Ertragsbesteuerung bei Liquidationen: Ein Rechtsformvergleich aus verfassungsrechtlicher Sicht [1 ed.] 9783428522545, 9783428122547

Das deutsche Unternehmensteuerrecht ist seit jeher rechtsformabhängig ausgestaltet. Thomas Keß leitet in seiner Disserta

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Ertragsbesteuerung bei Liquidationen: Ein Rechtsformvergleich aus verfassungsrechtlicher Sicht [1 ed.]
 9783428522545, 9783428122547

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Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke

Band 97

Ertragsbesteuerung bei Liquidationen Ein Rechtsformvergleich aus verfassungsrechtlicher Sicht

Von

Thomas Keß

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Thomas Keß · Ertragsbesteuerung bei Liquidationen

Schriften zum Steuer recht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke

Band 97

Ertragsbesteuerung bei Liquidationen Ein Rechtsformvergleich aus verfassungsrechtlicher Sicht

Von

Thomas Keß

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Wintersemester 2005 / 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Sabine Derichs, Eschweiler Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-12254-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Rechtsformabhängigkeit der Besteuerung von Unternehmensliquidationen und deren Verfassungsmäßigkeit. Sie ist im Wintersemester 2005/2006 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen worden. Für die Drucklegung wurden alle bis zum 31.12.2006 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen berücksichtigt. Lediglich die Ausführungen zu den Steuersätzen beziehen sich auf den Veranlagungszeitraum 2004. Neuere Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur wurden bis September 2006 berücksichtigt. Hervorzuheben ist insbesondere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG a. F. Ohne vielfältige Hilfe und Unterstützung wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Danken möchte ich an erster Stelle meinem Doktorvater und Chef, Herrn Prof. Dr. Joachim Lang. Durch die Einstellung zunächst als studentische Hilfskraft, dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Steuerrecht der Universität zu Köln hat er mir nicht nur interessante und spannende Einblicke in die Welt des Steuerrechts verschafft, sondern auch optimale Arbeitsbedingungen für die Erstellung der Dissertation eröffnet. Für seine fachliche und menschliche Unterstützung in der nicht immer leichten Promotionszeit danke ich ihm ganz herzlich. Auch für die Aufnahme in die vorliegende Schriftenreihe habe ich ihm - wie auch Herrn Prof. Dr. Jens-Peter Meincke - zu danken. Herrn Prof. Dr. Joachim Hennrichs danke ich für die äußerst schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Besonderen Dank möchte ich auch meinem ehemaligen Institutskollegen Dr. Joachim Englisch, der mir trotz starker eigener Arbeitsbelastung zu jeder Zeit mit offenem Ohr und wertvollen Anregungen zur Seite stand, aussprechen. Hierfür darf ich mich auch bei meinen ehemaligen Institutskollegen Beate Plum, Alexander LüdtkeHandjery, Dr. Georg Roderburg, Torsten Ottermann, Robert Fahr und

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Vorwort

Prof. Dr. Johanna Hey bedanken. Ein großes Dankeschön gilt auch Frau Sabine Derichs, die die Arbeit in Windeseile an die Vorgaben des Verlages angepasst hat. Nicht zuletzt danke ich meinem Vater, meiner Großmutter und meiner Freundin Diertje Horn für die während der gesamten Zeit geleistete moralische Unterstützung. Thomas Keß

Inhaltsverzeichnis Einleitung .................................................................................................................. 15 Erster Teil Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung § 1 Verfassungsrechtliches Gebot rechtsformneutraler Unternehmensbesteuerung I. Problemstellung............................................................................................ II. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ................................................ 1. Grundaussage des Gleichheitssatzes .................................................... 2. Ungleichbehandlung .............................................................................. a) Notwendigkeit eines Vergleichsmaßstabes ...................................... b) Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Vergleichsmaßstab im Steuerrecht .......................................................................................... c) Anwendung des Vergleichsmaßstabes bei Kapitalgesellschaften .. aa) Völlig getrennte Betrachtung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner (formelle oder rechtsformorientierte Betrachtungsweise) .................................................................................. bb) Einheitliche Betrachtung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner (materielle oder wirtschaftliche Betrachtungsweise) ............................................................................................ cc) Bundesverfassungsgericht: Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit .......................................................................................... dd) Eigene Ansicht: Differenzierende Betrachtungsweise ............ ee) Zwischenergebnis ........................................................................

25 26 29

3. Rechtfertigungsgründe für eine rechtsformabhängige Besteuerung a) Unterschiede zwischen den Rechtsformen...................................... b) Typisierung .......................................................................................... c) Lenkungszwecke ................................................................................ d) Zwischenergebnis ..............................................................................

29 30 31 32 33

III. Die Freiheitsrechte nach Art. 9, 12 und 14 GG........................................ 1. Allgemeines.............................................................................................. 2. Die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 GG ............................................ 3. Die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG...................................................... 4. Die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG ............................................

34 34 35 38 41

19 19 19 19 21 21 22 24

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IV. Die Finanzverfassung .................................................................................. 44 V. Ergebnis ...................................................................................................... 44

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Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil Ertragsbesteuerung bei Liquidationen in Abhängigkeit von der Rechtsform

§ 2 Bemessungsgrundlage von Einkommen- und Körperschaftsteuer ................ 46 I. Vorbemerkung .............................................................................................. II. Rechtslage .................................................................................................... 1. Personenunternehmen ............................................................................ a) Bedeutung der Vorschriften über die Betriebsaufgabe .................. b) Einzelunternehmen ............................................................................ c) Besonderheiten bei Personengesellschaften....................................

46 46 46 46 49 50

2. Kapitalgesellschaften .............................................................................. a) Ebene der Kapitalgesellschaft .......................................................... aa) Abwicklungs-Endvermögen ........................................................ bb) Abwicklungs-Anfangsvermögen ................................................ cc) Korrekturen des Liquidationsgewinnes .................................... b) Ebene des Anteilseigners .................................................................. aa) Ausschüttung des Liquidationserlöses an die Anteilseigner .. bb) Anteile im Privatvermögen ........................................................ (1) Zusammensetzung des Liquidationserlöses........................ (2) Gewinnauszahlungen ............................................................ (3) Kapitalrückzahlungen............................................................ (4) Betriebsaufspaltung .............................................................. cc) Anteile im Betriebsvermögen ....................................................

52 52 53 54 55 55 55 56 56 58 58 60 62

III. Verfassungsrechtliche Würdigung .............................................................. 1. Umfang des steuerverstrickten Vermögens .......................................... a) Rechtsformabhängige Ungleichbehandlung.................................... b) Steuerrechtliche Dualismen als Ursache der Ungleichbehandlung ...................................................................................................... aa) Dualismus von Transparenz- und Trennungsprinzip................ (1) Anknüpfung von Einkommen- und Körperschaftsteuer an die Rechtspersönlichkeit ................................................ (2) Folgen für die Zuordnung zum steuerverstrickten Betriebsvermögen ...................................................................... (3) Zwischenergebnis .................................................................. bb) Einkünftedualismus als Ursache für die rechtsformabhängige Besteuerung ............................................................................ c) Rechtfertigung des Einkünftedualismus .......................................... aa) Rechtsprechung des BVerfG ...................................................... bb) Vereinfachung wegen mangelnder Bedeutung von Wertsteigerungen bei den Überschusseinkünften ................................ cc) Vereinfachung wegen Inflationsanfälligkeit .............................. d) Zwischenergebnis ..............................................................................

63 63 63 64 64 64 66 68 68 69 69 70 71 73

Inhaltsverzeichnis 2. Umfang der liquidationsteuerpflichtigen Rücklagen .......................... a) Besteuerung der aufgedeckten Rücklagen als Primärziel der Liquidationsbesteuerung .................................................................. b) Stille Rücklagen (stille Reserven) .................................................... aa) Rechtsformabhängigkeit der Handelsbilanz ............................ bb) Grundsatz der Maßgeblichkeit und steuerrechtliche Korrekturen .............................................................................................. c) Offene Rücklagen .............................................................................. aa) Handelsrechtliche offene Rücklagen ........................................ bb) Steuerrechtliche offene Rücklagen (steuerfreie Rücklagen) d) Rechtsformabhängige Ungleichbehandlung zur Herstellung der gleichmäßigen Einkommensbesteuerung des Gesamtgewinns......

9 74 74 74 74 76 77 77 79 80

3. Ergebnis .................................................................................................. 81 § 3 Einkommensteuerliche Freibeträge für Liquidationsgewinne ........................ I. Vorbemerkung .............................................................................................. II. Rechtslage .................................................................................................... 1. Personenunternehmen ............................................................................ 2. Kapitalgesellschaften .............................................................................. a) Anteile im Privatvermögen................................................................ b) Anteile im Betriebsvermögen ..........................................................

82 82 82 82 83 83 84

III. Verfassungsrechtliche Würdigung .............................................................. 1. Rechtsformabhängige Ungleichbehandlung ........................................ 2. Rechtfertigung der Rechtsformabhängigkeit ...................................... a) Freibeträge als Lenkungszwecknormen .......................................... b) Die Freibeträge nach §§ 16 Abs. 4 und 17 Abs. 3 EStG ................ aa) Abmilderung von steuerlichen Härten als Begründung im EStG 1925 und 1934 .................................................................... bb) Ausgleich der Steuerpflicht von Bodengewinnen im Zweiten Steueränderungsgesetz 1971 ...................................................... cc) Förderung der Altersvorsorge .................................................... dd) Keine Begründung für generellen Freibetrag der Kapitalgesellschaften .................................................................................. c) Der Freibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG ............................................ aa) Förderung der Spartätigkeit ...................................................... bb) Typisierung zur Gleichbehandlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ..................................................................................

85 85 86 86 86 86 88 89 91 91 91 92

3. Ergebnis .................................................................................................. 94 § 4 Steuersätze auf Liquidationsgewinne ................................................................ I. Problemstellung............................................................................................ II. Rechtslage .................................................................................................... 1. Personenunternehmen ............................................................................ a) Anwendungsbereich der Progressionsmilderung ............................ b) Tarifglättung nach § 34 Abs. 1 EStG ................................................ c) Ermäßigter Durchschnittssteuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG ........

95 95 96 96 96 97 97

2. Kapitalgesellschaften .............................................................................. 98

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Inhaltsverzeichnis III. Verfassungsrechtliche Würdigung .............................................................. 99 1. Tarifglättung nach § 34 Abs. 1 EStG und Halbeinkünfteverfahren .. 99 a) Ursprünglich weitgehende Rechtsformneutralität der Regelung zur Progressionsmilderung ................................................................ 99 b) Rechtsformabhängigkeit der Regelungen zur Progressionsmilderung seit dem Steuersenkungsgesetz ............................................ 102 c) Wirkungsweise der „Fünftel-Regelung“ .......................................... 102 d) Wirkungsweise des Halbeinkünfteverfahrens.................................. 103 e) Ungleichbehandlung durch „Fünftel-Regelung“ und Halbeinkünfteverfahren .................................................................................. 105 aa) Vergleich der beiden Methoden zur Progressionsmilderung .. 105 bb) Beispielsrechnungen .................................................................... 106 f) Rechtfertigung durch Typisierung .................................................... 110 g) Andere Rechtfertigungsgründe ........................................................ 112 2. Ermäßigter Durchschnittssteuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG und Halbeinkünfteverfahren ........................................................................ 112 a) Ungleichbehandlung durch ermäßigten Durchschnittssteuersatz und Halbeinkünfteverfahren ............................................................ 112 b) Förderung der Altersvorsorge als Rechtfertigung .......................... 113 c) Gleichstellung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften .............................................................................................. 115 3. Ergebnis .................................................................................................. 116

§ 5 Liquidationsverluste in der Einkommen- und Körperschaftsteuer ................ 118 I. Vorbemerkung .............................................................................................. 118 II. Rechtslage .................................................................................................... 118 1. Personenunternehmen ............................................................................ 118 2. Kapitalgesellschaften .............................................................................. 119 a) Ebene der Kapitalgesellschaft .......................................................... 119 b) Ebene des Anteilseigners .................................................................. 120 III. Verfassungsrechtliche Würdigung .............................................................. 122 1. Vorbemerkung ........................................................................................ 122 2. Rechtsformabhängigkeit der Verlustverrechnung................................ 122 a) Ungleichbehandlung durch beschränkte Möglichkeit zur Verlustverrechnung .................................................................................. 122 b) Rechtfertigung .................................................................................... 123 3. Rechtsformabhängigkeit des Verlustabzuges ...................................... 126 a) Ungleichbehandlung des Kapitalgesellschafters durch nur hälftige Möglichkeit zum Verlustabzug .................................................. 126 b) Rechtfertigung durch die Funktion des Halbeinkünfteverfahrens? .................................................................................................... 126 4. Ergebnis .................................................................................................. 128 § 6 Gewerbebesteuerung bei Liquidationen............................................................ 129 I. Vorbemerkung .............................................................................................. 129

Inhaltsverzeichnis

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II. Rechtslage .................................................................................................... 129 1. Personenunternehmen ............................................................................ 129 2. Kapitalgesellschaft .................................................................................. 130 3. Anteilseigner ............................................................................................ 132 a) Anteile im Privatvermögen................................................................ 132 b) Anteile im Betriebsvermögen .......................................................... 132 III. Verfassungsrechtliche Würdigung .............................................................. 133 1. Ungleichbehandlung der Rechtsformen durch die Gewerbesteuer .. 133 2. Rechtfertigung ........................................................................................ 134 a) Rechtfertigung vor dem Hintergrund des Äquivalenzprinzips...... 134 aa) Äquivalenzprinzip und Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer ............................................................................................ 134 bb) Tauglichkeit des Äquivalenzprinzips als Rechtfertigungsgrund ............................................................................................ 134 cc) Liquidationsbesteuerung und Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer ............................................................................ 136 b) Steuerpflicht von Kapitalgesellschaften als Typisierung ................ 138 c) Anknüpfung der Gewerbesteuer an das Handelsrecht .................. 140 d) Rechtfertigung durch wirtschaftliche Erwägungen ........................ 142 e) Rechtfertigung als Teil der Grundstruktur der Gewerbesteuer .... 143 f) Gewerbesteuer als Ausgleich für den niedrigen Körperschaftsteuersatz ............................................................................................ 146 aa) Stellung der Gewerbesteuer nach dem Steuersenkungsgesetz ................................................................................................ 146 bb) Besonderheit im Falle der Besteuerung von Liquidationsgewinnen .......................................................................................... 148 cc) Zwischenergebnis ........................................................................ 150 3. Ergebnis .................................................................................................. 150 Dritter Teil Schluss § 7 Zusammenfassung der Ergebnisse .................................................................... 152 § 8 Zusammenfassende Thesen ................................................................................ 159 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 161 Rechtsprechungsverzeichnis .................................................................................. 185 I. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ...................................... 185 II. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs...................................................... 186 III. Entscheidungen des Reichsfinanzhofs ...................................................... 188 IV. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs .................................................. 188 V. Entscheidungen der Finanzgerichte .......................................................... 188 Sachwortverzeichnis.................................................................................................. 189

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. a. F. AG AktG Anm. Art. BB Bd. BFH BFH/NV BFHE BGB BGBl. BMF BR BR-Drs. BStBl. BT BT-Drs. BVerfG BVerfGE DB ders. d. h. dies. Drucks. DStJG DStR DStZ DV EFG EStDV EStG

anderer Ansicht Absatz alte Fassung Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz Anmerkung Artikel Betriebs-Berater Band Bundesfinanzhof Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesministerium der Finanzen Bundesrat Bundesrats-Drucksache Bundessteuerblatt Bundestag Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Der Betrieb derselbe das heißt dieselbe Drucksache Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung Durchführungs-Verordnung Entscheidungen der Finanzgerichte Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz

Abkürzungsverzeichnis EStR evtl. F f./ ff. FGa FR FS GbR gem. GewStG GG ggf. GmbH GmbHG GmbHR Gr. GrS GS HFR HGB h. M. Hrsg., hrsg. i. d. F. i. H. v. i. S. i. S. d. i. S. v. i. V. m. INF InsO JZ KG KÖSDI KStG KStR KStZ lfd. lit. m. E. m. w. N. NJW Nr.

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Einkommensteuer-Richtlinien eventuell Fach folgende (Seite) / (Seiten) Finanzgericht Finanz-Rundschau Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gruppe Großer Senat Gedächtnisschrift Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber, herausgegeben in der Fassung in Höhe von im Sinne im Sinne des/ der im Sinne von in Verbindung mit Die Information über Steuer und Wirtschaft Insolvenzordnung Juristenzeitung Kommanditgesellschaft Kölner Steuerdialog Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuer-Zeitschrift laufend(e) litera, Buchstabe meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nummer

14 NWB oHG RFH RFHE RGBl. Rn. Rspr. RStBl. Rz. S. s. sog. st. Rspr. StBJb StbKRep SteuerStud StSenkG StuB StuW StVj. Tz. u. a. v. v. H. VereinsG vgl. Wpg z. B. ZGR

Abkürzungsverzeichnis Neue Wirtschaftsbriefe offene Handelsgesellschaft Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Randnummer Rechtsprechung Reichssteuerblatt Randziffer Seite Siehe so genannte(r) ständige Rechtsprechung Steuerberater-Jahrbuch Steuerberaterkongress-Report Steuer & Studium Steuersenkungsgesetz Steuern und Bilanzen Steuer und Wirtschaft Steuerliche Vierteljahresschrift Textziffer und andere, unter anderem Vom vom Hundert Vereinsgesetz vergleiche Die Wirtschaftsprüfung zum Beispiel Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

Einleitung Als Liquidation -- oder Abwicklung -- beschreibt das Gesetz in § 11 KStG und in §§ 264 ff. AktG die letzte Phase in der Existenz des Unternehmens, in der das unternehmerische Vermögen in Geld umgewandelt, die laufenden Geschäfte beendigt, die bestehenden Forderungen eingezogen und die Gläubiger befriedigt werden1. Wird eine Gesellschaft abgewickelt, so geht dem Verfahren regelmäßig deren Auflösung voraus. Das bedeutet aber nicht, dass die Gesellschaft während der Abwicklung nicht mehr existiert; sie löst sich nicht „in Luft“ auf2. Vielmehr besteht sie bis zur Beendigung des Liquidationsverfahrens als Unternehmensträger fort. Erst nach Verteilung des verbliebenen Überschusses und jedenfalls der Eintragung im jeweiligen Handelsregister tritt die Vollbeendigung und damit der „Tod“ der Gesellschaft ein3. Erfolgen Liquidation und Abwicklung ohne vorherige Auflösung, so spricht man von einer „stillen Liquidation“4; passiert umgekehrt die Auflösung der Gesellschaft ohne anschließende Liquidation, wird von einer „Scheinliquidation“ gesprochen5. Die Abwicklung eines Einzelunternehmens erfolgt ohne vorherige förmliche Auflösung6. Die Gründe der Auflösung werden in den Gesetzen für die einzelnen Gesellschaftsformen genannt; sie sind zahlreich und vielgestaltig7. Gemeinsamer Auflösungsgrund für alle Gesellschaften ist nach §§ 723 BGB; 131 Abs. 1 HGB; § 60 Abs. 1 GmbHG; 262 Abs. 1 AktG neben dem Ablauf der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zeit vor allem der Beschluss der Gesellschafter. Den Beschluss, ihr Unternehmen durch Liquidation zu beenden, werden die Beteiligten vor allem dann fassen, wenn sie keine Möglichkeit sehen, es wirt1 Vom Wortlaut her beschreibt „Liquidation“ eigentlich die „Flüssigmachung“, also die Versilberung von Sachwerten und „Abwicklung“ die ordnungsgemäße, schrittweise Erledigung der ausstehenden Aufgabe. Dennoch werden beide Begriffe synonym verwendet. 2 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 3 (S. 308). 3 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 6 a (S. 316); G. Hueck / C. Windbüchler, Gesellschaftsrecht, § 11 Rz. 1. 4 F. Hofmeister in Blümich, § 11 KStG Rz. 26. 5 F. Hofmeister in Blümich, § 11 KStG Rz. 20. 6 R. Maiterth / H. Müller, S. 187. 7 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 2 (S. 308).

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Einleitung

schaftlich und gewinnbringend weiterzuführen oder ihre unternehmerische Tätigkeit, z.B. durch Verkauf, günstiger zu beenden. In der Bundesrepublik Deutschland bewegte sich die Zahl der Unternehmensbeendigungen durch Liquidation in den letzten fünf Jahren im Bereich um 400.000 pro Jahr8, was nicht zuletzt auch auf die angespannte wirtschaftliche Situation zurückzuführen war9. Eine besondere Form des Liquidationsverfahrens ist das Insolvenzverfahren10. Dieses vollzieht sich nicht nach den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, sondern staatlich geordnet und gerichtlich beaufsichtigt nach den Regelungen der Insolvenzordnung (InsO)11. Auch liegt die Entscheidung zu ihrer Durchführung nicht wie bei der gesellschaftsrechtlichen Liquidation und Abwicklung einzig im freien Ermessen des Unternehmenseigners, sondern kann nach § 14 Abs. 1 InsO auch gegen dessen Willen auf Antrag der Insolvenzgläubiger erreicht werden12. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die freiwillige Liquidation nach den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften. Im Rahmen der Liquidation werden sämtliche Wirtschaftsgüter des Unternehmens veräußert. In der Bilanz sind diese Wirtschaftsgüter meist mit einem Buchwert angesetzt, der niedriger als der Veräußerungspreis ist. Dies ist auf das Vorsichtsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB zurück zu führen, das sich insbesondere im Anschaffungswertprinzip und im Realisationsprinzip konkretisiert. Das Anschaffungswertprinzip nach § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB schreibt vor, dass Wirtschaftsgüter höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten sind, spätere Wertsteigerungen also nicht im Rahmen ihrer Bewertung berücksichtigt werden dürfen. Diese und alle anderen Vermögenszuwächse dürfen nach dem Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 letzter Halbsatz HGB erst bei ihrer Realisation ausgewiesen werden. Als Folge entstehen in Höhe der nicht realisierten Vermögenszuwächse sog. stille Reserven. Es handelt sich bei diesen um bereits im Laufe der Unternehmensexistenz entstandene Gewinne, die nun durch die Veräußerung der Wirtschaftsgüter erstmalig verwirklicht werden. Durch die Liquidation kommt es also zur Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven. Dieser Vorgang führt beim liquidierenden Unternehmer zu einem Vermögenszuwachs, der der Besteuerung unterliegt. Die Besteuerung des Liquidationsgewinns ist der „Schlussstein für eine konsequente Erfassung der betrieblich 8 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn, Unternehmensgrößenstatistik 2001/2002, S. 140 f.; die Zahl der Insolvenzen bewegt sich in dieser Zeit um die 30.000 (ebd., S. 142). 9 So auch U. Küster, DStR 2006, 209. 10 H. Luik, DStJG 4, 97 (114). 11 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 3 b (S. 310). 12 W. Förster / V. Döring, Die Liquidationsbilanz, S. 1.

Einleitung

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verursachten Vermögensmehrung als Einkommen“13. Sie dient der Herstellung einer gerechten und gleichmäßigen Besteuerung des Lebenseinkommens und ist folgerichtige Konsequenz aller Vorschriften, die es erlauben oder sogar vorschreiben, stille Reserven zu bilden14. Die Besteuerung der Gewinne aus einer Unternehmensliquidation unterscheidet sich danach, in welcher Rechtsform das Unternehmen betrieben wird. Denn so wenig dem deutschen Steuerrecht eine einheitliche Besteuerung der laufenden Einkommen aus Unternehmen unterschiedlicher Rechtsform, also eine rechtsformneutrale Besteuerung, bekannt ist15, so wenig existiert auch eine einheitliche Regelung über die Ertragsbesteuerung der Unternehmensliquidation. Eine Rechtsformabhängigkeit der Unternehmensbesteuerung ist bereits durch die Anknüpfung des Steuerrechts an die zivilrechtliche Einordnung von Einzelunternehmern und Kapitalgesellschaften als Rechtsträger einerseits, andererseits aber die Negation der Teilrechtsfähigkeit von Personengesellschaften gegeben. Tatsächlich ignoriert das Steuerrecht die Zivilrechtsfähigkeit und knüpft vielmehr allein an die Rechtspersönlichkeit an, die das Zivilrecht verleiht, was zu dem Dualismus von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer führt16. Dies hat eine unterschiedliche Besteuerung von Unternehmern zur Folge, je nachdem in welcher Rechtsform sie ihr Unternehmen organisiert haben17. Dabei kommt es bei den verschiedenen Rechtsformen durchaus auch zu unterschiedlichen Belastungsfolgen. Verschärft wird dies durch die zusätzliche Belastung des unternehmerischen Ertrags mit der Gewerbesteuer. Gegenstand der folgenden Untersuchung ist es, diese Rechtsformabhängigkeit der Ertragsbesteuerung für den Fall der Liquidation im Einzelnen aufzudecken, darzustellen und zu untersuchen. 13 W. Reiß in Kirchhof / Söhn, § 16 EStG Rn. A 25 für die Liquidationsbesteuerung von Personenunternehmen nach § 16 Abs. 3 EStG. 14 K.-D. Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, S. 53; eine andere Ansicht vertrat noch der RFH v. 30.3.1920 - I A 37/22, RFHE 10, 23 (26), nach dem es sich bei der Besteuerung der Liquidationsgewinne dem Wesen nach nicht um eine Einkommen-, sondern um eine Vermögensteuer handelt. 15 K. Tipke, StRO II, S. 1027; ders., Besteuerungsmoral und Steuermoral, S. 28; R. Seer, StuW 1993, 114 (114); J. Englisch, DStZ 1997, 778 (778); D. Birk, StuW 2000, 328 (332); J. Hennrichs, StuW 2002, 201 (201); O.-H. Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 1. 16 J. Pelka, StuW 2000, 389 (390); D. Birk, StuW 2000, 328 (332); J. Lang in Elschen / Siegel / Wagner, Unternehmenstheorie und Besteuerung, S. 408; M. Jachmann, DStJG 23, 9 (19). 17 R. Seer, StuW 1993, 114 (114).

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Einleitung

Sie beschränkt sich dabei auf den Besteuerungsvergleich bei personenbezogenen Unternehmen18, also solchen Unternehmen, deren Aktivität unmittelbar an den Zielen der Beteiligten ausgerichtet ist, da bei diesen der Schwerpunkt rechtsformbezogener Steuerpolitik liegt19. Mit der Größe des Unternehmens gewinnen nichtsteuerliche Fragen wie Haftung, Kapitalbedarf und Unabhängigkeit vom Gesellschafterbestand so sehr an Bedeutung, dass die Wahl der Rechtsform sich nicht als Problem darstellt, weil es zur Kapitalgesellschaft keine echte Alternative gibt20. Allerdings wird auch bei personenbezogenen Unternehmen in der Liquidationsphase kaum mehr ein Wechsel der Rechtsform aufgrund einer unterschiedlichen Besteuerung in Betracht kommen, zumal diese Möglichkeit mit diversen steuergesetzlichen Sperrregeln verbaut wird21. Um so mehr ist in dieser Phase eine rechtsformneutrale Besteuerung von Bedeutung. Als Ausgangspunkt der Arbeit werden die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen herausgestellt, die das Grundgesetz für die Besteuerung der Unternehmen verschiedener Rechtsformen vorgibt22. Sie bilden die Grundlage für die anschließende Untersuchung der geltenden Ertragsbesteuerung von Unternehmensliquidationen. Aufgrund der starken Verzahnung und Verflechtung der verschiedenen Steuerarten werden der Übersicht halber zunächst die Einkommen- und Körperschaftsteuer23 und sodann die Gewerbesteuer24 separat auf ihre Rechtsformabhängigkeit hinsichtlich der Besteuerung bei Liquidationen untersucht. Im Rahmen der Untersuchung von Einkommen- und Körperschaftsteuer werden Bemessungsgrundlage, Freibeträge, Steuersatz und Verluste jeweils als getrennte Bereiche dargestellt und unter verfassungsrechtlichen Aspekten untersucht. Am Ende der Arbeit werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengetragen25. 18 Vgl. zum Begriff U. Schreiber, Rechtsformabhängige Unternehmensbesteuerung?, S. 9; J. Sigloch in Mayer, Unternehmensbesteuerung, S. 111 (113) spricht von eigentümergeleiteten Unternehmen; vgl. auch J. Lang, Perspektiven, S. 27 f. Der Rechtsformvergleich wird dabei auf die Grundformen der jeweiligen Rechtsformen, nämlich bei den Personenunternehmen auf das Einzelunternehmen und die offene Handelsgesellschaft (oHG) und bei den Kapitalgesellschaften auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) beschränkt. 19 U. Schreiber, Rechtsformabhängige Unternehmensbesteuerung?, S. 9; F. W. Wagner, DStR 1981, 243 (243); O.-H. Jacobs, ZGR 1980, 289 (290). 20 F. W. Wagner, DStR 1981, 243 (243); O.-H. Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 5 f.; ders. / W. Scheffler, Steueroptimale Rechtsform, S. 2 dort FN 3. 21 Vgl. z. B. J. Bauer in StbJb 2000/2001, 117 (144). 22 § 1 der Arbeit. 23 §§ 2 bis 5 der Arbeit. 24 § 6 der Arbeit. 25 §§ 7 und 8 der Arbeit

Erster Teil

Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung § 1 Verfassungsrechtliches Gebot rechtsformneutraler Unternehmensbesteuerung I. Problemstellung In der Diskussion um die Bedeutung der Rechtsform für die Besteuerung werden alle Meinungen zwischen den Extremen vertreten; von der, dass eine rechtsformneutrale Besteuerung der Unternehmen gegen die Verfassung verstoße1, über die, dass sie zwar nicht von ihr geboten, aber dennoch erwünscht sei2, bzw. weder geboten noch erwünscht3 bis zu der, dass sie verfassungsrechtlich geboten ist4. Im folgenden Abschnitt wird untersucht, welche Bedeutung der Verfassung bei der Besteuerung von Unternehmen unterschiedlicher Rechtsform zukommt und welche Rahmenbedingungen sie dem Gesetzgeber setzt. Bei der Regelung der Besteuerung von Unternehmen sind vor allem der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und die Freiheitsrechte, insbesondere die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 GG, die Berufsfreiheit des Art. 12 GG und die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG von Bedeutung. Die Finanzverfassung wird in der Diskussion um die Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung ebenfalls als relevant angesehen.

II. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG 1. Grundaussage des Gleichheitssatzes Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Obwohl sein Wortlaut nur auf eine Gleichheit vor dem Gesetz hindeutet, also auf eine So H. Weber, Besteuerung, S. 73ff; ders., JZ 1980, 545 (549). So. J. Pelka, StuW 2000, 389 (398); W. Schön, StbJb 1998/99, 57 (64). 3 So J. Thiel, StbJb 2002/2003, 27 (32). 4 So J. Lang, DStJG 24, 49 (60); J. Hey, DStJG 24, 155 (167); dies. in Tipke /Lang, § 18 Rz. 532; A. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 176. 1 2

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

Gleichbehandlung bei der Anwendung eines Gesetzes, bindet der allgemeine Gleichheitssatz nach den Art. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG auch den Gesetzgeber und statuiert damit auch eine Gleichheit des Gesetzes5. In der ständigen Rechtsprechung des BVerfG wurde der Gleichheitssatz dahingehend konkretisiert, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln ist6. Eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem oder eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem7 führt noch nicht automatisch zur Verfassungswidrigkeit einer staatlichen Maßnahme. Vielmehr kann sie durch bestimmte andere relevante Tatsachen gerechtfertigt oder sogar geboten sein8. Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung richten sich nach der Intensität der Beeinträchtigung9. Sie steigen, je weniger der Betroffene den Anknüpfungspunkt für die Ungleichbehandlung beeinflussen kann und je mehr sie seinen Gebrauch grundrechtlich geschützter Freiheiten erschwert10. So lässt das BVerfG bei Ungleichbehandlungen geringer Intensität bereits genügen, wenn sich für diese ein vernünftiger, sachlich einleuchtender Grund finden lässt, wenn sie also nicht schlechthin als willkürlich zu bewerten ist11. Dagegen wird bei Ungleichbehandlungen größerer Intensität deren Verhältnismäßigkeit geprüft und diese erst dann als durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt angesehen, wenn die Differenzierung einen legitimen Zweck verfolgt, sie zur Erreichung dieses Zweckes geeignet und erforderlich ist und auch sonst in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Zwecks steht12. Für die Anwendung des Gleichheitssatzes ist danach in einem ersten Schritt festzustellen, ob eine Ungleichbehandlung vorliegt, um anschlie5 BVerfG v. 23.10.1951 - 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (52); P. Kirchhof in Isensee / Kirchhof, HStR V § 124 Rn. 25; B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 428; W. Rüfner in BK, Art. 3 Abs. 1 GG Rz. 163. 6 BVerfG v. 23.10.1951 - 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (52); v. 17.12.1953 - 1 BvR 147/52, BVerfGE 3, 58 (135); v. 16.4.1955 - 2 BvK 1/54, BVerfGE 4, 144 (155). 7 Im Folgenden wird zugunsten der Lesbarkeit nur noch von der „Ungleichbehandlung“ stellvertretend für beide Arten der Betroffenheit von Art. 3 Abs. 1 GG gesprochen. 8 H.-D. Jarass in Jarass / Pieroth, Art. 3 GG Rz. 14; J. Hey, DStJG 24, 155 (175). 9 BVerfG v. 8.4.1997 - 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (316); v. 26.1.1993 - 1 BvL 37 u. a./92, BVerfGE 88, 87 (96); B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 438. 10 BVerfG v. 10.4.1997 - 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6); v. 30.9.1998 - 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (94). 11 BVerfG v. 23.10.1951 - 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (16); v. 24.4.1966 - 1 BvR 20/62 und 27/64, BVerfGE 20, 31 (33). 12 B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 440.

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ßend in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob diese verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann13. 2. Ungleichbehandlung a) Notwendigkeit eines Vergleichsmaßstabes Nur die Ungleichbehandlung von „wesentlich Gleichem“ bedarf einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung14. Da kein Mensch und keine Situation genau wie eine andere ist, beruht die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG immer nur auf dem Vergleich von Sachverhalten, die nie in allem, sondern stets nur in einzelnen Merkmalen übereinstimmen15. Wesentliche Gleichheit kann daher nur bedeuten, dass Personen oder Personengruppen vergleichbar sind16. Vergleichbarkeit ist nur dann gegeben, wenn ein gemeinsamer Bezugspunkt, ein Vergleichsmaßstab, existiert17. Die Konkretisierung des Gleichheitssatzes durch die Bestimmung dieses Vergleichsmaßstabes, die wesentlich das Ergebnis der späteren Bewertung als gleichheitswidrig oder gleichheitskonform vorbestimmt, ist kein logischer Denkakt, sondern erfolgt aufgrund eines Werturteils18, denn in der Regel bestehen über das jeweils Gerechte unterschiedliche Auffassungen19. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber deshalb in seiner ständigen Rechtsprechung einen weitreichenden Gestaltungsspielraum darüber zugestanden, was er als gleich und was er als ungleich behandeln möchte20. Es steht ihm damit frei, die Merkmale der Vergleichspaare zu bestimmen, die für Gleichheit oder Ungleichheit der gesetzlichen Regelung maßgeblich sein sollen21. Jedoch muss der Gesetzgeber bei der Auswahl des Vergleichsmaßstabes nach Gesichtspunkten verfahren, die sich aus der Art der zu regelnden Le13 B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 430; H. P. Ipsen in Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte II, S. 177 ff. 14 B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 431. 15 BVerfG v. 29.11.1989 - 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108 (117); M. Gubelt in v. Münch / Kunig, Art. 3 GG Rz. 16; K. Tipke in FS G. Stoll, 229 (233). 16 B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 431. 17 K. Tipke, StRO I, S. 314; D. Birk in Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 4 AO Rz. 434. 18 M. Gubelt in v. Münch / Kunig, Art. 3 GG Rz. 17; H.-P. Ipsen in Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte II, S. 178. 19 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rz. 438. 20 BVerfG v. 21.2.1957 - 1 BvR 241/56, BVerfGE 6, 273 (280); v. 29.7.1959 - 1 BvR 205 u. a./58, 1 BvL 27, 100/58, BVerfGE 10, 59 (73). 21 BVerfG v. 19.6.1973 - 1 BvL 39/69 und 14/72, BVerfGE 35, 263 (272).

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

bensverhältnisse, aus dem jeweiligen Sachgebiet, ergeben22. Der gewählte Vergleichsmaßstab muss also sachgerecht sein23. Die einmal mit diesem sachgerechten Vergleichsmaßstab getroffene Entscheidung muss der Gesetzgeber konsequent umsetzten und folgerichtig durchhalten24.

b) Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Vergleichsmaßstab im Steuerrecht Für die Konkretisierung des Gleichheitssatzes im Steuerrecht ist das Leistungsfähigkeitsprinzip allgemein anerkannt25. Sachgerechter Vergleichsmaßstab ist danach die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, also dessen Fähigkeit, Steuern zahlen zu können26. Auch das Leistungsfähigkeitsprinzip ist als oberstes steuerliches Gerechtigkeitsprinzip selbst noch äußerst unbestimmt und daher weiter konkretisierungsbedürftig27. Insbesondere bedarf es der Konkretisierung dahingehend, welche Maßgröße als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit herangezogen wird. Dabei ist zu beachten, dass Steuern nur aus einer Quelle, nämlich aus dem als Vermögen gespeicherten Einkommen aufgebracht werden können28. Es ist daher unzweifelhaft, dass sich die wirt22 BVerfG v. 21.7.1955 - 1 BvL 33/51, BVerfGE 4, 219 (243); v. 15.12.1970 - 1 BvR 559 u. a./70, BVerfGE 29, 402 (411). 23 K. Tipke, StRO I, S. 319; ders., StuW 1988, 262 (270); P. Kirchhof in Isensee / Kirchhof, HStR V, § 124 Rz. 205; H. Weber, Besteuerung, S. 59. 24 BVerfG v. 7.5.1968 - 1 BvR 420/64, BVerfGE 23, 242 (256); v. 27.6.1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); v. 22.6.1995 - 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136); zuletzt grundlegend BVerfG v. 21.6.2006 - 2 BvL 2/99, FR 2006, 766 (768); K. Tipke, StRO I, S. 327 ff.; J. Lang in Tipke / Lang, § 4 Rz. 77. 25 BVerfG v. 22.6.1995 - 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (135); v. 6.3.2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (125 f.), st. Rspr.; K. Tipke, StRO I, S. 322 ff.; ders., StuW 1988, 262 (270); J. Lang in FS H.-W. Kruse, 313 (318); D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen; J. Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung, S. 114 ff.; J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 100; M. Elicker, StuW 2002, 217 (218); N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 99; K. H. Friauf, DStJG 12, 3 (28); K. Vogel, DStZ / A 1975, 409 (410); P. Kirchhof in Isensee / Kirchhof, HStR V § 124 Rz. 37; M. Strahl, KÖSDI 2003, 13833 (13833); M. Jachmann, DStJG 23, 9 (11), W. R. Walz, Rechtsformunabhängige Besteuerung?, S. 40; A. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 52; a. A. H.-W. Kruse in StuW 1990, 322; W. Gassner / M. Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, S. 117 ff. 26 K. Tipke, StRO I, S. 480; M. Jachmann, DStJG 23, 9 (11); dies., Steuergesetzgebung, S. 9; H.-W. Kruse, Steuerrecht I, S. 49; P. Kirchhof, StuW 1985, 319 (324 f.); H.-J. Pezzer in FS K. Tipke, 419 (424). 27 K. Tipke, StRO I, S. 492; ders., StuW 1988, 262 (272); J. Lang in Tipke / Lang, § 4 Rz. 83; D. Birk, Steuerrecht, Rz. 33; J. Hey in Hermann / Heuer / Raupach, Einf. KSt, Rz. 27. 28 K. Tipke, StRO I, S. 97; so auch H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 170.

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schaftliche Leistungsfähigkeit als Fähigkeit Steuern zahlen zu können nach dem Einkommen des Steuerpflichtigen richtet. Der Gesetzgeber hat in den Ertragsteuergesetzen mit dem Einkommen bzw. dem Ertrag das Ergebnis wirtschaftlicher Betätigung als Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und als gleichheitsrechtlichen Vergleichsmaßstab ausdrücklich festgelegt29. Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gebietet eine möglichst gleichmäßige, breit angelegte Erfassung des Einkommens. Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips ist daher das Totalitätsprinzip, nach dem die gesamten Einkünfte eines Steuerpflichtigen versteuert werden müssen30. Dem entspräche am ehesten die Besteuerung des Reinvermögenszugangs31. Das Einkommen kann jedoch nur insoweit der Steuerzahlung dienen, wie es hierfür verfügbar ist. Nicht verfügbar ist Einkommen in dem Umfang, in dem es für den Einkommenserwerb aufgewandt wird32. Durch Berücksichtigung dieser Erwerbsaufwendungen ermittelt man die sog. objektive Leistungsfähigkeit, die sich bei unternehmerischer Tätigkeit im Erfolg33, also Gewinn oder Verlust, ausdrückt34. Der Erfolg ist aber für die Steuerzahlung auch nur und erst dann verfügbar, wenn er zu Liquidität führt, denn steuerliche Leistungsfähigkeit setzt Liquidität voraus35. Als weitere Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips und Einschränkung des Totalitätsprinzip gebietet deshalb das Realisationsprinzip, dass nicht der Reinvermögenszugang, sondern lediglich das Markteinkommen, also der Wertzuwachs, der sich am Markt realisiert, der Einkommensbesteuerung zugrunde zu legen ist36. Auch nicht für die Steuerzahlung verfügbar sind nach allgemeiner Auffassung die Aufwendungen aus dem Einkommen, die der Steuerpflichtige für seine Existenz und eventuell die seiner Familie verwenden muss37. Durch deren Berücksichtigung bemisst man die sog. subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen38. §§ 2 Abs. 5 EStG, 7 Abs. 1 KStG, 6, 7 GewStG. J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 167 ff.; J. Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung, S. 115. 31 A. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 56. 32 K. Tipke, StRO II, S. 591. 33 Zum Begriff des Erfolgs vgl. G. Wöhe in HwStR I, S. 1115; H. Langen in HBW I/1, S. 1666. 34 K. Tipke, StRO I, S. 481; M. Jachmann, DStJG 23, 9 (12); D. Birk, Steuerrecht Rz. 154. 35 J. Lang in Tipke / Lang, § 4 Rz. 102; M. Elicker, StuW 2002, 217 (219). 36 J. Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung, S. 118; J. Lang in Tipke / Lang, § 4 Rz. 108; A. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 57. 37 K. Tipke, StRO I, S. 481. 38 Vgl. M. Jachmann, DStJG 23, 9 (12). 29 30

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

c) Anwendung des Vergleichsmaßstabes bei Kapitalgesellschaften Problematisch und umstritten ist die Frage, welche Stellung den Kapitalgesellschaften bei der Anwendung des Gleichheitssatzes und des Leistungsfähigkeitsprinzips zukommt und daraus folgend, welche Bedeutung die Vorbelastung der Gewinne bei der Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer für die Feststellung einer Ungleichbehandlung bei den Anteilseignern im Fall der Ausschüttung hat. Die Frage ist für den Rechtsformvergleich der Liquidationsbesteuerung von besonderer Bedeutung, weil in der Liquidation sämtliche Gewinne der Kapitalgesellschaft an die Anteilseigner ausgeschüttet werden.

aa) Völlig getrennte Betrachtung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner (formelle oder rechtsformorientierte Betrachtungsweise) Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die zivilrechtliche Verselbständigung der Kapitalgesellschaft als juristische Person erfordere nach Art. 19 Abs. 3 GG auch eine dementsprechende getrennte Betrachtung vor dem Gleichheitssatz. Die Kapitalgesellschaft trete als rechtlich völlig verselbständigte juristische Person eigenständig neben den Anteilseigner als natürliche Person. Sie weise eine eigene, von der natürlichen Person unabhängige, steuerliche Leistungsfähigkeit auf, da sie in der Lage sei, aus ihrem Einkommen Steuern zu zahlen39. Konsequenterweise dürfe und müsse dieses Einkommen der Besteuerung unterworfen werden. Die Besteuerung der Kapitalgesellschaften erfolge ebenfalls völlig unabhängig von der Besteuerung der Anteilseigner. Körperschaftsteuer und Einkommensteuer knüpften dabei an zwei verschiedene Einkunftserzielungstatbestände an, nämlich einerseits die Erwirtschaftung des Gewinns durch die Kapitalgesellschaft und andererseits die Erwirtschaftung der Dividende durch die Anteilseigner40. Beide Steuern bezögen sich auf unterschiedliche Rechtspersonen und führten daher auch nicht zu einer doppelten Belastung der Anteilseigner. Entsprechendes kann für die jeweilige Belastung mit Gewerbesteuer angeführt werden. Bei einem steuerlichen Rechtsformvergleich müssten nach dieser rechtsformorientierten Betrachtungsweise Kapitalgesellschafter und Anteilseigner getrennt voneinander betrachtet werden. Es würden jeweils die Körper39 40

K. Tipke, StRO II, S. 1173. D. Birk, StuW 2000, 328 (333).

§ 1 Verfassungsrechtliches Gebot

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schaftsbesteuerung der Kapitalgesellschaft und die Einkommensbesteuerung des Anteilseigners mit der Besteuerung des Personenunternehmers verglichen. In den Steuerbelastungsvergleich des Anteilseigners ist die Körperschaftsteuer danach nicht einzubeziehen.

bb) Einheitliche Betrachtung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner (materielle oder wirtschaftliche Betrachtungsweise) Die Gegenauffassung lehnt eine derartige verselbständigte Betrachtung der Kapitalgesellschaft ab. Ethische Maßstäbe seien nur auf natürliche Personen anwendbar, nicht auf Rechtsformen von Organisationen, die zu Erwerbszwecken gebildet werden41. Daran ändere auch Art. 19 Abs. 3 GG nichts, denn danach gelten Grundrechte für juristische Personen nur, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Zumindest im Steuerrecht sei das nicht der Fall, denn dort werde der Gleichheitssatz durch das Leistungsfähigkeitsprinzip konkretisiert. Dieses sei aber in seiner subjektiven Ausprägung eindeutig auf natürliche Personen zugeschnitten42. Kapitalgesellschaften komme keine eigene Leistungsfähigkeit zu43. Die Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft sei vielmehr die der dahinter stehenden natürlichen Person44. Daher sei auch der Gewinn der Kapitalgesellschaft den Anteilseignern zuzurechnen45. Eine Besteuerung dieses Gewinns mit Körperschaftsteuer oder Gewerbesteuer müsse als zusätzliche Belastung des Anteilseigners angesehen werden46. Nach dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist daher bei einem Rechtsformvergleich auf die Gesamtsteuerbelastung der Gewinne des Anteilseigners mit Einkommen- und Körperschaftsteuer abzustellen.

cc) Bundesverfassungsgericht: Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 21. Juni 2006 geurteilt, aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebe sich für den Gesetzgeber weder ein zwingendes Gebot der wirtschaftlichen noch der rechtsformorientierten Betrachtungsweise zu folgen. D. Schneider, DB 2004, 1517 (1518 f.). W. R. Walz, Rechtsformunabhängige Besteuerung?, S. 41; A. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 55. 43 H. Haller, Die Steuern, S. 184; D. Schneider, DB 2004, 1517 (1519); S. Bach, StuW 1991, 116 (127). 44 Vgl. zu dieser engen opfertheoretischen Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzip D. Schneider in HdF II, S. 533 ff. 45 S. Bach, StuW 1991, 116 (128). 46 D. Schneider, StuW 1975, 97 (103); so im Ergebnis auch E. Wilk, DStZ 2006, 290 (292). 41 42

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

Vielmehr sei er frei in der Entscheidung, welche der beiden - verfassungsrechtlich vertretbaren - Möglichkeiten er wähle. Habe er sich jedoch für einen Lösungsweg entschieden, müsse er diesen folgerichtig umsetzen47. Die Entscheidung des Gerichts ist zur Rechtslage vor der grundlegenden Systemreform im Unternehmensteuerrecht durch das Steuersenkungsgesetz ergangen. Gestützt insbesondere auf die Gesetzesbegründung zum seinerzeit geltenden Vollanrechnungsverfahren stellte das BVerfG fest, der Gesetzgeber habe sich für die rechtsformorientierte Betrachtungsweise entschieden, weshalb ausgeschüttete Gewinne von Kapitalgesellschaften beim Anteilseigner einkommensteuerlich nicht ebenso zu behandeln seien wie Gewinne von Personengesellschaften48. Eine Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung der Gewinne mit Körperschaftsteuer beim Anteilseigner wäre danach bei einem Steuerbelastungsvergleich - zumindest für das alte Unternehmensteuersystem - nicht geboten.

dd) Eigene Ansicht: Differenzierende Betrachtungsweise Weder die beiden extremen Auffassungen noch die Lösung des BVerfG vermögen zu überzeugen. Es ist bereits fraglich, ob die Ausführungen des BVerfG auch auf das neue, seit dem Steuersenkungsgesetz geltende, System der Unternehmensbesteuerung anwendbar sind. Denn der Gesetzgeber hat in den Gesetzesbegründungen ausdrücklich die Rechtsformneutralität des neuen Besteuerungssystems als Ziel angeführt49 und sich daher wohl eher der wirtschaftlichen Betrachtungsweise angeschlossen50. Die Ausführungen des BVerfG - wie die der Vertreter der Extremlösungen - überzeugen aber auch deshalb nicht, weil sie bei der Auslegung des Gleichheitssatzes die Bedeutung des Art. 19 Abs. 3 GG völlig außer Betracht lassen: Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, der Grundlage für den Steuervergleich ist, spricht zwar ausdrücklich nur von den Menschen, die vor dem Gesetz gleich sind. Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte allerdings auch für inländische juristische Personen, soweit sie s. bereits oben unter II. 2. a). Vgl. BVerfG v. 21.6.2006 - 2 BvL 2/99, FR 2006, 766 (774). 49 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG), BT-Drucks.14/2683, S. 94 und 98; vgl. näher dazu unten S. 146 f. 50 Vgl. dazu T. Keß, FR 2006, 869 (870): Auch für das alte Unternehmensbesteuerungssystems kann man aufgrund der Gesetzesbegründung - entgegen den Ausführungen des BVerfG durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass der Gesetzgeber mit dem Vollanrechnungsverfahren der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gefolgt ist. 47 48

§ 1 Verfassungsrechtliches Gebot

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ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Die Bestimmung des Begriffs der juristischen Person in der Verfassung ist nicht identisch mit der des Zivilrechts. Sie reicht weiter und umfasst auch solche Rechtsgebilde, denen das jeweilige Rechtsgebiet Rechts- oder Teilrechtsfähigkeit verleiht51. Das Steuerrecht knüpft an die zivilrechtliche Wertung der Kapitalgesellschaft als Rechtsperson an. Diese selbst ist Steuerpflichtige der Körperschaft- und der Gewerbesteuer und damit steuerrechtsfähig. Entsprechend ist sie diesbezüglich Grundrechtsträger i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG und kann sich grundsätzlich auf die entsprechenden Grundrechte berufen. Das Grundgesetz gewährt den Kapitalgesellschaften Schutz aber nur durch solche Grundrechte, die ihrem Wesen nach auf inländische juristische Personen anwendbar sind. Ausgeschlossen sind damit solche Grundrechte, die an natürliche Qualitäten des Menschen anknüpfen52. Entscheidend ist vielmehr, ob die von dem Grundrecht geschützten Tätigkeiten auch von juristischen Personen selbst ausgeübt werden können53. In der Literatur54 und der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG55 wird für die Bewertung der Anwendbarkeit eines Grundrechts auf die juristische Person auf die „grundrechtstypische Gefährdungslage“ abgestellt, in der sich die juristische Person befindet. Ist die Lage der juristischen Person vergleichbar mit der einer natürlichen Person, die sich auf den Schutz der Grundrechte berufen kann, so findet dieser Schutz auch für die juristische Person Anwendung. Ungleichbehandlungen treffen juristische Personen genauso wie natürliche Personen. Hinsichtlich des allgemeinen Gleichheitssatzes ist die „grundrechtstypische Gefährdungslage“ somit für beide vergleichbar. Es ist daher allgemeine Meinung, dass sich juristische Personen über Art. 19 Abs. 3 GG grundsätzlich auch auf das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG berufen können56. Die Auffassung, die eine Grundrechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaften im Hinblick auf die Besteuerung ablehnt, verkennt die Funktion des Art. 19 Abs. 3 GG. Diese Vorschrift greift für die Bestimmung der Grundrechtsfähigkeit auf das einfache Recht zurück. Verleiht ein einfaches Gesetz einem rechtB. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 147. B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 150. 53 BVerfG v. 26.5.1976 - 2 BvR 294/76, BVerfGE 42, 212 (219); B. Jarass in Jarass / Pieroth, Art. 19 GG Rz. 15. 54 H. Dreier in Dreier, Art. 19 Abs. 3 GG Rz. 33; B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 152; A. v. Mutius in BK Art. 19 Abs. 3 GG Rz. 37. 55 BVerfG v. 7.6.1977 - 1 BvR 108, 424/73 und 226/74, BVerfGE 45, 63 (79); v. 8.7.1982 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 (102). 56 BVerfG v. 3.6.1954 - 1 BvR 183/54, BVerfGE 3, 383 (391 f.); v. 3.7.1973 - 1 BvR 153/69, BVerfGE 35, 348 (357); W. Rüfner in Isensee / Kirchhof, HStR V, § 116 Rz. 39; H. Dreier in Dreier, Art. 19 Abs. 3 GG Rz. 33. 51 52

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

lichen Konstrukt wie der Kapitalgesellschaft Rechte oder verpflichtet sie diese, so soll sich auch dieses verselbständigte Konstrukt als juristische Person i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG in diesem Rahmen auf Grundrechte berufen können. Behandelt somit ein Steuergesetz die Kapitalgesellschaft als Steuerpflichtige und verpflichtet sie zur Zahlung von Körperschaft- oder Gewerbesteuer, so kann sich die Kapitalgesellschaft als juristische Person i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG hinsichtlich dieser Verpflichtung auf Grundrechte berufen. Es ist der Gewinn der Kapitalgesellschaft, der durch die Steuern belastet wird, so wie auch der Gewinn eines Personenunternehmers durch Einkommen- oder Gewerbesteuer belastet wird. Damit besteht zwischen Kapitalgesellschaft und Personenunternehmern in Form ihrer objektiven Leistungsfähigkeit, die sich im Gewinn zum Ausdruck kommt, ein vergleichbarer Sachverhalt. Für den Vergleich kommt es deshalb nicht auf die subjektive Leistungsfähigkeit an, sondern alleine auf die objektive Leistungsfähigkeit, also auf den wirtschaftlichen Erfolg, den zunächst die Kapitalgesellschaft, nicht der Anteilseigner erzielt57. Erfolgt jedoch durch eine Dividenden- oder Liquidationsratenausschüttung eine Weiterreichung des im Bereich der juristischen Person gespeicherten - und bereits versteuerten - Einkommens an die natürliche Person, dann darf die Vorbelastung durch Körperschaftsteuer nicht wegen Art. 19 Abs. 3 GG ausgeblendet werden. Es ist nämlich auch nicht das Ziel des Art. 19 Abs. 3 GG den Grundrechtsschutz für natürliche Personen einzuschränken. Vielmehr soll er für die durch das einfache Recht geschaffene juristische Person erweitert werden. Die Grundrechte sind in erster Linie zum Schutz der Menschen da58. Unabhängig von der Größe einer Kapitalgesellschaft und unabhängig davon, ob der Mensch durch diese unternehmerisch tätig wird oder „nur“ Kapital zur Verfügung stellt, dient die juristische Person dem Menschen doch nur als Werkzeug zur Einkommenserzielung59. Bei einem Vergleich der Besteuerung von in einem Unternehmen investierten Einkommen einer natürlichen Person kann es deshalb nicht im Sinne der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG sein, die Ebene der Kapitalgesellschaft völlig verselbständigt zu sehen und für den Vergleich auszublenden. Stattdessen muss 57 Vgl. K. Tipke, StRO II, S. 1031; J. Lang in Tipke / Lang, 17. Auflage, § 8 Rz. 81; J. Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung, S. 254 ff.; dies., DStJG 24, 155 (168); H.-J. Pezzer in FS K. Tipke, 419 (429 ff.); J. Vogt, Neutralität und Leistungsfähigkeit, S. 61; N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 99. 58 G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 122; J. Lang, StuW 1989, 3 (9); M. Jachmann, DStJG 23, 9 (17); J. Lang / J. Englisch, StuW 2005, 3 (8). 59 Differenzierend W. R. Walz, Rechtsformunabhängige Besteuerung?, S. 41.

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die dort stattfindende Besteuerung auch bei der hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Person berücksichtigt werden. Deshalb ist die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer auf Ebene der Kapitalgesellschaft in den Besteuerungsvergleich der investierenden natürlichen Person einzubeziehen60. Das geltende Recht folgt dieser Wertung, wenn es die thesaurierten Gewinne der Kapitalgesellschaft mit der eigenen Körperschaftsteuer belastet, diese Vorbelastung beim Anteilseigner aber durch das Halbeinkünfteverfahren berücksichtigt wird.

ee) Zwischenergebnis Im Steuerrecht wird der Gleichheitssatz durch das Leistungsfähigkeitsprinzip konkretisiert, nach dem als Vergleichsmaßstab die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen heranzuziehen ist. Bei der Anwendung des Gleichheitssatzes zum verfassungsrechtlichen Vergleich der steuerlichen Belastung von Unternehmensgewinnen, die in unterschiedlichen Rechtsformen erzielt wurden, sind sowohl der wirtschaftliche Erfolg der juristischen Person als auch derjenige der natürlichen Person ein zulässiges Objekt für den Vergleich der Belastung mit Ertragsteuern61. Soll jedoch die Steuerbelastung der natürlichen Personen verglichen werden, ist beim Anteilseigner einer juristischen Person deren Vorbelastung mit zu berücksichtigen62. Da im Rahmen der Liquidation sämtliche Gewinne des Unternehmens an die hinter diesem stehende natürliche Person gelangen, ist die Vorbelastung der Gewinne mit Körperschaftsteuer bei der Kapitalgesellschaft in den Besteuerungsvergleich mit einzubeziehen. Eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung liegt somit dann vor, wenn ein gleicher Liquidationsgewinn in den verschiedenen Rechtsformen bei der hinter dem Unternehmen stehenden natürlichen Person unterschiedlich besteuert wird.

3. Rechtfertigungsgründe für eine rechtsformabhängige Besteuerung Ein rechtsformabhängiger Belastungsunterschied führt dann nicht zu einem Verfassungsverstoß, wenn er sachlich gerechtfertigt werden kann. 60 J. Lang in Tipke / Lang, § 4 Rz. 90 f.; ders. in Elschen / Siegel / Wagner, Unternehmenstheorie und Besteuerung, S. 416; M. Jachmann, DStJG 23, 9 (22); F. Kirchhof, StuW 2002, 185 (188). 61 J. Vogt, Neutralität und Leistungsfähigkeit, S. 63 f.; J. Hey, DStJG 24, 155 (170). 62 J. Lang in Tipke / Lang, 17. Auflage, § 8 Rz. 80; W. Reiß, DStJG 17, 3 (21).

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

Als Rechtfertigung werden Unterschiede zwischen den Rechtsformen in Betracht gezogen, aber auch Vereinfachungs- und Lenkungszwecke63.

a) Unterschiede zwischen den Rechtsformen Nach der „neuen Formel“ des Ersten Senats des BVerfG liegt eine Verletzung des Gleichheitssatzes dann vor, wenn der Staat von zwei Gruppen eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können64. Zum Teil werden daher auch die zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften bestehenden zivilrechtlichen, wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Unterschiede als Rechtfertigung für die rechtsformabhängige Besteuerung angeführt65. Insbesondere die unterschiedliche Haftungsausgestaltung bei den verschiedenen Rechtsformen wird häufig als Rechtfertigung für die unterschiedliche Besteuerung genannt66. Während Anteilseigner von Kapitalgesellschaften nur eine beschränkte Haftung übernähmen, hafteten Personenunternehmer mit ihrem gesamten Privatvermögen. Auch die unterschiedliche Intensität der unternehmerischen Betätigung in den jeweiligen Rechtsformen wird als Rechtfertigungsargument für eine rechtsformabhängige Besteuerung angeführt. Während eine unternehmerische Betätigung bei Personenunternehmen angenommen wird, soll bei den Anteilseignern von (größeren) Kapitalgesellschaften lediglich eine Kapitalüberlassung - und keine unternehmerische Tätigkeit - vorliegen. Diese Überlegungen überzeugen jedoch nicht. Die Art und Weise, wie ein Steuerpflichtiger einen Gewinn erwirtschaftet, rechtfertigt eine unterschiedliche Besteuerung grundsätzlich nicht. Die Besteuerung eines Unternehmens richtet sich alleine nach dessen Erfolg, also Gewinn oder Verlust. Für die Besteuerung ist es grundsätzlich nicht von Belang, wie dieser Erfolg erzielt wurde. Es spielt deshalb keine Rolle, mit welchem Zeitaufwand oder welcher Mühe der Steuerpflichtige ihn erwirtschaftet hat67. Dementsprechend unbeJ. Hey, DStJG 24, 155 (175); J. Lang, Perspektiven, S. 14. BVerfG v. 7.10.1980 - 1 BvL 89/79, BVerfGE 55, 72 (88); v. 29.5.1990 - 1 BvL 26/84 und 4/86, BVerfGE 82, 60 (86). 65 Vgl. nur I. v. Lishaut, StuW 2000, 182 (187). 66 H. Weber, JZ 1980, 545 (549); I. v. Lishaut, StuW 2000, 182 (187). 67 Vgl. K. Tipke, StRO II, S. 634 ff.; H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 165; W. Reiß, DStJG 17, 3 (8); J. Hey, DStJG 24, 155 (167). 63 64

§ 1 Verfassungsrechtliches Gebot

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deutend ist es, in welcher Rechtsform der Gewinn oder Verlust erzielt worden ist68. Auch der Grad der Übernahme von Haftung in der jeweiligen Rechtsform kann nur dann eine Bedeutung für die Besteuerung haben, wenn sich die Haftung durch Inanspruchnahme des Unternehmers finanziell auswirkt. Sie rechtfertigt nicht schon wegen ihrer Latenz eine ungleiche Besteuerung. Insbesondere die Höhe der Haftung ist keine Tatsache, die es durch das Steuerrecht auszugleichen gilt. Allerdings wird sich die Höhe der Haftung bereits auf das jeweilige Einkommen, das der Besteuerung zugrunde liegt, ausgewirkt haben. Denn ein mit seinem ganzen Privatvermögen Haftender wird sich dieses Inanspruchnahmerisiko mit einer höheren Gewinnbeteiligung vergüten lassen als ein beschränkt Haftender. Das gleiche gilt für die unternehmerische Betätigung im Vergleich zur bloßen Kapitalüberlassung. Nur dann, wenn der durch die jeweilige Rechtsform verkörperte Lebenssachverhalt also in dieser Weise Ausdruck einer gleichen oder unterschiedlichen Leistungsfähigkeit ist, muss dies durch die Steuergesetze berücksichtigt werden und zu einer unterschiedlichen Besteuerung führen69. Als pauschale Rechtfertigung einer unterschiedlichen Besteuerung von gleichem Einkommen aus Unternehmen kommt die Rechtsform aber nicht in Betracht. In diesem Sinne hat auch das BVerfG in der sog. „Schwarzwaldklinikentscheidung“70 geurteilt71.

b) Typisierung Unter Umständen kommt eine Rechtfertigung einer rechtsformabhängigen Besteuerung als Folge einer Typisierung in Betracht. Es ist für den Gesetzgeber unmöglich, sämtliche Besonderheiten von Einzelfällen im Steuerrecht zu berücksichtigen. Eine umfassende Berücksichtigung von Besonderheiten, von Ungleichheiten durch das Gesetz würde im „Massengeschäft“72 der Finanzverwaltung zur Unanwendbarkeit des Gesetzes und damit zu einer Ungleichheit der Rechtsanwendung führen73. 68 K. Tipke, StRO II, S. 1030; ders., Besteuerungsmoral und Steuermoral, S. 29; J. Hey, DStJG 24, 155 (167). 69 J. Hey, DStJG 24, 155 (168); J. Lang, Perspektiven, S. 13; ders., StuW 1989, 3 (7); S. Sieker, DStJG 25, 145 (153); K. Tipke, NJW 1980, 1079 (1084). 70 BVerfG v. 10.11.1999 - 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101,151 (155). Danach verstößt es gegen den Gleichheitssatz, wenn die Umsatzsteuerbefreiung für ärztliche Leistungen nur deshalb versagt wird, weil die Leistung von einer GmbH & Co. KG erbracht wird. 71 So auch J. Hey, DStJG 24, 155 (164); M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 397; a. A. D. Birk, StuW 2000, 328 (333 FN 56). 72 So J. Lang in Tipke / Lang, § 4 Rz. 130. 73 K. Tipke in Tipke / Kruse, § 85 AO Rz. 15.

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung auch durch gleichmäßige Anwendbarkeit des Steuergesetzes muss der Gesetzgeber also bereits beim Erlass eines Gesetzes beachten74. In bestimmten Fällen kann es daher notwendig sein, das Gesetz dadurch zu vereinfachen, dass Tatbestände durch Typisierung vergröbert werden75. Eine Typisierung liegt vor, wenn der Gesetzgeber in einem Tatbestand gerade die Besonderheiten einzelner Fälle oder Fallgruppen vernachlässigt und nur die jeweiligen „Normalfälle“76 erfasst77. Die damit verbundene Gleich- oder Ungleichbehandlung muss zur Rechtfertigung vor Art. 3 Abs. 1 GG für die Erreichung des Vereinfachungszweckes geeignet und erforderlich sein und darf keine unverhältnismäßigen Wirkungen auslösen78. Die Zulässigkeit der Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist79. Die Typisierung darf deshalb einzelne Gruppen weder übermäßig bevorzugen noch benachteiligen80. Die Anknüpfung an die Rechtsform für Zwecke der Besteuerung wäre dann zur Erreichung einer Vereinfachung geeignet, wenn sich aus der Rechtsform typischerweise auf eine bestimmte steuerliche Leistungsfähigkeit schließen ließe81. Das ist aber - wie soeben festgestellt - gerade nicht der Fall. Die Rechtsform einer Unternehmung gibt keinen Hinweis auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmers82. Die Anknüpfung allein an die Rechtsform zur Typisierung ist für Vereinfachungszwecke also bereits ungeeignet, die damit verbundene Ungleichbehandlung mit dieser Begründung nicht zu rechtfertigen.

c) Lenkungszwecke Zum Teil wird die Ungleichbehandlung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften mit Lenkungszwecken begründet. Danach soll es 74 Grundsätzlich BVerfG v. 27.6.1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 sowie BVerfG v. 9.3.2004 - 2 BvL 17/02, NJW 2004, 1022. 75 BVerfG v. 23.1.1990 - 1 BvL 4 u. a./87, BVerfGE 81, 228 (237); v. 4.4.2001 - 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310 (319); K. Tipke, StRO I, S. 350. 76 D. Birk, Steuerrecht Rz. 179. 77 K. Tipke, StRO I, S. 350. 78 BVerfG v. 4.4.2001 - 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310 (319); K. Tipke, StRO I, S. 350; D. Birk, Steuerrecht Rz. 179; J. Vogt, Neutralität und Leistungsfähigkeit, S. 70. 79 BVerfG v. 8.10.1991 - 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (360); v. 8.2.1983 - 1 BvL 28/79, BVerfGE 63, 119 (128). 80 K.-D. Drüen, StuW 1997, 261 (270). 81 Vgl. J. Hey, DStJG 24, 155 (179). 82 J. Hey, DStJG 24, 155 (179); M. Jachmann, DStJG 23, 9 (23).

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Zweck der steuerrechtlichen Differenzierung zwischen den Rechtsformen sein, Kapitalanleger mit beschränkter Haftung dazu anzuregen, Unternehmertätigkeit und die unbeschränkte Haftung zu übernehmen, sowie Unternehmer mit unbeschränkter Haftung zu hemmen, Kapitalanleger zu werden und ihre Haftung zu beschränken83. Voraussetzung für eine solche Begründung ist es aber, dass der Gesetzgeber überhaupt erkennen lässt, ein solches Ziel zu verfolgen84. Dies ist erkennbar nicht der Fall. Vielmehr war Ziel der letzten größeren Steuerreformen ausdrücklich die Rechtsformneutralität des Unternehmenssteuerrechts85. Neben der fehlenden Motivation des Steuergesetzgebers Personenunternehmen zu fördern, ist auch nicht erkennbar, ob überhaupt Vorteile der einen oder anderen Rechtsform existieren. Vielmehr stehen sich Vorteile und Nachteile bei periodischen und aperiodischen Vorgängen, bei Thesaurierung und Ausschüttung der Gewinne gegenüber86. Hier muss der jeweilige Sachverhalt daraufhin überprüft werden, ob die jeweilige Vorteilhaftigkeit durch Lenkungszwecke motiviert ist. Im Folgenden soll dies für die Liquidation geschehen. Als generelle Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung der Rechtsformen im Steuerrecht lassen sich Lenkungszwecke mangels Motivation des Gesetzgebers und mangels Erkennbarkeit aber nicht heranziehen.

d) Zwischenergebnis Eine pauschale Rechtfertigung einer ungleichen Besteuerung gleichen Einkommens aufgrund rechtsformabhängiger Besteuerung ist nicht durch den Verweis auf Unterschiede zwischen den Rechtsformen möglich. Die Organisation eines Unternehmens in der jeweiligen Rechtsform kann nur dann eine Auswirkung auf die Besteuerung haben, wenn sich aus ihr eine unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmers ergibt. So ausdrücklich H. Weber, Besteuerung, S. 463. BVerfG v. 6.3.2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (74); v. 22.6.1995 - 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (148); J. Hey, DStJG 24, 155 (179). 85 Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Brühler Empfehlung zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF-Schriftenreihe Heft 66, S. 11.; vgl. auch Handelsblatt v. 8.8.2003, S. 3: „Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) sieht die Gewerbesteuerreform als ,großen Schritt hin auf das Ziel einer einheitlichen Unternehmensbesteuerung, unabhängig von der Rechtsform“. Auch der Koalitionsvertrag der gegenwärtigen großen Koalition sieht in der Rechtsformneutralität ein Ziel der geplanten Unternehmenssteuerreform 2008, vgl. CDU / CSU / SPD, Koalitionsvertrag, Rn. 3406 (unter II.2.1). 86 J. Hey, DStJG 24, 155 (178); O. H. Jacobs / W. Scheffler, Steueroptimale Rechtsform, S. 285. 83 84

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

Eine solche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit lässt sich aber nicht typischerweise aus der Rechtsform des Unternehmens herleiten. Die Anknüpfung der Besteuerung an die Rechtsform kann deshalb nicht als zulässige Typisierung zu Vereinfachungszwecken eingeordnet werden. Schließlich ist eine Ungleichbehandlung in der Besteuerung nicht mit Lenkungszielen zu rechtfertigen, weil schon die Motivation des Gesetzgebers zu einer Lenkung in bestimmte Rechtsformen nicht erkennbar ist. Somit kann eine Ungleichbehandlung durch rechtsformabhängige Besteuerung nicht generell gerechtfertigt werden. Ob eine Ungleichbehandlung aufgrund rechtsformabhängiger Besteuerung jedoch unter Umständen im Einzelfall gerechtfertigt sein kann, wird in dieser Arbeit anhand der Besteuerung bei Unternehmensliquidationen untersucht.

III. Die Freiheitsrechte nach Art. 9, 12 und 14 GG 1. Allgemeines Eine unterschiedliche Besteuerung der Rechtsformen hat auch Auswirkungen auf das Verhalten des Steuerpflichtigen. Er wird die Rechtsform für sein Unternehmen wählen, die für ihn steuerlich am günstigsten ist. Andererseits besteht aber auch die Möglichkeit, dass ein Unternehmer allein aus steuerlichen Gründen von einer bestimmten Rechtsformwahl abgehalten wird. Die unterschiedliche Besteuerung der Rechtsformen hat also auch Einfluss auf die Handlungsfreiheit des Steuerpflichtigen87. Er kann nicht mehr uneingeschränkt „tun und lassen, was er will“ ohne steuerliche Nachteile befürchten zu müssen. Insofern ist eine rechtsformabhängige Besteuerung auch an den Maßstäben der Freiheitsrechte zu messen88. Als spezielle Freiheitsrechte, die durch die unterschiedliche Besteuerung der Rechtsformen betroffen sein und deshalb eine rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung erforderlich machen könnten, werden die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 GG, die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG angeführt89. 87 S. Sieker, DStJG 25, 145 (155); J. Hey, DStJG 24, 155 (171); H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 29; D. Birk, Leistungsfähigkeit, S. 194 ff.; J. Englisch, StuW 2003, 237 (248). 88 J. Lang in Tipke / Lang, 17. Auflage, § 8 Rz. 81; M. Jachmann, DStJG 23, 9 (17). 89 S. Sieker, DStJG 25, 145 (155); J. Hey, DStJG 24, 155 (171); M. Jachmann, DStJG 23, 9 (17).

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2. Die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 GG Alle Deutschen haben nach Art. 9 Abs. 1 GG das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Vereine und Gesellschaften sind - entsprechend der einfachgesetzlichen Definition des § 2 Abs. 1 VereinsG - Vereinigungen, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen haben90. Erfasst sind nicht nur Vereinigungen zur Verfolgung eines politischen Zwecks, sondern auch solche, die wirtschaftliche Zwecke verfolgen91. Damit sind jedenfalls Personenhandelsgesellschaften Vereinigungen in diesem Sinne92. Für Kapitalgesellschaften wird die Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 1 GG bezweifelt93. Die Vereinigungsfreiheit ist aber jedenfalls dann auch auf Kapitalgesellschaften anwendbar, wenn sie noch als freier Zusammenschluss selbst bestimmter Mitglieder bewertet werden kann94. Dies ist bei den hier behandelten personenbezogenen Kapitalgesellschaften der Fall, da bei diesen die Aktivitäten des Unternehmens unmittelbar auf die dahinter stehenden natürlichen Personen zurückzuführen sind. Das Grundrecht des Art. 9 Abs. 1 GG gibt dem Einzelnen die Freiheit sich aus privater Initiative mit anderen zu Vereinigungen irgendwelcher Art zusammenzufinden95. Über den Wortlaut hinaus gibt Art. 9 Abs. 1 GG dem Einzelnen nicht nur das Recht, der Bildung von Vereinigungen, sondern schützt sowohl für die Mitglieder als auch für die Vereinigung selbst die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte96. Eng verbunden mit der Frage der Organisation ist die Frage der Rechtsform der Vereinigung. Dies hat zur Folge, dass auch die Bestimmung der Rechtsform in den Schutzbereich des Grundrechts fällt97. Vgl. B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 720. M. Kemper in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 9 Abs. 1 GG Rn. 24; W. Höfling in Sachs, Art. 9 GG Rz. 14; H.-D. Jarass in Jarass / Pieroth, Art. 9 GG Rz. 3; D. Merten in Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 144 Rz. 39; R. Scholz in Maunz / Dürig, Art. 9 Rz. 39. 92 R. Scholz in Maunz / Dürig, Art. 9 Rz. 60; B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 725; D. Merten in Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 144 Rz. 39. 93 BVerfG v. 1.3.1979 - 1 BvR 532, 533/77 u. a., BVerfGE 50, 290 (355f.) zweifelt an der Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 1 GG auf größere Kapitalgesellschaften, lässt eine Entscheidung aber offen; ablehnend E. Stein / F. Götz, Staatsrecht, § 40 II. 1. a) (S. 327). 94 In diese Richtung tendieren auch die Aussagen des BVerfG v. 1.3.1979 - 1 BvR 532, 533/77 u. a., BVerfGE 50, 290 (356). 95 BVerfG v. 29.7.1959 - 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89 (102). 96 BVerfG v. 1.3.1979 - 1 BvR 532, 533/77 u. a., BVerfGE 50, 290 (354). 97 M. Kemper in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 9 Abs. 1 GG Rz. 2; I. v. Münch in BK, Art. 9 Rz. 44; W. Höfling in Sachs, Art. 9 GG Rn. 16; R. Scholz in Maunz / Dürig, Art. 9 Rn. 78; H.-D. Jarass in Jarass / Pieroth, Art. 9 Rn. 6; D. Merten in Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 144 Rz. 46. 90 91

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

Als Abwehrrecht garantiert Art. 9 Abs. 1 GG darüber hinaus auch eine negative Vereinsfreiheit, also die Freiheit aus einer Vereinigung auszutreten oder ihr fernzubleiben98. Jede belastende Regelung, die das geschützte Verhalten behindert, stellt einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Vereinigungsfreiheit dar99. Von Paul Kirchhof wird deshalb vertreten, dass Art. 9 Abs. 1 GG steuerliche Belastungen verbietet, die die Wahl einer bestimmten Organisationsform erschweren oder den Steuerpflichtigen in eine andere Organisationsform drängen100. Ein solches werde z. B. durch eine rechtsformabhängige Besteuerung verursacht, die eine Rechtsform steuerlich günstiger gestaltet als eine andere101. Um eine geringere Steuerbelastung des Unternehmens zu erreichen, werden die Betroffenen genötigt, dessen Rechtsform aufzugeben und in eine andere zu wechseln. Als Beispiel führt Kirchhof ausdrücklich den Einzelunternehmer an, der nicht in eine andere Organisationsform, z. B. eine GmbH gedrängt werden dürfe, indem diese steuerlich bevorzugt werde102. Eine solche Auslegung von Art. 9 Abs. 1 GG geht jedoch zu weit. Die Freiheit sich zu vereinigen, die Art. 9 Abs. 1 GG garantiert, erfordert schon vom Wortlaut notwendigerweise und sinngemäß einen Zusammenschluss mehrerer Personen. Nur Personen, die vor der Wahl stehen mit anderen eine Gesellschaft zu gründen (oder aufzulösen103), sind Grundrechtsträger, nicht aber einzelne Personen, die keinen Zusammenschluss mit einer anderen Person planen104. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist unabhängig von der Anzahl ihrer Anteilseigner von ihrer Bezeichnung her stets „Gesellschaft“. Ursprünglich waren für ihre Gründung mindestens zwei Personen erforderlich. Jedoch war es schon früher eine übliche Vorgehensweise durch die Einschaltung eines - nach der Eintragung der Gesellschaft ausscheidenden Strohmannes, eine Einmanngesellschaft herzustellen. Zum 1. Januar 1981 BVerfG v. 1.3.1979 - 1 BvR 532, 533/77 u. a., BVerfGE 50, 290 (354). W. Höfling in Sachs, Art. 9 GG Rz. 34; H.-D. Jarass in Jarass / Pieroth, Art. 9 Rz. 12. 100 P. Kirchhof, DStJG 25, 1 (7); ders., StuW 2000, 221 (230f.); ders., DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 90; ihm folgen F. Kirchhof, StuW 2002, 185 (194) und J. Hennrichs, StuW 2002, 201 (202 FN 6); jüngst hat auch das FG Niedersachsen (v. 21.4.2004 - 4 K 317/91, EFG 2004, 1065 [1075]) ein Gebot der rechtsformneutralen Besteuerung aus Art. 9 Abs. 1 GG hergeleitet. 101 P. Kirchhof, DStJG 25, 1 (8). 102 P. Kirchhof, StuW 2002, 3 (11).; ders., StbJb 2002/2003, 7 (17); ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 62. 103 Vgl. W. Löwer in v. Münch / Kunig, Art. 9 GG Rz. 35. 104 H. Steinmeyer in Umbach / Clemens, Art. 9 GG Rz. 37. 98 99

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wurde diese bis dahin de facto geltende Rechtslage Gesetz. Nunmehr konnte eine Person alleine eine GmbH gründen105. Trotz dieser Anerkennung der Einpersonengesellschaften im Gesellschaftsrecht genießen diese aber folgerichtig nicht den Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG106. Die Vereinigungsfreiheit ist ein kollektives Grundrecht und erfordert auch als Abwehrrecht, den Zusammenschluss mehrerer Personen107. Der Einzelunternehmer, der durch das Steuerrecht in eine solche Einpersonen-„Gesellschaft“ gedrängt wird, kann sich deshalb nicht auf das Abwehrrecht des Art. 9 Abs. 1 GG berufen108. Ob kollektiv tätige Personen durch Art. 9 Abs. 1 GG vor einer rechtsformabhängigen Besteuerung geschützt werden, ist vor diesem Hintergrund ebenfalls fraglich. Denn durch Art. 9 Abs. 1 GG soll ein Zusammenschluss von Personen hinsichtlich seiner Betätigung nicht besser gestellt werden als die einzelne Person109. Art. 9 Abs. 1 GG erfasst lediglich alle spezifischen Tätigkeiten, die wesentlich die Vereinigung als Organisation gemeinschaftlicher Zweckverfolgung betreffen. Wird eine Vereinigung wie jedermann im Rechtsverkehr tätig, so ist für den Grundrechtsschutz dieser Betätigung nicht Art. 9 Abs. 1 GG maßgebend110. In der Literatur wird deshalb getrennt zwischen dem internen Bereich der Vereinigung, also Bildung und Beitritt sowie das Fernbleiben von ihr, und ihrem externen Bereich, also dem den Vereinigungszweck realisierenden Außenwirken111, bei einer wirtschaftlich tätigen Gesellschaft das Tätigwerden am Markt. Die Vereinigungsfreiheit schützt nur den internen, nicht aber den externen Bereich112. Dieser ist - wie bei Einzelpersonen - durch die spezielleren Freiheitsrechte der Art. 12 und 14 GG geschützt113. Vgl. V. Emmerich in Scholz, § 1 GmbHG Rz. 26. So auch BVerfG v. 1.3.1979 - 1 BvR 532, 533/77 u. a., BVerfGE 50, 290 (358); H. Steinmeyer in Umbach / Clemens, Art. 9 GG Rz. 37; J. Merzrath, Vereinigungsfreiheit, S. 47. 107 I. v. Münch in BK, Art. 9 GG Rz. 29; R. Scholz in Maunz / Dürig, Art. 9 GG Rz. 59. 108 Vgl. W. Höfling, Art. 9 GG Rz. 10; B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte Rz. 725; R. Scholz in MD, Art. 9 GG Rz. 61. 109 BVerfG v. 1.7.1980 - 1 BvR 247/75, BVerfGE 54, 237 (251); D. Merten in Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 144 Rz. 50; S. Sieker, DStJG 25, 145 (156); J. Merzrath, Vereinigungsfreiheit, S. 47. 110 BVerfG v. 14.5.1985 - 1 BvR 449 u. a./82, BVerfGE 70, 1 (25). 111 Vgl. D. Merten in Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 144 Rz. 50; R. Scholz in BK, Art. 9 Rz. 81. 112 W. Höfling in Sachs, Art. 9 GG Rz. 20; D. Merten in Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 144 Rz. 50. 113 BVerfG v. 14.5.1985 - 1 BvR 449 u. a./82, BVerfGE 70, 1 (25); D. Merten in Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 144 Rz. 50; H.-D. Jarass in Jarass / Pieroth, Art. 9 GG Rz. 9; W. Höfling in Sachs, Art. 9 Rz. 20. 105 106

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

Die Besteuerung knüpft an die Außenwirkungen an, nämlich den wirtschaftichen Erfolg des Tätigwerdens am Markt114. Lediglich als mittelbare Folgewirkung kann auch eine Einwirkung auf den internen Bereich vorliegen, wenn der Vereinigung durch eine sehr viel günstigere Besteuerung einer bestimmten Rechtsform nahe gelegt wird, sich in dieser zu organisieren. Es liegt dann eine mittelbare Einwirkung auf die freie Wahl der Organisationsform vor. Diese Folgewirkung der Besteuerung tangiert aber auch die Einzelperson und ist somit nicht eine durchweg typische Verletzung vereinigungsbedingter Tätigkeiten. Die Vereinigungsfreiheit wäre durch die Besteuerung nur dann wegen eines Eingriffs in ihre vereinstypischen Rechte betroffen, wenn es den beteiligten Personen unmöglich gemacht würde, sich generell in irgendeiner Rechtsform zusammen zu schließen, um den gemeinsamen Zweck zu erfüllen115. Dies ist durch die bloße rechtsformabhängige Besteuerung nicht der Fall116. Es besteht dann immer noch die Möglichkeit zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks eine andere Rechtsform zu wählen. Das Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung ergibt sich somit nicht aus dem Grundrecht der Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG.

3. Die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG Nach Art. 12 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, ihren Beruf frei zu wählen und diesen im gesetzlich geregelten Rahmen auszuüben. Die Vorschrift enthält ein einheitliches Grundrecht, denn mit der Berufswahl beginnt die Berufsausübung und in der Berufsausübung wird die Berufswahl immer wieder neu bestätigt117. Beruf in diesem Sinne ist jede Tätigkeit, die auf Dauer berechnet ist und der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dient118. Unter dieser Voraussetzung ist auch die Führung eines Unternehmens durch Art. 12 GG geschützt119. Eingriffe in die Berufsfreiheit können dieser mehr in ihrem Wahlaspekt dem Ob der beruflichen Tätigkeit - oder mehr in ihrem Ausübungsaspekt S. Sieker, DStJG 25, 145 (156). So auch H. Weber, Besteuerung, S. 55; J. Pelka, StuW 2000, 389 (398); J. N. Stolterfoht in FS H.-W. Kruse, 485 (491); J. Thiel, StbJb 2002/2003, 27 (33); J. Hey, DStJG 24, 155 (173); R. Seer, StbJb 2000/2001, 15 (23); J. Merzrath, Vereinigungsfreiheit, S. 102 f. 116 So auch S. Sieker, DStJG 25, 145 (156), kritisch dagegen J. Merzrath, Vereinigungsfreiheit, S. 167 ff. 117 BVerfG v. 11.6.1958 - 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377 (401); B. Pieroth / B. Schlink, Rz. 808. 118 BVerfG v. 26.6.2002 - 1 BvR 558, 1428/91, BVerfGE 105, 252 (265). 119 BVerfG v. 17.2.1998 - 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, 228 (363). 114 115

§ 1 Verfassungsrechtliches Gebot

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dem Wie der beruflichen Tätigkeit - gelten. Bei den Beschränkungen der Berufswahl wird zwischen objektiven und subjektiven differenziert120. Das BVerfG unterscheidet diese Arten von Eingriffen aufgrund ihrer Intensität und stellt mit der Dreistufenlehre verschieden hohe Anforderungen für deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung121. Eine Beeinträchtigung der Berufswahl durch Ertragsteuern kann allenfalls vorliegen, wenn diese infolge ihrer objektiven Gestaltung und Höhe verhindern, dass die von ihnen betroffenen Berufsbewerber den gewählten Beruf zur Grundlage ihrer Lebensführung machen können122. Eine derartige Folge wird dann angenommen, wenn die berufliche Betätigung durch eine „erdrosselnde“ Steuer unmöglich gemacht wird123. Die Rechtsformabhängigkeit der Unternehmensbesteuerung führt aber selbst dann nicht zu einer solchen Erdrosselung, wenn die steuerlichen Belastungsunterschiede so erheblich sind, dass sich die unternehmerische Betätigung in einer bestimmten Rechtsform als sinnlos darstellt. Es besteht dann - wie bereits bei der Vereinigungsfreiheit festgestellt - immer noch die Möglichkeit, die berufliche Tätigkeit durch die Wahl einer anderen Rechtsform für das Unternehmen auszuüben. Durch die Rechtsformabhängigkeit der Ertragsbesteuerung wird also in keinem Fall die Wahl des Berufes verhindert, sondern allenfalls die Ausübung des Berufes in einer bestimmten Rechtsform124. Die Rechtsformabhängigkeit der Besteuerung von Unternehmen kann somit allenfalls als Berufsausübungsregelung eingeordnet werden125. Steuergesetze stellen dabei nur einen mittelbaren Eingriff in die Berufsfreiheit dar, weil sie nicht primär die Regulierung eines Berufs anstreben. Sie regeln vielmehr die Partizipation des Staates am durch den Beruf erzielten wirtschaftlichen Erfolg. Aber auch als mittelbare Beeinträchtigungen können Steuern in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen126. Als Voraussetzung hierfür ist nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG allerdings notwendig, dass die Regelung infolge ihrer Gestaltung in einem engen ZusammenB. Pieroth / B. Schlink Rz. 825. Vgl. BVerfG v. 11.6.1958 - 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377. 122 BVerfG v. 1.4.1971 - 1 BvL 22/67, BVerfGE 31, 8 (29); v. 30.5.1961 - 2 BvR 366/60, BVerfGE 13, 1 (13). 123 BVerfG v. 1.4.1971 - 1 BvL 22/67, BVerfGE 31, 8 (23); kritisch zum unklaren Begriff der "Erdrosselung" K. Tipke, StRO I, S. 435. 124 So auch A. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 61. 125 So auch BVerfG v. 15.3.1967 - 1 BvR 575/62, BVerfGE 21, 227 (232). 126 J. Wieland in Dreier Art. 12 GG Rz. 85. 120 121

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

hang mit der Ausübung eines Berufes steht und „objektiv eine berufsregelnde Tendenz“ deutlich erkennen lässt127. Dafür lässt das Gericht nicht bereits die allgemeine Möglichkeit einer Beeinträchtigung eines nicht näher bestimmbaren Personenkreises genügen. Vielmehr müsse sich konkret feststellen lassen, wer von den Auswirkungen der Norm selbst oder ihrer Anwendung in seiner Berufsfreiheit betroffen wird128. Bei allgemeinen Steuergesetzen, insbesondere den Ertragsteuern, verneint das Gericht diese Voraussetzungen. Sie knüpften als Normen mit einem unspezifischen Adressatenkreis ohne unmittelbare Beziehung zu einem Beruf lediglich an generelle Merkmale wie den Gewinn oder den Ertrag an129. Diese einschränkenden Voraussetzungen stoßen in der Literatur auf Kritik. Die einzelnen Grundrechte sollen Schutz gegen jede Art staatlicher Tätigkeit bieten130. Für die Beurteilung eines Eingriffes dürfe es deshalb nicht darauf ankommen, ob der Gesetzgeber eine Berufsregelung bezweckt habe oder ob die Wirkung auf die Berufsfreiheit eine unbezweckte darstelle131. Dieser Kritik ist zuzustimmen, denn Beeinträchtigungen eines Grundrechts durch ungezielte Regelungen können viel gravierender sein als durch gezielte Maßnahmen132. Es ist daher folgerichtiger, für die Feststellung eines Eingriffs statt auf den Zweck der Regelung auf deren Wirkung abzustellen133. Einen Eingriff in die Berufsfreiheit stellt deshalb auch eine rechtsformabhängige Besteuerung dar, weil sie auf die Entscheidung des Steuerpflichtigen einwirkt, in welcher Rechtsform er seine berufliche Tätigkeit als Unternehmer organisiert134. Eine Berufsausübungsregelung, die in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG eingreift, kann nach der vom BVerfG entwickelten Dreistufenlehre durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls gerechtfertigt werden135. 127 BVerfG v. 7.5.1998 - 2 BvR 1991, 2004/95, BVerfGE 98, 106 (117); H. Hohmann, DÖV 2000, 406 (408); K. Tipke, StRO I, S. 432; K. H. Friauf, DStJG 12, 3 (25). 128 BVerfG v. 11.10.1977 - 1 BvR 343/73 u. a., BVerfGE 47, 1 (21). 129 BVerfG v. 11.10.1977 - 1 BvR 343/73 u. a., BVerfGE 47, 1 (21); K. Tipke, StRO I, S. 432; H.-D. Jarass in Jarass / Pieroth, Art. 12 GG Rz. 13. 130 H. Weber / G. Crezelius in GS F. Klein, 542 (550); R. Seer, DStJG 23, 87 (94); G. Manssen in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 12 Abs. 1 GG Rn. 74. 131 K. Tipke, StRO I, S. 434. 132 So auch H. Hohmann, DÖV 2000, 406 (408). 133 K. Tipke, StRO I, S. 434; R. Seer, DStJG 23, 87 (94); D. Birk, Leistungsfähigkeit, S. 216; H. Hohmann, DÖV 2000, 406 (409); H. Weber / G. Crezelius in GS F. Klein, 542 (550); F. Kirchhof, StuW 2002, 185 (194); M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 40. 134 J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 159. 135 BVerfG v. 11.6.1958 - 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377 (405).

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Derartige Erwägungen sind bereits im Rahmen der Prüfung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG vorzunehmen, wo sachliche Gründe als Rechtfertigung für eine unterschiedliche Besteuerung von Unternehmen aufgrund ihrer Rechtsform herangezogen werden können. Dem Grundrecht auf Berufsfreiheit kommt daher kein über den Schutz des Gleichheitssatzes hinausgehender Grundrechtsschutz zu. Das Gebot rechtsformneutraler Unternehmensbesteuerung wird aber durch die freiheitsrechtliche Komponente untermauert136. Somit lässt sich das Gebot rechtsformneutraler Besteuerung von Unternehmen auch aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG herleiten137.

4. Die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG Art. 14 GG gewährleistet das Eigentum, dessen Inhalt und Schranken gesetzlich bestimmt werden. Ob aus dieser Eigentumsgarantie ein Gebot rechtsformneutraler Besteuerung hergeleitet werden kann, ist fraglich. Umstritten ist es bereits, ob die Besteuerung überhaupt als Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts auf Eigentum gesehen werden kann. Der erste Senat des BVerfG - und ihm folgend der Bundesfinanzhof138 verneint dies in ständiger Rechtsprechung. Das Vermögen eines Steuerpflichtigen werde nicht vom Begriff des Eigentums i. S. d. Art. 14 Abs. 1 GG erfasst. Es sei selber kein Recht, sondern stelle den Inbegriff aller geldwerten Güter einer Person dar139. Deshalb schütze Art. 14 GG grundsätzlich auch nicht vor der Auferlegung von staatlichen Geldleistungspflichten, weil sie nicht ein bestimmtes Eigentumsobjekt belasten, sondern als reine Geldschuld zu begleichen seien140. Etwas anderes gilt nach dieser Rechtsprechung nur, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, dass sie eine „erdrosselnde Wirkung“ haben, die einem Zugriff auf das Eigentumsobjekt gleichkommt141. Bereits für die Ausübung des Berufes Allgemein K. Tipke, StRO I, S. 436; H. Weber / G. Crezelius in GS F. Klein, 542 (558). So auch J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 159 f.; J. Pelka, StuW 2000, 389 (393); a. A. noch A. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 61. 138 Z. B. BFH v. 11.8.1999 - XI R 77/97, BFHE 189, 413 (417 ff.). 139 BVerfG v. 8.4.1997 - 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (300). 140 BVerfG v. 8.4.1997 - 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (300); v. 22.6.1995 - 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (153). 141 BVerfG v. 31.5.1998 - 1 BvL 22/85, BVerfGE 78, 232 (243); v. 8.4.1997 - 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (300); A. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 62. 136 137

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

wurde festgestellt, dass von der rechtsformabhängigen Besteuerung keine derart erdrosselnde Wirkung ausgeht. Ein Gebot der rechtsformneutralen Besteuerung kann daher aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG - folgt man der Auslegung des ersten Senates des BVerfG - nicht abgleitet werden. Die Lösung des ersten Senates wird jedoch zu Recht als widersprüchlich kritisiert, da nach ihr einerseits die Besteuerung zwar nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt, das Grundrecht andererseits aber dennoch gegen eine Konfiskation schützt142. Entweder betrifft die Besteuerung den Schutzbereich der Eigentumsgarantie, dann kann sie das Grundrecht im Falle der Erdrosselung verletzen, oder sie wird nicht vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfasst, dann kann auch eine konfiskatorische Besteuerung nicht zu einer Verletzung führen143. Darüber, dass Art. 14 Abs. 1 GG vor einer Konfiskation schützt, herrscht aber weitestgehend Einigkeit144. Konsequenterweise wird der Eigentumsgarantie in der Literatur dementsprechend auch ein weiterer Schutzbereich zugesprochen, den die Besteuerung als Eingriff tangiert145. Ein verfassungsrechtliches Gebot rechtsformneutraler Unternehmensbesteuerung könnte sich insbesondere aus der Lösung des zweiten Senates des BVerfG ergeben, der den Schutzbereich der Eigentumsgarantie sehr viel weiter versteht als der erste Senat146. Unter dem Einfluss von Paul Kirchhof geht er in seiner jüngeren Rechtsprechung davon aus, dass „die Steuer in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreife, die in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegt sei und den Pflichtigen gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich (Art. 14 Abs. 1 GG) treffe“147. Die Eigentumsgarantie wird also als Gewährleistung allgemeiner Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich verstanden148. Grundlage für diese Handlungsfreiheit sei das jeweilige Gesamtvermögen149, über 142

(191). 143

164.

K.-H. Friauf, DStJG 12, 3 (21 f.); K. Tipke, StRO I, S. 449; F. Kirchhof, StuW 2002, 185 R. Seer, DStJG 23, 87 (98); O. Depenheuer in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 14 GG Rn.

J. Wieland, DStJG 24, 29 (38). Vgl. zu den zahlreichen verschiedenen Lösungen J. Englisch, StuW 2003, 237 ff.; s. auch M. Elicker, StuW 2002, 217 (224 ff.). 146 Vgl. J. Englisch, StuW 2003, 237 (248). 147 BVerfG v. 22.6.1995 - 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (137) m. Sondervotum E.-W. Böckenförde, BVerfGE 93, 121 (149 ff.); v. 25.9.1992 - 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 (169); vgl. auch P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 50. 148 J. Englisch, StuW 2003, 237 (238); J. Wieland, DStJG 24, 29 (37). 149 P. Kirchhof, VVDStRl 39, 213 (236). 144 145

§ 1 Verfassungsrechtliches Gebot

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das der Eigentümer frei verfügen dürfe. Dadurch, dass die Besteuerung unmittelbar auf dieses Vermögen zurückgreife, stelle es eine Beschränkung, einen Eingriff in diese Eigentümerfreiheit dar. Unter den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG wäre nach dieser Lösung auch die freie Entscheidung eines Unternehmers für die Wahl einer bestimmten Rechtsform zu fassen. Denn die unterschiedliche Besteuerung der Rechtsform führt zu einer Beeinflussung der freien Entscheidung des Unternehmers, in welcher Art und Weise er sein Vermögen einsetzt. Sie stellte danach einen Eingriff in diesen Schutzbereich dar, der im Rahmen der Grundrechtsschranken der Rechtfertigung bedarf. Eine in dieser Weise verstandenen Eigentumsgarantie ist jedoch als zu weitgehend abzulehnen150. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG weist ausdrücklich dem Gesetzgeber die Aufgabe zu, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Das Schutzobjekt der Eigentumsgarantie steht damit nicht naturrechtlich fest, sondern ergibt sich erst aus der politischen Gestaltung des Gesetzgebers. Wirtschaftliche Werte und Positionen fallen demnach nicht ohne weiteres in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie, sondern genießen nur dann den Schutz des Art. 14 GG, wenn der Gesetzgeber sie zu einem subjektiven Recht verfestigt hat151. Die Vorschrift gibt damit zu verstehen, dass von Art. 14 GG nur konkrete vermögenswerte Rechte und Rechtspositionen geschützt werden, also das nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz ausgeformte Eigentum, nicht aber das Vermögen als Ganzes152. Als derartig konkrete Rechtsposition, die durch eine rechtsformabhängige Besteuerung betroffen sein könnte, kommt - was freilich umstritten ist153 - allenfalls der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb in Betracht154. Dass dieser selbst oder die Möglichkeit seiner Nutzung dadurch beeinträchtigt werden, dass ein gleichartiges Unternehmen in anderer Rechtsform unterschiedlich besteuert wird ist aber nicht ersichtlich. Die bloße Aussicht auf Gewinne, die durch den eventuellen Wettbewerbsnachteil aufgrund einer höheren Besteuerung gefährdet werden könnte, ist nicht durch die Eigentumsgarantie geschützt155. Ein Gebot rechtsformneutraler Besteuerung kann deshalb aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nicht hergeleitet werden. 150 Vgl. z. B. H. P. Bull, NJW 1996, 281 (283 f.); D. Birk in Hübschman / Hepp / Spitaler, § 4 AO Rz. 587. 151 J. Wieland, DStJG 24, 29 (39); O. Depenheuer in von Mangoldt, Art. 14 GG Rz. 160. 152 J. Wieland, DStJG 24, 29 (39); so ausdrücklich selbst P. Kirchhof in Kirchhof / Söhn, § 2 EStG Rn. A 161. 153 Vgl. B. Jarass in Jarass / Pieroth, Art. 14 GG Rz. 10. 154 Dazu H.-J. Papier in Maunz / Dürig, Art. 14 GG Rz. 95 ff. 155 BVerfG v. 16.3.1971 - 1 BvR 52 u. a./66, BVerfGE 30, 292 (335).

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1. Teil: Unternehmensbesteuerung, Rechtsform und Verfassung

IV. Die Finanzverfassung Schließlich könnten sich Aussagen für oder gegen eine rechtsformabhängige Besteuerung aus der Finanzverfassung ergeben156. In Art. 106 Abs. 3 GG sind die Einkommen- und die Körperschaftsteuer nebeneinander aufgeführt. Daraus wird geschlossen, dass das Grundgesetz diese durch die beiden Steuerarten verursachte rechtsformabhängige Besteuerung akzeptiert und schon deshalb eine rechtsformneutrale Besteuerung von Unternehmen verfassungsrechtlich nicht geboten ist157. Einer solchen Auslegung des Art. 106 Abs. 3 GG kann nicht gefolgt werden. Die Aufkommensverteilung des Art. 106 GG enthält keine materielle Aussage über die Verfassungsmäßigkeit der dort aufgeführten Steuern. Der historische Verfassungsgeber hat mit ihr lediglich die seinerzeit bestehenden Steuerarten aufgegriffen und ihr Aufkommen auf die Gebietskörperschaften verteilt. Diese Verteilung darf nicht völlig ausgehebelt werden, einer Veränderung des Steuersystems steht sie aber nicht entgegen158. Auch die Abschaffung einzelner Steuern ist möglich. Problematisch ist lediglich die Einführung völlig neuartiger Steuern, die nicht in der Finanzverfassung genannt werden. Ihr Aufkommen wäre „freischwebend“, da es nicht durch die Verfassung verteilt, durch diese kein Steuergläubiger bestimmt wird159. Die Finanzverfassung steht damit der Schaffung einer neuartigen rechtsformneutralen Unternehmensteuer dann im Wege, wenn diese sich nicht in eine der dort genannten Steuerkategorien einordnen und ihr Aufkommen sich keinem Steuergläubiger zurechnen lässt. Eine gleichmäßige Besteuerung unabhängig von der Rechtsform - auch im Gefüge von Einkommen- und Körperschaftsteuer - wird durch Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Die Nennung der beiden rechtsformabhängigen Ertragsteuern in Art. 106 Abs. 3 GG ändert hieran nichts160.

V. Ergebnis Das Gebot der Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung ist primär eine auf die Besteuerung von Unternehmern bezogene Konkretisierung Vgl. J. Hey, DStJG 24, 155 (173). So C. Waldhoff, StuW 2000, 217 (219). 158 K. Tipke, StRO III, S. 1092. 159 J. Lang in Tipke / Lang, § 3 Rz. 5. 160 Ausführlich zum Verhältnis von Gleichheitssatz und Verteilungsnorm des Art. 106 GG FG Niedersachsen v. 21.4.2004 - 4 K 317/91, EFG 2004, 1065 (1069 ff.); J. Hey, DStJG 24, 155 (174). 156 157

§ 1 Verfassungsrechtliches Gebot

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des Gebotes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, das die Verfassung in Art. 3 Abs. 1 GG statuiert. Maßstab für den Besteuerungsvergleich ist der Gewinn. Belastet der Steuergesetzgeber einen gleichen Gewinn mit einer unterschiedlichen Steuer, so bedarf diese Ungleichbehandlung einer Rechtfertigung, die aber nicht generell, sondern nur für den konkreten Fall gefunden werden kann. Diese gleichheitsrechtliche Komponente des Gebots einer rechtsformneutralen Besteuerung von Unternehmen wird durch eine freiheitsrechtliche Komponente ergänzt, die sich aus dem Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ergibt. Dieses schützt die freie Entscheidung des Unternehmers, in welcher Rechtsform er seine berufliche Tätigkeit ausüben möchte, vor einer benachteiligenden Besteuerung. Die übrigen Freiheitsrechte, insbesondere die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG, sind als verfassungsrechtliche Wurzeln eines Gebotes der rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung weitgehend unergiebig. Sie greifen erst in Extremfällen, die aber selbst im deutschen Unternehmenssteuerrecht nicht eintreten werden. Auch aus der Finanzverfassung lassen sich keine materiellen Schlüsse für die Besteuerung von Unternehmen herleiten.

Zweiter Teil

Ertragsbesteuerung bei Liquidationen in Abhängigkeit von der Rechtsform § 2 Bemessungsgrundlage von Einkommenund Körperschaftsteuer I. Vorbemerkung Unterschiede bei der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage sind für den Rechtsformvergleich von besonderer Bedeutung, da die Höhe der Bemessungsgrundlage auch Auswirkungen auf die anderen hier untersuchten Aspekte der Ertragsbesteuerung hat, so auf die Höhe der Freibeträge1, auf den von der Höhe des zu versteuernden Einkommens abhängigen progressiven Steuersatz der Einkommensteuer sowie auf die Höhe der Gewerbesteuer, die an die Gewinnermittlung von Einkommen- und Körperschaftsteuer anknüpft. In diesem Paragraphen werden zunächst die rechtlichen Vorgaben zur Ermittlung des Liquidationsgewinnes2 für Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften dargestellt. Anschließend werden die Unterschiede bei den Bemessungsgrundlagen für die Liquidationsbesteuerung der jeweiligen Rechtsformen untersucht und unter dem Aspekt der Rechtsformneutralität gewürdigt.

II. Rechtslage 1. Personenunternehmen a) Bedeutung der Vorschriften über die Betriebsaufgabe Die Liquidation eines Personenunternehmens ist nicht ausdrücklich im EStG erwähnt. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG spricht nur von der „Betriebsaufga1

delt.

Diese gehören auch zur Bemessungsgrundlage, werden aber in einem eigenen § 3 behan-

Die Rechtsformabhängigkeit bei Vorliegen eines Liquidationsverlustes wird in § 5 dieser Arbeit untersucht. 2

§ 2 Bemessungsgrundlage von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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be“3. Sie wird gleichgestellt mit der Betriebsveräußerung nach § 16 Abs. 1 EStG und wie diese besteuert. Für die Ermittlung des Betriebsaufgabeerfolgs, Gewinn oder Verlust, ist nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG deshalb auch die Vorschrift des § 16 Abs. 2 EStG über die Ermittlung des Veräußerungsgewinns entsprechend anzuwenden4. Diese enthält für die genannten Fälle eine spezielle Gewinnermittlungsvorschrift5. Aufgabe des § 16 Abs. 3 EStG ist es, die aus der Aufdeckung der stillen Reserven entstehenden Betriebsaufgabegewinne von den laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb abzugrenzen, um auf sie neben dem besonderen Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG insbesondere die Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte nach § 34 EStG anzuwenden6. Mit dieser Tarifermäßigung soll die Steigerung der Steuersatzprogression berücksichtigt werden, die durch die schlagartige Besteuerung der stillen Reserven zustande kommt7. Entsprechend dieser Aufgabenstellung der Norm, wird eine Betriebsaufgabe i. S. d. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG nur dann angenommen, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Personenunternehmens in einem einheitlichen Vorgang an verschiedene Erwerber veräußert oder in das Privatvermögen der Personenunternehmer überführt werden8. Nur bei Vorliegen eines einheitlichen Vorgangs kommt es zu einer Zusammenballung von Gewinnen in einem Veranlagungszeitraum und zu einer Progressionsverschärfung. Eine allmähliche Liquidation, also eine solche, die sich nicht als einheitlicher Vorgang subsumieren lässt, wird nicht dem § 16 EStG zugeordnet und dementsprechend nicht von den daraus resultierenden Begünstigungen erfasst9. Vielmehr stellt der durch die Abwicklung erzielte Gewinn dann einen laufenden Gewinn dar und wird als gewöhnliche Einkunft aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG besteuert10. 3 Für die Betriebsaufgabe freiberuflicher Betriebe gelten nach § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG die folgenden Ausführungen entsprechend. Sie wird deshalb im Weiteren nicht mehr gesondert erwähnt. Die Betriebsaufgabe land- und forstwirtschaftlicher Betriebe nach den §§ 14 Satz 2 und 14a Abs. 3 EStG bleibt wegen der zahlreichen Sonderregelungen in der folgenden Betrachtung unberücksichtigt; vgl. dazu aber ausführlich H. G. Zaisch in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Kap. 50. 4 E. Kulosa in Hermann / Heuer / Raupach, § 16 EStG Anm. 480. 5 Vgl. O. H. Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 355. 6 BFH v. 18.10.1999 - GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123 (126 f.); A. Erdweg in Hermann / Heuer / Raupach, § 16 EStG Anm. 400; O.-H. Jacobs / W. Scheffler, Unternehmensbesteuerung, S. 307. 7 Vgl. dazu die Ausführungen in § 4 dieser Arbeit. 8 BFH v. 24.6.1976 - IV R 199/72, BStBl. II 1976, 670 (671); v. 29.10.1981 - IV R 138/78, BStBl. II 1982, 381 (383); v. 9.9.1993 - IV R 30/92, BStBl. II 1994, 105 (106); R. Zimmermann in Zimmermann u. a., Personengesellschaft, N 5. 9 U. Stache, Betriebsaufgabe, S. 23. 10 BFH v. 26.2.1981 - IV R 98/79, BStBl. II 1981, 566; R. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 344.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Für die Einordnung der Liquidation des Personenunternehmens als einheitlichen Vorgang werden allerdings keine festen zeitlichen Größen genannt. Die Rechtsprechung geht vom jeweiligen Einzelfall aus und lässt je nach Kompliziertheit und Aufwendigkeit der Abwicklung einen Zeitraum von drei Monaten bis zu einem Jahr oder länger zu11. Der Zeitraum beginnt mit den ersten, nach außen hin in Erscheinung tretenden Handlungen, die erkennen lassen, dass deren Sinn und Zweck die Einstellung des Betriebes sein soll12. Er kann sich auf mehrere Kalenderjahre und Veranlagungszeiträume erstrecken13. Der einheitliche Vorgang bestimmt keinen vom Regelfall abweichenden Gewinnermittlungszeitraum für die Betriebsaufgabe. Die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der Betriebsaufgabe wird also nicht für den gesamten Zeitraum der Liquidation, sondern vielmehr für jedes Kalenderoder Wirtschaftsjahr ermittelt und auch in diesem angesetzt14. Danach entsteht der Betriebsaufgabegewinn sukzessive und damit unter Umständen in verschiedenen Veranlagungszeiträumen15. Eine begünstigte Betriebsaufgabe liegt nicht erst vor, wenn das gesamte Betriebsvermögen liquidiert worden ist, sondern bereits dann, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert wurden. Wesentliche Betriebsgrundlage sind alle Wirtschaftsgüter, die nach Art des Betriebes für dessen laufendes Geschäft von funktionaler Bedeutung sind, unabhängig ob in ihnen stille Reserven stecken, sowie alle nicht betriebsnotwendigen Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillen Reserven16. Mit der Veräußerung oder mit Überführung des letzten zur wesentlichen Betriebsgrundlage gehörenden Wirtschaftsguts in das Privatvermögen ist das Personenunternehmen vollbeendet17, die Betriebsaufgabe abgeschlossen18. Unschädlich ist es, wenn Wirtschaftsgüter, die keine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen, zurückbehalten werden19. 11 BFH v. 25.6.1970 - IV B 350/64, BStBl. II 1970, 719; v. 8.9.1976 - I R 99/75, BStBl. II 1977, 66; A. Erdweg in Hermann / Heuer / Raupach, § 16 EStG Anm. 424. 12 BFH v. 5.7.1984 - IV R 36/81, BStBl. II 1984, 711 (712); D. Schulze zur Wiesche in v. Wallis / Brandmüller / Schulze zur Wiesche Rz. 481; O. M. Sauer / H. Schwarz Rn. 252. 13 BFH v. 26.5.1993 - X R 101/90, BStBl. II 1993, 710 (712 ff.); A. Herff, KÖSDI 2000, 12453 (12455); D. Schulze zur Wiesche, FR 1986, 25 (25); W. Reiß in Kirchhof / Söhn, § 16 EStG Rn. F 12. 14 Vgl. R. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 262. 15 BFH v. 17.10.1991 - IV R 97/89, BStBl. II 1992, 392 (394); v. 24.8.2000 - IV R 42/99, BFH / NV 2001, 246; R. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 262. 16 BFH v. 2.10.1997 - IV R 84/96, BStBl. II. 1998, 104; B. Erle / J. Eberhard in Müller / Hoffmann, § 11 Rz. 105. 17 BFH v. 11.12.1980 - I R 119/78, BStBl. II 1981, 460; D. Schulze zur Wiesche, FR 1986, 25 (26). 18 BFH v. 27.2.1985 - I R 235/80, BStBl. II 1985, 456; H. Brönner, Die Besteuerung der Gesellschaften, B. 2198. 19 BFH v. 26.5.1993 - X R 101/90, BStBl. II 1993, 710; A. Erdweg in Hermann / Heuer / Raupach, § 16 EStG Anm. 424.

§ 2 Bemessungsgrundlage von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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Die wesentlichen Betriebsgrundlagen müssen an verschiedene Erwerber veräußert oder in das Privatvermögen überführt werden. Kein begünstigter Vorgang liegt dagegen vor, wenn der Personenunternehmer diese zu Buchwerten in ein anderes Betriebsvermögen überführt, da es in diesem Fall nicht zu einer Aufdeckung der stillen Reserven kommt20.

b) Einzelunternehmen Beim Einzelunternehmer ist Betriebsaufgabegewinn nach § 16 Abs. 2 und 3 EStG der Betrag, um den der Liquidationserlös nach Abzug der Aufgabekosten den Buchwert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Aufgabe übersteigt. Der Liquidationserlös besteht nach § 16 Abs. 3 Satz 6 EStG zunächst aus der Summe der Veräußerungspreise der im Rahmen der Aufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter. Werden Wirtschaftsgüter nicht veräußert, sondern z. B. in das Privatvermögen überführt, so ist nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG deren gemeiner Wert anzusetzen. Der gemeine Wert wird nach § 9 Abs. 2 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Der Teilwert nach § 10 BewG, der gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG normalerweise bei Entnahmen anzusetzen ist, findet keine Anwendung. Denn nach § 10 Satz 3 BewG ist bei der Bestimmung des Teilwerts von der Fortführung des Unternehmens auszugehen; eine solche geschieht bei der Liquidation aber gerade nicht. Wertpapiere und Anteile an Kapitalgesellschaften sind im Fall der Nichtveräußerung nach § 11 Abs. 1 BewG mit dem Kurswert bzw. dem ggf. abgeleiteten gemeinen Wert nach § 11 Abs. 2 BewG anzusetzen21. Der Ansatz der Vermögensgegenstände mit diesen Werten stellt sicher, dass die stillen Reserven voll aufgedeckt werden. Ein Firmenwert ist nicht anzusetzen, da er nicht in das Privatvermögen überführt werden kann und deshalb mit der Betriebsaufgabe grundsätzlich untergeht22. Andere Erträge oder Aufwendungen gehen nur in den Liquidationserfolg ein, soweit sie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe angefallen sind23. 20 21 22 23

B. Erle / J. Eberhard in Müller / Hoffmann, § 11 Rz. 106. E. Kulosa in Hermann / Heuer / Raupach, § 16 EStG Anm. 484. BFH v. 30.1.2002 - X R 56/99, BStBl. II 2002, 387. R. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 295.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Das ist z. B. der Fall bei von der öffentlichen Hand gezahlten Stilllegungsgeldern oder Entschädigungen24. Der Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe ist gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG durch Aufstellung einer Steuerbilanz nach den §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG zu ermitteln. Das hat unabhängig davon zu geschehen, wie bisher die laufende Gewinnermittlung vorgenommen wurde25. Gibt also ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb auf und hat er bisher seinen laufenden Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, ist er so zu behandeln, als wäre er im Augenblick der Betriebsaufgabe zunächst zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich übergegangen26. Dabei hat der Steuerpflichtige die Buchwerte der Wirtschaftsgüter so zu ermitteln, als wäre der Gewinn von vornherein nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt worden27. Die Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG einerseits und nach § 4 Abs. 3 EStG andererseits kann zu unterschiedlichen Periodengewinnen führen. Der Übergang von der EinnahmenÜberschussrechnung zum Bestandsvergleich führt daher in aller Regel durch die Korrektur dieser Unterschiede zu einem Übergangsgewinn, mit dem sichergestellt wird, dass der Gesamtgewinn des Betriebs von seinem Beginn bis zu seinem Ende vollständig erfasst wird28. Der Übergangsgewinn ist als laufender Gewinn des Wirtschaftsjahres vor der Betriebsaufgabe zu erfassen und wird daher nicht als Betriebsaufgabegewinn begünstigt29.

c) Besonderheiten bei Personengesellschaften Bei Personengesellschaften wird der Gesellschaftsgewinn den Gesellschaftern anteilig zugerechnet und ist unmittelbar von ihnen zu versteuern30. Im Rahmen der zweistufigen Gewinnermittlung31 bei Personengesellschaften wird allerdings auf der ersten Stufe auch ein Gewinn der Gesellschaft32, also der von den Gesellschaftern gemeinschaftlich erzielte Gewinn, ermittelt. Dabei sind die besonderen Verhältnisse der einzelnen Gesellschafter BFH v. 4.11.1980 - VII R 55/77, BStBl. II 1981, 396. H. Kobor in Hermann / Heuer / Raupach, § 16 EStG Rz. 337. 26 H. Kobor in Hermann / Heuer / Raupach, § 16 EStG Rz. 337. 27 BFH v. 15.5.1974 - I R 255/71, BFHE 112, 381 (382); v. 17.4.1986 - IV R 151/85, BFH / NV 1987, 759 (759). 28 Vgl. W. Heinicke in Schmidt, § 4 EStG Rz. 652; H. J. Kanzler, FR 1999, 225 (225). 29 BFH v. 17.4.1986 - IV R 151/85, BFH / NV 1987, 759 (759); H.-J. Kanzler, FR 1999, 225 (237); J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 466. 30 Vgl. W. Reiß, DStJG 17, 3 (10). 31 Vgl. dazu näher unten III. 1. b. (1). 32 B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 415. 24 25

§ 2 Bemessungsgrundlage von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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im Hinblick auf das Gesamthandsvermögen zu berücksichtigen33. So ist das gemeinschaftliche Vermögen unter Umständen bei einem Gesellschafter mit abweichenden Werten anzusetzen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn er später in die Gesellschaft eingetreten ist und höhere Anschaffungskosten aufzuwenden hatte oder wenn in seiner Person Voraussetzungen für eine abweichende Bewertung eines Wirtschaftsguts gegeben sind34. Solche Abweichungen werden in einer sog. Ergänzungsbilanz festgehalten, dem Gewinn der Gesellschaft hinzuaddiert und dem jeweiligen Gesellschafter zugerechnet35. Der Gesellschaftsgewinn der ersten Stufe ist auf der zweiten Stufe entsprechend dem vereinbarten Verteilungsschlüssel auf die Gesellschafter zu verteilen36. Hier werden auch die Vergütungen berücksichtigt, die der Gesellschafter von der Gesellschaft auf gesonderter schuldrechtlicher Basis, z. B. für die Überlassung von Wirtschaftsgütern, bezogen hat37. Die in dieser Weise der Gesellschaft dienenden Wirtschaftsgüter gehören zum sog. Sonder-Betriebsvermögen. Sie und die aus ihrer Überlassung und Verwertung resultierenden Gewinne werden in sog. Sonderbilanzen der Gesellschafter erfasst38. Im Rahmen der Liquidation der Personengesellschaft bedeutet das, dass zunächst der Gewinn der Gesellschaft zu ermitteln ist. § 16 Abs. 3 EStG findet auch Anwendung auf den Fall der Betriebsaufgabe einer Personengesellschaft und bestimmt ebenfalls die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Betriebsveräußerung. Diesbezüglich ergeben sich keine Abweichungen zum Einzelunternehmen. Bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens sind aber ggf. die abweichenden Werte aus den Ergänzungsbilanzen zu berücksichtigen. Der Betriebsaufgabegewinn wird den Gesellschaftern anteilig zugerechnet39. Auch die in der Sonderbilanz entstandenen stillen Reserven werden im Rahmen der Liquidation aufgedeckt und die bei einer Veräußerung entste33 J. Hey in Tipke / Lang, § 18 Rz. 55; L. Schmidt in Schmidt, § 15 EStG Rz. 401; a. A. H. Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 24 Rz. 9, der sämtliche besonderen Verhältnisse der Gesellschafter auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung berücksichtigt wissen möchte. 34 Vgl. H. Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 24 Rz. 8; weitere Fälle bei L. Schmidt in Schmidt, § 15 EStG Rz. 460. 35 Vgl. J. Hey in Tipke / Lang, § 18 Rz. 54 und 62. 36 J. Lang in FS L. Schmidt, 291 (294); B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 427. 37 §§ 15 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1, Halbsatz 2, 18 Abs. 4 Satz 2 EStG. 38 J. Hey in Tipke / Lang, § 18 Rz. 67.; B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 441. 39 Vgl. dazu G. Förschle / M. Deubert, Sonderbilanzen, Q Rz. 236.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

henden Gewinne dem jeweiligen Gesellschafter zugerechnet40. Im Regelfall wird der Gesellschafter das Wirtschaftsgut, das er der Gesellschaft überlassen hat, in seinem Eigentum behalten und nunmehr nicht mehr für betriebliche Zwecke nutzen. Als Veräußerungspreis ist dann der gemeine Wert anzusetzen. Überführt ein Gesellschafter ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft oder dem Sonderbetriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen, so sieht § 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG die Möglichkeit vor, die Buchwerte beizubehalten und damit eine Aufdeckung stiller Reserven zu vermeiden41.

2. Kapitalgesellschaften Die Besteuerung des Liquidationsgewinns einer Kapitalgesellschaft erfolgt zunächst auf der Ebene der Kapitalgesellschaft selbst. Erst nach Ausschüttung der Liquidationsraten an den hinter ihr stehenden Anteilseigner erfolgt auch bei diesem die Einkommensbesteuerung.

a) Ebene der Kapitalgesellschaft Die Bemessungsgrundlage der Liquidationsbesteuerung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft wird durch § 11 KStG abweichend von den allgemeinen Regeln bestimmt. Die Vorschrift legt für die Berechnung des Liquidationsgewinnes einen eigenen Gewinnermittlungszeitraum und eine eigene Gewinnermittlungsart zu Grunde. Dies ist notwendig, weil der nach § 11 KStG zu ermittelnde Liquidationsgewinn als Ergebnis der Aufdeckung aller stillen Reserven der Kapitalgesellschaft dem Handelsrecht unbekannt ist. Er stellt dort nur einen Teil des zu verteilenden Vermögens dar und wird nicht separat ausgewiesen42. Ein Rückgriff der steuerrechtlichen auf die handelsrechtliche Rechnungslegung ist daher ausgeschlossen. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit findet bei der Liquidationsbesteuerung aus diesem Grunde keine Anwendung43. G. Förschle / M. Deubert, Sonderbilanzen, Q Rz. 238. Auf die sog. Realteilung wird in den weiteren Ausführungen nicht weiter eingegangen, vgl. dazu m. w. N. R. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 530 ff. 42 BFH v. 8.12.1971 - I R 164/69, BStBl. II 1972, 229 (230); N. Herzig, FR 1979, 289 (290); G. Döllerer, Wpg 1969, 333 (339); P. Jünger in Lademann, § 11 KStG Rn. 17; H. Olgemöller in Streck, § 11 KStG Rz. 7. 43 N. Herzig, FR 1979, 289 (290); P. Jünger in Lademann, § 11 KStG Rn. 17; F. Hofmeister in Blümich, § 11 KStG Rz. 45. 40 41

§ 2 Bemessungsgrundlage von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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Anders als § 7 Abs. 3 KStG stellt § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG für die Besteuerung nicht auf den Abschnittsgewinn des jeweiligen Kalenderjahres ab, sondern auf den im gesamten Zeitraum der Abwicklung erzielten Gewinn. Der in dieser Zeit erzielte Liquidationsgewinn wird nach § 11 Abs. 2 KStG durch eine Gegenüberstellung des Abwicklungs-Endvermögens und des Abwicklungs-Anfangsvermögens berechnet. aa) Abwicklungs-Endvermögen Das Abwicklungs-Endvermögen ist nach § 11 Abs. 3 KStG das zur Verteilung kommende Vermögen, vermindert um die steuerfreien Vermögensmehrungen, die dem Steuerpflichtigen im Abwicklungszeitraum zugeflossen sind. Das zur Verteilung kommende Vermögen ist dasjenige, das verbleibt, nachdem die Versilberung des Sachvermögens, die Einziehung der Forderungen, und die Befriedigung der Gläubiger abgeschlossen sind44. Es umfasst sämtliche Erlöse, die durch die Liquidation erzielt worden sind, nicht nur die, die am Schluss des Abwicklungszeitraums noch vorhanden sind. Deshalb gehören auch alle während des Abwicklungszeitraums an die Anteilseigner offen oder verdeckt geleisteten Abschlagszahlungen auf dieses Abwicklungsergebnis zum Abwicklungs-Endvermögen45. Besteht das zu verteilende Vermögen nicht aus Geld, sondern werden den Gesellschaftern Vermögensgegenstände überlassen, so sind auch für diese umfassend die stillen Reserven aufzudecken. Auch bei Überführung von Wirtschaftsgütern in ein anderes Betriebsvermögen des Anteilseigners ist eine Buchwertfortführung grundsätzlich nicht möglich. Die Bewertung des Vermögens erfolgt wie bei den Personenunternehmen nach den Vorschriften des BewG46: Sachwerte werden mit dem gemeinen Wert i. S. d. § 9 BewG im Zeitpunkt der Übertragung angesetzt47, Wertpapiere, Anteile, Kapitalforderungen und Schulden nach den §§ 11 und 12 BewG mit dem Nennwert, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Das gilt auch in den Fällen, in denen Sachwerte von der Kapitalgesellschaft unter dem jeweiligen Wert an die Gesellschafter abgegeben werden48. 44 G. Frotscher in Frotscher / Maas, § 11 KStG Rz. 32; I. Graffe in Dötsch / Eversberg / Jost / Pung / Witt, § 11 KStG Rz. 25; M. Wacht in Ernst & Young, § 11 KStG Rz. 49. 45 R. Maiterth / H. Müller, S. 213; H. Klein, Hermann / Heuer / Raupach, § 11 KStG Rz. 70; P. Jünger in Lademann, § 11 KStG Rz. 27; I. Graffe in Dötsch / Eversberg / Jost / Pung / Witt, § 11 KStG Rz. 25. 46 BFH v. 14.12.1965 - I 246/62 U, BStBl. III 1966, 152. 47 RFH v. 17.1.1939 - I 418/38, RFHE 46, 47 (51). 48 RFH v. 10.5.1938 - I 266/37, RFHE 44, 80 (82 f).

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Werden im Rahmen der Liquidation Beteiligungen an anderen Körperschaften veräußert oder werden diese ebenfalls liquidiert und abgewickelt, sind die entstehenden Gewinne nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei. Allerdings gelten nach § 8b Abs. 3 KStG von diesem Veräußerungs- oder Liquidationsgewinn 5 v. H. als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Das bedeutet, dass de facto nur 95 v. H. dieser Gewinne steuerfrei sind. Insoweit erhöhen diese Gewinne als steuerfreie Vermögensmehrungen nach § 11 Abs. 3 KStG das Abwicklungs-Endvermögen nicht. Gleiches gilt für die nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften steuerfreien Zugänge49, wie z. B. steuerfreie Investitionszulagen oder nach einem Doppelbesteuerungsabkommen steuerfrei gestellte Einkünfte50. Damit wird dafür Sorge getragen, dass die Steuerfreiheit dieser Gewinne auch im Liquidationsfall aufrechterhalten wird und keine Nachbesteuerung stattfindet.

bb) Abwicklungs-Anfangsvermögen Als Abwicklungs-Anfangsvermögen definiert § 11 Abs. 4 KStG das Betriebsvermögen, das am Schluss des der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahres - auch Rumpfwirtschaftsjahres - der Körperschaftsteuer-Veranlagung zugrunde gelegt worden ist. Maßgebend für die Bewertung sind die Buchwerte, die in der entsprechenden Steuerbilanz angesetzt wurden51. Etwaige Bewertungsfehler dürfen nicht korrigiert werden und müssen für die Ermittlung des Liquidationsgewinnes übernommen werden52. Die Anknüpfung an diese Werte stellt die vollständige Erfassung aller stillen Reserven sicher53. Ein im Abwicklungszeitraum ausgeschütteter Gewinn eines vorangegangenen Jahres ist von diesem Betrag abzuziehen. Dies stellt § 11 Abs. 4 Satz 3 KStG klar, hätte sich aber bereits aus der über § 11 Abs. 6 KStG anwendbaren Vorschrift des § 8 Abs. 3 KStG ergeben, nach der Gewinnausschüttungen das Einkommen nicht mindern dürfen54. Durch die Gesellschafter geleistete offene und verdeckte Einlagen sind dem Abwicklungs-Anfangsvermögen entsprechend § 11 Abs. 5 KStG hinH. Olgemüller in Streck, § 11 KStG Rz. 8. R. Maiterth / H. Müller, S. 214. 51 F. Hofmeister in Blümich, § 11 KStG Rz. 60. 52 H. Schuhmann in Greif / Schuhmann, § 11 KStG Rz. 45. 53 F. Hofmeister in Blümich, § 11 KStG Rz. 60. 54 H. Olgemüller in Streck, § 11 KStG Rz. 9; H. Klein in Hermann / Heuer / Raupach, § 11 KStG Rz. 77; M. Wacht in Ernst&Young, § 11 KStG Rz. 46. 49 50

§ 2 Bemessungsgrundlage von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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zuzurechnen55. Als Einlage gilt auch der Verzicht eines Gesellschafters auf eine ihm gegen die Gesellschaft zustehende Forderung56. Sie ist in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung hinzuzurechnen57. War ein Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums nicht vorhanden, sollen nach § 11 Abs. 5 KStG nur die Einlagen das AbwicklungsAnfangsvermögen darstellen58.

cc) Korrekturen des Liquidationsgewinnes Unter Umständen sind gemäß den allgemeinen Vorschriften, die über § 11 Abs. 6 KStG „im Übrigen anwendbar“ bleiben, Korrekturen des Liquidationsgewinnes vorzunehmen59. Es sind insbesondere die Regelungen über die nicht abziehbaren Betriebsausgaben i. S. d. §§ 4 Abs. 5 bis 7 EStG und §§ 9, 10 KStG anzuwenden60. Schließlich ist der Wert eigener Anteile der liquidierten Kapitalgesellschaft, die an der Vermögensverteilung nicht teilnehmen, dem Liquidationsgewinn hinzuzurechnen61.

b) Ebene des Anteilseigners aa) Ausschüttung des Liquidationserlöses an die Anteilseigner Nach der Durchführung sämtlicher Liquidations- und Abwicklungshandlungen, also der Versilberung des Betriebsvermögens, der Beendigung der Geschäfte, der Einziehung der Forderungen und Begleichung der Verbind55 R. Maiterth / H. Müller, S. 214; zum Teil wird die Auffassung vertreten, Einlagen seien vom Abwicklungs-Endvermögen abzuziehen (vgl. RFH v. 4.10.1938 - I 374/37, RStBl. 1938, 1142; P. Jünger in Lademann, § 11 KStG Rz. 28; I. Graffe in Dötsch / Eversberg / Jost / Pung / Witt, § 11 KStG Rz. 28). 56 RFH v. 4.10.1938 - I 374/37, RStBl. 1938, 1142. 57 G. Förschle / M. Deubert in Budde / Förschle, Sonderbilanzen, R 443. 58 Dies soll dann der Fall sein, wenn eine neu errichtete Kapitalgesellschaft noch vor Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres wieder aufgelöst wird (so die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 7/1470, S. 345). Nach der hier vertretenen Auffassung ist aber auch in diesem Fall ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden und eine Zwischenveranlagung durchzuführen, deren zugrunde liegendes Betriebsvermögen gemäß § 11 Abs. 4 KStG als Abwicklungs-Anfangsvermögen dient. § 11 Abs. 5 KStG findet deshalb allenfalls für eine zu Beginn des Liquidationszeitraums vermögenslose Kapitalgesellschaft Anwendung. 59 BFH v. 14.12.1965 - I 246/62 U, BStBl. II 1966, 152 (153); F. Hofmeister in Blümich, § 11 KStG Rz. 45. 60 K. Stein in Mössner / Seeger, § 11 KStG Rz. 60. 61 H. Klein in Hermann / Heuer / Raupach, § 11 KStG Anm. 70.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

lichkeiten, jedoch frühestens nach Ablauf des Sperrjahres i. S. d. §§ 73 Abs. 1 GmbHG erfolgt die Schlussverteilung des Liquidationserlöses62. Das Sperrjahr endet ein Jahr nach Abschluss der ordnungsgemäßen Bekanntmachungen, in denen die Auflösung der Kapitalgesellschaft angezeigt wird. Es dient nach herrschender Meinung in erster Linie dem Gläubigerschutz63. Der Liquidationserlös besteht aus Kapitalrückzahlungen und Gewinnausschüttungen64. Diese sind für die Ertragsbesteuerung streng zu unterscheiden. Die Gewinnausschüttungen unterliegen stets der Besteuerung, die Kapitalrückzahlungen nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die Kapitalrückzahlungen umfassen die Rückzahlung des Stammkapitals und die Rückzahlung aus dem Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG. Wenn diese Rückzahlungen die Anschaffungskosten des Gesellschaftsanteils übersteigen entsteht ein Gewinn. Ein solcher Fall kann eintreten, wenn die Anteile nach der Gründung der Kapitalgesellschaft erworben wurden. Werden die Anteile im Privatvermögen gehalten, ist dieser Gewinn grundsätzlich nicht steuerbar, ausnahmsweise gilt etwas anderes, wenn es sich um eine wesentliche Beteiligung i. S. d. § 17 EStG oder ein privates Veräußerungsgeschäft i. S. d. §§ 22 Nr. 2, 23 EStG handelt. Er ist stets zu versteuern, wenn die Anteile in einem Betriebsvermögen gehalten werden.

bb) Anteile im Privatvermögen (1) Zusammensetzung des Liquidationserlöses Eine Aufteilung des Liquidationserlöses in Kapitalrückzahlungen und Gewinnausschüttungen erfolgt in § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Danach gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen die Bezüge, die nach der Auflösung einer Kapitalgesellschaft anfallen, soweit sie nicht in der Rückzahlung von Nennkapital bestehen. Mit einem Verweis auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG wird klargestellt, dass neben dem Nennkapital auch die Bezüge nicht steuerbar sind, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG als verwendet gelten. Und § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bestimmt, dass entgegen Satz 1 der Teil der Rückzahlung des Nennkapitals doch steuerbar ist, der als Gewinnausschüttung i. S. d. § 28 KStG gilt. Nennkapital ist das gesellschaftsrechtlich gebundene Eigenkapital der Kapitalgesellschaft, also bei einer GmbH das Stammkapital nach § 5 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 3 b) (S. 311). Vgl. z. B. J. Schulze-Osterloh in Baumbach / Hueck, § 73 GmbHG Rz. 1; K. Schmidt in Scholz, § 73 GmbHG Rz. 3; zu weiteren Funktionen des Sperrjahres B. Erle, GmbHR 1998, 216. 64 P. Jünger, BB 2002, 1178 (1180). 62 63

§ 2 Bemessungsgrundlage von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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GmbHG. Es setzt sich zunächst zusammen aus von den Gesellschaftern gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten geleisteten Einlagen65. Hinzu kommen aufgrund von Kapitalerhöhungen umgewandelte Kapitalrücklagen und Gewinne. Der Betrag des Nennkapitals ist der Handelsbilanz der Kapitalgesellschaft nach § 42 Abs. 1 GmbHG als „gezeichnetes Kapital“ zu entnehmen.

Schaubild 1 Zusammensetzung des Liquidationserlöses

Steuerliches Eigenkapital

Einlagen

Nicht in das Nennkapital geleistete Einlagen (Steuerliches Einlagekonto, § 27 KStG) Kapitalrücklage § 272 Abs. 2 HGB

Nennkapital Gezeichnetes Kapital Nennkapital aus Kapitalrücklage aufgrund von Kapitalerhöhungen

verdeckte Einlagen

nicht steuerbar Ausnahmen: - Betriebsvermögen - wesentliche Beteiligung, § 17 EStG

65

Nennkapital aus dem ausschüttbaren Gewinn („sonstige Rücklagen“) aufgrund von Kapitalerhöhungen (Sonderausweis, § 28 KStG)

R. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, C 418.

Gewinnrücklagen

steuerbar

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

In den Kapitalrücklagen, die in der Handelsbilanz nach § 266 Abs. 3 A. II. HGB auszuweisen sind, werden Zuzahlungen der Gesellschafter eingestellt, die nicht auf das gezeichnete Kapital geleistet werden, aber dem Eigenkapital der Gesellschaft zugeführt werden sollen66. § 27 KStG schreibt vor, dass derartige Einlagen, die nicht in das Nennkapital geleistet werden, auf einem besonderen steuerlichen Einlagekonto auszuweisen sind. Dieses steuerliche Einlagekonto umfasst in der Regel die Zuführung zur Kapitalrücklage, geht aber darüber hinaus, indem dort auch handelsrechtlich der Gewinn- und Verlustrechnung zugewiesene verdeckte Einlagen erfasst werden67. Das steuerliche Einlagekonto ist nach § 27 Abs. 1 Satz 2 KStG ausgehend vom Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben. Für steuerliche Zwecke ist darüber hinaus der Teil des Nennkapitals gesondert festzuhalten, der aus Kapitalerhöhungen durch Umwandlung von Gewinnen entstanden ist. Das geschieht durch den Sonderausweis nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG, also getrennten Ausweis und gesonderte Feststellung dieser Beträge. Dieser Teil des Nennkapitals gilt nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG als Einkunft aus Kapitalvermögen.

(2) Gewinnauszahlungen Werden die Anteile der Kapitalgesellschaft in Liquidation im Privatvermögen gehalten, so sind zunächst die Gewinnauszahlungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtig. Nach § 3 Nr. 40 Satz 1 lit e) EStG ist die Hälfte der Bezüge steuerfrei. Mit den Einnahmen in Zusammenhang stehende Ausgaben sind nach § 3c Abs. 2 EStG nur hälftig abzugsfähig. Dieses seit dem Steuersenkungsgesetz geltende sog. Halbeinkünfteverfahren soll anstelle des bis dahin geltenden Vollanrechnungsverfahrens pauschal die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer berücksichtigen.

(3) Kapitalrückzahlungen Die Rückzahlungen des Nennkapitals sind nur steuerbar, wenn die Voraussetzungen der §§ 17 oder 22 Nr. 2, 23 EStG erfüllt sind. 66 67

Im Einzelnen s. § 272 Abs. 2 HGB, dazu R. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, D 1795. G. Frotscher in Frotscher / Maas, § 27 KStG Rz. 12.

§ 2 Bemessungsgrundlage von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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Nach § 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Anteilseigner innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar wesentlich beteiligt war, also mindestens 1 vom Hundert der Anteile an der Kapitalgesellschaft hielt. Dies gilt gemäß § 17 Abs. 4 EStG entsprechend bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft. Wie lange der Liquidierende innerhalb des Fünfjahreszeitraums wesentlich beteiligt war, ist unerheblich; es genügt ein Zeitpunkt68. Der Liquidationserfolg errechnet sich nach den Vorschriften des § 17 Abs. 2 i. V. m. 4 EStG69. Es handelt sich hierbei um eine Gewinnermittlung eigener Art70. Im Unterschied zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist sie nicht zeitraum-, sondern zeitpunktbezogen durchzuführen71. Sie ist nicht nach dem Zu- und Abflussprinzip, sondern nach einer Stichtagsbewertung vorzunehmen72. Welcher der maßgebliche Zeitpunkt für die Stichtagsbewertung bei der Liquidation einer Kapitalgesellschaft ist, ist allerdings umstritten. Zum Teil wird stets der Zeitpunkt der Auflösung herangezogen73. Weit überwiegend wird die Auflösung aber nur als frühester Zeitpunkt für die Entstehung und Erfassung des Liquidationserfolges angesehen. Denn grundsätzlich steht der Liquidationsgewinn oder -verlust erst mit dem Abschluss der Liquidation fest74. Es ist also regelmäßig auf diesen Zeitpunkt abzustellen, nur ausnahmsweise kommt aber ein früheres Datum in Betracht, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits festgestellten Gewinnes oder Verlustes nicht mehr zu rechnen ist75. Veräußerungsgewinn ist nach § 17 Abs. 2 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Für den Fall der Liquidation regelt § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG, dass als Veräußerungspreis der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft anzusetzen ist. 68 BFH v. 7.7.1992 - VIII R 54/88, BStBl. II 1993, 331; H. Weber-Grellet in Schmidt, § 17 EStG Rz. 75. 69 BFH v. 27.10.1992 - VIII R 87/89, BFHE 170, 53 (54). 70 S. Schneider in Kirchhof / Söhn, § 17 EStG Rn. C 1. 71 W.-D. Hoffmann, GmbHR 2002, 441 (443). 72 BFH v. 12.2.1980 - VIII R 114/77, BFHE 130, 378. 73 So B. Paus, FR 1995, 49 (50). 74 BFH v. 3.6.1993 - VIII R 81/91, BFHE 172, 407 (410). 75 St. Rspr. des BFH, vgl. nur BFH v. 27.11.2001 - VIII R 36/00, BFH / NV 2002, 706 (707); v. 25.1.2000 - VIII R 63/98, BFHE 191, 115; so auch H. Weber-Grellet in Schmidt, § 17 EStG Rz. 221.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens ist nach § 3 Nr. 40 Satz 1 lit. c) Satz 2 EStG nur die Hälfte des gemeinen Werts und nach § 3c Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 EStG nur die Hälfte der Anschaffungskosten anzusetzen. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Liquidation stehen, dürfen nach § 3c Abs. 2 EStG ebenfalls nur zur Hälfte abgezogen werden. § 23 Abs. 1 Nr. 3 EStG erklärt Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren für steuerbar, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Durch das sog. Steuervergünstigungsabbaugesetz76 sollte neben der Abschaffung der Behaltefrist ein § 23 Abs. 4 EStG eingefügt werden, der - entsprechend § 17 Abs. 4 EStG - die Auflösung einer Kapitalgesellschaft als Veräußerung fingiert. Mit der Regelung wäre die komplette Besteuerung der Kapitalrückzahlung erreicht worden. Das Gesetz ist jedoch im Bundesrat gescheitert77. Damit blieb es bei der bisherigen Rechtslage, nach der die Liquidation der Kapitalgesellschaft keine Veräußerung i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 3 EStG darstellt78. Insgesamt unterliegen die Liquidationserlöse bei Anteilen im Privatvermögen nach geltendem Recht nahezu vollständig der Besteuerung durch das Einkommensteuergesetz. Lediglich Anteilseigner, die in den letzten fünf Jahren zu weniger als 1 v. H. an ihrer Kapitalgesellschaft beteiligt waren, fallen nicht in die Besteuerung. Hierbei handelt es sich aber in der Regel um Kleinaktionäre. Die Liquidation von personenbezogenen Kapitalgesellschaften wird daher in der Regel voll steuerpflichtig sein79.

(4) Betriebsaufspaltung Schließt ein Anteilseigner mit seiner Kapitalgesellschaft einen Vertrag über die Überlassung eines Wirtschaftsgutes aus seinem Privatvermögen und nutzt die Kapitalgesellschaft dieses Wirtschaftsgut, so erzielt der Anteilseigner in der Regel Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Wird die Kapitalgesellschaft liquidiert, so wird das Vertragsverhältnis beendet. Zu weiteren steuerlichen Folgen auf Seiten des Anteilseigners kommt es hinsichtlich des überlassenen Wirtschaftsgutes nicht. 76 Entwurf eines Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz - StVergAbG), BT-Drs. 15/119. 77 Beschluss v. 14.3.2003, BT-Drs. 15/287 (Beschluss). 78 H. Glenk in Blümich, § 23 EStG Rz. 115; R. Maiterth / H. Müller, S. 217; B. Jäger in Hottmann u. a., Die GmbH im Steuerrecht, N 99. 79 So auch O. H. Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 589.

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Liegt aber zwischen Anteilseigner und Kapitalgesellschaft ein besonders enger wirtschaftlicher Zusammenhang vor, nimmt die Rechtsprechung eine sog. Betriebsaufspaltung an. Die Einkünfte des Anteilseigners werden dabei in solche aus Gewerbebetrieb umqualifiziert80. Darüber hinaus gelten sowohl das überlassene Wirtschaftsgut als auch die Anteile an der Kapitalgesellschaft als notwendiges Betriebsvermögen dieses Gewerbebetriebes81. Die Überlassung des Wirtschaftsgutes wird in diesem Fall als Besitzunternehmen bezeichnet, die nutzende Kapitalgesellschaft als Betriebsunternehmen82. Ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang wird angenommen, wenn zwischen Anteilseigner und Kapitalgesellschaft eine sachliche und personelle Verflechtung vorliegt83. Eine sachliche Verflechtung soll vorliegen, wenn es sich bei dem überlassenen Wirtschaftsgut für die Kapitalgesellschaft um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt84. Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Betriebes gehört ein Wirtschaftsgut, wenn es für den Betrieb nach seiner Art von besonderer Bedeutung ist, also für die Erfüllung des Betriebszwecks erforderlich ist und es ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung hat85. Die persönliche Verflechtung wird bejaht, wenn Betriebs- und Besitzunternehmen von einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen getragen sind86. Dieser tritt am klarsten bei Beteiligungsidentität zutage, also wenn an beiden Unternehmen dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt sind, wird aber auch bejaht bei Beherrschungsidentität, also wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen auf gesellschaftsrechtlicher bzw. vertraglicher Grundlage in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen87. G. Söffing, Die Betriebsaufspaltung, S. 50. Vgl. L. Schmidt in Schmidt, § 15 EStG Rz. 873; B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 884; H. Montag in Tipke / Lang, § 18 Rz. 315; G. Söffing Die Betriebsaufspaltung, S. 223. 82 Vgl. nur H. Montag in Tipke / Lang, § 18 Rz. 309. 83 BFH v. 12.10.1988 - X R 5/86, BFHE 154, 566; st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei G. Söffing, Die Betriebsaufspaltung, S. 50 FN. 2; B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 871. 84 L. Schmidt in Schmidt, § 15 EStG Rz. 808; G. Söffing, Die Betriebsaufspaltung, S. 50; P. Bauschatz in Carlé, Die Betriebsaufspaltung Rz. 316; G. Stuhrmann in Blümich, § 15 EStG Rz. 621. 85 BFH v. 30.10.1974 - I R 40/72, BFHE 114, 85 (88); G. Söffing, Die Betriebsaufspaltung, S. 55; L. Schmidt in Schmidt, § 15 EStG Rz. 808. 86 BFH v. 8.11.1971 - GrS 2/71, BStBl. II 1972, 63; v. 24.2.2000 - IV R 62/98, BStBl. II 2000, 417 (418). 87 L. Schmidt in Schmidt, § 15 EStG Rz. 820 m. Nennung der Rspr. 80 81

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Wird bei Vorliegen einer Betriebsaufspaltung die Kapitalgesellschaft liquidiert, so führt dies zu einer Beendigung der Betriebsaufspaltung88. Das an die Kapitalgesellschaft überlassene Wirtschaftsgut und die Gesellschaftsanteile sind durch die Betriebsaufspaltung steuerverstrickt. Sie werden durch deren Wegfall notwendiges Privatvermögen, so dass die stillen Reserven aufgedeckt und versteuert werden müssen89. Die Beendigung der Betriebsaufspaltung wird gleich der Betriebsaufgabe behandelt, so dass der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG und eine Tarifermäßigung nach § 34 EStG gewährt werden kann90.

cc) Anteile im Betriebsvermögen Befinden sich die Anteile an der liquidierten Kapitalgesellschaft in einem Betriebsvermögen, so sind diese Einkünfte nach § 20 Abs. 3 EStG den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG zuzuordnen. Der gesamte Liquidationserlös wird - unabhängig von weiteren Voraussetzungen, insbesondere der Beteiligungshöhe - als Betriebseinnahme erfasst, die nach § 3 Nr. 40 Satz 1 lit. a) EStG zur Hälfte steuerbefreit ist. Von dieser wird der Buchwert der Beteiligung - wegen § 3c Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 EStG ebenfalls hälftig - abgezogen. Hält der Gesellschafter sämtliche Anteile der liquidierten Kapitalgesellschaft in seinem Betriebsvermögen, so gilt die Liquidation nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG als Teilbetriebsaufgabe. Da die Hälfte der daraus resultierenden Einnahmen nach § 3 Nr. 40 Satz 1 lit. b) EStG durch das Halbeinkünfteverfahren steuerfrei gestellt werden, findet allerdings die Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG keine Anwendung91. Die einzige Folge der Behandlung als Teilbetriebsaufgabe ist daher die Gewährung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG. Nach §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Halbsatz 2, 17 Abs. 4 Satz 3, 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG finden die Regeln über die Teilbetriebsaufgabe keine Anwendung auf den Teil der Liquidationserlöse, die aus Gewinnausschüttungen bestehen. Dementsprechend mindert dieser Teil des Liquidationsgewinns auch nicht den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG92. 88 H. Fichtelmann, Betriebsaufspaltung im Steuerrecht Rz. 414; G. Söffing, Die Betriebsaufspaltung, S. 312. 89 G. Söffing, Die Betriebsaufspaltung, S. 312. 90 G. Stuhrmann in Blümich, § 15 EStG Rz. 644; H. Montag in Tipke / Lang, § 18 Rz. 317; B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 89. 91 Zum Verhältnis von Halbeinkünfteverfahren und Tarifermäßigung vgl. § 4 III. der Arbeit. 92 Mehr zum Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG unten unter § 3 dieser Arbeit.

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III. Verfassungsrechtliche Würdigung 1. Umfang des steuerverstrickten Vermögens a) Rechtsformabhängige Ungleichbehandlung Die Liquidationsbesteuerung erfasst bei allen Rechtsformen die stillen Reserven im Betriebsvermögen des Unternehmensträgers. Zum Betriebsvermögen gehören die dem Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter, die im zivilrechtlichen oder ggf. wirtschaftlichen Eigentum des Einzelunternehmers oder der Kapitalgesellschaft stehen oder die zum Gesamthandseigentum der Personengesellschaft gehören. Insoweit bestehen keine rechtsformabhängigen Unterschiede. Zu rechtsformbedingten Unterschieden kommt es aber bei Gewinnen aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die im Eigentum eines Gesellschafters stehen und der Gesellschaft zur betrieblichen Nutzung überlassen werden. Dabei handelt es sich insbesondere um Grundstücke. Bei einem Personengesellschafter zählen solche Wirtschaftsgüter sämtlich zu dessen „Sonder-Betriebsvermögen“. Durch ihre Zugehörigkeit zu einem Betriebsvermögen sind die Wirtschaftsgüter steuerverstrickt, so dass Wertzuwächse in Form stiller Reserven bei der Liquidation der Personengesellschaft aufgedeckt und besteuert werden müssen. Überlässt dagegen ein Anteilseigner seiner Kapitalgesellschaft ein Wirtschaftsgut, das in seinem Eigentum steht, gehört es - wenn es sich nicht im Betriebsvermögen eines anderen Unternehmens des Anteilseigners befindet - grundsätzlich zu seinem Privatvermögen. Das Wirtschaftsgut ist dort nicht steuerverstrickt, seine Veräußerung oder die private Weiternutzung löst also keine Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven aus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein privates Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 EStG vorliegt, das entsprechende Wirtschaftsgut also innerhalb einer bestimmten Frist angeschafft und veräußert wird93. Bei Vorliegen der Voraussetzungen einer „Betriebsaufspaltung“, also einer sachlichen und personellen Verflechtung wird durch die Überlassung des Wirtschaftsgutes ein „Besitzunternehmen“ des Anteilseigners angenommen, zu dessen Betriebsvermögen das der Kapitalgesellschaft überlassene Wirtschaftsgut zählt. Folge ist auch hier die Steuerverstrickung und die Steuerpflicht der Gewinne aus Wertsteigerungen des Wirtschaftsgutes. 93

Vgl. dazu im Einzelnen W. Heinicke in Schmidt, § 23 EStG.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Der Umfang des von der Liquidationsbesteuerung erfassten Betriebsvermögens hängt somit von der Rechtsform des Unternehmens ab. Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die ein Gesellschafter seiner Gesellschaft überlässt, unterliegen bei Personengesellschaftern der Liquidationsbesteuerung in vollem Umfang, bei Kapitalgesellschaftern aber im Wesentlichen nur, wenn die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung erfüllt sind. b) Steuerrechtliche Dualismen als Ursache der Ungleichbehandlung Die ungleiche Besteuerung der überlassenen Wirtschaftsgüter ergibt sich als Konsequenz eines Zusammenwirkens der beiden steuerrechtlichen Dualismen. Es handelt sich dabei zum einen um den Dualismus von Transparenz- und Trennungsprinzip, zum anderen um den Einkünftedualismus. aa) Dualismus von Transparenz- und Trennungsprinzip (1) Anknüpfung von Einkommen- und Körperschaftsteuer an die Rechtspersönlichkeit Der Dualismus von Transparenz- und Trennungsprinzip bei der Besteuerung von Unternehmen führt zu dem Nebeneinander von Einkommen- und Körperschaftsteuer. Er resultiert aus der Anknüpfung des Steuerrechts an die Verleihung von Rechtspersönlichkeit im Zivilrecht. Während der Einkommensteuer die natürlichen Personen unterliegen, sind bei der Körperschaftsteuer die juristischen Personen des Zivilrechts persönlich steuerpflichtig. Einzelunternehmer unterliegen als natürliche Personen mit ihren Unternehmensgewinnen der Einkommensteuer. Kapitalgesellschaften wird durch das Zivilrecht ebenfalls eine Rechtspersönlichkeit verliehen. Sie sind juristische Personen und unterfallen als solche mit ihrem Einkommen der Körperschaftsteuer94. Die Besteuerung erfolgt entsprechend dem für sie geltenden Trennungsprinzip völlig getrennt von den hinter der Kapitalgesellschaft stehenden natürlichen Personen95. Dabei werden Verträge zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Anteilseignern im Steuerrecht wie im Zivilrecht grundsätzlich wie Verträge zwischen fremden Dritten behandelt. Erst wenn von der Kapitalgesellschaft 94 95

H.-J. Pezzer in Tipke / Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 236. J. Hennrichs, StuW 2002, 201 (202).

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Gewinne ausgeschüttet oder Liquidationsraten verteilt werden, kommt es bei den Anteilseignern zu einer weiteren Besteuerung, da diese als natürliche Personen der Einkommensteuer unterliegen und die Ausschüttungen für sie dort - unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens - Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen96. Den Personengesellschaften verleiht das Zivilrecht keine Rechtspersönlichkeit97. Sie sind zwar rechtsfähig98; die Zivilrechtsfähigkeit ist jedoch für die Steuerpflicht bei Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht von Bedeutung. Die Persongesellschaft ist keine juristische Person und wird deshalb nicht von der Körperschaftsteuerpflicht erfasst. Und auch im Einkommensteuerrecht ist sie kein selbständiges Rechtssubjekt99. Da das Steuerrecht nur auf die Rechtspersönlichkeit abstellt, sind nach § 1 Abs. 1 EStG nur die einzelnen Gesellschafter als natürliche Personen einkommensteuerpflichtig. Die Einkünfte der Personengesellschaft werden nach dem Transparenzprinzip unmittelbar der natürlichen Person als dem Einkommensteuersubjekt zugerechnet und bei diesen der Steuer unterworfen100, unabhängig davon, ob die Gewinne reinvestiert oder verteilt werden101. Der Zivilrechtsfähigkeit der Personengesellschaft kommt im Steuerrecht lediglich dadurch eine Bedeutung zu, dass die Rechtsprechung die Personengesellschaft für die Feststellung der Einkunftsart und der Einkünfteermittlung als Steuerrechtssubjekt ansieht102. Die Einkünfteermittlung erfolgt danach zweistufig, wobei auf der ersten Stufe zunächst isoliert die Einkünfte der Gesellschaft selbst ermittelt und einer Einkunftsart zugeordnet werden. Auf der zweiten Stufe werden diese Einkünfte den Gesellschaftern anteilig zugerechnet und im Hinblick auf Besonderheiten, die ihren Grund in der Person des Gesellschafters haben, modifiziert und ggf. wieder umqualifiziert103. Verträge zwischen der rechtsfähigen Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern, die zivilrechtlich möglich sind, werden zwar auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung anerkannt, auf der zweiten Stufe jedoch Vgl. J. Hey in Tipke / Lang, § 18 Rz. 9. BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341; U. Huber in FS Lutter, S. 107 ff. 98 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 III 5 (S. 206); G. Hueck / C. Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 2 Rz. 3 ff. Dies gilt nach BGH v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 auch für die GbR. 99 BVerfG v. 15.7.1969 - 1 BvR 457/66, BVerfGE 26, 327 (332). 100 J. Lang in Tipke / Lang, 17. Auflage, § 8 Rz. 83; F. Balmes, DStJG Sonderband „Unternehmenssteuerreform“, S. 25 (26); S. Sieker, DStJG 25, 145 (154 f.). 101 R. Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 17. 102 BFH v. 3.7.1995 - GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (621); kritisch hierzu R. Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 99, der von einer gemeinschaftlichen Tatbestandsverwirklichung der Gesellschafter ausgeht und eine Verselbständigung der Gesellschaft für das Steuerrecht ablehnt. 103 Vgl. J. Lang in FS L. Schmidt, 291 (294); J. Hennrichs, StuW 2002, 201 (202). 96 97

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

für den jeweiligen Gesellschafter wieder korrigiert. Vertragliche Leistungen der Gesellschaft an die Gesellschafter werden so steuerrechtlich als Gewinnanteil berücksichtigt.

(2) Folgen für die Zuordnung zum steuerverstrickten Betriebsvermögen Die beschriebene Anknüpfung des Steuerrechts an die zivilrechtliche Rechtspersönlichkeit hat auch Folgen für die Zuordnung der überlassenen Wirtschaftsgüter zu einem Betriebsvermögen. Nur die Wirtschaftsgüter eines Betriebsvermögens, nicht aber die des Privatvermögens sind steuerverstrickt und unterliegen bei einer Veräußerung oder Entnahme der Steuerpflicht. Nach den allgemeinen Kriterien gehört ein Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen, wenn es dem Betriebsinhaber zuzurechnen ist und von ihm zur Erstellung der betrieblichen Leistung eingesetzt wird104. Die Behandlung der unternehmerisch genutzten Wirtschaftsgüter eines Einzelunternehmers ist unstreitig. Ein im Eigentum des Einzelunternehmers stehendes Wirtschaftsgut, das dieser unmittelbar betrieblich nutzt, ist als Betriebsvermögen zu bewerten. Ganz anders stellt sich die Situation bei den Gesellschaften dar. Die unterschiedliche Steuerverstrickung von Wirtschaftsgütern infolge ihrer Einbeziehung in ein Sonder-Betriebsvermögen oder im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ist jeweils für sich äußerst umstritten. Beiden Konstrukten ist die Tatsache gemein, dass sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sind und erst durch die Rechtsprechung zum Leben erweckt wurden. Infolge dessen reicht ihre rechtliche Bewertung von der Einstufung als unzulässige Rechtsfortbildung105 bis zu der als Rechtsinstitut106 oder systemnotwendigen Gesetzesauslegung107. Das BVerfG hat freilich sowohl die Konstruktion des Sonder-Betriebsvermögens108 als auch der Betriebsaufspaltung109 mehrfach als verfassungsgemäß anerkannt. R. Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 118; zur Unterscheidung von notwendigem und gewillkürtem Betriebsvermögen vgl. J. Hey in Tipke / Lang, § 17 Rz. 121 ff.; B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 63. 105 Für das Sonderbetriebsvermögen vgl. z. B. W. Schön, DStR 1993, 185 (193 f.); für die Betriebsaufspaltung vgl. G. Roellecke in FS K. Duden, 481 (498). 106 H. Beisse in FS L. Schmidt, 455 (Die Betriebsaufspaltung als Rechtsinstitut); L. Schmidt, DStR 1979, 671 (672). 107 Für das Sonderbetriebsvermögen R. Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 118. 108 BVerfG v. 15.7.1969 - 1 BvR 457/66, BVerfGE 26, 327 (334 f.); v. 30.1.1985 - 1 BvR 279/83, NJW 1985, 1891. 109 BVerfG v. 14.1.1969 - 1 BvR 136/62, BVerfGE 25, 28; v. 12.3.1985 - 1 BvR 571/81 u. a., BVerfGE 69, 188. 104

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Bei der Besteuerung von Personengesellschaften zählt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nur die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für die Überlassung von Wirtschaftsgütern erhält, zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass die derartig überlassenen Wirtschaftsgüter auch zum Betriebsvermögen gehören und steuerverstrickt sind. Das Einkommensteuerrecht stellt jedoch bei den Personengesellschaften infolge des Transparenzprinzips alleine auf die Gesellschafter ab. Der Gesellschafter, nicht die Gesellschaft, ist die einkommensteuerlich relevante Rechtsperson110. Er selbst verwirklicht den Tatbestand der gewerblichen Einkünfte und ist als Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG selbst Unternehmer des Betriebs der Personengesellschaft. Überlässt er seiner Gesellschaft ein ihm gehörendes Wirtschaftsgut, so ist dieses deshalb schon nach den allgemeinen Kriterien seinem Betriebsvermögen zuzurechnen. Denn das Wirtschaftsgut ist ihm als steuerlich relevantem Betriebsinhaber zuzurechnen und wird von ihm zur Erstellung der betrieblichen Leistung eingesetzt111. Die Zuordnung der vom Gesellschafter an die Gesellschaft überlassenen Wirtschaftsgüter zum Sonder-Betriebsvermögen führt zu einer Gleichstellung von Personengesellschaftern und Einzelunternehmern112. Eine solche ist auch konsequent, da das Einkommensteuergesetz die natürliche Person der Steuerpflicht unabhängig davon unterwirft, ob sie alleine oder gemeinschaftlich unternehmerisch tätig wird. Die Einbeziehung dieser Wirtschaftsgüter in die Besteuerung ist somit eine Konsequenz des Transparenzprinzips. Bei Kapitalgesellschaften folgt das Steuerrecht grundsätzlich auch der zivilrechtlichen Trennung der Vermögenssphären der Anteilseigner und der Gesellschaft. Beide sind deshalb in ihren rechtlichen Beziehungen in der Regel wie fremde Dritte zu behandeln. Ein Wirtschaftsgut, das der Anteilseigner seiner Kapitalgesellschaft überlässt, müsste deshalb - wie bei fremden Dritten - dem steuerlichen Privatvermögen zugerechnet werden113. Grundsätzlich ist das auch der Fall. Mittels der sog. Betriebsaufspaltung wird jedoch von der Rechtsprechung bei Vorliegen einer personellen und sachlichen Verflechtung eine Zurechnung des Wirtschaftsgutes an den Anteilseigner vorgenommen, dadurch eine Umqualifizierung in Betriebsvermögen vorgenommen und eine Steuerverstrickung hergestellt. Die Rechtsprechung begründet dies mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die A. A. W. Schön, DStR 1993, 185 (190 ff.). BFH v. 3.5.1993 - GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616 (621 f.); R. Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 118. 112 J. Hey in Tipke / Lang, § 18 Rz. 53. 113 G. Rose in FS A. Moxter, 1092 (1092); so auch BVerfG v. 14.1.1969 - 1 BvR 136/62, BVerfGE 25, 28 (30). 110 111

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

im Steuerrecht anzuwenden ist114. Im Ergebnis wird damit das der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilseigner zugrunde liegende Trennungsprinzip durchbrochen, weil für die Besteuerung nun doch keine getrennte Betrachtung vorgenommen wird, sondern die Beziehungen zwischen dem Anteilseigner und Kapitalgesellschaft für wesentlich erklärt werden115.

(3) Zwischenergebnis Der Dualismus von Transparenz- und Trennungsprinzip führt infolge der Anknüpfung an das Zivilrecht zu einer unterschiedlichen Zuordnung der von einem Gesellschafter an seine Gesellschaft überlassenen Wirtschaftsgüter zu Betriebs- oder Privatvermögen, von der aber durch das Gebilde der „Betriebsaufspaltung“ abgewichen wird. Transparenz- und Trennungsprinzip verursachen insgesamt jedoch nur diese unterschiedliche Zuordnung der Wirtschaftsgüter, aber nicht die ungleiche Besteuerung.

bb) Einkünftedualismus als Ursache für die rechtsformabhängige Besteuerung Verantwortlich für die ungleiche Besteuerung von Personengesellschaftern und Anteilseignern von Kapitalgesellschaften im Hinblick auf die überlassenen Wirtschaftsgüter ist vielmehr der Einkünftedualismus116. Durch diesen wirkt sich die Zuordnung der überlassenen Wirtschaftsgüter zu einem Betriebs- oder Privatvermögen aufgrund des Dualismus von Transparenz- und Trennungsprinzip erst aus, da Veräußerungsgewinne bei Wirtschaftsgütern im Privatvermögen steuerfrei, bei Wirtschaftsgütern in einem Betriebsvermögen aber steuerpflichtig sind. Das Einkommensteuergesetz unterscheidet in § 2 Abs. 2 grundlegend zwischen zwei Arten von Einkünften, die als Gewinn- und Überschusseinkünfte bezeichnet werden117. Danach sind Einkünfte bei Land- und Forst114 Vgl. BVerfG v. 14.1.1969 - 1 BvR 136/62, BVerfGE 25, 28 (35); H. Beisse in FS L. Schmidt, 455 (469). 115 G. Roellecke in FS K. Duden, 418 (484). 116 K. Tipke, NJW 1980, 1079 (1081); J. Hey, DStJG 24, 155 (192); J. Lang, Perspektiven, S. 80; W. Reiß, DStJG 17, 3 (16); M. Jachmann, DStJG 23, 9 (39 f.); A. Graß, Unternehmensformneutrale Unternehmensbesteuerung, S. 35 f. 117 O. Zugmaier in Hermann / Heuer / Raupach, § 2 EStG Anm. 520; J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 181; P. Kirchhof in Kirchhof / Söhn, § 2 EStG Rn. C 5; M. Alt, StuW 1994, 138 (139).

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wirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit der Gewinn, bei den anderen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Dieser Dualismus der Einkünfteermittlung entspricht dem theoretischen Gegensatz zwischen Reinvermögenszugangs- und Quellentheorie118. Die Reinvermögenszugangstheorie definiert das Einkommen als Reinvermögenszugang eines bestimmten Zeitabschnitts119. Dazu zählen insbesondere auch Wertveränderungen von Wirtschaftsgütern, die in diesem Zeitraum eintreten und bei deren Veräußerung realisiert werden120. Dagegen definiert die Quellentheorie Einkommen als die Erträge einer ständig fließenden Quelle, nicht aber die Quelle selbst121, was zur Folge hat, das Wertsteigerungen des Stammvermögens bei der Einkommensbesteuerung außer Betracht bleiben122. Erst der Einkünftedualismus führt damit zu einer rechtsformabhängigen Besteuerung der überlassenen Wirtschaftsgüter123.

c) Rechtfertigung des Einkünftedualismus aa) Rechtsprechung des BVerfG Die Verfassungsmäßigkeit des Einkünftedualismus ist äußerst umstritten. Das BVerfG hat sich bereits in mehreren Entscheidungen mit dieser Problematik befassen müssen und die aus ihr folgende Ungleichbehandlung von Wertsteigerungen für verfassungsgemäß erklärt124. Von den Verteidigern des Dualismus wird anerkannt, dass Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens zu einer Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führen125. Das heiße jedoch nicht, dass dies gleichzeitig auch zu einer Steigerung des Einkommens und der steu118 K. Tipke, StRO II, S. 717; J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 181; P. Kirchhof in Kirchhof / Söhn, § 2 EStG Rn. C 8; S. Reutershan, StuB 2003, 1028 (1029). 119 P. Kirchhof in Kirchhof / Söhn, § 2 EStG Rn. A 324; D. Birk, Steuerrecht Rz. 540. 120 O. Zugmaier in Hermann / Heuer / Raupach, § 2 EStG Anm. 522. 121 Vgl. J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 181; K. Tipke, StRO II, S. 627. 122 K. Tipke, StRO II, S. 717; D. Birk, Steuerrecht Rz. 541; J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 220; M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 123; vgl. auch bereits W. Blümich / H. Schachian, Das Einkommensteuergesetz, S. 131. 123 In diese Richtung auch T. Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, S. 37 f.; vgl. auch J. Lang, StuW 1989, 3 (7). 124 BVerfG v. 9.7.1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302; v. 7.10.1969 - 2 BvL 3/66 und 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111; v. 11.5.1970 - 1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227. 125 BVerfG v. 9.7.1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312); T. Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, S. 39.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

erlichen Leistungsfähigkeit führe126. Vielmehr liege es in der Kompetenz des Gesetzgebers zu entscheiden, ob ein Vorgang, der zwar die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht, auch als steuerlich belastungswürdig eingestuft werde und als Einkommen definiert werde127. Zwar - so das BVerfG - seien Gewinne aus der Veräußerung von Gegenständen vergleichbar, unabhängig davon, ob es sich um Privat- oder Betriebsvermögen handelt, denn bei einer gewinnbringenden Veräußerung eines Grundstücks sei „derselbe wirtschaftliche und rechtliche Vorgang“ gegeben128. Allerdings stehe es allein in der Entscheidung des Gesetzgebers zu bestimmen, „welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse maßgebend dafür sind, sie rechtlich gleich oder ungleich zu behandeln“129. Doch hat der Gesetzgeber auch nach dieser Auffassung nicht freie Hand bei der Gestaltung des steuerlichen Einkommensbegriffs. Vielmehr bedarf es auch nach dieser Auffassung für die Herausnahme bestimmter Elemente aus der Besteuerung einer Rechtfertigung130. Die grundsätzliche steuerliche Nichterfassung von Gewinnen aus der Veräußerung von privaten Wirtschaftsgütern aus der Einkommensbesteuerung muss daher - auch nach dieser Auffassung - besonders begründet werden.

bb) Vereinfachung wegen mangelnder Bedeutung von Wertsteigerungen bei den Überschusseinkünften Klaus Tipke hat ausführlich dargelegt, dass dem Dualismus der Einkünfteermittlung ursprünglich Vereinfachungsüberlegungen zugrunde lagen. Im preußischen Einkommensteuergesetz von 1891 sollte die Ermittlung grundsätzlich nur nach der Einnahmenüberschussrechnung erfolgen. Die Vertreter von Handel und Gewerbe erreichten jedoch, dass die steuerliche Gewinnermittlung aus Praktikabilitätsgründen an die handelsrechtliche anknüpfte131. Bei der Übernahme in das EStG 1925 hat der Gesetzgeber allerdings bewusst auf die grundsätzliche Steuerpflicht der privaten Veräußerungsgewinne verzichtet und dies damit begründet, dass es bei den Überschussein126 T. Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, S. 38 f. 127 T. Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, S. 39; G. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, S. 357. 128 BVerfG v. 9.7.1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312). 129 BVerfG v. 9.7.1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (310). 130 Vgl. BVerfG v. 9.7.1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (310). 131 K. Tipke in FS H. Paulick, 391 (393); Dies allerdings bei Steuersätzen im Bereich von 0, 67 bis 4 v. H., vgl. J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 184 sowie M. Elicker, StuW 2002, 217 (229).

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künften auf die „Veränderung der Vermögensgegenstände“ nicht ankomme, sondern „lediglich auf die Erträge, die sie abwerfen“132. Dieser Argumentation liegen Typisierungsüberlegungen zugrunde. Der Gesetzgeber wollte die Veräußerungsgewinne im Privatbereich außer Betracht lassen, da Wertveränderungen nach seiner Auffassung bei den Überschusseinkünften typischerweise keine große Rolle spielten. Typisierungen zu Vereinfachungszwecken sind als Rechtfertigung für eine steuerliche Ungleichbehandlung zulässig. Das Recht der Typisierung steht allerdings unter dem Vorbehalt der realitätsgerechten Erfassung der Wirklichkeit, der Gesetzgeber unterliegt einem ständigen Anpassungszwang133. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob die 1925 getroffene Aussage, die Wertsteigerungen spielten bei den Überschusseinkünften keine Rolle, heutzutage noch aufrechterhalten werden kann. Bei einer Kapitalanlage in eine Immobilie spielt für den Investor neben dem laufenden Mietertrag die Wertsteigerung des Grundstücks eine bedeutende Rolle, der bei der Anlagewahl eine erhebliche Bedeutung zukommt134. Vielmehr spielt der Wertzuwachs bei Kapitalanlagen eine immer größere Rolle und verdrängt sogar zum Teil die Bedeutung des laufenden Ertrages. Die sog. Finanzinnovationen stellen sogar zu Teilen eine Reaktion auf die Ungleichheiten des Einkünftedualismus dar, wenn sie steuerbare Nutzungserträge in nicht steuerbare Wertzuwachsleistungen umwandeln, um Steuern zu sparen135. Die typisierende Betrachtung von der Einkunftsart auf die Bedeutung der Wertsteigerungen ist somit nicht mehr zeitgemäß und kann die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen136.

cc) Vereinfachung wegen Inflationsanfälligkeit Das BVerfG hat in seiner ersten Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Einkünftedualismus als Begründung angeführt, „dass der Gesetzgeber 132 Vgl. J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 184; K. Tipke, StRO II, S. 718; W. Blümich / H. Schachian, Das Einkommensteuergesetz v. 10.8.1925, S. 131; T. Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, S. 45 ff. vermutet, dass diese Einschränkung wohl auf schlechten Erfahrungen mit der Besteuerung von privaten Veräußerungsgewinnen durch das EStG 1920 beruht. 133 BVerfG v. 25.9.1992 - BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 (180); K.-D. Drüen, StuW 1997, 261 (270). 134 K.-W. Schulte, Immobilienökonomie Bd. I, S. 519; vgl. auch K. Tipke, StRO II, S. 718; P. Heinemann, § 17 EStG i. d. F. des StSenkG, S. 49 f.; R. Dietz, FR 1999, 85 (87); M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 124. 135 Vgl. dazu G. Heinicke in Schmidt, § 20 EStG Rz. 171; auf diese Entwicklung hat der Gesetzgeber durch Ausweitung der Steuerpflicht bei den Einkünfte aus Kapitalvermögen reagiert, vgl. dazu M. Remmel, Besteuerung von Finanzinnovationen im Privatvermögen, S. 1 f. 136 So auch K. Tipke, StRO II, S. 718; M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 123 f.; M. Elicker, StuW 2002, 217 (229).

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Gewinne aus Veräußerungsgeschäften über Gegenstände des Privatvermögens nur dann als ‚Einkünfte’ qualifizieren zu können glaubt, wenn sie innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit erzielt worden sind“137. Diese Aussage alleine ist wenig überzeugend, zumal sie ohne einen Rückgriff auf die amtliche Gesetzesbegründung gemacht wurde, sondern allein auf dem Glauben des Gerichts an eine bestimmte Vorstellung des historischen Gesetzesgebers beruht138. Überlässt ein Steuerpflichtiger seinem „Unternehmen“ ein Wirtschaftsgut und veräußert er dieses oder nutzt er es fortan für private Zwecke, so spielt es für seine Leistungsfähigkeit keine Rolle, ob dies innerhalb einer bestimmten Frist geschieht. Allerdings wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Dauer des Besitzes bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen durchaus eine bedeutsame Rolle spielt139. Das Einkommensteuergesetz basiert auf dem Nominalwertprinzip, behandelt also das Einkommen unabhängig von einer eventuellen Geldentwertung140. Gerade bei langfristig im Vermögen gehaltenen Wirtschaftsgütern ist deshalb ein erheblicher Teil der Wertsteigerung auf die Geldentwertung zurückzuführen141. Bei einer Besteuerung des Nominalwertes dieser Wertsteigerungen kommt es zu einer Scheingewinnbesteuerung142. Dem Nachteil einer Besteuerung von Scheingewinnen bei Wirtschaftsgütern steht der Vorteil der Nichtbesteuerung von Realgewinnen entgegen, die inflationsbedingt bei Verbindlichkeiten eintreten143. Zur Rechtfertigung des Einkünftedualismus wird angeführt, Privatvermögen sei von der Inflation stärker betroffen als Betriebsvermögen, weil private Wirtschaftsgüter eher mit Eigenkapital finanziert würden, Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens eher mit Fremdkapital144. Eine Steuerfreistellung privater Veräußerungsgewinne könne daher damit gerechtfertigt werden, dass sich bei diesen anders als bei betrieblichen VeräußeBVerfG v. 9.7.1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (313). Vgl. zu Recht die Kritik von K. Tipke, StRO II, S. 720. 139 T. Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, S. 41 ff. 140 Zum Nominalwertprinzip im Einkommensteuerrecht vgl. J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 176 ff. 141 Vgl. auch J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 515 f.; C. Watrin / M. Lühn, DB 2003, 168 (173). 142 C. Watrin / M. Lühn, DB 2003, 168 (169). 143 J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 56. 144 So aber T. Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, S. 103 f., der sich in den FN 295 und 303 auf Angaben im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank Mai 1991 stützt, aus denen dies aber nicht hervorgeht; vgl. auch M. Reimer, Die steuerliche Erfassung privater Veräußerungsgewinne, S. 155. 137 138

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rungsgewinnen die Vor- und Nachteile der Geldentwertung nicht ausgleichen145. Auch dieser Rechtfertigung liegt eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde, die davon ausgeht, dass Wirtschaftsgüter in einem Betriebsvermögen in der Regel fremd-, die in einem Privatvermögen in der Regel eigenfinanziert sind. Diese Typisierung geht aber bedenklich weit, da sie außer Betracht lässt, dass auch im Privatbereich Wirtschaftsgüter, in ganz besonderem Maße Immobilien, in großem Maße fremdfinanziert werden146. Eine Typisierung ist aber dann verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie einzelne Gruppen übermäßig bevorzugt147. Im Hinblick auf die steuerliche Freistellung von privaten Veräußerungsgewinnen ist dies bedenklich, denn diese Privilegierung führt zu erheblichen Vorteilen von Personen, die ihr Wirtschaftsgut im Privatvermögen halten gegenüber solchen, die es im Betriebsvermögen halten. Die Rechtfertigung der grundsätzlichen Steuerfreistellung aller privaten Veräußerungsgewinne als Typisierung zur Inflationsberücksichtigung erscheint somit bedenklich.

d) Zwischenergebnis Die Rechtsformabhängigkeit der Liquidationsbesteuerung bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die den Gesellschaften von ihren Gesellschaftern überlassen werden, beruht in erster Linie auf der unterschiedlichen Behandlung von realisierten Wertsteigerungen durch das Einkommensteuergesetz aufgrund des Einkünftedualismus. Er führt zur Steuerfreistellung der Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens. Dies kann nicht durch die typisierende Annahme gerechtfertigt werden, dass Wertsteigerungen im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung keine Bedeutung zukommt. Auch als Vereinfachung zur Vermeidung der Besteuerung inflationsbedingter Scheingewinne kann die Steuerbefreiung nicht überzeugend begründet werden. Da eine sachliche Rechtfertigung für den Einkünftedualismus nicht gefunden werden konnte, führen die Folgen des Einkünftedualismus zu einem Verstoß gegen das Gebot rechtsformneutraler Besteuerung aus den Art. 3 Abs. 1 und 12 GG. 145 T. Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, S. 103 f. 146 Dieses Ergebnis kann man auch aus der in FN 144 genannten Tabelle im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank herleiten, da der - damals noch separat aufgeführte - Sektor „Wohnungswirtschaft“ ebenfalls ein negatives Finanzierungssaldo aufweist, vgl. auch die dortigen Erläuterungen auf S. 19. 147 K.-D. Drüen, StuW 1997, 261 (270).

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

2. Umfang der liquidationsteuerpflichtigen Rücklagen a) Besteuerung der aufgedeckten Rücklagen als Primärziel der Liquidationsbesteuerung Die Aufgabe der Liquidationsbesteuerung besteht darin, insbesondere die Rücklagen oder Reserven des Unternehmens, die im Zeitraum seiner Existenz gebildet wurden, aufzudecken und der Besteuerung zu unterwerfen. Bei Kapitalgesellschaften ist dabei außerdem dafür Sorge zu tragen, dass die bislang nur mit dem niedrigen Körperschaftsteuersatz belasteten „zurückgelegten“ Gewinne nun mit dem progressiven Einkommensteuersatz der Anteilseigner nachbesteuert werden. Es wird zwischen zwei Arten von Rücklagen unterschieden: Stillen und offenen Rücklagen, wobei sich die offenen Rücklagen ihrer rechtlichen Grundlage nach in handelsrechtliche und steuerrechtliche Rücklagen unterteilen lassen. Während stille Rücklagen in der Bilanz des Unternehmens - wie ihr Name andeutet - nicht erkennbar sind, werden offene Rücklagen dort ausdrücklich ausgewiesen148. Rechtsformabhängige Unterschiede bei der Bemessungsgrundlage der Liquidationssteuer hängen davon ab, inwieweit während des Bestehens des Unternehmens eine Bildung derartiger Reserven möglich war. Im Folgenden wird untersucht, ob solche Unterschiede bei der Bildung der jeweiligen Rücklagen vorliegen und wie diese gerechtfertigt werden können.

b) Stille Rücklagen (stille Reserven) aa) Rechtsformabhängigkeit der Handelsbilanz Stille Rücklagen oder Reserven ergeben sich in der Handelsbilanz aus dem Unterschied zwischen dem einzelnen Bilanzansatz und dem wirklichen Wert von Vermögensgegenständen eines Unternehmens149. Sie entstehen, wenn die Aktiva zu niedrig oder die Passiva zu hoch angesetzt sind150. Meist ist das auf die Anwendung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zurückzuführen151. Deren Beachtung schreibt § 243 Abs. 1 HGB bei der K. Küting, BB-Beilage 15/1995, S. 1. Zu den verschiedenen Arten und Begriffen der stillen Reserven vgl. K. Küting, BB-Beilage 15/1995; J. Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, S. 8 ff. 150 B. Großfeld, Bilanzrecht Rz. 284; J. Thiel / A. Lüdtke-Handjery, Bilanzrecht Rz. 280. 151 M. Reich, Die Realisation stiller Reserven im Bilanzsteuerrecht, S. 5. 148

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Aufstellung des Jahresabschlusses aller bilanzierungspflichtigen Kaufleute vor. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind insbesondere durch das Vorsichtsprinzip geprägt, das seine Konkretisierung im Realisations-, Imparitäts- und im Niederstwertprinzip findet152. Ein Wertanstieg von Vermögensgegenständen ist danach erst als Ertrag auszuweisen, wenn er durch eine Veräußerung am Markt realisiert wurde, während Wertminderungen baldmöglichst zu berücksichtigen sind; bei der Bewertung von Bilanzposten ist in Zweifelsfällen bei den Aktiva der niedrigere, bei den Passiva der höhere Ansatz zu wählen. Infolgedessen ist die Unterbewertung von Wirtschaftsgütern und die Bildung stiller Reserven die Regel. Auch durch unterlassene Aktivierungen, wie sie z. B. nach § 248 Abs. 2 HGB für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände vorgesehen ist, sowie durch handels- und steuerrechtliche Abschreibungen kann es zur Entstehung von stillen Reserven kommen153. Die Möglichkeit zur Bildung von stillen Reserven besteht sowohl bei Personenunternehmen als auch bei Kapitalgesellschaften. Allerdings gewährt das Handelsrecht Personenunternehmen hierbei einen sehr viel größeren Spielraum154. So lässt insbesondere § 253 HGB die Bildung stiller Rücklagen in seinem Absatz 4 durch Abschreibungen „im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung“ zu und erlaubt in Absatz 5 ihre Beibehaltung durch niedrige Wertansätze, auch wenn die Gründe dafür nicht mehr vorliegen155. Für Kapitalgesellschaften sind diese Vorschriften nach den §§ 279 ff. HGB nicht oder nur eingeschränkt anwendbar156. Damit wird der Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB Rechnung getragen, die ausdrücklich bestimmt, dass der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft“ zu vermitteln hat157. Die Sonderregelungen für Kapitalgesellschaften gehen zurück auf die sog. EG-Bilanzrichtlinie158, deren Umsetzung der deutsche Gesetzgeber nicht rechtsformunab152 B. Großfeld, Bilanzrecht Rz. 76; D. Rückle in Leffson / Rückle / Großfeld, Unbestimmte Rechtsbegriffe im Bilanzrecht, S. 409. 153 B. Knobbe-Keuk, S. 102 FN 203; J. Hey in Tipke / Lang, § 17 Rz. 210; im Einzelnen vgl. M. Reich, Die Realisation stiller Reserven im Bilanzsteuerrecht, S. 5ff; R. Winnefeld, BilanzHandbuch, F 761 ff. 154 R. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, D 1965 ff.; G. Döllerer, BB-Beilage 12/1987, S. 9. 155 J. Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, S. 10 weist darauf hin, dass stille Reserven in allen Fällen entstehen können, in denen das Gesetz dem Bilanzierenden bilanzpolitische Spielräume zugesteht. 156 Vgl. dazu allgemein G. Seicht, in Leffson / Rückle / Großfeld, Unbestimmte Rechtsbegriffe im Bilanzrecht, S. 281. 157 Adler / Düring / Schmalz, § 279 HGB Rz. 1. 158 Vierte Richtlinie 78/660/EWG v. 25.7.1978 (Jahresabschlussrichtlinie), ABl. EG L 222.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

hängig auf Personenunternehmen ausweiten wollte159. Sie sollen den Schutz der Gläubiger von Kapitalgesellschaften bezwecken, weil diesen allein das Vermögen der Gesellschaft haftet160. Stille Reserven sind dagegen in der Lage, das wahre Gesellschaftsvermögen wie auch das laufende Ergebnis des Unternehmens zu verschleiern161. Die Möglichkeit zur Bildung stiller Reserven in der Handelsbilanz ist somit abhängig von der Rechtsform und bei Personenunternehmen größer als bei Kapitalgesellschaften.

bb) Grundsatz der Maßgeblichkeit und steuerrechtliche Korrekturen Aufgrund der in § 5 Abs. 1 EStG festgeschriebenen Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz, gelten die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auch im Steuerrecht162. Nach herrschender Ansicht wird damit nur auf die allgemeinen, für alle Kaufleute geltenden, Grundsätze, nicht aber auch die rechtsformspezifischen Vorschriften für Kapitalgesellschaften verwiesen163. Denn Ziel der steuerrechtlichen Gewinnermittlung ist es, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung, sichtbar zu machen164. Damit stünde es nicht im Einklang, wenn die rechtsformabhängige Gewinnermittlung des Handelsrechts ins Steuerrecht übernommen würde165. Das Gebot der Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung gebietet daher eine verfassungskonforme Auslegung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes. Doch auch, wenn man mit der Gegenauffassung die Sonderregelungen für Kapitalgesellschaften als Bestandteil der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und damit für das Steuerrecht als maßgeblich betrachtet166 kommt man hinsichtlich der Möglichkeit zur Bildung stiller Reserven in der 159 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Bilanzrichtlinien-Gesetz, BT-Drs. 10/4268, S. 88 f. 160 B. Großfeld, Bilanzrecht Rz. 51. 161 U. Leffson, GoB, S. 84ff.; R. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, D 1937; G. Döllerer, BB-Beilage 12/1987, S. 10. 162 Vgl. J. Hennrichs, StuW 1999, 138 (138); H.-J. Pezzer, DStJG 14, 3 (15); J. Lang in Leffson / Rückle / Großfeld, Unbestimmte Rechtsbegriffe im Bilanzrecht, S. 227 ff. 163 J. Hey in Tipke / Lang, § 17 Rz. 61; T. Stobbe in Hermann / Heuer / Raupach, § 5 EStG Anm. 15; J. Schreiber in Blümich, § 5 EStG Rz. 207; J. Hennrichs, StuW 1999, 138 (150). 164 J. Thiel / A. Lüdtke-Handjery, Bilanzrecht Rz. 288; J. Lang, DStJG 4, 45 (46); J. Hennrichs, StuW 1999, 138 (145); H.-J. Pezzer, DStJG 14, 3 (15). 165 J. Hennrichs, StuW 1999, 138 (150); D. Dauber, Realisationsprinzip, S. 32. 166 Bejahend G. Frotscher in Frotscher, § 5 EStG Rz. 27; G. Döllerer, ZHR 157, 349 (351).

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Steuerbilanz zu keinem anderem Ergebnis. Denn mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, steht es auch nicht in Einklang, dass der Steuerpflichtige überhaupt ein Wahlrecht hat, wie er ein Wirtschaftsgut bewertet und damit welcher Gewinn der Besteuerung zugrunde gelegt wird167. Die Rechtsprechung schränkt deshalb die Möglichkeit der Bildung stiller Reserven in der Steuerbilanz dadurch ein, dass sie den Grundsatz der Maßgeblichkeit bei den steuerrechtlichen Ansatzwahlrechten einengt: Handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte werden zu steuerrechtlichen Aktivierungsgeboten, handelsrechtliche Passivierungswahlrechte zu steuerrechtlichen Passivierungsverboten168. Für die laufende Bewertung der Wirtschaftsgüter gelten nach § 5 Abs. 6 EStG die speziellen steuerrechtlichen Vorschriften des § 6 EStG. Auch sie haben das Ziel, die handelsrechtlich zugelassenen Unterbewertungen einzuschränken und somit stille Reserven zu verhindern169. Diese Regeln des Steuerrechts gelten für Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften gleichermaßen. Die handelsrechtliche Möglichkeit der Personenunternehmen, in einem größeren Umfang stille Reserven bilden zu können als Kapitalgesellschaften, wirkt sich somit auch aus diesem Grunde nicht auf die Steuerbilanz aus170. Diese Rechtsformabhängigkeit der Handelsbilanz wird somit nicht in das Steuerrecht übernommen. Eine Ungleichbehandlung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften bei der Besteuerung stiller Reserven im Rahmen der Liquidation liegt somit nicht vor. c) Offene Rücklagen aa) Handelsrechtliche offene Rücklagen Offene Reserven werden in der Bilanz als Gewinnrücklagen ausgewiesen und sind Teil des Eigenkapitals. Sie resultieren grundsätzlich aus besteuer167 BFH v. 3.2.1969 - GrS 2/68, BStBl. II 1969, 291 (293); J. Lang, DStJG 4, 45 (75); H.-J. Pezzer, DStJG 14, 3 (17). 168 BFH v. 3.2.1969 - GrS 2/68, BStBl. II 1969, 291 (293); J. Thiel / A. Lüdtke-Handjery, Bilanzrecht Rz. 318; H. Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 7 Rz. 5; H.-J. Pezzer, DStJG 14, 3 (15); J. Lang in Leffson / Rückle / Großfeld, Unbestimmte Rechtsbegriffe im Bilanzrecht, S. 231; kritisch hierzu B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 23 ff., die darlegt, dass diese Rechtsprechung ihre Bedeutung verloren habe. 169 P. Glanegger in Schmidt, § 6 EStG Rz. 1; T. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 5; T. Stobbe in Hermann / Heuer / Raupach, § 6 EStG Anm. 3. 170 Vgl. G. Döllerer, BB-Beilage 12/1987, S. 10; J. Lang in Leffson / Rückle / Großfeld, Unbestimmte Rechtsbegriffe im Bilanzrecht, S. 232.

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ten Gewinnen, die im Rahmen der Gewinnverwendung nicht an die Anteilseigner ausgeschüttet, sondern im Unternehmen thesauriert wurden171. Für Kapitalgesellschaften ist die Bildung von Gewinnrücklagen in § 272 Abs. 3 HGB ausdrücklich vorgesehen. § 29 Abs. 2 GmbH bestimmt für die GmbH, dass die Gesellschafter durch Beschluss ohne Begrenzung Beträge in Gewinnrücklagen einstellen können. Soll der Gewinn der Kapitalgesellschaft an die Anteilseigner ausgeschüttet werden, bedarf es nach §§ 46 Nr. 1, 47 Abs. 1 GmbHG eines formellen Gewinnverwendungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung bzw. der Hauptversammlung172. Für Personenunternehmen ist die Bildung von Rücklagen dagegen gesetzlich nicht vorgesehen173. Bei Personengesellschaften werden nach § 120 Abs. 2 HGB die jeweiligen Gewinnanteile den Kapitalkonten der Gesellschafter unmittelbar gutgeschrieben und erhöhen damit die von ihnen ins Gesellschaftsvermögen geleistete Einlagen. Aus diesen können die Gesellschafter jederzeit nach § 122 HGB ohne Zustimmung ihrer Mitgesellschafter einen Teil entnehmen. Auch beim Einzelunternehmer wird das Eigenkapital direkt durch Gewinn oder Verlust verändert174. Eine Entnahme von Beträgen ist jederzeit ohne Beschränkung möglich175. Abweichend von der gesetzlichen Regelung dürfen Personengesellschaften jedoch in ihrem Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass statt eines einheitlichen Kapitalkontos getrennte Kapitalkonten geführt werden176. Diese können auch Rücklagenkonten umfassen177. Im Rahmen der Gewinnverwendung dürfen diese Rücklagen in beliebiger Höhe bedient werden178. Die Trennung der Kapitalkonten dient - anders als bei Kapitalgesellschaft nicht dem Zweck, die Mittelherkunft nach außen zu dokumentieren179, sondern für die Gesellschafter z. B. die Entnahmefähigkeit der jeweiligen Guthaben klarzustellen oder den Gewinnverteilungsschlüssel deutlich zu machen180. Keines dieser Ziele macht für den Betrieb des Einzelunternehmers einen Sinn. Die Bilanzierung von Rücklagekonten ist deshalb bei diesen zwar möglich, aber unüblich181. B. Großfeld, Bilanzrecht Rz. 282; R. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, D 1786. Vgl. J. Vogt, Neutralität und Leistungsfähigkeit, S. 180. 173 BGH v. 10.5.1976 - II ZR 180/74, BB 1976, 948 (949); U. Huber in GS B. Knobbe-Keuk, S. 203; R. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, L 580. 174 B. Großfeld, Bilanzrecht Rz. 272. 175 Vgl. R. Seer, StbJb 2000/2001, 15 (22). 176 U. Huber, ZGR 1988, 1 (42). 177 U. Huber, ZGR 1988, 1 (46). 178 B. Großfeld, Bilanzrecht Rz. 283; R. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, D 1860. 179 R. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, D 1787. 180 Vgl. im Einzelnen U. Huber, ZGR 1988, 1 (42 ff.). 181 R. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, L 49. 171 172

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Das Steuerrecht knüpft hinsichtlich der offenen Rücklagen an diese handelsrechtlichen Vorgaben an. Es folgt mit dem Trennungsprinzip182 der zivilrechtlichen Einordnung der Kapitalgesellschaft als eigenständiger juristischer Person, die selbst Gewinne erwirtschaftet. Die Anteilseigner werden getrennt von ihr gesehen und können über die Gewinne erst nach der Ausschüttung verfügen183. Dementsprechend haben sie die Möglichkeit, Gewinne auf der Ebene ihrer Kapitalgesellschaft zu „parken“, wo sie nur mit dem niedrigen Körperschaftsteuersatz belastet werden. Allerdings werden alle noch im Unternehmen gespeicherten Gewinne spätestens bei der Liquidation mit dem jeweiligen Einkommensteuersatz der Anteilseigner „nach belastet“. Die gezahlte Körperschaftsteuer wird dabei pauschal durch das Halbeinkünfteverfahren berücksichtigt. Personenunternehmen werden davon abweichend nach dem Transparenzprinzip behandelt. Die Gewinne des Einzelunternehmers werden diesem, Gewinne der Personengesellschaft den Gesellschaftern unmittelbar zugerechnet und mit der progressiven Einkommensteuer besteuert184. Die bei Personenunternehmen in Rücklagen thesaurierten Gewinne sind demnach bereits mit Einkommensteuer belastet. Im Rahmen der Liquidation ist eine Nachbesteuerung somit nicht mehr erforderlich.

bb) Steuerrechtliche offene Rücklagen (steuerfreie Rücklagen) Schließlich besteht sowohl bei Personenunternehmen wie auch bei Kapitalgesellschaften die Möglichkeit steuerfreie Rücklagen zu bilden, z. B. die Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG oder die Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStR. In diesen Fällen hat der Steuergesetzgeber es zugelassen, dass aufgedeckte stille Reserven trotz Realisation vorerst nicht der Besteuerung unterworfen werden. Vielmehr kann die aufgedeckte stille Reserven steuerneutral auf andere Wirtschaftsgüter übertragen werden oder sie kann als offene Rücklage weitergeführt werden, wenn eine solche Übertragung bis zum Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem die Aufdeckung erfolgte, nicht möglich oder zulässig war185. Die in diesen offenen Rücklagen gespeicherten Gewinne haben also - anders als die handelsrechtlichen Gewinnrücklagen - noch nicht der Besteuerung unterlegen186. Diese 182 Zu Transparenz- und Trennungsprinzip vgl. auch die Ausführungen in § 2 III. 1. b) (aa) dieser Arbeit. 183 Vgl. R. Seer, StbJb 2000/2001, 15 (22). 184 W. Reiß, DStJG 17, 3 (18). 185 Vgl. B. Knobbe-Keuk, S. 106; J. Thiel, DStJG 4, 183 (185). 186 Vgl. R. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, D 1792.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Besteuerung ist bei Auflösung der Rücklagen nachzuholen. Da die steuerfreien Rücklagen somit zum Teil auch eine Steuer-„rückstellung“ beinhalten, stehen sie anders als die handelsrechtlichen offenen Rücklagen dem Betrieb nicht in voller Höhe als Eigenkapital zur Verfügung187. Sie werden daher nicht als Teil des Eigenkapitals ausgewiesen, sondern nach §§ 247 Abs. 3, 273 HGB in einem „Sonderposten mit Rücklageanteil“. Im Rahmen der Liquidation kommt es zu einer Auflösung aller steuerfreien Rücklagen und damit zu einer entsprechenden Nachbesteuerung. Die Möglichkeit einer Bildung steuerfreier Rücklagen besteht unabhängig von der Rechtsform. Aus diesem Grund vollzieht sich auch die Besteuerung bei ihrer Auflösung rechtsformneutral.

d) Rechtsformabhängige Ungleichbehandlung zur Herstellung der gleichmäßigen Einkommensbesteuerung des Gesamtgewinns Eine rechtsformabhängige Ungleichbehandlung der Unternehmer erfolgt somit anknüpfend an die zivilrechtlichen Vorgaben bei den offenen handelsrechtlichen Reserven. Anders als der Personenunternehmer kann der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft durch Thesaurierung erreichen, dass die Unternehmensgewinne nicht mit dem progressiven Einkommensteuersatz, sondern mit einem niedrigeren, nämlich dem linearen Körperschaftsteuersatz belastet werden. Diese steuerliche Bevorzugung von Kapitalgesellschaften bei der Thesaurierung ihrer Gewinne begegnet erheblichen Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung188. Die Thesaurierung führt aber nicht zu einer dauerhaften Steuerersparnis, sondern nur zu einer Steuerstundung in Höhe des Differenzbetrags zwischen Einkommen- und Körperschaftsteuer189. Denn spätestens bei der Liquidation werden die offenen Rücklagen aufgedeckt, ausgeschüttet und die Besteuerung mit dem höheren Einkommensteuersatz nachgeholt. Infolge dessen wird der Liquidationsgewinn des Kapitalgesellschafters in der Regel deutlich höher sein als der des Personenunternehmers. Diese Ungleichbehandlung bei der LiquidationsbesteueB. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 106. J. Vogt, Neutralität und Leistungsfähigkeit, S. 199 ff; W. Schön, StuW 2000, 151 (152); vgl. auch J. Hey, DStJG 24, 151 (181 ff.), die zu Recht betont, dass dabei jedoch auch die Zusatzbelastung mit Gewerbesteuer in die Betrachtung mit einbezogen werden muss. Dazu ausführlich § 6 dieser Arbeit. 189 F. Tischer, FR 2000, 1009 (1009); T. Teufel, Steuerliche Rechtsformoptimierung, S. 53 f.; D. Jacobs, DStR 2001, 806 (808); J. Hey, DStJG 24, 155 (170); O. H. Jacobs / C. Spengel / R. A. Hermann / T. Stetter, StuW 2003, 308 (320). 187 188

§ 2 Bemessungsgrundlage von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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rung dient damit im Endeffekt der Herstellung einer rechtsformneutralen Besteuerung des Gesamtgewinns des Unternehmens mit Einkommensteuer190.

3. Ergebnis Rechtsformabhängige Ungleichbehandlungen kommen bei der Bemessungsgrundlage der Liquidationsbesteuerung durch die unterschiedliche Einbeziehung von Wirtschaftsgütern zustande, die von den Unternehmern an ihr Unternehmen überlassen werden. Während diese bei Personenunternehmern vollständig der Steuerverstrickung unterliegen und somit Veräußerungsgewinne stets steuerpflichtig sind, ist dies bei Anteilseignern von Kapitalgesellschaften nur bei einer Betriebsaufspaltung der Fall. Diese unterschiedliche Behandlung ist nur zum Teil auf den Dualismus von Transparenz- und Trennungsprinzip zurückzuführen. Insbesondere das Rechtsgebilde der „Betriebsaufspaltung“ lässt sich nicht aus diesem herleiten. Vielmehr resultiert die rechtsformabhängige Ungleichbehandlung aus dem Einkünftedualismus, für den eine einleuchtende Rechtfertigung nicht gefunden werden konnte. Damit liegt ein Verstoß gegen das Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung nach Art. 3 Abs. 1, 12 GG vor. Bei der Aufdeckung der im Unternehmen ruhenden Reserven kommt es hinsichtlich zu einer Ungleichbehandlung bei den offenen Reserven. Nur Unternehmer, die ihr Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betreiben können in offenen Rücklagen Gewinne thesaurieren und zum niedrigen Körperschaftsteuersatz auf der Ebene der Kapitalgesellschaft „parken“. Der unterschiedliche Thesaurierungssteuersatz ist vor dem Hintergrund der Rechtsformneutralität der Besteuerung überaus problematisch. Im Rahmen der Liquidation ist die Nachbesteuerung aber als notwendige Maßnahme zu sehen, um die Gleichmäßigkeit der Gesamtgewinnbesteuerung der verschiedenen Rechtsformen wieder herzustellen.

190 Aufgrund der pauschalen Berücksichtigung der Vorbelastung durch das Halbeinkünfteverfahren einerseits und der ggf. höheren Tarifprogression infolge einer größeren Bemessungsgrundlage ist es jedoch fraglich, ob es tatsächlich zu einer Gleichbehandlung bei der Besteuerung des Gesamtgewinnes kommt, vgl. dazu ausführlich das Kapital über die Steuersätze bei der Liquidationsbesteuerung in § 4 dieser Arbeit.

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§ 3 Einkommensteuerliche Freibeträge für Liquidationsgewinne I. Vorbemerkung Für Liquidationsgewinne von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften werden verschiedene Freibeträge als Vergünstigungen gewährt. Sie werden je nach Rechtsform von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig gemacht und haben unterschiedliche Höhen. Im folgenden Paragraphen werden diese rechtsformabhängigen Freibeträge dargestellt und verfassungsrechtlich untersucht.

II. Rechtslage 1. Personenunternehmen Personenunternehmern wird im Fall der Betriebsaufgabe, also der Liquidation des Unternehmens innerhalb eines kurzen Zeitraums, auf Antrag der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG gewährt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Der Freibetrag hat eine Höhe von 45.000 €, ermäßigt sich jedoch um den Betrag, um den der Aufgabegewinn 136.000 € übersteigt, d. h. er läuft bei einem Liquidationsgewinn i. H. v. 181.000 € aus. Dieser Freibetrag des § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG wird dem Steuerpflichtigen nur einmal im Leben1 gewährt. Erstreckt sich die Dauer der Betriebsaufgabe über mehrere Veranlagungszeiträume wird der Freibetrag deshalb ebenfalls insgesamt nur einmal zugestanden2. Nach der überzeugenden h. M. und der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH ist dabei der Freibetrag anteilig im Verhältnis der in den einzelnen Veranlagungszeiträumen verwirklichten Teile des gesamten Aufgabegewinns aufzuteilen3. R. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 581. BFH v. 19.7.1993 - GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897 (902); D. Schulze zur Wiesche, FR 1986, 25 (27); H. W. Schoor, DStR 1995, 469 (470). 3 BFH v. 19.7.1993 - GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897 (902); H. Hörger in Littmann / Bitz / Pust, § 16 EStG Rz. 244; H. W. Schoor, DStR 1995, 469 (470); W. Reiß in Kirchhof § 16 EStG Rz. 511; 1 2

§ 3 Einkommensteuerliche Freibeträge

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Bei Personengesellschaften wird der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG den Gesellschaftern nicht anteilig gewährt. Vielmehr erhält jeder Gesellschafter jeweils den vollen Freibetrag als personenbezogene Vergünstigung auf den anteiligen Betriebsaufgabegewinn der Personengesellschaft4. 2. Kapitalgesellschaften Ursprünglich hat die Rechtsprechung § 16 Abs. 4 EStG als sachliche Steuerbefreiung bewertet, die über § 8 Abs. 1 KStG auch auf Liquidationsgewinne von Kapitalgesellschaften anzuwenden war5. Nach Einführung der an natürliche Personen ausgerichteten Voraussetzungen ist die Gewährung des Freibetrages für Kapitalgesellschaften nun nicht mehr möglich6. Das Gesetz sieht somit im Fall der Abwicklung keine besonderen Freibeträge auf der Ebene der Kapitalgesellschaften mehr vor. Auf der Ebene des Anteilseigners kommen dagegen mehrere Freibeträge zum Tragen.

a) Anteile im Privatvermögen Befinden sich die Anteile der liquidierten Kapitalgesellschaft im Privatvermögen des Anteilseigners, so sind die Liquidationsausschüttungen zu unterteilen in Kapitalrückzahlungen und Gewinnausschüttungen7. Die Kapitalrückzahlungen unterliegen der Steuerpflicht nur bei Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung, was bei einer personenbezogenen Kapitalgesellschaft in der Regel der Fall ist. Übersteigt dabei der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft die Anschaffungskosten und entsteht somit ein Liquidationsgewinn, ist ein Freibetrag des § 17 Abs. 3 EStG zu gewähren. Dieser beträgt 9.060 €, wenn der Anteilseigner sämtliche Anteile der liquidierten Kapitalgesellschaft hält, und ermäßigt sich um den Betrag, um den der Liquidationsgewinn dem W. Wendt, DStR 1968, 761 (761); E. Littmann, INF 1966, 361 (368); D. Schulze zur Wiesche, FR 1986, 25 (28); H. Brönner, Die Besteuerung der Gesellschaften, B. 2340; a. A. G. Stuhrmann in Blümich, § 16 EStG Rz. 451; R. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 584; A. Erdweg in Hermann / Heuer / Raupach, § 16 EStG Rz. 470; H. Gänger in Bordewin / Brandt, § 16 EStG Rz. 248; B. Erle / J. Eberhard in Müller / Hoffmann, § 11 Rz. 125, nach denen der im ersten Veranlagungszeitraum nicht aufgebrauchte Teil des Freibetrags, im Folgejahr zu berücksichtigen ist. 4 So ausdrücklich die Begründung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996, BT-Drs. 13/1686, S. 36; R. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 582; G. Stuhrmann in Blümich, § 16 EStG Rz. 457. 5 BFH v. 8.5.1991 - I R 33/90, BFHE 165, 191. 6 H. Hörger / S. Rapp in Littmann / Bitz / Pust, § 16 EStG Rz. 239. 7 Vgl. die Ausführungen unter § 2 II. 2. b) bb) (1) dieser Arbeit.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Teil von 36.100 € übersteigt. Hält der Kapitalgesellschafter nur einen Teil der Anteile, so ermäßigen sich die genannten Beträge in dem Verhältnis, in dem dieser Anteil zum gesamten Stammkapital der Gesellschaft steht. Im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens wird nach § 3 Nr. 40 lit. c) EStG die Hälfte der Kapitalrückzahlungen steuerfrei gestellt. Auf die steuerpflichtige Hälfte ist der Freibetrag anzuwenden. Das Halbeinkünfteverfahren wirkt hinsichtlich des Freibetrages verdoppelnd8. De facto ist damit ein Liquidationsgewinn bis zur Höhe von 18.120 € steuerfrei. Die Steuerbefreiung läuft - nach Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens - bei einem Liquidationsgewinn i. H. v. 90.320 € aus. Für den Teil der Liquidationsausschüttung, der auf thesaurierte Gewinne bzw. aufgedeckte stille Reserven entfällt und nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu besteuern ist, findet der Sparer-Freibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG i. H. v. 1.370 € Anwendung. Auch auf die Gewinnausschüttungen ist nach § 3 Nr. 40 lit e) EStG das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden, das hinsichtlich auch dieses Freibetrages eine verdoppelnde Wirkung hat. Allerdings wird er nicht nur für die Liquidationsgewinne, sondern für alle Einkünfte aus Kapitalvermögen gewährt. Liegen somit keine anderen Kapitaleinkünfte vor, bleibt ein Liquidationsgewinn bis zur Höhe von 20.860 € steuerfrei.

b) Anteile im Betriebsvermögen Befinden sich die Anteile der liquidierten Kapitalgesellschaft in einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen, sind diese Teil der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG. Der Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG wird nicht gewährt, da die Norm des § 17 EStG nach der Gesetzessystematik nur bei Anteilen im Privatvermögen Anwendung findet9. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen sind nach § 20 Abs. 3 EStG eine subsidiäre Einkunftsart, d. h. die Gewinne oder Verluste werden, wenn sie einer anderen Einkunftsart zuzurechnen sind, dieser zugeordnet. Der Sparer-Freibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG wird aus diesem Grund bei Anteilen 8 S. Schneider in Kirchhof / Söhn, § 17 EStG Rn. D 40; S. Eilers / R. Schmidt in Hermann / Heuer / Raupach, § 17 EStG Anm. 251. 9 BFH v. 28.2.1974 - VIII R 83/69, BFHE 112, 574 (575); H. Weber-Grellet in Schmidt, § 17 EStG Rz. 12.

§ 3 Einkommensteuerliche Freibeträge

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im Betriebsvermögen - da es sich nicht um Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt - nicht gewährt10. Befinden sich allerdings sämtlich Anteile der liquidierten Kapitalgesellschaft im Betriebsvermögen, so liegt nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG eine Betriebsaufgabe vor, so dass der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG auf die Kapitalrückzahlungen Anwendung findet. Da diese Liquidationsausschüttungen dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, bleibt bei dem abzuschmelzenden Freibetrag i. H. v. 45.000 € maximal ein Gewinn von 90.000 € steuerfrei. III. Verfassungsrechtliche Würdigung 1. Rechtsformabhängige Ungleichbehandlung Ein Anteilseigner, dessen Kapitalgesellschaft liquidiert wurde, erhält ohne weitere Voraussetzungen11 auf seinen Liquidationsgewinn sowohl den Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG als auch den sog. Sparer-Freibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG. Der Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG beträgt dann 9.060 € und wird ab einer Gewinnhöhe von 36.100 € abgeschmolzen; der zusätzliche Sparer-Freibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG hat eine Höhe von 1.370 €. Nach Berücksichtigung der hälftigen Steuerbefreiung des Halbeinkünfteverfahrens und der Abschmelzung kommt ein Anteilseigner bei Empfang einer Kapitalrückzahlung bis zu einer Höhe des Gewinns von 90.320 € in den Genuss eines Freibetrages. Bei Liquidation eines Personenunternehmens wird dem Unternehmer ein Freibetrag lediglich auf Antrag nach Vollendung des 55. Lebensjahrs oder bei Vorliegen einer dauernden Berufsunfähigkeit gewährt. Einschränkend kommt ferner hinzu, dass die Voraussetzungen einer Betriebsaufgabe gegeben sein müssen, die Liquidation des Unternehmens darf sich also nur über einen Zeitraum von höchstens etwa zwei Jahren erstrecken. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG hat dann allerdings eine Höhe von 45.000 € und wird erst ab einem Betrag über 136.000 € abgeschmolzen. Personenunternehmer kommen somit bis zu einem Gewinn von 191.000 € in den Genuss der Begünstigung. Für Anteilseigner von Kapitalgesellschaften werden beide Freibeträge ohne zahlenmäßige Begrenzung bei allen Liquidationen von Kapitalgesellschaften gewährt. Der Freibetrag für Personenunternehmen wird dagegen nur einmal im Leben auf einen Liquidationsgewinn angewendet. 10 W. Heinicke in Schmidt, § 20 EStG Rz. 218; F.-E. Harenberg in Hermann / Heuer / Raupach, § 20 EStG Anm. 1312. 11 Vgl. H. Weber-Grellet in Schmidt, § 17 EStG Rz. 194.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Anteilseigner von Kapitalgesellschaften sind daher gegenüber Personenunternehmern benachteiligt, wenn im Zeitpunkt der Liquidation die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG vorliegen, da sie in diesem Fall nur die übliche Freistellung des Liquidationsgewinns bis zu 18.120 € und nicht einen erhöhten Freibetrag i. H. v. 45.000 € erhalten. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, werden sie gegenüber den Personenunternehmern bevorzugt, weil diesen in diesem Fall überhaupt kein Freibetrag gewährt wird. Eine Bevorzugung von Kapitalgesellschaftern liegt auch dann vor, wenn diese mehrere Unternehmen liquidieren. Bei gleichem Sachverhalt, dem Bezug eines gleichen Gewinns aus einer Liquidation werden solche Unternehmer, die ihr Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betreiben und solche, die ihr Unternehmen in der Rechtsform eines Personenunternehmens betreiben, somit ungleich behandelt. 2. Rechtfertigung der Rechtsformabhängigkeit a) Freibeträge als Lenkungszwecknormen Die Zielsetzungen, die der Gesetzgeber für die Gewährung der verschiedenen Freibeträge im Laufe der Zeit angeführt hat, differieren. Aufgrund ihrer zumindest anfänglich gleichen Zielrichtungen wird im Folgenden die historische Entwicklung der beiden Freibeträge des §§ 16 Abs. 4 und des 17 Abs. 3 EStG nachvollzogen und überprüft, ob die Begründungen, die für ihre Regelung genannt werden, auch ihre Rechtsformabhängigkeit zu erklären vermögen. Im Anschluss erfolgt die Untersuchung der Rechtfertigung für die Rechtsformabhängigkeit des Freibetrages nach § 20 Abs. 4 EStG. b) Die Freibeträge nach §§ 16 Abs. 4 und 17 Abs. 3 EStG aa) Abmilderung von steuerlichen Härten als Begründung im EStG 1925 und 1934 In ihrem Ursprung werden die beiden Vorschriften des §§ 16 Abs. 4 und des 17 Abs. 3 EStG auf die einheitliche Regelung des § 32 EStG 1925 zurückgeführt12. Nach dieser fanden die Vorschriften der §§ 30, 31 EStG 1925 über die Besteuerung des Veräußerungsgewinns von Gewerbebetrieben oder wesentlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften nur Anwendung, wenn der Veräußerungsgewinn 10.000 Reichsmark überstieg. Vgl. auch die Verweise in der Begründung zum Einkommensteuergesetz v. 16.10.1934, RStBl. 1935, 9 (42). 12

§ 3 Einkommensteuerliche Freibeträge

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Schon für diese Freibetragsregelung wurden verschiedene Aussagen als Begründung getroffen. So wurde angeführt, die Steuerbefreiung diene der Abmilderung von Härten, die dem Unternehmer durch die Besteuerung der ad hoc aufgedeckten, ggf. über viele Jahre entstandenen, stillen Reserven entstünden13. An anderer Stelle findet man die Aussage, die Vorschrift diene der pauschalen Berücksichtigung des good will, also des Firmenwerts, der im Rahmen der Veräußerung oder Liquidation aufgedeckt werde und nicht zur Einkommensteuer herangezogen werden dürfe14. Auch die Förderung des Mittelstands wurde zur Begründung genannt15. Der Veräußerung ausdrücklich gleichgestellt wurde durch § 30 Abs. 4 EStG 1925 die Aufgabe eines Personenunternehmens, so dass der Freibetrag des § 32 EStG 1925 auch in diesem Fall zur Anwendung kam. Für die Liquidation einer Kapitalgesellschaft war eine derartige Gleichstellung gesetzlich allerdings nicht ausdrücklich vorgesehen. Deren steuerliche Behandlung war daher heftig umstritten. Zum Teil wurde vertreten, die Verteilung des Liquidationserlöses stelle eine Verteilung von Vermögen, nicht von Gewinn dar und sei daher gar nicht einkommensteuerbar16. Überwiegend ordnete man die Liquidationsraten in der Kommentarliteratur aber den Einkünften aus Kapitalvermögen zu17. Der RFH folgte keiner dieser Lösungen und wandte § 30 Abs. 3 EStG 1925, der die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen regelte, auch für den Fall an, dass die Kapitalgesellschaft nicht veräußert, sondern liquidiert wird18. Nach dieser Lösung galt der Freibetrag nach § 32 EStG 1925 einheitlich auch für Liquidationsausschüttungen einer Kapitalgesellschaft. Durch das EStG 1934 wurden die Normen über die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen in der jetzigen Form getrennt und auf zwei Paragraphen, nämlich §§ 16 und 17 EStG, verteilt. Auch das neu gefasste Gesetz enthielt keine ausdrückliche Lösung der Frage, wie Liquidationsausschüttungen von Kapitalgesellschaft einkommensteuerlich zu behandeln seien. Allerdings führte der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich an, dass unter den neuen § 17 EStG 1934 auch die Gewinne fallen sollten, die „bei Auflösung“, also bei der Liquidation einer Kapitalgesellschaft von den Anteilseignern erzielt werden19. Eine entsprechende Regelung wurde nur in § 18 Abs. 2 E. Becker, EStG 1925, § 30 EStG Anm. 6. A. Mrozek, EStG 1925, § 32 EStG Anm. 1. 15 Vgl. bei G. Strutz, EStG 1925, § 32 EStG Anm. 3. 16 R. Evers, KStG 1925, § 10 KStG Anm. 28. 17 A. Mrozek, EStG 1925, § 37 EStG Anm. 9; G. Strutz, EStG 1925, § 37 EStG Anm. 11; W. Blümich / H. Schachian, Das Einkommensteuergesetz v. 10.8.1925, S. 379. 18 RFH v. 17.6.1931 - VI A 151/30, StuW II 1931, 1352 (1353); v. 8.8.1934 - VI A 928, StuW II 1934, 1317; so auch E. Becker, StuW II 1931, 1283 (1303); ders., EStG 1925, § 37 EStG Anm. 6. 19 Begründung zum Einkommensteuergesetz v. 16.10.1934, RStBl. 1935, 9 (42). 13 14

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

EStDV - später § 53 Abs. 2 EStDV - aufgenommen, nach der als Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft auch der Gewinn galt, „den der Gesellschafter bei Auflösung der Kapitalgesellschaft erzielt“20. Erst 1971 wurde diese Regelung in das EStG selbst übernommen. Nach §§ 16 Abs. 4 und 17 Abs. 3 EStG 1934, die in der Neufassung als Freigrenzen ausgestaltet waren, trat die Steuerpflicht nur ein, wenn der Veräußerungs- bzw. Liquidationsgewinn 10.000 Reichsmark überstieg. Das StÄndG 196521 änderte die Freigrenzen wieder einheitlich in Freibeträge um und erhöhte diese. Die Gesetzesbegründung verwies zur Begründung der Änderung des § 17 Abs. 3 EStG auf die Ausführungen zur entsprechenden Änderung des § 16 Abs. 4 EStG22. Bis dahin waren die beiden Freibeträge also nicht nach Rechtsform des Unternehmens unterschiedlich ausgestaltet.

bb) Ausgleich der Steuerpflicht von Bodengewinnen im Zweiten Steueränderungsgesetz 1971 Diese gleichlaufende Entwicklung der beiden Vorschriften endete allerdings mit dem Zweiten Steueränderungsgesetz 197123, durch das der Freibetrag und die Abschmelzungsgrenze für Personenunternehmen nach § 16 Abs. 4 EStG, nicht aber für Kapitalgesellschaften erhöht wurde. Die Erhöhung des Freibetrages für Personenunternehmen stand im Zusammenhang mit den ebenfalls im Zweiten Steueränderungsgesetz 1971 vorgenommenen Regelungen, durch die der Gesetzgeber auf ein Urteil des BVerfG reagierte und die Bodengewinnbesteuerung neu regelte. Das BVerfG24 hatte eine bis dahin geltende Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG 1958 für mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar erklärt, nach der bei Landund Forstwirten, selbständig Tätigen und Kleingewerbetreibenden - anders als bei Unternehmern, die ihren Gewinn nach § 5 EStG zu ermitteln hatten - der Wert des zum Anlagevermögens gehörenden Grund und Bodens bei der Ermittlung des Gewinns außer Ansatz blieb und somit nicht der Ein20 Erst durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Bewertungsgesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1965) v. 14.5.1965, BStBl. I 1965, 217, wurde diese Regelung des § 17 Abs. 3 EStG in das Gesetz eingefügt. 21 Steueränderungsgesetz 1965 (s. FN 20) v. 14.5.1965, BStBl. I 1965, 217. 22 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Spar-Prämiengesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1964), BT-Drs. IV/2400, S. 68 und 70. 23 Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und anderer steuerrechtlicher Vorschriften (Zweites Steueränderungsgesetz 1971) v. 10.8.1971, BStBl. I 1971, 373 (374). 24 BVerfG v. 11.5.1970 - 1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227.

§ 3 Einkommensteuerliche Freibeträge

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kommensteuer unterlag. Mit dem Zweiten Steueränderungsgesetz 1971 wurde diese Regelung aufgehoben und die bisher steuerfreien Bodengewinne generell der Steuer unterworfen. Um den vom Gesetzgeber angenommenen Sinn und Zweck des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG, nämlich die Steuerfreistellung von Gewinnen aus der Veräußerung und Aufgabe kleiner Betriebe auch nach der Einbeziehung der Bodengewinne in die Besteuerung zu erreichen, wurde dessen Höhe angepasst25. Eine entsprechende Anpassung des Freibetrages nach § 17 Abs. 3 EStG erschien dem Gesetzgeber nicht notwendig. Kapitalgesellschaften waren und sind kraft Rechtsform buchführungspflichtig26, ermitteln deshalb ihren Gewinn nach § 5 EStG, so dass die für verfassungswidrig erklärte Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG 1958 bei ihnen nicht zur Anwendung kam. Dementsprechend wirkten sich die Änderungen der Bodengewinnbesteuerung bei Kapitalgesellschaften und deren Anteilseignern nicht aus27. Ob diese einseitige Erhöhung des Freibetrags für Personenunternehmen infolge der Abschaffung der Steuerfreiheit für Bodengewinne geboten war, ist äußerst fraglich. Denn die vom BVerfG für verfassungswidrig erklärte Steuerbefreiung der Bodengewinne war eine gleichheitswidrige Begünstigung der Kleinunternehmer. Kleinere Kapitalgesellschaften hatten aufgrund ihrer Buchführungspflicht kraft Rechtsform bis dahin bereits ihre Bodengewinne zu versteuern, waren also gegenüber Personenunternehmen benachteiligt. Durch die einseitige Erhöhung des Freibetrages wurde die eine gleichheitswidrige Begünstigung der Kleinunternehmer durch Steuerbefreiung der Bodengewinne somit durch eine andere gleichheitswidrige Begünstigung ersetzt. Eine sachliche Begründung für die Ungleichbehandlung der Rechtsformen ist hierin nicht zu sehen.

cc) Förderung der Altersvorsorge Gleichzeitig mit der einseitigen Erhöhung des Freibetrages für Personenunternehmer führte der Gesetzgeber im Zweiten Steueränderungsgesetz 1971 eine Erhöhung der Freibetrags- und Abschmelzungshöhen für den Fall ein, dass der Steuerpflichtige seinen Betrieb nach Vollendung des 55. Lebensjahrs oder wegen dauernder völliger Erwerbsunfähigkeit aufgegeben hat. Diese besondere Regelung aus Altersgründen oder wegen Erwerbsunfähigkeit So die Begründung des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1971, BT-Drs. VI/1901, S. 12. Vgl. nur §§ 6 HGB, 3 AktG, 13 GmbHG sowie die weitere Aufzählung bei M. Streck, § 7 KStG Rz. 6. 27 G. Söffing, DStZ 1971, 273 (279). 25 26

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

wurde entsprechend den Vorschlägen der Steuerreformkommission von 1971 in das Gesetz aufgenommen28. Sie sollte dem Interesse der Alterssicherung der kleinen Unternehmer dienen. Die Gesetzesbegründung führt im Hinblick auf die neue Bodengewinnbesteuerung insbesondere die Alterssicherung solcher Unternehmer an, die ein zum Betriebsvermögen gehörendes Grundstück nicht veräußern, sondern ins Privatvermögen überführen. Dadurch entstehende besondere Härten durch die Steuerpflicht nicht realisierter Gewinne sollten durch den höheren Freibetrag vermieden werden29. Durch das Jahressteuergesetz 199630 wurde der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG für Personenunternehmen stark eingeschränkt. Seitdem wird dieser nur noch einmal im Leben auf Antrag und unter der Voraussetzung gewährt, dass der Unternehmer den Betrieb altersbedingt oder infolge dauernder Berufsunfähigkeit aufgibt. Allerdings wurde der Freibetrag bei der Veräußerung oder Liquidation eines Mitunternehmeranteils - anders als bisher - nicht mehr nur anteilig gewährt. Die Neugestaltung des § 16 Abs. 4 EStG sollte dem Personenunternehmer ermöglichen, Gewinne, die anlässlich einer Veräußerung oder Liquidation wegen Alters oder Berufsunfähigkeit entstanden sind, in einem stärkeren Maße für die Altersversorgung zu verwenden31. § 17 Abs. 3 EStG blieb erneut unverändert und wurde in jedem Fall einer Liquidation ohne weitere Voraussetzungen gewährt. Die Förderung der Altersvorsorge vermag als Lenkungszweck zwar eine höhere Steuerfreistellung von Gewinnen ab einem bestimmten Alter oder bei Berufsunfähigkeit sachgerecht zu begründen. Jedoch finden sich Kapitalgesellschafter, die ihr Unternehmen liquidieren, in keiner anderen Situation als Personenunternehmer. Sie werden von der Besteuerung ihres Liquidationsgewinns genauso stark getroffen wie diese. Auch bei ihnen kann es passieren, dass sie Anlagegegenstände ihres Unternehmens in das Privatvermögen überführen und dadurch stille Reserven aufgedeckt werden, obwohl es zu keiner zusätzlichen Liquidität kommt. Eine sachliche Begründung für die Ungleichbehandlung von Unternehmern, die ihr Unternehmen in verschiedenen Rechtsformen betreiben, kann das Argument der Alterssicherung deshalb nicht liefern. 28 Vgl. Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, II Rn. 90. 29 Begründung des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1971, BT-Drs. VI/1901, S. 12. 30 Jahressteuergesetz 1996, BGBl. I 1995, 1250. 31 Vgl. BMF, Neunzehnter Subventionsbericht 2001 - 2004 Beiheft, S. 79 (lfd. Nr. 26).

§ 3 Einkommensteuerliche Freibeträge

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dd) Keine Begründung für generellen Freibetrag der Kapitalgesellschaften Auf der anderen Seite ist es nicht ersichtlich, warum Personenunternehmern bei der Liquidation ihres Unternehmens vor Erreichen der Altersgrenze oder einer dauernden Berufsunfähigkeit nicht auch wie Kapitalgesellschaftern eine Steuererleichterung gewährt werden soll. Eine ausdrückliche Begründung für diese Steuervergünstigung findet sich in den Gesetzesbegründungen nicht. Sie lässt sich nur aus der Historie der Norm entnehmen und mit dem Härteausgleich für die Besteuerung jahrelang angesammelter stiller Reserven oder als Steuererleichterung für kleine Betriebe erklären. Diese Erklärung ist aber ebenfalls nicht nur auf die Rechtsform der Kapitalgesellschaft beschränkte Unternehmen zu begrenzen und müsste in gleichem Maße auf Personenunternehmen zutreffen. Die unterschiedliche Behandlung der Rechtsformen lässt sich also nicht rechtfertigen. c) Der Freibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG aa) Förderung der Spartätigkeit Der sog. Sparer-Freibetrag des § 20 Abs. 4 EStG wurde durch das Einkommensteuerreformgesetz 197432 i. H. v. 300 DM bzw. 600 DM bei zusammenveranlagten Ehegatten als Ergänzung zum Werbungskostenpauschbetrag eingeführt, um die „besonders förderungswürdige eigenverantwortliche Vorsorge der Bürger durch Sparen auch künftig zu erhalten“33. Als der Gesetzgeber 1992 den Freibetrag um das Zehnfache erhöhte34, um dem Zinssteuerurteil des BVerfG35 Rechnung zu tragen, führte er zur Begründung dieses nun beträchtlichen Freibetrages36 auch die Berücksichtigung der vom BVerfG herausgestellten gesteigerten Inflationsanfälligkeit der Einkunftsart „Kapitalvermögen“ und die Eigenschaft derselben „als Quelle der Altersver32 Gesetz zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleichs und der Sparförderung (Einkommensteuerreformgesetz - EStRG) v. 5.8.1974, BGBl. I 1974, 1769. 33 So die Begründung zum Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drs. VII/1470, S. 220. 34 Durch das Gesetz zur Neuregelung der Zinsbesteuerung (Zinsabschlaggesetz) v. 9.11.1992, BGBl. I 1992, 1853. 35 BVerfG v. 27.6.1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, das dem Gesetzgeber auftrug, nicht nur für die rechtliche, sondern auch für die tatsächliche Gleichbehandlung im Rahmen der Zinsbesteuerung Sorge zu tragen. 36 Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/2501, S. 11) ging davon aus, dass infolge des erhöhten Freibetrages nun 80 v. H. der bis dahin noch Steuerpflichtigen von der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen freigestellt würden.

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sorgung oder als sonstige existenzsichernde Versorgungsgrundlage“ an37. Diese Begründungen des Freibetrags zielen im Grundsatz auf die Förderung von Sparvermögen ab, weniger auf die Erträge aus unternehmerischer Tätigkeit. Ausschüttungen von Dividenden und Liquidationsraten, die ein über die Rechtsform der Kapitalgesellschaft tätiger Unternehmer erhält, zählen aber ebenfalls zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und werden deshalb ebenfalls durch den Sparerfreibetrag begünstigt38. Auch die Investition seines Kapitals in ein Unternehmen kann grundsätzlich als „eigenverantwortliche Vorsorge“ des Bürgers eingeordnet werden, denn durch die unternehmerische Tätigkeit wird ebenso wie durch das Sparen ein Gewinn angestrebt, der „als Quelle der Altersversorgung oder als sonstige existenzsichernde Versorgungsgrundlage“ dienen kann. Eine derartig weitgehende Förderung investierten Kapitals hat der Gesetzgeber aber gar nicht vorgesehen. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, warum eine solche Förderung auf Investitionen in Unternehmen mit der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft beschränkt bleiben sollte. Die ausdrücklich genannten Lenkungszwecke der Freibetragsregelung sind somit nicht in der Lage, die Ungleichbehandlung von unternehmerischen Einkünften zu rechtfertigen.

bb) Typisierung zur Gleichbehandlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen Für die undifferenzierte Anwendung des Sparer-Freibetrages wird angeführt, dass es gesamtwirtschaftlich nicht vertretbar wäre, den Freibetrag auf Geldvermögen im engeren Sinne zu beschränken und dadurch Produktivkapital zu benachteiligen39. Alleine diese Überlegung rechtfertigt aber nicht, dass durch diese Gleichstellung zwar die durch § 20 EStG erfassten Erträge gleich, dass dadurch aber gleichzeitig Gewinne aus einer unternehmerischen Tätigkeit allein wegen ihrer Rechtsform unterschiedlich behandelt werden40. Es könnte aber der Gedanke der Typisierung herangezogen werden, um die pauschale Zurechnung der Einkünfte aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften als solche aus Kapitalvermögen und damit deren Begünstigung zu rechtfertigen41. Ziel dieser Typisierung durch Gleichstellung aller Ein37 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Zinsbesteuerung (Zinsabschlaggesetz), BT-Drs. 12/2501, S. 11. 38 W. Traxel, Die Freibeträge des EStG, S. 169. 39 F.-C. Zeitler, DStZ 1992, 513 (517); F. Dötsch in Kirchhof / Söhn, § 20 EStG Rn. R 14. 40 So auch D. Birk, StVj 1993, 97 (103). 41 W. Jakob, DStR 1992, 893 (894).

§ 3 Einkommensteuerliche Freibeträge

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künfte aus Kapitalvermögen ist die Vereinfachung. Dem Gesetzesanwender bleibt die Abgrenzung schwieriger Fälle erspart, ob die eine oder andere Art der Einkunft vorliegt42. Zu diesem Zweck der Vereinfachung müsste die Typisierung allerdings geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Die Eignung ist sicherlich zu bejahen. Die Regelung hätte aber sicherlich einfacher erfolgen können, in dem man für die Abgrenzung des Sparkapitals von unternehmerischen Einkünften auf die Höhe der wesentlichen Beteiligung nach § 17 EStG abgestellt hätte. Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift eine Beteiligungsgrenze festgelegt, ab der er im Fall einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft eine unternehmerische Betätigung annimmt43. Auch wenn die erhebliche Absenkung dieser Beteiligungsgrenze von einem Viertel auf 1 v. H. auf erhebliche Kritik gestoßen ist44, wäre die Übertragung der Wertung auf § 20 Abs. 4 EStG konsequent gewesen und hätte zu genaueren Ergebnissen geführt als die generelle Gewährung des Freibetrages. Dementsprechend könnte die Gewährung des SparerFreibetrages für Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG auf solche beschränkt werden, die nicht aus einer derartigen wesentlichen Beteiligung stammen. Diese Grenzen der Typisierung sind ferner erreicht, wo die Vereinfachung nicht mehr im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung steht45. Für die Gleichstellung aller Kapitaleinkünfte wird angeführt, dass der Freibetrag für Kapitalgesellschafter keine Rolle spiele, weil diese den Freibetrag ohnehin - durch Zufluss anderweitiger Kapitalerträge - ausschöpfen46. Diese Aussage läuft auf die Behauptung hinaus, bei einem Kapitalgesellschafter seien generell hohe anderweitige Kapitalerträge zu unterstellen47. Diese Feststellung ist aber zu pauschal und trifft im Zweifel gerade auf die Anteilseigner kleinerer Kapitalgesellschaften nicht zu, die einen Großteil ihres Vermögens in ihr Unternehmen investieren. 42 Vgl. F.-C. Zeitler, DStZ 1992, 513 (517), der als Beispiel die Einordnung des partiarischen Darlehens nennt. 43 S. Schneider in Kirchhof / Söhn, § 17 EStG Rn. A 21; J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 547; vgl. auch ders., Perspektiven, S. 28, der ebenfalls die Besteuerung von Unternehmen durch die rechtsformneutrale Inhabersteuer auf personenbezogene Unternehmen mit maximal 100 Anteilseignern begrenzt und damit bei einer größeren Beteiligtenanzahl typisierend von einer Sparanlage ausgeht. 44 Vgl. nur J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 547. 45 BFH v. 19.2.1993 - VI R 94/91, BStBl. II 1993, 551 (555); K.-D. Drüen, StuW 1997, 261 (270). 46 So F.-C. Zeitler, DStZ 1992, 513 (517). 47 D. Birk, StVj 1993, 97 (103).

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3. Ergebnis Personenunternehmen werden bei Vorliegen einer Betriebsaufgabe durch den Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG begünstigt, dessen Anwendung jedoch von diversen Voraussetzungen abhängt. Anteilseignern von Kapitalgesellschaften wird bei der Liquidation ihres Unternehmens neben dem Freibetrag des § 17 Abs. 3 EStG auf die Kapitalrückzahlungen auch der des § 20 Abs. 4 EStG auf die Gewinnrückzahlungen gewährt. Dabei sind keine besonderen Voraussetzungen zu erfüllen. Sämtliche Freibeträge, die als Vergünstigungen im Fall einer Unternehmensliquidation gewährt werden, verfolgen vielgestaltige Zwecke. Die historische Entwicklung der zunächst gleichlaufenden §§ 16 Abs. 4 und 17 Abs. 3 EStG zeigt auf, dass sie mehr oder weniger in die Rechtsformabhängigkeit hineingewachsen sind. Die Entwicklung hat sich allmählich verselbstständigt und erfolgte sichtlich unkoordiniert. Eine Abstimmung bezüglich der Rechtsformen ist seit 1970 nicht mehr geschehen. Das Ergebnis dieser unterschiedlichen Entwicklung lässt sich durch keine ersichtlichen Gründe rechtfertigen. Der Sparer-Freibetrag kommt den liquidierenden Unternehmern eher als Nebenfolge zugute. Der ursprüngliche ausdrückliche Gesetzeszweck dieser Vergünstigung trifft auf Liquidationsgewinne nicht zu. Auch die Ungleichbehandlung der Personenunternehmer in diesem Fall kann nicht gerechtfertigt werden. Für die Ungleichbehandlung von Liquidationsgewinnen aus Personenunternehmen und Kapitalgesellschaft, die durch die unterschiedliche Gewährung von Freibeträgen verursacht wird, findet sich keine sachliche Rechtfertigung. Sie verstößt somit gegen das Gebot der rechtsformneutralen Besteuerung der Art. 3 Abs. 1, 12 GG.

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§ 4 Steuersätze auf Liquidationsgewinne I. Problemstellung Die deutsche Einkommensteuer bemisst sich nach einem linearprogressiven Tarif1. § 32a Abs. 1 EStG sieht vier unterschiedliche Belastungszonen vor. § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG regelt die sog. Nullzone, in der bis zu einem versteuernden Einkommen i. H. v. 7.664 € das Existenzminimum freigestellt wird2. An diesen Grundfreibetrag schlossen sich (im Veranlagungszeitraum 2004) zwei unterschiedlich steigende Progressionszonen an, bis bei einem Betrag von 52.152 € die obere Proportionalzone begann, in der ein Spitzensteuersatz von 45 v. H. Anwendung fand. In den beiden Progressionszonen erhöht sich der Einkommensteuersatz mit jedem zusätzlichen Euro des zu versteuernden Einkommens. Damit steigt der durchschnittliche Einkommensteuersatz, je höher das zugrunde liegende zu versteuernde Einkommen ist. Im Rahmen einer Unternehmensliquidation werden mit einem Schlag sämtliche bestehenden stillen Reserven aufgedeckt, die im Laufe der Existenz des Unternehmens gebildet wurden. Es handelt sich um nicht versteuerte Gewinne, die nun abschließend der Besteuerung zugeführt werden müssen. Bei Kapitalgesellschaften werden zusätzlich offene Reserven aufgelöst, die zwar auf der Ebene der Kapitalgesellschaft bereits durch Körperschaftsteuer belastet sind, bei der Liquidation aber an die Anteilseigner ausgezahlt werden und bei diesen der Einkommensteuer unterworfen werden3. Aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung werden diese aufgedeckten Gewinne nicht in den Veranlagungszeiträumen besteuert, in denen sie tatsächlich entstanden sind, sondern in dem Veranlagungszeitraum, in dem sie im Rahmen der Liquidationsausschüttung zufließen. Dadurch kommt es zu einer Zusammenballung von Gewinnen4. Die einmaligen Einkünfte aus der Liquidation werden nicht einem gesonderten Steuersatz unterworfen, sondern mit den laufenden Einkünften J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 800; D. Dziadowski, BB 1996, 1193 (1200). Allgemein dazu H. Schöberle in Kirchhof / Söhn, § 32a EStG Rn. A 147 f.; E. Wied in Blümich, § 32a EStG Rz. 15 ff. 3 Dazu ausführlich oben in § 2. 4 K. Lindberg in Blümich, § 34 EStG Rz. 21; J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 812. 1 2

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zusammengerechnet und gemeinsam mit diesen grundsätzlich mit einem einheitlichen Steuersatz belegt5. Da die Liquidationsraten zu einem hohen zu versteuernden Einkommen führen, hat dies zur Folge, dass auch die laufenden Einkünfte mit einem sehr viel höheren progressiven Steuertarif besteuert werden6. Weil aber diese Gewinne tatsächlich nicht zu einer nachhaltigen Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führen, sieht das EStG für die Abmilderung dieser Progressionswirkung je nach Rechtsform unterschiedliche Methoden vor7. Diese werden im Folgenden dargestellt und verglichen.

II. Rechtslage 1. Personenunternehmen a) Anwendungsbereich der Progressionsmilderung Die Auswirkung der Liquidationsgewinne auf die Tarifprogression wird bei Personenunternehmen durch § 34 EStG berücksichtigt8. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG ordnet die Gewinne aus einer Betriebsaufgabe - mit Ausnahme der Teile, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen - den außerordentlichen Einkünften zu. Für diese Einkünfte wird die Progressionsmilderung nach § 34 Abs. 1 oder 3 EStG gewährt. Gewinne aus einer allmählichen Liquidation von Personenunternehmen fallen nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift. In diesem Fall fehlt es für die Bejahung einer Betriebsaufgabe an der Voraussetzung, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang veräußert werden9. Ist aber kein einheitlicher Vorgang gegeben, so werden die stillen Reserven des Unternehmens nicht auf einen Schlag aufgedeckt, sondern verteilen sich auf mehrere Jahre. Folglich kommt es nicht zu einer derartigen Auswirkung auf die Tarifprogression wie bei Vorliegen dieser Voraussetzung10. Für die Gewährung der Tarifermäßigung nach § 34 EStG ist es allerdings auch P. Glanegger / S. F. Seeger in Schmidt, § 34 EStG Rz. 1; M. Wendt, FR 1999, 333 (333). P. Glanegger / S. F. Seeger in Schmidt, § 34 EStG Rz. 1; K. Lindberg in Blümich, § 34 EStG Rz. 21. 7 K. Lindberg in Blümich, § 34 EStG Rz. 21; J. Schiffers in Korn, § 34 EStG Rz. 1; G. Juchum, DB 2000, 343 (343). 8 R. Mellinghoff in Kirchhof, § 34 EStG Rz. 2; D. Schulze zur Wiesche, Betriebsveräußerung Rz. 603. 9 Vgl. dazu die Ausführung in § 2 II. 1. dieser Arbeit. 10 H. Brönner, Die Besteuerung der Gesellschaften, B. 2153; E. Kulosa in Hermann / Heuer / Raupach, § 16 EStG Anm. 430. 5 6

§ 4 Steuersätze

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nicht erforderlich, dass es tatsächlich zu einer Progressionsverschärfung kommt11. Um die Progressionsmilderung für die außerordentlichen Einkünfte zu erreichen, kann wahlweise - jeweils auf Antrag - die sog. „Fünftel-Regelung“ des § 34 Abs. 1 EStG oder bei Vorliegen weiterer Merkmale der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch genommen werden12.

b) Tarifglättung nach § 34 Abs. 1 EStG Nach § 34 Abs. 1 EStG beträgt die für die außerordentlichen Einkünfte wie den Betriebsaufgabegewinn anzusetzende Einkommensteuer „das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte“. Ist das zu versteuernde Einkommen ohne die Gewinne aus der Betriebsaufgabe negativ, so bestimmt § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG, dass die Einkommensteuer das Fünffache der auf ein Fünftel des gesamten zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer beträgt. Nach dieser - im Gesetz schwer verständlich formulierten - sog. „FünftelRegelung“ wird als Einkommensteuer für den Betriebsaufgabegewinn das Fünffache des Steuerbetrages angesetzt, der entstehen würde, wenn im fraglichen Jahr nur ein Fünftel des Betriebsaufgabegewinns erzielt worden wäre. Der Betriebsaufgabegewinn wird damit so behandelt als sei er über einen Zeitraum von fünf Jahren entstanden. Dies hat zur Folge, dass ggf. nur ein niedrigerer progressiver Steuersatz zur Anwendung kommt.

c) Ermäßigter Durchschnittssteuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG Hat der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauerhaft berufsunfähig, kann er statt der „Fünftel-Regelung“ wahlweise die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch nehmen. § 34 Abs. 3 EStG mildert die Progressionsverschärfung dadurch ab, dass auf den Betriebsaufgabegewinn 56 v. H. des durchschnittlichen Steuersatzes 11 BFH v. 17.12.1982 - III R 136/79, BStBl. II 1983, 221; K. Lindberg in Blümich, § 34 EStG Rz. 22. 12 B. Erle / J. Eberhard in Müller / Hoffmann, § 11 Rz. 126.

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angewandt wird, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre. Die Anwendung dieses ermäßigten Steuersatzes ist nach oben auf den Betrag von 5 Millionen € beschränkt. Für übersteigende Beträge kommt aber die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG in Betracht13. Nach unten findet eine Mindestbesteuerung statt, indem die Minderung des Steuersatzes auf 16 v. H. begrenzt wird14. Die Regelung kann nach § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden.

2. Kapitalgesellschaften Auf der Ebene der Kapitalgesellschaft unterliegt der durch die Aufdeckung der stillen Reserven verursachte Liquidationsgewinn nach § 11 KStG der Körperschaftsteuer. Deren Steuersatz ist nach § 23 Abs. 1 KStG mit 25 v. H. linear ausgestaltet und damit von der Höhe des Gewinns unabhängig. Eine besondere tarifliche Berücksichtigung des Mehrgewinnes ist hier somit nicht erforderlich. Erst durch die Ausschüttung der Liquidationsraten an den Anteilseigner, die neben den stillen auch die offenen Reserven der Kapitalgesellschaft umfasst, kommt es bei diesem zu einem Mehrgewinn, der eine Auswirkung auf den progressiven Tarif der Einkommensteuer hat. Befinden sich die Anteile an der Kapitalgesellschaft im Privatvermögen des Anteilseigners unterliegen die nach den §§ 17 Abs. 3 und 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtigen Liquidationsausschüttungen nach § 3 Nr. 40 lit. c) und e) EStG nur zur Hälfte der Einkommensbesteuerung. Diese nur hälftige Steuerbefreiung hat auch eine entsprechende Auswirkung auf die Höhe des Steuersatzes. Eine weitere besondere Berücksichtigung der Progressionswirkung - insbesondere durch § 34 EStG - findet nicht mehr statt. Befinden sich die Anteile an der Kapitalgesellschaft in einem Betriebsvermögen eines Unternehmens, das liquidiert wird und sind die Voraussetzungen der Betriebsaufgabe erfüllt, so findet die Tarifermäßigung des § 34 EStG grundsätzlich Anwendung. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG nimmt jedoch den Teil eines Veräußerungs- bzw. Liquidationsgewinns von der Zuordnung als H. Montag in Tipke / Lang, § 18 Rz. 264; K. Lindberg in Blümich, § 34 EStG Rz. 123. J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 817; O. Hagen / D. Schynol, DB 2001, 397 (404); K. Lindberg in Blümich, § 34 EStG Rz. 126. 13 14

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außerordentliche Einkünfte aus, auf den das Halbeinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 lit. b) Satz 2 EStG anzuwenden ist. Da sämtliche Liquidationsausschüttungen der Kapitalgesellschaften hierunter fallen, kommt die Tarifermäßigung insoweit nicht zum Tragen. Dies gilt auch, wenn sich sämtliche Anteile der Kapitalgesellschaft im Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen befinden.

III. Verfassungsrechtliche Würdigung 1. Tarifglättung nach § 34 Abs. 1 EStG und Halbeinkünfteverfahren a) Ursprünglich weitgehende Rechtsformneutralität der Regelung zur Progressionsmilderung Bis zum Steuersenkungsgesetz15 wurden sowohl die Gewinne aus einer Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG als auch die Liquidationsausschüttungen, die der Steuerpflicht nach § 17 Abs. 3 EStG unterlagen, von § 34 Abs. 2 EStG als außerordentliche Einkünfte erfasst und einem gemilderten Steuersatz unterworfen. Dieser gemilderte Steuersatz wurde allerdings nur auf den Teil der Liquidationsausschüttung einer Kapitalgesellschaft angewendet, die auf die Kapitalrückzahlungen entfiel. Nicht von der Progressionsmilderung erfasst wurden die Teile der Liquidationsausschüttung, die auf der Verwendung von Gewinnen beruhten und beim Anteilseigner den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zugerechnet wurden. Entsprechend der Idee des § 34 EStG hätten diese aber ebenfalls den außerordentlichen Einkünften zugeordnet werden müssen, denn auch sie stellen Gewinne dar, die über einen langen Zeitraum in Form von stillen Reserven im Unternehmen gespeichert waren und nun auf einen Schlag aufgedeckt und der Steuer unterworfen werden. Hinsichtlich der Liquidationsausschüttungen nach §§ 16 und 17 EStG herrschte jedoch eine rechtsformneutrale Behandlung durch § 34 EStG. Die Regelung zur Progressionsmilderung in § 34 EStG geht zurück auf den § 58 EStG 192516. Er sah eine Steuerermäßigung für „außerordentliche, nicht regelmäßig wiederkehrende Einkünfte“ vor. Zu diesen außerordentlichen, nicht regelmäßig wiederkehrenden Einkünften zählten nach § 58 Abs. 3 Nr. 1 EStG 1925 auch die Einkünfte aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebes i. S. d. § 30. Gleichgestellt waren diesen Veräu15 Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG) v. 23.10.2000, BStBl. I 2000, 1428. 16 Einkommensteuergesetz v. 10.8.1925, RGBl. I 1925, 189.

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ßerungsgewinnen auch die Gewinne aus der Aufgabe dieses Betriebes und aus der Liquidation einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft17. Der reguläre Tarif des EStG 1925 war in § 55 als Anstoßtarif18 mit acht Stufen von 10 bis 40 v. H. des Einkommens ausgestaltet. Der Spitzensteuersatz wurde ab einem Einkommen von 80.000 Reichsmark erreicht. Die Steuer für das übrige Einkommen, das nicht aus außerordentlichen Einkünften bestand, wurde nach diesem normalen Tarif berechnet. Ihr wurde - wenn das Einkommen den Betrag der ersten Tarifstufe i. H. v. 8.000 Reichsmark überstieg - für die außerordentlichen, nicht regelmäßig wiederkehrenden Einkünfte ein separat zu ermittelnder Steuerbetrag hinzugerechnet. Der anzuwendende Steuersatz bestimmte sich nach der Höhe des übrigen Einkommens. Lag dieses unter dem Betrag von 30.000 Reichsmark betrug die Steuer für die außerordentlichen Einkünfte „mindestens 10 aber nicht mehr als 15 vom Hundert“, ansonsten „mindestens 15 aber nicht mehr als 20 vom Hundert der genannten Einkommensteile“. Innerhalb dieser Grenzen hatte die genaue Bestimmung des Steuersatzes für die außerordentlichen Einkünfte „nach Recht und Billigkeit“ durch das Finanzamt zu erfolgen, wobei weder das Gesetz noch seine Begründung einen Anhalt dafür gaben, welche Gesichtspunkte für die Wahl des Hundertsatzes innerhalb des von ihm gelassenen Spielraums maßgebend sein sollten19. Das EStG 193420 sah ebenfalls einen Anstoßtarif, allerdings mit zehn Stufen, vor. Dieser verlief von einem Eingangssteuersatz i. H. v. 8 v. H. bis zu einem Spitzensteuersatz von 40 v. H.21, der mit einem Einkommen von 100.000 Reichsmark erreicht wurde. Für die Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte, die auch die Liquidationsgewinne umfassten22, wurde die Regelung des § 58 EStG 1925 entsprechend in § 34 EStG übernommen23. Allerdings war „die Einkommensteuer für die außerordentliche Einkünfte auf 10 bis 25 vom Hundert, bei Ledigen auf 15 bis 35 vom Hundert der außerordentlichen Einkünfte zu bemessen“. Auch weiterhin lag die genaue Bestimmung des Steuersatzes im Ermessen des Finanzamtes24, Vgl. dazu bereits ausführlich § 3 III. 2. b) aa) dieser Arbeit. Zu den verschiedenen Tarifarten vgl. T. Siegel in Hermann / Heuer / Raupach, § 32a EStG Anm. 8 f. 19 G. Strutz, EStG 1925, § 58 EStG Anm. 14. 20 Einkommensteuergesetz v. 16. 10. 1934, RStBl. 1934, 1261. 21 Vgl. die Übersicht bei F. Hermann u. a., Die Steuerreform 1934, S. 120. 22 Vgl. erneut oben § 4 III. 2. b) aa) dieser Arbeit. 23 F. Schillinger u. a., Das Einkommensteuergesetz 1934, § 34 EStG Anm. 1. 24 F. Hermann u. a., Die Steuerreform 1934, S. 126. 17 18

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das in ständiger Praxis einen hälftigen durchschnittlichen Steuersatz festsetzte25. Diese Grundstruktur des § 34 EStG wurde in den Folgejahren - mit Ausnahme der Übergangszeit von 1946 bis 1948 - beibehalten26. Auch nach der Ersetzung des Anstoßtarifes durch einen Formeltarif im Gesetz zur Neuordnung von Steuern27 im Jahre 1954 wurde die Regelung zur Progressionsmilderung nicht verändert. Mit Urteil vom 22.10.1964 machte der BFH28 verfassungsrechtliche Bedenken gegen den weiten Rahmen für die Festsetzung des Steuersatzes für außerordentliche Einkünfte geltend: Steuergesetze müssten grundsätzlich so formuliert oder wenigstens von der Rechtsprechung so ausgelegt werden, dass der Steuerpflichtige und sein Berater in der Lage sind, die Tragweite möglicher staatlicher Eingriffe vorauszusehen und bereits aus dem Gesetz zu erkennen, was gefordert werden darf29. Diesen Anforderungen werde § 34 Abs. 1 EStG nur dann gerecht, wenn „der Steuersatz im Einzelfall nach abgrenzbaren, grundsätzlich nur die individuellen Verhältnisse des Steuerpflichtigen berücksichtigenden Merkmalen im Voraus weitgehend bestimmbar und damit die Berücksichtigung sachfremder Erwägungen ausgeschlossen ist“30. Als Reaktion auf dieses Urteil wurde § 34 EStG dahingehend geändert31, dass der ermäßigte Steuersatz nun ausdrücklich in allen Fällen des Vorliegens außerordentlicher Einkünfte „die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes beträgt, der sich ergeben würde, wenn die Einkommensteuertabelle auf den gesamten zu versteuernden Einkommensteuerbetrag anzuwenden wäre“. Der „halbe Steuersatz“ des § 34 EStG galt - mit höhenmäßiger Begrenzung der begünstigten Liquidationsgewinne32 - bis zu seiner Abschaffung durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/200233. Dieses setzte an seine Stelle - auf alle Gewinne aus Liquidationen - die „Fünftel-Regelung“. 25 Vgl. H.-J. Horn in Hermann / Heuer / Raupach, § 34 EStG Anm. 3; M. Wendt, FR 2000, 1199 (1200). 26 Vgl. die Übersicht bei H.-J. Horn in Hermann / Heuer / Raupach, § 34 EStG Anm. 2. 27 Gesetz zur Neuordnung von Steuern v. 16.12.1954, BGBl. I 1954, 373. 28 BFH v. 22.10.1964 - IV 106/64 U, BStBl. III 1965, 44. 29 BFH v. 22.10.1964 - IV 106/64 U, BStBl. III 1965, 44 (45) unter Berufung auf BVerfG v. 15.12.1959 - 2 BvL 73/58, BVerfGE 10, 251 (258) und v. 10.10.1961 - 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153 (160). 30 So ausdrücklich BFH v. 22. 10. 1964 - IV 106/64 U, BStBl. III 1965, 44 (44). 31 Durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Bewertungsgesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1965) v. 14.5.1965, BStBl. I 1965, 217. 32 Vgl. im Einzelnen H.-J. Horn in Hermann / Heuer / Raupach, § 34 EStG Anm. 2 sowie M. Wendt, FR 2000, 1199 (1200). 33 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BStBl. I 1999, 304.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

b) Rechtsformabhängigkeit der Regelungen zur Progressionsmilderung seit dem Steuersenkungsgesetz Mit dem Steuersenkungsgesetz wurde das Halbeinkünfteverfahren eingeführt, also die hälftige Freistellung von Einnahmen aus Kapitalgesellschaften beim Anteilseigner. Gleichzeitig wurde die „Fünftel-Regelung“ des § 34 Abs. 1 EStG für alle, dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Einkünfte abgeschafft. Die Einkünfte aus der Veräußerung und Liquidation wesentlicher Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG wurden aus dem Katalog der außerordentlichen Einkünfte nach § 34 Abs. 2 EStG gestrichen. Waren bisher also nur die Gewinnanteile der Liquidationsausschüttungen nicht von der Steuersatzermäßigung erfasst, so werden nunmehr sämtliche Liquidationsausschüttungen von Kapitalgesellschaften ausgenommen, auch die Teile, die sich aus Rückzahlungen von Nennkapital und Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG zusammensetzen. Die Gewährung der Progressionsmilderung ist damit abhängig von der Rechtsform. Die Gesetzesbegründung des Steuersenkungsgesetzes führt aus, die Streichung der Einkünfte nach § 17 EStG aus dem Katalog der außerordentlichen Einkünfte sei notwendig geworden, um eine „Doppelbegünstigung“ zu vermeiden, da diese Einkünfte bereits durch das Halbeinkünfteverfahren hälftig freigestellt würden34. Der Gesetzgeber geht damit davon aus, dass die Milderung der Progressionsverschärfung durch die geballte Ausschüttung von Liquidationsgewinnen bei Anteilseignern alleine durch das Halbeinkünfteverfahren vorgenommen werden soll. Für den Rechtsformvergleich ist damit das Halbeinkünfteverfahren für Kapitalgesellschafter der im Regelfall35 geltenden Tarifglättung nach § 34 Abs. 1 EStG für Personenunternehmer gegenüber zu stellen.

c) Wirkungsweise der „Fünftel-Regelung“ § 34 Abs. 1 EStG verfolgt den Zweck, Härten durch die Steuerprogression auszugleichen, die dadurch entstehen, dass im Rahmen der Liquidation dem Steuerpflichtigen Gewinne zufließen, die wirtschaftlich Erträge mehrerer Jahre darstellen. Idealerweise würde dieses Ziel erreicht, indem man die jeweiligen Einkünfte auf diejenigen Veranlagungszeiträume ver34 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG), BT-Drs. 14/2683, S. 116. 35 J. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rz. 813.

§ 4 Steuersätze

103

teilte, in denen ihre wirtschaftlichen Ursachen gelegt wurden36. Dies ist aber schon aus praktischen Gründen nicht möglich. Zum einen würde ein solches Vorgehen einen erheblichen Verwaltungsaufwand verursachen, zum anderen dürfte es nahezu unmöglich sein, mit dem notwendigen Maß an Sicherheit festzustellen, wie sich die wirtschaftlichen Ursachen später bezogenen Einkünfte zeitlich verteilen37. Der Gesetzgeber hat daher stets versucht dem Problem in typisierender Weise Herr zu werden38. Das EStG 1925 und das EStG 1934 sahen für die Finanzverwaltung die Möglichkeit vor, den exakten Steuersatz im Rahmen bestimmter Grenzen durch Ermessensentscheidung festzusetzen. Dabei konnten die Umstände des Einzelfalls in die jeweilige Entscheidung einbezogen werden, wie der Zeitraum, in die angesammelten Gewinne entstanden sein konnten, die Höhe der übrigen Einkünfte des Unternehmers in diesem Zeitraum u. s. w.39. Mit der Festlegung der Ermäßigung auf die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes bestand diese Möglichkeit, die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen nicht mehr. Die „Fünftel-Regelung“ behandelt Liquidationsgewinne so, als seien sie in einem Zeitraum von fünf Jahren entstanden. Dabei geht sie von der Annahme aus, das der Liquidationsgewinn in diesem Zeitraum jeweils zu gleichen Teilen in Höhe eines Fünftels des Gesamtgewinns entstanden ist, dass in jedem Veranlagungszeitraum stets übrige Einkünfte in der Höhe vorlagen, wie sie im Veranlagungszeitpunkt der Liquidationsausschüttung vorlagen und dass in all diesen Veranlagungszeiträumen konstant derselbe Steuertarif Anwendung fand.

d) Wirkungsweise des Halbeinkünfteverfahrens Das Halbeinkünfteverfahren ist Teil des grundlegenden Systemwechsels, der durch das Steuersenkungsgesetz bei der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilseigner durchgeführt wurde40. Bis dahin wurde die Vorbelastung der Unternehmensgewinne mit Körperschaftsteuer der Kapitalgesellschaft durch deren Vollanrechnung auf die Einkommensteuer des Anteilseigners neutralisiert. Dies hatte zur Folge, dass Gewinnausschüttungen beim Anteilseigner zielgenau mit dessen individuellen Einkommensteuersatz belastet wurden. Damit sorgte das Vollan36 37 38 39 40

H.-J. Horn in Hermann / Heuer / Raupach, § 34 EStG Anm. 3. H.-J. Horn in Hermann / Heuer / Raupach, § 34 EStG Anm. 3. Vgl. oben unter III. G. Strutz, EStG 1925, § 58 EStG Anm. 14. Vgl. J. Lang, DStJG 24, 49 (94).

104

2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

rechnungsverfahren in optimaler Weise für die Abbildung der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit41. Jedoch wurde es als missbrauchsanfällig und verwaltungsaufwändig kritisiert42. Insbesondere der Verdacht der Europarechtswidrigkeit aufgrund der Tatsache, dass die Möglichkeit einer Anrechnung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung nur für Inländer bestand, führten letztendlich zu seiner Abschaffung43. Das Steuersenkungsgesetz ersetzte das Vollanrechnungsverfahren mit dem Halbeinkünfteverfahren durch ein klassisches Körperschaftsteuersystem mit Entlastung des Anteilseigners (shareholder-relief)44: Auf der Ebene der Kapitalgesellschaft wird nun der Gewinn mit einer Körperschaftsteuer i. H. v. 25 v. H. definitiv belastet. Beim Anteilseigner werden die Einnahmen aus der Kapitalgesellschaft dagegen im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens nur zur Hälfte der Einkommensteuer unterworfen. Das Halbeinkünfteverfahren dient also in typisierender Weise der Berücksichtigung der Vorbelastung der Unternehmensgewinne beim Anteilseigner45. Vor dem Hintergrund dieser Aufgabe des Halbeinkünfteverfahrens, erscheint die Aussage des Gesetzgebers, die Streichung der Gewinne aus der Veräußerung und Liquidation wesentlicher Anteile nach § 17 EStG aus dem Katalog der außerordentlichen Einkünfte sei notwendig, um eine „Doppelbegünstigung“ zu vermeiden, da diese Einkünfte bereits durch das Halbeinkünfteverfahren hälftig freigestellt würden46, zunächst verwirrend. Denn sowohl das Halbeinkünfteverfahren als auch die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG stellen für sich gesehen keine Begünstigungen dar. Beide Regelungen dienen jeweils lediglich einem Nachteilsausgleich. Es handelt sich um Fiskalzwecknormen, die der gleichmäßigen Endbesteuerung der Unternehmensgewinne beim Unternehmer dienen. Allerdings haben sie völlig andere Ansatzpunkte und dürfen deshalb grundsätzlich nicht miteinander vermengt werden47. Das Halbeinkünfteverfahren hat jedoch durch die hälftige Steuerfreistellung der Liquidationsgewinne der Kapitalgesellschaft auch den Effekt der Steuersatzermäßigung. Da die steuerfreie Hälfte der LiquidationsausschütJ. Lang, DStJG 24, 49 (60). Bundesministerium der Finanzen, Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF-Schriftenreihe Heft 66, S. 47 f. 43 Begründung zur Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG), BT-Drs. 14/2683, S. 94. 44 Vgl. J. Lang, DStJG 24, 49 (91). 45 J. Hey, DStJG Sonderband „Unternehmenssteuerreform“, 5 (7). 46 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG), BT-Drs. 14/2683, S. 116. 47 So zutreffend P. Heinemann, § 17 EStG i. d. F. des StSenkG, S. 147 ff. 41 42

§ 4 Steuersätze

105

tung - entgegen der ursprünglichen Planungen48 - nicht im Rahmen des Progressionsvorbehaltes nach § 32b EStG Berücksichtigung findet, erhöht sie den progressiven Einkommensteuersatz nicht. Vielmehr wird auf die Liquidationsausschüttungen ein entsprechend niedrigerer Steuersatz angewendet. Betrachtet man alleine die Auswirkungen des Halbeinkünfteverfahrens auf den Steuersatz, so kommt ihm die gleiche Wirkung zu wie einer Halbierung des Einkommensteuersatzes49. Darüber hinaus sind nun auch die bisher nicht den außerordentlichen Einkünften zugeordneten Teile der Liquidationsausschüttungen durch das Halbeinkünfteverfahren erfasst, die aus Gewinnanteilen bestehen und nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtig sind.

e) Ungleichbehandlung durch „Fünftel-Regelung“ und Halbeinkünfteverfahren aa) Vergleich der beiden Methoden zur Progressionsmilderung Für die Feststellung einer Ungleichbehandlung sind die Folgen auf den Steuersatz gegenüberzustellen, die sich einerseits durch die „Fünftel-Regelung“ des § 34 Abs. 1 EStG und andererseits durch das Halbeinkünfteverfahren ergeben. Die effektiven Auswirkungen beider Methoden sind jedoch abhängig von der Höhe der übrigen, neben dem Liquidationsgewinn vorliegenden Einkünfte. Die „Fünftel-Regelung“ führt nur dann zu einem Vorteil, wenn die gefünftelten außerordentlichen Einkünfte zusammen mit den übrigen Einkünften einen Betrag innerhalb der Progressionszone erreichen. Sie wirkt sich deshalb dann nicht mehr aus, wenn bereits andere Einkünfte ab einer Höhe von 52.152 € vorliegen. Ab diesem Betrag wird die obere Proportionalzone erreicht und jeder zusätzliche Euro zu versteuernden Einkommen mit dem Höchststeuersatz von 45 v. H. belastet. Es spielt dann keine Rolle mehr, ob der Steuerbetrag für den Liquidationsgewinn normal oder unter Verwendung der „Fünftel-Regelung“ ermittelt wird. Mit steigendem Liquidationsgewinn nähert sich in diesem Fall der Durchschnitts- dem Höchststeuersatz i. H. v. 45 v. H. an. Die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens führt in dieser Konstellation stets zu einer günstigeren Besteuerung, denn durch den nur hälftigen Ansatz der Liquidationsausschüttung nähert sich 48 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG), BT-Drs. 14/2683, S. 6. 49 F. Lechner in Oppenhoff & Rädler, Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 80; P. Heinemann, § 17 EStG i. d. F. des StSenkG, S. 147; O. H. Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 601.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

der Durchschnittssteuersatz mit steigendem Liquidationsgewinn lediglich einer maximalen Höhe von 41,875 v. H.50 an. Existieren dagegen neben dem Liquidationsgewinn keine weiteren Einkünfte, so wirkt sich die Fünftelung der Einkünfte am stärksten aus, weil auch die Progressionswirkung, die durch die außerordentlichen Einkünfte aufgrund der Liquidation ausgelöst wird, am größten ist. In dieser Konstellation kann es durch die „Fünftel-Regelung“ im besten Fall zu einem Steuervorteil von 5.080 € kommen. Es handelt sich dabei um das Fünffache des Steuervorteils infolge des Grundfreibetrages. Der Steuerbetrag, der für ein Fünftel der außerordentlichen Einkünfte berechnet wird, berücksichtigt für diesen Fünftelbetrag den Grundfreibetrag bis zu einer Höhe eines zu versteuernden Einkommens von 7.664 €. Es ergibt sich daraus eine Mindersteuer i. H. v. 1.016 €. Dieser Betrag wird durch den fünffachen Ansatz des Steuerbetrages auf ein Fünftel der außerordentlichen Einkünfte ebenfalls verfünffacht. Selbst wenn das Fünftel des Liquidationsgewinns weit über dem Beginn der oberen Proportionalzone liegt, also weit über dem Betrag von 52.152 € findet noch eine Verfünffachung des Grundfreibetrages statt51. Dieses Ergebnis entspricht zwar der Überlegung, die außerordentlichen Einkünfte rechnerisch auf fünf Jahre zu verteilen, denn in jedem dieser fünf Jahre wäre ein Grundfreibetrag gewährt worden. Es geht damit aber über die bloße Abmilderung der Tarifprogression hinaus, denn die Progressionszone beginnt erst oberhalb der Nullzone, die das Existenzminimum freistellt. Beim Halbeinkünfteverfahren kommt es im Fall fehlender anderer Einkünfte durch die definitive Belastung mit Körperschaftsteuer zu einer Sockelbelastung. Diese führt dazu, dass selbst bei sehr niedrigen Liquidationsgewinnen ein im Vergleich zu den Personenunternehmen relativ hoher Durchschnittssteuersatz Anwendung findet.

bb) Beispielsrechnungen Die angestellten Überlegungen werden im Folgenden anhand dreier Rechenbeispiele aufgezeigt: In allen Beispielsfällen der Liquidation eines Per50 Der Liquidationsgewinn (100 v. H.) wird um 25 v. H. KSt gemindert an den Anteilseigner ausgeschüttet (=75 v. H.). Die Ausschüttung wird aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens nur zur Hälfte angesetzt (50 v. H.). Es ergibt sich bei einem Höchststeuersatz der ESt i. H. v. 45 v. H. bezogen auf den Liquidationsgewinn eine maximale Belastung mit ESt i. H. v. 16,875 v. H., der die Vorbelastung mit KSt hinzuzurechnen ist. Es ergibt sich damit eine maximale Durchschnittssteuerbelastung des Liquidationsgewinns mit (45 v. H. * (75 v. H. * 50 v. H.) + 25 v. H. =) 41,875 v. H. 51 Dies liegt daran, dass der Abzugsbetrag in § 32a Abs. 1 Nr. 4 EStG i. H. v. 8. 845 €, in dem das freizustellende Existenzminimum ebenfalls berücksichtigt ist, durch die Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG verfünffacht wird.

107

§ 4 Steuersätze

sonenunternehmens und einer Kapitalgesellschaft liegt ein Liquidationsgewinn i. H. v. 200.000 € vor. In der ersten Fallgruppe existieren daneben keine weiteren Einkünfte. In der zweiten Fallgruppe werden weitere Einkünfte i. H. v. 26.760 € angenommen. Bei diesem Betrag handelt es sich um ein Durchschnittsgehalt in Deutschland im Jahre 200352 und in etwa die Hälfte des Betrages, ab dem der Höchststeuersatz nach § 32a Abs. 1 Nr. 4 EStG beginnt53. In der letzten Fallgruppe werden übrige Einkünfte i. H. v. 52.152 € angesetzt. Das ist der Betrag eines zu versteuernden Einkommens, ab dem der Spitzensteuersatz erreicht wird. Für die jeweiligen Berechnungen des Steuersatzes wird bei den Anteilseignern einer Kapitalgesellschaft die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer einbezogen. Die Gewerbesteuer wird an dieser Stelle zunächst ausgeblendet54. Steuerbelastungsvergleich PersUnt 200.000

KapGes 200.000

PersUnt 200.000

KapGes 200.000

PersUnt 200.000

KapGes 200.000

-

50.000

-

50.000

-

50.000

200.000

150.000

200.000

150.000

200.000

150.000

-

75.000

-

75.000

-

75.000

200.000

75.000

200.000

75.000

200.000

75.000

übrige Einkünfte

0

0

26.760

26.760

52.152

52.152

zu versteuerndes Einkommen

200.000

75.000

226.760

101.760

252.152

127.152

ESt

47.737

24.905

86.343

36.947

104.623

48.373

Gesamtsteuerbelastung (mit ESt und KSt) Differenz in

47.737

74.905

86.343

86.947

104.623

98.373

Durchschnittssteuersatz

23,87 v. H.

Liquidationsgewinn (nach GewSt) Körperschaftsteuer (25 v. H. ) ausschüttbarer Liquidationsgewinn steuerfrei nach § 3 Nr. 40 EStG steuerpflichtig

Differenz

+27.168 37,45 v. H. +13,58 v. H.

+604 38,08 v. H.

38,34 v. H. +0,27 v. H.

-6.250 41,49 v. H.

39,01 v. H. -2,48 v. H.

52 Vgl. Statistisches Bundesamt, Statisches Jahrbuch 2004, Tab. 24.2. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen - Bruttoinlandsprodukt, Bruttonationaleinkommen, Volkseinkommen (Bruttolöhne und -gehälter, monatlich je Arbeitnehmer 2003: 2.230 €). 53 Dieses Ergebnis stimmt mit der Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen überein, wonach der Spitzensteuersatz etwa ab dem doppelten Einkommen des Durchschnittsverdieners gelten soll (vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Zur Reform des Einkommensteuertarifs, S. 11). 54 Sie wird umfassend unten in § 6 dieser Arbeit untersucht.

108

2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Abbildung 1 zeigt grafisch den Verlauf der Steuersätze in der obigen Fallkonstellation auf, bei der ein Liquidationsgewinn i. H. v. 200.000 € bei steigenden übrigen Einkünften angenommen wird: 45

Steuersatz 40

35

30

Durchschnittssteuersatz Personenunternehmen Durchschnittssteuersatz Kapitalgesellschaften

25

übrige Einkünfte 20

0

5000

10000 15000 20000 25000 30000 35000 40000 45000 50000 55000

Abbildung 1: Steuerbelastungsvergleich bei einem Liquidationsgewinn von 200.000 € und steigenden übrigen Einkünften

Wie die Berechnungen verdeutlichen, nimmt die Vorteilhaftigkeit des Halbeinkünfteverfahrens gegenüber der Tarifglättung des § 34 Abs. 1 EStG zu, je höher die neben dem Liquidationsgewinn vorliegenden übrigen Einkünfte sind. Liegen neben dem Liquidationsgewinn keine weiteren Einkünfte vor, führt die Verfünffachung des Grundfreibetrages einerseits und die Sockelwirkung der Körperschaftsteuer andererseits dazu, dass Personenunternehmen deutlich günstiger besteuert werden als Kapitalgesellschaften. Ohne die „Fünftel-Regelung“ läge das zu versteuernde Einkommen des Personenunternehmers in der oberen Proportionalzone und würde mit dem Spitzensteuersatz von 45 v. H. besteuert. Durch den lediglich gefünftelten Ansatz liegt es dagegen in der oberen Progressionszone und wird einem erheblich niedrigeren Steuersatz unterworfen. Statt eines Durchschnittssteuersatzes von 40,58 v. H. kommt durch die Tarifglättung nur ein solcher i. H. v. 23,87 v. H. zum Tragen. Dagegen liegt bei Kapitalgesellschaften bereits durch Körperschaftsteuer eine Sockelbelastung von 25 v. H. vor, zu der Einkommensteuer i. H. v. etwa 12,45 v. H. hinzutritt. Die Tarifglättung des § 34 Abs. 1 EStG ist in diesem Fall günstiger als das Halbeinkünfteverfahren.

§ 4 Steuersätze

109

Bei übrigen Einkünften i. H. v. 26.760 € liegt der durchschnittliche Steuersatz bei einem Personenunternehmen bei 38,08 v. H. und beim Kapitalgesellschafter 38,34 v. H. Es kommt hier zu einer annähernd gleichen Steuerbelastung der unterschiedlichen Rechtsformen. Liegen übrige Einkünfte i. H. v. 52.152 € vor, wird bereits durch diese die obere Proportionalzone des Einkommensteuertarifs erreicht. Die „FünftelRegelung“ hat keine Auswirkungen mehr. In dieser Situation werden Kapitalgesellschafter durch das Halbeinkünfteverfahren nun deutlich günstiger gestellt. f) Rechtfertigung durch Typisierung Eine zumindest annähernde Gleichbehandlung der Liquidationsgewinne von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaft im Hinblick auf den Steuersatz findet somit in der vorliegenden Konstellation nur dann statt, wenn der Unternehmer weitere Einkünfte i. H. v. etwa 26.000 € erzielt. Man könnte daher annehmen, dass der Gesetzgeber mit den beiden gegenübergestellten Regelungen zur Progressionsmilderung, der Tarifglättung des § 34 Abs. 1 EStG und dem Halbeinkünfteverfahren, genau diesen typischen Fall im Auge hatte, bei dem der liquidierende Unternehmer neben seinem Liquidationsgewinn Einkünfte in der Höhe erzielt, die einem Durchschnittsverdienst entsprechen und etwa die Hälfte des Betrages ausmachen, ab dem der Spitzensteuersatz erreicht wird. Eventuelle Ungleichbehandlungen, die von diesem typischen Fall abweichen, könnten dann ggf. unter dem Gesichtspunkt der Typisierung aus Vereinfachungszwecken gerechtfertigt werden. Dem ist aber nicht so, wie die nachfolgende Abbildung 2 aufzeigt. In dieser wird angenommen, dass der Steuerpflichtige in allen Fällen übrige Einkünfte in Höhe des Durchschnittsverdienstes, also 26.760 €, erzielt und daneben einen Liquidationsgewinn in steigender Höhe:

110

2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung 4

4

3

3 Durchschnittssteuersatz Personenunternehmen Durchschnittssteuersatz Kapitalgesellschaften 2 Liquidationsgewinn 2 1000

11000

21000

31000

41000

51000

61000

71000

81000

Abbildung 2: Steuerbelastungsvergleich bei steigendem Liquidationsgewinn und übrigen Einkünften i. H. v. 26.760 €

Hier zeigt sich, dass die gleiche Belastung in der Nähe eines Liquidationsgewinns i. H. v. 200.000 € ein Zufallstreffer ist. Ist der Liquidationsgewinn niedriger, wird das Personenunternehmen bevorzugt, ist er höher, so liegt eine Benachteiligung vor. Ob Liquidationsgewinne von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften damit einem gleichen Steuersatz unterliegen, ist sowohl von der Höhe des Liquidationsgewinnes als auch von der Höhe der übrigen Einkünfte abhängig. Die Gleichbehandlung ist daher eher ein Zufallsprodukt, denn gezieltes Produkt gesetzgeberischer Arbeit. Das ist nicht verwunderlich, denn in erster Linie soll das Halbeinkünfteverfahren schon typisiert der Berücksichtigung der Körperschaftsteuervorbelastung beim Anteilseigner dienen. In jedem Fall liegt in den häufigsten Fällen eine Ungleichbehandlung beider Rechtsformen vor. Voraussetzung für eine zulässige Typisierung, die nicht gegen den Gleichheitssatz verstoßen soll ist aber gerade, dass sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betrifft55. Darüber hinaus darf der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sein56. Wie die Berechnungen in Abbildung 1 aber aufzeigen, differieren die Steuersätze bei der Liquidationsbesteuerung der Unternehmen in unterschiedlichen Rechtsformen erheblich, im Extremfall, in dem keine 55 BVerfG v. 17.11.1992 - 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 (255); v. 4.4.2001 - 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310 (319). 56 BVerfG v. 8.2.1983 - 1 BvL 28/79, BVerfGE 63, 119 (128); v. 28.4.1999 - 1 BvL 11/94 u. a., BVerfGE 100, 138 (174).

§ 4 Steuersätze

111

weiteren Einkünfte vorliegen, bis zu 13,58 Prozentpunkten57. Diese Ungleichbehandlungen sind fraglos als erheblich zu bezeichnen. Die Festlegung der Steuersätze für die Liquidationsbesteuerung bei Personenunternehmern und Anteilseignern ist nach alldem viel zu grob, um die Ungleichbehandlungen als Folge einer zulässigen Typisierung gerechtfertigt zu werden. g) Andere Rechtfertigungsgründe Lenkungszwecke kommen zur Begründung der Unterschiede ebenfalls nicht in Betracht, weil schon gar nicht nachvollzogen werden kann, welche Rechtsform überhaupt auf welche Art und Weise bevorzugt werden soll. Voraussetzung für eine Rechtfertigung mit Förderungs- und Lenkungszwecken ist es aber, dass dieses Ziel als Entscheidung des Gesetzgebers erkennbar ist und dass die Vergünstigungsnorm ein Mindestmaß an zweckgerechter Ausgestaltung aufweist58. Auch ein Vorteilsausgleich für die unterschiedliche Thesaurierungsbesteuerung kann nicht angenommen werden59, da die in dieser Phase durch den niedrigen Körperschaftsteuersatz besser gestellten Kapitalgesellschaften - insbesondere bei höheren Gewinnen - auch im Rahmen der Liquidationsbesteuerung besser gestellt werden. Eine andere Rechtfertigung für die Ungleichbehandlungen aufgrund der unterschiedlichen Methoden zur Progressionsmilderung ist somit nicht ersichtlich.

57 In einem anderen Extremfall, in dem bei einem Liquidationsgewinn von 40. 000 € keine weiteren Einkünfte erzielt werden, kommt es sogar zu einer Differenz der Steuersätze von 28,25 v. H. zu Lasten der Kapitalgesellschaft! Zweistellige Differenzen sind (aufgrund der Definitivbesteuerung) gerade dann keine Seltenheit, wenn neben dem Liquidationsgewinn nur geringe Einkünften erzielt wurden. 58 BVerfG v. 6.3.2002 - 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (113 f.). 59 Hierzu allgemein für Thesaurierung und Ausschüttung J. Hey, DStJG 24, 155 (187).

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

2. Ermäßigter Durchschnittssteuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG und Halbeinkünfteverfahren a) Ungleichbehandlung durch ermäßigten Durchschnittssteuersatz und Halbeinkünfteverfahren Anders als die Tarifglättung durch die „Fünftel-Regelung“ des § 34 Abs. 1 EStG wirkt die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG nicht mittelbar über eine Minderung der Bemessungsgrundlage auf den Steuersatz, sondern verringert diesen unmittelbar. Auf einem im zu versteuernden Einkommen enthaltenen Liquidationsgewinn bis zu dem Betrag von maximal 5 Mio. € wird ein ermäßigter Steuersatz angewandt, der 56 v. H. des regulären durchschnittlichen Steuersatzes beträgt. Abbildung 3 zeigt im Vergleich auf, wie die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG im Vergleich zum Halbeinkünfteverfahren wirkt, wenn neben einem steigenden Liquidationsgewinn weitere Einkünfte in Höhe eines durchschnittlichen Einkommens von 26.760 € erzielt werden. 45

Steuersatz 40

35

Durchschnittssteuersatz Personenunternehmen Durchschnittssteuersatz Kapitalgesellschaften

30

25

übrige Einkünfte 20

0

10000

20000

30000

40000

50000

60000

70000

80000

Abbildung 3: Steuerbelastungsvergleich bei steigendem Liquidationsgewinn und übrigen Einkünften i. H. v. 26.760 €

Es zeigt sich, dass sich der ermäßigte Steuersatz unabhängig von der Höhe des Liquidationsgewinns deutlich vorteilhafter auswirkt als das Halbeinkünfteverfahren. Die Unterschiede bei den Durchschnittssteuersätzen erreichen Höhen von über 16 Prozentpunkten. Der Durchschnittssteuersatz für die Liquidationsbesteuerung von Personenunternehmen nähert sich der Höhe von 25,2 v. H., also 56 v. H. des normalen Spitzensteuersatzes von 45

113

§ 4 Steuersätze

v. H. an, während die maximale durchschnittliche Belastung mit Körperschaft- und Einkommensteuer bei der Liquidation einer Kapitalgesellschaft den Steuersatz von 41,875 v. H. erreicht. Eine Gleichbehandlung der Rechtsformen liegt nicht einmal annäherungsweise vor. Dies wird noch einmal verdeutlicht auf der Grafik in Abbildung 4. Auf dieser werden die durchschnittlichen Steuersätze für den Fall dargestellt, indem neben einem Liquidationsgewinn i. H. v. 200.000 € steigende weitere Einkünfte erzielt werden. 45

Steuersatz 40

35

Durchschnittssteuersatz Personenunternehmen Durchschnittssteuersatz Kapitalgesellschaften

30

25

übrige Einkünfte 20

0

10000

20000

30000

40000

50000

60000

70000

80000

Abbildung 4: Steuerbelastungsvergleich bei einem Liquidationsgewinn von 200.000 € und steigenden übrigen Einkünften

Durch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf den Liquidationsgewinn von Personenunternehmen kommt es also stets zu einer erheblichen Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften, die durch die alleinige Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens in großem Maße benachteiligt werden. Da dem Halbeinkünfteverfahren primär die Aufgabe zukommt, in typisierender Form die Körperschaftsteuervorbelastung der ausgeschütteten Gewinne beim Anteilseigner zu berücksichtigen, kann dieses Ergebnis - wie schon bei der Tarifglättung des § 34 Abs. 1 EStG nicht verwundern. b) Förderung der Altersvorsorge als Rechtfertigung Die in § 34 Abs. 3 EStG vorzufindende Steuerermäßigung findet ihren Ursprung in dem halben durchschnittlichen Steuersatz, der seit 1965 regelmäßig mit dem Ziel der Progressionsmilderung angewendet wurde. In dieser Gestalt galt er für die außerordentlichen Einkünfte, zu denen sowohl

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

die Liquidationsgewinne der Personenunternehmer als auch der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften zählten - letztere allerdings ebenfalls beschränkt auf den nach § 17 EStG steuerpflichtigen Teil60. Der „halbe Steuersatz“ wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000/2002 vollständig abgeschafft und durch die „Fünftel-Regelung“ ersetzt. Diese Maßnahme wurde damit begründet, die bisherige Regelung begünstige Steuerpflichtige, „die aufgrund ihrer Einkommen regelmäßig der Spitzenbelastung unterliegen, weit über das bezweckte Ziel hinaus“61. Dem späteren Steuersenkungsgesetz stimmte der von der Opposition dominierte Bundesrat unter anderem mit der Auflage zu, dass es zu einer „Wiedereinführung des halben Steuersatzes für Betriebsveräußerungen und Betriebsaufgaben für aus dem Berufsleben ausscheidende Unternehmer einmal im Leben“ käme62. Diese Forderung wurde absprachegemäß durch das Steuersenkungsergänzungsgesetz63 erfüllt64. Als ausdrückliches Ziel wurde in der Gesetzesbegründung angeführt, der nunmehr wieder eingeführte halbe Durchschnittssteuersatz diene der „Sicherung der Altersvorsorge von aus dem Berufsleben ausscheidenden Unternehmern“65. Damit hat die Regelung des ermäßigten Steuersatzes in § 34 Abs. 3 EStG seine ursprüngliche Aufgabe der Progressionsmilderung verloren. Er dient nunmehr nicht mehr Fiskalzwecken, also der Bestimmung einer gerechten Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern mit der Förderung der Altersvorsorge Sozialzwecken. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass unter dem Dach der Vorschrift des § 34 EStG nunmehr zwei Regelungen vereint sind, die zwar eine gemeinsame Entwicklung, aber völlig unterschiedliche Zielrichtungen aufweisen66. Die Tarifermäßigung knüpft an die gleichen Voraussetzungen an wie der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG, mit dem sie auch die Zielrichtung Zur Kritik s. bereits oben unter 1. a). So die Begründung zum Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BTDrs. 14/23, S. 183. 62 Vgl. BR-Drs. 410/2/00. 63 Gesetz zur Ergänzung des Steuersenkungsgesetzes (Steuersenkungsergänzungsgesetz StSenkErgG) v. 19.12.2000, BStBl. I 2001, 25. 64 Vgl. R. Mellinghoff in Kirchhof, § 34 EStG Rz. 3; B. Schmidt, DB 2000, 2401 (2401); M. Wendt, FR 2000, 1199 (1200). Erst durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 (HBeglG 2004 v. 29.12.2003, BStBl. I 2004, 120 [126]) wurde die geltende Rechtslage hergestellt, indem die Tarifermäßigung von 50 auf 56 v. H. des durchschnittlichen Steuersatzes vermindert wurde. 65 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Steuersenkungsgesetzes (Steuersenkungsergänzungsgesetz - StSenkErgG), BT-Drs. 14/4217, S. 8. 66 H.-J. Horn in Hermann / Heuer / Raupach, § 34 EStG Anm. 3. 60 61

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teilt67. Ebenso wie dieser erreicht sie eine Besserstellung des Personenunternehmers gegenüber dem Kapitalgesellschafter, der die notwendige Altersgrenze erreicht hat oder dauernd berufsunfähig ist. Und auch für die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG gilt, dass die Förderung der Altersvorsorge zwar als sachliche Rechtfertigung für eine Besserstellung herangezogen werden kann. Sie kann aber nicht die Ungleichbehandlung von unternehmerisch tätigen natürlichen Personen begründen, die ihr Unternehmen lediglich in unterschiedlichen Rechtsformen organisiert haben68. c) Gleichstellung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften In der das Gesetzgebungsverfahren begleitenden Diskussion wurde als Argument für die Wiedereinführung des halben durchschnittlichen Steuersatzes auch die Gleichstellung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften angeführt69. Denn durch das Steuersenkungsgesetz wurden Gewinne von Kapitalgesellschaften aus der Veräußerung und Liquidation von Anteilen an anderen Kapitalgesellschaften nach § 8b Abs. 2 KStG freigestellt. Da kurz zuvor der halbe durchschnittliche Steuersatz durch die „Fünftel-Regelung“ ersetzt wurde, forderte man eine entsprechende „Begünstigung“ auch der Personenunternehmen70. Eine solche Rechtfertigung des § 34 Abs. 3 EStG kann aber nicht überzeugen. Die Steuerfreiheit der Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen ist eine konsequente Folge der Grundentscheidung für das neue System der Körperschaftsbesteuerung. Nach dieser sollen Unternehmensgewinne auf der Ebene der Kapitalgesellschaft nur einer Einmalbelastung mit Körperschaftsteuer unterworfen werden. Dividendenzahlungen einer Kapitalgesellschaft an eine an ihr beteiligte andere Kapitalgesellschaft sind daher nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei. Beteiligungsveräußerungen kommen nach Auffassung des Gesetzgebers wirtschaftlich einer Totalausschüttung gleich und sind daher gemäß § 8b Abs. 2 KStG ebenfalls steuerfrei zu stellen71. Erst im Falle einer Gewinnausschüttung an eine natürliche Person - auch im Rahmen der Liquidation kommt es zu einer Nachbelastung mit dessen persönlichen Einkommen67 Vgl. die gleichgelagerten Ausführungen im Zusammenhang mit der Gewährung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG unter § 3 III. 2. b) cc). 68 So auch J. Hey, DStJG 24, 155 (203); R. Hüttemann, DStJG 25, 123 (131). 69 Vgl. auch FG Baden-Württemberg v. 25.2.2002 - 6 V 71/01, EFG 2002, 684 (686). 70 Z. B. P. Bareis, StuW 2000, 133 (142); J. Schiffers, GmbHR 2000, 205 (209). 71 Ausführlich G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne; ferner u. a. D. Birk, StuW 2000, 328 (336); W. Schön, StuW 2000, 151 (158); a. A. M. Romswinkel, GmbHR 2002, 1059 (1062); kritisch auch J. Hey in Tipke / Lang, § 11 Rz. 12.

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steuersatz72. Die Steuerfreiheit der Veräußerungs- und Liquidationsgewinne nach § 8b Abs. 2 KStG stellt somit keine Sozialzwecknorm dar wie die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG, die der Altersvorsorge des Unternehmers dient. Vielmehr ist sie eine Fiskalzwecknorm, die der Vermeidung einer Mehrfachbesteuerung unternehmerischer Gewinne mit Körperschaftsteuer dienen soll. Eine derartige Steuerfreistellung ist bei Personenunternehmen aber nicht erforderlich, da die Gewinne den Gesellschafter aufgrund des Transparenzprinzips unmittelbar zugerechnet werden. Eine Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne kann hier somit gar nicht eintreten. Den ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 3 EStG kann man aber auch schon deshalb nicht der Regelung des § 8b Abs. 2 KStG gegenüber stellen, weil diese immer, der ermäßigte Steuersatz dagegen nur einmal im Leben und unter engen Voraussetzungen gewährt wird73. Eine Rechtfertigung des ermäßigten Steuersatzes durch den Aspekt der Gleichbehandlung der Rechtsformen hinsichtlich der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen scheidet daher ebenfalls aus74. 3. Ergebnis Zur Abmilderung der Progressionswirkung, die im Rahmen einer Liquidation durch die Aufdeckung der Reserven zustande kommt, wird bei Personenunternehmen die Tarifglättung nach § 34 Abs. 1 EStG gewährt, die den Betriebsaufgabegewinn rechnerisch auf fünf Jahre verteilt. Für Anteilseigner von Kapitalgesellschaften wurde diese Milderung bis zum Steuersenkungsgesetz ebenfalls gewährt. Seitdem soll die gleiche Wirkung durch das Halbeinkünfteverfahren erreicht werden, das aber gleichzeitig der Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung dienen soll. Eine Gleichbehandlung durch diese beiden unterschiedlichen Methoden wird nur im Ausnahmefall erreicht und kann daher schon deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Typisierung gerechtfertigt werden. Andere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich, zumal eine derartige Ungleichbehandlung vom Gesetzgeber gar nicht gewollt ist. Es liegt somit ein Verstoß gegen das Gebot der rechtsformneutralen Besteuerung aus den Art. 3 Abs. 1, 12 GG vor. 72 Vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG), BT-Drs. 14/2683, S. 96. 73 FG Baden-Württemberg v. 25.2.2002 - 6 V 71/01, EFG 2002, 684 (685). 74 So auch R. Hüttemann, DStJG 25, 123 (131); D. Birk, StuW 2000, 328 (336); J. Lang, DStJG 24, 49 (104); G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 385 f.

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Der ermäßigte Durchschnittssteuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG stellt keine Fiskalzwecknorm dar, sondern soll als Lenkungsnorm die Altersvorsorge der Personenunternehmer fördern. Dies führt zu einer erheblichen Bevorteilung dieser Unternehmergruppe. Das Lenkungsziel ist auch für die Anteilseigner von Kapitalgesellschaften einschlägig. Die Beschränkung auf Personenunternehmen ist nicht zu rechtfertigen und verstößt deshalb ebenfalls gegen den Gleichheitssatz.

§ 5 Liquidationsverluste in der Einkommen- und Körperschaftsteuer I. Vorbemerkung Als Ergebnis einer Liquidation wird in den §§ 16 Abs. 2 EStG und 11 Abs. 2 KStG ausdrücklich nur der Gewinn genannt. Es ist jedoch unzweifelhaft, dass Gewinn im Sinne dieser Bestimmungen auch eine negative Größe, also ein Verlust im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches sein kann1. Die steuerliche Berücksichtigung derartiger Verluste wird durch verschiedene Regelungen beschränkt. Dabei sind die Beschränkungen auch hier davon abhängig, in welcher Rechtsform das liquidierte Unternehmen betrieben wird. Im folgenden Paragraphen wird die Berücksichtigung der Liquidationsverluste dargestellt und unter verfassungsrechtlichen Aspekten verglichen.

II. Rechtslage 1. Personenunternehmen Bei einem Personenunternehmen kommt es zu einem Liquidationsverlust, wenn die Höhe des Liquidationserlöses geringer ist als der Buchwert des Betriebsvermögens und die Aufgabekosten2. Den Verlust kann ein Einzelunternehmer unbeschränkt mit seinem laufenden Gewinn oder mit anderen positiven Einkünften im gleichen Veranlagungszeitraum verrechnen3. Soweit eine solche Verrechnung mit positiven Einkünften im gleichen Veranlagungszeitraum nicht möglich ist, kommt zunächst ein Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG in Betracht. Der Ausgleich negativer Einkünfte eines Veranlagungszeitraums mit positiven Einkünften aus dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum ist jedoch auf einen Betrag von 511.500 €4 begrenzt. Können die Verluste auch BFH v. 12.6.1975 - IV R 10/72, BStBl. II 1975, 853 (854). BFH v. 12.6.1975 - IV R 10/72, BStBl. II 1975, 853 (854 f.); H. Gänger in Bordewin / Brandt, § 16 EStG Rz. 78. 3 G. Stuhrmann in Blümich, § 16 EStG Rz. 424; O. M. Sauer / H. Schwarz, Steuerliche Folgen Rn. 168. 4 Bei Ehegatten werden alle Beschränkungsbeträge verdoppelt. 1 2

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durch den Rücktrag nicht ausgeglichen werden, so erfolgt nach § 10d Abs. 2 EStG ein Verlustvortrag. Dieser erfolgt bis zur Höhe eines Sockelbetrages von 1 Mio. € unbeschränkt durch Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte. Ist der Verlust dann immer noch nicht ausgeglichen kann vom verbleibenden Gesamtbetrag der Einkünfte 60 v. H. für einen weiteren Verlustausgleich verwendet werden. Damit kommt es zu einer Mindestbesteuerung von wenigstens 40 v. H. des ursprünglichen Gesamtbetrages der Einkünfte. Der Verlust einer Personengesellschaft wird den Gesellschaftern anteilig zugerechnet. Gewährt ein Personengesellschafter seiner Gesellschaft ein Darlehen, so ist dieses Bestandteil des Sonder-Betriebsvermögens. Fällt das Darlehen aus, weil die Gesellschaft nicht zur Zahlung in der Lage ist, so erhöht dies den Verlustanteil des Gesellschafters. Entsprechendes gilt für eine Forderung, die der Gesellschafter infolge der Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung für Verbindlichkeiten seiner Personengesellschaft gegen diese erhalten hat. Auch die Gesellschafter der Personengesellschaft können die anteiligen Verluste der Personengesellschaft mit ihren positiven anderen Einkünften verrechnen und müssen bei verbleibenden negativen Einkünften den begrenzten Verlustrück- und -vortrag des § 10d EStG beanspruchen. Dabei kommen bei jedem Gesellschafter die Begrenzungsbeträge des § 10d EStG zum Tragen. Es kommt also zu einer Vervielfachung der Ausgleichsmöglichkeit beim Verlustrücktag. 2. Kapitalgesellschaften a) Ebene der Kapitalgesellschaft Die Liquidation einer Kapitalgesellschaft führt zu einem Verlust, wenn das Abwicklungs-Anfangs- das Abwicklungs-Endvermögen übersteigt5. In diesem Fall ist eine Verrechnung des Liquidationsverlustes mit anderem Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht möglich, da solches nicht existiert. Da nach der Beendigung der Liquidation die Kapitalgesellschaft als solche zu bestehen aufhört, ist auch ein Verlustvortrag in nachfolgende Veranlagungszeiträume nicht möglich6. Diese Besonderheit der Kapitalgesellschaft findet durch die Regelung des § 11 Abs. 1 KStG Berücksichtigung. Danach ist der im Zeitraum der gesamten Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen. 5 6

Vgl. B. Jäger in Hottmann u. a., Die GmbH im Steuerrecht, N 44. W. Förster / V. Döring, Die Liquidationsbilanz, Rz. 34.

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§ 11 KStG bestimmt damit für die Kapitalgesellschaft abweichend von den allgemeinen Regeln einen eigenen Gewinnermittlungs- und Veranlagungszeitraum7. Dieser soll allerdings nach § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG die Dauer von drei Jahren nicht übersteigen. Mit dieser Begrenzung soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige durch eine Scheinliquidation, also durch Auflösungsbeschluss ohne anschließende Liquidation, in den Genuss einer Steuerstundung gelangen8. Entstehen innerhalb dieses maximal dreijährigen Zeitraums Verluste, können diese mit den in der gleichen Zeit entstehenden Gewinnen verrechnet werden. Verbleibt als Liquidationserfolg ein Verlust, so besteht dann die Möglichkeit eines Verlustrücktrages nach § 10d Abs. 1 EStG, der über § 8 Abs. 1 KStG auch für Kapitalgesellschaften anwendbar ist9. Der Liquidationsverlust des besonderen Besteuerungszeitraums nach § 11 KStG kann danach bis zu einer Höhe von 511.500 € nur in den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum zurückgetragen werden10. Der vorangegangene Veranlagungszeitraum kann auch ein Rumpfwirtschaftsjahr sein, das vom Beginn des laufenden Wirtschaftsjahres bis zum Tag der Auflösung zu bilden ist11. Wurde ein Rumpfwirtschaftsjahr vor Beginn des Liquidationsgewinnzeitraumes gebildet, so ist der Liquidationsverlust nur in dieses zurücktragbar. Ein nach dieser Vorschrift nicht verrechenbarer Verlust geht für eine weitere Berücksichtigung verloren12. b) Ebene des Anteilseigners Ein Liquidations- oder Auflösungsverlust entsteht auf der Ebene des Anteilseigners, wenn die Anschaffungskosten des Gesellschafters und die 7 F. Hofmeister in Blümich, § 11 KStG Rz. 1; H. Klein in Hermann / Heuer / Raupach, § 11 KStG Anm. 41. 8 F. Hofmeister in Blümich, § 11 KStG Rz. 39; I. Graffe in Dötsch / Eversberg / Jost / Pung / Witt, § 11 KStG Rz. 18. 9 B. Lang in Ernst & Young, § 8 KStG Rz. 285. 7; G. Frotscher in Frotscher / Maas, § 8 KStG Rz. 159. 10 G. Förschle / M. Deubert in Budde / Förschle, Sonderbilanzen, R 447; G. Frotscher in Frotscher / Maas, § 11 KStG Rz. 26. 11 H. M.: BFH v. 17.7.1974 - I R 233/71, BStBl II 1974, 692; v. 9.3.1983 - I R 202/79, BFHE 138, 81 (83); v. 22.10.1998 - I R 15/98, BFH / NV 1999, 829; H. Klein in Hermann / Heuer / Raupach, § 11 KStG Anm. 42; G. Frotscher in Frotscher / Maas, § 11 KStG Rz. 22; N. Herzig, FR 1979, 289 (290); M. Olbrich, DStR 2001, 1090 (1092); U. Sommer, StbKRep 1994, 137 (148); F. Witte, StuB 2000, 15 (17); a. A. R. Thiel, AG 1960, 270 (271); wohl auch H. Olgemüller in Streck, § 11 KStG Rn. 5; E. Ranft, FR 1966, 411 (412). Die Finanzverwaltung räumt dem Steuerpflichtigen in R 46 Abs. 1 Satz 4 KStR das Wahlrecht ein, statt der Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres den Zeitraum des Wirtschaftsjahres vor der Auflösung in den Ermittlungszeitraum für den Abwicklungsgewinn einzubeziehen. Dieses Wahlrecht entbehrt jedoch jeglicher rechtlichen Grundlage. 12 B. Jäger in Hottmann u. a., Die GmbH im Steuerrecht, N 44.

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von ihm im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft persönlich getragenen Kosten den gemeinen Wert des dem Gesellschafter zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen13. Dabei wird der Begriff der Anschaffungskosten mit Rücksicht auf das objektive Nettoprinzip weit ausgelegt14. Er umfasst nicht nur die zum Erwerb der Beteiligung aufgewendeten Kosten, sondern auch nachträgliche Anschaffungskosten des Anteilseigners, soweit sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten noch Veräußerungskosten sind15. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Anteilseigner mit seiner Rückerstattungsforderung aus einem Darlehen oder einer für Gesellschaftsschulden übernommenen Bürgschaft wegen Vermögenslosigkeit der Gesellschaft ausfällt16. Liegt danach ein Liquidationsverlust vor, greift zunächst die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG, die seinen steuerlichen Abzug in bestimmten Konstellationen aus Gründen der Missbrauchsvermeidung untersagt17. Die Vorschrift will verhindern, dass Verluste durch bestimmte Gestaltungen steuerlich abziehbar gemacht werden, während andererseits ein entsprechender Gewinn aus der Liquidation der Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht steuerpflichtig wäre18. Die Vorschrift untersagt den Verlustabzug soweit er auf Anteile entfällt, die der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre unentgeltlich erworben hat, es sei denn auch der Rechtsvorgänger hätte den Verlust geltend machen können. Damit soll verhindert werden, dass ein nicht wesentlich Beteiligter seinen Anteil an einen wesentlich Beteiligten verschenkt, um diesen den Verlustabzug zu ermöglichen. Ebenfalls nicht abziehbar sind Liquidationsverluste bei Anteilen, die entgeltlich erworben wurden und nicht innerhalb der letzten fünf Jahre zu einer wesentlichen Beteiligung des Steuerpflichtigen gehört haben. Dies gilt nicht für innerhalb der letzten fünf Jahre erworbene Anteile, deren Erwerb zur Begründung einer wesentlichen Beteiligung des Steuerpflichtigen geführt hat oder die nach Begründung der wesentlichen Beteiligung erworben worden sind. Die auf diese Anteile entfallenden Verluste sind anteilig steuerlich abziehbar19. Damit soll ebenfalls verhindert werden, dass der 13 BFH v. 3.6.1993 - VIII R 23/92, BFH / NV 1994, 459; v. 3.6.1993 - VIII R 81/91, BFHE 172, 407 (408); A. Hollatz, NWB Fach 3, 11855 (11857). 14 J. Wolff-Diepenbrock, DB 1994, 1539; A. Hollatz, NWB Fach 3, 11855 (11857). 15 BFH v. 27.10.1992 - VIII R 87/89, BFHE 170, 53; v. 12.12.2001 - VIII R 36/97, BFH / NV 2001, 761; A. Hollatz, NWB Fach 3, 11855 (11857). 16 H. Gschwendtner, DStR-Beihefter zu Heft 32/1999, S. 1. 17 BT-Drs. 14/23, S. 179; H. Weber-Grellet in Schmidt, § 17 EStG Rz. 197. 18 BT-Drs. 14/23, S. 179. 19 S. Schneider in Kirchhof / Söhn, § 17 EStG Rn. C 427; M. Strahl in Korn, § 17 EStG Rz. 102; M. Wendt, FR 1999, 333 (348).

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Steuerpflichtige durch den Zuerwerb weniger Anteile eine wesentliche Beteiligung erhält, die ihm den Abzug des gesamten Verlustes ermöglicht. Bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften werden diese Verlustabzugsbeschränkungen - die sich als weitere Folge des Einkünftedualismus ergeben20 - in der Regel keine Anwendung finden, weil die Anteilseigner zu mehr als 1 v. H. an ihrer Gesellschaft beteiligt sind und somit eine wesentliche Beteiligung innehalten. Die Beschränkung greift auch dann nicht ein, wenn sich die Beteiligung an der liquidierten Kapitalgesellschaft in einem Betriebsvermögen befindet. In diesem Fall sind sämtliche Gewinne und Verluste steuerpflichtig. Ist der Abzug des Liquidationsverlustes nach § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG zugelassen, so findet auf diesen das sog. Halbeinkünfteverfahren Anwendung. Danach ist die Hälfte des Liquidationserlöses nach § 3 Nr. 40 lit. c) EStG steuerfrei. Darüber hinaus sind die Anschaffungskosten und die Liquidationskosten nach § 3c Abs. 2 EStG nur zur Hälfe abziehbar, so dass Verluste nur hälftig berücksichtigt werden. Ist eine Verrechnung der Liquidationsverluste im gleichen Veranlagungszeitraum nicht möglich, so können verbliebene Verluste - entsprechend der obigen Beschreibung - nach § 10d EStG zurück- bzw. vorgetragen werden21. III. Verfassungsrechtliche Würdigung 1. Vorbemerkung Unterschiede bei der steuerlichen Behandlung von Liquidationsverlusten zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften ergeben sich zum einen aus der beschränkten Möglichkeit zur Verlustverrechnung zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Anteilseigner und zum anderen aus der Beschränkung des Verlustabzugs beim Kapitalgesellschafter infolge des Halbabzugsverbots. 2. Rechtsformabhängigkeit der Verlustverrechnung a) Ungleichbehandlung durch beschränkte Möglichkeit zur Verlustverrechnung Sämtliche Verluste des Einzelunternehmers können vollständig mit seinen anderen Einkünften verrechnet werden. Das gleiche gilt für die Perso20 Zur verfassungsrechtlichen Bewertung des Einkünftedualismus vgl. die Ausführungen in § 2 III. 1. c) dieser Arbeit. 21 Vgl. K. Ebling in Blümich, § 17 EStG Rz. 243.

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nengesellschafter, denen die Verluste ihrer Gesellschaft anteilig zugerechnet werden. Da der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft getrennt von seiner Gesellschaft besteuert wird, ist es nicht möglich, dass er solche Verluste für sich steuerlich nutzbar macht, die auf der Ebene seiner Gesellschaft nicht ausgeglichen oder abgezogen werden konnten. Da eine Kapitalgesellschaft nach ihrer Liquidation zu existieren aufhört, ist ein Verlustvortrag nicht möglich. Der Verlustrücktrag ist auf einen Betrag von 511.500 € begrenzt. Ein diesen Betrag übersteigender Liquidationsverlust auf Ebene der Kapitalgesellschaft wirkt sich steuerlich nicht mehr aus. Auch wenn die Kapitalgesellschaft in den Vorjahren höhere Gewinne erzielt haben sollte, so erhält sie keine Steuererstattung. Die durch die Erstattung freigesetzten Mittel hätten ggf. zur Erfüllung des Schuldendienstes dienen oder an die Anteilseigner ausgeschüttet werden können. Während die Begrenzung des Verlustrücktrages bei der Kapitalgesellschaft nur einmal zum Tragen kommt, wird sie bei den Gesellschaftern einer Personengesellschaft aufgrund des Transparenzprinzips vervielfacht22. Bei den Personengesellschaften besteht also ein größeres Verlustrücktragspotential und damit auch eine größere Möglichkeit, an Steuererstattungen zu gelangen. b) Rechtfertigung Die mangelnde Möglichkeit Verluste, die auf der Ebene der Kapitalgesellschaft entstanden sind, mit Verlusten des Anteilseigners zu verrechnen, ist letztlich eine konsequente Folge des Trennungsprinzips, das bei der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilseigner zur Anwendung kommt23. Verlustausgleich und -abzug sind danach nur auf der Ebene der Kapitalgesellschaft durchzuführen24. Zu einem anderen Ergebnis käme man nur, wenn man die Gewinne und Verluste der Kapitalgesellschaft unmittelbar ihren Anteilseignern zurechnete25. Auch in diesem Fall müsste die Verlustzurechnung allerdings auf den Verlust des in der Kapitalgesellschaft eingesetzten Kapitals begrenzt werden26. G. Söffing, FR 1976, 209 (213); S. Grotherr, BB 1998, 2392 (2397). R. Seer, StuW 1993, 114 (119). 24 K. Tipke, NJW 1980, 1079 (1081); J. Pelka, StuW 2000, 389 (390). 25 Eine derartige Konzeption - nämlich die Anwendung des Transparenzprinzips auf die Besteuerung von Kapitalgesellschaften - liegt der sog. Teilhabersteuer zugrunde, vgl. dazu J. Englisch, DStZ 1997, 778 (781); J. Hey, DStJG 24, 155 (217). 26 W. Reiß, DStJG 17, 3 (17). 22 23

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Für die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft haften den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen27. Die Gesellschafter sind lediglich verpflichtet, eine Einlage in Höhe ihres Stammkapitals zu leisten. Auf diesen Betrag beschränkt sich ihre Inanspruchnahme28. Ist die Kapitalgesellschaft im Rahmen der Liquidation also nicht in der Lage all ihre Schulden zu begleichen, so hat dies für den Anteilseigner wirtschaftlich im Regelfall nur die Auswirkung, dass seine Kapitaleinlage aufgezehrt wird, nicht aber dass er die fehlenden Beträge aus seinem Privatvermögen nachzuschießen hat. Soweit der Anteilseigner aber die Verluste der Kapitalgesellschaft wirtschaftlich selbst gar nicht trägt, ist es konsequent sie auch steuerlich nicht auf seiner Ebene zu berücksichtigen und die Verrechnung mit anderen Einkünften zu untersagen29. Somit entspricht es der juristischen Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft, dass Verluste allein dieser und nicht den Anteilseigner angerechnet werden30. Dementsprechend anders ist die Situation bei Personengesellschaften zu beurteilen. Diesen werden gemäß dem Transparenzprinzip nicht nur die Gewinne, sondern auch die Verluste unmittelbar zugerechnet. Zivilrechtlich betrachtet kann dies nicht beanstandet werden. Auch hier werden die auf einen Gesellschafter entfallenden Verluste unmittelbar von dessen Kapitalkonto abgeschrieben31. Für die Verbindlichkeit der Gesellschaften haften die Gesellschafter den Gläubiger als Gesamtschuldner persönlich mit ihrem gesamten Vermögen32. Er ist somit selbst wirtschaftlich durch die Schulden seiner Gesellschaft belastet, was sich entsprechend bei seiner Besteuerung auswirken muss33. Problematisch erscheint jedoch die Begrenzung der Verlustrücktrags-möglichkeiten. Der Verlustrücktrag wurde erst im Jahre 197634 eingeführt. Mit ihm wurde das Ziel verfolgt, insbesondere notleidende mittelständische Unternehmen zu fördern. Deren Liquidität sollte durch die aus dem Verlustrücktrag resultierenden Steuererstattungen in den Zeitpunkt verbessert werden, in dem sie am nötigsten ist, nämlich im Verlustjahr und nicht erst in den folgenden Veranlagungszeiträumen. Andererseits wollte man aber auch die finanziellen §§ 13 Abs. 2 GmbHG, 1 Abs. 1 Satz 2 AktG. Zu Ausnahmen vgl. B. Erle / S. Ring in Müller / Hense, § 1 Rz. 18. 29 Vgl. auch J. Hey, DStJG 24, 155 (193); J. Lang in Elschen / Siegel / Wagner, Unternehmenstheorie und Besteuerung, S. 417 f. 30 M. Jachmann, DStJG 23, 9 (36). 31 Vgl. für die oHG § 120 Abs. 2 Halbsatz 2 HGB. 32 K.-J. Hopt in Baumbach / Hopt, § 128 HGB Rz. 1; G. Hueck / C. Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 9 Rz. 6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 60 III 2. (S. 1790). 33 W. Reiß, DStJG 17, 3 (11); M. Jachmann, DStJG 23, 9 (36). 34 Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes v. 20.4.1976, BGBl. I 1976, 1054. 27 28

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Auswirkungen für die öffentliche Hand durch den Verlustrücktrag in tragbaren Grenzen halten. Aus diesem Grund beschränkte man die Rücktragsmöglichkeit für Verluste betragsmäßig auf 5 Mio. DM. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Begrenzung in aller Regel nur für Großunternehmen Bedeutung erlangte und kleine und mittlere Unternehmen ihre nicht ausgeglichenen Verluste in vollem Umfang zurücktragen konnten35. Das ausdrückliche Ziel, dem Unternehmer durch die Verschaffung von Liquidität zu ermöglichen, sein Unternehmen in einer wirtschaftlichen Krisensituation fortzuführen, kann schon grundsätzlich die Gewährung des Verlustrücktrages in der Phase der Liquidation nicht begründen. Denn die Liquidation ist nicht darauf gerichtet, das Unternehmen fortzuführen, sondern es im Gegenteil zu beenden. Erst recht vermögen die Gesetzesmotive nicht zu erklären, warum der Begrenzungsbetrag sich bei Personengesellschaften mit der Anzahl der Gesellschafter vervielfacht und somit auch größere Möglichkeiten zur Liquiditätsbeschaffung durch Steuererstattungen bestehen, dies aber bei Kapitalgesellschaften nicht der Fall ist. Denn die Ermöglichung des Verlustrücktrages zielt auf die Förderung des Mittelstandes ab und ist somit als Lenkungszwecknorm grundsätzlich unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens zu gewähren36. In der Phase der Liquidation können Gewinne oder Verluste in größerem Umfang entstehen als während des laufenden Betriebes. Insofern ist die Möglichkeit des Verlustrücktrages und die Höhe seiner Begrenzung in dieser letzten Phase von großer Bedeutung. Für Kapitalgesellschaften ist die Rücktragsmöglichkeit von besonderer Bedeutung, da sie nach Abschluss der Liquidation vollbeendet sind, der Verlust nicht auf die Anteilseigner übertragen werden kann und deshalb nur noch ein Rücktrag in frühere Veranlagungszeiträume möglich ist. Zwar wird dieser Problematik durch den verlängerten Gewinnermittlungszeitraum des § 11 Abs. 1 KStG Rechnung getragen. Doch können auch hier noch Verluste verbleiben, deren Verrechnung nicht möglich ist. Es wäre daher eher nachzuvollziehen, wenn der Begrenzungsbetrag für Kapitalgesellschaften höher ausgestaltet würde als für Personenunternehmen. Die rechtsformabhängige Höhe der Rücktragsmöglichkeit für Liquidationsverluste stellt somit eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Unternehmen dar37. 35 Vgl. zu genannten Motiven des Verlustrücktrages und seiner Beschränkung die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, BT-Drs. 7/4604, S. 3. 36 J. Lang / J. Englisch, Gutachten Mindestbesteuerung, S. 43. 37 Ebenso J. Lang / J. Englisch, Gutachten Mindestbesteuerung, S. 44; kritisch auch S. Grotherr, BB 1998, 2392 (2397).

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

3. Rechtsformabhängigkeit des Verlustabzuges a) Ungleichbehandlung des Kapitalgesellschafters durch nur hälftige Möglichkeit zum Verlustabzug Der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft ist wirtschaftlich durch Verluste der Kapitalgesellschaft insoweit belastet, als er für diese mit seiner Einlage in das Stammkapital haftet. Darüber hinaus ist er durch die Inanspruchnahme aus Bürgschaften betroffen, die er für Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaften erteilt hat, sowie durch den Ausfall von Darlehen, wenn die Kapitalgesellschaft nicht in der Lage ist, diese zurückzuzahlen. Die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens hat zur Folge, dass einerseits sämtliche Liquidationserlöse einkommensteuerlich nach § 3 Nr. 40 lit. c) EStG nur zur Hälfte angesetzt werden, dass andererseits aber auch diese Aufwendungen, die der Anteilseigner trägt als ursprüngliche oder nachträgliche Anschaffungskosten nach § 3c Abs. 2 EStG nur hälftig abgezogen werden dürfen. Daraus folgt, dass Verluste, die der Anteilseigner wirtschaftlich voll zu tragen hat, steuerlich nur hälftig berücksichtigt werden38. Wird somit ein Kapitalgesellschafter aus einer Bürgschaft für Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft in Anspruch genommen, kann er diese Aufwendungen steuerlich nur zur Hälfte geltend machen. Derartige Zahlungen eines Personengesellschafters werden steuerlich dagegen vollständig berücksichtigt. Durch das Halbeinkünfteverfahren kommt es somit beim Verlustabzug zu einer Benachteiligung der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften gegenüber Personenunternehmern.

b) Rechtfertigung durch die Funktion des Halbeinkünfteverfahrens? Durch die Vorschrift des § 3c EStG wird der allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz kodifiziert, nach dem Aufwendungen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften stehen, steuerlich nicht zum Abzug gebracht werden dürfen. Die korrekte Abbildung der objektiven Leistungsfähigkeit macht es notwendig, dass Aufwendungen, die der Steuerpflichtige zur Erzielung seiner Einnahmen leistet, steuerlich berücksichtigt werden. Sind jedoch die Einnahmen steuerfrei, so ist auch die Berücksichtigung der mit ihnen zusammenhängenden Aufwen38

W. Haarmann, JbFSt 2001/2002, 213 (213).

§ 5 Liquidationsverluste

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dungen nicht geboten. Durch das Abzugsverbot soll ein doppelter Vorteil für den Steuerpflichtigen vermieden werden39. Diesem Grundgedanken folgt auch der mit dem Halbeinkünfteverfahren eingeführte § 3c Abs. 2 EStG. Nach § 3 Nr. 40 EStG wird die Hälfte der Liquidationsausschüttungen aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens steuerfrei gestellt. Nach der Gesetzesbegründung dürfen dementsprechend Aufwendungen, die mit diesen in wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nur noch zur Hälfte als Betriebsaufgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden40. Diese Überlegung des Gesetzgebers geht jedoch fehl41. Sie wäre nur dann systemgerecht, wenn die hälftige Steuerbefreiung der Ausschüttungen als steuerliche Subvention, also als Sozialzwecknorm zu verstehen wäre42. Das ist aber nicht der Fall. § 3 Nr. 40 EStG ist nur formal eine Steuerbefreiung43. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte die durch das Halbeinkünfteverfahren eine Belastung der ausgeschütteten Gewinne ergeben, die der steuerlichen Belastung bei anderen Einkunftsarten angenähert ist44. Die nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfrei gestellte Hälfte der Ausschüttungen ist also nicht wirklich steuerfrei. Vielmehr hat sie bereits der Körperschaftsteuer unterlegen, die nach der Konzeption des Halbeinkünfteverfahrens als Vorbelastung auch beim Anteilseigner berücksichtigt werden soll. Die Steuerfreistellung stellt damit ein steuertechnisches Instrument dar, das bei den ausgeschütteten Beträgen insgesamt eine Besteuerung zum Normalniveau herbeiführen soll45. Wenn aber im Ergebnis der gesamte Gewinn der Besteuerung unterliegt, ist es zur korrekten Darstellung der objektiven Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen notwendig, dass sämtliche Aufwendungen, die seiner Erzielung dienen, steuerlich abgezogen werden können46. Durch das 39 BFH v. 14.11.1986 - VI R 209/82, BStBl. II 1989, 351; W. Heinicke in Schmidt, § 3c EStG Rz. 1; G. Erhard in Blümich, § 3c EStG Rz. 6; D. Birk / C. Jahndorf in Hermann / Heuer / Raupach, § 3c EStG Rz. 20. 40 Vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG), BT-Drs. 14/2683, S. 113. 41 So auch K. E. M. Beck, Besteuerung von Beteiligungen, S. 74. 42 H.-J. Pezzer, StuW 2000, 144 (150); M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 360. 43 J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 426; H. Weber-Grellet in Schmidt, § 17 EStG Rz. 190. 44 Vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG), BT-Drs. 14/2683, S. 94. 45 W. Heinicke in Schmidt, § 3c EStG Rz. 25; W. Schön, FR 2001, 381 (387). 46 A. A. FG Niedersachsen v. 8.11.2005 - 15 K 646/04, EFG 2006, 1404, wonach der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet sein soll, jede Einzelregelung auf das Ziel der Einmalbesteuerung abzustimmen. Die Vermeidung der Doppelbelastung durch das Halbeinkünfteverfahren erfolge im Rahmen eines typisierenden und generalisierenden Ansatzes, der auf die

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG wird hiergegen verstoßen47. Die Funktion des Halbeinkünfteverfahrens rechtfertigt damit nicht die Ungleichbehandlung der Kapitalgesellschafter bei der Möglichkeit zum Verlustabzug. 4. Ergebnis Die unterschiedliche Behandlung von Liquidationsverlusten bei Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften ist durch die rechtsförmlichen Unterschiede dieser Unternehmen gerechtfertigt. Verluste können steuerlich bei den Unternehmern nur soweit Berücksichtigung finden, wie sie von diesen wirtschaftlich getragen werden. Die rechtsformabhängige Höhe der Beschränkung eines Verlustrücktrages kann aber nicht durch rechtsförmliche Unterschiede und auch nicht durch die Gesetzesmotive gerechtfertigt werden. Die Beschränkung des Verlustabzugs beim Kapitalgesellschafter durch das Halbabzugsverbot kann nicht als Teil der Konzeption des Halbeinkünfteverfahrens gerechtfertigt werden. Vielmehr widerspricht sie dessen Grundgedanken, der zum Ziel hat, die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer auf Ebene des Anteilseigners zu berücksichtigen. Die unterschiedlichen Beschränkungen beim Abzug der Liquidationsverluste stellen somit insoweit einen Verstoß gegen das Gebot der Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung dar.

einkommensteuerlichen Verhältnisse des Anteilseigners keine Rücksicht nehme. Dem ist entgegen zu halten, dass auch einer Typisierung Grenzen gesetzt sind [vgl. dazu bereits § 1 II. 3. b)]. Fraglich ist dabei bereits, ob die Regelung des Halbabzugsverfahrens zur Herstellung einer „Normalbesteuerung“ überhaupt geeignet ist, da es diesem Zweck vielmehr zuwider läuft. 47 K. E. M. Beck, Besteuerung von Beteiligungen, S. 148; W. Schön, FR 2001, 381 (387); J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 427.

§ 6 Gewerbebesteuerung bei Liquidationen I. Vorbemerkung Eines der Haupthindernisse auf dem Weg zu einer rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung ist die Gewerbesteuer1. Seit Jahrzehnten schon werden Initiativen gestartet sie abzuschaffen und durch eine gerechtere Gemeindesteuer oder eine Beteiligung der Gemeinden an den Gemeinschaftssteuern zu ersetzen2. Bis dato sind diese Initiativen stets gescheitert oder weit hinter ihrem Grundanliegen zurückgeblieben3. Das Steuersenkungsgesetz4, dem das ausdrückliche Ziel zugrunde lag, eine rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung zu schaffen5, unternahm erst gar nicht den Versuch, die Gewerbesteuer grundlegend zu reformieren. Vielmehr führte der Gesetzgeber mit ihm für Personenunternehmen eine Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer ein. Wie sich die ausdrücklich gewollte Rechtsformabhängigkeit der Gewerbesteuer6 bei der Liquidationsbesteuerung auswirkt und ob bzw. wie sie sich (noch) rechtfertigen lässt, wird in diesem Paragraphen untersucht.

II. Rechtslage 1. Personenunternehmen Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Als GewerbebeSo bereits J. Lang, StuW 1989, 3 (16). Vgl. zuletzt den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer neuen Einkommensteuer und zur Abschaffung der Gewerbesteuer, BT-Drs. 15/2349. 3 So auch die vorerst letzte Initiative der Bundesregierung, die Gewerbesteuer durch Ausweitung der Steuerpflicht auf Freiberufler zu einer Gemeindewirtschaftssteuer auszubauen, vgl. einerseits den Entwurf eines „Gesetzes zur Reform der Gewerbesteuer“, BT-Drs. 15/1517 und andererseits - nomen est omen - dessen Endergebnis, das „Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze“, BStBl. I 2004, 20. 4 Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG) v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433. 5 Vgl. die Begründung zum Steuersenkungsgesetz, BT-Drs. 14/2683, S. 93 f., 97. 6 Vgl. RFH v. 13.12.1938 - I 427/38, RFHE 45, 287 (287); BFH v. 20.10.1976 - I R 148, BFHE 120, 265 (267 f.); v. 8.6.1977 - I R 40/75, BFHE 122, 318 (321). 1 2

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

trieb wird ein gewerbliches Unternehmen i. S. d. § 15 Abs. 2 EStG verstanden. Das GewStG stellt nicht auf die gewerblich tätigen Personen ab, die es der Steuerpflicht unterwirft, sondern bestimmt den Gewerbebetrieb als Steuergegenstand. Dabei ist es gleichgültig, ob der Träger dieses Gewerbebetriebes ein Einzelunternehmer oder eine Personengesellschaft ist. § 4 Abs. 1 GewStDV stellt ausdrücklich klar, dass ein Gewerbebetrieb, der aufgegeben oder aufgelöst wird, bis zur Beendigung der Aufgabe oder Abwicklung Steuergegenstand bleibt. Die Vorschrift trifft auf den ersten Blick eine rechtsformneutrale Aussage. Sie spricht allgemein von einem „Gewerbebetrieb“ und es ist nicht ersichtlich, dass dem Begriff an dieser Stelle eine andere Bedeutung zukommen könnte, als in § 2 GewStG. Die Rechtsprechung will die Formulierung jedoch nicht wörtlich verstanden wissen. Für Personenunternehmen soll sie wegen des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer keine Geltung finden7. Er habe zur Folge, dass nur der laufende Gewinn eines Unternehmens der Besteuerung unterliegt. Dieser Auffassung folgen auch die Finanzverwaltung8 und die herrschende Meinung in der Literatur9. Betriebsaufgabegewinne i. S. d. § 16 Abs. 3 EStG werden deshalb in der Rechtspraxis nicht der Gewerbesteuer unterworfen10. Gleiches gilt auch für Gewinne aus einer allmählichen Liquidation, allerdings nur, wenn es nicht um eine Scheinliquidation handelt, bei der die „werbende“ Tätigkeit weitergeführt wird11.

2. Kapitalgesellschaft Für Kapitalgesellschaften sieht § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG vor, dass ihre Tätigkeit stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt. Die Rechtsprechung legt die Vorschrift sehr weit aus. Die Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG setze lediglich eine Tätigkeit der Kapitalgesellschaft voraus. Gleichgültig sei es, welche Tätigkeit die Gesellschaft tatsächlich ausübe, solange nur irgendeine 7 BFH v. 29.8.1984 - I R 154/81, BFHE 142, 394 (395); v. 17.4.1986 - IV R 100/84, BStBl. II 1986, 527; G. Felix, KÖSDI 1995, 10340 (10340); vgl. auch A. Woltmann, DB 1987, 2008 (2008); V. Sarrazin in Lenski / Steinberg, § 2 GewStG Rz. 1591. 8 A 19 Abs. 3 GewStR 1998. 9 F. Roser in Lenski / Steinberg, § 7 GewStG Anm. 298; G. Güroff in Glanegger / Güroff, § 2 GewStG Rz. 217; G. Fella, BB 1977, 287 (288); A. Woltmann, DB 1987, 2008 (2011); K. Korn, KöSDl 1988, 7099 (7100); G. Felix, KöSDl 1995, 10340 (10341). 10 J. Hey in Tipke / Lang, § 18 Rz. 266; T. Keß, FR 2003, 959 (961). 11 Im Ergebnis auch G. Felix, KÖSDI 1995, 10340 (10341), zu weit V. Sarrazin in Lenski / Steinberg, § 2 GewStG Rz. 1587.

§ 6 Gewerbesteuerung bei Liquidationen

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Tätigkeit ausgeübt werde. Selbst wenn eine Kapitalgesellschaft überhaupt keinen Betrieb mehr habe, so müsse sie doch, solange sie ein Vermögen besitze, dieses Vermögen verwalten oder eben im Falle der Abwicklung dieses Vermögen liquidieren. Auch eine solche Verwaltung oder Liquidation von Vermögen stelle eine Tätigkeit dar, die - so gering sie im einzelnen Fall sein mag - durch § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG erfasst werde12. Eine Kapitalgesellschaft sei deshalb nicht nur gewerbesteuerpflichtig, wenn und solange sie ihre laufenden Geschäfte führt, sondern auch, wenn und solange sie lediglich ihr Vermögen verwaltet oder ihre Abwicklung betreibt13. Kapitalgesellschaften sollen also - unabhängig auch von der Art ihrer Tätigkeit - kraft Rechtsform bis zur Vollbeendigung der Gewerbesteuerpflicht unterliegen. Damit unterliegt auch der im Rahmen ihrer Liquidation erzielte Gewinn der Gewerbesteuer14. Die Steuerpflicht endet erst mit der letzten Verwertungshandlung im Rahmen der Abwicklung15. Besteuerungsgrundlage der Gewerbesteuer ist gemäß § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Das ist nach § 7 Abs. 1 GewStG der nach den Vorschriften des EStG oder KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt um die in den §§ 8 und 9 GewStG bestimmten Hinzurechnungen und Kürzungen. Der Liquidationserlös geht somit zunächst in dem durch § 11 KStG ermittelten Umfang in den Gewerbeertrag ein. Die Gewerbesteuer ist keine Personensteuer i. S. d. § 12 Nr. 3 EStG bzw. § 10 Nr. 2 KStG, die als nichtabziehbare Aufwendungen den Gewinn nicht mindern darf. Sie stellt vielmehr eine Betriebsausgabe dar, die als Rückstellung den Liquidationsgewinn mindernd zu berücksichtigen ist. Die Gewerbesteuer verkleinert somit ihre eigene Bemessungsgrundlage. Der Gewerbeertrag ist nicht wie bei der Körperschaftsteuer für den gesamten Abwicklungszeitraum zu ermitteln, sondern nach § 16 Abs. 1 GewStDV auf die einzelnen Jahre des Abwicklungszeitraums zu verteilen. Die Aufteilung des in diesem Zeitraum erzielten Gewerbeertrags soll gemäß R 44 Abs. 1 GewStR nach Kalendermonaten geschehen. Der Gewerbeertrag selbst kann jedoch erst endgültig ermittelt werden, sobald der 12 So ausdrücklich RFH v. 13.12.1938 - I 427/38, RFHE 45, 287; BFH v. 5.9.2001 - I R 27/01, BStBl. II 2002, 155 (156). 13 BFH v. 13.11.1962 - I 262/60 U, BStBl. III 1963, 69 (70); v. 8.8.2001 - I R 104/00, BFH / NV 2002, 535; v. 5.9.2001 - I R 27/01, BStBl. II 2002, 155 (156); RFH v. 28.3.1939 - I 74/39, RFHE 46, 271 (272); v. 22.8.1939 - I 436/38, RStBl. 1940, 116 (117). 14 BFH v. 29.11.2000 - I R 28/00, BFH / NV 2001, 816; v. 8.8.2001 - I R 104/00, BFH / NV 2002, 535; FG Saarland v. 4.5.1998 - 1 V 94/98, EFG 1998, 1145; G. Felix, KÖSDI 1995, 10340 (10340); A. Obermaier in Blümich, § 2 GewStG Rz. 835; D. Gosch, StuW 1992, 350 (351); T. Keß, FR 2003, 959 (961). 15 BFH v. 29.11.2000 - I R 28/00, BFH / NV 2001, 816.

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Liquidationsgewinn als Anknüpfungspunkt feststeht, also im Zeitpunkt der Vollbeendigung16. § 35 EStG, der die Berücksichtigung der Gewerbesteuer im Rahmen der Einkommensteuer regelt, ist bei Kapitalgesellschaften nicht anwendbar. § 8 Abs. 1 KStG verweist nur auf die Vorschriften des EStG zur Ermittlung des Einkommens. § 35 EStG ist aber eine tarifliche Vorschrift, die nicht zu diesen zählt. Eine Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer findet deshalb nicht statt.

3. Anteilseigner a) Anteile im Privatvermögen Der Gewerbeertrag, der nach § 6 GewStG die Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer bildet, ist der nach den Vorschriften des EStG und KStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb. Die Vorschrift des § 17 Abs. 1 und 4 EStG rechnet die Gewinne aus der Liquidation der Kapitalgesellschaft, an der ein Anteilseigner wesentlich beteiligt ist, den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu. Dennoch führen sie nicht zu einer Steuerbarkeit auf Grundlage des GewStG17. Grund hierfür ist, dass die Gewerbesteuer als ursprüngliche Objektsteuer in § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG das Vorliegen eines Gewerbebetriebes i. S. d. § 15 Abs. 2 EStG erfordert. Ein solcher Gewerbebetrieb liegt nur vor, wenn der Rahmen privater Vermögensverwaltung überschritten wird18. Dies wird aber für das Halten einer wesentlichen Beteiligung i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG verneint19. Die Liquidation der Kapitalgesellschaft führt somit beim Anteilseigner, der seine Beteiligung im Privatvermögen hält, nicht zur Gewerbesteuerpflicht.

b) Anteile im Betriebsvermögen Sind die Anteile der liquidierten Kapitalgesellschaft Teil eines Betriebsvermögens, so unterliegen sie der Gewerbesteuer. G. Förschle / M. Deubert in Budde / Förschle, Sonderbilanzen, R 465. Vgl. R 39 Abs. 1 Nr. 2 GewStR; F. Roser in Lenski / Steinberg, § 7 GewStG Rz. 332; S. Schneider in Kirchhof / Söhn, § 17 EStG Rn. A 85. 18 V. Sarazzin in Lenski / Steinberg, § 2 Rz. 935; H. Weber-Grellet in Schmidt, § 15 EStG Rz. 8. 19 BFH v. 28.2.1974 - VIII R 83/69, BFHE 112, 574 (575); S. Schneider in Kirchhof / Söhn, § 17 EStG Rn. A 65. 16 17

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Beträgt die Höhe der im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zu Beginn des Erhebungszeitraums i. S. d. § 14 GewStG über 10 v. H., sorgen das sog. gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 2a GewStG sowie die Kürzung nach § 8 Nr. 10 lit. b) GewStG dafür, dass sich die Liquidationsgewinne nicht gewerbesteuerlich auswirken. Damit soll eine Doppelbesteuerung mit Gewerbesteuer auf Ebene der Kapitalgesellschaft und auf Ebene des Anteilseigners vermeiden werden20. Infolge dieser Kürzungen und Hinzurechnungen unterliegen - zumindest bei Beteiligung von über 10 v. H. - Liquidationsgewinne bei Anteilen in einem Betriebsvermögen nicht der Gewerbesteuer. Dies wird bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften der Regelfall sein.

III. Verfassungsrechtliche Würdigung 1. Ungleichbehandlung der Rechtsformen durch die Gewerbesteuer Während Personenunternehmen nach der geltenden Rechtslage mit ihren Gewinnen, die sie in der Liquidation erzielen, nicht der Gewerbesteuer unterworfen werden, unterliegen ihr die Liquidationsgewinne der Kapitalgesellschaften aufgrund der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG kraft Rechtsform. Anders als die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer, die durch das Halbeinkünfteverfahren Berücksichtigung findet, wird die Gewerbesteuer der Kapitalgesellschaft bei deren Anteilseignern nicht berücksichtigt. Eine Verrechnung der Gewerbesteuer mit der Körperschaftsteuer oder der Einkommensteuer, wie sie bei Personenunternehmen nach § 35 EStG vorgesehen ist, findet nicht statt. Somit stellt sich die Gewerbebesteuerung des Liquidationsgewinns, obwohl sie auf der Ebene der Kapitalgesellschaft stattfindet, für den Anteilseigner als Zusatzbelastung heraus, die seinen verbleibenden Gewinn schmälert. Obwohl die in unterschiedlichen Rechtsformen tätigen Unternehmer bei gleichem Liquidationsgewinn also keine unterschiedliche Leistungsfähigkeit erlangen, werden sie dennoch durch die Besteuerung mit Gewerbesteuer ungleich behandelt. BFH v. 8.5.2003 - IV R 35/01, BFH / NV 2003, 1270 (1272); v. 2.4.1997 - X R 6/95, BFHE 183, 208 (211); G. Güroff in Glanegger / Güroff, § 9 Nr. 2a GewStG Rz. 1. 20

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2. Rechtfertigung a) Rechtfertigung vor dem Hintergrund des Äquivalenzprinzips aa) Äquivalenzprinzip und Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer Die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen durch die Gewerbesteuer ist nicht einfach. Das liegt daran, dass die Gewerbesteuer ursprünglich keine Steuer war, die sich - wie Einkommen- und Körperschaftsteuer - an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen orientierte. Vielmehr war die sie dominierende Leitidee das Äquivalenzprinzip. Der Gesetzgeber, der mit dem Gewerbesteuergesetz 1936 die Gewerbesteuern der Länder vereinheitlichte, nannte als Rechtfertigung der Steuer ausdrücklich das Ziel, „der Gemeinde einen Ausgleich für die Lasten zu bieten, die ihr der Betrieb der Industrie, des Handels und des Handwerks verursachen“21. Das Steueraufkommen stand ausschließlich den Gemeinden zu. Diesen sollten die Gewerbebetriebe mit der Gewerbesteuer also ein Äquivalent für die von ihnen verursachten Nachteile leisten. Um die verursachten Lasten festzustellen, sollte die Gewerbesteuer an den Gewerbebetrieb als Objekt anknüpfen. Nach diesem Objektsteuerprinzip unterlag ihr „der Gewerbebetrieb als solcher“22, ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Besitzers23. Diese Grundüberlegung machte den schon mehrfach erwähnten Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer aus. Die Gewerbesteuer legte der Besteuerung eine objektivierte Ertragskraft, einen Soll-Ertrag zugrunde24. Aus der Ertragsfähigkeit eines Unternehmens schloss das Gesetz auf die Größe und damit auf die auszugleichende Verursachung von gemeindlichen Lasten25. Zur Feststellung des SollErtrages sah die Gewerbesteuer eine Bemessungsgrundlage vor, die aus Gewerbeertrag, Gewerbekapital und Lohnsumme bestand.

bb) Tauglichkeit des Äquivalenzprinzips als Rechtfertigungsgrund Das BVerfG hat geurteilt, dass eine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer „reinen Verwirklichung des Objektsteuerprinzips“ nicht bestehe. AusBegründung zum Gewerbesteuergesetz v. 1.12.1936, RStBl. 1937, 693 (696). Begründung zum Gewerbesteuergesetz v. 1.12.1936, RStBl. 1937, 693 (694). 23 BVerfG v. 25.10.1977 - 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224 (237); v. 24.1.1962 - 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 (345); RFH v. 1.12.1937 - VI 688/37, RStBl. 1938, 356 (357); BFH v. 24.2.1999 - X R 171/96, BFHE 188, 69 (88); v. 24.10.1990 - X R 64/89, BFHE 163, 42 (46); R. Hüttemann, DStJG 23, 127 (134 FN 34); H. Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, S. 100; H. Schnädter, Wertungen, S. 109. 24 H. Montag in Tipke / Lang, § 12 Rz. 1. 25 So das BVerfG v. 13.5.1969 - 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1 (11). 21 22

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schlaggebend sei, dass die Grundstruktur der Steuer erhalten bleibe, die durch die Besteuerungsmerkmale Ertrag, Kapital und Lohnsumme bestimmt sei26. Die Lohnsumme war die Summe der Vergütungen, die an die Arbeitnehmer der in einer Gemeinde belegenen Betriebsstätte gezahlt wurden27. Dieser Teil der Bemessungsgrundlage verwirklichte nach Ansicht des historischen Gesetzgebers das der Gewerbesteuer zugrunde liegende Äquivalenzprinzip „am reinsten“28. Sie wurde als erste der drei Säulen im Jahre 1979 aus wirtschaftspolitischen Gründen gefällt29. Als Gewerbekapital galt der Einheitswert des gewerblichen Betriebs. Dieser wurde durch bestimmte Hinzurechnungen und Kürzungen modifiziert, um Erträge aus eigen- oder fremdfinanziertem Kapital gleichzustellen und Doppelbesteuerungen zu vermeiden30. Dieser zweite Teil der Bemessungsgrundlage wurde zum 1.1.1998 abgeschafft31. Somit ist als letzte Grundlage für die Gewerbesteuer derzeit nur noch der Gewerbeertrag verblieben. Dieser knüpfte und knüpft an den nach dem Einkommen- bzw. Körperschaftsteuergesetzes festgestellten Gewinn des Unternehmens an und wird als letzte Remineszenz an den ursprünglichen Objektsteuercharakter durch Hinzurechnungen und Kürzungen „verobjektiviert“. Doch wurden diese Ergebnisberichtigungen im Laufe der Jahre sehr stark zurückgenommen32. Mit dem gescheiterten Gesetz zur Reform der Gewerbesteuer33 war sogar geplant sämtliche verbliebenen verobjektivierenden Elemente vollständig abzuschaffen34. Die Gewerbesteuer hat damit klar ersichtlich ihre - vom BVerfG geforderte - ursprüngliche „Grundstruktur“, ihren Objektsteuercharakter, durch den Abbau der Besteuerungsgrundlagen verloren. Sie hat sich mehr und BVerfG v. 13.5.1969 - 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1 (9). Vgl. § 24 Abs. 1 GewStG a. F. (zit. bei H.-W. Stäuber in Lenski / Steinberg, § 24 GewStG). 28 Begründung zum Gewerbesteuergesetz v. 1.12.1936, RStBl. 1937, 693 (696). 29 Durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1979 - StÄndG 1979) v. 30.11.1978, BGBl. I 1978, 1849. 30 Vgl. Begründung zum Gewerbesteuergesetz v. 1.12.1936, RStBl. 1937, 693 (696). 31 Durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform v. 29.10.1987, BGBl. I 1997, 2590. 32 Vgl. den kurzen Überblick über die wichtigsten Veränderungen bei T. Keß, FR 2000, 695 (696 f.). 33 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform der Gewerbesteuer v. 13.8.2003, BRDrs. 561/03. 34 Verbliebene Hinzurechnungen und Kürzungen sollten nur noch der Vermeidung von Doppelbesteuerungen dienen (vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Reform der Gewerbesteuer v. 13.8.2003, BR-Drs. 561/03, S. 25). 26 27

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

mehr von einer Steuer auf den Soll-Ertrag zu einer Steuer auf den IstErtrag entwickelt35. Gleichzeitig fließt das Aufkommen an der Gewerbesteuer nicht mehr nur den Gemeinden zu. Durch die in Art. 106 Abs. 6 Satz 4 GG vorgesehene Gewerbesteuerumlage36 werden Bund und Länder in sich ständig ändernder Höhe an ihr beteiligt. Steuergläubiger sind also nicht mehr alleine die Gemeinden, deren Lasten eigentlich durch die Gewerbesteuer ausgeglichen werden sollen. Die Äquivalenzbeziehung zwischen Gemeinden und Gewerbebetrieben ist damit weitgehend aufgelöst37. Auch wird bei Personenunternehmen nach § 35 EStG die gezahlte Gewerbesteuer pauschal auf die tarifliche Einkommensteuer angerechnet, so dass von der Gewerbesteuer letztlich nur noch eine Gewinnsteuer für Kapitalgesellschaften übrig geblieben ist. Nach alledem erscheint es mehr als fraglich, ob das Äquivalenzprinzip überhaupt noch als Grundprinzip der Gewerbesteuer herangezogen werden kann und ob aus ihm Schlüsse für die Ungleichbehandlung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften hinsichtlich der Besteuerung des Liquidationsgewinnes gezogen werden können.

cc) Liquidationsbesteuerung und Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer Die Rechtsprechung stützt sich dennoch in ständiger Übung auf den aus dem Äquivalenzprinzip abgeleiteten Objektsteuercharakter, wenn sie die Gewerbesteuerpflicht der Liquidationsgewinne von Personenunternehmen verneint. Der Gewerbesteuer unterliege nur die objektivierte Ertragskraft, der Soll-Ertrag. Damit könne ihr nur das unterworfen werden, was als Ertrag durch einen bestehenden, lebenden Gewerbebetrieb hervorgebracht wird38. Nur einem lebenden Betrieb komme aber eine Ertragskraft zu, also die Fähigkeit, einen Ertrag zu erwirtschaften. Ein Unternehmen in Liquidation sei dagegen nicht mehr auf Gewinnerzielung, sondern auf seine Voll35 So auch D. Gosch, DStZ 1998, 327 (328); M. Jachmann, BB 2000, 1432 (1433); J. Hey, AöR 2003, 226 (251); J. Hidien, BB 2000, 485 (486); J. Vogt, Neutralität und Leistungsfähigkeit, S. 217. 36 Eingeführt durch das Einundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 12.5.1969, BGBl. I 1969, 359 (360). 37 So auch V. Sarrazin in Lenski / Steinberg, § 1 GewStG Anm. 9. 38 BFH v.13.11.1963 - GrS 1/63 S, BStBl. III 1964, 124 (126); v. 17.2.1984 - VIII R 13/94, BStBl. II 1994, 809 (810); bereits RFH v. 29.6.1938 - VI 395/38, RStBl. 1938, 910.

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beendigung gerichtet. Es sei folglich nicht ertragskräftig und könne keinen Soll-Ertrag haben. Nach dieser Lösung der Rechtsprechung führen die Maßnahmen zur Vermögensverwertung nach Einstellung des Betriebes daher nicht mehr zu einer Erfassung durch die Gewerbesteuer39. Gegen diese Rechtsprechung wird vorgebracht, dass im Rahmen der Liquidation die stillen Reserven aufgedeckt würden, die als Gewinne der werbenden Tätigkeit des Unternehmens zuzurechnen seien40. Deshalb müssten auch diese der Gewerbesteuer unterliegen. Die Feststellung ist zwar zutreffend, kann aber - wenn man mit der Rechtsprechung das aus dem Äquivalenzprinzip folgende Objektsteuerprinzip konsequent verfolgt41 - nicht greifen. Denn die Aufdeckung der Reserven erhöht zwar die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmers, nicht aber die Ertragsfähigkeit des Gewerbebetriebs42. Er wird im Gegenteil durch die Versilberung seiner Gegenstände des Betriebsvermögens in der Fähigkeit, zukünftig Erträge zu erwirtschaften sogar geschwächt. Gewerbesteuerpflichtig, weil ertragsfähig, ist nach dieser in der Rechtsprechung verfolgten Idee deshalb nur „ein werbender, nicht aber ein sterbender Betrieb“43. Die Ungleichbehandlung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften in der Liquidation können die Überlegungen der Rechtsprechung aber nicht begründen. Denn sie gelten in gleicher Weise für Kapitalgesellschaften. Auch das in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft betriebene Unternehmen wandelt sich durch die Liquidation in einen „sterbenden“ Betrieb, der (primär) auf Vollbeendigung und nicht mehr auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Ebenso wie ein Personenunternehmen hat eine Kapitalgesellschaft in der Abwicklung keine Ertragskraft mehr, an die die Gewerbesteuer anknüpfen könnte. Argumentiert man also mit dem

39 RFH v. 29.6.1938 - VI 395/38, RStBl. 1938, 910 (911); BFH v. 29.8.1984 - I R 154/81, BFHE 142, 394 (395); v. 17.4.1986 - IV R 100/84, BStBl. II 1986, 527; v. 24.4.1980 - IV R 68/77, BFHE 131, 70 (71). 40 D. v. Twickel in Blümich, § 7 GewStG Rz. 142 ff.; H. Schnädter, FR 1985, 551 (553); ders., Wertungen, S. 215. auch der BFH (v. 25.5.1962 - I 78/61 S, BFHE 75, 467 (470); v. 8.8.2001 - I R 104/00, BFH / NV 2002, 535; v. 5.9.2001 - I R 27/01, BStBl. II 2002, 155 (156) zieht die st. Rspr. in Zweifel, hält aber an ihr fest. 41 BFH v. 25.5.1962 - I 78/61, BFHE 75, 467 (470) und v. 8.8. 2001 - I R 104/00, BFH / NV 2002, 535 äußern aber bereits selbst grundlegende Bedenken gegen die Begründung mit dem Objektsteuercharakter. 42 So auch G. Güroff in Glanegger / Güroff, § 2 GewStG Rz. 187; F. Roser / B. Tesch, FR 1998, 183 (187). 43 So die Formulierung von G. Felix, KÖSDI 1995, 10340 (10340).

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer müsste man daher folgerichtig nicht nur Personenunternehmen in Liquidation von der Steuerpflicht freistellen, sondern auch Kapitalgesellschaften44. Der Objektsteuercharakter selbst ist demnach nicht in der Lage, eine Erklärung für die rechtsformabhängige Gewerbesteuerpflicht der Liquidationsgewinne von Kapitalgesellschaften zu liefern.

b) Steuerpflicht von Kapitalgesellschaften als Typisierung Dass Kapitalgesellschaften in der Liquidation dennoch - trotz des Abstellens auf den Objektsteuercharakter - der Gewerbesteuer unterliegen, ist auf die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG zurückzuführen, wonach die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft - anders als die des Personenunternehmens - stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt. Nur Gewerbebetriebe, nicht aber andere Arten von Unternehmen, unterliegen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Steuerpflicht. Die Vorschrift wird als Typisierung zu Vereinfachungszwecken eingeordnet45. Unter Berufung auf die Gesetzesbegründung46 wird angeführt, sie habe die Bedeutung, dass es bei Kapitalgesellschaften nicht einer besonderen Prüfung bedürfe, ob ihre Tätigkeit im einzelnen Fall wirklich einen Gewerbebetrieb darstellt. Jegliche Tätigkeit der Kapitalgesellschaft führe zur Annahme eines Gewerbebetriebes und damit zur Steuerpflicht. Als Gewerbebetrieb wird deshalb auch eine vermögensverwaltende Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft behandelt. Um hier weitere Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, müsse dann aber auch die Abwicklungstätigkeit zur Gewerbesteuerpflicht führen47. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG geht also in Form einer unwiderleglichen Vermutung davon aus, dass in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft typischerweise ein steuerpflichtiges Gewerbe betrieben wird48. Es wird ein Gewerbebetrieb kraft Rechtsform angenommen49. Die So auch H. Montag in Tipke / Lang, § 12 Rz. 14; C. Flämig, DStJG 12, 33 (44). So BFH v. 13.11.1962 - I 262/60 U, BStBl. III 1963, 69 (70); RFH v. 13.12.1938 - I 427/38, RFHE 45, 287; v. 28.3.1939 - I 74/39, RFHE 46, 271; v. 22.8.1939 - I 436/38, RStBl. 1940, 116 (117). 46 Begründung zum Entwurf eines Gewerbesteuerrahmengesetzes, RT-Drs. 1928 Nr. 568, S. 110. 47 S. F. Hoffmann, StuW 1963, 274 (281). 48 Vgl. auch F. Reinhardt, Realsteuerreform, S. 52; W. Blümich / W. Boyens, GewStG 1936, § 2 GewStG Tz. 60. 49 V. Sarrazin in Lenski / Steinberg, § 2 GewStG Rz. 1740. 44 45

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Einbeziehung der Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft während der Liquidation in die Gewerblichkeit ist dabei nur eine Nebenfolge dieser Vermutung. Der Schluss von der Rechtsform der Kapitalgesellschaft auf die gewerbliche Tätigkeit des Unternehmens war zum Zeitpunkt des Gesetzeserlasses im Jahre 1928 sicherlich folgerichtig, denn die Ausübung einer anderen Tätigkeit in dieser Rechtsform war in dieser Zeit unüblich. Während dies für die land- und forstwirtschaftliche und vermögensverwaltende Tätigkeit auch heute noch weitgehend angenommen werden kann50, hat sich das Bild vor allem bei den Freiberuflern gewandelt51. Die Ausübung eines freien Berufes in einer Kapitalgesellschaft war lange Zeit standesrechtlich sogar unzulässig52. Auch heute gibt es diesbezüglich noch vereinzelte Einschränkungen53. Für die meisten freiberuflichen Tätigkeiten ist die Rechtsform der Kapitalgesellschaft jedoch mittlerweile anerkannt und akzeptiert54 und in den meisten berufsregelnden Gesetzen sogar ausdrücklich als Rechtsform für Freiberufler vorgesehen55. In der Literatur wird sogar von einem „Trend zur Freiberufler-GmbH“ gesprochen56. Die Wertung des Gewerbesteuerrechts, dass jede Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft einen steuerpflichtigen Gewerbebetrieb darstellt, stimmt also nicht mehr ohne weiteres mit den tatsächlichen Gegebenheiten überein. Für die Zulässigkeit einer Typisierung ist gerade das aber erforderlich. Eine typisierende Regelung muss sich stets am Regelfall orientieren. Ändern sich die tatsächlichen Umstände, die eine Typisierung zugrunde legt - wie hier - wesentlich, so muss der Gesetzgeber sie an die Entwicklung anzupassen57. Im Falle des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG ist dies nicht geschehen, so dass diese Vorschrift insoweit nicht (mehr) mit Vereinfachungsgründen gerechtfertigt werden kann. Gleiches gilt dann auch für die von ihr 50 Nur etwas mehr als 1,15 v. H. der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sind als juristische Person (also Genossenschaften und GmbH) organisiert. Allerdings betreiben diese 18,11 v. H. der landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Bundesrepublik Deutschland, vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2003, S. 152. 51 Zur Verfassungsproblematik der Gewerbesteuerpflicht von freiberuflich tätigen Kapitalgesellschaften nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG vgl. T. Keß, FR 2004, 1308. 52 Vgl. R. Hildebrandt, Entwicklungen, S. 95; s. auch BVerfG v. 15.3.1967 - 1 BvR 575/62, BVerfGE 21, 227 (232): „Die Ausübung des Berufs als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter in Form einer Gesellschaft widerspricht im Grunde dem höchstpersönlichen Charakter dieser Berufe“. 53 V. Emmerich in Scholz, § 1 GmbHG Rz. 8; A. Stollenwerk, GmbH-StB 2002, 169 (169). 54 A. Kremer, GmbHR 1983, 259 (263); J. Taupitz, JZ 1994, 1100 (1101); V. Emmerich in Scholz, § 1 GmbHG Rz. 13; A. Stollenwerk, GmbH-StB 2002, 169 (169). 55 Z. B. § 49 Abs. 1 StBerG, § 59c Abs. 1 BRAO; vgl. im Übrigen die Aufzählung bei A. Stollenwerk, GmbH-StB 2002, 169 (169). 56 Vgl. J. Meyer, GmbHR 2002, 177 (181). 57 Vgl. nur BVerfG v. 8.6.1993 - 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, 1 (25).

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als Nebenfolge verursachte rechtsformabhängige Gewerbesteuerpflicht der Liquidationsgewinne von Kapitalgesellschaften.

c) Anknüpfung der Gewerbesteuer an das Handelsrecht Als weitere Möglichkeit zur Rechtfertigung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG wird angeführt, die Regelung knüpfe an die Wertungen des Handelsrechts an. Auch die Steuerpflicht der Kapitalgesellschaften in der Liquidationsphase könnte dann doch aus Vereinfachungszwecken gerechtfertigt sein, wenn dies zulässigerweise der Fall ist. Das Handelsgesetzbuch definiert in seinem § 1 Abs. 1 HGB als Kaufmann denjenigen, der ein Handelsgewerbe betreibt. Ein Handelsgewerbe ist nach § 1 Abs. 2 HGB jeder Gewerbebetrieb. Für Handelsgesellschaften finden die Vorschriften für Kaufleute nach § 6 Abs. 1 HGB entsprechend Anwendung. Personengesellschaften sind nur dann Handelsgesellschaften, wenn ihr Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist oder wenn sie im Handelsregister eingetragen sind58. Kapitalgesellschaften gelten dagegen nach §§ 13 Abs. 3 GmbHG und 3 Abs. 1 AktG stets als Handelsgesellschaften, auch wenn der Gegenstand ihres Unternehmens nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht. Bei ihnen wird der Betrieb eines Gewerbebetriebs also durch die Gesetze vermutet59. Das Gewerbesteuerrecht knüpft grundsätzlich an diese Vorgaben des Handelsrechtes an, indem die Fiktion des Gewerbebetriebes in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG der des Handelsgewerbes im Handelsrecht entspricht60. In der Rechtsprechung wird diese Anknüpfung akzeptiert. Es dürfe dem Gesetzgeber „nicht verwehrt sein, der vorgeprägten Ordnungsstruktur des Zivilrechts zu folgen und die Gewerbesteuerpflicht der Kapitalgesellschaft an Merkmalen auszurichten, die zivilrechtlich das Wesen dieser Rechtsgebilde mit ausmachen“61. Diese Beurteilung der Rechtsprechung hindert jedoch nicht daran, die Hintergründe der handelsrechtlichen Wertungen und deren Tauglichkeit für das Steuerrecht kritisch zu hinterfragen62. K.-J. Hopt in Baumbach /Hopt, § 6 HGB Rz. 2. BGH v. 22.1.1976 - VII ZR 280/75, BGHZ 66, 48 (50). 60 FG Hamburg v. 1.6.1976 - II 116/74, EFG 1976, 576 (577); V. Sarrazin in Lenski / Steinberg, § 2 GewStG Anm. 1742; H. Schnädter, FR 1985, 403 (404). 61 So BFH v. 20.10.1976 - I R 148/74, BFHE 120, 265 (269); ihm folgend BVerfG v. 21.3.1977 - 1 BvR 2/77, HFR 1977, 256; FG München v. 22.7.2003 - 7 K 4529/00, EFG 2003, 1722 (1723); zustimmend V. Sarrazin in Lenski / Steinberg, § 2 GewStG Anm. 1742; H. Schnädter, FR 1985, 403 (404). 62 BVerfG v. 27.12.1991 - 2 BvR 72/90, StuW 1992, 186. 58 59

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Das Handelsrecht verfolgt insbesondere das Ziel einer Vereinfachung und Beschleunigung des Handelsverkehrs63. Es unterwirft daher Kaufleute, als regelmäßige Teilnehmer am Handelsverkehr, einem strengeren Recht. Es setzt bei ihnen ein gewisses Maß an „Professionalität“ voraus, spricht ihnen deshalb eine größere Verantwortlichkeit zu und erwartet von ihnen einen höheren Grad an Aufmerksamkeit64. Während das HGB die Anwendung dieses strengeren Rechts bei natürlichen Personen und Personengesellschaften von gewissen Voraussetzungen abhängig macht, behandelt es Kapitalgesellschaften stets als Kaufleute. Dies soll die Notwendigkeit der Abgrenzung von ideellen und wirtschaftlichen Zielen der Gesellschaft vermeiden und die Rechtssicherheit des Handelsverkehrs durch das Merkmal des Registereintags unterstützen65. Daneben erscheint es nicht abwegig davon auszugehen, dass derjenige, der auf die Idee kommt sein Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zu organisieren, typischerweise auch ansonsten im Rechtsverkehr derart erfahren ist, dass das strengere Recht der Kaufleute auf ihn angewandt werden kann. Das Steuerrecht hat hingegen die Aufgabe, die Steuerlasten gerecht auf die Steuerpflichtigen zu verteilen. Wenn die Gewerbesteuer nun an die Wertungen des Handelsrechts für die Begründung der Steuerpflicht anknüpft, stellt sich die Frage, warum ein Unternehmer aufgrund seiner größeren Erfahrung im Handelsverkehr eine höhere Steuerlast tragen soll. Geht man von einem Objektsteuercharakter aus, könnte man auf den Gedanken kommen, von einer größeren Erfahrung des Unternehmers im Rechtsverkehr auf ein größeres Erfolgspotential und damit einen größeren Soll-Ertrag zu schließen. Eine solche Überlegung wird aber weder in der Rechtsprechung vorgebracht, geschweige denn, dass der Gesetzgeber sie geäußert hätte. Handelsrecht und Steuerrecht liegen völlig unterschiedliche Zielsetzungen zugrunde. Während das Handelsrecht die Verhältnisse im Rechtsverkehr zwischen Privaten regelt, stellt das Steuerrecht ein Eingriffsrecht dar, dass dem Betroffenen Steuerzahlungspflichten auferlegt. Es ist deshalb äußerst problematisch, wenn das Steuerrecht ohne weiteres die Wertungen des Handelsrechts übernimmt. Selbst, wenn man die gewerbesteuerliche Anknüpfung an das Handelsrecht mit der Rechtsprechung akzeptiert, ist damit nicht die unterschiedli63 Vgl. K.-J. Hopt in Baumbach / Hopt, § 6 HGB Rz. 1; W.-H. Roth in Koller / Roth / Morck, § 1 HGB Rz. 6; C.-W. Canaris, Handelsrecht, § 1 Rz. 16; K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 IV 2. (S. 35). 64 Vgl. G. H. Roth, Handels- und Gesellschaftsrecht, S. 6; C.-W. Canaris, Handelsrecht, § 1 Rz. 16. 65 H. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, S. 97; P. Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, S. 219; vgl. auch F. Roser / B. Tesch, FR 1998, 183 (184 FN 4).

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che Behandlung der Unternehmen in der Liquidation zu rechtfertigen. Denn handelsrechtlich besteht das Gewerbe sowohl des Personenunternehmers als auch der Kapitalgesellschaft bis zu seiner endgültigen Einstellung, was regelmäßig erst nach Abschluss der Liquidation bzw. mit der anschließenden Eintragung der Beendigung im Handelsregister gegeben ist66. Derart rechtsformunabhängig müsste deshalb auch die Gewerbebesteuerung das Unternehmen bis zu seiner Vollbeendigung erfassen. Die Anknüpfung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG an die handelsrechtlichen Vorgaben erklärt und rechtfertigt somit die rechtsformabhängige Gewerbesteuerung der Unternehmen in der Liquidation nicht.

d) Rechtfertigung durch wirtschaftliche Erwägungen Zum Teil werden von der Rechtsprechung auch wirtschaftliche Erwägungen zur Rechtfertigung der generellen Gewerbesteuerpflicht von Kapitalgesellschaften angeführt. Kapitalgesellschaften wiesen gegenüber natürlichen Personen und Personengesellschaften in wesentlichen Punkten Besonderheiten auf, die es als sachlich gerechtfertigt erscheinen ließen, sie ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit im Einzelnen als Gewerbebetrieb zu behandeln67. Die Wahl der Kapitalgesellschaft als Rechtsform bringe es für den Unternehmer eine Reihe wirtschaftlicher Vorteile68. Genannt werden die Anonymität der Kapitalgesellschaft, deren Gesellschafter nach außen nicht in Erscheinung treten und die auch im Innenverhältnis nicht die Geschäfte führten und das Fehlen jeglicher persönlicher Haftung der Gesellschafter, die einen Durchgriff auf diese grundsätzlich unmöglich mache69. Ferner mache die Rechtsform der Kapitalgesellschaften das Unternehmen unabhängig vom Wechsel seiner Mitglieder und ermögliche es, den Firmennamen auch nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus dem Unternehmen zu erhalten. Dies stelle eine zusätzliche Sicherung der im Unternehmen tätigen Personen dar70. 66 V. Röhricht in Röhricht / Graf von Westphalen, § 1 HGB Rz. 147; K. J. Hopt in. Baumbach / Hopt, § 1 HGB Rz. 52. 67 BFH v. 8.6.1977 - I R 40/75, BFHE 122, 318 (321). 68 BFH v. 8.6.1977 - I R 40/75, BFHE 122, 318 (321); FG München v. 22.7.2003 - 7 K 4529/00, EFG 2003, 1722 (1723). 69 FG Hamburg v. 1.6.1976 - II 116/74, EFG 1976, 576 (577). 70 BFH v. 8.6.1977 - I R 40/75, BFHE 122, 318 (319); BFH v. 20.10.1976 - I R 148/76, BFHE 120, 265 (268); v. 13.11.1962 - I 262/60 U, BStBl. III 1963, 69 (71); v. 3.12.2003 - IV B 192/03, BFH / NV 585 (586).

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Eine derartige Rechtfertigung der Gewerbesteuer als Gegenleistung für wirtschaftliche Vorteile, die aus der Rechtsform der Kapitalgesellschaft resultieren, ist schon deshalb kritisch zu betrachten, weil eine solche Überlegung durch den Gesetzgeber selbst niemals zum Ausdruck gebracht wurde. Aber auch für sich betrachtet, sind die Argumente wenig überzeugend. Die genannten rechtsformbedingten Vorteile sind grds. für die Besteuerung unbedeutsam, solange sie sich beim Anteilseigner nicht finanziell auswirken. Die beschränkte Haftung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft wird steuerrechtlich dadurch berücksichtigt, dass er Verluste nur insoweit geltend machen kann, wie er sie selbst zu tragen hat71. Verbleiben Verluste auf der Ebene der Gesellschaft, gehen sie auch steuerrechtlich verloren. Der Vorteil eines von den Gesellschaftern unabhängigen Gesellschaftsbestandes und Firmennamens trägt gerade in der Liquidationsphase nicht. Am Ende der Liquidation steht bei Kapitalgesellschaften - nicht anders als bei Personenunternehmen - die Vollbeendigung des Unternehmens. Die Kapitalgesellschaft hört auf zu existieren, ihr Firmenname geht in der Regel mit ihr unter. Insoweit ist also gerade in dieser Phase ein Vorteil der Rechtsform nicht gegeben, der über die alleinige Gewerbesteuerpflicht der Kapitalgesellschaften vergolten werden könnte. Eine Rechtfertigung der Gewerbesteuer durch wirtschaftliche Vorteile der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ist deshalb gerade in der Liquidationsphase nicht möglich. e) Rechtfertigung als Teil der Grundstruktur der Gewerbesteuer Die rechtsformabhängige Gewerbesteuerpflicht der Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG auch in der Liquidation könnte als Teil der Grundstruktur der Gewerbesteuer durch deren ausdrückliche Nennung in Art. 106 Abs. 6 GG gerechtfertigt sein. Nach Art. 106 Abs. 6 GG steht „das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer“ den Gemeinden bzw. den Ländern zu, ist den Gemeinden das Recht einzuräumen, „die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer“ im Rahmen der Gesetze festzusetzen und können Bund und Länder durch eine Umlage an dem „Aufkommen der Gewerbesteuer“ beteiligt werden. Diese ausdrückliche Aufzählung der Gewerbesteuer in dieser Vorschrift der Finanzverfassung - wie auch die Umschreibung der „wirtschaftskraftbe71

Vgl. zu den Liquidationsverlusten bereits § 5 dieser Arbeit.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

zogenen Hebesatzsteuer“ in Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG, die (derzeit) nur auf die Gewerbesteuer passt72 - wird vom BVerfG73 und einer noch herrschenden Meinung74 als wertende Aussage des Verfassungsgesetzgebers interpretiert. Dieser habe die vorgefundene Steuer in ihren Grundstrukturen akzeptiert und als gerecht anerkannt. Die Einheit der Verfassung führe zu dem Ergebnis, dass eine Steuer, die nicht auf der einen Seite von der Verfassung akzeptiert werde, auf der anderen Seite gegen sie verstoße. Ein Verstoß gegen Grundrechte, insbesondere gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG könne durch die Gewerbesteuer daher nicht vorliegen. Diese Rechtfertigung, die für die Ungleichbehandlung von Freiberuflern und Gewerbetreibenden angeführt wird, passt auch auf die rechtsformabhängige Gewerbesteuerpflicht von Kapitalgesellschaften in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG, denn diese war bereits in der Urfassung des Gewerbesteuergesetzes von 1936 vorgesehen. Somit kann diese Regelung der Steuerpflicht auch zu den „Grundstrukturen“ der Gewerbesteuer gerechnet werden, die der Verfassungsgesetzgeber vorgefunden und akzeptiert haben soll. Nach dieser Lösung gilt diese rechtsformabhängige Steuerpflicht - auch in der Liquidation - wegen der Nennung der „Gewerbesteuer“ in den Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG und in Art. 106 Abs. 6 GG als verfassungsgemäß. Die Rechtfertigung von offensichtlichen Ungerechtigkeiten durch die bloße Nennung der Steuerart in der Finanzverfassung trifft zu Recht auf erhebliche Kritik und Ablehnung75. Nach dieser Auffassung stellen die Normen des Art. 106 Abs. 6 GG bloße technische Regelungen zur Verteilung des jeweiligen Steueraufkommens dar, enthalten aber keine ethische Aussage. Gerade die Hintergründe, die zu einer ausdrücklichen Nennung der Gewerbesteuer im Grundgesetz führten, können als Beleg für diese Gegenmeinung angeführt werden. Sie lassen es vielmehr zweifelhaft erscheinen, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber die Ungleichbehandlungen durch die Gewerbesteuer mit höheren Weihen versehen wollte. Eigentlich war es geplant diese Steuer vollständig abzuschaffen und zu ersetzen. Eine So BFH v. 18.9.2003 - X R 2/00, BFHE 203, 263 (267 f.). BVerfG v. 13.5.1969 - 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1 (8); v. 25.10.1977 - 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224 (236): Die Gewerbesteuer ist durch Art. 106 Abs. 6 GG „in ihrer üblichen Ausgestaltung“ gebilligt. 74 BFH v. 18.9.2003 - X R 2/00, BFHE 203, 263 (267 ff.); K. Vogel in FS K. Tipke, 93; F. Hofmeister in Blümich, § 1 GewStG Rz. 14; V. Sarrazin in Lenski / Steinberg, § 1 GewStG Anm. 9. 75 K. Tipke, StRO I, S. 298 ff.; J. Hey, StuW 2002, 314 (318); M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 116; R. Seer, FR 1998, 1022 (1023); D. Gosch, DStZ 1998, 327 (329); H. Montag in Tipke / Lang, § 12 Rz. 2; T. Keß, FR 2000, 695 (699); B. Paus, NWB F 5, 1567 (1470); vgl. auch die überzeugenden Ausführungen des FG Niedersachsen v. 21.4.2004 - 4 K 317/91, EFG 2004, 1065 (1069 ff.). 72 73

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derartige Änderung war aber politisch nicht durchzusetzen. Durch die Fällung der zweiten von drei Säulen der Gewerbesteuer, nämlich der Gewerbekapitalsteuer, war deren Realsteuercharakter auch in den Augen des Verfassungsgesetzgebers zweifelhaft geworden76. Art. 106 Abs. 6 GG beinhaltete aber nur eine Zuweisung des Aufkommens der „Realsteuern“ an die Gemeinden. Um sicher zu gehen, dass das Aufkommen des Gewerbesteuerrelikts auch in dem Fall, das dieses keine Realsteuer mehr darstellte, an die Gemeinden zugewiesen würde, ersetzte der Verfassungsgesetzgeber das Wort „Realsteuern“ durch die ausdrückliche Nennung „Grundsteuer und Gewerbesteuer“. Die Änderung des Art. 106 Abs. 6 GG stellte somit eine notwendige technische Anpassung dar, um das Aufkommen der Reststeuer nicht leer laufen zu lassen. Daneben wurde mit der Einfügung des zweiten Halbsatzes von Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG den Forderungen der Gemeindevertreter Folge geleistet, die Restgewerbesteuer im Grundgesetz abzusichern77. Die Vorschrift beschreibt mit der wirtschaftskraftbezogenen Hebesatzsteuer zwar eine Steuer, die seinerzeit und auch heute nur in Form der Gewerbesteuer existiert; die allgemeine Umschreibung macht aber deutlich, dass die Möglichkeit eröffnet werden sollte, die kommunale Finanzausstattung in Zukunft durch eine gleichwertige, dann aber gerechte Steuer zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund erscheint es sehr fraglich, dass mit diesen Änderungen auch über die Gerechtigkeit der Gewerbesteuer geurteilt wurde. Noch fraglicher wird diese Bewertung des verfassungsgesetzgeberischen Handelns, wenn man sich das Zustandekommen der Gewerbesteuerumlage in Art. 106 Abs. 6 Satz 4 GG im Jahre 1969 ansieht. Die erstmalige ausdrückliche Nennung der Gewerbesteuer in dieser Vorschrift wird ebenfalls ausdrücklich als Beleg für die Anerkennung der Gerechtigkeit dieser Steuer angeführt78. Die Gewerbesteuerumlage - und im Gegenzug die Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer - stellte in den Augen des Verfassungsgesetzgebers eine notwendige Übergangsregelung zur kurzfristigen Sicherung der Gemeindefinanzen dar. In der Gesetzesbegründung zum Finanzreformgesetz, mit der sie in das Grundgesetz eingefügt wurde, wies er ausdrücklich darauf hin, dass ein Abbau der Gewerbesteuer aus steuersystematischen und finanzpolitischen Erwägungen angezeigt sei79. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat also keineswegs die Grundstruk76 Vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, BTDrs. 13/8488, S. 6. 77 Vgl. hierzu H. Karrenberg, KStZ 1997, 61 (67). 78 Ausdrücklich BFH v. 18.9.2003 - X R 2/00, BFHE 203, 263 (267). 79 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz), BT-Drs. V/2861, S. 43.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

turen der Gewerbesteuer durch die Nennung der Steuerart im Grundgesetz gebilligt, sondern lediglich technische Änderungen vorgenommen, um die Aufkommensverteilung zu korrigieren. Durch die Nennung der Gewerbesteuer in der Steuerverteilungsnorm des Art. 106 Abs. 6 GG werden also nicht die Grundstrukturen der Gewerbesteuer, zu der man auch die rechtsformabhängige Steuerpflicht der Kapitalgesellschaften zählen kann, akzeptiert und gerechtfertigt80.

f) Gewerbesteuer als Ausgleich für den niedrigen Körperschaftsteuersatz aa) Stellung der Gewerbesteuer nach dem Steuersenkungsgesetz Schließlich könnte die Gewerbesteuer auch in der Liquidation als Ausgleich für den niedrigen Körperschaftsteuersatz, mit dem Kapitalgesellschaften belastet werden, gerechtfertigt sein. Das Steuersenkungsgesetz81 brachte für Kapitalgesellschaften einen grundlegenden Wechsel des Besteuerungssystems mit sich und ersetzte das Vollanrechnungsverfahren durch ein klassisches Körperschaftsteuersystem mit Entlastung des Anteilseigners (shareholder relief) in Form des Halbeinkünfteverfahrens. Dabei scheint die neue Unternehmensbesteuerung für Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen so konzipiert als sei sie um die Gewerbesteuer „herumgebaut“ worden. Denn weiterhin unterliegen Unternehmen jeder Rechtsform - Personenunternehmen freilich nur tätigkeitsbezogen - der Gewerbesteuer. Während bei Kapitalgesellschaften die Gewerbesteuer zu der niedrigeren Körperschaftsteuer auf den laufenden Gewinn hinzu addiert wird, erfolgt bei Personenunternehmen mit der neu eingeführten Regelung des § 35 EStG eine Anrechnung auf die Einkommensteuer.

80 So für die Ungleichbehandlung von Gewerbetreibenden und Freiberuflern auch FG Niedersachsen v. 23.7.1997 - IV 317/91, EFG 1997, 1456; K. Tipke, StRO I, S. 298 ff; J. Hidien in BK Art. 106 GG Rz. 1350; M. Jachmann in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 105 GG Rn. 32; H. Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, S. 174; D. Gosch, DStZ 1998, 327 (329); C. Flämig, DStJG 12, 33 (58); T. Keß, FR 2004, 86 (87). 81 Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG) v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433.

§ 6 Gewerbesteuerung bei Liquidationen

147

Schaubild 2 Geplante Stellung der Gewerbesteuer nach dem Steuersenkungsgesetz

Besteuerung der thesaurierten Unternehmensgewinne nach den Vorstellungen des Gesetzgebers Kapitalgesellschaft

Gewerbesteuer ~ 20 v. H.

Körperschaftsteuer 25 v. H.

Personenunternehmen

Gewerbesteuer ~ 20 v. H. (Anrechnung nach § 35 EStG)

Einkommensteuer 45 v. H.

Gesamtsteuerbelastung ~ 45 v. H.

Ausdrückliches Ziel des Gesetzgebers bei der Schaffung dieser Konstruktion war es, dass die Gesamtbelastung der Unternehmensgewinne mit Ertragsteuern bei allen Rechtsformen in etwa die gleiche Höhe erreicht82. Durch die Benachteiligung aufgrund der Gewerbesteuer soll somit der Vorteil des niedrigen Körperschaftsteuersatzes bei der Kapitalgesellschaft ausgeglichen werden, um im Ergebnis auf eine gleiche steuerliche Gesamtbelastung von Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen zu erreichen. Die Gewerbesteuer, die aus politischen Gründen nicht abgeschafft oder reformiert werden konnte, sollte auf diese komplizierte Art und Weise in das System integriert werden83. Damit ist sie im Gefüge der Unternehmensbesteuerung mehr oder weniger zu einem bloßen Rechnungsposten geworden und hat sich im Ergebnis auf eine Zusatzsteuer für Kapitalgesellschaften reduziert, die den niedrigeren Körperschaftsteuersatz ausgleichen soll84. 82 Vgl. die Begründung zum Steuersenkungsgesetz, BT-Drs. 14/2683, S. 97, 98; ausdrücklich J. Thiel, StuW 2000, 413 (417). 83 J. Lang, DStJG 24, 49 (103); J. Thiel, StuW 2000, 413 (420); I. v. Lishaut, StuW 2000, 181 (188). 84 J. Lang, DStJG 24, 49 (89); B. Paus, NWB F 3, 1467 (1469); J. Hey, StuW 2002, 314 (316).

148

2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung

bb) Besonderheit im Falle der Besteuerung von Liquidationsgewinnen Man könnte diese Kompensationsfunktion als generelle Rechtfertigung der Gewerbesteuer im System der Unternehmensbesteuerung anführen85. Bereits die grundsätzliche Zulässigkeit einer derartigen Saldierung von Vor- und Nachteilen bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen ist umstritten86. Als Rechtfertigung der Gewerbesteuer im Rahmen der Gewerbesteuer greift der Kompensationsgedanke aber schon deshalb nicht, weil er hier völlig ins Leere läuft. Die Liquidationsgewinne der Personenunternehmen werden unmittelbar den Unternehmern zugerechnet und mit dem progressiven Einkommensteuersatz belastet. Bei Kapitalgesellschaften erfolgt eine vollständige Ausschüttung der Gewinne an die hinter den Unternehmen stehenden natürlichen Personen. Dort unterliegen sie ebenfalls der progressiven Einkommensteuer, wobei die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer - in den meisten Fällen nicht punktgenau - durch das Halbeinkünfteverfahren ausgeglichen wird. Der niedrige Körperschaftsteuersatz auf die Gewinne der Kapitalgesellschaften ist also im Rahmen der Einkommensteuer bereits weitgehend durch das Halbeinkünfteverfahren neutralisiert. Dennoch werden die Gewinne anders als bei Personenunternehmen - zusätzlich mit Gewerbesteuer belastet. Damit stellt die Gewerbesteuer für Kapitalgesellschafter in voller Höhe eine zusätzliche steuerliche Belastung ihres Gewinns dar, die - anders als die Körperschaftsteuerbelastung - bei den Anteilseignern überhaupt nicht abgemildert wird. Aufgrund ihrer Abziehbarkeit beträgt diese zusätzliche Gewerbesteuerbelastung bei einem Hebesatz von 431 v. H. 17,958 v. H. des Gewinns87.

85 In diese Richtung geht die Begründung zum Steuersenkungsgesetz, BT-Drs. 14/2683, S. 97, 98. 86 Vgl. dazu allgemein J. Hey, AöR 2003, 226 ff. 87 Auf einen Gewinn i. H. v. 100 wird bei Kapitalgesellschaften eine Gewerbesteuermesszahl von 5 v. H. angewandt. Auf den sich daraus ergebenden Gewerbesteuermessbetrag von 5 wird der durchschnittliche Hebesatz von 431 v. H. angewandt. Die Gewerbesteuer-Rückstellung kann nach R 20 Abs. 2 Satz 2 EStR mit fünf Sechsteln dieses Betrages berücksichtigt werden. Es ergibt sich danach eine zusätzliche Belastung mit GewSt i. H. v. (100 x 5 v. H. x 431 v. H. x 5/6 =) 17, 958 v. H.

§ 6 Gewerbesteuerung bei Liquidationen

149

Schaubild 3 Stellung der Gewerbesteuer im System der Unternehmensbesteuerung Besteuerung der Liquidationsgewinne Kapitalgesellschaft und Anteilseigner

Personenunternehmen

Gewerbesteuer ~ 20 v. H. Körperschaftsteuer 25 v. H. (berücksichtigt durch das Halbeinkünfteverfahren) Einkommensteuer 45 v. H.

Einkommensteuer 45 v. H.

In Abbildung 5 wird der sich durch das Zusammenwirken aller Ertragsteuern ergebende durchschnittliche Steuersatz auf den Liquidationsgewinn bei einer Kapitalgesellschaft und bei einem Personenunternehmen aufgezeigt. Zugrunde gelegt wird für die Berechnungen ein steigender Liquidationsgewinn bei übrigen Einkünften i. H. v. 26.760 €. Es wird deutlich, dass unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer die steuerliche Situation der Kapitalgesellschaften stets ungünstiger ist als die der Personenunternehmen. Mit steigendem Liquidationsgewinn nähert sich der durchschnittliche Gesamtsteuersatz bei Kapitalgesellschaftern der Höhe von 52,313 v. H. an, während der des Personenunternehmers bei etwa 45 v. H. liegt. Bei einem Liquidationsgewinn von 90.000 € kommt es zu einer Differenz der Durchschnittsteuersätze bei den jeweiligen Rechtsformen von 10,88 Prozentpunkten.

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2. Teil: Rechtsformabhängige Liquidationsbesteuerung 55

Steuersatz

50 45 40 35 Durchschnittssteuersatz Personenunternehmen 30

Durchschnittssteuersatz Kapitalgesellschaften

25 Liquidationsgewinn 20 10000

110000

210000

310000

410000

510000

610000

710000

810000

Abbildung 5: Steuerbelastungsvergleich bei Einbeziehung der Gewerbesteuer

cc) Zwischenergebnis Die vom Gesetzgeber vorgesehene Einbindung der Gewerbesteuer als Kompensationsmasse zwischen Körperschaft- und Einkommensteuer schlägt im Rahmen der Liquidationsbesteuerung völlig fehl, da die Vorbelastung der Körperschafsteuer bei der Liquidationsausschüttung bereits durch das Halbeinkünfteverfahren berücksichtigt wird. Eine Rechtfertigung der verbliebenen Gewerbesteuer unter dem Aspekt des Ausgleiches für den Vorteil eines niedrigen Körperschaftsteuersatzes ist daher ausgeschlossen. 3. Ergebnis In der Liquidationsphase unterliegen nur Kapitalgesellschaften kraft ihrer Rechtsform der Gewerbebesteuerung. Eine Rechtfertigung für die uneingeschränkte Gewerbesteuerpflicht der Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG kann nicht gefunden werden. Letztlich beruht die rechtsformabhängige Ungleichbehandlung aber auf der einschränkenden Interpretation der Gewerbesteuerpflicht durch die Rechtsprechung, die hierfür den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer anführt. Dieser Objektsteuercharakter kann aber die Ungleichbehandlung der Rechtsformen nicht erklären. Bereits das Äquivalenzprinzip, aus dem dieser Objektsteuercharakter hergeleitet wird, ist als Grundprinzip der Gewerbesteuer äußerst fragwürdig.

§ 6 Gewerbesteuerung bei Liquidationen

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Um eine verfassungsgemäße, rechtsformneutrale Besteuerung i. S. d. Art. 3 Abs. 1, 12 GG zu erreichen, muss die überkommene Rechtsprechung aufgegeben werden und die Gewerbesteuerpflicht in der Liquidation auch auf Personenunternehmen ausgeweitet werden. Dies entspricht dem der Gewerbesteuer mittlerweile viel näher liegenden Leistungsfähigkeitsprinzip, weil auch durch den Liquidationsgewinn eine Ist-Leistungsfähigkeit vermittelt wird. Auch entspricht diese Auslegung dem ausdrücklichen Wortlaut des § 4 Abs. 1 GewStDV, der rechtsformunabhängig bestimmt, dass ein Gewerbebetrieb bis zur Beendigung seiner Abwicklung Steuergegenstand bleibt.

Dritter Teil

Schluss § 7 Zusammenfassung der Ergebnisse I. Bei der Gestaltung der Unternehmensbesteuerung ist der Gesetzgeber an die Grundrechte gebunden. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich das Gebot einer Gleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte und einer Ungleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte entsprechend ihrer Eigenart. Zur Feststellung des gleichen oder ungleichen Sachverhaltes bedarf es eines Vergleichsmaßstabes. Im Steuerrecht ist dies die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die durch das Einkommen indiziert wird. Beim Vergleich der Steuerbelastungen von Unternehmen ist auf den Erfolg, also Gewinn oder Verlust abzustellen. Subjekte des Besteuerungsvergleichs sind nach Art. 19 Abs. 3 GG auch juristische Personen. Im Fall der Liquidation gelangen bei der Kapitalgesellschaft jedoch sämtliche Gewinne vollständig an die Anteilseigner. Daher ist für den Rechtsformvergleich der Liquidationsbesteuerung allein auf die hinter dem jeweiligen Unternehmen stehenden natürlichen Personen abzustellen. Eine steuerliche Ungleichbehandlung von Unternehmen kann nicht pauschal durch die unterschiedliche Rechtsform gerechtfertigt werden. Nur dann, wenn durch die Eigenart der Rechtsform der hinter dem Unternehmen stehenden natürlichen Person aktuell eine unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vermittelt wird, muss dies durch eine entsprechende Besteuerung berücksichtigt werden. Als Typisierung ist die Anknüpfung an die Rechtsform für Zwecke der Besteuerung nicht zulässig, da von der Rechtsform in der Regel nicht auf eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geschlossen werden kann. Lenkungszwecke können eine rechtsformabhängige Unternehmensbesteuerung ebenfalls nicht generell rechtfertigen. Weder aus dem Willen des Gesetzgebers, noch aus den steuerlichen Belastungen ist erkennbar, ob überhaupt eine der Rechtsformen begünstigt werden soll.

§ 7 Zusammenfassung der Ergebnisse

153

Eine generelle Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung der Einkommen von Unternehmern je nach Rechtsform ihres Unternehmens ist somit nicht möglich. Durchaus möglich ist aber die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen im Einzelfall. Das Gebot rechtsformneutraler Besteuerung wird freiheitsrechtlich durch das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG untermauert. Die übrigen Freiheitsrechte spielen für die Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung eine untergeordnete Rolle. Die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG greift nur in Extremfällen der Erdrosselung ein. Die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 GG, aus der in jüngerer Zeit ein Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung hergeleitet wird, ist schon vom Schutzbereich her nicht einschlägig.

II. Überlässt ein Personenunternehmer seinem Unternehmen ein Wirtschaftsgut, so wird es stets zum Betriebsvermögen gerechnet und ist damit steuerverstrickt. Gewinne, die im Rahmen der Liquidation durch die Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter entstehen, sind steuerpflichtig. Dagegen werden Wirtschaftsgüter, die ein Anteilseigner seiner Kapitalgesellschaft überlässt, nur bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung, also im Fall einer personellen und sachlichen Verflechtung, zu Betriebsvermögen umqualifiziert und Gewinne aus ihrer Veräußerung steuerpflichtig. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, zählt das Wirtschaftsgut zum Privatvermögen. Gewinne aus seiner Veräußerung sind deshalb nicht steuerbar und gehen nicht in den steuerpflichtigen Liquidationsgewinn ein. Diese Ungleichbehandlung der Rechtsformen bei der Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von überlassenen Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen ist keine notwendige Konsequenz des Dualismus von Transparenz- und Trennungsprinzip, der dem System der Unternehmensbesteuerung zugrunde liegt. Vielmehr ist sie im Wesentlichen eine Folge des Einkünftedualismus, für den eine Rechtfertigung nicht gefunden werden kann. Im Rahmen der Liquidation werden stille sowie offene Reserven des Unternehmens aufgedeckt und der Besteuerung unterworfen. Die im Handelsrecht rechtsformabhängige Möglichkeit der Bildung stiller Reserven wird nicht über die Maßgeblichkeit der Handels- für die Steu-

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3. Teil: Schluss

erbilanz in das Steuerrecht übernommen. Vielmehr werden diese Unterschiede spätestens durch die rechtsformneutralen steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften ausgeglichen, so dass es nicht zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung kommt. Dagegen besteht nur bei Kapitalgesellschaften durch die Bildung offener Reserven die Möglichkeit der Gewinnthesaurierung zum niedrigen Körperschaftsteuersatz. Auch wenn diese niedrige Besteuerung der einbehaltenen Gewinne verfassungsrechtlich durchaus problematisch ist, stellt die Besteuerung dieser aufgedeckten offenen Reserven im Rahmen der Liquidation nur eine notwendige Nachbesteuerung zur Herstellung einer gleichmäßigen Besteuerung des Gesamtgewinns des Unternehmens dar.

III. Für liquidierende Personenunternehmer wird der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG gewährt, wenn die Altersgrenze erreicht ist oder dauernde Berufsunfähigkeit vorliegt. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, wird kein Freibetrag gewährt. Wesentlich Beteiligten an Kapitalgesellschaften wird im Fall der Liquidation dagegen ohne weitere Voraussetzungen neben dem Freibetrag des § 17 Abs. 3 EStG für Kapitalrückzahlungen auch der Sparerfreibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG für Gewinnauszahlungen gewährt. Die §§ 16 Abs. 4 und 17 Abs. 3 EStG lassen sich historisch auf den einheitlichen Freibetrag des § 32 EStG 1925 zurückführen. Sie haben sich jedoch im Laufe der Zeit - ausgelöst durch ein Urteil des BVerfG - völlig auseinander entwickelt. Die Gründe, die für die unterschiedliche Entwicklung angeführt werden, können die steuerliche Ungleichbehandlung der Rechtsformen aber nicht rechtfertigen. Insbesondere kann die vom Gesetzgeber angeführte Förderung der Altersvorsorge nicht nur auf Personenunternehmen begrenzt werden. Gleiches gilt für den Sparerfreibetrag des § 20 Abs. 4 EStG, der ebenfalls auch mit der Förderung der Alterssicherung begründet wird. Die Norm könnte jedoch voraussetzen, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen typischerweise solche aus Sparkapital sind. Die Ungleichbehandlung des Produktivvermögens wäre dann durch Vereinfachungszwecke gerechtfertigt. Diese Typisierungsüberlegung geht jedoch zu weit, zumal man zur Abgrenzung einfacher auf das Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung entsprechend § 17 EStG hätte abstellen können. Die Rechtsformabhängigkeit der Freibetragsgewährung ist somit nicht zu rechtfertigen.

§ 7 Zusammenfassung der Ergebnisse

155

IV. Der Steuertarif der Einkommensteuer ist linear-progressiv angelegt, d. h. mit steigendem Einkommen steigt auch der Steuersatz. Im Rahmen der Liquidation werden sämtliche im Unternehmen gespeicherten stillen Reserven aufgedeckt und - bei Kapitalgesellschaften zusammen mit den offenen Reserven - an die Unternehmer ausgeschüttet, wo sie der Einkommensteuer unterworfen werden. Durch das zusammengeballte Zufließen der Liquidationserlöse steigt auch der Steuersatz der Unternehmer. Der Gesetzgeber hat zur Abmilderung dieses Phänomens für Personenunternehmen die Tarifglättung des § 34 Abs. 1 EStG vorgesehen. Bei Kapitalgesellschaften soll die Progressionsmilderung schon durch das Halbeinkünfteverfahren erreicht werden, nach dem die Liquidationsausschüttungen nur zur Hälfte der Einkommensteuer unterfallen, was auch auf die Steuerprogression wirkt. Die in dieser Arbeit angestellten Berechnungen haben aufgezeigt, dass diese unterschiedlichen Methoden zur Progressionsmilderung zu teilweise erheblichen Ungleichbehandlungen der Unternehmen führen, je nachdem in welcher Rechtsform sie organisiert sind, so dass eine Rechtfertigung als Typisierung nicht in Frage kommt. Der ermäßigte durchschnittliche Steuersatz, der ursprünglich als Progressionsmilderung für alle Unternehmen unabhängig von der Rechtsform diente, ist nach dem geltenden Recht nur noch unter bestimmten Voraussetzungen für Personenunternehmen anwendbar. Für diese kommt es dadurch zu einer deutlichen Bevorteilung. Die Förderung der Altersvorsorge, die zu seiner Begründung angeführt wird, kann nicht nur auf diese begrenzt werden und eine rechtsformabhängige Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Auch als Ausgleich für die Steuerfreiheit der Veräußerungsund Liquidationsgewinne, die seit dem Steuersenkungsgesetz für Kapitalgesellschaften gilt, ist die Regelung nicht geeignet.

V. Liquidationsverluste können bei Personenunternehmern mit anderen Einkünften des gleichen Veranlagungszeitraums verrechnet werden. Verbleiben negative Einkünfte, so besteht die Möglichkeit des Verlustrücktrages bis zu einem Betrag von 511.500 € in den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum. Weiterhin verbleibende Verluste können unter Beachtung der Mindestbesteuerung vorgetragen werden. Da Personenge-

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3. Teil: Schluss

sellschaftern der Liquidationsverlust ihrer Gesellschaft aufgrund des Transparenzprinzips anteilig unmittelbar zugerechnet wird, sind die betragsmäßigen Beschränkungen bei jedem Gesellschafter anzuwenden, so dass sich deren Höhe mit der Anzahl der Gesellschafter vervielfacht. Kapitalgesellschaften sind mit dem Liquidationsabschluss vollbeendet. Ein Verlustvortrag ist somit nicht möglich. Übrige Gewinne, mit denen ein Liquidationsverlust verrechnet werden könnte, existieren nicht. Es verbleibt nur die Möglichkeit eines Verlustrücktrages, der auf einmalig 511.500 € beschränkt ist. Übersteigende Verluste können nicht von den Gesellschaftern geltend gemacht werden und sind somit für steuerliche Zwecke verloren. Die mangelnde Übertragbarkeit der Verluste von der Kapitalgesellschaft an die Anteilseigner ist Folge der steuerrechtlichen Anerkennung der zivilrechtlichen Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft. Anteilseigner können Liquidationsverluste nur dann steuerlich geltend machen, wenn sie diese wirtschaftlich tragen. Für die unterschiedliche betragsmäßige Beschränkung des Verlustrücktrages bei Kapital- und Personengesellschaften findet sich jedoch keine Rechtfertigung. Mit dem Halbeinkünfteverfahren wurde das Halbzugsverfahren eingeführt. Danach können Aufwendungen, die mit dem Halbeinkünfteverfahren unterfallenden Einnahmen im Zusammenhang stehen, steuerlich nur zur Hälfte geltend gemacht werden. Dies hat zur Folge, dass Bürgschaften und ausfallende Darlehensforderungen eines Kapitalgesellschafters, die als nachträgliche Anschaffungskosten seiner Kapitalgesellschaftsanteile behandelt werden, steuerlich nur zur Hälfte berücksichtigt werden, obwohl der Steuerpflichtige sie wirtschaftlich voll trägt. Das Halbabzugsverfahren kann nicht als Konsequenz des Halbeinkünfteverfahrens gerechtfertigt werden. Das Halbeinkünfteverfahren berücksichtigt die Vorbelastung der ausgeschütteten Gewinne einer Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer und vermeidet so eine Doppelbelastung. Da somit insgesamt de facto keine Steuerbefreiung der Gewinne vorliegt, ist entsprechend ein Abzugsverbot der Aufwendungen nicht geboten. Das Halbabzugsverfahren verstößt vielmehr gegen das objektive Nettoprinzip.

VI. Mit dem Beginn der Liquidation endet die Gewerbesteuerpflicht von Personenunternehmen, da sie keine werbende Tätigkeit mehr betreiben. Kapitalgesellschaften sind trotzdem kraft Rechtsform bis zur Vollbeendi-

§ 7 Zusammenfassung der Ergebnisse

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gung gewerbesteuerpflichtig. Die Vorbelastung des Liquidationsgewinns mit Gewerbesteuer wird anders als die Körperschaftsteuer auf der Ebene des Anteilseigners nicht berücksichtigt. Sie führt damit bei diesem zu einer steuerlichen Mehrbelastung des Liquidationsgewinns. Das von der Rechtsprechung angeführte Objektsteuerprinzip, das die Steuerfreistellung der Liquidationsgewinne von Personenunternehmen erfordere, kann diese Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Die Anwendung des Objektsteuerprinzips ist Folge des Äquivalenzprinzips, mit dem die Gewerbesteuer ursprünglich gerechtfertigt wurde. Aufgrund grundlegender Einschnitte in die Grundstruktur der Gewerbesteuer ist bereits die grundsätzliche Eignung des Äquivalenzprinzips für Rechtfertigungszwecke äußerst fragwürdig. Mit ihm kann die Ungleichbehandlung bei der Liquidationsbesteuerung aber ohnehin nicht erklärt werden. Nach dem Objektsteuerprinzip unterliegt nur der Soll-Ertrag der Besteuerung. In der Liquidation weist aber eine Kapitalgesellschaft genauso wenig Ertragspotential auf wie ein Personenunternehmen, dass auch aus eben diesem Grund nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Der typisierende Schluss, dass jede Tätigkeit der Kapitalgesellschaft auch in der Liquidation - stets einen Gewerbebetrieb darstellt, kann aufgrund der immer stärker zunehmenden Bedeutung dieser Rechtsform für andere Tätigkeitsarten nicht (mehr) als Rechtfertigung für die rechtsformabhängige Gewerbesteuerpflicht angenommen werden. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen kann auch eine Anknüpfung des gewerbesteuerlichen Gewerbebegriffs an den handelsrechtlichen Kaufmannsbegriff aus Vereinfachungsgründen nicht als Rechtfertigung herangezogen werden. Die Nennung der Gewerbesteuer in der Finanzverfassung stellt ebenfalls keine Rechtfertigung für die rechtsformabhängige Ungleichbehandlung dar, da der Verfassungsgesetzgeber mit Art. 106 GG keine wertende Aussage getroffen hat. Als Ausgleich für den niedrigen Körperschaftsteuersatz kann die Gewerbesteuer schon deshalb nicht angesehen werden, weil dieser bei der Liquidationsausschüttung durch das Halbeinkünfteverfahren berücksichtigt wird, die Gewinne somit dem progressiven Einkommensteuersatz unterworfen werden. Die Gewerbesteuer führt dabei vollständig zu einer Zusatzbelastung der Gewinne. Die in der Liquidation auf Kapitalgesellschaften beschränkte Gewerbesteuerpflicht verstößt somit gegen das Gebot der rechtsformneutralen

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3. Teil: Schluss

Unternehmensbesteuerung aus den Art. 3 Abs. 1, 12 GG. Bei einem Bestehenbleiben der jetzigen Gewerbesteuer ist deshalb eine von der überkommenen Rechtsprechung abweichende verfassungskonforme Gesetzesauslegung erforderlich, die die Gewerbesteuerpflicht in der Liquidation auch auf Personenunternehmen ausweitet.

§ 8 Zusammenfassende Thesen 1. Aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich ein Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung von Unternehmen herleiten, das eine Rechtfertigung fordert, wenn es zu einer steuerlicher Ungleichbehandlung von Unternehmern mit gleichen Gewinnen oder Verlusten nur aufgrund der Rechtsform ihres Unternehmens kommt. Dieses Gebot wird freiheitsrechtlich durch das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG untermauert. 2. Das deutsche Unternehmensteuerrecht ist durch den Dualismus von Einkommen- und Körperschaftsteuer bereits vom Ansatz her rechtsformabhängig ausgestaltet. Hiervon ist auch die Liquidationsbesteuerung betroffen. Diese Rechtsformabhängigkeit führt jedoch erst durch einen zweiten steuerlichen Dualismus, dem Einkünftedualismus, zu einer ungleichen Steuerbelastung. 3. Durch die grundsätzliche Steuerfreiheit privater Veräußerungsgewinne aufgrund des Einkünftedualismus kommt es im Rahmen der Liquidation zu einer rechtsformabhängigen Besteuerung von Wirtschaftsgütern, die Gesellschafter an ihre Gesellschaft überlassen. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. 4. Dass die Rechtsformabhängigkeit der handelsrechtlichen Möglichkeit stille Reserven zu bilden, nicht über die Maßgeblichkeit auf das Steuerrecht durchschlägt, wird spätestens durch die eigenen rechtsformneutralen Ansatz- und Bewertungsvorschriften des Steuerrechts verhindert. 5. Die Ungleichbehandlung der Rechtsformen hinsichtlich ihrer offenen Reserven ist eine notwendige Folge der steuerlichen Bevorzugung von Kapitalgesellschaften bei der Thesaurierung. 6. Die Ungleichbehandlung durch die ursprünglich weitgehend rechtsformneutral ausgestalteten Freibeträge verstößt gegen das Gebot der Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung. 7. Durch die unterschiedlichen Methoden zur Milderung der Steuerprogression kommt es zu erheblichen rechtsformabhängigen Ungleichbehandlungen, die sich nicht rechtfertigen lassen.

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§ 8 Zusammenfassende Thesen

8. Die mangelnde Möglichkeit nicht ausgleichsfähige Verluste der Kapitalgesellschaft steuerlich bei den Anteilseignern geltend machen zu können, ist Folge der Anknüpfung des Steuerrechts an die zivilrechtliche Verselbständigung der Kapitalgesellschaften. Die betragsmäßig unterschiedliche Möglichkeit zum Verlustrücktrag ist damit aber nicht zu begründen. 9. Durch das Halbabzugsverbot kommt es zu einer nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften, weil Aufwendungen, die sie wirtschaftlich voll zu tragen haben, steuerlich nur hälftige Berücksichtigung finden. 10. Neben dem Einkünftedualismus ist es insbesondere die Gewerbesteuer, die für die erhebliche Rechtsformabhängigkeit der deutschen Unternehmensbesteuerung sorgt. Der Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer führt nach der Rechtsprechung dazu, dass Personenunternehmen in der Liquidationsphase nicht mehr der Gewerbesteuer unterliegen. Kapitalgesellschaften sollen dagegen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang und somit auch während der Liquidation gewerbesteuerpflichtig sein. Diese auf die überholte Annahme eines Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer fußende Rechtsprechung ist mit dem Gebot rechtsformneutraler Besteuerung nach Art. 3 Abs. 1, 12 GG nicht vereinbar und deshalb aufzugeben.

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Rechtsprechungsverzeichnis I. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 23.10.1951 17.12.1953 3.6.1954 20.7.1954 16.4.1955 21.7.1955 21.2.1957 11.6.1958 29.7.1959 29.7.1959 15.12.1959 30.5.1961 10.10.1961 24.1.1962 24.4.1966 15.3.1967 7.5.1968 14.1.1969 13.5.1969 9.7.1969 15.7.1969 7.10.1969 7.10.1969 11.5.1970 15.12.1970 16.3.1971 1.4.1971 19.6.1973 3.7.1973 26.5.1976 21.3.1977 7.6.1977 11.10.1977

2 BvG 1/51 1 BvR 147/52 1 BvR 183/54 1 BvR 459/52 2 BvK 1/54 1 BvL 33/51 1 BvR 241/56 1 BvR 596/56 1 BvR 394/58 1 BvR 205 u. a./58, 1 BvL 27, 100/58 2 BvL 73/58 2 BvR 366/60 2 BvL 1/59 1 BvR 845/58 1 BvR 20/62 und 27/64 1 BvR 575/62 1 BvR 420/64 1 BvR 136/62 1 BvR 25/65 2 BvL 20/65 1 BvR 457/66 2 BvL 3/66 und 2 BvR 701/64 2 BvR 555/67 1 BvL 17/67 1 BvR 559 u. a./70 1 BvR 52 u. a./66 1 BvL 22/67 1 BvL 39/69 und 14/72 1 BvR 153/69 2 BvR 294/76 1 BvR 2/77 1 BvR 108, 424/73 und 226/74 1 BvR 343/73 u. a.

BVerfGE 1, 14 BVerfGE 3, 58 BVerfGE 3, 383 BVerfGE 4, 7 BVerfGE 4, 144 BVerfGE 4, 219 BVerfGE 6, 273 BVerfGE 7, 377 BVerfGE 10, 89 BVerfGE 10, 59 BVerfGE 10, 251 BVerfGE 13, 1 BVerfGE 13, 153 BVerfGE 13, 331 BVerfGE 20, 31 BVerfGE 21, 227 BVerfGE 23, 242 BVerfGE 25, 28 BVerfGE 26, 1 BVerfGE 26, 302 BVerfGE 26, 327 BVerfGE 27, 111 BVerfGE 27, 142 BVerfGE 28, 227 BVerfGE 29, 402 BVerfGE 30, 292 BVerfGE 31, 8 BVerfGE 35, 263 BVerfGE 35, 348 BVerfGE 42, 212 HFR 1977, 256 BVerfGE 45, 63 BVerfGE 47, 1

186 25.10.1977 1.3.1979 1.7.1980 7.10.1980 8.7.1982 8.2.1983 30.1.1985 12.3.1985 14.5.1985 29.11.1989 23.1.1990 29.5.1990 31.5.1990 27.6.1991 8.10.1991 27.12.1991 25.9.1992 17.11.1992 26.1.1993 8.6.1993 22.6.1995 22.6.1995 8.4.1997 10.4.1997 17.2.1998 7.5.1998 31.5.1998 30.9.1998 28.4.1999 10.11.1999 4.4.2001 6.3.2002 26.6.2002 9.3.2004 21.6.2006

Rechtsprechungsverzeichnis 1 BvR 15/75 1 BvR 532, 533/77 u. a. 1 BvR 247/75 1 BvL 89/79 2 BvR 1187/80 1 BvL 28/79 1 BvR 279/83 1 BvR 571/81 u. a. 1 BvR 449 u. a./82 1 BvR 1402, 1528/87 1 BvL 4 u. a./87 1 BvL 26/84 und 4/86 2 BvL 12, 13/88 u. a. 2 BvR 1493/89 1 BvL 50/86 2 BvR 72/90 2 BvL 5, 8, 14/91 1 BvL 8/87 1 BvL 37 u. a./92 1 BvL 20/85 2 BvL 37/91 2 BvL 37/91 1 BvR 48/94 2 BvL 77/92 1 BvF 1/91 2 BvR 1991, 2004/95 1 BvL 22/85 2 BvR 1818/91 1 BvL 11/94 u. a. 2 BvR 2861/93 2 BvL 7/98 2 BvL 17/99 1 BvR 558, 1428/91 2 BvL 17/02 2 BvL 2/99

BVerfGE 45, 226 BVerfGE 50, 290 BVerfGE 54, 237 BVerfGE 55, 72 BVerfGE 61, 82 BVerfGE 63, 119 NJW 1985, 1891 BVerfGE 69, 188 BVerfGE 70, 1 BVerfGE 81, 108 BVerfGE 81, 228 BVerfGE 82, 60 BVerfGE 82, 159 BVerfGE 84, 239 BVerfGE 84, 348 StuW 1992, 186 BVerfGE 87, 153 BVerfGE 87, 234 BVerfGE 88, 87 BVerfGE 89, 1 BVerfGE 93, 121 BVerfGE 93, 121 BVerfGE 95, 267 BVerfGE 96, 1 BVerfGE 97, 228 BVerfGE 98, 106 BVerfGE 78, 232 BVerfGE 99, 88 BVerfGE 100, 138 BVerfGE 101,151 BVerfGE 103, 310 BVerfGE 105, 73 BVerfGE 105, 252 NJW 2004, 1022 FR 2006, 766

II. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs 25.5.1962 13.11.1962 13.11.1963 22.10.1964 14.12.1965

I 78/61 S I 262/60 U GrS 1/63 S IV 106/64 U I 246/62 U

BFHE 75, 467 BStBl. III 1963, 69 BStBl. III 1964, 124 BStBl. III 1965, 44 BStBl. III 1966, 152

Rechtsprechungsverzeichnis 3.2.1969 25.6.1970 8.11.1971 8.12.1971 28.2.1974 15.5.1974 17.7.1974 30.10.1974 12.6.1975 24.6.1976 8.9.1976 20.10.1976 8.6.1977 12.2.1980 24.4.1980 4.11.1980 11.12.1980 26.2.1981 29.10.1981 17.12.1982 9.3.1983 17.2.1984 5.7.1984 29.8.1984 27.2.1985 17.4.1986 17.4.1986 14.11.1986 12.10.1988 24.10.1990 8.5.1991 17.10.1991 7.7.1992 27.10.1992 19.2.1993 3.5.1993 26.5.1993 3.6.1993 3.6.1993 19.7.1993 9.9.1993 3.7.1995 2.4.1997 2.4.1997 2.10.1997

GrS 2/68 IV B 350/64 GrS 2/71 I R 164/69 VIII R 83/69 I R 255/71 I R 233/71 I R 40/72 IV R 10/72 IV R 199/72 I R 99/75 I R 148/74 I R 40/75 VIII R 114/77 IV R 68/77 VII R 55/77 I R 119/78 IV R 98/79 IV R 138/78 III R 136/79 I R 202/79 VIII R 13/94 IV R 36/81 I R 154/81 I R 235/80 IV R 100/84 IV R 151/85 VI R 209/82 X R 5/86 X R 64/89 I R 33/90 IV R 97/89 VIII R 54/88 VIII R 87/89 VI R 94/91 GrS 3/92 X R 101/90 VIII R 23/92 VIII R 81/91 GrS 2/92 IV R 30/92 GrS 1/93 X R 6/95 X R 6/95 IV R 84/96

187 BStBl. II 1969, 291 BStBl. II 1970, 719 BStBl. II 1972, 63 BStBl. II 1972, 229 BFHE 112, 574 BFHE 112, 381 BStBl II 1974, 692 BFHE 114, 85 BStBl. II 1975, 853 BStBl. II 1976, 670 BStBl. II 1977, 66 BFHE 120, 265 BFHE 122, 318 BFHE 130, 378 BFHE 131, 70 BStBl. II 1981, 396 BStBl. II 1981, 460 BStBl. II 1981, 566 BStBl. II 1982, 381 BStBl. II 1983, 221 BFHE 138, 81 BStBl. II 1994, 809 BStBl. II 1984, 711 BFHE 142, 394 BStBl. II 1985, 456 BStBl. II 1986, 527 BFH/NV 1987, 759 BStBl. II 1989, 351 BFHE 154, 566; BFHE 163, 42 BFHE 165, 191 BStBl. II 1992, 392 BStBl. II 1993, 331 BFHE 170, 53 BStBl. II 1993, 551 BStBl. II 1993, 616 BStBl. II 1993, 710 BFH/NV 1994, 459 BFHE 172, 407 BStBl. II 1993, 897 BStBl. II 1994, 105 BStBl. II 1995, 617 BFHE 183, 208 BStBl. II 1998, 25 BStBl. II. 1998, 104

188

Rechtsprechungsverzeichnis

22.10.1998 18.10.1999 25.1.2000 24.2.2000 24.8.2000 29.11.2000 8.8.2001 5.9.2001 27.11.2001 12.12.2001 30.1.2002 8.5.2003 18.9.2003

I R 15/98 GrS 2/98 VIII R 63/98 IV R 62/98 IV R 42/99 I R 28/00 I R 104/00 I R 27/01 VIII R 36/00 VIII R 36/97 X R 56/99 IV R 35/01 X R 2/00

BFH/NV 1999, 829 BStBl. II 2000, 123 BFHE 191, 115 BStBl. II 2000, 417 BFH/NV 2001, 246 BFH/NV 2001, 816 BFH/NV 2002, 535 BStBl. II 2002, 155 BFH/NV 2002, 706 BFH/NV 2001, 761 BStBl. II 2002, 387 BFH/NV 2003, 1270 BFHE 203, 263

III. Entscheidungen des Reichsfinanzhofs 30.3.1920 17.6.1931 8.8.1934 1.12.1937 10.5.1938 29.6.1938 4.10.1938 13.12.1938 17.1.1939 28.3.1939 22.8.1939

I A 37/22 VI A 151/30 VI A 928 VI 688/37 I 266/37 VI 395/38 I 374/37 I 427/38 I 418/38 I 74/39 I 436/38

RFHE 10, 23 StuW II 1931, 1352 StuW II 1934, 1317 RStBl. 1938, 356 RFHE 44, 80 RStBl. 1938, 910 RStBl. 1938, 1142 RFHE 45, 287 RFHE 46, 47 RFHE 46, 271 RStBl. 1940, 116

IV. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs 22.1.1976 10.5.1976 29.1.2001

VII ZR 280/75 II ZR 180/74 II ZR 331/00

BGHZ 66, 48 BB 1976, 948 BGHZ 146, 341

V. Entscheidungen der Finanzgerichte Baden-Württemberg 25.2.2002 Hamburg 1.6.1976 München 22.7.2003 Niedersachsen 23.7.1997 Niedersachsen 21.4.2004 Niedersachsen 8.11.2005 Saarland 4.5.1998

6 V 71/01 II 116/74, 7 K 4529/00 IV 317/91 4 K 317/91 15 K 646/06 1 V 94/98

EFG 2002, 684 EFG 1976, 576 EFG 2003, 1722 EFG 1997, 1456 EFG 2004, 1065 EFG 2006, 1404 EFG 1998, 1145

Sachwortverzeichnis Abwicklungs-Anfangsvermögen 54 Abwicklungs-Endvermögen 53 Abwicklungszeitraum 52 Altersvorsorge Förderung 89 Anschaffungswertprinzip 16 Anstoßtarif 100, 101 Äquivalenzprinzip 134 -- Aussage 134 -- Tauglichkeit als Rechtfertigungsgrund 134 Auflösung 15 -- Gründe 15 außerordentliche Einkünfte 99

Dualismus von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer 17

Behaltefrist 60 Beispielsrechnungen 106 Bemessungsgrundlage siehe auch Betriebsaufgabeerfolg -- Kapitalgesellschaften 52 -- Personenunternehmen 46 -- Rechtsformvergleich 46 Berufsfreiheit 38 Beteiligungsgrenze 93 Betriebsaufgabe -- Bedeutung 46 -- einheitlicher Vorgang 47, 96 -- Freibetrag 82 -- Zeitraum 48 Betriebsaufgabeerfolg -- bei Personengesellschaften 50 -- beim Einzelunternehmer 49 -- Bewertung 49 -- Ermittlung 49 Betriebsaufspaltung 60 Betriebsveräußerung 47 Bodengewinnbesteuerung 88 Buchführungspflicht kraft Rechtsform 89

Finanzverfassung 44 -- als Rechtfertigungsgrund für Ungleichbehandlungen 144 -- Nennung einer Steuerart 144 Firmenwert 49, 87 Folgerichtigkeit 22 Formeltarif 101 Freiberufler-GmbH 139 Freibeträge 82 -- als Lenkungszwecknormen 86 -- bei Kapitalgesellschaften 83 -- bei Personenunternehmen 82 -- Historische Entwicklung 86 -- Rechtfertigung der Rechtsformabhängigkeit 86 -- Rechtsformabhängigkeit 86 Freiheitsrechte 34 Fünftel-Regelung 97, 101 -- und Grundfreibetrag 106 -- und Halbeinkünfteverfahren 105 -- Vorteilhaftigkeit 108 -- Wirkungsweise 102

Eigentumsgarantie 41 Einkommensteuerreformgesetz 1974 91 Einkünfte aus Kapitalvermögen 56, 92 Einkünftedualismus 68, 122 -- Rechtfertigungsversuche 69 Einkünfteermittlung, zweistufige 65 Ergänzungsbilanz 51 Ermäßigter Durchschnittssteuersatz 97 -- und Halbeinkünfteverfahren 110 ermäßigter Steuersatz 97

190

Sachwortverzeichnis

Gewerbebetrieb 129 Gewerbeertrag 134 Gewerbekapital 134 Gewerbesteuer 17, 129 -- als Ausgleichsposten für niedrigen KSt-Satz 146 -- als Gegenleistung für wirtschaftliche Vorteile 142 -- Berücksichtigung 132 -- Kompensationsfunktion 148 -- Leistungsfähigkeitsprinzip 151 -- Rechtsformabhängigkeit siehe Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform 131 -- als Typisierung 139 -- Anknüpfung an das Handelsrecht? 144 -- Rechtfertigungsversuche 134 Gewerbesteuerumlage 136, 145 Gewinnausschüttungen 56, 84 Gewinnauszahlungen 58 Gewinnermittlungsart 52 Gewinnermittlungszeitraum 52 Gewinnrücklagen 77 Gewinnthesaurierung 78 gezeichnetes Kapital 57 Gleichheitssatz 19, 144 -- Anwendung 20 -- Grundaussage 19 -- Konkretisierung im Steuerrecht 22 -- „Neue Formel“ des BVerfG 30 -- Vergleichsmaßstab Siehe Vergleichsmaßstab Grundfreibetrag 95 Grundrechtsfähigkeit 27 grundrechtstypische Gefährdungslage 27 Grundsatz der Maßgeblichkeit 52, 76 Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung 76 Haftung 33 Haftungsausgestaltung 30 Halbabzugsverbot 122 -- rechtliche Würdigung 126 -- und Halbeinkünfteverfahren 126

Halbeinkünfteverfahren 58, 60, 79, 84, 85, 96, 99, 102, 103, 126, 146 -- bei Liquidationsverlusten 122 -- und ermäßigter Durchschnittsteuersatz 112 -- und Steuersatzprogression 105 -- und Tarifglättung 99 -- Wirkungsweise 103 Halbeinkünfteverfahrens, Vorteilhaftigkeit 105 Handelsgesellschaft 140 Handelsrecht 52, 140, 141 Härteausgleich 91 Imparitätsprinzip 75 Inflationsanfälligkeit 71 Insolvenzordnung 16 Insolvenzverfahren 16 Jahressteuergesetz 1996 90 Kapitalgesellschaft - Grundrechtsfähigkeit 27 Kapitalrücklagen 57 Kapitalrückzahlungen 56, 58, 83 konfiskatorische Besteuerung 42 Körperschaftsteuer -- als Belastung des Anteilseigners 25 -- Berücksichtigung beim Anteilseigener 110 -- Berücksichtigung beim Anteilseigner 24 -- Vorbelastung 28 Körperschaftsteuersystem, klassisches 146 Leistungsfähigkeit 32 -- objektive 23, 28, 126 -- subjektive 23, 28 -- von Kapitalgesellschaften 25 Leistungsfähigkeitsprinzip 21, 29 -- bei Kapitalgesellschaften 24 Lenkungszweck 30, 32, 86, 111

Sachwortverzeichnis Liquidation -- Begriff 15 -- Gründe 15 -- Inhalt 15 -- Statistik 15 Liquidationsbesteuerung, Zweck 16 Liquidationserfolg -- Bewertung 53 -- Ermittlung 52 Liquidationserlös, Zusammensetzung 56 liquidationsteuerpflichtige Rücklagen, Umfang 74 Liquidationsverlust 118 -- bei Kapitalgesellschaften 119 -- Entstehung bei Personenunternehmen 116 Lohnsumme 134

191

Progressionsvorbehalt 98, 105 Progressionszonen 95 Proportionalzone 95 Quellentheorie 69

Realisationsprinzip 16, 23, 75 rechtsformabhängige Besteuerung -- als Typisierung 31 -- Rechtfertigungsgründe 29 -- und Freiheitsrechte 34 -- und Unterschiede zwischen den Rechtsformen 30 -- zu Lenkungszwecken 32 Rechtsformabhängigkeit - Handelsbilanz 74 Rechtsformabhängigkeit der Unternehmensbesteuerung 17 rechtsformneutrale Besteuerung 17 Markteinkommen 23 Rechtsformneutrale UnternehmensbeMindestbesteuerung 98, 119 steuerung 129 Missbrauchsvermeidung 121 -- verfassungsrechtliches Gebot 19 Rechtsformneutralität als Ziel des SteuerNennkapital 56 senkungsgesetzes 146 Nettoprinzip, objektives 121 rechtsformorientierte Betrachtungsweise Niederstwertprinzip 75 24 Nullzone 95 Rechtsformwahl 17 Rechtspersönlichkeit 17, 27, 64 -- Kapitalgesellschaft 64 objektiv berufsregelnde Tendenz 40 Objektsteuercharakter 130, 134, 135, 136 -- Personengesellschaft 64 Reinvermögenszugangstheorie 69 offene Rücklagen 77 Reinvestitionsrücklage 79 -- handelsrechtliche 77 Rücklage für Ersatzbeschaffung 79 -- steuerrechtliche 79 Rücklagen -- Arten 74 personenbezogene Unternehmen - Be-- Rechtsformabhängigkeit 80 griff 18 Rumpfwirtschaftsjahr 120 Prinzip der Abschnittsbesteuerung 95 privates Veräußerungsgeschäft 56, 63 Scheingewinnbesteuerung 72 Progressionsmilderung 96, 97, 99, 101 Scheinliquidation 15, 120 -- Anwendungsbereich 96 -- Rechtsformabhängigkeit 102 Schwarzwaldklinikentscheidung 31 -- ursprüngliche Rechtsformneutralität shareholder-relief 104 99 Soll-Ertrag 134 Progressionsmilderungsmethoden - Ver Sonderausweis 58 Sonder-Betriebsvermögen 51, 63, 66, 119 gleich 105

192

Sachwortverzeichnis

Sonderposten mit Rücklageanteil 80 Sparer-Freibetrag 84, 91 Sperrjahr 56 Spitzensteuersatz 100 steuerliches Einlagekonto 56, 58, 102 Steuerrechtliche Dualismen 64 Steuersatz 96 -- bei Kapitalgesellschaften 98 -- bei Personenunternehmen 96 -- hälftiger durchschnittlichen 101 -- Körperschaftsteuer 98 Steuersatzprogression 47, 95, 96, 97 Steuersenkungsergänzungsgesetz 115 Steuersenkungsgesetz 99, 102, 103, 129, 146 Steuertarif - Aufbau 96 steuerverstricktes Vermögens - Umfang 62 Steuerverteilungsnorm 146 stille Liquidation 15 stille Reserven 16, 47, 52, 74, 87, 91, 95, 98 -- Aufdeckung 16 Stille Rücklagen siehe Stille Reserven Tarifermäßigung 47, 96, 97, 98 Tarifglättung 97 -- und Halbeinkünfteverfahren 99 -- und Tarifermäßgigung 112 Tarifprogression siehe Steuersatzprogression Teilrechtsfähigkeit 27 Teilrechtsfähigkeit von Personengesellschaften - Negation durch das Steuerrecht 17 Thesaurierung 33 Thesaurierungsbesteuerung 111 Totalitätsprinzip 23 Transparenzprinzip 64, 67 -- und Verlustbehandlung 123 Trennungsprinzip 64, 68, 79 -- und Verlustbehandlung 123 Typisierung 92, 109

Ungleichbehandlung 21 Vereinfachungszweck 30, 32, 109, 138, 140 Vereinigungsfreiheit 34 -- negative 36 -- Verhältnis zu anderen Freiheitsrechten 37 verfassungsrechtliches Gebot rechtsformneutraler Besteuerung -- Grundlagen 19 -- Meinungen 19 Vergleichsmaßstab -- Anwendung bei Kapitalgesellschaften 24 -- Einkommen 23 -- Notwendigkeit 21 Verlust 142 Verlustabzug 121 -- Rechtsformabhängigkeit 126 Verlustrücktrag 118, 120, 122, 123, 124 -- als Lenkungszwecknorm 125 Verlustverrechnung 118, 122 -- Beschränkung 122 -- Rechtsformabhängigkeit 122 Verlustvortrag 119, 123 Vollanrechnungsverfahren 103, 146 -- Abschaffung 104 Vollbeendigung 15, 48, 142 Vorsichtsprinzip 16, 75 wesentliche Beteiligung 122 wesentliche Betriebsgrundlage 47, 48, 61 wirtschaftliche Betrachtungsweise 25 wirtschaftliche Leistungsfähigkeit 22, 23, 77, 96 -- und Gewerbesteuer 132 -- und Vollanrechnungsverfahren 104 wirtschaftskraftbezogene Hebesatzsteuer 143, 144 Zinsabschlaggesetz 91 Zinssteuerurteil 91 Zivilrechtsfähigkeit - Personengesellschaft 65 Zweites Steueränderungsgesetz 1971 88, 89