformen für den Civil Service umgesetzt, einschließlich der Struktur neuer leistungsorientierter Vergütungsvereinbarungen für den Senior Civil Service. Es war der Anspruch des Committee on Standards in Public Life, die Lücke zwischen ethischer Orientierung und den normativen Verhaltensdirektiven von 800 Abrufbar unter URL: http://www.civilservice.gov.uk/about/values/cscode/index.aspx [z. a.: 31. 3. 2012]. 801 Cm. 2850. Der Report umfasst Mitglieder des Parlaments, Minister und Civil Servants, exekutive quasi-autonome Nicht-Regierungs-Organisationen (Quangos) und Organe des National Health Service (NHS). Zum Ursprung und Hintergrund der Gründung des Komitees siehe Oliver Dawn, Standards of conduct in public life – what standards?, [1995] PL, S. 497 ff.; Paul P. Craig, Administrative Law, 5. Aufl., London 2003, S. 228 ff. 802 First Report, ebd., Introduction, Abschnitt 1. 803 Ebd., Kapitel 3, Abschnitt 44 und 45. 804 Taking Forward Continuity and Change [Fn. 797]. 805 First Report, Abschnitt 48: „Many though not all, of the senior civil service will be in contact with Ministers and will handle sensitive policy matters. A perception that reward and promotion may depend in any way on commitment to Ministerial ideology inconsistent with the impartiality required of a civil servant would of course be wholly unacceptable.“ Vgl. Civil Service Management Code [Fn. 726] Abschnitte 7.1.10 – 7.1.14. 806 First Report, Abschnitt 47.

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Amtsinhabern zu füllen. Die Aufstellung der Seven Principles of Public Life – Selflessness, Integrity, Objectivity, Accountability, Openness, Honesty, Leadership807 – war daher mehr als ein „Angebot“ an Amtsträger im öffentlichen Dienst: Diese Prinzipien wurden zu einer Richtlinie für alle zukünftigen Reformbestrebungen im öffentlichen Dienst („for the benefit of all who serve the public in any way.“)808. Danach sollen Inhaber öffentlicher Ämter selbstlos und ausschließlich im öffentlichen Interesse handeln. Sie dürfen sich selbst, ihrer Familie oder ihren Freunden keinerlei finanzielle oder sonstige Vorteile verschaffen. Sie sollen keine finanziellen oder andere Verbindlichkeiten mit außen stehenden Personen oder Organisationen eingehen, die beabsichtigen könnten, sie in der Ausübung ihres Amtes, das sie auf fachlicher und „objektiver“ Grundlage führen sollen, zu beeinflussen. Unter dem Aspekt der „Verantwortlichkeit“ sind Inhaber öffentlicher Ämter der Öffentlichkeit für ihre Entscheidungen Rechenschaft schuldig und müssen sich jeder Prüfung unterwerfen, die ihrem Amt angemessen ist. Sie sollen ihre Entscheidungen und Handlungen zudem transparent gestalten und begründen sowie Informationen nur dann zurückhalten, wenn das öffentliche Interesse dies eindeutig erfordert. Inhaber öffentlicher Ämter sind verpflichtet, private Interessen offenzulegen. Sie sollen alle

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„The Seven Principles of Public Life Selflessness Holders of public office should act solely in terms of the public interest. They should not do so in order to gain financial or other benefits for themselves, their family or their friends. Integrity Holders of public office should not place themselves under any financial or other obligation to outside individuals or organisations that might seek to influence them in the performance of their official duties. Objectivity In carrying out public business, including making public appointments, awarding contracts, or recommending individuals for rewards and benefits, holders of public office should make choices on merit. Accountability Holders of public office are accountable for their decisions and actions to the public and must submit themselves to whatever scrutiny is appropriate to their office. Openness Holders of public office should be as open as possible about all the decisions and actions that they take. They should give reasons for their decisions and restrict information only when the wider public interest clearly demands. Honesty Holders of public office have a duty to declare any private interests relating to their public duties and to take steps to resolve any conflicts arising in a way that protects the public interest. Leadership Holders of public office should promote and support these principles by leadership and example. These principles apply to all aspects of public life. The Committee has set them out here for the benefit of all who serve the public in any way.“ 808 Preliminary statement of the Committee, vgl. Sixth Report of the Committee on Standards in Public Life. Reinforcing Standards. (2000) (Lord Neill of Bladen, Chairman) Cm. 4557-I.

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genannten Prinzipien in führender Rolle und Vorbildfunktion vertreten und unterstützen. Diese ethischen Standards haben nicht nur alle Bereiche des öffentlichen Lebens in Großbritannien beeinflusst, sondern auch das internationale „Leitbild“ einer ethischen Infrastruktur des öffentlichen Dienstes mit geprägt.809 Der OECD-Bericht „Trust in Government – Ethic measures in OECD Countries“810 knüpft ausdrücklich an die Prinzipien des Komitees an. Die britische Debatte über Ethik im öffentlichen Dienst wird auch zukünftig kritisch vom Committee on Standards in Public Life begleitet811. Der aktuelle Civil Service Code ist auf vier Kernwerte für den Civil Service fokussiert: – Integrität (integrity), Rechtschaffenheit (honesty), Sachbezogenheit (objectivity) und (parteipolitische) Neutralität (impartiality)812.

3. Zwischenfazit Als vorläufiges Fazit lässt sich festhalten, dass eine „rechtliche Domestizierung“813 der Krone bis heute noch nicht vollständig gelungen ist. Da in Großbritannien ein Verständnis vom Staat als juristischer Person nicht präsent ist, die Krone „nichts Unrechtes tun kann“ und eine Haftung der Krone bei Amtspflichtverletzungen mangels Verkörperung des „Staates“ im klassischen, kontinentaleuropäischen Verständnis nicht vorgesehen ist, wird deutlich, dass die Konzeption eines Rechtssystems, in dem Civil Servants als Diener der Krone agieren, sich maßgeblich von der etatistischen Tradition des deutschen Staatsverständnisses unterscheidet. In der britischen Verfassungstradition sind Lücken zwischen „Etikett und Wirklichkeit“ selbstverständlich und Voraussetzung dafür, ein formales rechtliches Verfahren monarchischer Gesetzgebung zu erlauben.814 In dieser Ausprägung des britischen 809 Vier generelle und 55 weitere Empfehlungen des Komitees zu prozeduralen und institutionellen Veränderungen beziehen sich auf das House of Commons, die zentrale Regierung, NDPBs (non-departmental public bodies). Viele der Empfehlungen wurden inzwischen umgesetzt. Siehe Nathalie Behnke, A Nolan Committee for the German ethics infrastructure? European Journal of Political Research 41 (2002), S. 675 ff. (695 f. m. weit. Nachw.). Den Begriff „Leitbild eines werteorientierten öffentlichen Dienstes“ verwendet in diesem Zusammenhang Schuppert, Staatswissenschaft, 1. Aufl., Baden-Baden 2003, S. 149. 810 OECD, Paris 2000. Dort sind The Seven Principles of Public Life auf S. 35 abgedruckt. 811 Inzwischen sind elf Reports, zahlreiche Inquiries und Reviews sowie Jahresberichte des Komitees veröffentlicht, abrufbar unter URL: http://www.public-standards.gov.uk/OurWork/ Annual_Reports.html sowie http://www.public-standards.gov.uk/OurWork/Previous_reports. html und http://www.public-standards.gov.uk/OurWork/Inquiry_reports.html [jeweils z. a.: 31. 3. 2012]. Einen Zwischenstand zu den Effekten der Empfehlungen und „governmental responses“ bietet der Überblick des Committee on Standards in Public Life, The First Seven Reports: A Review of Progress. Siehe Empfehlung 22 in Kapitel „First Report“, S. 17. 812 Civil Service Core Values [Fn. 800]. 813 Becker, Staat und Krone [Fn. 763], S. 481. 814 Begrich, Verfassung des Vereinigten Königreichs [Fn. 773], S. 123.

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Rechtsverständnisses sind der „politsche Beamte“ sowie die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand aus politischen Gründen eine unbekannte, jedenfalls fremde Kategorie.815 Zugleich ist zu beobachten, dass vor dem Hintergrund der vergangenen Reformperioden der Stereotyp des britischen „Staatsdieners“ in Gestalt des Civil Service um den Grad seiner politischen Autonomie ringt. Umso stärker ist ein traditioneller Wertebezug zu erkennen, der im Zuge der Reformen des öffentlichen Dienstes der letzten beiden Jahrzehnte eine Wiederbelebung erfahren hat. Wie bereits festgestellt, liegt das rechtliche Primat zur Regulierung des Civil Service beim Zentrum der Exekutive selbst, in Form des Premierministers in der Rolle eines Ministers für den Civil Service, mit Assistenz vom Management and Personnel Office unter dem Schriftführer des Kabinetts und unterstützt vom Schatzamt. Zugleich lässt sich in diesem Prozess eine wachsende Bedeutung der Agencies sowie eine Diversifizierung beobachten, die sich insbesondere an der wichtigen Rolle der so genannten Special Advisers erkennen lässt. In der bisherigen Praxis werden diese nicht nur für zeitlich begrenzte politische Beratertätigkeiten eingestellt, sondern für auch für permanente Aufgaben, die an sich dem Civil Service vorbehalten wären816. Die Loyalität dieser Special Advisers, definiert im Constitutional Reform and Governance Act 2010,817 gilt ausschließlich dem Minister, für sie gelten andere Rekrutierungsbedingungen und für sie wird ein eigener, gegenüber dem Civil Service abgeschwächter Code of Conduct implementiert, der auf Objektivität und parteipolitische Neutralität ausdrücklich verzichtet. Die Verwaltungsstruktur für den Civil Service, nachvollzogen anhand des Rekrutierungssystems, basiert auf königlichem Hoheitsrecht, welches die Erwartung eines hohen Maßes an Loyalität der Civil Servants gegenüber der aktuellen Regierung einschließt, verbunden mit der Erwartung, diese Loyalität sofort auf die nächste Regierung zu übertragen. Diese Loyalitätserwartung ist einerseits verknüpft mit einer unsicheren Statussituation der Beamten, die mit der Royal Prerogative verbunden ist, einer rechtlichen „Grauzone“818 in Bezug auf die Durchsetzung der Anstellungsbedingungen der Civil Servants, und andererseits einem hohen Stellenwert und in der Praxis weitgehenden Unangreifbarkeit des Amtes. Das britische Verwaltungsrechtssystem war in den vergangenen drei Jahrzehnten zunehmend Gegenstand rechtlicher Regelungsbedürfnisse sowie rechtsethischer Implementierung, die wesentlich durch Orders in Council, Weißbücher und seit einiger Zeit auch durch Kodizes für den Civil Service bestimmt wurde. Mit dem Constitutional Reform and Governance Act 2010 wurden in der Breite erstmals

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Meyn, Beamtenleitbilder [Fn. 700], S. 99. Demmke, Beamtenrechtsreformen [Fn. 701], S. 114. 817 Constitutional Reform and Governance Act 2010 (Kapitel 25), Teil 1 (The Civil Service), Kapitel 1 (Statutory basis for management of the civil service), Abschnitte 8 und 15. 818 Diesen Ausdruck verwendet in diesem Zusammenhang Meyn, Beamtenleitbilder [Fn. 700], S. 96. 816

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parlamentgesetzlich verbindliche Garantien und Grundlagen geschaffen für den Status, die Werte und die Strukturprinzipien des Civil Service. Eines der hervorgehobenen Elemente der zurückliegenden Reformperioden ist die Personalpolitik. Diesbezüglich werden Leistungsanreize besonders betont, die (fehlende) Fachkompetenz kritisch hinterfragt, Management- bzw. Verhandlungskompetenzen nachgefragt und eine „Politisierung“ der Bürokratie kritisiert.819 Das Personal ist traditionell weniger spezialisiert auf Angelegenheiten des Verwaltungsrechts: Ein Merkmal, das dazu beigetragen haben könnte, den Civil Service flexibel an neue „verwaltungsspezifische“ Erwartungen, wie Effektivität und angemessenen Einsatz von öffentlichen Geldern, anzupassen. Diese neuen Anforderungen sind eine Folge der grundlegenden Reformen und Veränderungen des öffentlichen Dienstes und insbesondere des Civil Service. Das Konzept eines „vereinten“ dauerhaften Civil Service im Gegensatz zu einer eher heterogenen Ansammlung verschiedener Regierungsstellen, welches bereits im Northcote-Trevelyan Report erstmals in Erwägung gezogen, aber bis nach dem Ersten Weltkrieg nicht hinreichend umgesetzt wurde820, wurde seit den in den 1990er Jahren einsetzenden Reformen hinsichtlich der Veränderungen, wie denen der neuen „Managementkultur“ oder der Delegierung und Dezentralisierung von Aufgaben an Agencies, erneut herausgefordert. Wie das Nolan Committee anmerkte, bringt der Prozess z. B. die Gefahr mit sich, dass mit der Zeit die jeweiligen Verhaltensregeln abweichend angewandt werden könnten, abhängend von den Verhältnissen in der Regierungsstelle oder Agency, von der sie aufgestellt werden821. Es erscheint zulässig daran zu zweifeln, ob die Systeme des Civil Service Management Code und der Anleitung durch dezentrale Handbücher geeignet sind, einen einheitlichen Verwaltungsdienst innerhalb der dezentralisierten Einheiten zu gewährleisten. Gleichwohl haben sich, kulminiert in der aktuellen Parlamentsgesetzgebung, durchaus überraschende Trends manifestiert, die eine Stärkung der Verwaltungsautonomie durch Prozeduralisierung sowie Definitionen von Status, Zugangskriterien, Verantwortlichkeiten und Werten des „traditionellen“ Civil Service beinhalten.822 Vor dem Hintergrund eines veränderten Formats des öffentlichen Dienstes, gesteigertem Austausch zwischen öffentlichen und privaten Sektoren und einem Ansteigen befristeter Anstellungen dient die Etablierung ethischer Verwaltungsstandards der Implementierung von Verhaltenserwartungen einer gemeinsamen öffentlichen Kultur, die über die formale Ausführung von Regularien oder die formale Anwendung normativer Bestimmungen hinausgeht823. 819 Martin Lodge, Public Service Bargains, New Public Management und Variationen in Verwaltungsreformen, dms – der moderne staat 2009, S. 37 ff. (38), vgl. ebd., S. 46: Der britische Civil Service wurde besonders in der letzten Dekade „immer wieder von neuen Initiativen bombardiert“. 820 Siehe Hennessy, Whitehall [Fn. 704], S. 70 ff. 821 Siehe First Report of the Committee on Standards in Public Life, Kapitel 3, Abschnitt 59. 822 Vgl. Lodge, Public Service Bargains [Fn. 819], S. 49. 823 First Report of the Committee on Standards in Public Life, Kapitel 1, Abschnitt 10.

III. Die Verfassungsfrage und „The Rule of Law“

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III. Die Verfassungsfrage und „The Rule of Law“ In Großbritannien existiert keine geschriebene Verfassung, die die Normativität des Civil Service leiten kann. Mit Feldman können vier Funktionen identifiziert werden, die einer Verfassung obliegen: Etablierung von Institutionen und ihren Kompetenzen im Gefüge der Politik zur Wahrnehmung der ihnen ordnungsgemäß übertragenen Aufgaben, Kontrolle, Legitimationsfunktion (decency-preserving function), Flexibilitätsfunktion.824 Großbritannien ist in der Geschichte seines Verfassungslebens nicht den Weg einer verfassungstheoretischen Systematisierung gegangen, vielmehr hat die Tradition das Verfassungsleben bestimmt, und der jeweilige Zustand der öffentlichen Institutionen prägte die Verfassungstheorien.825 Die bereits erwähnte Lücke zwischen Etikett und Wirklichkeit in der britischen Verfassungstradition wird durch Pragmatismus geschlossen: „Niemand“ würde ernsthaft an der unumstößlichen Gültigkeit der Verfassungsgrundsätze der Parlamentssuprematie und der Rule of Law zweifeln (wenngleich aber umstritten sein mag, diese als „Verfassungsgrundsätze“ zu bezeichnen). Zugleich wurden während der letzten Jahre Verhaltenskodizes und ethische Standards für den Civil Service eingeführt, diese parlamentsgesetzlich implementiert und damit Anlass gegeben, die traditionelle Rechtskultur des Civil Service neu zu begründen. Auch wenn mangels Rückgriff auf eine explizit kodifizierte Verfassungsurkunde die Identifikation feststehender Verfassungsprinzipien vordergründig erschwert sein mag, sind die wesentlichen Grundsätze von feststehender Verfassungstheorie in den Blick zu nehmen, die den Rechtsbezug des Civil Service akzentuieren. Dieser Fokus fördert akademische Kontroversen zu Tage: Einige Wissenschaftler stellen in Frage, ob der Begriff „verfassungsmäßig“ auf die Praxis der „verfassungsmäßig“ Handelnden einer zentralen Regierung826 angewandt werden sollte oder ob das „Herzstück“ der Verfassung – sofern dieses nicht nur in Form einer Fiktion existieren sollte827 – schlicht darauf basiert, dass die Regierung Handlungen tätigt, die notwendig sind für „gutes Regieren“.828 Diese Handlungen sind durch das Verbot, gegen Menschenrechte zu verstoßen, sowie durch parlamentarische Rechte und Einwände

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David Feldman, None, One Or Several? Perspectives on the UK’s Constitution, C.L.J. 2005, S. 329 ff. (335 f.); siehe hierzu Begrich, Verfassung des Vereinigten Königreichs [Fn. 773], S. 126 ff. 825 Begrich, Verfassung des Vereinigten Königreichs [Fn. 773], S. 128; Feldman, None, One Or Several? Perspectives on the UK’s Constitution [Fn. 824], S. 336. 826 Vgl. Rodney Brazier, The Non-Legal Constitution: Thoughts on Convention, Practice and Principle, (1992) 43 Northern Ireland Quarterly, S. 262 ff. (281). 827 Frederick F. Ridley: There is No British Constitution: A Dangerous Case of the Emperor’s Clothes, (1988) 42 Parliamentary Affairs, S. 340 ff. Zur Gegenposition siehe John Griffith, The Political Constitution, 42 (1979) Modern Law Review, 1 – 21 (19): „Everything that happens is constitutional. And if nothing happened that would be constitutional also.“ 828 Griffith, ebd., S. 15.

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stark begrenzt829. Andere betonen die Notwendigkeit empirischer Untersuchungen, um Nachweise für ein kohärentes Ensemble verfassungsrechtlicher Regelungen zu erhalten830. Weitere Autoren behandeln die Verfassung hauptsächlich als Struktur von Prinzipien und Werten831, welche die wesentlichen ethischen Grundlagen des Civil Service enthalten sollen. Es lässt sich, ungeachtet der schwer zu ermittelnden rechtstheoretischen Grundlage solcher „Prinzipien“, konstatieren, dass sowohl politische Veränderungen und Entwicklungen als auch der Prozess der europäischen Integration einen Einfluss auf die Verfassungsfrage und deren Auslegung haben832. Florian Becker hat resümierend festgestellt, dass trotz der symbolischen Omnipräsenz der Krone in allen Staatsgewalten das britische öffentliche Recht zur „Disaggregation der staatlichen Gewalten und Funktionen“ neige: „Im Königreich setzen verfassungsrechtliche Erwägungen bei der Krone bzw. der Regierung, dem souveränen Parlament und den unabhängigen Richtern an, um dort auch zugleich zu enden“.833 Die Struktur der politischen Ordnung wird bestimmt von einer Separierung dieser Funktionsbereiche, „ihre wechselseitige Kontrolle und Hemmung ist ein zentrales verfassungsrechtliches Fundament der Herrschaftsorganisation“834. In der Erkenntnis, dass in ausschließlich diesem Sinne ein Mangel an „echtem“, eigentlichen Verfassungsrecht im Sinne einer deskriptiven Niederschrift besteht835, sind gleichwohl Prinzipien, Normen und Werte existent, welche Teil der Verfassung des Vereinigten Königreichs sind. Die grundlegenden ethischen Verwaltungsstandards des Komitees sind kaum als verfassungsrechtliche identifizierbar836. Als tra829 Becker, Staat und Krone [Fn. 763], weist zu Recht darauf hin, dass der in Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention ergangene Human Rights Act 1998, einen „signifikanten Beitrag zur Sichtbarmachung des Staates in seiner Gesamtheit geleistet“ hat (S. 483). 830 „Resource-Based Theory of Constitution“ von Daintith/Page [Fn. 695], S. 19 ff., die jedoch einräumen, dass ihre Methode „raises question of extraordinary difficulty“ (S. 20). Vgl. Daintith, Political Programmes and the Content of the Constitution, in: Wilson Finnie/C. M. G. Himsworth/Neil Walker (Hrsg.), Edinburgh Essays in Public Law, Edinburgh 1991, S. 41 ff., kritisch analysiert von Brazier [Fn. 826], der einwendet, dass Daintith kaum Beweise für die Existenz von „undisclosed principles“ innerhalb der britischen Verfassung vorbringt. Siehe auch Daintith, The Techniques of Government, in: Jeffrey Jowell/Oliver Dawn (Hrsg.), The Changing Constitution, 3. Aufl., Oxford 1994, S. 209 ff. 831 Siehe Ian Harden, Review Article: The Constitution and Its Discontents, (1991) 21 Br J Pol Sci, S. 489 ff.; Ian Harden/Norman Lewis, The Noble Lie. The British constitution and the rule of law, London 1986, Kapitel 10, A revised rule of law, S. 287 ff., 297 ff. 832 Nevil Johnson, In Search of the Constitution: Reflections on State and Society in Britain, Oxford 1977, Kapitel 3, S. 25 ff. Zum Einfluss der europäischen Integration auf die Verfassungsfrage und den britschen Staatsbegriff siehe Becker, Staat und Krone [Fn. 763], S. 481 ff. 833 Becker, Staat und Krone [Fn. 763], S. 485. 834 Becker, ebd. 835 Vgl. Institute for Public Policy Research, A Written Constitution for the United Kingdom, 2. Aufl., London 1993. 836 Siehe Richard A. Chapman, Ethics in the Public Service for the New Millennium, in: Richard A. Chapman (Hrsg.), Ethics in the Public Service for the New Millennium, Aldershot

III. Die Verfassungsfrage und „The Rule of Law“

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ditionelle Maxime britischen verfassungsrechtlichen Verständnisses gilt Diceys Herrschaft des Rechts („The Rule of Law“)837. The Rule of Law kann, ungeachtet ihrer unterschiedlichen Interpretationen, Bedeutungen und Folgen, als die eigentliche Basis der britischen Verfassung838 bzw. als deren institutioneller, machtbegrenzend und gewaltenteilend wirkender, rechtsethischer Kern839 betrachtet werden. Ihre hauptsächliche und grundlegende Bedeutung besteht darin, dass stets nach Recht und Gesetz gehandelt werden muss840 und jede Person, unabhängig von ihrem gesellschaftlichen Status, dem Recht unterworfen ist. Das Prinzip der Legalität erfordert den Nachweis von „strictly legal pedigree“ der Regierungshandlungen841. Diese müssen gesetzlich autorisiert und daher direkt oder indirekt auf ein parlamentarisches Gesetz zurückführbar sein, sofern durch sie gesetzliche Rechte Einzelner berührt werden. Zudem fordert die Rule of Law, dass die Regierung in einem Rahmen von anerkannten Prinzipien unter Verhinderung willkürlicher Machtausübung unter Berücksichtigung von rechtsethischen Standards handelt842. Diese Regeln, ungeachtet ihres jeweiligen Rangs, kommen u. a. zum Ausdruck innerhalb: – des Standards der Angemessenheit843 2000, Kapitel 14, S. 217 ff. (229): the principles „provide a valuable framework for evaluating recent experience and considering the future“. 837 Dicey, Introduction to the study of the law of the constitution [Fn. 755]. 838 Vgl. Dicey, ebd., Kapitel IV: „The Rule of Law: Its Nature and General Applications“ and „Outline of Subject: The True Nature of Constitutional Law“; siehe Ian Harden/Norman Lewis, The Noble Lie. The British constitution and the rule of law [Fn. 831]; Bradley/Ewing, Constitutional and administrative law, 13. Aufl., London 2003, S. 90 ff. 839 Vgl., insbesondere zu Aspekten der Rechtssicherheit und der prozeduralen Fairness, Jeffrey Jowell, The Rule of Law Today, in Jeffrey Jowell/Dawn Oliver (Hrsg.), The Changing Constitution, Oxford 2000, S. 3 ff. (3): „Even in a country without a written constitution it is a principle that limits the abuse of power and requires that power be fairly exercised.“ 840 Mit den Kontroversen um Diceys Schema von verfassungsrechtlichen Quellen, die ausschließlich „law“ und „conventions“ berücksichtigen, wird sich hier nicht näher befasst, Dicey, Introduction to the study of the law of the constitution [Fn. 755], siehe Brazier, The NonLegal Constitution: Thoughts on Convention [Fn. 826], S. 265 ff. Die bekannteste Kritik verdächtigt Dicey, implizit eher ein politisches als ein verfassungsrechtliches Konzept zu befördern, vgl. Sir W. Ivor Jennings, The Law and the Constitution, 5. Aufl., London 1959, insbesondere in Kapitel II, S. 42 ff. (60): „The truth is that the rule of law is apt to be rather an unruly horse“. 841 Wade/Forsyth, Administrative Law [Fn. 698], S. 17 ff. (17). 842 Vgl. Norman Lewis/Diane Longley, Ethics and the Public Service, [1994] PL, S. 596 ff. 843 Siehe Lord Greene MR, in Associated Provincial Picture Houses Ltd. v. Wednesbury Corporation [1948] 1 KB, S. 223 ff. (229): „a person entrusted with a discretion must […] direct himself properly in law. He must call his own attention to the matters which he is bound to consider. He must exclude from his consideration matters which are irrelevant to what he has to consider. If he does not obey those rules, he may truly be said […] to be acting ,unreasonably‘. Similarly, there may be something so absurd that no sensible person could ever dream that it lay within the powers of authority.“

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5. Kap.: Civil Service in Großbritannien

– des Prinzips der Verhältnismäßigkeit844 – des Gerechtigkeitsprinzips845 und – der Doktrin der „legitimate expectations“.846 Diese Verpflichtungen, abgeleitet aus der Herrschaft des Rechts, binden staatliche Autoritäten.847 Ein wesentliches Merkmal der Rule of Law besteht darin, dass die Exekutive nicht die Macht hat, einen Rechtsbruch zu autorisieren. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass im Konfliktfall die Verantwortlichkeit des Civil Servant vor dem Gesetz prinzipiell Vorrang hat vor der Rechenschaftspflicht dem Minister gegenüber848. Loyalität wird von den Anforderungen der Rechtmäßigkeit begrenzt. Es ist daher für die Legitimität des Rechtssystems und der Rule of Law evident, dass Kodizes, die bestimmte ethische Prinzipien oder Verhaltensstandards festschreiben, geltendes Recht berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, als sich die Prioritäten hin zu Zielen verschoben haben, die sich hauptsächlich nach den Notwendigkeiten öffentlicher Verwaltung richten849. Letztlich war und bleibt die Achtung vor dem Gesetz die grundsätzliche und vorrangige Verantwortlichkeit eines Civil Servant.850 Insofern stellt die gesetzliche Implementierung ethischer Standards

844 Dieses vom deutschen Bundesverfassungsgericht grundrechtsdogmatisch entwickelte Prinzip wurde vom European Court of Justice in Luxemburg und vom European Court of Human Rights in Straßburg übernommen. Die Entscheidungen dieser Gerichte und auch der Human Rights Act 1998 beeinflussen wesentlich auch Britisches Verfassungsrecht. Lord Diplock, der die Kategorien gerichtlicher Überprüfung nach der Order 53 der Regeln des Supreme Court darlegte, erwähnte, dass das Prinzip möglicherweise in der Zukunft übernommen werden könnte, Council of Civil Service Unions v. Minister for the Civil Service [1985] AC, S. 374 ff. (410), Lord Irvine of Lairg LC asked „how long the courts will restrict their review to a narrow Wednesbury approach in non-Convention cases, if used to inquiring more deeply in Convention cases?“, The Development of Human Rights in Great Britain under an Incorporated Convention on Human Rights [1998] PL, S. 221 ff. (234). 845 R. v. Inland Revenue Commissioners ex p. Preston [1985] AC 835. 846 R. v. Home Secretary ex p. Ruddock [1987] 1 WLR 1482, siehe Review S. 1493 ff. 847 Simon Brown LJ in R.v. Inland Revenue Commissioners ex p. Unilever [1996] STC 681, auf S. 695; besprochen von Christopher Forsyth, Analysis. Wednesbury protection of substantive legitimate expectations, [1997] PL 375 – 384 (382 – 383). 848 Vgl. Paul Finn, The Law and Officials, in: Richard A. Chapman (Hrsg.), Ethics in Public Service, Edinburgh 1993, S. 135 ff. (137 – 138). Siehe in diesem Zusammenhang bereits Crown Proceedings Act 1947. 849 Vgl. Guy Peters, Tragic Choices: Administrative Rulemaking and Policy Choice, in: Richard A. Chapman (Hrsg.), Ethics in Public Service, Edinburgh 1993, S. 43 ff. sowie grundlegend David Osborne/Ted Gaebler, Reinventing Government. How the Entrepreneurial Spirit is Transforming the Public Sector, New York, London 1993. 850 „My job, Secretary of State, is to bring you unwelcome news“. Sir Maurice Oldfield, Chief of the British Intelligence Service, zitiert nach Peter Hennessy, The Essence of Public Service, The John L. Manion Lecture, Canadian Centre for Management and Development (Research Group), Ottawa, Ontario 8 May 1997, Minister of Supply and Services 1997, S. 2 (Hennessy’s private information).

IV. Public Trust – das Prinzip des öffentlichen Amtes

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durch den Constitutional Reform and Governance Act 2010 einen Wendepunkt in der Rechtskultur des Vereinigten Königreichs dar.

IV. Public Trust – das Prinzip des öffentlichen Amtes Civil Servants sind Inhaber eines öffentlichen Amtes. Historisch betrachtet war das Wesen des öffentlichen Dienstes in Großbritannien als Verwalterschaft des öffentlichen „trust and confidence“851 konzipiert. In Folge dessen waren Amtsinhaber der Öffentlichkeit verantwortlich, besonders über strafrechtliche Haftbarkeit852. „A public officer is an officer who discharges any duty in the discharge of which the public are interested, more clearly so if he is paid out of a fund provided by the public.“853 Loyalität gegenüber der jeweiligen Regierung („the Government of the day“) ist eine der Säulen, auf die der Civil Service basiert. Es wird argumentiert, dass die britischen Diener der Krone inzwischen eine veränderte, „managerialisierte“ Kultur repräsentieren und zunehmend normativen Verhaltensrestriktionen unterliegen, die nicht mit Verantwortung für das öffentliche Interesse verknüpft sind854. Zudem sei die politisch strategische bzw. politikberatende Rolle der Civil Servants in den vergangenen Jahren zunehmend auf sog. „spezial advisers“ außerhalb des Civil Service übergegangen855. Der zugleich seit den 1990er Jahren erkennbare Rückbezug zu traditionellen Werten des Civil Service und einem Public Service Ethos soll diesen Trends entgegenwirken. Der Gemeinwohlbezug der Civil Servants als Treuhänder der civil society ist fester Bestandteil der britischen Verfassungstradition856. Der Begriff der society behielt in Großbritannien den engen Bezug zu staatlichen Institutionen, so dass die civil society im government im weiteren Sinne ihre ausführenden Organe findet. Die in der deutschen Staatsrechtslehre entwickelte funktionale 851 Siehe R. v. Bembridge (1783) 22 Sate Trials S. 155 f.; Finn, The Law and Officials [Fn. 848] S. 139 f. 852 R. v. Bembridge, ebd., S. 155 – 156. „there are two principles which seem […] clearly applicable […] the first […] is, that if a man accepts an office of trust and confidence, concerning the public, especially when it is attended with profit, he is answerable to the king for his execution of that office; and he can only answer to the king in a criminal prosecution […] There is another principle […] and that is this; where there is a breach of trust, a fraud or an imposition in a subject concerning the public, which, as between subject and subject, would only be actionable by a civil action, yet as that concerns the King and the public […] it is indictable.“ 853 R. v. Whitaker (1914) 3 K.B., S. 1283 ff. (1296). 854 Frederick F. Ridley, The Public Service in Great Britain: From Administrative to Managerial Culture, in: Hellmut Wollmann/Eckhard Schröter (Hrsg.), Comparing Public Sector Reforms in Britain and Germany, Aldershot 2000, S. 132 ff. (134). 855 Vandenabeele/Horton, The Evolution of the British public service ethos [Fn. 776], S. 19. 856 Vgl. John Locke, The Second Treatise of Government, Nr. 171 und Nr. 240, in: Thomas P. Peardon (Hrsg.), John Locke, The Second Treatise of Government, New York 1952, S. 97 f. und S. 138.

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5. Kap.: Civil Service in Großbritannien

Trennung von Staat und Gesellschaft findet in dieser Form in der britischen Rechtstradition nicht statt. Die Krone ist daher ein Bestandteil der staatlichen Institutionen als Organisation der civil society und wird repräsentiert857 durch das government und seine Civil Servants858. Die Association of First Division Civil Servants (FDA), die berufliche Vereinigung der Senior Civil Servants im Vereinigten Königreich, wandte sich 1970 der Frage des trusteeship zu und erklärte, dass staatliche Macht einzig im verfassungsmäßigen öffentlichen Interesse auszuüben sei859. In der britischen Rechtstradition stellt sich der Gedanke des öffentlichen Amtes als anvertraute Machtposition der civil society dar, verknüpft mit den Anforderungen von Recht und Gesetz und den Erwartungen der demokratisch legitimierten Institutionen, zur Ausführung dessen, was im öffentlichen Interesse ist.

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Zur Einordnung und Entwicklung des Amtsgedankens als Kernbegriff der repräsentativen Demokratie siehe Wilhelm Hennis, Amtsgedanke und Demokratiebegriff, in: Konrad Hesse u. a. (Hrsg.), Staatsverfassung und Kirchenordnung, Festgabe für Rudolf Smend, Tübingen 1962, S. 51 ff. 858 Hierzu Meyn, Beamtenleitbilder [Fn. 700], S. 91 ff. (93). 859 D. H. Morrell vom Home Office, resolution of the First Division Association (1970), Report of the Sub-Committee on Professional Standards in Public Service [FDA file reference A00082] zitiert bei Barry J. O’Toole, The Public Interest: A Political and Administrative Convenience?, in: Richard A. Chapman (Hrsg.), Ethics in the Public Service for the New Millennium, Aldershot 2000, S. 71 ff. (85).

6. Kapitel

Fazit und Ausblick I. Schlussfolgerungen aus der britischen Rechtstradition Die den britischen Civil Service kennzeichnende Rechtskultur beruht auf hergebrachten Traditionen und rechtsethischen Grundlagen. Der Civil Service befindet sich in einer signifikanten Position zwischen Loyalitätserwartungen der jeweils aktuellen Regierung, dem Vorrecht der Krone, der Grundposition öffentlich anvertrauter Herrschaft der Civil Society sowie fortgeschrittener Managerialisierung und der öffentlichen Sorge um die Integrität des Amtes. Das Konzept der Dauerhaftigkeit und Neutralität auf der einen und die grundlegenden Reformen im öffentlichen Dienst auf der anderen Seite beanspruchen den Civil Service auf vielfältige Weise860. Es lässt sich daher eine gewisse „Schizophrenie“ der öffentlichen Verwaltung Großbritanniens ausmachen: Obschon die Diversität und Komplexität der Ausführung von Verwaltungsentscheidungen, welche diffizile Unterscheidungen zwischen politischem und öffentlichem Leben erfordern, sich erhöht und sich die Anforderungen auf neue Aufgaben verschoben haben, hat das öffentliche Bedürfnis an einem „effizienten Körper von permanenten Amtsträgern“861, nach wie vor Bestand. Der modernisierte Civil Service soll seine Basis auf einem erneuerten traditionellen Wertebezug des öffentlichen Dienstes gründen. Ein vorgezeichneter Weg der Erneuerung des traditionellen Prinzips des Trust, der Treuhänderschaft des öffentlichen Amtes, um ein Gleichgewicht zwischen den Anforderungen der Effektivität, Normativität und Loyalität zu finden, basiert auf dem Prinzip der Legalität der Rule of Law und wird flankiert durch kodifizierte Strukturprinzipien und ethische Verwaltungsstandards, in denen persönliche Integrität, politische Neutralität und Unabhängigkeit sowie ein ausgeprägtes Interesse für die Anforderungen des Gemeinwohls artikuliert sind. Es ist deutlich geworden, dass die mit der Delegierung von Aufgaben und der Dezentralisierung von Kompetenzen verbundene Entwicklung des Civil Service eine öffentlich als umfassend empfundene Herausforderung für die grundlegenden 860 Treasury and Civil Service Committee (1986), Seventh Report, Civil Servants and Ministers: Duties and Responsibilities (1985 – 86) HC 92, Abschnitt 5.10: „(the concept) involves the chameleon-like ability to identify with successive governments of quite different political complexions“. 861 Siehe Northcote-Trevelyan-Report [Fn. 714].

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6. Kap.: Fazit und Ausblick

ethischen Standards innerhalb eines so genannten „unified“ Civil Service darstellt. Seit die Verantwortung für die Bezahlung und Einstufung des Personals unterhalb der leitenden Positionen an Regierungsstellen und zahlreiche Agencies delegiert wurde, sind zumindest Zweifel erlaubt, ob die erneuerte Civil Service Commission in der Lage ist, Einstellungsprinzipien hinreichend zu prüfen und zu beaufsichtigen. Die Debatte862 über die gesetzliche Kodifizierung der Rechte und Pflichten des Civil Service einschließlich der Civil Service Values, hat mit dem Constitutional Reform and Governance Act 2010 seinen vorläufigen Abschluss gefunden863. Ein wesentlicher Ursprung der die Rechtsnatur des Civil Service prägenden Eigentümlichkeit ist der Umstand, dass die meisten Regeln, mit denen er sich bisher befasst hatte, von der Exekutive selbst produziert wurden. Insofern kann die nunmehr vollzogene Kodifizierung eines Civil Service Act nach mehr als 150 Jahren als eine Art Cultural Turn bezeichnet werden. Diesbezüglich hat sich auf einer „lokalen“ Ebene die Verabschiedung eines Gesetzes für ethische Verwaltungsstandards in Schottland als Beispiel für wahrgenommene legislative Gestaltungsfreiheit erwiesen864. Es spricht viel dafür, dass das Inkrafttreten des Constitutional Reform and Governance Act 2010, der sich mit den Grundlagen der Organisation, Leitung und Kontrolle des Civil Service befasst und die ethischen Standards auf eine gesetzliche Grundlage stellt, die Chance beinhaltet, die angesprochene Balance für den Civil Service für die Zukunft positiv zu gestalten und damit der Rule of Law neue Substanz zu verleihen. Die etatistische Tradition der staats- und gesellschaftstheoretischen Anbindung des deutschen Berufsbeamtentums an die öffentlich-rechtliche Rechtsfigur der juristischen Person „Staat“ – die gleichwohl nicht zur Verwirklichung einer strikten Inkompatibilität von Amt und Mandat (vgl. Art. 137 Abs. 1 GG) in dem Sinne, dass sich die personelle Besetzung verschiedener Gewalten bzw. von deren Organen nicht überschneiden darf865, geführt hat – findet in Großbritannien keine Parallele. Während die höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland das Berufsbeam862

Daintith/Page, The Executive in the Constitution [Fn. 702] identifizieren drei aus historischer Sicht zwingende Gründe für einen Civil Service Act: „clarification, unification, and law reform“, S. 101 ff. (101). The Committee on Standards in Public Life argumentiert stark für eine Kodifizierung („as a matter of urgency“), vgl. Sixth Report (2000) [Fn. 808], Kapitel 5, Abschnitte 5.42 – 5.53 (5.53), insbeondere Empfehlung Nr. 17. 863 Vgl. die Darstellung in Fn. 776. 864 Siehe Ethical Standards in Public Life etc. (Scotland) Act 2000. Das Gesetz wurde vom schottischen Parlament am 21. Juni 2000 verabschiedet und erhielt am 24. Juli 2000 die königliche Zustimmung. Sein Ziel ist wie folgt formuliert: „[…] (to establish) a framework for securing the observance of high standards of conduct by councillors and other persons holding public appointments.“ (Einleitung des Act). Zu diesem ersten wesentlichen Stück der vom schottischen Parlament verabschiedeten Gesetzgebung, die die lokale Regierung und Quangos betrifft, vgl. die Besprechung bei David W. Cobb, Shutting the Door of Cleaning the Stable?, [2001] 23 Scots Law Times, S. 205 ff. 865 Vgl. Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl., München 1984, S. 1054.

II. Kodifizierung ethischer Verwaltungsstandards im deutschen Recht?

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tentum als „substantielles, konkretes Verfassungselement“ (Bundesverfassungsgericht) begreift, ist in Großbritannien die Krone zentraler verfassungsdogmatischer Bezugspunkt des Civil Service, als Bestandteil der staatlichen Institutionen, als Organisation der Civil Society und als Ausdruck des representative government. Da sich bei materieller Betrachtungsweise der „Grauzone“ (Meyn) des rechtlichen Status ein tendenziell eher gesichertes Anstellungsverhältnisses von Civil Servants erkennen lässt, ergeben sich im Vergleich mit der als „hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums“ verankerten gesicherten Rechtsstellung des Lebenszeitbeamten in Deutschland, die in seiner rechtlichen Konzeption in scharfem Kontrast dazu steht, gleichwohl durchaus Gemeinsamkeiten. Sowohl dem modernen Verfassungsstaat Bundesrepublik Deutschland als auch dem im Rahmen des öffentlichen Dienstes modernisierten Vereinigten Königreich ist der Anspruch gegenwärtig, die im staatlich „anvertrauten“ (vgl. Art. 34 GG) öffentlichen Amtsauftrag bzw. im Gedanken anvertrauter Trusteeship ausgedrückte rechtsethische Verpflichtung auf das Gemeinwohl zu gestalten bzw. zu sichern. Die britische Herangehensweise ist dabei geprägt von der Entwicklung und Implementierung ethischer Verwaltungsstandards für alle Bereiche des öffentlichen Lebens.

II. Kodifizierung ethischer Verwaltungsstandards im deutschen Recht? Bereits zu Beginn dieser Untersuchung wurde festgestellt, dass das öffentliche Bedürfnis in der Bundesrepublik, ethische Verwaltungsstandards für den öffentlichen Dienst im Bund oder in den Ländern festzulegen bzw. einzufordern, eher gering ausgeprägt ist. Zugleich ist ein gesteigertes wissenschaftliches Interesse an einer Wiederbelebung eines werteorientierten Amtsbegriffs und einer Rückbesinnung auf das traditionelle Ethos des Amtes erkennbar. Der im Verfassungsstaat notwendigerweise inhaltlich offene, nicht unumstößlich weltanschaulich festgeschriebene, aber je nach normativem Kontext gleichwohl gehaltvolle Gemeinwohlbegriff wird durch einfachgesetzliche Bestimmungen im Beamtenrecht aufgegriffen und mit dem außerrechtlichen Appell an ein integeres und uneigennütziges Handeln des Amtsträgers verknüpft und auf diese Weise normativiert. Durch die Legitimation des Amtsgedankens im Prinzip der Republik erhält das Amt einen rechtsethischen Gehalt. Zur Beantwortung der Frage, ob das Rechtssystem der Bundesrepublik eine „Ethik des öffentlichen Dienstes“ benötigt866, bietet es sich an, die Konzepte für eine ethische Infrastruktur der OECD, der ASPA867 und der wesentlichen Empfehlungen des britischen Komitees für ethische Verwaltungsstands einschließlich der von der 866 Vgl. Karl-Peter Sommermann, Brauchen wir eine Ethik des öffentliches Dienstes? VerwArch 1998, S. 290 ff. 867 Vgl. Code of Ethics der American Society for Public Administration (2006).

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6. Kap.: Fazit und Ausblick

OECD rezipierten Seven Principles on Public Life des Vereinigten Königreichs zu resümieren: Kennzeichen für das Verwaltungshandeln im Rahmen eines ethischen öffentlichen Dienstes sind danach im Kern das Handeln im öffentlichen Interesse, der Respekt vor Recht und Gesetz, eine unparteiische und integere Ausübung der Aufgaben, ein korrekter und transparenter Umgang mit öffentlichen Ressourcen und eine klare Trennung von privaten und öffentlichen Interessen. Ein daran orientiertes, rechtsstaatlich diszipliniertes, integeres und unparteiisches Verwaltungshandeln wird befördert durch von eine Reihe von Maßnahmen, etwa im Sinne von Verfahrensregeln, Empfehlungen oder Vorschriften mit dem Ziel, die ethische Infrastruktur im öffentlichen Dienst zu befördern. Das Konzept868 einer Ethik für den öffentlichen Dienst erstreckt sich, neben den aufgeführten Standards, die das Verhalten öffentlicher Bediensteter bestimmen sollen, auf die nachfolgenden Aspekte: – die Möglichkeiten, diese Standards bei den öffentlichen Bediensteten zu vermitteln, dies umfasst ggfs. rechtliche Verhaltensrestriktionen für Angehörige des öffentlichen Dienstes, die Vermittlung der Kenntnis dieser Werte durch eine interessierte Öffentlichkeit und deren Sozialisation innerhalb des öffentlichen Dienstes – Gesetze, Regelungen oder Verfahren zur Verhinderung von Korruption und Interessenkonflikten und zum Umgang mit öffentlichen Ressourcen – Regelungen oder Institutionen zur Sicherung der Transparenz und Offenheit des Verwaltungshandelns einschließlich organisatorischer und verfahrensmäßiger Absicherungen und einer effizienten Regelung von Verantwortlichkeiten (im Sinne von Zuständigkeiten) – Klare, öffentlich zugängliche Normierung einer leistungsbezogenen Rekrutierung einschließlich einer verfahrensmäßigen Flankierung – Institutionen der Verwaltungskontrolle – eine aktive Zivilgesellschaft. Die modernisierte Verwaltung im Verfassungsstaat der Bundesrepublik muss, gemessen an diesen Kriterien einer ethischen Infrastruktur des öffentlichen Dienstes, hinreichende Antworten bereit stellen, um den im öffentlichen Amtsauftrag ausgedrückten Anspruch gemeinwohlverpflichteten Verhaltens im konkreten Gefüge der gesellschaftlichen Ordnung zu sichern. Der öffentlich-rechtliche Status des Berufsbeamtentums – verfassungsrechtlich konzipiert als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis (Art. 33 Abs. 4 GG) und im Rahmen des öffentlichen Dienstrechts normiert unter Berücksichtigung 868 Siehe OECD, Ethics in the Public Service, Paris, 1996 sowie OECD, Trust in Government – Ethic measures in OECD Countries, Paris, 2000.

II. Kodifizierung ethischer Verwaltungsstandards im deutschen Recht?

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hergebrachter Grundsätze des Berufsbeamtentums, welche einer flexiblen Fortentwicklung offen stehen (Art. 33 Abs. 5 GG) – erfüllt in der parlamentarischen Demokratie und im sozialen Rechtsstaat der Bundesrepublik die Funktion, eine durch Bindung an Gesetz und Verfassung geprägte, parteipolitisch neutrale Verwaltung zu gewährleisten. Angesichts der differenzierten Ausgestaltung der Ämterorganisation durch normative Vorgaben des demokratischen Rechtsstaats zum Verwaltungshandeln, zu fairen Verfahren und rechtsstaatlichem Distanzschutz auf Grundlage der Verfassung, in der die Gesetzesgebundenheit der Verwaltung den zentralen verfassungsrechtlichen Baustein darstellt, wird keine zwingende Notwendigkeit gesehen, in Deutschland ein Komitee zur Entwicklung und Überwachung ethischer Verwaltungsstandards und Verhaltensregeln einzurichten. Ein solches bedürfte, um verwaltungspraktische Wirkung zu entfalten, der gesetzlichen Zuschreibung von Zuständigkeiten, die in Konflikt mit der Statik und öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des öffentlichen Dienstrechts geraten könnte. Die ethischen Grundlagen des republikanischen Amtsverständnisses sind zudem, wie aufgezeigt wurde, in der Verfassung und in zentralen einfachgesetzlichen Bestimmungen bereits angelegt: Die Operationalisierung des Rechts nach den Regeln des Rechts ist Ausdruck der ausdifferenzierten Gestaltung der freiheitlichen Ordnung der Republik, welche die Erwartung einer selbstlosen, unparteiischen und vorausschauenden Haltung einschließt. In dieser normativ konstituierten Kompetenzordnung sind die Kernfunktionen des offenen Verfassungsstaates durch eine funktionsfähige Ämterorganisation unterschiedlicher Aufgabenerfüllungsebenen zu gewährleisten. Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, welches das Verfassungsprinzip der Freiheit flankiert, wirkt in seiner verfassungsmäßigen Grundkonzeption im Bereich des Rechtsvollzugs zudem als „Sicherungsmechanismus“ gegen grundrechts- und rechtsstaatswidrige Einflüsse der Politik. Das im Rahmen des oben skizzierten ethischen Infrastruktur-Konzeptes genannte Beispiel eines klaren, öffentlich zugänglichen Regelwerks einer leistungsbezogenen Rekrutierung einschließlich einer verfahrensmäßigen Absicherung lässt mit Blick auf die verfassungswidrige Praxis partei- und verbandspolitischer Ämterpatronage869 gleichwohl erkennen, dass ein solches klares, normatives Regelwerk – vgl. das im Grundgesetz verankerte Leistungsprinzip für den Zugang zu öffentlichen Ämtern gemäß Art. 33 Abs. 2 GG – in der Rechtswirklichkeit mitunter nicht hinreichend ist, um ein entsprechendes öffentliches Bewusstsein zu sichern. Als wirksamstes Mittel gegen die Ämterpatronage hat sich bisher die „Konkurrentenklage“ des rechtswidrig in einem Besetzungs- oder Beförderungsverfahren unterlegenen Bewerbers erwiesen, dem, angesichts des dem Dienstherrn kraft seiner Personalgewalt bei der Auswahl gleich geeigneter Bewerber zustehenden Ermessens, grundsätzlich nur das Recht auf sachgerechte, an den Kriterien des Leistungsgrundsatzes gebundene rechtsfehlerfreie Beurteilung der Bewerbung (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch) 869 Siehe nur Ulrich Battis, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2011, Art. 33, Rn. 39 ff.

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6. Kap.: Fazit und Ausblick

zusteht870. Dieses Beispiel der Praxis von Rekrutierungsverfahren zeigt, dass ein zusätzlicher Schwerpunkt der Konzeption einer öffentlichen Ethik-Infrastruktur, die in Deutschland im Vergleich zum angelsächsischen Raum schwächer ausgeprägt ist, in der Berücksichtigung der präventiven Aspekte ethischer Verwaltungsstandards liegen könnte. Dem Prinzip des öffentlichen Amtes ist die Ausrichtung auf das gemeine Wohl als Ausschluss selbstzweckhaften und eigennützigen Handelns institutionell eingeschrieben. Der Verzicht auf Selbstbegünstigung, parteipolitischer Patronage und Willkür ist im Verfassungsstaat der Republik zwar verfassungsrechtlich verbürgt und einfachgesetzlich (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1, 2 BBG) ausgestaltet; gleichwohl wäre im Interesse der Gewähr, der Sicherung und der Bürgschaft amtsethischer Parameter im Recht des öffentlichen Dienstes der Bundesrepublik eine Anknüpfung an die vier core values des britischen Civil Service Codes – Integrität (integrity), Rechtschaffenheit (honesty)871, Sachbezogenheit (objectivity) und (parteipolitische) Neutralität (impartiality)872 – durchaus naheliegend und wünschenswert. Eine Ergänzung des umfassenden öffentlich-rechtlichen Rahmenwerks der Bundesrepublik um Maßnahmen der Orientierung und Bewusstseinsbildung, das Ziel eines Aufbrechens von „Klientel-, Partei-, Verwandtschafts-, und landsmannschaftliche[n] Projektionssysteme[n]“873 beinhaltend, könnte sich als nützlich erweisen874, etwa im Bereich der 870 Bei schuldhaftem Verhalten der Behörde kann der rechtswidrig abgewiesene Bewerber Schadensersatz gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB geltend machen, siehe Battis, ebd., Rn. 41. 871 Denkbar wäre auch eine Übersetzung mit „Aufrichtigkeit“ oder „Redlichkeit“, vgl. die Definition im Civil Service Code: „,honesty‘ is being truthful and open“, siehe Civil Service Code, Presented to Parliament pursuant to section 5 (5) of the Constitutional Reform and Governance Act 2010, abrufbar unter URL: http://www.civilservice.gov.uk/about/values [z. a.: 31. 3. 2012]. 872 Die bundesgesetzliche Ausgestaltung in § 60 Abs. 1 Satz 1 BBG („Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei“) und Satz 2 („[…] Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei ihrer Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen“, Hervorhebung vom Verfasser) ist, wie bereits aufgezeigt wurde, Richtschnur für das Ethos des Amtes, siehe oben 3. Kapitel, Abschnitt II. 3. c). und insbesondere 4. Kapitel, Abschnitt II. 2. b). Parteipolitische Neutralität darf dabei im demokratischen Verfassungsstaat der Bundesrepublik nicht missdeutet werden als „unparteiliche, antipluralistische und unpolitische Neutralitätsideologie“, denn Amtsträger haben, in Realisierung politischer Zielsetzungen des Staates, durchaus auch wert- und interessenbezogen, „also im einem umfassenden Sinne auch politisch“ zu handeln, Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl., München 2009, § 60 Rn. 8 m. weit. Nachw. Ein solches Handeln muss allerdings, wie aufgezeigt wurde, stets integer und rechtschaffen sein und darf nicht in einer parteipolitisch ausgerichteten Amtsführung münden. 873 Nachdrücklich in diesem Sinne Helmut Goerlich, Good Governance und Gute Verwaltung, DÖV 2006, S. 313 ff. (322). 874 Ähnlich, auf Grundlage eines umfassenden Vergleichs der britischen und der deutschen Umsetzung ethischer Infrastrukturkonzepte anhand der acht durch die OECD entwickelten Elemente für eine Ethik-Infrastruktur (OECD 1996) Nathalie Behnke, A Nolan Committee for the German ethics infrastructure? European Journal of Political Research 41 (2002), S. 675 ff. (691 ff., 691): „demand for soft ethics measures“.

III. Resümee

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Einstellungsverfahren sowie der Aus- und Fortbildung des öffentlichen Dienstes und unter Einbeziehung des tariflichen Bereichs. Innerhalb dieses Prozesses gilt es, bürokratische und schematische Formalisierungen zu vermeiden. Letztlich geht es um die Gewährleistung der tatsächlichen Normativität des Rechts durch Sicherung bzw. Steigerung der Integrität des öffentlichen Dienstes.

III. Resümee Die duale Legitimationsstruktur der Gemeinwohlbestimmung durch Gesetzgebung und Verwaltung im bundesrepublikanischen demokratischen Verfassungsstaat stellt sich zunächst als ein Kompetenzphänomen dar. Die Operationalisierung des Rechts nach den Regeln des Rechts ist Kern der ausdifferenzierten Gestaltung der freiheitlichen Ordnung der Republik. Die für Fortentwicklungen im Bereich des öffentlichen Dienstes und europarechtliche Implikationen „offene“ Ämterorganisation ist Ausdruck des republikanischen Amtsprinzips und in diesem Sinne verfassungsrechtlich unveränderbarer Bestandteil des Verfassungsrechts. Die Erwartung einer selbstlosen, überparteilichen und vorausschauenden Haltung, welche sich von einer rein funktionalen Amtsführung unterscheidet, ist zentrale Richtschnur für das Ethos des öffentlichen Amtes der Republik. Das Amtsethos, insbesondere soweit über Schleusenbegriffe oder normative Bestimmungen hierfür konkrete Referenzkriterien bestehen oder solche direkt in des Recht transportiert sind, hat im Hinblick auf die strukturellen, kompetentiellen und materiellen Vorgaben des Rechts und sonstigen Rahmenbedingungen der Rechtsanwendung ergänzende Funktion. Das gemeinwohlbezogene Amtsrechtsverständnis unterscheidet sich maßgeblich von privaten Unternehmenskulturen und politischen Gemeinwohlappellen. Das verfassungsstaatlich organisierte Amt hat zwischen dem Herrschaftsideal der republikanischen Verfassung als Inbegriff der freiheitlichen Ordnung und der in der Republik erstrebten freiheitlichen Wirklichkeit eine vermittelnde Position. Der abstrakte und formalisierte Gedanke vom freiheitsrechtlichen Status des Bürgers dient als Orientierungsgröße, das staatliche Gegenüber der ausschließlichen Amtspflichten der Objektivität, Neutralität und Unparteilichkeit, welche die Integrität der Amtsführung sichern sollen, evident zu machen. Über das Prinzip des Amtes im treuhänderischen, verantwortungsvollen und uneigennützigen Dienst für die Allgemeinheit wird die Idee der Republik institutionalisiert. Das Prinzip des Amtes gehört zum änderungsfesten Bestandteil des Republikprinzips gemäß Art. 79 Abs. 3 GG. Die Gesetzesbindung der Verwaltung dient aus der funktionalen Sicht des Staates dazu, ein hohes Maß an Stetigkeit und „Richtigkeit“ des Amtshandelns zu sichern und ist damit Voraussetzung für Vertrauen in die Verlässlichkeit der Verwaltung und zugleich Basis ihrer Akzeptanz. Im Zuge der Reformen des öffentlichen Dienstes wurde kein „Auszug aus der Max-Weber-Welt“ vollzogen. Das traditionelle Modell bürokratischer Herrschafts-

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6. Kap.: Fazit und Ausblick

organisation – in Form der Übertragung öffentlicher Aufgaben an Amtsträger, die an sachliche Amtspflichten gebunden, einer geregelten Amtshierarchie unterworfen, mit Kompetenzen ausgestattet und nach Fachqualifikation rekrutiert sind, mit Alimenten bezahlt werden, und ihren Beruf nicht „honoratiorenmäßig“875, sondern hauptamtlich ausführen (Max Weber), in ökonomischer und praktischer Trennung privater und öffentlicher Interessen arbeiten können und schließlich einem einheitlichen Kontroll- und Disziplinarsystem unterliegen – dieses Modell ist in typisierter Form auch in der Verwaltung der Moderne abbildbar. Das deutsche Berufsbeamtentum wurde in seinem grundsätzlichen, öffentlich-rechtlichen Status durch aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt und ist in seinem Recht und Gesetz verpflichteten öffentlich-rechtlichen Grundtypus als Element kontinentaleuropäischer Rechtsstaatlichkeit zu begreifen876. Zugleich besteht die Erkenntnis, dass Verwaltung als unelastischer, quasi maschineller Prototyp877, mit der formal-rationalen Entscheidung als Output, selbst als Idealmodell nicht funktionieren kann. Das Amt im Verwaltungsdienst der Moderne bedarf klarer Zurechnungsprozesse und Zuständigkeiten sowie transparenter Organisationsstrukturen und Verwaltungsabläufe. Diese dienen tendenziell auch dem Ziel grundrechtskonformen, freiheitssichernden Handeln des Staates. Angesichts der häufig in Frage gestellten „Leistungsfähigheit“ des Staates878 im Hinblick auf komplexe und oft grenzüberschreitend geprägte Lebenssachverhalte sowie hinsichtlich der Einbindung von Fachverbänden, wissenschaftlichen Einrichtungen, Beiräten etc. im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben, Verwaltungsvorschriften oder anderen staatlichen Entscheidungen, wird die Frage der organisatorischen und inhaltlichen Federführung durch öffentliche, von Partikularinteressen sowie wirtschaftlich unabhängige Amtsträger zur Nagelprobe für die Gemeinwohlverpflichtung der öffentlichen Verwaltung im demokratischen Verfassungsstaat. Die Einbeziehung externen Sachverstandes zur Aufbereitung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der teilweise komplexen bzw. international dimensionierten Aufgaben im Rahmen des (vorbereitenden) Prozesses zur Rechtssetzung oder des klassischen Gesetzesvollzugs ist im Sinne der Arbeitsteilung und 875

Begriff bei Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft [Fn. 50], S. 433. Vgl. Jachmann/Strauß, Berufsbeamtentum, Funktionsvorbehalt und der „Kaperbrief für den Landeinsatz“, ZBR 1999, S. 289 ff. (291); Jachmann, Berufsbeamtentum – Säule der Rechtsstaatlichkeit?, ZBR 2000, S. 181 ff.; Battis, Hergebrachte Grundsätze [Fn. 39], S. 309 ff. (314), derselbe, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl., München 2009, § 60 Rn. 5. 877 Max Weber hat in seinen politischen Schriften auch das Ethos des Amtes („Geist des Amtes“) thematisiert, welches ein von der rechtlichen Verfasstheit der Verwaltung unabhängiges, subjektives Moment in sich trage, das sich auch aus einer Betrachtung dessen ergeben müsse, „was Bürokratie als solche nicht leistet“, derselbe, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens, in: Johannes Winckelmann (Hrsg.), Gesammelte Politische Schriften, 5. Aufl., Tübingen 1988, S. 306 ff. (Zitate auf S. 335 u. 334). 878 Vgl. hierzu aber Josef Franz Lindner, Berufsbeamtentum und Demokratieprinzip – ein Zwischenruf, ZBR 2010, S. 26 ff. (30, m. weit. Nachw.). 876

III. Resümee

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Aufgabenbewältigung sinnvoll und notwendig. Der Formenwandel öffentlicher Aufgabenwahrnehmung beinhaltet vielfältige, teils kooperative Elemente des Zusammenwirkens staatlicher und gesellschaftlicher Akteure, in dem Amtswalter ihren Einfluss auch in nicht-hierarchischen Regelungsformen zur Geltung zu bringen vermögen, durch unterschiedliche Interventionsmöglichkeiten und insbesondere in Form ihrer Kompetenz zur rechtlichen Ratifizierung getroffener Vereinbarungen oder zur letztinstanzlichen Entscheidung. Gemäß dem europäischen Recht auf gute Verwaltung (Art. 41 EuGrCh, Art. II101 EuVerfV) hat die Verwaltung als dienstleistende Einrichtung einem gewissen Standard europäischer Verwaltungskultur zu genügen.879 Dies setzt einen leistungsstarken, effektiven und integeren öffentlichen Dienst auf der Ebene der Europäischen Union und der Gemeinschaft voraus, der eine entsprechende sachgerechte, transparente und auf Dauer gestellte Auswahl, Einstellung und Beförderung des Verwaltungspersonals ermöglicht. Da die Verwaltungskultur und Qualität des öffentlichen Dienstes der europäischen Ebene und der Mitgliedsstaaten sich gegenseitig bedingen, lässt sich der im europäischen Verfassungsvertrag formulierte Anspruch zugleich auch auf die Mitgliedsstaaten und deren Administration übertragen. Voraussetzung ist ein hohes Maß an Professionalisierung des öffentlichen Dienstes, die über eine sachliche Vorbildung sowie eine Rekrutierung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auf der Grundlage eines fairen und sachbezogenen Verfahrens erreicht werden soll. Hinzu tritt zunehmend die Forderung nach einer steten Fortbildung des Verwaltungspersonals, welche nach der hier entwickelten Einschätzung auch die internationale und europaweite Entwicklung ethischer Verwaltungsstandards zum Gegenstand haben sollte. Die angelsächsische Perspektive – mit dem traditionellen britischen Bezugspunkt der Krone und einer im Verständnis anvertrauter Treuhänderschaft (Trusteeship) ausgedrückten rechtsethischen Verpflichtung auf das Interesse des gemeinen Wohls und der Gewährleistung des Rechts – hat gezeigt, dass das Konzept eines anvertrauten öffentlichen Amtes, umkleidet von einem integeren und transparenten Umgang mit öffentlichen Ressourcen und einer klaren Trennung von privaten und öffentlichen Interessen, in gänzlich unterschiedlichen Rechts- und Verwaltungskulturen auf verschiedene Weise Wirkung zu zeichnen vermag. Der in diesem Sinne europäische Anspruch an ein öffentliches Ethos des Amtes – verstanden als persönliche Integrität und eine Bewusstseinsschärfung der Verbindlichkeit von Recht sowie der unparteiischen Aufgabenwahrnehmung im öffentlichen Interesse – flankiert als Teil der jeweiligen Verwaltungskultur die europäisch formulierte Ambition auf eine gute öffentlichen Verwaltung. Die Implementierung ethischer Grundsätze des öffentlichen Amtes in das Rechtssystem kann dazu dienen, diesem Anspruch in der konkreten Rechtsanwendung Geltung zu verschaffen und ihn damit Rechtswirklichkeit werden zu lassen. 879 Vgl. hierzu und zu Nachfolgendem Goerlich, Good Governance und Gute Verwaltung [Fn. 873], S. 313 ff. (318 f.).

Thesen • Aus der Erkenntnis, dass das Ethos des öffentlichen Amtes aus einer Erwartungshaltung des Rechts im Rahmen einer konkreten verfassungsrechtlichen Ordnung – republikanischer Rechtsstaat bzw. Rule of Law – gespeist wird, folgt der Anspruch, die Umsetzung des Rechts, die Anwendung des Gesetzes, die Operationalisierung und die Auslegung des Normtextes, so gut dies möglich ist, aus dem Recht unmittelbar selbst zu gewinnen. • Die Freiheit des Einzelnen wird in gesellschaftlichem Zusammenhang existent und ist durch positives Recht zu flankieren und zu realisieren. Zur Verwirklichung der Realisierungs- und Schutzfunktion des Rechts sind staatliche Amtsträger, im republikanischen Rechtsstaat sowie in der parlamentssouveränen, gewachsenen Verfassung des Vereinigten Königreichs, auf (verfassungs-)gesetzlich bzw. rechtlich eingeräumte Befugnisse zur Ordnung des Gemeinwesens, auf die äußere Legalität beschränkt. • Das republikanische Grundrechtsverständnis des Grundgesetzes muss sich im Rahmen des hier vertretenen verfassungsrechtsdogmatischen Konzepts grundrechtlicher Freiheit bewegen, das zusammenfassend folgende Kernkomponenten umfasst: die der prima facie unbegrenzten „natürlichen“ Freiheit des Einzelnen gegenüber dem Staat sowie die der umfassenden Ausrichtung des Verfassungsstaates auf die Achtung und den Schutz der Menschenwürde und der Sicherung eines möglichst hohen Maßes an individueller Freiheit. Das grundgesetzliche Menschenbild geht dabei von einem gemeinschaftsbezogenen und gemeinschaftsgebundenen Individuum aus. Der Verfassungsstaat legitimiert seinen Hoheits- und Machtanspruch wesentlich über die Aufgabe, die natürliche Freiheit des Einzelnen zu wahren und zu schützen, womit sich sein ordnungsrechtlicher Machtanspruch a priori begrenzt. Diesem Verhältnis von staatlicher Gewalt und privater Freiheit entspricht die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft. • Auf diesem Fundament des Verfassungsstaates entfaltet das öffentliche Amt seinen republikanischen Charakter. Dieser besteht in einem auf Optimierung angelegten gemeinwohlorientierten Gestaltungsprinzip freiheitlicher Ordnung; er ist im Kern vergleichbar mit dem in der britischen Rechtstradition entwickelten Gedanken des öffentlichen Amtes als anvertrauter Machtposition einer Civil Society. • Die rechtsvergleichende Betrachtung der Konzeption und der Implementierung ethischer Standards für die Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland und in Großbritannien lässt erkennen, dass die Erwartung einer Operationalisierung des

Thesen

213

Rechts nach den Regeln des Rechts einer integeren, rechtschaffenen, sachbezogenen und überparteilichen Haltung bedarf, die somit maßgebliche und rechtsübergreifende Richtschnur ist für das Ethos des öffentlichen Amtes. • Dieser Kern des gemeinwohlbezogenen Amtsrechtsverständnisses als unparteiischer öffentlicher Dienst im Interesse des allgemeinen Wohls unter Ausschluss selbstzweckhaften, eigennützigen und parteipolitisch ausgerichteten Handelns unterscheidet sich maßgeblich von privaten Unternehmenskulturen und politischen Gemeinwohlappellen. • Vor dem Hintergrund der anhaltenden Praxis verfassungswidriger Ämterpatronage und im Interesse der Gewährleistung amtsethischer Parameter im Recht des öffentlichen Dienstes der Bundesrepublik wäre – in Anknüpfung an die Core Values des britischen Civil Service – eine Ergänzung des umfassenden öffentlichrechtlichen Rahmenwerks der Bundesrepublik um Maßnahmen der Orientierung und Bewusstseinsbildung nahe liegend und wünschenswert, maßgeblich im Rahmen von Einstellungsverfahren und in Bereichen der Aus- und der Fortbildung des öffentlichen Dienstes. • Die „Euphorie“880, die sich jahrelang mit dem so genannten New Public Management-Modell verband, gehört mittlerweile der Vergangenheit an. Auch sind Versuche, das unterschiedliche Verständnis von Loyalität und Verantwortungsformen „über den Kamm eines ,New Public Management’ zu scheren“, zum Scheitern verurteilt.881 Vielmehr gewinnt im Bereich der Staaten der Europäischen Union die Erkenntnis Raum, die klassischen Prinzipien und Strukturen des Verwaltungsrechts einerseits weiterhin maßvoll zu reformieren und zu flexibilisieren – z. B. externen Zugang auf Spitzenämter zu fördern, Beförderungssprünge zuzulassen, die Mobilität zwischen dem privaten und öffentlichen Bereich zu fördern, das Laufbahnrechtssystem zu reformieren etc. – andererseits aber traditionelle Strukturprinzipien der öffentlichen Ämterverfassung beizubehalten oder zu stärken – z. B. Beamtensysteme, die auf Basis rechtsstaatlicher oder depersonalisierter Prinzipien rechtlich verankert sind, formalisierte Dienst- und Personalrechtsstrukturen, spezifische Regelungen über Interessenskonflikte sowie eine rechtsethische Infrastruktur – auch, um damit Objektivität, Gesetzmäßigkeit und Integrität des öffentlichen Handelns zu sichern und zu befördern. • Die Erwartungen an die Qualifikation eines „Bürokraten“ haben sich im Laufe der Zeit verändert. Ungeachtet der Debatten um den Wandel in deutschen Verwaltungen (vom Kameralisten zum Juristen?) oder derer, staatsübergreifend, zur Fachkompetenz von Amtsträgern (Generalist oder „Amateur“ versus Spezialist? 880

Demmke, Beamtenrechtsreformen [Fn. 701], S. 115, zu den nachfolgend genannten europaweit akzeptierten Strukturprinzipien siehe ebd., S 117. 881 Zutreffend und pointiert Lodge, Public Service Bargains, New Public Management und Variationen in Verwaltungsreformen, dms – der moderne staat 2009, S. 37 ff. (41).

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Thesen

„Manager“ statt Amtswalter?) steht zunehmend die Kompetenzdimension im Mittelpunkt. Diese ist verknüpft mit Erwartungen an Qualifikation und Fertigkeiten des Amtsträgers, in einer differenzierten Gesellschaft mit polaren Meinungen und diffizilen politischen Strömungen z. B. über „Herrschafts-“ oder „Verhandlungswissen“ im Rahmen von informalem Verwaltungshandeln zu verfügen bzw. dieses in der Verwaltungspraxis geschickt einsetzen zu können882 oder Verhandlungslösungen zu erzielen, die im Rahmen hierarchischer Entscheidungen nicht getroffen werden können. • Ziel ethischer Verwaltungsinfrastrukturen ist es, diesen veränderten Erwartungen an administratives Verwaltungshandeln einerseits und den globalisierten Herausforderungen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Handlungsdrucks andererseits gerecht zu werden. Dabei gilt es, zur Qualität, Stabilität und Integrität im öffentlichen Dienst beizutragen. Dies wird insbesondere virulent in Bereichen besonderer Korruptionsgefahr, aber auch in solchen, in denen besondere Ermächtigungen und neue „Handlungsfelder“ (z. B. durch das Internet) für Grundrechtseingriffe bestehen. Vor diesem Hintergrund erlebt die Bedeutung klassischer Verwaltungsrechtsprinzipien europaweit unter dem Diskurs des Right to Good Administration eine Renaissance. Die Erkenntnisse aus dem Rechtsvergleich britischer und bundesrepublikanischer Rechtstraditionen bieten die Chance, diesen Diskurs neu zu beleben und gemeinsame Maßstäbe ethischer Verwaltungsstandards auf europäischer Ebene zu implementieren.

882

Siehe hierzu Lodge, Public Service Bargains, S. 40 f.

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Personenverzeichnis Alexy, Robert 73, 78, 91, 153 Anschütz, Gerhard 55 Baer, Susanne 147 Battis, Ulrich 37 Becker, Florian 198 Dicey, Albert Venn 184 Dreier, Horst 57, 60 Dreier, Ralf 46 Feldman, David 197 Fisher, Warren 189 Forsyth, Christopher 188 Grimm, Dieter 107 Gröschner, Rolf 90 Grotius, Hugo 63 Hobbes, Thomas 111 Hobe, Stephan 119 f. Hoffmann-Riem, Wolfgang 144 f. Isensee, Josef 75, 83, 93, 103, 105 Jellinek, Georg 54, 77 f., 80, 106, 114, 116, 119 f. Kant, Immanuel 53, 63, 106 Kersten, Jens 115 Kinnock, Neil 16 Klement, Jan Henrik 142, 149, 151, 166

Lerche, Peter 162 f. Liebknecht, Karl 54 Loschelder, Wolfgang 48 Meyn, Karl-Ulrich 186, 205 Nolan, Michael 35, 192, 196 Ossenbühl, Fritz 101 Popper, Karl R. 86 Preuß, Hugo 55 Pufendorf, Samuel 63 Radbruch, Gustav 67 Reichard, Christoph 33 Ress, Georg 109 Ryrie, William 182 Scheidemann, Philipp 54 Schmitt, Carl 43, 68 f. Schuppert, Gunnar Folke 110 Siehr, Angelika 68 Smend, Rudolf 89 Smith, Adam 169 Sohms, Rudolf 43 von Stein, Lorenz 129 ff. Stettner, Rupert 97 Stolleis, Michael 89 Straw, Jack 174 Wade, William 188 Weber, Max 12, 22, 23 ff., 29 ff., 36, 38, 39, 42, 47, 103, 130, 174 ff., 183, 209, 210 Wolff, Christian 63

Sachwortverzeichnis Abordnung 37 Agency Chief Executives 178 Alimentation 36 Altruismus 46 American Society of Public Administration (ASPA) 18 Amt – ~ als Grundkategorie rationaler Herrschaft 103 – ~ als republikanisches Rechtsinstitut 90 – bedeutungsgeschichtliche Annäherung 12, 39 – ~skonzeption des 19. Jahrhunderts 129 Ämterpatronage 97, 136, 176, 178, 207, 213 Ämterverfassung 41 f., 95, 213 Amtsethos 11, 13, 20, 32, 38, 53, 95, 109, 114, 124, 153 f., 157, 161, 167, 209 Amtshierarchie 24 ff., 36, 175 f., 210 Amtsprinzip 95, 167 Amtsrechtsverhältnis 96, 98, 169 Amtsverständnis 11 – 13, 20, 62, 120, 140 Angloamerikanische Staaten 15, 19 Appell, moralischer 89 Autonomie (des britischen Civil Service) 180 Autonomie (des Menschen) 67 Beamtenurteil 131, 133, 135 Behörde 24, 26, 40, 71, 208 Berufsbeamtentum – hergebrachte Grundsätze des ~s 28 – Rolle des ~s im demokratischen Verfassungsstaat 135, 137, 186 – ~ und das Modell bürokratischer Herrschaft 20 Bill of Rights (1689) 68, 187 Board of Inquiry 189 Bonum commune 48, 53, 169 Bourgeois 89 f. Bundesverfassungsgericht

– „Elfes-Urteil“ des ~s 67 – Menschenbild-Formel des ~s 73 – Wesentlichkeitsrechtsprechung des ~s 100 Bürokratiemodell (Max Weber) 23, 29, 34, 39, 103, 174 Character indelibilis 44 Charisma 23 f., 43 f. Chief Executive 181 Citoyen 89 f., 97 Civil Service Appeal Board 188 f. Civil Service Code 173, 190 – 192, 194, 208 Civil Service Commission 177 f., 180 f., 204 Civil Service Commissioners 178 ff., 192 Civil Service Management Code 178 f., 190 – 192, 196 Civil Service (Management Functions) Act (1992) 179, 185 Civil Service (Rechtsnatur) 11, 13, 35, 173, 185, 204 Civil society 186, 201 ff., 212 Code of Conduct 195 Code of Ethics for Public Administration 18 Codex iuris canonici 43 Committee on Standards in Public Life 18, 187, 192 – 194, 196, 204 Constitutional Reform and Governance Act (2010) 173 f., 179 f., 185, 187, 189, 191, 195, 201, 204, 208 Constitutional Renewal Bill (2008) 174, 180 Contracting out 172 Core values 174, 208, 212 Demokratieprinzip 55, 60 – 62, 139, 160, 163, 166, 210 Departments 173

Sachwortverzeichnis Deutsche Demokratische Republik (DDR) 52, 59 Dienst der Krone 174, 189 Dienstrechtsreformgesetz 125 Drei-Elemente-Lehre 116, 133 Ermessen 187 Ethics – Office of Government ~ 15 – 12 Principles for Managing ~ in the Public Service 14 – Study Group on ~ and Integrity 19 Ethics in Government Act 15 Ethik – ~-Debatte 15, 20, 34 – ~-Infrastruktur 14, 19, 208 Ethische Verwaltungsstandards 172, 203 – 205 Ethos – ~ des Amtes 11, 46, 75, 104, 109, 113, 128, 154, 156, 167 f., 171, 205, 208, 210 f., 212 f. – Gemeinwohlethos von Politik 113 EuGH 37, 116 Europäische Union 15, 51, 117, 176, 211, 213 European Group of Public Administration (EGPA) 19 Ex ante 139 Ex post 55 Executive Agencies 173 Fair and open competition 178 – 180 Föderalismusreform 26 f. Fortentwicklungsklausel (Art. 33 Abs. 5 GG) 26 f., 37 Französische Revolution 53 Freiheit – grundrechtliche ~ 89 f. – natürliche ~ 63, 90, 212 – negative ~ 66, 76 Freiheitlich-demokratische Grundordnung 59 Fulton-Report 174, 176, 181 – 185, 189 Gemeinwohl – ~ als Rechtsbegriff 162 – ~begriff 60 f., 162 – 165, 168 f., 205

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– ~belange 60, 163 – ~idee 93 – ~verantwortung 138, 150, 161 – 166, 170 f. Gerechtigkeit – Idee der ~ 157 – ~sprinzip 200 Gesetz – ~ als Auftrag der Verwaltung 100 – Schrankenfunktion des ~es 100 – Vorrang und Vorbehalt des ~es 74, 99 – 101, 109 Gewährleistungsstaat 85, 124, 144 Gewalt, verfassungsgebende 52 Gewaltenteilung 37, 74, 100, 147 Gewaltmonopol 48 f., 64, 88 Gleichheit 53, 60, 65, 70, 77, 117 Globalisierung 119, 121 Good Administration 174, 214 Good Governance 16, 36, 117, 124, 126 f., 208, 211 Governance – Governance-Begriff 160 – Governance-Konzept 128 Grundgesetzentwurf 64 Grundpflichten 88 f. Grundrechte – abwehrrechtliches Grundrechtsverständnis 66, 75, 87 – ~ als Eingriffsabwehrrechte 69, 76, 87 – ~ als vorstaatliche Konstruktions- und Ordnungsprinzipien 157 – Einschränkung von ~n 61, 165 – Freiheitsgrundrechte 62, 66, 75, 83 – Grenzen der staatlichen Eingriffe in ~ 70 – ~ ihrem Wesen nach 80 – Sicherung von Grund- und Menschenrechten 74 Grundrechtsvoraussetzungen 63, 65, 71 Gutachten für die Studienkommission zur Reform des öffentlichen Dienstrechts 28 Handlungsfreiheit 67 f., 73 Head of the Home Civil Service Herrschaft – anvertraute ~ 13, 203 – ~ aus eigenem Recht 93 – charismatische ~ 23, 44

179

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Sachwortverzeichnis

– ~ des Gesetzes 76, 99 f. – ~ des Rechts 74, 84, 106, 199 f. – legale ~ 25 – moderne Form rationaler ~ 24 – nationalsozialistische ~ 93 – rationale ~ 22, 31 – ~sideal 74, 209 – traditionale ~ 24 House of Commons 35, 194 Identität – ~ des Verfassungsstaates im Geflecht der internationalen Beziehungen 117 – Vorbehalt der nationalen ~ 117 Impermeabilitätslehre 96, 169 Instrumentalisierung (des Gemeinwohlgedankens) 93 Integration, europäische 198 Iuris consensus 52 Kirchenamt 42 ff. Kodifizierung 13, 19, 190, 204 f. Kompetenzfrage 97, 113, 171 Konkurrentenklage 207 Kontroll- und Disziplinarsystem 25, 210 Korruption 19, 112, 136, 140, 178, 206 – Anti-Korruptions-Konvention 14, 18 – Antikorruptionsdebatte 35 – ~sbekämpfung 15, 17, 19, 126 f. – ~sgefahr 214 – ~simmunität 127 – ~sindizes 17 Legitimationskette 139, 145, 147 Leistungsprinzip 28, 36, 125 f., 136 f., 174, 207 Liberalismus 67 f. Lissabon-Vertrag 17, 117 Loyalität 186, 195, 200 f., 203, 213 Managerialisierung 12 ff., 36, 124 f., 128, 203 Marktorientierung 34 Maßstab – Freiheit als rechtsverbindlicher ~ öffentlichen Handelns 65 – ~ für die rechtliche Argumentation des Rechtsanwenders 151

– Gemeinwohl als rechtlicher ~ 61, 164 – grundgesetzlicher ~ des Verfassungsprinzips der Freiheit 66 – Handlungsmaßstab für den öffentlichen Amtsträger 126 Max-Weber-Welt 33, 38, 177, 209 Meinungsäußerungsfreiheit 70 Menschenrechte 63 f., 67 – 69, 84, 197 Menschenwürde 65 f., 73, 75, 87, 90, 107 f., 113, 155, 157, 212 Middelhoek-Bericht 15 Missio canonica 44 Monarchie 54, 56, 58, 129 Moral 11, 76, 155 New Public Management 13, 20, 23, 32 ff., 38, 125, 196, 213 Nicht-Monarchie 54 Non-Departmental Government Bodies 173 Northcote-Trevelyan-Report 176, 181 – 183, 203 NSDAP 132 OECD 14 f., 125, 194, 205 f., 208 Öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis (Art. 33 Abs. 4 GG) 36, 82, 139, 206 Officium 40, 49 Orders in Council 174, 195 Output 36, 126, 151, 210 Permanent Secretary 181, 185 Philosophie des Amateurs 181, 183 Populus 52 Pouvoir intermèdiaire 120 Prima facie (Struktur der Freiheitsrechte) 67, 72, 76 f., 84, 87, 91, 138, 212 Primat des Rechts 63 Principle of appointment on merit 174 Prinzip der Aktenmäßigkeit 25, 30 Prinzip der Hierarchie 30 Prinzip der Republik 51, 57, 62, 80, 205 Prinzip des Amtes 12, 84, 94 – 96, 209 Public Trust 201

Sachwortverzeichnis Rechtsexterne Bedeutungszuschreibungen 158 Rechtsstaatsprinzip 62, 92, 111, 157, 160 Rechtstradition, britische 13, 182, 202 f., 212 Rechtstradition, Weimarer Republik 137 Rekrutierung 39, 136, 176 ff., 206 f., 211 Remonstration 37 Representative government 186, 205 Republikbegriff – gemeinwohlbezogener ~ 58 – offener ~ 58 f. – rechtsfolgenoffener materialer ~ 61 Res publica 51 f., 59, 61 f., 74 f., 93, 111 f. Richtlinien, ethische 14 Royal Prerogative 174, 187, 195 Rule of Law 187, 197, 199 f., 203 f., 212 Schleusenbegriff, verfassungsrechtlicher 163 Schottland 204 Senior Civil Service 178, 192 Senior Leadership Committee (SLC) 178 Seven Principles of Public Life 193 f. Souveränität 114, 118, 120 Sozialstaatsprinzip 149 Staat – Entthronung des Staates 115 – Entzauberung des Staates 115 – Rechtfertigung des Staates 104, 107 f. – Rückzug des Staates 76, 115, 122 f., 143 – Staatsbegriff 41 f., 103 – 105, 110, 114, 198 – Zweck des Staates 104, 108, 112 Staatsfundamentalnorm 91 Staatsgewalt 41, 55, 65, 67, 69, 80, 96, 105, 107, 114 f., 119 f., 130 f., 133, 145, 148 Staatsidee 12, 29, 128 f., 134, 137 Staatsraison 104, 111 – 113, 128, 132 Staatsverständnis 12, 100, 102 – 105, 109 f., 140, 150 Staatsvolk 118 Staatszweck 109 f., 113, 131, 166 Status – freiheitsrechtlicher ~ 83, 209 – öffentlich-rechtlicher ~ 210 – status negativus 77, 80 – status passivus 88

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– Statuslehre (Jellinek) 78 f. Steuerungsmodell 36, 125, 127, 146 Subordinationstheorie 96 Territorialherrschaft 41 The Statute of Westminster (1275) Treuhänder 13, 201 Trust 13 f., 194, 203, 206 Trusteeship 138, 202, 211 Unionsbürgerschaft USA 15, 18

172

37

Verantwortung – ~ als Grundlage des Amtes 124, 127, 140 – Gemeinwohl und ~ 161 Verantwortungsteilung 127, 142 – 144, 146 – 151, 158 f. Verfassungsethik 89, 104, 111 – 113 Verfassungsprinzip der Freiheit 59, 62 f., 66 f., 71 f., 74, 76, 94, 111, 113, 118, 157, 207 Verfassungsprinzip der Republik 52 – 54, 56, 59, 88, 92, 94, 167 Verfassungsstaat – ~ als Synonym für Republik 62 – Begriff 62 Verfassungsvertrag, europäischer 117, 211 Verhältnismäßigkeit 16, 72, 76, 200 Versammlungsfreiheit 70 Versetzung 37, 195 Verteilungsprinzip, rechtsstaatliches 68, 72, 81 Verwaltung – gesetzesfreie ~ 100 – Grundsatz der Gesetzesmäßigkeit der ~ 76 Verwaltungsstaat 22 f., 38, 41, 103, 120 f., 134 Volk 41, 130, 139, 145, 171, 208 Volksgemeinschaft 55, 64 Weimarer Reichsverfassung 28 f., 44, 54 f. Weimarer Republik 54 – 56, 69, 137 Whitehall 174, 181 – 183, 196 Wiener Kongress 128 Willkürherrschaft 60 Zergliederung (britischer Staatsdienst) 180 Zivilgesellschaft 14, 58, 124, 128, 150, 206