Die Amtshilfe: Ein Beitrag zu einer Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung [1 ed.] 9783428451630, 9783428051632


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Die Amtshilfe: Ein Beitrag zu einer Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung [1 ed.]
 9783428451630, 9783428051632

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Bernhard Schlink · Die Amtshilfe

Schriften zum Öffentlichen Band 424

Recht

Die Amtshilfe E i n Beitrag zu einer Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

Von

Bernhard Schlink

DUNCKER

&

HUMBLOT

/

BERLIN

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Juristischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg gedruckt m i t Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Alle Rechte vorbehalten © 1982 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1982 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany I S B N 3 428 05163 7

Vorwort Lange wurde die Amtshilfe unter der Geltung des Grundgesetzes juristisch behandelt, als bleibe tatsächlich das Verwaltungsrecht bestehen, während das Verfassungsrecht vergeht. Aber diese stolze Selbstgenügsamkeit des Verwaltungsrechts erweist sich bei der Amtshilfe ebenso als trügerisch wie bei anderen Instituten des Verwaltungsrechts. Wo es um das Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung geht, da hat das Verwaltungsrecht seine verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Trennung und der Verbund von Verwaltungsaufgaben und -befugnissen und damit die Geschlossenheit, i n der die Verwaltung dem Bürger gegenübertritt, der Umgang der Verwaltung m i t Informationen über den Bürger — dies sind die zentralen Themen und Probleme der Amtshilfe. Deren wie selbstverständlich fortgeschriebene alte Dogmatik erfährt aus den Vorgaben des Grundgesetzes ihre Berichtigung, und zugleich gewinnt eine neue Dogmatik ihre Grundlagen. Die vorliegende Schrift erarbeitet diese Grundlagen und entwickelt aus ihnen eine Dogmatik auf der Allgemeinheitsstufe der Verwaltungsverfahrens- und der Datenschutzgesetze. Detailgenauigkeit erreicht sie nur für einzelne Bereiche, aber wie sie dabei die Konsequenzen aus den allgemeinen Aussagen zieht, lassen sich die Konsequenzen auch für andere Bereiche herleiten. Sie entstand i n den Jahren 1979 bis 1981, wurde i m Sommer 1981 von der Juristischen Fakultät der Universität Freiburg als Habilitationsschrift angenommen und i m Winter 1981 auf 1982 überarbeitet. M i t den Hinweisen auf Rechtsprechung und Rechtsschrifttum ist sie auf dem Stand vom 1.1.1982. Herzlich danke ich Herrn Professor Dr. Dr. E.-W. Böckenförde für seine vielfältige Förderung, für die Freiheit, die er m i r gelassen, und für den Rückhalt, den er m i r dabei immer gegeben hat. Die Jahre als sein Wissenschaftlicher Assistent waren glückliche Jahre. Auch die Prägung durch meine anderen Lehrer des öffentlichen Rechts, durch die Herren Professoren Dr. E. Forsthoff, Dr. Dr. A. Podlech und Dr. F. M ü l ler, habe ich bei der Arbeit an der Habilitationsschrift wieder dankbar empfunden. Manche Anregung, der ich gerne gefolgt bin, hat Herr Professor Dr. M. Bullinger als Zweitgutachter des Habilitationsverfahrens gegeben. Die Kollegen und Freunde am Institut für öffentliches Recht

6

Vorwort

der Universität Freiburg, Frau Dr. R. Wellbrock und Herr J. Wieland, haben m i r i n vielen Gesprächen m i t K r i t i k und Ermutigung geholfen, Frau U. Sacksofsky und die Herren C. Enders und T. Wisser, Studenten aus gemeinsamen Freiburger Seminaren, haben die Korrekturen besorgt, Herr W. Pauly, mein Mitarbeiter an der Universität Bonn, hat das Sachverzeichnis bearbeitet, und die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat m i r großzügig sowohl ein Habilitationsstipendium als auch eine Druckbeihilfe gewährt. Ihnen allen gilt mein Dank. Bonn—Freiburg, Sommer 1982

B. S.

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil

Historische und theoretische Grundlagen 1

2

3

4

Die Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung und das Problem der Amtshilfe

11

1.1 Anfrage an eine Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

11

1.2 Verfassungstheoretische Begründung einer Gewaltenteilung in der Verwaltung

15

1.3 Hechtsinstitute einer Gewaltenteilung in der Verwaltung

23

1.4 Amtshilfe als Institut der Gewaltenteilung in der Verwaltung ..

31

Die Dogmatik der Amtshilfe im Wandel der Verfassungsordnungen

34

2.1 Der Bundesstaatsbezug der verfassungsrechtlichen bestimmungen

34

Amtshilfe-

2.2 Die Kontroverse um eine gesetzesunabhängige Amtshilfe

42

2.3 Die Dogmatik der Amtshilfe vor dem Verwaltungsverfahrensgesetz

56

Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

62

3.1 Wandlungen staatlicher Einheitsvorstellungen

63

3.2 Staatstheoretische und staatsrechtliche EinheitsVorstellungen in der deutschen Tradition

69

3.3 Einheit der Staatsgewalt in einer differenzierten Gesellschaft

78

Fundierung der Amtshilfe im Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis?

85

4.1 Der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis als gegenwärtiges Problem

85

4.2 Der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis in der geschichtlichen Entwicklung

92

4.3 Der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis unter Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte 105

8

Inhaltsverzeichnis 5

Fundierung der Amtshilfe in der Organisationsgewalt?

110

5.1 Die überlieferte Lehre von der Organisationsgewalt in ihrer Bedeutung für eine gesetzesunabhängige Amtshilfe 111 5.2 Gesetzesvorbehalt und Organisationsgewalt unter dem Grundgesetz 118 5.3 Die Grenzen exekutiver Organisationsgewalt als Grenzen gesetzesunabhängiger Amtshilfe 130

Zweiter Teil

Verfassung^- und verwaltungsrechtliche Ausformungen 6

7

Verfassungsrechtliche Vorgaben für die einfach-rechtliche Behandlung der Amtshilfe 145 6.1 Bisherige Ergebnisse und begriffliche Klärungen

145

6.2 Der amtshilferechtliche Gesetzesvorbehalt

149

6.3 Das amtshilferechtliche Ausnahmekriterium

156

6.4 Das amtshilferechtliche Kooperationsmodell

161

Informationsakte als Grundrechtseingriffe. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die einfach-rechtliche Behandlung der Amtshilfe mit personenbezogenen Informationen 169 7.1 Stand der Diskussion

169

7.2 Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 172 7.3 Ergebnisse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . 188 7.4 Grundrechtsdogmatische Zuordnung von Privatheit, Selbstdarstellung und Freiheit 192 7.5 Grundrechtsdogmatische Erfassung der staatlichen Informationsakte 198 7.6 Der informationshilferechtliche Gesetzesvorbehalt 8

Die Amtshilferegelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundesdatenschutzgesetzes

202 und 204

8.1 Reichweite der Amtshilferegelung des Verwaltungsverfahrensgesetzes 206 8.2 Verhältnis der Amtshilfe zur Spontanhilfe, zum ständigen Zusammenwirken und zur Erfüllung eigener Aufgaben nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz 216 8.3 Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz 232 8.4 Voraussetzungen und Grenzen der Informationshilfe nach dem Bundesdatenschutzgesetz 246 8.5 Verteilung der Verantwortung zwischen ersuchender und ersuchter Behörde nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz 252

Inhaltsverzeichnis 9

9

Amtshilfe im Bereich der inneren Sicherheit

261

9.1 Amtshilfe zwischen Polizeibehörden

262

9.2 Amtshilfe zwischen Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischem Abschirmdienst, Polizei und Staatsanwaltschaft 268 9.3 Problemfälle der Amtshilfe im Bereich der inneren Sicherheit 284 10

Amtshilfe i m Bereich der sozialen Sicherung

300

10.1 Die Rechtsentwicklung bis zum Sozialgesetzbuch I

301

10.2 Die Probleme des § 35 SGB I a. F

306

10.3 Die Lösungen des § 35 SGB I n. F. und der §§ 67 ff. SGB X . . . 314 10.4 Dogmatische Konzeption der Amts- und Informationshilferegelung des Sozialgesetzbuchs 324

Literaturverzeichnis

327

Sachverzeichnis

352

Erster Teil

Historische und theoretische Grundlagen 1 Die Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung und das Problem der Amtshilfe 1.1 Anfrage an eine Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung Amtshilfe stellt behördliche Zusammenarbeit her und setzt behördliche Arbeitsteilung voraus. I n welchem Umfang und für welche Zwecke die behördliche Zusammenarbeit nötig wird, hängt von der tatsächlichen Ausgestaltung der behördlichen Arbeitsteilung ab. Von der rechtlichen Bedeutung und von der rechtlichen Festigkeit der Arbeitsteilung hängen die rechtlichen Anforderungen ab, unter denen das Ob und das Wie der Zusammenarbeit stehen. Was also ist die rechtliche Qualität der Arbeitsteilung i n der Verwaltung? Die arbeitsteilige Organisation der staatlichen Verwaltung ist alt. Sie ist Bedingung dafür, daß die vielfältigen staatlichen Aufgaben sachgerecht erledigt werden können, w i e auch größere wirtschaftliche Verwaltungs- und Produktionsprozesse arbeitsteilig organisiert sein müssen, um effektiv und rationell funktionieren zu können. Welche Bedeutung die arbeitsteilige Organisation der staatlichen Verwaltung aber auch für die rechtsstaatliche Erwartbarkeit und Kontrollierbarkeit staatlichen Handelns, für die grundrechtliche Freiheit und Sicherheit des Bürgers und für die demokratischen Einrichtungen der Selbstverwaltung und Mitgestaltung hat, kam erst dann deutlich i n den Blick, erstens als die Verwaltungsaufgaben qualitativ und quantitativ so zunahmen, daß sie nahezu jeden Lebensbereich erfaßten, und zweitens als die gewachsene und weiter wachsende Aufgabenfülle ihrerseits zum Problem wurde und nach Planungskoordination und Informationsverbund verlangte. Die erste dieser beiden Schwellen i n der modernen Geschichte der staatlichen Verwaltung w i r d durch deren Ausgreifen i n die Daseinsvorsorge und Daseinsgestaltung gebildet. Über Tendenzen der Kriegs- und Nachkriegsverwaltungen, die Verfolgung ihrer Zwecke und den Einsatz ihrer Mittel zu koppeln, wurde deutlich, daß der Bürger von der daseins-

1 Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

12

gestaltenden und -vorsorgenden Verwaltung i n einer Abhängigkeit steht, die nur dann erträglich ist, wenn die verschiedenen Verwaltungszwecke getrennt voneinander verfolgt werden und wenn eine Verwaltungseinheit die ihr zu Gebot stehenden Mittel nur zur Durchsetzung des gerade i h r aufgegebenen Zwecks einsetzt. I n diesem Kontext hat erstmals Forsthoff die Arbeitsteilung i n der Verwaltung als eine Gewaltentrennung gekennzeichnet: „Es gibt auch eine Trennung der Gewalten innerhalb der Verwaltung. Sie besagt ganz einfach dies: jedes Ressort hält i m Rahmen seiner Verantwortung auf Recht und Ordnung. W i r d dieser Grundsatz verlassen, macht jede Anstalt und jeder Dienstzweig ihr eigenes Verhalten gegenüber dem Einzelnen davon abhängig, wie sich der Einzelne anderen Ressorts und Anstalten gegenüber verhält, so t r i t t ein Zustand der Knechtschaft ein, gegen den die Aufhebung der als verfassungsrechtliches Prinzip verstandenen Gewaltenteilung ein K i n derspiel ist 1 ." Die zweite der beiden Schwellen w i r d durch die Hinwendung der Verwaltung zu Verfahren der Planungs- und Informationskoordination und -integration markiert. Diese Verfahren sind die Reaktion auf die immer differenzierter und komplexer, informationell aufwendiger und planerisch voraussetzungsvoller gewordenen Verwaltungsabläufe. Sie sollen vermeiden, daß Aufgaben sich überschneiden, daß Doppelarbeit geleistet w i r d und daß Entscheidungen widersprüchlich geraten. Insbesondere sollen sie verhindern, daß Informationen mehrfach erhoben und gespeichert werden und letztlich doch nicht i n der notwendigen Vollständigkeit und Verläßlichkeit verfügbar sind, und erreichen, daß die Planungen verschiedener Ebenen und Einheiten richtig aufeinander abgestimmt sind. Zwar ist die Entwicklung integrierter Planungs- und Informationssysteme hinter den Erwartungen, m i t denen sie angestoßen wurde, und den Befürchtungen, die sie hervorgerufen hat, bisher zurückgeblieben. Weder hat sich bisher die Erwartung eines reibungslosen Ineinandergreifens der verschiedenen Informationsflüsse und Planungsprozesse erfüllt, noch haben sich die Befürchtungen bestätigt, der Bürger werde i n seiner privaten und öffentlichen Existenz über computerisierte integrierte Informationssysteme vollständig ausgeleuchtet und entsprechend manipulierbar oder die überkommenen demokratischen Mitgestaltungs- und Selbstverwaltungsformen würden sich i m engmaschigen Netz auf hoher Ebene koordinierter Planungen verfangen und leerlaufen. Aber vom raschen Fortschritt informationsverarbeitender Technologien getragen, nahm die Entwicklung doch einen so stetigen Fortgang, daß sie den begleitenden Befürchtungen einen hinreichenden Anlaß zur Frage nach ihren rechtlichen Grenzen bot. Auch auf diese 1

Forsthoff,

Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Aufl., S. 370.

13

1.1 Anfrage an eine Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung Frage w u r d e

die A n t w o r t

i n der B e s t i m m u n g

der

administrativen

A r b e i t s t e i l u n g als e i n e r a d m i n i s t r a t i v e n G e w a l t e n t e i l u n g gesucht, i n der E r g ä n z u n g des Grundsatzes d e r G e w a l t e n t e i l u n g z w i s c h e n Gesetzgebung, V e r w a l t u n g u n d Rechtsprechung u m e i n e n G r u n d s a t z d e r

Gewalten-

t e i l u n g i n der V e r w a l t u n g , i n der R e f o r m u l i e r u n g dieses Grundsatzes als P r i n z i p d e r B i n n e n d i f f e r e n z i e r u n g des V e r w a l t u n g s s y s t e m s u n d i n der F o r t e n t w i c k l u n g dieses P r i n z i p s z u r F o r d e r u n g e i n e r i n s t i t u t i o n a l i sierten K o n k u r r e n z bestimmter Teilsysteme2. W ä h r e n d es a n d e r e r s t e n S c h w e l l e u m die M i t t e l g i n g , m i t d e n e n die V e r w a l t u n g i h r e Z w e c k e gegenüber d e m B ü r g e r v e r f o l g t , g e h t es an der zweiten u m die informationellen u n d planerischen Grundlagen, v o n d e n e n sie b e i d e r V e r f o l g u n g d e r Z w e c k e a u s g e h t 3 . B e i d e m a l aber ist das P r o b l e m , w i e e n g m i t e i n a n d e r v e r z a h n t , w i e s t r i k t v o n e i n a n d e r g e t r e n n t u n d gegeneinander v e r s e l b s t ä n d i g t d i e verschiedenen V e r w a l t u n g s e i n h e i t e n u n d d e r e n verschiedene F u n k t i o n e n s e i n d ü r f e n

bzw.

müssen. B e i d e m a l g e h t es i n g r u n d s ä t z l i c h e r Weise u m d i e rechtliche Q u a l i t ä t d e r A r b e i t s t e i l u n g i n d e r V e r w a l t u n g . K a n n diese als G e w a l t e n t e i l u n g i n d e r V e r w a l t u n g b e g r i f f e n u n d festgeschrieben w e r d e n ? D i e f o l g e n d e n Ü b e r l e g u n g e n z u dieser F r a g e s i n d z u m e i n e n v e r fassungstheoretischer u n d z u m a n d e r e n verfassungsrechtlicher A r t 4 . 2

Vgl. Eberle, Organisation der automatisierten Datenverarbeitung in der öffentlichen Verwaltung, S. 116 ff.; Brinckmann, Ö V D 1975, S. 239 ff.; Brinckmann/Grimmer!Lenk! Rave, Verwaltungsautomatisation, S. 39 ff.; Lenk, Datenschutz in der öffentlichen Verwaltung, S. 23 ff.; Podlech, Datenschutz im Bereich der öffentlichen Verwaltung, S. 39 f. (ebd. die Forderung einer institutionalisierten Konkurrenz bestimmter Teilsysteme); ders., D V R 1 (1972/ 1973), S. 155 f.; Schlink, Der Bürger als Datenobjekt, S. 160 ff.; von Berg/ HarbothU arassi Lutterbeck, Ö V D 1972, S. 4 f.; Steinmüller, Allgemeine Grundsätze zur rechtlichen Regelung des Datenschutzes, S. 15. — Die Überlegungen sind soziologisch besonders an Luhmanns funktional-strukturellen Systemanalysen der Verwaltung orientiert; vgl. Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaften, S. 73 ff. (S. 74: „Das Prinzip der Gewaltenteilung . . . läßt sich umkonstruieren als Prinzip der internen Differenzierung des Staats Verwaltungssystems . . . " ) ; ders., Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung, S. 21 ff. (S. 21: „Mediatisierung des Gewaltenteilungsschemas zu einer bürokratieinternen Differenzierung"); ders., Funktionen und Folgen formaler Organisation, S. 73 ff. Juristisch knüpfen sie besonders an Peters, Die Gewaltentrennung in moderner Sicht, S. 23 ff. und eben an Forsthoff (Anm. 1) an. 3 Es geht um Funktionendifferenzierung sowohl bei der Input- als auch bei der Outputsteuerung des gesellschaftlichen Systems durch das politischadministrative System. Vgl. zu diesen Arten der Systemsteuerung und ihren rechtlichen Formen zuletzt Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung und Landesentwicklung, 1. Band, S. 45 ff. (ebd. S. 65 ff. auch zur Planung unter den Bedingungen der Pluralität der Administration). 4 I n der literarischen Behandlung sowohl der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung als auch der Gewaltenteilung in der Verwaltung fließen die Ebenen verfassungstheoretischen Räsonne-

14

1 Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

Zum einen w i r d untersucht, was die gesellschaftliche und politische Funktion, der gesellschaftliche und politische Ertrag der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung w a r und ist und ob dieselbe Funktion, derselbe Ertrag auch der Arbeitsteilung i n der Verwaltung eignet. Diese Überlegungen sind verfassungstheoretischer A r t , w e i l sie das Grundgesetz nur als den Repräsentanten eines Verfassungstypus ansprechen und nicht i n Urteile über das verfassungsrechtliche Geboten- oder Verbotensein einer arbeitsteiligen Verwaltungsorganisation münden, sondern nur i n Feststellungen zur gesellschaftlichen und politischen Vergleichbarkeit gewaltenteiliger Staatsund arbeitsteiliger Verwaltungsorganisation. Sie sind insofern verfassungsrechtlich unverbindlich. Gleichwohl sind sie verfassungsrechtlich ergiebig. Verfassungstheoretische Überlegungen lassen die konkreten Institute der positiven Verfassungs- und Rechtsordnung i n verschiedenem Licht erscheinen und können dabei angemessene Fragestellungen eröffnen und verstellende Vorverständnisse beiseiteräumen. Sie können zur Aufstellung von Forderungen und zur Bildung von Hypothesen führen. So dürfte Forsthoff s Bemerkung als die Hypothese zu interpretieren sein, es gebe eine i n ihrer Festigkeit der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung vergleichbare Gewaltenteilung i n der Verwaltung, w e i l anders bestimmte typische Aufgaben unserer Verfassung unerfüllt blieben. Ähnlich könnte als Forderung formuliert werden, die Arbeitsteilung i n der Verwaltung müsse u m bestimmter gesellschaftlicher und politischer Ziele w i l l e n eine vergleichbare Festigkeit besitzen w i e die Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung. Ob freilich eine solche Forderung bloß ein Rechts- und Verfassungsprogramm bezeichnet oder schon i n der Interpretation der positiven Verfassungs- und Rechtsordnung eingelöst werden kann, ist nur an der positiven Verfassungs- und Rechtsordnung selbst auszuweisen. Ebenso ist die Hypothese nur an der positiven Verfassungs- und Rechtsordnung zu überprüfen. So wenden sich die folgenden Überlegungen zum anderen bestimmten konkreten Instituten der positiven Verfassungs- und Rechtsordnung zu, und zwar den Instituten, die i m Rechtsschrifttum als Ausdruck einer Gewaltenteilung i n der Verwaltung erörtert werden. Dabei lautet die ments, verfassungsrechtlicher Dogmatik und auch verfassungspolitischer Programmatik gelegentlich ineinander. Dabei bleibt dann zuweilen unklar, inwieweit die Aussagen rechtliche Verbindlichkeit beanspruchen, inwieweit sie auf die theoretische Würdigung eines Rechtsinstituts oder auch einfach eines eingespielten Zustands zielen und inwieweit sie das politische Postulat einer Rechtsgestaltung erheben. Beispiele solcher Unklarheiten finden sich bei Kägi, Festschrift Huber, S. 151 ff., bei Peters (Anm. 2) und auch bei Forsthoff (Anm. 1), wenn er formuliert, daß es eine Trennung der Gewalten innerhalb der Verwaltung „gibt".

1.2 Verfassungstheoretische Begründung

15

nähere Frage, ob bzw. inwieweit der positivrechtliche Befund bei diesen Instituten dem positivrechtlichen Befund der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung vergleichbar ist, ob bzw. inwieweit der positivrechtliche Rang und die juristische Struktur einander hier und dort entsprechen. Sie führt wieder zum Institut der Amtshilfe. 1.2 Verfassungstheoretische Begründung einer Gewaltenteilung in der Verwaltung 1.2.1 Die Forderung einer Gewaltenteilung i n der Verwaltung beansprucht, gewissermaßen ein Vermächtnis des Grundsatzes der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung erfüllen zu können. I n diesem Sinn vergleicht Peters zur Begründung seiner Forderung einer „Aufteilung der Staatsgewalt innerhalb des Verwaltungsbereichs . . . als Schutzmittel für die Freiheit und Sicherheit des Bürgers" die heutige Zeit m i t der Zeit Montesquieus: „Wer sich die gewaltige Machtzusammenballung i n den zahllosen modernen Verwaltungsbehörden vor Augen führt, dem werden Bedeutung und Notwendigkeit klar, diese unübersehbaren Befugnisse der Exekutive aufzuspalten, eine Notwendigkeit, die heute für den Bereich der Verwaltung nicht geringer ist, als es zu Montesquieus Zeiten für die damals längst nicht so tief eingreifende gesamte Staatsgewalt der Fall w a r 5 . " Was den Vergleich empirisch tragen und was den Anspruch verfassungstheoretisch begründen soll, ist also die Identität des Problems und die funktionale Äquivalenz der klassischen großen und der modernen kleinen Gewaltenteilungskonzeption als Problemlösungsmechanismen 6 . Beides, sowohl die Identität des Problems als auch die funktionale Ä q u i valenz der Problemlösungen, w i r d bestritten. Für Leisner hat die Gewaltenteilung i n der Verwaltung m i t der klassischen Gewaltenteilung nichts gemein. Sie störe und zerstöre diese vielmehr. Wenn die ungeteilte Machtfülle der einzelnen Gewalten verloren gehe, dann gehe auch das tradierte und bewährte Gleichgewicht zwischen Gesetzgebung, 5

Peters (Anm. 2), S. 25 f. I n diesem Sinn beurteilt auch Podlech, D V R 1 (1972/1973), S. 155 f. „die Gewaltenteilung, das Bund-Länder-Verhältnis, die horizontale und vertikale Behördengliederung und die Einführung der Selbstverwaltung als Unterfälle des allgemeinen soziologischen Prinzips der Systemdifferenzierung" und vertritt, daß „sie wenigstens teilweise gegenseitig funktional äquivalent sind und Beeinträchtigungen eines Teilprinzips durch isoliert betrachtet rechtmäßige Ausnutzung eines anderen Teilprinzips bewirkt werden können. Daher muß die Schutzfunktion eines verfassungsrechtlich geschützten Teilprinzips — etwa der Gewaltenteilung — auf dem Weg über die Ausdehnimg des Schutzes auf das allgemeine Prinzip auf ein anderes Teilprinzip — etwa das der Aufrechterhaltung vertikaler und horizontaler Behördengliederung — ausgedehnt werden." 6

1 Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

16

Verwaltung und Rechtsprechung verloren. Denn i m Gleichgewicht komme die Waage der Gewalten nur dann zur Ruhe, wenn das Eigengewicht der Gewalten nicht durch interne Teilungen verändert und geschwächt werde 7 . Diese traditionalistisch argumentierende Ablehnung einer Gewaltenteilung i n der Verwaltung muß an der Tradition überprüft werden. Aber auch die eine Gewaltenteilung i n der Verwaltung bejahende These von der Identität des Problems und der funktionalen Äquivalenz der Problemlösungen muß daran gemessen werden, wie das Problem und wie seine Lösung i n den Anfängen der Lehre von der Gewaltenteilung gesehen bzw. konzipiert wurde. So w i r d die verfassungstheoretische Überlegung zu der prägenden Fassung zurückgeführt, die Montesquieu der Lehre von der Gewaltenteilung gegeben hat. Dabei erweist sich die Vorstellung, die Leisners Auffassung zugrundeliegt, i n doppelter Hinsicht als falsch. Weder setzt Montesquieu die staatlichen Gewalten m i t einem Gewicht an, das ihnen sozusagen an sich eignet, noch balanciert er sie nach einem zeitlosen Prinzip i n einer unbeweglichen Ruhelage. Montesquieu argumentiert „nicht aus dem Wesen der staatstheoretischen Funktionen, sondern aus der Sicht auf die Verwobenheit der politischen Kräfte" 8 , er zielt nicht auf eine Austarierung der Gewalten nach festen Gewichten, sondern auf die „Sicherung und Balancierung des Einflußraumes verschiedener Mächtegruppen" 9 . Gerade indem seine Überlegungen zum einen der englischen und zum anderen der französischen Verfassungslage gelten und dabei die Aufteilung und Zuordnung der Gewalten unterschiedlich vornehmen, lassen sie das Ziel des „Interessenausgleich(s) der politisch-sozialen K r ä f t e " 1 0 erkennen. Dabei ist für Montesquieu die politische Mächtigkeit nach ständischen Kriterien bestimmt. „Königtum, Adel und das Volk, d. h. der aufstrebende Dritte Stand, müssen sich i n die Ausübung der Macht teilen und darin begrenzen 11 ." Die Trennung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nur die eine Pointe von Montesquieus Gewaltenteilungslehre. W i r d Montesquieu nur m i t ihr tradiert, dann w i r d er auf einen vernunftrechtlichen Konstruktivismus reduziert, der bei i h m zwar lebendig, aber von jeglichem Rigorismus frei und von ständischen Rücksichtnahmen, historischer Sensibilität und politischem und sozialem Realitätssinn be7 8 9 10 11

Leisner, Festgabe Maunz, S. 279 ff. Drath, Die Gewaltenteilung im heutigen deutschen Staatsrecht, S. 106. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 37. Lange, Staat 19 (1980), S. 230. Böckenförde (Anm. 9), S. 31.

17

1.2 Verfassungstheoretische Begründung

h e r r s c h t w a r 1 2 . D i e andere P o i n t e l i e g t d a r i n , daß d i e Gesetzgebung d e n V e r t r e t u n g e n des D r i t t e n Stands u n d des A d e l s , die V e r w a l t u n g d e m K ö n i g u n d d i e Rechtsprechung k e i n e m S t a n d z u g e o r d n e t

wird13.

I n Montesquieus Gewaltenteilungskonzeption sind m i t den F u n k t i o n e n auch u n d

gerade

die k o n k u r r i e r e n d e n

und

konfligierenden

„forcées d ' a l l e r de c o n c e r t " 1 4 . W e n n die klassische

Stände

Gewaltenteilungs-

l e h r e f ü r das h e u t i g e V e r s t ä n d n i s e i n e n d r e i f a c h e n E r t r a g h a t , i n d e m sie erstens eine a r b e i t s t e i l i g e , f u n k t i o n s g e r e c h t e u n d v e r a n t w o r t u n g s k l a r e O r g a n i s a t i o n s s t r u k t u r schafft, z w e i t e n s die i n d i v i d u e l l e F r e i h e i t d u r c h A u f g l i e d e r u n g d e r s t a a t l i c h e n M a c h t f ü l l e sichert u n d d r i t t e n s die i n s t i t u t i o n e l l e E i n b i n d u n g d e r sozialen u n d p o l i t i s c h e n K r ä f t e l e i s t e t 1 5 , d a n n i s t es besonders dieses d r i t t e M o m e n t d e r I n t e g r a t i o n , das b e i M o n t e s q u i e u b e s t i m m e n d ist. G e w i ß , auch das erste u n d das z w e i t e M o m e n t s i n d w i c h t i g . G e r a d e m i t d e n Sätzen ü b e r die B e d e u t u n g der G e w a l t e n t e i l u n g f ü r die F r e i h e i t w i r d M o n t e s q u i e u gerne t r a d i e r t u n d z i t i e r t 1 6 . A b e r sein B e g r i f f d e r F r e i h e i t i s t d e r B e g r i f f e i n e r

„liberté

12 Gerade diese Vielschichtigkeit von Montesquieus Denken, die in der älteren Montesquieu-Interpretation oft vernachlässigt wurde, wird in der neueren stark herausgearbeitet. Vgl. neben den in den letzten Anmerkungen angeführten Autoren auch Kuhfuss, Mäßigung und Politik, und schon Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzips, S. 49 ff. 13 So im englischen Modell; im französischen weist Montesquieu die Gesetzgebung dem König unter der Kontrolle der Parlamente, der von der „noblesse de robe" besetzten Gerichtshöfe, und die Verwaltung und die Rechtsprechimg den „pouvoirs intermédiaires", den adligen, geistlichen und städtischen Obrigkeiten und ständischen Körperschaften zu. Vgl. Lange (Anm. 10), S. 226 ff. 14 Montesquieu, De L'Esprit des Lois, 1. Band, S. 172 (11. Buch, 6. Kap.). 15 Z u diesen drei Momenten der klassischen Gewaltenteilungslehre und dabei besonders zum inneren Zusammenhang zwischen freiheitlichem und integrativem Moment Lange (Anm. 10), S. 216 ff., 230 ff.; Ossenbühl, D Ö V 1980, S. 546; Jarass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, S. 5 f.; S teff ani, PVS 3 (1962), S. 257 f.; Weber, Festschrift Schmitt, S. 253 ff.; Böckenförde (Anm. 9), S. 31 f., 37; Drath (Anm. 8), S. 99 ff.; Küster, AöR 75 (1949), S. 401 ff. — Oft wird aber auch ausschließlich oder doch ganz überwiegend auf den freiheitssichernden Ertrag abgestellt; vgl. Imboden, Gewaltentrennung als Grundproblem unserer Zeit, S. 37 ff.; Kägi (Anm. 4), S. 152 ff.; ders. (Anm. 12), S. 49 ff., 168 f.; Sternberger, PVS 1 (1960), S. 31 f.; Schneider, AöR 82 (1957), S. 2 f.; Peters (Anm. 2), S. 7 ff.; von Hippel, Gewaltenteilung im modernen Staate, S. 9 ff. Diese gewisse Einseitigkeit im Verständnis des Ertrags von Montesquieus Gewaltenteilungslehre entspricht der oben bei und in Anmerkung 12 angesprochenen Einseitigkeit i m Verständnis von Montesquieus Denken überhaupt. 16 Vgl. (Anm. 14) S. 164 (11. Buch, 6. Kap.): „Lorsque dans la même personne ou dans le même corps de magistrature, la puissance législative est réunie à la puissance exécutrice, il n'y a point de liberté . . . I l n'y a point encore de liberté si la puissance de juger n'est pas séparée de la puissance législative et de l'exécutrice . . . Tout serait perdu si le même homme, ou le même corps des principaux, ou des nobles, ou du peuple, exerçaient ces trois pouvoirs: celui de faire des lois, celui d'exécuter les résolutions publiques, et celui de juger les crimes ou les différends des particuliers."

2 s chi ink

1 Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

18

politique", die nicht darin besteht, „à faire ce que Ton veut", sondern darin, „à pouvoir faire ce que Ton doit vouloir". „ L a liberté est le droit de faire tout ce que les lois p e r m e t t e n t . . , " 1 7 . Selbst m i t seinem Begriff der Freiheit verweist Montesquieu auf die konkrete politische und rechtliche Ordnimg. Die Gewaltenteilung ist somit nicht ein starres Prinzip, nach dem die Gewalten m i t vorgegebenen Gewichten i n einem vorgegebenen Verhältnis zueinander zu stehen hätten. Sie wurde von Montesquieu als ein „schöpferisches P r i n z i p " 1 8 entwickelt, nach dem die Staatsfunktionen so auseinanderzulegen und aufeinander zu beziehen sind, daß unter gegebenen sozialen und politischen Bedingungen bestimmte Ziele erreicht werden. Schon die verfassungsgeschichtliche Entwicklung des 19. Jahrhunderts hat das Prinzip denn auch schöpferisch weiterentwickelt und umgebildet. Den dreifachen Ertrag Montesquieus hat sie dabei, m i t wie vielen Abweichungen und Folgeproblemen auch immer, durchaus eingelöst. Die Ausbildung des gewaltenteiligen Konstitutionalismus 1 9 ist nicht nur durch eine Zunahme organisatorischer Rationalität und individueller Freiheit, sondern auch dadurch gekennzeichnet, daß es gelang, tiefe Legitimitätswidersprüche, soziale Dishomogenitäten und politische Konflikte wo nicht zu integrieren, da doch auszuhalten. 1.2.2 So ist es kein Bruch m i t dem Grundsatz der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung, wenn eine Gewaltenteilung in der Verwaltung gefordert wird, die eine arbeitsteilige, funktionsgerechte und verantwortungsklare Organisationsstruktur gewährleistet, individuelle Freiheit sichert und Chancen der Integration der sozialen und politischen Kräfte eröffnet. A u f genau diesen Ertrag zielt wie schon die klassische auch die moderne Gewaltenteilungskonzeption. Daß sie auf einen freiheitssichernden Ertrag zielt, haben die Zitate von Forsthoff und Peters schon angezeigt. Peters fordert die „Aufteilung der Staatsgewalt innerhalb des Verwaltungsbereichs . . . als Schutzmittel für die Freiheit und Sicherheit des Bürgers", Forsthoff die „Gewaltentrennung innerhalb der Verwaltung" zur Vermeidung eines 17

Ebd. S. 162 (11. Buch, 3. Kap.). Drath (Anm. 8), S. 100. 19 Die Qualifizierung des Konstitutionalismus als gewaltenteilig hat ihre Berechtigung, obwohl seine vormärzlichen Theoretiker dem in Art. 57 der Wiener Schlußakte formulierten monarchischen Prinzip dadurch ihren Tribut gezollt haben, daß sie häufig nicht von einer Teilung der Staatsgewalt, sondern nur von einer Teilhabe an der Ausübung der Staatsgewalt gesprochen haben. Vgl. dazu Boldt, Deutsche Staatslehre im Vormärz, S. 91 ff. und unten Abschnitt 3.2.1. 18

1.2 Verfassungstheoretische Begründung

19

unter den Bedingungen der daseinsgestaltenden und -vorsorgenden Verwaltung möglichen „Zustand(s) der Knechtschaft . . . , gegen den die Aufhebung der als verfassungsrechtliches Prinzip verstandenen Gewaltenteilung ein Kinderspiel ist". I n der Fortsetzung des Zitats werden die Gefahren für die individuelle Freiheit anschaulich: „Da die Verwaltung über die Daseinsvorsorge die vitalen Lebensbedingungen des Einzelnen kontrolliert, wäre die Zulassung eines Junctim zwischen an sich nicht zusammengehörigen Verwaltungsfunktionen und Verhaltensweisen notwendig die Legalisierung eines Knebelungssystems ohne geschichtliches Beispiel: wer das oder jenes nicht t u t oder unterläßt, erhält keine Arbeit, kein Wasser und Gas, keine Elektrizität, hat kein Recht auf Inanspruchnahme des Wohnungsamts, erhält keine Lebensmittelkarten usw. 2 0 ." I n demselben Sinn stehen auch die Bemühungen um den Datenschutz und dabei besonders u m eine Begrenzung des Verbunds computerisierter Informationssysteme unter der Frage: „Schafft die Datenverarbeitung den modernen Leviathan? 2 1 ." Sie versuchen, dem Rechnung zu tragen, „daß vom Staat als organisierter Großbürokratie Anwendung physischer Macht durch Ausnutzung von Informationsvorsprüngen funktionell weitgehend ersetzt werden kann, daß die Bedingungen für Konsens als Weise der Legitimation der konsensgetragenen Machtausübung ebenfalls durch die Ausnützung von Informationsvorsprüngen manipuliert werden können und daß schließlich die gesamte Problematik formeller und informeller Entscheidungsstrukturen aus der verfassungstheoretischen Formulierung etwa des Gewaltenteilungsmodells i n ein informationstheoretisches Modell übersetzt werden k a n n " 2 2 . Daß die Gewaltenteilung i n der Verwaltung auch den integrativen Ertrag aktualisiert, erscheint zunächst vielleicht unmöglich. Machtfaktoren, wie sie i n Montesquieus K a l k ü l als Träger der Staatsgewalten auftreten, fehlen heute, und ohnehin ist die Zuweisung von staatlichen Funktionen an bestimmte politische und soziale Mächte m i t einem demokratischen Staat ebenso unvereinbar, wie dieser ohne grundlegende soziale und politische Homogenität unvorstellbar ist. Die Integration w i r d i n der deutschen Staatstheorie seit der Weimarer Demokratie denn auch nicht i n der Einbindung der sozialen und politischen Kräfte i n verschiedene Staatsfunktionen, sondern vorzugsweise i n ihrer Orientierung an gemeinsamen Wertvorstellungen und Kulturgütern gesucht. Zwar hält sich daneben die Überzeugung von der Notwendigkeit eines Zusammenhangs zwischen staatlicher Funktion und politischer und 20

Forsthoff (Anm. 1). So der Titel des Aufsatzes von von BergIHarboth/Jarass/Lutterbeck (Anm. 2). 22 Podlech, D V R 5 (1976), S. 25. 21

2*

1 Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

20

sozialer Basis. Daß der Bereich der Politik eine bestimmte soziale Basis habe und der Bereich der Bürokratie eine andere, konnte zum Argument für eine Neukonzeption der Gewaltenteilung werden, die unter dem Grundgesetz die Trennlinie nicht mehr zwischen Gesetzgebung und Verwaltung, sondern zwischen Politik und Bürokratie zieht 2 3 . Auch konnte, w e i l die politisch bestimmenden Kräfte der Parteien, der Gewerkschaften, der Verbände und der Kirchen bestimmten staatlichen Funktionen nicht zugeordnet sind, die Gewaltenteilung zwischen diesen zur Kulisse erklärt und dahinter das „paritätische Balancesystem der politischen Gruppenmächte" beobachtet werden 2 4 . Aber die Überlegungen zur sozialen Fundierung der Gewaltenteilung zwischen Politik und Bürokratie w i r k e n eher bemüht und die zum Balancesystem der Gruppenmächte insofern wenig ergiebig, als der demaskierende Befund ohne weiterführenden Ertrag bleibt. Erst recht ist die Bemerkung, daß die Gewaltenteilung an einen „politisch ausmünzbaren Interessenpluralismus" gebunden sei und die „Verbindung der (politisch-sozialen) Kräfte zur gemeinsam getragenen politischen Entscheidung" herbeiführen solle 2 5 , zwar irgendwie einleuchtend, aber einigermaßen unbestimmt. Derartige Aktualisierungen des Zusammenhangs zwischen staatlicher Funktion und sozialer und politischer Basis und damit des integrativen Ertrags der Gewaltenteilung setzen zu hoch an. Den großen Staatsfunktionen der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung, der Politik und Bürokratie, der Exekutive und Gubernative und was der Verfeinerungen und Umstellungen der Gewaltentrias mehr sind, lassen sich die pluralen sozialen und politischen Kräfte und Interessen nicht zuordnen. Dies wäre nicht nur m i t dem demokratischen Prinzip unverträglich, sondern ist auch i n der heutigen Realität schlicht undurchführbar. Denn weder lassen sich die drei oder mehr sozialen Kräfte ausmachen, die als Träger der drei oder mehr Gewalten auftreten könnten, noch können die politischen Interessen sinnvoll dahin unterschieden werden, daß sich einige auf Gesetzgebung, andere auf Verwaltung, weitere auf Rechtsprechung usw. richten. Zuordnen lassen sich die Kräfte und Interessen jedoch aufgegliederten und verselbständigten Verwaltungseinheiten. Tatsächlich sind sie ihnen auch zugeordnet, nicht oder nur selten geradezu als Träger — das ist wiederum m i t dem demokratischen Staat schwer vereinbar und droht, zu einem Modell institutionalisierter 23

Jarass (Anm. 15), S. 61 ff., 141 ff. Weber (Anm. 15), S. 268. Schärfer als in diesem Festschriftbeitrag sind die Bemerkungen zum Kulissenhaften der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung bei Weber, Spannungen und Kräfte i m westdeutschen Verfassungssystem, S. 24 ff. 25 Lange (Anm. 10), S. 229 f. 24

1.2 Verfassungstheoretische Begründung

21

Privilegien zu mißraten —, aber jedenfalls als Partner. „Denn die organisationsinterne Differenzierung ist i n den Strukturen der Umwelt verankert, deren Machtverhältnisse sie vermittelnd und verzerrend widerspiegelt und deren jeweils herauskristallisierte Interessen- und Solidaritätsgruppen sie i m Staatsapparat v e r t r i t t 2 6 . " Finden die sozialen und politischen Kräfte und Interessen i n der Verwaltung kein Gegenüber, an das sie ihre Belange herantragen und bei dem sie sie einbringen können, finden, allgemeiner gesprochen, gesellschaftliche Themen kein administratives Partnersystem 27 , dann hat dies Folgeprobleme. „Soweit Partizipations- und Mobilisierungsprozesse einen kompetenten Adressaten i m Entscheidungssystem selbst brauchen, um wirksam zu werden, müssen sie durch eine Entscheidungsstruktur frustriert werden, i n der kein einzelnes Subsystem für den die Politisierung auslösenden Problemzusammenhang i m ganzen verantwortlich ist 2 8 ." Dabei bezeichnet der Begriff der Frustration nur den Einstieg i n die Folgeprobleme einer „Diskrepanz zwischen gesellschaftlichen Problemzusammenhängen und der Differenzierung des Entscheidungssystems" 29 . Können Konflikte nicht mehr m i t dem ausdifferenzierten Partnersystem ausgetragen und an i h m abgeschliffen werden, dann schlagen sie tendenziell auf das ganze politisch-administrative System durch und verursachen Konsens- und Legitimitätsverlust 3 0 . Juristisch werden die gesellschaftliche Einwirkung auf die Verwaltung und die partizipatorische M i t w i r k u n g an deren Entscheidungen bei der mittelbaren Staatsverwaltung, aber auch bei der unmittelbaren unter dem Stichwort der Demokratie und als Fragen des Verwaltungsverfahrens thematisiert 3 1 . Damit werden wichtige Fragen durchaus angesprochen. Aber ihnen vorgelagert sind die soziologischen und politologischen Einsichten zur internen Differenzierung der Verwaltung und zur Notwendigkeit einer wie auch immer gearteten, formellen oder informellen Partnerrelation zwischen administrativen Teilsystemen und gesellschaftlichen Problemzusammenhängen. Auch sie bedürfen der juristischen Thematisierung. Das Stichwort für diese Fragen der Verwaltungsorganisation ist die Gewaltenteilung i n der Verwaltung; sie zielt auf eine Verwaltungs28

Friedberg, ÖZP 2 (1973), S. 157, und dazu Brinckmann (Anm. 2), S. 243. Der Partnerbegriff zur Beschreibung dieses Verhältnisses zwischen der Verwaltung und ihrer Umwelt ist von Luhmann, KZSS 20 (1968), S. 717 ff. übernommen. 28 Scharpf, Komplexität als Schranke der politischen Planung, S. 170. 29 Ebd. 90 Vgl. hierzu, in Auseinandersetzung mit Luhmann und Scharpf, Habermas, Legitimationsprobleme i m Spätkapitalismus, S. 178 ff. 81 Vgl. Schmidt, JZ 1978, S. 293 ff.; ders., V V D S t R L 33 (1975), S. 210 ff.; Schuppert, AöR 102 (1977), S. 369 ff.; Bartlsperger y W D S t R L 33 (1975), S. 238 ff., 250 ff.; Schmitt Glaeser, V V D S t R L 31 (1973), S. 209 ff. 27

22

1 Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

organisation, die m i t der Gliederung i h r e r Einheiten überhaupt erst e i n m a l d i e V o r a u s s e t z u n g d a f ü r b i e t e t , daß die K r ä f t e u n d I n t e r e s s e n i h r e n P a r t n e r f i n d e n , m i t d e m d e r K o n t a k t d a n n a u f d i e verschiedens t e n f o r m e l l e n u n d auch i n f o r m e l l e n W e i s e n s t a t t f i n d e n k a n n 3 2 . F o l g e entsprechender D e f i z i t e u n d D i s k r e p a n z e n w u r d e

die

Als

Gefahr

eines V e r l u s t s v o n Konsens u n d L e g i t i m i t ä t angesprochen; u m g e k e h r t ist d e r E r t r a g e i n e r g e w a l t e n t e i l i g e n V e r w a l t u n g , daß d i e K r ä f t e u n d Interessen i m S t a a t die M ö g l i c h k e i t finden,

„ d ' a l l e r de c o n c e r t " .

M i t d e m integrativen E r t r a g der Gewaltenteilung i n der V e r w a l t u n g v e r b i n d e t sich das Moment arbeitsteiliger Effizienz 33. D i e v o r h a n d e n e n K o n f l i k t e i n einer gewaltenteiligen V e r w a l t u n g abzuarbeiten, reduziert den A u f w a n d u n d erhöht die E f f e k t i v i t ä t der Aufgabenerfüllung. „ D a aber d e r S t a a t u n t e r d e m D r u c k w i d e r s p r ü c h l i c h e r F o r d e r u n g e n steht, besteht n u r d i e A l t e r n a t i v e , diese e n t w e d e r d e z e n t r a l i s i e r t durchaus i n i h r e r W i d e r s p r ü c h l i c h k e i t z u b e f r i e d i g e n oder zunächst d i e W i d e r sprüche i n t e r n z u b e r e i n i g e n , u m m i t e i n e m a b g e s t i m m t e n G e s a m t k o n zept d e n F o r d e r u n g e n z u genügen. D i e E i n i g u n g a u f e i n e i n h e i t l i c h e s Z i e l s y s t e m u n d a u f k o n s i s t e n t e M i t t e l , die V e r a r b e i t u n g der K o n f l i k t e , die b e i der E r s t e l l u n g eines d e r a r t i g e n Gesamtkonzeptes n o t w e n d i g e r -

82 Das Spektrum möglicher Zuordnungen zwischen der Verwaltung bzw. deren organisatorischen Einheiten und der Gesellschaft bzw. deren politischen Kräften und Interessen ist groß. Es reicht von der Institutionalisierung einer Trägerschaft bei der Selbstverwaltung über die Einräumung von M i t entscheidungs-, Mitberatungs- und Anhörungsrechten bis zu informellen Kontakten und Protesten. Unter demokratietheoretischem Aspekt läßt sich fordern, daß die partnerschaftliche Zuordnung um so lockerer institutionalisiert sein sollte, je partikularer die zugeordneten Kräfte und Interessen sind, und um so fester, je allgemeiner oder einfach diffuser sie sind. Die partikularen Interessen und die Single-issue-Gruppen brauchen in der Verwaltung zwar ihren Adressaten, ihren Kommunikations- und Konfliktpartner; werden sie ihm aber als Träger zugeordnet, dann erzeugt dies, mag das Zuordnungsverfahren noch so demokratisch aussehen, das Privileg. Kein Privileg erzeugt dagegen die demokratische Trägerschaft der Gemeindebürger, der Kreisbürger oder sonst nach ausschließlich gebietlichen Kriterien. Natürlich zeigt das demokratietheoretische Postulat die Probleme mehr an als daß es sie lösen würde; einerseits kennt die mittelbare Staatsverwaltung Trägerschaften, die zwar partikular, aber unproblematisch sind, weil die Körperschaften nahezu machtlos sind, und andererseits gibt es informelle Zuordnungen, unter denen Privilegien wachsen, weil die Verwaltung in ausgesprochen starker Abhängigkeit von bestimmten gesellschaftlichen Kräften und deren politischen Interessen steht. Beispiele bieten einerseits die Berufskammern, andererseits Erscheinungen aus dem Landwirtschafts- und dem Gesundheitswesen. 33 Für das Verhältnis zwischen Integration und Effizienz gilt grundsätzlich dasselbe wie für das Verhältnis zwischen Demokratie und Effizienz: Z w i schen den jeweils in das Verhältnis gesetzten Größen besteht weder prinzipiell Harmonie noch prinzipiell Konfrontation; die Größen bezeichnen vielmehr verschiedene Sachverhalte, die zusammentreffen können, aber nicht zusammentreffen müssen; vgl. Fach, ARSP 64 (1978), S. 35 ff.

1.3 Rechtsinstitute

23

weise ausgetragen werden müssen, stellt hohe, wahrscheinlich zu hohe Anforderungen . . . Planungs- und Informationsverbund, der ansetzt, die Vervielfältigung aufzuheben, um Effizienz zu steigern, gefährdet damit die Erfüllung der zentralen Aufgaben einer Verfassungsordnimg 3 4 ." Gewiß ist es eine Frage des Ausmaßes, wann Differenzierung und Entdifferenzierung, Zentralisation und Dezentralisation, Konzentration und Dekonzentration die Erfüllung der staatlichen Aufgaben erleichtern und wann sie sie erschweren. Aber ebenso ist es eine Frage des Ausmaßes, wie die Bereiche der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung zu bestimmen, wo die Grenzen zwischen ihnen zu ziehen und welche Grenzüberschreitungen für den Regelfall zu institutionalisieren oder doch i n einer Ausnahmesituation zu gestatten sind. Die bisherigen Überlegungen haben wie die klassische Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung auch die moderne Gewaltenteilung i n der Verwaltung nicht unter die Frage des Ausmaßes, sondern nur unter die der grundsätzlichen verfassungstheoretischen Bedeutung gestellt. Sie können dahin zusammengefaßt werden, daß die Forderung einer Gewaltenteilung i n der Verwaltung den verfassungstheoretischen Anspruch, ein Vermächtnis der klassischen Gewaltenteilung erfüllen zu können, zu Recht erhebt. Uber die Ausgestaltung i m einzelnen und über die positivrechtliche Verankerung ist damit noch nichts ausgesagt. Was für die Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung gilt, gilt erst recht für die Gewaltenteilung i n der Verwaltung: Sie kann nicht aus verfassungstheoretischen Prämissen deduziert, sondern muß an der positiven Verfassungs· und Rechtsordnung ausgewiesen werden 3 5 .

1.3 Rechtsinstitute einer Gewaltenteilung in der Verwaltung 1.3.1 Die Liste der Rechtsinstitute, die unter dem Stichwort der Gewaltenteilung i n der Verwaltung, der administrativen Binnendifferenzierung oder der administrativen Pluralität und die auch i m Zusammenhang anderer, u m eine zeitgerechte Weiterentwicklung der klassischen Gewaltenteilung bemühten Konzeptionen genannt werden, ist lang. Schon Tradition ist es, von der Unterscheidung der Verwaltungsebenen des Bundes, der Länder und der Gemeinden als von einer vertikalen 34

Brinckmann (Anm. 2), S. 245. Vgl. auch die Feststellung von Narr, Leviathan 2 (1974), S. 169, daß die Ausbildung der „pluralistischen Parzellierung der Bürokratie . . . zur funktionalen Wirksamkeit erforderlich ist". 35 Zu den verfassungstheoretischen und -historischen Vorstellungen des Verständnisses der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung unter dem Grundgesetz zuletzt Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, S. 19 ff.

24

1 Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

n e b e n der h o r i z o n t a l e n G e w a l t e n t e i l u n g z u s p r e c h e n 3 6 . Das P r i n z i p des F ö d e r a l i s m u s w u r d e sogar als der „ e r s t e u n d w i c h t i g s t e F a k t o r h e u t i g e r Gewaltenteilung" bezeichnet37. W i e i n der Selbstverwaltung d e r m e i n d e n w e r d e n auch i n d e r S e l b s t v e r w a l t u n g a n d e r e r schlüsse

und

Veranstaltungen

gesehen, u n d g e l e g e n t l i c h w u r d e

gewaltenteilige

Ge-

Zusammen-

Rechtseinrichtungen

als G r u n d l a g e e i n e r

entsprechend

e r w e i t e r t e n v e r t i k a l e n G e w a l t e n t e i l u n g das „ P r i n z i p d e r S u b s i d i a r i t ä t " b e m ü h t , n a c h d e m die S t a a t s g e w a l t d e r a r t a u f z u t e i l e n sein soll, daß i n e i n e r v o n d e r F a m i l i e „ ü b e r Berufsstände, K u l t u r - u n d S o z i a l l e i s t u n g s träger u n d Gebietskörperschaften z u m Staat aufsteigenden

Gewalten-

h i e r a r c h i e d i e j e w e i l s h ö h e r e n u r das a n A u f g a b e n u n d B e f u g n i s s e n e r h ä l t , w a s die u n t e r e n tatsächlich ü b e r f o r d e r n w ü r d e 3 8 . A b e r a u c h ohne die F u n d i e r u n g i n e i n e m S u b s i d i a r i t ä t s p r i n z i p w e r d e n i n d e n j u r i s t i schen Personen des ö f f e n t l i c h e n Rechts, d i e ü b e r S e l b s t v e r w a l t u n g v e r f ü g e n o d e r sonst u n a b h ä n g i g sind, insbesondere i n d e n wissenschaftl i c h e n Hochschulen, d e n sozialen L e i s t u n g s t r ä g e r n , d e n K a m m e r n u n d Innungen, den Rundfunkanstalten u n d der Bundesbank gewaltenteilige Elemente i n der V e r w a l t u n g e r b l i c k t 3 9 . Die Bundesbank u n d der B u n 36 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 2. Band, S. 547 ff., 553; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 94; dersDer unitarische Bundesstaat, S. 27 ff.; Leisner (Anm. 7), S. 275; Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, S. 112 f. (mit der zusätzlichen Begriffsprägung einer aus Elementen der horizontalen und der vertikalen Teilung und Verflechtung zusammengesetzten diagonalen Funktionenteilung und -Verflechtung); Steff ani (Anm. 15), S. 274 ff.; Kägi (Anm. 4), S. 169; Schneider (Anm. 15), S. 2 und schon Nawiasky, Der Bundesstaat als Rechtsbegriff, S. 67. — Ohne Verwendung des Begriffs der vertikalen Gewaltenteilung, aber mit der Feststellung, daß dem „Zweck des Gewaltenteilungsgedankens . . . auch jeder anderweitige Pluralismus von Entscheidungszentren wie etwa der Föderalismus und die kommunale Selbstverwaltung (dient)", Schnapp, von Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, 1. Band, Art. 20 Randnr. 33; ähnlich in der Betonung der „gewal ten teilenden Effekte des Föderalismus und des Selbstverwaltungsprinzips" Weber (Anm. 17), S. 268. Den Begriff der vertikalen Gewaltenteilung ebenfalls nicht verwendend, aber die Sache kennzeichnend spricht auch das Bundesverfassungsgericht davon, daß die „Entscheidung zugunsten des föderalistischen Staatsaufbaus i m Interesse einer wirksamen Teilung der Gewalten" liegt (BVerfGE 12, 205—264 [229]). 87 Peters (Anm. 2), S. 24. se Programmatisch zum „Subsidiaritätsprinzip als Grundlage der vertikalen Gewaltenteilung" Süsterhenn, Festschrift Nawiasky, S. 141 ff. 39 Stern (Anm. 36), 2. Band, S. 551 ff. mit dem Verweis auf die im 1. Band, S. 297 ff. angeführten selbstverwalteten und unabhängigen Institutionen, darunter die wissenschaftlichen Hochschulen, die sozialen Versicherungsträger, die Kammern, die Rundfunkanstalten und die Bundesbank („abgeschwächte Form vertikaler Gewaltenteilung"); Peters (Anm. 2), S. 25 (Rechnungskontrollorgane), 26 (Kammern), 31 (Hochschulen). Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I, S. 71 sprechen von „dezentralisierender Gewalt-Teilung", bei der „gewisse Aufgaben in den Staat eingegliederten, aber rechtlich selbständigen Gliedern, Organen oder Gerichtsbarkeiten als deren eigene, weisungsfreie Angelegenheiten übertragen oder ihnen überlassen (werden) . . .

1.3 Rechtsinstitute

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desrechnungshof werden auch dann genannt, wenn die Weiterentwicklung der Gewaltenteilung neben den klassischen drei moderne vierte und fünfte Gewalten etablieren w i l l . Gelegentlich werden diese zusätzlichen Gewalten i m Bereich der Gesellschaft angesiedelt (ζ. B. die Presse) 40 , gelegentlich w i r d auch das Bundesverfassungsgericht als vierte Gewalt bezeichnet 41 , meistens werden die zusätzlichen Gewalten aus dem Bereich der Verwaltung gegriffen und w i r d von der besonderen Regierungsgewalt, Organisationsgewalt, Personalgewalt, Prüfungsgewalt, Integrationsgewalt und eben auch von den besonderen Gewalten der Bundesbank und des Bundesrechnungshofs gesprochen 42 . Damit zeigt sich schon, daß die Rechtsinstitute einer Gewaltenteilung i n der Verwaltung nicht nur da gesucht werden, wo juristische Personen des öffentlichen Rechts ausdifferenziert sind. Gesucht werden sie auch noch in der Unterscheidung der rechtsetzenden von der rechtsanwendenden Verwaltung (Rechts- und Verwaltungsverordnungsgewalt) 43 , der Z i v i l von der Militärgewalt 4 4 und dabei wieder der Wehrverwaltung von den Streitkräften 4 5 , i n der Gliederung der Verwaltung nach Ministerien 4 6 und i n der Einrichtung von beratenden Gremien, ironisch als „Gewaltenteilung zwischen machtlosem Wissen und unwissender Macht" beschrieben 4 7 . Auch Begrenzungen der Amtsdauer werden als Ausdruck einer „Gewaltenteilung i n der Zeit" begriffen 4 8 , die dann zwar vor allem i n den Parlamenten, beim Bundesrat, bei den Regierungen und beim Bundesverfassungsgericht zu beobachten ist, die aber doch auch i n der Dies ist in der parlamentarischen Demokratie die wirksamste Art der sog. Gewaltenteilung, weil in den dezentralisierten Gliedern alle Arten politischer Mächte zu beschränkter Geltung kommen können." I n demselben Sinn Tsatsos, Zur Geschichte und Kritik der Lehre von der Gewaltenteilung, S. 93: „Beide Tendenzen, die Dezentralisation und die Dekonzentration, liegen innerhalb der Grenzen der Exekutive; sie stellen eine Teilung dieser Gewalt d a r . . . " . Vgl. auch Luhmann, Grundrechte als Institution, der S. 119 die Autonomie der Bundesbank mit der Unabhängigkeit der Gerichte vergleicht. 40 Vorsichtige Andeutung etwa bei Küster (Anm. 15), S. 441. 41 Ebenfalls vorsichtige Kennzeichnung z.B. bei Böckstiegel, NJW 1970, S. 1714 ff. 42 Vgl. die Auflistungen bei Leisner, D Ö V 1969, S.406; Herzog, V V D S t R L 24 (1966), S. 193; Maunz/Dürig, Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 20 Randnr. 77 (1960); von Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 1. Band, Art. 20 Anm. V 5 b. 43 Leisner (Anm. 7), S. 268. 44 Kägi (Anm. 4), S. 169 f. 45 Hahnenfeld, B W V 1975, S. 19; Witte, DVB1 1964, S. 61 ff. 46 Eberle (Anm. 2), S. 116 f.; Brinckmann (Anm. 2), S. 244; Luhmann, Ö V D 1972, S. 47; Kägi (Anm. 4), S. 167; Peters (Anm. 2), S. 29. 47 Leisner (Anm. 7), S. 272. 48 Steff ani (Anm. 15), S. 272 ff.; Kägi (Anm. 4), S. 167 f.

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1 Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

Verwaltung und da besonders bei der kommunalen und politischen Selbstverwaltung vorkommt. Schließlich w i r d auch das Bestehen klarer und fester Zuständigkeitsabgrenzungen als Ausdruck des „ewig wahren Kern(s) von Montesquieus Lehre" bezeichnet 49 . Damit erschließen sich zahlreiche verwaltungsrechtliche Probleme und Institute als Probleme und Institute einer Gewaltenteilung i n der Verwaltung. Genannt seien die Fehlerhaftigkeit zwar sachlich richtiger, aber unter Verletzung von Zuständigkeiten zustandegekommener Verwaltungsakte, das Zusammenwirken mehrerer Behörden bei Verwaltungsakten und anderen Rechtshandlungen, das gegenwärtig eine besondere Aktualität i n der Frage der Konzentration oder Separation von Genehmigungen bei Großprojekten hat, die Unzulässigkeit von Koppelungen, d. h. zum einen der sachwidrigen Koppelung verschiedener Verwaltungszwecke und -mittel beim obrigkeitlichen Verwaltungshandeln und zum anderen der unangemessenen Koppelung von Verwaltungshandeln und Gegenleistung beim verwaltungsrechtlichen Vertrag, Umfang und Grenzen des Selbsteintritts und der Aufsicht der höheren Behörde, die Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern und die Inter- und Intraorgankonflikte m i t ihrem Problem der Qualität von Kompetenzen und Zuständigkeiten als subjektiver Rechte. Gilt es, das Verbindende und Allgemeine der aufgeführten Institute, gewissermaßen die juristische Struktur der Gewaltenteilung in der Verwaltung anzugeben, dann kann dies m i t den Worten geschehen, m i t denen auch die juristische Struktur der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung beschrieben wird. Besteht die Struktur dieser großen Gewaltenteilung darin, daß einerseits bestimmte Funktionen und andererseits bestimmte Organe unterschieden und daß bestimmte Funktionen bestimmten Organen zugeordnet werden 5 0 , dann erweist sich auch die Verwaltung als gewaltenteilig. Die Verwaltung ist ja der gegliederte Wirkungszusammenhang ihrer Organe, und diese sind die Subjekte der ihnen zugeordneten Zuständigkeiten. Näher spezifizierende Strukturbestimmungen, die darauf abstellen, daß die Unterscheidung und Zuordnung i n horizontaler Richtung stattfinden, echte Herrschaftsbereiche konstituieren, institutionelle Festigkeit aufweisen und rational und effizient sein müsse 51 , können wenn nicht an allen, so doch an zahlreichen der aufgelisteten Institute eingelöst werden. Auch die Kategorien der abstrakt-generellen und der konkret-individuellen Regelung, der Norm und der Maßnahme 5 2 oder 49

Peters (Anm. 2), S. 24 f. I n diesem Sinn hat Jarass (Anm. 15) die klassische Gewaltenteilungslehre prägnant rekonstruiert; vgl. die zusammenfassenden Eingangsbemerkungen S. 13 ff. 51 Vgl. auch dazu Jarass (Anm. 15), S. 93 ff. 50

1.3 Rechtsinstitute

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der Entscheidung oder Grundentscheidung, der Durchführung und der Kontrolle 5 3 bzw. die Unterschiede zwischen ihnen lassen sich innerhalb der Verwaltung aufzeigen. Gerade weil sie innerhalb der Verwaltung und auch innerhalb der Gesetzgebung und der Rechtsprechung Platz greifen, gelten sie zwischen diesen Gewalten ja nur noch verschwommen. Die Gesetzgebung ist nicht auf abstrakt-generelle Normierung beschränkt und die Rechtsprechung nicht auf Kognition und Kontrolle, und die „Mannigfaltigkeit, i n der sich die einzelnen Verrichtungen der Verwaltung ausfächern, spottet der einheitlichen Formel" 5 4 . Wenn aber angesichts dessen die große Gewaltenteilung resignierend nur noch als ein Problemfeld m i t den Topoi der Legitimation, Verantwortung, Effizienz und des Verfahrens, zusammengefaßt i m Stichwort der funktionsgerechten Organstruktur, angesehen w i r d 5 5 , dann ist auch dies wiederum eine Betrachtungsweise, die ebenso bei der kleinen Gewaltenteilung ihre Notwendigkeit und ihre Berechtigung hat. „ E i n verfassungsgerechtes Gewaltenteilungssystem erfordert, daß die Staatsfunktionen so verteilt sein müssen, daß Staatsaufgaben und Entscheidungen auch von solchen Organen erledigt und getroffen werden, die nach ihrer inneren Struktur, Besetzung, Arbeitsweise, dem zu beobachtenden Entscheidungsprozeß usw. für die betreffende Aufgabe legitimiert und gerüstet sind, effizient zu entscheiden 56 ." Entsprechendes läßt sich auch für die Verteilung der Verwaltungsfunktionen fordern. Es mag der Eindruck entstehen, als zeigten diese Darlegungen mehr die Defizite der Lehre von der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung denn die Fundamente einer Lehre von der Gewaltenteilung i n der Verwaltung auf. Tatsächlich sind beide Gewaltenteilungslehren, wenn sie rechtsbegrifflich von Funktionen, Organen und Kategorien handeln, gleich defizitär. Das positive Verfassungs« und Verwaltungsrecht ist reicher, als daß es sich i n derartigen Begriffs- und Strukturbestimmungen einfangen ließe. Gleichwohl eröffnen diese Fragestellungen, unter denen eine Gestaltung des positiven Verfassungs- oder Verwaltungsrechts als Phänomen der Gewalten52 Den wohl letzten Versuch, entsprechende grundlegende „Wesensverschiedenheit(en) der Akte des Herrschens" zu ermitteln und daraus das Problem der Gewaltenteilung zu lösen, hat Jahrreiß, Festschrift Nawiasky, S. 119 ff. unternommen. 53 Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 63 ff.; vgl. auch schon Loewenstein, Verfasungslehre, der S. 40 ff. „die politische Gestaltungs- oder Grundentscheidung (policy determination), die Aus- oder Durchführung der Grundentscheidung (policy execution) und die politische Kontrolle (policy control)" unterscheidet. 54 Forsthoff (Anm. 1), S. 1. 55 Ossenbühl (Anm. 15), S. 548 f. in Anknüpfung an Zimmer (Anm. 35). 56 Ossenbühl (Anm. 15), S. 549.

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1 Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

teilung, -trennung, -Überschneidung, -Überschreitung etc. problematisiert werden kann. Wie die Gestaltung rechtlich zu beurteilen und ob ζ. B. eine Gewaltenüberschneidung zulässig oder unzulässig ist, bleibt dabei zunächst noch offen. Darüber entscheidet erst der positivrechtliche Befund; nur i h m kann abgelesen werden, wie i n einer gegebenen Rechtsordnung die Teilung der Gewalten aussieht. Ein i m doppelten Wortsinn billiges Argument: Das Grundgesetz verwendet nicht den Begriff der Gewaltenteilung, es handelt nicht von der Gewaltenteilung, es richtet einfach ein konkretes Gefüge von Gewalten ein. Bei dessen rechtsdogmatischer Bearbeitung kann eine verfassungstheoretisch reflektierte und m i t kurzen Begriffen und Strukturen operierende Gewaltenteilungskonzeption nicht entscheidend, sondern nur (oder auch: aber immerhin) heuristisch fruchtbar werden. Auch dies gilt freilich für die Gewaltenteilung i n der Verwaltung ebenso wie für die zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Die Frage des positivrechtlichen Befunds ist auch und gerade eine Frage des positivrechtlichen Rangs. Die Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung hat ihren Ort schon auf Verfassungsebene 67 . Für die Gewaltenteilung i n der Verwaltung t r i f f t dies nur bedingt zu; eine ganze Reihe der auf gelisteten Rechtsinstitute ist gesetzlich geschaffen und daher auch gesetzlich abänderbar und aufhebbar. Einige erhalten ihre konkrete Ausformung sogar erst auf Verwaltungsebene. Grundgesetzlich gewährleistet ist zunächst die vertikale Gewaltenteilung (Art. 20, 28, 30), wobei allerdings bei den Ländern und mehr noch bei den Gemeinden die Gewährleistung weniger den konkreten räumlichen Gebilden und deren gegebener Gestaltungs- und Regelungsmacht als vielmehr dem Prinzip der regionalen Differenzierung gilt. Wie bei Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung nach gängigem Verständnis nur noch die Kernbereiche verfassungsrechtlich gesichert sind 5 8 , sucht daher die herrschende Meinung auch bei den Gemeinden nach einem „Kernbereich der Selbstverwaltung" 5 9 und bei den Ländern nach „Essentialia der Staatlichkeit" 6 0 . Ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleistet ist das Ressortprinzip (Art. 65) als Prinzip wiederum des Daß und nicht des Wie einer sachgebietlichen Differenzierung. Beim Bundesrechnungshof ist die Unabhängigkeit der M i t glieder (Art. 114), bei den sozialen Versicherungsträgern die Qualität als Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 87), bei der Bundesbank 57 Sie ist über Art. 20, 79 Abs. 3 GG in Grundsätzen sogar der Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen. 58 Vgl. mit ausgiebigen Nachweisen Stern (Anm. 36), 2. Band, S. 541 f. 59 Vgl. auch dazu mit zahlreichen Nachweisen Stern (Anm. 36), 1. Band, S. 309 ff. 60 Vgl. noch einmal mit umfangreichen Nachweisen Stern, ebd. S. 601 ff.

1.3 Rechtsinstitute

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die Existenz (Art. 88), bei der Bundeswehr die Trennung von Streitkräften und Wehrverwaltung (Art. 87a, 87b) und bei den wissenschaftlichen Hochschulen und den Rundfunkanstalten eine gewisse Staatsfreiheit durch die Grundrechte (Art. 5) verfassungsrechtlich gesichert. 1.3.2 Aber all dies sind nur Einzelpunkte. Der freiheitliche und der integrative Ertrag der Gewaltenteilung i n der Verwaltung sowie ihre arbeitsteilige Effizienz zeigen und bewähren sich vor allem i n den kompetenz- und zuständigkeitsmäßigen Differenzierungen, die auf Gesetzesebene oder gar erst auf Verwaltungsebene realisiert sind. Hierauf bezog sich Forsthoff m i t seiner Forderung, daß die verschiedenen Verwaltungszwecke getrennt voneinander verfolgt werden und daß eine Verwaltungseinheit die i h r zu Gebot stehenden M i t t e l nur zur Durchsetzung des gerade ihr aufgegebenen Zwecks einsetzt. Hierauf bezieht sich auch die Datenschutzdiskussion, wenn sie um der Freiheit w i l l e n verlangt, daß eine Verwaltungseinheit nur zu den Informationen über einen Bürger Zugang hat, die für die Verfolgung des gerade ihr aufgegebenen Zwecks tatsächlich unerläßlich sind. Hierauf ist schließlich auch der integrative Ertrag einer Gewaltenteilung i n der Verwaltung angewiesen; örtliche und sachliche Zuständigkeitsgrenzen können Partnerbeziehungen zwischen administrativen und gesellschaftlichen Teilsystemen sowohl erleichtern als auch erschweren. Das oben angesprochene Frustrations- und Konfliktpotential steigt, wenn die Bürgerinitiative sich m i t ihrem Anliegen i m Gehege örtlicher und sachlicher Zuständigkeiten verirrt und das rechte Gegenüber nicht findet. Aus dem Rechtsstaatsprinzip mag ein Gebot klarer und fester Kompetenz- und Zuständigkeitsabgrenzungen hergeleitet werden. Zur Lösung der angesprochenen Probleme reicht dies jedoch nicht aus. Denn unter dem Freiheits- und auch unter dem Integrationsaspekt geht es ja nicht nur darum, daß die Kompetenz- und Zuständigkeitsabgrenzungen bestehen, sondern wie sie gezogen werden. Wenn Forsthoff das „Junctim zwischen an sich nicht zusammengehörigen Verwaltungsfunktionen und Verhaltensweisen" ausschließen w i l l , dann w i l l er auch das durch klare und feste Kompetenz- und Zuständigkeitsabgrenzungen gedeckte Junct i m ausschließen. Wenn die Datenschutzbemühungen verhindern wollen, daß der Bürger durchleuchtet und der Verwaltung m i t dem Gesamt seiner Persönlichkeit ausgesetzt wird, dann geht es i h r ebenfalls nicht um die Klarheit und Festigkeit der Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen, sondern darum, daß diese die Informationserhebung, -Verarbeitung und den Informationsaustausch, die zur Durchleuchtung der Persönlichkeit führen können, nicht zulassen. Ebenso verlangt die Möglichkeit von Partnerbeziehungen zwischen gesellschaftlichen und admi-

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1 Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

nistrativen Teilsystemen weniger deren klare und feste Institutionalisierung als vielmehr die Institutionalisierung nach Gesichtspunkten der örtlichen und sachlichen Nähe. Soll sie ihren verfassungstheoretischen Anspruch einlösen, dann muß eine Lehre von der Gewaltenteilung i n der Verwaltung inhaltliche Kriterien dafür entwickeln, welche Zwecke eine Behörde verfolgt, welche M i t t e l sie dafür einsetzt, wie eng miteinander verzahnt und wie strikt voneinander getrennt die Behörden bei ihrer Zweckverfolgung m i t ihrem Mitteleinsatz sein dürfen bzw. müssen. Die inhaltlichen Kriterien können nur aus den inhaltlichen Bestimmungen des Grundgesetzes über das Verhältnis zwischen Staat und Bürger entwickelt werden. Entsprechend w i r d denn auch die Koppelungs- und die Datenschutzproblematik als Grundrechtsproblematik erörtert 6 1 . Was den Integrationsaspekt der Gewaltenteilung i n der Verwaltung angeht, werden inhaltliche Kriterien i m Demokratie- und i m Sozialstaatpsrinzip gesucht: „Entwicklung des demokratischen Sozialstaats heißt also . . . Entwicklung zahlreicher, die einzelnen Interessen und Bedürfnisse jeweils spezifisch berücksichtigender Systeme, die nach außen gerichtet s i n d . . . und damit i m politischen wie i m gesellschaftlichen Bereich den Problemerkennungs- und Problemlösungsprozeß ohne systematische Verzerrung organisieren 62 ." Gegenüber dieser These gilt die Skepsis, daß weder das Demokratie- noch das Sozialstaatsprinzip die Umrisse, die Zweckausrichtung und die Mittelausstattung solcher administrativer Teilsysteme m i t hinlänglicher Deutlichkeit zu bestimmen gestatten. Die Skepsis rechtfertigt eine Strategie, die sich bei der Suche nach inhaltlichen Kriterien jedenfalls zunächst einmal auf die Grundrechte beschränkt. Dafür müssen diese nicht irgendwie als Integrationsrechte begriffen werden; die zumindest strategische Vermutimg ist vielmehr einfach, daß Verwaltungseinheiten, zwischen denen die Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen so gezogen sind, daß grundrechtlich inakzeptable Koppelungen von Zwecken, M i t t e l n und Informationen ausgeschlossen und außerdem die regionalen Differenzierungen der vertikalen Gewaltenteilung gewahrt sind, auch den gesellschaftlichen Kräften und Interessen die hinreichende Möglichkeit von Partnerbeziehungen bieten. Ob die Vermutung tatsächlich zutrifft und ob, wenn 81 Vgl. zur Datenschutzproblematik unten die Abschnitte 7 und 8.4; zur Koppelungsproblematik Wolff /Bachof (Anm. 39), S. 313 f., 347; Forsthoff, 10. Aufl., S. 99 f., 293 f., 505; Menger, VerwArch 64 (1973), S. 203 ff.; Rupp, NJW 1968, S. 571; Dombrowski, Mißbrauch der Verwaltungsmacht; Willigmann, DVB1 1960, S. 753 ff. — Wird die Koppelungsproblematik beim Gesetzesvorbehalt erörtert und dieser von den Grundrechten abgehoben (vgl. dazu unten Abschnitt 5.3.2), dann allerdings läßt sich die Grundrechtsproblematik ein gutes Stück weit ausblenden. 62 Brinckmann (Anm. 2), S. 248.

1.4 Amtshilfe als Institut der Gewaltenteilung in der Verwaltung

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sie nicht zutrifft, Integrationsmängel vielleicht doch über das Demokratie» und das Sozialstaatsprinzip verfassungsrechtlich oder aber nur politisch, rechtspolitisch und gesetzgeberisch zu steuern ist, bleibt dahingestellt. Vom integrativen Ertrag der gewaltenteiligen Verwaltung w i r d i m folgenden nicht eigens gehandelt. M i t ihrer Forderung nach kompetenz- und zuständigkeitsmäßiger Differenzierung der Verwaltung sieht sich eine Lehre von der Gewaltenteilung i n der Verwaltung somit vor folgendem positivrechtlichen Befund. Ein aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitendes Gebot klarer und fester Kompetenz- und Zuständigkeitsabgrenzungen läßt noch kein inhaltliches K r i t e r i u m für die Abgrenzungen erkennen. Es sagt nicht, wie die Grenzen gezogen werden, und auch nicht, wer sie zieht. Beide Fragen suchen ihre Antworten vorrangig i n den Grundrechten. Inwieweit diese die Koppelung von Zwecken, M i t t e l n und Informationen selbst dem Gesetzgeber untersagen, inwieweit sie sie i h m gestatten, vorbehalten oder der Verwaltung überlassen, entscheidet wesentlich über die positivrechtliche Verankerung der Gewaltenteilung i n der Verwaltung. Ohne ein Eingehen auf die Inhalte der Grundrechte kann jedenfalls gesagt werden, daß die Gewaltenteilung i n der Verwaltung weithin durch den Gesetzgeber realisiert oder nicht realisiert vird. Darum ist sie nicht etwa nichts wert. Es zählt nicht nur die Gewaltenteilung i n der Verwaltung, die verfassungsrechtlich festgeschrieben ist. Bei einer i n vielfältigen Differenzierungen gewachsenen Verwaltung ist es von entscheidender Bedeutung, ob ein Trend zur Koppelung von Zwecken und Mitteln, zum Verbund von Planungen und Informationen sich über den Gesetzgeber durchsetzen muß oder ob er i n der Verwaltung durchschlagen kann. 1.4 Amtshilfe als Institut der Gewaltenteilung in der Verwaltung I n der Amtshilfe sind die zentralen Probleme der Gewaltenteilung i n der Verwaltung wie i n einem Brennpunkt gebündelt. Die Trennung zwischen Behörden sowohl voraussetzend als auch überwindend ist die Amtshilfe ein Ausdruck des Zugleich von Entflechtung und Verflechtung, von Indifferenz und Interdependenz, das m i t jeder Arbeits- und Gewaltenteilung einhergeht. Systemgrenzen sind keine Kommunikationsschranken; die Binnendifferenzierung eines A r beitsgangs oder eines Gewaltenkomplexes führt nicht zu einer Unterbindung, sondern zu einer Regulierung der Kommunikation und Kooperation zwischen den Teilsystemen. Wie Kommunikation und Kooperation der administrativen Teilsysteme reguliert und zu regulieren

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1 Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung

sind, wie entflochten und wie verflochten die Behörden des Bundes und der Länder sind bzw. zu sein haben, dies sind die Probleme der Amtshilfe. Dies sind auch genau die Probleme der Klarheit, Festigkeit und Inhalte der Kompetenz- und Zuständigkeitsabgrenzungen, die am Ende des letzten Abschnitts erörtert wurden. I n einer Bearbeitung des positivrechtlichen Instituts der Amtshilfe werden auch die positivrechtlichen Konturen der Gewaltenteilung i n der Verwaltung erarbeitet. Die Amtshilfe ist nicht nur ein Rechtsinstitut des Verwaltungsrechts, sondern auch ein Regelungsgegenstand des Verfassungsrechts. M i t Art. 35 GG w i r d das Zugleich von Entflechtung und Verflechtung auf Verfassungsebene angesprochen. Auch darin mag ein verfassungsrechtliches Argument für die Gewaltenteilung i n der Verwaltung erblickt werden: Nur w e i l die gewaltenteilige Entflechtung der Verwaltungseinheiten jedenfalls eine gewisse verfassungsrechtliche Festigkeit besitzt, bedarf auch ihre amtshilfemäßige Verflechtung verfassungsrechtlicher Regelung. Aber das Argument bedarf der Überprüfung, und die vorsichtige Ausdrucksweise, nach der das Zugleich von Entflechtung und Verflechtung auf Verfassungsebene lediglich angesprochen ist, behält alles Nähere der folgenden Untersuchung vor. Deren Methode hat sich i n den vorangegangenen Abschnitten schon angedeutet und an anderem O r t 6 3 schon ausgewiesen. Daß es eine Gewaltenteilung i n der Verwaltung gebe, w a r zunächst nur eine Hypothese. Wenn sie als die angemessene A n t w o r t auf bestimmte Probleme des daseinsgestaltenden und -vorsorgenden, des seine verschiedenen Informationen und Planungen integrierenden und koordinierenden Staats präsentiert und i n einen verfassungstheoretischen Traditionszusammenhang gestellt wurde, dann wurde damit zunächst nicht mehr dargetan als ihre verfassungstheoretische Plausibilität. Ihre Überprüfung und Bewährung kann nur am positiven Recht erfolgen. Dabei sind Überprüfungs- und Bewährungsinstanzen die Rechtsinstitute, die i m letzten Abschnitt aufgelistet und i n diesem um die Amtshilfe ergänzt wurden. Nur dadurch, daß sie alle unter der Fragestellung der Hypothese dogmatisch untersucht werden, kann die Lehre von der Gewaltenteilung i n der Verwaltung voll etabliert werden. Hier w i r d dazu nur ein Beitrag geleistet. Ein Beitrag allerdings, bei dem zentrale Probleme der gewaltenteiligen Verwaltung zur dogmatischen Bearbeitung stehen. Auch die Bearbeitung der Amtshilfe hat zwar ihre verfassungstheoretische Ebene, muß aber ihre Hypothesen wiederum am positiven Recht, am Grundgesetz und an den einfachgesetzlichen Amtshilferegelungen überprüfen und bewähren. A u f der verfassungstheoretischen Ebene 63

Schlink, Staat 19 (1980), S. 87 ff.

1.4 Amtshilfe als Institut der Gewaltenteilung in der V e r w a l t u n g 3 3

geht es zunächst darum, die überkommenen Vorverständnisse, die auch ihrerseits mehr verfassungstheoretischen als verfassungsrechtlichen Vorstellungen von einer Fundierung der Amtshilfe i n der Einheit der Staatsgewalt, i m Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis und i n der Organisationsgewalt abzuklären. Von verstellenden Vorverständnissen befreit kann dann der Zugriff auf das Grundgesetz erfolgen, können dessen verfassungsrechtliche Vorgaben für die einfachrechtliche Behandlung der Amtshilfe i n Gesetzgebung und Verwaltung ermittelt und die einfachgesetzlichen Amtshilferegelungen selbst untersucht werden. Damit ist der Gang der Arbeit vorgezeichnet. Vorab w i r d i m A b schnitt 2 die Entstehung von A r t . 35 Abs. 1 GG und werden dessen Vorläufer, die A r t . 7 Ziff. 3 WRV und A r t . 4 Ziff. 11 RV bzw. N B V untersucht. A r t . 35 Abs. 1 GG steht i n ihrer Tradition; worauf er zielt, erhellt daraus, worauf schon sie zielten. I m Blick auf das zu ihnen entwickelte und zu A r t . 35 Abs. 1 GG weitergetragene Verständnis der Amtshilfe i n Rechtsprechung und Rechtslehre treten als die eigentlichen Begründungen des Rechts und der Pflicht zur Amtshilfe die Einheit der Staatsgewalt, der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis und die Organisationsgewalt hervor, deren historischer Aufarbeitung und verfassungstheoretischer und -rechtlicher Überprüfung die anschließenden Abschnitte 3 bis 5 gelten. I m Anschluß an Abschnitt 6, der die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die einfachrechtliche Behandlung der Amtshilfe ermittelt, ordnet Abschnitt 7 die Informationshilfe der Amtshilfe als einen Sonderfall zu. I m Abschnitt 8 werden die verfassungsrechtlichen Vorgaben i n die dogmatische Bearbeitung der Amtshilferegelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des Datenschutzgesetzes umgesetzt; i n den Abschnitten 9 und 10 w i r d die Dogmatik der Amtshilfe an Amtshilfesituationen, -problemen und -regelungen aus den Bereichen der inneren Sicherheit und der sozialen Sicherung konkretisiert.

2 Die Dogmatik der Amtshilfe im Wandel der Verfaesungeordnungen „ A l l e Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe." Die Aussage des A r t . 35 Abs. 1 G G scheint deutlich: Jede Bundesbehörde und jede Landesbehörde w i r d angesprochen und für die Rechts- und die Amtshilfe sowohl i n die Rolle des Leistenden als auch i n die des Empfangenden gestellt. Dabei werden das allgemein zugesprochene Recht, Rechts- und Amtshilfe zu empfangen, und die ebenfalls allgemein zugewiesene Pflicht, sie zu leisten, an keinerlei Bedingungen geknüpft und keinerlei Beschränkungen unterworfen, weder von gesetzlichen Regelungen noch von sonstigen Voraussetzungen abhängig gemacht. Diese Unbedingtheit des normativen Gehalts scheint durch die indikativische Fassung des Textes noch bekräftigt. Lediglich der Behördenbegriff und der Rechtshilfe- sowie der Amtshilfebegriff scheinen einen Raum für Korrekturen der kategorischen Allgemeinheit des A r t . 35 Abs. 1 GG zu bieten. Freilich nur einen engen Raum; denn obwohl die Abgrenzung der Begriffe der Rechtshilfe und der Amtshilfe traditionell Schwierigkeiten bereitet, besteht doch traditionell daran kein Zweifel, daß die beiden Begriffe zusammen das gesamte Feld der Hilfeleistungen abdecken, m i t denen Behörden und Gerichte zwischen ihnen bestehende Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen überwinden 1 . Aber der Schein trügt. Die Entstehungs- und Vorgeschichte der grundgesetzlichen Regelung der Rechts- und Amtshilfe zeigt, daß Art. 35 Abs. 1 GG auf die Lösung eines ganz speziellen Problems zielt und i m übrigen die Frage der Bedingungen und Beschränkungen der Rechtsund Amtshilfe offenhält, d. h. einer Beantwortung nach Maßgabe der gesamten Verfassungsordnung überläßt. 2.1 Der Bundesstaatsbezug der verfassungsrechtlichen Amtshilfebestimmungen 2.1.1 Das Problem, dessen Lösung Art. 35 Abs. 1 GG und seine Vorläufer zum Gegenstand haben, t r i t t zwar i n den Beratungen des Parlamentarischen Rats nicht mehr zutage; i n ihnen wurde nur noch die Frage, ob das Zwangsvollstreckungs- und das Verwaltungszwangsver1 Zur Tradition der Bestimmung und Abgrenzung der Begriffe der Rechtshilfe und Amtshilfe siehe unten Abschnitt 2.2.1.

2.1 Bundesstaatsbezug verfassungsrechtl. Amtshilfebestimmungen

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fahren sowie die bundesweite Anerkennung landesbehördlicher Beurkundungen und Beglaubigungen eigens zu erwähnen seien, knapp geprüft und rasch verneint 2 . Es geht aber aus den Arbeiten des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee hervor. Dessen Zuständigkeitsausschuß kam auf die Hechts- und Amtshilfe zu sprechen, als er die Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes und der Länder entlang der Zuständigkeitskataloge zum einen der Weimarer Reichsverfassung und zum anderen eines bayerischen Vorschlags erörterte. Die Weimarer Reichsverfassung hatte die Amtshilfe zwischen den Behörden zusätzlich zum gerichtlichen Verfahren einschließlich des Strafvollzugs i n Art. 7 Ziff. 3 der Gesetzgebung des Reichs zugewiesen; der bayerische Vorschlag beschränkte i n seiner entsprechenden Bestimmung (Ziff. I I . 19) die Gesetzgebung des Bundes auf „Gerichtsverfassung und Gerichtsverfahren für die der Bundesgesetzgebung zustehenden Rechtsgebiete" und eröffnete dafür i n einer weiteren Bestimmung (Ziff. VI): „ A l l e Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Amtsund Rechtshilfe m i t Einschluß der Zwangsvollstreckung 3 ." Als i n den Beratungen über die Gesetzgebungskompetenzen eine der alten Reichskompetenz entsprechende Bundeskompetenz zur Rechts- und Amtshilfegesetzgebung i n Ziff. II. 19 vermißt wurde, konnte auf Ziff. V I verwiesen werden 4 . Ziff. V I sollte die zusätzliche Erwähnung der Amtshilfe i n der Nachfolgebestimmung des A r t . 7 Ziff. 3 WRV entbehrlich machen. I n dem Umfang, i n dem A r t . 7 Ziff. 3 WRV das Reich zur Gesetzgebung über Amts- und Rechtshilfe ermächtigt hatte, sollten Recht und Pflicht zur Amts- und Rechtshilfe unmittelbar begründet werden. Daß A r t . 7 Ziff. 3 W R V auf eine die Grenzen zwischen dem Reich und den Ländern sowie zwischen den Ländern überschreitende Rechts- und Amtshilfe zielte, w i r d sogleich der Blick auf die Entstehungsgeschichte der Weimarer Reichsverfassung zeigen. Daß auch Ziff. V I des bayerischen Vorschlags und die ohne Diskussion aus i h m hervorgegangenen A r t . 15 Abs. 1 der Vorlage des Zuständigkeitsausschusses0, A r t . 39 Abs. 1 des Entwurfs des Verfassungskonvents 6 und schließlich A r t . 35 Abs. 1 GG auf die rechts- und amtshilfemäßige Überwindung gerade der bundesstaatlich bedingten Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen zielten bzw. zielen, folgt überdies aus dem systematischen Ort, den die Erläuterung 2

Vgl. von Doemming/Füsslein/Matz, JöRNF 1 (1951), S. 330 f. Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, Sitzungsprotokolle Unterausschuß I I : Zuständigkeitsfragen auf dem Gebiet der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung, insbesondere der Finanzverwaltung, vervielfältigt, 1. Band (Bundesarchiv Ζ 12/28), S. 43 f. (Anlage zur Niederschrift über die 1. Sitzung am 13.8.1948). 4 Ebd. S. 31 f. (1. Sitzung am 13. 8.1948). 5 Ebd. 3. Band (Bundesarchiv Ζ 12/30), S. 56 f. (1. Sitzung am 19. 8.1948). 6 Verfassungsausschuß, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 66. 3

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2 Dogmatik der Amtshilfe im Wandel der Verfassungsordnungen

des A r t . 15 i n dem von Maunz gefertigten Bericht des Zuständigkeitsausschusses an das Plenum erhielt 7 . Unter der Überschrift „Die Staatsverträge" wurde die Amts- und Rechtshilfe zwischen den „Innerdeutschen Vereinbarungen" und den „Staatsverträgen m i t auswärtigen Staaten" behandelt. Das ist systematisch richtig, w e i l es u m die Überwindung eben der bundesstaatlich bedingten Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen ging, die ohne eine verfassungsunmittelbare Regelung nur durch innerdeutsche Vereinbarungen möglich gewesen wäre. I m darstellenden Teil des Berichts über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee kommen die Anknüpfung an die Weimarer Reichsverfassung, der Bezug zu den innerdeutschen Vereinbarungen und m i t beidem das Ziel der rechts- und amtshilfemäßigen Überwindung der bundesstaatlich bedingten Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen noch einmal deutlich zum Ausdruck: „ I n der Weimarer Reichsverfassung war die Amtshilfe zwischen Behörden als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 7 Ziff. 3) aufgeführt, und zwar i m Zusammenhang nur m i t dem gerichtlichen Verfahren. Es empfiehlt sich sowohl eine besondere Gesetzgebung wie auch innerdeutsche Vereinbarungen der Länder entbehrlich zu machen, und zwar durch Ausdehnung der Amtsund Rechtshilfe auf alle Gebiete und Behörden 8 ." Ebenso wie es i m Parlamentarischen Rat zu A r t . 35 Abs. 1 GG keine Diskussionen gab, gab es auch i n der Verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung keine Kontroversen u m A r t . 7 Ziff. 3 WRV. A r t . 7 Ziff. 3 WRV war vom Verfassungsausschuß als A r t . 8 Ziff. 3 entworfen und davor als A r t . 9 Ziff. 2 beraten worden. A r t . 9 Ziff. 2, vom Reichsminister des Innern der Nationalversammlung vorgelegt und von dieser an den Verfassungsausschuß weitergeleitet, hatte gelautet: „Das Reich hat die Gesetzgebung ü b e r . . . 2. . . . das gerichtliche Verfahren sowie die Beistandsleistungen von Gerichten u n d Verwaltungsbehörden 9 ." Demgegenüber lautete A r t . 8 Ziff. 3 textgleich m i t A r t . 7 Ziff. 3 WRV auf „das gerichtliche Verfahren einschließlich des Strafvollzugs sowie die Amtshilfe zwischen Behörden" 1 0 . Aber m i t der gegenüber A r t . 9 Ziff. 2 veränderten Fassung wollte der Verfassungsausschuß sachlich nichts ändern, sondern nur sprachlich anders ausdrücken 11 , was der 7 Vgl. (Anm. 5) S. 78 ff. (Anlage 2 zur Niederschrift über die 10. Sitzung am 19. 8.1948). 8 Vgl. (Anm. 6) S. 30. — Daß die Weimarer Reichsverfassung die Amtshilfe i m Zusammenhang nur mit dem gerichtlichen Verfahren geregelt habe, ist ein Irrtum; vgl. dazu unten Anm. 14. • Triepel, Quellensammlung, Nr. 14. 10 Ebd. Nr. 22. 11 Verfassunggebende deutsche Nationalversammlung, Aktenstück Nr. 391 (Bericht und Protokolle des Achten Ausschusses über den Entwurf einer Verfassung des Deutschen Reichs), S. 60 (7. Sitzung am 15. 3.1919) und S. 70 (8. Sitzung am 17.3.1919).

2.1 Bundesstaatsbezug verfassungsrechtl. Amtshilfebestimmungen

37

Reichsminister des Innern vorgelegt und was der Staatenausschuß davor schon angenommen hatte. Hier, i m Staatenausschuß, waren die Weichen i n Sachen Rechts- und Amtshilfe gestellt worden. Den Staatenvertretern hatte ein i m Reichsamt des Innern ausgearbeiteter Entwurf vorgelegen, der i n § 13 lautete: „Das bürgerliche Recht, das Straf recht und das gerichtliche Verfahren sowie die Beistandsleistung unter Behörden unterliegen der Gesetzgebung des Reichs 12 ." Über diesen § 13 gab es die einzige Auseinandersetzung zum Thema der Rechts- und Amtshilfe i n der Entstehungsgeschichte der Weimarer Reichsverfassung. VonPreger, Vertreter Bayerns, bemerkte: „Dem Wortlaut nach t r i f f t § 13 die Beistandsieistimg unter Behörden desselben Einzelstaats. Das ist doch nicht gemeint." Darauf antwortete Zweigert vom Reichsjustizamt: „Die Worte ,Die Beistandsleistung usw. 4 wollen nichts Neues bringen. Sie sollen dasselbe sagen wie die Worte »Requisitionen überhaupt 4 der jetzigen Verfassung. Was Gesandter von Preger sagt, ist selbstverständlich 13 ." Nach dieser Klarstellung, daß die Reichsgesetzgebungskompetenz i n Amts- und Rechtshilfeangelegenheiten auf das Verhältnis der Länder zueinander und zum Reich sowie auf dessen Verhältnis zu den Ländern ausgerichtet war, wurde § 13 angenommen. M i t der A n t w o r t von Zweigert verweist die Entstehungsgeschichte von A r t . 7 Ziff. 3 WRV auf A r t . 4 Ziff. 11 R V 1 4 , der sich gleichlautend schon i n der Verfassung des Norddeutschen Bundes findet: „Der Beaufsichtigung seitens des Reichs (Bundes) und der Gesetzgebung desselben unterliegen die nachstehenden Angelegenheiten... 11) Bestimmungen über die wechselseitige Vollstreckung von Civilsachen und Erledigung von Requisitionen überhaupt." Die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung ähnelt insofern der von A r t . 7 Ziff. 3 WRV und der von A r t . 35 Abs. 1 GG, als auch der konstituierende Reichstag des Norddeutschen Bundes über die Erledigung von Requisitionen keine Auseinandersetzung geführt hat. Er hat die Bestimmung so angenom12 Niederschrift über die Verhandlung der Staatenvertreter in Weimar (Fürstenhaus) vom 5. bis 8.2.1919, Anlage A (Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe Abt. 233/12888, S. 687). 13 Ebd. (S. 658). 14 Vgl. für diesen Verweis auch die folgende Bemerkung von Zweigert im Verfassungsausschuß (Anm. 11), S.56 (6. Sitzung am 14. 3.1919): „Art. 4 Nr. 11 (der bisherigen Verfassung) bestimmte, daß zur Zuständigkeit des Reichs die Erledigung von »Requisitionen überhaupt 4 gehöre. Das umfaßt nicht bloß die Rechtshilfe zwischen Gerichten, sondern auch die sogenannte Verwaltungshilfe, nämlich die Beistandsleistungen zwischen Verwaltungsbehörden, und auch die Beistandsleistung zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. U m keinen Zweifel daran zu lassen, daß es nicht in der Absicht des Entwurfs liegt, hinter dem bisherigen Recht zurückzubleiben, ist der umfassende Ausdruck ,Beistandsleistung zwischen Gerichts- und Verwaltungsbehörden 1 gewählt worden..

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2 Dogmatik der Amtshilfe i m Wandel der Verfassungsordnungen

men, wie sie i h m von den Regierungen vorgelegt worden w a r 1 5 . Den Regierungen ihrerseits w a r zu Beginn ihrer Beratungen von Preußen ein Entwurf zur Annahme empfohlen worden, der die Bestimmung über die Erledigung von Requisitionen noch nicht enthielt. Sie wurde i m Verlauf der Beratungen von den preußischen Bevollmächtigten ergänzend eingefügt. Diese hatten „sich der Aufgabe unterzogen, aus den von den übrigen Herren Bevollmächtigten formulierten Amendements diejenigen auszuwählen und zu bearbeiten, welche die Mehrzahl der geäußerten Wünsche befriedigen dürften, ohne den Principien des Entwurfes entgegenzulaufen" 16 . Nachdem sie erklärten, „dass die Königliche Regierung s i c h . . . zu ferneren Aenderungen nicht verstehen könne", wurde der ergänzte Entwurf von den norddeutschen Bevollmächtigten angenommen 17 . M i t welchen Überlegungen die Ergänzung des Entwurfs u m die Bestimmung über die Erledigung von Requisitionen gefordert, von Preußen aufgegriffen und von den Regierungen angenommen wurde, ist nur noch bruchstückhaft zu ermitteln. Gefordert wurde sie zunächst von Braunschweig („Bestimmungen über gerichtliche Requisitionen, über Vollziehung gerichtlicher Erkenntnisse, über Auslieferung von Verbrechern") 18 , aufgenommen und erweitert von Oldenburg („gemeinsame Civilprozeßordnung, gemeinsame Strafund Strafprozeßgesetzgebung, das gemeinsame Concursverfahren, das Wechsel- und Handelsrecht, die Regelung des Verfahrens bei Auslieferung von Verbrechern, Vollstreckung von Urtheilen und gerichtlichen Requisitionen, sowie die Einführung sonstiger Einrichtungen, welche die Rechtseinheit innerhalb des Reiches zu fördern geeignet sind") 1 9 15 Vgl. den Abdruck der Verfassung des Norddeutschen Bundes mit Kenntlichmachung sowohl der vom Reichstag zur Vorlage angenommenen Zusätze als auch der vom Reichstag an der Vorlage vorgenommenen Streichungen im Archiv des Norddeutschen Bundes 1867, Heft 3, S. 23 ff. — Dieses von Glaser herausgegebene, lediglich 1867 in drei Heften erschienene Archiv des Norddeutschen Bundes ist nicht zu verwechseln mit dem von Koller herausgegebenen, ab 1868 fortlaufend erschienenen Archiv des Norddeutschen Bundes. 16 Berathungen der Bevollmächtigten der Regierungen des Norddeutschen Bundes, 2. Protokoll (Sitzung am 28.1.1867), S. 6 f. (Anm. 15). 17 Ebd. — Die Ergänzungen sind in einer Anlage zum 2. Protokoll enthalten; vgl. S. 8 (Anm. 15): „Zwischen (Art. 4) No. 10 und 11. einzuschalten: »Bestimmungen über die wechselseitige Vollstreckung von Erkenntnissen in Civilsachen und Erledigung von Requisitionen überhaupt; 4 ..." 18 Bericht des Bevollmächtigten Hamburgs, Kirchenpauer, vom 20.12.1866 (Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, Staatsarchiv Cl. I Lit. Τ Nr. 1 Vol. 1 Fase. 5 Nr. 13). 19 „Entwurf der Verfassung des Norddeutschen Reiches" des Bevollmächtigten Oldenburgs, von Rössing, in seinem Art. 4 Ziff. 11 (Niedersächsisches Staatsarchiv Oldenburg 132 Nr. 333a [2e]). — Daß die Bestimmung über die Erledigung von Requisitionen zunächst von Braunschweig gefordert und dann von Oldenburg aufgenommen und erweitert wurde, haben nach den Auskünften des Archivs der Hansestadt Lübeck und des Staatsarchivs Weimar auch die Bevollmächtigten Lübecks und Gothas berichtet.

2.1 Bundesstaatsbezug verfassungsrechtl. Amtshilfebestimmungen und

gemeinsam

vertreten

schließlich v o n

Braunschweig,

39

Hamburg,

M e c k l e n b u r g - S c h w e r i n , O l d e n b u r g , S a c h s e n - C o b u r g - G o t h a u n d SachsenWeimar

(„Vollziehung

von

richterlichen

Erkenntnissen,

Rechtshülfe

i n Straffällen, Auslieferung v o n Verbrechern, Requisitionen v o n Behörden, E r f o r d e r n i s s e f ü r die G ü l t i g k e i t ö f f e n t l i c h e r U r k u n d e n " ) 2 0 . B e r a t e n w u r d e h i e r ü b e r k a u m ; P r e u ß e n n a h m die Vorschläge entgegen, g r i f f die e i n e n a u f u n d w i e s die a n d e r e n z u r ü c k , u m sie „ d e r w e i t e r e n E n t w i c k l u n g v o r z u b e h a l t e n " 2 1 . Das Entscheidende geschah n i c h t i n

den

Beratungen der norddeutschen Bevollmächtigten, sondern i n den S i t z u n g e n des preußischen S t a a t s m i n i s t e r i u m s . A u c h dessen U n t e r l a g e n w e i s e n a l l e r d i n g s z u r B e s t i m m u n g ü b e r die E r l e d i g u n g v o n R e q u i s i t i o n e n nichts a u s 2 2 . V e r m u t l i c h w a r eine solche B e s t i m m u n g einfach f ä l l i g . G e w ü n s c h t w u r d e sie v o m B e v o l l m ä c h t i g t e n H a m b u r g s , d e r das p a r t i k u l a r i s t i s c h e W o r t f ü h r t e 2 3 , ebenso w i e v o m B e v o l l m ä c h t i g t e n O l d e n 20

Bericht Kirchenpauer vom 4.1.1867 (Anm. 18, Nr. 23). Nach diesem Bericht haben die Bevollmächtigten der genannten Staaten „unter sich eine Art Commission gebildet" und sich in dieser auf den angeführten Ergänzungsvorschlag verständigt. — Vgl. auch die preußischen „Aufzeichnungen aus der vertraulichen Sitzung vom 19. December 1866, 4. und 5. Januar 1867", in denen die Änderungs- und Ergänzungsvorschläge der Bevollmächtigten zusammengestellt sind. Hier heißt es zu Art. 4 unter dem 19.12.1866: „Als Zusätze wurden vorgeschlagen von Braunschweig: wechselseitige Verpflichtung aller Behörden, den Requisitionen direkt (ohne diplomatische Vermittlung) zu genügen (worüber jetzt nur Verträge bestehen) und entsprechende Umarbeitung und Aufnahme des Inhalts der Gothaer Convention wegen Übernahme von Ausgewiesenen". Und unter dem 4.1.1867 wird erwähnt als Vorschlag „von vielen Seiten: »Bestimmungen über wechselseitige Vollstreckung von Urtheilen und Requisitionen'" (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I I I . Hauptabteilung Nr. 253, Bl. 102). 21 Notiz von Rössing zur Sitzung am 19.12.1866 (Anm. 19, Nr. 332); mit dem Hinweis auf die weitere Entwicklung wurden die Bestrebungen zur Herstellung einer umfassenderen Rechtseinheit zurückgewiesen. — Vgl. im übrigen auch den Bericht Kirchenpauer vom 30. oder 31.1.1967 (Anm. 18, Nr. 48). Er schildert und beklagt eindringlich, daß Beratungen im eigentlichen Sinn nicht stattgefunden haben, daß vielmehr Preußen den Gang der Verhandlungen diktiert und manipuliert hat. 22 Die preußischen Aktenbestände aus dem Staatsministerium, dem M i n i sterium des Innern, dem Geheimen Zivilkabinett und teilweise dem Justizministerium sowie der Nachlaß Savigny befinden sich i m Zentralen Staatsarchiv der DDR. Zwar enthalten sie Unterlagen über die Entstehung der Verfassung des Norddeutschen Bundes und darunter auch einen Aktenvermerk über eine Änderung des Art. 4 durch Einfügung einer Ziff. 11, die in der Sitzung des Staatsministeriums am 12.12.1866 beschlossen wurde (Akten des Staatsministeriums Rep. 90a Abt. Β I I I 2b Nr. 6 Bd. 78). Aber dabei ging es noch um die Ziff. 11 des den Bevollmächtigten der Regierungen vorgelegten Entwurfs, um die spätere Ziff. 13 N B V bzw. RV, und noch nicht um die Bestimmung über die Erledigung von Requisitionen. — Soweit sich die Akten des Justizministeriums im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz befinden, enthalten sie in ihren Unterlagen über die Entstehung der Verfassung des Norddeutschen Bundes (Rep. 84a/6234) keine Materialien zur Änderung des Art. 4 durch Einführung der Bestimmung über die Erledigung von Requisitionen. 28 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, 3. Band, S. 652.

40

2 Dogmatik der Amtshilfe im Wandel der Verfassungsordnungen

burgs, der die zentralistisch-unitarischen Forderungen vertrat 2 4 . Angestrebt worden war sie schon i m Deutschen Bund. Dessen Handelsgesetzbuchscommission hatte, durch Bundesbeschluß von 1857 beauftragt, ein Rechtshilfegesetz ausgearbeitet, zu dem die von der Bundesversammlung 1861 erbetenen Stellungnahmen der Regierungen zwar ausblieben 25 . Gleichwohl kennzeichnet dieser Vorstoß des Deutschen Bundes die Situation und die Intention, aus der A r t . 4 Ziff. 11 N B V bzw. RV entstanden ist. Es erschien „schlechthin unmöglich, die Zustände länger zu ertragen, welche i n Betreff der Rechtshülfe unter den Deutschen Staaten existirten, die von der A r t waren, daß sogar der alte Bund, wiewohl fruchtlos, i n dem Nürnberger Entwurf von 1861 deren Beseitigung versucht hatte" 2 6 . Auch A r t . 4 Ziff. 11 N B V bzw. RV gehört somit i n die Traditionslinie, die von A r t . 35 Abs. 1 GG über A r t . 7 Ziff. 3 WRV zurückverfolgt wurde. Die Requisitionen, von denen er handelt, finden „unter den Deutschen Staaten" statt, sollen ein Problem des Bundesstaats lösen, die gerichtliche und behördliche Zusammenarbeit über die glied- und gesamtstaatlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen gewährleisten. I n diesen Traditionszusammenhang gestellt und aus ihm verstanden, betreffen die angeführten Verfassungsbestimmungen die Rechts- und Amtshilfe nur da, wo es u m Hilfeleistungen zwischen verschiedenen Ländern oder zwischen Bund bzw. Reich und Ländern geht. Die Hilfeleistung, die von einer Landesbehörde einer anderen Behörde desselben Landes zu erbringen ist, kann auch eine Behörde des Bundes bzw. Reichs oder eines anderen Landes verlangen (Art. 35 Abs. 1 GG) bzw. zu verlangen gesetzlich ermächtigt werden (Art. 7 Ziff. 3 WRV, A r t . 4 Ziff. 11 N B V bzw. RV); die Hilfeleistung, die von einer Bundes- bzw. Reichsbehörde einer anderen Bundes- bzw. Reichsbehörde zu erbringen ist, kann auch eine Landesbehörde fordern bzw. zu fordern gesetzlich ermächtigt werden. Welche Hilfeleistung innerhalb eines Landes und innerhalb des Bundes bzw. Reichs zu erbringen ist, ist eine Frage, die nicht durch die angeführten Verfassungsbestimmungen geregelt ist, sondern je nach Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaterie i n den Regelungsbereich des Bundes bzw. Reichs und der Länder fällt. 2.1.2 Die Gesetzgebung zu A r t . 4 Ziff. 11 N B V bzw. R V entspricht dem bundesstaatsbezogenen Verständnis. Das Gesetz, betreffend die Gewährung der Rechtshülfe von 1869 27 besorgte die „Beseitigung der Schran24 25 28 27

Ebd. Mejer, Einleitung in das Deutsche Staatsrecht, S. 235 Anm. 8. Endemann, AnnDR 5 (1872), Sp. 158. Bundes-Gesetzblatt 1869, Nr. 29.

2.1 Bundesstaatsbezug verfassungsrechtl. Amtshilfebestimmungen

41

k e n . . . , welche sich aus der Beschränkung der Gerichtsgewalt der Gerichte auf die Grenzen des betreffenden Bundesstaates ergeben". Das Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 28 konnte m i t seinem 13. Titel i n seinem Bereich die Rechtshilfe zugleich einfacher und detaillierter regeln, w e i l gleichzeitig Gerichtsverfassung und Gerichtsverfahren reichsrechtlich vereinheitlicht wurden. Hier griffen die Kompetenzen des Reichs zur Gesetzgebung über das gerichtliche Verfahren (Art. 4 Ziff. 13 RV) und zur Gesetzgebung über die Rechts- und Amtshilfe (Art. 4 Ziff. 11 RV) ergänzend ineinander. Auch das Gesetz über den Beistand bei Einziehung von Abgaben und Vollstreckung von Vermögensstrafen von 1895 29 , die dritte und letzte größere rechts- und amtshilferechtliche Kodifikation, bestätigt das bundesstaatsbezogene Verständnis von A r t . 4 Ziff. 11 RV. Die Begründung spricht den entscheidenden Punkt deutlich aus: „Soll aber für die gegenseitige Beistandsleistung eine rechtliche Grundlage geschaffen werden, so geschieht dies weit leichter und zweckmäßiger i m Wege eines Reichsgesetzes, als wenn zu diesem Zwecke eine Reihe von Staatsverträgen geschlossen und von den Landtagen aller betheiligten Staaten genehmigt werden müßten" 3 0 . Auch die weiteren reichsgesetzlichen Normierungen von Rechts- und Amtshilfepflichten sowohl unter der Reichsverfassung des Kaiserreichs als auch unter der der Weimarer Republik 3 1 entsprechen dem bundesstaatsbezogenen Verständnis von A r t . 4 Ziff. 11 RV bzw. von A r t . 7 Ziff. 3 WRV. Allerdings werden die Regelungen, die i n der Überwindung der glied- und gesamtstaatlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen ihren eigentlichen Anlaß und hauptsächlichen Gegenstand haben, seltener. Dafür tauchen reichsgesetzliche Rechts- und Amtshilfenormierungen als Annexregelungen von Materien auf, die das Reich unter anderen Ziffern seiner Kompetenzkataloge regelt. M i t der ausgreifenden Gesetzgebungstätigkeit des Reichs nehmen derartige Regelungen zu. Je mehr Angelegenheiten es sind, i n denen das Reich Rechts- und Amtshilfepflichten für die Reichsbehörden und die i n Verfassung und Verfahren reichsrechtlich geprägten Landesbehörden begründet, desto mehr Anlaß hat es auch, in denselben Angelegenheiten die Erfüllung derselben Pflichten über die gesamt- und gliedstaatlichen Grenzen hinweg zu verlangen. Nie jedoch gehen die reichsgesetzlichen Regelungen i n die Richtung der Begründung einer allgemeinen, an die einzelnen Gesetzgebungskompetenzen bzw. -materien des Reichs nicht angebundenen Rechts- und Amtshilfepflicht. 28

Reichs-Gesetzblatt 1877, Nr. 4. Reichs-Gesetzblatt 1895, Nr. 20. 80 Zitiert nach der Wiedergabe bei von Seydel, Commentar zur Verfassungs-Urkunde für das Deutsche Reich, Art. 4 Ziff. 11 (S. 93). 81 Vgl. die Auflistung der Bestimmungen bei Hartwig, Die Begriffe der Rechts- und der Amtshilfe und ihre Unterscheidung, S. 8 ff. 29

42

2 Dogmatik der Amtshilfe i m Wandel der Verfassungsordnungen

2.2 Die Kontroverse um eine gesetzesunabhängige Amtshilfe 2.2.1 Für die Begründung einer allgemeinen Rechte- und Amtshilfepflicht hätte es freilich dann auch überhaupt keinen Anlaß gegeben, wenn die allgemeine Rechts- und Amtshilfepflicht jeweils i m Gesamtund i n den Gliedstaaten ohnehin gegolten und darum nur noch der Ausweitung über die gesamt- und gliedstaatlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen bedurft hätte. Gesetzlich begründet w a r sie früher weder auf der Ebene des Gesamtstaats noch auf der der Gliedstaaten. Werden aber Rechtsprechung und Rechtsschrifttum vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis i n die Zeit des Nationalsozialismus befragt, so begegnet die Auffassung, die eine allgemeine Rechtsund Amtshilfepflicht der Behörden eines Landes gegenüber den Behörden desselben Landes und der Reichsbehörden untereinander behauptet. Dagegen stand allerdings die andere Auffassung, die für die Rechtsund Amtshilfe die gesetzliche Grundlage verlangte. Dahinter standen die vereinzelten gesamt- und gliedstaatsgesetzlichen Normierungen von gesamt- bzw. gliedstaatsinterner Rechts- und Amtshilfe 3 2 . Bestimmte Behörden bezeichnend und bestimmte Situationen ansprechend ließen sie sich nur schwer auf den Begriff einer bloß zufälligen und eigentlich überflüssigen Klarstellung bringen 3 3 . Vor diesem gesetzlich strukturierten Hintergrund bieten Rechtsprechung und Rechtsschrifttum unter den früheren Verfassungsordnungen m i t juristisch teilweise hochstufigen Überlegungen ein durchaus vielschichtiges B i l d rechts- und amtshilferechtlicher Argumentation. Gerichtliche Entscheidungen zur Rechtshilfe und zumal zur Amtshilfe sind allerdings selten. Die Bereitwilligkeit, m i t der Verwaltungsbehörden zusammenarbeiten, und die Schwierigkeit, die dem etwa betroffenen Bürger der Einblick i n die Zusammenarbeit bereitet, lassen weder die Verweigerung noch die Gewährung von Amtshilfe zum häufigen Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen werden. Mag bei einem Zuviel an Amtshilfe drohen, daß der Staat dem Bürger übermächtig, und bei einem Zuwenig, daß er i h m unbehilflich wird, und mag beides als rechtlicher Nachteil eigentlich gerichtlich problematisierbar sein — der Bürger kommt an die Probleme nicht heran und bringt sie daher auch nicht vor Gericht. Dies gilt noch heute unter den Bedingungen eines umfassenden Rechtsschutzes, und es galt erst recht unter den früher beschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten. Es ist anzunehmen, daß die große Bereitwilligkeit und die geringe Wahrnehmbarkeit und Kontrollierbarkeit der Amtshilfe die Auffassung, es handele sich bei der Amts32 33

Ebd. Maus, AnnDR 47 (1914), S. 243.

2.2 Kontroverse um gesetzesunabhängige Amtshilfe

43

hilfe rechtlich ebenso wie tatsächlich u m eine Selbstverständlichkeit, noch gefördert und damit das Kontrolldefizit weiter erhöht hat. Einen gewissen Ausgleich für den dürftigen Rechtsprechungsbefund zur Amtshilfe bietet die Einbeziehung einiger Entscheidungen zur Rechtshilfe. Auch i m Bereich über das Rechtsschrifttum werden gelegentlich Ausführungen zur Rechtshilfe Beachtung finden. Denn der Begriff der Amtshilfe und der Begriff der Rechtshilfe sind erst i m Lauf der Entwicklung deutlich auseinandergetreten 34 . Zwar stand früh fest, daß die richterlichen Handlungen, die ein Gericht auf Ersuchen eines anderen Gerichts vornimmt, zur Rechtshilfe zählen 35 . Aber zur Rechtshilfe wurden früher gelegentlich auch die nichtrichterlichen, von einer Verwaltungsbehörde vornehmbaren und auf Ersuchen einer anderen Verwaltungsbehörde vorgenommenen Handlungen gerechnet 36 , und ob die richterlichen Handlungen, die ein Gericht auf Ersuchen einer Verwaltungsbehörde vornimmt, sowie die nichtrichterlichen Hilfeleistungen der Gerichte untereinander, der Gerichte für die Verwaltungsbehörden und dieser für jene unter den Begriff der Rechtsoder unter den der Amtshilfe zu fassen seien, blieb bis unter das Grundgesetz umstritten 3 7 . Erst Dreher hat die gültige, die Vorbereitung des Verwaltungsverfahrensgesetzes prägende 38 Begriffsbestimmung geleistet: „Rechtshilfe ist die behördliche Unterstützung durch die Vornahme richterlicher Handlungen, wobei es gleichgültig ist, ob diese Unterstützung für ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde gewährt wird. Als Amtshilfe stellen sich demnach die nichtrichterlichen Handlungen von Gerichten gegenüber Gerichten und Verwaltungsbehörden, die Unterstützungshandlungen von Verwaltungsbehörden gegenüber Gerichten, sowie die Beistandsleistungen zwischen Verwaltungsbehörden d a r 3 9 . " Dreher konnte die Begriffsabgrenzung klarer vornehmen, w e i l sich inzwischen die Grenze zwischen Rechtsprechung und Verwaltung ihrerseits deutlicher herausgebildet hatte. Solange Verwaltungsbehörden eine beträchtliche Strafgewalt hatten und eidliche Vernehmungen vor34 Vgl. die Darstellung dieser Entwicklung bei Berg, Grenzen der Amtshilfe zwischen den Bundesländern, S. 34 ff. sowie bei Dreher, Die Amtshilfe, S. 6 ff. 85 Dies folgte aus dem Gesetz, betreffend die Gewährung von Rechtshülfe (Anm. 27) und aus dem 13. Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes (Anm. 28). 36 Etwa bei F. Stein, Grenzen und Beziehungen zwischen Justiz und Verwaltung, S. 121 ff.; Hartmann, PrVBl. 1909/1910, S.76ff.; P r O V G 63, 71—87 (83). 37 Vgl. auch zum Streitstand unter dem Grundgesetz Berg (Anm. 34), S. 38 ff.; Dreher (Anm. 34), S. 6 ff. 88 Vgl. Bundesminister des Innern (Hrsg.), Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (EVwVerfG 1963), S. 88. 89 Dreher (Anm. 34), S. 15 f.

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2 Dogmatik der Amtshilfe i m Wandel der Verfassungsordnungen

nehmen konnten, solange die Übertragung von Verwaltungsfunktionen von den Landratsämtern auf die Amtsgerichte empfohlen und der Status der Verwaltungsgerichte zwischen Judikative und Exekutive diskutiert werden konnte, stand die Bestimmung und Abgrenzung von Rechts- und Amtshilfe vor Problemen, deren sachliche Schwierigkeit die begriffliche Sauberkeit kaum zuließ. Wo Gerichtsbarkeit und Verwaltungshoheit ineinander übergingen 4 0 , da mußten auch Rechts- und Amtshilfe ineinander verfließen. Gerichtliche Entscheidungen, die bei der Beurteilung von Hilfeleistungen der Gerichte für die Verwaltungsbehörden die für die Beurteilung von Hilfeleistungen zwischen Verwaltungsbehörden gebräuchlichen Argumente verwenden, können daher, ob sie nun unter dem Begriff der Rechtshilfe oder unter dem der Amtshilfe präsentiert und rezipiert worden sind, i n die folgende Untersuchung einbezogen werden. 2.2.2 Dem Blick auf die Rechtsprechung bietet sich als die w o h l älteste Entscheidung zur Rechts- und Amtshilfe eine Entscheidung des Königlichen Obertribunals i n Strafsachen von 1862 41 . Das Obertribunal bejaht hier die Frage, ob ein Gericht eine eidliche Zeugenvernehmung vornehmen muß, u m die eine Verwaltungsbehörde zur Vorbereitung eines Disziplinarverfahrens ersucht hat. Denn es könne „nicht bezweifelt werden . . . , daß die verschiedenen Staatsbehörden wechselseitig zur Leistung der ressortmäßigen Hülfe ohne weitere Prüfung verpflichtet sind, sobald nur die Requisition von einer dazu berufenen Behörde ausgeht, und das gestellte Verlangen nicht bestehenden gesetzlichen Vorschriften zuwiderläuft" 4 2 . Das Obertribunal verlangt also nicht, daß die Rechtsund Amtshilfe gesetzlich begründet, sondern nur, daß sie gesetzlich nicht ausgeschlossen ist 4 3 . I m übrigen steht sie für das Obertribunal außer Zweifel, wie auch für das Kammergericht i n einer Entscheidung von 1883 44 zum Ersuchen eines Landratsamts an ein Amtsgericht u m Auskunft aus dem Grundbuch „das Recht der Verwaltungsbehörden 40 Vgl. aus dem amts- und rechtshilferechtlich einschlägigen Schrifttum besonders Kormann JÖR7 (1913), S. 3 ff.; Stein (Anm. 36); Vierhaus, VerwArch 11 (1903), S. 222 ff. Vierhaus macht S. 250 den im letzten Satz erwähnten Vorschlag der Übertragung von Verwaltungsfunktionen von den Landratsämtern auf die Amtsgerichte. 41 Rspr. Königliches Obertribunal in Strafsachen 2, 249—251. 42 Ebd. 250 f. 48 Zwar verweist das Obertribunal auf § 7, 8, 311 ff. und 337 der CriminalOrdnung von 1805 sowie auf § 179110 der Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten von 1793. Aber diese Bestimmungen der CriminalOrdnung (F. C. Oppenhoff, Die Preußischen Gesetze über das mündliche und öffentliche Verfahren in Strafsachen, S. 637 ff.) und der Allgemeinen Gerichtsordnung (Berlin 1795) gelten nur der Pflicht zum Zeugnis im Prozeß. 44 K G J 4, 112—115.

2.2 Kontroverse um gesetzesunabhängige Amtshilfe

45

auf Unterstützung staatsrechtlich außer Frage steht" 4 5 . Allerdings verweist das Kammergericht auf § 38 einer Verordnung von 1849 46 , wonach die Gerichte und die Verwaltungsbehörden „sich gegenseitig bei Erledigung der ihnen obliegenden Geschäfte innerhalb ihres Hessorts Unterstützung leisten". Nicht für alle Gebiete Preußens geltend 4 7 und i n ihrer Fortgeltung überdies umstritten 4 8 , w i r d diese Bestimmung aber mehr illustrierend herangezogen; i n ihr habe das „Selbstverständliche und Herkömmliche . . . positive Anerkennung gefunden" 4 9 . Außer dem Hinweis auf das Herkommen und außer der Behauptung der Selbstverständlichkeit, die nicht i n Frage gestellt und nicht i n Zweifel gezogen werden könne, w i r d hier vom Kammergericht ebenso wie davor vom Obertribunal eine Begründung für Recht und Pflicht zur Rechtsund Amtshilfe nicht gesucht. Das ändert sich m i t der nächsten, wieder einem Ersuchen u m eine Zeugenvernehmung i n einer Disziplinarsache geltenden Entscheidung des Kammergerichts von 1890 50 . Hier verwendet das Kammergericht m i t dem Schluß vom Zweck auf das M i t t e l und von der Aufgabe auf die Befugnis eine Begründung für die Rechts- und Amtshilfe, die auch dem anschließenden Blick auf das Schrifttum begegnen wird. Die Rechts- und Amtshilfe soll „aus der Natur der Sache (folgen), da der Gesetzgeber den Verwaltungsbehörden nicht die A u f gabe zuweisen konnte, über die Einleitung einer Disziplinaruntersuchung zu beschließen, und ihnen zugleich die M i t t e l versagen konnte, ohne welche diese Aufgabe nicht zu lösen w a r " 5 1 . Wieder w i r d flankierend § 38 der Verordnung von 1849 herangezogen, der dies bestätige und damit „einen eminent staatsrechtlichen Grundsatz" 5 2 ausspreche. 45

Ebd. 115. Verordnung über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, sowie über die anderweitige Organisation der Gerichte, Gesetz-Sammlung 1849, Nr. 1. 47 Die Verordnung war „für den Umfang Unserer Monarchie mit Ausschluß des Bezirks des Appellationsgerichtshofes zu Cöln" erlassen worden. Eine Ausdehnung ihres Geltungsbereichs auf die später erworbenen Gebiete ist nicht erfolgt. 48 ygi Friedrichs, Amtshilfe. Reich und Preußen, S. 119 („formell außer Kraft getreten"). Demgegenüber hat das Kammergericht, freilich weiterhin mehr illustrierend, auch in den nachfolgend angeführten Entscheidungen an der Weitergeltung festgehalten. 46

49

K G J 4, 114. K G J 10, 3—13. 51 Ebd. 8. — Auch das Oberlandesgericht Naumburg begründete in einer Entscheidung von 1900 die Verpflichtung eines Gerichts, bei einer Reichstagswahlprüfung durch eidliche Vernehmung eines Zeugen „Beistandschaft" zu leisten, mit dem Schluß vom Zweck auf das Mittel und von der Aufgabe auf die Befugnis. „Wem aber die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht ausgeübt werden kann (§89 Einl. A.L.-R.)." Vgl. zu dieser Entscheidung, abgedruckt Reichstagsdrucksachen 1900/1901, Nr. 169, auch unten im Text zu Anm. 99. 52 Ebd. 7. 50

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2 Dogmatik der Amtshilfe i m Wandel der Verfassungsordnungen

Spätere Entscheidungen des Kammergerichts 6 3 verweisen auf diesen „allgemeinen Grundsatz", ohne nochmals i n seine Begründung einzutreten. Auch das Preußische Oberverwaltungsgericht bemüht sich erst i n einer späteren Entscheidung zur Rechts- und Amtshilfe u m eine Begründung, warum sie gefordert werden kann bzw. geleistet werden muß. Zunächst heißt es i n einer Entscheidung von 1890 54 schlicht, „die Befugnis der Behörden, andere Behörden u m Hilfeleistung bei amtlichen Angelegenheiten zu ersuchen (zu requirieren) und die entsprechende Pflicht, dem Ersuchen Folge zu leisten, (sei) — wenn auch für einzelne Gebiete der behördlichen Organisation besonders geregelt... — als allgemeines Recht anzusehen" 55 . I n einer späteren Entscheidung von 1899 56 bedurfte es des Bemühens u m eine Begründung der Rechtsund Amtshilfe nicht, w e i l das Ersuchen der Universitätsbibliothek u m polizeiliche Erzwingung der verlegerischen Ablieferungspflicht vom Oberverwaltungsgericht als i m Landesverwaltungsgesetz geregelter Vorgang des Verwaltungszwangs angesehen wurde. Erst angelegentlich einer Entscheidung von 1912 57 über Probleme der Aufteilung von Polizeikosten zwischen dem preußischen Staat und einer preußischen Gemeinde bietet das Oberverwaltungsgericht eine wiederum anschließend auch dem Blick auf das Schrifttum begegnende Begründung der Rechtsund Amtshilfe. Es handelt zunächst von den Hilfstätigkeiten der Ortspolizeibehörden für Behörden der Landespolizei oder der allgemeinen Landesverwaltung. Die „Verpflichtung zur Vornahme dieser Hilfstätigkeiten . . . folgt daraus, daß die Polizeigewalt eine einheitliche und ein Teil der gleichfalls einheitlichen Staatsgewalt i s t " 5 8 . Sodann weitet es diesen Grundsatz aus. „Die gleiche Auffassung greift gegenüber denjenigen Maßnahmen durch, welche die Ortspolizeibehörde zur Erledi53

K G J 50, 6—9; O L G Rspr. 40, 171—172 und 172—173. 54 P r O V G 20, 445—451. Der zugrundeliegende Fall zeigt exemplarisch, welcher ungewöhnlichen Konstellation es bedarf, damit die Amtshilfe zum Gegenstand gerichtlicher Entscheidung wird. Ein Bürgermeister, der ersucht worden war, zwei mit dem Zug eintreffende Franzosen und deren Gepäck „festzuhalten", hatte zwar die Gepäckstücke in sichere Verwahrung genommen und auch die Franzosen zunächst in sein Amtszimmer gebeten, nach einigen Stunden aber wieder laufengelassen. Anscheinend war er dem Charme der beiden, wie sich später herausstellte, berüchtigten Taschendiebe erlegen. Nur weil der Landrat dem Bürgermeister deswegen Vorhaltungen machte und dieser dagegen Beschwerde führte und schließlich Klage erhob, kam das Preußische Oberverwaltungsgericht dazu, sich mit der Grundlage und dem Umfang der Amtshilfepflicht zu befassen. 55 58 57 58

Ebd. 448. P r O V G 36, 434—440. P r O V G 63, 71—87. Ebd. 83.

2.2 Kontroverse um gesetzesunabhängige Amtshilfe

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gung berechtigter Ersuchen um Rechtshilfe ergreift 5 9 ." Auch die Rechtshilfe gehöre zu den gesetzlichen Verpflichtungen der Ortspolizeibehörde, zu deren Erfüllung sie von der i h r zustehenden Zwangsgewalt Gebrauch zu machen habe. Diese Kennzeichnung der Verpflichtung zur Rechts- und Amtshilfe als einer gesetzlichen Verpflichtung ist nicht ganz verständlich. Die preußischen Gesetze enthielten zwar einzelne Verpflichtungen, aber keine allgemeine Verpflichtung der Ortspolizeibehörden zur Rechts- und Amtshilfe 6 0 . Vermutlich denkt das Oberverwaltungsgericht hier besonders an die Ersuchen um Verwaltungszwang, die es i m Landesverwaltungsgesetz geregelt sieht. Immerhin zeigt die Kennzeichnung eine Tendenz des Oberverwaltungsgerichts, die Rechtsund Amtshilfe nicht einfach als herkömmliches und selbstverständliches oder als aus der Einheit der Staatsgewalt folgendes, sondern als gesetzlich begründetes Rechtsinstitut auszuweisen. I n einer Entscheidung von 1937 61 drückt sich diese Tendenz wieder aus. Das Oberverwaltungsgericht befaßt sich m i t § 40 Abs. 2 PVG, der die auf Ersuchen einer Behörde, die nicht Polizei- oder Polizeiaufsichtsbehörde ist, getroffenen Maßnahmen der Polizei von den polizeilichen Verfügungen i. S. des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes unterscheidet. Für diese soll die Polizei die volle Verantwortung tragen, sie sollen der uneingeschränkten Nachprüfung der Gerichte unterliegen; bei jenen sollen wie stets bei der Rechts- und Amtshilfe Verantwortung und Überprüfung der ersuchten Behörde reduziert sein. Das Oberverwaltungsgericht führt zu § 40 Abs. 2 PVG aus, er umfasse „nur die innerhalb ihrer Zuständigkeit gestellten Ersuchen solcher Behörden, denen gegenüber eine Pflicht zur Gewährung von Rechts- und Verwaltungshilfe besteht, nicht dagegen Fälle, i n denen sie ohne gesetzlichen Grund i n Anspruch genommen w i r d " 6 2 . Abgeschlossen sei der Blick auf die Rechtsprechung m i t einer Entscheidung des Reichsgerichts von 1910 63 , i n der von einer neben der gesetzlich begründeten eigentlichen Rechtshilfepflicht bestehenden „allen Behörden obliegenden Dienstpflicht, die Erledigung ihrer Amtsgeschäfte sowohl sich wechselseitig als auch den beteiligten Privatpersonen nach Möglichkeit zu erleichtern", die Rede ist. Diese Pflicht w i r d vom Reichsgericht zwar nicht als Amts- oder Rechtshilfepflicht bezeichnet. Sie w i r d aber, m i t allerdings ungewöhnlicher und überraschender Ausrichtung auch auf die Interessen der Privatperson, i n einer auf das leichte und gefällige Zusammenspiel der Behörden 59

Ebd. Von Bitter, Handwörterbuch, 2. Band, S. 357; Friedrichs (Anm. 48), S. 119; von Stengel, Die Organisation der Preußischen Verwaltung, S. 378. 61 P r O V G 100, 132—138. 62 Ebd. 137. 63 JW 1910, 717—718. 60

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2 Dogmatik der Amtshilfe im Wandel der Verfassungsordnungen

abstellenden Weise umschrieben, die zur Vorstellung der gesetzlich nicht geregelten Rechts- und Amtshilfe als eines selbstverständlichen und herkömmlichen Vorgangs paßt und daher hier Erwähnung verdient. Zusammenfassend kann die Rechtsprechung dahin charakterisiert werden, daß sie von der Annahme einer selbstverständlichen und herkömmlichen Pflicht zur Rechts- und Amtshilfe zwar ausgeht, daß sie dann aber i n dem Schluß vom Zweck auf das M i t t e l und von der A u f gabe auf die Befugnis sowie i m Gesichtspunkt der Einheit der Staatsgewalt eine tiefere und stärkere Begründung einer gesetzlich nicht geregelten Rechts- und Amtshilfe sucht und daß sie schließlich jedenfalls dazu neigt, Rechts- und Amtshilfe nur auf gesetzlicher Grundlage anzuerkennen. 2.2.3 I m Rechtsschrifttum sind besonders die Handwörterbücher großzügig, was das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage der Amtshilfe angeht. Großzügig sind sie freilich auch, was den Anspruch der wissenschaftlichen Durchdringung der Amtshilfe anlangt. Bei Stengel und Fleischmann* 4 w i r d ihre Grundlage unabhängig von gesetzlichen Regelungen i n der Einheit der Staatsgewalt 65 , i n den Grundsätzen der Verwaltungsorganisation 66 , i m Gewohnheitsrecht 67 und darin gefunden, daß sie immer wieder unentbehrlich 6 8 und seit alters selbstverständlich 6 9 sei. Nur bei der Darstellung der Rechtslage i m Reich und i n Sachsen lassen es die Autoren bei einer Aufzählung der gesetzlich normierten Amtshilfepflichten bewenden und verzichten auf die Behauptung einer allgemein bestehenden Amtshilfepflicht 7 0 . Bei Bitter w i r d die Beistandspflicht der Behörden unabhängig vom Gesetz als herkömmliche Gefälligkeit und als notwendige Ergänzung der beschränkten Zuständigkeit legitimiert 7 1 . Bei Stier-Somlo und Elster gehört sie ebenfalls gesetzesunabhängig zum Wesen der Staatsverwaltung und ist selbstverständlich 72 . Auch ein Überblick über die amtshilferechtliche Rechtslage i m Reich und i n den Ländern von Löwenthal setzt die gesetzesunabhängige Pflicht zur Amtshilfe i m Grundsatz voraus, hält aber eine vollständige und systematische Regelung immerhin für w ü n 64 Vgl. davor schon Th. F. Oppenhoff, Die Preußischen Gesetze über die Ressort-Verhältnisse, S. 185 ff. 65 Hofacker, Amtshilfe. Württemberg, S. 122. 86 Nelken, Amtshilfe. Elsass-Lothringen, S. 123. 67 Friedrichs (Anm. 48), S. 119. 68 Friedrichs ebd.; Graßmann, Amtshilfe. Bayern, S. 121. 69 Walz, Amtshilfe. Baden, S. 122. 70 Friedrichs (Anm. 48), S. 118 f.; Zobel, Amtshilfe. Sachsen, S. 121 f. 71 Von Bitter (Anm. 60), S. 355 f. 72 Delius, Amtshilfe, S. 133.

2.2 Kontroverse um gesetzesunabhängige Amtshilfe

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sehenswert 73 . Diese Großzügigkeit hat nicht etwa darin ihre Ursache, daß i n den Handwörterbüchern nur von eigentlich unproblematischen, die Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen nicht wesentlich verletzenden Amtshilfeleistungen gehandelt würde. Besonders bei Stengel und Fleischmann t r i t t die Amtshilfe i n ihrer ganzen Härte, i n ihrem vollen Widerspruch zur Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung hervor. Sie soll einen Mangel der sachlichen Zuständigkeit beheben, soll einer Behörde, der vom Gesetzgeber für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe nur bestimmte Befugnisse zugewiesen worden sind, ermöglichen, für die Erfüllung dieser Aufgabe noch zusätzliche Befugnisse zum Einsatz zu bringen. Es muß „die helfende Behörde ihre volle obrigkeitliche Gewalt und alle Befehls- und Zwangsbefugnisse i n den Dienst der Amtshilfe stellen . . . , auch wenn die ersuchende Behörde keine gleich weit gehende Befehlsgewalt hat und deshalb die Handlung nicht selber vornehmen könnte" 7 4 . Dabei werden weder Voraussetzungen noch Begrenzungen dieser Entfremdung von Befugnissen entwickelt. Einer der Autoren der Handwörterbücher, Delius, hat allerdings schon früher eine tiefere Grundlegung einer allgemeinen Hechts- und Amtshilfepflicht versucht 75 . Indem die Reichsverfassung i n der Einleitung als einen Zweck des Bundesschlusses den Schutz des innerhalb des Bundesgebiets gültigen Rechts bezeichne, verpflichte sie alle Behörden i m Bundesgebiet auf die wechselseitige Unterstützung bei der Durchführung des Rechts. Deshalb könne A r t . 4 Ziff. 11 RV die Rechtsund Amtshilfepflicht schon voraussetzen und verlange nur noch deren Ausgestaltung 76 . Dabei sieht Delius, daß über Rechts- und Amtshilfe Zwangsbefugnisse i n den Dienst einer Aufgabe gestellt werden, für deren Erfüllung sie nicht eingeräumt worden sind. Hier soll der Schluß vom Zweck auf das M i t t e l und von der Aufgabe auf die Befugnis helfen, für den sich Delius auf § 89 Einleitung A L R beruft: „Wem die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht ausgeübt werden k a n n 7 7 . " Bei Maus haben diese Argumente und hat die These von der gesetzesunabhängigen Unterstützungspflicht insgesamt Widerspruch gefunden 78 . Aus der Einleitung könne derart alles und jedes gefolgert werden 7 9 , A r t . 4 Ziff. 11 RV sei nur eine Zuständigkeitsregelung 80 , und § 89 Einleitung A L R enthalte 78 74 75 78 77 78 79 80

RuPrVBl. 1929, S. 11 ff. Friedrichs (Anm. 48), S. 118. P r V B l 1910/1911, S. 609 ff. Ebd. S. 510 f. Ebd. S. 510. Maus (Anm. 33), S. 242 ff. Ebd. S. 247. Ebd.

4 S chi ink

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nur einen allgemeinen Rechtsgedanken ohne Wirkung i m einzelnen F a l l 8 1 . I m übrigen sei auch die Herkömmlichkeit und Selbstverständlichkeit der Unterstützung so lange bedeutungslos, w e i l kein Gewohnheitsrecht begründend, als die Unterstützung aus Höflichkeit und Gefälligkeit geleistet werde, nicht aber aus der Überzeugung, dem Recht zu gehorchen 82 . Diese Einwände zielen nicht nur auf die Rechtshilfe i. e. S., der Maus seine Ausführung des näheren widmet und für die er dabei die Notwendigkeit ausdrücklicher gesetzlicher Regelung verficht, sondern auf die Rechts- und Amtshilfe insgesamt. Lediglich m i t der gegen die Begründung der Rechtshilfepflicht aus der Einheit der Staatsgewalt eingewandten Betonung der Unabhängigkeit der Gerichte 8 3 zielt Maus allein auf die Rechtshilfe i. e. S. — Ohne auf die Einheit der Staatsgewalt oder andere hochstufige Begründungen einer allgemeinen Rechts- und Amtshilfepflicht überhaupt einzugehen, spürt um dieselbe Zeit m i t Hartmann ein Praktiker die Lücken i n der Rechtsund Amtshilfegesetzgebung auf 8 4 . Daß diese Lücken eigentlich nur gesetzlich zu schließen sind, ist i h m selbstverständlich. Zugleich ist i h m beruhigend, daß die Lücken nicht besonders fühlbar sind, w e i l sie i n der Praxis meistens durch eine entsprechende „Übung" geschlossen werden 8 5 . Schärfer als i n den allgemeinen Abhandlungen konturiert sich die Kontroverse u m eine gesetzesunabhängige Rechts- und Amtshilfepflicht an bestimmten einzelnen Fall- und Problemtypen. Den Fall des Ersuchens von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft behandelt von Rönne; er liege „außerhalb des Bereiches der Rechtshülfe" und regele sich so, daß „die ersuchte Staatsanwaltschaft selbstständig ihre Zuständigkeit und die Gesetzmäßigkeit der verlangten Maßregel zu prüfen und, falls sie auf das Ersuchen eingeht, auch die Verantwortlichkeit für die Handlung zu übernehmen" habe 8 6 . Außerhalb der Rechtshilfepflicht beginnt also für von Rönne nicht eine gesetzesunabhängige allgemeine Amtshilfepflicht, sondern kann die eine Behörde der anderen nur die Anregung geben, innerhalb der eigenen Zuständigkeit und dam i t unter Wahrung der Zuständigkeits- und Verantwortlichkeitsgrenzen tätig zu werden. — Kontrovers nicht nur in der Rechtswissenschaft, 81

Ebd. S. 249. Ebd. S. 243. 83 Ebd. S. 242. Die Gegenposition, daß die Unabhängigkeit der Gerichte einer aus der Einheit der Staatsgewalt abgeleiteten Rechtshilfepflicht nicht entgegenstehe, wird besonders von Kormann (Anm. 40), S. 12 f. vertreten. 84 Hartmann (Anm. 36), S. 76 ff. 85 Ebd. S. 78. 88 Von Rönne, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 2. Band, 2. Abteilung, S. 59 f. 82

2.2 Kontroverse um gesetzesunabhängige Amtshilfe

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sondern auch i n der Rechtspraxis wurde der Fall des Ersuchens um Vollstreckung einer polizeilich erkannten Haftstraf e behandelt. Delius fordert, daß einem solchen Ersuchen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Gliedstaats, dessen Behörde auf die Haftstrafe erkannt hat, entsprochen w i r d 8 7 . Löwenstein meint, „nicht einmal untereinander (seien) die Preußischen Verwaltungsbehörden zur gegenseitigen Rechtshilfe verpflicht e t " 8 8 , geschweige denn gegenüber außerpreußischen Verwaltungsbehörden. Obwohl sie einem Vollstreckungsersuchen nicht entsprechen müßten, dürften sie es allerdings tun, und sie pflegten es auch zu tun. Frank beantwortet die Frage aus dem Verfassungsrecht. „Gestattet dieses eine Freiheitsbeschränkung nur auf Grund eines Gesetzes, so ist zu untersuchen, ob er (der Staat, dem die ersuchte Behörde angehört) selbst ein Gesetz erlassen hat, welches einen Eingriff i n die persönliche Freiheit zum Zwecke einer solchen Rechtshilfe erlaubt. Beim Fehlen eines solchen Gesetzes ist die Rechtshilfe unzulässig 89 ." I n Preußen sei danach die rechtshilfemäßige Vollstreckung zwar der von einer preußischen, nicht aber der von einer außerpreußischen Polizeibehörde erkannten Haftstrafe zulässig. Denn § 10 I I 17 A L R mache der Polizei die Abwendung von Gefahren für das Publikum und die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung i n Preußen zur Aufgabe, und eine solche Gefahr sei die NichtVollstreckung einer preußischen, aber auch nur einer preußischen polizeilichen Haftstrafe 9 0 . Entzündet hatte sich die Kontroverse an einer elsass-lothringischen Ministerialverfügung von 1898, die für polizeilich erkannte Haftstrafen eine Rechtshilfepflicht verneinte 9 1 , und an Weigerungen hohenzollernscher Polizeibehörden, von württembergischen Polizeibehörden erkannte Haftstrafen vollstrecken zu helfen 9 2 . — Besondere Aufmerksamkeit wandte das Rechtsschrifttum dem Ersuchen der Verwaltungsbehörden an die Amtsgerichte um eidliche und uneidliche Vernehmung von Zeugen zu. Hierbei ging es zum einen u m die Zeugenvernehmung auf Ersuchen der Disziplinarbehörden, zu der oben schon die Rechtsprechung berichtet wurde. Der heikle Punkt war, ob das Gericht auch den Zeugniszwang einzusetzen habe. Den Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis, den Delius, wie schon erwähnt, zur allgemeinen Grundlage einer gesetzesunabhän87

Delius (Anm. 75), S. 511 f. P r V B l 1908/1909, S. 511. Nach seiner Auffassung statuiert die oben Anm. 46 angeführte, von der Rechtsprechung besonders des Kammergerichts herangezogene „Vorschrift des § 38 der Königlichen Verordnung vom 2. Januar 1849 . . . eine wechselseitige Rechtshilfepflicht lediglich der Preußsichen Gerichte und Verwaltungsbehörden". se VerwArch 17 (1909), S. 348. 88

90 91 92



Ebd. S. 348 f. Ebenso Frank auch P r V B l 1908/1909, S. 446 und S. 511 f. Vgl. den Hinweis P r V B l 1907/1908, S. 670. Vgl. dazu Frank (Anm. 83), S. 342 f.; ders. (Anm. 90), S. 446.

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gigen Rechts- und Amtshilfepflicht zu machen versucht hat, hat er erstmals zur Rechtfertigung des rechtshilfemäßigen Einsatzes des Zeugniszwangs entwickelt 9 3 . Seine Problemexposition läßt dabei die Reichweite und Fragwürdigkeit des Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis deutlich erkennen. „Aus der übrigens bestrittenen, von der herrschenden Meinung aber angenommenen Verpflichtung der Gerichte zur Rechtshilfe den Disziplinarbehörden gegenüber folgt garnichts für die Entscheidung der Frage, ob gegen den Zeugnisverweigerer ein Zwang stattzufinden hat. Diese Frage berührt nicht das Verhältnis der Behörden zueinander, sondern das Verhältnis der Staatsgewalt zu den Staatsbürgern 0 4 ." Gleichwohl meint Delius, m i t dem Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis der Disziplinarbehörde den Zeugniszwang zubilligen und insoweit eine Anleihe beim Strafprozeßrecht fordern zu müssen 95 . Zum anderen 96 wandte das Rechtsschrifttum seine Aufmerksamkeit den Ersuchen u m Zeugenvernehmung bei der Reichstagswahlprüfung zu. Hier mußte die Rechts- u n d Amtshilfe über die staatsrechtlichen Grenzen sowohl zwischen Gesamt- und Gliedstaat als auch zwischen Legislative, Exekutive und Judikative greifen. Die Reichsverfassung wies i n A r t . 27 die Prüfung der Legitimation der Reichstagsmitglieder dem Reichstag zu. Dieser konnte aber bei Wahlanfechtungen und -Prüfungen die nötigen Beweiserhebungen, insbesondere die eidlichen Zeugenvernehmungen nicht selbst vornehmen. Deshalb ersuchte er den Reichskanzler, der dann die Regierung des betreffenden Gliedstaats ersuchte, die wiederum entweder die Gerichte u m die eidliche Vernehmung ersuchen oder die Verwaltungsbehörden, die i n manchen Gliedstaaten zu eidlichen Vernehmungen befugt waren, entsprechend auffordern mußte 9 7 . Delius erledigt auch diese Frage m i t dem Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis 9 8 , den i n diesem Zusammenhang auch das Oberlandesgericht Naumburg i n seiner oben angeführten Entscheidung heranzieht 9 9 , findet damit aber scharfen Widerspruch. „Denn wenn auch nach A r t . 27 der R V . . . das Parlament Beweiserhebungen beschließen kann, so folgt doch nicht ohne weiteres aus dieser Vorschrift, daß der einzelne Staatsbürger auch Folge leisten muß und daß diese Bestimmungen ohne weiteres auch den Staatsbürger verpflichtende Normen darstellen. Hierzu ist ein Gesetz erforderlich . . ." 1 0 °. 93

DJZ 1897, S. 48 ff. Ebd. S. 48. 95 Ebd. S. 49. 96 Vgl. zu einem dritten Komplex der Zeugenvernehmung auf Ersuchen der Steuerbehörden Glatzer, P r V B l 1909/1910, S. 79 ff. 97 Vgl. zum Verfahren mit Nachw. Dreyer, JW 1912, S. 623. 98 P r V B l 1908/1909, S. 349. 99 Siehe oben Anm. 51. 100 Liedtke, JW 1909, S. 42. 94

2.2 Kontroverse um gesetzesunabhängige Amtshilfe

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Dreyer meint von der Folgerung der Befugnis aus der Aufgabe, sie stehe „ i n schärfstem Widerspruch m i t den fundamentalsten Grundsätzen des Rechtsstaats. M i t den gleichen Argumenten könnte man wohl auch beweisen, daß der einzelne Staatsbürger verpflichtet sei, der Polizei jede gewünschte Auskunft zu erteilen" 1 0 1 . Kontroversen u m einzelne Fall- und Problemtypen gesetzesunabhängiger Rechts- und Amtshilfe, wie sie aus dem Kaiserreich zu berichten waren, scheint es i n der Weimarer Republik nicht gegeben zu haben. Überhaupt hat die Amtshilfe i n der Weimarer Republik nur ein geringes, ein verstärktes Interesse dafür unter dem Nationalsozialismus gefunden. Nach der Gleichschaltung der Länder konnte die Pflicht zur Amtshilfe ohne Rücksicht auf gesamt- und gliedstaatliche Kompetenzund Zuständigkeitsgrenzen reichsweit gefordert werden. Die Begründung für eine solche gesetzesunabhängige Rechts- und Amtshilfe fügt den schon bekannten Argumenten keine neuen hinzu; sie stellt auf einen nicht weiter hergeleiteten „allgemeinen staatsrechtlichen Grundsatz" 1 0 2 oder auf „das natürliche Band der grundsätzlichen Einheit aller Staatstätigkeit" und den „organisatorischen Zwang" zur Amtshilfe als „Auswirkung staatlicher Organisation" a b 1 0 3 und überhöht lediglich diese Argumente m i t zeitgemäßer Polemik gegen die überkommenen liberalistischen, positivistischen und legalistischen Fesseln der Verwalt u n g 1 0 4 . Unter dem Nationalsozialismus fand die Amtshilfe auch Interesse als Gegenstand der Dissertationsliteratur 1 0 5 . Diese verbleibt i n den schon aufgezeigten Argumentationsbahnen; dabei sieht auch sie sich noch i n einer Kontroverse u m die Möglichkeit gesetzesunabhängiger Amtshilfe, i n der sie dann für diese Möglichkeit Stellung bezieht unter Verweis auf die Einheit der Staatsgewalt und auf den Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis 1 0 6 . Die Einheit von Staat und Partei setzt sie i n die Pflicht zur Leistung von Amtshilfe an die Parteidienststellen um107. Auch die zusammenfassende Charakterisierung der Behandlung der Amtshilfe i m Rechtsschrifttum kann nicht eindeutig ausfallen. Eine 101 Dreyer (Anm. 97), S. 626. — Vgl. den Widerspruch zu Delius und die A b lehnung des Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis auch bei Loening, PosMschr 1912, S. 3; Fuchs, Recht 1909, S. 94 f. 102

Schmidt, D J 1940, S. 590. Ν aß, RVB1 1935, S. 950 f. 104 Ebd. S. 952. 105 Schirmeister, Begriff und Umfang innerstaatlicher Amtshilfe; Niemann, Beistandsleistung zwischen Behörden. Davor schon, ganz im Sinn der oben erwähnten Handwörterbücher, Stoye, Die Amtshilfe nach Reichsrecht. 106 Niemann, ebd. S. 124 ff.; Schirmeister, ebd. S. 14 ff. 107 Schirmeister, ebd. S. 17 ff. 103

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gesetzesunabhängige allgemeine Rechts- und Amtshilfepflicht w i r d bis unter den Nationalsozialismus als problematisch und kontrovers thematisiert. Neben der These, es dürfe sie nicht geben, stehen die anderen Thesen, die sie m i t verschiedenen Argumenten fordern. Dabei kehren immer wieder zum einen das Argument der Einheit der Staatsgewalt, zum anderen der Schluß vom Zweck auf das M i t t e l und von der Aufgabe auf die Befugnis und zum dritten ein Hinweis auf organisatorische Gestaltungsnotwendigkeiten und auch Gestaltungsmöglichkeiten. Die rechts- und amtshilferechtliche Vorstellung, daß es für die Verwaltung ebenso notwendig wie möglich und daß es üblich und selbstverständlich sei, Zuständigkeitsgrenzen als handhabbar und verschiebbar zu behandeln, hat sich i n Rechtsprechung und Rechtsschrifttum staatsrechtlich nie näher ausgewiesen u n d begründet. Wiewohl unter dem Begriff der Organisationsgewalt nicht präsentiert, dürfte sie unter i h m doch zu diskutieren sein. Bei i h m findet sie am ehesten ihren staatsrechtlichen Ort. 2.2.4 Auch indem die amtshilferechtliche Argumentation der Rechtsprechung und des Rechtsschrifttums i m Ergebnis kein eindeutiges B i l d bietet, ist der Befund aussagekräftig. Er beantwortet zunächst die Frage, m i t der oben der Blick auf Rechtsprechung und Rechtsschrifttum unter den früheren Verfassungsordnungen eingeleitet wurde. Oben w a r beobachtet worden, daß die amtshilferechtlichen Regelungen des Reichs die Überwindung glied- und gesamtstaatlicher Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen entweder zu ihrem Ziel oder insofern zu ihrem Ertrag hatten, als bei einer konkreten Regelung der Verfassung und des Verfahrens von Behörden eine konkrete Amtshilfepflicht statuiert und deren Erfüllung dann auch über die gesamt- und gliedstaatlichen Kompetenz» und Zuständigkeitsgrenzen hinweg verlangt wurde. Nie, so war festgestellt worden, gingen die amtshilferechtlichen reichsgesetzlichen Regelungen i n die Richtung der Begründung einer allgemeinen, an die einzelnen Gesetzgebungskompetenzen bzw. -materien des Reichs nicht angebundenen Amtshilfepflicht. Diese Feststellung konnte für die These des ausschließlich bundesstaatsbezogenen Verständnisses der amtshilferechtlichen Verfassungsbestimmungen nur dann sprechen, wenn eine allgemeine Amtshilfepflicht nicht jeweils i m Gesamt- und i n den Gliedstaaten ohnehin gegolten und darum nur noch der Ausweitung über die gesamt- und gliedstaatlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen bedurft hatte. Oben mußte deshalb die Frage gestellt werden, ob Rechtsprechung und Rechtsschrifttum eine solche allgemeine Amtshilfepflicht zugrundegelegt haben. Jetzt kann die A n t w o r t gegeben werden. Eine allgemeine Amtshilfepflicht wurde i n Rechtsprechung und Rechtsschriftt u m zwar immer wieder behauptet und gefordert, immer wieder aber

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auch bestritten. Von einer festen Auffassung, Amtshilfe sei jeweils i m Gesamt- und i n den Gliedstaaten gesetzesunabhängig allgemein zu leisten, kann i m Kaiserreich, i n der Weimarer Republik und auch unter dem Nationalsozialismus nicht die Rede sein. Die amtshilferechtliche Gesetzgebung des Reichs mußte sich also nicht etwa deswegen auf die Überwindung der gesamt- und gliedstaatlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen beziehen, weil alles andere i m Bereich der Amtshilfe schon geregelt gewesen wäre. Vielmehr hatte der Bezug seinen Grund darin, daß allein er den amtshilferechtlichen Verfassungsbestimmungen (Art. 4 Ziff. 11 RV, A r t . 7 Ziff. 3 WRV) entsprach. Deren bundesstaatsbezogenes Verständnis hat damit eine Bestätigung gefunden, und eine Bestätigung hat damit auch das entsprechende Verständnis von Art. 35 Abs. 1 GG erhalten, der i n der Tradition von A r t . 7 Ziff. 3 WRV und von A r t . 4 Ziff. 11 RV steht. Aber selbst wenn von diesem Traditionszusammenhang und m i t i h m vom Bundesstaatsbezug des A r t . 35 Abs. 1 GG abgesehen wird, folgen aus der Entwicklung der amtshilferechtlichen Rechtsprechung sowie des amtshilferechtlichen Schrifttums Bedingtheiten und Beschränktheiten des A r t . 35 Abs. 1 GG. Die vom Kaiserreich bis unter den Nationalsozialismus verfolgte Entwicklung hält zwar den Begriff der Amtshilfe durch, aber unter diesem Begriff ein Problem und nicht dessen Lösung. Sie faßt unter dem Begriff der Amtshilfe Hilfeleistungen, m i t denen Behörden zwischen ihnen bestehende Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen überspielen, und nimmt dabei den Begriff der Amtshilfe wie auch den der Rechtshilfe so weit, daß beide zusammen das gesamte Feld der kompetenz- und zuständigkeitsgrenzüberschreitenden behördlichen Hilfeleistungen abdecken. Aber zugleich sind i h r die rechtlichen Voraussetzungen und der tatsächliche Umfang der zu fordernden bzw. zu leistenden Hilfe problematisch. Der Begriff der Amtshilfe dient ihr zunächst nur zur Bezeichnung der Probleme und zum Einstieg i n sie. Wie die Probleme zu lösen sind, ob bzw. wann die Hilfe w i r k l i c h gefordert werden darf bzw. geleistet werden muß, ist dann erst noch die Frage, die i m Lauf der Entwicklung kontrovers beantwortet wird. Die Antworten begnügen sich auch da, wo sie eine allgemeine gesetzesunabhängige Amtshilfepflicht grundsätzlich bejahen, nicht damit, eine Situation als kompetenz- und zuständigkeitsmäßig defizitär zu beschreiben und an die Voraussetzung dieser Situation die Rechtsfolge der kompetenz- und zuständigkeitsüberschreitenden Hilfe zu knüpfen. Vielmehr sehen sie die Probleme, die i m Verhältnis der Staatsgewalt zu den Staatsbürgern aus dem Überspielen von Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen resultieren können, und versuchen deren Lösung, indem sie das Argument der Einheit der Staatsgewalt, den Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis oder die K r a f t der Organisationsgewalt

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einsetzen und als Bestandteil der Rechts- und Verfassungsordnung behaupten. Selbst da also, wo die allgemeine gesetzesunabhängige Amtshilfepflicht grundsätzlich bejaht wird, w i r d sie nach Maßgabe der Rechts- und Verfassungsordnung und i n deren Grenzen bejaht, und entsprechend w i r d sie bei einer anders verstandenen Maßgabe, bei enger gefaßten Grenzen der Rechts- und Verfassungsordnung verneint. 2.3 Die Dogmatik der Amtshil£e vor dem Verwaltungsverfahrensgesetz 2.3.1 So ist der Begriff der Amtshilfe, der bei Schaffung des Grundgesetzes vorgefunden wurde, zunächst nur ein Problem- und Verweisbegriff. Er bezeichnet das Problem, wann kompetenz- und zuständigkeitsgrenzüberschreitende behördliche Hilfe gefordert werden darf bzw. geleistet werden muß, und er verweist für die Lösung des Problems auf die Rechts- und Verfassungsordnung. Diesen Begriff hat das Grundgesetz i n A r t . 35 Abs. 1 aufgenommen, m i t i h m mußte es die Probleme und für deren Lösung den Verweis auf die Verfassungsordnung 108 übernehmen. Von seiner bundesstaatsbezogenen Pointe abgesehen, erlaubt und fordert A r t . 35 Abs. 1 GG eine Amtshilfe, die m i t der übrigen Verfassungsordnung vereinbar ist. Wann diese das Überspielen von Kompetenz« und Zuständigkeitsgrenzen gestattet, wann sie dafür ein Gesetz verlangt, wann sie dafür sonstige rechtliche Voraussetzungen normiert — von diesen Fragen werden Theorie und Praxis der Amtshilfe durch A r t . 35 Abs. 1 GG nicht dispensiert. A u f diese Fragen werden sie durch den Problem- und Verweisbegriff der Amtshilfe vielmehr gestoßen. I n ihnen sind Bedingtheiten und Beschränktheiten der Aussage des A r t . 35 Abs. 1 GG grundsätzlich angelegt, über ihrer Beantwortimg sind der Umfang und die Grenzen der Amtshilfe konkret zu entwickeln. Es mag scheinen, als werde so die Aussage des A r t . 35 Abs. 1 GG entleert oder relativiert, als werde der kategorische K l a n g der indikativischen Formulierung nicht eingelöst. Aber gegen den Ansatz, der die Amtshilfe auf die übrige Verfassungsordnung verweist und i n sie einbindet, kann der Wortlaut von Art. 35 Abs. 1 GG nicht ausgespielt werden. Daß dieser Ansatz A r t . 35 Abs. 1 GG entleere, t r i f f t schon wegen seiner bundesstaatsbezogenen Pointe nicht zu. Daß er ihn relativiere, 108 Statt vom Verweis auf die Rechts- und Verfassungsordnung muß hier nur noch vom Verweis auf die Verfassungsordnung die Rede sein. Solange die Amtshilfe in den Verfassungen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik nur ein Kompetenzbegriff und im übrigen ein Begriff des einfachen Rechts war, war das mit der Amtshilfe gegebene Problem nach Maßgabe der Rechtsund Verfassungsordnung zu lösen. Nachdem die Amtshilfe im Grundgesetz ein Verfassungsbegriff geworden ist, ist das Problem nach Maßgabe allein der Verfassungsordnung zu lösen.

2.3 Dogmatik der Amtshilfe vor dem Verwaltungsverfahrensgesetz

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geht an dem Umstand vorbei, daß das Grundgesetz m i t dem Begriff der Amtshilfe eben einen problematischen u n d damit relativen Begriff vorgefunden und aufgenommen hat. Was aber den kategorischen Klang der indikativischen Aussage angeht, so findet er sich i m Grundgesetz auch an anderen Stellen, und auch an diesen anderen Stellen versteht sich, daß die Maßgabe der übrigen Verfassungsordnung gilt. Wenn das Grundgesetz indikativisch und kategorisch feststellt, daß die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben, soweit sie nicht Sache des Bundes ist, Sache der Länder ist (Art. 30), daß der Bund zur Verteidigung Streitkräfte aufstellt (Art. 87a Abs. 1 Satz 1) oder daß die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut ist (Art. 92), dann ist i n diesen der staatlichen Organisation geltenden Bestimmungen stets vorausgesetzt, daß für das Verhältnis der staatlichen Organe zum Bürger die Maßgabe der übrigen Verfassungsordnung gilt. Nicht anders verhält es sich auch bei A r t . 35 Abs. 1 GG. Für die nähere juristische Behandlung der Amtshilfe unter dem Grundgesetz bedeutet dies, daß vor aller Arbeit am Begriff der Amtshilfe und am Begriff der Behörde die Vergewisserung stehen muß, welche Bedingungen die Verfassungsordnung für den Ausgleich von Kompetenz- und Zuständigkeitsdefiziten, für das Überspielen von Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen statuiert. Von dieser Vergewisserung hängen die Begriffsbestimmungen ab. 2.3.2 Tatsächlich ist die juristische Behandlung der Amtshilfe unter dem Grundgesetz zumeist anders vorgegangen. Statt die Verfassungsbestimmung des A r t . 35 Abs. 1 GG i n ihrem Problem- und Verweisgehalt zu sehen und m i t der Frage zu beginnen, wann die Verfassungsordnung des Grundgesetzes ein Überspielen von Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen erlaubt, hat sie die Bestimmung als die A n t w o r t auf diese Frage genommen und als die allgemeine und unbedingte Statuierung des Rechts, Amtshilfe zu fordern, und der Pflicht, sie zu leisten 1 0 9 . A u f dieser Grundlage w a r Gegenstand der juristischen Behandlung nur noch die Bestimmung der Begriffe der Amtshilfe und der Behörde. Auch i n dieser Arbeit am Begriff konnten sich grundsätzliche 109 Vgl. bald nach Entstehen des Grundgesetzes Schmidt, Wesen und Funktion der dienstlichen Zusammenarbeit unter Behörden, S. 60: „Damit (mit Art. 35 GG) war jene generelle Rechtsgrundlage für . . . A m t s h i l f e . . . geschaffen, der die Praxis schon lange bedurft hatte." Ebd. S. 65: „(Es muß) die Bedeutung des Artikel 35 GG in Sonderheit darin gesehen w e r d e n . . . , einer schon lange geübten Einrichtung der Praxis — der Rechtshilfe und Amtshilfe — weiteste gesetzliche Grundlage zu geben." — Vor Entstehung des Grundgesetzes versteht Stelzer, Rechtshilfe i m innerstaatlichen Verkehr, S. 3 die „Verpflichtung der Behörden, sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit und zur Erfüllung ihrer Aufgaben gegenseitig Beistand zu leisten, (als) geltendes Gewohnheitsrecht".

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2 Dogmatik der Amtshilfe im Wandel der Verfassungsordnungen

Probleme der Amtshilfe und konnte sich deren Einbindung i n die übrige Verfassungsordnung zur Geltung bringen. Aber auf der Grundlage der Allgemeinheit und Unbedingtheit der Amtshilfe konnten sie nurmehr Modifikationen und Korrekturen bewirken, die überdies unter der Begründungslast standen, der Ausnahmen von einem Grundsatz eben ausgesetzt sind. A m Vorabend der Regelungen der Amtshilfe i n den Verwaltungsverfahrensgesetzen und diese beeinflussend bietet die juristische Behandlung der Amtshilfe das folgende Bild. Das Schrifttum geht überwiegend davon aus, daß Amtshilfe, gestützt allein auf A r t . 35 Abs. 1 GG, gesetzesunabhängig stattfindet 1 1 0 , und es versteht dabei den Begriff der Amtshilfe dahin, daß er, geprägt durch die historische Entwicklung, vom Beistand m i t personellen, räumlichen und sächlichen M i t t e l n über den Austausch von Informationen bis zum Einsatz von hoheitlichen Befugnissen reicht 1 1 1 . Demgegenüber kennt Forsthoff zwei verschiedene Amtshilfebegriffe und unterscheidet von einer einfachen, ohne gesetzliche Regelung zu leistenden sächlichen, räumlichen und personellen Amtshilfe eine gesteigerte, nur auf gesetzlicher Grundlage zu erbringende Amtshilfe durch den Einsatz von hoheitlichen Befugnissen. Gewissermaßen dazwischen siedelt er den Austausch von Informationen über private Befindlichkeiten einer Person an; durch einen konkreten Verwaltungszweck veranlaßt und für i h n erhoben, stehen sie für die anderen Verwaltungszwecke der ersuchenden Behörde nur nach pflichtgemäßer Abwägung der ersuchten Behörde zur Verfügung 1 1 5 . Von dieser Unterscheidung Forsthoffs hat das übrige Schrifttum zuweilen den besonderen Begriff der gesteigerten Amtshilfe ohne seine besonderen Anforderungen übernommen 1 1 3 , zuweilen sowohl den Begriff als 110 Vgl. neben der sogleich erörterten Einschränkung Forsthoffs aber auch die Darlegung Müllers, DVB1 1957, S. 792. Sie berührt sich mit der Bestimmung des Regelungsziels und Regelungsgegenstands von Art. 35 Abs. 1 GG, wie sie in diesem Abschnitt vorgenommen wird. Denn auch für Müller „liegt das Schwergewicht dieser Vorschrift auf der bei dem bundesstaatlichen Aufbau unseres Staatswesens vielleicht nicht selbstverständlichen Ausdehnung über die inneren Grenzen hinweg. Hinzutreten muß ein (nicht notwendig geschriebener) Rechtssatz, der der ersuchten (offensichtlicher Druckfehler, soll heißen: ersuchenden) Stelle die Befugnis zum Ersuchen um Hilfe verleiht und der ersuchten Stelle die Pflicht, dem Ersuchen nachzukommen, auferlegt." 111 Klückmann, D Ö V 1976, S. 335; Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I I , S. 123; Foerster, SKV 1975, S. 271 f.; T.Stein, Amtshilfe in auswärtigen Angelegenheiten, S. 90; Leinius, Ri A 1973, S. 182 f.; Karehnke, D Ö V 1972, S. 809; von Mangoldtf Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Band, Art. 35 Anm. V 4 p r . ; Pleitner, BayVBl 1964, S.247f.; Birkner, BayBgm 1962, S. 8 f.; Sorge, GemTg 1958, S. 104; Moll, RiA 1957, S. 215; ders., DVB1 1954, S. 698; Prost, D Ö V 1956, S. 81; Eckner, A P F 6 (1954), S. 720 f. 112 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 104 f. 118 Wolff /Bachof (Anm. I l l ) , S. 123 ff.; Klückmann (Anm. 111); Kreis, D Ö V 1961, S. 57; unklar von Mangoldt/Klein (Anm. 111), Anm. V 4 b, die von einem

2.3 Dogmatik der Amtshilfe vor dem Verwaltungsverfahrensgesetz

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auch die Anforderungen ausdrücklich abgelehnt 1 1 4 und nur selten beides übernommen 1 1 5 . Stattdessen hat es andere Begrenzungen seines zunächst so schneidigen Amtshilfegrundsatzes gesucht; es hat z.B. das Tätigwerden der ersuchten Behörde außerhalb ihres Befugnisrahmens für nicht erlaubt, außerhalb ihres Aufgabenkreises für nicht geboten e r k l ä r t 1 1 6 , hat verlangt, daß besondere Befugnisse, die der ersuchten Behörde für besondere Zwecke zugewiesen sind, nicht i m Weg der Amtshilfe für andere Zwecke eingesetzt werden dürfen 1 1 7 , hat der Amtshilfe entgegenstehende Geheimhaltungspflichten erörtert 1 1 * oder hat an den Voraussetzungen des Ersuchens gearbeitet und dieses nur als besonderes Ersuchen i m Einzelfall 1 1 9 oder i n der Ausnahmesituation 1 2 0 , nicht aber als generelles Ersuchen für eine Vielzahl von Fällen akzeptiert. Aber die Begrenzungen, weithin als Bestimmungen des Amtshilfebegriffs präsentiert, blieben u m s t r i t t e n 1 2 1 und gerieten gelegentlich überhaupt unstimmig; so versteht sich zwar, daß ein Tätigwerden außerhalb des eigenen Befugnisrahmens nicht erlaubt ist, aber ebenso versteht sich, daß nur ein Tätigwerden für fremde Aufgaben Amtshilfe sein kann, innerhalb des eigenen Aufgabenkreises dagegen Erledigung eigener Angelegenheiten ist. Gerade der Einsatz eigener Befugnisse für „zumindest erkenntnisförderlichen Wert solcher weiteren Unterscheidungen innerhalb der Amtshilfe" sprechen. 114 Stein (Anm. 111), S.88ff.; Dreher (Anm. 34), S.99f.; Moli (Anm. 111), S. 216 f. bzw. 298. 115 Pietzner, Amtshilfe, Sp. 41; Maunz, Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 35 Bandnr. 1 (1973), der allerdings mit der Feststellung, Art. 35 vermöge „nicht die Befugnisse der ersuchten Behörde gegenüber dem Bürger zu erweitern", mit der er die Forsthoffsche Anforderung aufnimmt, diese etwas trivialisiert; Groß, RiA 1964, S. 6; Arndt, N J W 1963, S. 26, der im Verlauf seines Aufsatzes freilich an der Anforderung nicht festhält, wenn er den Beistand für zulässig hält, der „einen Mangel in der Kompetenz der ersuchenden Behörde, ζ. B. weil ihr die Befähigung fehlt, körperlichen Zwang auszuüben, durch eine Kompetenz der ersuchten Behörde (ergänzt)"; unter Ablehnung zwar des Forsthoffschen Begriffs, unter Übernahme aber seiner A n forderung Hentschel, Die innerstaatliche Rechts- und Amtshilfe, S. 102 ff. 116 Moll (Anm. I l l ) , S. 216 bzw. 698 f.; ähnlich Kiskalt, Polizei 1960, S. 233 f. 117 Dreher (Anm. 34), S. 99; besonders für polizeiliche Befugnisse Denecke, Deutsche Polizei 1960, S. 211 ff. 118 Wolff /Bachof (Anm. I l l ) , S. 125; Stein (Anm. 111), S.96f.; Pietzner (Anm. 115), Sp.41f.; Groß, RiA 1966, S.81f.; ders. (Anm. 115), S.6f.; Dreher (Anm. 34), S. 101 ff.; Moll (Anm. I l l ) , S. 216 bzw. 699. 119 Wolff /Bachof (Anm. I l l ) , S. 123 ff.; Foerster, SKV 1971, S. 184; Rode/ Schnapp, ZfS 1971, S. 66 f.; Birkner (Anm. I l l ) , S. 9. — Vgl. aus der Rechtsprechung BVerwG, NJW 1960, 1409—1410 (1410). 120 Stein (Anm. 111), S.87f.; Hof er, N Z Wehrr 15 (1973), S.3; Kaufmann, Probleme der Amtshilfe und Amtsverschwiegenheit in der Jugendhilfe, S. 8; Dreher (Anm. 34), S. 24; Hentschel (Anm. 115), S. 44 ff. 121 Für eine Amtshilfe auch aufgrund generellen Ersuchens Leinius (Anm. I l l ) , S. 183 f.; Pleitner (Anm. I l l ) , S.249; Kiskalt (Anm. 116), S.234; Moll (Anm. I l l ) , S. 215 bzw. 698.

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2 Dogmatik der Amtshilfe i m Wandel der Verfassungsordnungen

fremde Aufgaben ist das zentrale Problem der Amtshilfe. I h n läßt der i m Schrifttum überwiegende schneidige Amtshilfegrundsatz zu, und als Grundsatz ernstgenommen überspielt er damit die Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen und sprengt er die Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung. Nun ist diese Ordnung zu fest gefügt, als daß sie durch das Institut der Amtshilfe aus den Angeln gehoben werden könnte. Auch sind die Behörden i n der Regel m i t den Befugnissen, deren sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedürfen, hinreichend ausgestattet und nur i m Einzelund Ausnahmefall auf die Hilfe durch andere Behörden angewiesen. Insgesamt dürfte der schneidige Amtshilfegrundsatz über die Amtshilfebedürfnisse und auch über die Amtshilfebereitschaft der Praxis hinausgehen. Für deren Auffassung mag aus der spärlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf von 1957 als repräsentativ gelten. „ A r t . 35 GG ist eine Rahmenvorschrift, die gegenüber dem früheren Rechtszustand nichts wesentlich Neues ausspricht." Von der Beistandspflicht der Behörden meint das Oberlandesgericht, i h r Grundsatz habe „ i n A r t . 35 GG seine verfassungsrechtliche Verankerung gefunden, ohne daß damit Umfang und Grenzen der Beistandspflicht festgelegt sein sollten . . . Dieser Umfang kann nur gesetzlichen Vorschriften und anerkannten Rechtsgrundsätzen entnommen werden" 1 2 2 . Damit bleibt das Oberlandesgericht letztlich unverbindlich; es hält offen, daß beim Fehlen gesetzlicher Vorschriften auch einmal die anerkannten Rechtsgrundsätze einspringen und daß m i t ihnen der schneidige Amtshilfegrundsatz zur Geltung kommt. Gerade diese zugleich behutsame und offenhaltende Unverbindlichkeit dürfte das sein, was die Praxis wünscht. Die Folge ist, daß der schneidige Amtshilfegrundsatz, ohne die Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung insgesamt aus den Angeln heben zu können, sie i m Einzelfall doch an durchaus sensiblen Punkten zerstören und insofern auch insgesamt gefährden kann. Zu dieser problematischen Folge w i r d die gängige juristische Behandlung der Amtshilfe durch ihren problematischen Ansatz geführt. Dieser leitet sie auf eine Arbeit am Begriff, bei der die historische Entwicklung m i t dem Ziel der griffigen Formel verkürzt und verfälscht wird. Der historisch geprägte weite Amtshilfebegriff w i r d statt als die weitgreifende Bezeichnung eines Problems als dessen weitherzige Lösung genommen. Dadurch geraten die verfassungsrechtlich vorgegebenen und 122 NJW 1957, 1037—1038 (1037). — Vgl. auch BVerwGE 34, 336—346; hier stellt das Bundesverwaltungsgericht S. 340 fest, daß Art. 35 Abs. 1 GG „nichts über Inhalt und Umfang der Rechts- und Amtshilfe aussagt", und fährt etwas unklar fort, „diese (würden) vielmehr von dem für die ersuchende und die ersuchte Behörde geltenden Recht bestimmt".

2.3 Dogmatik der Amtshilfe vor dem Verwaltungsverfahrensgesetz

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verfassungsgeschichtlich veränderten Bedingungen für die Problemlösung aus dem Blick. Zwar vermeidet die gängige juristische Behandlung nicht jeden Versuch einer tieferen Begründung ihres Verständnisses der Amtshilfe. Neben den Hinweisen auf die Gebotenheit des Einsatzes der ersuchten Befugnis zur Erreichung der anvertrauten A u f gabe und auf die Üblichkeit und Selbstverständlichkeit entsprechender organisatorischer Gestaltungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten findet sich besonders der Hinweis auf die Einheit der Staatsgewalt 1 2 3 . Aber diese Begründungen werden der Überprüfung auf ihre Tragfähigkeit und Überzeugungskraft unter dem Grundgesetz nicht unterzogen. Dabei sind sie und nicht irgendwelche begrifflichen Konventionen der Boden, auf dem das Institut der Amtshilfe historisch gewachsen ist. Ihre Überzeugungskraft und Tragfähigkeit unter dem Grundgesetz sind daher für die juristische Behandlung des A r t . 35 Abs. 1 GG und für die Beurteilung der Regelungen der Amtshilfe i n den Verwaltungsverfahrensgesetzen von der größten Bedeutung. M i t ihrer historischen Aufarbeitung und verfassungsrechtlichen Überprüfung soll daher die Vergewisserung, welche Voraussetzungen und Grenzen die Verfassungsordnung des Grundgesetzes für die Amtshilfe statuiert, beginnen.

128 Die Einheit der Staatsgewalt hat noch vor der Entstehung des Grundgesetzes das Bezirksverwaltungsgericht Berlin 1947 zur Begründung der Amtshilfe herangezogen (NJW 1947/1948, 280), sie wird nahezu in der gesamten in den letzten Anmerkungen angeführten Literatur hervorgehoben, und auch das Bundesverfassungsgericht spricht BVerfGE 7, 183—190 (190) i n „der in Art. 35 GG gesicherten Beistandsleistung, die die notwendige Folge der Trennung der Gewalten und der Ausübung der Staatsgewalt durch verschiedene Behörden ist. Darin kommt die Einheit des Staatsorganismus zum Ausdruck."

3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staategewalt? Für die Einheit der Staatsgewalt gilt, was Georg Jellinek über die Souveränität sagt: Sie ist ein polemischer Begriff, manchmal offensiver und manchmal defensiver Natur 1 . Beide Begriffe dienten immer wieder dazu, politische Positionen zu behaupten, und sie haben ihre praktische Wirkung und ihre theoretische Gestalt i n politischen Konflikten gewonnen. Dabei sind Souveränität und Einheit oft gleichzeitig und gleichsinnig beansprucht und ist ihren Begriffen die gleiche oder eine ähnliche Bedeutung gegeben worden. Oft sind die beiden Begriffe i n den politischen Kämpfen von den verschiedenen Seiten aber auch i n durchaus unterschiedlichem, gegeneinander gerichteten und miteinander unvereinbaren Sinn gebraucht worden. Sie sind geschichtlichem Wandel unterworfen. Nachfolgend w i r d untersucht, ob politische und staatliche Einheitsvorstellungen i n ihrer geschichtlichen Entwicklung Konturen durchgehalten oder hervorgebracht haben, die Aussagen zur Amtshilfe erlauben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Einheit eines sozialen Gebildes zweierlei meinen kann, zum einen die Eigenständigkeit i. S. der Fähigkeit, sich von anderen sozialen Gebilden nicht aufspalten und nicht vereinnahmen zu lassen, und zum anderen die Geschlossenheit der inneren Struktur. Auch die politischen und staatlichen Einheitsbegriffe bezeichnen manchmal mehr die Nichtaufspaltbarkeit und Nichtvereinnahmbarkeit der politischen als der staatlichen Gewalt gegenüber den anderen gesellschaftlichen Gewalten und manchmal mehr die Kohärenz der politischen bzw. staatlichen Organisation. Das Problem der Amtshilfe ist ein Problem der organisatorischen Kohärenz. So muß die Untersuchung besonders dem Zusammenhang zwischen beiden Bedeutungen gelten: Wieviel innerer Geschlossenheit bedarf die äußere Eigenständigkeit und wieviel innere Differenzierung erlaubt oder fordert sie sogar? Verlangen die tradierten Einheitsvorstellungen und -begriffe ein Zusammenwirken der staatlichen Instanzen, wie die Amtshilfe es herstellt, oder lassen sie ganz verschiedene Ausgestaltungen der Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung zu und damit Ausmaß und Intensität amtshilfemäßiger Zusammenarbeit offen? 1

G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 441.

3.1 Wandlungen staatlicher Einheits vor Stellungen

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3.1 Wandlungen staatlicher Einheitsvorstellungen 3.1.1 I n einer Zeit, die zum gesicherten Bestand ihres wissenschaftlichen Bewußtseins rechnet, daß der Begriff des Staates ein historischer Begriff ist und die spezifische politische Ordnungsform bezeichnet, die i n Europa seit dem späten Mittelalter als Vorgang der Säkularisation entstanden ist 2 , kann der problemgeschichtliche Rückblick auf die Entwicklung des Begriffs der Einheit der Staatsgewalt nach jener Schwelle ansetzen 3 . Wie aus der personal gebundenen, territorial unabgeschlossenen und aus einzelnen Herrschaftsrechten zusammengesetzten Herrschaftsmacht die Staatsgewalt entstanden ist, ist bekannt 4 . Bekannt ist auch die entscheidende Bedeutung der konfessionellen Bürgerkriege für die Entwicklung. Bei den sie reflektierenden und auf Beendigung und Befriedigung sinnenden Theoretikern erfahren der Souveränitäts- und der Einheitsgedanke ihre Ausformung. Bodin faßt den Gedanken der Einheit i n dem der Unteilbarkeit, „la souueraineté est chose indiuisible" 5 . Zwar kann die Souveränität nicht nur bei einem einzelnen (Monarchie), sondern auch bei mehreren (Aristokratie) oder auch bei allen (Demokratie) liegen. Aber zwischen diesen drei möglichen Inhabern kann sie nicht aufgeteilt, i n einer gemischten Staatsform kann sie nicht realisiert werden. Die verschiedenen Merkmale der Souveränität („marques de souueraineté") sind nicht selbständige Einzelrechte, die verschiedenen Teilhabern der Souveränität zugewiesen werden könnten, sondern Ableitungen aus dem einen Recht, „donner loy aux subiects en general sans leur consentement", und bilden m i t diesem Recht die „puissance absolue" 6 . Indem die Rechtsetzung 2

Vgl. Böckenförde, Festschrift Forsthoff, S. 75. Nicht daß es in der Antike und im Mittelalter noch keine politischen Einheitsvorstellungen gegeben hätte. Vgl. zur Antike und zum Mittelalter Struve, Die Entwicklung der organologischen Staatsauffassung, und zum Mittelalter von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates. Die realen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst, zwischen dem Reich und den Nationen und zwischen der kaiserlichen und der landesherrlichen Gewalt spiegeln sich im begrifflichen Gegensatz verschiedener Einheitsvorstellungen. Dabei können behauptete und wirkliche Gegebenheiten in krassem Widerspruch stehen. Augenfällig ist dies z.B. bei den auf die kaiserliche Gewalt bezogenen Unbeschränktheitsfiktionen („summa potestas... summaque auctoritatis plenitudo") und Einheitseuphemismen („amat enim uniitatem suprema potestas suaque sponte ex multitudine fugit ad unum") des Aeneas Sylvus zu Anfang des 15. Jahrhunderts (vgl. Rehm, Geschichte der Staatsrechtswissenschaft, S. 196 ff., 202). 3

4 Vgl. Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 20 ff.; Böckenförde (Anm. 2), S. 75 f.; Brunner, Land und Herrschaft; Heller, Staatslehre, S. 125 ff.; vgl. auch schon Jellinek (Anm. 1), S. 435 ff. 5 Les six livres de la Republique, S. 254 (2. Buch, 1. Kap.).

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3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

allein dem Souverän zusteht, ist die Einheitlichkeit der Rechtsordnung gesichert, und indem die öffentlichen Ämter nur von „simples executeurs & ministres" 7 , „commissaires & procureurs" 8 wahrgenommen werden, ist alle öffentliche Gewalt einheitlich beim Souverän konzentriert 9 . Damit verlangt Bodin jedoch keine zentralisierte Behördenorganisation; er kennt öffentliche Aufgaben erfüllende Korporationen, deren Existenz und deren Ausübung öffentlicher Gewalt freilich von der Erlaubnis des Souveräns abhängen. Zumal bei der Behandlung der Demokratie, i n der anders als i n der Monarchie die persönliche Wahrnehmung der Kompetenzen durch den Souverän schlecht vorstellbar ist, muß Bodin i n weitem Umfang die Übertragung von Kompetenzen anerkennen und w i l l er sogar die unbefristete Übertragung nicht ausschließen 10 . So konnte bei Bodin der Ansatz der Unterscheidung und Trennung des pouvoir constituant von den pouvoirs constitués, der Innehabung von der Ausübung und der ursprünglichen von der abgeleiteten Staatsgewalt gefunden werden 1 1 . Die Einheit der Staatsgewalt schließt also schon i n der ersten reifen Ausformung, die sie bei Bodin findet, eine Vielzahl von Funktionen, Organen, Kompetenzen und Zuständigkeiten nicht aus. Diese müssen freilich dem Souverän verfügbar sein, und Bodin handelt von der Gefahr, daß der Souverän die Souveränität verliert, wenn die Amtsträger zu viel Macht ansammeln können 1 2 . Aber m i t dieser Gefahr ist doch, modern gesprochen, mehr ein politisches als ein rechtliches Problem angesprochen, w i e auch die Einheit der Staatsgewalt als die Unteilbarkeit ihrer Innehabung auf den politischen Kampf verweist, auf den Kampf u m die Selbständigkeit des nationalen Königtums gegenüber Kirche und Reich und u m seine • S. 142 (1. Buch, 8. Kap.). Die einzelnen Merkmale der Souveränität werden S. 211 ff. (1. Buch, 10. Kap.) behandelt. 7 S. 439 (3. Buch, 5. Kap.). 8 S. 223 (1. Buch, 10. Kap.). • Vgl. hierzu Quaritsch (Anm. 4), S. 267 ff. Quaritsch spricht hier von der „Einheit und Einzigkeit der Staatsgewalt", den Begriff der Einzigkeit der Staatsgewalt von Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 847 ff. übernehmend. Der Doppelbegriff der Einheit und Einzigkeit ist zwar nicht unanschaulich, aber unüblich und unnötig. Krüger selbst verwendet den Begriff der Einzigkeit statt des Begriffs der Einheit. 10 S. 581 ff. (4. Buch, 4. Kap.). 11 Dies ist die These von Quaritsch (Anm. 4), S. 312 ff. Allerdings ist die Ablehnung der gemischten Staatsform durch Bodin wohl nur aus einer Vermengung der Fragen der Innehabung und der Ausübung zu erklären. Die Trennung dieser Fragen hätte die Unterscheidung zwischen der Möglichkeit einer aus einem monarchischen, einem aristokratischen und einem demokratischen Element zusammengesetzten, einen höchsten Gewalt und der U n möglichkeit, den verschiedenen Elementen mehrere höchste Gewalten bzw. die eine höchste Gewalt mehrmals zuzuweisen, nahegelegt. 12 S. 581 ff. (4. Buch, 4. Kap.).

3.1 Wandlungen staatlicher Einheitsvortellungen

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Überlegenheit über die m i t konfessionellem Selbstbewußtsein erfüllten Stände. Ähnlich ist der Befund bei Hobbes. Die Einheit gehört zum Wesen des Staates („the essence of the commonwealth, which, to define it, is one person") 1 3 und die Unteilbarkeit zum Wesen der Souveränität („the rights, which make the essence of sovereignty . . . are incommunicable, and inseparable") 14 . Auch hier sind jede Rechtsetzimg und alle öffentliche Gewalt beim Souverän monopolisiert. Zugleich gibt es auch hier die Übertragung von Kompetenzen bei Bindung der Kompetenzträger an den Souverän; „the affairs of the city, both those of war and peace, cannot possibly be all administered by one man or one council without officers and subordinate magistrates; . . . they depend on, and be chosen by h i m who hath the chief command both i n w a r and i n peace" 15 . Die Lehre von der Unteilbarkeit präsentiert Hobbes i m Leviathan schroffer als i n De Cive. I n De Cive behandelt er die gemischte Verfassung, i n der die Ernennung der Kompetenzträger und die Entscheidung über Krieg und Frieden dem König, die Rechtsprechung dem Adel, die Entscheidung über Steuern und Abgaben dem Volk und die Rechtsetzung allen gemeinsam zusteht, noch m i t den Staatsformen und begründet ihre Ablehnung damit, daß sie dem Bürger bei Übereinstimmimg der verschiedenen Gewalten nicht mehr Freiheit schaffen könne und bei Nichtübereinstimmung die Friedlosigkeit des Bürgerkriegs bringen müsse 16 . I m Leviathan erörtert er sie nur noch unter den Ursachen der Schwächung und Zerstörung des Staates bei der „sixth doctrine, plainly and directly against the essence of a commonwealth; and i t is this, that the sovereign power may be devided" 1 T . Er verzichtet dabei auf eine Begründung der Ablehnung, er tut die gemischte Verfassung als krankes und monströses Gebilde ab. Aber die gemischte Verfassung ist hier für Hobbes auch gar nicht die eigentliche Gefahr, gegen die er die Einheit und Unteilbarkeit der Staatsgewalt schützen und verteidigen muß. Vorrangig behandelt er die Setzung einer „ghostly authority against the c i v i l " 1 8 . Vor allem i n diesem Gegensatz sind der Kampf u m die Souveränität, die Zerstörung der Einheit und die Gefahr von Bürger13 Leviathan, S. 158 (17. Kap.). Vgl. auch Philosophical Rudiments (De Cive), S. 69 (5. Kap., 9. Abschnitt) : „A city or civil society therefore, (that we may define it), is one person, whose will, by the compact of many men, is to be received for the w i l l of them all; so as he may use all the powers and faculties of each particular person to the maintenance of peace, and for common defence." 14 Leviathan, S. 167 (18. Kap.). 15 Philosophical Rudiments (De Cive), S. 77 f. (6. Kap., 10. Abschnitt). 16 Philosophical Rudiments (De Cive), S. 95 f. (7. Kap., 4. Abschnitt). 17 Leviathan, S. 313 (29. Kap.). 18 Leviathan, S. 316 ff. (29. Kap.).

5 S chi ink

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3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

krieg und Zerfall beschlossen. Wieder zeigt der Einheits- und Unteilbarkeitsgedanke i n der konkreten politischen Situation die konkrete polemische Pointe. 3.1.2 Daß er nicht nur, wie bei Bodin und Hobbes, m i t zwar unterschiedenen, aber völlig abhängigen Funktionen, Organe, Kompetenzen und Zuständigkeiten, sondern zunehmend auch m i t der Unterscheidung relativ unabhängiger Gewalten einhergehen kann, zeigt der Blick auf Locke. Auch bei i h m ist Einheit das Prinzip der political or civil society. M i t dem Übertritt vom Natur- i n den Gesellschaftszustand entsteht „one people, one body politic under one supreme government" 1 9 . A u f dieses supreme government w i r d die Gewalt der Mitglieder übertragen und i n i h m w i r d sie vereinigt, und wie sie i n den Händen der Mitglieder zwar nach ihren Inhalten unterscheidbare, aber zunächst ungeschiedene political power war, so ist sie auch i n den Händen der Gesellschaft zunächst die eine politische Gewalt des einen politischen Körpers 2 0 . Als „ i n the people (remaining) supreme power to remove or alter the legislative" ist sie pouvoir constituant vor und über allen pouvoirs constitués 21 . Aber auch unter den verfaßten, als Legislative und Exekutive voneinander geschiedenen und m i t Föderative und Prärogative noch weiter unterschiedenen Gewalten gibt es eine „one supreme power, which is the legislative, to which all the rest are and must be subordinate" 2 2 . Die Unterordnung w i r d durch die Verpflichtung auf die Gesetze hergestellt, sie gilt für Exekutive, Föderative und Prärogative 2 3 und erst recht für die zahlreichen verschiedenen abgeleiteten und verantwortlichen Organe und Kompetenzen („other powers i n any members or parts of the commonwealth", „other ministerial and subordinate powers") 2 4 . Sie alle dirigierend ist die Legislative „the soul that gives form, life, and unity to the commonwealth" 2 5 . Es liegt nahe, die Einheitskonzeption von Locke i n der Weise den Einheitskonzeptionen von Bodin und von Hobbes zuzuordnen, daß sie auf den 19

Two Treatises of Government, S. 389 (2. Buch, § 89). Die political power, wie sie im Naturzustand in den Händen der M i t glieder lag, wird von Locke S. 338 ff. (2. Buch, § 1 ff.) erörtert, wie sie in den Händen der Gesellschaft liegt und wie sie sich von der paternal or parental und von der despotical power unterscheidet, S. 440 ff. (2. Buch, § 169 ff.). 21 S. 426 (2. Buch, § 149). 22 S. 426 (2. Buch, § 149). 28 Zur Unterordnung der Exekutive und der Föderative S. 424 ff. (2. Buch, § 143 ff.), zur Unterordnung der Prärogative S. 434 ff. (2. Buch, § 159 ff.). Dabei soll in Innehabung der Prärogative auch einmal gegen den Buchstaben des Gesetzes gehandelt werden dürfen, nicht jedoch gegen die Grundlage und das Ziel der Gesetze; vgl. S. 436 f. (2. Buch, §164 f.). 24 S. 427 f. (2. Buch, § 150, 152). 25 S. 465 (2. Buch, § 212). 20

3.1 Wandlungen staatlicher Einheitsvorstellungen

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Begriff der demokratischen Innehabung der einen Staatsgewalt gebracht und von der Vorstellung der monarchischen Innehabung, zu der Bodin und Hobbes neigen, abgesetzt wird. Aber die von Locke erfaßte und gerechtfertigte bürgerliche Wirtschafts- und Erwerbsgesellschaft setzt nicht einfach ihre Innehabung gegen eine andere. Vielmehr realisiert sie Einheit statt i n einer strikten und direkten Unterordnung unter die eine, i n einer oder mehreren Personen konzentrierte und i m Befehl wirkende Gewalt i n einem über Normen funktionalisierten und kalkulierten Zusammenspiel der verschiedenen Gewalten. Dabei ist die politische Einheit, u m die Bodin und Hobbes gerungen haben, schon vorausgesetzt; einmal erreicht, kann sie von Staatstheorie und Staatsrecht auch i n ihre Differenzierungen entwickelt und noch i n ihnen bewahrt werden. Auch Rousseau kennt beides, die Einheit und die Scheidung von Gewalten. Die Einheit ist das Merkmal der Souveränität, „l'autorité souveraine est simple et une, et Ton ne peut la diviser sans la détrui r e " 2 6 . Grund hierfür ist die Allgemeinheit des Willens des Volkes, der i n den Gesetzen zum Ausdruck („la L o i n'étant que la déclaration de la volonté générale") 27 und über die Souveränität zur Ausführung („la souveraineté n'étant que la exercice de la volonté générale") 28 kommt. Diese Allgemeinheit ist zugleich der Grund für eine Sondierung der vollziehenden von der gesetzgebenden Gewalt. Denn sie ist zugleich materiell u n d formell; Rousseaus Begriff der Allgemeinheit meint das allgemeine Wohl i m Gegensatz zu den partikularen Interessen 29 , zählt alle und nicht nur einige Stimmen 3 0 und verlangt als Inhalte der Gesetze Regelungen, die für die Bürger i n ihrer Gesamtheit gelten und die Handlungen i n ihrer Abstraktion bezeichnen 31 . Dabei sind die allgemeinen Inhalte der Gesetze und die allgemeine Zählung der Stimmen Voraussetzung dafür, daß die gesetzgebende Gewalt die volonté générale ausdrücken und statt der partikularen Interessen das allgemeine Wohl verwirklichen kann. Da nun die vollziehende Gewalt von dieser Allgemeinheit nicht sein kann, da sie notwendig mit einzelnen Bürgern und m i t einzelnen Handlungen zu t u n hat, muß sie von der gesetzgebenden geschieden werden. Der Wille des Volkes müßte über der Beschäftigung m i t dem Partikularen den Sinn für das Allgemeine verlieren 26 D u Contract social, S. 427 (3. Buch, 13. Kap.). Vgl. auch S. 369 (2. Buch, 2. Kap.). 27 S. 430 (3. Buch, 15. Kap.). 28 S. 368 (2. Buch, 1. Kap.). 29 S. 371 f. (2. Buch, 3. Kap.). 80 S. 369 (2. Buch, 2. Kap., Anm.). 81 S. 379 (2. Buch, 6. Kap.).

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3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

und korrumpiert werden 3 2 . Deshalb w i r d die vollziehende Gewalt der Regierung überlassen, die dem Volk gegenüber selbständig, wenngleich i m Vorgang der Ein- und Absetzung von i h m abhängig ist. Außerdem ist sie an die Gesetze gebunden, hat sie zu beachten und auszuführen. Über dieser Bindung der Regierung t r i t t ihre Organisation i n den H i n tergrund. Wie sie aus monarchischen, aristokratischen und demokratischen Elementen gemischt und i n Organe und Kompetenzen zerlegt wird, ist für Rousseau keine prinzipielle Frage, sondern von örtlichen Gegebenheiten und politischen Zweckmäßigkeiten abhängig 3 3 ; allerdings sollte vermieden werden, „ q u ' i l n'y a point d'unité dans le Gouvernement, et que l'Etat manque de liaison" 3 4 . Darin, daß sie Einheit und Scheidung von Gewalten miteinander vereinbaren, haben Rousseau und Locke ihre wichtige Gemeinsamkeit. Bei beiden bedeutet Scheidung anders als bei Bodin und Hobbes nicht nur eine Unterscheidung verschiedener Funktionen, Organe, Kompetenzen und Zuständigkeiten, sondern deren relative Verselbständigung. Diese kann zugelassen werden, weil die Einheit schon vorausliegt, bei Locke m i t der Homogenität der bürgerlichen Wirtschafts- und Erwerbsgesellschaft, bei Rousseau m i t einer anderen Homogenität, die i n der geringen Größe der politischen Einheit ihren tatsächlichen Grund und i n der „religion c i v i l e " 3 5 ihren ideologischen Halt hat und die m i t beidem eine „unité sociale" 36 gewährleistet. Darin, daß sie die vorausliegende Homogenität verschieden fassen, haben Rousseau und Locke nun freilich ihre grundlegende und folgenreiche Differenz. Damit geraten die Einheitskonzeptionen dann doch ganz verschieden: Während es Locke u m Einheit als einen politischen und ökonomischen Funktionsmodus geht, zielt Rousseau auf die politische Form der sittlichen Einheit von homme und citoyen. Bei Locke scheint die eine der modernen Einheitskonzeptionen m i t Einheit als bloßem Funktionsmodus auf, bei Rousseau klingt die andere an m i t Einheit als ideologischem Zusammenhalt und existentieller Identität 3 7 . Damit deutet diese zweite Konzeption sogar die Möglichkeit einer Rücknahme der Säkularisierung und Aus82

S. 432 (3. Buch, 16. Kap.). Vgl. auch S. 394 f. (3. Buch, 1. Kap.). S. 395 ff. (3. Buch, 1. Kap.), S. 402 ff. (3. Buch, 3. Kap.), S. 413 f. (3. Buch, 7. Kap.). 84 S. 413 (3. Buch, 7. Kap.). 35 S. 460 ff. (4. Buch, 8. Kap.). 86 S. 464 (4. Buch, 8. Kap.). 87 Ob Rousseau damit, sei es schon im Ansatz oder sei es immerhin in der Konsequenz, zum Theoretiker des Totalitären wird, mag hier dahinstehen. Der Text trägt jedenfalls auch ein Verständnis, nach dem Rousseau einfach die Bedingungen der Möglichkeit sittlicher Allgemeinheit und Einheit angibt und akzeptiert, daß diese Bedingungen nur schwer in der Wirklichkeit anzutreffen oder herzustellen sind. 83

3.2 EinheitsVorstellungen in der deutschen Tradition

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differenzierung des Staats an. Jedenfalls verweisen beide Konzeptionen wieder auf der Staatsorganisation vorausliegende gesellschaftliche Konstellationen. 3.1.3 Dies kann denn auch i n einer vorläufigen Zusammenfassung des problemgeschichtlichen Rückblicks festgehalten werden. Die wechselnden Inhalte der politischen und staatlichen Einheitsvorstellungen sind Funktion der wechselnden politischen, sozialen und auch ökonomischen Lagen und Fronten. Auch die wechselnden Grade zugelassener Differenzierung der politischen und staatlichen Organisation sind deren Funktion. Die Organisation soll i n der politischen und staatlichen Einheit den Frieden sichern und die Machtfrage entscheiden. Je nach den Gefährdungen des Friedens und den Infragestellungen der Macht w i r d sie straffer oder lockerer, i. S. bloßer Unterscheidung oder relativer Verselbständigung der verschiedenen Funktionen, Organe, Kompetenzen und Zuständigkeiten konzipiert. Wer jeweils den Frieden gefährdet und die Macht infragestellt, dessen politisches, soziales und ökonomisches Potential soll i n die Organisation jedenfalls nicht durchschlagen. Aber i m übrigen sind eine organisatorische Arbeitsteilung und, so sie nur letztlich auf den Souverän bezogen und i h m untergeordnet bleibt, auch eine organisatorische Gewaltenteilung nicht ausgeschlossen.

3.2 Staatstheoretische und staatsrechtliche Einheitsvorstellungen in der deutschen Tradition 3.2.1 I n Deutschland war es i n den letzten Jahrzehnten des alten Reichs die Einheit der Nation, auf die staatsrechtliche Einheitsvorstellungen verwiesen haben 3 8 . Wort u n d Begriff der Einheit sind relativ jung; seit dem 17. Jahrhundert wurden sie zur Wiedergabe zunächst philosophischer und ästhetischer, dann historischer und politischer Einheitsvorstellungen geprägt u n d gebraucht. Angesichts der Realität des alten Reichs konnte die Idee einer Einheit der deutschen Nation nur schwer von der sprachlichen u n d kulturellen zu einer die gesellschaftliche und politische Verfassung bestimmenden Einheitsvorstellung durchdringen. Das Reichsrecht erlaubte Pütter und Moser lediglich die Vorstellung eines organischen Miteinander, eines politischen Gleichgewichts von Kaiser und Reichsständen, die Behauptung der Einheit des Reichs i n der Stellung des Kaisers als seines Oberhaupts und die A b lehnung der Souveränitätsansprüche der Territorialfürsten. I n dieser Ablehnung kam m i t dem nationalen Anliegen ein freiheitliches zur 38 Vgl. zu den damaligen Einheitsvorstellungen außerhalb und innerhalb des Staatsrechts und der Staatstheorie Galli Blasius, Einheit, S. 121 ff.

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3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

Geltung; die despotische Gewalt der Landesherren wurde als Gefährdung zugleich der Einheit des Reichs und der Freiheit von Untertanen und Landständen angesehen. Auch die Einheitsdiskussionen i m Vormärz standen unter der Spannung von nationaler und partikularer Identität, und sie standen zugleich unter dem Gegensatz von monarchischem und demokratischem Prinzip 3 9 . Häufig waren Einheits- und Freiheitsforderungen miteinander verbunden; nationale Einheit wurde ebenso als Ergebnis politischer Freiheit erwartet, wie erhofft wurde, die Sache der Freiheit werde durch die Erringung der Einheit gefördert werden. Vom Deutschen Bund w u r den beide Forderungen als Bedrohung empfunden und bekämpft. Nur m i t straffer administrativer Reglementierung des politischen Lebens und strenger bürokratischer Zentralisation glaubten die Regierungen der föderativ verbundenen souveränen Fürsten, die monarchische Ordnung bewahren und Staatseinheit und Staatsbewußtsein i n den zusammengewürfelten Gebieten der partikularen Staaten herstellen zu können. So entstanden zwei gegenläufige Einheitskonzeptionen. I m Staatslexikon von von Rotteck und Welcker finden sie deutlichen Ausdruck. „Es kommt also für die Staatswissenschaften die Idee der Einheit i n doppelter Beziehung i n Betracht: als politische Einheit der Staatsgewalt und der Staatsanstalten, und als natürliche Einheit der durch gleiche Abstammung und Sprache bedingten Nationalität 4 0 ." Dabei w i r d der Einheit der Staatsgewalt und der Staatsanstalten bzw. ihrem „Centralisationssystem i n der öffentlichen Verwaltung" m i t seinem „zahlreichen, hierarchisch organisirten, vom Staatsregenten abhängigen Beamtencorps" die „staatsgesellschaftliche Einheit" entgegengestellt 4 1 , die dem „Princip des Selbstregierens und Selbstverwaltens" folgen und den Dualismus von Oben und Unten, von Staatsregierung und Staatsbürger aufheben soll 4 2 . Die Einheitskonzeption des monarchischen Staates kennzeichnete A r t . 57 der Wiener Schlußakte m i t dem Verlangen, es müsse „die gesamte Staats-Gewalt i n dem Oberhaupte des Staats vereinigt bleiben" 4 3 . Diese Einheitskonzeption ist gemeint, wenn i n der Literatur des Vormärz und auch noch danach die Teilung der Gewalten m i t der Einheit der Staatsgewalt für unvereinbar erklärt wird. Dadurch wurde vermieden, daß die Rolle der Volksvertretung bei der Gesetzgebung zum demokratischen Sprengsatz wird. Die Vermeidungs89 Vgl. auch zu den vormärzlichen staatsrechtlichen, staatstheoretischen und politischen Einheitskonzeptionen Gall/ Blasius (Anm. 38), S. 132 ff., ferner Schieder, Partikularismus und Nationalbewußtsein. 40 Schulz, Einheit, S. 217. 41 Murhard, Staatsverwaltung, S. 387. 42 Ebd. S. 389. 48 Zeumer, Quellensammlung, Nr. 219.

3.2 EinheitsVorstellungen in der deutschen Tradition

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Strategie ist einfach und i n sich stimmig: Kann es keine Teilung der Gewalten geben, dann kann es keine eigenständige gesetzgebende Gewalt, keine Innehabung der gesetzgebenden Gewalt durch die Volksvertretung und keine Gleichberechtigung der Volksvertretung m i t dem Monarchen geben 44 . I m Begriff der Einheit der Staatsgewalt, wie er i m Vormärz zum festen und gängigen Begriff wurde, zeigt der Einheitsgedanke also wieder i n einer konkreten politischen Situation seine konkrete polemische Pointe. Nachdem m i t der gescheiterten Revolution das liberale Pathos gebrochen und m i t der gelungenen Reichsgründung die nationale Einheit erreicht war, w a r die Einheitsproblematik des Vormärz erledigt. Mag i m Spätkonstitutionalismus auch die Spannung zwischen monarchischem und demokratischem Prinzip weitergewirkt haben, so hat sie doch ihre politische Schärfe und damit die K r a f t verloren, gegensätzliche Einheitskonzeptionen zum K o n f l i k t zu bringen. M i t der rechtlichen Qualifizierung des Staats als einer juristischen Person wurde aus der staatlichen Einheit ein rechtstechnisches Konstrukt, das die strukturellen Spannungen, verdeckten Konflikte und unklaren Kompromisse der konstitutionellen Monarchie und auch das konfliktträchtige Nebeneinander staatenbündischer und bundesstaatlicher Elemente i m Deutschen Reich überbaut, ausgehalten und entschärft hat. A u f die mehr staatsrechtliche als staatstheoretische Leistung, i n der „die deutschen Professoren . . . , ohne alle Beihilfe, den Staat zur juristischen Person ernannt (haben)" 46 , w i r d alsbald noch einzugehen sein 4 6 . Möglich w a r sie nur, weil die staatliche Einheit i n ihrem Funktionieren politisch gewährleistet war und w e i l sie überschreitende und gefährdende ideologische Einheiten politisch noch nicht wirksam waren. Staatstheoretisch wurde die Einheit der Staatsgewalt zur Formel, aus der nichts mehr folgte. Dies begann, noch ehe das Staatsrecht auf den Positivismus eingeschwenkt war; i m Positivismus wurde auch hier nur prägnant und konsequent besiegelt, was politisch schon eingetreten war. Schon bei Lorenz von Stein ist der Begriff der Einheit der Staatsgewalt entleert. 44

Vgl. von Aretin, Staatsrecht der konstitutionellen Monarchie, l.Band, S. 88 f., 107; Stahl, Die Philosophie des Rechts nach geschichtlicher Ansicht, 2. Band, 2. Abtheilung, S. 39 ff.; von Mohl, Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg, l.Band, S. 185f.; Weiß, System des deutschen Staatsrechts, S. 509 ff.; Held, System des Verfassungsrechts der monarchischen Staaten Deutschlands, l.Band, S. 235 ff., 271 ff., 310ff.; vgl. aber auch von Rotteck, Lehrbuch des Vernunftsrechts und der Staatswissenschaften, 2. Aufl., 2. Band, der S. 106 f. die Teilung der Gewalten mit dem monarchischen Prinzip für vereinbar erklärt. Zum ganzen Meisner, Die Lehre vom monarchischen Prinzip im Zeitalter der Restauration und des Deutschen Bundes, S. 160 ff., 281 ff. 45 Mayer, Festgabe Laband, 1. Band, S. 59. 46 Siehe unten Abschnitt 3.2.2.

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3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

„Das Wort Staatsgewalt bedeutet die Gesamtheit der Thatkraft aller Organe als Einheit gedacht 4 7 "; aber zugleich denkt von Stein i n der Tatkraft des einzelnen Organs organisch das Ganze und kann daher sagen, daß „es i n diesem Sinne so viele Staatsgewalten gibt, als sich Funktionen des organischen Staatslebens denken lassen"4®. Er sieht, daß er „damit nie das Wesen und das Recht, sondern nur die Erscheinung der Funktion, sei es des Staats i m Ganzen, sei es der einzelnen Organe desselben bezeichne(t). Die Worte Staatsgewalt und Staatsgewalten . . . bedeuten die leeren Kategorien der organischen Lebenskraft des Staats . . , " 4 9 . Bei Zoepfl w i r d das Schema sichtbar, nach dem die Staatsgewalt und ihre Einheit i m Spätkonstitutionalismus abgehandelt werden. Einheit und Unteilbarkeit der Staatsgewalt werden genannt, um sogleich von der Feststellung der Arbeitsteilung der Staatsorgane gefolgt zu werden und ohne für die Behandlung der einzelnen Organe und Gewalten etwas herzugeben 50 . Was sich an diesem Schema noch ändert, ist die Terminologie. Schulze legt Wert darauf, daß wegen der Einheit nicht von mehreren Gewalten, sondern nur von mehreren Funktionen die Rede sein dürfe 5 1 . Auch bei ihm erfolgt aber der Übergang von der Feststellung der Einheit der Staatsgewalt zur Behandlung der verschiedenen Funktionen und Organe der Staatstätigkeit kurzentschlossen und bleibt die Einheitsfeststellung folgenlos. Von Rönne widmet den Unterabschnitt, i n dessen Vorbemerkung er die „ihrer Natur nach einheitliche und untheilbare Staatsgewalt" erwähnt, den „Funktionen der Staatsgewalt", handelt dann aber von verschiedenen „Gewalten" und erklärt angesichts des positiven Rechts den theoretischen Streit um Einheit und Teilung der Staatsgewalt für prak47

L. von Stein, Die Verwaltungslehre, 1. Band, 2. Aufl. 1869, S. 15. Ebd. S. 16. 49 Ebd. S. 16. 50 Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, 1. Band, S.88: „Wegen der Einheit ihres Zwecks und ihrem Begriff als höchste Gewalt zufolge ist die Staatsgewalt endlich auch ihrem Wesen nach eine unmittelbare Gewalt. Etwas Anderes ist die Theilung der Arbeiten der Staatsgewalt unter verschiedene Organe." Ähnlich Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, 1. Band, S. 69 ff.; von Held, Grundzüge des Allgemeinen Staatsrechts, S. 320 ff. 51 Schulze, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 174: „Einheit und U n t e i l b a r k e i t ist ein wesentliche Eigenschaft der Staatsgewalt. I n jedem Staate kann es daher nur Eine Staatsgewalt geben und es ist ein Widerspruch, von mehreren Staatsgewalten zu reden. Bei der reichen, mannigfaltigen Wirksamkeit der Staatsgewalten ist es indessen ein wissenschaftliches Bedürfnis, verschiedene Funktionen der Staatsthätigkeit zu unterscheiden." Daraus entwickelt Schulze die „Dreitheilung der Funktionen der Staatsgewalt" (S. 179) in Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung und den Grundsatz, „bei der Ausübung der einzelnen Funktionen der Staatsgewalt muß sich, im wohlgeordneten Staate, der Souverän bestimmter verfassungsmäßiger Organe bedienen" (S. 183). Vgl. auch ders., Lehrbuch des deutschen Staastrechtes, 1. Band, S. 28 ff.; ders., Das preußische Staatsrecht, 1. Band, S. 132 ff. 48

3.2 Einheitsorstellungen in der deutschen Tradition

73

tisch bedeutungslos 52 . Auch bei Anschütz ist die Einheit der Staatsgewalt ein leerer Begriff jenseits der theoretischen Unterscheidung verschiedener Funktionen und auch jenseits der Forderung praktischer Politik und positiven Rechts, die verschiedenen Funktionen getrennten Organen zuzuweisen. „Denn die begriffliche Einheitlichkeit der Staatsgewalt schließt nicht aus, daß dieselbe i n einer Mehrheit von Organen zum Ausdruck k o m m t 5 3 . " Die i n früheren Auflagen gepflogene Polemik gegen die m i t der Gewaltenteilungslehre drohende Vernichtung der Einheit des Staates läßt Anschütz i n der letzten Auflage ausdrücklich fallen. 5 4 . Ebenso verbannt Laband m i t der polemischen Fußnote, i n der er die Zerstörung der Einheit des Staates durch die Teilung der Gewalten behauptet hatte 5 5 , die einzige Stelle, an der er ausdrücklich von der Einheit der Staatsgewalt gehandelt hatte, aus seinem W e r k 5 6 . Nicht einmal der Zusammenhang zwischen Staatsgewalt und Souveränität vermag, dem Begriff der Einheit der Staatsgewalt die formelhafte Leere zu nehmen und ihn zu theoretischer Wirkung zu bringen. I n seiner Behandlung dieses Zusammenhangs formuliert Georg Jellinek: „Es liegt i m Wesen des souveränen Staates, dass i h m die gesammte Staatsmacht zukomme, was schliesslich auf eine Tautologie hinausläuft. Aber keineswegs folgt aus dem Wesen der staatlichen Souveränität, dass einem Staatsorgan die gesammte Staatsmacht zur Disposition stehe. Es ist kein logischer Grund vorhanden, weshalb nicht i m concreten Staate einer Vielfalt von Organen i n ihrem verfassungsmäßigen Zusammenwirken die Trägerschaft der gesammten Staatsgewalt zukommen sollte. Man muss sich hüten, m i t den althergebrachten Schablonen die ganze Fülle des modernen Verfassungslebens begreifen zu wollen 5 7 ." 3.2.2 Heute bewahrt die Staatstheorie i m Begriff der Einheit der Staatsgewalt, so sie i h n überhaupt noch aufgreift® 8 , vor allem die historische Leistung des modernen Staates 59 . Krüger folgert die Notwendig52

Von Rönne, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, 1. Band, S. 345 f. Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 19. Vgl. auch Haenel, Deutsches Staatsrecht, l.Band, S. 93. 54 MeyerlAnschütz (Anm. 53), S. 31 f., Anm. e. 55 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 4. Aufl., 2. Band, S. 6 Anm. 2: „ . . . Lehre, welche die Einheit des Staates zerstört und welche weder logisch haltbar noch praktisch durchführbar i s t . . . " 56 Sie fehlt an entsprechender Stelle (S. 7) der 5. Aufl. 57 G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, S. 208. Vgl. auch ders. (Anm. 1), S. 496 ff. 58 Nicht erörtert wird die Einheit der Staatsgewalt etwa bei Herzog, A l l gemeine Staatslehre. 59 Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 58 f.; Krüger (Anm. 9), S. 847 ff.; Nawiasky, Allgemeine Staatslehre, 5. Band, S. 61. Erörtert wird die Einheit der Staatsgewalt auch bei Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 2. Band, S. 53

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3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

keit der von i h m sogenannten Einzigkeit der Staatsgewalt außerdem schlicht logisch: „ Z w e i General- und Blankovollmachten innerhalb ein und desselben Raumes wären offenkundig ein Widerspruch i n sich 6 0 ." Für die Ordnung der Funktionen, Organe, Kompetenzen und Zuständigkeiten des Staates folgt aber auch hieraus nichts, denn „Zuständigkeit und Staatsgewalt sind bereits ihrer Struktur nach völlig verschieden" 61 . Nicht, daß die heutige staatstheoretische Diskussion keine Einheitskonzepte oder auch Einheitsmythen hätte. Sie ist geprägt durch Hellers Erfassung des Staates als einer organisierten politischen Entscheidungsund Wirkungseinheit 6 2 , durch Smends Lehre von der integrierten Einheit des staatlichen Lebens 63 , durch Schmitts aus Einheit und Entscheidung konstituierten Verfassungsbegriff 64 sowie durch Kelsens Theorie der Einheit des Rechts 65 , und diese verschiedenen Prägungen halten auf verschiedene Weise das Problem der Einheit durchaus lebendig, auch wenn sie den Begriff der Einheit der Staatsgewalt nicht mehr verwenden. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht die Einheit der Verfassung entdeckt 6 6 und damit einer Staatslehre, die i m Verfassungsstaat eigentlich keinen Souverän mehr kennt und allenfalls noch metaphorisch von der Verfassung als vom Souverän spricht 6 7 , einen Erben für die Einheit der Staatsgewalt geboren. Aber eine weitergehende Gemeinsamkeit als die, daß politische Einheit als staatliche Einheit eine organisierte Einheit sein und über ein wie auch immer durch überstaatliche Gemeinschaften relativiertes, durch gesellschaftliche Gewalten problematisiertes und den staatsbürgerlichen Konsens nicht ersetzendes Monopol legitimer Gewalt verfügen muß, lassen die verschiedenen Konzepte oder auch Mythen nicht erkennen. Sie erlauben den theoretisch gesättigten Umgang m i t den staats- und verfassungspolitischen Problemen der Bundesrepublik Deutschland, vermitteln dessen Staatsrecht aber keinen normativen Begriff der Einheit der 942 ff. Sie liegen in der der Völkerrechtsordnung zugewandten Seite des Staates, d. h. in der auswärtigen Gewalt. Nach der der Völkerrechtsordnung abgewandten Seite des Staates sei sie „nur eine Hypothese oder eine Fiktion". Dennoch gebe es die Versuche, die Einheit der Staatsgewalt herzustellen, unter die besonders der Eid gehöre. Der Eid und auch die Sprache könnten, zumal im monarchischen und im multinationalen Staat, wichtige staatliche Integrationsfaktoren darstellen. 60 Krüger (Anm. 9), S. 848. 61 Ebd. S. 859. 62 Heller (Anm. 4), S. 228 ff. 68 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht. 64 Schmitt, Verfassungslehre, S. 20 ff. 65 Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 209 ff., 328 ff.; ders., Allgemeine Staatslehre, S. 229 f. Darstellung und Kritik dieser Rechtsprechung bei F. Müller, Die Einheit der Verfassung. 67 Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 111 ff.

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3.2 Einheitsorstellungen in der deutschen Tradition

S t a a t s g e w a l t 6 8 . Entsprechendes g i l t f ü r d e n B e g r i f f d e r E i n h e i t der V e r waltung, unter dem bestimmte verwaltungspolitische u n d verwaltungswissenschaftliche P r o b l e m e g e b ü n d e l t w e r d e n m ö g e n , d e r aber

kein

R e c h t s b e g r i f f i s t u n d aus d e m k e i n e Rechtsaussagen f o l g e n 6 9 . E i n f ü r i h r e dogmatischen Belange hinreichendes

rechtstechnisches

K o n s t r u k t d e r s t a a t l i c h - p o l i t i s c h e n E i n h e i t h a t auch d i e h e u t i g e Staatsu n d V e r w a l t u n g s r e c h t s w i s s e n s c h a f t noch i n d e r rechtlichen rung

des Staats

v o n von Wolff

Gerber

als einer

juristischen

u n d Laband

Person.

V o n Albrecht

Qualifizieskizziert70,

w e i t e r e n t w i c k e l t 7 1 u n d schließlich

von

i n seiner L e h r e v o n d e r Organschaft s u b t i l a u s g e f o r m t 7 2 u n d z u r

Grundlage

der

Verwaltungsrechtsdogmatik

gemacht73,

erlaubt

diese

Q u a l i f i z i e r u n g , zwischen O r g a n e n als Z u s t ä n d i g k e i t s k o m p l e x e n u n d d e n O r g a n w a l t e r n als d e n die Z u s t ä n d i g k e i t e n v e r s e h e n d e n Personen s o w i e zwischen E i g e n z u s t ä n d i g k e i t e n u n d W a h r n e h m u n g s z u s t ä n d i g k e i t e n unterscheiden, u n d e r m ö g l i c h t d a m i t , das H a n d e l n d e r

zu

Organwalter

68 Bei Maunz, Deutsches Staatsrecht, und bei Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, wird die Einheit der Staatsgewalt denn auch gar nicht erörtert. Bei Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 2. Band, wird S. 533 die folgenlose Feststellung getroffen, der Grundsatz der Einheit der Staatsgewalt sei in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG enthalten, und werden S. 534 die historische Leistung des modernen Staats und das Zurechnungsschema der juristischen Staatsperson (dazu sogleich i m Text) erwähnt. Demgegenüber ist der Begriff der Einheit der Verfassung ein normativer Begriff, allerdings ein problematischer (vgl. nur schon unten Abschnitt 4.1.1) und zu verabschiedender (vgl. Müller [Anm. 66]). — Den letzten Versuch, den Begriff der Einheit der Staatsgewalt normativ fruchtbar zu machen, dürfte Huber, DJZ 1934, Sp. 950 ff. unternommen haben. Er hat die Einheit der Staatsgewalt aus der dem nationalsozialistischen Staat immanenten Totalität des politischen Wollens und Handelns entwickelt und zur Grundlage für spezifische Bindungen der Verwaltung und der Rechtsprechung gemacht. 69 Unter verwaltungspolitischer und verwaltungswissenschaftlicher Fragestellung und ohne auch nur den Versuch, normativer Konsequenzen aus der Einheit der Verwaltung zu ziehen, von Unruh, DVB1 1979, S. 761 ff. Vgl. auch das Fazit, das Lorenz, AöR 93 (1968), S. 333 aus Schrifttum und Rechtsprechung zum Grundsatz der Einheit der Verwaltung zieht: „Dieser Grundsatz besagt, w i l l man ihn nicht überhaupt nur als Forderung an die Verwaltungsorganisation auffassen, allenfalls, daß der Staat dem Bürger als Einheit mit einer nach außen geschlossenen Willenskundgebung entgegentritt." 70 Albrecht, Rezension Romeo Maurenbrecher, Grundsätze des heutigen Staatsrechts. 71 Vgl. von Gerber, Grundzüge des deutschen Staatsrechts, S. 221 f., 225 ff.; Laband, ZfdgHR 30 (1885), S. 469 ff., wo die Konstruktion der juristischen Person als Beitrag zur Dogmatik der Handelsgesellschaften zivilrechtsdogmatisch ausgearbeitet wird; ders., Deutsches Staatsrecht, 5.Aufl., l.Band, S. 56 f., wo die Konstruktion in der Lehre vom Bundesstaat und vom Staatenbund staatsrechtsdogmatisch ausgewertet wird. 72 Wolff, Organschaft und Juristische Person. 73 Wolff zieht in seinem Lehrbuch des Verwaltungsrechts durchweg die Konsequenzen aus dem in der Habilitationsschrift entwickelten Ansatz.

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3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

bzw. Organe gegenüber dem Bürger i n klarer Zurechnungssystematik rechtlich als Handeln des Staats selbst zu werten. V o n dieser Zurechnungssystematik zehrt die dogmatische Erfassung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Staatshandelns und der Rechtsschutzgewährung gegen Staatshandeln. Die rechtliche Qualifizierung des Staats als einer juristischen Person ist immer wieder kritisiert worden 7 4 . Von dieser K r i t i k ist hier jedoch nicht zu handeln. Denn sie zielt darauf, die Differenzierungen und Verselbständigungen der Organe gerade zu betonen und gelegentlich sogar die gerichtliche Austragung der rechtlichen Konflikte zwischen den Organen zu erlauben 7 5 . Sie zielt also, salopp gesprochen, eher auf weniger als auf mehr organisatorische Geschlossenheit und bietet damit der Amtshilfe, die ihren Grund i n der Einheit der Staatsgewalt sucht, jedenfalls keine stärkere, allenfalls eine schwächere Fundierung. Eine Fundierung bietet aber auch die rechtliche Qualifizierung des Staats als einer juristischen Person nicht. Denn daß das Handeln der verschiedenen Organwalter bzw. Organe rechtlich als Handeln des einen Staats gilt, sagt nichts darüber, was die Organwalter bzw. die Organe dürfen, wie die Zuständigkeitskomplexe inhaltlich ausgestaltet und wie fest die Zuständigkeitsgrenzen gezogen sind. 3.2.3 Damit kann der problemgeschichtliche Rückblick zu seinem Ergebnis geführt werden. Der Begriff der Einheit der Staatsgewalt und die i h m verwandten Einheitsbegriffe begegnen historisch als polemische Begriffe m i t wechselnden Inhalten. Heuristische Bedeutung behält der Begriff der Einheit der Staatsgewalt für die staatstheoretische Diskussion des Problems, wie i n der Vergangenheit und i n der Gegenwart die politische Einheit erhalten, der Friede gesichert und die Machtfrage entschieden werden konnte bzw. kann. I n diesem heuristischen Sinn deckt er eine facettenreiche Diskussion, die von Bodin und Hobbes über Locke und Rousseau bis zu Schmitt und Heller reicht. Inhaltliche Eindeutigkeit gewinnt er dann, wenn er der historischen Leistung des modernen Staats zugeordnet und auf die Ausdifferenzierung der politischen als der staatlichen Gewalt aus den religiös-kirchlichen sowie den feudal-ständischen Einbindungen bezogen wird. Aber selbst i n dieser theoretisch von Bodin und von Hobbes erarbeiteten Bedeutung sagt der Begriff über die Differenzierungen innerhalb der Staatsgewalt, innerhalb der Staatsorganisation nichts aus. Zwar müs74 Vgl. schon Mayer (Anm. 45) und, teilweise in Anknüpfung an Mayer, Böckenförde, Festschrift Wolff, S. 269 ff. 75 Vgl. dazu seit Böckenförde (Anm. 74) besonders Bethge, DVB1 1980, S. 309 ff.; Hoppe, NJW 1980, S. 1017 ff.; Papier, D Ö V 1980, S. 292 ff.

3.2 Einheitsorstellungen in der deutschen Tradition

77

sen die Staatsorgane ihre Gewalt vom Souverän ableiten und ihre Gewaltausübung i h m gegenüber verantworten, aber dies folgt schon aus der Ausdifferenzierung der Staatsgewalt, d. h. daraus, daß staatliche Gewalt letztlich nur noch vom Souverän und nicht mehr auch von der Kirche oder von den Ständen legitimiert wird. Zentralisation, Konzentration und Kooperation von Funktionen, Organen, Kompetenzen und Zuständigkeiten sind damit nicht gefordert. Oben wurden zwei Bedeutungen des Begriffs der Einheit unterschieden, die der Eigenständigkeit nach außen und die der inneren Geschlossenheit 76 . Gewiß sind jene Eigenständigkeit und diese Geschlossenheit nicht voneinander unabhängig. Aber sie hängen offensichtlich nicht so zusammen, daß äußere Eigenständigkeit innere Differenzierungen ausschließt. Ein soziales Gebilde bewahrt seine Identität je nach den Bedingungen der Umwelt mal mehr durch innere Geschlossenheit und mal auch mehr durch innere Differenzierungen — hiervon ist sogleich bei der Weiterführung des problemgeschichtlichen Rückblicks näher zu handeln. Jedenfalls hat die Eigenständigkeit der Staatsgewalt nach außen nicht einmal i n ihren kritischen Anfängen die totale innere Geschlossenheit verlangt, und m i t ihrer zunehmenden Konsolidierung sind die inneren Differenzierungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten den Theoretikern immer deutlicher i n das Bewußtsein getreten. Schließlich konnte die Einheit der Staatsgewalt zur bloßen Formel degradiert und konnten zugleich die rechtsstaatlichen Unterscheidungen von Funktionen, Organen, Kompetenzen und Zuständigkeiten entwickelt werden. — Entsprechendes gilt für die Einheitskonstruktion, die m i t der rechtlichen Qualifizierung des Staats als einer juristischen Person geprägt worden ist. Sie schließt Unterscheidungen und Verselbständigungen von Funktionen, Organen, Kompetenzen und Zuständigkeiten nicht aus. Sie sorgt lediglich dafür, daß das Handeln der verschiedenen Organe m i t ihren verschiedenen Zuständigkeiten gegenüber dem Bürger das Handeln des einen Staats bleibt. Der Bezug, den die Fundierung der Amtshilfe i n der Einheit der Staatsgewalt zwischen dieser und der staatlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung herzustellen versucht, besteht nicht. Der Versuch ist denn auch ebenso einmalig wie eigenwillig. Soweit ersichtlich, sind damals, als diese Rechtfertigung vom Preußischen Oberverwaltungsgericht und i m Rechtsschrifttum entwickelt wurde 7 7 , weitere Schlüsse aus der Einheit der Staatsgewalt auf die Ordnung der staatlichen Kompetenzen und Zuständigkeiten nicht gezogen worden 7 8 . Schon damals 76 77

Siehe oben Abschnitt 3 pr. Vgl. oben Abschnitte 2.2.2 und 2.2.3.

78

3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

bezeichneten diese O r d n u n g u n d jene E i n h e i t verschiedene, v o n e i n a n d e r j u r i s t i s c h u n a b h ä n g i g e P r o b l e m f e l d e r . D i e B e r u f u n g a u f die E i n h e i t s f o r m e l k o n n t e d a r u m d e r A m t s h i l f e n u r d e n Schein e i n e r R e c h t f e r t i g u n g b i e t e n . D a d u r c h , daß sie t r a d i e r t w u r d e , ist sie n i c h t s t i m m i g gew o r d e n . Ob b z w . w a n n staatliche F u n k t i o n e n , Organe,

Kompetenzen

u n d Z u s t ä n d i g k e i t e n u m f u n k t i o n i e r t , o b b z w . w a n n d a b e i Befugnisse f ü r andere A u f g a b e n eingesetzt w e r d e n d ü r f e n als f ü r die, f ü r d i e sie e i n g e r ä u m t w u r d e n , r i c h t e t sich ausschließlich n a c h d e r O r d n u n g der staatlichen Kompetenzen u n d Zuständigkeiten.

Mit

der Einheit

der

S t a a t s g e w a l t h a t dies nichts z u t u n . W e n n also d i e A m t s h i l f e e n t s p r e chende U m f u n k t i o n i e r u n g e n b e w i r k e n soll, so k a n n sie h i e r f ü r i n der E i n h e i t der S t a a t s g e w a l t k e i n e G r u n d l a g e f i n d e n .

3.3 Einheit der Staatsgewalt i n einer differenzierten Gesellschaft N a c h diesem ersten u n d g e w i s s e r m a ß e n n e g a t i v e n E r t r a g k a n n der p r o b l e m g e s c h i c h t l i c h e R ü c k b l i c k aber n o c h z u e i n e m z w e i t e n u n d sozusagen p o s i t i v e n w e i t e r g e f ü h r t

werden. I h n zu erarbeiten, w i r d

der

78 Heute hat der Begriff der Einheit der Staatsgewalt einen Ort noch in der Diskussion um die Geltung der Grundrechte für juristische Personen des öffentlichen Rechts. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 21, 362—378) nimmt die Einheit der Staatsgewalt zum Grund für die Ablehnung einer Grundrechtsgeltung für juristische Personen des öffentlichen Rechts und andere selbständige Rechtsgebilde, deren der Staat sich zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient; vgl. 370: „Vom Menschen und Bürger als dem ursprünglichen Inhaber der Grundrechte her gesehen, handelt es sich jeweils nur um eine besondere Erscheinungsform der einheitlichen Staatsgewalt. Innerhalb dieses hoheitlichen Gesamtaufbaus des Staates kann es daher keine Grundrechte als subjektive öffentliche Rechte geben." Vgl. hierzu neuerlich Bethge, AöR 104 (1979), S. 104 ff. Gegen die Kritiker des Bundesverfassungsgerichts, die die Einheit der Staatsgewalt für ein Phantom halten und die Geltung der Grundrechte für juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht schlechterdings ausschließen (von Mutius, Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung Art. 19 Abs. 3, Randnr. 93 [1974]; Dreier, Festschrift Scupin, S. 87; Schnapp, StT 1969, S. 536), argumentiert Bethge, das Bundesverfassungsgericht handele von der Einheit der Staatsgewalt nur aus der Sicht des Bürgers, und aus dieser Sicht sei die Staatsgewalt auch tatsächlich eine Einheit. Das ist kein Argument gegen die fragliche Grundrechtsgeltung, denn natürlich kann dieses Geltungsproblem nicht mit solchen, übrigens durchaus zweifelhaften Perspektivismen gelöst werden. Es ist fast schon eine Bestätigung der Kritik, wenn Bethge die Einheit der Staatsgewalt in der objektiven Realität nicht mehr findet und darum in der subjektiven Perspektive sucht. Statt die Einheit der Staatsgewalt derart zu rekonstruieren, um sie gegen die fragliche Grundrechtsgeltung zu wenden, gilt es, dieses Geltungsproblem von ihr abzukoppeln. Auch hier handelt es sich um verschiedene Problemebenen. Weder verlangt die Einsicht in die differenzierte staatliche Organisationsund Entscheidungsstruktur die Grundrechtsgeltung für juristische Personen des öffentlichen Rechts, noch verbietet das staatstheoretische Insistieren auf der Notwendigkeit staatlicher Einheitserhaltung sie.

3.3 Einheit der Staatsgewalt in einer differenzierten Gesellschaft

79

theoretische Bezugsrahmen gewechselt. Die Herausbildung politischer und staatlicher Einheiten und Einheitsvorstellungen wurde bisher unter klassischen juristischen Fragestellungen verfolgt. A n ihre Stelle t r i t t nun eine soziologische Fragestellung. Auch sie w i r d schließlich wieder auf traditionelle verfassungsgeschichtliche und staatstheoretische Thesen hingeführt. Zunächst aber verlangt sie eine gewisse theoretische und auch begriffliche Umorientierung. 3.3.1 Die Ausdifferenzierung der Staatsgewalt wurde bisher als isolierter Vorgang erörtert. Aber sie ist nur ein Moment eines allgemeinen geschichtlichen Prozesses der sozialen Differenzierung. Als Vorgang der Säkularisierung hob sie die lebensweltliche Einheit geistlicher und weltlicher Ordnung auf 7 9 . M i t der Überwindung der feudalen ständischen Ordnungen leitete sie die Aufhebung der lebensweltlichen Einheit politischer und ökonomischer Rationalität ein. Weitere Differenzierungsvorgänge setzten Wissenschaft und Kunst aus religiösen und politischen Einbindungen frei und bewirkten, daß Ehen schließlich nicht mehr aus dynastischen und ökonomischen Notwendigkeiten, sondern aus persönlicher Zuneigung geschlossen wurden. Die soziologische Theorie 8 0 hat zu diesem allgemeinen geschichtlichen Prozeß die Hypothese entwickelt, daß die Zunahme sozialer Differenzierung auf ein Anwachsen sozialer Komplexität antwortet. Indem die Gesellschaft für die verschiedenen Funktionen der Politik, der Ökonomie, der Wissenschaft und der Familie funktional spezifizierte Strukturen und Systeme ausdifferenziert, steigert sie ihre Problembewältigungskapazität. Dies i n der Weise, daß zwischen den funktional ausdifferenzierten Bereichen zwar nicht Kommunikationen und Interdependenzen abgestellt, w o h l aber Schwellen legitimer Indifferenz errichtet werden, die gewährleisten, daß gesellschaftliche Probleme als bereichsspezifische Probleme erscheinen und unter Entlastung von bereichsfremden Themen und Evidenzen behandelt werden können. I n diesem Sinn hat der moderne Staat, der die konfessionellen Bürgerkriege überwunden hat, zwar die Beschäftigung m i t den Kirchen und auch die Beeinflussung durch sie nicht abgestellt, aber er hat seine historische Funktion, den Frieden zu stiften und die Machtfrage zu entscheiden, dadurch erfüllt, daß er diese Funktion als spezifisch politische u n d staatliche, gegenüber religiösen Themen und Evidenzen legitimerweise indifferente zur Anerkennung und Durchsetzung gebracht hat. I n demselben Sinn hat auch, ohne daß dadurch 79

Böckenförde (Anm. 2), S. 76 ff. Die zentralen Thesen der soziologischen Theorie der gesellschaftlichen Differenzierung finden sich bereits bei Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 14 ff., 186 ff. Vgl. für die seitherige Entwicklung den Literaturbericht von Tyrell, ZfS 7 (1978), S. 175 ff. 80

80

3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

die Kommunikationen und die Interdependenzen zwischen Staat und Wirtschaft abgestellt worden wären, die Sprengung der feudalistischen und merkantilistischen Gesellschaftsverfassung die Eigenthematik, Eigenrationalität und Eigendynamik der Wirtschaft i n der bürgerlichen Gesellschaft konstituiert. Die soziologische Theorie der sozialen Differenzierung analysiert den Zusammenhang zwischen Komplexität und Differenzierung nicht nur an der Differenzierung des gesamtgesellschaftlichen Systems i n gesellschaftliche Teilsysteme, sondern auch an der Differenzierung des einzelnen gesellschaftlichen Teilsystems 81 . I n einer differenzierten Gesamtgesellschaft ist auch das einzelne Teilsystem einer komplexen, nicht zuletzt eben wegen der gesamtgesellschaftlichen Differenzierung komplexen Umwelt konfrontiert und einem entsprechenden Problemdruck und einer entsprechenden Nötigung zu Binnendifferenzierungen ausgesetzt. Der Staat als das politische Teilsystem sah sich ζ. B. durch den Problemschub i n und nach dem 1. Weltkrieg i n die Verantwortimg für Daseinsvorsorge und Daseinsgestaltung und dabei zur Ausdifferenzierung neuer Verwaltungseinheiten und -verfahren genötigt, und unter dem Problemdruck stets wachsender und oft widersprüchlicher gesellschaftlicher Anforderungen hat auch seit dem 2. Weltkrieg m i t den staatlichen Aufgaben die staatliche Binnendifferenzierung zugenommen. Aber nur schon beim einzelnen Betrieb und bei der einzelnen Verwaltungseinheit w i r d an der arbeitsteiligen Organisation dieser Zusammenhang zwischen Komplexität und Differenzierung anschaulich 82 , und schon Bodin und Hobbes haben zugleich die Einheit und die Differenzierimg der Staatsgewalt theoretisch gefaßt. Oben wurde festgestellt, daß es je nach den Bedingungen der Umwelt mal mehr die innere Geschlossenheit und mal mehr die innere Differenzierung ist, die einem sozialen System die Bewahrung seiner Identität gewährleistet. Inzwischen kann festgehalten werden, daß die Identität bei zunehmender Umweltkomplexität nur m i t ebenfalls zunehmender Binnendifferenzierung gewahrt werden kann. Das freilich nur scheinbar paradoxe Ergebnis ist, daß Einheit und Differenzierung der Staatsgewalt sich nicht nur nicht ausschließen, sondern gerade ergänzen. I n einer komplexen Gesellschaft lebt die Einheit der Staatsgewalt gerade auch von ihren Binnendifferenzierungen.

81 Vgl. Luhmann, Canadian Journal of Sociology 2 (1977), S. 29 ff.; ders., KZSS 20 (1968), S. 705 ff. Vgl. zu den internen Differenzierungen speziell des politisch-administrativen Systems oben Abschnitte 1.1 und 1.2.2 mit den Literaturhinweisen Anm. 2 und Anm. 26 ff. 82 Vgl. Türk, Soziologie der Organisation, S. 65 f., 94 ff.; Gebert, Organisation und Umwelt, S. 66 ff., 79 ff.

3.3 Einheit der Staatsgewalt in einer differenzierten Gesellschaft

81

Dabei ist die Differenzierung sowohl des gesamtgesellschaftlichen Systems als auch der gesellschaftlichen Teilsysteme kein Zustand, der sich, einmal erreicht, selbständig erhält. Vielmehr ist die Gesellschaft i n ihrem Gesamtsystem und i n ihren Teilsystemen Gefahren der Entdifferenzierung, der Verschmelzung von Strukturen und Systemen ausgesetzt. Unter den Stichworten der Politisierung der Verwaltung und der Verwissenschaftlichung der Politik, der Kommerzialisierung der Kunst und der Politisierung der Wissenschaft und als Probleme der Bürokratisierung und der Regierbarkeit werden entsprechende Gefährdungen des Differenzierungspotentials und der Problembewältigungskapazität der Sozialordnung diskutiert. Natürlich kann der Staat diesen Entdifferenzierungstendenzen nicht umfassend steuern. Er muß ihnen aber jedenfalls da entgegenwirken, wo seine gesellschaftliche Funktion und die Entscheidungsautonomie, ohne die er die gesellschaftliche Funktion nicht erfüllen kann, gefährdet sind. Dabei bedeutet Entscheidungsautonomie wie Systemautonomie überhaupt nicht die Abschottung von Kommunikationen und Interdependenzen. Sie bedeutet aber, daß die gesellschaftlichen Anforderungen und Konflikte sich nicht anstauen und dann irgendwie diffus i n den staatlichen Bereich überschwappen, sondern bereichsspezifisch an ausdifferenzierte Verwaltungseinheiten herangebracht und m i t ihnen kommuniziert und ausgetragen werden können 8 3 . Sie bedeutet auch die Erhaltung einer eigentümlichen staatlichen Rationalität, einer besonderen politischen Sprache, i n die A n forderungen anderer gesellschaftlicher Bereiche sich erst übersetzen müssen, ehe sie politisches Gewicht erhalten können 8 4 . Beispiele sind die Zwänge zur Umsetzung von Wünschen der Wirtschaft i n beschäftigungspolitische Forderungen, zur Überführung von Kernkraftwerksantipathien i n energiepolitische Konzepte oder zur Entwicklung religiöser Bekenntnisse zur Abtreibung i n Programme der Fürsorge für ledige Mütter. Dabei ist die Sprach- und Rationalitätshürde nach beiden Seiten zu sichern; der staatliche und politische Bereich ist i n seiner Autonomie gegenüber den anderen gesellschaftlichen Bereichen nur dann zu erhalten, wenn auch diese i n ihrer Autonomie jenem gegenüber erhalten werden.

83 Eine dritte Möglichkeit der Reaktion auf den Druck widersprüchlicher gesellschaftlicher Anforderungen liegt für Staat und Verwaltung darin, die Widersprüche intern zu bereinigen und den Forderungen mit einem entsprechenden Gesamtkonzept zu begegnen. Vgl. zu den aufwendigen und problematischen Voraussetzungen eines solchen Gesamtkonzepts oben Abschnitt 1.2.2. Vgl. ebd. auch zu dem integrativen Ertrag einer binnendifferenzierten Verwaltung. 84 Vgl. Luhmann (Anm. 80), S. 24; Tyrell (Anm. 80), S. 183 f., 190 f.

6 Schlink

82

3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

3.3.2 Hier setzt Luhmann die Funktion der Grundrechte an 8 5 . Sie gewährleisten die eigene Rationalität und Sprache der grundrechtlich freigesetzten Kommunikations- und Handlungszusammenhänge, legen rechtliche Indifferenzschwellen zwischen diese gesellschaftlichen Bereiche und den staatlichen und politischen Bereich. Sie leisten damit einen Beitrag zur Erhaltung des Differenzierungspotentials und der Problembewältigungskapazität der Sozialordnung. Dabei geht es um die Erhaltung des Differenzierungspotentials wieder i n den beiden oben erörterten Hinsichten; erhalten werden die Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Teilsysteme, insbesondere des staatlichen und politischen Systems, und zugleich dessen Binnendifferenzierung als die Bedingung der Wahrung der Identität i n der differenzierten Gesellschaft. M i t ihren bereichsspezifisch verschiedenen Schranken und Vorbehalten verlangen die Grundrechte ein Stück dieser Binnendifferenzierung dem Staat geradezu ab. Den grundrechtlich unterschiedlich freigesetzten Kommunikations- und Handlungszusammenhängen kann der Staat nur m i t einem differenzierten normativen und administrativen Instrumentarium begegnen. Diese funktionale Sicht der Grundrechte i m Kontext der sozialen Differenzierung vernachlässigt nicht etwa die Bedeutung der Grundrechte als Freiheitsrechte. Unter i h r degenerieren die Grundrechte nicht von Gewährleistungen individueller Freiheit zur Sicherung sozialer Prozesse, i n denen die Persönlichkeit vereinnahmt wird. Die soziologische Theorie der sozialen Differenzierung analysiert selbst den Freiheitsaspekt i m Differenzierungsprozeß 86 . Der Ausdifferenzierung sozialer Systeme entspricht die Ausdifferenzierung sozialer Rollen. Wie zwischen den Systemen liegen auch zwischen den Rollen Indifferenzschwellen, die das Verhalten i n der einen Rolle von den Rücksichten und Kontrollen, denen die Verhalten i n den anderen Rollen unterliegen, freisetzen. Dies bedeutet Freiheit, und entsprechend bedeutet die Sicherung der Indifferenzschwellen Sicherung von Freiheit. Allerdings ist mit der Ausdifferenzierung sozialer Systeme und Rollen ein Verlust lebensweltlicher Einheit verbunden, und die Probleme dieses Verlustes waren schon für Rousseau groß genug, u m eine andere Freiheit i n der Einheit des homme und des citoyen zu fordern und dabei folgerichtig die Möglichkeit einer Rücknahme der Ausdifferenzierung des Staates zu eröffnen. Aber nachdem der Verlust eingetreten ist, ist allein die Freiheit der Rollenwahl und des Rollenverhaltens i n ausdifferenzierten sozialen Kommunikations- und Handlungszusammenhängen eine nicht 85 Den Ansatz seines funktionalen Grundrechtsverständnisses Luhmann (Anm. 80), S. 21 ff. 86 Vgl. wieder Luhmann (Anm. 80), S. 60 ff.

entwickelt

3.3 Einheit der Staatsgewalt in einer differenzierten Gesellschaft

83

gering zu achtende reale Freiheit, die erhalten oder auch verspielt werden kann. Wenn hier m i t der soziologischen Theorie der sozialen Differenzierung die Einheit und Identität des Staates, seine Binnendifferenzierung, die Differenzierung der Gesellschaft und die Sicherung von Freiheit funktional aufeinander bezogen und i n den Grundrechten rechtlich m i t einander verknüpft werden, dann w i r d damit ein Gedanke verfolgt, der verfassungsgeschichtlichem und staatstheoretischem Denken nicht fremd ist. Wenn es die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisierung, die Säkularisierung als Einleitung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft und diese Unterscheidung als Bedingung der Freiheit sieht, dann stellt es auf seine Weise denselben funktionalen Bezug her 3 7 , und gerade diese Sicht betont die freiheitssichernde Bedeutung der Grundrechte 88 . Von beiden theoretischen Ansätzen aus können hinter den wechselnden polemischen und legitimatorischen Besetzungen des Einheitsbegriffs als Entwicklungsschritte zunächst die Einheit der politischen als einer zugleich religiösen, ökonomischen und familiaren Ordnung und Lebenswelt, dann die Sonderung der politischen von der religiösen Ordnung und Einheit und weiter, nach der Emanzipation der Wissenschaft und der Freisetzung von Gewerbe und Wirtschaft, die Dichotomie von Staat und Gesellschaft aufgewiesen werden. Der soziologische Ansatz hat diese Entwicklungslinie konsequent weitergezogen, er hat die Ausdifferenzierung nicht nur des staatlichen und politischen Teilsystems, sondern auch der übrigen Teilsysteme analysiert und ist zu einer entsprechend komplexen Analyse des Zusammenhangs von System und Umwelt und Außen- und Binnendifferenzierung gelangt. I n dieser Konsequenz und Allgemeinheit läßt der Ansatz, ohne die Verbindung zum verfassungsgeschichtlichen und staatstheoretischen Denken abzubrechen, den funktionalen Bezug zwischen Einheit und Identität des Staates, seiner Binnendifferenzierung, der Differenzierung der Gesellschaft und der Sicherung von Freiheit besonders prägnant hervortreten. Daß aus der Offenlegung dieses funktionalen Bezugs keine rechtlichen Gebote und Verbote, keine rechtlichen Aussagen über die Zulässigkeit und Unzulässigkeit von Amtshilfe abzuleiten sind, versteht sich. Gleichwohl ist sie für die Behandlung der Rechtsprobleme der Amtshilfe fruchtbar. Der geschichtliche Rückblick hatte ergeben, daß die Einheit der Staatsgewalt die staatsorganisatorischen Differenzierungen nicht ausschließt. Der soziologische Befund hat darüber hinaus gezeigt, daß 87 Vgl. Böckenförde (Anm. 2) ; ders., Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit. 88 Böckenförde, NJW 1974, S. 1529 ff.

6*

84

3 Fundierung der Amtshilfe in der Einheit der Staatsgewalt?

i n einer komplexen Welt die Einheit der Staatsgewalt die staatsorganisatorischen Differenzierungen geradezu voraussetzt. Er hat außerdem für die Bedeutung der Grundrechte für diese Differenzierungen i n ihrem Zusammenhang m i t der gesellschaftlichen Differenzierung sensibilisiert. Gewiß ist die rechtliche Gestalt und Festigkeit der staatsorganisatorischen Differenzierungen und sind die rechtsstaatlichen Möglichkeiten und Grenzen der Amtshilfe nicht aus soziologischen, historischen und staatstheoretischen Prinzipien zu entwickeln. Ihre Entwicklung kann nur aus dem positiven Verfassungs- und einfachen Recht erfolgen. Dabei ist sie aber von staatstheoretischen Argumenten ein Stück weit entlastet. Sie ist durch falsche Konfrontationen von Einheit und Differenzierung nicht mehr verstellt, muß auf die Einheit der Staatsgewalt nicht mehr eingehen und kann, wo dies positivrechtlich angezeigt ist, auf die Grundrechte rekurrieren, ohne diese erst m i t der Einheit der Staatsgewalt ins Verhältnis, womöglich i n das Verhältnis abwägender Zuordnung setzen zu müssen.

4 Fundierung der Amtehilfe im Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis? Wenn die Amtshilfe ihre Fundierung i m Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis finden soll, dann ist Voraussetzung dafür zum einen, daß der Schluß Gültigkeit besitzt, und zum anderen, daß er für die Amtshilfe auch w i r k l i c h etwas hergibt. A n beiden Voraussetzungen kann die Fundierung scheitern. I m Begriff der Einheit der Staatsgewalt konnte zwar ein fortdauerndes Problem festgemacht, von diesem aber keine Beziehimg zum Problem der Amtshilfe hergestellt werden. Beim Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis kann die Beziehung leicht hergestellt werden: Bei der einen Behörde liegt die Aufgabe, bei der anderen die Befugnis, und beide sollen für die Aufgabenerfüllung zusammengeschlossen werden. I m Schluß selbst liegen hier die Schwierigkeiten. 4.1 Der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis als gegenwärtiges Problem 4.1.1 Der Streit um die Gültigkeit des Schlusses vom Zweck auf das Mittel und von der Aufgabe auf die Befugnis 1 dauert bis heute. Dabei dürfte sich verstehen, daß der Schluß keine i m eigentlichen Sinn logische Qualität beanspruchen kann. Reklamiert w i r d i h m gleichwohl eine die Jahrhunderte überdauernde und vom Wandel der Rechtsordnungen unabhängige Gültigkeit. Als „schlicht" und „klassisch" wurde er zuletzt von Zeidler gerühmt 2 , der ihn i m Allgemeinen Landrecht für die Preu1

Wenn im Schrifttum einmal vom Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis und andermal vom Schluß vom Zweck auf das Mittel die Rede ist, dann ist dies ein Ausdruck eher sprachlicher Neigung als sachlicher Unterscheidung. Eine sachliche Unterscheidung könnte dahin gehen, daß der empirische Zusammenhang zwischen zwei Zuständen oder Handlungen, der dem Schluß zugrundeliegt, unter den zwischen beschreibenden, erklärenden und normierenden Bedeutungsgehalten schillernden Begriffen des Zwecks und des M i t tels noch direkter angesprochen ist als unter den juristischen Begriffen der Aufgabe und der Befugnis. Dann wäre das Handeln des Gesetzgebers, das rechtlich schwächer eingebunden ist als das der Verwaltung und der Rechtsprechung und bei dem darum die Orientierung an empirischen Gegebenheiten vor der an normativen Vorgaben oft stark dominiert, eher mit dem Begriffspaar des Zwecks und des Mittels als mit dem der Aufgabe und der Befugnis zu erfassen: Der Gesetzgeber verfolgt weniger vorgegebene Aufgaben als vielmehr selbstgesetzte Zwecke, er macht weniger von eingeräumten Befugnissen Gebrauch als vielmehr von selbstgewählten Mitteln. 2 Zeidler, FR vom 13.10.1980.

86

4 Fundierung der Amtshilfe im Schluß v. d. Aufgabe auf die Befugnis?

ßischen Staaten aufweist, i n einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wiederfindet und darin den „Zirkelschlag der Geschichte" walten sieht. I n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts scheint Zeidler den Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis dagegen zu vermissen 3 . Aber auch und gerade beim Bundesverfassungsgericht lebt er fort. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses 4 , der auch die erwähnte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gilt 5 , entwickelt das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz, es könne „nicht der Sinn der Verfassung sein, zwar den verfassungsmäßigen obersten Organen i m Staat eine Aufgabe zu stellen und für diesen Zweck ein besonderes A m t vorzusehen, aber den verfassungsmäßigen Organen und dem A m t die M i t t e l vorzuenthalten, die zur Erfüllung ihres Verfassungsauftrags nötig sind" 6 . Es bereitet i h n m i t der Überlegung vor, daß einerseits die Aufgabe des Verfassungsschutzamts durch ihre Erwähnung i n den Zuständigkeitsvorschriften der A r t . 73 Nr. 10 und 87 Abs. 1 GG den Rang eines elementaren Verfassungswerts und überragenden Rechtsguts erhalten hat 7 und daß andererseits die Grundrechte zum wirksamen Schutz überragender Rechtsgüter, soweit erforderlich, eingeschränkt werden können 8 . Nun handelt es sich bei A r t . 10 GG um ein Grundrecht unter Gesetzesvorbehalt und versteht es sich, daß Grundrechte nach Maßgabe ihrer Gesetzesvorbehalte eingeschränkt werden können. Aber i n der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts liegt mehr als diese Selbstverständlichkeit. Die Einschränkbarkeit der Grundrechte zugunsten elementarer Verfassungswerte und überragender Rechtsgüter soll nicht nur für die aufgrund Gesetzesvorbehalt einschränkbaren, sondern auch für die ohne Gesetzesvorbehalt statuierten, durch Gesetz also nicht einschränkbaren Grundrechte gelten. I n der Abhörentscheidung ist nur eine angelegentliche Formulierung derart allgemein ge3 Ebd.: „Mit welcher Eindeutigkeit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Klass unter anderem durch das Urteil vom 6. September 1978 dahin entschieden, daß . . . Es ist in seiner Substanz der klassische Schluß von den Aufgaben auf die Befugnisse . . . Der Europäische Gerichtshof schließt von der Notwendigkeit auf die Zulässigkeit. Wieviel schwerer hatte es sich demgegenüber das Bundesverfassungsgericht mit einer sehr differenzierenden Entscheidung in seinem sogenannten Abhör-Urteil vom 15. Dezember 1970 gemacht . . . " 4

BVerfGE 30, 1—33. EGMR, EuGRZ 1979, 278—289. β BVerfGE 30, 20. — So schwer (vgl. Anm. 3) hat's das Bundesverfassungsgericht sich also doch nicht gemacht. 7 Ebd. 19 f. 5

8

Ebd. 18.

4.1 Der Schluß als gegenwärtiges Problem

87

halten 9 ; der Kontext hebt den Gesetzesvorbehalt des A r t . 10 GG hervor, und die Argumentation macht von i h m Gebrauch 10 . Aber i n anderen Entscheidungen heißt es i. S. nicht nur einer angelegentlichen Formulierung, sondern eines allgemeinen Grundsatzes, daß „ m i t Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte . . . m i t Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von i h r geschützte gesamte Wertordnung ausnahmsweise imstande (sind), auch uneinschränkbare Grundrechte i n einzelnen Beziehungen zu begrenzen" 11 , oder schlichter und ausnahmslos, daß uneinschränkbaren Freiheiten „nach dem Grundsatz der Einheit der Verfassung . . . durch andere Bestimmungen des Grundgesetzes (Grenzen) gezogen werden" 1 2 . Werden nun i n den Zuständigkeitsvorschriften solche Bestimmungen gefunden, werden sie als „grundsätzliche Anerkennung und Billigung des darin behandelten Gegenstandes durch die Verfassung selbst" 1 3 , als Positivierung „ m i t Verfassungsrang ausgestatteter Rechtswerte" verstanden, dann erhält der Schluß von der A u f gabe auf die Befugnis eine grundlegende Rechtfertigung und weitreichende Anwendung. Denn jede staatliche Aufgabe findet i n den Zuständigkeitsvorschriften einen Anhaltspunkt und läßt sich derart m i t Verfassungsrang ausstatten und zum Verfassungsauftrag stilisieren. Jede staatliche Aufgabe kann dann die Einschränkung jedes Grundrechts rechtfertigen, sofern die Befugnis zur Einschränkung für die Erfüllung der Aufgabe nötig ist. I n der Formulierung der Abhörentscheidung, es könne nicht der Sinn der Verfassung sein, einem A m t die M i t t e l vorzuenthalten, die zur Erfüllung seines Verfassungsauftrags nötig sind, findet also eine allgemeine Tendenz des Bundesverfassungsgerichts zur Anerkennung des Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis nur ihren prägnanten Ausdruck. Gewiß handelt es sich hier u m eine von mehreren Tendenzen des Bundesverfassungsgerichts. Schon i n der Forderung, die Einschränkung müsse für die Aufgabe „unbedingt erforderlich" sein, liegt eine dem Schluß innewohnende und zugleich i h m gegenläufige, eine ihn disziplinierende Tendenz. Anerkennung findet der Schluß auch i m Rechtsschrifttum. „Es ist schwer zu sehen, wie man . . . anders zur Ausstattung des Staates m i t der erforderlichen Handlungsfähigkeit gelangen w i l l als durch die Aus9 Ebd. 18 spricht das Bundesverfassungsgericht einfach von einem „überragendein) Rechtsgut, zu dessen wirksamem Schutz Grundrechte, soweit unbedingt erforderlich, eingeschränkt werden können". 10 11 12 13

Ebd. 17 ff. BVerfGE 28, 243—264 (261). BVerfGE 52, 223—255 (246 f.). BVerfGE 53, 30—69 (56).

88

4 Fundierung der Amtshilfe im Schluß v. d. Aufgabe auf die Befugnis?

rüstung m i t der Fähigkeit, sich selbständig m i t jeweils demjenigen M i t tel versehen und sich seiner bedienen zu dürfen, das der Schluß vom Zweck her als das zur Bewältigung der zu bewältigenden Aufgabe geeignetste ergeben hat 1 4 ." U n d m i t der Mißbilligung, die einem ganz und gar absonderlichen Vorgang gilt, bemerkt Krüger ferner, man habe „neuestens gelegentlich e r k l ä r t . . . , der Schluß vom Zweck auf die M i t tel sei m i t rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar" 1 6 . Aber hieran ist sowohl die Annahme, der Schluß vom Zweck auf das M i t t e l bzw. von der Aufgabe auf die Befugnis werde erst neuestens, als auch die, er werde nur gelegentlich abgelehnt, falsch. Schon Otto Mayer hat ihn als die „Folgerungsweise des Polizeistaates" gekennzeichnet und verworfen 1 6 , und von Bachof T über Forsthoff 1S, MaunzStern™ bis Wolff 1 reicht die Reihe der Autoren, die den Schluß ablehnen. Ausdrücklich abgelehnt w i r d er auch i n einigen Entscheidungen 22 . Zugute ist Krüger allerdings zu halten, daß bei den genannten Autoren und i n den angeführten Entscheidungen die Ungültigkeit des Schlusses m i t einer Leichtigkeit behauptet wird, die nicht gerechtfertigt ist. Immerhin ist es eine tatsächlich schwer bestreitbare Grundeinsicht, daß der Staat sich m i t den M i t t e l n muß versehen können, die zur Bewältigung seiner Aufgaben geeignet und notwendig sind, und daß er sich dieser M i t t e l auch muß bedienen können. Sie gilt i m demokratischen ebenso wie i n 14

Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 829. Ebd. S. 58 Anm. 18. 16 Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Band, 1. Aufl., S. 283 f. Anm. 20. Mayer setzt sich hier mit einer Entscheidung des Reichsgerichts auseinander. „Die Polizeibehörden, sagt es, sind zuständig, Personen, welche Auskunft erteilen können, über polizeilich interessierende Angelegenheiten zu vernehmen, also müssen dieselben auch auf ihre Bureaux vorladen können, also sind diese verpflichtet zu erscheinen. Das ist natürlich einfach wieder die Folgerungsweise des Polizeistaates . . . " Vgl. auch 3. Aufl., S. 225 ff. Anm. 21, wo Mayer wieder von dem sog. Auskunftsrecht handelt, das die Polizei gegen jedermann beansprucht und mit Vorladung und Gewaltanwendung durchsetzt. „Ein Gesetz besteht nicht; das Recht wird auf gut polizeistaatlich gefolgert: die Polizei hat ein Recht auf Auskunft, ,soweit sie einer solchen zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedarf'." 17 D Ö V 1955, S. 106. 18 Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 6. Aufl., S. 244. 19 BayVBl 1958, S. 192. so VerwArch 49 (1958), S. 141. 15

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Verwaltungsrecht I I , 1. Aufl., S. 13. — Vgl. ferner A. Mayer, D Ö V 1960, S. 133; F. Mayer, D Ö V 1960, S. 91. Alle seit Anm. 17 angeführten Äußerungen datieren vor Krügers Bemerkung, man habe den Schluß vom Zweck auf das Mittel erst „neustens gelegentlich" verworfen. 22 BayVGHnF 4, 19—28 (22); BayObLG, D Ö V 1960, 130—131. — Implizit abgelehnt wird er immer wieder in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; vgl. zuletzt BVerwG, NJW 1980, 1970—1972: „Abgesehen von der Übertragung einer bestimmten Aufgabe muß eine gesetzliche Eingriffskompetenz geregelt sein . . . " (1971).

4.1 Der Schluß als gegenwärtiges Problem

89

jedem anderen Staat 2 3 . Noch nichts ist m i t der Grundeinsicht freilich darüber gesagt, wer i m Staat die Aufgaben bestimmt und die M i t t e l beschafft, und es ist m i t der Grundeinsicht auch nicht ausgeschlossen, daß bestimmte Mittel dem Staat überhaupt verwehrt sind, so daß er sich zur Bewältigung seiner Aufgaben eben nach anderen geeigneten Mitteln umsehen muß. Über diesen Fragen, i n denen es u m die Beziehung zwischen Gesetzgebimg und Verwaltung, u m die Bedeutung der Grundrechte für Gesetzgebung und Verwaltung und u m das Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht geht, erfährt die Grundeinsicht ihre notwendige Relativierung. I n den entsprechenden Regeln und Verfahren w i r d der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis rechtsstaatlich gebändigt 24 . Aber diese Bändigung und letztlich A b lehnung ist nicht selbstverständlich, sondern voraussetzungsvoll, begründungsbedürftig und folgenschwer. Schwierig ist sowohl die systematische als auch die historische Markierung des Punktes, an dem die Logik des Rechtsstaats die Schlußweise des Polizeistaats hinter sich lassen mußte und auch hinter sich gelassen hat. 4.1.2 Die Voraussetzung der Bändigung des Schlusses von der A u f gabe auf die Befugnis ist zunächst, daß zwischen Aufgaben und Befugnissen und zwischen Aufgaben- und Befugnisnormierungen unterschieden werden kann. Bereits diese Unterscheidung ist schwierig. Die Schwierigkeit trat i n der Erörterung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch schon hervor: Enthalten die Zuständigkeitsvorschriften der Verfassung einfach eine Aufteilung von Regelungsmaterien zwischen Bund und Ländern, die über das Ob und Wie einer Regelung noch gar nichts aussagt, enthalten sie eine Zuweisung von Aufgaben derart, daß Bund und Länder nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht zur Regelung der fraglichen Materien haben, oder enthalten sie gar eine Statuierung von Verfassungswerten, an denen die Grundrechte unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verfassung ihre immanente Begrenzung finden, so daß i n der Ausnutzung der Zuständigkeitsvorschriften von einer Befugnis, den Grundrechtsgebrauch i n dieser Begrenzung zu verweisen, Gebrauch gemacht werden kann? Sind umgekehrt die Grundrechte nicht nur befugnisbezogen, sondern als Verfassungswerte zugleich Aufgabenstellungen? A u f der Ebene des einfachen Rechts ist die Unterscheidung von Aufgabe und Befugnis und Aufgaben- und Befugnisnormierung nicht minder schwierig. Die 23

Krüger (Anm. 14), S. 829. Dies würde auch Krüger wohl nicht bestreiten. Gleichwohl macht er die Vehemenz, mit der er für den Schluß vom Zweck auf das Mittel streitet, nicht nur für die Grundeinsicht geltend (ebd. S. 829 f.), sondern zuweilen auch für das Überspielen der Regeln und Verfahren (ebd. S. 260 f., 928). 24

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4 Fundierung der Amtshilfe im Schluß v. d. Aufgabe auf die Befugnis?

rechtlichen Regelungen sind oft unscharfe Generalklauseln, und ob ζ. B. die Verfassungsschutzgesetze, als sie die Befugnis zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel noch nicht enthielten 2 5 , den Verfassungsschutzbehörden die Sammlung und Auswertung von Unterlagen über verfassungsfeindliche Bestrebungen nur zur Aufgabe gemacht oder auch i. S. einer Befugnis zugewiesen haben, war umstritten 2 6 . Die rechtsdogmatische Bearbeitung ist i n der Bestimmung der Funktion von Aufgabennormen überhaupt unsicher 27 , und sie verwendet die Begriffe der Ermächtigung, Befugnis, Aufgabe, Kompetenz und Zuständigkeit uneinheitlich und undeutlich. Die Unterscheidung zwischen Aufgabe und Befugnis w i r d auch dadurch erschwert, daß die Unterscheidung zwischen Zweck und Mittel, m i t der sie zusammenhängt 28 , nicht vorgegeben ist. Es gibt keine abgeschlossenen, feststehenden Bereiche der Zwecke und der Mittel. Zwecke lassen sich auf weitere Zwecke zurückbeziehen und als M i t t e l zu deren Erreichung begreifen, wie auch umgekehrt M i t t e l anderen M i t t e l n als deren Zwecke vorgeordnet werden können. Entsprechend kann es sich nahelegen, eine Aufgabennorm i m Hinblick auf eine ihr noch übergeordnete Aufgabe i n eine Befugnisnorm umzudeuten. So wurde etwa die Aufgabe, Unterlagen über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten, auch deswegen als Befugnis zu eingreifenden Informationserhebungen interpretiert, weil sie als M i t t e l auf den Zweck des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bezogen wurde 2 9 . Schließlich kann das Verhältnis zwischen Zwecken und Mitteln sogar zirkulär geraten, indem das, was i n einem Lebenszusammenhang als M i t t e l für einen bestimmten Zweck erscheint, i n anderem Lebenszusammenhang als Zweck auftauchen und sich den bestimmten Zweck als Mittel unterordnen kann. 25

Die Einräumung dieser Befugnis erfolgte erst ab 1972. Dabei wurde gerade auch mit dem Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis für die Berechtigung gestritten, die Aufgabenbestimmung zugleich als Befugniszuweisung zu verstehen; vgl. Schwagerl/Walther, Der Schutz der Verfassung, S. 83 ff.; Evers, Die rechtlichen Grenzen der Nachrichtensammlung durch die Ämter für Verfassungsschutz, S. 104 f. ; ders., Privatsphäre und Ämter für Verfassungsschutz, S. 98 ff.; Schäfer, Verfassungsschutz im demokratischen Rechtsstaat, S. 50 ff. Vgl. auch die Diskussionswiedergaben des Schlußberichts einer Fortbildungsveranstaltung für Polizei- und Verfassungsschutzbeamte, Polizei-Institut Hütrup (Hrsg.), Zusammenwirken von Polizei und Verfassungsschutz, wo es S. 163 f. heißt, „Bedenken wegen des »befugten Eindringens' in die Intimsphäre des Einzelnen im Rahmen des §298 StGB seien mit der Feststellung ausgeräumt worden, daß die Aufgabenzuweisung gem. § 3 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. 9.1950 (BGBl S. 682) den Schluß von der Aufgabe auf die Ermächtigung zum Eingreifen zuließe". 27 Vgl. Knemeyer, D Ö V 1978, S. 11 ff. 28 Vgl. oben Anm. 1. 29 Vgl. SchwagerllWalter (Anm. 26), S. 67 ff.; Schäfer (Anm. 26), S.45ff.; Evers, Privatsphäre und Ämter für Verfassungsschutz, S. 99. 26

4.1 Der Schluß als gegenwärtiges Problem

91

Bei der Bändigung des Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis ist ferner danach zu unterscheiden, ob vom Schluß i n der Hand des Gesetzgebers oder i n der Hand der Verwaltung die Rede ist. Der Gesetzgeber darf und soll gerade Befugnisse erschließen, er darf und soll der Verwaltung durch Gesetz die Befugnisse eröffnen, die für die Erfüllimg von deren Aufgaben geeignet und notwendig sind. Die Befugnis des Gesetzgebers, dies zu tun, findet ihre Grenze nur an den Grundrechten. Zwar ist auch diese Grenze durch den Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis gefährdet, und zwar nicht nur theoretisch, sondern m i t der aufgezeigten Tendenz i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch praktisch. Aber akut w i r d die Gefährdung doch nur i m Ausnahmefall. Anders bei der Verwaltung, bei der der Schluß nicht nur die Grundrechts-, sondern auch die Gesetzesbindung zu überspielen und damit die rechtsstaatliche Substanz zu treffen droht. Entsprechend ist auch Mayers Verdikt über den Schluß als die „Folgerungsweise des Polizeistaates" zu verstehen. Die folgenden Überlegungen sind m i t dem Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis i n der Hand der Verwaltung befaßt. Denn bei der Amtshilfe sollen Aufgabe und Befugnis zweier Verwaltungsbehörden zusammengeschlossen werden. Ob bzw. wann die Gesetzesbindung dies zuläßt, ist die Frage und m i t i h r w i r d auch zum Problem, wie die Gesetzesbindung auszusehen und wie der Gesetzesgeber der Verwaltung ihre Aufgaben zuzuweisen und ihre Befugnisse zu erschließen hat. Insofern kommt der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis auch i n der Hand des Gesetzgebers i n den Blick. Aber er w i r d nur insoweit erörtert, als dies für seine Beurteilung i n der Hand der Verwaltung notwendig ist. Noch eine weitere Unterscheidung ist zu treffen. I n Ablehnung des Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis läßt sich fordern, daß der Gesetzgeber sowohl die Aufgabe als auch die Befugnis zu normieren, daß er beide aufeinander zu beziehen und i m Zusammenhang miteinander zu regeln und daß die Verwaltung die Befugnis nur und genau so einzusetzen hat, wie dies dem vom Gesetzgeber hergestellten Zusammenhang m i t der Aufgabe entspricht. Es läßt sich aber auch die bescheidenere Forderung stellen, daß zwar der Gesetzgeber einerseits Aufgaben und andererseits Befugnisse normieren muß, daß aber den Bezug und Zusammenhang die Verwaltung herstellen darf, die i m Einzelfall entscheidet, welche Befugnis zur Verfolgung welcher Aufgabe eingesetzt werden soll. Noch zurückhaltender wäre es, dem Gesetzgeber nur die Befugnisnormierung abzuverlangen und der Verwaltung zuzubilligen, die Aufgabenbestimmung und die Zuordnung von A u f -

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4 Fundierung der Amtshilfe im Schluß v. d. Aufgabe auf die Befugnis?

gaben und Befugnissen selbst vorzunehmen. Auch die. bescheidene zweite und selbst die zurückhaltende dritte Forderung einer Gesetzesbindung ist bedeutsam und m i t dem Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis, w i r d er nur unbedingt genug verstanden, unvereinbar. Das Verständnis der Amtshilfe, bei dem es nicht von einem besonderen Gesetz, sondern von der Not der Lage abhängen soll, wann eine Verwaltungsbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben um die Befugnisse einer anderen Verwaltungsbehörde ersuchen kann, scheitert jedoch allein an der ersten Forderung. So kommt denn für das Gelingen oder Scheitern der Fundierung der Amtshilfe i m Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis alles darauf an, wie der Schluß zu verstehen, m i t welcher Forderung er abzulehnen und wie diese Forderung zu begründen ist. Für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen w i r d zunächst der historische Grund gelegt und daraus das systematische Konzept entwickelt.

4.2 Der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis in der geschichtlichen Entwicklung 4.2.1 Den Eingang in das Staatsrecht hat der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis m i t der Rezeption des römischen Rechts gefunden. Er w a r i n einer Digestenstelle angelegt: „Cui iurisdictio data est, ea quoque concessa esse videntur, sine quibus iurisdictio non explicari potuit 3 0 ." Die Rezeption dieser Digestenstelle sollte kaiserliche Machtpositionen rechtfertigen 31 . Aber wie insgesamt die Rezeption des römischen Rechts zwar einer Stabilisierung der kaiserlichen Gewalt dienen sollte, aber tatsächlich der Entfaltung der landesherrlichen gedient hat 3 2 , wurde auch der Schluß vom Zweck auf die M i t t e l zum Schwert nicht 30

Dig. 2.1.2 (Iavolenus). Bei Petrus de Andlo, De Imperio Romano, ist die Digestenstelle noch nicht behandelt. Nach Laband, Die Bedeutung der Rezeption des Römischen Rechts für das deutsche Staatsrecht, S. 24 f. bzw. S. 51, ist dieses Werk die erste systematische Bearbeitung des Reichsstaatsrechts und bieten danach erst wieder die von Arumaeus herausgegebenen Discursus Academici de Jure Publico von 1616—1623 eine zusammenhängende Darstellung des Reichsstaatsrechts. I n ihnen zeigt sich nun, daß der an die Digestenstelle anknüpfende Schluß von der kaiserlichen iurisdictio auf ihre condiciones explicandi inzwischen selbstverständlich geworden ist. Vgl. in den Discursus die Beiträge Leipoldis, De Concurrentia Jurisdictionis; Kirchb erger, De Jurisdicitione; vgl. besonders Brudtlacht, De Romani Teuton. Imperii Vicariata, S. 18: „ . . . q u o d pluribus fundamentis stabilire operae precium non duco: Quippe cum concessa iurisdictione omnia etiam ilia concessa intelligantur, sine quibus ea ipsa explicari non p o t e s t . . . " 31

32

Vgl. Laband (Anm. 31).

4.2 Der Schluß in der geschichtlichen Entwicklung

93

in den Händen des Kaisers, sondern in denen der Landesherren. Ihnen hat der Westfälische Frieden die „omnimoda iurisdictio" 3 3 und die weitere Entwicklung „omnia ilia, sine quibus ea explicari non potest", gebracht 5 4 . Später hat das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten bestimmt, daß die Gesetze m i t einem Recht auch die Mittel bewilligen, ohne die das Recht nicht ausgeübt werden kann 3 5 , und wenn diese Bestimmung noch später i m preußischen und deutschen Staatsund Verwaltungsrecht als Rechtfertigung für den Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis genommen wurde 3 6 , dann ist daran jedenfalls 83 §4 aus Articulus V I I I des Instrumentum pacis Osnabrugense (Zeumer; Quellensammlung, Nr. 197) : „ . . . liberis Imperii Civitatibus non minus quam caeteris Statibus Imperii . . . rata et intacta maneant regalia, vectigalia, reditus annui, libertates, privilegia confiscandi, collectandi . . . cum omnimoda iurisdictione intra muros et in territorio . . . Diese Bestimmung bezog sich unmittelbar auf die Reichsstädte. M i t ihr brachte der Westfälische Friede den Reichsstädten die Gleichstellung mit den übrigen Reichsständen, und dafür wurde diese Umschreibung der Landeshoheit nötig. I n der Umschreibung ist die omnimoda iurisdictio noch eines von mehreren Momenten der Landeshoheit. Erst die Theorie machte sie zum Synonym für die Landeshoheit insgesamt. Vgl. Schröder/von Künßberg, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, S. 935 ff. 34 Bei F. Mayer, Die Eigenständigkeit des bayerischen Verwaltungsrechts, S. 30 liest sich der Vorgang so, als habe die Digestenstelle erst nach dem Westfälischen Frieden ihre eigentliche Bedeutung für das deutsche Staatsrecht gewonnen, in dem sie zur Begründung und Rechtfertigung landesherrlicher Befugnisse herangezogen wurde. Aber ein Beleg dafür, daß die Digestenstelle tatsächlich nach dem Westfälischen Frieden auf die omnimoda iurisdictio des Landesherren bezogen worden wäre, ist weder bei Mayer ausgewiesen noch in der damaligen Literatur auffällig. Aus zwei Gründen ist ein solcher Beleg auch unwahrscheinlich. Zum einen war schon Brudtlacht (Anm. 31) der Schluß von der iurisdictio auf ihre condiciones explicandi zu selbstverständlich, als daß er den expliziten Bezug zur Digestenstelle noch hätte herstellen müssen. Die Literatur nach dem Westfälischen Frieden dürfte eine Nötigung, den Bezug zu explizieren, erst recht nicht mehr verspürt haben. Zum anderen stieß die synonyme Verwendung von iurisdictio für landesherrliche Gewalt im 18. Jahrhundert bald auf eine Kritik, die der Herleitung landesherrlicher Befugnisse aus der iurisdictio und aus der Digestenstelle Aktualität und Attraktivität genommen haben dürfte. Vgl. Bilderbeck/v. Α., Teutscher Reichs-Staat, S. 371: „Und eben diese Gewalt, welche die Reichs-Stände haben, wird von den Publicisten . . . summa jurisdictio, (wiewohl das wort jurisdictio, gleichwie fast alle dinge, wenn sie ex jure Romano auf den Kayser und die Reichs-Stände appliciret werden, mit den haaren herbey gezogen, und auf eine etwas unanständige art der LandesFürstlichen hoheit der Teutschen Churfürsten, Fürsten und Stände etc. bey geleget wird) . . . Landes-Fürstliche hoheit und herrschaft genennet . . . " 35 § 89 Einleitung: „Wem die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht ausgeübt werden kann." 36 Vgl. W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931, S. 150 f. und die schon oben Abschnitte 2.2.2 und 2.2.3 geführten Nachweise aus Rechtsprechung (vgl. besonders Anm. 51) und Rechtsschrifttum (vgl. besonders Anm. 75). Auch bei Wolff IBachof, Verwaltungsrecht I, S. 184, wird § 89 Einleitung A L R als die einstige Rechtfertigung des heute unhaltbaren Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis angeführt.

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richtig 3 7 , daß i m Zeitraum vom Westfälischen Frieden bis zum Allgemeinen Landrecht die Vollmacht des Landesherren sich dahin ausgebildet hatte, daß er anordnen konnte, was er zur Erreichung der Staatszwecke geeignet und notwendig fand. Ein zeitgenössischer Autor hat diese Vollmacht des Landesherren auf die Formel gebracht: „Ius ad finem dat ius ad media 3 8 ." Damit ist die Machtstellung des Landesherren zwar weder tatsächlich noch rechtlich erschöpfend beschrieben. Sie konnte i n wohlerworbenen Rechten der Untertanen und am eingeübten Widerstand der Stände ihre Grenzen finden, w a r durch eine Zwiespältigkeit ihrer juristischen Konstruktion beeinträchtigt, indem sie von der privatrechtlichen Vorstellung einzelner Regalien zum öffentlichrechtlichen Begriff umfassender Souveränität nur langsam hinüberführte, und hat sich i n den verschiedenen Territorien verschieden rasch und auch verschieden stark entwickelt. Wirklich absolut war sie nie; von den letzten Begrenzungen durch die feudale Rechtsordnung konnte sie nur i n dem Maß frei werden, i n dem die feudale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zur bürgerlichen wurde, die sogleich ihre eigenen Begrenzungen hervorgebracht hat. Aber obwohl i n seiner Durchschlagskraft gelegentlich behindert, war der Schluß vom Zweck auf die M i t t e l i n seiner Evidenz nicht bestritten 3 9 .

87 So vorsichtig muß deswegen formuliert werden, weil eigentlich alles dafür spricht, daß § 89 Einleitung A L R von den Rechten und den mit ihnen bewilligten Mitteln nicht des Staates, sondern des einzelnen handelt. Die vor- und nachstehenden Bestimmungen behandeln Grundsätze für die Ausübung von Rechten im Verhältnis der einzelnen zueinander, und in diesem Sinn ist § 89 jedenfalls später auch kommentiert worden, vgl. Johow, Koch, Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, 1. Band, S. 66 Anm. 95. Nach dieser Kommentierung hat § 89 auch für den einzelnen nur eine geringe Bedeutung, „er lehrt nur, welche Aufgabe die Gesetze haben: sie müssen dem, welchem ein Recht zusteht, auch die Mittel einräumen, dasselbe auszuüben . . . Der Gesetzgeber deutet somit in §89 eine Regel an, welche bei Abfassung der Gesetze beobachtet wird. Ein Berechtigter erhält mithin durch den §89 nicht die Befugniß, die Mittel zur Ausübung seines Rechts nach Gutdünken willkürlich zu wählen." Vgl. auch von Rönne, Ergänzungen und Erläuterungen des Allgemeinen Landrechts, 1. Band, S. 78. 38 Von Kreittmayr, Grundriß des Allgemeinen, Deutsch- und Bayerischen Staatsrechtes, S. 15. 39 Vgl. Leist, Lehrbuch des teutschen Staatsrechts, S. 305, 320 f., 356, 555 f.; Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 418 ff., 565 ff., Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 142; Schlözer, Allgemeines Staatsrecht, S. 16, 73 f., 94; Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte, 1. Teil S. 150, 2. Teil S. 1 f.; von Wolff , Jus Naturae methodo scientifico pertractatum, 8. Band, S. 615 f. (8. Teil, § 810 und 811). Vgl. auch schon die Feststellung bei Hobbes, Leviathan, S. 163 (18. Kap.), daß „whosoever has right to the end, has right to the means", und nochmals unten Anm. 44.

4.2 Der Schluß in der geschichtlichen Entwicklung

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4.2.2 A n der Entwicklung des Polizeirechts w i r d dies besonders deutlich. Der umfassende Polizeibegriff des 18. Jahrhunderts, der neben und vor der Gefahrenabwehr der Pflege von Wohlfahrt, Wirtschaft, Bildung, Gesittung und Gesinnung galt und unter dem Polizeiverwaltung einfach innere Verwaltung war, ist oft beschrieben worden 4 0 . Seine staatsrechtliche Grundlage hatte er i m ius politiae des Landesherren; als ius ad finem bezog es sich auf das Ziel der salus publica i m weitesten Sinn, und der Schluß vom Zweck auf die M i t t e l gab zur Erreichung des Ziels i n ebenso weitem Umfang die iura ad media. Als die obrigkeitliche Bevormundung, die m i t diesem umfassenden Polizeibegriff einherging, von der aufklärerischen Vernunft als entmündigend und vom erwerbswirtschaftlichen Interesse als beengend empfunden wurde, richtete sich die Forderung auf eine Beschränkung der Polizei auf die Gefahrenabwehr 41 . I m Allgemeinen Landrecht, von aufklärerischer Geisteshaltung geprägt, ist die Forderung erfüllt und das A m t der Polizei auf die Erhaltung von öffentlicher Ruhe, Sicherheit und Ordnung sowie die Abwehr von Gefahren beschränkt worden 4 2 . Aber gerade dieser Abschied vom umfassenden Polizeibegriff 4 3 bestätigt noch einmal die Evidenz des Schlusses vom Zweck auf die Mittel. Die rechtliche Zurückdrängung der obrigkeitlichen Bevormundung wurde deswegen als Reduzierung polizeilicher Zwecke und nicht etwa polizeilicher Mittel unternommen, w e i l Zweck und Mittel durch den Schluß so eng zusammengehalten wurden, daß es scheinen mußte, als könne der Zusammenhang nicht aufgehoben, sondern nur sein Geltungsbereich verkleinert werden 4 4 . Von dieser begrifflichen Zähmung der Polizei40 Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I I I , S. 3; Drews/Wacke, Allgemeines Polizeirecht, 7. Aufl., S . 2 f . ; O. Mayer (Anm. 16), 3. Aufl., S. 204; Wolzendorff, Der Polizeigedanke des modernen Staats, S. 9 ff. 41 Wolff /Bachof, ebd. S. 3 f.; Drews/Wacke, ebd. S. 3 f.; O. Mayer, ebd. S. 204 f.; Wolzendorff, ebd. S.54ff. 42 § 10 aus Teil I I Titel 17: „Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publiko, oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizei." 43 Daß dieser Abschied kein endgültiger war, dazu besonders Wolzendorff (Anm. 40), S. 87 ff. § 10 I I 17 wurde erst nach der Restauration und durch die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts prägend. Vgl. zu dieser Rechtsprechung gegen Ende dieses Abschnitts. 44 Diese Denkungsart wird bei Svarez, dem maßgeblichen Mitverfasser des ALR, besonders deutlich. I n seinen Vorträgen über Recht und Staat ist ihm die Evidenz des Schlusses vom Zweck auf das Mittel ganz selbstverständlich. Nur die Beschränkung und richtige Betrachtung der Zwecke des Staates bieten ihm die Möglichkeit, Despotismus des Herrschers und Sklaverei der Untertanen zu verhindern. Vgl. S. 65 f.: „Sich von diesen Zwecken des Staates einen richtigen und stets gegenwärtigen Begriff zu bilden, ist eine Sache von der äußersten Wichtigkeit, beides für Regenten und Untertanen . . . Noch wichtiger aber ist diese Betrachtung für den Regenten und besonders für

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gewalt durch die Beschränkung ihres Zwecks führte der Weg zu organisatorischen Bemühungen um die Begrenzung ihres Ressorts. Selbst hier ging es unter der Geltung des Schlusses vom Zweck auf die M i t t e l um umfängliche Verringerung und nicht um inhaltliche Disziplinierung; „ w a r die Zuständigkeit der Polizei auf ein M i n i m u m beschränkt, so mochte sie i n diesem ihrem Bereich terrorisieren" 4 5 . Erst die konstitutionelle Entwicklung des 19. Jahrhunderts hat den Schluß vom Zweck auf die M i t t e l infragegestellt. Unter der These, i n ihrem Verlauf habe der Schluß sich als überhaupt rechtsstaatswidrig erwiesen und sei schlechterdings unzulässig geworden, ist sie von Franz Mayer für Bayern am Polizeirecht eingehend untersucht worden 4 6 . Mayer schildert, w i e die Polizeigewalt i n der damaligen Staatspraxis und auch nach dem damaligen wissenschaftlichen Verständnis durch die Verfassung von 1818 trotz deren Freiheits- und Eigentumsklausel zunächst nur geringfügig beeinträchtigt war. Dem Landesherren blieb das weitestgreifende Verordnungsrecht und der Polizei die umfangreichste Strafgewalt, und i n beidem lebte der Schluß vom Zweck auf die M i t t e l fort. A m Ende eines langen, i n der Revolution von 1848 entschiedenen und m i t dem Polizeistrafgesetzbuch von 1861 besiegelten Kampfes zwischen Kammern und Krone u m die gesetzliche Beschränkung der Polizeigewalt sei jedoch die Polizeigewalt durch Funktionsentzug und Normbindung rechtsstaatlich bezwungen gewesen. Zusammen m i t dem Einführungs- und dem Gerichtsverfassungsgesetz hatte das Polizeistrafgesetzbuch von 1861 erstens den Polizeibehörden die Polizeigerichtsbarkeit entzogen, zweitens den polizeilichen Zwang entweder an die Verletzung eines strafbewehrten Gesetzes und an die vorgängige bzw. bei Notwendigkeit vorläufigen Einschreitens nachträgliche Entscheidung eines unabhängigen Richters gebunden oder daran geknüpft, daß er zum Vollzug von sonstigen Gesetzen oder von Verordnungen eingesetzt worden war, und drittens für die königlichen Polizeiverordnungen eine gesetzliche und für die behördlichen Polizeivorschriften eine gesetz- oder verordnungsmäßige Ermächtigung verlangt. Diese drei Elemente haben nach Mayer ein System konstituiert in dem für den Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis und für eine einen solchen, der eine uneingeschränkte Macht besitzt, weil sie das einzige Mittel ist, ihn von den Mißbräuchen dieser Macht zurückzuhalten . . . " Diese Überlegung kann Svarez dann in eine gewissermaßen aufgeklärte Fassung des Schlusses vom Zweck auf das Mittel umsetzen. Vgl. S. 68: „Der Regent, besonders der Monarch eines uneingeschränkten Staates, hat das Recht, alles zu tun, was das Wohl der bürgerlichen Gesellschaft, nach den gehörig betrachteten und richtig erklärten Zwecken derselben notwendig erfordert." 45 Wolzendorff, Die Grenzen der Polizeigewalt, 2. Teil, S. 15. 48 F. Mayer (Anm. 34), S. 63 ff.

4.2 Der Schluß in der geschichtlichen Entwicklung

polizeiliche Generalklausel als dessen juristische Einkleidung Platz mehr w a r 4 7 .

97

kein

Daß die weitere Entwicklung i n Bayern zur interpretatorischen Gewinnung immerhin einer partiellen Generalklausel drängte und daß der bayerische Einfluß auf die anderen süddeutschen Staaten vom preußischen wieder zurückgedrängt und damit das bayerische Polizeirecht der gemeindeutschen Wirkung beraubt wurde, w i r d von Mayer i m Fortgang seiner Untersuchung nicht geleugnet, sondern als machtpolitisch bedingte Zurückbildung einmal erreichter rechtsstaatlicher Standards beschrieben. Aber diese gegenläufige Entwicklung war ebensowenig eine machtpolitische Zufälligkeit, wie auch die Ablehnung des Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis unter dem Gesetzgebungswerk von 1861 keine rechtsstaatliche Notwendigkeit war. Was das Gesetzgebungswerk realisiert hatte, waren zunächst die Aufhebung der Verbindung von Polizei- und Richteramt i n der Person des Landrichters und der Ubergang der Polizeigerichtsbarkeit von den Polizeibehörden auf die Gerichte. Damit wurde dem Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis zwar ein wichtiges Feld verschlossen, indem n u n von polizeilichen Aufgaben nicht mehr auf richterliche Befugnisse geschlossen werden durfte. Aber die Gewaltenteilung zwischen Justiz und Verwaltung, die durch das Gesetzgebungswerk abgeschlossen wurde, ist als Essentiale des Rechtsstaats ein eigenständiges Thema, und die eigentliche Problematik des Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis beginnt erst da, w o die Lösungen nicht schon aus den Rechtsstaatsgeboten zum Verhältnis zwischen der zweiten und der dritten Gewalt folgen. Wo aber das Gesetzgebungswerk dem anderen Verhältnis zwischen Verwaltung und Gesetzgebung galt, da bot es auch dem Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis noch Raum. Zwar Schloß es den Schluß von der Aufgabe auf eine Normsetzungsbefugnis aus; das königliche Polizeiverordnungsrecht w a r an die gesetzliche Ermächtigung gebunden, und die behördliche Zuständigkeit zum Erlaß von Polizeivorschriften mußte gesetz- oder verordnungsmäßig begründet sein. Anders stand es jedoch m i t dem Schluß auf die Befugnis zur Anordnung i m Einzelfall. Sollte die Anordnung strafbewehrt erfolgen, mußte die vom Richter i m voraus festgestellte oder i m nachhinein bestätigte Verletzung eines Polizeistraftatbestandes vorliegen. Dagegen w a r für die nicht m i t Strafe bewehrte Anordnung lediglich verlangt, daß sie zum Vollzug von Gesetzen oder Verordnungen erging 4 8 . Dieses Erfordernis hat polizeiliches 47 Schilderung und Würdigung des Gesetzgebungswerks von 1861 ebd. S. 81 ff. 48 Dieses Erfordernis, daß die Anordnung zum Vollzug von Gesetzen oder Verordnungen ergehen mußte, war nicht explizit, sondern implizit statuiert. Art.28 Abs. 1 des Gesetzes, die Einführung des Strafgesetzes und des Polizei-

7 S chi ink

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Handeln zwar unter dem Zweckaspekt gebunden, die Auswahl der zum Zweck des Vollzugs eines Gesetzes einzusetzenden M i t t e l aber freigegeben. Erst die Durchsetzung dieser M i t t e l m i t Zwangsmaßnahmen war wieder dadurch gebunden, daß m i t dem unmittelbaren Zwang, der Ersatzvornahme und der sog. Ungehorsamsstrafe die Zwangsmaßnahmen i m Gesetz abschließend aufgeführt waren 4 9 . Der zwischen Zwecknormierung und Zwangsmaßnahmeregelung liegenden Freiheit der Polizei, einer Freiheit zum Schluß vom Zweck auf das Mittel, war man sich bei der Schaffung des Gesetzgebungswerks auch durchaus bewußt. Man sah, daß zu ihrer Beseitigung an die Stelle der bloßen Zwecknormierung ein Polizeikodex hätte treten müssen, der die Arten der polizeilichen Anordnung und die Bedingungen ihres Einsatzes geregelt hätte 5 0 . Aber ein solcher Polizeikodex ist, obwohl erwogen, nicht verwirklicht worden. So war es kein Bruch m i t dem Gesetzgebungswerk von 1861, wenn später aus der polizeilichen Aufgabe, Übertretungen der Strafgesetze zuvorzukommen, die entsprechenden Befugnisse gefolgert w u r d e n 5 1 ; und da die Strafgesetze m i t den Tatbeständen des Polizeistrafgesetzbuchs die Bereiche der Gefahrenabwehr und die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung ziemlich abdeckten, hatte der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis i n den Bereichen, i n denen er nach dem preußischen System seine Geltung hatte, auch nach der bayerischen Regelung ein beträchtliches Anwendungsgebiet. Eine rechtsstaatliche Notwendigkeit w a r das Verdikt über den Schluß von polizeilichen Aufgaben auf richterliche Befugnisse gewesen, ein rechtsstaatlicher Gewinn Strafgesetzbuches für das Königreich Bayern betreffend (Gesetz-Blatt 1861 und 1862, Nr. 24) lautete: „Die Polizeibehörden sind befugt, Verfügungen, die sie innerhalb ihrer Zuständigkeit zum Vollzug von Gesetzen, deren Übertretung nicht mit Strafe bedroht ist, an bestimmte Personen erlassen und diesen eröffnet haben, durch Anwendung gesetzlicher Zwangsmittel zur Ausführung zu bringen." 49 Die Regelung der Zwangsmaßnahmen war der eigentliche Inhalt des Art. 28 Einführungsgesetz. I n den Abs. 2 ff. waren die Ersatzvornahme und die sog. Ungehorsamsstrafe geregelt. Dagegen wurde bei der Beratung des Einführungsgesetzes der unmittelbare Zwang als gesetzliches Zwangsmittel einfach vorausgesetzt, vgl. F. Mayer (Anm. 34), S. 85 f. 00 Barth, BlAdmPr 12 (1862), S. 275 f. 51 Bei der Aufgabenbestimmung handelte es sich um Art. 102 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Reichsstrafprozeßordnung (Gesetz- und Verordnungs-Blatt 1879, Nr. 48): „Die Behörden und Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes sind verpflichtet, durch Aufsicht und Anstalten den Übertretungen der Strafgesetze möglichst zuvorzukommen und dieselben in ihrem Lauf zu unerdrücken." Aus ihr wurden in der Praxis und in der Theorie die erforderlich erscheinenden Befugnisse abgeleitet. Vgl. zur Praxis F.Mayer (Anm. 34), S. 121 ff.; zur Theorie Gerstle, Die Polizeiverfügung im bayerischen Recht, S. 97 ff. Gerstle hat für Art. 102 Abs. 1 in Anlehnung an § 10 I I 17 A L R die Kennzeichnung als „partielle Generalklausel" eingeführt.

4.2 Der Schluß in der geschichtlichen Entwicklung

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das Erfordernis einer spezialgesetzlichen Ermächtigung für die königliche und die behördliche Normsetzung und eine bayerische Besonderheit der Versuch, die Zähmung der Polizeigewalt weniger über die Einschränkung der Aufgaben und mehr über die Normierung der Befugnisse zu unternehmen. Eine umfassende Verabschiedung des Schlusses von gesetzlich zugewiesenen Aufgaben auf verwaltungsbehördlich wahrzunehmende Befugnisse erschien aber auch i n Bayern rechtsstaatlich nicht geboten. Eine andere Entwicklung hat das Polizeirecht i n Preußen genommen. Dabei zeigt sich die schon erwähnte andere, dem Schluß von der A u f gabe auf die Befugnis ebenfalls innewohnende und zugleich gegenläufige Tendenz. Als Schluß von der Notwendigkeit auf die Zulässigkeit eröffnet er Handlungsmacht. Als Bindung der Zulässigkeit an die Notwendigkeit begrenzt er Handlungsmacht. Dieses rechtsstaatlich begrenzende Potential ist i n der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts aktualisiert worden. M i t kühnem Griff hat das Preußische Oberverwaltungsgericht zur Überprüfung des Polizeihandelns § 10 I I 17 A L R 5 2 herangezogen 53 . Es hat, indem es für die eigentlich bedeutungslos gewordene N o r m 6 4 fortdauernde Gültigkeit behauptet und i n Wahrheit neuerliche Geltung begründet hat, die Polizeiaufgaben u m die Wohlfahrtspflege und auf die Gefahrenabwehr reduziert. Es hat aber die Norm nicht nur revitalisiert, sondern auch uminterpretiert. Ursprünglich war § 10 I I 17 A L R eine Amts- und Aufgabenumschreibung gewesen 55 ; von den M i t t e l n zur Erfüllung der Aufgabe und zur Wahrnehmung des Amts hatte er deswegen nicht handeln müssen, w e i l aus dem ius ad finem politiae ohneh i n das ius ad media politiae gefolgt war. Aus der Aufgabenbestimmung machte das Preußische Oberverwaltungsgericht eine Aufgabenund Befugnisnorm 516 und nahm damit das, was ursprünglich als Folgerung an die Bestimmung anschloß, i n die Norm hinein. Der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis wurde i m Gesetz untergebracht und durch das Gesetz legitimiert. Erreicht wurde damit zugleich die Bestä52

Vgl. oben Anm. 42. Den Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung bildete das Kreuzbergerkenntnis vom 14. Juni 1882, PrOVG 9, 353—384. 54 Wolzendorff (Anm. 40), S.182f.; ders. (Anm. 45), S.78ff. 55 Drews/Wacke (Anm. 40), S. 42; Bachof (Anm. 17), S. 106; Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S.86; vgl. auch Rosin, Das Polizeiverordnungsrecht in Preußen, S. 124 („Amtsauftrag der Polizeibehörden"). 58 I m Kreuzbergerkenntnis (Anm. 53) spricht das Preußische Oberverwaltungsgericht sowohl davon, in § 10 I I 17 werde die „Aufgabe der Polizei . . . umschrieben" (370), als auch von den „Befugnissen der Polizeibehörden . . . im § 10 gegebenen Rahmen" (373). 53

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4 Fundierung der Amtshilfe im Schluß v. d. Aufgabe auf die Befugnis?

tigung und die Begrenzung des polizeilichen Handlungsspielraums. Die Polizeibehörden durften den Schluß als gesetzliche Handlungsermächtigung benutzen und die Gerichte konnten ihn als gesetzlichen Prüfungsmaßstab verwenden. M i t i h m hat das Preußische Oberverwaltungsgericht untersucht, ob i m Einzelfall die polizeilichen M i t t e l zur Erreichung der polizeilichen Aufgabe geeignet und notwendig und damit rechtmäßige polizeiliche Befugnisse waren 5 1 . Die Frage, unter welchem der beiden Systeme, dem preußisdien oder dem bayerischen, die Bindung und Kontrolle der Polizei geringer und 57 Dabei ist eine Entwicklung festzustellen, in deren Verlauf die Geeignetheit und Notwendigkeit eines Mittels zur Erreichung des polizeilichen Zwecks zunehmend unverhohlener und gründlicher zum Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemacht wird. So heißt es P r O V G 10, 260—272 zu Beschränkungen für den Betrieb einer Fabrik noch zurückhaltend: „Sollte die Beklagte . . . mit ihren Anforderungen wirklich über das unerläßlich Gebotene hinausgegangen sein, so würde das im vorliegenden Verfahren zu einer Aufhebung der Verfügung nicht führen können; ganz abwegig und zur Erreichung des erstrebten Zieles ungeeignet ist das gestellte Verlangen keinesfalls; seine Angemessenheit aber unterliegt . . . hier nicht der Prüfung." (267 f.) Schon P r O V G 13, 426—428 tritt bei der Überprüfung eines Verbots der Einzäunung eines Grundstücks in eine echte Notwendigkeitsprüfung ein. „Der Kläger ist an sich befugt, sein Grundstück durch Herstellung eines Zaunes abzugrenzen . . . Ensteht bei einer derartigen Bauausführung für die Zeit der Dunkelheit Gefahr, so wird eben nur die Beseitigung solcher Gefahr Gegenstand der polizeilichen Fürsorge sein können. Die von der Polizei zu treffenden Maßnahmen werden sich darauf zu richten haben, den an sich erlaubten Bau zu einem gefahrlosen zu gestalten; sie dürfen aber nicht so weit gehen, den an sich erlaubten Bau überhaupt zu verhindern. Danach würde, wie Kläger mit Recht geltend macht, die Auflage der Beleuchtung für die Zeit der Herstellung des Zaunes genügt haben." (427 f.) Typisch für die Halbherzigkeit, mit der das Preußische Oberverwaltungsgericht an die Geeignetheits- und Notwendigkeitsprüfung oft herangeht, ist PrOVG, P r V B l 1899/1900, 266—267. Die Polizei hatte die Schließung eines Brunnens angeordnet; das Gericht entwickelt zunächst den Gegenstand der Geeignetheits und Notwendigkeitsprüfung, erklärt sich dann zur Prüfung für unzuständig, um sich schließlich doch auf sie einzulassen: „Die Gesundheitsgefährlichkeit des Wassers erkennt der Kläger an. Er meint aber, daß die Aufschrift ,Kein Trinkwasser 4 hinreichend gegen den Genuß des Wassers schütze und daß ihm allenfalls hätte aufgegeben werden können, die Pumpe durch Anschließen des Schwengels unbenutzbar zu machen. . . . die Beklagte . . . ist aber nach ihrer Gegendarstellung durch Erfahrung bei anderen Brunnen mit gesundheitsgefährlichem Wasser zu der Überzeugung gekommen, daß dessen Genuß nur durch gänzliche Beseitigung des Brunnens wirksam verhindert werden könne. Dies sind Erwägungen der Zweckmäßigkeit, auf die sich die Nachprüfung des Verwaltungsrichters nicht zu erstrecken hat. Daß die Polizeibehörde anderweit gewonnene Erfahrungen auch dem Kläger gegenüber verwerthen darf, kann nicht dem mindesten Zweifel unterliegen. Übrigens leuchtet ein, daß die Polizei obige Warnung für keine geeignete Gewähr gegen den Genuß des Wassers — besonders bei Kindern und auch sonst mit Rücksicht auf die Sorglosigkeit vieler Menschen — erachten und auch Bedenken haben kann, diese Gewähr in der Anordnung der Anschließung des Schwengels zu erblicken, denn eine Kontrolle darüber, daß dessen Anschließung nur aufgehoben wird, um das Wasser zu unschädlichen Zwecken zu verwenden, ist kaum möglich." (266) Ohne die salvatorische Klausel ebenfalls zur Schließung eines Brunnens PrOVG, P r V B l 1902/1903, 648—649.

4.2 Der Schluß in der geschichtlichen Entwicklung

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damit der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis gefährlicher war, w i r d durch die jeweilige Verwaltungs- und Gerichtspraxis beantwortet. Deren rückblickende Beurteilung zu Beginn dieses Jahrhunderts ist gegenüber der zunächst plausibel klingenden These, der Handlungsspielraum der Verwaltung nehme m i t generalklauselartigen Normierungen zu und m i t spezialgesetzlichen ab, durchaus skeptisch. Unter § 10 I I 17 A L R ist nach Wolzendorff die „Nachprüfung fast der ganzen administrativen Erwägung unvermeidlich"' geworden; die Gerichtskontrolle beurteile die Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und sogar Zweckmäßigkeit des polizeilichen Handelns, und da dieses sich der gerichtlichen Praxis anpasse, binde es sich auch an diese gerichtlichen Kriterien 5 8 . I n demselben Sinn sieht Bühler das Preußische Oberverwaltungsgericht überhaupt von der Rechts- zur Ermessenskontrolle übergegangen 59 . Dagegen gilt nach Wolzendorff unter einem System von Spezialermächtigungen die Erfahrung, daß die Rechtsprechung sich „leicht m i t der Nachprüfung (begnügt), ob überhaupt für einen bestimmten Gegenstand (ζ. B. Straßenverkehr, Polizeistunde) polizeiliche Regelung formell zugelassen ist, ohne sich weiter Sorge zu machen, ob materiell die unerläßlichen ,objektiven Voraussetzungen' . . . gegeben sind". Entsprechend leicht mache es sich dann auch die Polizei 6 0 . A u f seine Weise hat das Preußische Oberverwaltungsgericht dasselbe angestrebt, was auf andere auch der bayerische Gesetzgeber versucht hat: die Verwirklichung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. A m Ende beider Entwicklungen, der bayerischen, die zu einer dichten gesetzlichen Regelung bei eher schwacher gerichtlicher Kontrolle führte, ebenso wie der preußischen, die aus einer dürftigen gesetzlichen Regelung eine u m so weiterreichende gerichtliche Kontrolle hervorbrachte, war zwar für den landesherrlichen Schluß vom Staatszweck auf die Verwaltungsmittel kein Platz mehr, dem Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis aber dort noch Raum gelassen, wo er an das Gesetz anknüpfen konnte bzw. i n das Gesetz eingebunden war. Das konstitutionelle Staats- und Verwaltungsrecht des 19. Jahrhunderts hat ihn der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung anzupassen gesucht, es hat i h n dabei nicht aufgegeben, aber eingeschränkt.

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Wolzendorff (Anm. 40), S. 227. Bühler (Anm. 55), S. 172 ff., 311 ff. Vgl. auch die Besprechung von Bühlers Arbeit durch W.Jellinek, AöR 32 (1914), S. 580—610; ihre K r i t i k gilt nicht Bühlers Diagnose eines weiten Ausgreifens der gerichtlichen Kontrolle, aber der These, hierbei handele es sich nicht mehr um Rechts-, sondern um E r messenskontrolle. 60 Wolzendorff (Anm. 40), S. 227 f. Dieselbe Überlegung haben später auch Drews/Wacke (Anm. 40), S. 44 ff. angestellt. 59

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4 Fundierung der Amtshilfe im Schluß v. d. Aufgabe auf die Befugnis?

4.2.3 Anders als noch das 18. Jahrhundert, das zum Schluß vom Zweck auf das M i t t e l seine staatsrechtliche Theorie hatte, hat das 19. Jahrhundert den Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis als allgemeines staatsrechtliches Thema nicht reflektiert. Das Ergebnis war eine gewisse Beliebigkeit, m i t der er einmal als überholt abgelehnt und andermal als altbewährt hervorgeholt werden konnte. So wurde die Ableitung polizeilicher Zwangsbefugnisse aus polizeilichen Aufgaben vom einen Autor als Folgerungsweise des Polizeistaats v e r u r t e i l t 6 1 und vom anderen als korrekte juristische Schlußform begrüßt 6 2 . Ähnlich wurde die Amtshilfe von einigen m i t dem Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis gerechtfertigt, während andere dieser Rechtfertigung k r i tisch gegenüberstanden 63 . Die Gründe für diese theoretische Unklarheit und praktische Beliebigkeit liegen i n den politischen Bedingungen des konstitutionellen staatsrechtlichen Denkens, i n dem das 19. Jahrhundert durchziehenden K o n f l i k t zwischen monarchischem und demokratischem Prinzip. Hieraus folgten die Auseinandersetzungen u m die Grenzen zwischen Gesetzgebungs- und Regierungsgewalt sowie zwischen Rechtsprechung und Verwaltung, i n denen dem ursprünglichen monarchischen ius ad finem besonders gewichtige iura ad media bestritten und entwunden wurden. Die Durchsetzung der Unabhängigkeit der Gerichte hat die richterlichen Befugnisse von den Verwaltungszwecken abgekoppelt, und die Ablehnung eines selbständigen Verordnungsrechts der Krone hat das M i t t e l der Normsetzung aus seinem überkommenen Zusammenhang m i t den Regierungsaufgaben herausgelöst. Die demokratischen und rechtsstaatlichen Forderungen des 19. Jahrhunderts waren also durchaus gegen den Schluß vom Zweck auf das M i t t e l und von der Aufgabe auf die Befugnis gerichtet, waren dabei aber von besonders markanten, die politische K r a f t und die staatsrechtliche Reflexion beanspruchenden Einzelaspekten des Schlusses derart absorbiert, daß dieser selbst nicht mehr zum Problem geworden ist. Der K o n f l i k t zwischen demokratischem und monarchischem Prinzip hat aber noch auf eine tiefere Weise dafür gesorgt, daß das Problem des Schlusses vom Zweck auf das M i t t e l und von der Aufgabe auf die 61

Vgl. Anm. 16. W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S.319: „ . . . wo die Polizei mit den ihr selbst zu Gebote stehenden Mitteln nicht mehr a u s k o m m t . . . entfaltet der Schluß vom Zweck auf das Mittel seine ganze Kraft. Die Polizei muß den Sachverhalt ermitteln im Interesse der ihr anvertrauten Aufgaben; folglich muß sie auch die nötigen Machtmittel haben zur Erreichung ihres Zwecks." Etwas vorsichtiger zum Schluß vom Zweck auf das Mittel ebd. S. 10 ff. es Vgl. oben Abschnitte 2.2.2 und 2.2.3. 62

4.2 Der Schluß in der geschichtlichen Entwicklung

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Befugnis damals nicht v o l l gefaßt und gelöst werden konnte. Er galt einem Machtpotential, das nicht mehr zu gestalten, sondern nur noch zu begrenzen war. Der Staat w a r als monarchischer vorgegeben, und die demokratische und rechtsstaatliche Bewegung konnte nur versuchen, Anteile herauszubrechen, Machtmittel zu beschneiden u n d Freiräume abzustecken. Die Möglichkeit zu diesem Versuch, das Machtpotential des monarchischen Staates zu begrenzen, bot das Gesetz, und es war folgerichtig, daß der damaligen rechtsstaatlichen Doktrin wichtiger als die Gestaltungsfunktion die Begrenzungsfunktion des Gesetzes wurde 6 4 . Die Begrenzungsfunktion verlangt nun aber keine umfassende, sondern nur eine teilweise Verrechtlichung des Verhältnisses zwischen Aufgabe und Befugnis. Zwar verlangt sie, daß der eigenmächtige Schluß vom Staatszweck auf das i n Freiheit und Eigentum eingreifende Verwaltungsmittel durchbrochen wird. Aber der Schluß ist schon dann durchbrochen, wenn überhaupt ein begrenzendes Gesetz dazwischengeschaltet ist; wo genau es dazwischenzutreten und wieweit seine Regelung dem Zweck- und wieweit sie dem Mittelaspekt staatlichen Handelns zu gelten hat, ist unter der Begrenzungsfunktion des Gesetzes vielleicht eine Frage der politischen Effektivität, aber jedenfalls keine Frage des rechtlichen Prinzips. Sie war dies damals um so weniger, je mehr nach der damaligen rechtsstaatlichen Doktrin das Gesetz seine Legitimation aus der Beteiligung der Volksvertretung erhielt. War diese gegeben, dann war das Gesetz i n Ordnung, und wie es i m einzelnen Aufgaben und Befugnisse normiert und einander zugeordnet und welche Handlungsspielräume es der Verwaltung dabei eröffnet bzw. gelassen hat, hatte die Volksvertretung vor ihrem politischen Gewissen, aber nicht vor rechtlichen Grundsätzen zu verantworten. Keine Eingriffe des Monarchen i n Freiheit und Eigentum des Bürgers ohne Gesetz der Volksvertretung — diese Parole erreichte zwar, daß die Verwaltung von sich aus nicht mehr von Aufgaben des Staates auf die Befugnis zum Eingriff schließen durfte. Sie verbot jedoch nicht, daß der Gesetzgeber die Verwaltung zu diesem Schluß ermächtigte, etwa indem er Befugnisse so reichlich zuwies und Aufgaben so weit bemaß, daß dann doch die Verwaltung den konkreten Zusammenhang zwischen Aufgabe und Befugnis erschließen konnte und sogar mußte. Für seine Aufgaben- und Befugnisnormierung und -Zuordnung waren dem Gesetzgeber keine 64 Das gilt nicht erst für den Begriff des materiellen Gesetzes und den ihn fundierenden Begriff des Rechtssatzes bei Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. Aufl., 2. Band, S. 73, 181 f.; G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, S. 239 f., und Anschütz, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, 2. Band, S. 212, 214. Schon Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht, 2. Band, S. 92, hat das Gesetz als die Schranke der Regierungsgewalt verstanden. Vgl. zur Entwicklung des Gesetzesbegriffs Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt.

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4 Fundierung der Amtshilfe im Schluß v. d. Aufgabe auf die Befugnis?

Maßstäbe gesetzt. Insofern war das Verhältnis zwischen Aufgabe und Befugnis nur beschränkt verrechtlicht und auch nur einer beschränkten juristischen Problematisierung zugänglich. Diese Überlegungen 6 5 können grundrechtstheoretisch gefaßt werden. Solange Grundrechte nur den Vorbehalt des Gesetzes bedeuten, ist verfassungsrechtlich zwar das Daß, aber nicht ein Wie des Gesetzes erfordert. Als Vorbehalt des Gesetzes binden die Grundrechte nur die Verwaltung, aber nicht den Gesetzgeber. Erst wenn sie auch i h n binden, w i r d verfassungsrechtlich relevant, wie die Gesetze i n Freiheit und Eigentum eingreifen, welche Zwecke sie dabei verfolgen und welche M i t t e l sie dafür einsetzen, welche Aufgaben sie der Verwaltung insoweit stellen und welche Befugnisse sie i h r dafür eröffnen. Erst dann können und müssen auch Maßstäbe für die gesetzliche Aufgaben- und Befugnisnormierung und -Zuordnung entwickelt werden. Das hat Folgen für die Frage, welche Forderung es eigentlich ist, m i t der der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis i n K o n f l i k t steht, bzw. i n welcher Fassung der Schluß an der Forderung der Gesetzesbindung scheitert. Drei Varianten dieser Forderimg wurden oben angef ü h r t 6 6 . Die zurückhaltende Variante, die dem Gesetzgeber nur die Befugnisnormierung abverlangt, genügte insofern schon der konstitutionellen Freiheits- und Eigentumsformel, als diese nur überhaupt die Forderung nach einem Gesetz begründen konnte und offenlassen mußte, ob das Gesetz den Eingriff i n Freiheit und Eigentum mehr über eine Aufgaben- oder mehr über eine Befugnisnormierung eröffnete. Das bedeutet zugleich, daß unter der konstitutionellen Freiheits- und Eigentumsformel der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis der Amtshilfe i n der Tat eine gewisse Fundierung bieten konnte 6 7 . Unter der Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte kommt hingegen das Gesetz m i t allen seinen Aspekten i n den Blick, als aufgabensetzendes und befugnisbegründendes Gebilde, dessen Grundrechtsgemäßheit daw Sie wollen nur ein Grundmuster des konstitutionellen staatsrechtlichen Denkens aufweisen und beanspruchen nicht, die Einzelfragen und »kontroversen abzudecken. Vgl. zu einigen Einzelfragen und -kontroversen um die Organisationsgewalt, bei der die Zuweisung und Zuordnung von Verwaltungszwecken und -mittein, Aufgaben und Befugnissen ebenfalls thematisiert und damit die Probleme des Schlusses vom Zweck auf das Mittel und von der Aufgabe auf die Befugnis wieder gegenwärtig sind, unten Abschnitt 5.1.1. ββ Vgl. oben Abschnitt 4.1.2 am Ende. 67 Von lediglich einer gewissen Fundierung ist deshalb zu sprechen, weil das aufgewiesene Grundmuster des konstitutionellen staatsrechtlichen Denkens die Verrechtlichung von Aufgaben-Befugnis-Zusammenhängen nicht ausschloß, weil solche Verrechtlichung auch gefordert (vgl. nur oben Anm. 16), und zwar gerade auch zur Amtshilfe gefordert (vgl. oben Abschnitt 2.2.3) wurde.

4.3 Der Schluß unter Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte

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von abhängt, wie die Aufgaben- und Befugnisnormierung und -Zuordnung aussieht. Die Frage kann dann nur noch sein, wie und besonders wie strikt der Gesetzgeber die Zuordnung ausgestalten muß, d. h. ob bzw. wo er sich auf einen Zuordnungsrahmen beschränken darf, innerhalb dessen die Verwaltung entscheidet, welche aus einer vorgegebenen Menge von Befugnissen für welche aus einer ebenfalls vorgegebenen Menge von Aufgaben eingesetzt wird. Bis i n die Weimarer Republik sind die Grundrechte von der herrschenden Auffassung als der Vorbehalt des Gesetzes begriffen worden® 8. Das Grundgesetz hat demgegenüber die Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte und außerdem eine verfassungsrechtliche Überprüfung der Gesetze auf ihre Grundrechtsgemäßheit realisiert. Aus einer näheren Untersuchung der Pflicht zur Normierung und Zuordnung von A u f gabe und Befugnis, die den Gesetzgeber unter der Bindung an die Grundrechte und i n der Grundrechtsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts trifft, ergibt sich für die gestellte Frage die Antwort.

4.3 Der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis unter Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte 4.3.1 Unter dem Grundgesetz sind die Grundrechte vom Vorbehalt des Gesetzes zum Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes geworden. Vornehmlich i n der Überprüfung der Gesetze auf ihre Verhältnismäßigkeit aktualisiert das Bundesverfassungsgericht die Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte. Daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die gesamte Grundrechtsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts prägt, bedarf keiner Darlegung. Außer Streit steht auch, daß ein Gesetz den Grundrechten bzw. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur dann genügt, wenn ein Eingriff, den das Gesetz erlaubt oder selbst vornimmt, ein angemessenes M i t t e l zur Erreichung eines legitimen Zwecks darstellt. Bei der weiteren Ausgestaltung dieser Grundsubstanz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beginnt jedoch die Kontroverse. Einerseits w i r d für die Überprüfung der Angemessenheit des Mittels und der Legitimität des Zwecks ein vergleichendes und gewichtendes Werten und Abwägen öffentlicher und privater Güter und Interessen i n der Wertordnung des Grundgesetzes verlangt 6 9 . Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts scheinen gerade dieses Vorgehen auch immer wieder nahezulegen. 68 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., Vorbemerkung vor Art. 109—165, S. 511 ff. «® Vgl. zuletzt Wendt, AöR 1979, S. 414 ff.

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4 Fundierung der Amtshilfe im Schluß v. d. Aufgabe auf die Befugnis?

Andererseits kann die methodische Unmöglichkeit solchen Wertens und Abwägens aufgezeigt werden 7 0 . Die Angemessenheit eines Mittels kann dann nur noch bedeuten, daß sein Einsatz nicht schon als solcher verfassungsrechtlich verboten, und außerdem, daß es geeignet und notwendig zur Erreichung eines bestimmten Zwecks ist; die Legitimität eines Zwecks kann dann nur noch heißen, daß seine Verfolgung nicht als solche von der Verfassung untersagt ist 7 1 . Immerhin ist den kontroversen Positionen das Verständnis des Staatshandelns als einer ZweckMittel-Struktur gemeinsam. Gemeinsam sind auch die Kriterien der Geeignetheit und Notwendigkeit, obwohl sie bei der einen Position hinter dem Werten und Abwägen rasch zurücktreten und nicht näher ausgearbeitet werden, so daß der Eindruck entstehen kann, sie spielten eigentlich keine Rolle. Aber dieser Eindruck w i r d w o h l der gekennzeichneten Position und w i r d jedenfalls der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht. Über die Prüfung der Geeignetheit und der Notwendigkeit baut dieses seine Verhältnismäßigkeitsprüfung auf. Daß das Bundesverfassungsgericht die Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte gerade i n der Überprüfung der Gesetze auf ihre Verhältnismäßigkeit aktualisiert, ist nicht zufällig. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist eine zwangsläufige Folge der Grundrechtsbindung. M i t derselben Zwangsläufigkeit hat auch das Preußische Oberverwaltungsgericht die Gesetzesbindung der Verwaltung i n einer Verhältnismäßigkeitsprüfung des Verwaltungshandelns aktualisiert. Jeweils w i r d das rechtlich gebundene und gerichtlich zu kontrollierende Staatshandeln als zweckgerichtete und mitteleinsetzende Struktur verstanden und greifen Bindung und Kontrolle zum einen durch Ge- und Verbot einzelner Zwecke, zum anderen durch Ge- und Verbot bestimmter M i t t e l und zum dritten und vor allem durch Maßstäbe der Angemessenheit des Zweck-Mittel-Verhältnisses. Daß Staatshandeln i n dieser ZweckM i t t e l i S t r u k t u r verstanden wird, liegt daran, daß dies die Struktur jeden Handelns ist. Von i h r müssen Bindung und Kontrolle ausgehen. Zwar können die Ge- und Verbote der M i t t e l und Zwecke so detailliert getroffen werden, daß bei der Kontrolle des Staatshandelns die Prüfung der Angemessenheit des Zweck-Mittel-Verhältnisses von der Prüfung des konkret verfolgten Zwecks und des konkret verfolgten Mittels auf sein Ge- oder Verbotensein weithin verdrängt wird. Ein detailliert durchnormiertes Verwaltungsrecht ermöglicht den Verwaltungsgerichten denn auch weithin diese A r t der Kontrolle des Verwaltungshandelns. Aber i n dieser Situation stand das Preußische Oberverwaltungs70 71

Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, S. 134 ff., 154 ff. Ebd. S. 192 ff.

4.3 Der Schluß unter Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte

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gericht n i c h t , als es die K o n t r o l l e d e r P o l i z e i durchsetzte, u n d i n i h r s t e h t auch das Bundesverfassungsgericht b e i d e r Ü b e r p r ü f u n g v o n G e setzen n i c h t 7 2 . D e r Gesetzgeber b r a u c h t eine F r e i h e i t d e r Sozialgestalt u n g , m i t d e r eine d e t a i l l i e r t e verfassungsrechtliche V o r g a b e d e r v o n i h m z u v e r f o l g e n d e n Z w e c k e u n d d e r v o n i h m einzusetzenden M i t t e l u n v e r e i n b a r w ä r e . Z w a r sprechen die e i n z e l n e n G r u n d r e c h t e f ü r i h r e verschiedenen Lebensbereiche verschiedene Z w e c k - u n d M i t t e l v e r b o t e u n d -geböte aus. I n d e m d e r V e r h ä l t n i s m ä ß i g k e i t s g r u n d s a t z m i t i h n e n z u s a m m e n t r i t t u n d d u r c h sie verschieden a u s g e f o r m t w i r d ,

entstehen

f ü r d i e e i n z e l n e n G r u n d r e c h t e d i e verschiedenen D o g m a t i k e n 7 3 .

Aber

m e h r als besonders e m p f i n d l i c h e P u n k t e k ö n n e n die G r u n d r e c h t e n i c h t ansprechen. I m ü b r i g e n m u ß es b e i der B i n d u n g a n b z w . Ü b e r p r ü f u n g a u f die V e r h ä l t n i s m ä ß i g k e i t b l e i b e n . 4.3.2 D i e B i n d u n g u n d i h r e rechtlichung des Verhältnisses enden. I m K o n s t i t u t i o n a l i s m u s a l l e i n e i n Gesetz z u m E i n g r i f f

Ü b e r p r ü f u n g r e i c h e n aber aus, d i e V e r zwischen Aufgabe und Befugnis z u v o l l k o n n t e z w a r schon v e r l a n g t w e r d e n , daß i n F r e i h e i t u n d E i g e n t u m e r m ä c h t i g t . Es

72 A n dieser Stelle kann eine Erklärung dafür versucht werden, daß sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die beiden Tendenzen, die als Handlungsmacht eröffnende und Handlungsmacht begrenzende einander gegenläufig dem Schluß vom Zweck auf das Mittel und von der Aufgabe auf die Befugnis innewohnen, finden. Der Gesetzgeber, der seine Zwecke grundsätzlich frei setzen und auch die Mittel zur Zweckverfolgung grundsätzlich frei wählen darf, wählt die Mittel, die er zur Zweckverfolgung für geeignet und notwendig hält. Er muß dabei vom Zweck zu den Mitteln denken, vom Zweck auf die Mittel schließen. Das Bundesverfassungsgericht, das das Mittel auf seine Geeignetheit und Notwendigkeit für die Zweckverfolgung kritisch überprüft, steuert dem Schluß vom Zweck auf das Mittel damit entgegen. Auch es muß sich dabei aber auf das Denken vom Zweck zu den Mitteln einlassen. Eine entsprechende Rechtsprechungstradition kann dann so auf das Denken i m Zweck-Mittel-Zusammenhang einschwören, daß schließlich das Recht zur Zweckverfolgung nicht nur begrenzt wird, indem deren Zulässigkeit an Geeignetheit und Notwendigkeit gebunden wird, sondern auch eröffnet, indem Zulässigkeit aus Geeignetheit und Notwendigkeit gefolgert wird. Dann werden die Grundrechte nicht mehr nur durch die Begrenzung geschützt, sondern durch die Eröffnung auch einmal gefährdet. 73 Sie entstehen auch dadurch, daß die empirische Wirklichkeit der verschiedenen grundrechtlich geschützten Lebensbereiche beschreibend und erklärend so aufgearbeitet wird, daß die Prüfung der Geeignetheit und Notwendigkeit grundrechtsrelevanten Staatshandelns daran anknüpfen kann. Auf entsprechende Beschreibung und Erklärung ist die Prüfung deshalb angewiesen, weil Geeignetheit bedeutet, daß der Zustand, der mit dem Staatshandeln geschaffen werden soll, und der Zustand, in dem der Zweck als erreicht zu betrachten ist, in einem durch bewährte Hypothesen über die W i r k lichkeit vermittelten Zusammenhang stehen, und weil Notwendigkeit bedeutet, daß es keinen anderen Zustand gibt, den der Staat ebenfalls schaffen kann, der für den Bürger weniger belastend ist und der mit dem Zustand, in dem der Zweck als erreicht zu betrachten ist, ebenfalls in einem durch bewährte Hypothesen über die Wirklichkeit vermittelten Zusammenhang steht. Vgl. auch dazu Schlink (Anm. 70), S. 207 ff.

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4 Fundierung der Amtshilfe im Schluß v. d. Aufgabe auf die Befugnis?

mußte aber offen bleiben, inwieweit das Gesetz den Eingriff mehr über eine Aufgaben- und inwieweit es i h n mehr über eine Befugnisnormierung eröffnet. Unter dem Grundgesetz hat demgegenüber nur noch das Gesetz Bestand, das bei der Zuweisung von Aufgaben und bei der Einräumung von Befugnissen an die Verwaltung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Danach wäre ein Gesetz, das der Verwaltung einfach Befugnisse einräumt, verfassungswidrig. Denn es gibt keinen vom Gesetzgeber zu verfolgenden legitimen Zweck, für dessen Erreichung eine aufgabenmäßig ungebundene Befugniszuweisung notwendig wäre. So muß der Gesetzgeber der Verwaltung m i t den Befugnissen auch die Aufgaben vorgeben und jene diesen zuordnen. Dieser Aufgaben-Befugnis-Zusammenhang muß auch seinerseits dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Die von der Verwaltung zu verfolgenden Zwecke müssen legitim und darum i n Aufgaben umsetzbar, die von der Verwaltung einzusetzenden M i t t e l müssen erlaubt und darum als Befugnisse zuweisbar sein, und zwischen Verwaltungszweck bzw. -aufgabe und Verwaltungsmittel bzw. -^befugnis müssen die Relationen der Geeignetheit und der Notwendigkeit empirisch nachgewiesen werden können. Entsprechend entscheidet sich auch, wie strikt der Gesetzgeber die Zuordnung zwischen Aufgabe und Befugnis ausgestalten muß und wann er sich auf einen Zuordnungsrahmen beschränken darf. Er darf dies dann, wenn nachgewiesen werden kann, daß die Zuordnung einer Menge von Befugnissen zu einer Menge von Aufgaben tatsächlich geeignet und notwendig für die Erreichung eben dieser Aufgaben bzw. des dahinterliegenden, vom Gesetzgeber m i t der Zuweisung der Aufgaben an die Verwaltung verfolgten Zwecks ist. Die Nachweisbarkeit hängt von den jeweiligen konkreten empirischen Gegebenheiten einerseits der Verwaltung und andererseits der Wirklichkeit ab, m i t der die Verwaltung ordnend, leistend, Abgaben einziehend und Bedarf deckend befaßt ist. Wo er gelingt, kann abstrakt nicht näher angegeben werden. Allgemein kann aber festgehalten werden, daß der Gesetzgeber unter der Bindung an die Grundrechte sowohl die Aufgaben als auch die Befugnisse zu normieren, daß er beide aufeinander zu beziehen und i m Zusammenhang miteinander zu regeln und daß die Verwaltung die Befugnisse nur und genau so einzusetzen hat, wie dies dem vom Gesetzgeber hergestellten Zusammenhang m i t den Aufgaben entspricht. Dies w a r die erste der drei oben angeführten Forderungen, m i t denen der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis i n K o n f l i k t steht. Es ist auch die strengste der Forderungen, und an i h r scheitert das Verständnis der Amtshilfe, bei dem es nicht von einem besonderen Gesetz, sondern von der Not der Lage abhängen soll, wann eine Verwaltungs-

4.3 Der Schluß unter Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte

109

behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben um die Befugnisse einer anderen Verwaltungsbehörde ersuchen kann. Allerdings gilt dies nur so weit, wie die Bedeutung der Grundrechte reicht. Denn es ist ja die Bindung an die Grundrechte, die den Gesetzgeber zur Verrechtlichung des Verhältnisses zwischen den Aufgaben und den Befugnissen der Verwaltung zwingt. N u n mag bezweifelt werden, ob dort, wo die Grundrechte, deren Bedeutung als bloßer Eingriffsoder auch Leistungs- und Verfahrensrechte, wertsetzender Entscheidungen und institutioneller Garantien hier noch dahinstehen mag, gar nicht betroffen sind, von Befugnissen der Verwaltung überhaupt zu reden ist. Von Verwaltungsmitteln ist sicherlich zu sprechen, und bei deren Einsatz behält der Schluß vom Zweck auf das M i t t e l eine freilich bescheidene Existenz. Er behält sie also beim amtshilfemäßigen Austausch von Geräten, Kraftfahrzeugen, Räumen und auch von Personal. So weit aber die Bedeutung der Grundrechte reicht, kann die Amtshilfe unter dem Grundgesetz i m Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis keine Fundierung finden.

5 Fundierung der Amtehilfe in der Organieationegewalt ? Der Zusammenhang zwischen Amtshilfe und Organisationsgewalt ist augenfällig. Sowohl unter dem Stichwort der Amtshilfe als auch unter dem der Organisationsgewalt w i r d von Zuständigkeiten gehandelt; Organisationsgewalt begründet und Amtshilfe überwindet Zuständigkeitsgrenzen. Dieser Zusammenhang gilt zunächst i m deskriptiven Sinn. Die Begriffe der Organisationsgewalt und der Amtshilfe haben als Sachbegriffe teilweise verwandte und teilweise sogar dieselben organisatorischen Sachverhalte zu ihrem Gegenstand. Der Zusammenhang gilt aber auch i m normativen Sinn, d. h. zwischen den beiden Begriffen als Rechtsbegriffen. Wenn bzw. soweit der Exekutive unter dem Rechtsbegriff der Organisationsgewalt das Recht zuerkannt wird, Kompetenzund Zuständigkeitszuweisungen und -änderungen selbst und nach eigener Einsicht zu besorgen, ist i h r das Recht schlecht abzusprechen, diese Kompetenz- und Zuständigkeitsfestlegungen unter dem Rechtsbegriff der Amtshilfe ebenfalls selbst und nach eigenem Dafürhalten zu überspielen. Wenn bzw. soweit die Zuständigkeitsordnung unter dem Rechtstitel der Organisationsgewalt dem Regelungsbereich der Exekutive zugehört, unterfällt auch die Amtshilfe diesem Regelungsbereich. Die Frage nach der Existenz und gegebenenfalls nach der Intensität eines Gesetzesvorbehalts ist also für Organisationsgewalt und Amtshilfe gleichsinnig zu stellen und zu beantworten 1 . I m folgenden soll sie vor allem an der Organisationsgewalt verfolgt werden. Das Interesse gilt der Organisationsgewalt der Exekutive als der Begründung für eine exekutive Amtshilfepraxis, die gesetzlich nicht oder kaum geregelt ist. Die folgenden Überlegungen wählen zunächst wieder die historische Perspektive und untersuchen, ob die überlieferten Lehren zur Organisationsgewalt eine exekutive Amtshilfepraxis, die gesetzlich nicht oder kaum geregelt ist, tragen konnten und ob sie eine entsprechende Tradition begründet haben. Anschließend skizzieren sie die Lehren vom Gesetzesvorbehalt und ihre Bedeutung für die Organisationsgewalt unter dem Grundgesetz, um schließlich i n kritischer Würdigung dieser 1 Der Zusammenhang zwischen Amtshilfe und Organisationsgewalt wird nur selten und eher aus der Perspektive einer Behandlung der Amtshilfe (vgl. oben Abschnitt 2.2.3. am Ende) als aus der einer Bearbeitung der Organisationsgewalt thematisiert. Vgl. zu dieser letzteren Perspektive aber Röttgen, V V D S t R L 16 (1958), S. 177 f. Anm. 94.

5.1 Überlieferte Lehre

111

heutigen Lehren die Grenzen exekutiver Organisationsgewalt und entsprechend begründeter verwaltungsautonomer Amtshilfepraxis zu bestimmen. 5.1 Die überlieferte Lehre von der Organisationsgewalt in ihrer Bedeutung für eine gesetzesunabhängige Amtshilfe 5.1.1 Für die spätkonstitutionelle Staatsrechtslehre w i r d als zwar bestrittene, aber herrschende Ansicht überliefert, daß die Organisationsgewalt dem Monarchen als dem Inhaber der vollziehenden Gewalt zukam, daß sie das Hausgut der Exekutive war, es sei denn, für sie bestanden besondere institutionelle Gesetzesvorbehalte oder sie unterfiel ausnahmsweise dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt 2 . Dabei werden als Inhalte der Organisationsgewalt für damals alles i n allem dieselben Organisationshandlungen angeführt, die auch heute noch als mögliche Gegenstände einer exekutiven Organisationsgewalt erörtert werden. Zu ihnen rechnen die Anordnung, daß eine Verwaltungseinheit bestehen soll, die Bestimmung, welche Aufgaben sie erfüllen und welche Befugnisse sie wahrnehmen soll, die Beschaffung ihrer räumlichen, sachlichen und personellen Mittel, die Festlegung ihrer Binnenorganisation, ihrer Stellung i n der Gesamtorganisation und ihres Sitzes 3 . Für den Spätkonstitutionalismus sind alle diese Organisationshandlungen nach der Überlieferung grundsätzlich i m Regelungsbereich der Exekutive anzusiedeln. Auch den Einsatz von Befugnissen, Informationen, räumlichen, sachlichen und personellen Mitteln, den das Rechtsinstitut der Amtshilfe zwischen verschiedenen Verwaltungseinheiten ermöglichen soll, müßte danach die spätkonstitutionelle Staats- und Verwaltungsrechtslehre grundsätzlich dem Regelungsbereich der Exekutive zugewiesen haben. Aber der Blick auf die spätkonstitutionelle Behandlung der Amtshilfe durch Rechtslehre und außerdem durch Gesetzgebung und Rechtsprechung hat gezeigt, daß damals eine gesetzliche Regelung auch dann gefordert werden konnte, wenn die Amtshilfe weder die Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen zwischen Exekutive und Judikative noch die zwischen den verschiedenen Staaten des Reichs überwinden, sondern lediglich binnenexekutive Kompetenz- und Zuständigkeitsfestlegungen durchbrechen sollte 4 . Die Amtshilfe spiegelt wider, was für die Orga2 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 252; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 27f.; Röttgen, (Anm. 1), S. 175 f.; Ermacora, V V D S t R L 16 (1958), S. 202 ff. 3 Ossenbühl, ebd. S. 256 ff.; Böckenförde, ebd., S. 47 f.; Ermacora, ebd., S. 205 f.

112

Fundierung der Amtshilfe in der

r a t s g e w a l t ?

nisationsgewalt überhaupt gilt: Der Regelungsbereich der Legislative erstreckte sich weiter i n den Organisationsbereich der Exekutive, als die Überlieferung, jedenfalls wenn sie kurzgefaßt dargeboten und verstanden wird, erkennen läßt. Ob hier womöglich weniger die herrschende Ansicht überliefert w i r d als vielmehr eine unvollständige Überlieferung herrschend wurde, mag dahinstehen 5 . Jedenfalls waren die Ausnahmen vom Grundsatz, daß die Organisationsgewalt zum Hausgut der Exekutive gehört, w o h l ebenso bedeutsam w i e der Grundsatz selbst. Sie waren es sogar bei Anschütz, dem prominenten Repräsentanten der überlieferten herrschenden Ansicht zur Organisationsgewalt 6 . Zum Hausgut der Exekutive rechnet er die Organisationsgewalt nur darum und nur dann, wenn bzw. w e i l durch die Organisation der Verwaltung nicht i n die Rechte der Bürger eingegriffen wird. Die Befugnisse der Verwaltung gegenüber dem Bürger sollen unter dem Rechtstitel der Organisationsgewalt nur umverteilt, sie sollen aber nach Inhalt und Umfang nicht verändert und besonders nicht erweitert werden können. Ferner weist Anschütz die Verwaltungsorganisation auch dann dem Gesetzgeber zu, wenn ihre vorgängige Regelung durch Gesetz auch die spätere Änderung durch Gesetz erforderlich macht, wenn das Budgetrecht eingreift oder wenn die Verfassimg die Verwaltungsorganisation dem Gesetzgeber ausdrücklich aufgibt. 4

Vgl. oben Abschnitt 2.2. Eine Verfolgung dieser Fragestellung hätte folgendes zu beachten. Dem Rückblick auf den Spätkonstitutionalismus bieten die herrschende Lehre in der Staatsrechtswissenschaft und die tonangebenden Stimmen aus der Staatsrechtspraxis keineswegs denselben Befund. Wenn von der herrschenden A n sicht zur Organisationsgewalt im Spätkonstitutionalismus gesprochen wird, muß unterschieden werden, ob nur von staatsrechtswissenschaftlichen Lehrmeinungen oder auch von Stellungnahmen der Regierung und im Parlament und außerdem, wie weit von den Forderungen der Staatspraxis und wie weit von ihren Tatsachen die Rede ist. I m Spätkonstitutionalismus werden diese verschiedenen Ebenen Teile desselben Diskussionszusammenhangs. Anschütz, Die gegenwärtigen Theorien über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt, entwickelt seine Theorie zur Organisationsgewalt S. 153 ff. mehr in Übernahme von Äußerungen aus der Staatspraxis als in Auseinandersetzung mit Positionen der Staatsrechtswissenschaft, und auch von Rönne, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, setzt sich 1. Band, S. 419 ff. bei der Behandlung der Organisationsgewalt mit der Staatsrechtswissenschaft wenig, dafür ausgiebig mit der Staatspraxis und deren Begründungen und Forderungen auseinander. Was i m Konzert staatsrechtswissenschaftlicher und -praktischer Äußerungen herrschend zu nennen ist, ist es darum aber noch nicht i m Raum der Staatsrechtswissenschaft, auf den die Überlieferung sich vor allem bezieht. I n diesem Raum tönt die Forderung nach Einschränkungen der Organisationsgewalt durch den Gesetzesvorbehalt lauter als in jenem Konzert. Vgl. dazu Röttgen (Anm. 1), S. 176. 8 Vgl. zum folgenden Anschütz (Anm. 5), S. 153 ff.; Meyer!Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 670 f. Anm. 4. 5

5.1 Überlieferte Lehre

113

M i t diesen Gesetzesvorbehalten ist der Grundsatz der Zugehörigkeit der Organisationsgewalt zur Exekutive jedenfalls für den Bereich der Eingriffsverwaltung beträchtlich relativiert. Die Zulässigkeit der Amtshilfe i m Bereich der Eingriffsverwaltung bleibt bei der von Anschütz vertretenen Lehre allerdings i m Vagen. Denn bei i h r fehlt die klare Grenzziehung zwischen der Veränderung und der Umverteilung von Befugnissen. Zwischen beidem aber liegt die Amtshilfe, wenn sie die Befugnisse der einen Verwaltungseinheit i n den Dienst der Aufgaben einer anderen Verwaltungseinheit stellt. Sie ist Umverteilung, indem die für die fremde Aufgabe eingesetzte Befugnis nicht erst geschaffen wird, sondern schon vorhanden ist. Sie ist Veränderimg, indem der Einsatz der Befugnis seine eigentliche Prägung, Gestalt und Kontur erst aus der Aufgabe erhält, für deren Verwirklichung er stattfindet. I n diesem Sinn ist die Befugnis z. B. zur Festnahme eines Bürgers eben nicht dieselbe, wenn sie zur Verfolgung eines Verbrechens und wenn sie zur Verhinderung einer Störung der öffentlichen Ordnung eingesetzt wird. Nun handelt Anschütz nicht von Aufgaben, nicht von der Prägbarkeit von Befugnissen durch Aufgaben und nicht von der Notwendigkeit, Befugnisse und Aufgaben einander zuzuordnen. Aber daß für i h n die Befugnisse aufgabenunabhängig wären und darum, wenn i n den Dienst einer anderen Aufgabe bzw. einer anderen Verwaltungseinheit gestellt, nicht verändert, sondern nur umverteilt würden, kann daraus nicht geschlossen werden. I n den Begriffen des Hoheitsrechts, des obrigkeitlichen Rechts und des materiellen Regierungsrechts, die Anschütz gelegentlich statt u n d neben dem Begriff der Befugnis zur Darlegung seiner Lehre von der Organisationsgewalt verwendet 7 , klingt der Aufgabenaspekt durchaus an. Der Befugnisbegriff ist bei Anschütz vom Aufgabenbegriff nicht scharf geschieden und zu i h m nicht ins Verhältnis gesetzt. Dies entspricht der mangelnden Verrechtlichung des Verhältnisses zwischen Zweck und M i t t e l und Aufgabe und Befugnis, die oben als für die spätkonstitutionelle Staatsrechtslehre typisch festgestellt wurde 8 . Damit aber muß die Frage, ob für Anschütz eine gesetzlich nicht oder kaum geregelte Amtshilfe ihre Grundlage und Rechtfertigung i n der Organisationsgewalt der Exekutive finden kann, ohne deutliche A n t w o r t bleiben. Eine deutlich verneinende A n t w o r t kann dagegen aus den Auffassungen einer Reihe anderer spätkonstitutioneller Autoren entwickelt werden. So lehnt von Rönne für die Organisation der Verwaltung eine Prärogative der Krone ab 9 ; nach den Grundsätzen des konstitutionellen 7 8 9

Anschütz (Anm. 5), S. 157 ff. Siehe oben Abschnitt 4.2.3. Von Rönne (Anm. 5), S. 430.

8 S chi ink

114

Fundierung der Amtshilfe in der

r a t s g e w a l t ?

Staatsrechts könne Obrigkeit nur durch Gesetz geschaffen werden und könnten auch nur durch Gesetz einer Behörde Funktionen übertragen werden 1 0 . Danach wäre für Amtshilfe, w e i l Funktionsübertragung, ein Gesetz zu verlangen 1 1 . Auch die Grenze, die Laband i m Bereich der Verwaltungsorganisation zwischen den durch Rechtssatz zu regelnden und den die Rechtsordnung nicht berührenden Gegenständen zieht, läßt für die Amtshilfe i m Eingriffsbereich den Schluß auf das Erfordernis eines Gesetzes oder einer gesetzlich fundierten Rechtsverordnung zu. Denn Laband verlangt eine Regelung durch Rechtssatz dann, wenn einer Behörde für gewisse Angelegenheiten Herrschaftsbefugnisse übertragen werden 1 2 . Etwas anderes hätte für die Amtshilfe zu gelten, bei der die eine Verwaltungseinheit der anderen lediglich m i t räumlichen oder sachlichen M i t t e l n hilft. Denn durch bürotechnische Organisationsfragen sieht Laband die Rechtsordnung nicht berührt 1 3 . Daß aber die Grenze zwischen den durch Rechtssatz zu regelnden und den die Rechtsordnung nicht berührenden Gegenständen ein Gesetz oder eine gesetzlich fundierte Rechtsverordnung markiert, folgt aus Labands am Rechtsbegriff orientierten Gesetzesbegriff 14 . Einen weiteren Rechtsbegriff, unter dem die Organisation des Staates insgesamt zum Bestandteil des Rechts wird, hat Haenet 16. Da auch er den Rechts- und den Gesetzesbegriff zusammenkoppelt 16 , kann er i n der Organisationsgewalt kein A t t r i b u t der Exekutive sehen, muß er organisatorische Rechtssätze grundsätzlich der Gesetzgebung zuweisen und organisatorische Verordnungen als gesetzesvertretende behandeln 17 . Für die Regelung der Amtshilfe bliebe dabei nur das Gesetz oder die gesetzlich fundierte Rechtsverordnung. Den von Triepel organisationsrechtlich unterschiedenen Materien der Stiftung und der Einrichtung von Behörden 1 8 ist 10

Ebd. S. 427. Dazu paßt denn auch die oben Abschnitt 2.2.3 mit Anm. 86 nachgewiesene Stellungnahme von von Rönne. 12 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. Aufl., 2. Band, S. 184. Vgl. auch 1. Band, S. 364 ff. Hier entwickelt Laband S. 371 als Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage nach der Möglichkeit von Veränderungen des Behördensystems den „Grundsatz..., daß jede Behörde sowohl für den ihr obliegenden Geschäftskreis als für die ihr delegierte Staatsgewalt einer gesetzlichen Bestimmung zur Grundlage bedarf." 13 Ebd. 2. Band, S. 185. 14 Ebd. S. 73 ff., 85 ff. Besonders deutlich formuliert Laband S. 89 den „Grundsatz, daß Rechtsvorschriften im Wege der Gesetzgebung zu erlassen sind". Das „Resultat" lautet dann S. 97: „Jede Verordnung, welche Rechtsvorschriften enthält, kann nur gültig erlassen werden auf Grund einer speziellen reichsgesetzlichen Delegation." 15 Haenel, Das Gesetz im formellen und i m materiellen Sinne, S. 221 ff. 16 Ebd. S. 281. 17 Ebd. S. 289 f. 18 Triepel, Die Reichsaufsicht, S. 584 ff. 11

5.1 Überlieferte Lehre

115

die Amtshilfe derart zuzuordnen, daß die Hilfe durch Zurverfügungstellung von Befugnissen die Verwaltungsdifferenzierung überwindet, die aus der Stiftung verschiedener Behörden resultiert, während die Hilfe durch Zurverfügungstellung von räumlichen, sächlichen und personellen Mitteln der Verwaltungsdifferenzierung entgegenwirkt, die aus der verschiedenen Einrichtung von Behörden folgt. Denn m i t der Entscheidung über ihre Aufgaben und Befugnisse w i r d eine Behörde gestiftet, m i t der Beschaffung ihrer Personen, Materialien und Räume w i r d sie eingerichtet. Da nun bei Triepel zwar die Einrichtung zur Vollziehung gehört und durch Verwaltungsvorschrift geschehen kann, aber die Stiftung ein Rechtssatz ist und deswegen durch Gesetz erfolgen muß, müßte die Amtshilfe i m Eingriffsbereich der gesetzlichen Regelung bedürfen. Allerdings hält Triepel die Pflicht zur Verwaltungshilfe gegenüber den Organen der Reichsaufsicht auch ohne besondere gesetzliche Regelung für selbstverständlich 19 . Aber hier bietet eben die Reichsaufsicht eine allgemeine Rechtsgrundlage, und die Verwaltungshilfe ist nur das mildere M i t t e l gegenüber den härteren M i t t e l n der Oberaufsicht. Bei Georg Jellinek schließlich ist zur Organisationsgewalt keine klare Aussage zu finden und daher zur Amtshilfe keine deutliche Folgerung zu ziehen. Ein „mehr oder weniger ausgedehntes" Recht der Behördenorganisation läßt er dem selbständigen Verordnungsrecht der Krone unterfallen 2 0 , und damit bleibt zunächst alles offen. Offen freilich auch für die Differenzierungen, die Jellinek über einer Dichotomie von Innen und Außen, von streng innerhalb einer Persönlichkeit bleibenden und außerhalb auf andere Personen wirkenden Regelungen zu entwickeln versucht 21 . Auch dabei bleibt noch vieles unbestimmt; immerhin sieht Jellinek i n dem amtshilferechtlich relevanten Fall, daß „Behörden Akte vornehmen, die grundsätzlich nicht i n ihren Geschäftskreis gehören", ein Problem des Rechts und sogar den Punkt der Nichtigkeit erreicht, unabhängig davon, ob nur die eine Behörde oder ob die Verwaltung insgesamt den A k t nicht vornehmen d a r f 2 2 . Das Fazit ist, daß nach den spätkonstitutionellen Lehren die Organisationsgewalt jedenfalls i m Eingriffsbereich keine solide Begründung für eine verwaltungsautonome Amtshilfepraxis abgeben konnte. Wo die Organisationsgewalt zum Hausgut der Exekutive gerechnet wurde, da blieb doch die Grenze zwischen der durch den Gesetzgeber zu regelnden Veränderung und der von der Verwaltung vorzunehmenden Umverteilung von Befugnissen unscharf, und i n eben diese unklare Grenz19 20 21 22

8*

Ebd. S. 353. G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, S. 374. G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 233 ff. Ebd. S. 241.

116

Fundierung der Amtshilfe in der

r a t s g e w a l t ?

zone gehört die Amtshilfe. Wo die organisatorischen Regelungen insgesamt dem Gesetzgeber überantwortet wurden, da mußte auch die Regelung der Amtshilfe der Verantwortung des Gesetzgebers unterfallen. Auch nach den differenzierenden Theorien zur Organisationsgewalt kann zwar die Amtshilfe m i t räumlichen, sachlichen und personellen Mitteln für gesetzesfrei, muß aber die Amtshilfe m i t Eingriffsbefugnissen für gesetzesgebunden erklärt werden. Selbst wenn die Ansicht, nach der die Organisationsgewalt zum Hausgut der Exekutive gehört, als die damals herrschende angesetzt wird, gibt die spätkonstitutionelle Staatsrechtslehre zur Frage, ob die Organisationsgewalt der Exekutive als Grundlage und Rechtfertigung für eine exekutive Amtshilfepraxis taugt, die gesetzlich nicht oder kaum geregelt ist, keine eindeutige Antwort. Sie hat hierzu keine Tradition begründet, zu der sich die gegenwärtige verfassungsrechtliche Bearbeitung der Amtshilfe zu verhalten, an der sie anzuknüpfen oder von der sie sich abzusetzen hätte. 5.1.2 Nun sind die spätkonstitutionellen Lehren zur Organisationsgewalt immer wieder der Kritik unterworfen worden 2 3 . Zum beträchtlichen Teil w a r dies eine immanente K r i t i k . A u f ihrer Linie könnte der Versuch unternommen werden, i n kritischer Überprüfung der spätkonstitutionellen Lehren hypothetisch zu fragen, was damals richtigerweise zur Organisationsgewalt zu denken und daraus zur Amtshilfe zu folgern gewesen wäre. Aber dieser Versuch soll unterbleiben. Er wäre nicht nur unhistorisch, sondern auch funktionslos. Ihre Funktion hatten derartige Versuche zu einer Zeit, als die Behandlung der Organisationsgewalt unter dem Grundgesetz ihre Problemstellungen erst entwickeln und dafür die spätkonstitutionellen Lehren rekonstruieren und weiterdenken mußte. Diese Zeit ist vorbei. Heute hat die grundgesetzbezogene Behandlung von Organisationsgewalt und Gesetzesvorbehalt ihre eigene Tradition von Problemstellungen und -lösungen. Zwar muß eine genetische Darstellung der heutigen Positionen zur Organisationsgewalt die Folie der überlieferten herrschenden Ansicht immer noch zugrundelegen. Die systematische Auseinandersetzung m i t diesen Positionen kann der Folie jedoch weitgehend entbehren. Es genügt, einen Punkt der insoweit auch nicht immanenten, sondern den Rahmen des spätkonstitutionellen Denkens überschreitenden K r i t i k hervorzuheben. Die überlieferte herrschende Lehre ging von einem Rechts- bzw. Rechtssatzbegriff aus, der grundsätzlich nur da Fragen des Rechts sah und Regelungen durch Rechtssatz forderte, wo die Verwaltung i n Freiheit und Eigentum eingriff. Nur da galt, soweit durch 28

Vgl. mit Nachweisen Böckenförde

(Anm. 2), S. 61 ff.

5.1 Überlieferte Lehre

117

die Verfassung nichts anderes bestimmt war, wegen der angenommenen Zusammengehörigkeit von Rechts-, Rechtssatz- und Gesetzesbegriff der Vorbehalt des Gesetzes. Zwar konnten für eingriffsähnliche und eingriffsrelevante organisatorische Regelungen Gesetze erforderlich werden; der Überblick hat gezeigt, daß die Anerkennung der rechtlichen Bedeutung und gesetzlichen Regelungsbedürftigkeit bestimmter organisatorischer Regelungen bei allen Unterschieden doch allgemein war. Aber die Vermutung sprach gegen ein derartiges Ausgreifen und erst recht gegen eine ursprüngliche Geltung des Gesetzesvorbehalts. Dies galt sowohl i m Bereich der Verwaltungsorganisation als auch i n dem anderen Bereich, i n dem die Verwaltung dem Bürger nicht m i t Eingriff und Zwang gegenübertritt, i m Bereich der Leistungsverwaltung 2 4 . Die Einsicht i n das Ungenügen des an den Kriterien des Eingriffs und der Schranke orientierten Rechts- und Rechtssatzbegriffs machte dessen Revision erforderlich. Da auch die Normen des Organisationsund des Leistungsbereichs und auch die von der Verwaltung hervorgebrachten Normen nicht dank irgendeiner außerrechtlichen Qualität gebieten, gewähren und gestalten, nicht kraft Moral oder Sitte, sondern kraft Rechtsgeltung und -Sanktion, unterfallen auch sie dem Rechtsund Rechtssatzbegriff. Damit w a r der spätkonstitutionellen Lehre vom Gesetzesvorbehalt die rechtstheoretische Grundlage entzogen und den Ausweitungen des Gesetzesvorbehalts i n den Organisations- und Leistungsbereich der Weg eröffnet. Wo die neueren Lehren i h n beschritten, da haben sie dies zwar nie allein m i t dem rechtstheoretischen Argument getan. Denn i n der Überwindung der an den Kriterien des Eingriffs und der Schranke orientierten Rechts- und Rechtssatzbegriffs w a r zu deutlich geworden, daß die rechtstheoretische Fundierung der spätkonstitutionellen Lehre nur eine scheinbare war, daß rechtstheoretische Begriffsbildungen keine verfassungsrechtlichen Funktionsbestimmungen sind und daß die Abgrenzung von Legislative und Exekutive und von exekutiven und legislativen Kompetenzen i m Organisations- und Leistungsbereich nicht rechtstheoretisch, sondern nur verfassungsrechtlich erfolgen kann 2 5 . Aber immerhin setzen neuere Lehren zum Gesetzesvorbehalt gerne m i t der Revision des Rechts- und Rechtssatzbegriffs an 2 6 . Die Revision hebt die oben erwähnte Vermutung auf, befreit das 24 Hier kann, ohne daß Mißverständnisse zu besorgen wären, dem gängigen Sprachgebrauch gefolgt werden. Zwar unterscheiden Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I, S. 18 ff. bei der öffentlichen Verwaltung treffend nach Qualität (leistende Verwaltung) und Modalität (pflegende Verwaltung) und bemerken richtig, daß auch die leistende Verwaltung sich des Modus des Eingriffs bedienen kann. Aber typisch fallen leistende Qualität und pflegende Modalität zusammen. 25 Vgl. besonders Böckenförde (Anm. 2), S. 68 f. 26 Ossenbühl (Anm. 2), S. 154 ff.; Böckenförde (Anm. 2), S. 70 ff.; Rupp,

118

Fundierung der Amtshilfe in der

T h e m a des Gesetzesvorbehalts

r a t s g e w a l t ?

von Verstellungen u n d führt

in

die

eigentliche f u n k t i o n e l l e u n d k o m p e t e n z i e l l e P r o b l e m a t i k .

5.2 Gesetzesvorbehalt u n d Organisationsgewalt unter d e m Grundgesetz W i e i m m e r i n i h r e r E n t w i c k l u n g , b e i e i n z e l n e n A u t o r e n u n d auch i n der

Rechtsprechung

des Bundesverfassungsgerichts

ineinander

ver-

schlungen, lassen sich h e u t e doch systematisch z w e i K o n z e p t i o n e n der L e h r e v o m Gesetzesvorbehalt u n d z u g l e i c h auch v o n d e r O r g a n i s a t i o n s gewalt unterscheiden27. 5.2.1 D i e erste Konzeption

a r g u m e n t i e r t aus d e m

Demokratieprinzip

u n d t e n d i e r t z u e i n e m T o t a l v o r b e h a l t 2 8 . D u r c h d e n Ü b e r g a n g v o n der k o n s t i t u t i o n e l l e n M o n a r c h i e z u r p a r l a m e n t a r i s c h e n D e m o k r a t i e sei die Exekutive

zur

vollziehenden

Gewalt

im

strengen

Sinn

geworden.

A l l e S t a a t s g e w a l t müsse v o m V o l k ausgehen u n d v o n i h m l e g i t i m i e r t werden. Da die Legislative u n m i t t e l b a r e demokratische L e g i t i m a t i o n u n d die E x e k u t i v e n u r abgeleitete besitze, k ö n n e das H a n d e l n d e r w a l t u n g n u r gesetzesabgeleitet u n d gesetzesvollziehend sein.

VerIndem

dieser A n s a t z e i n e n T o t a l v o r b e h a l t b e g r ü n d e t , t r ä g t e r d e n Gesetzesv o r b e h a l t s o w o h l i n d e n B e r e i c h d e r L e i s t u n g s v e r w a l t u n g als auch i n Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 15 ff., 104 ff.; Brohm, D Ö V 1964, S. 246 f.; Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 11 ff., 24. 27 Der folgende Aufriß des heutigen Standes der Lehre vom Gesetzesvorbehalt ist also wohlgemerkt weniger entwicklungsgeschichtlich und autorenbezogen als vielmehr systematisch. Die Anmerkungen, in denen derselbe Autor manchmal zu verschiedenen Konzeptionen angeführt wird, lassen die bei manchen Autoren zu beobachtende Verschlungenheit systematisch zu trennender Argumente erkennen. Zu deren entwicklungsgeschichtlichem I n einandergreifen vgl. unten Abschnitt 5.2.3. — Der Klarstellung, daß es im folgenden nicht u m die Lehre von den institutionellen Gesetzesvorbehalten geht, wird es wohl nicht mehr bedürfen; sie sei immerhin angemerkt. 28 Sie wurde in die deutsche Staatsrechtswissenschaft von Jesch (Anm. 26), eingeführt, vgl. S. 171 ff. Schon früher hatten von der österreichischen Staatsrechtstradition her Spanner, D Ö V 1957, S. 641, und für das schweizerische Staatsrecht Imboden, Das Gesetz als Garantie rechtsstaatlicher Verwaltung, einen Totalvorbehalt gefordert. — Böckenförde, Gesetzesbegriff und Gesetzesvorbehalt, unterscheidet S. 383 f. bei der i m folgenden gekennzeichneten ersten Konzeption zwei Argumentationsansätze, erstens einen demokratischen und zweitens einen auf die Gesetzesform und das Gesetzgebungsverfahren abstellenden. Allerdings treten die beiden Argumentationsansätze nicht deutlich auseinander, denn wenn es beim zweiten darum geht, daß das Zustandekommen des Gesetzes „an die öffentliche Beratung und Diskussion i m Parlament, damit an die Teilnahme der politischen Kräfte der Volksvertretung, namentlich auch der politischen Opposition gebunden und der Einflußnahme der öffentlichen Meinung ausgesetzt" ist (S. 384), dann geht es doch gerade um die Legitimation des Gesetzes durch den demokratischen Prozeß.

5.2 Gesetzesvorbehalt u. Organisationsgewalt unter dem Grundgesetz

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den der Verwaltungsorganisation 29 . Dasselbe gilt aber auch für seine modifizierende, abschwächende Variante 3 0 , die beim Parlament statt auf die alleinige Unmittelbarkeit demokratischer Legitimation auf die politische Führungsrolle i n grundlegenden Angelegenheiten abstellt und vom Gesetzgeber verlangt, daß er zwar nicht alle, wohl aber die wesentlichen Regelungen des staatlichen Handelns t r i f f t 3 1 . Denn wesentlich können Regelungen sowohl i m Bereich der Verwaltungsorganisation als auch i m Leistungsbereich werden. Für eine selbständige Organisationsgewalt der Exekutive bleiben danach allein die unwesentlichen und minderwesentlichen Gegenstände. Sie bleiben für eine entweder abgeleitete oder sogar selbständige exekutive Organisationsgewalt selbst dann, wenn aus dem Gesetzesvorbehalt der Parlamentsvorbehalt entwickelt und damit gefordert wird, daß die wesentlichen Regelungen vom Parlament nicht nur vorstrukturiert und dann delegiert, sondern selbst entschieden und ausgestaltet werden 3 2 . Von ihrem Ansatz her ist diese Entwicklung zum Parlamentsvorbehalt konsequent. Denn die politische Führungsrolle bei wesentlichen Entscheidungen ist inhaltlich begründet, und sie begründet darum auch ihrerseits eine inhaltliche Führungsaufgabe und -pflicht, der sich das Parlament nicht dadurch entziehen kann, daß es nur die Form des Delegationszusammenhangs herstellt und dabei den Inhalt der wesentlichen Entscheidungen der Exekutive überläßt. Als das Problem der Lehre vom Wesentlichkeitsvorbehalt und vom Parlamentsvorbehalt w i r d gerne ein Mangel an Bestimmtheit gerügt 3 3 . A u f die Frage, was wesentlich ist, läßt sie die A n t w o r t zunächst vermissen. Aber das Wesentlichkeitskriterium ist jedenfalls nicht weniger bestimmbar als andere Kriterien, m i t denen die Verfassungsrechtsdog29 Zum Bereich der Verwaltungsorganisation hat Jesch, anders als Spanner (Anm. 28), S. 640 ff., die Lehre vom Totalvorbehalt zwar nicht ausgeführt. Gleichwohl liegt die Unterwerfung auch der Organisationsgewalt in der Konsequenz des Ansatzes von Jesch. Entsprechend wurde er auch verstanden; vgl. Rupp (Anm. 26), S. 145. 80 Daß in der Lehre vom Wesentlichkeitsvorbehalt die Lehre vom Totalvorbehalt ihre Renaissance erlebt, wird gesehen auch bei Krebs, Jura 1979, S. 308; Erichsen, VerwArch 69 (1978), S. 394. 81 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 204 ff.; Kisker, NJW 1977, S. 1317 ff.; Henke, AöR 101 (1976), S. 548 f., 609 f.; Häberle, D Ö V 1965, S. 374; Ossenbühl (Anm. 2), S. 249; Ehmke, W i r t schaft und Verfassung, S. 75 ff.; ähnlich auch Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 286; ders., NJW 1976, S. 1377. 32 Vgl. zur Unterscheidimg zwischen Parlaments- und Gesetzesvorbehalt Böckenförde (Anm. 28), S. 393 f.; Krebs (Anm. 30), S. 311 f.; Erichsen, VerwArch 67 (1976), S. 97 f.; ders. (Anm. 30), S.396; Häberle, DVB1 1972, S. 911 f.; kritisch Ossenbühl, Festschrift Bosch, S. 756. 38 Vgl. besonders Ossenbühl, D Ö V 1980, S. 550; Krebs (Anm. 30), S.3081; Kisker (Anm. 31), S. 1317 f.; Erichsen (Anm. 30), S. 394.

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matik schlecht und recht arbeitet. Mag es u m Zumutbarkeit, um Berechenbarkeit von Eingriffen oder u m Erwartbarkeit beim Vertrauensschutz gehen, stets werden die Operationalisierungen m i t methodisch nicht ganz ausgewiesenen und begrifflich nicht v o l l geklärten Mischungen von faktischen und normativen Gesichtspunkten geleistet. Auch zum Wesentlichkeitskriterium können derartige Gesichtspunkte gefunden und gemischt werden 3 4 . Dabei könnte als wesentlich etwa angesetzt werden, was die Prozesse der gesellschaftlichen Meinungsbildung und der politischen Willensbildung beschäftigt und i m Parlament zu A n fragen und Diskussionen geführt hat, dabei eine Vielzahl von Bürgern betrifft und die Konsensbasis des Gemeinwesens berührt. Ein derartiger Operationalisierungsansatz hielte sich durchaus i m Rahmen gängiger verfassungsrechtsdogmatischer Bestimmtheitsanforderungen 35 . Was die Lehre vom Wesentlichkeitsvorbehalt und vom Parlamentsvorbehalt problematisch macht, ist denn auch weniger ihre Unschärfe als vielmehr die verfassungsrechtliche und -theoretische Problematik ihres Ansatzes, die über der Konfrontation m i t der zweiten Konzeption der Lehre vom Gesetzesvorbehalt deutlich werden wird. 5.2.2 Die zweite Konzeption setzt ein anderes Verständnis des Demokratieprinzips und damit eine andere Bestimmung des Verhältnisses zwischen Legislative und Exekutive voraus 3 6 . Sie sieht das demokratische Moment des Grundgesetzes i n den grundgesetzlichen Verfahrensregelungen sowie Funktionszuweisungen, -abgrenzungen und -verschränkungen erfüllt. Demokratische Legitimation folgt aus der demokratischen Verfassung und kommt allen Gewalten oder Funktionen zu, da sie alle unmittelbar zur Verfassung sind. Auch die Verwaltung erhält i n A r t . 20 Abs. 2 GG ihren unmittelbaren Auftrag und ihre unmittelbare Legitimation, sie erhält dies durch eine demokratische Verfassung und darum als demokratische Qualität. Ob sie einen verfassungskräftigen unantastbaren Kernbereich hat und wie dieser aussieht, ist dabei umstritten 3 7 . Der Streit kann insofern dahinstehen, als ohnehin 84 Entsprechende Bemühungen bei Böckenförde (Anm. 28), 398 ff.; Kisker (Anm. 31), S. 1318 f.; O V G Münster, DVB1 1978, S. 62—67 (64). 85 Ob die gängigen auch die befriedigenden Anforderungen sind, steht auf einem anderen Blatt. Es geht hier darum, durch die Operationalisierungsschwierigkeiten des Wesentlichkeitskriteriums dessen verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Problematik nicht verstellen zu lassen. 38 Vgl. zum folgenden Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), S.26; Böckenförde (Anm. 2), S. 79 ff.; Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, S. 93 f.; Peters, Die Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt, S. 29 ff.; ähnlich, aber vorsichtig auch Schmidt-Aßmann, W D S t R L 34 (1976), S. 229; Ossenbühl (Anm. 2), S. 196 ff. 37 Für einen solchen Vorbehaltsbereich der Verwaltung, allerdings ohne ihn nach Inhalt und Umfang zu bezeichnen, in den sechziger Jahren besonders

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der Gesetzgeber m i t einer Regelung der Verwaltungstätigkeit i n allen ihren Bereichen überfordert wäre. Neben seiner Pflicht, die i h m ausdrücklich vorbehaltenen Bereiche zu regeln, kann er sein Recht, auf weitere Bereiche zuzugreifen, nicht ausschöpfen. Ob verfassungskräftig und unantastbar oder gesetzesabhängig und zugriffsoffen — der Verwaltung bleibt ein Eigenbereich, i n dem sie auch i n wesentlichen Fragen über eine selbständige Organisationsgewalt verfügt. Auch von dieser Bestimmung des Verhältnisses zwischen Gesetzgebung und Verwaltung her ist eine Ausweitung des Gesetzesvorbehaltsbereichs möglich. Es müssen nur die Grundrechte m i t ihren Gesetzesvorbehalten neu verstanden werden. I n diesem Sinn wurden die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte zunächst auf die besonderen Gewaltverhältnisse erstreckt; dabei konnten sie noch als Abwehrrechte verstanden und mußten lediglich Fiktionen über die mangelnde Eingriffsqualität von Maßnahmen i m besonderen Gewaltverhältnis beiseitegeräumt werden 3 8 . Die Leistungsverwaltung konnte ihnen dagegen nur auf Grund eines gewandelten Freiheits- und Grundrechtsverständnisses unterworfen werden. Zwar gibt es den Versuch, einen Gesetzesvorbehalt für die Leistungsverwaltung statt aus den Grundrechten aus A r t . 80 GG zu entwickeln 3 9 . Er argumentiert m i t einem Rechtsbegriff, der das staatliche Außenrecht als das Recht staatlichen Eingriffs und staatlicher Leistung abdeckt. I m Sinn dieses Rechtsbegriffs versteht er den Begriff der Rechtsverordnung i n A r t . 80 GG; da Rechtsverordnungen der Ermächtigung des Gesetzgebers bedürften, stünden auch leistungsrechtliche Regelungen unter dem Vorbehalt des Gesetzes. Aber dieser Versuch überzeugt nicht. I n spätkonstitutioneller Manier folgert er verfassungsrechtliche Funktionsbestimmungen aus rechtstheoretischen Begriffsbildungen und weist dabei den entscheidenden Schritt, daß das Leistungsrecht nur über rechtstheoretisch gesprochen: Außenrecht und nicht Innenrecht, verfassungsrechtsdogmatisch gewendet: Rechts Verordnungen und nicht Verwaltungsvorschriften regelbar sein soll, nicht aus. Daß die Verwaltung die Zuwendung ihrer Leistungen an die B ü r Ossenbühl (Anm. 2), S. 200; Böckenförde (Anm. 2), S. 106 f.; Bullinger (Anm. 36), S.94f. ; dagegen Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 168 ff.; Herzog, V V D S t R L 24 (1966), S. 188 ff. Über die Positionen der sechziger Jahre hat sich die Kontroverse nicht hinausentwickelt; der Grund hierfür dürfte ihre i m Text sogleich angesprochene gewisse praktische Beliebigkeit sein. Vgl. neuerlich Erichsen, VerwArch 70 (1979), S. 254 f. 88 Zur Geltung der Grundrechte und des Vorbehalts des Gesetzes im besonderen Gewaltverhältnis Paetzold, Die Abgrenzung von allgemeinem und besonderem Gewaltverhältnis, S. 26 ff. Die Arbeit stellt eingehend den Stand der Diskussion vor dem diese abschließenden Strafgefangenenbeschluß (BVerfGE 33, 1—18) dar. 89 Erichsen, Festschrift Wolff, S. 245; Schwan, Zuständigkeitsregelungen und Vorbehalt des Gesetzes, S. 74 ff.; Rupp (Anm. 26), S. 115 ff.

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ger nicht nach eigenem Ermessen und internen Vorschriften, sondern nur nach Gesetzen oder gesetzlich fundierten Rechtsverordnungen vornehmen darf, die Voraussetzungen und Umfang der Leistungen regeln und für die Bürger Ansprüche auf die Leistungen begründen, dafür bedarf es eines Freiheits- und Grundrechtsverhältnisses, das auf die Abhängigkeit des einzelnen von staatlichen Vorkehrungen und darauf abstellt, daß ohne staatliche Gewährung und Leistungen von den grundrechtlichen Freiheiten kein wirklicher Gebrauch mehr gemacht werden kann. Von diesem Freiheits- und Grundrechtsverständnis aus führen dann mehrere Wege zum Gesetzesvorbehalt für den Leistungsbereich. Sie reichen von der Überlegung, an die Stelle einer verlorenen tatsächlichen Autonomie des Bürgers müsse seine rechtliche Unabhängigkeit gegenüber der Verwaltung treten, d. h. eine durch Gesetz begründete und gesicherte Rechtsposition i m Bereich der staatlichen Gewährungen 4 0 , bis zur Deutung der Grundrechte als Rechte auf die staatlichen Leistungen, von denen der Freiheitsgebrauch ermöglicht und unterfangen wird, womit dann der Gesetzesvorbehalt der Grundrechte zu einem Vorbehalt der gesetzlichen Regelung dieser staatlichen Leistungen w i r d 4 1 . A u f die eine oder andere Weise auf den Leistungsbereich ausgedehnt, w i r d der Gesetzesvorbehalt auch ein weiteres Stück i n den Organisationsbereich hineingetragen. Denn nach derselben Logik, nach der schon die überlieferte herrschende Ansicht eingriffsrelevante Organisationshandlungen dem Eingriffsvorbehalt unterwarf, müssen auch leistungsrelevante Organisationshandlungen dem Leistungsvorbehalt unterfallen. Es kommt hinzu, daß das Verständnis der Grundrechte als Leistungsrechte mehr auf eine objektivrechtliche als auf die subjektivrechtliche Dimension der Grundrechte abstellen w i l l 4 2 . Soll diese objektivrechtliche Leistungsdimension weder als unverbindliches Programm den Gesetzgeber gewissermaßen unterfordern noch ihn als Anforderung an höhen- oder mengenmäßig bestimmte Leistungen überfordern, dann 40 Dies ist die entscheidende, das Argument aus Art. 80 GG zurücktreten lassende Überlegung von Rupp (Anm. 26), S. 141 ff. Seine Fragestellung und zugleich seinen Lösungsansatz formuliert er S. 142 so: „Warum sollte man also die, auch dem Eingriffsvorbehalt zugrunde liegenden, Werte Eigentum und Freiheit nicht i. S. einer der heutigen Zeit gemäßen Funktion umdeuten können, um damit dem Gesetzesvorbehalt auch die gewährende Verwaltung zu erschließen?" 41 Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 119 ff. Ähnlich schon Häberle, V V D S t R L 30 (1972), S. 69 ff. an den Krebs anknüpft. 42 Nur ausnahmsweise will es die Grundrechte zu subjektiven Leistungsansprüchen verdichten, grundsätzlich will es sie als objektive Leistungsnormen nehmen. Vgl. Krebs (Anm. 41), S. 126 f. — Es sei bemerkt, daß diese Unterscheidung für das Ob einer Geltung des grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts für leistungsstaatliche Aktivitäten ohne Bedeutung ist. Erst für das Wie der Geltung ist sie von Relevanz; vgl. zum Wie der Erstreckung des Leistungsvorbehalts in die Verwaltungsorganisation weiter im Text.

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nter dem Grundgesetz

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liegt es nahe, für ihre Aktualisierung und Konkretisierung Verfahren zu verlangen, die eine gerechte und gleiche Leistungsverteilung m i t Information, Gehör, Beteiligung und Schutz der Betroffenen ermöglichen 4 3 . Diese Vorstellung, zusammen m i t der Einsicht i n die Eingebundenheit des einzelnen i n staatliche Institutionen und Prozeduren, innerhalb deren grundrechtlicher Freiheitsgebrauch oft allein noch möglich ist, und auch i n die Notwendigkeit, konfligierenden Grundrechtspositionen das verträgliche Nebeneinander durch Verfahren zu ermöglichen, treibt zu einem Verständnis der Grundrechte als Verfahrensrechte 44 . Die Verwaltungsorganisation kann damit jedenfalls punktuell sehr direkt unter den Gesetzesvorbehalt der Grundrechte geraten. Aber die Differenz zur ersten Konzeption bzw. Neukonzeption bleibt. Ob die Grundrechte als Leistungs- oder als Verfahrensrechte verstanden werden — soweit die Organisationsakte nicht konkret und spezifisch als grundrechtsrelevant aufzeigbar sind, kann die Verwaltung sie kraft ihrer Organisationsgewalt auch dann regeln und vornehmen, wenn sie verdienen, wesentlich genannt zu werden. 5.2.3 Das Verhältnis der beiden Konzeptionen zueinander ist komplex. Sie überschneiden sich i n ihrer Entwicklung und bei ihren Autoren. Das Bemühen, die grundrechtliche Freiheit auch i n ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu sichern, kann ebenso zum K r i t e r i u m der Wesentlichkeit greifen, wie das Anliegen, das Wesentliche zu bestimmen, zu den Konturen der Grundrechte. Ein entwicklungsgeschichtlicher statt eines systematischen Aufrisses könnte eine Abfolge von trial and error nachzeichnen, bei der das Bemühen u m die Effektivierung der Grundrechte m i t dem Versuch, die Grundrechte als subjektive Rechte auf staatliche Leistungen zu fassen, scheiterte, bei der m i t der Vorstellung einer objektivrechtlichen Grundrechtsgeltung versucht wurde, den Leistungsstaat sozusagen von der anderen Seite, von der Seite nicht des Bürgers, sondern des Staates her auf die Grundrechte zu verpflichten, und bei der, seitdem auch das Verständnis der Grundrechte als objektiver Wert- und Grundsatznormen seinen Glanz verliert und seine Probleme zeigt, i n der Wesentlichkeitsformel eine Möglichkeit gesehen wird, auf flexible Weise, mal subjektiv- und mal objektivrechtlich 43

Diese Entwicklung verdankt ihre Impulse besonders dem in Anm. 41 angeführten Bericht von Häberle; vgl. S. 80 f., 86 ff., 121 ff. S. 81 prägt Häberle den sprechenden Begriff des „Leistungsvorbehalts als verfahrensrechtlicher Gesetzesvorbehalt". 44 Vgl. Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien; ders., DVB1 1978, S. 365; Hesse, EuGRZ 1978, S. 434 ff.; Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, S. 324 ff., 355 ff.; Lorenz, NJW 1977, S. 865 ff.; Rupp, AöR 101 (1976), S. 187 ff.; Starck, Festgabe Bundesverfassungsgericht 2. Band, S. 483 ff.

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Grundrechtseffektivierung hier vom Gesetzgeber zu fordern und dort als Richter zu verwirklichen. Aber trotz solchen Ineinandergreifens liegen den beiden Konzeptionen verschiedene Voraussetzungen zugrunde und sind ihnen damit verschiedene Bahnen vorgezeichnet. Die Vorstellung eines Wesentlichkeitsvorbehalts ist gegenüber einem differenzierenden und differenzierten Grundrechtsverständnis, das m i t den verschiedenen Grundrechten die verschiedenen Lebensbereiche verschieden intensiv gegenüber dem Gesetzgeber unabhängig gestellt oder auch leistungs- und verfahrensmäßig gesichert sieht, zunächst indifferent. Sie stellt auf das Wesentliche ab, und wenn der Grund für die Inpflichtnahme des Gesetzgebers zur Regelung des Wesentlichen das Demokratieprinzip sein soll 4 5 , dann muß es auch der Maßstab dafür sein, was vom Gesetzgeber als wesentlich zu regeln ist und was nicht. Es ist dann konsequent, den demokratischen politischen Prozeß über die Wesentlichkeit einer Regelung entscheiden zu lassen und dies auf die Formel zu bringen: „Das Wesentliche ist das politisch Kontroverse 4 8 ." Tendenziell relativiert dies die verschiedenen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte, es schwächt die Eingriffsresistenz der Grundrechte gegenüber den unwesentlichen und minderwesentlichen Eingriffen 4 7 und gefährdet die Vorbehaltlosigkeit von Grundrechten dann, wenn Wesentliches passiert, das nach dem Grundrecht der gesetzgeberischen Regelung vorenthalten, nach dem Wesentlichkeitskriterium dagegen vom Gesetzgeber zu regeln ist. Umgekehrt sind die Grundrechte zunächst indifferent gegenüber dem K r i t e r i u m der Wesentlichkeit. Der Schutz der Grundrechte greift eigentlich bei politisch kontroversen Fragen ebenso wie bei politischen Lappalien; grundrechtliche Freiheit ist Freiheit zu Beliebigem und nicht etwa zu Wesentlichem und darum weder besonders noch gar ausschließlich i m Wesentlichen geschützt. Die individuelle Freiheit sichernden Differenzierungen der Grundrechte und das politischen Zwängen gehorchende K r i t e r i u m der Wesentlichkeit sind so von verschiedener innerer Folgerichtigkeit 4 8 . Sie können nur i n einer äußer45 Zur Kritik dieser Inpflichtnahme des Gesetzgebers unter Berufung auf das Demokratieprinzip unten Abschnitt 5.3.2. 46 Kisker (Anm. 31), S. 1317. 47 Vgl. in diesem Sinn die skeptische Überlegung bei Böckenförde (Anm. 28), S. 394 f.; Ossenbühl (Anm. 33), S. 550; Erichsen (Anm. 37), S. 253; Schenke, D Ö V 1977, S. 27 f.; und die affirmative bei Kisker (Anm. 31), S. 1317 f. 48 Darin mag die von Schmitt herausgearbeitete Verschiedenheit und Spannung des rechtsstaatlichen und des politischen Moments bürgerlicher Verfassung identifiziert werden. Vgl. Schmitt, Verfassungslehre, S. 200 ff. Genauer und zugleich in Korrektur der Schmittschen These: Der verfassungstheoretische Unterschied zwischen dem rechtsstaatlichen und dem politischen Moment tritt verfassungsrechtlich nicht in der Weise zutage, daß das rechtsstaatliche den Grundrechten und das politische dem Organisationsrecht zuzuordnen wäre. I n den Grundrechten selbst liegen Grenze und Zuordnung rechtsstaatlicher Freiheit und demokratischer politischer Verantwortung; die

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liehen Weise ineinander überführt werden. Dabei werden entweder die Grundrechte zu zwar interessanten, aber irrelevanten Aspekten für das Wesentliche, oder dieses w i r d zum bloßen Synonym für die Grundrechte. Schließlich können die beiden Konzeptionen auch schlicht addiert und kann dem Vorbehalt des Gesetzes unterworfen werden, was innerhalb des Bereichs der Grundrechte deren Vorbehalten und Differenzierungen unterfällt und was außerhalb dieses Bereichs politisch kontrovers wird. Aber diese Addition würde des verfassungstheoretischen Zusammenhalts entbehren 4 9 . 5.2.4 So konnte es auch dem Bundesverfassungsgericht nicht gelingen, die beiden verschiedenen Lehren vom Gesetzesvorbehalt stimmig m i t einander zu verbinden. Seine Lehre vom Wesentlichkeitsvorbehalt stellt zugleich auf das Demokratieprinzip, das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte ab. Schon i m Facharztbeschluß 50 entwickelte das Bundesverfassungsgericht die Grenzen der Autonomiegewährung und Rechtsetzungsdelegation unter Bezug auf diese drei Größen 5 1 und legte damit den K e i m seiner Lehre vom Wesentlichkeitsvorbehalt. Allerdings hat der Facharztbeschluß noch von Eingriffen i n Grundrechte gehandelt und für deren Regelung durch Satzung eigentlich dasselbe verlangt, was für eine Regelung durch Rechtsverordnung aus A r t . 80 GG gefolgt wäre. Auch i m Urteil zum numerus clausus®2 wurden das Rechtsstaatsund das Demokratieprinzip zwar angesprochen. Aber wenn der Gesetzgeber die grundlegenden Entscheidungen über die Ausgestaltung des Grundrechte markieren schon, was wesentlich und darum nur vom Gesetzgeber zu regeln, was unwesentlich und darum auch der Verwaltung zu überlassen, und schließlich, was, ob wesentlich oder unwesentlich, dem einzelnen vorbehalten und weder von der Gesetzgebung noch von der Verwaltung zu gestalten ist. Zu Recht hat denn auch Vogel (Anm. 37), S. 250 von der demokratischen Funktion der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte gesprochen. Was in der Verfassung, besonders in den Grundrechten konkret einander zugeordnet und miteinander versöhnt ist, zeigt dann wieder seine Spannung, wenn die Konkretion relativiert oder gar preisgegeben wird. 49 Was das denn schade, warum die Addition des verfassungstheoretischen Zusammenhalts bedürfe und ob nicht für verschiedene Bereiche verschiedene Vorbehalte gelten können, mag gefragt werden. Der Grund ist, daß sowohl das Vorbehaltskriterium der Wesentlichkeit als auch das der Grundrechte keine bereichsspezifische, sondern eine allgemeine Grenze zwischen Gesetzgebungs- und Verwaltungstätigkeit ziehen und dabei ihre konkrete Ausgestaltung und innere Folgerichtigkeit aus grundrechts- bzw. demokratietheoretischen Erwägungen allgemeiner Natur erhalten. Die Kriterien bereichsspezifisch zu verkürzen und dann additiv zusammenzufügen, bedürfte daher ebenfalls einer allgemeinen theoretischen Rechtfertigung. Wie diese aussehen könnte, ist jedoch nicht ersichtlich. 60 BVerfGE 33, 125—171 (1. Senat). 51 Ebd. 158 f. 52 BVerfGE 33, 303—358 (1. Senat).

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Zulassungswesens nicht den Universitäten hätte überlassen dürfen, sondern selbst hätte treffen müssen, dann deswegen, weil das Zulassungswesen vom Bundesverfassungsgericht unter dem grundrechtlichen Eingriffsaspekt gewürdigt und unter den grundrechtlichen Eingriffsvorbehalt gestellt wurde 5 3 . Auch hier verbleiben die Anforderungen an den Gesetzgeber noch ganz i n dem Rahmen, den für Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen A r t . 80 GG und den für Eingriffe die Grundrechte aufstellen 54 . Der Beschluß zum Beschwerdeverfahren i m Strafvollzug 0 5 hingegen hat eine Lehre vom Wesentlichkeitsvorbehalt entfaltet, die diesen Rahmen zugleich über- und unterschreitet. Den Vorbehalt des Gesetzes sieht das Bundesverfassungsgericht i n dieser Entscheidung i n den Grundrechten nur spezialisiert und konkretisiert, als allgemeinen jedoch i n A r t . 20 Abs. 3 GG enthalten und i n einer demokratisch-parlamentarischen Verfassungsordnung dahin zu verstehen, daß er die gesetzliche Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen verlange. Grundsätzlich sei, was den Bürger unmittelbar betreffe; hierunter fielen Leistungen ebenso wie Eingriffe und sogar Verwaltungsorganisatorisches, wenn auch „die Regelung der Behördenzuständigkeiten und des Verwaltungsverfahrens (nicht) bis i n alle Einzelheiten dem Gesetz vorbehalten sei" 5 6 . M i t dieser „Ausdehnung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts über die überkommenen Grenzen hinaus" 5 7 gehen eine Begründung und eine Entscheidung einher, die m i t dem überkommenen Verständnis der grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalte kaum vereinbar sind. Die Verwaltungsvorschrift, die dem Gerichts- ein Beschwerdeverfahren vorschaltet, beschränkt den Rechtsweg und beschneidet das Justizgrundrecht; das Gesetz erkennt zwar die Möglichkeit eines solchen Beschwerdeverfahrens an, ermächtigt aber nicht die Verwaltung zu seiner Realisierung 58 . I n Wahrheit w i r d also die überkommene Lehre 03

Ebd. 345 f. Dasselbe gilt erst recht für das Förderstufenurteil, BVerfGE 34, 165—200 (1. Senat). Die angegriffene schulorganisatorische Maßnahme war durch Gesetz getroffen worden, und die bundesverfassungsgerichtliche Prüfung, ob die gesetzlichen Vorschriften die wesentlichen Merkmale der neuen Schulreform festgelegt hatten, stellt 192 ff. lediglich auf das Gebot der Rechtsstaatlichkeit, näher auf den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit und auf das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ab. Es ist rätselhaft, warum das Bundesverfassungsgericht gerade dieses Urteil i m Kalkarbeschluß (BVerfGE 49, 89—147) als den Beginn seiner Wesentlichkeitsrechtsprechung ansetzen möchte (126). 55 BVerfGE 40, 237—259 (2. Senat). 58 Ebd. 250. 57 Ebd. 249. 58 Soweit die Rechtsprechung vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das verwaltungsvorschriftlich geregelte Beschwerdeverfahren für gerechtfertigt gehalten hatte, hatte sie dies denn auch unter dem Gesichtspunkt des besonderen Gewaltverhältnisses getan, der nach dem Strafgefangenenbeschluß (BVerfGE 33, 1—18) nicht mehr überzeugen konnte und in der 54

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nicht ausgeweitet, sondern durch eine neue Konzeption verdrängt, deren Vorbehaltsbereich den überkommenen zwar schneidet, aber nicht aufnimmt. Unwesentliche Materien aus dem überkommenen Bereich, bloße „Modalitäten" und deren „untergeordnete Regelung" 5 9 fallen dann, wenn der Gesetzesvorbehalt zum Wesentlichkeitsvorbehalt wird, jedenfalls tendenziell heraus. Von der zweiten der oben dargestellten Konzeptionen bzw. Neukonzeptionen w i r d tendenziell auf die erste umgestellt. Nicht daß hier ein endgültiger Bruch i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts läge. Der Beschluß zum Schulausschluß 60 argumentiert wieder ganz m i t dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 GG. Er beurteilt den Schulausschluß als Eingriff i n die Berufsausbildung, für den, nachdem das besondere Gewaltverhältnis keine rechtliche Grundlage mehr bietet, eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist 6 1 . Nur i n der Distanz des Konjunktivs läßt der Beschluß die Wesentlichkeitslehre m i t ihrem Bezug auf das Demokratieprinzip zu Wort kommen 6 2 . Auch der Beschluß zur Neuordnung der gymnasialen Oberstufe 6 3 argumentiert behutsam; von der durch Rechtsstaats- und Demokratieprinzip begründeten Verpflichtung, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen, spricht er ausdrücklich nur für das Schulwesen und bezieht sie auf „die der staatlichen Gestaltung offenliegende Rechtssphäre i m Bereich der Grundrechtsausübung" 64 . I m Beschluß zur Sexualerziehung 65 w i r d eine Zwischenbilanz gezogen und dabei als Fortschritt der Wesentlichkeitslehre herausgestellt, sie habe den Vorbehalt des Gesetzes von den „überholte(n) Formeln (Eingriff i n Freiheit und Eigentum)" 6 6 gelöst, sie habe seine rechtsstaatlich-demokratische Funktion erkannt und ihn damit auf ein neues Fundament gestellt. Aber auch hier ist die Argumentation der Begründung vorsichtig. Für die Frage, was wesentlich ist, w i r d auf die Grundrechte verwiesen, es w i r d betont, daß diese zumeist vorsehen, daß Eingriffe nur durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig sind, und es werden die betroffenen Grundrechte der Art. 2 und 6 GG gründlich erörtert. Auch die nächste Entscheidung zum Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ja auch nicht mehr bemüht wurde. I n Rechtsprechung und Schrifttum war die verwaltungsvorschriftliche Regelung des Beschwerdeverfahrens kontrovers gewesen; vgl. die Nachweise des Bundesverfassungsgerichts 241 f. 59 Ebd. 251. 60 BVerfGE 41, 251—269 (1. Senat). 61 Ebd. 261 ff. 62 Ebd. 259 f. «3 BVerfGE 45, 400—421 (1. Senat). 64 Ebd. 418. 65 BVerfGE 47,46—85 (1. Senat). ββ Ebd. 79.

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5 Fundierung der Amtshilfe in der Organisationsgewalt?

Vorbehalt des Gesetzes 67 klingt m i t ihren Ausführungen über Grundrechtsrelevanz und Eingriffsintensität vertraut und vorsichtig. Dennoch stellt sie für die Entwicklung der Lehre vom Gesetzesvorbehalt einen Einschnitt dar. M i t einer Apodiktik, die neu ist, formuliert sie: „Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergibt sich der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes 68 ." Das mindert die Relevanz der Grundrechte wieder; diese sind für den Gesetzesvorbehalt nicht mehr aus sich heraus, sondern nur noch durch das Medium und als Ausprägungen des Rechtsstaats von Bedeutung. A u f dieser Grundlage w i r d i m Kalkarbeschluß 69 die Wesentlichkeitslehre ausgreifend dargelegt 7 0 . Der Vorbehalt des Gesetzes w i r d auf das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip gegründet. I h m w i r d die Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen, i n grundlegenden Bereichen die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Diese Verpflichtung w i r d als Gesetzes- und als Parlamentsvorbehalt gefaßt. Sie w i r d nicht nur von der überholten Formel, sondern überhaupt vom Merkmal des Eingriffs „losgelöst" 71 . Wenn diese Formulierung ernstgenommen und vor dem Hintergrund des Beschlusses zum Beschwerdeverfahren i m Strafvollzug gesehen wird, dann bedeutet sie m i t dem den überkommenen Vorbehaltsbereich erweiternden Erfordernis der gesetzgeberischen Entscheidung über wesentliche Leistungs- und Organisationsregelungen doch auch eine Verkürzung des überkommenen Vorbehaltsbereichs, den Verzicht auf die gesetzgeberische Regelung der unwesentlichen Eingriffe. Die Grundrechte werden zwar noch zum K r i t e r i u m für die Wesentlichkeit erklärt; nicht allein ihnen, aber ihnen besonders soll entnommen werden, wann i n den grundlegenden Bereichen eine wesentliche Regelung ansteht. Aber i n der Begründung werden die betroffenen Grundrechte, etwa A r t . 2, 12 und 14 GG weder erörtert noch auch nur aufgezeigt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bietet kein einheitliches Bild. Die beiden oben aufgezeigten Konzeptionen der Lehre vom Gesetzesvorbehalt sind i n gelegentlich verwirrender und widersprüchlicher Weise miteinander verschlungen. Wenn bei den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts jeweils die erkennenden Senate angemerkt wurden, dann darum, weil das Auseinanderhalten der verschiedenen Entscheidungssequenzen der beiden Senate eine gewisse Klärung bringt. Während der zweite Senat die Lehre vom Gesetzesvorbehalt mehr vom Demokratieprinzip und einem dieses flankierenden 67 68 69 70 71

BVerfGE 48, 210—227 (2. Senat). Ebd. 221. BVerfGE 49, 89—147 (2. Senat). Ebd. 126 ff. Ebd. 126.

5.2 Gesetzesvorbehalt u. Organisationsgewalt unter dem G r u n d g e s e t z 1 2 9

Rechtsstaatsprinzip her entwickelt, entfaltet der erste sie mehr von den Grundrechten her. Der erste Senat stellt sowohl i n seinen programmatischen Formulierungen als auch i n seinen fallbezogenen Argumentationen deutlicher und stärker auf die Grundrechte ab als der zweite, der die Grundrechte eher i m Dienst des Wesentlichkeitsprinzips funktionalisiert und mediatisiert. Gemeinsam ist beiden Senaten die Verabschiedung der „überholten Formel" vom Eingriff i n Freiheit und Eigentum. Obwohl auch sie, auf die besonderen Gewaltverhältnisse ausgedehnt, die geschilderte Rechtsprechung i n den meisten Entscheidungen getragen haben dürfte, w i r d sie i n den Entscheidungsbegründungen preisgegeben. Gemeinsam ist ferner die Verwendung von Formulierungen, die den jeweils anderen Ansatz salvatorisch miteinbeziehen, und zumal das Rechtsstaatsprinzip scheint die Unverträglichkeit der beiden Ansätze überbrücken zu wollen. Vielleicht ist es überhaupt nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Unverträglichkeiten aufzulösen, solange sich trotz ihrer judizieren läßt. Vielleicht judiziert das Bundesverfassungsgericht sogar gerne m i t ihnen und nutzt dabei, daß Inkonsistenz Argumentations- und Entscheidungsspielraum vergrößert 7 2 . Vielleicht handelt es sich auch nur um die Verwerfungen, die eine Umorientierung der Rechtsprechung i n einer Übergangsphase eben m i t sich bringt. Derartige rechtsprechungsstrategische und -taktische Gesichtspunkte können aber von der Erkenntnis, daß die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Entscheidung zwischen den beiden Konzeptionen der Lehre vom Gesetzesvorbehalt nicht t r i f f t und die Frage nach Ort und Reichweite des Gesetzesvorbehalts nicht klar beantwortet sowie von der Frage bzw. Entscheidung selbst nicht dispensieren.

72 Das hätte Tradition. Ein anderes Beispiel einer solchen Vergrößerung des Argumentations- und Entscheidungsspielraums bietet das Bundesverfassungsgericht mit seinem Verständnis der Allgemeinheit des Gesetzes bei Art. 5 Abs. 2 GG. I n ihm sind seit dem Lüthurteil (BVerfGE 7, 198—230) das formale (Häntzschel, Rothenbücher) und das materiale (Smend) Verständnis der Allgemeinheit verbunden; gerade weil sie nicht zusammenstimmen, erlaubt ihre Verbindung den flexiblen Umgang mit dem einzelnen Fall. Ein ähnliches Verfahren zur Vergrößerung von Argumentations- und Entscheidiungsspielraum wird vom Bundesverfassungsgericht auch dann verfolgt, wenn es Widerstreite oder Spannungen zwischen Verfassungsgehalten entdeckt, wenn es Unvereinbarkeiten zunächst aufreißt, u m sie anschließend heilen zu können. Vgl. schon BVerfGE 1, 14—66 (Widerstreit zwischen föderalistischem und demokratischem Prinzip), BVerfGE 2, 1—79 (Spannung zwischen Art. 21 und 38 GG) und aus der neueren Rechtsprechung etwa BVerfGE 39, 334—375 (Gegeneinanderstoßen von politischer Treuepflicht und individuellem Freiheitsrecht).

9

s chi ink

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5 F u n d i r u n g der Amtshilfe in der Organisationsgewalt?

5.3 Die Grenzen exekutiver Organisationsgewalt als Grenzen gesetzesunabhängiger Amtshilfe 5.3.1 M i t der Entscheidung in Sachen Gesetzesvorbehalt findet die Weichenstellung für die Bemessung exekutiver Organisationsgewalt und verwaltungsautonomer Amtshilfepraxis statt. Unter dem Wesentlichkeitsvorbehalt gilt gleichermaßen für Organisationsgewalt und für Amtshilfe, daß der Gesetzgeber für die wesentlichen Probleme die maßgeblichen Lösungen selbst finden muß. Als wesentlich wären dabei die Probleme von grundrechtlicher Relevanz und politischer Brisanz anzusetzen; dabei könnte versucht werden, die grundrechtliche Relevanz irgendwie aus dem Berührt- und Betroffensein der Bürger i n ihren grundrechtlichen Lebensbereichen und die politische Brisanz aus der Bedeutung für die „allgemeinen Lebensverhältnisse", der Gefährdung des „gemeinen Wohls" und dergleichen 73 zu entwickeln. Letztlich würde dies auf den Einzelfall verweisen, und erst dessen Prüfung könnte den Umfang der Organisationsgewalt und die Grenze zwischen notwendiger gesetzlicher Norm und zulässiger verwaltungsautonomer Praxis bei der Amtshilfe ergeben. Das Ergebnis könnte sein, daß für die i n den letzten Jahren vom Bürger als einschneidend empfundenen und rechtlich und politisch umstrittenen Hilfeleistungen ζ. B. für die Polizei und für den Verfassungsschutz spezielle gesetzliche Regelungen gefordert werden und i m übrigen die allgemeine, der Verwaltungspraxis eine erhebliche Handlungsfreiheit lassende Regelung der Verwaltungsverfahrensgesetze für ausreichend gehalten wird. Anderes gilt für Organisationsgewalt und für Amtshilfe, wenn der Gesetzesvorbehalt aus den Grundrechten folgt. Dann hängt es ganz vom Grundrechtsverständnis, von Grundrechtstheorie und -dogmatik ab, wie weit die Organisationsgewalt und i n welchem Ausmaß und Detail die Amtshilfe zu regeln ist. 5.3.2 Damit ist der Punkt erreicht, an dem die erste Entscheidung i n Sachen Gesetzesvorbehalt fallen muß, die Entscheidung zwischen den beiden Konzeptionen. Bei den Lehren vom Wesentlichkeits- und vom Totalvorbehalt überzeugt der Ansatz beim Demokratieprinzip nicht. Ein allgemeines Verfassungsprinzip, gewonnen aus einzelnen Verfassungsbestimmungen, trägt keine weitergehenden Rechtsfolgen, als die einzelnen Verfassungsbestimmungen sie tragen 7 4 . Allgemeine Verfassungsprinzipien taugen als Kürzel für einzelne Verfassungsbestimmungen, sie können deren 73 74

Vgl. i m Kalkarbeschluß (BVerfGE 49, 89—147) 127 ff. Vgl. zum folgenden Schlink, Staat 15 (1976), S. 360 ff.

5.3 Grenzen der Organisationsgewalt als Grenzen der Amtshilfe

131

Aussagen zusammenfassen und erläutern, deren Interpretation anregen und leiten, ermangeln aber eines über sie hinausgehenden normativen Gehalts. Die einzelnen Verfassungsbestimmungen dürfen von ihnen nicht überspielt, modifiziert und relativiert werden. Denn dadurch würde die Verfassungsrechtsdogmatik die Konflikte zwischen den allgemeinen Verfassungsprinzipien wieder eröffnen, die durch die einzelnen Verfassungsbestimmungen gerade gelöst sind. Das Grundgesetz ist eine vielleicht verbesserbare, aber jedenfalls verbindliche Konkretisierung, Austarierung und dabei auch Beschränkung i n ihrer Absolutheit miteinander unverträglicher allgemeiner Verfassungsprinzipien. I n den einzelnen Grundgesetzbestimmungen w i r d die Austarierung und Beschränkung konkret, durch sie werden die normativen Gehalte der allgemeinen Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes bestimmt. Es mag scheinen, als bedürfe diese Überlegung einer Differenzierung. Böckenförde unterscheidet zwischen zwei Arten von Prinzipien, zwischen den von Rechtsprechimg und Rechtslehre ex post entwickelten deskriptiven und den i m Grundgesetz ex ante niedergelegten normativen Prinzipien 7 5 . Zu der ersten A r t rechnet er die Prinzipien der religiösen und weltanschaulichen Neutralität und der streitbaren Demokratie, zu ihnen wären wohl auch die Prinzipien der Einheit der Verfassung oder der Vermutung für die Freiheit zu zählen 7 6 . Zu der zweiten A r t sollen besonders die Grundsätze der Art. 1 und 20 GG gehören. I n der Tat sprechen nicht erst Rechtsprechung und Rechtslehre, sondern spricht schon das Grundgesetz selbst von den „ i n den A r t i k e l n 1 und 20 niedergelegten Grundsätzen". Aber es spricht von diesen Grundsätzen in Art. 79 Abs. 3 i n einem engen Sinn. M i t den Grundsätzen der A r t . 1 und 20 w i l l A r t . 79 Abs. 3 GG nur einen Kernbestand der grundgesetzlichen Ordnung gegen Änderungen schützen, nicht die einzelnen Grundgesetzbestimmungen insgesamt und schon gar nicht normative Gehalte, die über die einzelnen Grundgesetzbestimmungen hinausgehen. Nicht mehr, sondern weniger, als i n den einzelnen Grundgesetzbestimmungen ausgeformt ist, w i r d durch die „ i n den A r t i k e l n 1 und 20 niedergelegten Grundsätze" abgedeckt. Das hindert zwar Rechtsprechung und Rechtslehre nicht, neben dem Begriff des Grundsatzes, den das Grundgesetz selbst i n A r t . 79 Abs. 3 verwendet, noch einen anderen Begriff zu prägen und entsprechend von den Grundsätzen der A r t . 1 und 20 GG nicht nur 75

Böckenförde (Anm. 28), S. 388 f. Vgl. hierzu F. Müller, Juristische Methodik, S. 170 ff., 177 f. Ebd. S. 168 ff. allgemein zu derartigen Verfassungsprinzipien in der Gestalt von Prinzipien der Verfassungsinterpretation, stets in Abstellung auf den Unterschied zwischen dem normativen Gehalt von Verfassungsnormen und der heuristischen oder explikativen Funktion von Verfassungs- oder Verfassungsinterpretationsprinzipien. 76

9*

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5 Fundierung der Amtshilfe in der Organisationsgewalt?

i m engen Sinn des Art. 79 Abs. 3 GG, sondern i n einem freieren und weiteren Sinn zu handeln. Aber i n diesem letzteren Sinn sind die Grundsätze der A r t . 1 und 20 GG keine ex ante niedergelegten, sondern ex post entwickelte Prinzipien, denen zwar deskriptive und heuristische, aber keine eigene normative Funktion zuerkannt werden kann. So kann das Demokratieprinzip über die i m Grundgesetz niedergelegten Gesetzesvorbehalte hinaus keine weiteren begründen. Es ist in ihnen sowie i m Zugriffsrecht des Gesetzgebers schon konkretisiert und gewissermaßen aufgehoben 77 . I n beidem ist auch die Formulierung des A r t . 20 Abs. 2 Satz 1 GG, daß alle Staatsgewalt vom V o l k ausgeht, durchaus e r f ü l l t 7 8 . Dies kann auch demokratietheoretisch ausgeführt werden. Demokratie bedeutet nicht Einbindung, sondern Freisetzung des Volks als des Souveräns. Der Übergang von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Demokratie, Hintergrund der Lehre vom Totalvorbehalt, hat seine eigentliche Pointe i n der Überwindung der beschränkten parlamentarischen Willens- und Gestaltungsmacht i n der konstitutionellen Monarchie und i n der Gewinnung der Willens- und Gestaltungsfreiheit des demokratischen parlamentarischen Gesetzgebers. Diese verträgt zwar grundrechtliche, gewaltenteilungsmäßige und bundesstaatliche Begrenzungen, nicht jedoch eine totale Inpflichtnahme zur Regelung von allem und jedem oder auch von irgendwie bedeutsamen und sonstwie wesentlichem. Demokratietheoretisch läßt sich gegen einen Vorbehaltsbereich der Verwaltung und für ein Zugriffsrecht des Gesetzgebers streiten, das i h n das, was er regeln w i l l , auch regeln läßt. Das Demokratieprinzip taugt aber nicht dazu, die Freiheit des Gesetzgebers, eine Regelungsmaterie auch bei der Verwaltung zu belassen oder an sie zu delegieren, über die i n der Verfassung bezeichneten Begrenzungen hinaus zu beschneiden. Nun hat freilich die deutsche Entwicklung, statt die Demokratie hervorzubringen, den Rechtsstaat errichtet, und insofern hat das i n den Lehren vom Total- und vom Wesentlichkeitsvorbehalt lebendige Mißtrauen gegenüber dem freien politischen Prozeß und stattdessen Vertrauen auf die rechtliche Einbindung und Inpflichtnahme seine Tradition. I n ihr steht das Bundesverfassungsgericht, wenn es m i t der Lehre vom Wesentlichkeitsprinzip operiert. Denn damit weitet es seine Kompetenz, damit hat es zusätzliche Gesichtspunkte, unter denen als Gegenstand verfassungsrechtlicher Expertise und verfassungsgerichtlicher Entscheidung reklamiert werden kann nicht nur, was der Gesetzgeber als wesentlich zu regeln hat, sondern zugleich 77 Vgl. unter diesem Gesichtspunkt zur demokratischen Funktion der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte oben Anm. 48. 78 Siehe oben Abschnitt 5.2.2.

5.3 Grenzen der Organisationsgewalt als Grenzen der Amtshilfe

133

i m m e r auch, w i e er es z u r e g e l n h a t 7 9 . Z w a r s i n d e i n e r a k t i v e n V e r fassungsrechtsprechung m a n c h e f r u c h t b a r e n i n n o v a t i v e n A n s t ö ß e

und

w i c h t i g e reformerische I m p u l s e z u v e r d a n k e n . A b e r j e w e i t e r das B u n desverfassungsgericht seine K o m p e t e n z f a ß t u n d j e größer z u g l e i c h der A b s t a n d des a l l g e m e i n e n p o l i t i s c h e n B e w u ß t s e i n s v o n d e r p o l i t i s c h m i ß t r a u i s c h e n T r a d i t i o n w i r d , desto u n s i c h e r e r u n d u m s t r i t t e n e r w i r d doch auch das U r t e i l d a r ü b e r , w a s d e m B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t

insgesamt

zu v e r d a n k e n sei. Das D e m o k r a t i e p r i n z i p i s t eben n i c h t d e r S c h r i t t macher, s o n d e r n d e r W i d e r p a r t des Bundesverfassungsgerichts. eine s e l b s t b e w u ß t e u n d v e r a n t w o r t u n g s f r e u d i g e

Gerade

Verfassungsrechtspre-

c h u n g b e d a r f d e r k l a r e n k o m p e t e n z i e l l e n G r e n z e n u n d der

starken

demokratischen Balance80.

79 Daß der Kalkarbeschluß (BVerfGE 49, 89—147), Hauptbeispiel einer von den Grundrechten emanzipierten Wesentlichkeitslehre, in seinen Ausführungen zum Wie der gesetzgeberischen Regelung Zurückhaltung zeigt, ist Ausdruck politischen Augenmaßes des Gerichts, nicht Folge rechtlicher und methodischer Grenzen seiner Rechtsfindung. Vom rechtlichen Ansatz aus wäre ohne methodischen Bruch auch eine Entscheidung zu argumentieren gewesen, die dem Gesetzgeber eine andere Regelung und für diese die maßgeblichen Gesichtspunkte vorgeschrieben hätte. 80 Zwei Folgeprobleme der Entwicklung zum Wesentlichkeitskriterium seien angemerkt. Das eine ist verfassungsrechtlicher Natur: Wenn das Wesentlichkeitskriterium, was konsequent ist, als Kriterium nicht nur des Gesetzes-, sondern auch eines Parlamentsvorbehalts genommen wird, wird Art. 80 GG funktionslos; an die Stelle der Ermächtigung zum Erlaß nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmter Rechtsverordnungen tritt die Ermächtigung zum Erlaß Un- und Minderwesentliches regelnder Rechtsverordnungen. Das andere Folgeproblem ist verfassungspolitischer Natur: Das Wesentlichkeitskriterium bezweckt eine verstärkte Inpflichtnahme des Gesetzgebers, weil es von ihm eine bessere, inhaltlich überzeugendere, demokratisch legitimiertere und politisch akzeptiertere Regelung als von der M i n i sterialverwaltung erwartet. Aber die Berechtigung dieser Erwartung ist dann, wenn der Gesetzgeber nicht aufgrund politischer Motivation auf die Materie zugreifen will, sondern sich ihrer aufgrund verfassungsrechtlicher Inpflichtnahme annehmen muß, durchaus zu bezweifeln. Was ist von einem Gesetzgeber zu erwarten, der machen muß, was ihn eigentlich nicht interessiert, was zum gesellschaftlichen Konflikt noch nicht geworden und in der politischen Diskussion noch nicht drängend ist und wozu daher die Vorstellungen und Vorschläge nicht aus dem gesellschaftlich-politischen Feld, sondern doch wieder aus der Ministerialverwaltung kommen? Die Frage läßt sich auch aus der Perspektive des Bürgers stellen. Wie kommt bei diesem ein Gesetz an, das mangels Konflikt und Diskussion überzeugungsmäßig nicht vorbereitet ist? Wie kommen bei diesem überhaupt noch Gesetze an, wenn zunehmend nicht so sehr die politische Auseinandersetzung, sondern die verfassungsrechtliche und verfassungsgerichtliche Inpflichtnahme über ihr Ob und auch Wie entscheidet? Der Zweifel geht mit anderen Worten dahin, daß die verfassungspolitische Erwartung inhaltlich überzeugender, demokratisch legitimierter und politisch akzeptierter Regelungen schon und auch nur im Zugriffsrecht des Gesetzgebers aufgehoben ist. Gewiß, auch ein enges, an den Grundrechten orientiertes Verständnis des Gesetzesvorbehalts kann den Gesetzgeber zur Regelung von Materien veranlassen, die politisch noch nicht kontrovers und überzeugungsmäßig noch nicht vorbereitet sind. Aber daß dies geschieht, ist unwahrscheinlicher; die Inpflichtnahme des

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5 Fundierung der Amtshilfe in der Organisationsgewalt?

Damit fällt die Entscheidung für die andere Konzeption, die die Gesetzesvorbehalte i n den Grundrechten findet. Nur kurz ist von der Ableitung eines sogenannten allgemeinen Gesetzesvorbehalts aus dem Rechtsstaatsprinzip zu handeln, die m i t den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten gelegentlich konkurriert und manchmal sich verbindet 8 1 . Auch hier gilt wieder die oben angestellte Überlegung: Auch das Rechtsstaatsprinzip ist nur ein Kürzel für einzelne Verfassungsnormen, und die Rechtsfolgen müssen aus diesen und können nicht aus jenem gewonnen werden. Das Bundesverfassungsgericht, derselbe Zweite Senat, der neuerlich apodiktisch den Gesetzesvorbehalt i m Rechtsstaatsprinzip und dieses i n A r t . 20 Abs. 3 GG verortet, hat denn auch früher das Rechtsstaatsprinzip i n A r t . 20 GG gar nicht gefunden. Methodisch korrekt hat er damals ausgeführt, es seien i n A r t . 20 GG nicht das Rechtsstaatsprinzip, sondern nur bestimmte einzelne rechtsstaatliche Grundsätze niedergelegt 82 . Systematisch w i r d für einen aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten allgemeinen Gesetzesvorbehalt argumentiert, ohne ihn weise das System der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte Lücken auf 8 3 . Als die eine Lücke w i r d die allgemeine Handlungsfreiheit genannt; Art. 2 Abs. 1 GG sichere nur einen engen Bereich personaler Freiheit, nicht aber die allgemeine Handlungsfreiheit, die daher weder unter grundrechtlichem Schutz noch unter grundrechtlichem Gesetzesvorbehalt stehe. Aber mag auch der Text ursprünglich erlaubt haben, aus Art. 2 Abs. 1 GG ebenso wie die Verbürgung der allgemeinen Handlungsfreiheit die eines Persönlichkeitskerns herauszulesen — die ursprünglich offene Situation ist inzwischen entschieden, und die allgemeine Handlungsfreiheit ist gesichert 84 . Die andere Lücke soll bei den Gesetzgebers ist geringer, und an seinen Grundrechten ist der Bürger auch mit seinen Überzeugungen besonders engagiert. 81 Vgl. Rupp, Festschrift Küchenhoff, S. 655; Schwan (Anm. 39), S. 8 f.; Bachof, V V D S t R L 24 (1966), S. 225 ff.; Badura, ebd. S.212f.; Bullinger, ebd. S. 240; Böckenförde (Anm. 2), S. 89 ff.; Maunz, Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 20 Randnr. 128 (1960); ablehnend gegenüber einem außergrundrechtlichen Allgemeinvorbehalt dagegen Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 28 ff.; Schwabe, D Ö V 1973, S. 624; F. Müller, Die Positivität der Grundrechte, S. 64; Vogel (Anm. 37), S. 149 ff. 82 BVerfGE 30, 1—33 (24). 83 Das Argument von der Lückenhaftigkeit des grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts wird ausführlich entwickelt bei Schwan (Anm. 39), S. 11 ff.; Krebs (Anm. 41), S. 35 ff. Es ist ein eigentümliches Argument, denn die Voraussetzung seiner Triftigkeit, daß nämlich der Gesetzesvorbehalt umfassend sein müsse, wird einfach unterstellt. Ob der Gesetzesvorbehalt in den Grundrechten enthalten ist und ob diese die Freiheit umfassend sichern, sind zwei verschiedene Fragen, und die erste kann bejaht werden, auch wenn die zweite verneint werden muß. 84 Sie steht seit dem Elfesurteil (BVerfGE 6, 32—45) unter grundrechtlichem Schutz und Gesetzesvorbehalt. Den Einschränkungsvorbehalt der verfas-

5.3 Grenzen der Organisationsgewalt als Grenzen der Amtshilfe

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Freiheitsbetätigungen klaffen, die zwar i n dem Lebensbereich eines Grundrechts spielen, nicht aber dessen Schutzbereich unterfallen. Es seien ζ. B. die Betätigung der Berufsfreiheit durch einen Ausländer und die Betätigung der Kunstfreiheit unter Überschreitung von deren immanenten Schranken nur durch einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt aufzufangen. Aber die Lehre von den immanenten Grundrechtsschranken ist ohnehin nur eine grundrechtsdogmatische Verlegenheitslösung und durch die präzise Bestimmung und Zuordnung der Normbereiche der Einzelgrundrechte zu überholen 8 5 ; und was die Ausländer angeht, so sind diese eben bei den Deutschengrundrechten nur deren Destinatäre, soweit der Gleichheitssatz für sie die Anwendung der Gesetze verlangt, die den Gesetzesvorbehalten der Deutschengrundrechte genügen. I m übrigen stellen die Gesetzesvorbehalte verschiedener Grundrechte w o h l verschieden hohe Anforderungen. Aber auch daraus folgt keine Lückenhaftigkeit. Ein aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteter allgemeiner Gesetzesvorbehalt könnte auch nur die allgemeinsten A n forderungen der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte enthalten. 5.3.3 M i t der Ausrichtung der Lehre vom Gesetzesvorbehalt an den Grundrechten ist der Punkt erreicht, an dem die zweite Entscheidung i n Sachen Gesetzesvorbehalt fallen muß. Die Entscheidung zwischen den verschiedenen Grundrechtsverständnissen ergibt, wie weit die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte vom Eingriffs- über den Leistungs- zum Verfahrensvorbehalt reichen. Wortlaut, Genese und Tradition lenken das Grundrechtsverständnis zunächst i n die Bahnen des Eingriffs- und Schrankendenkens. Als A b wehrrechte bieten sich die Grundrechte dar, sind sie geworden, gemeint und hingeschrieben. Diese grundrechtstheoretische Ausgangslage entspricht auch demokratietheoretischen Überlegungen. Sie überläßt dem demokratischen Gesetzgeber die Entscheidung über politische Prioritäten und staatliche Ziele. I n diesen Entscheidungen schlagen sich dann allerdings die Veränderungen der Bedingungen der Möglichkeit von Freiheit nieder, auf die ein modernes Grundrechtsverständnis gerne verweist. Der gesetzgeberische Ausbau staatlicher Leistungen, die Gewährung von Leistimgsrechten, die Gestaltung von Organisationen, die Einrichtung von Verfahren und die Sicherung von Verfahrenspositionen geschehen natürlich nicht beliebig, sondern gerade i n der Reaktion auf die Abhängigkeit des einzelnen von solchen Vorkehrungen und aus der sungsmäßigen Ordnung hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung dem Parlamentarischen Rat folgend als „Vorbehalt jedes verfassungsmäßigen Gesetzes" (40) bestimmt. 85 F. Müller (Anm. 81), S. 13 ff.

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Notwendigkeit, seine Existenz und Freiheit durch sie zu ermöglichen. Sie verlieren nichts von ihrer Bedeutung dadurch, daß sie politisch erstritten werden müssen. Das freilich müssen sie, und weder Rechtswissenschaft noch Rechtsprechung haben das Netz staatlicher Leistungen, Organisationen und Verfahren geschaffen. Sie haben seinen Ausbau nur registrieren, konturieren und korrigieren können. Dabei bieten die Grundrechte Kriterien, auch ohne geradewegs i n Leistungs- und Verfahrensrechte umgemünzt zu werden. Dies ist ein wichtiger Punkt einer Rehabilitierung des Schranken-, Eingriffs- und Abwehrdenkens. Es greift weiter, als der Ruf nach seiner Überwindung zugunsten leistungs-, organisations- und verfahrensrechtlicher Grundrechtsdeutungen erkennen läßt. So ergibt etwa eine Durchsicht der Anspruchstypen, die unlängst Breuer als grundrechtlich begründet und i m Rechtsschrifttum und i n der Rechtsprechung anerkannt zusammengestellt hat 8 6 , daß es ganz überwiegend doch die schrankenziehende und eingriffsabwehrende Wirkung der Grundrechte ist, die i n den vermeintlich anspruchshaltigen Falltypen zur Geltung kommt. Da w i r d vom Subventionsanspruch bei stetiger und gleichmäßiger Subventionspraxis gehandelt, vom Anspruch auf Erteilung vorbehaltener bzw. vorenthaltener Genehmigungen, vom Anspruch auf Abwehr von Genehmigungen, die einem anderen erteilt worden sind oder erteilt werden sollen, vom Subventionsabwehranspruch des Konkurrenten und vom Anspruch auf Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen 8 7 . Doch Breuer selbst räumt ein, daß es hier entweder der Verstoß gegen den Gleichheitssatz (verweigerte Subvention, verweigerte Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen) oder die Untersagung (vorenthaltene Genehmigung) oder Beeinträchtigung (einem anderen erteilte Genehmigung, einem anderen gewährte Subvention) eines Freiheitsgebrauchs sind, die der Bürger nicht hinzunehmen hat. Wenn der Baugrund knapp und die Baufreiheit reglementiert wird, dann muß eben das Reglement, soweit möglich, die Freiheit schonen und die Gleichheit wahren. Wenn der Staat die Wirtschaft fördert und dabei nur über knappe Mittel verfügt, dann müssen diese gleichmäßig und unter möglichst geringem Eingriff i n die Positionen der Wettbewerber verteilt werden. I n diesem Sinn können auch die Probleme der Studienplatzvergabe, der Rundfunkorganisation und jedenfalls teilweise der Hochschulorganisation 88 86 Breuer, Festgabe Bundesverwaltungsgericht, S. 89 ff. Vgl. auch Starck (Anm. 44), S. 516 ff. 87 Zu weiteren von Breuer behandelten Anspruchstypen am Ende dieses Abschnitts. 88 Vgl. auch zur Studienplatzvergabe und zur Hochschulorganisation Breuer (Anm. 86), S. 112 ff., zur Rundfunk- und zur Hochschulorganisation Starck (Anm. 44), S. 488 ff., 499 ff.

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aufgeschlüsselt werden. Bei der Studienplatzvergabe geht es u m die Knappheit der Studienplätze, bei der Rundfunkorganisation um die der Sendefrequenzen und bei der Hochschulorganisation teilweise um die der Forschungsmöglichkeiten. Jedesmal aber geht es u m eine Organisation, die gewährleistet, daß i n die grundrechtliche Freiheit (Art. 12 Abs. 1, A r t . 5 Abs. 1 bzw. A r t . 5 Abs. 3 GG) nicht mehr eingegriffen wird, als nötig. Dabei w i r d der Eingriff dadurch gewissermaßen abgefedert, daß der einzelne immerhin nach objektiven Auswahlkriterien (Studienplatz), über die Repräsentanz der gesellschaftlichen Kräfte (Rundfunk) oder i n Kooperation m i t den anderen Betroffenen (Hochschule) einen Einfluß auf die Verteilung des knappen Guts erhält. Auch bei der Forderung nach Einräumung von Verfahrensteilhabe kann i n der Kategorie des Eingriffs der grundrechtliche Ausgangspunkt gewonnen werden. Der Bürger muß dann bzw. darum an einer Entscheidung beteiligt werden, wenn bzw. w e i l die Entscheidung Eingriffe in seine Grundrechte zur Folge haben kann und diese Eingriffe, falls sie eintreten, irreversibel sind. Redeker hat diesen Gedanken, allerdings weniger auf die Irreversibilität der Entscheidungsfolgen und mehr auf die Unvollständigkeit der gerichtlichen Kontrolle abstellend, anläßlich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Errichtung eines Kernkraftwerks 8 9 vorgetragen 90 . Auch hier ist wieder der Gesichtspunkt der Knappheit i m Spiel: Die dichte Besiedelung und der knappe Boden lassen nicht zu, daß die nötige Energie gewonnen wird, ohne daß Leben und Gesundheit gefährdet werden. Die vielfältige Möglichkeit, den Gesichtspunkt der Knappheit heranzuziehen, bezeichnet, daß die gesellschaftlich verfüg- und verteilbaren Güter und Freiheiten insgesamt knapper werden. Damit ist auch der Lebensraum des einzelnen i n vielfacher Hinsicht enger geworden. Die Ablösung der bürgerlichen durch die egalitäre Gesellschaft läßt m i t der Aufhebung der Klassenschranken die einzelnen näher aneinanderrücken, härter u m dieselben Güter konkurrieren und auch stärker beim Gebrauch der Freiheit miteinander i n K o n f l i k t geraten. Die Entwicklung zum Sozialstaat, die die Ablösung begleitet und gesteuert und ein Ausgreifen staatlicher Verantwortung und staatlicher Aktivitäten mit sich gebracht hat, läßt auch i m Verhältnis zwischen dem einzelnen und dem Staat die Berührungs- und Konfliktpunkte zunehmen. Die Wachstumsgesellschaft mochte die Illusion hegen, daß wirtschaftliche Güter nahezu beliebig vermehrbar und entsprechend auch verteilbar seien. Die Konsumgesellschaft konnte Anzeichen für die Erwartung finden, der Genuß wirtschaftlicher Güter werde den K o n f l i k t grund89 90

BVerfGE 53, 30—69. Redeker, NJW 1980, S. 1594.

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5 Fundierung der Amtshilfe in der Organisationsgewalt?

rechtlicher Freiheiten hintantreten lassen. Aber diese Illusionen und Erwartungen sind spätestens m i t der ökonomischen Tendenzwende hinfällig geworden. Die Folge der gekennzeichneten Entwicklung ist, daß die Situationen, in denen Ungleichbehandlungen und Freiheitsbeeinträchtigungen drohen, zunehmen. Es sind auch Situationen, i n denen der Staat als Sozialstaat i n Erscheinung t r i t t und den Problemen der Knappheit m i t der Schaffung von Organisationen, der Einrichtung von Verfahren und der Gewährung von Leistungen steuert. Und auch i n ihnen taugen die Kategorien der Schranke, des Eingriffs und der Abwehr. I n Auseinandersetzung m i t Suhr, der für die Regelung von Organisations-, Verfahrens« und Verteilungsfragen den Vergleich m i t der Einrichtung eines Spiels erschließt 91 , w i r d dies anschaulich: Zwar gibt es eine Makroperspektive, die die Gesamtsituation des eingerichteten oder einzurichtenden Spiels und das Gesamt der Spieleröffnungen, -Verläufe und -ergebnisse ins Auge faßt. Aus dieser Perspektive kann dann ζ. B. die Boden- und Bauordnung als gerecht, der wirtschaftliche Wettbewerb als fair, die Hochschulorganisation als freiheitlich oder die Studienplatzvergabe als ausgewogen bezeichnet werden. Aus ihr scheint ein Denken i n den Kategorien der Schranke, des Eingriffs und der Abwehr nur wenig, mehr dogmatischen Ertrag hingegen die Vorstellung der Grundrechte als objektiver Normen, wertsetzender Entscheidungen oder auch institutioneller Gewährleistungen m i t daraus abzuleitenden Maximen der Organisations- und Verfahrensgestaltung zu versprechen. Aber i n einer Mikroperspektive treten die einzelnen Spieler, Spielzüge und Spielregeln i n den Blick. Dann gewinnen auch die Kategorien der Schranke, des Eingriffs und der Abwehr wieder entscheidende Bedeutung. Denn dann geht es darum, daß eine bestimmte Spielregel abgelehnt und ein einzelner Spielzug zurückgewiesen werden kann und daß der Staat, wenn er das Spiel einrichtet und seinen Verlauf steuert, wenn er eine unfaire Regel setzt, den unerlaubten Zug gelten läßt, den mogelnden Mitspieler schützt oder gar die Karten auf fragwürdige Weise mischt und verteilt, i n seine Schranken verwiesen und abgewehrt werden kann. Dabei ist das Schranken-, Eingriffs- und Abwehrdenken ein rechtstechnisch-konstruktives Denken. Es steht vielleicht nicht immer deutlich, aber jedenfalls richtig unter der Frage, nicht was Freiheit sozusagen an sich ist, sondern wie sie rechtstechnisch zu konstruieren ist. Die Meinung ist nicht, daß es die eigentliche Freiheit vor aller staat61 Vgl. Suhr, Entfaltung der Menschen durch die Menschen, S. 129 ff., und dazu Schlink, Staat 18 (1979), S. 617 f.

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liehen Sozialgestaltung oder womöglich gar vor aller Vergesellschaftung gebe, gewissermaßen als eine abgesteckte, schrankenumzäumte, abwehrbereite Sphäre, aus der die anderen, die Gesellschaft und der Staat draußenbleiben. Natürlich lebt Freiheit nur i n gesellschaftlichen Zusammenhängen und dank staatlicher Vorkehrungen. Aber gerade w e i l sie i n den vergesellschafteten, staatlich unterfangenen und ausgestalteten Situationen lebt, hat auch i n diesen Situationen die Frage ihr Recht, ob eine bestimmte staatliche Maßnahme einen abzuwehrenden Eingriff, eine Freiheitsbeeinträchtigung oder eine Ungleichbehandlung darstellt. Die Schranke, die dem Staat dabei gezogen ist, scheidet keine verdinglichten Sphären, sondern errichtet für den Staat die A n forderung, daß er seine Maßnahmen an den Grundrechten ausweisen können muß, unter dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insbesondere als geeignete und notwendige Mittel zur Erreichung legitimer Zwecke 92 . Wenn die schrankenziehende und eingriffsabwehrende Bedeutung der Grundrechte auch bei Organisations-, Verfahrens- und Verteilungsproblemen zur Geltung kommt, so mag dabei i m Sinn einer Redeweise auch von den Grundrechten als Verfahrens- oder Leistungsrechten gesprochen werden. Aber es bleibt dies eben insofern eine bloße Redeweise, als die leistungs- und verfahrensrechtlichen Wirkungen der Grundrechte von der Möglichkeit abhängen, daß sie rechtstechnischkonstruktiv über die Kategorie von Schranke, Eingriff und Abwehr entwickelt werden 9 3 . Diese Möglichkeit ist bei einigen i m Rechtsschrifttum und i n der Rechtsprechung erörterten, ebenfalls von Breuer 94 zusammengestellten Anspruchstypen nicht gegeben. Die These ist nun 92 Von einer vor,staatlichen Freiheit, die durch die Schranke gesichert wird, kann also nicht i m Sinn einer Sphäre die Rede sein, in der einzelne ursprünglich und am besten ohne Staat lebt. Vorstaatlich -ist aber an der Freiheit stets, daß ihr Gebrauch gegenüber dem Staat nicht gerechtfertigt werden muß. Der Staat hingegen muß seine Eingriffe rechtfertigen. Diese ungleiche Verteilung von Rechtfertigungslasten ist die eigentliche Pointe des sogenannten rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips. Wenn es die Freiheit als prinzipiell unbegrenzt und die Eingriffsbefugnisse als prinzipiell begrenzt ansetzt, dann bezeichnet dies den Umstand, daß der Freiheitsgebrauch prinzipiell nicht gerechtfertigt werden muß, daß dagegen seine Einschränkungen gerechtfertigt werden müssen, und daß dabei die Rechtfertigungsmöglichkeiten begrenzt sind, unter Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte etwa auch durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 93 Dasselbe gilt für ein institutionelles Grundrechtsverständnis. Bei ihm ist ebenfalls zwischen der Einsicht in die tatsächliche Prägung einer Institution durch die in ihr wirksamen subjektiven Rechte und der rechtlichen Abdeckung ihres objektiven Bestandes zu unterscheiden. Aus den subjektiven Rechten können über die Kategorien von Schranke, Eingriff, Abwehr und Verhältnismäßigkeit rechtskonstruktiv eine Reihe von Anforderungen an die Institution entwickelt werden, kann aber nicht eine bestimmte Gestalt der Institution insgesamt abgeleitet werden. 94 Breuer (Anm. 86).

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allerdings, daß es für diese Anspruchstypen eine grundrechtliche Begründung i n Wahrheit auch nicht geben kann. Das gilt etwa für den Anspruch der Privatschulen auf Subventionierung. Es w i r d argumentiert, die Privatschulfreiheit könne ohne Subventionierung von niemandem mehr wahrgenommen werden. Werde aber die Ausübung eines Grundrechts derart notleidend, daß nicht nur einzelne Personen oder Unternehmen, sondern niemand mehr zu ihr imstande ist, so greife ein Anspruch auf Subventionierung zur Sicherung des Grundrechts ein 9 5 . N u n mag eine Privatschule ohne Subventionierung wirtschaftlich notleidend werden und auf Stiftungen und Spenden angewiesen sein. Aber warum die Ausübung eines Grundrechts sich wirtschaftlich selbst tragen müsse, ist nicht einzusehen 96 . Vor allem läßt die Argumentation zwar den Grund erkennen, aber die Begründung dafür vermissen, warum sie statt auf den individuellen auf die kollektiven Grundrechtsträger abstellt. Jedem einzelnen zu helfen, dessen Grundrechtsausübung wirtschaftlich notleidend wird, würde schlicht zu weit gehen. Aber jedem einzelnen sind die Grundrechte eingeräumt, u n d wenn der eine von seinem Grundrecht keinen Gebrauch mehr machen kann, dann nützt i h m nicht, daß ein anderer es noch kann 9 7 . Auch für den Anspruch von Studenten auf Schutzmaßnahmen gegen Störungen des Hochschulbetriebs 9 8 kann es eine grundrechtliche Begründimg nicht geben. Zwar darf der Staat durch Einstellung der Vorlesungen, Nichtvergabe von Scheinen und Absetzung von Prüfungen erst dann i n die Ausbildungsfreiheit eingreifen, wenn er den Hochschulbetrieb durch Schutzmaßnahmen nicht mehr aufrechterhalten kann. Solange er aber nicht derart eingreift, besteht auf den von anderen Studenten ungestörten Vorlesungsbesuch ebensowenig ein Anspruch, wie es auch sonst keinen Anspruch auf eine von anderen Bürgern ungestörte Grundrechtsausübung gibt. 95 Breuer, ebd. S. 98 ff.; ähnlich Starck (Anm. 44), S.525f.; Sendler, D Ö V 1978, S. 582 ff. 96 Bei anderen Grundrechten wäre dies eine offensichtlich befremdliche Vorstellung. — Daß es ohne Subventionierung keine Privatschulen mehr geben werde, wird einfach behauptet und ist ganz unwahrscheinlich. Es gäbe dann eben die Privatschulen auf der Basis von Stiftungen und Spenden. 97 Die Argumentation kann ihre Funktion, etablierte Positionen zu privilegieren, nicht verhüllen. Sie w ü l nicht jedem einzelnen helfen, kann aber den Subventionsanspruch nur den einzelnen zusprechen. Nicht die notleidende Grundrechtsausübung wird subventioniert, sondern der notleidende Grundrechtsträger. Welcher Grundrechtsträger in den Genuß der Subvention kommen soll, wird von der Argumentation daran orientiert, ob es um die Kosten der Erhaltung oder die Kosten der Errichtung einer Privatschule geht. Wer also schon eine Privatschule hat und nur noch erhalten muß, soll die Subvention bekommen, nicht hingegen, wer noch keine Privatschule hat, sondern sie erst errichten muß. 98 Vgl. auch dazu Breuer (Anm. 84), S. 105.

5.3 Grenzen der Organisationsgewalt als Grenzen der Amtshilfe

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Die Beispiele ließen sich fortführen". Wie schon bisher die K r i t i k nicht dem Umstand gilt, daß der Staat den Privatschulen Subventionen gewährt und den Hochschulbetrieb durch Schutzmaßnahmen sichert, würde sie auch i m weiteren nicht den staatlichen Maßnahmen, sondern ihrer grundrechtlichen Überhöhung, ihrer verfassungsrechtlichen Verfestigung gelten. Gewiß ist gerade da, wo es wie bei der Privatschulsubventionierung u m politisch akzeptierte Privilegien und bei der Ordnung i n der Hochschule u m tagespolitische Signale geht, das Bedürfnis nach verfassungsrechtlicher Überhöhimg verständlich. Sollen die verfassungsrechtlichen Überhöhungen politischer Vorstellungen aber nicht gewissermaßen inflationär werden, muß ihre Möglichkeit begrenzt werden. Institutionelles und wertemphatisches Grundrechtsdenken sowie die Ausdeutung der Grundrechte als Leistungs- und Verfahrensrechte erlaubt methodisch die nahezu beliebige verfassungsrechtliche Überhöhung von politischen Vorstellungen. Demgegenüber erweist sich das Schranken-, Eingriffs- und Abwehrdenken für die Organisations-, Verfahrens- und Verteilungsprobleme zwar keineswegs als blind, es erlaubt i n der Bindung an die rechtstechnisch-konstruktiven Kategorien der Schranke, des Eingriffs u n d der Abwehr aber doch die Ziehung einer klaren Grenze, jenseits deren das Politische dann auch wirklich freigesetzt ist. Es sei noch einmal betont: Ein gutes Stück weit ist die Frontstellung zwischen dem Schranken-, Eingriffs- und Abwehrdenken und dem sich von i h m absetzenden Verfahrens- und leistungsrechtlichen Grundrechtsverständnis müßig. Sie lebt von Mißverständnissen, besonders dem, das Schranken-, Eingriffs- und Abwehrdenken sei auf dem Stand stehengeblieben, auf den die Staatsrechtslehre es i m Spätkonstitutionalismus gebracht und auf dem sie es unter der Weimarer Reichsverfassung weithin belassen h a t 1 0 0 . Es w i r d geradezu karikiert, wenn es interpretiert wird, als gewinne es den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten Eingriffsermächtigungen für inhaltlich beliebige Gesetze a b 1 0 1 . Bei Bindung an die Grundrechte steht der eingreifende Gesetzgeber unter in99 Vgl. zur Kritik einer grundrechtlichen Verankerung hochschulorganisatorischer Wünsche Schlink, Staat 10 (1971), S. 244 ff.; ders., D Ö V 1973, S. 541 ff. — Sogar beim Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums ist die verfassungsrechtliche Begründung fragwürdig. Dies einfach schon deswegen, weil ein entsprechender verfassungsrechtlicher Anspruch funktionslos ist. Solange der Staat ein soziales Netz gespannt hält, ist das Problem eines einzelnen, der durch die Maschen hindurchfällt, stets ein Problem des Gleichheitssatzes. Daß der Staat das soziale Netz wegzieht, ist nur schwer und allenfalls dann denkbar, wenn die Leistungskraft der Gesellschaft und ihrer Wirtschaft in apokalyptischen Dimensionen verfällt. Dann aber geht ein A n spruch auf Sicherung des Existenzminimums ohnehin ins Leere. 100 Vgl. Krebs (Anm. 41), S. 66 ff. 101 Ebd.

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haltlichen, bei verschiedenen Grundrechten durchaus verschiedenen A n forderungen der Verfolgung legitimer Zwecke und des Einsatzes geeigneter und notwendiger Mittel, und unter diesen Verhältnismäßigkeitsanforderungen und dem Gleichheitsgebot werden auch Verfahrensgestaltungen und Leistungsgewährungen des Gesetzgebers oft Gegenstand grundrechtlicher Überprüfung. 5.3.4 Wenn hier die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte als Eingriffsvorbehalte verstanden werden und wenn die Organisationsgewalt der Exekutive und die exekutive Amtshilfepraxis nur unter diesen Eingriffsvorbehalt gestellt werden, dann bedeutet dies keine Rückkehr zu spätkonstitutionellen Positionen. Ein die Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte realisierendes Eingriffs- und Schrankendenken muß aus den exekutiver Organisationsgewalt überlassenen Gegenständen, wie sie oben aufgeführt w u r d e n 1 0 2 , vor allem einen zentralen Komplex herausbrechen. Als Gegenstände der Organisationsgewalt werden überliefert „die Bestimmung des sachlichen Aufgabenkreises, d. h. der Kompetenz" und „die Zuweisung der Zuständigkeit zur Kompetenzwahrnehmung" 1 0 3 . Dabei werden unter dem Begriff der Zuständigkeit die Rechte und Pflichten des Staates gefaßt, etwa die Rechte des Eingriffs i n Freiheit und Eigentum 1 0 4 . Kraft der Organisationsgewalt sollen sie zwar nicht neu begründet, aber unter den Verwaltungseinheiten verteilt und umverteilt werden können. Aber m i t der Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte hat das Verhältnis zwischen Aufgabe und Befugnis eine Verrechtlichung erfahren, die derartige Verteilungen und Umverteilungen dem Gesetzgeber vorbehält. Die Einsicht i n diesen Gesetzesvorbehalt w i r d durch begriffliche Unklarheiten verstellt. Die Begriffe der Kompetenz und der Zuständigkeit werden oft unscharf und uneinheitlich verwendet. Selbst Hans Julius Wolff tut sich m i t der Abgrenzung der beiden Begriffe schwer: Während er m i t dem Begriff der Zuständigkeit die Bezogenheit eines Gegenstandes auf ein Subjekt bezeichnet und unter dem Gegenstand sowohl die Aufgabe als auch die Arten und Formen ihrer Erfüllung versteht, bezieht er den Begriff der Kompetenz mal mehr auf den Gegenstand insgesamt, mal mehr auf die Aufgabe und mal auch mehr auf die Arten und Formen der Aufgabenerfüllung 1 0 5 . Dem Kompetenzbegriff, der meist gleichbedeutend m i t dem Zuständigkeitsbegriff gebraucht wird, steckt er den eigenen Bereich eher tastend und unsicher m 103 104 105

Siehe oben Abschnitt 5.1.1 am Anfang. Böckenförde (Anm. 2), S. 47. Ebd. Wolff! Bachof, Verwaltungsrecht I I , S. 14 f.

5.3 Grenzen der Organisationsgewalt als Grenzen der Amtshilfe

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ab. Dabei ist die erste Unterscheidung zwischen Zuständigkeit als der Bezogenheit eines Gegenstandes auf ein Subjekt und Kompetenz als diesem Gegenstand selbst insofern durchaus zutreffend, als sie den entscheidenden, auch begrifflich festzuhaltenden Unterschied ausdrückt. Der Gegenstand besteht allerdings nicht nur aus der Aufgabe, sondern auch aus den Befugnissen, die zur Erfüllung dieser Aufgabe dienen. Es geht also auf der einen Seite materiell um den Zusammenhang und Bezug zwischen Aufgabe und Befugnis, auf der anderen organisatorisch um die Bezogenheit dieses durch Aufgabe und Befugnis konstituierten Gegenstandes auf sein Subjekt, das die Aufgabe zu erfüllen und die Befugnis einzusetzen hat; jener Seite ist der Begriff der Kompetenz zuzuordnen, dieser der der Zuständigkeit. Die Schaffung von Kompetenzen i n diesem Sinn ist i m Eingriffsbereich Sache des Gesetzgebers. Er hat Aufgaben und Befugnisse m i t einander zusammenhängend u n d aufeinander bezogen zu normieren. Der Grund hierfür wurde oben schon ausgeführt. Der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt ist unter der Bedingung der Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte zum Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes geworden. Unter i h m muß das grundrechtsmäßige Gesetz eine stimmige Zweck-Mittel-Struktur aufweisen und Befugnisse i m Hinblick auf Aufgaben und nach ihrer Maßgabe normieren. Unter i h m sind zwar Aufgaben ohne Befugnisse möglich; sie können m i t M i t t e l n ohne Eingriffsqualität verfolgt werden. Nicht möglich sind dagegen Befugnisse ohne Aufgaben, denen sie zugeordnet sind, Befugnisse gewissermaßen zur freien Verfügung. I m Eingriffsbereich stehen also nicht nur Befugnisse, sondern Aufgaben-Befugnis-Zusammenhänge unter dem Vorbehalt des Gesetzes. Die Verwaltung würde diese notwendig gesetzlichen Zusammenhänge zerreißen und andere an ihre Stelle setzen, wenn sie selbst die Befugnisse verteilen und umverteilen würde, wenn sie das täte, was i n dem hier korrigierten Sprachgebrauch die „Zuweisung der Zuständigkeit zur Kompetenzwahrnehmung" ist. Auch die i n demselben Sprachgebrauch sogenannte „Bestimmung des sachlichen Aufgabenkreises, d. h. der Kompetenz" ist der Verwaltung verwehrt, soweit sie nur die statt bei der Befugnis bei der Aufgabe ansetzende Zerstörung des notwendigen gesetzlichen Aufgabe-Befugnis-Zusammenhangs ist. Lediglich auf Grund einer gesetzlichen Delegation kann die Verwaltung Befugnisse verteilen und umverteilen, d. h. für Aufgaben einsetzen, für die sie nicht normiert sind. Auch diese Delegation unterliegt allerdings dem Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes. Die gesetzliche Schaffung des exekutiven Rechts, Befugnisse für Aufgaben einzusetzen, für

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5 Fundierung der Amtshilfe in der Organisationsgewalt?

die sie nicht normiert sind, ist nur dann zulässig, wenn nachgewiesen werden kann, daß sie geeignet und notwendig zur Erreichung eines legitimen Zwecks ist. Aus der Organisationsgewalt herausgebrochen und dem Gesetzesvorbehalt unterstellt ist damit genau das, was als Grundlage für die Amtshilfe i n Betracht kam. Eine gesetzesunabhängige exekutive Amtshilfepraxis ist i m grundrechtlichen Eingriffsbereich aus der Organisationsgewalt nicht zu begründen. Anders steht es i m Leistungsbereich und i m Bereich verwaltungsinterner räumlicher, sachlicher und personeller Hilfeleistungen. Sie unterfallen der Organisationsgewalt der Exekutive und lediglich einem Zugriffsrecht des Gesetzgebers.

Zweiter

Teil

Verfassungs- u n d verwaltungsrechtliche Ausformungen 6 Verfassungsrechtliche Vorgaben für die einfachrechtliche Behandlung der Amtehilfe 6.1 Bisherige Ergebnisse und begriffliche Klärungen Der Blick auf die Entstehung des A r t . 35 Abs. 1 GG und auf die Tradition der A r t . 7 Ziff. 3 WRV und 4 Ziff. 11 R V bzw. NBV, die Verfolgung der Entwicklung der Amtshilfe i n Rechtsprechung und Rechtsschriftt u m und schließlich und ausgiebig die Untersuchung der Begründung der Amtshilfe aus der Einheit der Staatsgewalt, aus dem Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis u n d aus der Organisationsgewalt haben den Boden bereitet, auf dem die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die gesetzliche, rechtsdogmatische und rechtspraktische Behandlung der Amtshilfe unter dem Grundgesetz entfaltet werden können. M i t diesem Gegenstand ist der folgende Abschnitt gewissermaßen das Scharnier zwischen den vorausgegangenen, stark historisch und verfassungstheoretisch geprägten u n d den nachfolgenden, ganz verfassungs- und verwaltungsrechtsdogmatisch ausgerichteten Abschnitten. Immer wieder kann er auf schon gewonnene Ergebnisse und auf deren schon geleistete Herleitung und Belegung zurückgreifen. Damit gerät er zuweilen apodiktischer als die anderen Abschnitte. Zuweilen gerät er auch abstrakter; für die nötige Konkretheit verweist er auf die spätere Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgabe i n die Interpretation des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des Datenschutzgesetzes sowie i n die Behandlung der Amtshilfe i n den Bereichen der Sicherheits- und der Sozialverwaltung. Vielleicht mag ein anderes, die Verfassungstheorie m i t der Verfassungsrechtsdogmatik und diese m i t den Regelungen und der Dogmatik des Verwaltungsrechts von Anfang an und durchgängig integrierendes Vorgehen vorzugswürdig erscheinen, wissenschaftsstrategisch geschlossener und wissenschaftsästhetisch befriedigender. Den Vorzug verdient dieses andere Vorgehen gewiß bei den Problemen, bei denen die Zusammengehörigkeit der verfassungsund verwaltungsrechtlichen Aspekte schon selbstverständlich ist. Bei 10 S chi ink

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6 Verfassungsrechtliche Vorgaben der Amtshilfe

der Amtshilfe ist dies aber erst das Ziel. Noch liegt die Amtshilfe i m Windschatten des Verfassungsrechts und w i r d juristisch behandelt, als bleibe tatsächlich das Verwaltungsrecht bestehen, während das Verfassungsrecht vergeht. Noch sind die verfassungsrechtlichen Problemund Problemlösungsaspekte der Amtshilfe unaufgearbeitet. Diese A u f arbeitung muß erst erfolgen, und sie kann nur schrittweise vonstattengehen. Zweierlei stand zu A r t . 35 Abs. 1 GG fest. Zum einen der bundesstaatsbezogene Regelungsgehalt dieser Verfassungsbestimmung. Die Hilfeleistung, die von einer Landesbehörde einer anderen Behörde desselben Landes zu erbringen ist, kann auch eine Behörde des Bundes oder eines anderen Landes verlangen; die Hilfeleistung, die von einer Bundesbehörde einer anderen Bundesbehörde zu erbringen ist, kann auch eine Landesbehörde fordern 1 . Zum anderen stand fest, daß A r t . 35 Abs. 1 GG nicht regelt, welche Hilfeleistungen innerhalb eines Landes und innerhalb des Bundes zuleisten sind. Der Begriff der Amtshilfe, den das Grundgesetz vorgefunden und aufgenommen hat, ist lediglich ein Problem- und Verweisbegriff; er bezeichnet das Problem, wann kompetenz- und Zuständigkeitsüberschreitende behördliche Hilfe gefordert werden darf bzw. geleistet werden muß, und er verweist für die Lösung des Problems auf die Verfassungsordnung 2 . Insofern hat die Verfassungsbestimmimg des A r t . 35 Abs. 1 GG einen offenen Regelungsgehalt; sie erlaubt und fordert eine Amtshilfe, die i n Inhalt und Umfang von der übrigen Verfassungsordnung abhängt. Zur Herstellung und Vereinbarkeit einer weitreichenden gesetzesunabhängigen Amtshilfe m i t der Verfassungsordnung werden drei Argumente tradiert, die Einheit der (Staatsgewalt, der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis und die Organisationsgewalt. Die schon vor dem Grundgesetz problematische Tradition dieser Argumente ist jedoch, wie gezeigt wurde, unter dem Grundgesetz gebrochen. Der Grund hierfür ist vor allem die verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte, sanktioniert durch die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Gesetze auf ihre Grundrechtsgemäßheit. Bindung und Kontrolle müssen beim Gesetz wie bei jedem Staatshandeln an dessen zweckgerichtete und mitteleinsetzende Struktur anknüpfen, an die Funktion des Gesetzes als eines Mittels zur Erreichung eines Zwecks, an die Bedeutung der gesetzlichen Befugnisse für die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben. Die grundrechtseingreifenden Befugnisse müssen geeignet und notwendig zur Verwirklichung verfassungslegitimer Auf1 2

Siehe oben Abschnitt 2.1. Siehe oben Abschnitte 2.2.4 und 2.3.1.

6.1 Bisherige Ergebnisse und begriffliche Klärungen

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gaben sein; hieran ist der Gesetzgeber gebunden und hierauf w i r d er vom Bundesverfassungsgericht kontrolliert. Dadurch, daß das Grundgesetz diese Bindung und Kontrolle des Gesetzgebers statuiert, verbietet es der Verwaltung, die Zuordnung von Aufgabe und Eingriffsbefugnis i m Schluß von jener auf diese selbst herzustellen 3 . Es beschränkt dadurch auch die Organisationsgewalt der Verwaltung; diese ist auf die vom Gesetzgeber getroffenen Aufgaben-Befugnis-Zuordnungen verpflichtet und muß sie bei der Begründung und Veränderung von Zuständigkeiten intakt lassen 4 . Außer dieser knappen Rekapitulation bisheriger Ergebnisse sollen zur Vorbereitung der folgenden Überlegungen noch deren begriffliche Elemente durchschritten werden. Bei den Handlungen, die als Gegenstand der Amtshilfe erörtert werden, handelt es sich u m den Einsatz von Befugnissen zu Eingriffen i n Freiheiten des Bürgers, u m das Erbringen von Leistungen an den Bürger und u m den Gebrauch von personellen, räumlichen und sächlichen M i t t e l n der Verwaltung, wobei der Bürger weder als Eingriffs- noch als Leistungsadressat beteiligt ist 5 . Werden die Handlungen zum Gegenstand der Amtshilfe (Eingriffs-, Leistungs- und Innenamtshilfe), dann werden Zuständigkeitsgrenzen überspielt. Denn die Zuweisung einer Aufgabe m i t der Berechtigung und Verpflichtung, zur Erfüllung der Aufgabe bestimmte Handlungen vorzunehmen, begründet die Zuständigkeit 6 . Durch die Amtshilfe werden die Grenzen sowohl der sachlichen als auch der örtlichen Zuständigkeit überwunden. Der sachlichen, wenn der ersuchenden und der ersuchten Behörde verschiedene Aufgaben und/oder zu deren Erfüllung verschiedene Handlungsrechte und -pflichten zugewiesen sind, der örtlichen, wenn bei beiden Behörden für verschiedene örtliche Bereiche die gleiche Zuweisung stattgefunden hat. Von der Zuständigkeit als dem Zugewiesensein eines Komplexes von Aufgaben und Handlungsrechten und -pflichten wurde oben die Kompetenz als der Komplex selbst unterschieden 7 . Sowohl die Begründung von Zuständigkeiten als auch die Schaffung von Kompetenzen kann gesetzlich geschehen. Oft geschieht beides zusammen und w i r d m i t der Schaffung einer Kompetenz die Zuständigkeit einer Verwaltungseinheit zur Wahrnehmung der Kompetenz begründet. Oft gibt es aber auch den anderen Fall, daß 3

Siehe oben Abschnitt 4.3. Siehe oben Abschnitt 5.3.4. 5 Zu den Handlungen, bei denen Gegenstand der Amtshilfe die Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung von Informationen ist, siehe unten Abschnitt 6.2.4 und eingehend Abschnitt 7. 6 Siehe oben Abschnitt 5.3.4 mit dem Verweis auf Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I I , S. 14 f. 7 Ebd. 4

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der Gesetzgeber Kompetenzen schafft und es der Entscheidung der Verwaltung oder dem Handeln eines anderen oder späteren Gesetzgebers überläßt, welche Verwaltungseinheit zur Wahrnehmung der Kompetenzen zuständig sein soll 8 . Jeweils zerfallen die gesetzlichen Regelungen i n die zwei Kategorien der Speziai- und der Querschnittsgesetze. Als den Kompetenzen geltende Spezialgesetze regeln sie einen speziellen Komplex von Aufgaben und Handlungsrechten und -pflichten, etwa einen bestimmten Aufgaben-Befugnis-Zusammenhang; als den Kompetenzen geltende Querschnittsgesetze regeln sie Aspekte der Aufgabenwahrnehmung, die mehrere Komplexe übergreifen, etwa ein Verfahren, das i n verschiedenen Zusammenhängen zu beachten ist. Wenn die Amtshilfe Kompetenzgrenzen überschreitet oder, genauer, i n der Zuordnung von Aufgaben der ersuchenden und Handlungsrechten der ersuchten Behörde eine neue Kompetenz konstituiert und wenn dabei die Frage zu stellen ist, ob die Amtshilfe der gesetzlichen Regelung bedarf, dann ist die Frage differenziert dahin zu stellen, ob eine spezialoder eine querschnittsgesetzliche Regelung notwendig bzw. ausreichend ist. Ebenso ist bei der Überschreitung von Zuständigkeitsgrenzen zwischen einer speziai- und einer querschnittsgesetzlichen Regelung der Amtshilfe zu unterscheiden. Diese statuiert, daß unter allgemein umschriebenen Voraussetzungen von beliebigen Behörden Amtshilfe gefordert werden kann und geleistet werden muß, jene regelt die Amtshilfe für bestimmte Behörden unter konkret bestimmten Voraussetzungen.

8 Diese beiden Typen der Kompetenzschaffung mit und ohne Zuständigkeitsbegründung werden hier in einer Reinheit einander gegenübergestellt, die ihnen in der Wirklichkeit nicht eignet. Keine Kompetenzschaffung kommt völlig ohne Zuständigkeitsbegründung vor und aus, sei es nur, daß die Kompetenz ganz allgemein der Verwaltung oder der Justiz zustehen soll. Die Gewaltenunterscheidung bedeutet eine erste, freilich grobe Zuständigkeitsverteilung. Erst danach kommt die Unterscheidung der beiden Typen zu ihrem Recht. Anschauungsmaterial hat sie i m Polizeirecht. Während das Preußische Polizeiverwaltungsgesetz (Gesetzsammlung 1931, S. 77) die polizeilichen Kompetenzen gleich bei bestimmten Behörden begründet hat, hat die Landesverwaltungsordnung für Thüringen (Gesetzsammlung 1926, S. 177) die polizeilichen Kompetenzen der Verwaltung insgesamt zugewiesen, die sie nach Maßgabe der allgemeinen Zuständigkeitsordnung wahrnehmen sollte. Daß auch diese allgemeine Zuständigkeitsordnung in der nämlichen Landesverwaltungsordnung geregelt wird, hebt den Unterschied nicht auf. — Es sei angemerkt, daß die Unterscheidung der beiden Typen und die Unterscheidung zwischen materiellem und formellem Polizeibegriff nicht einfach ineinander überführt werden können. Es ist nicht etwa die Kompetenzfrage eine Frage des materiellen und die Zuständigkeitsfrage eine des formellen Polizeibegriffs. Auch eine Polizeibehörde, die i. S. nur des formellen Polizeibegriffs tätig wird, macht von Kompetenzen Gebrauch, z. B. im Bereich der Strafverfolgung auch von Eingriffskompetenzen. Von polizeilichen Kompetenzen macht allerdings nur eine Polizeibehörde i m materiellen Sinn Gebrauch.

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6.2 Der amtshilferechtlichie Gesetzesvorbehalt 6.2.1 Gesetzlicher Regelung bedarf die Amtshilfe dann, wenn sie i m Eingriffsbereich eine neue Kompetenz konstituiert, d. h. wenn sie Eingriffsbefugnisse einer ersuchten Behörde für Aufgaben einer ersuchenden Behörde einsetzt, ohne daß eben jene Eingriffsbefugnisse für gerade diese Aufgaben gesetzlich eingeräumt wären. Denn die Einräumung von Eingriffsbefugnissen ist Sache des Gesetzgebers, und zwar die Einräumung für Aufgaben, deren Bestimmung ebenfalls Sache des Gesetzgebers ist. Aus den Grundrechten und aus der Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte folgt, daß i m Eingriffsbereich die amtshilfemäßige wie jede Zuordnung von Befugnissen und Aufgaben und damit die Schaffung von Kompetenzen nur auf gesetzlicher Grundlage erfolgen kann. Dabei muß es sich u m ein Spezialgesetz handeln, denn Pflicht des Gesetzgebers ist i m Eingriffsbereich die Schaffung bestimmter Kompetenzen, d.h. die Zuordnung bestimmter Befugnisse und bestimmter Aufgaben. Für ein solches Spezialgesetz gilt wie für jedes Gesetz i m Eingriffsbereich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er verlangt hier allerdings lediglich, daß die amtshilfemäßige Zuordnung von Eingriffsbefugnissen der einen und Aufgaben der anderen Behörde alles i n allem verhältnismäßig ist 9 . Daß der amtshilfemäßige Einsatz der Eingriffsbefugnis i m Einzelfall verhältnismäßig gerät, kann der Gesetzgeber nicht Vorsorgen und muß die Verwaltung verantworten. Anders als beim Überspielen von Kompetenzgrenzen verhält es sich i m Eingriffsbereich dann, wenn lediglich Zuständigkeitsgrenzen überspielt werden. Denn die Grundrechte und die Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte gebieten nicht, daß die Ordnung von Zuständigkeiten i m Eingriffsbereich durch den Gesetzgeber erfolgt. Hat der Gesetzgeber hier eine Kompetenz geschaffen, für deren Wahrnehmung verschiedene Behörden i n Betracht kommen, dann kann die Verwaltung entscheiden, welcher der verschiedenen Behörden die Kompetenz zustehen soll. Weist sie die Kompetenz mehreren Behörden zu, teilt sie die Kompetenz sachlich und/oder örtlich zwischen mehreren Behörden auf, dann kann sie auch anordnen, daß die mehreren Behörden zur Wahrnehmung der Kompetenz amtshilfemäßig zusammenarbeiten. 9 Der Gesetzgeber muß lediglich nachweisen können, daß der Einsatz der Eingriffsbefugnis für die Erfüllung der Aufgabe notwendig werden kann oder, mit anderen Worten, daß die vorsorgliche Bereithaltung des Einsatzes für den möglichen Fall einer Aufgabengefährdung notwendig ist. Vgl. zu den Differenzierungen der Anforderung an die Geeignetheit und Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung schon oben Absnitt 4.3.

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6 Verfassungsrechtliche Vorgaben der Amtshilfe

Tatsächlich ist jedoch die Zuständigkeitsordnung wenn auch nicht umfassend, so doch weithin und i n sowohl für die Verwaltung als auch für den Bürger empfindlichen Bereichen gesetzlich geregelt. Dies gilt nicht nur für diejenigen Länder, i n denen die Zuständigkeitsordnung oder eine Zuständigkeitsteilordnung unter Gesetzesvorbehalt stehen 10 , sondern auch für die anderen Länder und für den Bund. Dabei werden auch die institutionellen Gesetzesvorbehalte wirksam, die das Grundgesetz besonders i m 8. Abschnitt zur Sicherung der föderativen Ordnung enthält 1 1 . Insgesamt ist also praktisch von einer weitgehenden gesetzlichen Regelung der Zuständigkeitsordnung auszugehen. Wo die Zuständigkeiten gesetzlich geregelt sind, da können sie auch nur gesetzlich verändert werden 1 2 . Das Überspielen von Zuständigkeitsgrenzen durch die Amtshilfe ist eine Veränderung von Zuständigkeiten, selbst wenn es nicht regelmäßig, sondern nur ausnahmsweise stattfindet. Gesetzlich geschaffene Zuständigkeitsgrenzen können daher nur durch eine gesetzlich geregelte Amtshilfe überspielt werden. Aber anders als oben ist hier nicht ein Spezialgesetz notwendig. Ausreichend ist hier ein Querschnittsgesetz. Oben waren es die Grundrechte, die eine spezialgesetzliche Regelung jeder u n d darum auch der amtshilfemäßigen Zuordnung von Aufgaben und Eingriffsbefugnissen verlangten. Hier, wo es nicht u m Kompetenzen, sondern u m Zuständigkeiten geht, wo die gesetzliche Aufgabe-Befugnis-Zuordnungen gewahrt bleiben und damit die Grundrechte nicht weiter berührt werden, ist nur überhaupt ein Gesetz erforderlich. Zwar kann der Gesetzgeber eine spezialgesetzliche Regelung der Amtshilfe treffen, aber er muß nur eine querschnittsgesetzliche schaffen. Die bisherigen Überlegungen sind i n einer Hinsicht noch zu präzisieren. Zum Überspielen von Kompetenzgrenzen wurde oben die Situation benannt, bei der die Eingriffsbefugnisse der einen, der ersuchten Behörde für die Aufgaben einer anderen, der ersuchenden Behörde eingesetzt werden. I n dieser Situation t r i f f t das Überspielen von Kompetenzgrenzen m i t einem Überspielen von Zuständigkeitsgrenzen zusammen; die Amtshilfe findet zwischen verschiedenen Behörden statt, 10 Lediglich in Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz schweigen die Landesverfassungen zur Verwaltungsorganisation. I n den übrigen Ländern steht sie unter Gesetzesvorbehalten, die allerdings von verschiedener Reichweite sind. Vgl. im einzelnen Art. 70 BadWürttVerf., Art. 77 BayVerf., Art. 51 Abs. 3 BerlVerf., Art. 57 HmbVerf., Art. 43 NdsVerf., Art. 77 NWVerf., Art. 116 SaarlVerf., Art. 38 SchlHVerf. 11 Vgl. zu ihnen, als fakultativen von notwendigen institutionellen Gesetzesvorbehalten unterschieden, Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 95 ff., 100. 12 Dies folgt heute aus Art. 20 Abs. 3 GG und war ein Grundsatz schon des konstitutionellen Staatsrechts.

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denen die verschiedenen Kompetenzen zugewiesen sind. Gibt es nun aber nicht auch die andere Situation, i n der die Überwindung von Kompetenzgrenzen nicht m i t einer Überwindung von Zuständigkeitsgrenzen zusammentrifft, weil die verschiedenen Kompetenzen einer und derselben Behörde zugewiesen sind, so daß die Veränderung der Zuordnung von Eingriffsbefugnissen und Aufgaben einen behördeninternen Vorgang darstellt, der als Amtshilfe gar nicht i n Erscheinung tritt? Wenn z. B. der unteren Verwaltungsbehörde als Wasserbehörde, als Jagdbehörde, als Gewerbebehörde, als Aufsichtsbehörde für das Feuerwehrwesen, als Aufsichtsbehörde für Vergnügungsbahnen etc. verschiedene Kompetenzen zugewiesen sind — handelt es sich bei einem hilfsweisen Überspielen dieser Kompetenzgrenzen u m Amtshilfe oder um andersgeartete Hilfsmaßnahmen, und welche Anforderungen sind an sie zu stellen? Die Frage nach den rechtlichen Anforderungen fällt leicht: Von Grundrechts wegen bedarf i m Eingriffsbereich jede Zuordnung von Befugnissen und Aufgaben der gesetzlichen Grundlage, und es kann dabei keinen Unterschied machen, ob der Vorgang der Zuordnung behördenintern oder behördenextern ist. Die andere Frage nach der Kennzeichnung als Amtshilfe oder als andersgeartete Hilfsmaßnahme ist insofern eine Frage der Konvention, als der Begriff der Behörde nicht eindeutig vorgegeben ist. Ob einfach von der einen unteren oder der einen oberen Verwaltungsbehörde zu sprechen ist oder von so vielen Behörden, wie einigermaßen verselbständigten Ä m t e r n oder Referaten eigene Kompetenzen zu eigener Zuständigkeit zugewiesen sind, ist "die Frage einer Entscheidung für einen engen oder einen weiten Behördenbegriff. Die Verwaltungsverfahrensgesetze setzen bei der Regelung der Amtshilfe voraus, daß die ersuchende und die ersuchte Behörde nicht Teil derselben Verwaltungsbehörde sind, da sie für den K o n f l i k t über die Verpflichtung zur Amtshilfe nur die Entscheidung der fachlich zuständigen Aufsichtsbehörde vorsehen und nicht auch, was sonst nahe läge, die Entscheidung des Leiters der Verwaltungsbehörde (vgl. § 5 Abs. 5 VwVfG). Ohne daß sie damit den weiten Behördenbegriff ausschließen, gehen sie doch vom engen Behördenbegriff aus. Andererseits verstehen sie unter Behörde jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG) und folgen damit einem weiten Behördenbegriff. Da die verfassungsrechtlichen Vorgaben einheitlich gelten, können sie auch einheitlich unter einem weiten Behördenbegriff bzw. unter einem entsprechend weiten Begriff der Amtshilfe ausgeformt werden. Andererseits t r i t t die Hilfe, die die Ämter oder die Referate einander leisten, nicht in dieselbe sichtbare Erscheinung und gewinnt dadurch

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nicht dieselbe praktische Bedeutung w i e die Amtshilfe zwischen Behörden des engen Behördenbegriffs. I m folgenden w i r d deshalb vor allem von Situationen gehandelt, an denen die Problematik m i t dem engen Behörden- bzw. Amtshilfebegriff hinreichend aufgearbeitet werden kann. Daß die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht dadurch unterlaufen werden können, daß verschiedene Kompetenzen einer u n d derselben Behörde (bzw. verschiedenen, bei weitem Behördenbegriff auch als Behörden zu bezeichnenden Teilen der Behörde) zugewiesen werden, muß dabei nicht immer wieder betont werden. Als Ergebnis sind für den Eingriffsbereich zwei Konstellationen festzuhalten. Zum einen die Amtshilfe, die Kompetenzgrenzen überwindet; sie setzt ein Spezialgesetz voraus. Zum anderen die Amtshilfe, die lediglich Zuständigkeitsgrenzen überspielt; sie bedarf, wenn die Zuständigkeitsgrenzen nicht gesetzlich fixiert sind, keines Gesetzes, wenn sie gesetzlich fixiert sind, eines Querschnittsgesetzes. Unter praktischem Gesichtspunkt können die beiden Konstellationen auf eine zwar nicht exakte, aber heuristische Formel gebracht werden. Sie geht davon aus, daß Kompetenz und sachliche Zuständigkeit trotz ihrer theoretischen Unterscheidbarkeit praktisch zumeist miteinander einhergehen. Das amtshilfemäßige Überspielen sachlicher Zuständigkeitsgrenzen t r i f f t dann m i t dem Überwinden von Kompetenzgrenzen zusammen. Anders verhält es sich beim amtshilfemäßigen Überspielen lediglich der örtlichen Zuständigkeitsgrenzen; wenn von zwei Behörden, die örtlich verschieden gelegen, aber m i t den gleichen Kompetenzen ausgestattet sind, die eine ihre Eingriffsbefugnisse für die Aufgaben der anderen einsetzt, dann bleibt die gesetzliche Aufgabe-Befugnis-Zuordnung intakt. Beides zusammenfassend kann die heuristische Formel für den Eingriffsbereich verlangen, daß die Amtshilfe dann, wenn sie die sachliche Zuständigkeit betrifft, durch ein Spezialgesetz zu regeln ist, wenn die örtliche Zuständigkeit, durch ein Querschnittsgesetz 13 . M i t dieser Formel schließt die Dogmatik der Amtshilfe an die der Rechtshilfe an. Durchgängig werden Recht und Pflicht zur Rechtshilfe, die das Gerichtsverfassungsgesetz statuiert, dahin verstanden, daß das ersuchende Gericht zu der ersuchten Handlung sachlich zuständig sein muß 1 4 . Das Gerichtsverfassungsgesetz überwindet die örtlichen Zustän13 Von den verschiedenen Amts hilfetypen wird hier noch nicht gehandelt. Gleichwohl mag schon hier die Frage auftauchen, ob der wichtige Typ der Vollzugs- oder Vollstreckungshilfe mit der dargelegten Systematik bzw. mit deren heuristischer Formel zusammenstimmt. Für die bejahende Antwort sei auf unten Abschnitt 8.1.2 verwiesen. 14 Albers, Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, Übersicht vor §156 GVG, Anm. 2; Kleinknecht, Strafprozeßordnung, Vorbemerkung vor §156 GVG, Randnr. 1; Schäfer, Löwe/Rosenberg, Die Straf-

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digkeitsgrenzen, aber es wahrt die sachlichen, und als Querschnittsgesetz muß es sie auch wahren. Die Überwindung der sachlichen Zuständigkeitsgrenzen bedürfte der Spezialgesetze. 6.2.2 Auch i m Leistungsbereich stößt die Amtshilfe sowohl an Kompetenz· als auch an Zuständigkeitsgrenzen. Auch hier ist die Unterscheidung von Kompetenz und Zuständigkeit von rechtstheoretischem Wert, aber sie ist hier ohne rechtsdogmatische Pointe. Dies folgt daraus, daß die Grundrechte keine Leistungs- und Teilhabe-, sondern Abwehrrechte sind. I m Bereich von Eingriff und Abwehr verlangen die Grundrechte, daß allein der Gesetzgeber Befugnisse einräumt und daß er sie bestimmten Aufgaben zuordnet. I m Bereich von Leistung und Teilhabe verlangen die Grundrechte dies nicht, vielmehr erlauben sie, daß ebenso wie der Gesetzgeber auch die Verwaltung unter Wahrung des Gleichheitssatzes Leistungen zuerkennt und Teilhaben eröffnet. Freilich bindet A r t . 20 Abs. 3 GG die Verwaltung an die Gesetze, die den Bereich von Leistung und Teilhabe weithin regeln. Wenn der Gesetzgeber Kompetenzen und Zuständigkeiten gesetzlich geregelt h a t 1 5 , dann muß er auch deren Überspielen durch die Amtshilfe gesetzlich regeln. Aber wie beim Überspielen bloß der Zuständigkeitsgrenzen i m Eingriffsbereich bleiben auch hier die Grundrechte unberührt und ist darum für das Überspielen sowohl der Kompetenz- als auch der Zuständigkeitsgrenzen nur überhaupt ein Gesetz erforderlich. Auch i m Leistungsbereich genügt daher für die Regelung der Amtshilfe ein Querschnittsgesetz. 6.2.3 I m dritten Bereich von Handlungen, die als Gegenstand der Amtshilfe i n Betracht kommen, werden personelle, räumliche und sächliche M i t t e l der Verwaltung ohne Eingriffs- und auch ohne Leistungsqualität eingesetzt. I n diesem Innenbereich ist der Bürger nicht betroffen und greifen auch die Grundrechte nicht. Sie regieren weder die Schaffung der verwaltungsintern einzusetzenden M i t t e l noch ihre allgemeine Vorhaltung für bestimmte Verwaltungszwecke noch auch ihren ausnahmsweisen Einsatz für bestimmte andere Verwaltungszwecke. Sie überlassen dies alles dem Ermessen des Gesetzgebers und der Verwaltung. Wiederum gilt die Bindung der Verwaltung an die Gesetze, soweit diese den verwaltungsinternen Gebrauch der personellen, räumprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Vorbemerkung vor § 156 GVG, Randnr. 23; Schmidt, Lehrkommentar, Vorbemerkung vor § 156, Randnr. 4. 15 Hierbei ist der Gesetzgeber, weil er unter dem Regime lediglich des Gleichheitssatzes steht, freier als bei der Regelung i m Eingriffsbereich. Sein Ermessen, was Umfang und Intensität der Regelung angeht, ist größer. Er kann auch hier strikte Aufgaben-Befugnis-Zuordnungen vornehmen, aber er muß es nicht.

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6 Verfassungsrechtliche Vorgaben der Amtshilfe

liehen und sächlichen Verwaltungsmittel regeln. Wenn Zuordnungen und Zuweisungen von Verwaltungszwecken und -mittein durch Gesetz geregelt und das heißt auch, wenn sie durch Gesetz i n unterstaatlichen Trägern öffentlicher Verwaltung juristisch personifiziert sind, dann müssen auch ihre Änderungen durch die Amtshilfe gesetzlich geregelt werden. Aber wiederum genügt hierfür ein Querschnittsgesetz, das nur überhaupt die allgemeinen Voraussetzungen enthält, unter denen von beliebigen Behörden persönliche, räumliche und sächliche Amtshilfe gefordert werden kann und geleistet werden muß. 6.2.4 Wenn bei den Anforderungen an die gesetzliche Regelung der Amtshilfe danach unterschieden wird, ob die Amtshilfe i m Eingriffs-, i m Leistungs- oder i m Innenbereich stattfindet, dann ist diese Unterscheidung der drei Amtshilfearten von derselben Unschärfe w i e die Unterscheidung der drei Bereiche selbst. Schon oben wurde ausgeführt, daß auch leistungs-, teilhabe- und verfahrensrechtliche Regelungen oft grundrechtlich m i t den Kategorien von Schranke, Eingriff, Abwehr und Verhältnismäßigkeit überprüft werden können und müssen. Die Verkürzung einer Verfahrensposition kann ebenso ein Eingriff sein wie die Versagung eines Teilhaberechts und eines Leistungsanspruchs, wenn die gesetzliche Ausgestaltung eines notwendig normgeprägten Grundrechtsbereichs entsprechende Verfahrens-, Teilhabe- und Leistungsaspekte aufweist. Zumal i n den dichten Situationen der besonderen Gewaltverhältnisse, wo die sozialen Sachverhalte nicht vom Staat vorgefunden und nur punktuell geregelt, sondern umfassend unterfangen und gestaltet werden, durchdringen Eingriff, Leistung, Verfahrensgestaltung und Innenregelung einander eng. Auch unter dem Stichwort der faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung erschließen sich Situationen, i n denen Handlungen der Verwaltung aus dem Innenbereich i n den Eingriffsbereich umschlagen 16 . Hier liegen grundrechtsdogmatische Probleme, auf die die Unterscheidung dreier Amtshilfebereiche nur verweisen kann. Die Einordnung einer konkreten Amtshilfehandlung der Verwaltung i n den Eingriffs-, Leistungs- oder Innenbereich liegt der eigentlichen amtshilferechtlichen Thematik voraus. I n demselben Sinn könnte daran gedacht werden, aus der amtshilferechtlichen Thematik auch die Einordnung der Handlungen auszublenden, bei denen Gegenstand der Amtshilfe die Erhebung, Verarbeitung und Übermittlung von Informationen ist. Umgekehrt könnte gefordert werden, hier neben dem Eingriffs-, Leistungs- und Innenbereich noch einen weiteren Bereich, den Informationsbereich anzusetzen. Gewissermaßen rechtsphänomenologisch kann er von den anderen auch deutlich 16

Vgl. hierzu unten Anm. 41.

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unterschieden werden: Die Erhebung der Informationen vom Bürger ist selten ein handfester Eingriff, sie geschieht nur selten m i t Befehl und Zwang; die Verarbeitung der Informationen vollzieht sich zumeist i m Innenraum der Verwaltung und w i r d vom Bürger weder als Eingriff noch als Leistung wahrgenommen; gleichwohl sind die informationellen M i t t e l i m Innenraum der Verwaltung von anderer Qualität als die personellen, räumlichen und sächlichen, indem ihnen regelmäßig ein Bürgerbezug eignet, der den anderen Mitteln fehlt. Auch rechtspraktisch kann der Informationsbereich von den anderen Bereichen abgesetzt werden als derjenige, i n dem die Amtshilfe heute hauptsächlich ihre Anwendung und Aktualität hat. Rechtsdogmatisch ist damit jedoch die Frage, ob hier ein eigener Bereich vorliegt, der eigenen Anforderungen unterliegt, noch nicht beantwortet. Die Tatsache des Bürgerbezugs schließt nicht aus, daß es sich um einen Teil des Innenbereichs der Verwaltung handelt, allerdings, u m einen sozial besonders relevanten und politisch besonders brisanten; es mag sich um Leistungen handeln, obwohl diese vom Bürger nicht wahrgenommen werden, oder u m Eingriffe, die eben nicht handfest, sondern verhalten i n Erscheinung treten. Rechtsdogmatisch sind diese Möglichkeiten der Einordnung auszureizen, ehe ein neuer Bereich angenommen w i r d und für diesen die alten Kategorien verworfen und neue ersonnen werden 1 7 . Dieses Ausreizen kann aus der amtshilferechtlichen Thematik nicht ausgeklammert werden. Denn es geht bei der Informationshilfe nicht u m Einordnungsprobleme eines Einzel- und Grenzfalls, sondern u m die Qualifikation einer neuartigen und noch grundsätzlich ungeklärten, zugleich praktisch ungemein bedeutsamen Gattung von Amtshilfehandlungen. Ob sie i n den Eingriffs-, Leistungs- oder Innenbereich gehört oder einen weiteren Bereich konstituiert und welchen eigenen Anforderungen dieser gegebenenfalls unterliegt, ist daher ein zentrales amtshilferechtliches Thema. Es ist freilich schwierig und eigenständig genug, u m dem nächsten Abschnitt vorbehalten zu werden. 6.2.5 I n Zusammenfassung der bisher entfalteten verfassungsrechtlichen Vorgaben für die einfachrechtliche Behandlung der Amtshilfe kann unter Aufnahme der heuristischen Formel der folgende amtshilferechtliche Gesetzesvorbehalt formuliert werden. I m Eingriffsbereich bedarf die Amtshilfe, wenn sie die sachliche Zuständigkeit betrifft, eines Spe17 Diese Forderung entspricht dem wissenschaftstheoretischen Verdikt über Ad-hoc-Hypothesen. Werden die problematischen Fälle aus dem Einzugsbereich einer Theorie ausgeklammert und als Sonderfälle in Sonderbereiche sortiert, dann wird die Theorie um ihre kritischen Anstöße — ζ. B. mag am Problem der Information der Eingriffsbegriff sich als revisionsbedürftig erweisen — und werden die problematischen Fälle um ihre Erklärung und um ihren systematischen Ort gebracht.

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zialgesetzes, wenn die örtliche Zuständigkeit, eines Querschnittsgesetzes. I m Leistungsbereich und i m Innenbereich bedarf sie, soweit die Bereiche gesetzlich geregelt sind, eines Querschnittsgesetzes, soweit sie nicht gesetzlich geregelt sind, keines Gesetzes. Dabei gilt, daß gesetzlich geregelt besonders der Leistungsbereich ist, gesetzlich nicht geregelt der Innenbereich. 6.3 Das amtshilferechtliche Ausnahmekriterium Nach den bisher entfalteten verfassungsrechtlichen Vorgaben darf bei zwei Behörden m i t verschiedenen sachlichen Zuständigkeiten ohne Spezialgesetz die Eingriffsbefugnis der einen auch dann nicht der A u f gabe der anderen dienstbar gemacht werden, wenn die Amtshilfe einer Ausnahmesituation begegnen soll. Andererseits findet sich die Kennzeichnung der Amtshilfe als „letztes M i t t e l i n einer sonst aussichtslosen Ausnahmesituation" 1 8 und löst Assoziationen an den K o n f l i k t zwischen Legalität und Legitimität i m Ausnahmezustand aus. Sollte die Amtshilfe als Notvollmacht i n der Ausnahmesituation entgegen den bisher entfalteten verfassungsrechtlichen Vorgaben und diese abmildernd der Verwaltung Durchbrechungen der Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung erlauben? Sollte das Grundgesetz, indem es i n A r t . 35 das Ausnahmerecht von Abs. 2 und 3 m i t Abs. 1 zusammengebracht hat, dies meinen? Aber das Ausnahmeargument ist noch i n einem anderen Sinn zu erörtern. Wenn nicht entgegen, sondern zusätzlich zu den bisher entfalteten verfassungsrechtlichen Vorgaben und diese verschärfend die Amtshilfe letztes Machtmittel i n einer sonst aussichtslosen Ausnahmesituation ist, dann müssen die gesetzesunabhängigen, verwaltungsautonomen Amtshilferoutinen und müssen vor allem sowohl die speziai» als auch die querschnittsgesetzlichen Regelungen der Amtshilfe derart ausgestaltet sein, daß es tatsächlich zu einem nur ausnahmsweisen und nicht regelmäßigen bloßen Überspielen und nicht A u f heben der Kompetenzen und Zuständigkeiten kommt. Auch dies könnte das Grundgesetz verlangen, indem es i n A r t . 35 Abs. 2 und 3 zusammen mit Abs. 1 regelt. Hier, wo es u m die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Amtshilfe geht, w i r d das Ausnahmeargument nur auf seine verfassungsrechtliche Qualität untersucht. Wenn es ein verfassungsrechtliches Ausnahmeargument, das die bisher entfalteten verfassungsrechtlichen Vorgaben entweder abmildert oder verschärft, nicht gibt, dann bleibt es bei den bisherigen Vorgaben und ist dem Gesetzgeber überlassen, ob er seine 18

Dreher, Die Amtshilfe, S. 25.

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diesen bisherigen Vorgaben genügenden Amtshilferegelungen auf die Ausnahmesituation zuschneidet oder nicht. Die Stellung der Amtshilfebestimmung des Art. 35 Abs. 1 GG i m Kontext von Abs. 2 und 3 ist für die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Qualität zunächst des abmildernden Ausnahmearguments relevant, obwohl die Einordnung von Abs. 2 und 3 bei A r t . 35 Abs. 1 GG weniger aus systematischen als aus politischen Gründen geschah 19 . Innerlich gehören die Bestimmungen über den Katastrophenschutz i n A r t . 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG zu den Bestimmungen für den Schutz gegen innere Unruhen i n A r t . 87a und 91 GG. Auch äußerlich sollten diese verschiedenen Bestimmungen für den inneren Notstand ursprünglich gemeinsam normiert werden 2 0 . I n A r t . 35 GG wurden die Bestimmungen für den Katastrophenschutz nur deswegen eingefügt, w e i l dieser Teil der Notstandsverfassung dadurch entpolitisiert werden sollte 2 1 . Entpolitisieren konnte die Nähe zu A r t . 35 Abs. 1 GG aber nur darum, weil diese Verfassungsbestimmung der politisch brisanten Qualität einer Ausnahme- und Notstandsregelung gerade entbehrt. Zusammen m i t A r t . 87a und A r t . 91 zeigt A r t . 35 Abs. 2 und 3 GG überdies, daß die Verfassungsordnung des Grundgesetzes das Problem der Ausnahmesituation nicht m i t generalklauselartig ermächtigten Durchbrechungen der Hechtsordnung lösen w i l l . Durchgängig, auch i n den weiteren Bestimmungen zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Art. 9, 18, 21 GG) und zur Bewältigung des Spannungs- und des Verteidigungsfalls (Art. 80a, 115a ff. GG) versucht sie, der Ausnahmelage m i t einem subtil differenzierenden Ausnahmerecht zu begegnen. Daneben ist für eine Interpretation des A r t . 35 Abs. 1 GG als einer versteckten generalklauselartigen Notvollmacht für Durchbrechungen der Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung durch die Verwaltung kein Raum 2 2 . Auch hätte es der anderen Bestimmungen für 19 Die Bemerkungen zur Einordnung von Absatz 2 und 3 bei Art. 35 Abs. 1 GG beziehen sich auf die erste (1968) Ergänzung von Art. 35 um den jetzigen Abs. 2 Satz 2 mit Abs. 3. Daß später (1972) auch Abs. 2 Satz 1 hier eingeordnet wurde, war nicht politisch, sondern systematisch begründet und auch, nachdem Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 hier ihren Platz gefunden hatten, systematisch gerechtfertigt. 20 Vgl. Art. 91 des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 10. 3.1967, Bundestagsdrucksache V/1879, S. 3. 21 Die Einordnung bei Art. 35 statt bei Art. 91 geht auf die Arbeiten des Rechtsausschusses zurück; vgl. dessen Bericht und Beschlüsse zum Regierungsentwurf vom 9.5.1968, Bundestagsdrucksache V/2873, S. 9 f. — Die entpolitisierende Funktion der Umstellung betont C. Arndt, DVB1 1968, S. 729. 22 Eine derart zur Notstandsregelung umfunktionierende Interpretation ist auch bei anderen Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen unter dem Grundgesetz ausgeschlossen; vgl. dazu mit Überlegungen zu einer Verfassungsänderung Böckenförde, NJW 1978, S. 1881 ff.

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die innere Ausnahmesituation i n ihrem Umfang und i n ihrem Detail gar nicht bedurft, wenn A r t . 35 Abs. 1 GG schon eine Ausnahme- und Notstandsregelung wäre 2 3 . Schwieriger als die Ablehnung des die bisher entfalteten verfassungsrechtlichen Vorgaben abmildernden Ausnahmearguments ist die Prüfung des sie verschärfenden. Das abmildernde Ausnahmeargument würde der Verwaltung eine Vollmacht einräumen, die ihr nach der Verfassung nicht zusteht. Es würde ihr erlauben, i n der Ausnahmesituation als der Stunde der Exekutive die Bindung an die gesetzliche Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung abzuschütteln. Dagegen w i l l das verschärfende Ausnahmeargument dem Gesetzgeber eine Vollmacht nehmen, die ihm nach der Verfassung eigentlich zusteht. Seine Freiheit zur Gestaltung und zur Veränderung der Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung soll dahin eingeschränkt werden, daß seine Amtshilferegelungen die Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung grundsätzlich respektieren müssen und nur ausnahmsweise überspielen dürfen 2 4 . Diese Konsequenz des verschärfenden Ausnahmearguments sei präzisiert. Daß die Amtshilfe bzw. deren gesetzliche Regelung diejenigen Kompetenz« und Zuständigkeitsgrenzen, die verfassungsrechtlich verankert sind, grundsätzlich respektieren muß, versteht sich schon aus der Einbindung der Amtshilfe i n die Verfassungsordnung. Die verfassungsrechtlich verankerten Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden dürfen schon aus diesem Grund nur ausnahmsweise überspielt werden. Würde die Amtshilfe eine regelmäßige Indienststellung von Landes- und Gemeindebehörden für Bundesaufgaben erlauben, dann würde sie die förderative Ordnung des Grundgesetzes verletzen. Davon geht auch das Bundesverfassungsgericht aus, wenn es die Errichtung einer Bundesoberbehörde nach A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG nur für Aufgaben zuläßt, „die der Sache nach für das ganze Bundesgebiet von einer Oberbehörde ohne Mittel- und Unterbau und ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder — außer für reine Amtshilfe — wahrgenommen werden können" 2 5 . Das Bundesverfassungsgericht verlangt m i t anderen Worten, daß die Aufgabenerfüllung grundsätzlich m i t behördeneigenen und nur ausnahmsweise über die Amtshilfe m i t behördenfremden Mitteln stattfindet. Dieses Verlangen 23 Als Ausnahme- und Notstandsregelung würde Art. 35 Abs. 1 G G auch die Beschränkungen der Amtshilfe überwinden, die sich aus deren Gegenüberstellung zu und Abgrenzung von der Organleihe in Art. 35 Abs. 2 ergeben und unten Abschnitt 6.4 behandelt werden. 24 Entsprechendes gilt wiederum auch für die Verwaltung, wenn ihr die Regelung der Amtshilfe kraft Organisationsgewalt zukommt. Auch für sie bedeutet das verschärfende Ausnahmeargument dann eine Einschränkung. 25 BVerfGE 14, 197—221 (211).

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gilt zunächst nur für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Auf das Verhältnis des Bundes und der Länder zu den Gemeinden läßt es sich übertragen. I m Verhältnis zwischen den Bundesbehörden und ebenso zwischen den Landesbehörden sind dagegen die Kompetenzund Zuständigkeitsgrenzen durch die föderative Ordnung des Grundgesetzes nicht mehr gesichert. Zwar stellen, wie oben gezeigt wurde, auch die Grundrechte eine gewisse Sicherung mancher Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen dar. Sie verlangen unter der Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte die gesetzliche Zuordnung von Eingriffsbefugnis und Aufgabe, und zwar eine verhältnismäßige Zuordnung, die nicht zwischen beliebigen Eingriffsbefugnissen und Aufgaben herzustellen ist. Eine Veränderung der Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung, die dazu führen würde, daß für Aufgaben unverhältnismäßige Eingriffsbefugnisse bereitstünden, ist dem Gesetzgeber daher verwehrt. Aber diesen Anforderungen könnte eine Amtshilferegelung genügen, die zugleich die Amtshilfe nicht nur für einen Ausnahme-, sondern für den Regelfall vorsieht. Außerdem gelten die Grundrechte nur i m Eingriffsbereich. Außerhalb seiner sind die Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen durch die Grundrechte nicht mehr gesichert. Schon i m Eingriffsbereich und erst recht jenseits seiner beginnt eine Freiheit des Gesetzgebers zur Veränderung von Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen, die das verschärfende Ausnahmeargument einschränkt. Allerdings ist diese Einschränkung von besonderer A r t . Nicht die Institutionalisierung regelmäßiger behördlicher Zusammenarbeit und die Aufhebung von Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen als solche werden dem Gesetzgeber 26 durch das verschärfende Ausnahmeargument verwehrt, sondern nur die Institutionalisierung bzw. Aufhebung unter dem Titel der Amtshilfe. Er soll, was er unter anderem Titel machen könnte, unter dem Titel der Amtshilfe nicht machen dürfen. Genommen w i r d ihm eine Freiheit weniger des Regelungsinhalts als vielmehr des Regelungsausdrucks. Das verschärfende Ausnahmeargument ist gewissermaßen ein Zwang zur Regelungswahrheit und -klarheit. Für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Zwangs ist erstens geltendzumachen, daß ein verfassungsrechtlicher Amtshilfebegriff, der einmal i m wichtigen Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden nur das ausnahmsweise Überspielen von Kompetenzund Zuständigkeitsgrenzen abdecken kann und der andermal auch die regelmäßige kompetenz- und zuständigkeitsgrenzüberschreitende Zusammenarbeit umfassen würde, uneinheitlich und unbefriedigend wäre. 26 Bzw. i m Rahmen ihrer Organisationsgewalt der Verwaltung; vgl. oben Anm. 24.

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6 Verfassungsrechtliche Vorgaben der Amtshilfe

Zweitens ist der Traditionszusammenhang anzuführen, i n dem A r t . 35 Abs. 1 GG steht. Wie A r t . 7 Ziff. 3 WRV und A r t . 4 Ziff. 11 RV bzw. N B V zielt auch A r t . 35 Abs. 1 GG besonders auf das Überspielen der glied- und gesamtstaatlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen, also gerade darauf, wo die Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung verfassungsrechtlich gesichert, grundsätzlich zu respektieren u n d nur ausnahmsweise zu überspielen ist. Aber auch der tradierte Problemund Verweisbegriff der innerstaatlichen Amtshilfe, den A r t . 35 Abs. 1 GG aufnimmt, sah die Pflicht und das Recht zur Amtshilfe vor dem Hintergrund und als die lediglich ausnahmsweise Ergänzung einer grundsätzlichen Fähigkeit der Behörden, ihre jeweiligen Aufgaben m i t ihren eigenen M i t t e l n zu bewältigen 2 7 . Einen dritten Grund für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des verschärfenden Ausnahmearguments bietet wiederum der Kontext, i n dem A r t . 35 Abs. 1 GG m i t Abs. 2 und 3 steht. Zwar wurde Art. 35 Abs. 1 GG nicht als politisch brisante Ausnahme- und Notstandsregelung i m Konfliktfeld von Legalität und Legitimität vorausgesetzt, als Abs. 2 und 3 i n seine Nachbarschaft gebracht wurde. Anders hätte m i t der Nachbarschaft nicht die Erwartung der Entpolitisierung verbunden werden können. Aber i m merhin wurde die Nachbarschaft von Abs. 2 und 3 gerade zu A r t . 35 Abs. 1 GG und nicht zu irgendeiner anderen eher unpolitischen Verfassungsbestimmung begründet. Dies rechtfertigt sich systematisch dadurch, daß auch die Amtshilfe eine ausnahmsweise Hilfe ist. Auch die inzwischen ermittelten verfassungsrechtlichen Vorgaben für die einfachrechtliche Behandlung der Amtshilfe lassen sich knapp zusammenfassen. Sowohl die speziai- als auch die querschnittsgesetzlichen Regelungen der Amtshilfe dürfen nur ein ausnahmsweises Überspielen, nicht ein regelmäßiges Außerkraftsetzen der Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen normieren. Entsprechend sind sie zu interpretieren. Entsprechend hat auch die Verwaltung da zu verfahren, wo sie i n ihrer Amtshilfepraxis an gesetzliche Amtshilferegelungen nicht gebunden ist. Eine regelmäßige Zusammenarbeit von Behörden darf unter dem Titel der Amtshilfe auch dann nicht institutionalisiert werden, wenn sie unter anderem Titel vom Gesetzgeber normiert und/oder von der Verwaltung praktiziert werden dürfte. Hier gilt ein Zwang zur Regelungs27 Repräsentativ von Bitter, Handwörterbuch, 2. Band, S. 355 f.; Friedrichs, Amtshüfe. Reich und Preußen, S. 118 f. Wenn hier von der Hilfe nur i m Einzelfall, von der amtshilfemäßigen Vornahme lediglich einzelner Amtshandlungen die Rede ist, wird vorausgesetzt, daß die Behörden im Regelfall mit ihren eigenen Amtshandlungen auskommen. Entsprechend kennt auch die i m Abschnitt 2.2.2 berichtete Rechtsprechung als Amts- oder Rechtshilfe nur die Vornahme einzelner Handlungen. Deutlich spricht das Preußische Oberverwaltungsgericht vom Handeln „auf Grund eines vorher ergangenen, ausdrücklich den Einzelfall betreffenden Auftrags" (PrOVG 63, 71—87 [84]).

6.4 Das amtshilferechtliche Kooperationsmodell

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Wahrheit und -klarheit, der verdient, rechtsstaatlich genannt zu werden 2 8 . 6.4 Das amtshilferechtliche Kooperationsmodell Schon m i t den letzten Überlegungen ist die Verfassungsordnung für die Unterscheidung der Amtshilfe von anderen Formen der behördlichen Zusammenarbeit ergiebig geworden. Sie bestätigt die i n der Verwaltungsrechtswissenschaft gezogene Grenze zwischen den als Regel und auf Dauer institutionalisierten Formen behördlicher Zusammenarbeit und der Amtshilfe als einer ausnahms- und fallweisen Zusammenarbeit 2 9 . Bei den Rechtshandlungen, bei denen die Rechtsordnung die gemeinsame Vornahme, die Herstellung eines Einverständnisses, die Berücksichtigung eines Vorschlags, die Einholung einer Stellungnahme oder die Abgabe einer Mitteilung vorsieht 3 0 , richtet sie die Beteiligten Behörden gerade nicht als grundsätzlich selbsterledigungsfähig und nur ausnahmsweise hilfsbedürftig ein, sondern als notwendig aufeinander angewiesen. Das ist bei der Amtshilfe selbst dann anders, wenn sie spezialgesetzlich geregelt ist. Auch eine spezialgesetzlich geregelte Amtshilfe ermöglicht Zusammenarbeit nur für einen Ausnahmefall, der eintreten kann, der aber nicht eintreten muß. Neben dem Ausnahmekriterium lassen sich aus der Verfassung noch weitere unterscheidende Kriterien für die Amtshilfe entwickeln. I n A r t . 35 Abs. 2 und 3, 87a und 91 GG sind für besondere Ausnahmesituationen eigene Kooperationsmodelle vorgesehen. Bei ihnen spricht die Verfassung nicht von Amtshilfe und handelt es sich nicht u m Amtshilfe 3 1 . Zwar ist denkbar, daß der verfassungsgebende und -ändernde 28 Bei diesem Zwang zur Regelungswahrheit und -klarheit handelt es sich nicht etwa u m ein bloßes rechtsstaatliches Ästhetikum. Daß die regelmäßige Zusammenarbeit von Behörden nicht unter dem Titel der Amtshilfe institutionalisiert werden darf, hat praktische Folgen. Unter dem Titel der Amtshilfe wird die Zusammenarbeit von der einzelnen Behörde ausgelöst. Wenn die regelmäßige Zusammenarbeit nicht unter dem Titel der Amtshilfe institutionalisiert werden darf, dann darf sie nicht derart zur Disposition der einzelnen Behörde gestellt werden, daß diese sie verlangen könnte, worauf die andere Behörde sie leisten müßte. Vielmehr müssen die Voraussetzungen und die Inhalte der regelmäßigen Zusammenarbeit den einzelnen Behörden vom Gesetzgeber oder vom Inhaber der Organisationsgewalt vorgegeben werden. I m übrigen kommt lediglich eine von den beteiligten Behörden freiwillig vereinbarte Zusammenarbeit i n Betracht; vgl. dazu unten Abschnitt 8.2.3. 29 Vgl. Wolff /Bachof (Anm. 6), S. 123; Dreher (Anm. 18), S. 17 ff. 80 Z u diesen verschiedenen Formen des Zusammenwirkens näher Wolff / Bachof (ebd.), S. 118 ff. 31 Gelegentlich werden diese besonderen Kooperationsformen als „besonderer Fall der Amtshilfe" und die entsprechenden Grundgesetzbestimmungen als „spezielle Normierung der in Art. 35 Abs. 1 GG allgemein geregelten

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6 Verfassungsrechtliche Vorgaben der Amtshilfe

Gesetzgeber m i t den eigenen Regelungen nur der besonderen politischen Bedeutung dieser Ausnahmesituationen Rechnung tragen wollte. Aber wenn es nur darum gegangen wäre, dann hätte es nahegelegen, die Regelungen i n Inhalt und Ausdruck an die Regelung der Amtshilfe immerhin anzulehnen. Das ist nicht geschehen, und auch die Entstehung des Grundgesetzes zeigt, daß A r t . 91 GG ohne Bezug auf Art. 35 GG erörtert und abgefaßt wurde 3 2 . So institutionalisieren Art. 35 Abs. 1 GG einerseits und Art. 35 Abs. 2 und 3, 87a und 91 GG andererseits verschiedene Kooperationsmodelle, und i n der Herausarbeitung dieser Verschiedenheit ergeben sich weitere spezifische Merkmale der Amtshilfe. I n Art. 35 Abs. 2 und 3, 87a und 91 GG begegnen zwei Regelungsmuster. Das eine läßt ein Land Kräfte und Einrichtungen anderer Länder und des Bundes anfordern (Art. 35 Abs. 2, 91 Abs. 1), das andere läßt den Bund eingreifen und entweder die Weisung geben, daß die Länder einander Kräfte zur Verfügung stellen (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative), oder sonstige Weisungen und eigene Kräfte und Einrichtungen einsetzen (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative, A r t . 87a Abs. 4, A r t . 91 Abs. 2). Gegenstand des Vergleichs m i t der Regelung der Amtshilfe ist das erste Regelungsmuster. Das zweite spielt i n einem Abhängigkeits- und Weisungsverhältnis, das mit der Ausnahmesituation zwischen Bund und Ländern entsteht. Dies gilt auch dann, wenn es m i t der Weisung des Bundes an die Länder, einander Kräfte zur Verfügung zu stellen, i n eine Situation überleitet, wie sie auch durch die Anforderung von Land zu Land geschaffen wird. Das erste spielt auf einer Ebene der Gleichordnung und damit auf derselben Ebene wie die Amtshilfe, deren es da, wo ein Abhängigkeits- und Weisungsverhältnis durchgreift, nicht bedarf. Der Unterschied des ersten Regelungsmusters zur Amtshilfe muß i n der Anforderung liegen, von der es i n A r t . 35 Abs. 2 GG heißt, daß sie zur Unterstützung (Satz 1) oder zur Amtshilfe" bezeichnet, z.B. bei Klückmann, D Ö V 1976, S. 334f.; Kreidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 88; Maunz, Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 91 Randnr. 5 (1970). Dabei wird von Klückmann (vgl. auch DVB1 1977, S. 952 ff.) die Bezeichnung auf das Handeln der Streitkräfte allerdings nur mit Vorbehalt erstreckt, weil es sich bei den Streitkräften allenfalls funktionell, nicht aber organisatorisch um Verwaltungsbehörden handele. — Diese Bezeichnung ist unhistorisch und unzweckmäßig, allerdings solange unschädlich, als über ihr der sachliche Unterschied der beiden Kooperationsformen nicht verlorengeht. Bei den hier angemerkten Autoren bleibt die Wahl der Bezeichnung folgenlos. 32 Vgl. von Dömming/Füsslein/Matz, JöRNF 1 (1951), S. 661 ff. Entsprechendes zeigt auch die Entstehung von Art. 35 Abs. 2 und 3 GG. I n den Ausführungen des Rechtsausschusses, in denen die Einordnung der Zusammenarbeit i m Katastrophenfall bei Art. 35 vorgeschlagen wird (Anm. 21), ist von dieser Zusammenarbeit weder als einer Amtshüfe noch auch nur als einer amtshilfeähnlichen Zusammenarbeit die Rede.

6.4 Das amtshilferechtliche Kooperationsmodell

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Hilfe (Satz 2) erfolgt, bzw. i n der Zurverfügungstellung, zu der sie führt. Über Anforderung und Zurverfügungstellung w i r d eine Zusammenarbeit eingeleitet, die der verfassungsgebende und -ändernde Gesetzgeber, obwohl sie wie die Amtshilfe i n einer Ausnahmesituation und auf einer Ebene der Gleichordnung stattfindet, von der Amtshilfe nicht umfaßt sah. Es gilt also, die spezifischen Merkmale der über Anforderung und Zurverfügungstellung stattfindenden Zusammenarbeit zu ermitteln und aus der Umkehr spezifische Merkmale der Amtshilfe zu erschließen. Ermitteln lassen sich drei Merkmale. Anforderung und Zurverfügungstellung führen erstens dazu, daß Kräfte und Einrichtungen an einem anderen Ort tätig werden als an dem, an dem sie sonst tätig sind. Kräfte und Einrichtungen der Länderpolizei, des Bundesgrenzschutzes, der Bundeswehr und anderer Verwaltungen sollen dort zum Einsatz kommen, wo die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet, die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall eingetreten oder der Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes bedroht ist. Anforderung und Zurverfügungstellung führen zweitens dazu, daß Kräfte und Einrichtungen nach einem anderen Recht tätig werden als nach dem, nach dem sie sonst tätig sind. Das gilt für die Polizei eines Landes, die beim Einsatz i n einem anderen Land dessen Polizeirecht zu beachten hat 3 3 , und nach der Regelung des Bundesgrenzschutzgesetzes, das damit ein Anliegen des verfassungändernden Gesetzgebers aufgreift, auch für den Bundesgrenzschutz 34 . Ob es auch für die Bundeswehr gilt, w i r d zwar vereinzelt bestritten, überwiegend aber anerkannt 3 5 . M i t der Bindung an das Recht des Lan83

Vgl. Keidel (Anm. 31), S. 131 ff. mit Nachweis der Polizeigesetze der Länder, durch die Polizeieinheiten anderer Länder ausdrücklich an das Polizeirecht des Einsatzlandes gebunden werden. Vgl. in diesem Sinn jetzt auch § 52 Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder (Heise/Riegel). 34 Zum Anliegen, dem § 10 Abs. 3 Gesetz über den Bundesgrenzschutz entspricht, vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs (Anm. 20) zu Art. 91, S. 23 („Die zur Verfügung gestellten Einheiten des Bundesgrenzschutzes unterstehen — ebenso wie die im Lande eingesetzten Polizeikräfte eines anderen Landes — den Rechtsnormen des im Einsatzland geltenden Polizeirechts." Dies soll auch gelten, „soweit die Bundesregierung dem Lande eine Einheit der Streitkräfte zur Verfügung stellt".) und den Bericht des Rechtsausschusses (Anm. 21) zu Art. 35, S. 10 („Die zur Verfügung gestellten Kräfte anderer Länder und des Bundes unterstehen den Rechtsnormen des im Einsatzland geltenden Landespolizeirechts."). 85 Anerkannt wird es von Maunz, Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 35 Randnr. 18 (1973); Arndt (Anm. 21), S. 730; entsprechend gemeint war Art. 35 Abs. 2 GG auch vom Rechtsausschuß sowie von der Bundesregierung (vgl. Anm. 34). Bestritten wird es von Karpinski, öffentlichrechtliche Grundsätze für den Einsatz der Streitkräfte i m Staatsnotstand, S. 85 ff., der in dem Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwangs und 11·

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6 Verfassungsrechtliche Vorgaben der Amtshilfe

des, i n dem der Einsatz erfolgt, geht drittens auch eine i n ihrer Reichweite manchmal schwierige und umstrittene, nach ihrem Grundsatz aber durchweg festgehaltene Weisungsgewalt des Landes über die angeforderten und zur Verfügung gestellten Kräfte und Einrichtungen, über Ort, Ziel und Umfang ihres Einsatzes einher 3 8 . Diese drei Merkmale greifen sinnvoll, ja notwendig ineinander: A u f Anforderung und nach Zurverfügungstellung kommen Kräfte und Einrichtungen so zum Einsatz, wie es dem betroffenen Ort, dem dort geltenden Recht und der dort bestehenden Weisungsstruktur entspricht. I m Umkehrschluß ist als spezifisches Merkmal der Amtshilfe festzuhalten, daß eine Behörde unter dem Titel der Amtshilfe nicht darum ersuchen kann, daß eine andere Behörde Kräfte und Einrichtungen zur Verfügung stellt, damit sie am Ort, nach dem Recht und i n der Weisungsstruktur der ersuchenden Behörde tätig werden 3 7 . Hierdurch werden Formen der behördlichen Zusammenarbeit von der Amtshilfe abgegrenzt, die i n der Verwaltungsrechtswissenschaft auch begrifflich unterschieden werden. Abgegrenzt werden die Organleihe, die Delegation und das Mandat. Die über Anforderung und Zurverfügungstellung stattfindende Zusammenarbeit ist Organleihe, indem Kräfte und Einrichtungen des zur Verfügung stellenden Landes oder Bundes m i t der Wahrnehmimg von Kompetenzen des anfordernden Landes betraut werden 3 8 . I m Unterschied zu der Organleihe, die auf die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivüe Wachpersonen die Polizeigrundsätze, nach denen ein militärisches Eingreifen für polizeiliche Zwecke stattzufinden hat, sachgerechter niedergelegt findet. 88 Zu den Schwierigkeiten, die sich in dieser Hinsicht während der niedersächsischen Brandkatastrophe des Jahres 1975 ergeben haben, Klückmann (Anm. 31), S. 339 f. Klückmann arbeitet auch den entscheidenden Gesichtspunkt für die Weisungsgewalt des Landes gegenüber dem Bundesgrenzschutz heraus. Die Weisungsstruktur des Bundesgrenzschutzes muß derart gewahrt bleiben, daß die Weisungen des Landes jeweils an die Spitzen der zur Verfügung gestellten Kräfte gehen. Ein Bundesgrenzschutzleutnant darf nicht als Leiter der Katastropheneinsatzzentrale einem Bundesgrenzschutzgeneral vorgeordnet werden. Entsprechendes gilt auch für den Einsatz der Bundeswehr. 87 Auch ohne dieses ausgeschlossene Ersuchen kann die Amtshilfe eine Katastrophenhilfe sein; einen entsprechenden Fall regelt § 13 Abs. 2 des Gesetzes über den Katastrophenschutz in Schleswig-Holstein (Gesetz- und Verordnungsblatt 1974, S. 446) unter Verweis auf §§34 und 35 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Gesetz- und Verordnungsblatt 1967, S. 131). Nach dem Katastrophenschutzgesetz kann die untere Katastrophenschutzbehörde andere Behörden, Dienststellen und öffentliche Einrichtungen in deren Bezirk u m Hilfeleistungen ersuchen, für deren Voraussetzungen, Umfang und Grenzen die allgemeinen Amtshilferegeln des Landesverwaltungsgesetzes gelten. 88 Diese Qualifizierung der über Anforderung und Zurverfügungstellung stattfindenden Zusammenarbeit auch bei Wolff/ Bachof (Anm. 6), S. 62; Pietzner, Amtshilfe, Sp. 40; Maunz (Anm. 35), Randnr. 12.

6.4 Das amtshilferechtliche Kooperationsmodell

165

Dauer und als Regel begründet w i r d 3 9 , ist sie eine Ad-hoc-Organleihe. Die Weise, i n der die geliehenen Kräfte m i t der Wahrnehmung von Kompetenzen des anfordernden Landes betraut werden, kann Delegation oder Mandat sein 4 0 . Sie ist Delegation, wenn die Kräfte i n K o m petenzen eingewiesen werden, u m sie i m eigenen Namen und unter eigener Verantwortlichkeit wahrzunehmen. Als Beispiel mag eine Bundesgrenzschutzeinheit dienen, die i n einem von den meisten Bewohnern und auch von den Verwaltungsbediensteten verlassenen Dorf i m Katastrophengebiet m i t der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung betraut wird. W i r d die Bundesgrenzschutzeinheit dagegen auf verschiedene Polizeidienststellen aufgeteilt, u m dort den Streifendienst zu verstärken, dann ist das Beispiel eines Mandats gegeben. Denn hier sollen die zur Verfügung gestellten Kräfte und Einrichtungen die Kompetenzen nach den Entscheidungen und i m Namen der Behörden des anfordernden Landes wahrnehmen. Weder Delegation noch Mandat liegt vor, wenn lediglich technische Hilfe erbracht und zum Beispiel ein Gerät m i t Bedienungspersonal geliehen wird. Aber auch diese technische Hilfe ist von besonderer A r t , die i m Umkehrschluß ein besonderes Merkmal der technischen Amtshilfe hervorhebt. Bei der technischen Amtshilfe werden die Verwaltungsmittel, die bei der ersuchten Behörde für deren Aufgaben bereitstehen, nicht wie bei der technischen Hilfe der A r t . 35 Abs. 2, 91 Abs. 1 GG an die anfordernde Behörde abgestellt, sondern verbleiben bei der ersuchten Behörde und werden lediglich dort für die Aufgaben der ersuchenden Behörde eingesetzt. Die über Anforderung und Zurverfügungstellung stattfindende Zusammenarbeit vollzieht sich an einem Ort, nach einem Recht und i n einer Weisungsstruktur. Die geliehenen Kräfte und Einrichtungen werden m i t den Kräften und Einrichtungen des anfordernden Landes i n einem einheitlichen Verantwortungszusammenhang tätig. Ob sie, bei Eingliederung i m Weg der Delegation, einen größeren oder, i m Sinn des Mandats eingegliedert, einen kleineren Entscheidungsspielraum haben, ist dabei gleichgültig. I m Unterschied dazu ist der Verantwortungszusammenhang bei der Amtshilfe gebrochen. Statt einer liegen zwei Weisungsstrukturen vor, zwischen denen lediglich durch das Ersuchen eine Brücke geschlagen w i r d ; die ersuchte Behörde w i r d nach einem anderen Recht und/oder an einem anderen Ort tätig als die ersuchende, und sie w i r d dabei aus der Einbindung i n ihre Kompetenz39

Hierzu Wolff /Bachof ebd. Die Bestimmung und Abgrenzung der beiden Institute folgt Triepel, Delegation und Mandat i m öffentlichen Recht. I n demselben Sinn unterscheiden auch Wolff /Bachof (Anm. 6), S. 24 ff. 40

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6 Verfassungsrechtliche Vorgaben der Amtshilfe

und Zuständigkeitsordnung nicht gelöst, diese w i r d vielmehr lediglich gelockert. I n diesen Unterschieden bringt sich ein vom verfassungsgebenden und -ändernden Gesetzgeber gesehener und durch die verschiedenen Regelungen gewürdigter Unterschied der Situationen zur Geltung. Die Zusammenarbeit der A r t . 35 Abs. 2, 91 Abs. 1 GG zielt nicht auf die Erledigung eines einzelnen Vorgangs, sondern auf die Bewältigung einer komplexen Situation. Was die Katastrophe, der Unglücksfall, die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung und die Bedrohung des Bestandes oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Bundes oder eines Landes verlangen, ist nicht hier und da ein Überspielen von Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen, sondern eine umfassende Bündelung von Verwaltungskräften unter einheitlicher Leitung, ist nicht die Erledigung eines einzelnen Verwaltungsvorgangs über die Durchführung einer einzelnen Amtshilfehandlung, sondern die Herstellung eines ganzen Verwaltungsapparates zur Bewältigung einer Fülle von Problemen. Dieser Unterschied w i r f t noch einmal ein Licht auf die Ausnahmesituation, m i t der es die Amtshilfe zu t u n hat. Bei A r t . 35 Abs. 2 und 91 Abs. 1 GG ist sie einigermaßen tiefgreifend und weitreichend. Demgegenüber ist sie bei der Amtshilfe stets immanent und punktuell, d. h. sie ereignet sich auf dem Boden der normalen Verwaltungsorganisation und -abläufe und äußert und erschöpft sich i m einzelnen Verwaltungsvorgang. Aus den spezifischen Merkmalen der über Anforderung und Zurverfügungstellung stattfindenden Zusammenarbeit wurden i m Umkehrschluß spezifische Merkmale der Amtshilfe ermittelt. Dieses Vorgehen und sein Ergebnis könnten m i t dem Argument i n Frage gestellt werden, die Verschiedenheit der verfassungsrechtlichen Regelung weise nur auf eine Verschiedenheit der beiden Zusammenarbeitsformen überhaupt hin. Diese sei bei der Verschiedenheit schon eines der mehreren herausgearbeiteten spezifischen Merkmale gegeben. Zulässig sei der Umkehrschluß also nur bezüglich eines der mehreren herausgearbeiteten Merkmale, ungewiß sei beim Umkehrschluß überdies, an welches der mehreren spezifischen Merkmale er anknüpfen solle. So könne die Verschiedenheit der Regelung schon durch den Unterschied der zu regelnden Ausnahmesituationen motiviert sein, ohne einen Unterschied der einzurichtenden Zusammenarbeit anzuzeigen, sie könne auf den Unterschied zwischen der Zusammenarbeit an einem Ort und an verschiedenen Orten abstellen, ohne verschiedene Verantwortungszusammenhänge herzustellen, etc. M i t Rücksicht auf dieses mögliche Argument wurde nachdrücklich das Ineinandergreifen der verschiedenen spezifischen Merkmale der Zusammenarbeit nach Art. 35 Abs. 2 und 91 Abs. 1 GG herausgestellt. Diese Zusammenarbeit w i r d als eigener Typ ge-

6.4 Das amtshilferechtliche Kooperationsmodell

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schlossen und stimmig geregelt; von ihr setzt sich die Zusammenarbeit der Amtshilfe als ebenfalls geschlossener, stimmiger und eigenständiger Typ ab. Daß die beiden Arten der Zusammenarbeit daneben auch Gemeinsamkeiten haben, versteht sich. Beide sind i n die Verfassungsordnung des Grundgesetzes eingebunden, und für die rechtliche Bindung, die gerichtliche Kontrolle sowie den Schutz des Bürgers gelten hier wie dort die entsprechenden Bestimmungen des Grundgesetzes 41 . Wenn oben vom gebrochenen i m Gegensatz zum einheitlichen Verantwortungszusammenhang die Rede war, dann nicht i m Sinn einer gebrochenen Bindung an das Recht oder einer verkürzten Kontrolle durch die Gerichte. Die Verantwortung der Verwaltung ist bei der Amtshilfe nicht reduziert, sondern verteilt. Sie muß bei der ersuchenden und bei der ersuchten Behörde jeweils so geregelt und erfüllt werden, daß sie insgesamt dieselbe Intensität gewinnt wie bei jedem anderen Verwaltungshandeln. Auch die zuletzt ermittelten verfassungsrechtlichen Vorgaben für die einfachrechtliche Behandlung der Amtshilfe seien zusammengefaßt. Unter dem Titel der Amtshilfe kann eine Behörde nicht darum ersuchen, daß eine andere Behörde Kräfte und Einrichtungen zur Verfügung stellt, damit diese an dem Ort, nach dem Recht und i n der Weisungsstruktur der ersuchenden Behörde tätig werden. Die Amts41 Auch die Probleme und Folgeprobleme der Unterscheidung von Eingriffs-, Leistungs- und Innenhandlung stellen sich hier wie dort. Es sei angemerkt, daß das oben angesprochene Umschlagen von Handlungen der Verwaltung aus dem Innenbereich in den Eingriffsbereich i m Zusammenhang des Katastrophenschutzes eine besondere verfassungsrechtliche Berücksichtigung gefunden hat. Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG bestimmt, daß Maßnahmen nach Art. 35 Abs. 2 und 91 sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten dürfen, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen i. S. von Art. 9 Abs. 3 Satz 1 geführt werden. Diese Bestimmung wird gerne, z.B. von Karpinski (Anm. 35), S. 92; Gluckert, Die Arbeitskampfschutzklausel des Art. 9 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz, S. 118 f.; Schmid, Arbeitskampf und Notstand aus der Sicht des Art. 9 Abs. 3 S. 3 GG, S. 79 ff. als leerlaufend angesehen. Einerseits könne ein Streik den hoheitlichen Einsatz von Bundesgrenzschutz und Bundeswehr nur dann erforderlich machen, wenn er ohnehin den Charakter eines Arbeitskampfes verliere und zur illegalen Gewaltanwendung werde; andererseits könne die technische Hilfe das Streikrecht überhaupt nicht beeinträchtigen. I n der Tat würde Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG leerlaufen, wenn die technische Hilfe i m Innenbereich verbliebe und nicht auch in den Eingriffsbereich umschlagen könnte. Eben dies ist aber in verschiedenen Situationen und gerade auch in der Situation des Arbeitskampfes durchaus möglich. Ein Streik könnte um seinen Sinn gebracht werden, wenn die ausfallende Arbeitskraft durch massive technische Hilfe kompensiert würde, wenn also z. B. Bundesgrenzschutz und Bundeswehr mit ihren Fahrern und/oder Bussen den streikbedingt stillliegenden öffentlichen Nahverkehr übernehmen würden. Als Verbot eines solchen Eingriffs ist Art. 9 Abs. 3 Satz 3 GG zu verstehen.

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6 Verfassungsrechtliche Vorgaben der Amtshilfe

hilfe ermächtigt nicht zu den Instituten der Organleihe, der Delegation und des Mandats. Die entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben enthalten Anforderungen an den Gesetzgeber, an die Rechtsdogmatik und an die Rechtspraxis der Amtshilfe. Sie sind i n der Interpretation der amtshilferechtlichen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes einzulösen. Vorher gilt es jedoch i m nächsten Abschnitt, die Informationen und die Amtshilfe m i t Informationen nach ihren Rechtsqualität zu bestimmen und den bisher entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben zuzuordnen.

7 Informationsakte als Grundrechtseingriße Verfassungsrechtliche Vorgaben f ü r .[die einfachrechtliche Behandlung der Amtehilfe m i t pereonenbezogenen Informationen 7.1 Stand der Diskussion Die These, m i t der Erhebung, Verarbeitung und Übermittlung von Informationen über den Bürger 1 werde i n die Grundrechte eingegriffen, kann für ihren Beleg auf eine eindrucksvolle Liste rechtswissenschaftlicher Arbeiten verweisen 2 . I n der These treffen sich zwei Diskus1 Sofern sie nicht ausdrücklich anders bezeichnet sind, handelt es sich bei den nachfolgend erörterten Informationen stets u m Informationen über den Bürger. 2 Denniger, Z R P 1981, S.232; ders., V V D S t R L 37 (1979), S.39ff.; Goebel, Amtshilfe durch Informationshilfe, S. 60 f., 68 ff.; Schoreit, N J W 1981, S. 75; Ever s, ZRP 1980, S. 110 f.; ders., Die rechtlichen Grenzen der Nachrichtensammlung durch die Ämter für Verfassungsschutz, S. 104 f.; ders., Privatsphäre und Ämter für Verfassungsschutz, S. 40, 50 ff.; Gusy, D Ö V 1980, S. 432; Riegel, Datenschutz bei den Sicherheitsbehörden, S. 19; ders., NJW 1979, S. 953; Rohlf, Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 201 ff.; Bull, D Ö V 1979, S. 691 f.; ders., Ö V D 1979, Heft 11, S. 4; Eberle, Der Schutz medizinischer Daten durch Verfassung, allgemeine und bereichsspezifische Datenschutzvorschriften, S. 98 ff.; ders., D Ö V 1977, S. 310; Klein, V V D S t R L 37 (1979), S. 92 f.; Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit der Ämter für Verfassungsschutz und Grundrechte, S. 129ff.; W.Schmidt, ZRP 1979, S. 187; ders., JZ 1974, S. 247 ff.; Bullinger, N J W 1978, S. 2125 f.; Wolter, D V R 7 (1978), S. 308 ff.; Borgs-Maciejewski, Aus Politik und Zeitgeschichte 1977, Heft6, S. 17; Garstka, Auswirkungen innovativer Informationsstrukturen auf die Bedeutung und Reichweite verfassungsmäßiger Grundrechte; Jensen, D V R 6 (1977), S. 3, 16 f., 23 f.; de Lazzer/Rohlf, JZ 1977, S.209; Kamiah, N J W 1976, S. 510; ders., D Ö V 1970, S. 361 ff.; Podlech, Datenschutz und das Verfassungsrecht, S.28ff. ; ders., D V R 1 (1972/1973), S. 154 ff.; Schwan, VerwArch 66 (1975), S. 127 ff.; Seidel, Datenbanken und Persönlichkeitsrecht, S. 73 ff.; Steinmüller u.a., Grundfragen des Datenschutzes, S.93ff.; 106ff., 116, 122; Salzwedel, Gedächtnisschrift Peters, S. 758 ff., 787 f.; A.Arndt, NJW 1961, S. 900; ähnlich schon Thomä, Auskunfts- und Betriebsprüfungsrecht der Verwaltung; Redeker, D Ö V 1954, S. 109 ff. Vgl. auch Benda, Festschrift Geiger, S. 23 ff., der die Linien der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nachzeichnet und weiterdenkt und dabei, wie das Bundesverfassungsgericht selbst, die Fragen der Zulässigkeit und der Eingriffsqualität von Informationsakten gelegentlich vermengt und von der Zulässigkeit in einer Weise handelt, bei der die Eingriffsqualität nicht mehr ausdrücklich dargelegt, sondern unausgesprochen vorausgesetzt wird. Auch die Kommentarliteratur zum Bundesdatenschutzgesetz muß die Eingriffsqualität der Informationsakte angesichts der gesetzlichen Regelung (vgl. besonders § 3 Abs. 1 BDSG) nicht mehr problematisieren, sondern kann sie ebenfalls voraussetzen; vgl. Simitis, Simitis/Dammann/Mallmann/Reh,

170

7 Informationsakte als Grundrechtseingriffe

sionsstränge. D e r eine, f r ü h e r e p r o b l e m a t i s i e r t

die

Informationserhe-

b u n g d u r c h d i e Verfassungsschutzbehörden u n d N a c h r i c h t e n d i e n s t e u n d b e h a n d e l t die A b w e h r der Gefahren, die d e m B ü r g e r v o n e i n e m S t a a t drohen, d e r g e h e i m noch die persönlichsten B e f i n d l i c h k e i t e n

erforscht

u n d selbst die v e r t r a u l i c h s t e n S i t u a t i o n e n belauscht u n d b e o b a c h t e t 3 . D e r andere, spätere w u r d e d u r c h die M ö g l i c h k e i t e n der c o m p u t e r u n t e r s t ü t z t e n D a t e n v e r a r b e i t u n g u n d besonders des

computerunterstützten

D a t e n v e r b u n d s ausgelöst. S e i n P r o b l e m i s t die M a c h t , die d e m S t a a t zuwächst, w e n n er v e r e i n z e l t e u n d v e r s t r e u t e , i n i h r e r

Vereinzelung

n i c h t besonders s c h u t z b e d ü r f t i g e u n d i n i h r e r V e r s t r e u u n g n i c h t besonders aussagekräftige I n f o r m a t i o n e n m i t U n t e r s t ü t z u n g des C o m p u t e r s zu P e r s ö n l i c h k e i t s b i l d e r n z u s a m m e n f ü g t , d u r c h die d e r B ü r g e r f ü r die V e r w a l t u n g k a l k u l i e r b a r u n d m a n i p u l i e r b a r w i r d 4 . Beide Diskussionsstränge setzen als b e t r o f f e n e G r u n d r e c h t s p o s i t i o n e n ü b e r w i e g e n d

die

M e n s c h e n w ü r d e des A r t . 1 u n d die P e r s ö n l i c h k e i t s e n t f a l t u n g des A r t . 2 G G a n 5 , geben diesem A n s a t z aber a u f die j e w e i l i g e n

Gefährdungs-

Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, Einleitung Randnr. 17 ff.; Reh, ebd., § 1 Randnr. 5 ff. -, Ordemann/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, Einleitung Anm. 2.1, § 1 Anm. 1; Auernhammer, Bundesdatenschutzgesetz, Einführung Randnr. 4 ff., § 1 Randnr. 2; ednläßlich zur Eingriffsqualität aber Schwan, Kamiah /Schimmel/Schwan, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, § 1 Randnr. 18, 43 (1979). — Angesichts dieses Befundes ist es einigermaßen verblüffend, wenn Gallwas, Staat 18 (1979), S. 510 meint, die These von der Eingriffsqualität der auf den Bürger bezogenen Informationsakte habe bisher keine Gefolgschaft gefunden. Richtig ist lediglich, daß sie noch nicht als unstreitig bezeichnet werden kann; sie wird zuletzt wieder von Kloepfer, Datenschutz als Grundrecht, S. 22 ff., und Loschelder, Staat 20 (1981), S. 359 ff,, nachdrücklich abgelehnt. 3 Die Pionierleistung hierzu hat Evers mit seiner Arbeit über Privatsphäre und Ämter für Verfassungsschutz im Jahr 1960 erbracht. 4 Hierzu wurde die Pionierarbeit von Steinmüller u. a. mit dem im Auftrag des Bundesministeriums des Innern im Jahr 1971 vorgelegten Gutachten über Grundfragen des Datenschutzes geleistet. 5 Ausnahmen sind die in Anm. 2 angeführten Arbeiten von Eberle und Garstka. Eberle, der dabei an Herzog, Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz Art. 5 Abs. 1 und 2 Randnr. 40 ff. (1968) anknüpfen kann, arbeitet in Art. 5 Abs. 1 GG neben der positiven die negative Meinungsfreiheit heraus und leitet aus dieser ein Recht des Bürgers auf informationelle Enthaltsamkeit bzw. für den Staat ein Verbot, Informationen über den Bürger ohne dessen Wissen und Wollen zu erheben, ab (DÖV 1977, S. 308 f.). Garstka w i l l den grundrechtlichen Schutz bestimmter Lebensbereiche auf die Informationen über diese Lebensbereiche ausdehnen, so daß z. B. die staatliche Informationserhebung über die Berufswahl ebenso in den Schutzbereich und unter den Gesetzesvorbehalt von Art. 12 GG fällt, wie die staatliche Reglementierung der Berufswahl. Beide Positionen, die sorgfältig entwickelte von Eberle und die mehr thesenartig gesetzte von Garstka, treffen ein Defizit des sich auf Art. 1 und 2 GG beschränkenden Ansatzes. Erstmals W. Schmidt hat davor gewarnt, die Auswirkungen staatlichen Informationsgebarens auf die Informations-, Kommunikations- und Entscheidungsfreiheit des Bürgers allein im Auffangtatbestand des Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG zu erfassen und dabei die besonderen Tatbestände der Spezialgrundrechte zu vernachlässigen (JZ 1974, S. 245 f.). Wo das staatliche Informationsgebaren die ge-

7.1 Stand der Diskussion

171

lagen zugeschnittene Ausdeutungen. Der erste sieht m i t der Grundrechtsposition zumeist eine Privatheit geschützt, die sich vom Intimen zum öffentlichen weitet und dabei verschiedene Sphären m i t unterschiedlicher Abwehrkraft und Eingriffsfestigkeit aufweist 6 ; der zweite findet statt dessen i n der Grundrechtsposition oft ein Recht des Bürgers auf Selbstdarstellung gegenüber seiner Umwelt, auf Selbstbestimmung des Bildes, das sich seine gesellschaftlichen und staatlichen Kommunikations- und Interaktionspartner von i h m machen 7 . Dabei ist es beidemal mehr die Brisanz des Problems als die Evidenz der Konstruktion, die den Ansatz leitet und seine Ausdeutung prägt. Warum die geheime, weder zur Wahrnehmung des Bürgers noch zur Beeinflussung seines Handelns bestimmte Informationserhebung nicht nur allenfalls eine Gefährdung, sondern geradewegs einen Eingriff darstellt und warum die dem Bürger ebenfalls verborgene, verwaltungsinterne Übermittlung und Zusammenfügung von Informationen, die sich i n der Hand der Verwaltung schon befinden, i n die Menschenwürde und die Persönlichkeitsentfaltung direkt eingreift, w i r d unzureichend ausgewiesen; die verschiedenen Sphären werden nicht m i t Prägnanz bestimmt, sondern nur durch Beispiele illustriert, und das informationelle Selbstdarstellungs- und -bestimmungsrecht w i r d mehr gefordert als begründet. A n die Stelle der konstruktiven Evidenz t r i t t das Zitiersellschaftlichen Kommunikationen und Interaktionen in spezialgrundrechtlich geschützten Lebensbereichen steuernd, hemmend und einschüchternd betrifft, da kann und muß es an den Spezialgrundrechten gemessen werden; vgl. dazu unten Abschnitt 7.5. Aber die Positionen von Eberle und Garstka überziehen diese Einsicht, wenn sie ein informationelles Verfügungsrecht des Bürgers gegenüber dem Staat auch da spezialgrundrechtlich geschützt sehen wollen, wo die spezialgrundrechtlich freigesetzte gesellschaftliche Kommunikation und Interaktion gar nicht betroffen ist; vgl. auch hierzu unten Abschnitt 7.5. 6 Vgl. besonders Evers, Privatsphäre und Ämter für Verfassungsschutz, die änderen Arbeiten von Evers sowie die Aufsätze von Borgs-Maciejewski, de Lazzer/Rohlf, Salzwedel (alle Anm. 2). Demgegenüber gehen innerhalb dieses Diskussionsstrangs Denninger und Schatzschneider (beide Anm. 2) von einem durch die Datenschutzdiskussion geprägten, die Privatsphärenkonzeption verabschiedenden Verständnis von Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG aus. 7 Vgl. zu diesem Recht, das auch als informationelles Selbstbestimmungsrecht bezeichnet und oft unter Bezug auf Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 53 ff. entwickelt wird, C. Mallmann, Datenschutz in Verwaltungsinformationssystemen, S. 56 ff.; Podlech (Anm. 2), S. 29 bzw. 156 ff.; Steinmüller u.a. (Anm. 2), S. 87ff.; im Ergebnis ähnlich auch Eberle (Anm. 5), S. 308 ff.; Schwan, VerwArch 66 (1975), S. 131. Auch innerhalb dieses Diskussionsstrangs wird gelegentlich noch die Privatsphärenkonzeption tradiert, etwa bei der in Anm. 2 angeführten Kommentarliteratur. — Die beiden Diskussionsstränge zu integrieren, hat Rohlf (Anm. 2) unternommen. Er sieht wichtige Teilbereiche der Privatheit und Selbstdarstellung durch die Spezialgrundrechte der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Unverletzlichkeit der Wohnung sowie des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, des Schutzes von Ehe und Familie und auch des Schutzes der Kommunikation gewährleistet und den Restbereich durch Art. 2 Abs. 1 GG gesichert.

172

7 Informationsakte als Grundrechtseingriffe

kartell 8 . Die Theorie des Privatsphäreschutzes verweist zu ihrer Bestätigung auf die Rechtsprechung der Zivilgerichte und des Bundesverfassungsgerichts 9 . Aber auch die Lehre vom Selbstdarstellungsrecht bezieht sich auf die Rechtsprechung; i n ihr sieht sie das Scheitern des Versuchs, verschiedene Sphären zu unterscheiden und ihnen unterschiedliche Intensitäten des Schutzes zuzuordnen, dokumentiert und zugleich den eigenen Ansatz dort bestätigt, wo das Bundesverfassungsgericht i m Lebachurteil vom „Verfügungsrecht über Darstellungen der Person" spricht 1 0 . Tatsächlich läßt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beides erkennen, Möglichkeiten und Grenzen der Privatsphären- und der Selbstdarstellungskonzeption und außerdem die Probleme der Eingriffsqualität von Informationsakten überhaupt. 7.2 Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 7.2.1 Die einschlägige Entscheidungssequenz beginnt m i t dem Mikrozensusbeschluß 11, i n dem die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes bejaht wurde, das für statistische Zwecke eine Befragung über unternommene Erholungsreisen anordnete. Daß eine Befragung, die durch die Verpflichtung zur Beantwortung und die Ahndung der Nichtbeantwortung als Ordnungswidrigkeit sanktioniert ist, einen Eingriff i n die allgemeine Handlungsfreiheit darstellt, versteht sich. Wenn das Bundesverfassungsgericht i m Mikrozensusbeschluß von der Würde und Entfaltung der Persönlichkeit i n einem unantastbaren Innenraum, i n einem nur bestimmten Beziehungen zugänglichen Privatbereich und in 8 Diese verallgemeinernde und dabei vergröbernde Kritik greift der folgenden Auseinandersetzung mit der Privatsphären- und der Selbstdarstellungskonzeption sowie mit der problematischen Eingriffsqualität „verborgener" Informationsakte voraus. Sie kann aber schon vorab bezeichnen, daß die Privatsphärenkonzeption weitergeschrieben wird, ohne die schon früh geführte Grundsatzkritik — vgl. Forsthoff, Festschrift 45. Deutscher Juristentag, S.41 ff.; Steinmüller u.a. (Anm.2), S . 4 8 f f . — zur Kenntnis zu nehmen, und daß die Selbstdarstellungskonzeption ihre sozialwissenschaftliche Fundierung auf fragwürdige Weise dadurch gewinnen will, daß sie soziologische Einsichten aus dem ursprünglichen in einen andersartigen Zusammenhang überträgt und zu dogmatischen Versatzstücken verkürzt — vgl. dazu unten Abschnitt 7.4.3 mit Anm. 73 und schon früher Schlink, Der Bürger als Datenobjekt, S. 155 ff. —. M i t der problematischen Begründung der beiden Konzeptionen muß dann auch die Ableitung der Eingriffsqualität von Informationsakten problematisch geraten. 9 Vgl. die in Anm. 6 und 7 angeführte Literatur zur Privatsphärenkonzeption. 10 Vgl. Jensen (Anm. 2), S. 11; Schwan (Anm. 7), S. 131. 11 BVerfGE 27, 1—10.

7.2 Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

173

e i n e r d e r A u ß e n w e l t o f f e n l i e g e n d e n Sphäre h a n d e l t 1 2 , d a n n i s t dies n i c h t e r f o r d e r l i c h , u m die E i n g r i f f s q u a l i t ä t

der

z u b e g r ü n d e n . Das B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t

Informationserhebung

entwickelt vielmehr

die

U m r i s s e e i n e r S t u f e n l e h r e , die m i t d e r I n t e n s i t ä t des E i n g r i f f s d i e A n f o r d e r u n g e n a n seine Z u l ä s s i g k e i t w a c h s e n lassen w i l l , f o r m u l i e r t a l l e r dings m a n c h m a l u n k l a r u n d d a b e i g e l e g e n t l i c h auch so, als b e g r ü n d e erst e i n b e s t i m m t e r S p h ä r e n b e z u g die E i n g r i f f s q u a l i t ä t 1 3 . F ü r d i e s c h w i e r i g e n P r o b l e m e d e r angesprochenen Diskussionsstränge k a n n die E n t s c h e i d u n g n u r g e r i n g e H i l f e b i e t e n . Ob die d e m B ü r g e r als Eingriffe nicht w a h r n e h m b a r e n A k t e der Observation durch den V e r fassungsschutz, d e r Ü b e r m i t t l u n g v o n I n f o r m a t i o n e n u n d d e r E r s t e l l u n g v o n Persönlichkeitsbildern Eingriffe darstellen, muß offenbleiben. Z w a r scheint e i n e Passage d e m S t a a t d i e E r s t e l l u n g v o n P e r s ö n l i c h k e i t s p r o f i l e n oder -dossiers z u u n t e r s a g e n : „ M i t d e r M e n s c h e n w ü r d e w ä r e es n i c h t z u v e r e i n b a r e n , w e n n d e r S t a a t das Recht f ü r sich i n A n s p r u c h n e h m e n k ö n n t e , d e n M e n s c h e n z w a n g s w e i s e i n seiner ganzen P e r s ö n l i c h k e i t z u r e g i s t r i e r e n u n d z u k a t a l o g i s i e r e n , sei es a u c h i n d e r A n o n y m i t ä t e i n e r statistischen E r h e b u n g , u n d i h n d a m i t w i e eine Sache z u behandeln, die einer Bestandsaufnahme i n jeder Beziehung zugänglich i s t 1 4 . " A b e r v e r w e h r t w i r d d e m S t a a t h i e r die R e g i s t r i e r u n g u n d K a t a 12 Die Terminologie wechselt. Das Bundesverfassungsgericht spricht im Mikrozensusbeschluß vom „unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung", unter Hinweis auf Wintrich vom „ ,Innenraum 4 . . . , in dem er (der Bürger) ,sich selbst besitzt4 und ,in den er sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt' ", vom „innersten Lebensbereich", vom „Bereich menschlichen Eigenlebens . . . , der von Natur aus Geheimnischarakter hat", von der „Intimsphäre", vom „innersten (Intim-)Bereich", von „einzelnen Beziehungen, die der Außenwelt nicht zugänglich sind", und von einem weiteren „Bereich privaten Lebens". Die Dreiteilung der Sphären kommt im Mikrozensusbeschluß 8 zum Ausdruck: „Diese Befragung (über Urlaubs- und Erholungsreisen) betraf zwar einen Bereich privaten Lebens. Sie zwang den Betroffenen jedoch weder zu einer Offenlegung seiner Intimsphäre noch gewährte sie dem Staat Einsicht in einzelne Beziehungen, die der Außenwelt nicht zugänglich sind und deshalb von Natur aus »Geheimnischarakter 4 haben." I n den späteren Entscheidungen begegnet die Dreiteilung wieder, auch dort in wechselnden Ausdrücken. 18

Ebd. 7. — Es hängt mit dem schon oben (Anm. 2) angemerkten Umstand zusammen, daß das Bundesverfassungsgericht die Fragen nach der Zulässigkeit und nach der Eingriffsqualität der Informationserhebung gelegentlich vermengt. Diese Vermengung ist natürlich. Die Beantwortung der Zulässigkeitsfrage ist das eigentliche Ziel und der leitende Gesichtspunkt der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts; beim unzulässigen Informationsakt ist ebenso wie beim zulässigen die Eingriffsqualität neben der Unzulässigkeit bzw. Zulässigkeit entscheidungsunerheblich. Anders als für das Bundesverfassungsgericht ist es jedoch für die Verfassungsrechtsdogmatik von erheblichem Interesse, ob eine Grundrechtsverletzung deswegen nicht vorliegt, weil es überhaupt am Eingriff fehlt, oder darum, weil der Eingriff zulässig ist. 14 Ebd. 6.

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logisierung nur dann, wenn sie zwangsweise stattfindet, und ob dies bei den ohne sichtbaren Zwang vorgenommenen und nicht als handfeste Eingriffe wahrnehmbaren verwaltungsinternen und computerunterstützten Informationsübermittlungs- und -Verarbeitungsakten der Fall ist, ist gerade die Frage. 7.2.2 Die offenen Probleme der Eingriffsqualität von Informationsakten löst ein Stück weit der Scheidungsaktenbeschluß, i n dem das Bundesverfassungsgericht Anforderungen für eine Übermittlung von Ehescheidungsakten i n ein Disziplinarverfahren aufstellt 1 6 . Was die Ehegatten aus ihrem I n t i m - und Privatleben i m Ehescheidungsverfahren offenbaren mußten und was der Ehemann i m Disziplinarverfahren zurückhalten konnte, war dem Untersuchungsführer dadurch bekannt geworden, daß das Landgericht ihm die A k t e n i m Wege der Amtshilfe übersandt hatte. Das Bundesverfassungsgericht erblickt „ i n der Gestattung einer Übersendung der Akten des Ehescheidungsverfahrens an den Untersuchungsführer, die ihre formelle Grundlage i n der Verpflichtung zur Leistung von Amts- und Rechtshilfe hat, ein(en) Eingriff i n das Persönlichkeitsrecht der Ehegatten" 1 6 , der ohne deren Einverständnis nur bei Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig ist. Den Schluß, jede auf Ersuchen i m Weg der Amtshilfe oder ohne Ersuchen unter Einsatz des Computers erfolgende Übermittlung von Informationen über den Bürger stelle einen Eingriff dar, trägt die Entscheidung zwar noch nicht. Denn die Eingriffsqualität der Informationsübermittlung kann hier aus der Eingriffsqualität der vorausgegangenen Informationserhebung geschlossen werden, und wo diese fehlt, da mag auch jene fehlen. I n der Beschränkung auf die Übermittlung durch Eingriff erhobener Informationen w i r d der Schluß jedoch durch die Entscheidung getragen und ist er auch i n der Sache stimmig. Informationserhebungseingriffe haben eben i n der Information und i n den die Information festhaltenden Daten ein Resultat, so daß der erneute Einsatz der Eingriffsbefugnis durch den Rückgriff auf das Resultat eines früheren Befugniseinsatzes erübrigt werden kann. A u f ein Ersuchen u m Informationsübermittlung hin muß die Information nicht erst durch Eingriff erhoben, sondern kann das schon vorliegende Resultat eines früheren Informationserhebungseingriffs übermittelt werden. Da nun die Informationsübermittlung das Äquivalent für einen erneuten Informationserhebungseingriff ist, kann das Bundesverfassungsgericht 15 16

BVerfGE 27, 344—355. Ebd. 352.

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auch die Übermittlung den für die Erhebung geltenden Anforderungen unterwerfen und als Eingriff bezeichnen. Das Bundesverfassungsgericht untersucht zunächst die Offenbarung der intimen und privaten ehelichen Vorgänge i m Gerichtsverfahren. Zu ihr waren die Ehegatten gesetzlich verpflichtet 1 7 , wobei die Offenbarungspflicht nur dem Zweck der gerichtlichen Entscheidung des ehelichen Rechts- und Interessenkonflikts dient und darum auch nur vor Gericht besteht. Der Informationserhebungseingriff i n A r t . 2 Abs. 1 GG, der stets vorliegt, wenn der Staat zur Befragung berechtigt und der Bürger zur Offenbarung verpflichtet ist, ist i n dieser Zuordnung zu seinem Zweck normiert und verhältnismäßig. Oben wurde dargestellt, wie ein Eingriff seine Prägung durch die Aufgabe erhält, die er erfüllt, und daß die Einräumung bestimmter Eingriffsbefugnisse i n Zuordnung zu bestimmten Aufgaben erfolgen muß. Der grundrechtliche Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes verlangt, daß i m Eingriffsbereich die Zuordnung von Befugnissen und Aufgaben und damit die Schaffung von Kompetenzen durch den Gesetzgeber geschieht und daß auch die Amtshilfe, wenn sie die Eingriffsbefugnis einer ersuchten Behörde einer Aufgabe der ersuchenden Behörde dienstbar macht, auf gesetzlicher, genauer auf spezialgesetzlicher Grundlage stattfindet. Diese Konstellation begegnet i m Scheidungsaktenbeschluß: Eine Eingriffsbefugnis des Gerichtsverfahrens w i r d für die Aufgabe des Disziplinarverfahrens eingesetzt, für die sie nicht eingeräumt ist. Eine Besonderheit besteht zwar darin, daß die Eingriffsbefugnis nicht derart ihrer eigentlichen Aufgabe entfremdet wird, daß sie auf das Ersuchen h i n für die andere Aufgabe erst ausgeübt wird, sondern dadurch, daß ihr schon vorliegendes Resultat der anderen Aufgabe zugeführt wird. Aber diese Besonderheit ist m i t der Einsicht i n die Eingriffsqualität der I n formationsübermittlung bei Eingriffsqualität der vorgängigen Informationserhebung als unwesentlich erkannt. So wäre denn für die Übermittlung der Ehescheidungsakten i n das Disziplinarverfahren ein Spezialgesetz zu fordern. Stattdessen läßt das Bundesverfassungsgericht den Übermittlungseingriff großzügig seine „formelle Grundlage i n der Verpflichtung zur Leistung von Amts- und Rechtshilfe" finden und bindet ihn nur an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Grund hier17 Dies gilt, obwohl die Erfülung der Verpflichtung auch bei der Vernehmung nach damals § 619 ZPO trotz des Untersuchungsgrundsatzes in damals § 622 ZPO nicht erzwungen, sondern nur die Nichterfüllung bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden konnte; vgl. GÖppinger, Z Z P 7 3 (1960), S. 81 ff. Das Bundesverfassungsgericht spricht 351 davon, daß die Ehegatten zur Offenbarung durch „das geltende Recht veranlaßt" werden, und der Bundesminister der Justiz hatte vor dem Bundesverfassungsgericht ausgeführt, daß „auf Grund des geltenden Rechts die Ehegatten gezwungen seien, Angaben über die intimsten Vorgänge und Tatsachen zu machen" (vgl. 348).

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für dürfte das aus der Geschichte des Instituts der Amtshilfe geläufige Mißverständnis sein, Recht u n d Pflicht zur Amtshilfe böten eine allgemeine Grundlage für gesetzesunabhängige amtshilfemäßige Eingriffe 1 8 . Insgesamt w i r f t der Beschluß ein Licht auf die Schwächen des Schutzes, den die Privatsphäre letztlich genießt. I m Mikrozensusbeschluß, i n dem das Bundesverfassungsgericht die Umrisse seiner Stufenlehre zur Privatsphäre entwickelt, w a r der Fall noch unproblematisch: Die Informationserhebung betraf m i t den Erholungsreisen die der Außenwelt offenliegende Sphäre, sie war als Eingriff von geringer Intensität und sie geschah auf gesetzlicher Grundlage. I m Scheidungsaktenbeschluß dagegen betrifft der Informationseingriff intimere und privatere Sphären und steht auf fragwürdiger Grundlage; hier müßte die Stufenlehre sich bewähren und hätte die Privatsphäre ihre A b wehrkraft und Eingriffsfestigkeit zu erweisen. Aber hier w i r d der Schutz abgeschwächt. Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage w i r d großzügig behandelt, u n d die i m Mikrozensusbeschluß entwickelte Stufung der verschiedenen Sphären, die zunehmenden Schutz genießen, verschwimmt. Was soll der i m Mikrozensusbeschluß bezeichnete „unantastbare Bereich privater Lebensgestaltung" sein, der „der Einwirkung öffentlicher Gewalt entzogen" und auch der staatlichen „Einsichtnahme" verschlossen ist 1 9 , wenn er nicht das eheliche Privat- und Intimleben umfaßt? Wenn der unantastbare Bereich i m Scheidungsaktenbeschluß gerade deswegen u m das eheliche Privat- und Intimleben verkürzt wird, w e i l „das geltende Recht . . . unter Umständen die Ehegatten (veranlaßt), dem Gericht Kenntnis von dem innersten Bereich ihres gemeinsamen Lebens zu geben" 2 0 , dann ist er überhaupt preisgegeben, weil zur Disposition des Gesetzgebers gestellt, der das geltende Recht schafft 21 . Noch bleiben zwei Bereiche, von denen der eine nur bestimm18 Anders müßte als Grund vermutet werden, daß das Bundesverfassungsgericht den Gesetzesvorbehalt bei Eingriffen in die Privatsphäre locker handhaben will. Aber gegen diese Vermutung spricht, daß es fordert, bei Eingriffen in die Privatsphäre von den „Grundsätzen . . . über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit" auszugehen (351). 19 BVerfGE 27,6. 20 Diese Feststellung trifft das Bundesverfassungsgericht 351 i m Anschluß an und zur Begründung für die folgende Passage: „Akten eines Ehescheidungsverfahrens betreffen zwar den privaten Lebensbereich der Ehepartner; sie können jedoch nicht dem schlechthin unantastbaren Bereich in dem Sinne zugeordnet werden, daß schon jeder Einblick durch Außenstehende von vornherein unzulässig wäre." 21 Er ist nicht schutzlos gestellt, aber als unantastbarer Bereich preisgegeben. Denn die Disposition des Gesetzgebers hebt die Unantastbarkeit des Privat- und Intimbereichs auf, auch wenn sie durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt ist.

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ten Beziehungen zugänglich sein und der andere der Außenwelt offenliegen soll. Aber eine deutliche Grenze zwischen den beiden Bereichen w i r d nicht gezogen und ein klarer Unterschied zwischen den für einen Informationseingriff jeweils geltenden Zulässigkeitsbedingungen nicht getroffen. So hängt denn alles von der Abwägung i m Einzelfall ab. I m Scheidungsaktenfall w i r d die Abwägung des Oberlandesgerichts, das die Übermittlungsverfügung des Landgerichts bestätigt hatte, vom Bundesverfassungsgericht als unzureichend gerügt. Gleichwohl hat die Privatsphärenkonzeption die Konturen, die sie i m Mikrozensusbeschluß gewonnen zu haben schien, wieder verloren. Seinen Ertrag hat der Scheidungsaktenbeschluß darin, daß er die Eingriffsqualität einer Informationsübermittlung bei Eingriffsqualität der vorgängigen Informationserhebung erkennen läßt. Von Bedeutung ist er aber auch dadurch, daß er die vorgängige Informationserhebung überhaupt als Eingriff zugrundelegt. Immerhin ist hier das Recht des Staates zur Befragung und die Pflicht des Bürgers zur Beantwortung Teil eines Gerichtsverfahrens, das auf Veranlassung und m i t Willen des Bürgers stattfindet. Es wäre denkbar, einer Informationserhebung dann die Eingriffsqualität abzusprechen, wenn sie zwar vom Staat m i t Befehl und Zwang vorgenommen wird, letztlich aber vom Bürger veranlaßt ist. Die Überlegung dabei wäre, daß bei einer Informationserhebung von einem Eingriff dann nicht zu sprechen sei, wenn die Einleitung des Verfahrens, i n dessen Zusammenhang die Information verlangt wird, i n der Hand des Bürgers liegt. Indem das Bundesverfassungsgericht nicht auf den Gesamtzusammenhang des Verfahrens, sondern auf das Einzelereignis der Informationserhebung und darauf abstellt, ob diese m i t Befehl und Zwang erfolgt, bejaht es ein Prinzip, das seine Hauptanwendung i m Bereich der Leistungsverwaltung findet. Hier, wo bei der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen zahlreiche Informationen über den Bürger erhoben werden müssen, ist es regelmäßig der Bürger selbst, der die entsprechenden Bewilligungsverfahren durch seine Anträge i n Gang setzt. Die Informationen allein schon deshalb als freiwillig erbracht anzusehen, ist m i t dem Begründungsgang des Scheidungsaktenbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar. Das t r i f f t sich m i t einer i m Schrifttum vorgetragenen Überlegung: Staatliche Einrichtungen und Leistungen sind weithin ebenso Teil der Existenz des Bürgers wie gesellschaftliche Zusammenhänge, er kann auf jene nicht leichter verzichten als auf diese und w i r d dort wie hier von der Informationserhebung, die durch das Recht zur Befragung bzw. die Pflicht zur Offenbarung abgesichert ist und der er sich schwerlich entziehen kann, ähnlich getroffen. Wie die selbständige Entscheidung zum Wohnortwechsel die vom Recht verlangte Mel12 S chi ink

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dung am Zuzugsort nicht zur freiwilligen Informationsmitteilung macht, n i m m t auch die selbständige Entscheidung zur Antragstellung den rechtlich gebotenen Angaben i m Bewilligungsverfahren nicht die Eingriffsqualität 2 2 . 7.2.3 Die nächste Entscheidung zum Informationseingriff ist der Beschluß zur KrankenblattbeschlagnahmeDer Verfassungsbeschwerdeführer hatte als Beschuldigter eine Verletzung und deren Behandlung durch einen Arzt behauptet, diesen aber von der Schweigepflicht nicht befreit. Darauf wurde, nachdem der Arzt die Auskunft verweigert hatte, das Krankenblatt aus der Arztkartei beschlagnahmt 24 . Auch das Krankenblatt bzw. die darin festgehaltenen Gesundheitszustände, Krankheitsverläufe und Heilungsmaßnahmen sollen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum unantastbar intimen, aber zum privaten Bereich des Patienten gehören. Auch der i n der Beschlanahme des Krankenblatts liegende Eingriff soll nur nach Maßgabe einer „Abwägung, die alle Umstände des Einzelfalles i n Betracht zieht" 2 5 , erfolgen. Auch hier rügt das Bundesverfassungsgericht unzureichende Abwägung und verfassungsnonkonforme Auslegung des einfachen Rechts, ohne daß damit die Privatsphärenkonzeption Konturen gewönne. Aber auch hier w i r d andererseits die Klärung der Eingriffsqualität von Informationserhebungen vorangetrieben. Erfolgte i n den bisherigen Sachverhalten die Erhebimg der Informationen über einen Bürger auch von diesem Bürger 2 8 , so w i r d hier die Information über den Patienten bei seinem Arzt erhoben. Bei i h m w i r d das Krankenblatt beschlagnahmt, nachdem er die Auskunft unter Berufung auf seine Schweigepflicht verweigert hat. Der i n der Befragung und i n der Verschaffung der Auskunft durch die Beschlagnahme liegende Eingriff findet handfest gegenüber dem A r z t statt. Vom Patien22

Für strikte Anforderungen an die Beurteilung von Informationsmitteilungen durch den Bürger als freiwilliger Leistungen auch Bull, Zweiter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, S. 44 f.; Jensen (Anm. 2), S. 24 ff.; Schwan (Anm. 7), S. 145 f.; Schmidt (Anm. 3), S. 247; Pod lech, Datenschutz im Bereich der öffentlichen Verwaltung, S. 12, 57; Herzog (Anm. 5), Randnr. 44 f. 23 BVerfGE 32, 373—387. 24 Daß zwei verschiedene Ärzte beteiligt waren, ein verstorbener Arzt, der die Behandlung durchgeführt hatte, und sein Sohn, der die Praxis fortführte, wird vom Bundesverfassungsgericht zu Recht als belanglos behandelt (381 f.). 25 Ebd. 381. 26 I m Scheidungsaktenbeschluß erhielt zwar der Untersuchungsführer die Information vom Gericht, aber dieses hatte sie in hoheitlicher Funktion vom Bürger erhoben.

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ten w i r d dagegen eine Auskunft weder verlangt noch erzwungen. Wenn das Bundesverfassungsgericht dennoch von einem Eingriff auch gegenüber dem Patienten und damit von einem Eingriff m i t Doppelwirkung ausgeht, dann setzt es, ähnlich wie i m Scheidungsaktenbeschluß, einen Zugriff auf das Resultat bzw. den Inhaber eines früheren Informationsakts und einen Eingriff durch ein direktes Erheben derselben Information einander gleich. Es handelt die Beschlagnahme des Krankenblatts beim Arzt als Äquivalent der Erzwingung der Auskunft vom Patienten. Allerdings war die Gleichsetzung i m Scheidungsaktenbeschluß dadurch begründet, daß die Information, deren Resultat vorlag und übermittelt wurde, ihrerseits durch Eingriff -erlangt worden war. Die Eingriffsqualität der Informationsübermittlung folgte aus der Eingriffsqualität der Informationserhebung. I m Fall der Krankenblattbeschlagnahme ist dagegen die Auskunft, auf deren Resultat bzw. Inhaber zugegriffen wird, vom Patienten freiwillig gegeben worden. Hier muß die Qualifizierung der Beschlagnahme beim Arzt als Eingriff gegenüber dem Patienten einen anderen Grund haben. Zwei Konstruktionen kommen i n Frage. Zum einen kann die Qualifizierung des Eingriffs beim Arzt als Eingriff auch gegenüber dem Patienten ihren Grund darin haben, daß der Patient zum Arzt ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat, daß dieses Vertrauensverhältnis ein Stück der Persönlichkeitsentfaltung des Patienten ist und daß daher der Eingriff beim Arzt einen Eingriff i n das Vertrauensverhältnis und damit auch gegenüber dem Patienten darstellt. Entscheidend ist dabei zweierlei, daß zwischen Patient und Arzt ein Vertrauensverhältnis besteht und daß die Informationserhebung immerhin gegenüber dem Arzt deutlich Eingriffsqualität besitzt. Anders läge der Fall dann, wenn die Auskunft bzw. das Krankenblatt dem Arzt nicht abverlangt und abgezwungen, sondern von i h m freiw i l l i g herausgegeben worden wären. Geschützt ist also nach dieser ersten Konstruktion das Vertrauen des Patienten insoweit und nur insoweit, als der Arzt es tatsächlich nicht enttäuscht; gegen den Staat abgeschirmt ist das Verhältnis zwischen Arzt und Patient so und nur so, wie beide zusammen es gegen den Staat tatsächlich abschirmen wollen. Zum anderen kann die Qualifizierung der Informationserhebimg beim Arzt als Eingriff gegenüber dem Patienten ihren Grund aber auch darin haben, daß Informationen über persönliche Angelegenheiten und besonders über gesundheitliches Befinden letztlich immer vom betroffenen Bürger selbst stammen, daß sie ohne seine Befragung und Auskunft nicht gewonnen werden können und daß daher die Informations12»

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erhebung beim Arzt gewissermaßen die Ersatzvornahme für die Informationsmitteilung durch den Patienten darstellt 2 7 . Wie von diesem die Informationen nur durch einen Eingriff i n die allgemeine Handlungsfreiheit erfragt, verlangt und erzwungen werden können, greift auch die Ersatzvornahme dieses Informationserhebungseingriffs i n die allgemeine Handlungsfreiheit ein. Diese zweite Konstruktion hat Konsequenzen. Denn für die Eigenschaft der Informationserhebung beim Arzt als einer Ersatzvornahme ist es gleichgültig, ob die Information vom Arzt durch Beschlagnahme erzwungen oder ob sie freiwillig gegeben wird. Auch wenn der Arzt von seinem Weigerungsrecht nach § 53 StPO keinen Gebrauch macht, ist die Zulassung seiner Zeugenaussage ein Eingriff gegenüber dem Patienten 2 8 . I m Ergebnis bedeutet nach der zweiten Konstruktion überhaupt jede staatliche Informationserhebung, die bei einem Bürger die persönlichen Angelegenheiten eines anderen Bürgers ermittelt, einen Eingriff i n dessen Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG und bedarf der gesetzlichen Grundlage. Das Bundesverfassungsgericht t r i f f t i m Beschluß zur Krankenblattbeschlagnahme zwischen den beiden Konstruktionen keine Unterscheidung und auch keine Entscheidung. Es geht von der Qualität der Beschlagnahme beim Arzt als einem Eingriff gegenüber dem Patienten sehr unbefangen aus. Dies t u t es ebenso auch i n einer späteren Parallelentscheidung zur Beschlagnahme von Klientenakten einer Suchtberatungsstelle 29. Auch i n diesem Beschluß qualifiziert es die Beschlagnahme bei der Suchtberatungsstelle ganz unproblematisch als Eingriff gegenüber den Klienten. W i r d der Unterschied zwischen den beiden Konstruktionen darauf zugespitzt, daß die erste ihren Schutzbereich mehr i m gemeinsamen Handlungszusammenhang, i n der tatsächlichen Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patienten hat, während die zweite mehr auf die Handlungs- und Aussagefreiheit des Patienten, auf sein Verschwiegenheits- und Vertrauensbedürfnis abstellt, dann paßt der folgende, allein auf den Horizont des Patienten abstellende Satz vielleicht besser zur zweiten Konstruktion: „Wer sich i n ärztliche 27 Der Begriff der Ersatzvornahme wird hier nicht i m engen verwaltungsvollstreckungstechnischen, sondern in einem weiteren, rechtsgrundsätzlichen Sinn gebraucht. Vgl. zum Verständnis der Ersatzvornahme allgemein Mertens, Die Kostentragung bei der Ersatzvornahme i m Verwaltungsrecht, S. 18 ff. 28 Dieser Eingriff hat dann allerdings seine gesetzliche Grundlage in der StPO, die es dem Arzt freistellt, ob er von seinem Verweigerungsrecht Gebrauch macht oder nicht. — Wiederum gilt es, die Eingriffsqualität und die Zulässigkeit staatlichen Handelns auseinanderzuhalten; die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer weiter ausgreifende Qualifizierung von Informationsakten als Eingriffen bedeutet keineswegs ein entsprechend zunehmendes Verdikt über ihre Zulässigkeit. 29 BVerfGE 44, 353—384.

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Behandlung begibt, muß und darf erwarten, daß alles, was der Arzt i m Rahmen seiner Berufsausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt 3 0 ." Ebenso paßt die spätere Parallelentscheidung w o h l insofern eher zur zweiten Konstruktion, als sie das Vertrauensverhältnis zwischen Suchtberater und Klient nicht etwa bei der Feststellung des Eingriffs und als dessen Voraussetzung erörtert, sondern erst bei der A b wägung des staatlichen Interesses an der Vornahme und des Klienteninteresses an dem Unterbleiben des Eingriffs. Auch sonst w i r d durch den Fortgang der Entscheidungssequenz die zweite Konstruktion zwar nicht explizit, aber doch implizit bestätigt. Ganz freilich kann das Verhältnis zwischen den beiden Konstruktionen und ihrer beider teilweise Berechtigung erst i n der Gesamtwürdigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erhellt werden 3 1 . 7.2.4 I m Beschluß zum Zeugnisverweigerungsrecht von Sozialarbeitern 32, der nächsten einschlägigen Entscheidung, erblickt das Bundesverfassungsgericht darin, daß vom Sozialarbeiter eine Zeugenaussage über die Mitteilungen eines Klienten verlangt wird, einen Eingriff i n dessen Persönlichkeitsentfaltung. Wieder liegt ein handfester Eingriff vor, der Eingriff gegenüber dem Sozialarbeiter, von dem das Zeugnis verlangt und verweigert wurde. Hierdurch bekam das Vorlageverfahren auf Überprüfung der Nichteinräumung eines Zeugnisverweigerungsrechts an Sozialarbeiter i n § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO den Anstoß. Wieder fehlt dagegen der handfeste Eingriff gegenüber dem Klienten, und anders als i m Beschluß zur Krankenblattbeschlagnahme fehlt auch ein Vertrauensverhältnis zwischen Sozialarbeiter und Klient, das dieser als Teil seiner Persönlichkeitsentfaltung ansehen könnte. Jedenfalls geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, es gebe hier „keine berufstypische Vertrauenssituation, die dadurch gekennzeichnet wäre, daß der Klient vom Sozialarbeiter die Geheimhaltung von Tatsachen seines privaten Lebensbereichs erwartet" 3 3 . Wenn bei der ersten Konstruktion die Herstellung und das Funktionieren einer Vertrauensbeziehung zwischen zwei Bürgern der Grund für die Doppelwirkung des Eingriffs gegenüber beiden Bürgern ist, dann greift diese Konstruktion i m Beschluß zum Zeugnisverweigerungsrecht von Sozialarbeitern nicht. Dann muß der Grund für die Doppelwirkung des Eingriffs m i t der zweiten Konstruktion darin gesucht werden, daß die Informationser30

BVerfGE 32, 380. Siehe unten Abschnitt 7.3.1. 32 BVerfGE 33, 367—387. 33 Ebd. 380. — Ob diese Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zutrifft, ist hier nicht zu untersuchen. 31

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hebung beim Sozialarbeiter gewissermaßen die Ersatzvornahme der Informationserhebung beim Klienten ist. Daß gerade ein Sozialarbeiter die Auskunft geben soll, ist dabei eigentlich nicht mehr wesentlich; ein Eingriff ist i n der Konsequenz dieser Konstruktion ebenso gegeben, wenn sonst ein Bürger eine Aussage über die persönlichen Angelegenheiten eines anderen Bürgers macht. Diese Konsequenz kommt i n der Entscheidungsbegründung auch zum Ausdruck. Für den Eingriff i n die Persönlichkeitsentfaltung des Klienten, der i n der Zeugenvernehmung des Sozialarbeiters liegt, verlangt das Bundesverfassungsgericht wieder eine Abwägung. Einerseits hat sie schon der Gesetzgeber vorgenommen, als er die Sozialarbeiter aus dem i n § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO aufgeführten Personenkreis ausschloß. Gegen das Ergebnis dieser gesetzgeberischen Abwägung ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nichts zu erinnern 3 4 . Andererseits hält das Bundesverfassungsgericht es zwar für unwahrscheinlich, aber nicht für undenkbar, daß auch einmal eine „Begrenzung des Zeugniszwangs unmittelbar aus der Verfassung" folgt 3 5 . Eine Einschränkung des Zeugniszwangs könne auch das „Ergebnis einer vom Richter vorzunehmenden konkreten und fallorientierten Abwägung" sein, bei der das Gewicht der Belange der Strafrechtspflege gegen „die Intensität des durch die Zeugenvernehmung bewirkten Eingriffs i n die Privatsphäre des Betroffenen" stehe 36 . Diese Frage nach der Intensität des Eingriffs setzt die Bejahung seiner Existenz voraus. I n der Zeugenvernehmung liegt ein Eingriff gegenüber dem, über den die Zeugenaussage gemacht w i r d 3 7 , und bei gehöriger Eingriffsintensität und entsprechendem A b wägungsergebnis kann die Verfassung zur Unzulässigkeit des Eingriffs führen und die Beschränkung des Zeugniszwangs verlangen. 7.2.5 Auch beim Beschluß zur Verwertung einer Tonbandaufnahme, der weiteren Entscheidung zum Informationseingriff i m Zusammenhang des Strafverfahrens, liegt die Interpretation i m Sinn der dargelegten Konstruktion nahe, ohne allerdings durch die Entscheidung eine deutlichere Bestätigung oder zusätzliche Klärung zu finden. 84

Ebd. 378 ff. Ebd. 374. — Die Unwahrscheinlichkeit stellt das Bundesverfassungsgericht 375 deutlich heraus. „Nur äußerst selten" werde der Richter „Veranlassung haben, eine verfassungsrechtliche Begrenzung des Zeugnizwangs außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts überhaupt in Betracht zu ziehen". 36 Ebd. 375. 37 Noch einmal (vgl. schon oben Anm. 28) ist daran zu erinnern, daß der Eingriff gegenüber demjenigen, über den die Zeugenaussage gemacht wird, fast stets seine ausreichende gesetzliche Grundlage in den Bestimmungen der Verfahrensgesetze über die Zeugenvernehmung findet. 35

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Der Beschluß über die Zulässigkeit der Verwertung einer heimlich aufgenommenen privaten Tonbandaufnahme i n einem Ermittlungsverfahren 3 8 stellt auf das Recht am gesprochenen Wort ab, das ebenso wie das Recht am eigenen B i l d vom Grundrecht der Persönlichkeitsentfaltung geschützt sei. Allerdings nur i n bestimmten Grenzen, d. h. wieder i n bestimmten Sphären: Von einem absolut geschützten unantastbaren intimen Kernbereich w i r d ein relativ geschützter, unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einschränkbarer privater Restbereich unterschieden, wovon dann noch ein weiterer, ungeschützter Lebensbereich abgesetzt wird, i n dem die Tonbandaufnahme üblich sei, das gesprochene Wort seinen privaten Charakter einbüße und die Persönlichkeitsentfaltung nicht betroffen werde 3 9 . Wieder siedelt das Bundesverfassungsgericht den Fall, bei dem Vertragsverhandlungen unter sechs Augen aufgenommen worden waren, i m sozusagen normalen Privatbereich an. Die Ausführungen zu den anderen Bereichen sind nicht entscheidungserheblich und nicht ausgearbeitet; was der absolut geschützte Bereich sein soll, bleibt auch hier ungewiß 4 0 , und was zum ungeschützten Bereich ausgeführt wird, ist nicht überzeugend. I m Geschäftsleben mag bei Gesprächen m i t der Tonbandaufnahme durch den Gesprächspartner gerechnet werden, aber nicht m i t einem Zugriff des Staates auf den Gesprächsinhalt, i n dem sich die vom Bundesverfassungsgericht an anderem Ort durchaus zur Persönlichkeitsentfaltung gerechnete wirtschaftliche, geschäftliche und unternehmerische Entfaltung beider Gesprächspartner niederschlägt 41 . So gewinnt die Privatsphärenkonzeption auch hier keine Konturen. Die Verwertung der heimlich aufgenommenen privaten Tonbandaufnahme gegen den Willen eines Gesprächspartners ist ein Eingriff i n A r t . 2 Abs. 1 GG, genauer „ein Eingriff i n das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht am eigenen W o r t " 4 2 . Zu dem Gesichtspunkt der 38

BVerfGE 34,238—251. Ebd. 245 ff. 40 Werden die ihm geltenden Bemerkungen ebd. 248 und BVerfGE 33, 377 zusammengelesen, dann wird die Unklarheit und auch die Widersprüchlichkeit der Bestimmung dieses Bereichs besonders anschaulich. I n der früheren dieser beiden Entscheidungen stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß „der Einzelne den innersten B e z i r k . . . zwangsläufig verläßt, sobald er sich anderen freiwillig mitteilt", in der späteren kann es dagegen davon sprechen, daß bei einer Unterredung „höchstpersönliche Dinge, die der unantastbaren Intimsphäre zugerechnet werden könnten, . . . nicht zur Sprache (kamen)", und also davon ausgehen, daß eine Tatsache ihre Zugehörigkeit zum innersten Bereich doch noch nicht dadurch verlieren muß, daß »sie zur Sprache gebracht wird. 41 BVerfGE 4, 7—26 (15 f.); 6, 3 2 - 4 5 (41); 8, 274—332 (328); 10, 89—118 (99); 12, 341—354 (347); 14, 263—288 (281 f.); 29, 260—268 (266f.). 42 BVerfGE 34, 247. 39

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Ersatzvornahme, unter dem oben die Äquivalenz der direkten und der indirekten Informationserhebung, d. h. der Befragung eines Mitbürgers und des Zugriffs auf ein Informationsresultat m i t der Befragung des Bürgers selbst konstruiert wurde, t r i t t hier ein weiterer Gesichtspunkt. Das Bundesverfassungsgericht deutet besondere Gefahren der indirekten Informationserhebung an. Die indirekt erhobene Information kann irreführen, wenn „Worte, eine vielleicht unbedachte oder unbeherrschte Äußerung, eine bloß vorläufige Stellungnahme i m Rahmen eines sich entfaltenden Gesprächs oder eine nur aus einer besonderen Situation heraus verständliche Formulierung bei anderer Gelegenheit und i n anderem Zusammenhang hervorgeholt werden könnte, u m m i t ihrem Inhalt, Ausdruck oder Klang gegen i h n (den Sprechenden) zu zeugen" 43 . Das Bundesverfassungsgericht sieht auch, daß das Bewußtsein darum und die Angst davor vorauswirken und die „Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation" stören können 4 4 . Hier taucht, wenn auch ohne Verwendung des Begriffs, das Problem der Selbstdarstellungsverfälschung und damit das Anliegen der Selbstdarstellungskonzeption auf 4 5 . Wo der Mensch nicht mehr Herr seiner Selbstdarstellung ist, sondern damit rechnen muß, daß seine Lebensäußerungen i n verzerrten, unvollständigen oder auch übervollständigen Bildern seiner selbst festgehalten und i h m konfrontiert werden, da muß das auf seine Lebensäußerungen und damit auf seine Persönlichkeitsentfaltung zurückschlagen. Die zitierte Passage stellt nicht auf die Tonbandaufnahme und deren Heimlichkeit ab, sondern bezeichnet ein Problem jeder indirekten Informationserhebung. Die scheinbare Objektivität u n d Vollständigkeit der Tonbandaufnahme und die Wehrlosigkeit gegenüber ihrer Heimlichkeit erhöhen aber die Brisanz des Problems, dem deswegen auch das Strafrecht zu begegnen sucht. Gelegentlich formuliert das Bundesverfassungsgericht so, als sei die Heimlichkeit mitkonstituierend für die Existenz eines Eingriffs 4 0 . Dann formuliert es aber auch anders, als sei sie bedeutsam nur für die Intensität des Eingriffs und als Aspekt der Abwägung, die, sorgfältiger als durch das Landgericht, auch hier zwischen den Belangen der Strafrechtspflege und denen des Beschuldigten erfolgen muß und die Heimlichkeit i m Zusammenhang damit bedenken 48 44 45

Ebd. 246 f. Ebd. 246.

Vgl. die Nachweise oben Anm. 7. BVerfGE 34, 247: „Das Gespräch... war vertraulich. Seine Aufnahme erfolgte heimlich. Der Beschwerdeführer hat der Auswertung der Aufnahme zu Beweiszwecken widersprochen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Verwertung im Ermittlungsverfahren als ein Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht am eigenen Wort dar." 46

7.2 Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

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und bewerten soll, daß der Beschuldigte nicht gegen sich selbst aussagen muß 4 7 . I m Licht der bisherigen Überlegungen darf die Heimlichkeit als Gesichtspunkt nicht des Vorliegens, sondern der Intensität des Eingriffs eingeschätzt werden. 7.2.6 M i t dem Recht am gesprochenen Wort und am eigenen B i l d sieht das Lebachurteil 48 auch das „Verfügungsrecht über Darstellungen einer Person" 4 9 durch das Grundrecht der Persönlichkeitsentfaltung geschützt. Daß es bei diesem Verfügungsrecht u m ein Selbstdarstellungsrecht i n der Gesellschaft, aber nicht um das Selbstdarstellungsrecht gegenüber dem Staat geht, das i n der Datenschutzdiskussion erörtert und gelegentlich m i t dem Verfügungsrecht gleichgesetzt w i r d 5 0 , zeigt freilich sogleich der erläuternde Satz: „Jedermann darf grundsätzlich selbst und allein bestimmen, ob und wieweit andere sein Lebensbild i m ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen 5 1 ." Auch hat die Fallsituation des Lebachurteils, die Darstellung einer Person durch eine Fernsehsendung vor der Öffentlichkeit, m i t der Problemkonstellation des Datenschutzes, der Erfassung einer Person i n staatlichen A k t e n und Dateien, wenig genug zu tun. Wieder setzt das Bundesverfassungsgericht m i t einer Umschreibung der betroffenen Grundrechte der Menschenwürde und der Persönlichkeitsentfaltung an und unterscheidet dabei zwischen dem absolut geschützten „unantastbaren innersten Lebensbereich" und einem relativ, nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geschützten Lebensbereich m i t „Sozialbezug" 52 . Wieder fordert es eine Abwägung, in der das entgegenstehende Gut oder Interesse ermittelt und Intensität, Geeignetheit und Notwendigkeit des Eingriffs überprüft werden sollen. A n dieser Abwägung läßt es die Ausstrahlung der Fernsehsendung scheitern: Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit verlangt die Ausstrahlung nicht, hingegen verlangt das Resozialisierungsbedürfnis des Betroffenen, eines vor der Entlassung stehenden Straftäters, ihr Unterbleiben. Anders als i n den bisherigen Entscheidungen steht i m Lebachurteil der Persönlichkeitsentfaltung nicht ein staatliches Gut oder Interesse entgegen, sondern eine grundrechtliche Position, die Rundfunkfreiheit 47 48 40 50 51 52

Ebd. 249. BVerfGE 35, 202—245. Ebd. 220. Vgl. die Nachweise oben Anm. 10. BVerfGE 35,220. Ebd. 219 ff.

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der Fernsehanstalt, die vom Bundesverfassungsgericht freilich ebenso als Berichterstattungsauftrag wie als Berichterstattungsfreiheit verstanden wird. Der Konflikt zwischen diesen grundrechtlichen Positionen war i n einem zivilgerichtlichen Verfahren nach privatrechtlichen Vorschriften entschieden worden, und gegen die Zivilurteile richtet sich die Verfassungsbeschwerde. Aber i m Ansatz, i n der Entwicklung des Abwägungsproblems, i n der Durchführung seiner Lösung und gerade auch i n der Verwendung des Eingriffsbegriffs scheint das Lebachurteil die Entscheidungssequenz fortzuführen. Wie bisher vom Eingriff durch eine staatliche Befragung, Übermittlung oder Beschlagnahme die Rede war, so ist hier die Rede vom Eingriff durch die Fernsehsendung 53 . So scheint für die Bemühungen u m eine Klärung des Informationseingriffs, die bisher die Eingriffsqualität des Informationsakts von der m i t Befehl und Zwang erfolgenden Befragung her konstruiert haben, hier die sei es bestätigende, sei es korrigierende Weiterverfolgung dieser Konstruktion nahezuliegen. Aber von den bisherigen Entscheidungen unterscheidet sich das Lebachurteil tiefergreifend, als seiner Struktur m i t ihrer vertrauten Abfolge von Umschreibung der Privatsphäre, Ermittlung des Eingriffsinteresses, Entwicklung des Abwägungsproblems und Durchführung seiner Lösung auf den ersten Blick zu erkennen gibt. Der Unterschied liegt nicht darin, daß das Lebachurteil statt eines öffentlichrechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnisses ein Verhältnis privatrechtlicher Gleichordnung und statt einer Straf- oder Verwaltungsgerichtsentscheidung eine Zivilgerichtsentscheidung zum Gegenstand hat, sondern darin, daß es eine neue und andere soziale und rechtliche Dimension behandelt. I n der Durchführung der Abwägung t r i t t der Unterschied hervor; gehandelt w i r d hier von der negativen Qualifizierung des Betroffenen i n den Augen der Fernsehzuschauer, von der Ablehnung, die die Umwelt dem Betroffenen wegen der Fernsehsendung entgegenbringen wird, von seiner Schwierigkeit, nach der Ausstrahlung des Fernsehspiels Unterkunft und Arbeit zu finden, eine Frau zu gewinnen und überhaupt gesellschaftlich akzeptiert zu werden 5 4 . Thema der A b wägung ist eine Gefährdung sozialer Kommunikationen und Interaktionen und damit ein Problem, das i m Beschluß zur Verwertung der Tonbandaufnahme schon anklang, sonst aber i n den Entscheidungen keine wesentliche Rolle spielte. Bisher wollte der Staat vom Betroffenen oder auch über ihn eine Information bekommen, die dieser den Staat nicht wissen lassen wollte, und war die Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung darauf gerichtet bzw. darin eingeschränkt, dem Staat 58 54

Ebd. 226, 230 ff., 234, 239 f. Ebd. 226 ff.

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die Informationsmitteilung durch die eigene Person zu verweigern oder die Informationserhebung aus anderen Quellen zu verwehren. Eingriff und Abwehr galten nur der Information, und die Freiheit des Verhaltens i n der Gesellschaft war nicht betroffen. Hier dagegen ist gerade diese Freiheit des Verhaltens bedroht, und zwar, wie die A b wägung ausführt, i n den verschiedensten Lebens- und Grundrechtsbereichen. Die Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung ist hier nur das Kürzel für die Freiheit der Entfaltung i m Beruf und bei der Arbeit, bei der Wohnungs- und Partnersuche und i n den übrigen, nicht i n Spezialgrundrechten bezeichneten, aber i m Grundrecht des A r t . 2 Abs. 1 GG aufgefangenen Lebensbereichen. Entsprechendes gilt für die Beschlüsse im Fall Boll/Waiden und im Fall Eppler 5 5 . Sie argumentieren „aus dem dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugrundeliegenden Gedanken der Selbstbestimmung: Der Einzelne soll — ohne Beschränkung auf seine Privatsphäre — grundsätzlich selbst entscheiden können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen w i l l , ob und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden kann; dazu gehört i m besonderen auch die Entscheidung, ob und wie er m i t einer eigenen Äußerung hervortreten w i l l " 0 6 . Auch hier geht es u m die Freiheit des Verhaltens i n der Gesellschaft, u m den Schutz des einzelnen in seinen Kommunikationen und Interaktionen. Ein wenig bemüht mag auch die Informationsverbreitung durch eine Fernsehsendung i n die Konstruktion eingepaßt werden, die der direkten die indirekte Informationserhebung als die Ersatz vornähme gleichstellt und damit beidemal zur Eingriffsqualität des Informationsakts gelangt. Die Verbreitung der Information über den Betroffenen an die Adressaten der Sendung wäre dabei der gebündelten Informationserhebung beim Betroffenen durch oder für die Adressaten gleichzusetzen, eine Gleichsetzung, die weniger befremdlich ist, wenn sie aus der zivilrechtlichen Ebene des Bürger-Bürger-Verhältnisses i n die öffentlichrechtliche des Staat-Bürger-Verhältnisses übertragen und ζ. B. auf die Fälle der Verbreitung von Fahndungsfotos oder Untersuchungsberichten bezogen w i r d 5 7 . Aber diese konstruktive Überlegung kann nicht bean55

BVerfGE 54, 208—223 bzw. 148—158. Ebd. 414. 57 I n diesen Fällen genießt der Betroffene denn auch Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten bzw. in Justizverwaltungssachen von den ordentlichen Gerichten. Zur einschlägigen Klageart, Anfechtungs- oder Leistungsklage, vgl. Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, § 40 Randnr. 10, § 42 Randnr. 50, 174. Zum Rechtsschutz gegen Verfassungsschutzberichte Paech, FR vom 15. 6.1979; Evers (Anm. 6), S.258; V G Bremen, NJW 1978, 1650—1652; V G München, BayVBl 1980, 696—698, und dazu Klein/Grabowski, BayVBl 1981, 265 ff., und Riegel, BayVBl 1981, 556 ff. 56

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spruchen, das inhaltliche Problem m i t seiner besonderen sozialen und rechtlichen Dimension zu erledigen. Von i h m und von dem Verhältnis zwischen einerseits der Freiheit, dem Staat Informationsmitteilungen zu verweigern und Informationserhebungen zu verwehren, und andererseits der Freiheit eines von staatlichen Informationsakten unbehinderten Verhaltens i n der Gesellschaft w i r d noch gehandelt werden müssen. 7.3 Ergebnisse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 7.3.1 Zunächst jedoch kann der Ertrag der Durchsicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts i n eine Typologie der staatlichen Informationsakte zusammengefaßt werden: Ein Informationseingriff (direkter Informationserhebungseingriff) liegt einmal dann vor, wenn der Staat zur Befragung berechtigt und der Bürger zur Auskunft verpflichtet ist. Dabei kommt es nur auf das Einzelereignis der Informationserhebung und nicht auf deren Gesamtzusammenhang, d. h. nicht darauf an, ob das Verfahren, innerhalb dessen die Informationsmitteilung vom Bürger verlangt oder erzwungen wird, m i t oder gegen Willen oder Veranlassung des Bürgers stattfindet. Ein Informationseingriff (indirekter Informationserhebungseingriff) liegt weiter dann vor, wenn die Information über einen Bürger von einem anderen Bürger erhoben w i r d (Zweitbefragungseingriff). Diese Gleichsetzung des indirekten m i t dem direkten Informationserhebungseingriff erfolgt unter dem Gesichtspunkt, daß die Einholung von Auskünften oder Unterlagen beim kundigen Mitbürger die Ersatzvornahme für die Befragung des betroffenen Bürgers selbst ist. Wenn die Ersatzvornahme gegen den kundigen Mitbürger m i t Befehl und Zwang vorgeht, handelt es sich u m einen Informationseingriff mit Doppelwirkung; ob sie derart vorgeht, ist jedoch für die Qualität des Informationsakts als Eingriff gegenüber dem betroffenen Bürger unerheblich. Ein indirekter Informationserhebungseingriff liegt auch dann vor, wenn der betroffene Bürger durch staatliche Organe heimlich belauscht und beobachtet w i r d (Lausch- und Beobachtungseingrifff s. 58 Die Erkenntnis der Eingriffsqualität dieser polizeilichen und besonders auch nachrichtendienstlichen Informationserhebungen ist nicht erst das Ergebnis einer durch das Grundgesetz geschaffenen grundrechtlichen Sensibilität. Nicht erst die in Anm. 2 nachgewiesenen Arbeiten von Evers, Riegel, Klein, Denninger, Schatzschneider, Borgs-Maciejewski, Salzwedel, Arndt zum nachrichtendienstlichen Verfassungsschutz und nicht erst die neue Entscheidung des O V G Münster zur polizeilichen Beobachtung (NJW 1980, S. 855; dazu Riegel, JZ 1980, S. 224 ff.) setzen das heimliche Belauschen und Beobachten als Eingriff an. Schon das Preußische Oberverwaltungsgericht er-

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Diese Informationserhebung erfolgt zwar direkt beim Bürger, aber mehr an i h m als von ihm; die Heimlichkeit soll den Bürger derart überlisten, daß er durch sein Verhalten eröffnet, was er auf Befragen nicht kundtun müßte oder wollte. Die Informationserhebung an seinem Verhalten ist wieder die Ersatzvornahme für die Informationserhebung durch seine Befragung. Ferner liegt ein Informationseingriff (Übermittlungseingriff) vor, wenn eine Behörde eine Information, die sie durch Eingriff erhoben hat, an eine andere Behörde übermittelt. Oben wurde formuliert, daß der Rückgriff auf das Resultat eines früheren Informationserhebungseingriffs den erneuten Informationserhebungseingriff erübrigt und daß daher die Übermittlung der schon vorliegenden Information das Äquivalent einer erst jetzt erfolgenden Erhebung derselben Information ist. Nachdem der Gesichtspunkt der Ersatzvornahme herausgearbeitet ist, kann gesagt werden, daß die Informationsübermittlung durch die ersuchte Behörde die Ersatzvornahme der Informationserhebung beim betroffenen Bürger und insofern ein indirekter Informationserhebungseingriff ist. Damit ist das Feld der staatlichen Informationsakte nahezu abgedeckt. Bei der freiwilligen Informationsmitteilung, bei der sowohl der Gesamtzusammenhang des Verfahrens als auch das Einzelereignis der Informationsmitteilung unter der Bedingung der Freiwilligkeit steht, findet kein Informationserhebungseingriff statt. Allerdings geschieht sie stets für einen bestimmten Zweck, i m Zusammenhang eines bestimmten Verwaltungsvorgangs und zu dessen Förderung. Eine Übermittlung des Resultats der freiwilligen Informationsmitteilung an andere Behörden, die andere Zwecke verfolgen, ist durch die Freiwilligkeit nicht gedeckt. I n der Übermittlung der für einen bestimmten Zweck freiwillig gegebenen Information liegt daher ebenso ein Informationsübermittlungseingriff wie i n der Übermittlung der für einen bestimmten Zweck durch Eingriff erhobenen Information. Wieder handelt es sich um einen Fall der Ersatzvornahme und damit, obwohl die Information ursprünglich beim Bürger erhoben wurde, u m einen indirekten Informationserhebungseingriff. Es bleibt noch die Informationserhebung, bei der der betroffene Bürger durch staatliche Organe öffentlich belauscht und beobachtet wird, und die öffentliche Informationsverbreitung. Bei beiden Informationsakten kann der Gesichtspunkt der Ersatzvornahme bemüht werden, ohne doch den K e r n des Problems zu treffen. Die öffentliche Informationsverbreitung als Äquivalent für die Informationserhebung durch oder für die Adressaten des verbreiblickte in der polizeilichen Beobachtung eines Lehrers, über dessen lärmendes und betrunkenes Nachhausekommen zu später Stunde Beschwerde geführt worden war, ein „Eingreifen" mittels „polizeilicher Machtmittel"; vgl. P r O V G 63, 464—468.

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tenden Mediums, das öffentliche Belauschen und Beobachten i n Gleichsetzung mit dem heimlichen — beidemal geht die Konstruktion am Problem insofern vorbei, als hier nicht nur, wie bei den anderen Informationsakten, das Ausmaß der Informationsoffenlegung i m Verhältnis des Bürgers zum Staat umstritten ist, sondern das Verhältnis des Bürgers zu seiner gesellschaftlichen Umwelt und i n dieser seine Selbstdarstellung und seine Verhaltensfreiheit betroffen sind. W i r d er öffentlich belauscht oder beobachtet u n d werden über i h n öffentliche Informationen verbreitet, dann begegnet ihm die Umwelt anders und bewegt er sich auch i n ihr anders 59 . Dieses Problem der Bedeutung staatlicher Informationsakte für die Freiheit gesellschaftlichen Verhaltens ist deswegen so wichtig, w e i l es nicht nur die Fälle der öffentlichen Informationsverbreitung und des öffentlichen Belauschens und Beobachtens beherrscht, sondern auch i n die anderen Fälle von Informationsakten hineinspielen kann. I m Beschluß zur Verwertung der Tonbandaufnahme ist es entsprechend auch schon angeklungen. Auch i m Beschluß zur Krankenblattbeschlagnahme w a r es anzutreffen; von den dort gegenübergestellten beiden Konstruktionen war die eine zwar ganz von der individuellen Freiheit, Informationen zu verweigern und zu verwehren, ausgedacht, die andere dagegen i m Sinn des erörterten Problems von der sozialen Kommunikation zwischen A r z t und Patient i n ihrer tatsächlichen Unbefangenheit und Vertrautheit her. Die staatlichen Informationsakte lassen sich offensichtlich auf einem Kontinuum anordnen, das am einen Ende das Verhältnis des Staats zum Bürger als seinem Informationsobjekt und am anderen Ende das Verhältnis des Bürgers zum Bürger als seinem Kommunikations- und Interaktionspartner betrifft. I m Kontinuum können die beiden Aspekte einander mehr oder weniger dominieren, sich mehr oder weniger überschneiden. Die Selbstdarstellung und Verhaltensfreiheit des Bürgers i n der Gesellschaft w i r d durch die Informationserhebung beim Mitbürger stärker berührt als durch die Informationserhebung aus den Dossiers und Akten der Verwaltung, durch das öffentliche Belauschen und Beobachten stärker als durch das heimliche und besonders durch die öffentliche Informationsverbreitung intensiver als durch alle anderen Informationsakte. M i t dem Interesse 59 Beim öffentlichen Belauschen und Beobachten, beim offenen Beschatten tritt der Aspekt der Informationserhebung hinter dem anderen Aspekt, den Betroffenen einzuschüchtern und im Kontakt mit anderen zu behindern, derart zurück, daß Schatzschneider (Anm. 2), S. 214 f. zu Recht feststellt, es sei durch die allein der Informationserhebung geltende Befugnis der Verfassungsschutzbehörden nicht mehr gedeckt. Das öffentliche Belauschen und Beobachten ist zur Informationserhebung eigentlich ungeeignet; es kann aber dazu dienen, Personen von Kontakten und Betätigungen abzuhalten, und insofern als Mittel der Gefahrenabwehr legitim sein.

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an der theoretischen Erhellung dieses Kontinuum und an der dogmatischen Erfassung der verschiedenen Informationsakte richtet sich der Blick auf die Privatsphäre- und auf die Selbstdarstellungskonzeption. 7.3.2 Der konzeptionelle Ertrag der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung kann insoweit knapp zusammengefaßt werden. I m Verständnis des Bundesverfassungsgerichts gibt es ein Selbstdarstellungsrecht nur i n der Gesellschaft, aber nicht gegenüber dem Staat. Auch die Wahrung der Selbstdarstellung in der Gesellschaft kann Aufgabe des Staats sein; i n diesem Sinn schützt das Lebachurteil die unverzerrte Selbstdarstellung als eine Bedingung unversehrter Kommunikation und Interaktion. Aber die auf ein Selbstdarstellungsrecht gegenüber dem Staat abstellende Konzeption findet hierin keine Stütze. — Andererseits ist das Scheitern der Privatsphärenkonzeption festzuhalten. Für den unantastbaren Intimbereich fehlt eine stimmige Definition und fehlen auch die anschaulichen Fälle. Bei dem ungeschützten Sozialbereich, von dem das Bundesverfassungsgericht i m Beschluß zur Verwertung der Tonbandaufnahme spricht und für den es zwar keine Definition, aber ein Beispiel bietet, kann gerade dieses Beispiel nicht überzeugen. Dazwischen bleibt der gewissermaßen normale, durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geschützte Privatbereich. Er reicht von der Erholungsreise bis zum Ehebett u n d umfaßt damit das Verhalten, sowohl wenn es der Außenwelt offenliegt als auch wenn es ihr verschlossen ist. I n diesem normalen Privatbereich mögen Sphären verschiedener Sensibilität und entsprechend Eingriffe verschiedener Intensität unterschieden werden. Aber das Ergebnis der Unterscheidung kann bestenfalls eine einmal größere u n d andermal kleinere Sorgfalt der Abwägung sein, von der i n diesem normalen Privatbereich die Zulässigkeit des Informationseingriffs abhängt. Vielleicht ist diese Konturenlosigkeit ebenso wie die Schwäche auch eine Stärke der Privatsphärenkonzeption. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher jede Informationserhebung über einen Bürger als Eingriff gegenüber diesem Bürger behandelt und konnte dies mit der Privatsphärenkonzeption tun, ohne den weitreichenden Satz von der Eingriffsqualität jeder Informationserhebung aufzustellen. M i t der regelmäßigen Erwähnung einer unantastbaren Intimsphäre hat es sich die Möglichkeit offengehalten, einen Informationseingriff auch einmal ohne jede Abwägung als schlechterdings unerträglich zu disqualifizieren, und dank des angelegentlichen Hinweises auf einen ungeschützten Sozialbereich kann es auch einmal eine Lappalie als Eingriff unbeachtet lassen. Insofern mag die unverbindliche Flexibilität der Privatsphärenkonzeption genau das sein, was einer gerichtlichen Praxis den gewünschten Spielraum verschafft.

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Für die grundrechtstheoretische Erhellung und grundrechtsdogmatische Erfassung des Kontinuums von Informationsakten geben jedoch, so mag es scheinen, der Privatsphärenschutz m i t seiner Konturenlosigkeit und das Selbstdarstellungsrecht i n seiner Beschränktheit wenig her. Aber gerade diese Grenzen der beiden Konzeptionen sind, wenn auf ihre Bedingungen untersucht, der Hintergrund, vor dem die Erhellung und Erfassung gelingt. 7.4 Grundrechtsdogmatische Zuordnung von Privatheit, Selbstdarstellung und Freiheit 7.4.1 Wenn das Bundesverfassungsgericht die verschiedenen Sphären unterschiedlichen Schutzes und eine letzte Sphäre absoluten Schutzes i n den Entscheidungsbegründungen zwar aufführt, für den Gang und das Ergebnis der Entscheidungen aber nicht braucht, sondern statt dessen auf die Geeignetheit und Notwendigkeit der staatlichen Informationserhebung für die Erreichung eines legitimen Zwecks abstellt, dann deswegen, weil die Sphären im Verhältnis des Bürgers zum Staat weder aufweisbar noch notwendig sind, m i t anderen Worten, w e i l der Bürger die Sphären weder hat noch braucht. Daß er sie nicht hat, zeigt besonders anschaulich das Strafverfahren, wenn es m i t psychologischen u n d psychiatrischen M i t t e l n tief i n die Persönlichkeit des Angeklagten eindringt 6 0 . Ähnliches zeigen Tauglichkeits- und Eignungsprüfungen, die über Gespräche und Test charakterliche Dispositionen eruieren 6 1 . Vor dem Familiengericht ist das Eheleben bloßzulegen 62 und vor dem Prüfungsausschuß für Kriegsdienstverweigerer das Gewissen 63 ; die persönlichsten Umstände können nach dem Seuchengesetz64 und die intimsten Verhältnisse nach dem Geschlechtskrankheitengesetz zum legitimen Gegenstand des staatlichen Interesses werden 6 5 . So gibt es nicht nur keine Intimsphäre, die dem 80 Vgl. auch § 43 JGG, der dem Richter aufgibt, die seelische, geistige und charakterliche Eigenart und die sonstigen persönlichen Verhältnisse des Jugendlichen oder Heranwachsenden zu ermitteln, und aus dem Jugendrecht weiter § 66 JWG, der bei der Entscheidung über die Fürsorgeerziehung für das Vormundschaftsgericht weitreichende Befugnisse begründet, die ganze Persönlichkeit des Minderjährigen zu erforschen. 61 Die Registrierung entsprechender Verwaltungsentscheidungen sieht in gewissen Fällen dann § 11 Abs. 2 Bundeszentralregistergesetz vor. 62 Vgl. § 613 ZPO; zur Rechtslage vor der Reform des Eherechts oben Abschnitt 7.2.2 mit Anm. 17. M Vgl. §§ 25 und 26 Wehrpflichtgesetz; § 26 Abs. 4 verlangt die Berücksichtigung der gesamten Persönlichkeit des Antragstellers und semes sittlichen Verhaltens. 64 Vgl. §§ 31 ff. Bundes-Seuchengesetz. 65 Vgl. § 13 Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten.

7.4 Zuordnung von Privatheit, Selbstdarstellung und Freiheit

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Staat schlechthin verschlossen wäre, sondern auch keine Abstufung verschiedener Privatsphären m i t unterschiedlicher Schutzkraft. Die Zulässigkeit der staatlichen Informationserhebung bzw. ihrer gesetzlichen Normierung beurteilt sich stets nach dem Zweck, dem die E r hebung dient, nie nach der Sphäre, aus der die Information stammt 6 8 . Daß der Bürger derartige Sphären i n seinem Verhältnis zum Staat auch nicht braucht, liegt daran, daß die bloße Informationserhebung seine Freiheit nicht wesentlich beeinträchtigt. Bei striktem Zweckbezug und strikter Zweckbindung ist die Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit und der freien Persönlichkeitsentfaltung durch den direkten oder indirekten Informationserhebungseingriff als solchen gering. Erst wenn der Staat die Information i n einen Eingriff gegenüber dem Bürger umsetzt, ist die Freiheit wesentlich betroffen. Aber bei diesem Folgeeingriff 8 7 bemißt sich der Schutz der betroffenen Lebensbereiche nach Maßgabe der Grundrechte und nicht der Privatheit. Dasselbe gilt für den Begleiteingriff, d . h . für den Eingriff, der die Informationserhebung ermöglicht und z.B. den Z u t r i t t zur Wohnung verschafft, damit Ermittlungen nach dem Seuchengesetz angestellt werden, oder zur Feststellung des Alkoholgenusses die Blutentnahme erlaubt 6 8 . Auch für i h n bieten die Grundrechte den Maßstab, der neben sich oder statt seiner den Maßstab einer Privatsphärenkonzeption weder verlangt noch verträgt. Daß der Bürger neben seinen Grundrechten gegenüber dem Staat keine Privatsphäre hat oder braucht, hat seinen tieferen Grund. Nicht 68 Dies ist das Ergebnis aller kritischen Uberprüfungen der Privatsphärenkonzeption; vgl. zuletzt Scher er, Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, S. 187 f.; davor besonders O. Mallmann, Zielfunktionen des Datenschutzes, S. 24 ff. ; Schmidt (Anm. 5), S. 243 ff.; Steinmüller u.a. (Anm. 2), S. 48 ff.; Forsthoff (Anm. 8), S. 49 f. 67 Der Begriff des Folgeeingriffs ist von Schwan (Anm. 7), S. 129 f. über nommen. Schwan gebürt das Verdienst, die Eingriffsqualität der Informationserhebung in Unterscheidung und Absehung von ihren Begleitumständen, Neben- und Folgewirkungen herausgearbeitet zu haben. Auch er nimmt in anderer Begrifflichkeit die Gleichsetzung vor, die hier unter dem Gesichtspunkt der Ersatzvornahme zwischen den indirekten und den direkten Informationserhebungseingriff en hergestellt wurde. Auch für ihn „gehört zur Freiheit i m Sinn des Vorbehalts des Gesetzes... nicht nur die Freiheit vor unmittelbarer Befragung, sondern auch vor Informationserhebungen auf anderen, den Bürger nicht unmittelbar berührenden Wegen" (S. 130 f). Aber diese Gleichsetzung wird von ihm nicht begründet, sondern einfach behauptet. Ob diese Behauptung gerechtfertigt und gehalten werden kann, ist jedoch gerade das Problem. 68 Auch der Begriff des Begleiteingriffs stammt von Schwan, ebd. M i t Schwan, ebd. S. 138 ist davon auszugehen, daß die gesetzliche Grundlage für einen Begleiteingriff auch zu der Informationserhebung ermächtigt, der der Begleiteingriff dienen soll. Dies ist kein Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis; dieser Schluß läge dagegen vor, wenn aus der Ermächtigung zum Folgeeingriff die Ermächtigung zur Informationserhebung gefolgert würde.

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zufällig ist die Privatsphärenkonzeption von der Zivilrechtsprechung für das Verhältnis der Bürger zueinander und besonders zu den Massenmedien entwickelt worden 6 9 . I n diesem Verhältnis hat die Privatheit ihren Ort und dabei eine Funktion, die sich auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat nicht übertragen läßt. 7.4.2 Privatheit und auch Selbstdarstellung sind funktional für die Konstituierung der Persönlichkeit in der GesellschaftMit ihrem Handeln ruft eine Person die Erwartungen hervor und löst sie die Verhalten aus, m i t denen die Umwelt ihr begegnet. Kommunikation und Interaktion lassen einen Zurechnungszusammenhang entstehen; ihr Handeln w i r d der Person zugerechnet und als Ausdruck von Individualität, als Darstellung von Persönlichkeit genommen. I n dieser Zurechnung durch die Umwelt erfährt auch die Person selbst ihre Individualität und Persönlichkeit. I n den Umwelterwartungen und i n dem entsprechenden Umweltverhalten begegnet die Person sich selbst, ihrer eigenen Darstellung als ihrem B i l d bei anderen, sie erlebt sich bestätigt oder verkannt und reagiert darauf ihrerseits verstärkend oder korrigierend. So w i r d die individuelle Persönlichkeit sozial konstituiert. Voraussetzung für das Funktionieren dieses Prozesses ist allerdings, daß Kommunikation u n d Interaktion unter der Bedingung der Freiheit stattfinden. Das normierte, standardisierte Verhalten einer Person hat keinen individuellen Ausdruckswert, keine persönliche Darstellungskraft. N u r freies Handeln kann zugerechnet werden. Dabei ist m i t der Bedingung der Freiheit die Notwendigkeit, i n einer differenzierten Gesellschaft das Handeln auf mehrere soziale Systeme zu beziehen, deren Anforderungen zu genügen und i n deren Rollen zu agieren, nicht unverträglich. Es müssen aber Kommunikation und Interaktion so frei sein, daß die verschiedenen Rollen auf individuelle Weise konkretisiert und m i t ihren möglicherweise divergierenden Anforderungen auch auf individuelle Weise verbunden werden können. Die Freiheit individueller Konkretisierung bedeutet, daß die m i t einer Rolle gegebenen Erwartungen distanziert oder engagiert, betulich oder lässig, souverän oder servil etc. erfüllt werden können. Die Freiheit individueller Verbindung meint, daß die Person ihre Rollen selbst wählen, ihr Rollenensemble selbst zusammenstellen kann. Unter diesen Bedingungen w i r d auch i m 69 Vgl. Mallmann (Anm. 66), S. 19 ff.; Hasselkuss/Kaminski t Persönlichkeitsrecht und Datenschutz, S. 109 ff.; Forsthoff (Anm. 8), S. 41 ff. 70 Vgl. zum folgenden Luhmann (Anm. 7), S. 53 ff. M i t anderen soziologischen und psychologischen Akzenten und nicht immer klarer juristischer Pointe tritt der nachfolgend herausgestellte Zusammenhang zwischen Privatheit, Selbstdarstellung, Persönlichkeitskonstituierung und freier gesellschaftlicher Kommunikation und Interaktion deutlich hervor auch bei Rüpke, Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatheit.

7.4 Zuordnung von Privatheit, Selbstdarstellung und Freiheit

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Rollenverhalten Selbstdarstellung geleistet und Persönlichkeit konstituiert. Mehr noch, wenn das Verhalten vor dem Hintergrund von Rollenerwartungen stattfindet und diese mehr oder weniger, einmal konformistisch und andermal nonkonformistisch erfüllt, wenn es verschiedene Rollen eigenwillig und inkonsistent kombiniert und gelegentlich die Erwartungen enttäuscht und von der Rolle abweicht, kann es gerade dank seines Hintergrunds besondere Ausdruckskraft gewinnen. Die Selbstdarstellung einer Person als zugleich strenger Chef und zärtlicher Vater, Reserveoffizier und Amnesty-International-Mitglied, Intellektueller und Kumpel ist, obwohl sie i n Rollen stattfindet, farbig und markant. Die Konstituierung und Entfaltung der Persönlichkeit w i r d durch die Freiheit ermöglicht und ist m i t ihr gefährdet. Den Gefahren begegnet die Rechtsordnung, indem sie grundrechtliche Lebensbereiche freisetzt und solche Außenursachen als rechtswidrige Freiheitsbeeinträchtigungen diskriminiert, die i n der Kommunikation und Interaktion die Zurechnung des Handelns ausschließen und damit die Selbstdarstellung und Entfaltung der Person behindern. Solche Außenursachen sind nicht nur Drohung und Zwang, sondern können auch bestimmte Vertragsbedingungen, Arbeitsverhältnisse und Abhängigkeitsbeziehungen sein. Entsprechend schafft die Rechtsordnung Raum für Persönlichkeitsentfaltung, indem sie nicht nur durch das Strafrecht ζ. B. vor Vergewaltigung und Erpressung schützt, sondern auch das Familien-, Arbeits- und Vertragsrecht so gestaltet, daß i n den jeweiligen Lebensbereichen Handeln als frei vorausgesetzt u n d zugerechnet und Selbstdarstellung geleistet werden kann. Gleichwohl bleibt die Selbstdarstellung gefährdet. Die Freiheit ist ebenso wie ihre Chance auch ihr Risiko. Selbstdarstellung kann wegen unvereinbarer Erwartungshorizonte und mangelnden Verhaltensgeschicks mißlingen, und sie kann auch daran scheitern, daß dem Kommunikationspartner Informationen zugänglich sind, die ihn veranlassen, die Selbstdarstellung nicht überzeugend zu finden und sich ein anderes als das erhoffte B i l d zu machen. Über eine Person sind i n ihrer offenen Umwelt so viele Informationen verfügbar, daß die Person selbst sie nicht alle steuern, kontrollieren und i n ihre Selbstdarstellung integrieren kann. Diese Gefahren sind die Kosten freier Kommunikation u n d Interaktion, und gegen sie kann eine Rechtsordnung, die Freiheit sichern w i l l u n d auch sichern muß, soll die Entfaltung der Persönlichkeit möglich bleiben, nur i n bestimmten Aspekten schützen. Sie t u t dies dadurch, daß sie i m Verhältnis der Bürger zueinander Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Interaktionsschranken errichtet, die Bereiche abschirmen, i n denen Nichtdarstellbares getan, von Selbstdarstellung ausgeruht und Selbstdarstel13*

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lung vorbereitet werden kann. Entsprechende Schranken enthalten die strafrechtlichen Verbote der Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs, die öffentlichrechtlichen Geheimhaltungsvorschriften und die zivilrechtliche Rechtsprechung zur Privat- und Intimsphäre. Geschützt w i r d hierdurch ein „Komplex von Informationen, der nicht öffentlich zugänglich gemacht werden kann, ohne die öffentliche Selbstdarstellung zu diskreditieren" 7 1 . Genauer ist von einem Plural von Komplexen zu reden, denn die öffentliche Selbstdarstellung i n den verschiedenen sozialen Bereichen und Rollen ist auch durch die verschiedenen Informationen aus diesen Bereichen und Rollen i n unterschiedlicher Weise gefährdet. Es kann, salopp gesagt, eine und dieselbe Information die berufliche Umwelt nichts angehen, obwohl sie der politischen zugänglich ist, und wohin die Erholungsreise geht, braucht den Parteifreund nicht zu interessieren, obwohl der Arbeitgeber davon weiß 7 2 . So sind Selbstdarstellung und Privatheit aufeinander und gemeinsam auf die Persönlichkeitsentfaltung i n freier Kommunikation und Interaktion bezogen. Die private Abgeschirmtheit erleichtert die öffentliche Selbstdarstellung, i n der die Persönlichkeit sich dann konstituiert und entfaltet, wenn Freiheit die Zurechnung kommunikativen und interaktiven Verhaltens erlaubt. Privatheit und Selbstdarstellung haben daher ihren Ort i m Raum der gesellschaftlichen Freiheit; vor dem M i t bürger findet die Selbstdarstellung statt, und gegen i h n setzt sich die Privatheit ab. 7.4.3 Anders als das Verhältnis der Bürger zueinander ist das Verhältnis des Bürgers zum Staat kein freier Kommunikationsund Interaktionszusammenhang T3. Es ist normiert, das Verhalten ist an festen 71

Luhmann (Anm. 7), S. 67. Diese Gegebenheit ist Anlaß für eine eigene rollentheoretische Variante der Selbstdarstellungskonzeption geworden; vgl. P. J. Müller, Soziale Kontrollen durch Datenbanken?; ders., Die Gefährdung der Privatsphäre durch Datenbanken. Diese Variante versteht den Schutz von Persönlichkeit, Privatheit und Selbstdarstellung als Gewährleistung der unterschiedlichen Sichtbarkeit von Individuen in unterschiedlichen sozialen Kontexten und versucht, von diesem Ansatz aus Schranken eines staatlichen Informationsverbunds zu entwickeln. Allerdings erfaßt sie soziologisch wie juristisch nur einen, freilich wichtigen Aspekt des Rechts der Persönlichkeit; vgl. dazu unten Abschnitt 7.5 mit Anm. 78. 73 Der Versuch, die Selbstdarstellungskonzeption in Orientierung an Luhmann sozialwissenschaftlich zu fundieren, übersieht diesen Unterschied und vernachlässigt, daß Luhmann nur von Privatheit und Selbstdarstellung in der Gesellschaft und in Freiheit handelt. Gerade seine Betonung der Freiheit als Bedingung der Zurechnung verbietet deutlich die Übertragung seiner soziologischen Einsichten zum Verhältnis der Bürger untereinander auf das Verhältnis der Bürger zum Staat. 72

7.4 Zuordnung von Privatheit, Selbstdarstellung und Freiheit

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Erwartungen ausgerichtet und ohne individuellen Darstellungswert. Nicht einmal i n der Normwidrigkeit bringt der Bürger seine Persönlichkeit gegenüber dem Staat zur Geltung, denn auch dem normwidrigen Verhalten begegnet die festgelegte Reaktion. E i n Bürger, der von diesem normwidrigen Verhalten Kenntnis erlangt, hat die Freiheit, das Verhalten als asozial, querulatorisch oder couragiert und den Betreffenden als unzuverlässigen oder eigenständigen, schwierigen oder originellen Kommunikations- und Interaktionspartner einzuschätzen. Es ist seine Sache, welches B i l d er sich vom anderen macht und wie er an diesem B i l d sein Verhalten ausrichtet. Der Staat hat diese Freiheit nicht, seine Organe würden rechtswidrig handeln, wenn sie sich dem Bürger gegenüber danach verhalten wollten, wie i h m die Selbstdarstellung gelingt. Sie haben i h r B i l d vom Bürger und i h r Verhalten i h m gegenüber daran zu orientieren, ob normierte Merkmale gegeben und normierte Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei kann der Bürger weder verlangen noch muß er sich gefallen lassen, vom Staat auch unter anderen als den rechtlich gerade bedeutsamen, zweckbezogenen und zweckgebundenen Gesichtspunkten behandelt zu werden. Das bedeutet zugleich, daß dem Staat gegenüber Selbstdarstellung sowohl m i t ihren Chancen als auch m i t ihren Risiken nicht geleistet und Privatheit nicht gesucht werden muß. Gewiß, dieses B i l d des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger ist überscharf gezeichnet. Zumal i n den Kommunikations- und Interaktionssituationen der verwaltungsrechtlichen Sonderverhältnisse, der ehedem sogenannten besonderen Gewaltsverhältnisse, und bei erzieherischen und therapeutischen Veranstaltungen des Staats ist entweder der soziale Zusammenhang dicht oder seine rechtliche Regelung diffus genug, u m Selbstdarstellungsleistungen und Privatheitsbedürfnisse herauszufordern. Außerdem kann auch die strikteste Bindung des Verwaltungsbeamten selbst an die subtilsten Regelungen nicht verhindern, daß Verhaltensgeschick zur höflichen Behandlung und beschleunigten Bearbeitung führt, während das tölpelhaft vorgetragene Begehren unfreundlich, nachlässig u n d zögerlich erledigt wird. Aber die verwaltungsrechtlichen Sonderverhältnisse sind eben eine besondere Konstellation i m Staat-Bürger-Verhältnis, und den anderen Berücksichtigungen der Selbstdarstellung setzt die Rechtsordnung immerhin die möglichen Grenzen. So ist das gezeichnete B i l d zu ergänzen, aber nicht zu verwerfen. Es ist dies auch nicht etwa m i t der Überlegung, die Menschenwürde müsse doch w o h l ein gewissermaßen näheres und wärmeres Verhältnis zwischen Staat u n d Bürger verlangen. Diese Überlegung würde die Bedeutung des rechtsstaatlich unpersönlichen Verhältnisses zwischen Staat und Bürger verkennen. Gerade indem der Bürger m i t

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7 Informationsakte als Grundrechtseingriff e

dem Staat nur unter bestimmten Aspekten, m i t bestimmten Eigenschaften und Verhalten, i n fest umrissener Stellung oder Tätigkeit i n Berührung t r i t t , w a h r t er seine Autonomie. Dem Staat, der sich von i h m als Person kein B i l d macht, ist er auch nicht als Person ausgesetzt. Pointiert formuliert ist die Unpersönlichkeit des Staat-Bürger-Verhältnisses die Voraussetzung für die Persönlichkeit des Bürgers 7 4 . So kann denn zusammenfassend unterschieden werden: Sowohl Privatheit als auch Selbstdarstellung sind Kategorien des Verhältnisses der Bürger zueinander. Es sind keine Kategorien des Verhältnisses zwischen Bürger u n d Staat. Privatheit schirmt nicht gegen den Staat ab, und Selbstdarstellung findet nicht vor ihm statt. Gegen den Staat ist vielmehr Freiheit gesichert. Diese Freiheit, für bestimmte Lebensbereiche grundrechtlich besonders ausgeformt und i n A r t . 2 Abs. 1 GG umfassend aufgefangen, gewährleistet die freie gesellschaftliche Kommunikation und Interaktion und darin dann auch die Möglichkeit der Selbstdarstellung und der Privatheit. Sie w i r d durch den Staat eingeschränkt und ausgestaltet, und es wurde gezeigt, wie die Rechtsordnung Selbstdarstellung erleichtert und Privatheit abschirmt. Umgekehrt kann der Staat natürlich auch Selbstdarstellung erschweren und Privatheit zerstören. Aber stets sind es die Selbstdarstellung und die Privatheit nicht vor bzw. gegenüber dem Staat, sondern vor bzw. gegenüber der Gesellschaft, wozu sich der Staat fördernd oder hindernd verhält. 7.5 Grundrechtsdogmatische Erfassung der staatlichen Informationsakte A u f der Grundlage der dargelegten Unterscheidimg kann die grundrechtsdogmatische Erfassung der Informationsakte, deren Ansatz oben entwickelt w u r d e 7 6 , zu Ende geführt werden. Soweit die Informationsakte allein das Verhältnis zwischen Staat und Bürger betreffen, sind sie als Befragung oder als deren Ersatzvornahme Eingriffe (direkte oder indirekte Informationserhebungseingriffe) i n das allgemeine Freiheitsrecht des A r t . 2 Abs. 1 GG, das auch die Freiheit umschließt, sich nicht befragen zu lassen. Die Informationsakte können aber auch den freien gesellschaftlichen Umgang zwischen den Bürgern i n den grundrechtlich geschützten Lebensbereichen betreffen und i n ihn derart eingreifen, daß die Selbstdarstellung u n d die Privatheit des Bürgers beeinträchtigt oder zerstört werden. Forsthoff hat den anschaulichen Fall 74 Zum Wert rechtsstaatlich unpersönlicher Verwaltung für die autonome persönliche Entfaltung und allgemein zum behandelten Unterschied zwischen Bürger-Bürger- und Staat-Bürger-Verhältnis Forsthoff (Anm. 8), S. 41 ff. 75 Vgl. Abschnitt 7.3.1.

7.5 Grundrechtsdogmatische Erfassung der staatl. Informationsakte

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gebildet, daß ein Geschlechtskranker zur Untersuchung auf offener Karte unter Angabe des Grundes vorgeladen w i r d 7 6 . E i n anderes Beispiel ist die Ausgestaltung der Meldepflicht, bei der der Meldeschein m i t seinen persönlichen Angaben an den Wohnungsgeber geht, ehe er an die Meldebehörde gelangt 7 7 . Weitere und drastischere Beispiele sind diejenigen Verbreitungen staatlicher Informationen vor einem öffentlichen Publikum, die den Bürger zum Homosexuellen oder eine Vereinigung zur Gemeinschaft von Verfassungsfeinden abstempeln, jemanden keinen Arbeitsplatz und keinen Geschäftskontakt mehr finden lassen, die Lächerlichkeits- oder Peinlichkeitsschwelle überschreiten, kurz die Selbstdarstellung und Privatheit vor bzw. gegenüber der Gesellschaft zerstören. I n diesen Zusammenhang gehört, i n ein D r i t t wirkungsproblem gekleidet, der Lebachfall. Einschlägige Situationen sind ferner da gegeben, wo staatliche Informationserhebungen über bestimmte Beziehungen bzw. das Wissen um ihre Möglichkeit das Verhalten i n den Beziehungen lähmen. Eine Pflicht des Vereins zu Auskünften über seine Mitglieder würde deren Selbstdarstellung i m Vereinsleben behindern, ein Recht des Staats zur Ausforschung der Kinder über ihre Eltern den Rückzug vor den gesellschaftlichen Verhaltensanforderungen i n die familiäre Privatheit verbauen. Alle diese die freigesetzten gesellschaftlichen Lebensbereiche betreffenden Informationsakte sind Eingriffe i n die jeweils angesprochenen Grundrechte, d. h. entweder i n die Spezialgrundrechte etwa der Ehe, der Vereinigung oder des Berufs oder i n das Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit und freien Persönlichkeitsentfaltung. Nach Maßgabe dieser Grundrechte sind sie zulässig oder unzulässig. Das Kontinuum staatlicher Informationsakte, das oben aufgezeigt wurde und das am einen Ende das Verhältnis des Staats zum Bürger als seinem Informationsobjekt, am anderen das Verhältnis des Bürgers zum Bürger als seinem Kommunikations- und Interaktionspartner betrifft, ist damit grundrechtsdogmatisch ausgeleuchtet. A m einen Ende w i r d allein i n die allgemeine Handlungsfreiheit als i n die Freiheit, sich nicht befragen zu lassen, eingegriffen. Vom anderen Ende her sind die verschiedenen Grundrechte angesprochen, je nachdem, welche Lebensbereiche berührt sind. Auch hier kann neben den Spezialgrundrechten das Auffanggrundrecht des A r t . 2 Abs. 1 GG Eingriffsgegenstand und Prüfungsmaßstab sein, allerdings nicht als die Freiheit, sich vom Staat nicht befragen zu lassen, sondern als die Freiheit, i n der Kommunika78

Forsthoff (Anm. 8), S. 59. So ζ. B. die Regelung der §§ 3 ff. des BadWürtt Meldegesetzes (Gesetzblatt 1960, S. 57) bis zur Änderung des § 5 (Gesetzblatt 1979, S. 299) dahin, daß der Wohnungsgeber seine eigene Meldung über den Ein- oder Auszug machen muß. 77

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7 Informationsakte als Grundrechtseingriff e

tion und Interaktion m i t den anderen Bürgern vom Staat nicht beeinträchtigt zu werden. Obwohl diese beiden grundrechtlichen Dimensionen sich i m Kontinuum miteinander berühren und ineinander verschränken, sind sie dogmatisch wie theoretisch zu scheiden. Diese Scheidung ist wichtig. Sie lohnt den Weg, der für die Bestätigung der eingangs angeführten These von der Eingriffsqualität der auf den Bürger bezogenen Informationsakte durchschritten wurde. Sie erlaubt auch, Schwächen der berichteten Rechtsprechung zu revidieren und Irrwege der Datenschutzdiskussion zu korrigieren. Die Irrwege scheitern, w e i l sie das Problem der Informationsakte m i t einem theoretischen und dogmatischen G r i f f zu bewältigen versuchen. Der eine I r r weg erfaßt die Informationsakte allein von der Bedrohung der Kommunikations- u n d Interaktionsfreiheit her und führt da nicht recht weiter, wo die Informationsakte als diskrete Informationserhebung oder als verwaltungsinterne Informationsübermittlung auf die Kommunikationsund Interaktionsfreiheit nicht einwirken 7 8 . Der andere I r r w e g geht allein von der Freiheit vor Befragungen aus und verfehlt die Einwirkung der Informationsakte auf die Kommunikation und Interakt i o n 7 9 . — Die Schwächen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lagen i n gelegentlichen Unklarheiten des Eingriffsbegriffs und i m gescheiterten Versuch, Privatheit als fixen Bereich und als asoziales Residuum zu definieren. Der Versuch mußte mißlingen, denn Privatheit bezeichnet einen Raum, der von der Gesellschaft zwar abgeschirmt, zugleich u n d dadurch aber auf sie bezogen ist. Sie hängt immer m i t der Selbstdarstellung zusammen, die sie vorbereitet und entlastet. M i t i h r ist auch sie bereichsspezifisch. So ist ζ. B. das Gespräch m i t dem A r z t eine Privatsache i m Verhältnis zwar zum Beruf, aber nicht zur Familie, u n d die politische Gesinnung ist eine Privatangelegenheit gegenüber dem Vermieter oder Nachbarn, obwohl sie vor den Parteigenossen dargestellt wird. Die Beispiele illustrieren beides, sowohl die Relativität als auch den Sozialbezug der Privatsphäre. Denn die Bereiche, i n denen von ßelbstdarstellung ausgeruht, Selbstdarstellung vorbereitet und Nichtdarstellbares getan wird, können nicht nur wechseln, sondern auch, w i e besonders das Beispiel der Familie zeigt, Bereiche intensiver sozialer Kommunikation u n d Interaktion sein. Anders also 78 Dies gilt besonders für die oben Anm. 72 nachgewiesene rollentheoretische Variante der Selbstdarstellungskonzeption, schwächer aber auch für das Verständnis des Persönlichkeitsschutzes bei Schmidt (Anm. 5). 79 Dies gilt besonders für Schwan (Anm. 7). Er kann Einwirkungen der Informationsakte auf die Kommunikation und Interaktion zwar in ihren Begleit- und Folgeeingriffen erfassen. Aber sowohl der Begleit- als auch der Folgeeingriff ist durch eine Finalität ausgezeichnet, die, wie nur schon der Leb achfall zeigt, den Einwirkungen der Informationsakte auf die Kommunikation und Interaktion nicht eignen muß.

7.5 Grundrechtsdogmatische Erfassung der staatl. Informationsakte

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als es i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erscheint, bedeuten Relativität und Sozialbezug nicht ein Minus an Privatheit, sondern deren natürliche u n d notwendige Eigenschaft. Ferner lösen sich auch die Unklarheiten des Eingriffsbegriffs auf. Worin das Bundesverfassungsgericht den Eingriff sehe, mußte oben gelegentlich gefragt werden, und als eingriffsbegründend erörtert wurde sowohl die I n formationserhebung m i t ihren Ersatzvornahmen wie auch das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses 50 oder die Heimlichkeit der Tonbandaufnahme 8 1 . Tatsächlich liegt bei den Informationsakten oft ein Eingriff i n zweifacher Hinsicht vor und w i r d neben der Freiheit, sich vom Staat nicht befragen zu lassen, auch die Freiheit der gesellschaftlichen K o m munikation u n d Interaktion betroffen. Weil das Bundesverfassungsgericht diese zwei Hinsichten zwar gesehen, aber grundrechtsdogmatisch nicht unterschieden hat, mußte gelegentlich unklar bleiben, was den Eingriff konstituiert und was lediglich seine Intensität ausmacht und Gesichtspunkt der Abwägung zwischen den Interessen des eingreifenden Staats und des abwehrenden Bürgers ist. Rückblickend und zusammenfassend läßt sich sagen, daß ein Eingriff stets schon i n der Informationserhebung bzw. deren Ersatzvornahmen liegt, daß derselbe Informationsakt daneben auch die speziai- oder auffanggrundrechtlich geschützte gesellschaftliche Kommunikation und Interaktion und i n ihr die Selbstdarstellung und die Privatheit beeinträchtigen kann und daß es, wo diese zweite Hinsicht den Fall nicht geradezu dominiert, durchaus angängig ist, sie als intensitätserhöhend und abwägungsrelevant gewissermaßen mitlaufen zu lassen. Noch ein weiterer Gewinn der Scheidung zwischen den beiden H i n sichten verdient Beachtung. Die zweite Hinsicht ist offen dafür, Probleme nicht nur der Persönlichkeitsentfaltung i n Selbstdarstellung und Privatheit aufzunehmen, sondern auch der betrieblichen und geschäftlichen Entfaltung. Der staatliche Informationszugriff auf betriebliche und geschäftliche Vorgänge kann solange nicht erfaßt werden, als die staatlichen Informationsakte allein unter dem Privatsphäreaspekt begriffen werden 8 2 . Demgegenüber gilt, daß der Eingriff stets schon i n der Informationserhebung bzw. deren Ersatzvornahme liegt, daß daneben die betriebliche und geschäftliche Situation i m Wettbewerb betroffen sein kann und daß dies, wenn es nicht überhaupt den Fall dominiert, jedenfalls als intensitätserhöhend und abwägungsrelevant Beachtung verdient. 80

Vgl. BVerfGE 32, 373—387 und dazu oben Abschnitt 7.2.3. Vgl. BVerfGE 34, 238—251 und dazu oben Abschnitt 7.2.5. 82 Auf das entsprechende Defizit der Datenschutzdiskussion macht Bullinger (Anm. 2), S. 2125 f. aufmerksam. 81

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7 Informationsakte als Grundrechtseingriff e

7.6 Der informationshilferechtliche Gesetzesvorbehalt I m letzten Abschnitt wurden die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die gesetzliche, rechtsdogmatische und rechtspraktische Behandlung der Amtshilfe unter Aussparung des Informationsbereichs entwickelt. Nunmehr kann das System der verfassungsrechtlichen Vorgaben geschlossen werden. Soweit die Informationen nicht den Bürger, sondern die Ausstattung der Verwaltung m i t sächlichen, räumlichen und personellen Mitteln, wissenschaftliche Erkenntnisse, rechtliche Expertisen etc. betreffen, gehört der Informationsbereich zum Innenbereich. Da dieser i n seinem Informationsaspekt selten gesetzlich geregelt ist, bedarf die Amtshilfe hier i n der Regel nicht einmal eines Querschnittsgesetzes83. Anders verhält es sich, soweit die Informationen den Bürger betreffen. Insoweit gehört der Informationsbereich zum Eingriffsbereich und steht unter denselben Anforderungen wie dieser. Das bedeutet, daß die amtshilfemäßige Informationserhebung, «Übermittlung und -Verarbeitung eines Spezialgesetzes bedarf, wenn sie über Grenzen verschiedener sachlicher Zuständigkeiten hinweg stattfindet, eines Querschnittsgesetzes, wenn sie über Grenzen lediglich verschiedener örtlicher Zuständigkeiten hinweg geschieht. Dieser Grundsatz, i n Anknüpfung an die heuristische Formel des letzten Abschnitts 8 4 formuliert, gilt übrigens auch für die computerunterstützte Datenüberm i t t l u n g und den computerunterstützten Datenverbund außerhalb des Bereichs der Amtshilfe 8 5 . Dies sei ausgeführt. Die bloße Speicherung von Informationen bei der Behörde, die sie erhoben hat, ist unabhängig davon, ob sie m i t oder ohne Computereinsatz stattfindet, kein Eingriff. Ebenso ist auch die Verarbeitung von Informationen durch die Behörde, die sie erhoben und gespeichert hat, kein Eingriff. Wenn jedoch eine Behörde zur computerunterstützten Datei einer anderen Behörde Zugang hat, so daß der Übermittlungsvorgang durch Datenabruf ersetzt 83 Die Ausnahme, in der das Querschnittsgesetz nötig wird, liegt zumal dann vor, wenn die Informationshilfe zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern geleistet werden soll (vgl, oben Abschnitt 6.2.3). 84 Siehe oben Abschnitt 6.2.1. 85 Von einem „grundsätzlichen Verbot der Datenübermittlung in der öffentlichen Verwaltung", wie es von Goebel (Anm. 2) postuliert und zur Grundlage seiner Ausführungen gemacht wird, kann nicht die Rede sein. Wenn Goebel, S. 58 f., 101 ein solches Verbot daraus ableitet, daß Art. 35 Abs. 1 GG die Amtshilfe nur i m Einzel- und Ausnahmefall zuläßt, dann verkennt er, daß die Amtshilfe nicht die einzige Grundlage für informationelle Kooperation und informationellen Verbund darstellt. Sowohl informationelles als auch sonstiges Zusammenwirken von Behörden ist für den Regelund Dauerfall durchaus „grundsätzlich" möglich, sofern es unter Beachtung der grundrechtlichen Anforderungen an die verhältnismäßige Zuordnung von Aufgaben und Befugnissen bzw. unter Wahrung der entsprechenden speziai- und querschnittsgesetzlichen Regelungserfordernisse eingerichtet wird.

7.6 Der informationshilferechtliche Gesetzesvorbehalt

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wird, ist dieser ebenso ein Eingriff wie jener. Dasselbe gilt, wenn zwei oder mehrere Behörden eine computerunterstützte Datei gemeinsam führen, so daß die eine Behörde die i n dieser Datei vorhandenen Daten der anderen abrufen kann. Auch hier ist der Abruf ebenso ein Eingriff wie die Übermittlung, die er ersetzt. I n diesem Fall kann sogar die Informations- bzw. Datenverarbeitung einen Eingriff darstellen, dann nämlich, wenn sie aus der Zusammenfügung von Informationen neue Informationen gewinnt, die von keiner der beteiligten Behörden aus den eigenen Informationen hätten gewonnen werden können. Und was soeben für verschiedene Behörden ausgeführt wurde, gilt auch für verschiedene Behördenteile, sofern sie durch Grenzen sachlicher Zuständigkeit voneinander geschieden sind, d. h. verschiedene Aufgaben m i t verschiedenen Informationen erfüllen 8 6 . Auch für die computerunterstützte Datenübermittlung und den computerunterstützten Datenverbund gelten die Erfordernisse des Spezialund des Querschnittsgesetzes. So bedarf die Datei, zu der mehrere Behörden Zugang haben oder die von mehreren Behörden geführt wird, eines Querschnittsgesetzes, wenn die verschiedenen Behörden die gleiche sachliche Zuständigkeit haben. Dabei bedeutet das Erfordernis eines Querschnittsgesetzes, daß Voraussetzungen und Bedingungen der Benutzung durch die beteiligten Behörden, Geheimhaltungs-, Berichtigungs-, Sperrungs- und Löschungsfragen etc. allgemein gesetzlich geregelt sind. Eines Spezialgesetzes bedarf die Datei, wenn mehrere Behörden m i t verschiedener sachlicher Zuständigkeit zu ihr Zugang haben oder sie führen. Dieses Spezialgesetz mag die allgemeinen Fragen dem Querschnittsgesetz überlassen, es hat aber zu regeln, welche Informationen zur gemeinsamen Verfügung der beteiligten Behörden gespeichert werden. Es ist kein Organisationsgesetz, sondern ein Eingriffsgesetz 87 . 86 Wann von verschiedenen Behörden und wann von verschiedenen Behördenteilen zu reden ist, hängt davon ab, wie eng oder wie weit der Behördenbegriff gefaßt wird (vgl. dazu oben Abschnitt 6.2.1 und unten A b schnitt 8.1.1 mit Anm. 16). Bei hinreichend weitem Behördenbegriff können auch die durch Grenzen sachlicher Zuständigkeit voneinander geschiedenen Behördenteile als verschiedene Behörden bezeichnet werden. 87 Diese Feststellung schließt natürlich nicht aus, daß die Organisationsund die Eingriffsfragen in einem und demselben Gesetz geregelt werden. — Das Eingriffsgesetz, das regelt, welche Informationen zur gemeinsamen Verfügung welcher Behörden gespeichert werden, unterliegt wie jede Eingriffsregelung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, und in seiner verfassungsrechtlichen Überprüfung muß der Nachweis gelingen, daß der I n formationsverbund bzw. die mit ihm verbundenen Eingriffe in die verschiedenen betroffenen Grundrechte geeignet sind und notwendig zur Erreichung eines legitimen Zwecks sind. Schon an dieser Überprüfung dürfte der Informationsverbund, der die Schreckensvisionen der Datenschutzdiskussion wahrmacht, umfassende Persönlichkeitsprofile oder -dossiers realisiert und den durchleuchteten und manipulierten Bürger schafft, scheitern. Der legitime Zweck, der dies fordern würde, erscheint nicht denkbar.

8 Die Amtehilferegelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des Bundesdatenschutzgesetzes I n den Verwaltungsverfahrensgesetzen (VwVfG) des Bundes und der Länder hat die Amtshilfe eine allgemeine und einheitliche Regelung gefunden. Die Verwaltungsverfahrensgesetze regeln die Amtshilfe weith i n gleichlautend und durchweg inhaltsgleich 1 . Sie weisen das Recht und die Pflicht zur Amtshilfe nicht nur bestimmten Behörden hinsichtlich bestimmter Amtshandlungen, sondern allen Behörden bezüglich aller Amtshandlungen zu. Sie stellen weder bei der Regelung der Voraussetzungen, unter denen um Amtshilfe ersucht werden kann, noch bei der Regelung der Bedingungen, unter denen die Amtshilfe geleistet werden muß, darauf ab, ob die ersuchte bzw. ersuchende Behörde demselben oder einem anderen Rechtsträger zugehört. Sie greifen dadurch derart ineinander, daß bei der Amtshilfe zwischen Bundes- und Landesbehörden das Hilfsersuchen und die Hilfeleistung behandelt werden können, als wären sie stets durch ein und dasselbe Gesetz geregelt. Hilfsersuchen und Hilfeleistung haben zwar formal verschiedene gesetzliche Grundlagen, unterstehen aber material denselben rechtlichen Anforderungen 2 . Die Rechtsprobleme dieser allgemeinen und einheit1 Gleichlautend mit §§4—8 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes sind §§ 4—8 BadWürttL VwVfG, Art. 4—8 BayVwVfG, §§ 4—8 BremVwVfG, §§4—8 H m b V w V f G (mit dem Zusatz eines Satzes 2 zu § 6), §§4—8 HessVwVfG, §§ 4—8 V w V f G N W , §§ 4—8 SaarlVwVfG. Gemäß § 1 Abs. 1 BerlVwVfG, § 1 Abs. 1 NdsVwVfG und § 1 Abs. R h l P f L V w V f G gelten §§4—8 V w V f G des Bundes auch als Landesrecht. Inhaltsgleich mit §§ 4—8 V w V f G des Bundes sind §§ 32—36 SchlHLVwG. 2 Vgl. Lässig, Finkelnburg/Lässig, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, §4 Randnr. 7? Leonhardt, Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 4 Randnr. 7; Kopp, VerwaltungsVerfahrensgesetz, § 4 Anm. 4; Meyer, Meyer/ Borgs, Verwaltungs Verfahrensgesetz, § 4 Randnr. 5. — I m einzelnen Fall kann freilich die Fixierung der einschlägigen Rechtsgrundlage für das Hilfsersuchen und die Hilfeleistung schwierig sein; insofern ist die Kennzeichnung der Rechtslage durch Meyer als „nicht gerade sehr klar" und durch Kopp sogar als „überaus kompliziert" zutreffend. Kopp meint, eine einheitliche Regelung für Bundes- und Landesbehörden, die sämtliche Landesbehörden bei Ausführung jeglichen Redits einbezogen hätte, hätte die Gesetzgebungskompetenz des Bundes überfordert. Dagegen nimmt Meyer, jedenfalls soweit es um die Amtshilfe zwischen Behörden des Bundes und eines Landes sowie zwischen Behörden verschiedener Länder geht, eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus der Natur der Sache an. Für eine Bundesgesetzgebungskompetenz dieses Inhalts besteht jedoch kein Grund und auch kein Raum, da Art.

8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

liehen Regelung treten bei jedem Verwaltungsverfahrensgesetz i n der gleichen Weise hervor; zu ihnen werden i m folgenden jeweils die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes angeführt. Landesrechtliche Bezüge werden exemplarisch zum Landesrecht BadenWürttembergs hergestellt. Die Bestimmungen der §§ 4 bis 8 V w V f G wollen den Grundsatz des A r t . 35 Abs. 1 GG konkretisieren 3 . Jedoch „erschien eine zu starke Konkretisierung der einzelnen Begriffsmerkmale . . . aus verfassungsrechtlichen Gründen bedenklich" 4 ; der Gesetzgeber fürchtete, die gesetzliche Regelung könne m i t der grundgesetzlichen i n K o n f l i k t geraten, und reagierte darauf statt m i t einer Klärungs- m i t einer Vermeidungsstrategie, d. h. statt die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die einfachrechtliche Behandlung der Amtshilfe herauszuarbeiten und umzusetzen, verzichtete er gelegentlich lieber auf letzte definitorische Schärfe, auf volle inhaltliche Prägnanz. Einige Rechtsfragen der verwaltungsverfahrensgesetzlichen Amtshilferegelung resultieren eben hieraus. Sie finden ihre A n t w o r t von den verfassungsrechtlichen Vorgaben her, die oben ermittelt wurden 5 . Eine erste und grobe Orientierung sei vorausgeschickt. Als Querschnittsgesetz legitimiert das Verwaltungsverfahrensgesetz die Amtshilfe da, wo sie nicht eines Speziai-, sondern lediglich eines Querschnittsgesetzes bedarf. Wo sie keines Gesetzes bedarf, unterfällt sie den Anforderungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes, weil sie dem Zugriffsrecht des Gesetzgebers unterliegt. Wo die Amtshilfe von Verfassung und Grundrechts wegen ein Spezialgesetz verlangt, w i r d sie selbst durch ein behutsam und grundrechtssensibel interpretiertes und angewandtes Verwaltungsverfahrensgesetz nicht gedeckt.

35 Abs. 1 G G die Amtshilfe über die Grenzen des Gesamtstaats und der Gliedstaaten hinweg ohnehin, aber auch nur so fordert, wie sie jeweils innerhalb des Gesamtstaats und der Gliedstaaten rechts- und verfassungsgemäß ersucht werden darf und geleistet werden muß. Besonders problematisch ist die Annahme gerade einer ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz: Sollen die Landesgesetze, soweit sie die gesamt- und gliedstaatsgrenzüberschreitende Amtshilfe betreffen, verfassungswidrig sein? 3 Bundesminister des Innern (Hrsg.), Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, S. 87 f.; Regierungsentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 18.7.1973, Bundestagsdrucksache 7/910, S. 38. 4 Musterentwurf S. 88; ähnlich auch Regierungsentwurf S. 38. * Siehe oben Abschnitt 6.

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8 Verwaltungsverf ahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

8.1 Reichweite der Amtshilferegelung des Verwaltungsverfahrensgesetzes 8.1.1 Hinlänglich klar ist der Anwendungsbereich der verwaltungsverfahrensgesetzlichen Amtshilferegelung bestimmt 6 . Gelungen ist insoweit auch die Konkretisierung des grundgesetzlichen Amtshilfegebots 7 . Indem das Ineinandergreifen der Bundes- und Landesgesetze den Amtshilfeverbund zwischen allen Bundes- und Landesbehörden herstellt, konkretisiert es genau die Überwindung gesamt- und gliedstaatlicher Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen, die A r t . 35 Abs. 1 GG i n der Tradition von A r t . 7 Ziff. 3 WRV und A r t . 4 Ziff. 11 RV verfolgt 8 . I m Amtshilfeverbund zusammengeschlossen sind durch § 1 und 2 V w V f G m i t den unmittelbaren und mittelbaren Bundes- und Landesbehörden auch die Behörden der Gemeinden und Gemeindeverbände. Auch hierin liegt, obwohl A r t . 35 Abs. 1 GG nur von den Behörden des Bundes und der Länder und nicht auch von den Behörden der Gemeinden spricht, eine Konkretisierung des grundgesetzlichen Amtshilfegebots 9 . Denn das Grundgesetz geht von einem zweistufigen Aufbau der staatlichen Organisation aus und behandelt die Gemeinden als Bestandteil der Länder 1 0 . Daß andererseits durch § 1 V w V f G das erwerbswirtschaftliche Staatshandeln sowie durch § 2 Abs. 1 V w V f G die Tätigkeit der Kirche aus dem Amtshilfeverbund ausgenommen sind 1 1 , entspricht ebenfalls dem 6 Von den allgemeinen Problemen des Anwendungsbereichs des Verwaltungsverfahrensgesetzes kann vorliegend abgesehen werden; vgl. dazu Naujoks, JZ 1978, S. 41 ff. 7 Diese Verwendung des Begriffs der gelungenen Konkretisierung ist schlicht und enthält keinerlei Annahmen über eine Funktion der Gesetzgebung als Konkretisierung der Verfassung. Sie bezeichnet einfach den U m stand, daß der ebenso lapidare wie allgemeine Art. 35 Abs. 1 G G dem Gesetzgeber einen Spielraum läßt, bei dessen Ausfüllung das historisch und genetisch erkennbare Ziel des grundgesetzlichen Amtshilfegebots besser und schlechter verfolgt werden kann. Insbesondere der Allgemeinheit des grundgesetzlichen Amtshilfegebots kann eine gesetzliche Amtshilferegelung durch dieselbe Allgemeinheit mehr und durch eine geringere weniger genügen. Auch mit den übrigen Bestimmungen des Grundgesetzes kann die gesetzliche Amtshilferegelung besser und schlechter zusammenstimmen. 8 Siehe oben Abschnitt 2.1.1. 9 Als Statuierung eines Rechts und seiner Pflicht auch der Gemeinden und Gemeindeverbände zur Amtshilfe wurde Art. 35 Abs. 1 G G von Anfang an verstanden; vgl. Dennewitz, Bonner Kommentar, Art. 35 Anm. II.3 (1950); von Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Art. 35 Anm. III.2; Maunz, Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 35 Randnr. 4 (1973) und mit weiteren Nachweisen Dreher, Die Amtshilfe, S. 61 mit Anm. 145. 10 Vgl. Maunz, ebd. Art. 28 Randnr. 50, 79 (1977). 11 Schon die Beschränkung des Anwendungsbereichs des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden in § 1 Abs. 1 bis 3 kann dahin verstanden werden, daß Amtshilfe nicht für privatrechtlich organisierte Behördentätigkeit ersucht und geleistet werden darf; vgl. Leonhardt (Anm. 2), §4 Randnr. 9; Meyer (Anm. 2), §4

8.1 Reichweite der Amtshilferegelung

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grundgesetzlichen Amtshilfegebot bzw. dessen immanenten Beschränkungen. Der Amtsbegriff, i n dessen Sinn das Grundgesetz in A r t . 33 und 34 vom öffentlichen A m t , i n A r t . 34 von der Amtspflicht und i n A r t . 35 von der Amtshilfe spricht, spart erwerbswirtschaftliche und kirchliche Funktionen stets aus 1 2 ; überdies würde eine Ausdehnung des Amtshilfeverbunds auf erwerbswirtschaftliche Staatsunternehmen diesen ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile verschaffen 13 und auf die Randnr. 9. Wird jedoch mit BAG, NJW 1960, 2118—2119 der Bereich der öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit im Amtshilferecht weit gezogen, so daß er auch eine Verwaltungstätigkeit in privatrechtlicher Form abdecken kann, dann schließt jedenfalls § 1 Abs. 4, der den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung beschränkt, die rein fiskalische, nicht auch daseinsvorsorgende, sondern nur erwerbswirtschaftliche Betätigung aus; vgl. Lässig (Anm. 2), Randnr. 11; Klappstein, Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 4 Randnr. 2.3; Kopp (Anm. 2), §4 Anm. 2; BFH, JZ 1969, 527. — Die K i r chen sieht Meyer (Anm. 2), § 4 Randnr. 5 aus dem Amtshilfeverbund nur als Amtshilfeleistende, nicht jedoch als Amtshilfeempfänger ausgenommen. Da §4 nicht die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes für beide beteiligten Behörden voraussetze, habe eine staatliche Behörde ein staatskirchenrechtlich zulässiges Amtshilfeersuchen einer kirchlichen Behörde nach §§ 5 ff. V w V f G zu behandeln. Dabei übersieht Meyer jedoch, daß § 4 für den Amtshilfeempfänger zwar nicht die Anwendbarkeit (§ 1 Abs. 1 bis 3, § 2), aber die Behördeneigenschaft (§ 1 Abs. 4) des Verwaltungsverfahrensgesetzes voraussetzt. Diese fehlt kirchlichen Stellen. M i t der Wahrnehmimg von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung sind sie nicht betraut; lediglich ausnahmsweise obliegen ihnen öffentliche Aufgaben, etwa bei der Verwaltung von Friedhöfen, und gebühren ihnen das Recht und die Pflicht zur Amtshilfe. Auch Rüfner, HdbStKirchR 2, S. 840 ff., sieht „grundsätzlich zwischen Kirche und Staat keine Verpflichtung zur Rechts- und Amtshilfe". Allerdings gebe es eine sehr weitgehende Zuarbeit der staatlichen zu den kirchlichen Behörden, die erheblich über das in besonderen gesetzlichen Regelungen und aus allgemeinen Überlegungen rechtlich gebotene Maß hinausgehe. Wegen des „freundschaftlichen Neben- und Miteinanders" von Staat und Kirche in der Bundesrepublik sei sie auch unbedenklich. Die Überprüfung dieser Unbedenklichkeitserklärung hätte tiefer in das Arkanum des bundesrepublikanischen Staatskirchenrechts und auch in die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eanzudringen, als dies hier angezeigt ist. Die zu überprüfende Denkungsart tritt da besonders anschaulich hervor, wo Rüfner von dem verliehenen auf das zu verleihende Privileg schließt, indem es ihm „widersinnig (erscheint), daß der Staat bestimmte Aufgaben und Ziele der Kirchen durch Verleihung von Hoheitsgewalt privilegiert, aber dennoch davon absieht, die Ausübung dieser Hoheitsgewalt mit der ergänzenden Amtshilfe zu unterstützen". — Meyer-Teschendorf, Essener Gespräche 15 (1981), S. 9 ff., verneint ebenfalls die Teilhabe der Kirchen am Amtshilfeverbund von Art. 35 GG. Er verneint auch einen Anspruch der Kirchen auf meldebehördliche Informationshilfe, sieht aber die staatlich-kirchliche Zusammenarbeit im Meldewesen insoweit durch eine Maxime kirchenfreundlichen staatlichen Verhaltens legitimiert, als nur die Daten der Kirchenmitglieder weitergegeben werden. 12 Zur Aussparung kirchlicher Funktionen Frank, HdbStKirchR 1, S. 709 ff.; Friesenhahn, ebd. S. 564; zur Aussparung erwerbswirtschaftlicher Funktionen Maunz (Anm. 9), Art. 33 Randnr. 12, 37 (1966), Art. 34 Randnr. 17 (1971); Dagtoglou, Bonner Kommentar, Art. 34 Randnr. 44, 83 ff. (1970); jeweils mit weiteren Nachweisen. 13 So auch Dreher (Anm. 9), S. 90 ff.

208

8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

Kirchen

deren

grundgesetzliche

Eigenständigkeit

( A r t . 140 G G )

und

grundrechtliche Freiheit (Art. 4 GG) beeinträchtigen 14. A u c h die Herausn a h m e der R u n d f u n k - u n d F e r n s e h a n s t a l t e n aus d e m

Amtshilfever-

b u n d d u r c h die V e r w a l t u n g s v e r f a h r e n s g e s e t z e d e r L ä n d e r sichert g r u n d rechtliche F r e i h e i t 1 5 . E i n e A b w e i c h u n g v o m g r u n d g e s e t z l i c h e n A m t s h i l f e g e b o t e n t h ä l t die verwaltungsverfahrensgesetzliche a u f das Verhältnis

der

Amtshilferegelung

Verwaltungsbehörden

a n w e n d b a r ist. Z w a r i s t der B e h ö r d e n b e g r i f f

zu den

insofern, Gerichten

als sie nicht

des § 1 A b s . 4 V w V f G

w e i t ; er umfaßt alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen V e r w a l t u n g w a h r n e h m e n u n d setzt l e d i g l i c h e i n gewisses M a ß a n organisatorischer S e l b s t ä n d i g k e i t u n d die A u s s t a t t u n g m i t ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n

Zustän-

d i g k e i t e n v o r a u s 1 6 . A b e r i n seiner B e s c h r ä n k u n g a u f V e r w a l t u n g s t ä t i g k e i t i m U n t e r s c h i e d zu R e c h t s p r e c h u n g s t ä t i g k e i t b l e i b t er enger als d e r 14 Der selbständigen Ordnimg und Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes (Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV) widerspräche nicht nur eine Vereinnahmimg der Kirchen als Amtshilfeleistender, sondern auch ihre Bevorzugung als Amtshilfeempfänger. Auch mit grundrechtlicher Freiheit ist Privilegierung ebenso schlecht verträglich wie Benachteiligung. 15 Zwar gehört die Veranstaltung von Rundfunk- und Fersehsendungen zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung (BVerfGE 12, 206—264 [244]) und setzt § 4 für den Amtshilfeempfänger nur die durch die Wahrnehmimg von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestimmte Behördeneigenschaft, nicht audi die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes voraus (vgl. schon oben Anm. 12). Aber ihre öffentliche Aufgabe sollen Rundfunk und Fernsehen in der gleichen grundrechtlichen Freiheit wahrnehmen, in der auch die Presse ihre gesellschaftliche Funktion erfüllt. Hiermit wäre nicht nur die Inpflichtnahme von Rundfunk und Fernsehen als Amtshilfeleistende, sondern auch ihre Privilegierung als Amtshilfeempfänger, die auch eine Bevorzugung gegenüber der Presse bedeuten würde, unvereinbar. — Die Argumente, mit denen die Begründung des Regierungsentwurfs des BadWürttLandesverwaltungsverfahrensgesetzes vom 28.12.1976 den Ausschluß der Rundfunkanstalten aus dem Amtshilfeverbund begründet, gehen in andere Richtung. Zu Redit halten Braun!von Rotberg, Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg, §2 Randnr. 2, sie für wenig überzeugend. Daß „die Anwendung des Gesetzes Schwierigkeiten bereiten würde, soweit die Anstalten über Ländergrenzen hinweg tätig werden müssen" (Landtagsdrucksache 7/820, S. 69), leuchtet nicht ein. 16 Zum Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 V w V f G und zu anderen Behördenbegriffen besonders Lässig (Anm. 2), § 1 Randnr. 79 ff.; Borgs, Meyer/Borgs (Anm. 2), § 1 Randnr. 21 ff.; Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I I , S.81ff.; vgl. auch schon oben Abschnitt 6.2.1. Der Kontroverse, ob der Behördenbegriff Außenzuständigkeit voraussetzt, muß hier nicht nachgegangen werden. Lässig, der sie (Anm. 2) Randnr. 96 grundsätzlich fordert, hält sie doch i m Rahmen der Amtshilfe ausnahmsweise für entbehrlich. — Wenn Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I I , oben (Abschnitt 2.3.2) beim Rechtsschrifttum a m Vorabend des Verwaltungsverfahrensgesetzes erwähnt wurden und hier und im folgenden bei den Erläuterungen zum Verwaltungsverfahrensgesetz angeführt werden, dann rechtfertigt sich dies daraus, daß sie zwar vor dem I n krafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes liegen, aber schon ausgiebig auf dessen Entwurf eingehen.

8.1 Reichweite der Amtshilferegelung

209

Behördenbegriff des A r t . 35 Abs. 1 GG, der Verwaltungsbehörden und Gerichte zusammenschließt 17 . Die nach A r t . 35 Abs. 1 GG von den Behörden zu leistende Amtshilfe umfaßt neben der Unterstützung zwischen Verwaltungsbehörden den Beistand von Verwaltungsbehörden gegenüber Gerichten und die Vornahme nichtrichterlicher Handlungen von Gerichten füreinander und für Verwaltungsbehörden 18 . Hiervon deckt die verwaltungsverfahrensgesetzliche Amtshilferegelung die Unterstützung zwischen Verwaltungsbehörden sehr weitgehend 1 9 , die Vornahme nichtrichterlicher Handlungen von Gerichten füreinander und für Verwaltungsbehörden sowie den Beistand von Verwaltungsbehörden gegenüber Gerichten dagegen nur bruchstückhaft 20 . Anders als der Bereich der Amtshilfe der Gerichte untereinander und gegenüber den Verwaltungsbehörden ist der Bereich der Amtshilfe der Verwaltungsbehörden gegenüber den Gerichten auch von einiger praktischer Bedeutung. I n i h n fallen ζ. B. das Ersuchen des Gerichts um Einräumung eines Saals bei auswärtiger oder übervoller Verhandlung, die Bitte des Gerichts an die Polizei, den physisch oder psychisch erschöpften Zeugen nach Hause zu fahren, und nach Auffassung des Schrifttums auch der Polizeieinsatz zum Schutz von Gerichtsverhandlungen gegen Störer 2 1 . Soweit für die Amtshilfe i n diesem Bereich ein Querschnittsgesetz einerseits notwendig und andererseits ausreichend ist, können die §§ 4 bis 8 V w V f G entsprechend angewandt werden 2 2 . Denn wo die Amtshilfe 17 Vgl. Maunz (Anm. 9), Art. 35 Randnr. 3; von Mangoldt/Klein (Anm. 9), Art. 35 Anm. I I I . l ; implizit auch Dennwitz (Anm. 9), Art. 35 Anm. I I . l f.; siehe ferner schon oben Abschnitte 2 pr. und 2.1.1. 18 Siehe oben Abschnitt 2.2.1. Diese Definition der Amtshilfe deckt zusammen mit der Definition der Rechtshilfe (siehe ebenfalls oben Abschnitt 2.2.1) das gesamte Feld der Hilfeleistungen, mit denen Behörden und Gerichte zwischen ihnen bestehende Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen überwinden und entspricht damit der flächendeckenden Funktion des Art. 35 Abs. 1 GG. 19 Ausnahmen ergeben sich aus § 2 Abs. 2 und 3 VwVfG. Da § 4 für den Amtshilfeempfänger nur die Behördeneigenschaft, nicht aber die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes verlangt (vgl. schon oben Anm. 12), gelten für die Amtshilfe der Behörden, die i n den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes fallen, gegenüber den Behörden, die durch § 2 Abs. 2 und 3 aus dem Anwendungsbereich ausgenommen sind, §§4—8 V w V f G sehr wohl. Nur für die umgekehrte Situation und für die Amtshilfe zwischen den durch §2 Abs. 2 und 3 ausgenommenen Behörden gelten sie nicht. 20 Insoweit ergibt sich die Beschränkung des Anwendungsbereichs aus § 2 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG. 21 Dazu näher unten Abschnitt 8.2.4 mit Anm. 101. 22 Soweit eine Verpflichtung der Behörden gegenüber den Gerichten zur Amtshilfe in besonderen Gesetzen (z. B. § 14 Verwaltungsgerichtsordnung, § 27 BundesverfassungsgerichtsG, § 13 Finanzgerichtsordnung, § 5 SozdalgerichtsG) zwar i m Grundsatz statuiert, aber nicht im einzelnen ausgestaltet ist, dient die entsprechende Anwendung der §§4—8 V w V f G dieser Ausgestaltung.

14 s chi i n k

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

lediglich ein Querschnittsgesetz voraussetzt, dient diese Voraussetzung weniger dem Schutz von Rechts- und besonders Grundrechtspositionen als vielmehr der Wahrung von Ordnungsfunktionen 2 3 . Die Ordnungsfunktionen kann ein Querschnittsgesetz auch i n entsprechender Anwendung erfüllen. Diese Überlegung begründet eine entsprechende Anwendung der §§ 4 bis 8 V w V f G auch i n anderen Bereichen, soweit i n ihnen für die Amtshilfe ein Querschnittsgesetz notwendig und ausreichend ist 2 4 . 8.1.2 Enger als der Regelungsbereich des A r t . 35 Abs. 1 GG ist der Anwendungsbereich der §§ 4 bis 8 V w V f G auch deswegen, w e i l das Verwaltungsverfahrensgesetz gemäß § 1 Abs. 2 hinter inhaltsgleichen oder entgegenstehenden Rechtsvorschriften zurücktritt. Wo die Amtshilfe außerhalb des Verwaltungsverfahrensgesetzes eine querschnittsoder eine spezialgesetzliche Regelung gefunden hat, geht diese der verwaltungsverfahrensgesetzlichen Amtshilferegelung vor. I n wiederum entsprechender, ergänzender und sogar korrigierender Anwendung 2 5 haben die §§ 4 bis 8 V w V f G allerdings auch hier erhebliche Bedeutung. Das Feld dieser sozusagen mittelbaren Geltung der Verwaltungsverfahrensgesetzlichen Amtshilferegelung ist folgendermaßen aufgeteilt. Erstens gibt es außerhalb der Verwaltungsverfahrensgesetze querschnittsgesetzliche Regelungen, die aufgabenunspezifische Aspekte behördlichen Verfahrens und behördlicher Handlungsformen zum Gegen23

Siehe oben Abschnitt 7.2. Wo die Kommentierungen mit einer entsprechenden Anwendung der verwaltungsverfahrensgesetzlichen Amtshilferegelung zurückhaltend sind, nehmen sie doch §§4—8 V w V f G als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken (Meyer [Anm. 2], §4 Randnr. 3; Klappstein [Anm. 11], vor §4 Randnr.1.3.4) oder verweisen, was auf dasselbe hinausläuft, auf die aus Art. 35 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsätze (Kopp [Anm. 2], § 4 Anm. 1). Für eine großzügige entsprechende Anwendung Lässig (Anm. 2), §4 Randnr. 4 ff., 11. — Auch in den durch § 2 Abs. 2 und 3 aus dem Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausgenommenen Bereichen ist eine querschnitts- oder spezialgesetzliche Amtshilfepflicht zwar in §§ 111—117 Abgabenordnung 1977 mit § 13 FinanzverwaltungsG sowie in §§ 3 ff., 67 ff. SGB X eingehend geregelt, gelegentlich aber nur grundsätzlich statuiert und nicht näher ausgestaltet, vgl. z. B. § 127 Wahlordnung für die Sozialversicherung, § 47 BundesausbildungsförderungsG, §191 BundesentschädigungsG, §26 Vertreibungsund KriegssachschädenfeststellungsG, § 317 LastenausgleichsG, § 25a WiedergutmachungsG für Angehörige des öffentlichen Dienstes. Auch hier dient die entsprechende Anwendimg der §§4—8 V w V f G der Ausgestaltung. Das gilt auch für die Amtshilfe nach Art. 44 Abs. 3 GG, sofern nicht die Untersuchungsausschüsse ohnehin als Behörden angesehen werden, so daß für die Amtshilfe ihnen gegenüber §§4—8 V w V f G unmittelbar Anwendung finden. 25 Welche A r t der Anwendung vorliegt, hängt auch vom Verständnis der Soweit-Klausel in § 1 Abs. 2 V w V f G ab. Wird sie eng genug verstanden, dann kann in den nachfolgend erörterten Bereichen auch von einer unmittelbaren Anwendung der §§ 4—8 V w V f G gesprochen werden. 24

8.1 Reichweite der Amtshilferegelung

211

stand haben. Soweit sie die Amtshilfe detailgenauer als die §§ 4 bis 8 V w V f G regeln, bedarf es deren ergänzender Heranziehung nicht; soweit sie jedoch Amtshilfeprobleme ungelöst und dabei Ordnungsfunktionen unerfüllt lassen, ist die Heranziehung der §§ 4 bis 8 VwVfG, die als querschnittsgesetzliche Amtshilferegelung eben diese Ordnungsfunktionen erfüllen sollen, angezeigt. Insbesondere drei Fragenkomplexe, die i n der Amtshilfeproblematik traditionell drei Schwerpunkte bilden, sind querschnittsgesetzlich außerhalb der Verwaltungsverfahrensgesetze geregelt: Die Vollzugs- oder Vollstreckungshilfe ist i n den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen erfaßt 2 6 ; die Zustellungshilfe ist durch die Verwaltungszustellungsgesetze erledigt 2 7 , i n den Datenschutzgesetzen ist die Informationshilfe unter Beschränkung auf die Übermittlung personenbezogener Daten aus Dateien zwar nicht umfassend, aber doch i n einem wichtigen Teilbereich abgedeckt 28 . Die Bedeutung einer entsprechenden Anwendung der §§ 4 bis 8 V w V f G bei diesen drei Fragenkomplexen ist unterschiedlich. Die Datenschutzgesetze regeln eine kleinere Querschnittsmaterie m i t größerer Detailgenauigkeit und sind auf eine Ergänzung durch die §§ 4 bis 8 V w V f G nicht angewiesen. Die Verwaltungszustellungsgesetze erledigen das Problem der Zustellungshilfe dadurch, idaß sie den Behörden die Wahl zwischen behördlicher und postalischer Zustellung einräumen 2 9 . Schwierigkeiten behördeneigener Zustellung machen daher keine fremdbehördliche Zustellung nötig; die Post als Zustellungshelfer erübrigt das Ersuchen u m behördliche Zustellungshilfe u n d erübrigt damit auch eine entsprechende Anwendung der verwaltungsverfahrensgesetzlichen Amtshilferegelung. Die Verwaltungsvollstreckungsgesetze regeln die Amtshilfe i n geringerer Detailgenauigkeit als die Verwaltungsverfahrensgesetze; zugleich sind diese teilweise gerade i m Hinblick auf die Vollstreckungs26 Allerdings in unterschiedlichem Umfang, vgl. §§ 4, 8, 15 V w V f G und dazu Engelhardt, Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz, Verwaltungszustellungsgesetz; §§ 4, 7 BadWürttVwVfG und dazu Fliegauf/Maurer, Verwaltungsvollstreckungsgesetz für Baden-Württemberg. Bei Engelhardt auch die Nachweise der teilweise vollständigeren Amtshilfebestimmiungen in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der anderen Länder. 27 Näheres dazu sogleich. — Ihre amtshilferechtliche Wurzel läßt die Zustellungshilfe da wieder deutlich erkennen, wo sie zum Gegenstand zwischenstaatlicher Vereinbarung wird; vgl. zum einschlägigen Europäischen Übereinkommen und zu den korrespondierenden Regelungen und Regelungsabsichten der Bundesrepublik Deutschland J Z - G D 1981, S. 119 f. 28 Vgl. § 10 Abs. 1 BDSG mit der Beschränkung auf personenbezogene Daten, die aus Dateien übermittelt werden, in § 1 BDSG. Der Bestimmimg des § 10 Abs. 1 BDSG entsprechen wortgleich § 10 BadWürttLDSG, Art. 17 Abs. 1 und 2 BayLDSG, § 10 Abs. 1 BerlDSG, § 11 Abs. 1 BremDSG, § 10 Abs. 1 H m b DSG, § 12 Abs. 1 HessDSG, § 10 Abs. 1 NdsDSG, § 11 DSGNW, § 6 Abs. 1 und 2 RhPfLDatG, § 14 SaarlDSG, § 10 Abs. 1 SchlHLDSG. 20 Vgl. § 2 Abs. 2 V w Z G , § 2 Abs. 2 VwZGBadWürtt.

14·

212

8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

hilfe und i n Orientierung an deren Problemen konzipiert 3 0 . Hier liegt die ergänzende Anwendung der §§ 4 bis 8 V w V f G sowohl i m Sinn einer angemessenen Problemlösung als auch i m erkennbaren Willen des Gesetzgebers. — Von diesen Querschnittsgesetzen w i r d das Bundesdatenschutzgesetz m i t seiner Regelung der Informationshilfe i n den weiteren Überlegungen noch einer eigenen Untersuchung unterzogen werden 3 1 . Denn die Amts- bzw. Informationshilfelegitimation, die es leisten soll, erweist sich unter den Anforderungen der oben entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben als problematisch. Die Vollzugs- oder Vollstreckungshilfe kann dagegen i m Zusammenhang der Ausführungen zum Verwaltungsverfahrensgesetz mitbehandelt werden. Ihre Legitimation durch die Verwaltungsvollstreckungs- und ergänzend die Verwaltungsverfahrensgesetze ist unproblematisch. Zwar sind die Maßnahmen des Vollzugs oder der Vollstreckung Eingriffe und verlangen die oben entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben die Zuordnimg von Eingriffsbefugnissen zu ihren Aufgaben. Aber diesem Erfordernis genügen die Verwaltungsvollstreckungsgesetze, obwohl sie die Eingriffsbefugnisse nicht spezialgesetzlich den Aufgaben zuordnen, die m i t dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt eigentlich und letztlich verfolgt werden. Ein Verwaltungsakt soll eine Regelung verwirklichen und durchsetzen. Er trägt seine Vollstreckbarkeit gewissermaßen wesensmäßig i n sich 32 . Wo Spezialgesetze für bestimmte Aufgaben die Befugnis einräumen, einen eingreifenden Verwaltungsakt zu setzen, begründen sie die Befugnis, i h n vollstreckbar zu setzen. Für die Einzelheiten der Voraussetzungen, M i t t e l und Verfahren der Vollstreckung genügt dann ein Querschnittsgesetz 33 .

80

Siehe dazu unten Abschnitt 8.5.1. Siehe unten Abschnitt 8.4. 82 M i t O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, l.Band, 3. Aufl., S.93 ausgedrückt: „Der gewöhnliche Verwaltungsakt bewahrt . . . sehr Wesentliches von der Art, wie die öffentliche Gewalt i m Urteil wirksam wird." 83 Ein solches ist aber auch erforderlich. Dies sollte die Feststellung zur Vollstreckbarkeit als der gleichsam wesensmäßigen Eigenschaft des Verwaltungsakts nicht verunklaren. I n Anknüpfung an Mayers Analogie formuliert Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 8. Aufl., S. 264 f.: „Die Durchsetzung eines Verwaltungsakts mit Zwangsmitteln ist eine Prozedur von der gleichen Selbständigkeit, wie sie das Vollstreckungsverfahren gegenüber dem Prozeßverfahren besitzt. . . . Die Verwaltung darf deshalb Zwangsmittel nur anwenden, wenn sie ihr ausdrücklich durch Gesetz verliehen sind." — Z u Unrecht sieht Forsthoff, 10. Aufl., S. 291 diese seine Feststellung durch BVerwG 28, 1—12 in Frage gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet hier zwar mit problematischer Argumentation auf das Erfordernis einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlaß eines Verwaltungsakts (Leistungsbescheids), verlangt und findet für dessen Vollstreckung jedoch die gesetzliche Grundlage i n den Verwaltungsvollstrekkungsgesetzen. 81

8.1 Reichweite der Amtshilferegelung

213

Zweitens gibt es außerhalb der Verwaltungsverfahrensgesetze spezialgesetzliche Amtshilferegelungen, die ganz bestimmte Befugnisse einer ersuchten Behörde i n den Dienst ebenfalls ganz bestimmter A u f gaben einer ersuchenden Behörde stellen. Sie sind unter den Anforderungen der oben entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben da nötig, wo die Amtshilfe i m Eingriffsbereich die Grenzen sachlicher Zuständigkeit überwinden soll. Hier paßt die verwaltungsverfahrensgesetzliche Amtshilferegelung weithin nicht. Denn der Handlungszusammenhang zwischen ersuchender und ersuchter Behörde, den sie i n seinen Voraussetzungen, Grenzen und Verantwortlichkeiten erst herstellen w i l l , ist durch das Spezialgesetz schon begründet. So läßt ζ. B. die Regelung des § 44 Abs. 3 WPflG, nach der die Wehrersatzbehörde die Polizeibehörde ersuchen kann, einen Wehrpflichtigen, der seiner Einberufung unentschuldigt nicht Folge leistet, dem nächsten Feldjäger, Dienstkommando zuzuführen, einer ergänzenden Anwendung der §§ 4 bis 8 V w V f G wenig Raum 3 4 . Ein angelegentlich auftauchendes Regelungsdefizit i n Anlehnung an die §§ 4 bis 8 V w V f G abzugleichen, besteht aber auch kein Bedenken 35 . Drittens gibt es Amtshilfebestimmungen außerhalb der Verwaltungsverfahrensgesetze, die eine eigentümliche Zwischenstellung zwischen speziai - und querschnittsgesetzlichen Regelungen einzunehmen scheinen. Es handelt sich u m die Bestimmungen, die einer bestimmten Behörde oder einem bestimmten Behördenkreis für die Erfüllung bestimmter Aufgaben das Recht geben, alle anderen Behörden u m Amtshilfe zu ersuchen. I n diesem Sinn verpflichtet z. B. § 20 BDO alle Verwaltungsbehörden, den Disziplinarbehörden i n Disziplinarsachen Amtshilfe zu leisten 3 6 . Hier werden nicht bestimmte Befugnisse einer ersuchten 34 Das gilt auch für ein Ersuchen der Schule um polizeiliche Zuführung eines Schulpflichtigen, der seine Schulpflicht nicht erfüllt (vgl. dazu § 86 BadWürttSchulG), oder ein Ersuchen des Gesundheitsamts u m polizeiliche Vorführung eines Geschlechtskranken zur Untersuchung (vgl. § 18 GeschlechtskrankheitenG). — Beispiele spezialgesetzlicher Informationserhebungshilfe sind § 4 Abs. 1 VereinsG, § 40 Abs. 3 Lebensmittel- und BedarfsgegenständeG, §21 Abs. 2 bis 4 UnterhaltssicherungsG. Beispiele spezialgesetzlicher Informationsübermittlungshilfe unten Anm. 138. 85 So mag es z.B. Situationen geben, in denen die Polizei das Ersuchen nach §44 Abs. 3 WehrpflichtG wegen ernstlicher Gefährdung der eigenen Aufgaben gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 V w V f G zurückweisen oder doch zurückstellen darf. 38 Weitere Beispiele sind § 102 Abs. 2 BundesbeamtenG, §§ 19 Abs. 4, 26 Abs. 6 WehrpflichtG, § 135 Abs. 1 FlurbereinigungsG, § 152 BundesbauG, § 21 Abs. 1 UnterhaltssicherungsG, § 15 Abs. 1 BundesleistungisG. Beispiele sind auch die in Anm. 24 angeführten Bestimmungen, soweit sie die Amtshilfe der in den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes fallenden Behörden gegenüber den durch § 2 Abs. 2 und 3 aus dem Anwendungsbereich ausgenommenen Behörden betreffen. Denn insoweit gelten §§4—8 V w V f G ; vgl. oben Anm. 19. — Beachte auch § 68 ArzneimittelG, wo ein Amts-

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

Behörde i n den Dienst bestimmter Aufgaben einer ersuchenden Behörde gestellt. Hier liegt kein Spezialgesetz vor, wie es m i t einer A u f gaben-Befugnis-Zuordnung von Verfassungs- und Grundrechtswegen für die Amtshilfe i m Eingriffsbereich erforderlich werden kann. Der allgemeine Amtshilfegrundsatz w i r d lediglich noch einmal niedergelegt. Der Regelungsgehalt des § 20 BDO und ähnlicher Bestimmungen 3 7 kann daher nicht weiterreichen als der eines Querschnittsgesetzes. Hinter dem Regelungsgehalt der §§ 4 bis 8 V w V f G zurückbleibend und zugleich m i t den Rechtsproblemen der §§ 4 bis 8 V w V f G belastet, ist § 20 BDO auf eine ergänzende Anwendung der verwaltungsverfahrensgesetzlichen Amtshilferegelung geradezu angelegt. Wenn diese als Einschränkung älterer Amtshilfevorstellungen, wie sie noch der Bundesdisziplinarordnung zugrundeliegen, verstanden wird, dann ist sogar von einer korrigierenden Anwendung zu reden. I n dieser ergänzenden und /oder korrigierenden Anwendung hat die mittelbare Geltung der §§ 4 bis 8 V w V f G ihre hauptsächliche Bedeutung. 8.1.3 I n Gesamtwürdigung des Anwendungsbereichs der verwaltungsverfahrensgesetzlichen Amtshilferegelung ist festzustellen, daß das Feld der unmittelbaren Geltung der §§ 4 bis 8 V w V f G durch die verschiedenen speziai- und querschnittsgesetzlichen Amtshilferegelungen beträchtlich eingeschränkt wird. Insbesondere die Vollzugs- oder Vollstreckungs-, die Zustellungs- und die Informationshilfe machen einen so bedeutsamen Bereich der traditionellen Amtshilfeproblematik aus, daß m i t den Verwaltungsvollstreckungs-, den Verwaltungszustellungsund den Datenschutzgesetzen wesentliche Aspekte von A r t . 35 Abs. 1 GG erfüllt sind. Die praktische Relevanz der traditonellen Amtshilfeproblematik t r i t t zurück. Darauf weist schon die Beobachtung, daß die Kommentierungen der Amtshilfebestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes oft unanschaulich, wenig fallbezogen und kaum rechtsprechungshaltig sind. Gewiß, dies hängt auch m i t dem oben schon bemerkten Umstand zusammen, daß Amtshilfe von den Verwaltungsbehörden m i t großer Bereitwilligkeit erbracht w i r d und oft hinter dem und Inf orma tionshilfeverbund zwischen den „für die Durchführung dieses Gesetzes zuständigen Behörden und Stellen des Bundes und der Länder" hergestellt und damit, weil die Zuständigkeiten der Behörden und Stellen insoweit eben die gleichen sind, auch nicht mehr statuiert wird, als schon nach §§ 4 ff. V w V f G rechtens ist. 87 Das Abgrenzungskriterium zwischen diesen den allgemeinen Amtshilfegrundsatz wiederholenden und den spezialgesetzlichen Amtshilfebestimmungen liegt darin, ob allgemein eine Bereitschaft zur Amtshilfe oder ob die Vornahme von bestimmten Amtshandlungen gefordert wird. Nur die zweite Forderung kann überhaupt dem verfassungs- und grundrechtlichen Gebot der verhältnismäßigen Zuordnung von Aufgaben 'und Befugnissen genügen.

8.1 Reichweite der Amtshilferegelung

215

Rücken des Bürgers stattfindet 3 8 . Aber seit dem Spätkonstitutionalismus, i n dem die Anfänge der Amtshilfeproblematik liegen, haben die gesetzlich gesicherten Handlungs- und Kooperationsmöglichkeiten der Verwaltung zugenommen. Die Situationen, i n denen die Verwaltung das Bedürfnis hat, auf das allgemeine Institut der Amtshilfe zurückzugreifen, sind seltener geworden. Der tatsächliche Anwendungsbereich der verwaltungsverfahrensgesetzlichen Amtshilferegelungen w i r d i n der Kommentar- und Lehrbuchliteratur durch folgende Fälle veranschaulicht 39 . Aus dem Innenbereich werden als Fälle der Amtshilfe erwähnt die Überlassung von Räumlichkeiten, besonders von Sitzungssälen, und von Verwaltungspersonal, besonders von Schreib- und Fachkräften, die Bereitstellung technischer Einrichtungen, die Durchführung technischer Untersuchungen, die Vornahme einer Exhumierung auf Ersuchen eines Sozialversicherungsträgers 40 , die Erstattung von Gutachten, die Erteilung von Auskünften aus dem Innenbereich, die Übersendung entsprechender Akten, Aktenauszüge, Abschriften und Kartenwerke 4 1 . Aus dem Informationsbereich werden notiert Ermittlungen 4 2 , Vernehmungen 4 3 , die Erteilung von Auskünften über den Bürger 4 4 , die Übersendung und Einsichtgewährung bei entsprechenden A k t e n und Aktenauszügen 45 , die Aushängung eines Strafurteils an der Gemeindetafel auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft 46 . Aus dem Eingriffsbereich, unter Absehung 38

Siehe oben Abschnitt 2.2.1. Durch das Bemühen um Anschaulichkeit zeichnen sich besonders die Behandlungen der Amtshilfe durch Lässig (Anm. 2) und bei Wolff /Bachof (Anm. 16), S. 123 ff. aus. 40 Vgl. hierzu BVerwG, DÖV 1972, 720—721; BVerwG, N J W 1960, 1409— 1410; BSG 23, 213—218. Zu den Bedingungen, unter denen hier tatsächlich Amtshilfe und nicht vielmehr die Wahrnehmung eigener Aufgaben vorliegt, unten Abschnitt 8.2.4 bei Anm. 88. 41 Die Erteilung beglaubigter Abschriften und Abdrucke aus öffentlichen Büchern, Kartenwerken und sonstigen Urkunden ist in § 152 Satz 2 BundesbauG als Gegenstand der Amtshilfe besonders hervorgehoben. 42 Vgl. dazu schon oben Anm. 34. 48 Die hierzu notierte Rechtsprechung betrifft allerdings durchweg gerichtliche Vernehmungen, besonders eidliche gerichtliche Vernehmungen (BVerfGE 7, 183—190; K G Berlin, DVB1 1957, 790—792; O L G Düsseldorf, NJW 1957, 1037—1038). Freilich kennzeichnet das Bundesverfassungsgericht a.a.O. 189 die eidliche Zeugenvernehmung als „ein (nicht) ausschließlich der Dritten Gewalt zugeordnetes Rechtsinstitut". 44 Vgl. zu diesem klassischen Gegenstand der Amtshilfe B V e r w G 38, 336 bis 346; O V G Berlin, N J W 1978, 1644—1647; O V G Berlin, N J W 1978, 1648; BezVG Berlin, N J W 1947/1948, 280; O L G Frankfurt, NJW 1975, 2028—2029; BAG, NJW 1960, 2118—2119. Zur Zulässigkeit solcher Amtshilfe i m Hinblick auf Gehedmhaltungsgebote unten Abschnitt 8.3.3. 45 Auch zur Zulässigkeit dieser Amtshilfe unter dem Gesichtspunkt des Geheimnisschutzes unten Abschnitt 8.3.3. 46 Vgl. hierzu O V G Lüneburg, DVB1 1964, 367—369. 39

216

8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

vom Informationsbereich, werden angeführt die Sicherung von Amtshandlungen 4 7 , die Durchführung von Zwangsmaßnahmen, Vollstrekkungen und Pfändungen 48 , die polizeiliche Vorführung von Personen auf Ersuchen einer Behörde 49 , die Beitreibung der Pflichtexemplare von Verlegern auf Ersuchen der Universitäts- oder Staatsbibliothek 6 0 . Fälle zur Amtshilfe i m Leistungsbereich finden sich i m Schrifttum nicht, und es ist auch schwer vorstellbar, wie sie zum Gegenstand der Rechtsprechung werden sollte. Beispiele könnten ein Ersuchen des Jugendamts an die Polizei, das verirrte K i n d nach Hause zu bringen, ein Ersuchen des Sozialamts an die Forstbehörde, einem Bedürftigen Feuerholz zu überlassen, oder ein Ersuchen der Ausländerbehörde an den Kindergarten u m vorläufige Aufnahme eines begabten Kindes von Asylbewerbern sein. Dieses Anschauungsmaterial bildet den Hintergrund der folgenden Untersuchimg der verwaltungsverfahrensgesetzlichen Amtshilferegelung. Vom Amtshilfeverbund der Sicherheitsorgane, durch den die Amtshilfe erneute Anschaulichkeit und auch politische Brisanz gewonnen hat, w i r d des näheren i m nächsten Abschnitt gehandelt. 8.2 Verhältnis der Amtshilfe zur Spontanhilfe, zum ständigen Zusammenwirken und zur Erfüllung eigener Aufgaben nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz 8.2.1 Das Verwaltungsverfahrensgesetz eröffnet seine Amtshilferegelung i n § 4 m i t einer Definition der Amtshilfe 6 1 . Dies lenkt die Unter47 Vgl. hierzu O V G Berlin, N J W 1973, 1246. Zu der Frage, ob hier tatsächlich Amtshilfe und wiederum nicht vielmehr Wahrnehmung eigener Aufgaben vorliegt, unten Abschnitt 8.2.4 mit Anm. 100. 48 Vgl. hierzu BVerwG 28, 328—330; O V G Münster, DVB1 1967, 634—635; BGH, D Ö V 1970, 782—783. 49 Vgl. auch dazu schon oben bei und in Anm. 34. 50 Die Hartnäckigkeit, mit der dieser Fall unter Verweis auf P r O V G 36, 434—440 und 83, 199—208 als Beispiel für Amtshilfe angeführt wird, ist verblüffend. Denn in der ersten Entscheidimg (siehe dazu schon oben Abschnitt 2.2.2 bei Anm. 56) sah das Preußische Oberverwaltungsgericht in der polizeilichen Erzwingung der verlegerischen Ablieferungspflicht einen i m Landesverwaltungsgesetz geregelten Vorgang des Vollstreckungszwangs, einen Vorgang also, der heute nicht nach dem allgemeinen Recht der Amtshilfe, sondern nach den besonderen Vorschriften der Verwaltungsvollstreckungsgesetze zu beurteilen wäre. I n der zweiten Entscheidung hatte das Preußische Oberverwaltungsgericht von der Amtshilfe deswegen überhaupt nicht zu handeln, weil es eine Ablieferungspflicht des Druckers verneinte. 51 Nach den Begründungen des Musterentwurfs (Anm. 3), S. 88 und des Regierungsentwurfs (Anm. 3), S. 38 enthält § 4 V w V f G nur eine Umschreibimg und keine Definition der Amtshilfe. Damit sollten Bedenken gegen eine zu starke gesetzliche Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Amtshilferegelung vorgebeugt werden. I n der Kommentarliteratur ist die Quali-

8.2 Spontanhilfe, Zusammenwirken, Erfüllung eigener Aufgaben

suchung zunächst zur Frage nach der Bedeutung Amtshilfedefinition.

der

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einleitenden

Die Bedeutung einer einleitenden gesetzlichen Definition kann darin liegen, daß die anschließende gesetzliche Regelung nicht Platz greift, wenn die Merkmale der Definition nicht erfüllt sind. Dann werden bei der Gesetzesanwendung die Merkmale durchgeprüft, bevor und damit die Regelung herangezogen wird. Der Definition des § 4 V w V f G kommt diese Bedeutung, genau betrachtet, nicht zu. I h r Merkmal des Ersuchens ist i n den §§ 4 bis 8 VwVfG, die nur von ersuchenden und ersuchten Behörden handeln, ohnehin enthalten. Das eine negative Merkmal, daß Amtshilfe bei einer Hilfeleistung innerhalb eines Weisungsverhältnisses nicht vorliegt, ist insofern unnötig, als eben nicht um Hilfe ersucht werden muß, wo ein Tätigwerden angewiesen werden kann 6 2 . Unnötig ist auch das andere negative Merkmal, nach dem eine der eigenen Aufgabe dienende Handlung keine Amtshilfe darstellt, da die Erfüllung einer eigenen Aufgabe unabhängig davon ist, daß eine andere Behörde das Tätigwerden anregt und daß dieses einer anderen Behörde nützt. Zwar kann bei einer Aufgabe, für deren Erfüllung einer Behörde Ermessen eingeräumt ist, ein Gesichtspunkt, den eine andere Behörde vorgebracht hat, das Ermessen beeinflussen und reduzieren. Aber die Abhängigkeit, i n die die Aufgabenerfüllung dadurch vom Gesichtspunkt der anderen Behörde gerät, ist keine andere als die von den sonstigen Ermessensgesichtspunkten, und es bleiben die eigene Aufgabe und das eigene Ermessen, die das Tätigwerden der Behörde bestimmen. Die beiden negativen Merkmale des § 4 Abs. 2 V w V f G stellen auch darum keine eigentlichen Bedingungen für das Platzgreifen der §§ 4 bis 8 V w V f G dar, w e i l deren Regelung i n ein Weisungsverhältnis oder für die eigene Aufgabenerfüllung schlechterdings nicht paßt. Eine aufgrund einer Weisung oder als eigene Aufgabe obliegende Handlung kann selbstverständlich nicht deswegen verweigert werden, tät von §4 als einer Umschreibimg (Lässig [Anm. 2], § 4 Randnr. 8; Leonhardt [Anm. 2], § 4 Randnr. 4) oder als einer Definition (Meyer [Anm. 2], § 4 Randnr. 7; Klappstein [Anm. 11], §4 Randnr. 2) umstritten. Es handelt sich jedoch lediglich um eine terminologische Kontroverse. 52 Daß § 4 Abs. 2 Nr. 1 nur die Hilfe ausschließe, die eine nachgeordnete einer weisungsberechtigten übergeordneten Behörde leistet, die Hilfe in umgekehrter Richtung dagegen als Amtshilfe behandelt wissen wolle (Lässig [Anm. 2], §4 Randnr. 17; Kopp [Anm. 2], § 4 Anm. 3; Klappstein [Anm. 11], § 4 Randnr. 3.1), ist nicht haltbar. Auch in diesem umgekehrten Fall können die Fragen des Ob und Wie einer Hilfe weisungsgemäß erledigt werden: Die übergeordnete Behörde kann die nachgeordnete anweisen, die Amtshandlung ohne ihre Hilfe und allein mit eigenen Mitteln vorzunehmen. Gegen die Annahme von Amtshilfe in dieser Situation schon die Begründungen des Musterentwurfs S. 90 und des Regierungsentwurfs S. 38, ferner Leonhardt (Anm. 2), § 4 Randnr. 19; Meyer (Anm. 2), § 4 Randnr. 17; unentschieden Meyer-Teschendorf, JuS 1981, S. 189.

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

weil die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 V w V f G gegeben sind und die Behörde z.B. eine andere Behörde zur Aufgabenerfüllung für geeigneter hält. Dies klarzustellen, bedarf es nicht erst des § 4 bs. 2 V w V f G 5 3 . Auch das Definitionsmerkmal des ergänzenden Charakters der Amtshilfe ist müßig, wenn es nicht mehr aussagt, als daß Grund und Sinn der Tätigkeit der ersuchten Behörde i n dem Handeln und i n den Zielen der ersuchenden Behörde liegen muß 5 4 . Dieser ergänzende Charakter ist jeder Hilfe immanent, und das Reden von der ergänzenden Hilfe ist insofern ein Pleonasmus. So ist denn die Amtshilfedefinition des §4 V w V f G weniger eine Statuierung von Voraussetzungen, deren Vorliegen geprüft werden muß, bevor u n d damit die folgenden Regelungen herangezogen werden können, als vielmehr eine Klarstellung und Zusammenfassung von Inhalten, die die folgenden Regelungen nochmals und detailliert aussprechen oder unausgesprochen, aber unmittelbar erkennbar voraussetzen. Die §§ 4 bis 8 V w V f G sind kodifizierte Dogmatik, und die vorausgestellte Thematisierung ihres Gegenstandes entspricht dogmatischem Duktus, nicht gesetzgeberischer Technik. Bei der Kommentierung der §§ 4 bis 8 V w V f G füllen die Erläuterungen zu § 4 denn auch den Stellenwert aus, den sonst i n Kommentaren die dogmatisch vorklärenden Eingangsbemerkungen zu einem Gesetzesabschnitt oder zu einer Paragraphenfolge einnehmen. Aufgabe der Vorklärung ist insbesondere die Abschichtung bestimmter Probleme und die Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten. 8.2.2 Vorab vergewissert § 4 Abs. 1 V w V f G zunächst darüber, daß die Pflicht zur Amtshilfe durch ein Ersuchen ausgelöst wird. Auf die ersuchte Hilfe sind die §§ 5 bis 8 V w V f G zugeschnitten, nicht auf eine freiwillige Hilfe. Daß diese sog. Spontanhilfe unzulässig sei, läßt §4 V w V f G aber auch nicht erkennen. Die verwaltungsverfahrensgesetzliche Amtshilferegelung läßt vielmehr offen, ob bzw. wann Spontanhilfe geleistet werden darf, ob bzw. w a n n sie vielleicht sogar geleistet werden muß, und sie schließt auch nicht aus, daß es sich bei der Spontanhilfe u m eine Amtshilfe handelt. U m eine Amtshilfe allerdings, zu der die Pflicht nicht aus §§ 4 und 5 V w V f G i. V. m. einem Ersuchen resultiert und bei der die Verantwortlichkeits- und Kostenfrage sich jedenfalls nicht unmittelbar nach §§ 7 und 8 V w V f G beurteilt. Das Problem der Spontanhilfe w i r d i m Schrifttum kontrovers behandelt. Die Positionen decken das mögliche Spektrum ab und lassen die 53 I n den Kommentaren findet sich bei der Erläuterung der §§ 5—8 V w V f G denn auch nie, daß ein Problem im Rückgriff auf § 4 gelöst wird. 54 Meyer (Anm. 2), § 4 Randnr. 10.

8.2 Spontanhilfe, Zusammenwirken, Erfüllung eigener Aufgaben

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Spontanhilfe teils zulässig 55 und teils unzulässig 56 sein, teils stellen sie, ohne Konsequenzen der Feststellung aufzuzeigen, auch einfach fest, daß es sich bei der Spontanhilfe nicht u m Amtshilfe handelt 5 7 . Wie noch manche Fragen der Amtshilfe beantworten sich auch die offenen Fragen der Spontanhilfe dadurch, daß sie i m Licht der oben entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben differenziert und präzisiert werden. Die Spontanhilfe bedeutet wie die Amtshilfe, daß ad hoc eine Befugnis der einen Behörde der Aufgabe einer anderen Behörde zugeordnet wird. Wo diese Zuordnung von Verfassungs- und Grundrechtswegen spezialgesetzlich stattzufinden hat, macht das Fehlen eines Spezialgesetzes wie die Amtshilfe auch die Spontanhilfe unzulässig. Wo die Zuordnung einer querschnittsgesetzlichen Grundlage bedarf, wie sie für die auf Ersuchen stattfindende Amtshilfe §§ 4 bis 8 V w V f G bieten, ist die ohne Ersuchen vorgenommene Spontanhilfe ebenfalls unzulässig, weil sie der querschnittsgesetzlichen Grundlage entbehrt. Zulässig ist die Spontanhilfe dagegen dann, wenn auch die Amtshilfe ohne Gesetz rechtlich möglich ist. Das heißt konkret, daß zulässig die Spontanhilfe i m Innenbereich ist, ζ. B. die Mitteilung des Wetteramts an Feuerwehr und Polizei, daß ein Sturmtief naht und Alarmbereitschaft verlangt, oder der Einsatz des Bundeswehrpanzers, der den umgestürzten, Straße und Verkehr blockierenden Baum zur Seite schiebt. Unzulässig ist dagegen die Spontanhilfe, wenn sie i m Eingriffsbereich ohne spezialgesetzliche Grundlage 5 8 die Grenzen der sachlichen Zuständigkeit überschreitet 59 . Wenn sie jedoch i m Eingriffsbereich die Grenzen lediglich der örtlichen Zuständigkeit überschreitet oder wenn sie i m gesetzlich 55 J. Schmidt, Festschrift Boorberg Verlag, S. 141 (als Amtshilfe zulässig bei Gefahr i m Verzug); Pleitner, BayVBl 1964, S.249 (zulässig, aber nicht vom Begriff der Amtshüfe gedeckt); Moll, DVB1 1954, S. 698 (als Amtshilfe zulässig); Wolff /Bachof (Anm. 16), S. 125 (bei Gefahr i m Verzug zulässig, aber als Geschäftsführung ohne Auftrag); Musterentwurf (Anm. 3), S. 88 (zulässig, aber nicht Amtshilfe i m Rechtssinn). 58 Leonhardt (Anm. 2), § 4 Randnr. 17; Klappstein (Anm. 11), § 4 Randnr. 2.4; Dreher (Anm. 9), S. 32 f. 57 Lässig (Anm. 2), § 4 Randnr. 14; Kopp (Anm. 2), § 4 Anm. 2. Nach MeyerTeschendorf (Anm. 52), S. 189 findet die Spontanhilfe „im Recht der Amtshilfe keinen Platz und keine Stütze", kann aber nach z.B. dem Recht der öffentlichrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag zulässig sein. 58 Eine solche spezialgesetzliche Grundlage bietet nach Klappstein (Anm. 11), §4 Randnr. 2.4 z.B. §19 GeschlechtskrankheitenG. — Keinen Fall einer Spontanhilfe stellt das Tätigwerden der Polizei dar, die bei Gefahr i m Verzug die notwendigen vorläufigen Maßnahmen anstelle der eigentlich zuständigen Behörde trifft (vgl. § 2 Abs. 1 BadWürttPolizeiG). Vielmehr handelt die Polizei hier i m Rahmen ihrer eigenen, freilich subsidiären Zuständigkeit. 59 Zutreffend daher B G H Z 34, 184—188, wo zu einer spontanen Informationshilfe, die sich über geschützte Geheimhaltungsinteressen des Bürgers hinwegsetzte, ausgeführt wird, daß »„Spontanhilfen 4 ... i m Blick auf die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit durch Art. 35 GG nicht gerechtfertigt" sind.

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

geregelten Leistungsbereich stattfindet, verträgt das Verdikt über ihre Zulässigkeit eine Einschränkung. Vom Querschnittsgesetz, dessen Fehlen hier die Unzulässigkeit begründet, wurde schon oben festgestellt, daß es anders als das Spezialgesetz weniger dem Schutz von Rechtsund besonders von Grundrechtspositionen als vielmehr der Wahrung von Ordnungsfunktionen dient. W i r d trotz seines Fehlens Spontanhilfe bei Gefahr i m Verzug geleistet, dann ist dies unter Verfassungs- und Grundrechtsaspekten tolerierbar. Die praktische Bedeutung dieser tolerierbaren Einschränkung ist freilich deswegen gering, weil i m wichtigen Bereich polizeilichen Eingreifens das Überschreiten örtlicher Zuständigkeitsgrenzen bei Gefahr i m Verzug gesetzlich schon vorgesehen ist 6 0 . I m weiteren Eingriffsbereich mag ein Fall eines Informationseingriffs als Beispiel dienen. Das Studentenwerk einer Universität, das das Studentenwerk einer anderen Universität ohne dessen Ersuchen über einen Studenten informiert, von dem es weiß, daß er von jener an diese Universität gewechselt ist, und von dem es annimmt, daß er hier wie dort m i t großem Geschick auf betrügerische Weise für Notlagen bestimmte Darlehen zu erhalten versucht, leistet eine Spontanhilfe, um die Gefahr einer bestimmungswidrigen Mittelverwendung abzuwenden. Für den Leistungsbereich läßt sich das Beispiel bilden, daß eine Sozialarbeiterin des Jugendamtes, die die häuslichen Lebensbedingungen eines gefährdeten Minderjährigen erheben soll, eine Großmutter antrifft, die dringend der Sozialhilfe bedarf, daß die Sozialarbeiterin zwar nicht mehr das Sozialamt, aber noch ihr Jugendamt erreicht und daß dieses vorläufige Hilfe leistet. I n beiden Beispielen würde der Gesichtspunkt der Gefahr i m Verzug die Spontanhilfe rechtfertigen. Für die Regelung der Kostenfrage wäre § 8 V w V f G entsprechend heranzuziehen. Allerdings trägt die Behörde, die die Spontanhilfe leistet, das Risiko, daß ihre unaufgeforderte Amtshandlung den fremdbehördlichen Aufgaben, denen sie dienen soll, auch tatsächlich dient. Für ihre unzweckmäßige Spontanhilfe kann sie anders als für eine ebenfalls unzweckmäßige, aber gemäß § 5 V w V f G ersuchte Amtshilfe keine Auslagenerstattung verlangen 6 1 . Die zulässige Spontanhilfe nicht als Amtshilfe i m Sinn des A r t . 35 Abs. 1 G G anzusehen, besteht kein Grund. Auch sie ist kompetenz- und zuständigkeitsgrenzüberschreitende Hilfe. Als Amtshilfe i m Sinn des A r t . 35 Abs. 1 GG kann sie gelegentlich nicht nur zulässig, sondern auch geboten sein. Wo sie zwischen den Behörden des Bundes oder eines 60

Vgl. § 54 Abs. 2 BadWürttPolizeiG. Auch für Überwälzung des Kostenrisikos von der ersuchten auf die ersuchende Behörde durch § 7 Abs. 2 V w V f G (vgl. dazu unten Abschnitt 8.5.1) ist bei der rechtswidrigien Spontanhalfe kein Platz. 61

8.2 Spontanhilfe, Zusammenwirken, Erfüllung eigener Aufgaben

221

Landes gewohnheitsmäßig eingespielt oder durch Gesetz oder Verwaltungsvorschrift vorgesehen ist, da verlangt A r t . 35 Abs. 1 GG, daß i n ihren Genuß auch die Behörde eines (anderen) Landes bzw. des Bundes kommt. Denn A r t . 35 Abs. 1 GG w i l l gewährleisten, daß die Amtshilfe so, wie sie innerhalb des Gesamt- oder eines Gliedstaats geleistet wird, auch über die gesamt- und gliedstaatlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsgrenzen hinweg erbracht wird. I m Beispiel der spontanen Informationshilfe zwischen den Studentenwerken bedeutet dies, daß das informierende Studentenwerk die Mitteilung, die es an die Studentenwerke des eigenen Landes geben würde, auch i n die Studentenwerke anderer Länder geben muß. 8.2.3 Über einen weiteren Punkt, über den die Gewißheit verfassungsrechtlich oben schon gewonnen wurde, über den eine gesetzliche Vergewisserung gleichwohl nützlich und gerade vorab zu erwarten wäre, spricht sich § 4 V w V f G nicht aus: Die Eigenschaft der Amtshilfe als einer ausnahmsweisen Hilfe w i r d nicht explizit gemacht. Die Vorarbeiten des Verwaltungsverfahrensgesetzes scheinen das Ausnahmekriterium auf einen ersten Blick sogar zu leugnen. Wie schon die Begründung des Musterentwurfs bemerkt auch die Begründung des Regierungsentwurfs, daß der „Begriff der Amtshilfe . . . durch eine Beschränkung auf Ausnahmesituationen zu sehr eingeengt" würde 6 2 . „Die moderne spezialisierte Verwaltung ist auf die Amtshilfe so häufig angewiesen, daß von einem Hilfsbedürfnis nur i n ,Ausnahmesituationen' nicht mehr die Rede sein kann 6 3 ." Andererseits gehen beide Begründungen von der Erwägung aus, daß eine Behörde „deshalb auf die Hilfe anderer Behörden angewiesen ist", w e i l sie „ i m Einzelfall nicht i n der Lage ist, alle zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Maßnahmen m i t den ihr zur Verfügung stehenden M i t t e l n durchzuführen" 6 4 . Etwas anderes als diese Beschränkung auf den Einzelfall ist aber von Dreher, der das Ausnahmekriterium erstmals grundsätzlich formuliert hat, m i t dem Erfordernis der Ausnahmesituation auch nicht gemeint gewesen. Dreher verlangte, daß die Amtshilfe nicht zu einem „ständig und für alle i n Frage kommenden Einzelfälle angewandten Instrument" werden dürfe 6 5 , daß die Behörde vielmehr i n der Lage sein müsse, „sozusagen ein Musterverfahren der geplanten A r t . . . ohne Unterstützung durch eine andere Stelle zu Ende zu bringen" 6 6 . I n die62 68 M 65 M

Regierungsentwurf (Anm. 3), S. 38. Musterentwurf (Anm. 3), S. 89. Ebd. S. 88; ähnlich Regierungsentwurf S. 38. Dreher (Anm. 9), S. 25. Ebd. S. 24.

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

sem Sinn w i r d die Amtshilfe auch i n der Kommentar- und Lehrbuchliteratur sowie i n der Rechtsprechung gekennzeichnet, als Hilfe i m Einzelfall oder auch i n einer Mehrzahl von Einzelfällen, aber nicht derart auf Dauer u n d Regel angelegt, daß die ersuchte Behörde ständig bestimmte Amtshandlungen für die ersuchende v o r n i m m t 6 7 . Entsprechend darf auch das Ersuchen sich statt auf einen auch auf mehrere Fälle, aber nicht auf eine dauernde Zusammenarbeit richten. Für diese Beschränkung auf die Ausnahmesituation, d . h . auf den Einzelfall oder die Mehrzahl von Einzelfällen i m Gegensatz zum Dauerund Regelfall, findet der verfassungsrechtlich vorverständigte B l i c k 6 8 i m Verwaltungsverfahrensgesetz auch die Anhaltspunkte. Die Beschränkung folgt allerdings nicht daraus, daß die Amtshilfe i m Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist und daß das Verwaltungsverfahren gemäß § 9 V w V f G zum Erlaß eines Verwaltungsakts, d. h. gemäß § 35 V w V f G zur Regelung eines Einzelfalls führt. Denn die Amtshilfe kann außerhalb des Verwaltungsverfahrens i m Sinn der §§ 9 ff. V w V f G stattfinden; das Amtshilferecht ist nicht Verfahrensrecht i m engen Sinn dieser Bestimmungen, sondern „verfahrensinteressantes Randgebiet", es liegt i m „Vorfeld des Verwaltungsverfahrens" und ist dessen „annexe Materie" 6 9 . Anhaltspunkte bieten jedoch die §§ 5 und 7 V w V f G dadurch, daß sie von der veranlassenden Maßnahme und der ersuchten Amtshandlung stets i n der Einzahl sprechen und die für die Kostenerstattung maßgebliche Kostenhöhe am Einzelfall orientieren. Auch das i n § 4 V w V f G der Hilfe vorgestellte Wort „ergänzend" kann, soll es nicht einfach ein überflüssiger Pleonasmus sein, dahin verstanden werden, daß die Tätigkeit der ersuchenden Behörde auf die Hilfe der ersuchten eben nicht angelegt sein, sondern durch sie nur angelegentlich unterstützt werden darf. W i r d die Ergänzung der Tätigkeit durch eine Hilfe derart i m Gegensatz zu ihrem Angelegtsein auf Hilfe gelesen, 67 Lässig (Anm. 2), § 4 Randnr. 13; Leonhardt (Anm. 2), §4 Randnr. 12; Kopp (Anm. 2), § 4 Anm. 2 („nur ad hoc ausnahmsweise i m Einzelfall zu leistende Hilfe"), § 5 Anm. 1 („die Inanspruchnahme anderer Behörden soll eine Ausnahme sein"); Wolff /Bachof (Anm. 16), S. 123; vgl. auch Goebel, Amtshilfe durch Informationshilfe, S. 31 f., 37 f.; Meyer-Teschendorf (Anm. 52), S. 190; Baum, Bulletin 138 (1979), S. 1273; von Loewenich, FR vom 17. 4. 1979; W.Schmidt, ZRP 1979, S. 188 Anm. 32; BVerwG, NJW 1960, 1409—1410. Über die „Grenzen, die dem Begriff der Amtshilfe selbst anhaften" schreibt das BVerwG S. 1410: „In der Regel ist davon auszugehen, daß eine Behörde die ihr zugeleiteten Aufgaben selbst durchführt. Treten hierbei i m Einzelfall Schwierigkeiten auf und muß zu ihrer Überwindimg die Unterstützung einer anderen Behörde in Anspruch genommen werden, wird damit das Gebiet der Amtshilfe betreten." — Zur Begrenzung der Amtshilfe auf den Einzel- und Ausnahmefall am Vorabend des Verwaltungsverfahrensgesetzes vgl. oben Abschnitt 2.3.2 mit Anm. 119 und 120. 68 Siehe oben Abschnitt 6.3. 69 Musterentwurf (Anm. 3), S. 71, 72; Regierungsentwurf (Anm. 3), S. 31.

8.2 Spontanhilfe, Zusammenwirken, Erfüllung eigener Aufgaben

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dann drückt auch sie den Unterschied zwischen der Hilfe i n einem oder mehreren Einzelfällen und der Hilfe auf Dauer und Regel aus. Schon oben wurde freilich darauf hingewiesen 70 , daß die Beschränkung der Amtshilfe auf die Ausnahmesituation nicht hindert, daß über andere Institute eine dauerhafte und regelmäßige Zusammenarbeit von Verwaltungsbehörden eingerichtet wird. Ob dafür ein Gesetz erforderlich oder die Organisationsgewalt der Verwaltung ausreichend ist, richtet sich nach den Gesichtspunkten, die auch für die Amtshilfe teils ein Gesetz nötig machen u n d teils die Organisationsgewalt der Verwaltung ausreichen lassen 71 . Dauerhafte u n d regelmäßige Zusammenarbeit bedarf dementsprechend i m Eingriffsbereich zwischen Behörden verschiedener sachlicher Zuständigkeit eines Spezialgesetzes, zwischen Behörden der gleichen sachlichen Zuständigkeit eines Querschnittsgesetzes, i m Leistungsbereich zumeist wieder eines Querschnittsgesetzes und i m Innenbereich zumeist keines Gesetzes. Aber trotz dieser Parallelität der Regelungsanforderungen ist der Unterschied zwischen der ausnahms- und einzelfallweisen Amtshilfe und der dauerhaften und regelmäßigen Zusammenarbeit folgenreich. A u f die speziai- und querschnittsgesetzlichen Amtshilferegelungen kann eine dauerhafte und regelmäßige Zusammenarbeit nicht gestützt werden, aus ihnen folgt kein Recht der einen Behörde, derartige Zusammenarbeit zu verlangen, und keine Pflicht der anderen, sie zu erbringen. Die dauerhafte und regelmäßige Zusammenarbeit kann zwischen den Behörden zwar noch freiwillig vereinbart werden, aber dies nur dann, wenn sie i n den Bereichen stattfindet, i n denen die Zusammenarbeit keines Gesetzes bedarf. 8.2.4 Die Unterscheidung der einzelnen von der dauerhaften, der ausnahmsweisen von der regelmäßigen Zusammenarbeit w i r d i n der Begründung des Musterentwurfs auch beim negativen Definitionsmerkmal der Erfüllung eigener Aufgaben i n § 4 Abs. 2 Nr. 2 V w V f G erörtert 7 2 . Dreher, dessen Arbeit zur Amtshilfe dem Musterentwurf und damit auch dem Verwaltungsverfahrensgesetz zur Grundlage dient 7 3 , hatte zwei Fallgruppen aus der Amtshilfe ausgeschlossen, zum einen die Fälle der Hilfeleistung über den Einzel- und Ausnahmefall hinaus und zum anderen die Fälle der Hilfeleistung innerhalb des bestimmungsgemäßen Aufgabenkreises der ersuchten Behörde 7 4 . Die Begrün70 71 72 75 74

Vgl. Abschnitt 6.3. Vgl. Abschnitt 6.2. Musterentwurf, S. 90 f.; ähnlich Regierungsentwurf, S. 38 f. Musterentwurf, S. 88. Dreher (Anm. 9), einerseits S. 21 ff., andererseits S. 26 ff.

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dung des Musterentwurfs hält allein den zweiten Gesichtspunkt für notwendig und auch ausreichend 75 . Sie versteht i h n und als seinen Ausdruck § 4 Abs. 2 Nr. 2 V w V f G so, daß eine Hilfeleistung innerhalb des bestimmungsgemäßen Wirkungskreises und damit die Erfüllung einer eigenen Aufgabe da vorliege, wo „eine Behörde auf Grund besonderer Vorschriften einer anderen Behörde gegenüber (zur Hilfe) verpflichtet i s t " 7 6 . Dieser Ausschluß aus der Amtshilfe gelte unabhängig vom I n halt der Hilfe, unabhängig davon, ob sie i m Einzel- und Ausnahmefall erfolge oder i n ständigem Zusammenwirken, ob sie auf fremdes Ersuchen stattfinde oder aus eigener Entscheidung. Die Überlegung dabei dürfte sein, daß es des Instituts der Amtshilfe dann nicht bedürfe, wenn die Hilfe schon anderweit vorgeschrieben sei. Nun ist, wenn eine Vorschrift einer Behörde die Hilfe für eine andere Behörde zur Pflicht macht, diese Pflicht natürlich so zu erfüllen, wie sie vorgeschrieben ist, und zu ihrem Inhalt kann eine Vorschrift sowohl die ausnahmsweise als auch die ständige Hilfe machen, sowohl die Hilfe auf fremdes Ersuchen als auch die aus eigener Entscheidung. Diese verschiedenen Hilfsfälle einander gleichzusetzen und unterschiedslos dann bzw. deswegen aus der Amtshilfe auszuschließen, wenn bzw. w e i l sie durch besondere Vorschrift geregelt sind, begegnet jedoch Bedenken. Zum einen ist überhaupt unklar, was die Begründimg des Musterentwurfs unter einer besonderen Vorschrift verstehen w i l l . A u f die „rechtsförmliche Zuweisung", d. h. darauf, ob die Zuweisung der Hilfspflicht durch Außen- oder Innenrechtssatz erfolgt, soll es jedenfalls nicht ankommen 7 7 . Als Beispiel einer aus der Amtshilfe ausgeschlossenen, durch besondere Vorschrift geregelten Hilfeleistungspflicht w i r d die Verpflichtung des Bundes und der Länder genannt, i n Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten 78 . Nun ist jedoch der Ausspruch dieser Verpflichtung i n § 1 Abs. 1 VerfSchG zunächst nicht mehr als eine programmatische Erklärung. Erst i n den weiteren Bestimmungen des Verfassungsschutzes w i r d sie detailliert und konkretisiert 7 9 . Aber dabei ist wiederum auch von der Pflicht zur Amtshilfe die Rede 80 . Soll diese Pflicht zur Hilfe, obwohl als Pflicht zur Amtshilfe gemeint und bezeichnet, w e i l i n den Verfassungsschutzgesetzen 75

Musterentwurf (Anm. 3), S. 90. Ebd.; ebenso Regierungsentwurf (Anm. 3), S. 38. 77 Ebd.; ähnlich Regierungsentwurf S. 38. 70 Ebd. S. 91. 79 §§ 2, 3 Abs. 4, 4 VerfassungsschutzG. 80 §3 Abs. 4 VerfassungsschutzG, vgl. auch §5 BadWürtt LandesverfassungsschutzG. Vgl. dazu näher unten Abschnitt 9.3.7. 78

8.2 Spontanhilfe, Zusammenwirken, Erfüllung eigener Aufgaben

225

besonders s t a t u i e r t , k e i n F a l l d e r A m t s h i l f e sein? S o l l e n auch d i e a n deren

Wiederholungen

der

allgemeinen

Amtshilfeberechtigung

-Verpflichtung i n besonderen G e s e t z e n 8 1 aus d e m I n s t i t u t d e r

und Amts-

h i l f e herausfallen? O d e r s o l l v i e l l e i c h t d i e j e n i g e H i l f e u n t e r d i e i n d e r B e g r ü n d u n g des M u s t e r e n t w u r f s gemeinte, d u r c h besondere V o r s c h r i f t geregelte, aus d e r A m t s h i l f e ausgeschlossene H i l f e gerechnet w e r d e n , die v o n Verfassungs- u n d G r u n d r e c h t s w e g e n n i c h t d u r c h e i n

Quer-

schnitts-, s o n d e r n d u r c h e i n Spezialgesetz geregelt ist? D i e b i s h e r sogen a n n t e spezialgesetzlich geregelte A m t s h i l f e w ä r e d a n n gemäß § 4 A b s . 2 N r . 2 V w V f G ü b e r h a u p t k e i n e A m t s h i l f e . W i e aber s t ü n d e es d a b e i m i t der H i l f e , die spezialgesetzlich z w a r geregelt w e r d e n m ü ß t e , a b e r n i c h t geregelt ist? S o l l sie, w e i l d u r c h besondere V o r s c h r i f t n i c h t geregelt u n d d a h e r d u r c h § 4 A b s . 2 N r . 2 V w V f G n i c h t ausgeschlossen, d e n §§ 4 bis 8 V w V f G u n t e r f a l l e n , o b w o h l f ü r sie e i g e n t l i c h e i n Q u e r s c h n i t t s gesetz n i c h t ausreicht, s o n d e r n e i n Spezialgesetz e r f o r d e r l i c h i s t 8 2 ? Z u m a n d e r e n u n d v o r a l l e m i s t es m i t A r t . 35 A b s . 1 G G u n v e r e i n b a r , d e n U m f a n g d e r A m t s h i l f e danach z u b e s t i m m e n , ob d i e H i l f e d u r c h 81

Siehe oben Anm. 36. Diese letzten Fragen betreffen u.a. eine Unklarheit, die i m Musterentwurf S. 91 und im Regierungsentwurf S. 39 bei der Erörterung des Begriffs der gesteigerten Amtshilfe hervortritt. I m Regierungsentwurf und ähnlich im Musterentwurf heißt es: „Soweit die hilfeleistende Behörde bei Amtshilfeleistungen auf Grund spezieller Vorschriften selbst Hoheitsakte setzt, wird ihre Tätigkeit häufig als »gesteigerte Amtshilfe' bezeichnet... Ob diese Bezeichnung gerechtfertigt ist, mag dahinstehen. D e n n . . . eine Verpflichtung zur Leistung derartiger ,Amtshilfe' (kann) nicht durch Artikel 35 GG, sondern nur durch eine spezielle Rechtsvorschrift begründet sein." Das ist eine dunkle Passage. Denn mit der „Leistung derartiger ,Amtshilfe'" sind die hoheitsaktsetzenden „Amtshilfeleistungen auf Grund spezieller Vorschriften" angesprochen, und damit wird der Schluß tautologisch: Natürlich ist die Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe auf Grund spezieller Vorschrift durch spezielle Vorschrift begründet. Nicht, tautologisch wäre der Schloß dann, wenn die Begründungen Forsthoffs Lehre von der gesteigerten Amtshilfe (siehe dazu schon oben Abschnitt 2.3.2) folgen und eine spezielle Rechtsvorschrift da verlangen wollten, wo eine Behörde als Amtshilfeledstung einen Hohedtsakt setzen soll. I n diesem Sinn, d. h. im Sinn nicht eines Bezeichnungsvorschlags, sondern eines Regelungserfordernisses, und damit eigentlich anders, als in der Begründung angeführt, ist Forsthoffs Lehre zu verstehen: Nicht daß Amtshilfe da als gesteigerte zu bezeichnen ist, wo zur Hilfe Hoheitsakte auf Grund spezieller Vorschriften gesetzt werden, sondern daß spezielle Vorschriften erforderlich sind, wo die Hüfe im Setzen von Hohedtsakten besteht und darum eine gesteigerte Amtshilfe darstellt. Diese Lehre Forsthoffs bedeutet, daß ohne spezielle Vorschrift nur die Amtshilfe im Innenbereich zulässig ist. Eben dies ist nun aber gerade nicht die Auffassung der Begründungen; sie sehen in der behördeninternen Amtshilfe nur einen Spezialfall der Amtshilfe (Musterentwurf S. 92, Regierungsentwurf S. 39), rechnen zur Amtshilfe alle Fälle sachlicher und örtlicher Unzuständigkeit (ebd.) und setzen sich damit von Forsthoffs Lehre ab. Vermutlich will die zitierte Passage nicht mehr sagen, als daß die Eingriffsbefugnis, die die ersuchte für die ersuchende Behörde einsetzen soll, der ersuchten durch Rechtsvorschrift auch wirklich eingeräumt sein muß. 82

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allgemeine oder besondere Vorschrift geregelt ist. Hier zeigt sich ein grundsätzliches Problem. Der Begriff der Amtshilfe i n A r t . 35 Abs. 1 GG ist ein Verfassungsbegriff, der aber i n Rechtsprechung, Rechtslehre und Gesetzgebung gewachsen ist. Damit steht der Normbereich von A r t . 35 Abs. 1 GG i n einem gewissen notwendigen Umfang zur Disposition des Gesetzgebers. Dies gilt u m so mehr, als A r t . 35 Abs. 1 GG i n der Tradition von A r t . 4 Ziff. 11 RV und A r t . 7 Ziff. 3 W R V verlangt, daß die Amtshilfe so, wie sie innerhalb des Gesamt- oder eines Gliedstaats geleistet wird, auch über die gesamt- und gliedstaatlichen Kompetenzund Zuständigkeitsgrenzen hinweg erbracht wird. Wann und wie sie innerhalb des Gesamt- oder eines Gliedstaats geleistet w i r d und geleistet werden muß, ob sie durch den Speziai- oder ein Querschnittsgesetz, durch allgemeine oder besondere Vorschrift geregelt w i r d und geregelt werden muß, ist i n A r t . 35 Abs. 1 G G gerade offengelassen und der Maßgabe der Verfassungsordnung sowie der Disposition des gesamt- und gliedstaatlichen Gesetzgebers überlassen. Diese Disposition ginge nun aber weiter als nötig und auch weiter als erträglich, wenn sie A r t . 35 Abs. 1 GG dadurch unterlaufen könnte, daß sie die Hilfspflicht statt i n einer allgemeinen i n einer besonderen Vorschrift regelt. Die gesamt- und gliedstaatsgrenzüberschreitende Hilfspflicht des A r t . 35 Abs. 1 GG soll dadurch, daß die Hilfe i n gesamt- oder gliedstaatlichen Vorschriften verlangt ist, gerade ausgelöst, nicht jedoch eingeschränkt werden. Ein spezifisch verfassungsrechtlicher, durch den Inhalt der Pflicht und nicht durch die A r t ihrer Regelung bestimmter Amtshilfebegriff ist unverzichtbar 8 3 . Die Formulierung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG, die schon i m Musterentwurf gewählt und i m Verwaltungsverfahrensgesetz beibehalten wurde, ist denn auch klüger als ihre Begründung. Sie verneint die Amtshilfe nicht da, wo eine Hilfspflicht durch besondere Vorschrift 83 Die praktische Bedeutung des durch den Inhalt der Pflicht und nicht durch die A r t ihrer Regelung bestimmten verfassungsrechtlichen Amtshilfebegriffs kann an § 30 BadWürttFeuerwehrG veranschaulicht werden. Die Bestimmung verlangt, daß die Gemeindefeuerwehren sich gegenseitig auf Anforderung Hilfe leisten, sofern die Sicherheit in der eigenen Gemeinde dadurch nicht wesentlich gefährdet wird. Sie ist eine besondere Vorschrift für die sog. Uberlandhilfe; sie ist sogar die spezielle Vorschrift für eine gesteigerte Amtshilfe, da ein Feuerwehreinsatz mit dem Setzen von Hoheitsakten ednhergehen kann (vgl. §§ 35 ff. BadWürttFeuerwehrG). Wenn es sich deswegen nicht um eine Amtshilfe handeln würde, dann würde Art. 35 Abs. 1 GG mit seinem Verlangen, daß die Amtshilfe so, wie sie innerhalb eines Gliedstaates geleistet wird, auch über dessen Grenzen hinweg erbracht wird, nicht greifen. Wenn bzw. weil es sich inhaltlich bei der Überlandhilfe um eine Amtshilfe handelt, dann und nur dann bzw. darum und nur darum muß auf Anforderung der bayerischen Gemeinde Amorbach die Feuerwehr der benachbarten badischen Gemeinde Buchen zur Bekämpfung des Großfeuers anrücken.

8.2 Spontanhilfe, Zusammenwirken, Erfüllung eigener Aufgaben

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statuiert ist, sondern wo eine Handlung der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegt 8 4 . Hier, wo eine Behörde ihre eigenen Aufgaben m i t ihren eigenen Befugnissen verfolgt 8 5 , liegt auch dann keine Amtshilfe vor, wenn die Handlung einer anderen Behörde zugute kommt. Hier mag gefragt werden, ob überhaupt von einer Hilfeleistung und von einem Ersuchen die Rede sein kann. Die Handlung erhält ihre Finalität nicht aus der fremden Aufgabe, sondern aus der eigenen. Die Pflicht zur Handlung w i r d nicht durch ein Ersuchen rechtlich ausgelöst, sondern allenfalls durch einen Hinweis tatsächlich angestoßen 86 . Kompliziert mögen die Verhältnisse da erscheinen, w o verschiedene Behörden ihre Aufgaben i m Zusammenwirken erfüllen, wo der gemeinsame Erlaß eines mehrstufigen Verwaltungsakts, die Erteilung eines Einverständnisses, die Unterbreitung eines Vorschlags oder die Abgabe einer Stellungnahme vorgeschrieben sind. Aber auch hier gilt, daß es sich deswegen nicht u m Amtshilfe handelt, w e i l die Handlungen der beteiligten Behörden auf das entsprechende Zusammenwirken als eine regelmäßige und dauerhafte Einrichtung angelegt sind 8 7 . Hierin liegt der Unterschied zum Einzel- und Ausnahmefallinstitut der Amtshilfe. Ist einer Behörde eine Amtshandlung vorgeschrieben, die einer anderen Behörde gegenüber vorzunehmen ist, von einer anderen Behörde angefordert werden kann oder einer anderen Behörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zugute kommt, dann ist also ihre Bestimmung als Amtshilfehandlung nicht von der Qualität der Vorschrift als einer all84 Die Kommentarliteratur w i l l teilweise die Hilfspflicht aufgrund besonderer Vorschrift einfach zur eigenen Aufgabe ziehen und „jene Hilfeleistungen aus dem Amtshilfebegriff ausscheiden, d i e . . . aufgrund von Spezialvorschriften zu den Aufgaben einer Behörde gehören" (Meyer [Anm. 2], § 4 Randnr. 18; ähnlich Lässig [Anm. 2], §4 Randnr. 20). Damit bleibt die soeben i m Text erörterte Frage freilich unbeantwortet. Gegen das Abstellen auf die Statuierung der Hüfspflicht durch besondere Vorschrift Leonhardt (Anm. 2), §4 Randnr. 20. 85 Diese Formulierung verdient vor der des Gesetzes den Vorzug. Nur dort, wo die Behörde keinerlei Ermessen besitzt, kann unscharf davon gesprochen werden, daß ihr Handlungen als Aufgaben zugewiesen sind. Sonst sind ihr Handlungsbefugnisse zur Erfüllung von Aufgaben zugeteilt. Die Begründimg und auch die Logik der Regelung geben keinen Anhalt für die Annahme, daß nur da, wo bei der Erfüllung der eigenen Aufgabe kein Ermessen eingeräumt ist, Amtshilfe ausgeschlossen sein soll. — Glücklich auch die Formulierung von Meyer-Teschendorf (Anm. 52), S. 189, die darauf abstellt, ob die Handlung „in den originären Aufgabenbereich der ersuchten Behörde fällt". 86 Vgl. zu dieser Unterscheidung eines Hinweises vom Ersuchen auch Meyer (Anm. 2), § 4 Randnr. 18. 87 Siehe hierzu schon oben Abschnitt 6.4 bei und in Anm. 28 und 29. — Dadurch unterscheidet sich auch die Pflicht der Verfassungsschutzbehörden zur gegenseitigen Unterrichtung (§4 VerfassungsschutzG) von der Pflicht zur Amtshilfe in Verfassungsschutzangelegenheiten (§ 3 Abs. 4 Verfassungsschutzes

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

gemeinen oder besonderen, sondern davon abhängig, ob die Vorschrift verlangt, daß die Behörde ausnahmsweise außerhalb ihres Aufgabenbereichs tätig wird, oder ob sie bewirkt, daß die Behörde zur Erfüllung ihrer eigenen Aufgabe m i t einer anderen Behörde kooperiert. Beispiele mögen den Unterschied verdeutlichen. Nach §§ 1559 ff. RVO untersucht beim Tod eines Versicherten durch Unfall die Polizei des Unfallorts, ob ein Berufsunfall vorliegt und welches die Todesursache ist. Sie hat den Sachverhalt von Amts wegen festzustellen und, falls hierfür nötig, die Ausgrabung und Öffnung der Leiche vorzunehmen. Diese Pflicht zur Untersuchung gilt unabhängig davon, ob ein Leistungsträger nach der Reichsversicherungsordnung die Untersuchung beantragt hat oder nicht. Sie gehört, auch wenn sie dem Arbeitsschutz und damit mehr der Gefahrenvorsorge als der Gefahrenabwehr dient, zum bestimmungsgemäßen Aufgabenkreis der Polizei. W i r d ein entsprechender Antrag gestellt, dann ist die Erfüllung der Pflicht darum doch keine Amtshilfeleistung 8 8 . Würde jedoch darüber hinaus der Antrag gestellt, einen bestimmten Arzt m i t der Vornahme der Obduktion und der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragen, weil dies zwar nicht zur Feststellung gemäß § 1559 RVO erforderlich, w o h l aber der Klärung der schadensrechtlichen Folgeprobleme dienlich ist, dann läge hierin ein Ersuchen um Amtshilfe 8 9 . Ebenso liegt Amtshilfe vor, wenn die Gemeinde vom Leistungsträger ersucht wird, eine Ausgrabung vorzunehmen, damit festgestellt werden kann, ob der Tod die Folge einer Berufskrankheit ist. Denn bei Berufskrankheiten ist anders als bei Berufsunfällen § 1559 RVO nicht anwendbar; der Zweck des Arbeitsschutzes als Aspekt der Gefahrenabwehr und -Vorsorge ist hier nicht einschlägig 90 . — Wenn die Polizei einen Verkehrsunfall aufgenommen hat und m i t den Unterlagen auch die Angaben über die Fahrzeuge, die Halter und die Versicherungen an die Staatsanwaltschaft weitergibt, dann leistet sie keine Amtshilfe, sondern erfüllt ihre Aufgabe aus §§ 161 und 163 StPO 9 1 . Erteilt dagegen die Zulassungsstelle einer Behörde auf deren Antrag gemäß § 26 Abs. 5 StVZO Auskunft über die Fahrzeuge, die Halter und die Versicherungen, dann erfüllt sie damit keine eigene Aufgabe. Der Zweck des Zulassungswesens ist die Sicherheit des Verkehrs, und die Aufgabe der Zulassungsstelle ist, diese Sicherheit i n einem bestimmten Gebiet durch die Kontrolle der Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Verkehr zu fördern. M i t 88

BVerwG, NJW 1960, 1409—1410; BSG 23, 213—218. BSG 23, 216 f. 90 BVerwG, D Ö V 1972, 720—721. 91 Dabei ist gleichgültig, ob die Weitergabe der Angaben sogleich mit der Ubersendung der polizeilichen „Verhandlungen" (§163 Abs. 2 Satz 1 StPO) oder nachträglich auf staatsanwaltschaftliches „Ersuchen" (§ 161 Satz 2 StPO) erfolgt. 89

8.2 Spontanhilfe, Zusammenwirken, Erfüllung eigener Aufgaben

229

dieser ihrer Aufgabe hat die Auskunft an beliebige Behörden nichts zu tun, vielmehr handelt es sich u m die Amtshilfepflicht, die hier nur noch einmal angesprochen ist 9 2 . — Auch wenn die Polizei auf staatsanwaltschaftliches „Ersuchen" einen Beschuldigten zur Vernehmung vorführt (§§ 134, 36, 161 StPO), handelt sie i n Erfüllung ihrer Aufgaben aus §§ 161 und 163 StPO. Führt sie dagegen einen Wehrpflichtigen, der seiner Einberufung unentschuldigt nicht Folge leistet, auf Ersuchen der Wehrersatzbehörde gemäß § 44 Abs. 3 WPflG dem nächsten Feldjäger-Dienstkommando zu, dann erfüllt sie damit weder ihre A u f gaben der Gefahrenabwehr noch ihre Aufgaben bei der Strafverfolgung, sondern leistet eine spezialgesetzlich geregelte Amtshilfe. — Erstatten die Handwerkskammern oder die Industrie- und Handelskammern Gutachten gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 2 HandwO bzw. § 1 Abs. 1 IuHKG, dann erfüllen sie eigene Aufgaben. Denn die Behörden, die die Gutachten anfordern können oder auf eigene Veranlassung der Kammern erhalten, sollen dadurch i n der Förderung des Handwerks bzw. der Industrie und des Handels unterstützt werden, und diese Förderung ist gerade die Aufgabe der Kammern. Anders verhält es sich bei der Pflicht der Professoren zur Erstattung von Gutachten gegenüber dem Kultusministerium nach § 64 Abs. 5 BadWürttUG. U m eine Amtshilfepflicht handelt es sich zwar schon deshalb nicht, w e i l die Verpflichtung nicht eine Behörde, etwa die Fakultät oder das Institut, sondern den Professor trifft. Aber unter dessen Aufgaben stellt die A u f gabe der Gutachtenerstattung einen Fremdkörper dar. M i t den eigentlichen Aufgaben i n Forschung, Lehre und Selbstverwaltung hat sie nichts zu tun, u n d m i t der grundrechtlichen Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre ist sie i n der Allgemeinheit und Unbedingtheit, in der sie i n § 64 Abs. 5 UG formuliert ist, auch nicht vereinbar. Es liegt eine der Amtshilfe durchaus ähnliche Konstellation vor: Durch A r t . 5 Abs. 3 GG ist der Professor gegenüber dem Kultusministerium zumindest ebenso verselbständigt wie eine Behörde gegenüber einer anderen; seine fachliche Kompetenz soll ihren eigentlichen Aufgaben zugunsten des Kultusministeriums ebenso entfremdet werden wie die Befugnisse der einen Behörde zugunsten der anderen. So liegt es nahe, die Gutachtenpflicht des Professors auch denselben Restriktionen zu unterwerfen wie die Amtshilfepflicht einer Behörde, d. h. sie nur i m Ausnahmefall durchgreifen und nicht zu einem Regelfall werden zu lassen®3, von ihr unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 V w V f G zu 92 Für sie gelten denn auch die Voraussetzungen und Grenzen, die allgemein für die Amtshilfe gelten. 93 Ausgeschlossen wäre also eine Eindeckung des Professors mit Gutachtenaufträgen, die ihn und seinen hochschulischen Apparat zur ministeriellen Forschungsstelle umfunktionieren würde.

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

entbinden und für ihre Erfüllung zwar keinen Vergütungs-, aber einen Auslagenerstattungsanspruch gemäß § 8 V w V f G anzuerkennen 94 . I m Zwischenbereich zwischen der Erfüllung eigener und fremder Aufgaben liegt die Vollzugs- oder Vollstreckungshilfe 95 . Sie ist aus der Amtshilfe herausgewachsen und ihr gegenüber verselbständigt. Vollzug und Vollstreckung sind zu einer eigenen Aufgabe der Polizeivollzugsorgane geworden 96 , für deren Erfüllung die §§ 4 bis 8 V w V f G allerdings entsprechend angewandt werden können 9 7 . Auch bei der Unterstützung des Vollstreckungsbeamten einer anderen Behörde 9 8 sowie gemäß § 758 Abs. 3 ZPO des Gerichtsvollziehers n i m m t die Polizei insofern eine eigene Aufgabe wahr, als sie zur Überwindung oder Verhütung eines Widerstands tätig wird, der eine strafbare Handlung nach § 113 StGB darstellt 9 9 . Zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung handelt die Polizei auch dann, wenn sie die Amtshandlungen oder die Amtsstelle einer anderen Behörde z. B. gegen eine Bedrohung durch Demonstranten schützt 1 0 0 . Etwas anderes soll nach der Rechtsprechung und Rechtslehre dann gelten, wenn die Polizei auf Ersuchen des Vorsitzenden den Schutz einer Gerichtsverhandlung gegen Störungen übernimmt 1 0 1 . Da die Sitzungspolizei nach § 176 G V G dem Vor94 Unter den Bedingungen und mit den Restriktionen des Amtshilferechts ist andererseits auch eine Inpflichtnahme des Professors über § 64 Abs. 5 BadWürtt-UniversitätG hinaus zu erwägen. Der Professor, dessen Sachverstand dringend benötigt und nicht anderweit nicht zu beschaffen ist, könnte sich einem Gutachtenersuchen dann nicht einfach deswegen entziehen, weil er sich lieber mit anderen Themen beschäftigt. 95 Lässig (Anm. 2), §5 Randnr. 4 differenziert: „Die Inanspruchnahme von Vollstreckungshilfe in fremden Behördenbezirken ist ein typisches Beispiel für Amtshilfe wegen örtlicher Unzuständigkeit der ersuchenden Behörde." Anders jedoch, „wenn die ersuchende Behörde nicht Vollstreckungsbehörde für öffentlich-rechtliche Geldforderungen ist und ihre Forderung durch die zuständige Vollstreckungsbehörde beitreiben läßt. Da es sich hier . . . um ein ständiges bestimmungsgemäßes, nicht nur ausnahmsweises Zusammenwirken zweier Behörden handelt, ist die Vollstreckung durch die Vollstreckungsbehörde keine Amtshilfe . . . " Unklar Kopp (Anm. 2), der § 4 Anm. 2 „alle selbständigen Vollzugsmaßnahmen" aus der Amtshilfe ausnimmt und §5 Anm. 3 nicht näher bezeichnete „bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen" der Amtshilfe zurechnet. 96 Vgl. § 46 Abs. 2 Nr. 1 BadWürttPolizeiG. 97 Siehe oben Abschnitt 8.1.2. 98 Vgl. § 7 Abs. 2 LVwVGBadWürtt. 99 Vgl. Dreher (Anm. 9) S. 29. Zu Unrecht kennzeichnet der BadWürtt Erlaß des Innenministeriums über die Unterstützung der Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch die Polizei vom 5.12.1978 (Gemeinsames Amtsblatt 1979, S. 27) diese Unterstützung als Amtshilfe. 100 Vgl. Lässig (Anm. 2), §4 Randnr. 20; Dreher (Anm. 9), S. 27. 101 O V G Berlin, N J W 1973, 1246 mit Anm. Leinius; Leinius, N J W 1973, S. 448 f.; Lässig (Anm. 2), § 4 Randnr. 21; Schäfer, Löwe/Rosenberg, § 176 G V G Randnr. 6.

8.2 Spontanhilfe, Zusammenwirken, Erfüllung eigener Aufgaben

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sitzenden obliege, habe und erfülle die Polizei i n der Gerichtsverhandlung keine eigene Aufgabe, sondern leiste nur dem Vorsitzenden bei dessen Aufgabe Hilfe. Eigene Polizeigewalt übe die Polizei i n der Gerichtsverhandlung allerdings dann aus, wenn der Vorsitzende seine sitzungspolitischen Funktionen nicht mehr wahrnehmen könne. Gerade diese Einschränkung macht jedoch den Ansatz fragwürdig. Denn warum sollen der Polizei eigene Aufgaben dann entstehen, wenn der Vorsitzende seine sitzungspolizeilichen Funktionen nicht mehr wahrnehmen kann? Verlangt der Ansatz bei der Amtshilfe für diese Situation nicht die Annahme einer Spontanhilfe? Oder sollen die öffentliche Sicherheit und Ordnung erst und gerade dann gefährdet oder gestört sein, wenn der Vorsitzende seine sitzungspolizeilichen Funktionen nicht mehr wahrnehmen kann? Kann außerdem von dieser Fähigkeit zur Wahrnehmung überhaupt die Rede sein, wenn der Vorsitzende, dem die Aufrechterhaltung der Ordnung i n der Sitzung unter Heranziehung der Justizwachtmeister nicht mehr gelingt, die Polizei u m Hilfe ersucht? Überzeugender erscheint es, beim Schutz einer Gerichtsverhandlung ebenso wie beim Schutz anderer Amtshandlungen von einer eigenen Aufgabe der Polizei auszugehen und diese durch die Sitzungspolizei nicht als beseitigt, sondern als überlagert anzusehen. Solange der Vorsitzende die Sitzungspolizei ausüben kann, t r i t t die Gewalt der Polizei zurück. Ist er jedoch zur Ausübung der Ordnung ganz oder teilweise nicht mehr imstande und gibt er dies zu erkennen oder kann er es nicht einmal mehr zu erkennen geben, dann erfüllt insoweit die Polizei m i t dem Schutz der gefährdeten oder gestörten Gerichtsverhandlung eine eigene Aufgabe 1 0 2 . Weil für Eingriffe der Polizei zugunsten des Gerichts eine speziai- oder auch nur eine querschnittsgesetzliche Hilfsregelung fehlt, wäre die Annahme einer Amtshilfe insoweit auch verfassungsrechtlich unhaltbar. Der Amtshilfedefinition des §4 V w V f G wurde oben die Funktion einer Vorklärung, der Abschichtung bestimmter Probleme und der Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten zugeschrieben. Wenn § 4 Abs. 2 Nr. 2 V w V f G i n diesem Sinn von der Wahrnehmung eigener Aufgaben handelt, richtet er zugleich das Augenmerk darauf, i n den 102 Anders ausgedrückt wahrt die Polizei die durch § 176 G V G gebotene Ordnung, wenn der Vorsitzende die Kontrolle über die Gerichtsverhandlung hat, dadurch, daß sie sich heraushält, wenn der Vorsitzende die Kontrolle verliert, dadurch, daß sie sich einschaltet. Vielleicht meint dies auch Steinbrenner, Just. Abi. 1968, wenn er S. 235 die Polizeigewalt zur Beseitigung ordnungswidriger Zustände und die sitzungspolizeiliche Gewalt des Vorsitzenden einander „sinnvoll ergänzen" sieht. — Die Polizei, die eigene Aufgaben wahrnimmt, trägt auch selbst die Verantwortung. Geht sie gegen Demonstranten oder Zuhörer vor, dann können diese entgegen OVG Berlin, N J W 1973, 1246 Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten suchen.

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

Fällen, i n denen wie beim Schutz der Gerichtsverhandlung durch die Polizei ein Tätigwerden einer Behörde zugunsten einer anderen Stelle zwar tatsächlich nötig, aber als Amtshilfe rechtlich nicht möglich ist, m i t Sorgfalt zu untersuchen, ob das Tätigwerden nicht i n Wahrnehmung eigener Aufgaben zu erfolgen hat. 8.3 Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz 8.3.1 I n der Überschrift bezeichnet § 5 V w V f G als seinen Gegenstand Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe. Z u diesem Gegenstand entwickelt er jedoch eine eigentümlich indirekte Regelung. Statt unmittelbar auszusagen, unter welchen Voraussetzungen und i n welchen Grenzen die Amtshilfe rechtmäßig ist, so daß um sie ersucht werden darf und sie geleistet werden muß, normiert er Voraussetzungen, unter denen um Amtshilfe ersucht werden kann (Abs. 1), unter denen die Amtshilfe verweigert werden muß (Abs. 2), unter denen sie verweigert werden darf (Abs. 3) und unter denen sie nicht verweigert werden darf (Abs. 4). I n diesen Voraussetzungen des Amtshilfeersuchens und der Amtshilfeleistung sind die Voraussetzungen und die Grenzen, unter bzw. i n denen die Amtshilfe rechtmäßig ist, mittelbar enthalten. Teilweise sind sie überhaupt unausgesprochen vorausgesetzt. Nach Abs. 1 Nr. 1 kann eine Behörde u m Amtshilfe ersuchen, wenn sie aus rechtlichen Gründen die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann (rechtliches Unvermögen der ersuchenden Behörde). I n dieser Formulierung deckt die Voraussetzung das Ersuchen um jede Rechtswidrigkeit. Das kann nicht gemeint sein 1 0 3 . Auch Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 kann nicht so gemeint sein, wie er formuliert ist. Daß eine Behörde Hilfe nicht leisten darf, wenn sie aus rechtlichen Gründen hierzu nicht i n der Lage ist (rechtliches Unvermögen der ersuchten Behörde), kann nicht bedeuten, daß jede Unzuständigkeit die Hilfe verbietet. Denn dann gäbe es überhaupt keine Amtshilfe. Unausgesprochen vorausgesetzt ist also, daß es ein spezifisches rechtliches Unvermögen ist, bei dem das Ersuchen gestellt werden kann und die Hilfe nicht geleistet werden darf. Während § 5 V w V f G die Spezifizierung des rechtlichen Unvermögens unausgesprochen läßt, regelt er andere Fragen m i t liebevoller Detailfreude. Als Voraussetzungen, unter denen ein Amtshilfeersuchen ge103 Konstruktiv ist eine Amtshilferegelung, deren Rechtmäßigkeit in der Weise einseitig gesichert wird, daß die ersuchende Behörde beliebige Hilfe erbitten, die ersuchte aber rechtmäßige Hilfe leisten darf, zwar denkbar. Praktisch währe sie jedoch ein Unding. Vor allem verlangt auch die Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht, daß eine Behörde nicht um beliebige, sondern nur um rechtmäßige Hilfe ersuchen darf.

8.

Voraussetzungen und Grenzen der

mtshilfe

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stellt werden kann, werden i n Abs. 1 nächst dem rechtlichen Unvermögen das tatsächliche Unvermögen, die fehlende Tatsachenkenntnis, die fehlenden Beweismittel und der unverhältnismäßige Aufwand aufgeführt. Als Voraussetzungen, unter denen es abgelehnt werden kann, sind i n Abs. 3 die bessere Eignung einer anderen Behörde, der unverhältnismäßige Aufwand und die gefährdete Aufgabenerfüllung bei der ersuchten Behörde genannt. Diese verschiedenen Voraussetzungen sind zwar von rechtlicher Bedeutung; sie umschreiben, wann ein Amtshilfeersuchen jedenfalls gestellt und jedenfalls abgelehnt werden darf. Aber zum Gegenstand von Rechtsprechung sind das Vorliegen und die A b grenzung der einzelnen Voraussetzungen nicht geworden. Ihre rechtliche Bedeutung ist mehr theoretischer als praktischer A r t . Denn wo eine entsprechende defizitäre Situation bei der ersuchenden Behörde nicht vorliegt, kommt diese ohnehin nicht auf den Gedanken, um Amtshilfe zu ersuchen, und w o die ersuchte Behörde über die rechte Eignung, den nötigen Aufwand und den aufgabenmäßigen Spielraum verfügt, hat sie überhaupt keine Veranlassung, die Amtshilfe zu verweigern. So kennzeichnen die verschiedenen Voraussetzungen zwar verschiedene tatsächliche Anlaßsituationen m i t ihren dazugehörenden Zweckmäßigkeitserwägungen. Sie bezeichnen aber keinen Unterschied der rechtlichen Problemkonstellation. Diese bleibt die nämliche. So ist ζ. B. für die rechtliche Beurteilung eines Ersuchens des Verfassungsschutzes an den Bundesnachrichtendienst um Installierung einer Abhörvorrichtung gleichgültig, ob dem Verfassungsschutz die Abhörvorrichtung oder die Kenntnis zu ihrer Installierung fehlt (Nr. 2 oder Nr. 3 von Abs. 1), ob er zur Abhöraktion die geeigneten Dienstkräfte gar nicht hat (Abs. 1 Nr. 2) oder ob i h r Einsatz mit wesentlich größerem Aufwand verbunden ist als der Einsatz der Dienstkräfte des Bundesnachrichtendienstes (Abs. 1 Nr. 5). Gleichgültig ist auch, ob von diesen Voraussetzungen eine oder mehrere gegeben sind. Entscheidend ist vielmehr das rechtliche Vermögen oder Unvermögen von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst zu Abhörmaßnahmen. Das folgt aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die oben für die einfachrechtliche Behandlung der Amtshilfe entwickelt worden sind. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sind die unausgesprochenen Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe. Sie entscheiden, welches rechtliche Unvermögen bei der ersuchenden Behörde überwunden werden kann und welches bei der ersuchten nicht überwunden werden darf. Sie bestimmen die Auslegung von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG. 8.3.2 Das rechtliche Unvermögen der ersuchenden Behörde, d. h. die rechtlichen Gründe des § 5 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, die eine Behörde an der Vornahme einer Amtshandlung hindern und zum Ersuchen u m Amts-

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

hilfe berechtigten, betreffen zunächst nicht den Aufgaben-, sondern den Befugnisaspekt. Sie liegen vor, nicht wenn die Amtshandlung m i t den Aufgaben der Behörde nichts zu tun hat, sondern wenn die Amtshandlung durch die Befugnisse der Behörde nicht gedeckt ist. Denn die Amtshilfe soll der ersuchenden Behörde ihre Aufgabenerfüllung ermöglichen oder erleichtern, nicht jedoch ihren Aufgabenraum erweit e r n 1 0 4 . Die rechtlichen Gründe betreffen ferner, wenn die Amtshandlung dem Eingriffsbereich zugehört, ein Defizit zwar der örtlichen, aber nicht der sachlichen Zuständigkeit. Ist eine Behörde i m Eingriffsbereich zu einer Amtshandlung sachlich nicht zuständig, dann legitimiert dies kein Ersuchen u m Amtshilfe. Denn als Querschnittsgesetz überwindet das Verwaltungsverfahrensgesetz i m Eingriffsbereich lediglich die Grenzen der örtlichen Zuständigkeit. Auch die rechtlichen Gründe des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG, die einer Behörde die Leistung von Amtshilfe verbieten, betreffen den Befugnis- und nicht den Aufgabenaspekt. Nicht wenn sie m i t ihren Aufgaben nichts zu tun hat, ist die ersuchte Amtshandlung der Behörde verwehrt, sondern wenn sie durch ihre Befugnisse nicht gedeckt ist. A u f den Aufgabenaspekt kann es deswegen nicht ankommen, w e i l sonst die aufgabenungemäße Amtshandlung durch § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 V w V f G und die aufgabengemäße durch § 4 Abs. 2 Nr. 2 V w V f G aus der Amtshilfe ausgeschlossen und diese damit überhaupt verhindert wäre. Wieder gilt die Einschränkung für den Eingriffsbereich. Die ersuchte Amtshandlung ist auch dann verwehrt, wenn sie zwar durch eine Befugnis gedeckt ist, aber durch eine Eingriffsbefugnis, die der ersuchten Behörde für die Erfüllung einer Aufgabe zusteht, die sich von der A u f gabe der ersuchenden Behörde durch ihre A r t und nicht nur durch den Ort unterscheidet, an dem sie zu erfüllen ist. Einerseits entsprechen die Begriffe der rechtlichen Gründe i n § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 V w V f G einander. Sie bezeichnen beidemal ein rechtliches Defizit nicht der Aufgaben, sondern der Befugnisse und der Eingriffsbefugnisse nur unter Einschränkungen. I n diesen Einschränkungen unterscheiden sie sich voneinander; bei der ersuchenden Behörde ist es ein Defizit der örtlichen Zuständigkeit, das i m Eingriffsbereich zum Amtshilfeersuchen berechtigt, bei der ersuchten ist es ein Defizit der sachlichen Zuständigkeit, das die Amtshilfe verbietet. I n dieser zugleich Entsprechung und Unterscheidung gewährleisten sie 104 Ganz deutlich wird dies in § 5 Abs. 1 Nr. 3 und 4 V w V f G ; nur „zur Durchführung ihrer Aufgaben" sollen für die ersuchende Behörde von der ersuchten Tatsachen ermittelt und Urkunden oder sonstige Beweismittel besorgt werden.

8.

Voraussetzungen nd Grenzen der

mtshilfe

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auf der Seite der ersuchenden wie auf der der ersuchten Behörde, daß die Amtshilfe i m Eingriffsbereich die Grenzen lediglich der örtlichen, nicht jedoch der sachlichen Zuständigkeit überspielt. Diese Auslegung von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 V w V f G läßt sich nicht m i t Schwan auf den Begriff der Amtshilfe als eines I n stituts des Innenrechts 1 0 5 einengen. Schon indem sie i m Leistungsbereich örtliche und sachliche Zuständigkeiten überwindet, ermöglicht die Amtshilfe den Behörden ein Handeln gegenüber dem Bürger, das ihnen sonst verwehrt wäre, und wenn sie i m Eingriffsbereich örtliche Zuständigkeiten überspielt, erlaubt sie sogar Eingriffsakte, die sonst unmöglich wären 1 0 6 . Auch die These von J. Schmidt, das rechtliche Unvermögen der ersuchenden Behörde dürfe nur dann von der ersuchten kompensiert werden, wenn „die ersuchte Behörde über ein gleichsam zweckneutrales rechtliches Instrumentarium verfügt, das je nach den Umständen des Falles i n den Dienst der ersuchenden Behörde gestellt werden k a n n " 1 0 7 , legt zu eng aus. Folgen hätte sie besonders i m Informationsbereich: A u f die Fälle beschränkt, i n denen die ersuchte Behörde über einen zweckneutralen Informationsbestand verfügt, würde die Informationshilfe überhaupt ausgetrocknet. Denn abgesehen von den Meldebehörden verfügt keine Behörde über zweckneutrale Informationsbestände 108 . Andererseits ist eine häufig anzutreffende Auslegung zu weit, die undifferenziert vom Fehlen örtlicher und sachlicher Zuständigkeit als von den rechtlichen Gründen spricht, die ein Amtshilfeersuchen legitimieren 1 0 9 . Zwischen dem zu weiten und dem zu engen Verständnis hat die Auslegung von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 nach den verschiedenen staatlichen Handlungsbereichen und Zuständigkeitsarten zu differenzieren. U m eine differenzierende Auslegung bemüht sich zunehmend auch das Schrifttum. Es setzt dabei die Akzente oft anders, als sie hier gesetzt werden. Nach Lässig etwa soll eine ersuchende Behörde ihre Eingriffsbefugnisse durch die Amtshilfe 105 Schwan, Kamiah/Schimmel/Schwan, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, § 1 Randnr. 50, 55. 106 I n den übrigen Kommentaren wird es wohl nicht für erwähnenswert gehalten, bei Meyer (Anm. 2), §4 Randnr. 18 aber zu Recht klargestellt: Das Gesetz „stellt . . . nicht darauf ab, ob die Amtshilfeleistung in einem Hoheitsakt besteht oder nicht". 107 J.Schmidt (Anm. 55), S. 146. Als Beispiele nennt J. Schmidt die Vornahme von Beurkundungen, Beglaubigungen und Vollstreckungshandlungen. 108 Zweckneutral sind die Informationen über die Einwohner, die in den Melderegistern vorgehalten werden, insofern, als die Meldebehörden die Einwohner nur registrieren, um deren Identität und Wohnungen anderen Behörden für deren Verwaltungszwecke feststellen und nachweisen zu können; vgl. § 1 MelderechtsrahmenG. 109 Leonhardt (Anm. 2), §5 Randnr. 9; Kopp (Anm. 2), §5 Anm. 3; Meyer (Anm. 2), § 5 Randnr. 2; ähnlich Klappstein (Anm. 11), § 5 Randnr. 3.1.

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

nicht erweitern können 1 1 0 . Das ist richtig, soweit es die Besonderheit des Eingriffsbereichs herausarbeitet, entbehrt jedoch der Notwendigkeit und auch der Begründung, soweit es die Erweiterung der Eingriffsbefugnisse nicht nur über die sachliche, sondern auch über die örtliche Zuständigkeit hinaus ausschließt. Auch wenn Lässig die ersuchte Behörde i m Eingriffsbereich auf ihre eigenen Zuständigkeiten und auf ihre eigenen Befugnisse verweist 1 1 1 , ist dies unter dem genannten Gesichtspunkt zwar richtig, insofern aber unbefriedigend, als der amtshilfemäßige Einsatz einer Eingriffsbefugnis für eine Aufgabe, die zwar gleichermaßen von der ersuchenden und der ersuchten Behörde, von beiden aber an verschiedenen Orten zu verfolgen ist, den Rahmen der eigenen örtlichen Zuständigkeit notwendig überschreitet. Von der Amtshilfe i m Eingriffsbereich zu verlangen, daß m i t ihr keinerlei Zuständigkeitserweiterung einhergeht, heißt, sie i m Eingriffsbereich gänzlich zu unterbinden. Das ist mit dem Gesetz jedoch nicht vereinbar und von Verfassungs- und Grundrechtswegen auch nicht begründbar. Bull w i l l für die Auslegung von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 V w V f G etwas dunkel nach abstrakter und konkreter Zuständigkeit differenzieren; das Außenverhältnis zwischen Staat und Bürger solle durch die Amtshilfe nur derart „verschoben" werden dürfen, daß die Zuständigkeit beider Behörden zwar konkret überschritten, aber abstrakt gewahrt werde 1 1 2 . Dies läuft aber wohl eher auf eine Betonung der Amtshilfe als eines Instituts des Einzel- und Ausnahme- und nicht des Regelfalls hinaus als auf eine Klärung des rechtlichen Unvermögens bei der ersuchenden und bei der ersuchten Behörde. Den entscheidenden Aspekt arbeitet dagegen für die Amtshilfe i n Gestalt der Informationshilfe W. Schmidt heraus, wenn er eine generalklauselartige Regelung bei paralleler und eine enumerative bei divergierender sachlicher Zuständigkeit fordert. Er kennzeichnet die Informationshilfe bei paralleler sachlicher Zuständigkeit der ersuchenden und der ersuchten Behörde als grundrechtsneutral, bei divergierender sachlicher Zuständigkeit als grundrechtsrelevant und darum spezifischer Regelung bedürftig und zieht damit die Konsequenz daraus, daß auch er die Informationsakte dem Eingriffsbereich zuordnet 1 1 3 . 110

Lässig (Anm. 2), § 5 Randnr. 5. Ebd. § 5 Randnr. 17. 112 Bull, D Ö V 1979, S. 692 f. — Ähnlich unklar auch Meyer-Teschendorf (Anm. 52), der S. 190 die Amtshilfe nur bei den Amtshandlungen zuläßt, die „an sich zur Erreichung des je konkreten Verfahrenserfolges nach dem für die ersuchende Behörde geltenden Recht generell vorausgesetzt und zugelassen sind, im Einzelfall jedoch von der (ersuchenden) Behörde mangels spezieller Befugnis . . . nicht selbst (und ,eigenhändig') vorgenommen werden dürfen". 113 W. Schmidt, ZRP 1979, S. 188 f. 111

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8.3.3 Das Verwaltungsverfahrensgesetz scheint allerdings die Informationshilfe m i t einiger Deutlichkeit von der übrigen Amtshilfe abzusetzen. Sowohl i n Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 als auch i n Abs. 2 Satz 2 enthält § 5 V w V f G besonders auf die Informationshilfe zugeschnittene Bestimmungen. Die Sonderung i n Abs. 1 ist ohne sichtbare rechtliche Bedeutung. Wie die anderen i n Abs. 1 aufgeführten Voraussetzungen eines Amtshilfeersuchens lassen auch die der fehlenden Tatsachenkenntnis (Nr. 3) und der fehlenden Beweismittel (Nr. 4) Unterschiede lediglich der tatsächlichen Anlaßsituation, nicht jedoch der rechtlichen Problemkonstellation erkennen 1 1 4 . Anders scheint es sich mit der Sonderung i n Abs. 2 zu verhalten. Hier scheint das Nebeneinander von Satz 1 Nr. 1, wonach die ersuchte Behörde bei rechtlichem Unvermögen die Amtshilfe nicht leisten darf, und von Satz 2, wonach die ersuchte Behörde bei geheimzuhaltenden Vorgängen zur Informationshilfe nicht etwa nicht berechtigt, sondern nur nicht verpflichtet sein soll, einen Unterschied der rechtlichen Behandlung anzudeuten. Andererseits scheint die Sonderung insofern wieder zurückgenommen zu werden, als das Wort „insbesondere" i n Satz 2 diesen Fall fehlender Verpflichtung an die fehlende Berechtigung i n Satz 1 anbindet und als deren Anwendungsfall kennzeichnet. Folgende Gründe sind für diese zunächst wenig klare Regelung verantwortlich. Satz 2 ist aus Satz 1 Nr. 2 hervorgegangen, der i m Musterentwurf den Abs. 2 abschließt 115 . Nach der Begründung des Musterentwurfs soll Satz 1 Nr. 2 der Geheimhaltung aus Gründen der Staatssicherheit dienen, dem Schutz eines bei der ersuchten Behörde ressortierten Staatsgeheimnisses vor einem Einblick durch die ersuchende Behörde. Für den zugrundeliegenden Gedanken verweist die Begründung auf § 99 Abs. 1 Satz 2 V w G O 1 1 6 . I n Anlehnung an dessen Wortlaut fügt dann der Regierungsentwurf Satz 2 ein, der nach der Vorstellung der Begründung nun nicht mehr nur das Staatsgeheimnis, sondern auch andere Geheimnisse, etwa die Geheimhaltung bei vertraulichen Auskünften, Beratungen, Personalakten usw. schützen soll. Weitere Geheimnisse sieht die Begründung des Regierungsentwurfs, wie schon die des Musterentwurfs, durch Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 verbürgt 1 1 1 . Wie Abs. 2 Satz 2 insgesamt ist auch die Formulierung „ i s t . . . nicht verpflichtet" an die Formulierung „kann . . . verweigern" i n § 99 Abs. 1 Satz 2 angelehnt 1 1 8 . Hier trägt sie dem Umstand Rechnung, daß schwie114

Siehe oben Abschnitt 8.3.1. Musterentwurf (Anm. 3), S. 9. 11β Ebd. S. 93. 117 Regierungsentwurf (Anm. 3), S. 39. 118 I m Regierungsentwurf vom 15.4.1953, Bundestagsdrucksache 1/4278, enthält der dem heutigen § 99 V w G O entsprechende § 100 noch die Formulie115

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rige Abwägungen anstehen können, wenn die Frage zu beantworten ist, ob eine Offenbarung dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde, ob ein Vorgang seinem Wesen nach und auch ob er nach dem Gesetz geheimgehalten werden m u ß 1 1 9 . Weil diese Abwägungen in ihren Inhalten nicht voll strukturierbar und daher auch nicht klar regelbar sind, muß die Rechtsordnung vorsehen, i n wessen K o m petenz sie fallen. Dies tut sie m i t der Formulierung „kann . . . verweigern", die nicht besagt, daß die Behörde Vorgänge, die zur Vermeidung von Nachteilen für das Wohl des Bundes oder eines Landes oder dem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheimgehalten werden müssen, nach Ermessen offenlegen oder zurückhalten kann, sondern daß sie entscheiden kann und auch muß, ob die Vorgänge der Geheimhaltung bedürfen. Ist dies der Fall, dann müssen sie auch verweigert werden. Diese Logik der kompetenziellen Lösung inhaltlicher Probleme wurde von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO i n § 5 Abs. 2 Satz 2 V w V f G übernommen und steckt hier i n der Formulierung „ i s t . . . nicht verpflichtet". Sie ist i n § 5 Abs. 2 deswegen nicht mehr so augenfällig, weil Satz 1 Nr. 2 ein Problem, das ebenfalls nicht inhaltlich, sondern nur kompetenziell lösbar ist und entsprechend auch i n § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gelöst wird, anders behandelt. Abs. 2 Satz 1 tut, als seien die Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes inhaltlich klar feststellbar und als sei daher ihre Vermeidung durch das „darf nicht" ebenso klar vorschreibbar. Aber daß Abs. 2 Satz 1 insoweit die dargelegte Logik verkennt, ändert nichts daran, daß Abs. 2 Satz 2 ihr folgt. I m übrigen ist Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ohnehin bedeutungslos. Der Gehalt, den ihm die Begründung des Musterentwurfs abgewonnen hatte, ist i n Abs. 2 Satz 2 aufgegangen 1 2 0 , und einen anderen Gehalt vermochte die Begründung des Regierungsentwurfs i h m nicht zuzuschreiben 121 . Auch die Kommentierungen wissen m i t ihm nichts anzufangen 122 . rung „ist . . . nicht verpflichtet" (S. 16). Die Umformulierung ist auf die A r beiten des Rechtsausschusses zurückzuführen, vg!l. Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses vom 12.5.1959, Bundestagdrucksache III/1093, S. 10, 48. 119 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf ebd. S. 44. 120 Die nach dem Musterentwurf in Abs. 2 Nr. 2 geschützten Geheimhaltungsinteressen sind eben jetzt durch Abs. 2 Satz 2 gewahrt. 121 Sie äußert sich (Anm. 3), S. 39 denkbar lapidar: „Die Gewährung der Amtshilfe darf dem Wohl des Bundes oder eines Landes keine Nachteile bereiten. Der gleiche Gedanke liegt den verschiedenen Regelungen über die Aktenübersendung (§ 99 VwGO, § 199 Sozialgerichtsgesetz) zugrunde." — Auch die im Musterentwurf noch fehlende Kennzeichnung der Nachteile als erheblich bedeutet keinen Gewinn an Gehalt. 122 Vgl. Leonhardt (Anm. 2), §5 Randnr. 19 f.; Klappstein (Anm. 11), §5 Randnr. 5.2.2; Kopp (Anm. 2), § 5 Anm. 5; Meyer (Anm. 2), §5 Randnr. 9. Lässig (Anm. 2), § 5 Randnr. 19, stellt immerhin die in § 99 Abs. 1 Satz 2 V w GO noch deutliche, in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 V w V f G etwas verschüttete Logik der kompetenziellen Lösung eines inhaltlichen Problems wieder her: „Die

8.

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I n § 5 Abs. 2 Satz 2 V w V f G soll also die Abwägungskompetenz für die Offenlegung von Geheimnissen der ersuchten Behörde zugesprochen bzw. erhalten werden. Wenn die Geheimhaltung einer Information nicht abzuwägen ist und ebenso wenn sie als das Ergebnis der A b w ä gung feststeht, darf die Information dagegen gemäß Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 nicht weitergegeben werden. Die Abgrenzung dieser beiden Informations· und Geheimnisbereiche voneinander ist § 5 Abs. 2 V w V f G nicht abzulesen. Sie w i r d auch durch die Begründung des Regierungsentwurfs nicht gefördert. Die Gegenüberstellung einerseits „z. B. . . . des Steuergeheimnisses oder des Bankgeheimnisses, soweit dieses positivgesetzlich geschützt oder auf Grund Vertragsrechte zu beachten ist" bei Satz 1 Nr. 1 und andererseits der „besonderen Verschwiegenheitspflichten . . . , denen die Behörde kraft einer speziellen gesetzlichen Vorschrift — die allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, die ζ. B. § 61 des Bundesbeamtengesetzes als Beamtenpflicht fordert, genügt nicht — oder wegen des besonderen vertraulichen Charakters des Vorgangs unterliegt" bei Abs. 2 Satz 2 1 2 3 ist irreführend und läßt i n der Feststellung, daß die allgemeine Verschwiegenheitspflicht anders als die besonderen Verschwiegenheitspflichten die Amtshilfe nicht ausschließt, sogar ein grundsätzliches Mißverständnis über die rechtliche Qualität behördlicher Geheimnisse und Geheimhaltung erkennen. Denn diese Feststellung verwechselt die materielle Geheimhaltungspflicht m i t der formellen Verschwiegenheitspflicht. Den Unterschied hat Bullinger klargestellt 1 2 4 . Die formelle Verschwiegenheitspflicht als beamtenrechtliches Institut verlangt, daß der einzelne Beamte seine dienstlichen Informationen, so sie nicht ohnehin offenkundig oder ganz unbedeutend sind, nicht nach außen gibt. Sie kanalisiert den Informationsfluß von der Verwaltung an die Öffentlichkeit beim Behördenleiter. Ihre Funktion ist die Regelung der Form des Informationsflusses, nicht seiner Inhalte. Für die Inhalte ist die materielle Geheimhaltungspflicht bzw. sind die materiellen Geheimhaltungspflichten entscheidend. Über sie kann sich auch der Behördenleiter nicht hinwegsetzen. Sie folgen nicht aus dem Beamtenrecht, sondern aus der Geheimhaltungsbedürftigkeit einer Information, wie sie sich aus einem Gesetz oder aus dem Wesen des zu verfolgenden Staatszwecks oder der zu beachtenden Rechtsgüter ergibt. Auch den Informationsfluß i m dienstlichen Verkehr regieren diese materiellen Geheimhaltungspflichten. Die Nichtgeltung der Verschwiegenheitspflicht i m Unzulässigkeit der Hilfe folgt hier . . . aus einer von der ersuchten Behörde vorzunehmenden Bewertung der ersuchten Handlung i m Hinblick auf erhebliche Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes." 123 Regierungsentwurf (Anm. 3), S. 39. 124 Bullinger, Western Germany, S. 222 f.; ders. NJW 1978, S. 2125 Anm. 29.

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dienstlichen Verkehr bedeutet kein beliebiges Kursieren von beliebigen Informationen i m Innenraum der Verwaltung, sondern heißt, daß Informationen, wenn sie i m Innenraum der Verwaltung kursieren dürfen, auch vom einzelnen Beamten weitergegeben werden dürfen. Sie ist eine Ausnahme von der Kanalisierung des Informationsflusses beim Behördenleiter und regelt damit ebenfalls die Form und nicht den Inhalt des Informationsflusses. Hieraus folgt, daß die Feststellung i n der Begründung des Regierungsentwurfs u n d i n den Kommentaren, die Informationshilfe werde durch die beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht nicht gehindert 1 2 5 , ebenso richtig wie t r i v i a l ist. Beide haben miteinander schlicht nichts zu tun. Hieraus folgt weiter, daß die andere Feststellung i n der Begründung des Regierungsentwurfs, die Pflicht zur Informationshilfe entbinde nicht von den besonderen Verschwiegenheitspflichten, die materiellen Geheimhaltungspflichten meinen muß. Gemeint ist nicht, daß bestimmten Beamten eine besondere Verschwiegenheitspflicht neben der allgemeinen vorgeschrieben ist, sondern daß bestimmte Informationen materiell geheimhaltungsbedürftig sind 1 2 8 . Die Abgrenzung zwischen der i n § 5 Abs. 2 Satz 2 V w V f G angesprochenen Geheimhaltung nach Maßgabe einer Abwägung und der i n § 5 Abs. 2 Satz 1 V w V f G mitgemeinten Geheimhaltung, die ohne Abwägung oder als deren Ergebnis feststeht, hat also, anders als die Begründung verstanden werden könnte, nichts m i t der Abgrenzung zwischen Verschwiegenheitspflicht des Beamten hier und Geheimnischarakter der Information dort zu t u n 1 2 7 . Beidemal geht es um die materielle Geheimhaltung, die eben materiell einmal abwägungsbedürftig ist und andermal nicht. Ob eine Abwägung nötig oder unnötig ist, ist den Geheimhaltungsvorschriften selbst abzulesen. Allerdings sind diese insoweit zuweilen unergiebig. Fraglich ist überdies, welches neben den nach einem Gesetz geheimzuhaltenden Informationen die nach ihrem Wesen geheimzuhaltenden sind 1 2 8 . Zweifelhaft ist schließlich, welche Bedeutung für die 125 Regierungsentwurf (Anm. 3), S. 39; Lässig (Anm. 2), § 5 Randnr. 26; LeonHardt (Anm. 2), §5 Randnr. 21; Kopp (Anm. 2), §5 Anm. 5. 126 Die materielle Geheimhaltungsbedürftigkeit einer Information kann allerdings gesetzestechnisch nicht nur als Eigenschaft der Information ausgedrückt werden (z. B. § 30 AO 1977, § 35 Abs. 1 SGB I), sondern auch als besondere Verschwiegenheitspflicht formuliert und an den einzelnen Bediensteten adressiert sein (z. B. § 11 BundesstatistikG, § 139 b Abs. 1 Satz 3 Gewerbeordnung, § 9 Abs. 1 KreditwesenG, § 10 BundespersonalvertretungsG, § 50 SchwerbehindertenG, § 46 WettbewerbsbeschränkungsG a. F.). 127 Auf die in der letzten Anmerkung aufgezeigten Formulierungs- und Adressierungsunterschiede kommt es mithin nicht an. 128 I m Regierungsentwurf (Anm. 3) sind S. 39 „vertrauliche Auskünfte, Beratungsgeheimnisse, Personalakten, Verschlußsachenmaterial oder das

8.3 Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe

241

Informationshilfe das Geheimhaltungsgebot des §30 V w V f G hat. Die Begründung des Regierungsentwurfs sieht die Informationshilfe durch die besonderen Verschwiegenheits- bzw. Geheimhaltungsvorschriften gesperrt. Soll § 30 VwVfG, der ein eher allgemeines Geheimhaltungsgebot enthält und auch nur das unbefugte Offenbaren verbietet, der Informationshilfe nicht entgegenstehen? Soll er sie nach Maßgabe einer Abwägung verlangen? Was sollen dann hier und was sollen überhaupt die Gesichtspunkte der Abwägung sein? Diese Fragen u n d Zweifel weisen zurück auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Amtshilfe. Von dieser ist die Informationshilfe i m Verwaltungsverfahrensgesetz zwar i n einer Weise abgesetzt, die zur Annahme einer grundsätzlichen Informationseinheit der Verwaltung bei lediglich ausnahmsweiser Informationssperre führen könnte 1 2 9 . Diese Annahme, m i t der die traditionelle Vorstellung einer Einheit der Staatsgewalt und einer Einheit der Verwaltung i n Gestalt einer Informationseinheit prinzipiell aufrechterhalten w i r d , mag auch den Intentionen des Gesetzgebers entsprechen, der die Regelung der Informationshilfe vor der i n den siebziger Jahren erst langsam gewachsenen und auch beim Bundesverfassungsgericht nur schrittweise gewonnenen Einsicht i n die Eingriffsqualität und Grundrechtsrelevanz der Informationsakte 1 3 0 konzipiert hat. Aber die Regelung zeigt offene Flanken, an denen die obigen Fragen und Zweifel entstehen. Sie ist auf ein Vorverständnis angewiesen, das die Fragen und Zweifel k l ä r t und die offenen Flanken schließt. Dieses Vorverständnis muß den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die einfachrechtliche Behandlung der Amtshilfe Ausdruck geben und der gewonnenen Einsicht i n die Eingriffsqualität und Grundrechtsrelevanz der personenbezogenen Informationsakte Rechnung tragen. Das bedeutet folgendes. Die Eingriffsqualität und Grundrechtsrelevanz der pensonenbezogenen Informationsakte läßt § 30 V w V f G als Grenze auch der Informationshilfe erkennen 1 3 1 . Es ist dies eine Grenze, die durch die Verfassung gezogen ist und die aus der Verfassung auch schon vor der Kodifizierung des Verwaltungsverfahrensgesetzes m i t seinem § 30 abgeleistet Bankgeheimnis, soweit es nicht positivgesetzlich geschützt ist" lediglich beispielhaft genannt. 129 Vgl. die entsprechende Erwägimg bei Bullinger, NJW 1978, S. 2125. 180 Siehe oben Abschnit 7.1 und 7.2. 131 So auch Meyer (Anm. 2), §5 Randnr. 10; Schnapp, N J W 1980, S. 2169; Bullinger (Anm. 129), S. 2126, Anm. 34; a. A. Leonhardt (Anm. 2), Randnr. 22; Borgs, Meyer/Borgs (Anm. 2), § 30 Randnr. 15; Steinbömer, DVB1 1981, S. 341; wohl auch Lässig (Anm. 2), § 5 Randnr. 21 ff.; Kopp (Anm. 2), § 5 Anm. 5; unentschieden Meyer-Teschendorf (Anm. 52), S. 192. — Vgl. zu § 30 V w V f G auch unten Abschnitte 10.1.3 und 10.2. 16 Schlink

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

w u r d e 1 3 2 . Sie bestünde auch ohne §30 V w V f G und geht über diesen insofern hinaus, als sie nicht nur die Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens i. S. der §§ 9 ff. VwVfG, sondern alle Bürger schützt, deren Geheimnisse die Verwaltung kennt. Jeweils ist die Weitergabe von Geheimnissen des Bürgers ein E i n g r i f f 1 3 3 , der durch die querschnittsgesetzliche Amtshilferegelung des Verwaltungsverfahrensgesetzes nur dann legitimiert ist, wenn die Weitergabe zwischen Behörden gleicher sachlicher Zuständigkeit stattfindet 1 3 4 . N u r dann ist die Offenbarung befugt i. S. von § 30 VwVfG. Dabei ist der Geheimnisbegriff m i t der Begründung des Regierungsentwurfs weit zu verstehen 1 3 5 , nicht auf die Vorgänge i n einer Intimsphäre als dem Herzstück der Privatsphäre beschränkt, sondern auf alle Informationen über den Bürger bezogen. Sie alle können, wie die Relativität der Privatsphäre zeigt, bei entsprechendem Kontext privatheitsrelevant und geheimhaltungsbedürftig sein. — Das allgemeine Geheimhaltungsgebot unterfängt die verschiedenen besonderen Geheimhaltungsvorschriften. Diese sind, wie die besonderen Amtshilfevorschriften gegenüber dem allgemeinen Amtshilfeangebot, gelegentlich nur die Wiederholungen des allgemeinen Geheimhaltungsgebots 136 . Gelegentlich gehen sie aber auch darüber hinaus und verlangen eine Geheimhaltung, die auch zwischen Behörden der gleichen sachlichen Zuständigkeit die Informationsübermittlung ausschließt. So 132

Düwel, Das Amtsgeheimnis, S. 106. iss Davon geht auch Borgs (Anm. 131) aus, der diesen Eingriff dann aber seine „formelle Grundlage" in der Amtshilferegelung finden läßt. Damit greift er die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Scheidungsaktenbeschluß (siehe oben Abschnitt 7.2.2) und aus den Anfängen der Entwicklung zur Einsicht in die grundrechtliche Relevanz und gesetzliche Regelungsbedürftigkeit der Informationsübermittlung auf. 134 Ähnlich auch Klappstein (Anm. 2), § 5 Randnr. 5.2.3, der die Amtshilfe „zwischen Behörden, die der gleichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen" zuläßt. 135 Allerdings zeigt auch Regierungsentwurf (Anm. 3) S. 54 wieder, daß das Verwaltungsverfahrensgesetz vor der grundrechtlichen Erhellung der I n formationsakte und des Privatheitsschutzes in den sechziger Jahren konzipiert wurde. Denn er faßt den Geheimnisbegriff zwar weit, stellt aber auf seine Kontextabhängigkeit nicht ab: „Geschützt sind einmal die persönlichen, also insbesondere die gesundheitlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse, soweit sie nicht offenkundig sind oder aus anderen Gründen, etwa wegen gesetzlicher Meldepflichten, kein legitimes Interesse an der Geheimhaltung besteht, zum anderen die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, bei denen der Schutzumfang nach den gleichen Kriterien bestimmt wird." Die Offenkundigkeit wird hier allgemein gefaßt, während sie ebenso wie das Geheimhaltungsinteresse und der Privatheitsschutz stets kontextspezifisch und -relativ zu sehen ist. Was gegenüber der einen Behörde offenkundig ist, ist es noch nicht gegenüber der anderen. 18β Besonders deutlich der durch §§ 67 ff. SGB X noch nicht ergänzte § 35 Abs. 1 SGB I a. F., der auch i m Wortlaut an § 30 V w V f G angelehnt war. Vgl. ferner oben Anm. 126.

8.3 Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe

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gilt ζ. B. das Post- u n d Fernmeldegeheimnis auch gegenüber anderen Postbehörden u n d -bediensteten 137 . Soll die Weitergabe von Informationen über den Bürger zwischen Behörden verschiedener sachlicher Zuständigkeit stattfinden, bedarf dies einer spezialgesetzlichen Regelung. Eine solche ist i n manchen bereichsspezifischen Informations- oder Datenübermittlungsvorschriften zu finden 1 3 8 . Sie ist aber auch i n denjenigen besonderen Geheimhaltungsvorschriften zu finden, die nicht nur das Geheimhaltungsgebot für einen bestimmten Bereich noch einmal besonders aufführen, sondern i m Zusammenhang damit auch eine Informationshilferegelung treffen. So verlangte z. B. § 35 SGB I a. F. einerseits von den Leistungsträgern die Geheimhaltung und andererseits zwischen ihnen die Informationshilfe 1 3 9 . Abwägungsprobleme können sowohl bei der querschnittsgesetzlich geregelten Informationshilfe zwischen Behörden gleicher sachlicher Zuständigkeit als auch bei der spezialgesetzlich geregelten Informationshilfe zwischen Behörden verschiedener sachlicher Zuständigkeit auftauchen. Ein dem eigentlichen Abwägungsproblem vorgelagertes Problem kann schon die Frage aufwerfen, ob eine ersuchende Behörde die gleiche oder eine andere sachliche Zuständigkeit wie die ersuchte h a t 1 4 0 . Ein anderes Problem kann an der Frage der Geheimhaltung oder Offenlegung von Personalakten oder von Teilen der Personalakten demonstriert werden. Deren Übermittlung von der einen an die andere Einstellungsbehörde verbleibt innerhalb des gleichen sachlichen Zuständigkeitsraums, da beide Einstellungsbehörden m i t der gleichen Aufgabe der Einstellung qualifizierter Kräfte betraut und dafür auch m i t der gleichen Befugnis zur Informationserhebung ausgestattet sind. 137 Das Postgeheimnis von § 5 Abs. 1 PostG ist in Abs. 2 auch zwischen Postbehörden und -bediensteten nur für die betriebsbedingte Abwicklung des Postdienstes eingeschränkt. Vgl. für das Fernsprech- und Telegraphengeheimnis § 10 FernmeldeanlagenG. 188 Z. B. § 102 Abs. 2 BundesbeamtenG, § 40 Abs. 3 Lebensmittel- und Bedarf sgegenständeG, § 21 Abs. 2 bis 4 UnterhaltssicherungsG, § 47 Abs. 1 und 2 BundesausbildungsförderungsG, § 18 MelderechtsrahmenG, vgl. auch § 105 Abgabenordnung 1977. Zu § 18 MelderechtsrahmenG siehe auch unten Anm. 150; zum neuen Melderechtsrahmengesetz insgesamt vgl. Fuckner, NJW 1981, S. 1016 ff. Z u §§ 67 ff. SGB X unter Abschnitt 10.3. 189 Vgl. auch § 11 BundesstatistikG, der in Abs. 1 das allgemeine Geheimhaltungsgebot wiederholt, in Abs. 2 die Weitergabe von Informationen zwischen Behörden der gleichen sachlichen Zuständigkeit, nämlich zwischen den mit der Durchführung der Bundesstatistik betrauten Stellen, noch ausdrücklich für zulässig erklärt und in Abs. 3 dann die Informationsübermittlung über die Grenzen der sachlichen Zuständigkeit hinaus regelt. 140 Entsprechende Probleme werden für den Bereich der Sicherheitsverwaltung i m Abschnitt 9.2 erörtert werden.

16*

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Gleichwohl nimmt die Rechtsprechung Rücksicht auf die Geheimhaltungsinteressen des Beamten auch i m Verhältnis zwischen Einstellungsbehörden. Sie hält die Übermittlung n u r nach Maßgabe einer A b w ä gung zwischen den Geheimhaltungsinteressen des Beamten und den Offenlegungsinteressen der ersuchenden Behörde für zulässig 1 4 1 . Selbst zwischen Behörden der gleichen sachlichen Zuständigkeit ist also nicht beliebiger Informationsaustausch möglich, und möglich ist er auch nicht zwischen Behörden verschiedener sachlicher Zuständigkeit, zwischen denen die Informationshilfe spezialgesetzlich vorgesehen i s t 1 4 2 . Beidemal kann ein Vorgang seinem Wesen nach geheimzuhalten sein; diese Geheimhaltungsklausel ist gewissermaßen die Auffangklausel, die auch eine an sich zulässige Informationshilfe bei entsprechender Abwägung unzulässig machen kann. Schließlich gilt umgekehrt der Grundsatz, daß eine Geheimhaltungsschranke bei außergewöhnlicher, notstandsähnlicher Interessen- und Konfliktlage nach Maßgabe einer Abwägung überwindbar sein kann. Von den Fällen, i n denen das Strafverfolgungsinteresse gegen das Sozialgeheimnis und gegen die spezialgesetzliche Regelung der Informationshilfe i m Sozialbereich steht, w i r d unten gehandelt werden 1 4 3 . Hier bedarf es aber schon der Feststellung, daß der angeführte Grundsatz nichts damit zu t u n hat, dem staatlichen Handeln generell die Berufung auf übergesetzlichen, genauer auf überverfassungsmäßigen Notstand zu erlauben 1 4 4 . Es geht vielmehr einfach darum, i n einem Rechtsbereich, i n dem die gesetzliche Regelung der Informationsakte deren erst zunehmend wahrgenommener grundrechtlicher Relevanz noch hinterherhinkt, vorläufige sachgerechte Problemlösungen zu entwickeln 1 4 5 .

141 BVerwG 50, 301—311; vgl. auch BVerwG 38, 336—346; OLG Hamm, N J W 1974, 468—470. 142 So dürften etwa dem Bundespersonalausschuß trotz des in Anm. 138 angeführten § 102 Abs. 2 BundesbeamtenG Informationen über die intimen Befindlichkeiten eines Beamten ohne dessen Zustimmung selbst dann nicht mitgeteilt werden, wenn der Bundespersonalausschuß am Fall gerade dieses Beamten einen Vorschlag zur Beseitigung von Mängeln in der Handhabung der beamtenrechtlichen Vorschriften (vgl. § 98 Abs. 1 Nr. 5 BBG) besonders anschaulich belegen könnte und wollte. 143 Siehe unten Abschnitte 10.2 und 10.3. 144 vgl. z u r Kennzeichnung des übergesetzlichen als eines überverfassungsmäßigen Notstands de Lazzer/Rohlf, JZ 1977, S. 212. Zum Nachweis, daß eine Rechtfertigung von Rechts- und Verfassungsdurchbrechungen mit entsprechenden Notstandsbehauptungen nicht gelingt, zuletzt Böckenförde, NJW 1978, S. 1882 ff. (dazu schon oben Abschnitt 6.3 mit Anm. 22); für die gegenteilige Auffassung zuletzt Stern, Zur Frage des ungeschriebenen Notrechts. 145

Dasselbe Problem stellte sich, als die gesetzliche Regelung der Maßnahmen im besonderen Gewaltverhältnis hinter deren ebenfalls erst allmählich erkannter grundrechtlicher Relevanz zunächst noch zurückblieb. Vgl. dazu BVerfGE 33, 1—18 (12 ff.).

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mtshilfe

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Alle diese Abwägungsprobleme fallen gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 V w V f G in die Abwägungskompetenz der ersuchten Behörde. Inhaltlich hat sich diese bei der Abwägung daran zu orientieren, daß die Informationshilfe bei gleicher sachlicher Zuständigkeit aufgrund der querschnittsgesetzlichen Regelung und bei verschiedener sachlicher Zuständigkeit gemäß der spezialgesetzlichen Regelungen grundsätzlich geboten und nur ausnahmsweise, wenn es das Wesen der Information verlangt, untersagt ist. Fehlt die Gleichheit der Zuständigkeit bzw. die Regelung durch Spezialgesetz, dann kehrt sich das Regel- und Ausnahmeverhältnis um. Ein weiteres Abwägungsproblem entsteht bei der Informationshilfe, bei der Staatsgeheimnisse betroffen sind. Soweit die Informationen zugleich personenbezogen sind, gelten jedenfalls die schon genannten Grundsätze. Soweit sie nicht personenbezogen sind, spielt sich die Informationshilfe i m Innenbereich ab und ist durch die querschnittsgesetzliche Regelung des Verwaltungsverfahrensgesetzes grundsätzlich hinreichend legitimiert. I n beiden Fällen, einmal zusätzlich und andermal ausschließlich, kann die Informationshilfe jedoch durch Rücksichten auf die Staatssicherheit beschränkt sein. Die Abwägung, wann sie dies ist und wann ein staatssicherheitsrelevanter Vorgang seinem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig ist, ist wiederum von der ersuchten Behörde vorzunehmen. Somit bleibt die Informationshilfe, obwohl i n § 5 Abs. 2 V w V f G von der übrigen Amtshilfe abgesetzt, i n dem Rahmen, den die verfassungsrechtlichen Vorgaben der einfachrechtlichen Regelung der Amtshilfe setzen. Ihrer Qualität als Amtshilfe i m Eingriffsbereich kann i n der Auslegung des § 5 Abs. 2 V w V f G Rechnung getragen werden. Nicht eine besondere Freiheit bei der Amtshilfe m i t Informationen w i r d der Verwaltung durch diese Bestimmung eröffnet, sondern es w i r d für die Abwägungsprobleme, die beim Umgang m i t Informationen auftreten, die kompetenzielle Lösung geboten. Damit w i r d Verantwortung zwischen der ersuchenden und der ersuchten Behörde verteilt und w i r d ein Aspekt des Problems wegweisend gelöst, das i m übernächsten A b schnitt unter dem T i t e l der Verteilung der Verantwortung zwischen ersuchender und ersuchter Behörde behandelt wird. I m nächsten A b schnitt ist zunächst noch die Informationshilferegelung i m Bundesdatenschutzgesetz und ihr Verhältnis zur Informationshilfe nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz zu untersuchen.

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

8.4 Voraussetzungen und Grenzen der Informationshilfe nach dem Bundesdatenschutzgesetz Seine Informationshilferegelung t r i f f t das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) i n § 10. Anders als § 5 V w V f G regelt § 10 BDSG unmittelbar, unter welchen Voraussetzungen und i n welchen Grenzen die Übermittlung personenbezogener Daten aus Dateien 1 4 6 zulässig ist. Diese direkte Regelung ist schon deswegen angezeigt, w e i l die Übermittlung i n den Entscheidungen der einen Behörde zum Hilfeersuchen und der anderen zur Hilfeleistung u. U. nicht regelbar wäre. Denn das Bundesdatenschutzgesetz zielt zwar nicht ausschließlich, aber doch vornehmlich auf die computerunterstützte Datenverarbeitung und den computerunterstützten Datenverbund 1 4 7 , bei denen Entscheidungen über das einzelne Informationshilfeersuchen und die einzelne Informationshilfeleistung nicht mehr anfallen. Die einzelnen Vorgänge finden programmgemäß statt; die relevanten Entscheidungen werden mit der Gestaltung des Programms getroffen. I n § 10 BDSG w i r d i n Abs. 1 Satz 1 zunächst die Übermittlung der sozusagen einfachen personenbezogenen Daten geregelt, i n Abs. 1 Satz 2 dann die Übermittlung der qualifizierten, d. h. derjenigen personenbezogenen Daten, die einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen und der übermittelnden Stelle von der zur Verschwiegenheit verpflichteten Person i n Ausübung ihrer Berufs- oder Amtspflicht übermittelt worden sind. Die Übermittlung der einfachen personenbezogenen Daten ist in zwei alternativen Situationen zulässig; sie muß entweder zur rechtmäßigen Erfüllung der i n der Zuständigkeit der übermittelnden Stelle liegenden Aufgabe oder zur rechtmäßigen Erfüllung der i n der Zuständigkeit des Empfängers liegenden Aufgabe erforderlich sein. Die erste Alternative bezieht sich ζ. B. auf die Fälle, daß eine Behörde eine andere von einem Sachverhalt unterrichten oder an einer Entscheidung beteiligen, daß sie eine Kontroll- oder Aufsichtsbehörde informieren oder Informationen i n ein von ihr geführtes Gerichtsverfahren einbringen m u ß 1 4 8 . Sie hat m i t Amtshilfe nichts zu 14e

Vgl. § 1 BDSG. Indem § 2 BDSG die Verarbeitungformen „ungeachtet der dabei angewendeten Verfahren" definiert, erfaßt er medienneutral neben dem computerunterstützten den konventionellen Umgang mit Daten. Aber § 2 Abs. 3 BDSG, der Akten und Aktensammlungen, so sie nicht durch automatisierte Verfahren umgeordnet und ausgewertet werden können, aus dem Dateibegriff ausnimmt, weist als Schwerpunkt des Bundesdatenschutzgesetzes den computerunterstützten Umgang mit Daten aus. — Vgl. zu §2 BDSG die Kommentierung von Dammann, Simitis/Dammann/Mallmann/Reh, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz. 148 Vgl. Dammann, ebd. § 10 Randnr. 7. 147

8.4 Voraussetzungen und Grenzen der Informationshilfe

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t u n 1 4 9 . Anders verhält es sich bei der zweiten Alternative, bei der wie bei der Amtshilfe die Informationen bzw. Daten der einen Behörde für die Aufgabe einer anderen nutzbar gemacht werden sollen. Diese zweite Alternative verlangt zum einen, daß die Datenübermittlung zur Aufgabenerfüllung der empfangenden Stelle erforderlich ist. Dies entspricht der Regelung des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die ebenfalls voraussetzt, daß die ersuchende Behörde zur Durchführung ihrer Aufgaben auf die Information „angewiesen ist" (§ 5 Abs. 1 Nr. 3) bzw. sie „benötigt" (§ 5 Abs. 1 Nr. 4). Z u m anderen enthält die zweite Alternative die Voraussetzung, daß die Datenübermittlung gerade zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung erforderlich i s t 1 0 0 . Eine entsprechende Voraussetzung fehlt i n § 5 VwVfG. Dieser Umstand mag wie die Voraussetzung selbst zunächst bedeutungslos erscheinen: Ist es nicht selbstverständlich, daß eine Behörde ihre Aufgaben rechtmäßig erfüllt? Aber diese i m Verwaltungsverfahrensgesetz unausgesprochene Selbstverständlichkeit und das ausdrückliche Erfordernis der rechtmäßigen Aufgabenerfüllung i m Bundesdatenschutzgesetz sind nicht dasselbe. Das Bundesdatenschutzgesetz drückt nicht einfach eine Selbstverständlichkeit aus, die es sich auch hätte sparen können. Der Unterschied sei von der Amtshilfesituation her entwickelt. I n ihr kann eine Behörde ihre Aufgaben m i t den ihr zugewiesenen Befugnissen u n d Informationen ausnahmsweise nicht erfüllen und darf daher ausnahmsweise sich der Befugnisse und Informationen einer anderen Behörde bedienen. Die Ausnahmesituation erlaubt, daß die Behörde den normalen Rahmen ihres rechtmäßigen und zuständigkeitsgemäßen Handelns überschreitet und daß ihre Aufgaben sich die nötigen Befugnisse und Informationen verschaffen. Daß dieses Ausnahmerecht der Ausnahmesituation m i t seinem Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis rechtsstaatlich gebändigt wird, gewährleisten die den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden speziai- und querschnittsgesetzlichen Amtshilferegelungen. Weil sie dies tun, können die Behörden bei der Amtshilfe ihre Aufgaben rechtmäßig erfüllen, obwohl sie Zuständigkeits- und damit auch Rechtmäßigkeitsgrenzen überschreiten. Pointiert formuliert macht die Amtshilfe eine rechtswidrige Aufgabenerfüllung ausnahmsweise zur rechtmäßigen. Die Datenübermittlung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative BDSG setzt dagegen bei der recht149 Die Daten- oder Informationsübermittlung, die zur rechtmäßigen Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist, ist durch §4 Abs. 2 Nr. 2 V w V f G aus der Amtshilfe ausdrücklich ausgeklammert. 150 Sie findet sich auch in § 18 Abs. 1 MelderechtsrahmenG, für dessen Interpretation insoweit die folgenden Überlegungen entsprechend gelten.

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

mäßigen Aufgabenerfüllung an und verbleibt bei ihr. Hier dient die Informations- bzw. Datenübermittlung nicht einer eigentlich rechtswidrigen, aber ausnahmsweise gerechtfertigten Aufgabenerfüllung, sondern der von vornherein und durchgängig rechtmäßigen Erfüllung der zuständigkeitsgemäßen Aufgaben. F ü r die Informationen bzw. Daten, die gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative BDSG übermittelt werden dürfen, gilt nicht, daß sie von der empfangenden anders als von der übermittelnden Behörde selbst nicht ermittelt werden können (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG), sondern gerade, daß die empfangende ebenso wie die übermittelnde Behörde sie i n rechtmäßiger Erfüllung ihrer zuständigkeitsgemäßen Aufgaben erheben kann. Dies zu tun, soll erübrigt werden. Statt die Informationen vom Bürger zu erheben, soll die empfangende Stelle die Daten über den Bürger von der übermittelnden Stelle bekommen. Die Effektivität der computerunterstützten Datenverarbeitung und ihre A t t r a k t i v i t ä t für die öffentliche Verwaltung liegt unter anderem i n der Ermöglichung einer Einfacherhebung, Einfachspeicherung und Mehrfachverwendung 1 5 1 . Der Bürger soll nicht mehr m i t mehrfacher Erhebung derselben Informationen behelligt und die Verwaltung nicht mehr durch die mehrfache Speicherung derselben Daten belastet werden. Wenn mehrere Behörden für die rechtmäßige Erfüllung ihrer zuständigkeitsgemäßen Aufgaben dieselben Informationen bzw. Daten brauchen, dann sollen diese nur einmal erhoben und nur einmal gespeichert werden, aber mehrfachem A b r u f u n d mehrfacher Verwendung zur Verfügung stehen. Für diesen technischen Modus enthält § 10 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative BDSG die rechtliche Legitimation. Er enthält aber auch nicht mehr. N u r was eine Behörde selbst erheben und speichern könnte, soll auch an sie weitergegeben bzw. von i h r übermittelt werden können. N u r das ist zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben erforderlich 1 6 2 . 151 Eberle, ADV-Organisation, S. 114; Steinmüller, Objektbereich „Verwaltungsautomation" und Prinzipien des Datenschutzes, S. 60 f.; Podlech, D V R 1 (1972/1973), S. 151 f. Vgl. aber auch zur tatsächlichen Entwicklung, die hinter hochgespannten Datenintegrationsprojekten deutlich zurückgeblieben ist, Garstka, Verwaltungsautomation in der Bundesrepublik Deutschland, S. 13 ff.; Brinckmann, Ö V D 1975, S. 241 f. 152 Diese Auslegung des § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative weicht von den Kommentierungen, die untereinander allerdings auch uneinig sind, teilweise ab. Dammann (Anm. 147), § 10 Randnr. 30 ff. stellt besonders auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Maßstab für die Zulässigkeit einer Übermittlung ab. Das ist eine sicherlich berechtigte, aber schwer zu realisierende (vgl. unten Anm. 156) und neben dem Gebot der Erforderlichkeit auch etwas blasse Forderung. Auch Dammann sieht Randnr. 12 die Funktion der Übermittlungsregelung darin, eine Mehrfacherhebung zu erübrigen. Schwan (Anm. 105), § 10 Randnr. 15, verlangt, daß zusätzlich zu § 10 BDSG stets auch außerhalb des Bundesdatenschutzgesetzes eine Übermittlungsermächtigung einge-

8.4 Voraussetzungen und Grenzen der Informationshilfe

249

Dies e r l a u b t a l l e r d i n g s e i n e n I n f o r m a t i o n s - b z w . D a t e n v e r b u n d , der G r e n z e n n i c h t n u r d e r ö r t l i c h e n , s o n d e r n auch d e r sachlichen Z u s t ä n d i g k e i t ü b e r w i n d e t . Ü b e r w i n d b a r s i n d d i e G r e n z e n d e r sachlichen Z u s t ä n d i g k e i t g e n a u d a n n , w e n n B e h ö r d e n m i t verschiedenen A u f g a b e n die gleichen Befugnisse z u r E r h e b u n g derselben I n f o r m a t i o n e n haben. N u n w u r d e n oben d i e verfassungsrechtlichen

Vorgaben der

einfachrecht-

l i c h e n B e h a n d l u n g der A m t s h i l f e f ü r d i e c o m p u t e r u n t e r s t ü t z t e

Daten-

ü b e r m i t t l u n g u n d den computerunterstützten D a t e n v e r b u n d zu einem G r u n d s a t z a k t u a l i s i e r t , der d i e E r f o r d e r n i s s e

des Q u e r s c h n i t t s -

und

des Spezialgesetzes d e r Ü b e r w i n d u n g e i n m a l ö r t l i c h e r u n d a n d e r m a l sachlicher Z u s t ä n d i g k e i t s g r e n z e n z u o r d n e t e 1 6 3 . A n i h m m u ß das B u n d e s datenschutzgesetz ü b e r p r ü f t u n d g e r e c h t f e r t i g t w e r d e n .

Entscheidend

ist dabei, ob es sich b e i m Bundesdatenschutzgesetz u m e i n Q u e r s c h n i t t s oder e i n Spezialgesetz h a n d e l t . Das Bundesdatenschutzgesetz i s t beides. Es i s t e i n Querschnittsgesetz, i n d e m es V o r a u s s e t z u n g e n u n d B e d i n g u n g e n d e r V e r a r b e i t u n g u n d des V e r b u n d s personenbezogener D a t e n m i t d e n d a z u g e h ö r e n d e n G e h e i m haltungs-, Berichtigungs-, Sperrungs- u n d Löschungsfragen aufgabenunspezifisch r e g e l t 1 5 4 . Es i s t e i n Spezialgesetz, i n d e m es spezifische M ö g l i c h k e i t e n des C o m p u t e r e i n s a t z e s r e g e l t u n d l e g i t i m i e r t 1 5 6 . Es b e räumt ist. Das entspricht der rechtspolitischen Forderung nach bereichsspezifischen Regelungen für den Umgang mit Daten, aber nicht der geltenden Rechtslage. Wie Schwan auch Goebel (Anm. 67), S. 89; allerdings w i l l Goebel S. 66 eine „besondere Bestimmung über die Zulässigkeit der Datenweitergabe . . . dann erübrigen, wenn die die Daten anfordernde und empfangende Stelle selbst dazu berechtigt ist, jene vom Betroffenen zu erheben". Ordemann/ Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, § 10 Anm. 1.1 sind nicht ganz klar; sie bezeichnen die Regelung von § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative als „praktischen Anwendungsfall der Amtshilfe", sehen in der „Amtspflicht als solcher . . . keine Legitimation der Datenübermittlung", nehmen dann aber § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative als Legitimation der Datenübermittlung und lassen diese zulässig sein, „wenn die Daten zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung durch den Empfänger erforderlich sind". Soll die Regelung von § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative also doch mehr sein als ein praktischer Anwendungsfall der legitimationsschwachen Amtshilferegelung? Auernhammer, Bundesdatenschutzgesetz, § 10 Randnr. 6, sieht durch § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative „für den Grundsatz der Amtshilfe (Art. 35 Abs. 1 GG) und seine verfassungsrechtliche Ausformung (§§ 5 ff. VwVfG) im Bereich der Übermittlung geschützter Daten die (weithin fehlende) materiell-rechtliche Grundlage geschaffen". 158

Siehe oben Abschnitt 7.6. Vgl. zur Qualität des Bundesdatenschutzgesetzes als Querschnittsgesetz Dammann (Anm. 147), §10 Randnr.53; W.Schmidt (Anm. 67), S. 188f. 155 Ein Spezialgesetz allerdings, das sich nicht nahtlos in die oben Abschnitt 7.6 entwickelte Unterscheidung einfügt. Denn die Zuordnung von Aufgaben und Befugnissen, Kriterium eines den Kompetenzen geltenden Spezialgesetzes, wird von § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative BDSG insofern nicht erst geschaffen, sondern schon vorausgesetzt, als die Behörde berechtigt sein muß, die fragliche Information beim betroffenen Bürger zu erheben. Andererseits sind aber die Informationserhebung beim betroffenen Bürger und die bei der kundigen Behörde nicht dasselbe; die Informationserhebung bei der Behörde 154

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

h a n d e l t i n § 10 A b s . 1 Satz 1 2. A l t e r n a t i v e eine S i t u a t i o n , d i e v o r E i n f ü h r u n g der c o m p u t e r u n t e r s t ü t z t e n D a t e n v e r a r b e i t u n g ü b e r h a u p t b e deutungslos w a r . D a ß eine B e h ö r d e e i n e I n f o r m a t i o n , die sie b e i m B ü r g e r e r h e b e n d a r f , stattdessen b e i e i n e r a n d e r e n B e h ö r d e a n f o r d e r t , die sie ebenfalls e r h e b e n d a r f , i s t solange ohne G e w i n n , als die A n f o r d e r u n g b e i der a n d e r e n B e h ö r d e m i t A n - u n d Rückschreiben, A k t e n h i n - u n d - h e r s e n d e n etc. v e r b u n d e n ist. H i e r i s t d e r A u f w a n d f ü r die I n f o r m a t i o n s e r h e b u n g b e i d e r a n d e r e n B e h ö r d e n i c h t g e r i n g e r als der f ü r die I n f o r m a t i o n s e r h e b u n g b e i m B ü r g e r selbst. E r s t m i t d e r E i n führung der computerunterstützten Datenverarbeitung bringt der A b r u f aus der D a t e i d e r a n d e r e n B e h ö r d e d e n Z e i t - u n d A r b e i t s g e w i n n . J e t z t e r s t w i r d e i n D a t e n v e r b u n d zwischen B e h ö r d e n m i t verschiedenen A u f g a b e n , a b e r gleichen I n f o r m a t i o n s e r h e b u n g s b e f u g n i s s e n , w e n n nach den Prinzipien der Einfacherhebung, Einfachspeicherung u n d M e h r f a c h v e r w e n d u n g o r g a n i s i e r t , chancenreich. Diese spezifische Chance der computerunterstützten Datenverarbeitung regelnd u n d legitimierend ist § 10 A b s . 1 Satz 1 2. A l t e r n a t i v e B D S G eine spezialgesetzliche Regelung156. ist mit den Risiken verbunden, daß eine unvollständige, verzerrte oder sonst falsche Information über ihn kursiert. Er läuft Gefahr, daß die für eine Aufgabe und damit in deren Licht erhobene Information für eine andere Aufgabe und in deren Licht gewissermaßen falsche Schatten wirft. Er kann sich in den Vorgang der Informationserhebung nicht mehr korrigierend einbringen. Insofern findet mehr statt als die Regelung eines Aspekts der Aufgabenwahrnehmung, die auch ein den Kompetenzen geltendes Querschnittsgesetz leisten könnte. Würde dieses Mehr aufgaben- oder bereichsspezifisch geregelt, dann läge ein typisches Spezialgesetz vor. Hier wird es medienspezifisch geregelt; § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative w i l l medienspezifische Chancen nutzen und die Geheimhaltungs-, Berichtigungs-, Löschungs- und Sperrungsregelungen des Bundesdatenschutzgesetzes wollen die genannten medienspezifischen Risiken verringern. Insofern handelt es sich um ein untypisches Spezialgesetz. 156 Dabei bleibt § 10 Abs. 1 2. Alternative BDSG eine problematische Bestimmung. Zwischen die Informationserhebungsbefugnis und die Informationserhebung tritt normalerweise die Verhältnismäßigkeitsprüfung, die nicht nur rechtlich geboten, sondern auch tatsächlich dadurch abgesichert ist, daß die Informationserhebung Mühe und Arbeit verursacht, der sich die Behörde nur dann unterzieht, wenn dies tatsächlich für die Aufgabenerfüllung notwendig ist. Wird die normale Informationserhebung durch die computerunterstützte Informationsübermittlung ersetzt, dann fällt diese tatsächliche Absicherung der Verhältnismäßigkeitsprüfung weg. Es liegt nahe, die Information, die durch einen Knopfdruck auf das Datensichtgerät gerufen werden kann, nicht nur dann abzurufen, wenn sie wirklich gebraucht wird, sondern auch, wenn sie einfach interessiert. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung muß hier vorverlagert werden; weil die Vehältnismäßgkeit beim Vollzug des Pogramms leicht vernachlässigt werden kann, muß sie bei dessen Gestaltung berücksichtigt und zum Anlaß genommen werden, nur bei den Informationen die gemeinsame Benutzung durch mehrere Behörden mit sachlich verschiedener Zuständigkeit einzurichten, bei denen Probleme der Verhältnismäßigkeit minimal sind. Diesen Problemen vermag eine bereichsspezifische Datenschutzregelung besser Rechnung zu tragen als eine allgemeine; der Ruf nach entsprechenden bereichsspezifischen Regelungen ist daher berechtigt.

8.4 Voraussetzungen und Grenzen der Informationshilfe

251

I n § 10 Abs. 1 Satz 2 w i r d sie für die personenbezogenen Daten, die einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis 1 6 7 unterliegen, verschärft. Bei diesen Daten soll die Übermittlung nur dann zulässig sein, wenn die empfangende Behörde die Daten zum gleichen Zweck benötigt, zu dem die übermittelnde sie erhalten hat. Hier also, wo es um besonders schutzwürdige personenbezogene Daten geht, kommt zur Voraussetzung des Abs. 1 Satz 1 2. Alternative, daß beide Behörden die gleichen Informationserhebungsbefugnisse haben, noch die weitere Voraussetzung hinzu, daß sie auch die gleichen Aufgaben erfüllen. Beide Voraussetzungen zusammen bedeuten, daß die empfangende und die übermittelnde Behörde die gleiche sachliche Zuständigkeit haben. Sie gewährleisten damit, daß bei den besonders schutzwürdigen Daten der Informations- und Datenverbund lediglich Grenzen der örtlichen Zuständigkeit überwindet 1 6 8 . Es sei zusammenfassend erwähnt, inwieweit der computerunterstützte Datenverbund durch § 10 BDSG nicht gedeckt ist. Nicht gedeckt ist er erstens dann, wenn er zwischen verschiedenen Behörden hergestellt wird, die sowohl verschiedene Aufgaben verfolgen als auch über verschiedene Informationserhebungsbefugnisse verfügen. Nicht gedeckt ist er zweitens auch dann, wenn die Behörden zwar über die gleichen Informationserhebungsbefugnisse verfügen, die Informationen aber einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen und die verfolgten Aufgaben verschieden sind. I n beiden Fällen bedarf es einer spezialgesetzlichen Regelung. M i t seiner doppelten Regelung i n Abs. 1 Satz 1 2. Alternative und i n Abs. 1 Satz 2 und m i t seiner doppelten Zielrichtung, die vornehmlich der computerunterstützten Datenübermittlung und dem computerunterstützten Datenverbund, daneben aber auch der sonstigen Übermittlung personenbezogener Daten aus Dateien gilt, t r i t t § 10 BDSG unter der Vorrangbestimmung des §45 BDSG i n ein differenziertes Verhältnis zu den §§ 4 bis 8 VwVfG. Soweit § 10 BDSG auf den computerunterstützten Datenverbund zielt, kommt, da dieser eine Regel- und Dauereinrichtung ist, ein Vorrang der dem Einzel- u n d Ausnahmefall geltenden Amtshilferegelung des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht i n Be157

Von den besonderen Amtsgeheimnissen sind die Informationen bzw. Daten geschützt, die in dem oben Abschnitt 8.3.3 dargelegten Sinn nicht nur dem allgemeinen Geheimhaltungsgebot, sondern besonderen materiellen Geheimhaltungsgeboten unterfallen. Vgl. Dammann (Anm. 147), § 10 Randnr. 14, 26, 35 ff.; Or demann/Schomerus (Anm. 152), §10 Anm. 1.2. 138 Vgl. Dammann ebd. Randnr. 22. — Ebd. Randnr. 16 eine überzeugende Kritik des verlängerten Geheimnisschutzes von § 10 Abs. 1 Satz 2 BDSG. „Der Schutz des Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnisses ließe sich am besten dadurch wahren, daß die Entscheidung über Ausnahmen der zur Verschwiegenheit verpflichteten Person vorbehalten wird."

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8 Verwaltungsverfahrensgesetz und Bundesdatenschutzgesetz

tracht. Soweit § 10 BDSG der sonstigen Datenübermittlung gilt, die wie bei der Informationshilfe nach §§ 4 bis 8 V w V f G i m Einzelfall über ein Hilfsersuchen, eine Hilfsentscheidung und dann die Hilfeleistung stattfindet, ist auch die Amtshilferegelung des Verwaltungsverfahrensgesetzes anwendbar. Sie hat daher gemäß § 45 BDSG den Vorrang. Das bedeutet insbesondere, daß die Erlaubnis der Übermittlung von Informationen zwischen Behörden m i t den gleichen Informationserhebungsbefugnissen aber verschiedenen Aufgaben i n § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative nur für die computerunterstützte Datenübermittlung und den computerunterstützten Datenverbund gilt, nicht für die Datenübermittlung i m Einzelfall. Dies ist auch sachgerecht, denn nur i m Hinblick auf den Computereinsatz ist § 10 BDSG ein Spezialgesetz 159 . A u f eine heuristische Formel gebracht, gilt für die Regel- und Dauereinrichtung der computerunterstützten Datenübermittlung und des computerunterstützten Datenverbunds § 10 BDSG, für die Informationsund Datenübermittlung i m Einzel- und Ausnahmefall dagegen § 5 VwVfG. Beide Regelungen gestatten die Überwindung örtlicher, § 10 BDSG bei Gleichheit der Informationserhebungsbefugnisse auch die Überwindung sachlicher Zuständigkeitsgrenzen. Die weitere Überwindung von Zuständigkeitsgrenzen bedarf spezialgesetzlicher Regelung.

8.5 Verteilung der Verantwortung zwischen ersuchender und ersuchter Behörde nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz Der Verantwortungszusammenhang zwischen ersuchender und ersuchter Behörde wurde gelegentlich schon angesprochen. Bei der Entwicklung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die einfachrechtliche Behandlung der Amtshilfe wurde festgestellt, daß die rechtliche Verantwortung der Verwaltung bei der Amtshilfe zwar verteilt, aber nicht reduziert i s t 1 6 0 . F ü r die Abwägung der Geheimhaltungsbedürftigkeit bzw. Offenbarungsfähigkeit von Informationen wurde ermittelt, daß die entsprechende Kompetenz und damit auch Verantwortung der ersuchten Behörde zufällt 1 6 1 . 8.5.1 Ausdrücklich handelt § 7 VwVfG i n Abs. 2 von der Verantwortung, die die ersuchende und die ersuchte Behörde tragen. Er betrifft das Innenverhältnis und verteilt das Kostenrisiko, wenn aus Amtshilfe159

Die oben angesprochene medienneutrale Bedeutung des Bundesdatenschutzgesetzes reduziert sich also bei § 10 auf den computergeschützten U m gang mit Daten. 160 Siehe oben Abschnitt 6.4 a. E. 161 Siehe oben Abschnitt 8.3.3.

8.5 Verantwortung der ersuchenden und der ersuchten Behörde m a ß n a h m e n Ersatzansprüche

Dritter

erwachsen. G e g e n

253

welche

der

b e i d e n B e h ö r d e n d e r D r i t t e seine Ersatzansprüche u n d a n d e r e Rechtsbehelfe z u r i c h t e n h a t , f o l g t a l l g e m e i n e n G r u n d s ä t z e n 1 6 2 . D i e A n f e c h t u n g eines d u r c h die ersuchte B e h ö r d e gesetzten r e c h t s w i d r i g e n

Ver-

w a l t u n g s a k t s g e h t gegen die ersuchte B e h ö r d e 1 6 3 , das B e g e h r e n d e r B e s e i t i g u n g b e i der ersuchenden B e h ö r d e f o r t d a u e r n d e r F o l g e n gegen d i e ersuchende B e h ö r d e 1 6 4 , der

rechtswidriger

Amtshaftungsanspruch

wegen Amtspflichtverletzung bei D u r c h f ü h r u n g der A m t s h i l f e

wieder

gegen die ersuchte B e h ö r d e 1 6 5 . Diese k a n n d i e K o s t e n j e d o c h a u f die ersuchende B e h ö r d e ü b e r w ä l z e n , w e n n die R e c h t s w i d r i g k e i t der D u r c h f ü h r u n g der A m t s h i l f e sich a l l e i n aus d e r R e c h t s w i d r i g k e i t d e r z u t r e f f e n d e n M a ß n a h m e e r g i b t 1 6 6 . W e n n sie sich e r s t i n d e r

Durchführung

e r g i b t , m u ß die ersuchte B e h ö r d e die K o s t e n t r a g e n . W o r a n sich b e m i ß t , ob die z u t r e f f e n d e M a ß n a h m e u n d die D u r c h f ü h r u n g der A m t s h i l f e

r e c h t s w i d r i g sind, w i l l i n e i n e r

allgemeinen,

f ü r das A u ß e n - w i e f ü r das I n n e n v e r h ä l t n i s g ü l t i g e n Weise § 7 A b s . 1 V w V f G regeln. D i e M a ß n a h m e , v o n d e r A b s . 2 als d e r z u t r e f f e n d e n u n d A b s . 1 als d e r d u r c h die A m t s h i l f e z u v e r w i r k l i c h e n d e n

spricht

162 v g schon Musterentwurf (Anm. 3), S. 95; Regierungsentwurf (Anm. 3), S. 40; Lässig (Anm. 2), §7 Randnr. 4 ff.; Leonhardt (Anm. 2), §7 Randnr. 6 ff.; Kopp (Anm. 2), § 7 Anm. 3 f.; Klappstein (Anm. 11), §7 Randnr. 3 f.; Meyer (Anm. 2), § 7 Randnr. 3 ff. 163 Als Beispiel mag die oben Abschnitt 8.2.2 schon erwähnte Informationshilfe zwischen zwei Studentenwerken variiert werden. Ein Studentenwerk will Informationen über einen Studenten, der an eine andere Universität gewechselt ist. Verlangt das ersuchte Studentenwerk dieser anderen Universität vom Studenten bestimmte Auskünfte und hält der Student das Auskunftsverlangen für rechtswidrig, so muß er gegen das ersuchte Studentenwerk mit der Anfechtungsklage vorgehen. Verfügt das ersuchte Studentenwerk schon über die Informationen und gibt es sie unmittelbar an das ersuchende Studentenwerk weiter, so kommt wegen der Weitergabe eine Feststellungsklage gegen das ersuchte Studentenwerk in Frage; vgl. O V G Berlin, N J W 1978, 1644 und dazu Meyer-Teschendorf, ZBR 1979, S. 269. — I m übrigen ist im Verhältnis zwischen ersuchender oder ersuchter Behörde und Drittem auch § 46 V w V f G zu beachten; die Aufhebung eines Verwaltungsakts der ersuchten Behörde kann also nicht allein deshalb beansprucht werden, weil das Ersuchen von einer örtlich unzuständigen Behörde kommt. 164 I m Beispiel muß der Student, der erst nachträglich die Rechtswidrigkeit des Auskunftsverlangens erkannt hat und nun die von ihm schon erteilte und vom ersuchten Studentenwerk auch schon weitergegebene Auskunft gelöscht haben will, sich an das ersuchende Studentenwerk halten. 185 Hat i m Beispiel das ersuchte Studentenwerk eine vom Studenten beantragte Leistung, etwa die Vergabe eines Darlehens, im Hinblik auf die von ihm zu Recht verweigerte Auskunft zurückgehalten, dann geht ein allfälliger Amtshaftungsanspruch gegen die ersuchte Behörde. 1