Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache: Untersuchungen zu Variation und Kookkurrenzregularitäten im „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standardsprache 3515101225, 9783515101226

Die Sprache, die in der informellen Kommunikation im Alltag verwendet wird, ist im Rheinland wie in einem Großteil des d

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German Pages 372 [377] Year 2013

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INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
1. MODELLE DES „MITTLEREN BEREICHS“
1.1 CODE-SWITCHING ZWISCHEN DIALEKT UND STANDARDSPRACHE
1.2 REGIONALE UMGANGSSPRACHE ALS DISTINKTE VARIETÄT
1.3 DAS MODELL DES DIALEKT-STANDARD-KONTINUUMS
1.4 VERDICHTUNGSBEREICHE
1.5 VARIABLENREGELN
2. EMPIRISCHE ZUGÄNGE ZUR REGIONALEN UMGANGSSPRACHE – PROBLEME UND ERGEBNISSE
2.1 VARIABLENANALYTISCHE UND KONVERSATIONSANALYTISCHE ANSÄTZE
2.2 KOOKKURRENZREGULARITÄTEN
2.3 UNTERSUCHUNGEN ZU STANDARD-DIALEKT-VARIATION IM RIPUARISCHEN RAUM
3. EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG: KORPUS UND UNTERSUCHTE MERKMALE
3.1 ZUR ERHEBUNG „NATÜRLICHER“ ALLTAGSSPRACHE
3.2 MATERIAL UND DATENAUFBEREITUNG
3.3 DIE VARIABLEN
4. ERGEBNISSE DER GLOBAL-STATISTISCHEN AUSWERTUNG
4.1 ABSTUFUNG DES VARIANTENGEBRAUCHS IN DEN TEXTEN
4.2 IMPLIKATIONSSKALENANALYSE
4.3 CLUSTERANALYSE
5. KOOKKURRENZANALYSE
5.1 ZUR METHODE
5.2 ERGEBNISSE AUF WORTEBENE
6. WEITERE UNTERSUCHUNGEN ZUR KOOKKURRENZ
6.1 KOOKKURRENZ AUF SATZ- UND ÄUSSERUNGSEBENE
6.2 HETEROGENE KOMBINATIONEN – VARIETÄTENMISCHUNG ODER MISCHVARIETÄT
6.3 INFORMANTENURTEILE ZUR GEBRÄUCHLICHKEIT HETEROGENER KOMBINATIONEN
7. FAZIT: DIE ORGANISATION DER ERSCHEINUNGSFORMEN RHEINISCHER ALLTAGSSPRACHE
7.1 DIALEKT UND REGIOLEKT-STANDARD-KONTINUUM
7.2 CODE-SWITCHING UND CODE-MIXING
7.3 CODE-MIXING ALS VERDICHTUNGSBEREICH
8. REGIOLEKT ALS DIALEKTALES SUBSTRAT
8.1 GRUNDLAGEN DES SPRACH- UND VARIETÄTENKONTAKTS
8.2 BESTIMMENDE FAKTOREN PHONOLOGISCHER TRANSFERENZ
9. IMPOSITION UND DEREN AUSGANGSBEDINGUNGEN BEI DEN UNTERSUCHTEN MERKMALEN
9.1 SPURLOSE UND UNAUFFÄLLIGE SUBSTITUTION
9.2 IMPOSITIONSBEGÜNSTIGENDE BEDINGUNGEN
Fazit
10. VON REGIONALEM „HOCHDEUTSCH“ ZU REGIONALER UMGANGSSPRACHE
10.1 IMPOSITION UND SUBSTRAT
10.2 DIE ENTWICKLUNG IM 20. JAHRHUNDERT
ZUSAMMENFASSUNG
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
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Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache: Untersuchungen zu Variation und Kookkurrenzregularitäten im „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standardsprache
 3515101225, 9783515101226

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BEIHEFTE

Robert Möller

Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache Untersuchungen zu Variation und Kookkurrenzregularitäten im „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standardsprache

Germanistik

ZDL

Franz Steiner Verlag

zeitschrift für dialektologie und linguistik

beihefte

153

Robert Möller Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache

zeitschrift für dialektologie und linguistik beihefte In Verbindung mit Michael Elmentaler und Jürg Fleischer herausgegeben von Jürgen Erich Schmidt

band 153

Robert Möller

Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache Untersuchungen zu Variation und Kookkurrenzregularitäten im „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standardsprache

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Landschaftsverbands Rheinland

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2013 Druck: Laupp & Göbel GmbH, Nehren Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10122-6

INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG ................................................................................................. 11 1. MODELLE DES „MITTLEREN BEREICHS“ ........................................ 15 1.1 Code-Switching zwischen Dialekt und Standardsprache ................... 15 1.1.1 Bilektalität und Bilingualität ..................................................... 15 1.1.2 Bilinguale Sprachproduktion ..................................................... 20 1.1.3 Code-Switching und Transferenz .............................................. 23 1.2 Regionale Umgangssprache als distinkte Varietät .............................. 27 1.2.1 Gliederungsmodelle ................................................................... 27 1.2.2 Abgrenzungskriterien ................................................................ 32 1.3 Das Modell des Dialekt-Standard-Kontinuums .................................. 38 1.3.1 Implikative Kontinua ................................................................. 38 1.3.2 Das Problem des bruchlosen Übergangs ................................... 40 1.4 Verdichtungsbereiche ......................................................................... 44 1.5 Variablenregeln ................................................................................... 47 2. EMPIRISCHE ZUGÄNGE ZUR REGIONALEN UMGANGSSPRACHE – PROBLEME UND ERGEBNISSE................................. 50 2.1 Variablenanalytische und konversationsanalytische Ansätze ............. 50 2.1.1 Der klassische variationslinguistische Ansatz ........................... 50 2.1.2 Situationskonzept und innersituativer Sprachlagenwechsel ..... 57 2.2 Kookkurrenzregularitäten ................................................................... 61 2.2.1 Kookkurrenzregularitäten als Zugang zur .................................... Struktur des „mittleren Bereichs“ .............................................. 61 2.2.2 Bisherige Untersuchungen zu Kookkurrenzregularitäten ......... 66 2.3 Untersuchungen zu Standard-Dialekt-Variation im ripuarischen Raum ................................................................................................... 68 3. EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG: KORPUS UND UNTERSUCHTE MERKMALE ............................................................................................. 75 3.1 Zur Erhebung „natürlicher“ Alltagssprache........................................ 75 3.2. Material und Datenaufbereitung ......................................................... 78 3.2.1 Das Korpus ................................................................................ 78 3.2.2 Variablenbegriff, Transkription und Annotierung .................... 80 3.3 Die Variablen ...................................................................................... 84 3.3.1 Konsonantische Merkmale ........................................................ 86 3.3.2 Tilgung und Assimilation von Konsonanten ............................. 99 3.3.3 Vokalische Merkmale .............................................................. 103

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Inhaltsverzeichnis

3.3.4 Weitere Merkmale ................................................................... 106 3.3.5 Alphabetische Liste der Variablen .......................................... 109 4. ERGEBNISSE DER GLOBAL-STATISTISCHEN AUSWERTUNG .. 111 4.1 Abstufung des Variantengebrauchs in den Texten ........................... 111 4.2 Implikationsskalenanalyse ................................................................ 114 4.3 Clusteranalyse ................................................................................... 119 4.3.1 Gruppierung der Texte ............................................................ 119 4.3.2 Variationsprofile der verschiedenen Cluster ........................... 124 4.3.3 Prototypische Sprachlagen und tatsächlicher Gebrauch.......... 127 5. KOOKKURRENZANALYSE................................................................. 133 5.1 Zur Methode...................................................................................... 133 5.1.1 Vorgehen ................................................................................. 133 5.1.2 Zur Darstellung........................................................................ 139 5.2 Ergebnisse auf Wortebene ................................................................ 143 5.2.1 Konsonantische Variablen ....................................................... 143 5.2.2 Tilgung von Konsonanten ....................................................... 175 5.2.3 Vokalische Variablen .............................................................. 179 5.2.4 Weitere Variablen .................................................................... 199 5.2.5 Fazit: Kookkurrenzverhältnisse auf Wortebene ..................... 201 6. WEITERE UNTERSUCHUNGEN ZUR KOOKKURRENZ................. 203 6.1 Kookkurrenz auf Satz- und Äußerungsebene ................................... 203 6.1.1 Lexemspezifische Variablen ................................................... 203 6.1.2 Fazit: Gruppierung der Variablen nach Implikationsmustern . 208 6.1.3 Vergleich der Ebenen im Gesamtüberblick ............................. 208 6.2 Heterogene Kombinationen – Varietätenmischung oder Mischvarietät? ................................................................................... 215 6.2.1 Typen und Beispiele heterogener Kombinationen auf Satzebene ................................................................................. 215 6.2.2 Stabilisierung oder flexible Mischung? ................................... 224 6.2.3 Funktionaler Wechsel und Code-Mixing ................................ 228 6.3 Informantenurteile zur Gebräuchlichkeit heterogener Kombinationen .................................................................................. 231 6.3.1 Variablenkombinationen mit doppelseitiger Implikation ........ 232 6.3.2 Variablenkombinationen mit einseitiger Implikation .............. 234 7. FAZIT: DIE ORGANISATION DER ERSCHEINUNGSFORMEN RHEINISCHER ALLTAGSSPRACHE .................................................. 238 7.1 Dialekt und Regiolekt-Standard-Kontinuum .................................... 238 7.2 Code-Switching und Code-Mixing ................................................... 242 7.3 Code-Mixing als Verdichtungsbereich ............................................. 249

Inhaltsverzeichnis

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8. REGIOLEKT ALS DIALEKTALES SUBSTRAT ................................. 256 8.1 Grundlagen des Sprach- und Varietätenkontakts .............................. 256 8.2 Bestimmende Faktoren phonologischer Transferenz........................ 265 8.2.1 Linguistische Faktoren ............................................................ 265 8.2.2 Subjektive, soziologische und pragmatische Faktoren ............ 273 8.2.3 Attitüden .................................................................................. 276 8.2.4 Fazit.......................................................................................... 281 9. IMPOSITION UND DEREN AUSGANGSBEDINGUNGEN BEI DEN UNTERSUCHTEN MERKMALEN .............................................. 283 9.1 Spurlose und unauffällige Substitution ............................................ 283 9.2 Impositionsbegünstigende Bedingungen .......................................... 289 9.3 Fazit................................................................................................... 310 10. VON REGIONALEM „HOCHDEUTSCH“ ZU REGIONALER UMGANGSSPRACHE ................................................................................. 311 10.1 Imposition und Substrat ................................................................... 311 10.2 Die Entwicklung im 20. Jahrhundert ............................................... 317 ZUSAMMENFASSUNG .............................................................................. 320 LITERATURVERZEICHNIS ...................................................................... 328 ANHANG ..................................................................................................... 347 A1 Ergebnisse der Kookkurrenzanalyse oberhalb der Wortebene .......... 347 A2 Fragebogen zur Üblichkeit heterogener Kombinationen (Kap. 6.3) .. 371

EINLEITUNG Dass ein Großteil der Alltagskommunikation im Deutschen weder im Dialekt stattfindet noch in der Standardsprache, sondern sich in einem Zwischenbereich bewegt, ist seit Jahrzehnten unbestritten und trotz fortschreitender Entregionalisierung des Sprachgebrauchs nach wie vor zutreffend. Im Zuge dieser Veränderung regionaler Sprachformen hat sich auch das Interesse der dialektologischen Forschung zunehmend diesem „mittleren Bereich“ (BELLMANN 1983), zumeist regionale Umgangssprache genannt, zugewandt. Wenn WEISGERBER (1996, 262) konstatiert: „Die wissenschaftlichen Bemühungen um die Umgangssprache erreichen bei weitem nicht dem Umfang und die Ergebnisse der Forschungen zum Dialekt und Standard. Sie konzentrieren sich in erster Linie auf den lexikalischen Bereich“, so konnte schon vor 15 Jahren keineswegs mehr behauptet werden, dass dieses Ungleichgewicht auf Desinteresse oder Geringschätzung gegenüber „unreinen“ Sprachformen zurückginge. In jüngster Zeit sind in Deutschland gleich mehrere Großprojekte angelaufen, in denen großräumig Sprache bzw. Sprachvariation im Bereich zwischen Dialekt und Standard erforscht wird1. Während die Erforschung von Standard und Dialekten sich jedoch auf Seiten der Forschenden wie der Sprechenden auf relativ klare Vorstellungen von ihrem Gegenstand stützen kann, ist schon dies bei dem Zwischenbereich ein Teil des Problems. Zwar zeigen die landschaftlich oft recht homogenen Antworten auf Fragen danach, welche Wörter und Formen man an einem Ort im Alltag „normalerweise“ hören würde (so die Atlas-Erhebungen EICHHOFF 1977 ff. und AdA), dass Informanten bei Einzelphänomenen nicht selten einen typischen Variantengebrauch für die Alltagssprache einer Region benennen können, auch dann, wenn dieser „normale“ alltagssprachliche Gebrauch im „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standard angesiedelt ist. Dies gilt allerdings vor allem für die Lexik, und selbst da reflektieren die Antworten in solchen Erhebungen vielfach auch schon eine hohe Variabilität des als „normal“ angesehenen Gebrauchs. Wenn es um die im Alltag üblicherweise verwendete Sprache insgesamt geht, erweist sich, dass meistens nicht die Vorstellung einer bestimmten umgangssprachlichen Gebrauchsnorm existiert, sondern Sprecher die verwendete Sprache eher als etwas Heterogenes, als „Mischmasch“ (so eine häufige Beschreibung) aus dialektalen und standardsprachlichen Bestandteilen oder auch als „Verunreinigung“ der 1

Sprachvariation in Norddeutschland (SiN), s. ELMENTALER (2006), SCHRÖDER/ELMENTALER (2009); Regionalsprache.de (REDE), s. KEHREIN (2008); Variation des gesprochenen Deutsch – Standardsprache und regionale Gebrauchsstandards (vor allem auf den standardnahen Bereich konzentriert, aber auch mit Aufnahmen zum Gebrauch in informeller Situation), s. KLEINER (2010). Da diese Projekte sich zur Zeit der Abfassung der vorliegenden Arbeit noch in der Anfangsphase befanden, konnten sie hier noch nicht näher berücksichtigt werden.

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Einleitung

Hochsprache mit regionalen Merkmalen sehen. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass dahinter ein von außen vermitteltes Ideal sprachlicher Homogenität steht, das den Blick für etablierte intermediäre Strukturen und deren spezifische Organisation verstellt. Es ist jedoch auffällig, wie zäh und einhellig diese Sicht beibehalten wird. Auf sprachwissenschaftlicher Seite konkurrieren demgegenüber (auch für das ripuarische Gebiet) unterschiedliche Modelle einer solchen Organisation, insbesondere das einer Schichtung distinkter Varietäten zwischen Dialekt und Standard und das eines bruchlosen Kontinuums zwischen beiden Polen. In beiden Fällen besteht jedenfalls eine deutliche Diskrepanz zur Sicht der Sprecher, wie immer wieder festgestellt worden ist (z. B. SCHMIDT 2005a, 67). Der genauere variationslinguistische Nachweis distinkter Zwischenstufen zwischen Dialekt und Standard hat sich dabei allerdings zumeist als schwierig bzw. unmöglich erwiesen, sodass – außer für den niederdeutschen Raum – zunehmend das Modell des Kontinuums (eventuell mit Verdichtungsbereichen) favorisiert wird. Schwierig ist bereits die Abgrenzung des „mittleren Bereichs“ nach oben und unten: Einer Gleichsetzung von Standardsprache mit der kodifizierten Norm kann mit Recht entgegengehalten werden, dass letztere eigentlich eine Fiktion ist und ein überregionaler deutscher Standard in der gesprochenen Sprache in Wirklichkeit nicht existiert. Dies gilt besonders für den Bereich der Lautung, in dem sich dialektale bzw. regionale Einflüsse besonders stark manifestieren – eine Standardaussprache ganz ohne regionale Färbung ist auch bei Sprechern aus der Bildungsschicht und in formellen Situationen praktisch nicht anzutreffen2. Auf der anderen Seite des „mittleren Bereichs“ stellt sich das Problem der Abgrenzung vom Basisdialekt. Auch hier ist es natürlich fragwürdig, eine Gleichsetzung der rezenten dialektalen Norm mit (oftmals vor ca. 100 Jahren erhobenen) Ortsgrammatiken vorzunehmen, gleichzeitig sind jedoch auch Einwände gegen eine Orientierung an dem Gebrauch heutiger Sprecher berechtigt. Eine Unterscheidung zwischen Dialektwandel (Wandel der Norm) und Dialektabbau (zunehmende Unkenntnis der Norm oder unwillkürliche Abweichungen davon durch den omnipräsenten standarddeutschen Einfluss) ist hier kaum möglich. Vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten wird auch in der vorliegenden Arbeit wie in fast allen Untersuchungen zum „mittleren Bereich“ zunächst der situativ-pragmatische Ansatzpunkt Alltagssprache3 gewählt: Das zugrundeliegende Material entstammt durchgehend Gesprächen zwischen einander bekannten Sprechern in informeller Situation, welche Sprachformen diese jedoch wählen, muss dann erst die Untersuchung ergeben. Wenn im Zuge dieser Untersuchung auf die Pole „Standard“ und „Dialekt“ Bezug genommen wird, dann können dabei tatsächlich die „idealen“ Größen des kodifizierten Standards auf der einen Seite und des dialektologisch beschriebenen Basisdialekts auf der anderen herangezo2

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SCHMIDT/HERRGEN (2011, 62) verweisen demgegenüber auf die Existenz eines Normbewusstseins bei den Sprechern/Hörern und nehmen dies – d. h. die Ausrichtung der Sprecher/ Hörer auf diese Norm und ihre Wahrnehmung von Abweichungen davon als Regionalismen – zum Ausgangspunkt ihrer Definition von Standardsprache. Vgl. die Definition von FRIEBERTSHÄUSER/DINGELDEIN (1988), DINGELDEIN (1991, 39).

Einleitung

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gen werden, um die konkreten Erscheinungen in diesem Spannungsfeld zu situieren, da Fragen der Abgrenzung nur insoweit ins Spiel kommen, wie sie aus den vorgefundenen Gebrauchsmustern beantwortet werden können. Im Zentrum des Interesses der Untersuchung steht die Frage nach der internen Strukturierung dieser alltagssprachlichen Wahlmöglichkeiten im Zwischenbereich zwischen ripuarischem Dialekt und überregionalem Standard. Als Zugang dazu haben sich zwei Ansätze etabliert, der soziolinguistisch-variablenanalytische in der Tradition LABOVS und der vor allem von GUMPERZ angestoßene pragmatischgesprächsanalytische. Der erstere stellt die Frage nach der soziologischen und situativen Differenzierung der sprachlichen Mittel (wer spricht in welcher Situation wie?). Der zweite hebt dagegen hervor, dass der Sprachgebrauch der Sprecher nicht nur von außen determiniert ist, sondern dass diese über ein „Repertoire“ verschiedener Mittel verfügen und im Gespräch aktiv und gezielt Auswahlen daraus vornehmen, um ihre lokalen kommunikativen Absichten zu realisieren (die Frage ist hier also: Welche Formen verwenden die Sprecher zu welchem Zweck?). Von besonderem Interesse ist dabei die wechselnde Verwendung alternativ zur Verfügung stehender Mittel (vor allem Formen aus verschiedenen Sprachen bzw. Varietäten) innerhalb eines Gesprächs. Allerdings sind die beiden Perspektiven nicht nur hinsichtlich ihrer Fragestellungen und Erkenntnisse komplementär, sondern auch hinsichtlich der Probleme: Damit die lokale Funktion von Techniken wie Code-Switching oder Code-Shifting untersucht werden kann, müssen diese und damit die beteiligten Codes identifiziert werden können, es muss also eigentlich schon bekannt sein, wie das jeweilige Repertoire strukturiert ist. Wenn aber umgekehrt die Materialbasis schon Code-Switching oder Code-Shifting enthält, ist eine Ermittlung von Varietäten oder Sprachlagen mittels globaler variablenanalytischer Untersuchung kaum noch möglich. Der Verdacht ist insofern nicht abwegig, dass die vielfach beobachtete Diskrepanz zwischen der Sicht der Sprecher und den Ergebnissen variablenanalytischer Untersuchungen auch mit dieser methodischen Schwierigkeit zu tun haben könnte. Als Ansatzpunkt für die Überwindung dieses Problems wird in der vorliegenden Arbeit die Untersuchung der lokalen Kookkurrenz von Varianten erprobt. Dass die Struktur des intermediären Bereichs sich insbesondere in Kookkurrenzrestriktionen erkennen lässt, ist eine Grundannahme auch der meisten pragmatisch orientierten Arbeiten. Diese beschränken sich jedoch in der Regel auf entsprechende Intuitionen. Im Folgenden wird dagegen in einem neu erhobenen Korpus von alltagssprachlichen Aufnahmen mit 38 Sprecherinnen und Sprechern aus dem ripuarischen Raum untersucht, welche Kombinationen der Varianten von 33 Variablen üblich sind und welche nicht vorkommen. Dies wird für kleine Einheiten (Wortform bis Äußerung) geprüft; der Akzent liegt dabei auf den Möglichkeiten und Einschränkungen der Kookkurrenz im Gebrauch von Sprechern, die jeweils beide Varianten verwenden, es geht um die Regularitäten in deren innersituativer Variantenwahl und nicht um Unterschiede im Sprachgebrauch verschiedener Sprechertypen. Eine Untersuchung der Korrelation des sprachlichen Verhaltens mit soziologischen Faktoren ist also nicht anvisiert; um das Korpus zunächst in traditioneller Weise zu „vermessen“ und einen Vergleich zwischen sprechertext-

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Einleitung

bezogenem und innersituativ-lokalem Variantengebrauch zu ermöglichen, wird gleichwohl zuerst eine global-variablenanalytische Untersuchung auf Sprechertextebene durchgeführt. Die Frage nach den Kookkurrenzmöglichkeiten von (ursprünglich) dialektalen und (ursprünglich) standard- bzw. hochsprachlichen Varianten steht natürlich vor dem Hintergrund der Annahme, dass die Erscheinungen im „mittleren Bereich“ im Wesentlichen aus Varietätenkontakt zu erklären sind. Im Rahmen der Interpretation der Ergebnisse der Kookkurrenzanalyse werden daher vielfach Erkenntnisse aus der Kontaktlinguistik herangezogen. Dabei muss zum einen die Abgrenzung okkasioneller von stabilisierten Mischungs-Erscheinungen erörtert werden. Zum anderen wird im Anschluss an die Untersuchungen zur Struktur des „mittleren Bereichs“ die Frage verfolgt, ob bzw. wie weit sich die Stabilisierung bestimmter „heterogener“ Kombinationen aus den linguistischen Ausgangsbedingungen dieses Kontakts erklären lässt, oder ob bei der Entstehung solcher Strukturen rein soziolinguistische Mechanismen wirksam sind. Auch dieser Blick auf die mutmaßliche historische Entwicklung spezifischer Strukturen zwischen Dialekt und Standard trägt dazu bei, die Differenzen zwischen linguistischen und sprecherseitigen Einschätzungen der regionalen Variationsmöglichkeiten besser zu verstehen. Zur Darstellung ist vorab noch eins zu bemerken: Wenn in dieser Arbeit von der Sprecher oder die Sprecher (Plural) die Rede ist, so sind damit immer gleichermaßen männliche Sprecher und weibliche Sprecherinnen gemeint. Der Lesbarkeit zuliebe wurde auf Schrägstrichformen wie der/die Sprecher/in(nen) verzichtet, eine bessere Lösung steht leider bislang nicht zur Wahl (auch die Sprechenden funktioniert allenfalls im Plural, oftmals ist der Unterschied zwischen Einzelperson und Gruppe hier aber nicht irrelevant). Es bleibt zu hoffen, dass die Selbstverständlichkeit, dass zu allen Zeiten die Hälfte aller Sprecher Frauen waren, keiner besonderen „Sichtbarmachung“ bedarf.

1. MODELLE DES „MITTLEREN BEREICHS“ 1.1 CODE-SWITCHING ZWISCHEN DIALEKT UND STANDARDSPRACHE Rheinische Sprecher bezeichnen eine weder rein dialektale noch rein standardsprachliche Alltagssprache häufig als „Mischmasch“ zwischen Platt und Hochdeutsch (s. die Zitate bei KREYMANN 1994, 222–227). Schon von der Bezeichnung her, aber auch angesichts von Beschreibungen des Phänomens als „Wechseln“ und „Umstellen“ (s. ebd.) läge damit nahe, dass sich Erscheinungen im Zwischenbereich zwischen Ortsdialekt und Standard im Wesentlichen als CodeMixing modellieren lassen (Code-Mixing soll hier wie Code-Switching zunächst einmal nur besagen, dass zwischen zwei Sprachen oder Varietäten hin- und hergewechselt wird – zur genaueren Differenzierung s. u.). Im Sprachenkontakt sind Code-Mixing/Code-Switching und verwandte Mechanismen bekannte Erscheinungen. Erforscht worden ist dabei allerdings besonders der Wechsel zwischen typologisch unterschiedlichen Sprachen. Je weniger Gemeinsamkeiten zwischen den Sprachen bestehen, desto einfacher kann indessen Code-Switching/-Mixing als solches identifiziert werden, da Elemente und Strukturen jeweils eindeutig einer der beiden Sprachen zugewiesen werden können4. Bei eng verwandten Varietäten stellt sich dagegen die Frage, ob das Konzept der abwechselnden Verwendung unterschiedlicher Systeme hier überhaupt angemessen sein kann. Als Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen ist daher im Folgenden zunächst einmal dieser Frage nachzugehen, bevor das Modell des Code-Switching zwischen Dialekt und Standard und andere Modelle der Organisation des „mittleren Bereichs“ näher betrachtet werden.

1.1.1 Bilektalität und Bilingualität In einer Reihe von Untersuchungen ist gezeigt worden, dass der Wechsel zwischen Dialekt und Standard bzw. der Einsatz dialektaler bzw. standardsprachlicher Varianten dieselben Funktionen erfüllen kann wie Code-Switching zwischen verschiedenen Sprachen5. So ist im Anschluss an GUMPERZ (1982) dem funktionalen/lokal bedeutungsvollen (GUMPERZ: metaphorischen) Code-Switching auch in

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AUER (2006) unterstreicht allerdings, dass es in bilingualer Rede zu Konvergenz der Kontaktsprachen kommt. Z. B. BLOM/GUMPERZ (1972), GIESBERS (1989), ALFONZETTI (1998), vgl. a. ROMAINE (1995, 170–171).

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Modelle des „mittleren Bereichs“

der Dialektologie eingehende Aufmerksamkeit gewidmet worden6; es ist gezeigt worden, wie der Wechsel in verschiedener Weise als Kontextualisierungsmittel eingesetzt werden kann, zur Abschwächung, Ironisierung oder Bekräftigung einer Äußerung, zur sozialen Symbolisierung, Signalisierung einer vom Sprecher eingenommenen Rolle oder als Mittel zum Ausdruck von Konvergenz bzw. Divergenz gegenüber dem Gesprächspartner. GUMPERZ setzt hierfür allerdings nicht unbedingt den Wechsel zwischen zwei unabhängigen Systemen voraus, sondern bezieht auch Variation innerhalb desselben Systems oder im Rahmen eines Kontinuums mit ein oder auch andere Arten von „Kontextualisierungshinweisen“, die dieselben Funktionen erfüllen können (s. GUMPERZ 1982, 131; vgl. z. B. a. AUER 1986 zum Code-Shifting7 innerhalb eines Dialekt-Standard-Kontinuums). In jüngerer Zeit hat sich daraus die Forderung entwickelt, den Begriff Code-Switching grundsätzlich von der Funktion bzw. von der lokalen Bedeutung her zu definieren (vgl. AUER 1998b) bzw. sogar völlig vom Wechsel der Sprache oder Varietät (language alternation8) abzukoppeln. So ist nach ALVAREZ CÁCCAMO (2000) außer Code-Switching mit language alternation auch Code-Switching ohne language alternation und language alternation ohne Code-Switching möglich. Wesentlich für Code-Switching in diesem Sinne ist nur, dass von den Interaktionspartnern irgendeine Änderung wahrgenommen und als bedeutungsvoll verwendet bzw. aufgefasst wird. Damit wird deutlich, dass es nicht möglich ist, die Frage nach der Organisation eines Repertoires ganz von der Beobachtung bedeutungsvoller Änderungen her anzugehen. (Der Begriff Code-Switching wird im Folgenden jedoch weiterhin – entsprechend dem nach wie vor geläufigsten Gebrauch – auf den Wechsel zwischen distinkten Sprachen oder Varietäten bezogen, gleich ob lokal bedeutungsvoll oder nicht.) Beim CodeSwitching zwischen verschiedenen Sprachen – wo sich nur in extremen Fällen die 6

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Vgl. z. B. AUER (1986), SCHLOBINSKI (1988), MACHA (1991), HAMMER (1994), KNÖBL (2006), DENKLER (2007) u. a., vgl. besonders die ausführlichen ethnographischen Analysen des IdS-Projekts „Kommunikation in der Stadt“, s. KALLMEYER (Hg.) (1994; 1995), KEIM (1995), SCHWITALLA (1995). Mit Code-Shifting ist die Bewegung innerhalb eines Kontinuums gemeint, während CodeSwitching von einem eindeutigen Wechsel ausgeht. Angesichts der Tatsache, dass die terminologische Situation in diesem Feld durch immer neue Spezifizierungen unter Um- und Neudefinition üblicher Termini schon im Englischen recht kompliziert ist und durch alternative Übersetzungen ins Deutsche (die wieder Möglichkeiten neuer Spezifizierungen eröffnen) noch komplizierter wird, wird hier auf eine Übersetzung der englischen Termini verzichtet, auch dann, wenn sie nicht als im Deutschen eingebürgert betrachtet werden – daher Kleinschreibung und Kursivierung – und wenn eine Übersetzung im Prinzip gut möglich wäre. Schon im Englischen wird language alternation auch noch in anderer Bedeutung verwendet: MUYSKEN (2000) bezeichnet damit eine bestimmte syntaktische Spielart von Code-Switching (im Gegensatz zu insertion). Unter code alternation versteht THOMASON (2001) dagegen einen adressaten- und situationsbezogenen Wechsel (im Gegensatz zu intrasituativem code switching). Derartige terminologische Differenzierungen werden in der vorliegenden Arbeit nicht gemacht, abgesehen von der Verwendung des Terminus Code-Mixing (s. u.) für besonders „dichtes“ Code-Switching ohne erkennbare lokale Funktion. Code-Switching wird als Oberbegriff für alle Erscheinungsformen des innersituativen Wechselns verwendet.

Code-Switching zwischen Dialekt und Standardsprache

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Frage nach der Entstehung einer Mischsprache stellt – ist meistens unmittelbar erkennbar, dass die wahrgenommene Änderung in dem Wechsel zwischen verschiedenen Systemen liegt. Dagegen geht aus Untersuchungen wie denen von MACHA (1991) oder KALLMEYER/KEIM (1994) und KEIM (1995), in denen der bedeutungsvolle Einsatz dialektaler oder standardsprachlicher Varianten gezeigt wird, noch nicht hervor, dass das Repertoire sprachlicher Mittel, das die Sprecher einsetzen, klar zweigeteilt ist. Deutlich ist in diesen Daten im Gegenteil, dass hier auch „Mischformen“ im Spiel sind (MACHA spricht von regionaler Umgangssprache und Substandard, s. ders. 1991, 192, 211 u. ö.). So macht AUER (1986) denn auch derartige Kontextualisierungstechniken in einem (mehr oder weniger) dialektalen Gespräch sichtbar, geht aber explizit davon aus, dass es sich um Bewegungen in einem Dialekt-Standard-Kontinuum handelt. Auf der anderen Seite bestätigen diverse Untersuchungen zu Code-Switching zwischen verschiedenen Sprachen die Feststellung, dass es bei eindeutiger Koexistenz verschiedener Systeme auch durchaus Wechsel ohne lokale Funktion gibt (s. u., vgl. a. Kap. 7). Während bei Code-Switching zwischen Sprachen grundsätzlich jedoch zumeist nicht in Frage gestellt wird, dass verschiedene Systeme bzw. verschiedene Kompetenzen der Sprecher den Ausgangspunkt des Wechselns bilden9, ist dies bei Dialekt und Standard je nach Perspektive und Dialektbegriff nicht ganz selbstverständlich. Unter dem Aspekt der Zugehörigkeit zu einem Diasystem werden nicht nur die regelhaften Beziehungen betont (vgl. etwa die Darstellung von Diasystem und Subsystemen bei GOOSSENS 1977, 14), sondern z. T. auch gleiche zugrundeliegende Formen angesetzt, die entweder neutral sind oder eine Ableitung des einen aus dem andern bedeuten10. Eindeutige Beziehungen zwischen Dialekt und Standard können jedoch normalerweise nur unter Zuhilfenahme eines historischen Bezugssystems formuliert werden. Meistens hat unterschiedlicher Phonemzusammenfall auf beiden Seiten dazu geführt, dass synchron eben keine eindeutige Abbildung mehr möglich ist. Regeln zur Ableitung des Dialekts aus dem Standard oder umgekehrt können also nicht als Regeln, über die ein Sprecher verfügt, aufgefasst werden. Oder aber die Lexeme müssten großenteils einzeln für die Anwendung bestimmter Entsprechungsregeln markiert sein, was eigentlich nur eine mögliche Variante einer vernetzten, aber für beide Varietäten unabhängigen Speicherung lexikalischer Elemente darstellt – sofern der Sprecher tatsächlich beide Varietäten beherrscht und nicht nur über eine reduzierte, von Hyperkorrektismen bzw. -dialektalismen geprägte Kompetenz verfügt. So ist die Existenz von Kompetenzgrenzen, die sich insbesondere in Hyperkorrektismen manifestieren, also die Nicht-Ableitbarkeit der einen Varietät aus der anderen, für SCHMIDT (2005) sogar die Bedingung für die Ansetzung von verschiedenen „Vollvarietäten“ wie Dialekten und Standardvarietäten (im Unter9 Zur Kritik hieran vgl. allerdings AUER (2006). 10 Vgl. die Diskussion derartiger Modelle bei AUER (1990, 225–256). Auch die Formulierung von Variablenregeln in der Tradition LABOVS, der Variablenregeln ja tatsächlich als generative Regeln auffasst (vgl. 1.5), suggeriert oft eine Ableitung der einen Variante aus der anderen – wohl nicht immer wirklich im Sinne der Autoren.

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Modelle des „mittleren Bereichs“

schied zu „sektoralen Varietäten“ wie Fachsprachen und zu „Verdichtungsbereichen“, vgl. 1.2/1.4)11. Das Beherrschen von Dialekt und Standard (im Folgenden als Bilektalität bezeichnet) unterscheidet sich insofern nicht grundlegend von Bilingualität im engeren Sinne – auch bei letzterer gibt es je nach Verwandtschaft der Sprachen ja durchaus beträchtliche Übereinstimmungen und gemeinsame Elemente. Ein (allgemeines) phonologisches Modell der Beziehungen zwischen Dialekt und Standard, das einerseits deren Status als voneinander unabhängige Systeme gerecht werden soll und andererseits auch Verbindungen zwischen beiden in der Sprachkompetenz bilektaler Sprecher vorsieht, ist das Modell von AUER (1990), mit dem die in der vorliegenden Untersuchung zugrundegelegten Auffassung des Dialekt-Standard-Verhältnisses weitgehend übereinstimmt. AUERS Modell sieht – im theoretischen Rahmen der lexikalischen Phonologie – sowohl getrennte als auch gemeinsame Regelbereiche für Dialekt und Standard vor (s. AUER 1990, 270–280 u. a.). Getrennte wie auch gemeinsame Regeln werden dabei im Bereich der prälexikalischen Redundanzregeln angesetzt und ebenso im Bereich der zugrundeliegenden phonologischen Repräsentationen und der lexikalischen phonologischen Regeln, dagegen gibt es nur gemeinsame postlexikalische Regeln. Darüber hinaus werden durch Korrespondenzregeln Querverbindungen zwischen kognaten Lexemen12 im Dialekt und im Standard hergestellt und zu „Tendenzen“ zusammengefasst, entsprechend dem zwar meistens nicht willkürlichen, aber eben auch nicht eindeutigen Verhältnis. Von Sprechern mit mangelnder Kompetenz im Dialekt oder Standard werden solche „Tendenzen“ auch als Regeln zur Ableitung von Formen verwendet – allerdings mit dem erwähnten Risiko der Hyperkorrektismen, die sichtbar machen, dass keine wirkliche bilektale Kompetenz vorhanden ist. Die konkreten Anteile der gemeinsamen bzw. dialekt-/ standardspezifischen Bereiche sind nach AUERS Modell dann im Einzelfall verschieden, wie in den Spezifikationen des Modells für die Extremfälle deutlich wird (vollständig monolektales Repertoire vs. bilektales Repertoire mit vollständig geschiedenen Varietäten, s. ebd.: 279–280).

11 Wenn SCHMIDT einen grundsätzlichen qualitativen Unterschied zwischen solchen Kompetenzgrenzen – „Ihre Grenzen liegen da, wo Sprecher linguistische Strukturverbindungen systematisch nicht beherrschen.“ (ebd., 69) – und den rein lexikalischen Unterschieden, die „sektorale Varietäten“ kennzeichen, an Hyperkorrektismen festmacht, wird zwar nicht ganz klar, wieso es sich hier um mehr als einen quantitativen Sprung in der Anzahl lexikalischer Unterschiede handelt, denn das Kompetenzproblem, das sich in Hyperkorrektismen niederschlägt, beruht ja gerade darauf, dass ein phonologischer Unterschied nicht mit einer Umsetzungsregel, sondern nur mit lexikalischem Wissen bewältigt werden kann. Auch ein solcher erheblicher quantitativer Sprung genügt jedoch, um eine Kompetenzgrenze anzusetzen, und hinzu kommen natürlich Unterschiede in Morphologie und Syntax. 12 Der Begriff Kognaten erfasst das synchrone Verhältnis zwischen Dialekt-StandardÄquivalenten mit gleicher Etymologie wohl am besten. Wenn in Kap. 4–6 dennoch bisweilen von „der Standardform“ bzw. „der Dialektform“ oder „-variante“ eines Worts gesprochen wird, geschieht dies aus praktischen Gründen; eine Ableitung der verschiedenen „Formen“ / „Varianten“ aus einem einzigen Lexikoneintrag ist damit nicht gemeint.

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Dass die Entscheidung zwischen den verschiedenen Ausprägungen allerdings nur in Abhängigkeit von der jeweiligen soziolinguistischen Situation (und dem entsprechenden Umgang mit den Varietäten) gesehen wird (ebd., 270, vgl. a. AUER 1997, 81), ist nicht ganz überzeugend. Hier scheinen zwei Dinge ineinander zu fließen, die prinzipiell zunächst einmal zu trennen sind: zum einen die klare oder weniger klare Trennung von Standard und Dialekt im Gebrauch der Sprechergemeinschaft – diese erklärt sich (wie sogar die Trennung oder „Mischung“ von verschiedenen Sprachen, vgl. u.) mit den soziolinguistischen Bedingungen im konkreten Fall – und zum anderen die grundsätzliche Möglichkeit oder Unmöglichkeit, verschiedene sprachliche Formen auf ein gemeinsames Lexikon bzw. auf gemeinsame Regeln zurückzuführen – dies hängt zunächst einmal von rein strukturellen Eigenschaften ab13. AUERS Diskussion verschiedener anderer Modelle und die Spezifikation seines eigenen Modells für das Konstanzer Repertoire (ebd., 335) zeigen dies ja auch: Soweit nicht in beiden Richtungen eindeutige Beziehungen von Standard- und Dialekt-Formen bestehen, betrachtet auch AUER es als unumgänglich, verschiedene zugrundeliegende Repräsentationen und jeweils spezifische Regeln anzusetzen, was jedoch nicht soziolinguistisch begründet ist. Umgekehrt ist ebenso überraschend, dass in der Spezifikation des Modells für den fiktiven Fall einer rigiden Trennung zwischen Standard und Dialekt (ebd.: 280) außer den postlexikalischen Regeln überhaupt keine gemeinsamen Lexikon- und Regelbereiche vorkommen – zumindest wäre ein solches Verhältnis dann primär strukturell und nicht soziolinguistisch bedingt. Der Spielraum für die soziolinguistisch bestimmte Spezifikation der von AUERS Modell erfassten Dialekt-Standard-Beziehungen wird insofern von den strukturellen Möglichkeiten abgegrenzt: Auch in Sprechergemeinschaften, in denen verschiedene Sprachen bzw. Varietäten soziopragmatisch nicht getrennt gehalten werden (vgl. u.), müssen je nach Verschiedenheit dennoch unterschiedliche Bereiche in Lexikon und phonologischen Regeln angenommen werden, während umgekehrt auch bei sehr ähnlichen Varietäten, die weitgehend auf gemeinsame Lexikoneinträge und Regeln zugreifen, eine rigide soziopragmatische Trennung denkbar ist. (Allerdings besteht gleichwohl ein Zusammenhang zwischen den soziolinguistisch begründeten Gebrauchskonventionen und der psycholinguistischen Struktur einer bilektalen oder bilingualen Kompetenz: Zumindest im Zusammenhang mit der sprach- bzw. varietätenübergreifenden Vernetzung der Einheiten im mentalen Lexikon spielt die Üblichkeit von Code-Switching und lexikalischer Transferenz14 in einer Sprechergemeinschaft durchaus auch eine Rolle, s. u. 1.1.2). 13 Vgl. a. THELANDER (1987, 1013): „From my point of view it could be argued that most natural linguistic communities can be located along a sliding scale between strict multilingualism and undeniable variation within one system. Their exact position on this scale would then be determined by two parameters (if we disregard the nature of the extralinguistic correlates) which are largely independent of one another: the degree to which the language systems involved overlap [...] and the rigidness of the co-occurrence norms [...]“ 14 Transferenz wird hier allgemein für das Übernehmen von Elementen, Strukturen, Regeln aus einer Sprache oder Varietät in eine andere, als Prozess und als Resultat dieses Prozesses,

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Wenn für Dialekt und Standard zwei getrennte, wenngleich nicht unverbundene Kompetenzen angesetzt werden müssen, so gibt es umgekehrt auch bei „echter“ Mehrsprachigkeit ebenfalls gemeinsame Bereiche in Speicherung und Verarbeitung und Beziehungen zwischen ähnlichen bzw. kognaten lexikalischen Elementen im mentalen Lexikon. Die Unterschiede zwischen Bilektalität und Bilingualität liegen also nur im Ausmaß der Gemeinsamkeiten und sind damit graduell, wie auch bei Bilingualität Abstufungen in dieser Hinsicht existieren, da ja auch verschiedene Sprachen in sehr unterschiedlichem Maße über gleiche oder verwandte lexikalische Elemente und Regeln verfügen15.

1.1.2 Bilinguale Sprachproduktion Mit der Frage der psycholinguistischen (und der soziolinguistischen) Trennung oder Nicht-Trennung zwischen Sprachen oder Varietäten hat sich dementsprechend auch die Bilingualismusforschung ausgiebig beschäftigt. Insbesondere das Modell von Kees DE BOT (1992) hat hier weitgehende Anerkennung und Bestätigung durch empirische Ergebnisse gefunden. (AUERS Modell ist damit kompatibel, es präzisiert den phonologischen Teil der hier modellierten Prozesse für den speziellen Fall von Dialekt und Standard.) DE BOT geht von dem speaking-Modell der monolingualen Sprachverarbeitung von LEVELT (1989) aus, das eine relativ breite empirische Fundierung – vor allem durch Daten aus der Erforschung von Aphasie und Versprechern – hat. Danach werden bei der Sprachproduktion nacheinander drei Verarbeitungsmodule durchlaufen: der Konzeptualisator, der die Mitteilungsabsicht in sprachspezifische Konzepte fasst, der Formulator, der zu diesen Konzepten aus dem Lexikon die passenden lexikalischen Einheiten (Lemmata) mitsamt ihren syntaktischen Eigenschaften auswählt und die entsprechende morphologische und phonologische Form erzeugt, und schließlich der Artikulator, der den im Formulator erzeugten Plan in die schließlich geäußerte Lautkette umsetzt. In der Weiterentwicklung des Modells wird zwischen der phonologischen Enkodierung, die auch schon die Silbifizierung umfasst, und der eigentlichen Artikulation noch eine Zwischenprozedur angesetzt, die phonetische Enkodierung

verwendet. CLYNE (2003, 76 u. ö., vgl. ebenso FÖLDES 2005, 73) definiert Transferenz genauso, unterscheidet davon jedoch Transfer als Bezeichnung für die einzelnen Fälle von Transferenz. Auf diese Differenzierung wird hier verzichtet, da mit Transfer in der Sprachlernforschung üblicherweise gerade auch der Prozess als solcher, also nach CLYNE Transferenz, bezeichnet wird. Die nicht unerlässliche Unterscheidung zwischen Transferenz und Transfer führt insofern eher zu Verwirrung als zu mehr Klarheit. Wenn im Folgenden auf feste fremdsprachendidaktische Begriffe wie etwa positiver / negativer Transfer Bezug genommen wird (v.a. Kap. 8.2), wird also gelegentlich auch Transfer verwendet, synonym mit Transferenz. 15 Vgl. PARADIS (1987, 19): „[A] speaker who speaks two closely related languages will for the most part use the same procedural and lexical knowledge when speaking either of the two languages, while in the case of languages which are not related, an appeal is made to much more language-specific knowledge.“ Vgl. ebenso DE BOT (1992, 427).

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(LEVELT u. a. 1999). Diese besteht in der Zuordnung der phonologischen Form zu einem weitgehend fertig vorliegenden, in der frühen Kindheit erworbenen Silbeninventar (Silbarium). LEVELT u. a. betonen dabei eine grundsätzliche Zweiteilung des Gesamtprozesses, der zur einen Hälfte (von der lexikalischen Selektion bis zur phonologischen Enkodierung) auf das mentale Lexikon bezogen ist, zur anderen (von der phonetischen Enkodierung bis zur Artikulation) auf dieses Silbeninventar, dessen Entwicklung im Erstspracherwerb zunächst unabhängig von der Entwicklung lexikalischer Konzepte abläuft (LEVELT u. a. 1999, 1–2). Für die bilinguale Version dieses Modells ist nun die wesentliche Frage, wo und wie bei diesen Abläufen die Trennung und andererseits die Querverbindung zwischen verschiedenen Sprachen angesiedelt ist. Sowohl streng getrennte Verwendung der Sprachen als auch Code-Switching muss möglich sein, und es sollte keine Dopplung gemeinsamer Elemente und Prozeduren angenommen werden, die unökonomisch wäre und empirischen Daten zuwiderliefe. Nach DE BOT (1992, 426–427) wird die Entscheidung über die Sprache bzw. Varietät schon im Konzeptualisator getroffen, nach einer ersten „Makroplanung“, die sich allgemein auf die kommunikativen Ziele der Äußerung bezieht. Wie funktionales CodeSwitching (s. o.) belegt, wird die Sprachen- bzw. Varietätenwahl u. a. auf die Erreichung dieser Ziele abgestimmt, findet also nach oder im Rahmen dieser Makroplanung statt und vor einer schon sprachspezifischen Mikroplanung, d. h. vor der genauen Festlegung dessen, was mitgeteilt werden soll. Ab diesem Moment ist also im Prinzip die Sprachenwahl entschieden. Die weitere Verarbeitung im Formulator findet sprachspezifisch statt, erst die artikulatorische Umsetzung bzw. die Zuordnung zu Elementen des Silbeninventars ist wieder sprachübergreifend – wie das Silbeninventar überhaupt: Nötigenfalls wird es zwar nach dem Erstspracherwerb um neue Elemente für andere Sprachen ergänzt, aber nur, soweit diese Notwendigkeit erkannt wird bzw. diese neuen Elemente sich nicht schon vorhandenen Kategorien zuordnen lassen (vgl. a. Kap. 8.2). Das Lexikon, auf das der Formulator zugreift, ist jedoch offenbar nicht nach Sprachen getrennt angelegt, sondern als gemeinsamer Speicher mit verschiedenen Subsets bzw. Netzwerken, die sich durch Verknüpfung gemeinsam verwendeter Elemente herausbilden und aufrechterhalten und innerhalb derer sich eine erhöhte Aktivierung ausbreitet, wenn ein Element ausgewählt wird (s. DE BOT ebd., 430– 431, vgl. a. RAUPACH 1997, 30–31). Die Gestalt dieser Netzwerke ist ihrer Entstehung entsprechend individuell verschieden; außer dem Kontext des Spracherwerbs spielt insbesondere der Gebrauchskontext eine Rolle (vgl. PARADIS 1987, 9), so dass die Frage nicht mehr ist, ob die beteiligten Sprachen „in getrennten Speichern repräsentiert sind, sondern unter welchen Bedingungen und für welche Teile des Lexikons sie beim individuellen Sprecher getrennt oder integriert“ gespeichert werden (RAUPACH 1997, 36). Aufgrund des normalerweise gemeinsamen Gebrauchs sind Wörter derselben Sprache also in der Regel enger vernetzt, es bestehen aber auch sprachübergreifende Verbindungen, besonders dann, wenn in einer Sprechergemeinschaft das Hin- und Herwechseln zwischen den Sprachen eine übliche Praxis ist bzw. die soziolinguistische Verpflichtung zur Trennung zwischen ihnen schwach ist (vgl.

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DE BOT 1992, 430). Zudem sind gleiche Wörter in beiden Sprachen (bzw. Varietäten) – identische Kognaten, Entlehnungen, Namen – nur einmal gespeichert, gehören aber mehreren Subsets an. Damit würde sich erklären, dass gerade im Kotext von solchen Wörtern häufig unwillkürlicher Sprachwechsel vorkommt (triggering, vgl. CLYNE 1967 u. ö.): Die erhöhte Aktivierung erfasst hier verschiedene Subsets, und „the wrong turn is taken at the crossing“ (DE BOT ebd., 439). Die Zahl entsprechender Gelegenheiten hängt von der Verwandtschaft der Sprachen ab und ist bei Dialekt und Standard natürlich besonders groß. Im Bezug auf das Modell von LEVELT/DE BOT liegt hier allerdings ein Problem darin, dass diese Verbindungen ja erst auf einer der Sprachenwahl nachgeordneten Stufe zum Tragen kommen und eine Rückkopplung eigentlich nicht vorgesehen ist. Ausdrucksseitige Verbindungen zwischen Wörtern verschiedener Sprachen dürften daher eigentlich keine Rolle spielen. CLYNE (2003, 197–214) legt deswegen Wert darauf, im Sinne des interaktiven Aktivierungsmodells von DELL (1986) solch eine Rückverbindung in das Modell von LEVELT/DE BOT einzuführen. Nach DELL wird im Zuge der Wortwahl nicht nur die Aktivierung semantisch in Frage kommender Lemmata und damit semantisch zusammenhängender oder ähnlicher anderer Lemmata erhöht, sondern eine derartige Aktivierungsausbreitung über Ähnlichkeit findet auch auf der Seite der phonologischen Form der Wörter statt, unabhängig von deren Sprachzugehörigkeit, und beeinflusst die endgültige Wortwahl (s. RIEHL 2002, 69–70). CLYNE integriert diese Möglichkeit der Aktivierungsausbreitung über die phonologische Form in das Modell von LEVELT/DE BOT, indem er sich auf die Querverbindung zwischen Perzeption und Produktion (nach LEVELT u. a. 1999) bezieht. Die vorwegnehmende und die tatsächliche Perzeption des produzierten Worts im Zuge des selfmonitoring (vgl. LEVELT/INDEFREY 2000, 83) könnten danach der Auslöser sein für eine Erhöhung des Aktivierungsniveaus der anderen Sprache, in der ein gleich oder ähnlich klingendes Wort existiert. CLYNE (2003, 211) berücksichtigt schließlich auch noch den Fall einer subordinierenden Bilingualität mit enger Verwandtschaft der Sprachen: Hier wird keine unabhängige Verarbeitung der Sprachen angenommen, sondern die Anwendung von Umformungsregeln. Dies entspräche einer aktiven Anwendung von AUERS „Tendenzen“ (= Zusammenfassung von Korrespondenzregularitäten zwischen Einzelwörtern), allerdings mit dem entsprechenden Risiko von falschen Generalisierungen. Bezogen auf Bilektalität ist eine derartige Abhängigkeit allerdings – jedenfalls im Rheinland – heute kaum noch in der Richtung vom Dialekt zum Standard anzutreffen, sondern höchstens umgekehrt. Sprecher mit derart eingeschränkter Kompetenz im Dialekt werden diesen dann (außerhalb dialektpflegerischer Kontexte) aber normalerweise nicht „freiwillig“ verwenden, sodass dieses Phänomen für natürliche Alltagssprache weniger relevant ist16.

16 Dagegen führen Tests zum intendierten Ortsdialekt mit jüngeren Sprechern leicht zu solchen hyperdialektalen Formen (vgl. z. B. LENZ 2003, 210–211).

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1.1.3 Code-Switching und Transferenz Trotz der Verbindungen in Speicherung und Verarbeitung ist eine klare Trennung zwischen den verschiedenen Sprachen bzw. Varietäten eines Sprecher-Repertoires möglich und sogar häufig – aber nicht zwingend. Nach GREEN (1986) wird angenommen, dass jede Sprache sich (idealisiert) in einem von drei Aktivierungszuständen (selected – active – dormant) befinden kann. Wenn neben der selektierten Sprache noch eine andere Sprache aktiv ist, findet die Verarbeitung im Formulator (also von der lexikalischen Selektion bis zur phonologischen Enkodierung) nicht nur in der selektierten Sprache statt, sondern in beiden Sprachen parallel. Erst bei der Artikulation (bzw. beim Verlassen des Formulators – d. h. nach LEVELT u. a. 1999: vor der phonetischen Enkodierung) wird die Form der nicht-selektierten Sprache dann nicht mehr weiter verarbeitet. Bei funktionalem Code-Switching werden gezielt die Rollen zwischen der selektierten und der nur aktivierten Sprache vertauscht, nach DE BOTS Modell schon in der Phase der Konzeptualisierung (Sprachwahl in Abhängigkeit von kommunikativen Zielen). Die sprachenübergreifende Vernetzung bringt es jedoch mit sich, dass auch sonst Wörter aus der vorher nicht-selektierten Sprache gewählt und phonologisch-morphologisch-syntaktisch in das System der anderen integriert werden können. Derartige Ad-hoc-Entlehnungen17 betreffen zumeist Inhaltswörter, vor allem Nomina (s. HAUST 1993, 101), und ergeben sich oft aus Kulturspezifika oder Lücken im Wortschatz. Insbesondere für Dialekt-Standard-Kontakt ist hier zu betonen, dass nicht nur Lücken in der Kompetenz des Sprechers eine Rolle spielen können, sondern auch Lücken im Wortschatz einer der Sprachen bzw. Varietäten selbst (etwa bei Fachvokabular). Ad-hoc-Entlehnung folgt jedoch oft auch daraus, dass im Zusammenhang mit einem bestimmten Gegenstand normalerweise häufiger die andere Sprache verwendet wird und dementsprechend deren Wörter für bestimmte Konzepte häufiger aktiviert werden bzw. dem Sprecher geläufiger sind. Der Zugriff auf Wörter der anderen Sprache/Varietät bewirkt aber gleichzeitig eine erhöhte Aktivierung dieser Sprache/Varietät (vgl. o. zum triggering), sodass im Zusammenhang mit solchen Wörtern auch die Wahrscheinlichkeit des Switching steigt. Da solche Zuordnungen von Konzepten zu Varie17 Vgl. nonce borrowing bei POPLACK/SANKOFF (1988), dt. auch okkasionelle Entlehnung. POPLACK/SANKOFF unterscheiden nonce borrowing von Code-Switching mit Hilfe des Kriteriums der Integration, vor allem der phonologischen Integration. Dieses Kriterium ist angesichts unwillkürlicher phonologischer Transferenz-Erscheinungen allerdings problematisch und umstritten, und manche Autoren wie MYERS-SCOTTON verzichten auf die Unterscheidung zwischen Ad-hoc-Entlehnung und Code-Switching (vgl. a. HAUST 1993, 114–120). In der vorliegenden Arbeit wird keine klare Unterscheidbarkeit behauptet, der Begriff Ad-hoc-Entlehnung wird jedoch verwendet, zumindest im sozusagen prototypischen Fall des Einwort-„Switchs“ bei Substantiven unter phonologischer und morphologischer Integration, der sich relativ deutlich als Typ fassen lässt (vgl. Kap. 6.2). Problematischer ist allerdings die empirische Abgrenzung der Ad-hoc-Entlehnungen von lexikalisierten Entlehnungen, vgl. dazu a. Kap. 6.2. – Zu einem Überblick über die definitorische und terminologische Diskussion im Zusammenhang mit dem Begriff der Ad-hoc-Entlehnung (nonce borrowing) vgl. HELLER/PFAFF (1996), HAUST (1993) und FÖLDES (2005, 73–84).

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täten gerade in der prinzipiell diglossischen Situation einer Koexistenz von Standard und Dialekt typisch sind, kommt dieser Fall hier oft vor. Die Wahrscheinlichkeit von sprachübergreifender Aktivierungsausbreitung und damit von nicht-funktionalem Code-Switching steigt also nicht nur bei näherer Verwandtschaft der Sprachen, sondern außerdem auch als Folge von Entlehnung und häufigem „gemischten Sprechen“; Code-Switching zieht demnach automatisch eine Prädisposition für weiteres Code-Switching nach sich. RIEHL (2002, 75) betont, dass die Sprachmarkierung von Lexemen später erworben wird als die Lexeme selbst und durch „Training“ erhalten werden muss. Beides wird bei häufigem Code-Switching/-Mixing erschwert oder sogar unmöglich. Als unabhängiges Gegengewicht zu dem strukturellen Verhältnis zwischen den Sprachen wirkt also die Einstellung der Sprechergruppe zu ihrer Mehrsprachigkeit und zu Sprachmischung. So ergaben z. B. die Untersuchungen von GUMPERZ (1975), HANSEN-JAAX (1995) oder VANDEKERCKHOVE (1998) eine rigide Trennung im Umgang der jeweiligen Sprechergruppen mit eng verwandten Sprachen bzw. Varietäten. Dagegen berichten z. B. POPLACK (1979/80), GARDNER-CHLOROS (1995), KALLMEYER u. a. (2002), FÖLDES (2005) u. v. a. über sehr geläufigen und kleinschrittigen Wechsel zwischen weniger eng oder nicht verwandten und z. T. typologisch sehr verschiedenen Sprachen (Englisch/Spanisch, Deutsch/Französisch, Deutsch/Türkisch, Deutsch/Ungarisch). Besonders in Gesprächen innerhalb von Sprechergruppen, in denen die Bilingualität eine identitätssymbolisierende Rolle spielt, kann Code-Switching der Normalfall sein (vgl. etwa HINNENKAMP 2000). MYERS-SCOTTON (1998 u. ö.), nach deren Markiertheits-Modell es in einer mehrsprachigen Sprechergemeinschaft normalerweise Regeln gibt, denen zufolge für eine bestimmte Gesprächskonstellation eine bestimmte Sprachwahl vorgesehen ist und Abweichungen davon möglich, aber markiert sind, spricht in diesem Fall von „Code-Switching als unmarkierter Sprachenwahl“. Ungeachtet der Tatsache, dass derartiges „gemischtes Sprechen“ das ungezielte, unwillkürliche Code-Switching weiter begünstigt, weil dadurch entsprechende Vernetzungen im mentalen Lexikon entstehen bzw. verstärkt werden, sind jedoch bilinguale und bilektale Sprecher nicht grundsätzlich auf eine einzige Art des Umgangs mit ihren Sprachen festgelegt. So ist es wohl auch nicht nur soziologisch gesehen eine Vereinfachung, einer diatopisch definierten Sprechergruppe insgesamt eine bestimmte Haltung zur Trennung oder Mischung ihrer Sprachen/ Varietäten zuzuordnen. Für bestimmte Gesprächskonstellationen und -situationen gibt es sicherlich derartige Konventionen (vgl. MYERS-SCOTTON 1988), wahrscheinlich existieren auch ortsspezifische Konventionen für die Varietätenwahl gegenüber Unbekannten, für den individuellen Sprecher besteht aber die Möglichkeit eines situativ differenzierten Umgangs mit seiner Mehrsprachigkeit. Wie GROSJEAN (1989 u. ö.) gezeigt hat, können bilinguale Sprecher ein Gespräch im monolingualen oder im bilingualen „Sprechmodus“ führen, also je nach Situation eine stabile Selektion nur einer Sprache vornehmen und die andere (weitgehend) deaktivieren oder beide Sprachen aktiv halten. Monolingualer und bilingualer Sprechmodus sind dabei als Pole eines Kontinuums von möglichen Aktivierungs-

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zuständen gedacht, es gibt also auch beliebige Zwischenstadien. Im Fall von Dialekt und Standard ist hiernach zwar eine strikte Trennung möglich, aber durch die Kombination der favorisierenden Umstände (enge Verwandtschaft der Varietäten, Bilektalität der meisten Sprecher, unter Umständen auch Identifikation mit der Bilektalität) ist gerade hier auch ein ausgeprägtes Mischen naheliegend. Dies im Einzelfall klar zu identifizieren, ist dabei gleichzeitig besonders schwierig. Ob es überhaupt strukturelle Regularitäten und Einschränkungen für CodeSwitching gibt und ggf. welche, ist Gegenstand einer umfangreichen Forschungsliteratur. Zwar ist verschiedentlich gezeigt und bislang nicht widerlegt worden, dass der Wechsel – sofern es sich nicht um einzelne Wörter bzw. Ad-hocEntlehnungen handelt – bevorzugt an Satzgrenzen stattfindet (vgl. z. B. POPLACK 1979/80:243, AUER 1988:[185], GIACALONE RAMAT 1995, 54). Statistisch weniger häufig, aber durchaus möglich und üblich ist jedoch auch wortübergreifender Wechsel innerhalb von Sätzen. Die Suche nach universalen syntaktischen Einschränkungen solchen intrasententiellen Switchings hat sich als problematisch erwiesen, nachdem viele universale switching constraints behauptet und später widerlegt worden sind (vgl. etwa HAUST 1993, 112, TREFFERS-DALLER 1998, 186, TRACY 2000, 13, LÜDI 2004, 342–344). Für eng verwandte Systeme sind die Möglichkeiten für derartige Einschränkungen mangels stärkerer syntaktischer Unterschiede indessen von vornherein gering. MUYSKEN (2000) unterscheidet daher terminologisch und spricht bei gleichen syntaktischen Strukturen („which can be filled lexically with elements from either language“, ebd., 6) statt von Code-Switching von kongruenter Lexikalisierung, bei der „words from both languages a and b are inserted more or less randomly“ (ebd., 8). Kongruente Lexikalisierung ist demnach durch besonders flexibles Wechseln charakterisiert: Switchs treten besonders häufig auf, sind nicht an Konstituenten gebunden, können auch innerhalb von Kollokationen auftreten, eventuell sogar wortintern u. ä. Enge Verwandtschaft ist aber keine grundsätzliche Voraussetzung für kleinschrittigen satzinternen Wechsel (vgl. a. die Beispiele in FÖLDES 2005). GARDNER-CHLOROS (1995) führt eine Reihe von Belegen für kleinschrittigen Wechsel zwischen verschiedenen Sprachen an, insbesondere eigene französisch-alemannische Daten aus dem Elsass, und wendet sich vor diesem Hintergrund grundsätzlich gegen den „myth of the discreteness of linguistic systems“ (vgl. a. Kap. 7). Allerdings handelt es sich bei ihren Beispielen immer noch um Kombinationen von vollständig gemäß den Regeln der einen oder anderen Sprache gebildeten Wortformen; auch der als Verstoß gegen jede denkbare Einschränkung von Switching präsentierte Beleg zammemélangé ‘zusammengemischt’ (ebd., 85) zeigt lediglich eine Kombination der französischen Wortform mit einer elsässischen trennbaren Verbpartikel, die hier zwar in Kontaktstellung steht, aber als trennbare Partikel (vgl. ähnliche Beispiele Kap. 7) eine weniger enge Verbindung mit dem Verb eingeht als ein Präfix (?vermélangé). Zwischen Partikel und Basisverb wechseln aber mit dem Wort auch das morphologische und (offenbar) auch das phonologische System vom Deutschen zum Französischen, sodass die Diskretheit der beiden Systeme hier noch nicht angezweifelt zu werden

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braucht. Wie AUER (2006) an kasachisch-russischen Beispielen deutlich macht, kann die morphosyntaktische Interaktion in der bilingualen Rede aber auch so weit gehen, dass eine klare Zuweisung einzelner Strukturen zu den monolingualen Systemen nicht mehr möglich ist. Gleichwohl ist den Sprechern, die Code-Mixing praktizieren, zumeist auch monolinguale Rede möglich. So berichtet auch GARDNER-CHLOROS (ebd., 82–83), dass dieselben Sprecher das Französische und das Alemannische im Gespräch mit anderen Gesprächspartnern deutlich getrennter halten (zumindest das Französische werden sie vermutlich auch ganz ohne alemannische Elemente handhaben können). In der ständigen gemischten Verwendung der Formen des einen und des anderes Systems im Gespräch unter bilingualen Arbeitskollegen zeigt sich jedoch, dass beide Systeme aktiviert sind und dass dieser bilinguale Modus und die entsprechenden „gemischten“ Äußerungen in der gegebenen Situation offenbar den Normalfall, die unmarkierte Sprachenwahl, darstellt. AUER (1998b) nennt die Praxis des Sprechens im bilingualen Modus, die sich durch häufigen Wechsel (auch) ohne lokale Funktion auszeichnet, language mixing, üblicher ist Code-Mixing18. Ein auf language mixing/Code-Mixing möglicherweise folgendes Stadium ist nach AUER die Entstehung eines fused lect. Ein solcher zeichnet sich dadurch aus, dass eine Stabilisierung eintritt, d. h., dass bestimmte Möglichkeiten, Elemente aus beiden Sprachen zu kombinieren, konventionalisiert sind und die Vielfalt solcher Möglichkeiten gegenüber Code-Mixing damit reduziert ist. Während in soziopragmatischer Hinsicht schon Code-Mixing als eine „Sprachenwahl“ angesehen werden kann, die bestimmten Regeln und Normen entspricht, müsste dann beim fused lect die Varietätenwahl im lokalen Verlauf der Interaktion und die varietätenspezifische Vernetzung und Markierung der Elemente im mentalen Lexikon neben den Ausgangssystemen (oder ggf. auch an deren Stelle) auch auf diese neue Sprache bzw. Varietät bezogen sein. Für entfernt oder nicht verwandte Sprachen ist die Entstehung von echten fused lects recht selten dokumentiert19, im Fall von Varietätenkontakt liegt sie dagegen näher (vgl. TRUDGILL 1986). Aufgrund der hohen Zahl gemeinsamer grammatischer Strukturen und kognater Wörter können hier auch noch leichter durch

18 Zum Verzicht auf Übersetzung des Terminus vgl. Anm. 5. – Das Problem der Terminologie zeigt sich auch hier wieder darin, dass Code-Mixing demgegenüber von einigen Autoren an Stelle von oder synonym mit Code-Switching verwendet wird, von anderen dagegen speziell für satzinternen Wechsel, von wieder anderen als Oberbegriff für verschiedene Arten der Mischung (vgl. den Überblick bei FÖLDES 2005, 83). LAUSBERG (1993) schließlich bezeichnet einen Sprechertyp als „Code-Mixer“, dessen intendierter Standard durch dialektale Transferenzen geprägt ist (vgl. 2.3). 19 Vgl. z. B. ROMAINE (1995, 68–70) und THOMASON (2001, 196–221) zu den wenigen immer wieder angeführten Fällen wie dem Michif in North Dakota.

Regionale Umgangssprache als distinkte Varietät

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Transferenz- und Interferenzerscheinungen20 „Mischformen“ entstehen, die sich deutlich von kleinschrittigem Wechsel unterscheiden. Auch im „aktiven“ Sprachen- bzw. Varietätenkontakt ohne Entstehung von fused lects kommt es aber zu derartigen Transferenzen. Der wesentliche Unterschied zwischen Code-Mixing und fused lects liegt darin, dass letztere in spezifischer Weise stabilisiert bzw. in neuen (nur historisch als „gemischt“ zu analysierenden) Strukturen organisiert sind, während sich bei ersterem die „Mischung“ durchgehend aus dem variablen Wechsel zwischen zwei eigenständigen Systemen ergibt, auch wenn dieser Wechsel sehr kleinschrittig und frequent und darüber hinaus soziolinguistisch etabliert sein kann (vgl. a. Kap. 7.)

1.2 REGIONALE UMGANGSSPRACHE ALS DISTINKTE VARIETÄT 1.2.1 Gliederungsmodelle Das Modell eines einfachen Wechsels zwischen Dialekt und Standard wird zumeist als ungenügend für die Beschreibung der Erscheinungen deutscher (und nicht nur deutscher) Alltagssprache angesehen. Anders als bei Code-Mixing scheint es hier typische, stabilisierte Zwischenformen und Kombinationen aus Dialekt- und Standard-Merkmalen zu geben, die bestimmten Gebrauchskonventionen entsprechen. Es wird daher häufig die Entstehung einer neuen, dritten Varietät – oder auch eine Schichtung mehrerer neuer Varietäten – zwischen Dialekt und Standard angenommen. Die geläufigsten Bezeichnungen dafür sind regionale Umgangssprache oder Regiolekt. Die Verwendung dieser Bezeichnungen impliziert allerdings noch nicht immer, dass tatsächlich eine distinkte Varietät gemeint ist; nicht selten wird mit denselben Termini auch auf ein Kontinuum zwischen Dialekt und Standard referiert – und nicht selten oszillieren Beschreibungen und Definitionen zu diesen Termini auch offen oder implizit zwischen beiden Modellen, was allerdings auch mit der Problematik des Begriffs Varietät zu tun hat (s. u.). Die Entstehung solcher Zwischenvarietäten wird zumeist als Stabilisierung von Dialekt-Standard-Kontakterscheinungen erklärt (vgl. etwa MUNSKE 1983; BELLMANN 1983 – s. genauer Kap. 8–10). Durch zunehmenden Umgang der ehe20 Im Gegensatz zu dem neutralen Terminus Transferenz für die Übernahme eines Elements oder einer Regel aus Varietät/Sprache A in Varietät/Sprache B hat Interferenz vor allem vom (älteren) Gebrauch in der Sprachlernforschung her eine negative Bedeutungskomponente, die sich auf einen aus der Transferenz resultierenden Verstoß gegen die Norm von Varietät/Sprache B bezieht. Im vorliegenden Zusammenhang (und insbesondere in Kap. 9–10) wird Interferenz dann verwendet, wenn tatsächlich Verstöße gegen eine angestrebte Zielnorm (zumeist: intendierten Standard) gemeint sind. Die hier als Interferenz bezeichneten sprachlichen Erscheinungen werden jedenfalls nicht etwa an einer Idealnorm des Verf. gemessen, sondern an den Intentionen der Sprecher (im Sinne der verbreiteten Bezeichnung „Hochdeutsch mit Knubbeln“). Transferenz wird demgegenüber dann verwendet, wenn derartige Wertungen keine Rolle spielen.

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mals Dialekt sprechenden Bevölkerungsmehrheit mit der Standardvarietät und entsprechend abnehmende Trennung zwischen Dialekt und Standard (Entdiglossierung) hat sich danach oberhalb des Dialekts ein „neuer Substandard“ etabliert (BELLMANN ebd.). Dabei bleibt zunächst noch offen, ob dieser sich als eine distinkte Varietät, als Schichtung mehrerer Varietäten oder als Kontinuum (so etwa Bellmanns Auffassung) darstellt. In jedem Fall wird eine Emanzipation dieses „mittleren Bereichs“ vom unmittelbaren Dialekt-Standard-Kontakt (und damit auch ein grundlegender Unterschied zum Modell des Dialekt-Standard-Switching) festgestellt, die schon daran abzulesen ist, dass sich auch Sprecher der entsprechenden Formen bedienen, die den Dialekt gar nicht mehr beherrschen (vgl. z. B. CORNELISSEN 1999, 96). In diesem Zusammenhang wird zudem betont, dass mit derartigen Zwischenformen dieselben identifikatorischen Funktionen verknüpft sein können wie mit dem Dialekt – dies zeigt sich besonders augenfällig dort, wo der ursprüngliche Basisdialekt fast oder ganz ausgestorben ist, so in Berlin oder auch im Ruhrgebiet (s. BERNER 1997; SCHOLTEN 1988). Dadurch wird im metasprachlichen Diskurs unter Umständen allerdings auch die Konstruktion von Varietäten aus heterogenen Einzelvarianten begünstigt; nach MENGE (1997) u. a. handelt es sich beim „Ruhrdeutschen“ um ein solches, empirisch nicht als spezifische Varietät greifbares Konstrukt. Nach dem einfachsten Modell von regionaler Umgangssprache als intermediärer Varietät erstrecken sich die Wahlmöglichkeiten der Sprecher (Dialektkompetenz vorausgesetzt) auf drei Varietäten, Dialekt, regionale Umgangssprache und Standard: „Bei Dialekt-Sprechern haben wir davon auszugehen, daß sie sich in einer Gesprächssituation zwischen drei am Ort üblichen Varietäten entscheiden.“ (CORNELISSEN 1999, 110 zur Situation im deutschen Westen)21. Anders als in dieser klassischen Dreiteilung, bei der die Stabilisierung einer einzigen Kontaktvarietät zwischen Standard und Dialekt angenommen wird, werden häufig aber auch zwei intermediäre Varietäten angesetzt: auf der einen Seite eine vom Dialekt beeinflusste Spielart des Standards, auf der anderen eine vom Standard (und ggf. benachbarten Dialekten) beeinflusste Variante des Dialekts. Sofern sich diese Unterteilungen – wie meistens – nicht aus empirischen Untersuchungen ergeben, ist hier vor allem relevant, wie die angesetzten Zwischenvarietäten linguistisch definiert werden. Die vierstufige Unterteilung unterscheidet sich von der dreistufigen in einem wesentlichen Punkt: Anders als bei letzterer wird bei der symmetrischen Aufteilung „Dialekt – vom Standard beeinflusster Dialekt – vom Dialekt beeinflusster Standard – Standard“ die Trennung zwischen Dialektbereich und Standardbereich grundsätzlich beibehalten22 und auf beiden Seiten jeweils eine zusätzliche, vom Kontakt beeinflusste Varietät angesetzt, auf der einen Seite ein „familiärerer“ Standard , auf der anderen ein „modernerer“ oder „feinerer“ Dialekt (so

21 CORNELISSEN (2001a:371) geht allerdings von einem Regiolekt-Standard-Kontinuum aus. 22 Auch bei dreistufigen Modellen ist dies möglich, sofern sie asymmetrisch sind, d. h. die zusätzliche Zwischenvarietät auf der einen oder anderen Seite der Trennlinie verorten.

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etwa bei VEITH 198323). Dies entspricht den grundsätzlichen Regularitäten, die LÜDTKE (1999) hervorhebt: Danach entstehen im Varietätenkontakt systematisch immer zwei intermediäre, vom Kontakt geprägte Varietäten – wobei allerdings möglich ist, dass deren Trennung sich in der weiteren Entwicklung auflöst oder dass nicht alle vier resultierenden Varietäten erhalten bleiben. Ein fünfstufiges Modell, das aber im Prinzip auf derselben Aufteilung beruht, ergibt sich, wenn noch zwischen einem „idealen Standard“ und einer gesprochenen Form des Standards unterschieden wird. Dabei ist die Abgrenzung allerdings nicht immer eindeutig; bei dem „idealen Standard“ kann es sich um eine rein schriftsprachliche Norm handeln und der „gesprochene Standard“ nur in allgemein sprechsprachlichen Merkmalen davon abweichen, mit „gesprochenem Standard“ kann aber auch eine schon deutlich von spezifisch regionalen Merkmalen geprägte Sprache gemeint sein, bei der die Grenze zu regionaler Umgangssprache nicht klar ist. Eine übliche Unterscheidung liegt darin, nur regionale Charakteristika im subphonematischen Bereich zum Regionalstandard (bzw. Regionalakzent) zu rechnen (z. B. MIHM 2000, 2107). Danach deckt sich der Regionalstandard ungefähr mit der regional gefärbten Leseaussprache, die KÖNIG (1989) beschreibt (vgl. MIHM ebd.); allerdings gehen die Unterschiede hier in Einzelfällen auch über den subphonematischen Bereich hinaus24, und KÖNIG (2004, 180) führt noch weitere Beispiele für die „in der Literatur genannten und aus der Alltagserfahrung bekannten Erscheinungen“ an, die z. T. traditionell als typisch umgangssprachliche Merkmale eingestuft werden (Jans ‘Gans’ in Berlin oder fescht ‘fest’ im Südwesten) und nach seiner Einschätzung in seinem Korpus nur zufällig nicht oder kaum belegt sind. Der Hintergrund hierfür ist zweifellos, dass auch die regionale Leseaussprache keine konstante Größe ist, sondern in älterer Zeit erheblich stärker regional differenziert war und sich im Lauf der letzten Jahrzehnte nicht ganz, aber stark zunehmend einer überregionalen Norm angenähert hat (vgl. Kap. 10). BEREND (2005) kritisiert an diesem üblichen Begriff von Regionalstandard grundsätzlich die Ausrichtung auf die Schriftsprache (Leselautung) als Norm für gesprochene Sprache und plädiert für einen erweiterten Standardbegriff (regionaler Gebrauchsstandard), der auch „geographisch definierte Varietäten- und Sprachgebrauchsmuster, die im jeweiligen regionalen Kontext ein entsprechend hohes Prestige tragen und die sowohl im informellen als auch im formellen Sprachgebrauch angemessen sind und akzeptiert werden“ mit umfasst (ebd., 143). (Sie unterscheidet dabei zwei Typen von Merkmalen: zum einen sprechsprachliche Merkmale, insbesondere typische Reduktionsformen wie etwa ne statt eine, zum anderen regionaltypische Merkmale. Auch bei den Reduktionsformen gibt es allerdings regionale Unterschiede, vgl. süddt. e oder a statt norddt. ne.) Eine Abgrenzung regionaler Gebrauchsstandards von regionaler Umgangssprache mit Hilfe des Kriteriums der Angemessenheit bzw. Akzeptanz im formellen Sprach23 VEITH differenziert zwischen Standardsprache, standardnaher Umgangssprache, dialektnaher Umgangssprache und Dialekt. 24 Z. B. im Fall von Existenz oder Nicht-Existenz einer Opposition zwischen /ȳ:/ und /e:/, vgl. KÖNIG (1989; Bd. 2:113).

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gebrauch ist jedoch auch nicht unproblematisch. Nicht nur bestehen seitens der Sprecher wohl kaum einhellige Meinungen hinsichtlich der Akzeptabilität, sondern darüber hinaus fließen auch regionale Unterschiede im „Selbstbewusstsein“ in die Beurteilung von regionalen Formen ein: Nach der Beobachtung von KÖNIG (2004) kommt nicht nur die kodifizierte Lautungsnorm im Deutschen den norddeutschen Regionalmerkmalen zumeist mehr entgegen als den süddeutschen (vgl. a. KÖNIG 1997), sondern überdies ist die Toleranz gegenüber norddeutschen Abweichungen von dieser Norm in der Fremd- und Selbstbeurteilung größer als die gegenüber süddeutschen. Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen regionalem Gebrauchsstandard und idealem Standard von Autoren aus verschiedenen Regionen verschieden eingeschätzt wird. Eine fünffach gegliederte Varietäteneinteilung mit Unterscheidung zwischen idealem und regionalem Standard nimmt etwa REIN (1983, 1445–1446) vor, hier wird unterschieden: 1.Reines dialektfreies Hochdeutsch („Hoch- und Schriftsprache“, „idealer ‘Standard’“) 2. Hochdeutsch mit Dialektanklang, „der merken läßt, aus welcher Landschaft man kommt“ („gesprochene Form der Schriftsprache“) 3. Mundartlich gefärbte Umgangssprache (regionale Umgangssprache) 4. Abgeschwächter Dialekt (dialektal beeinflusste Umgangssprache) 5. Reiner Dialekt (Ortsmundart)

Auch in der Romanistik ist eine entsprechende Abstufung gebräuchlich; so unterscheidet STEHL (1988, 36, 1994, 135 u. ö.) für Italien und Frankreich: 1. Exogener, „zumeist virtueller“ Standard 2. Regionalstandard (italiano regionale/français régional): Standard mit wenigen dialektalen Interferenzen in Phonetik, Phonologie und Prosodie 3. „Defektiver Standard“ (italiano popolare/français populaire)25: Standard mit zahlreichen dialektalen Interferenzen und hybriden Strukturen 4. „Defektiver Dialekt“ (Dialekt mit Standard-Interferenzen vor allem in Grammatik u. Lexik (dialetto moderno, civile, italianizzato/patois écorché) 5. Basisdialekt

Die Bezeichnung der intermediären Varietäten als „defektiv“ mag hier befremden – wenn man allerdings von dieser Bezeichnung absieht und nicht von synchronen, sondern von diachron verfestigten Interferenzen bzw. Transferenzen ausgeht, entspricht diese Sicht der geläufigen Darstellung in der Germanistik26. Und auch für das Italienische nimmt STEHL an, dass sich typische Strukturen der Interferenz im Lauf der Zeit stabilisieren und ihnen damit spezifische kommunikative Funktio-

25 Italiano popolare / français populaire wird dagegen auch oft – so auch bei STEHL (1991, 387) – als diastratische Kategorie in Gegensatz zu der diatopischen Kategorie italiano regionale / français régional gestellt. 26 Ebenso in der Niederlandistik, vgl. z. B. VAN BREE (1992).

Regionale Umgangssprache als distinkte Varietät

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nen zugewiesen werden können, sodass sie der (ganzen) Sprechergemeinschaft als Varietäten mit eigenen Normen zur Verfügung stehen (vgl. STEHL 1991, 390). Charakteristisch für die meisten dieser Schichtungs-Modelle ist also (abgesehen von der Frage der zusätzlichen Ansetzung eines idealen Standards) eine symmetrische Verteilung von Ausgangsvarietäten und durch Kontakt geprägten Varietäten auf beiden Seiten einer Grenze zwischen dialektalem und standardsprachlichem Bereich. Eine hiervon abweichende sechsstufige Gliederung (bezogen auf Verdichtungsbereiche) findet sich bei LENZ (2003), die auf der Basis empirischer Analysen im moselfränkischen Raum (Wittlich/Eifel) folgende Verdichtungsbereiche unterscheidet: Basisdialekt – Regionaldialekt – Unterer Regionaler Substandard – Oberer Regionaler Substandard – Regionalakzent – Interferenzfreier Standard. Auch hier wird eine klare Grenze zwischen dialektbasiertem und standardbasiertem Substandard angesetzt (ebd., 391, 395). Anders als in den symmetrischen Gliederungsmodellen wird jedoch der standardbasierte Regionale Substandard noch einmal unterteilt. Dies beruht nicht auf theoretischen Überlegungen, sondern auf empirisch-statistischen Ergebnissen. Der zentrale Punkt bei allen Spielarten des Varietätenschichtungs-Modells, insbesondere hinsichtlich der Abgrenzung gegenüber dem einfachen Modell eines Nebeneinanders zweier Systeme mit Code-Switching und möglicher beiderseitiger Transferenz in der parole, ist der Nachweis der Stabilisierung und Abgrenzung der intermediären Stufen. Bei den vier- bzw. fünfstufigen Modellen ist zumindest die Trennung zwischen Dialekt- und Standardbereich unmittelbar plausibel – nachzuweisen bliebe trotzdem, dass eine solche Abgrenzung bestehen bleibt. Die Annahme einer einzigen intermediären Varietät kann sich demgegenüber verschieden begründen: Entweder wird einfach jegliche Art von kontaktgeprägter „Mischung“ einer gleichen Varietät zugewiesen, oder durch „Neutralisierung“ (vgl. v. Coetsem 2000; s. u. Kap. 8.1) ist der Unterschied zwischen Dialekt mit Standard-Transferenzen und Standard mit Dialekt-Transferenzen verwischt, oder aus soziolinguistischen Gründen wird eins von beiden als nicht relevant betrachtet. Dies ist wohl zumeist der vom Standard beeinflusste Dialekt: Zwischen „reinem“ Dialekt und vom Standard beeinflusstem Dialekt wird (von Untersuchenden oder Sprechern) einfach nicht weiter unterschieden27, oder auf die Kategorie des „reinen“ Dialekts wird aus dem Grund verzichtet, dass der Dialekt immer Spuren des Standard-Kontakts aufweist, weil alle Dialektsprecher auch Standard-Sprecher sind. Die Gliederung des Bereichs zwischen Dialekt und Standard wird jedoch nicht nur nach dem Kriterium der Abweichung von der Standard-Norm (und ggf. von der dialektalen Norm) bzw. unter dem Aspekt „vertikalen“ Varietätenkontakts vorgenommen. Gegen die (alleinige) Herleitung von regionaler Umgangssprache aus Dialekt-Standard-Interferenz wenden sich z. B. MIHM (2000) und ELMENTALER (2005) mit dem Hinweis auf die Existenz von Merkmalen im „mittleren Bereich“, die aus dem örtlichen Basisdialekt nicht zu erklären sind, sondern die sie 27 Entsprechend dem Problem der empirischen Unterscheidung von Dialektwandel und Dialektabbau.

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Modelle des „mittleren Bereichs“

auf Orientierung an prestigehöheren Nachbarvarietäten zurückführen (genauer hierzu s. Kap. 8.2, 10). Die Abweichung von den ortsdialektalen Formen zugunsten von – ebenfalls regionalen – Formen mit größerer Reichweite bzw. der „horizontale“ Ausgleich steht auch schon bei älteren, noch von einer zumeist rein diatopisch orientierten Dialektologie geprägten Versionen des VarietätenschichtungsModells im Vordergrund. Hier werden die unteren Stufen nicht nach vorhandenem oder fehlendem Einfluss des Standards unterschieden, sondern nach der diatopischen Reichweite der verwendeten Nonstandard-Formen: Auf unterster Stufe steht der Basisdialekt mit zahlreichen lokalen Besonderheiten, es folgt ein Verkehrsdialekt mit regional üblichen Formen und schließlich der überregionale Standard. Auch hierbei gibt es verschiedene Stufungen, besonders geläufig ist wieder eine vierfache (vgl. WIESINGER 1980 – auch hier mit Hinweis auf eine „merkliche Barriere“, einen „auffälligen Einschnitt“ zwischen eher standardnaher Umgangssprache und Verkehrsdialekt, ebd., 180,183), es wird aber z. T. auch noch feiner abgestuft28. Eine Unterscheidung zwischen der Differenzierung nach Reichweite und der nach Standardnähe ist allerdings oft nicht deutlich. Dass eine unreflektierte Gleichsetzung des „horizontalen“ Ausgleichs („Verkehrsdialekt“) mit einer Annäherung an den Standard indessen nicht berechtigt ist, zeigen die Auswertungsergebnisse des Mittelrheinischen Sprachatlasses: Zumindest der Wandel des Dialekts (erhoben wurde intendierter Ortsdialekt bei jüngeren und älteren Sprechern) ist danach zwar allgemein durch regionalen Ausgleich geprägt, aber durchaus nicht immer durch Standardkonvergenz (s. HERRGEN/SCHMIDT 1989, 341).

1.2.2 Abgrenzungskriterien Schon aus den Beschreibungen wird deutlich, dass das Stufenmodell vielfach in erster Linie auf systematische Überlegungen zurückgeht und nicht auf empirische Ergebnisse. So beschränkt sich die Charakterisierung der intermediären Varietäten sehr oft auf die Angabe prototypischer Formen und Sätze, der Akzent liegt dabei eher allgemein auf der Feststellung, dass es überhaupt Sprachformen/-lagen zwischen Standard und Dialekt gibt. Zur Abgrenzung der regionalen Umgangssprache vom Standard werden dabei auch groß- und überregionale Merkmale gesprochener Sprache, vor allem Allegro- bzw. Reduktionsmerkmale, herangezogen – der angesetzte Standard entspricht dann eher dem oben erwähnten idealen, genauer: dem schriftsprachlichen Standard, und die Zwischenform kombiniert Merkmale dessen, was BEREND als regionalen Gebrauchsstandard bezeichnet, mit Varianten, die auch bei einem erweiterten Standardbegriff nicht mehr als standardsprachlich angesehen werden können. So ist bei der Abstufung:

28 Vgl. z. B. die Übersicht bei WIESINGER (1980, 192), Anm. 30.

Regionale Umgangssprache als distinkte Varietät Standarddeutsch

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Erzähle mir einmal, was das ist!

Regiolekt

Erzähl mir mal, wat dat is!

Dialekt

Fertäl min es, wat dat is!

(PEERENBOOM 1993, 49 für den unteren Niederrhein, zit. in CORNELISSEN 1999, 97)

die mittlere Stufe (nur) wegen wat/dat als eindeutig regional einzustufen. Der Abstand zum „Standarddeutschen“ ist hier aber dadurch stärker profiliert, dass in der „Standard-“Variante die überregional gebräuchlichen schwachen Formen is und mal (vgl. KOHLER 1995, 216) durch die Vollformen ersetzt werden und darüber hinaus noch das -e im Imperativ erzähle angefügt wird (das auch nach der älteren Duden-Grammatik, 174 § 290, fakultativ ist). Die Feststellung „Der Regiolekt weicht vom normnahen Standard durch eine erhebliche Anzahl regionalsprachlicher, sprechsprachlicher und umgangssprachlicher Elemente ab“ (CORNELISSEN 2001a:362–363 mit Verweis auf u. a. dieses Beispiel) bezieht sich hier also wirklich auf einen „idealen“ Standard und ist nicht so zu verstehen, dass Sprecher sich zwischen diesem und der eindeutig regional geprägten Sprachform "Regiolekt" entscheiden müssten; die Existenz weiterer Zwischenformen ist jedenfalls evident. Dass mit den drei Stufen hier nicht das ganze Spektrum des Möglichen abgedeckt sein kann, ist wohl unverkennbar (s. a. die genauere Darstellung in CORNELISSEN 2001a:371). Es handelt sich allenfalls um Prototypen, die eventuell einem Modell von Verdichtungsbereichen (vgl. Kap. 1.4) entsprechen könnten, aber konstruiert sind. Sofern derartige Konstruktionen durch Mitglieder der Sprechergemeinschaft vorgenommen werden (vgl. CORNELISSEN 2001a:361–362), könnte dies allerdings für eine Existenz dieser Varietäten-Stufung in deren Bewusstsein sprechen. Es kann sich aber (auch dann) zumindest bei den oberen zwei der drei Stufen ebensogut um Pole eines Kontinuums handeln, nach dem Modell eines Kontinuums vom Standard bis zur standardfernsten regionalen Umgangssprache (vgl. Kap. 7), denen zwar im (reflektierenden) Sprachbewusstsein aus systematischen Gründen ein herausgehobener Status zukommt, aber nicht in der Realität des Gebrauchs. Für die Annahme einer solchen Systematisierung in der Reflexion spricht bei den zitierten Beispielsätzen zumindest die etwas künstliche Profilierung des Unterschieds zwischen regionaler Umgangssprache und Standard. Wenn die Abstufung distinkter Varietäten vom Standard bis zum Dialekt also in der Regel mit prototypischen Satzbeispielen belegt wird, so stellt sich für die empirische Überprüfung das Problem der Abgrenzung intermediärer Varietäten erheblich schwieriger dar. Der Begriff Varietät als solcher ist schon nicht leicht einzugrenzen und wird z. T. sehr weit gefasst. Im Prinzip entspricht die Definition von BERRUTO (2004, 189) allgemeinem Konsens: Wenn eine Menge von gewissen kongruierenden Werten bestimmter sprachlicher Variablen [...] zusammen mit einer gewissen Menge von Merkmalen auftreten, die Sprecher und/oder Gebrauchssituationen kennzeichnen, dann können wir von einer sprachlichen Varietät sprechen.

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Modelle des „mittleren Bereichs“

BERRUTO stützt sich dabei auf HUDSON (1996, 22): „[W]e may define a variety of language as a set of linguistic items with similar social distribution“. Er erörtert aber auch die Probleme, die sich ergeben: a) Es ist nicht klar, welche Menge und welche Typen von sprachlichen Merkmalen erforderlich sind, damit von einer eigenständigen Varietät die Rede sein kann. b) Die Vielfalt an sozialen und situationsspezifischen Faktoren ist schwer einzugrenzen und zu bündeln. Innerhalb einer Varietät muss hiernach jedenfalls eine gewisse Homogenität und Stabilität vorhanden sein, und eine Abgrenzung gegenüber anderen Varietäten muss möglich sein, wobei BERRUTO allerdings einräumt, dass es sich in der Realität oft eher um „Verdichtungen“ in einem Kontinuum handele (ebd., 190, vgl. u. 1.4)29. Bezüglich mutmaßlicher Varietäten zwischen Dialekt und Standard liegt das Problem besonders in der Forderung nach „miteinander kongruierenden Werten von sprachlichen Variablen“. AUER (1986, 99) äußert sich hier mit Recht sehr kritisch30: In jedem Fall ist nach der linguistischen Rechtfertigung der einzelnen Varietäten zu fragen. Sie hätte auf drei Ebenen zu erfolgen: im Sinne des Nachweises der internen Kohäsion und Konsistenz der Varietäten als sprachlicher ‘Codes’ (d. h. die Variation innerhalb einer postulierten Varietät muß deutlich geringer sein als die Variation zwischen den Varietäten), im Sinne des Nachweises unterschiedlicher, nicht nur tendenziell formulierbarer situativer Verwendungsbedingungen für die Varietäten und schließlich im Sinne des Nachweises einer Interpretation des Repertoires durch die Sprecher selbst, die der linguistischen Einteilung entspricht und diese erst als emisch ausweist. Es ist bisher wohl auf keiner der genannten Ebenen gelungen, überzeugende Beispiele für den Varietätenstatus der Umgangssprache beizubringen. Die linguistische Beschreibung ist oft oberflächlich; nur wenige Autoren [...] machen sich die Mühe, die nach oben und unten abgrenzenden linguistischen Charakteristika der Umgangssprache auch nur einigermaßen vollständig aufzuführen. Nirgends sind meines Wissens bisher Kookkurrenzbeziehungen zwischen diesen Charakteristika beschrieben worden, die ja einen bestimmten Grad von Rigidität zeigen müßten, um das Reden von einer Varietät Umgangssprache zu rechtfertigen.

Der Nachweis einer solchen „internen Kohäsion und Konsistenz der Varietäten als sprachlicher ‘Codes’“ ist jedoch nicht nur der am meisten vernachlässigte Punkt, sondern gleichzeitig elementar – wenn dies nicht gelingt, erübrigen sich auch die beiden anderen Kriterien. Zu zeigen wäre, dass es bestimmte Sets von Varianten gibt, die regelmäßig zusammen vorkommen, während andere Kombinationen ausgeschlossen (bzw. allenfalls im Rahmen von Switching zwischen den Varietäten möglich) wären. Um eine oder mehrere distinkte Zwischenstufe(n) zwischen Dialekt und Standard anzusetzen, müssten also bestimmte Kombinationen aus Dia29 Derartige Probleme sind im Bezug auf die Abgrenzung diatopischer Varietäten in der dialektologischen Diskussion altbekannt, ein wesentlicher Unterschied liegt aber darin, dass die Koexistenz verschiedener Ortsdialekte im Repertoire eines Sprechers eher selten ist und nicht der Normalfall. Die Frage der diatopischen Abgrenzung ist insofern für das Sprachverhalten einzelner Sprecher nicht relevant. 30 Vgl. ähnlich MENGE (1997).

Regionale Umgangssprache als distinkte Varietät

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lekt- und Standard-Merkmalen (und ggf. weiteren Merkmalen anderweitiger Herkunft) derartige feste Sets bilden. Die zweite übliche Forderung ist die nach unterschiedlichen soziosituativen Verwendungsbedingungen für die unterschiedenen Varietäten. Es ist allerdings problematisch, hier den empirischen Ansatzpunkt zu nehmen und ausgehend von Material, das nach dem Konzept „ein bestimmter Sprechertyp in einem bestimmtem Situationstyp“ erhoben worden ist, eine Varietätengliederung zu ermitteln: Durch die (zwangsläufig reduzierende und oft bewusst typisierende) Auswahl von Sprechern und Situationen würde sich unter Umständen auch ein kontinuierlich organisiertes Repertoire bei diesem Zugriff als gestuft darstellen (vgl. u. Kap. 2.1). Hier trifft die Kritik von SCHMIDT (2005a:66): Radikal formuliert wird dabei Varietät als parole einer nach sozialen Kriterien bestimmten Sprechergruppe in einer konkreten Untersuchungssituation definiert. Es ist klar, dass eine solche ‘Lösung’ zwar für die Einzelstudie praktikabel ist, dass sie aber zur Abgrenzungsproblematik nichts beiträgt.

Ein weiteres Problem des soziosituativen Ansatzes liegt schließlich darin, dass vorausgesetzt wird, dass in der entsprechenden Situation, bestimmten Gebrauchnormen gemäß, ein gleichbleibende Sprachlage31 bzw. Varietät gewählt wird – obwohl vor allem in jüngerer Zeit vielfach dargelegt worden ist, wie Sprecher sich gezielt der ihnen zur Verfügung stehenden Variationsmöglichkeiten bedienen, um lokale kommunikative Ziele zu erreichen. Wie bereits gesagt, hätten prototypische Zwischenformen zwischen Dialekt und Standard als reines Konstrukt von Linguisten wenig Belang. Als Vorstellung der Sprecher wären sie dagegen schon eher als Hinweis auf existente Varietäten zu werten, wenngleich auch hier allein aus der Reflexion eine Tendenz zur Systematisierung entspringen kann, die dem tatsächlichen Gebrauch nicht entspricht. Ein anderer Ansatzpunkt für den Zugriff auf die im Bewusstsein der Sprecher vorhandenen Kategorien sind Untersuchungen zur Einordnung und Benennung von Sprachproben. Derartige Tests, in denen Hörer verschiedene Aufnahmen aus Dialekt, Standard und „mittlerem Bereich“ ihres Orts einstufen bzw. deren Sprachlage benennen sollten, haben allerdings zu verschiedenen Schlüssen geführt. In einem Test von DAVIES (1994; s. a. DAVIES 1999, 209–210) wurden Mannheimer Hörern Textproben von Mannheimer Sprechern vorgespielt, eine dialektale und zwei standardnähere, aber nicht standardsprachliche. Die Bezeichnungen für die Sprache der beiden letzteren Aufnahmen („gemischt“, „Mischmasch“) sowie für die Sprache, die die Informanten selbst verwenden, zeigten, dass für die Hörer nur „Hochdeutsch“ und „Platt“ als Zuordnungsgrößen existierten und mittlere Sprachlagen als „verfälschte Standardsprache“ oder „verfälschter 31 Mit Sprachlage wird hier allgemein eine (mehr oder weniger) spezifische Variantenkombination bezeichnet, die einer Varietät oder aber auch einer bestimmten Position in einem Kontinuum-Modell entspricht, sei es das Modell eines implikativen Kontinuums solcher Kombinationen (s. 1.3) oder das einer weniger streng durchstrukturierten, aber ebenfalls bruchloskontinuierlichen Abfolge von möglichen Variantenkombinationen zwischen Dialekt und Standard.

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Modelle des „mittleren Bereichs“

Dialekt“ eingestuft werden. DAVIES kommt daher zu dem Schluss, dass für die Sprecher nur Standard und Dialekt fokussierte Varietäten32 darstellen. Den Zwischenformen entsprechen hiernach keine Vorstellungen von spezifischen Normen. Wenn einem Sprecher nicht klar ist, an welcher der fokussierten Varietäten sich die Sprachlage orientiert, wird sie als Mischung von Varianten aus zwei verschiedenen Varietäten wahrgenommen. (DAVIES 1999, 210)

Zum gegenteiligen Ergebnis kommt CORNELISSEN (2001a) für den ripuarischen Raum, aufgrund eines im Prinzip ähnlich angelegten Tests mit Aachener Gewährspersonen: Beispiel-Sätze im Standard (mit Regionalakzent) und in einer Zwischenlage waren in einer ersten Serie von Tests als „Hochdeutsch oder nicht Hochdeutsch“, in einer zweiten (nun zusammen mit Dialekt-Aufnahmen) als „Platt oder nicht Platt“ einzustufen. Die Sätze der Zwischenlage wurden von den Befragten weitgehend weder als „Platt“ noch als „Hochdeutsch“ eingeordnet, sondern vor allem als „Slang“ , ferner als „Kauderwelsch“, „Rheinisch“, „Kölsch“ (!), und selten als „Umgangssprache“ bezeichnet – daneben aber auch als „kein direktes Hochdeutsch“, „kein reines Hochdeutsch“, „mittleres Hochdeutsch“, „Aachener Hochdeutsch“, „Hochdeutsch mit Knubbeln“ und als „Dialekt“ (ein Terminus, der im Gegensatz zu Platt von rheinischen Laien auch häufig in der Bedeutung ‘(Regional-)Akzent’ verwendet wird). Die relativ klare Abgrenzung der Sätze der Zwischenlage von Dialekt oder Standard unterscheidet dieses Ergebnis von den Reaktionen der Mannheimer Befragten und weist nach CORNELISSEN darauf hin, dass im Rheinland eine Zwischenlage zwischen Standard und Dialekt „zumindest in der negativen Form – ‘kein Platt, kein (reines) Hochdeutsch’ im Sprecherbewusstsein präsent ist“ (CORNELISSEN 2001a:367). Dabei deuten die Bezeichnungen „Hochdeutsch mit Knubbeln“ u. ä. allerdings an, dass mit der Zwischenlage tatsächlich vor allem die Vorstellung eines „defektiven“, d. h. intendierten, aber nicht beherrschten Standards verbunden ist und nicht die einer Varietät mit bestimmten Verwendungsnormen. So nimmt CORNELISSEN (2003, 94) denn auch eine skeptischere Haltung ein und stellt mit Hinweis auf derartige Bezeichnungen fest: „Der Regiolekt ist kaum im Bewusstsein seiner Sprecher und Sprecherinnen verankert.“ Das Sprecherbewusstsein kann auch hier insofern schwerlich die Annahme einer distinkten Varietät zwischen Dialekt und Standard begründen33. Angesichts der Schwierigkeiten, die empirische Versuche der Ermittlung von Varietäten im „mittleren Bereich“ nach den genannten Kriterien gezeigt haben, schlägt SCHMIDT (2005a:67–71) noch einen anderen Ansatzpunkt vor: Er geht 32 Vgl. LE PAGE/TABOURET-KELLER (1985). 33 STEHL betont demgegenüber, dass sein 4-Stufen-Modell dem Bewusstsein der Sprecher (in Apulien und Venetien) entspricht; er postuliert ein „Grundmuster des Aufbaus der Kontaktzone im Sprecherbewußtsein, nach dem je ein Prototyp von Dialekt und Standard je einem ‘defektiven’, ‘korrumpierten’ Typ beider Kontaktextreme gegenübergestellt wird, der jeweils durch die gehäufte Präsenz von Interferenzen des Gegenpols charakterisiert ist. Diese Vierfachstaffelung der Kontaktzone gehört zum Erfahrungswissen fast aller Sprecher in vertikalen Kontaktsituationen“ (STEHL 1990, 193; vgl. ders. 1988, 36).

Regionale Umgangssprache als distinkte Varietät

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ebenfalls von der Perspektive der Sprecher aus, bezieht sich jedoch in erster Linie nicht auf deren subjektive Beurteilung, sondern auf deren Kompetenz(en) (deren Stufung den Sprechern jedoch intuitiv bewusst ist und die Grundlage für deren subjektive Repertoire-Gliederung bildet). Von außen greifbar werden derartige „kognitive Grenzen und Kompetenzdifferenzen“ (ebd., 69), die Varietätengrenzen markieren, besonders durch Hyperkorrektismen bzw. Hyperdialektismen, die deutlich machen, dass das intendierte System ein anderes ist als das der sprachlichen Primärsozialisation einer Person (s. a. SCHMIDT/HERRGEN 2011, 349–352). Nach diesem Konzept stützt auch LENZ (2003, 391–392) eine Varietätengliederung des Wittlicher Substandards im Unterschied zu den statistischen Verdichtungsbereichen wesentlich auf das Auftreten hyperkorrekter Formen. SCHMIDT und HERRGEN definieren Varietäten also individuell-kognitiv [als] durch je eigenständige prosodisch-phonologische und morphosyntaktische Strukturen bestimmte und mit Situationstypen assoziierte Ausschnitte des sprachlichen Wissens. (SCHMIDT/HERRGEN 2011, 51, s. a. SCHMIDT 2005a:69)

Die Bindung an bestimmte Sprechergruppen und Situationen gehört zwar dazu, bleibt aber der Bedingung (partieller) Systemdifferenz nachgeordnet: [S]prachsozial [definieren wir Varietäten] als partiell systemisch differente Ausschnitte des komplexen Gesamtsystems Einzelsprache, auf deren Grundlage Sprechergruppen in bestimmten Situationen interagieren. (ebd.)

Eine solche Auffassung, bei der als eindeutiger Indikator für eine Varietätengrenze34 nur das Sichtbarwerden einer Systemgrenze akzeptiert wird, stellt natürlich erheblich höhere Anforderungen an die Autonomie einer Varietät als die meisten anderen Definitionen35. „Typischen soziodemographisch-linguistischen Konstellationen“, die diesem Kriterium nicht genügen, soll danach kein Varietätenstatus zugemessen werden, sondern nur der von Verdichtungsbereichen oder „Sprechlagen“ (ebd.: 70 – wohingegen BERRUTO Verdichtung ja eher als ein realistischeres Konzept von Varietät auffasst, s. o.). Für die Modellierung des Zwischenbereichs zwischen Dialekt und Standard ergibt sich daraus eine gewichtige Konsequenz: 34 Wenn SCHMIDT und HERRGEN von den so definierten „Vollvarietäten“ die „sektoralen Varietäten“ unterscheiden, also Fachsprachen o. ä., die durch reine – meist lexikalische – Inventarerweiterung, -differenzierung oder -substitution gekennzeichnet sind (SCHMIDT 2005a:70) – löst dies das zusätzliche Problem des traditionellen Varietätenbegriffs, dass einerseits eigenständige Systeme wie Dialekte und andererseits spezifische Wortschatzbereiche mit demselben Terminus bezeichnet werden. 35 In der Varietäten-Diskussion im Zusammenhang mit regionaler Umgangssprache wird allgemein deutlich, dass die Verbindung von dialektologischen mit soziolinguistischen Traditionen zu einer z. T. unklaren Mischung von recht unterschiedlichen Vorstellungen hinsichtlich der Systematizität und Autonomie einer „Varietät“ geführt hat (vgl. das oben angeführte Zitat von AUER 1986, 99 mit der Definition von TRUDGILL 2003, 139–140: „variety: A neutral term used to refer to any kind of language – a dialect, accent, sociolect, style or register – that a linguist happens to want to discuss as a separate entity for some particular purpose.“) Mit der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Varietät (als System) und Verdichtungsbereich/Sprechlage (als statistischer Manifestation von Präferenzen) ermöglichen SCHMIDT und HERRGEN hier wieder mehr Klarheit.

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Modelle des „mittleren Bereichs“

Hiernach kann zwischen Dialekt und Standard entweder nur genau eine Varietätengrenze bestehen, oder es müsste in der Sprecherkompetenz die Herausbildung einer festen Abstufung der systematischen Unterschiede zwischen Dialekt und Standard, also die Entstehung (mindestens) eines echten spezifischen intermediären Systems, nachgewiesen werden.

1.3 DAS MODELL DES DIALEKT-STANDARD-KONTINUUMS 1.3.1 Implikative Kontinua Gegenüber dem Modell distinkter Varietäten wird – vor allem für den mittel- und oberdeutschen Raum – in jüngerer Zeit zumeist das Modell eines Kontinuums zwischen Dialekt und Standard favorisiert. Schon BELLMANN (1983, 123) geht davon aus, dass das Resultat der Auflösung der Dialekt-Standard-Diglossie („Entdiglossierung“) ein Dialekt/Standard-Kontinuum ist, in dem es auf der Achse eines Dialekt/Standard-Diasystems nur den Fluß der Erscheinungen gibt, sowohl bei der Verwendung durch den Sprachteilhaber als auch vom Sprachmaterial her, zumal sich erweist, daß offenbar jedes Dialektmerkmal den frühesten Einsatzpunkt seiner untersten substitutiven Teilschrittvariante an anderer Stelle des Kontinuums hat.

Das Modell des Kontinuums hat in der Dialektologie eine längere Tradition: Als Kontinuum diatopischer Unterschiede ergab es sich zuerst aus der Infragestellung fester Dialektgrenzen vor allem im Zuge der großen Sprachatlas-Unternehmen. Zum einen zeigte sich, dass Koinzidenz der Isoglossen für verschiedene Phänomene durchaus nicht die Regel ist. Darüber hinaus wurden auch bei gleichen phonologischen Phänomenen verschiedene Isoglossenverläufe für verschiedene Wörter festgestellt, was zu dem bekannten Bild des Wanderers führte, der von Dorf zu Dorf immer nur minimale Unterschiede wahrnimmt, sich aber ständig weiter von seinem Ausgangspunkt entfernt. Das Modell eines vertikalen Kontinuums zwischen verschiedenen in derselben Sprachgemeinschaft und – anders als bei diatopischen Varietäten – auch im Gebrauch der einzelnen Sprecher koexistierenden Sprachlagen hat sich dagegen zunächst in der Kreolistik etabliert, maßgeblich war hier die Beschreibung eines Post-Kreol-Kontinuums auf Jamaika durch DECAMP (1971 u. ö.). In der Tat weist diese Beschreibung große Ähnlichkeit mit geläufigen Beobachtungen zum Zwischenbereich zwischen Dialekt und Standard auf (worauf schon DURRELL 1998, 25 hinweist): Many Jamaicans persist in the myth that there are only two varieties: the patois and the standard. But one speaker’s attempt at the broad patois may be closer to the standard end of the spectrum than is another speaker’s attempt at the standard. [...] Each Jamaican speaker can command a span of this continuum, the breadth of the span depending on the breadth of his social contacts. (DECAMP 1971, 350)

DECAMP präzisiert das Konzept des Kontinuums, indem er zeigt, dass die Merkmale der verschiedenen beobachteten Zwischenlagen sich in einer Implikations-

Das Modell des Dialekt-Standard-Kontinuums

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skala darstellen lassen: Wenn die verschiedenen Texte36 danach geordnet werden, wieviele Merkmale jeweils dem Standard entsprechen, ergibt sich gleichzeitig eine Abstufung der Merkmale nach Standardnähe bzw. -ferne, und in der idealisierten Form einer solchen Implikationsskala ist zu erkennen, daß dies nicht nur Mittelwerte betrifft, sondern dass die standardgemäße Realisierung einer Variablen in einem Text die standardgemäße Realisierung aller standardnäheren Variablen einschließt: Merkmale A B C D T e x t e

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Tab. 1: Ideale Implikationsskala bei 6 Sprechertexten und 5 Variationsmerkmalen mit jeweils den Ausprägungen d[ialektal] und st[andardsprachlich]

Diese Methode der Erfassung von sprachlichen Kontinua mit Hilfe von Implikationsskalen (ein zunächst in der Psychologie angewandtes Verfahren, vgl. GUTTMAN 1944) ist dann auch verschiedentlich für die Erforschung des „mittleren Bereichs“ zwischen Dialekt und Standard im Deutschen angewandt worden37, entsprechend der zunehmenden Überzeugung, es nicht mit distinkten Zwischenschichten, sondern mit einem Kontinuum zu tun zu haben. Eine ausführliche und kritische Anwendung hat insbesondere SALEWSKI (1998) unternommen (vgl. a. u. Kap. 4.2). In der historischen Herleitung stimmen Kontinuum-Modell und Varietätenschichtungs-Modell im Grunde überein: In beiden Fällen werden die Zwischenlagen zwischen Dialekt (bzw. Kreolsprache) und Standard zumeist als verfestigte Formen unvollständigen Zweitspracherwerbs gedeutet (vgl. z. B. MUNSKE 1983). So ist das Modell des Kontinuums und die Darstellungsmethode der Implikationsskala außer von der Dialektologie auch insbesondere von der ZweitspracherwerbsForschung verwendet worden, um überindividuelle Abfolgen der Entwicklungsstadien von Lernersprachen zu verdeutlichen38. Auch DECAMP erklärt die Entstehung eines Kreol-Standard-Kontinuums damit, dass Möglichkeiten und Druck 36 In der Folge setzt er z. T. Text eines Sprechers in einer Sprachprobe und Sprecher bzw. „Informant“ gleich (z. B. ebd., 358), was eigentlich der Feststellung „Each Jamaican speaker can command a span of this continuum, the breadth of the span depending on the breadth of his social contacts.“ widerspricht, denn jede Sprachprobe wird genau einer Ebene in seiner Implikationsskala zugeordnet. 37 Z. B. BRINKMANN TO BROXTEN (1985), SMAZAL (1986), SCHLOBINSKI (1987), SALEWSKI (1998), LAMELI (2004). 38 Vgl. z. B. ANDERSEN (1978).

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Modelle des „mittleren Bereichs“

zum Erwerb des Standards in der postkolonialen Gesellschaft gruppenweise und individuell verschieden stark verteilt sind (ebd., 351). Die verschiedenen Lagen des Kontinuums entsprechen danach ursprünglich verschiedenen erreichten Niveaus der Standardkompetenz, die im weiteren Verlauf konnotativ besetzt und kommunikativ-funktional verfügbar werden.

1.3.2 Das Problem des bruchlosen Übergangs In jüngerer Zeit ist in der Kreolistik allerdings auch deutliche Kritik an dem Modell geübt worden39, die in gleicher oder ähnlicher Weise auch dessen Übertragung auf die regionale Umgangssprache betrifft. Ein besonderes Problem der Implikationsskalen ist der Umgang mit Variation innerhalb der einzelnen Sprachproben: Interne Variation ist bei diesem Verfahren eigentlich nicht vorgesehen. Dies kann als technisches Detail dargestellt werden: Mit Hilfe eines Schwellenwerts kann die Variation auf „1 vs. 0“ reduziert werden (vgl. SALEWSKI 1998, 110–119, s. 4.2). Es ist jedoch fraglich, ob man damit den tatsächlichen Verhältnissen gerecht wird. DECAMP selbst hat schon 1973 dieses Problem angesprochen und vorgeschlagen, auf die Reduktion zu verzichten und mit den Prozentwerten selbst zu arbeiten. Tatsächlich hat sich dieser Weg aber nicht durchgesetzt, und es steht zu vermuten, dass einer der Gründe dafür darin liegt, dass die meisten Daten bei einer derartigen Darstellung keine klare Implikation mehr erkennen lassen (vgl. a. SALEWSKI ebd.). Die üblichen Tests für die Akzeptabilität von Implikationsskalen sehen dagegen nur binäre Daten vor (vgl. Kap. 4.2). Kritisiert wurde zum anderen, dass das Modell eines unidimensionalen Kontinuums der Realität in kreolsprachigen Gemeinschaften nicht gerecht wird, weil die Variation von verschiedenen, voneinander unabhängigen Faktoren gelenkt wird. Auch dies trifft für den „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standard zu – auch hier können verschiedene Typen von Konnotationen im Spiel sein (so müssen etwa regionale, soziologische und stilistische Markierung einer Variante nicht übereinstimmen), hinzu kommen innersprachliche Faktoren, z. B. artikulatorische Schwierigkeit und strukturelle Komplexität. Für die regionale Umgangssprache ist aber vor allem ein dritter Kritikpunkt relevant: Das Kontinuum-Modell setzt voraus, dass es sich bei den beiden Polen nicht um distinkte Systeme handelt, weil sonst ja entweder irgendwo eine Systemgrenze überschritten werden müsste oder aber die problematische Annahme einer bruchlos-schrittweisen Überführung des einen Systems in das andere notwendig wäre (vgl. 1.1)40. Tatsächlich nimmt DECAMP eine Generierung der Kreol- wie der Standard-Formen aus denselben zugrundeliegenden Formen an und führt dies u. a. am Beispiel der phonologischen Systeme von drei Varietäten des Jamaikanischen Englisch vor (DECAMP 1973, 359–362). Während die Syste39 Vgl. z. B. SEBBA (1997), HELLINGER (1998), HOLM (2000). 40 Vgl. a. die Diskussion über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer solchen schrittweisen Überführung zwischen J. GOOSSENS und P. WIESINGER in WIESINGER (1980, 195,197).

Das Modell des Dialekt-Standard-Kontinuums

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me der Ober- und der Mittelschicht hier fast identisch sind, unterscheidet sich das der Unterschicht davon durch Phonemzusammenfall in diversen Positionen. Dementsprechend werden die differenzierteren Formen als zugrundeliegende angesetzt und für das System der Unterschicht zusätzliche Regeln, die eben diesen Zusammenfall bewirken. Die weiteren intermediären Lagen ergeben sich durch eine hierarchische Indizierung dieser Regeln. Auch in der Kreolistik gibt es Zweifel an dieser Position (vgl. HOLM 2000, 222–223)41. Zunächst erscheint fraglich, ob es tatsächlich der von DECAMP (1973, 144) in Anspruch genommenen „psychologischen Realität“ entspricht, wenn das einfachere System der „laborers und peasant farmers“ über zusätzliche Regeln aus dem differenzierteren System der „higher und upper middle class“-Sprecher herzuleiten ist (vgl. DECAMP 1971, 358–360); diese Herleitung gilt ja auch für Sprecher, die – jedenfalls in der Performanz – über die differenzierten Teilsysteme gar nicht verfügen. Dass für Dialektformen im Deutschen eine Ableitung aus zugrundeliegenden Standard-Formen sehr häufig gar nicht funktioniert (genauso wenig wie umgekehrt), ist unbestreitbar. Auch die Vorstellung einer durchgehenden Kette von Sprachlagen mit gegenseitiger Verstehbarkeit (vgl. CHAMBERS/TRUDGILL 1980, 6) ist hier nicht immer zutreffend; die Verwendung einer standardferneren nichtdialektalen Sprachlage befähigt noch nicht unbedingt zum Verständnis einer mit Standardelementen durchsetzten dialektalen Sprachlage. Anders kann die Situation allerdings für regionale Substandard-Repertoires sein, in denen der ursprüngliche Basisdialekt nicht mehr vorhanden ist und die Nonstandard-Merkmale historisch auf dialektale Interferenzen im intendierten Standard zurückzuführen sind, sodass der Substandard also eventuell tatsächlich synchron vom Standard hergeleitet werden kann (vgl. z. B. HARDEN 1985, 100 für das Ruhrdeutsche). AUER (2005, 19–25) setzt in seiner Typologie europäischer Dialekt/StandardKonstellationen jedoch eine Entwicklung von der Dialekt-Standard-Diglossie (Typ B) zum Dialekt-Standard-Kontinuum (Diaglossie, Typ C) als typische Tendenz an. Diese Entwicklung ergibt sich auf zwei möglichen Wegen der Abschwächung von Diglossie (ebd., 19): Durch wechselseitige Beeinflussung ergeben sich zunächst zwei Teilkontinua (s. u.), oder häufiges Code-Switching führt über language mixing schließlich zur Fusion der bis dahin distinkten Varietäten (ebd.). Die implikative Struktur des Gesamtkontinuums (ebd., 22) ergibt sich dabei auch im zweiten Fall offenbar daraus, dass es im Zuge der Mixing-Praxis zu einer gestaffelten Annäherung der beiden Ausgangsvarietäten aneinander kommt (ebd., 20). Eine Beispiel für eine solche Entstehung eines Kontinuums aus einer stark gestaffelten lexikalischen bzw. lexemspezifischen Ersetzung von Dialektmerkmalen durch Standardmerkmale hat BÜCHERL (1982; 1999) dargestellt: Die Ergebnisse 41 Es hat sich gezeigt, dass nicht nur strukturelle Diskontinuitäten bzw. Sprünge vorkommen, sondern auch Unterscheidungen im Bewusstsein der Sprecher damit korrespondieren, vgl. HELLINGER (1998, 76). Verschiedene Autoren lehnen das Modell des Kontinuums für bestimmte kreolsprachige Gemeinschaften überhaupt ab und halten die „volkstümliche“ Gliederung in zwei diskrete Varietäten für zutreffender.

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Modelle des „mittleren Bereichs“

einer Erhebung, bei der bairische Informanten eine Liste von Sätzen in ihre Alltagssprache übersetzen sollten, zeigten für eine längere Reihe phonologischer Merkmale nicht nur insgesamt eine kontinuierliche Abstufung der Anteile der dialektalen bzw. standardsprachlichen Varianten, sondern die jeweilige Verteilung der Anteile erwies sich auch als in hohem Maße lexemabhängig. Hiernach entsteht ein Kontinuum von Sprachlagen über lexemspezifische „Häufigkeitsverlagerungen“ (BÜCHERL 1982, 12) bzw. über eine gestaffelte lexikalische Diffusion der Standardmerkmale, aus deren Staffelung sich die Zwischenlagen ergeben. Das Erhebungskonzept vermindert hier das Problem der situationsinternen Variation, da zumindest bei starker Übereinstimmung der Gewährspersonen hinsichtlich der lexemspezifischen Unterschiede nicht von Zufall auszugehen ist (allenfalls von anderen Faktoren wie unterschiedlichen Assoziationen, die durch den Inhalt der Sätze oder andere Wörter ausgelöst wurden). Gerade bei diesem Konzept, gegen das eigentlich die Unnatürlichkeit der Situation spricht und bei dem man daher eine Reduktion der tatsächlichen alltagssprachlichen Vielfalt vermuten würde, ist das Ergebnis eines derartigen Kontinuums auffällig. BÜCHERL (1999, 161, 167) erklärt es mit der soziologischen Staffelung der Informanten. Sofern man nicht einen einseitig deterministischen Standpunkt einnehmen will, wogegen auch die kontinuierlichen Ergebnisse sprechen, müsste man also davon ausgehen, dass diese Sprecher in der Befragung ihre (soziologisch differenzierten) „Normallagen“ angegeben haben und ihnen jeweils auch andere Lagen im Gesamtkontinuum zur Verfügung stehen. Die Organisation dieses sehr ausdifferenzierten Kontinuums müsste über die Konnotationen der einzelnen Formen geregelt sein: Die aVerdumpfung in ‘Katze’ (bzw. die entsprechende Form des Worts) müsste stärker dialektal konnotiert sein als in ‘Nacht’ und in ‘Nacht’ stärker als in ‘sagen’ (vgl. BÜCHERL 1999, 161). Genau zu überprüfen wäre dabei allerdings, ob diese Organisation tatsächlich implikativ ist und die Ergebnisse nicht mehr oder weniger zufällige Ergebnisse freier Variation sind (die in dem Korpus jedenfalls auch vorkommt, vgl. ebd.: 163). Vergleichsweise unproblematischer als die Annahme eines Dialekt-StandardGesamtkontinuums ist die Annahme einer kontinuierlichen Annäherung des Standards an den Dialekt – und ggf. auch des Dialekts an den Standard – bis zu einem gewissen Punkt, einer Bruchstelle im Sinne der von SCHMIDT (2005a) hervorgehobenen System- oder Kompetenzgrenze. Für den niederdeutschen Raum wird dies häufig so dargestellt, oft in expliziter Abgrenzung von einem bruchlosen Kontinuum im hochdeutschen Raum (z. B. FISCHER 2006, 34). CORNELISSEN (2001a:371) nimmt jedoch auch für den ripuarischen Raum ein Modell mit Bruchstelle zwischen Dialekt- und Standardbereich an, AUER (2005, 20) auch für Bayern und (weitgehend) Österreich, während er im ostfränkischen, rheinfränkischen und moselfränkischen sowie im alemannischen Gebiet und im Großraum Wien ein Gesamtkontinuum zwischen Dialekt und Standard ansetzt (ebd., 24). Für das alemannische Waldshut-Tiengen stellt KEHREIN (2010, 259) dagegen bei den von ihm untersuchten Sprechern eine Varietätengrenze zwischen Dialekt und Regiolekt fest („hartes Umschalten“ in der Variantenwahl bei einer Reihe von Variablen), und wenn sich im Moselfränkischen nach LENZ (2003) ein Kontinuum

Das Modell des Dialekt-Standard-Kontinuums

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mit Verdichtungsbereichen erkennen lässt, so unterteilt sie dieses jedoch auf der Basis ihrer Ergebnisse in zwei klarer geschiedene Gruppen bzw. Varietäten, das Kontinuum also in zwei Teilkontinua. Auch BONNER (1986, 193) setzt – allerdings nur auf Introspektion und unsystematische Beobachtung gestützt – für das Saarland „eine Zweiteilung des umgangssprachlichen Kontinuums“ an, die insbesondere darauf zurückgeht, dass im dialektalen Teilkontinuum kein Standard intendiert ist, während das standardnahe Teilkontinuum aus Interferenzen im intendierten Standard entsteht (was – im Sinn von intendiertem, aber verfehltem Standard – allerdings heute sicherlich nicht mehr für alle Erscheinungen standardnaher regionaler Umgangssprache behauptet werden kann). Im Überblick zeigt sich also, dass die Zuordnung der Verhältnisse im gesamten hochdeutschen Gebiet zum Kontinuum-Modell offenbar doch nicht so eindeutig ist wie bisweilen dargestellt. Die meisten hier angesprochenen Probleme des Kontinuum-Modells beziehen sich allerdings in erster Linie auf das Konzept eines implikativen Kontinuums von Strukturen im Sinne von DECAMP. DURRELL (1998) hat dagegen offensichtlich eine andere Auffassung vom Modell des Dialekt-Standard-Kontinuums: Zwar beruft er sich auf DECAMP als „erste systematische Darstellung eines solchen sprachlichen Kontinuums“, betont aber gleichzeitig, dass empirische Arbeiten42 gezeigt hätten, dass es in diesem Bereich keine klaren Implikationshierarchien gibt. „Wie auf Jamaica wählt der Sprachteilhaber zwei individuelle Konstellationen von Variablen aus dem Kontinuum heraus, die für ihn als ‘Hochdeutsch’ und ‘Dialekt’ fungieren.“ (DURRELL 1998, 27). Etwas unklar ist hier (zumal angesichts des Vergleichs mit Jamaika bzw. den Ergebnissen von DECAMP, der ja gerade statt individueller Konstellationen eine über-individuelle Implikationshierarchie ins Zentrum stellt), ob der Akzent dabei darauf liegt, dass Implikationsbeziehungen nicht strikt sind, oder ob das Konzept der Implikationshierarchie grundsätzlich abgelehnt wird. Die Vorstellung von wirklich individuellen Konstellationen von Variablen ist jedenfalls nicht gut mit einem implikativen Kontinuum zu vereinbaren. Dieser Unterschied ist genauer zu betrachten; er hängt damit zusammen, mit welchem Wissen seitens der Sprecher die Existenz eines Kontinuums überhaupt erklärt wird. Entweder besagt das Kontinuum-Modell, dass eine fossilisierte und konventionalisierte/funktionalisierte Erwerbsreihenfolge so feste Vorstellungen bzw. Regeln von möglichen und unmöglichen Verbindungen hervorgebracht hat, dass Verstöße dagegen inakzeptabel oder zumindest deutlich markiert sind. Oder aber bei den Sprechern hat sich diese ursprüngliche Erwerbsreihenfolge (evtl. zusammen mit anderen Faktoren) nur in Form eines vagen Gefühls für einen ungefähren Dialektalitätsgrad der verfügbaren Varianten erhalten, woraus sich eine relative Abstufung ergibt, die aber individuell variieren kann und keine echte Einschränkung der Möglichkeit freier Variantenkombination mit sich bringt. Nicht selten wird der Begriff Kontinuum anscheinend aber auch einfach dafür verwendet, dass Variation mit allen Mischungsverhältnissen zwischen (fast) reinem Dialekt und (fast) reinem Standard vorkommt, wobei die „Mischung“ sich in der Regel auf die statistische Auswertung der Daten aus einer Sprachprobe eines 42 Wie die von BÜCHERL (1982; vgl. a. ders. 1999), DAVIES (1995) und BERGMANN (1974).

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Modelle des „Mittleren Bereichs“

Sprechers bezieht und ein Kontinuum sich im Vergleich verschiedener Sprachproben ergibt. Unter Bezugnahme auf das acts of identity-Konzept von LE PAGE/TABOURET-KELLER (1985) kann man dies eventuell im Sinne jeweils spezifischer „Positionierungen“ der Sprecher verstehen. Sofern dieser Ansatz nicht auf das Modell des Code-Switchings zwischen Dialekt und Standard reduziert werden soll, setzt eine nähere Analyse der Variantenwahl vor dem Hintergrund dieses Konzepts dann allerdings voraus, dass die verschiedenen (über Dialekt vs. Standard hinausgehenden) Dimensionen des „linguistic space“, auf die sich die Sprecher mit ihrer Positionierung beziehen, klar identifiziert werden können, was zumeist problematisch ist. Zu klären ist jedenfalls, ob der Begriff des Kontinuums sich noch auf konkrete sprachliche Elemente und Regeln bezieht, oder nur auf ein Variationsverhalten, das im Einzelnen nicht festgelegt ist, sondern nur im Anteil von (wechselnden) Bezugnahmen auf Pole des Variationsraums eine kontinuierliche Abstufung individueller Positionierungen erkennen lässt. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass derartige Befunde auch von empirisch-methodischen Problemen abhängen und insbesondere aus der vereinfachenden Annahme einer stabilen Sprachlagenwahl eines Sprechers in einer Kommunikationssituation resultieren können. Die kontinuierlich abgestuften Mischungsverhältnisse ergeben sich dann unter Umständen eher aus dem m. o. w. zufälligen Ausschnitt der analysierten Aufnahme als aus einer spezifischen Positionierung des Sprechers in der Kommunikationssituation (vgl. Kap. 2 u. 7).

1.4 VERDICHTUNGSBEREICHE Wenn in manchen Darstellungen zur regionalen Umgangssprache nicht klar zwischen dem Modell eines Kontinuums und dem einer Varietätenschichtung unterschieden wird bzw. beide Begriffe m. o. w. abwechselnd verwendet werden, mag dies teilweise darin begründet sein, dass Varietät hier synonym mit Sprachlage verstanden wird bzw. damit ein Punkt auf einer gleitenden Skala gemeint ist43 – oder einfach in mangelnder Auseinandersetzung mit diesen Konzepten (vgl. die Kritik von DURRELL 1998, 22). Die Ansicht DURRELLS: „Der Begriff des Kontinuums läßt sich mit der Vorstellung diskreter identifizierbarer Sprachstufen in keinerlei Weise verbinden.“ (ebd.) ist allerdings in dieser Rigidität nicht ganz einleuchtend, zu diskutieren wäre dann zumindest das Verhältnis von „identifizierbar“ und „diskret“. Eine plausible vermittelnde Position stellt jedenfalls das Konzept des „Kontinuums mit Verdichtungsbereichen“ dar. Während DECAMP innerhalb des Kontinuums eine Verdichtung der von den Sprechern verwendeten Sprachlagen an bestimmten Punkten – „dialect groupings within the continuum“ (DECAMP 1971, 358) – für möglich hält, nimmt BERRUTO (2004) für Varietäten umgekehrt an, dass sie in der Realität meistens eher „Ver43 Vgl. DECAMP (1971, 357): „n varieties of a speech continuum“ oder MATTHEIER (1990, 2): „Substandard bezeichnet [...] ein Kontinuum von Varietäten zwischen Dialekt und Standardsprache“.

Verdichtungsbereiche

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dichtungen in einem Kontinuum“ darstellen als strikt geschieden sind. Hiernach erscheint die Entscheidung zwischen beiden Modellen unter Umständen eher als eine Frage der Perspektive: Bei gleichen Gegebenheiten kann entweder der insgesamt kontinuierliche Charakters der Variationsmöglichkeiten in einem Repertoire betont werden oder aber das statistische Hervortreten bestimmter Punkte oder Teilstrecken des Kontinuums in den soziosituativ differenzierten Präferenzen derSprecher. Ein vermittelndes Modell, das beiden Aspekten gerecht wird, ist eben das eines „Kontinuums mit Verdichtungsbereichen“, das LENZ (2003) auf der Basis von Ergebnissen aus Wittlich für den westmitteldeutschen Substandard favorisiert. Ihre Definition von Verdichtungsbereich (SCHMIDT 2005a:70 verwendet synonym Sprechlage) unterscheidet sich dabei allerdings kaum von üblichen Varietätendefinitionen (vgl. BERRUTO 1987; zit. in 1.2), wenn nicht durch eine etwas vorsichtigere Formulierung: Als definitorisches Charakteristikum eines Verdichtungsbereichs wird ein gewisses Maß an interner Kohäsion bestimmt, die sich darauf gründet, dass bestimmte Sprecher innerhalb einer Gesprächssituation eine relative interindividuelle Homogenität in ihrem Sprachverhalten aufweisen, die sie von anderen Sprechern oder Sprechergruppen abgrenzt. Zur internen linguistischen Kohäsion tritt als Kennzeichen der Verdichtungsbereiche ihre Wahrnehmung durch die Sprecher und Hörer hinzu. (LENZ 2003, 388)

Deutlich wird hier aber, dass es vor allem um statistisch erfassbare Unterschiede geht, die von Sprechern und Hörern immerhin als Unterschiede wahrgenommen werden, aber anscheinend nicht als diskrete Wahlmöglichkeiten in ihrem Repertoire fungieren. Greifbar werden sie also in erster Linie durch das „Herauspräparieren typischer soziodemographisch-linguistischer Konstellationen“ (SCHMIDT 2005, 70) mit den etablierten Methoden der Variationslinguistik. Während LENZ aufgrund ihrer empirischen Untersuchungsergebnisse zu diesem Modell kommt, plädiert STEHL (1991) grundsätzlich (nicht nur für sein Untersuchungsgebiet in Apulien) für ein solches vermittelndes Modell. Ein „Schubladen-System von Varietäten“ lehnt er schon deswegen ab, weil es der Dynamik der kontaktbedingten Sprachvariation44 nicht angemessen sei (STEHL 1991, 389); demgegenüber betont er aber die Relevanz der klaren Abstufung von Varietäten als einer psycholinguistischen Realität. Hiernach entsprechen den statistischen Verdichtungspunkten im Bewusstsein der Sprecher klar separierte Prototypen, denen spezifische kommunikative Funktionen zugewiesen werden können. In dieser Perspektive müsse das „scheinbare Kontinuum zwischen Dialekt und Standard, das die Sprecher selbst auf der Basis der eigenen Prototypenklassifikation in diskrete Techniken unterteilen“, in Wirklichkeit als eine „Staffelung real interagierender, aber getrennt zu beschreibender funktioneller Sprachen“ gesehen werden (STEHL 1995, 643).

44 Dabei liegt der Akzent stärker als in der germanistischen Diskussion auf der Erscheinungen synchronen Dialekt-Standard-Kontakts (vgl. ebd.), was mit unterschiedlichen Phasen dieser Entwicklungen in den jeweiligen Untersuchungsgebieten zu tun haben kann, aber auch mit unterschiedlichen Betrachtungsweisen.

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Modelle des „mittleren Bereichs“

Nach den bisherigen Ergebnissen entsprechender Erhebungen ist im westmitteldeutschen Raum die Zuordnung von statistischen Verdichtungsbereichen zu „klar separierten Prototypen“ im Bewusstsein der Sprecher allerdings unsicher, wenn nicht unwahrscheinlich. Zumindest als bewusste/benennbare Kategorien existieren hier vor allem „Hochdeutsch“ und „Dialekt“ bzw. „Platt“, während (auch statistisch hervortretende) Sprachlagen dazwischen vorwiegend als „Mischmasch“ eingestuft werden, wenngleich bisweilen eine prototypische Vorstellung von einer (einzigen) Zwischenlage anzutreffen ist (vgl. 1.2). Wenn das Modell des Kontinuums mit Verdichtungsbereichen dagegen bei LENZ (2003) im Wesentlichen eine vorsichtigere Version des Varietätenmodells ist, mit Betonung des statistischen Aspekts und der Tatsache, dass eine klare Abgrenzung auf der Basis der Variationsdaten nicht möglich ist, so ist auch bei diesem Modell auf das Problem des empirischen Nachweises hinzuweisen: Es genügt für eine solche Gliederung noch nicht, wenn mit Hilfe statistischer Verfahren Unterschiede zwischen Sprechergruppen bzw. Situationen und eine gewissen Homogenität innerhalb derselben erkannt werden können. Jedenfalls dann, wenn das untersuchte Material schon im Hinblick auf eine kontrastive Bündelung soziosituativer Faktoren zusammengestellt ist (wie es der üblichen Praxis entspricht), liegt ein solches Ergebnis auch bei einem eigentlich stufenlosen Kontinuum nahe. Deutlicher für die Realität solcher Verdichtungsbereiche spricht es dagegen, wenn – wie LENZ (ebd.) für Wittlich tatsächlich zeigt – nicht nur pro Sprechergruppe und Situation jeweils eine spezifische statistische Konfiguration der Variation „herauspräpariert“ werden kann, sondern diese Konfiguration bei einer anderen Kombination von Sprechergruppe und Situation wiederkehrt. Strenger genommen bedeutet ein Kontinuum mit Verdichtungsbereichen allerdings nicht nur eine Abschwächung der Behauptung diskreter Varietäten, sondern gleichzeitig die Behauptung, dass zwischen den Verdichtungsbereichen ein Kontinuum von Möglichkeiten besteht. Damit steht man grundsätzlich vor derselben Frage wie bei dem Kontinuum-Modell im engeren Sinne, nämlich der, wie die System- bzw. Kompetenzgrenze zwischen Dialekt und Standard in einen gleitenden Übergang aufgelöst wird. Die Analyse von LENZ (ebd.) spricht hier eigentlich nicht für ein Kontinuum: Sowohl in den Sprachdaten als auch in den subjektiven bzw. metasprachlichen Daten stellt sie eine deutliche Grenze zwischen Dialektund Standard-Bereich fest, auch in qualitativer Hinsicht (Auftreten oder Fehlen bestimmter Merkmale) – dementsprechend misst sie diesen beiden Bereichen abschließend denn auch den Status distinkter Varietäten zu (ebd.: 254, 389–391). Es handelt sich bei dem Wittlicher Repertoire demnach eher um zwei voneinander geschiedenen Teilkontinua als um ein Gesamtkontinuum zwischen Dialekt und Standard45. 45 LENZ setzt zwischen Regionalakzent und interferenzfreiem Standard noch eine weitere Varietätengrenze an, wegen des Auftretens von hyperkorrektem /o/ für /ԙ/ in intendiertem reinem Standard (s. ebd., 392). Dieser interferenzfreie Standard kann dann aber nur noch als Extrempunkt aufgefasst werden, nicht mehr als Teilkontinuum (vgl. zu dieser Abgrenzung auch unten Kap. 7.1).

Variablenregeln

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1.5 VARIABLENREGELN Eine besonders starke Verbreitung in der Darstellung von Variation im „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standard haben schließlich die auf LABOV zurückgehenden Variablenregeln gefunden (s. LABOV 1969 u. ö.; vgl. die Arbeiten von MATTHEIER 1979; BÜCHERL 1982/1999; SCHLOBINSKI 1987 u. a.). Allerdings ist hier jeweils zu unterscheiden, ob tatsächlich das Variationsmodell dem LABOV’schen Modell entspricht oder nur die entsprechenden Analyse- und Darstellungsverfahren gewählt werden, weil sie sich für die statistisch-quantitative Erfassung von Variation besonders gut eignen46. Die – auch in der vorliegenden Untersuchung (Kap. 4–6) vorgenommene – paarweise Zuordnung von dialektalen bzw. standardsprachlichen Merkmalen zu Variablen47 kann dabei einfach ausdrücken, dass es sich um alternativ auftretende Merkmale handelt, die sich historisch auf eine gemeinsame Vorform beziehen lassen, kann also dieselbe Funktion erfüllen wie die Zuordnung zu Elementen eines historischen Bezugssystems. (MATTHEIER 1979 verbindet diese beiden Ansätze explizit, was allerdings nicht mehr in den Rahmen des eigentlichen Variablenregelmodells passt, s. u.). Darüber hinaus können z. B. auch – nicht kognate – lexikalische Übersetzungsäquivalente als Varianten einer Variablen bezeichnet werden. Natürlich setzt dies normalerweise voraus, dass eine, wie auch immer organisierte, alternative Verwendbarkeit dieser Varianten für die Sprecher besteht. Das Variablenregel-Konzept impliziert jedoch eigentlich weitergehende Voraussetzungen, die nicht in jedem Fall von Variation gegeben sind und gerade bei Dialekt-Standard-Variation häufig nicht. So schließt sich das Konzept der Variablenregel an das generative Regelkonzept an (wobei allerdings immer wieder auf grundsätzliche Widersprüche zur generativen Theorie hingewiesen worden ist, vgl. DURRELL 2004, 198–199), das heißt, dass die alternativen Varianten auf gleiche zugrundeliegende Formen zurückgeführt werden48, auf die unter den gegebenen Bedingungen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit die Regel angewendet bzw. mit der komplementären Wahrscheinlichkeit nicht angewendet wird, sodass die eine oder die andere Variante als Oberflächenform generiert wird. Es wird also hier klar vorausgesetzt, dass es sich um Variation innerhalb eines einzigen Systems handelt. „Nach dieser Auffassung sind nicht-standardsprachliche Varianten eigentlich Optionen, die innerhalb der Standardsprache zur Verfügung stehen“ (MARTIN 1996, 131). Bei entsprechender Abstufung der Wahrscheinlichkeiten kann sich hieraus ein Kontinuum ergeben – theoretisch aber auch ein blockweise gegliedertes Repertoire, d. h. distinkte Varietäten. Allerdings sieht das Modell keinen direkten Zusammenhang zwischen den Realisierungen ver-

46 BICKERTON (1973, 30) kritisiert die Variablenregel-Darstellung als „sophisticated-looking but merely tabular statement of the statistical values found in a particular set of data“. 47 Vgl. dazu Kap. 3.2.2. 48 Vgl. LABOV (2004, 13): „One of the major tasks in the study of variation is the identification of underlying forms.“ – „Thus the central task of linguistics is to eliminate variation by discovering the exact conditions that produce one variant or the other on the surface.“ (ebd., 6).

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Modelle des „mittleren Bereichs“

schiedener Variablen vor, also keine Kohäsion von Merkmalen einer gleichen Varietät oder festliegende Implikationsverhältnisse in einem innersprachlich strukturierten Kontinuum. Bei Variablenregeln ist höchstens mit Kovariation zu rechnen, also damit, dass Varianten unter bestimmten soziosituativen Bedingungen zusammen verwendet werden, weil sie in gleicher Weise von diesen außersprachlichen Faktoren abhängen – nicht jedoch, weil aus der Verwendung der einen Variante unmittelbar eine Präferenz für die Verwendung der anderen folgte. Diese Sicht ist besonders dann problematisch, wenn (wie im Fall von Dialekt und Standard) mindestens eine zweite Varietät im Spiel ist, für die eine eigene Norm existiert. So betrachtet das „klassische Modell von Labov [...] jeden ‘Dialekt’ gezwungenermaßen als ein bloßes Aggregat von nicht-standard-sprachlichen Merkmalen, die zufällig zusammen auftreten, weil sie durch die gleichen sozialen und stilistischen Faktoren ausgelöst werden“ (MARTIN 1996, 132; vgl. a. SCHEUTZ 1999, 124). Für das (eigentliche) Variablenregelmodell stellt die Tatsache, dass ein Dialekt-Standard-Repertoire zwei nicht auseinander ableitbare Systeme umfasst, insofern ein noch größeres Problem dar als für das Kontinuum-Modell. Anders stellt sich die Situation auch hier dar, wenn der Basisdialekt von den Sprechern ganz aufgegeben wird und der verbleibende Umgang mit regionalen Formen eventuell tatsächlich als unabhängige (?) Variation von Variablen innerhalb des Standards beschrieben werden kann. MATTHEIER (1979) setzt in seinen Regelformulierungen dagegen eine gemeinsame historische Vorform als Ausgangsform an und distanziert sich von einer generativen Lesart (ebd., 245). Wenn allerdings diese Variationsregeln und die zugrundeliegenden Ausgangsformen nicht mehr in der Kompetenz der Sprecher verortet werden, ist nicht ganz klar, was ihr Status ist, sofern mehr als eine Form der Datenpräsentation damit gemeint ist. Das gilt besonders für die Darstellung von BÜCHERL (1982; 1999), der sich explizit auf LABOVS Theorie bezieht: Wenn es hier um „Regeln, die den Unterschied zwischen Dialekt und Hochsprache steuern“ (ders. 1982, 14) geht und der Übergang von dialektalen zu standardsprachlichen Formen als „Regelabbau“ beschrieben wird, muss ja eine Regel wie „nhd. /e:/ aus mhd. ê /ei/ [...]“ (ebd.) als synchron wirksam gedacht sein. Das verbietet sich aber schon durch die Bezugnahme auf das Mittelhochdeutsche. Hinter derartigen Regel-Formulierungen steht vermutlich die Tatsache, dass es systematische lautliche Korrespondenzen zwischen Dialekt- und StandardWörtern gibt, die auch den Sprechern präsent sind (im Sinne von AUERS „Tendenzen“, vgl. 1.1), die sich mit eindeutigen synchronen Regeln aber eben nicht erfassen lassen (mit der Vorstellung vernetzter Strukturen im mentalen Lexikon dagegen besser vereinbar sind). Gerade die von BÜCHERL gezeigte Lexemabhängigkeit der Ersetzungsprozesse spricht jedoch auch dagegen, die Entwicklung als „Regelabbau“ zu beschreiben. Mit dem Abrücken von einer deterministischen Vorstellung von sprachlicher Variation in jüngerer Zeit (vgl. MACHA 1991, 6–15, GUMPERZ 1994, 617–621) wird das Konzept der Variablenregeln noch problematischer; eine Wahrscheinlichkeit der Regel-Anwendung kann schwerlich noch ermittelt werden, wenn diese nicht nur von innersprachlichen Faktoren (bei phonologischen Variablen vor

Variablenregeln

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allem vom Lautkontext) und von soziologischen und situativen Faktoren abhängt, sondern auch von lokalen kommunikativen Absichten der Sprecher. Im letzteren Fall ist es jedenfalls nicht sinnvoll, die Gebräuchlichkeit einer Variante in einem gegebenen linguistischen Kontext bei einem bestimmten Sprechertyp gleichzusetzen mit dem Anteil dieser Variante an der Summe der Realisierungen der entsprechenden Variablen im Text des Sprechers. Dieser Einwand betrifft nun allerdings auch Variablenanalysen, die sich nicht eng auf das Konzept der Variablenregeln beziehen. Dabei handelt es sich dann aber eher um ein Problem des empirischen Zugriffs (vgl. dazu 2.1). Als Modell für die Struktur des Bereichs zwischen Dialekt und Standard erscheint das eigentliche Konzept der Variablenregeln jedoch schon aufgrund der oben genannten Gründe weniger angemessen. Die Eignung des Analyseverfahrens (und allgemein die großen Fortschritte in der Dialektologie durch die Rezeption LABOVS) stehen dazu nicht im Gegensatz. Wenn man sich aber von der generativen Lesart entfernt (wie die meisten Dialektologen, vgl. MATTHEIER 1979, SCHLOBINSKI 1987, DURRELL 1998), folgt aus dem – dann rein analytischen – Konzept der Variablenregeln keine spezifische Aussage über die Organisation der sprachlichen Möglichkeiten im „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standard mehr, abgesehen von der Grundannahme, dass sowohl innersprachliche als auch außersprachliche Faktoren bei der Variantenwahl (bzw. ggf. Varietätenwahl) eine Rolle spielen. Hinsichtlich einer darüber hinausgehenden Kohäsion von Varianten und deren Ausprägung ist ein solches Konzept einfach offen.

2. EMPIRISCHE ZUGÄNGE ZUR REGIONALEN UMGANGSSPRACHE – PROBLEME UND ERGEBNISSE 2.1 VARIABLENANALYTISCHE UND KONVERSATIONSANALYTISCHE ANSÄTZE 2.1.1 Der klassische variationslinguistische Ansatz Das Interesse der Dialektologie an Formen des „mittleren Bereichs“ war lange Zeit schon deshalb gering, weil zunächst vor allem das dokumentarische Interesse an den Basisdialekten im Vordergrund stand und „Vermischung“ von Dialekt und Standard negativ bewertet wurde. Vereinzelte Angaben zu Zwischenformen kommen zwar schon in der erste Hälfte des 20. Jahrhunderts vor (z. B. HAAG 1901; SCHIRMUNSKI 1930), beruhen zunächst jedoch nur auf Introspektion oder unsystematischen Beobachtungen der Verfasser oder Angaben einzelner Gewährsleute49. Durch das Zusammenfallen von Beobachtung und Reflexion/Erklärung besteht bei dieser Zugangsweise allerdings ein erhebliches Risiko, dass auch die Beschreibung eines variablen Bereichs im Zeichen des traditionellen Homogenitätspostulats geschieht und beobachtete Variation von vornherein systematisierend verschiedenen Varietäten oder „Stufen“ der Annäherung an die Gemeinsprache zugeschrieben wird. HAAG (1901) behält in der Beschreibung des sprachlichen Verhaltens des „naiven Sprechers“, „der mitten in der lokalen mundart lebt und nur ausnahmsweise von der natürlichen sprachstufe zu den darüber aufgebauten künstlichen sich erhebt“ (ebd., 257), eigentlich das dialektologische Konzepts des kompetenten Gewährsmanns bei. Echte sprachproben hierfür zu gewinnen, ist aber unmöglich; daher habe ich auf grund meiner beherrschung der gewählten ortsmundart und der damit in berührung tretenden verkehrssprache die texte selbst hergestellt, indem ich mich in die rolle des vorauszusetzenden naturkindes hineinstellte. Gedacht ist ein mässig geschulter, mit der verkehrssprache leidlich vertrauter landbewohner, der über denselben gegenstand sich äussert, erstens seinen gemeindegenossen gegenüber in zwangloser unterhaltung, zweitens einem fremden, womöglich höhergestellten gegenüber, oder an fremdem ort, drittens in einer öffentlichen versammlung, frei oder abgelesen. (ebd., 257 f.)

49 Auch bei jüngeren diatopisch orientierten Erhebungen zur Alltagssprache (etwa E ICHHOFF 1977ff., FRIEBERTSHÄUSER/DINGELDEIN 1988, CORNELISSEN 2002, AdA) wird noch – aus praktischer Notwendigkeit – mit direkter oder indirekter Befragung operiert, also das Wissen der Sprecher über ihren eigenen oder den „ortsüblichen“ Gebrauch zugrundegelegt. Zur Einschätzung der Ergebnisse dieses Verfahrens (und dessen Rechfertigung) angesichts der Variabilität der Alltagssprache vgl. ELSPASS/MÖLLER (2006, 147).

Variablenanalytische und konversationsanalytische Ansätze

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Während diese Differenzierung einschlägiger Typen von Gesprächssituationen nach wie vor aktuell ist, würde man der Datenerhebung durch „Hineinversetzen“ heute wohl mit starkem Misstrauen begegnen. Klar ist jedenfalls, dass eine sprachliche Abstufung von Varietäten mit dieser Methode nicht nachgewiesen werden kann. Seit der soziolinguistischen Wende in der Dialektologie sind dann für zahlreiche Ortspunkte empirische Untersuchungen zur sprachlichen Variation nach dem Labov’schen Konzept der Variablenanalyse entstanden50, bei denen die im Text eines Sprechers auftretenden Dialekt- und Standardmerkmale jeweils als Ausprägungen von Dialekt/Standard-Variablen analysiert werden, deren Realisierung im Gesamttext des Sprechers quantitativ zu erfassen ist. Im Sinne des VariablenregelKonzepts ergibt sich also für jede Variable eine Wahrscheinlichkeit, mit der die Regel angewandt wird bzw. die Nonstandard-Variante auftritt. Gemäß der Grundannahme, dass die Variation (außer von innersprachlichen) von soziologischen und situativen Faktoren abhängt, wird dabei versucht, einheitliche Sprachlagen zu erfassen, indem diese Faktoren in der Erhebung möglichst gut kontrolliert werden, sodass Korrelationen zwischen der (quantitativ erfassten) sprachlichen Variation und der kontrollierten Variation der außersprachlichen Bedingungen ermittelt werden können. GILLES (2003) bezeichnet diesen Ansatz daher als „korrelativglobal“. Die Abstufung der Gebrauchswahrscheinlichkeit bestimmter Varianten in verschiedenen Sprachlagen wird dabei vor allem ermittelt, indem man gleiche Sprecher in verschiedenen klar definierten Situationen aufnimmt. Beispielhaft ist dieses Konzept vor allem im Erp-Projekt durchgeführt worden (vgl. KLEIN 1981a): Die gleichen Sprecher wurden gezielt kontrastierend in einer informellen Situation (Gespräch mit einem Freund/Bekannten) und in einer formelleren Situation (leitfadengesteuertes Interview mit einem unbekannten Wissenschaftler) aufgenommen. Das Verfahren gezielter Elizitierung verschiedener Sprachlagen durch Kontrastierung von Freundesgespräch und Interview als informeller und formeller(er) Gesprächssituation wird ebenfalls in den neueren Erhebungen von STEINER (1994)51 und LENZ (2003) verwendet und auch in jüngster Zeit in den Großprojekten Deutsch heute, Sprachvariation in Norddeutschland und regionalsprache.de (s. Einl. Anm. 1), dabei ist man sich allerdings heute klar der Tatsache bewusst, dass die Sprachlage nicht allein durch die soziologischen und situativen Faktoren bestimmt wird (vgl. ELMENTALER 2006, 6–7). Diese variablenanalytischen Arbeiten haben zunächst einmal bestätigt, dass intermediäre Sprachlagen zwischen Dialekt und Standard existieren, die sich durch eine partielle Beibehaltung dialektaler Merkmale auszeichnen. Genauer: Es hat sich gezeigt, dass verschiedene dialektale Merkmale in Situationen unterschiedlichen Formalitätsgrads durch verschiedene Sprecher in unterschiedlichem 50 U. a.: MATTHEIER (1979), BRINKMANN TO BROXTEN (1985), JAKOB (1985), SCHLOBINSKI (1987), SCHOLTEN (1988), JÜNGER-GEIER (1989), LAUSBERG (1993), STEINER (1994), LENZ (2003). 51 Hier wird die Informalität dadurch erhöht, dass die Sprecher in diesem Moment nicht darüber informiert sind, dass sie aufgenommen werden.

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Empirische Zugänge zur regionalen Umgangssprache – Probleme und Ergebnisse

Umfang durch die entsprechenden standardsprachlichen Varianten ersetzt werden (bzw. umgekehrt). Darüber hinaus wurde auch sichtbar, dass diese Abstufungen überindividuelle Gemeinsamkeiten aufweisen, sodass für eine Sprechergemeinschaft eine übergeordnete „Abbauhierarchie“52 aufgestellt werden kann (wenngleich nicht ohne Abweichungen im Detail, vgl. z. B. die einzelnen Sprecherprofile bei LAUSBERG 1993, 180–199). Dies ist natürlich ein wesentlicher Punkt: Um aus den ermittelten Varianten-Anteilen auf eine übergeordnete Struktur schließen zu können, muss gezeigt werden können, dass es sich nicht um jeweils zufällige Verteilungen handelt, die sich bei einem bestimmten Sprecher in der individuellen Situation ergeben haben, sondern um die einem bestimmten Sprecher- und Situationstyp eigentümlichen. Um die Angemessenheit eines VarietätenschichtungsModells nachzuweisen, müsste darüber hinaus erkennbar werden, dass es insgesamt nur eine begrenzte – der Anzahl angesetzter intermediärer Varietäten entsprechende – Zahl von solchen Variantenkonstellationen gibt, die überhaupt von den Sprechern (in Abhängigkeit von soziosituativen Bedingungen) verwendet werden können. Eine Modellierung als Kontinuum wäre dagegen dann bestätigt, wenn gezeigt werden könnte, dass es (tendenziell) bei n Variablen n–1 oder – bei weiterer quantitativer Abstufung – noch erheblich mehr mögliche Konstellationen zwischen reinem Dialekt und reinem Standard gibt, die in einen Implikationsverband gebracht werden können. Eine variablenanalytisch-statistische Untersuchung, die empirisch das Schichtungsmodell stützt, indem sie für drei Varietäten (Mundart, Regionalsprache und Regionalstandard) spezifische Variantenkonstellationen unterscheidet, ist die von JAKOB (1985; vgl. a. ders. 1987) zu „Dialekt und Regionalsprache im Raum Heilbronn“. Die Existenz einer intermediären Varietät „Regionalsprache“ wird dabei freilich von vornherein vorausgesetzt, aufgrund der Ansicht, dass eine soziologisch abgrenzbare Sprechergruppe mit einem ihr entsprechenden Kommunikationsverhalten auch eine bestimmte Varietät verwendet: Regionalsprache entsteht aus Kommunikationsbedürfnissen von regionaler Reichweite bei einer prinzipiell seßhaften Bevölkerung. [...] Wichtiges Merkmal dieser Sprecher ist eine Art Landschaftsloyalität. [...] Diese Landschaftsloyalität äußert sich sprachlich genau darin, daß der Sprecher beim Sprachwechsel von der Mundart weg auf ‚regionalem Niveau‘ stehen bleibt und nicht zu überregionalen Ausdrucksmitteln gelangt. Dies würde sowohl seinen Bedürfnissen als auch der eben angesprochenen Loyalität widersprechen. (JAKOB 1987, 84)

Erst im zweiten Schritt werden dann die konkreten sprachlichen Merkmale dieser bewusst außersprachlich definierten Varietät (s. ders. 1985, 40) untersucht. Damit ist die Frage nach der Existenz distinkter Varietäten eigentlich schon aus dem Bereich des empirischen Zugriffs herausgerückt. Gleichwohl geht es in der Untersuchung der erhobenen Sprachdaten insbesondere darum, den drei vorausgesetzten Varietäten spezifische Merkmalskombinationen zuzuweisen. Analysiert wird 52 „Abbau“ bezieht sich dabei zunächst einmal auf die Verringerung des Anteils dialektaler Varianten in dem Schritt von informellerer zu formellerer Sprachlage, darüber hinaus jedoch auch auf eine diachrone Entwicklung (Dialektabbau), die zu der Formalitäts-Abstufung in Parallele gesehen wird.

Variablenanalytische und konversationsanalytische Ansätze

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dabei vor allem Sprachmaterial aus nichtformell geführten Interviews mit Sprechern, die vorab als „typische Regionalsprache-Sprecher“ charakterisiert werden (ebd., 200 f.) bzw. nach den Vorstellungen von den Eigenschaften dieses Sprechertyps ausgewählt wurden. Das Auffällige im Zusammenhang mit dem DreiVarietäten-Modell ist hier nun, dass die Ergebnisse in der „Regionalsprache“ für die verschiedenen Variablen eigentlich eine recht kontinuierliche Reihe zwischen 0 % und 100 % Dialektanteil bilden (vgl. JAKOB 1987, 85, 88). Dies konstatiert JAKOB (1985, 268) selbst: „Das Ansteigen der dialektalen Anteile ist kontinuierlich. [...] Eine etwaige Klassenbildung der Merkmale ist anhand dieser Reihung nicht durchzuführen.“ Darüber hinaus ist die Variationsbreite bei den einzelnen Variablen beträchtlich (vgl. ebd.). Eine Klassifizierung der Merkmale im Bezug auf die angesetzten drei Varietäten wird aber dennoch vorgenommen, mit Hilfe von Grenzwerten: Merkmale mit einem Anteil ab 90 % werden als obligatorisch, Merkmale mit einem Anteil von nicht über 10 % als „obligatorisch aufgegeben“ eingestuft. Hieraus ergibt sich dann eine Gruppierung der Merkmale, die der Differenzierung von drei Varietäten entspricht: Mundart

Regionalsprache

Standardsprache

Primäre* Merkmale fakultativ ausgeschlossen ausgeschlossen Sekundäre Merkmale obligatorisch fakultativ ausgeschlossen Tertiäre Merkmale obligatorisch obligatorisch fakultativ *Diese Termini gehen auf die Unterscheidung von „primären“ und „sekundären“ Dialektmerkmalen durch SCHIRMUNSKI zurück (vgl. dazu Kap. 8.2) Tab. 2: Varietätenschichtung und entsprechende Merkmale im Raum Heilbronn nach JAKOB (1985, 41)

Die Abgrenzung der „Regionalsprache“ von Mundart und Standardsprache ergibt sich also aus der Abstufung von obligatorischen, fakultativen und ausgeschlossenen Dialektmerkmalen. Die Feststellung allerdings, dass die primären Merkmale „beweisen, daß die Regionalsprache als eigenständige Varietät über den Mundarten steht und nicht in vielfältigen Übergangserscheinungen als ‚Halbmundart‘ o. ä. an sie anschließt bzw. aus ihnen hervorgeht“ (JAKOB 1985, 282–283), steht zum einen im Widerspruch mit der kontinuierlichen Reihe der Werte. Zum anderen ergibt sich auch theoretisch keine klare Abgrenzung: Wenn alle jeweils fakultativen Dialekt-Merkmale in der Mundart nicht realisiert und in der Regionalsprache realisiert werden, kommt es zur Deckung zwischen beiden Varietäten. Dasselbe gilt für die Abgrenzung von Regionalsprache und Standard. Insofern wird das Modell den analysierten Daten besser gerecht als der postulierten Eigenständigkeit der Regionalsprache; es umfasst die Möglichkeit einer kontinuierlichen Abstufung von Variantenanteilen zwischen Dialekt und Standard. Darüber hinaus umfasst es im Prinzip aber auch die Möglichkeit eines genauer geregelten Kontinuums von Sprachlagen.

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Empirische Zugänge zur regionalen Umgangssprache – Probleme und Ergebnisse

Die Interpretation, dass es drei Varietäten gibt, die sich dadurch unterscheiden, dass der Sprecher in der einen Varietät die Wahl hat, eine dialektale Variante zu verwenden oder nicht, in der anderen Varietät aber keine Wahl, ist durch die Daten nicht gedeckt, sondern nur durch die Festlegung dieser drei Varietäten im Vorhinein. Untersucht wird dann die mittlere davon, wobei sich herausstellt, dass einige dialektale Merkmale selten vorkommen, andere häufig, und die übrigen (= die Hälfte der untersuchten 24 Merkmale) im Anteil irgendwo dazwischenliegen, mit einer großen individuellen Streubreite. Aus dieser nach JAKOBS eigenen Worten „willkürlich anmutende[n] Dreiteilung“ (JAKOB 1985, 280) der Werte53 zu schließen, dass „Regionalsprache [...] auf der Abstufungsskala zwischen Mundart und Standard eine deutlich ausgrenzbare Sprachvarietät mit eigenen Normen“ darstellt und „kein Endlos-Kontinuum zwischen Mundart und Standard“ (JAKOB 1985, 290), ist relativ fragwürdig, auch wenn die Dreiteilung durch eine linguistische Interpretation (ders. 1987, 89) gestützt wird54. Eine „rigorose Abgrenzung zu den Mundarten und der Standardsprache“ (ders. 1985, 290) folgt aus der empirischen Analyse hier jedenfalls nicht. Ähnlich kontinuierliche Reihen von individuellen und mittleren Dialektanteilen bei verschiedenen Merkmalen ergeben sich aus den Daten des Erp-Projekts. Nach MATTHEIER (1979; 1987) handelt es sich hier dementsprechend um ein Kontinuum von Sprachlagen (wobei die Frage der Implikativität solcher Sprachlagen nicht näher geprüft wird). LAUSBERG (1993) differenziert dagegen zwischen drei verschiedenen Sprechertypen, die sich in diesem Material erkennen lassen, und kommt dabei auch zu einer entsprechenden Gruppierung der sprachlichen Merkmale (s. u. 2.3). Die Untersuchung von LENZ (2003) stellt explizit eine empirisch fundierte Modellierung der Struktur des Substandards im westmitteldeutschen Raum ins Zentrum. Der wichtigste Unterschied zu dem Ansatz von JAKOB (1985) besteht darin, dass hier nicht exemplarisch die Sprache einer soziologisch einheitlichen Sprechergruppe in einer „typisch regionalsprachlichen“ Situation analysiert wird, sondern die Sprache verschiedener Sprechertypen erhoben wird und dabei – ähnlich wie im Erp-Projekt – zwei Situationstypen mit unterschiedlichem Formalitätsgrad (Gespräch unter Freunden und leitfadengesteuertes Interview) kontrastiert werden, ergänzt um Übersetzungen in den intendierten Standard und in den intendierten Ortsdialekt. Damit ist es anders als bei JAKOBS Verfahren möglich, eine soziosituativ begründete interne Differenzierung des Spektrums verfügbarer Sprachlagen empirisch dingfest zu machen. Allerdings ist die bewusste Kontra-

53 Dabei werden einzelne Sprecher mit zu stark abweichenden Werten aus der Rechnung ausgeschlossen (s. JAKOB 1985, 280). 54 Dieses Vorgehen unterscheidet sich dann nicht von der Argumentation in Anlehnung an SCHIRMUNSKI (1930), deren „angeblichen Zirkelschluß“ JAKOB „durchbrechen“ will (ders. 1987, 82): Wenn die Klassifikation sich auf Merkmalseigenschaften stützt, sind Schlussfolgerungen hinsichtlich der Bedeutung solcher Eigenschaften für die Klassenzugehörigkeit (also Feststellungen wie die, dass gerade bestimmte Typen von Dialektmerkmalen in der Regionalsprache beibehalten oder aufgegeben werden) nicht mehr möglich.

Variablenanalytische und konversationsanalytische Ansätze

55

stierung der Situationen55 sowie die tendenziell prototypische Bündelung der Faktoren Alter, Beruf und Mobilität bei der Auswahl der Sprecher (vgl. LENZ 2003, 46–54) für dieses Vorhaben grundsätzlich auch nicht ganz unproblematisch: Dadurch wird von vornherein eine Polarisierung vorgenommen, die auch in einem kontinuierlich organisierten Repertoire das Bild einer klar differenzierten Struktur erzeugen kann, weil ja die vermittelnden Bereiche ausgenommen werden. Zunächst einmal ergeben die einzelnen Werte aber auch hier keine klare Stufung: Bei den Aufnahmen aus den verschiedenen Situationen treten Sprünge in den Reihen der mittleren Dialektanteile pro Variable an verschiedenen Stellen auf, und auch die Abbauhierarchie als solche ist nicht in allen Erhebungseinheiten dieselbe. Die Unterscheidung von fünf Verdichtungsbereichen (und entsprechend von fünf Variablengruppen) ergibt sich also auch hier nicht auf Anhieb problemlos aus den Gesamtdaten. Diese Gliederung wird erst im Rahmen einer Clusteranalyse deutlicher, die nicht mehr mit Mittelwerten aus sehr heterogenen Einzelwerten operiert, sondern die Einzelwerte der Sprecher pro Erhebungssituation zugrundelegt, um Gruppen aus Sprechern mit ähnlichem Verhalten zu bilden. Hier zeigen sich bei den (clusterweise gemittelten) Ergebnissen für den Variantengebrauch verschiedener Sprechergruppen (Cluster) in den beiden verschiedenen Erhebungssituationen dann interessante überindividuelle Übereinstimmungen: Die Abstufung ist in beiden Situationen sehr ähnlich, obwohl die Sprecher jeweils nicht dieselben sind (da im Interview alle jeweils um eine oder mehrere Stufen standardnäher sprechen). Damit wird deutlich, dass es sich bei den ermittelten Verdichtungsbereichen um typische Konstellationen im örtlichen Variationsraum handelt, nicht nur um eine statistische Beschreibung des in bestimmten Situationen erhobenen Gebrauchs bestimmter Sprechergruppen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Clusteranalysen grundsätzlich Gruppierungen erzeugen und dass die anschließende Bildung von Mittelwerten für den Variantengebrauch individuelle Abweichungen innerhalb der Cluster einebnet. Dass tatsächlich der Gebrauch der individuellen Sprecher diesem Muster folgt, geht aus den Daten nicht so klar hervor. Dementsprechend kommt LENZ zu dem vorsichtigeren Endergebnis, dass in Wittlich ein Kontinuum zwischen Dialekt und Standard vorliegt, in dem unterhalb des „reinen“ Standards fünf Verdichtungsbereiche identifiziert werden können. Der Begriff von Kontinuum ist hierbei jedoch weit gefasst, denn LENZ stellt gleichzeitig eine klare Varietätengrenze zwischen dialektalem und nichtdialektalem Substandard fest56 (s. ebd., 392). Dies beruht nicht auf der statistischen Auswertung der Sprachdaten. In der Clusteranalyse ergibt sich zwar ein vergleichsweise stärkerer Unterschied zwischen einer Gruppe von Aufnahmen, die viele dialektale Merkmale aufweist, und einer, in der diese Merkmale fehlen (nicht nur 55 Für das „Freundesgespräch“ sollten die Personen diejenigen Gesprächspartner wählen, mit denen sie ihrer Meinung nach „am wenigsten Hochdeutsch“ sprechen (s. LENZ 2003, 61). 56 Insgesamt unterscheidet sie unterhalb des interferenzfreien Standards „zweieinhalb“ Varietäten (im nichtdialektalen Substandard gibt es noch eine – nur schwach ausgebildete – Grenze zwischen Regionalen Substandard und Regionalakzent, daher „halb“, s. ebd.:393–394).

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auf der Ebene der tokens, sondern bezogen auf die types). Eine klare Abgrenzung bzw. Zweiteilung in distinkte Varietäten auf diesem Weg ist angesichts der dazwischenliegenden Daten gleichwohl schwierig (zumal hier wieder die Auswahl der Sprecher und Erhebungssituationen zum Tragen kommt). Für die Ermittlung von Varietätengrenzen wird dagegen (entsprechend dem Kompetenzgrenzen-Konzept von SCHMIDT/HERRGEN57) ein anderer Ansatz gewählt, nämlich die Frage nach Hyperkorrekturen im intendierten Standard und im intendierten Ortsdialekt. Gestützt werden die an Hyperkorrekturen festgemachten Varietätengrenzen weiter durch die ebenfalls erhobenen subjektiven metasprachlichen Daten, die eine deutliche Unterscheidung zwischen Dialekt bzw. „Platt“ und regionalem Standard sowie eine schwächer ausgeprägte Unterscheidung zwischen regionalem Substandard („Umgangssprache“) und Regionalakzent („möglichst gutes Hochdeutsch“) ergeben (s. LENZ 2003, 392–394). Die umfassende, methodisch vielseitige Untersuchung führt hier also zu einem doppelgesichtigen Ergebnis: Während die Vorstellungen der Sprecher und die Hinweise auf Kompetenzgrenzen die Existenz von zwei(„einhalb“) klar geschiedenen Varietäten nahelegen, zeigt die statistische Auswertung der Sprachdaten fünf Verdichtungsbereiche in Form von Konstellationen soziosituativ präferierter Varianten-Kombinationen, wobei die Grenzen trotz eher polarisierender Auswahl der Sprecher und Situationen relativ diffus sind und erheblichen individuellen Spielraum lassen, sodass hier eben nur Verdichtungsbereiche in eine Kontinuum anzusetzen sind (der Befund eines Kontinuums meint dann die Abwesenheit bzw. statistische Nicht-Feststellbarkeit klarer Varietätengrenzen, eine Kontinuität wird nicht speziell geprüft). Den Versuch, mit Hilfe von Implikationsanalysen wirklich ein SubstandardKontinuum im engeren Sinne nachzuweisen, unternimmt dagegen SALEWSKI (1998) für Aufnahmen von Sprechern aus dem Ruhrgebiet. Die von ihr aufgestellten Skalen, die allerdings nach drei Ortspunkten differenziert sind und damit nur jeweils vier Sprecher umfassen, ergeben tatsächlich zumeist eine implikative Abstufung, die auch den Anforderungen hinsichtlich des Reproduzierbarkeits- und des Skalabilitätskoeffizienten gerecht werden. SALEWSKI selbst äußert sich allerdings kritisch zu Problemen des Verfahrens (ebd., 109–119), und in den meisten Skalen ist ein Großteil der Variablen (aufgrund der Reduktion auf „1 vs. 0“) gar nicht in die Abstufung einbezogen, sondern der Anteil der Nonstandard-Varianten liegt bei allen Sprechern gleichermaßen oberhalb oder unterhalb des Schwellenwerts. Da das Repertoire der Sprecher hier keinen Basisdialekt umfasst, ist es aber vor allem gar nicht mit Situationen vergleichbar, in denen ein Kontinuum einen kontinuierlichen Übergangs zwischen zwei unabhängigen Systemen bedeuten müsste. Auf andere Weise stützt die bereits erwähnte Arbeit von BÜCHERL (1982) das Modell eines Kontinuums empirisch ab. Seine Ergebnisse geben natürlich auch in methodischer Hinsicht sehr zu denken: Wenn die Verteilung dialektaler und nichtdialektaler Varianten tatsächlich im Wesentlichen lexemspezifisch ist, ist 57 S. SCHMIDT/HERRGEN (2011) bzw. SCHMIDT (2005a), vgl. o. 1.2.2.

Variablenanalytische und konversationsanalytische Ansätze

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eine variablenanalytische Zusammenfassung phonologischer Merkmale in verschiedenen Lexemen nicht sinnvoll. Das Untersuchungskonzept von BÜCHERL kann jedoch auf „natürliches“ Sprachmaterial nicht angewandt werden, weil es wesentlich von der Vergleichbarkeit des lexikalischen Materials abhängt, mit der bei ungelenkten Aufnahmen nur bei einigen hochfrequenten Lexemen gerechnet werden kann (daher lässt BÜCHERL Sätze in die Alltagssprache übersetzen). Und selbst bei hochfrequenten Lexemen wäre noch zu berücksichtigen, dass die Variantenwahl jeweils unterschiedlich von Sprachlagenschwankungen im Verlauf des Gesprächs betroffen sein kann.

2.1.2 Situationskonzept und innersituativer Sprachlagenwechsel Sprachlagenschwankungen sind wohl auch ein wesentlicher Grund dafür, dass statistisch-variablenanalytische Auswertungen der Einheit „Text eines Sprechers in einer bestimmten Situation“ im Bereich zwischen Dialekt und Standard zumeist zu etwas unklaren Ergebnissen führen, denen im Bewusstsein der Sprecher jedoch (oft) eine „erstaunlich klare sprachlich-kognitive Stufung“ (SCHMIDT 2005a, 67) entgegenzustehen scheint. MATTHEIER (1987) erklärt das „Verhältnis zwischen vom Linguisten beobachtbarer Kontiuität des variablen Sprachgebrauchs und der Vorstellung von diskreten Varietäten, die die Sprecher selbst haben“ für Daten des Erp-Projekts (s. 2.3) noch ausschließlich mit unbeabsichtigten Abweichungen der Sprecher von der intendierten Varietät: Wenn der Sprecher in einer bestimmten Sprechsituation eine dieser adäquate Zielnorm seines Sprachwissens zu realisieren sucht, dann gelingt ihm das immer nur zum Teil. [...] Wir haben also zu unterscheiden zwischen der vom Sprecher intendierten Zielnorm, die immer kategorische Regeln enthält, und der vom Sprecher wirklich realisierten Sprache, die wegen der Interferenzen variable Regelbeschreibungen enthält. (MATTHEIER 1987, 554) Der variable Sprachgebrauch, den die Wissenschaftler erfassen, indem sie Variablenregeln, Implikationsskalen oder Varietätengrammatiken verwenden, ist auf die unvollkommene, unter dem Einfluß intermittierender Varietäten erfolgte Realisierung einer sprachlichen Zielnorm zurückzuführen. (ebd., 556)

Da zumindest in neuerer Zeit vielfach unbestreitbar ist, dass Sprecher, die variabel zwischen Standard und Nonstandard (Substandard) wechseln, über eine gute Standard-Kompetenz verfügen, kann dies jedoch nicht – oder jedenfalls nicht mehr – die einzige Erklärung sein. So hat das Problem auch damit zu tun, dass der klassische variablenanalytische Ansatz davon ausgeht, dass – entsprechend der angenommenen Stabilität außersprachlicher Faktoren – das Sprachverhalten der Sprecher innerhalb einer Gesprächssituation stabil ist. Dass jedoch der gesamte Text eines Sprechers in einer bestimmten Situation eigentlich schwerlich als homogene Realisierung einer einzigen Sprachlage aufgefasst und analysiert werden kann und problematische Daten vorprogrammiert sind, wenn dies getan wird, haben – besonders im Anschluss an GUMPERZ – neuere pragmatisch orientierte Arbeiten in der deutschen

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Dialektologie deutlich gemacht, z. B. AUER (1986) und insbesondere MACHA (1991). Nach den Ergebnissen von MACHA zum Varietätengebrauch dialektkompetenter rheinischer Handwerksmeister ist das Typische in deren Verhalten gerade die interaktional zielgerichtete „Flexibilität“ im Umgang mit dialektalen und standardsprachlichen Varianten. Diese führt dazu, dass „Wechsel und Mischung, Alternanz und Interferenz von Varietäten [...] konstitutive Merkmale [sind], die sich im authentischen, natürlichen Sprechen der Gewährspersonen manifestieren“ (MACHA 1991, 218). Auch die gesprächsanalytisch-ethnographisch ausgerichteten Untersuchungen zur Mannheimer Alltagssprache in dem Projekt „Kommunikation in der Stadt“58 haben gezeigt, in welchem Umfang die Sprecher ihre Variationsmöglichkeiten innerhalb von Gesprächen funktional nutzen. Wenn also in „Freundesgesprächen“ o. ä. möglichst natürliche Alltagssprache erhoben wird, ist schon von daher eher unwahrscheinlich, dass es sich durchgehend um eine einzige Sprachlage handelt. Über den lokal funktionalen Einsatz von Wechsel bzw. Variation hinaus kann Wechsel/Variation aber auch als solche(r) global eine Funktion erfüllen, etwa eine identifikatorische Bedeutung haben, oder einfach bei bestimmten Sprechergruppen in bestimmten Situationen üblich sein. Dies ist für Code-Mixing in verschiedenen Sprachkontaktsituationen gezeigt worden (vgl. Kap. 1.1.3 und 7). So stellt auch MACHA (1991, 210) im Sprachverhalten der rheinischen Handwerksmeister fest, dass das „Hin- und Herpendeln zwischen verschiedenen Sprachvarietäten innerhalb gleichbleibender Situationen anscheinend eine Grundkonstante des kommunikativen Verhaltens bilingualer Personen darstellt“ und deutet dies so, dass „im Falle klar austarierter sozialer und kommunikativer Beziehungen es den Sprechern gefällt, im linguistischen Sinne ‚unrein‘ [...] zu agieren“. Hier könnte man natürlich die Position vertreten, dass in einem solchen Fall die Einstufung dieses „Hin- und Herpendelns“ als spezifische „Sprachlage“ oder sogar Varietät angemessen ist. Bei MACHAS Ergebnissen – und denen vieler anderer Untersuchungen, die ein Nebeneinander von funktionalem und nichtfunktionalem Code-Switching feststellen (vgl. Kap. 7) – wäre dann allerdings die Frage zu stellen, wie der lokal bedeutungsvolle Wechsel einzuordnen ist, der gleichzeitig auch beobachtet wird. Und sofern auch nichtfunktionales Code-Mixing von der Sprechergemeinschaft noch als „gemischt sprechen“ (vgl. HINNENKAMP 2000) aufgefasst wird und vor allem wirklich durch „Wechsel und Mischung“ charakterisiert ist, ohne dass eine Stabilisierung von bestimmten Variantenkombinationen identifizierbar wäre, wäre ein solches Konzept von Varietät ein deutlich anderes als das hier zugrundegelegte (vgl. Kap. 1.2); dies müsste zumindest erkennbar bleiben. Sofern sich das Interesse hinsichtlich der Organisation eines Repertoires in Varietäten, Verdichtungsbereichen (Sprechlagen) oder Sprachlagen in einem Kontinuum etc. darauf richtet, die Zuordnung spezifischer sprachlicher Mittel zu solchen Subsystemen zu prüfen, stellt schon nichtfunktionale intrasituative Variation ein Problem für die Analyse dar. Aber selbst wenn in diesem Fall ein typisches Gesamt-Mischungsverhältnis als Verdichtungsbereich oder „Sprechlage“ 58 S. KALLMEYER (Hg.) (1994, 1995), KEIM (1995), SCHWITALLA (1995).

Variablenanalytische und konversationsanalytische Ansätze

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aufgefasst wird, bliebe die funktionale Variation ein Faktor, dessen zufällige Ausprägungen innerhalb einer realistischen Text- bzw. Aufnahmelänge oft nicht zu einem Ausgleich bzw. repräsentativen Mittelwert gelangen dürften; die letztendlich ermittelte „Sprechlage“ hinge damit vom Zufall der Entwicklung der Interaktion ab und wäre in einer anderen Aufnahme des Sprechers – bei gleichen situativen Bedingungen – anders. Angesichts von MACHAS Feststellung, dass „ein buntes Neben- und Durcheinander heterogener Varietätenanteile“ auch in „rollen- und situationsmäßig völlig homogenen Redeteilen“ nicht nur vorkommt, sondern „frequentiell sehr bedeutsam“ ist (MACHA 1991, 210), erscheint es also noch sehr vorsichtig formuliert, wenn GILLES (2003, 210) zur intrasituativen Variation meint, es könne „nicht ausgeschlossen werden, dass dadurch eine variablenbezogene statistische Variationsanalyse beeinträchtigt wird“. Die Überlegung liegt sehr nahe, dass die mangelnde Trennschärfe in den Ergebnissen von Variablenanalysen zur Alltagssprache sogar häufig damit zu tun haben könnte, dass vorhandene Strukturen durch die „global-statistische“ Auswertung des gesamten Textes eingeebnet werden (vgl. a. GILLES 2003, 201, KALLMEYER/KEIM 1994, 146, THELANDER 1979, 22–24)59. Trotz solcher Erkenntnisse folgen jedoch auch Untersuchungen zum „mittleren Bereich“ aus jüngerer und jüngster Zeit noch dem situativen Paradigma. Der Grund hierfür ist evident: Andernfalls müsste man (zu) viele Unbekannte in die Rechnung einbeziehen. Einerseits ist die Struktur des Repertoires (als Schichtung verschiedener Varietäten und wenn ja, wievieler? als Kontinuum? als freie Variation ohne innere Struktur?) nicht bekannt, sondern soll erst herausgefunden werden, wobei zu ermitteln ist, welche Merkmale ggf. spezifische Sprachlagen konstituieren – andererseits wäre gleichzeitig noch ständig mit Lagenwechsel/Lagenveränderungen in einem so oder so strukturierten Repertoire zu rechnen. Setzt man jedoch umgekehrt bei der Beobachtung kleinschrittigen Wechsels an, also mit Verfahren, die GILLES (2003) unter der Bezeichnung „konversationell-lokal“ den „korrelativ-globalen“ Verfahren gegenüberstellt, ergibt sich das Problem der empirischen Erfassung ebenso, nur von der anderen Seite. Die umfassende Untersuchung zum Code-Switching zwischen Dialekt und Standard im niederländischen Ottersum von GIESBERS (1989)60 geht von vornherein davon aus, 59 WEYDT/SCHLIEBEN-LANGE (1981, 124, vgl. a STEHL 1995, 643) halten sogar für möglich, dass aus Gründen der besseren Darstellbarkeit der vorgefundenen sprachlichen Formen ein Repertoire als Kontinuum modelliert wird, obwohl es im Gebrauch und im Bewusstsein der Sprechergemeinschaft klar in distinkte Varietäten gegliedert ist. Das Problem der empirischen Erfassung wird hier allerdings auch in der Formulierung der Gegenposition sehr deutlich: WEYDT/SCHLIEBEN-LANGE „vermuten“ vier isolierbare Sprachformen in München, „vermuten“ weiter, dass jede davon „jeweils bestimmte sprachliche Merkmale aufweist, und daß die vier Sprachformen von den Sprechern deutlich unterschieden werden, daß diese klare Intuitionen darüber haben, in welcher Situation, zu welchem Thema, welche Sprachform die angemessene ist“ und „vermuten“ schließlich auch, „daß Verstöße gegen diese Zuordnungen erkannt und entsprechend sanktioniert werden.“ (WEYDT/SCHLIEBEN-LANGE 1981, 140). 60 GIESBERS tellt dabei allerdings vor allem grammatische Aspekte ins Zentrum, weniger konversationelle, aber von der Perspektive her gehört diese umfassende und detaillierte Arbeit auch zu dem „lokal“ orientierten Ansatz.

60

Empirische Zugänge zur regionalen Umgangssprache – Probleme und Ergebnisse

dass es sich um zwei deutlich geschiedene Varietäten handelt, zwischen denen nur Code-Switching vorkommen kann. Die Argumente hierfür sind aber lediglich, dass die Unterschiede zwischen dem Ortsdialekt und dem Standard für eine deutliche Unterscheidung zwischen beidem ausreichen, und dass ferner sowohl eine gewisse Tradition der Dialektliteratur und -pflege als auch die Abkehr vom Dialekt in der Erziehung von Kindern darauf hinweisen, dass die Sprecher sich einer Koexistenz verschiedener Systeme bewusst sind (s. ebd., 66). All diese Beobachtungen treffen jedoch ebenso auf Orte im ripuarischen Raum (wie z. B. Erp) zu, wo jedoch nicht nur andere Analyseansätze gewählt und andere Modelle zugrundegelegt wurden, sondern auch Erscheinungen beobachtet worden sind, die allein mit Code-Switching nicht erklärt werden könnten. Auch GIESBERS findet eine Reihe von „Zwischenformen“ und stellt fest, dass diese mehr in Dialekt-StandardSituationen vorzukommen scheinen als im Kontakt zwischen verschiedenen Sprachen (s. ebd., 180), geht dem aber nicht weiter nach. Die Arbeiten von MACHA (1991), AUER (1986), SCHLOBINSKI (1988), KALLMEYER/KEIM (1994), KEIM (1995) und BAUSCH (1994) untersuchen funktionales Code-Switching zwischen Dialekt und Standard bzw. im Zwischenbereich im Detail, ausgewertet wird hier nicht statistisch-zusammenfassend, sondern lokal: Veränderungen in der Realisierung einzelner Variablen werden in den einzelnen Beispielen auf ihre Funktion hin befragt. Der Signalwert einer Variantenwahl als „Änderung“ ergibt sich jedoch erst daraus, dass sie sich vom vorausgehenden Text abhebt. Da nun praktisch keine Variable so dicht belegt ist, dass tatsächlich ihre Realisierung für sich betrachtet derartige Untersuchungen ermöglicht, werden auch hier einzelne Varianten als Indikatoren für Sprachlagen/Varietäten bzw. Wechsel genommen, darunter nicht nur „Dialekt“ und „Standard“, sondern auch „Umgangssprache“ oder „Substandard“61. Wenn diese Zuordnungen den Ausgangspunkt der Interpretation darstellen, wird jedoch schon Kohäsion zwischen bestimmten Varianten und damit eine bestimmte Strukturierung des Repertoires vorausgesetzt, die eigentlich noch nachzuweisen wäre. AUER (1986) und das Projekt „Kommunikation in der Stadt“ (s. die Arbeiten von KALLMEYER/KEIM 1994, BAUSCH 1994, KEIM 1995) unternehmen allerdings einen Schritt in dieser Richtung und stellen ihren Analysen einige punktuelle Beobachtungen zu Implikationsbeziehungen zwischen Varianten bzw. Kookkurrenzrestriktionen voran, mit denen eine übergeordnete Organisation fassbar werden kann. 61 Vgl. MACHA (1991, 211): „Die Sprechweise von A demonstriert die synchrone Verträglichkeit sprachlich heterogener Elemente in der Rede. Das Hin und Her zwischen den Varietäten entspringt offenbar der bilingualen Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Realisationsformen im Bewußtsein des Sprechers und ereignet sich, ohne als lapsus linguae oder als Produkt einer halbfertigen Kompetenz gelten zu können. Vielmehr wird ganz zwanglos von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht, die in einer ‘friedlichen Koexistenz’ von dialektalen, substandardlichen und standardsprachlichen Eigenarten stecken“. Hier wird also von einem in drei Varietäten gegliederten Repertoire ausgegangen, es wäre theoretisch allerdings nicht ausgeschlossen, dass zwischen den (mittels Interview und Übersetzung erhobenen) Polen ‘standardnaher Substandard’ und ‘Ortsdialekt’ noch weitere Zwischenlagen mit spezifischen Variantenkombinationen existieren.

Kookkurrenzregularitäten

61

2.2 KOOKKURRENZREGULARITÄTEN 2.2.1 Kookkurrenzregularitäten als Zugang zur Struktur des „mittleren Bereichs“ Wenn in Untersuchungen zu funktionaler Variation einzelne Varianten stellvertretend für eine Varietät oder Sprachlage genommen werden, geht man von einer Annahme aus, die in der global-statistischen Analyse nicht berücksichtigt wird: dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Realisierungen von verschiedenen Variablen gibt. Bei der Variablenanalyse ganzer Texte ist im Sinne des Variablenregel-Modells nur ein indirekter Zusammenhang vorgesehen, d. h. Kovariation, Zusammen-Auftreten infolge gleicher Abhängigkeit von außersprachlichen Faktoren. Nimmt man dagegen an, dass die Realisierung einer Variablen auch unmittelbar von der vorausgegangenen Realisierung anderer Variablen abhängt und dass gleichzeitig im Verlauf eines Gesprächs mit Änderungen der Sprachlage bis hin zum Wechsel der Varietät (Code-Switching) gerechnet werden muss, wird deutlich, dass das Zusammen-Auftreten von zwei Varianten in zwei aufeinanderfolgenden Wörtern oder gar im selben Wort eigentlich nicht – wie in der global-statistischen Analyse – genauso gewertet werden kann wie das Auftreten von zwei Varianten im Text eines Sprechers irgendwo im selben Gespräch (z. B. die eine am Anfang und die andere eine halbe Stunde später). In dieser Perspektive ist die Untersuchungseinheit „Text eines Sprechers in einer Situation“ einfach zu groß. Eine mögliche Lösung ist also, kleinere Untersuchungseinheiten zu bilden und so die kleinräumige Kookkurrenz von Varianten zu prüfen. LABOV (1971, 462) unterscheidet Kookkurrenz und Kovariation dahingehend, dass ersteres den „kategorischen“ Zusammenhang zwischen den Elementen der verschiedenen Sprachen bei Mehrsprachigkeit charakterisiert, letzteres dagegen einen schwächeren Zusammenhang, bei dem auch varietätenübergreifende Kombinationen nicht ausgeschlossen sind. THELANDER (1987, 1011) weist jedoch darauf hin, dass nach den Ergebnissen der Mehrsprachigkeitsforschung eine „kategorische“ Kookkurrenz auch in Äußerungen von Bilingualen nicht vorausgesetzt werden kann. Er verwendet Kookkurrenz daher allgemein für „sequential attraction between units of the same system“ und Kovariation für „correlation without respect to the syntagmatic interval“. Im Folgenden soll Kookkurrenz in diesem Sinne, also für das lokale Zusammen-Auftreten infolge sprachlichen „Zusammenhalts“ verwendet werden (vgl. a. AUER 1997, 83). Während der korrelativ-globale Ansatz die Zusammenhänge zwischen linguistischer Variation und soziosituativen Daten in den Vordergrund stellt (woraus sich eine „Sprachlage“ als Summe von einzelnen Variantenwahlen ergibt) und der konversationell-lokale Ansatz eigentlich schon voraussetzt, dass Varianten ihr Kontextualisierungspotential aus ihrer Zugehörigkeit zu einer Varietät beziehen, richtet sich die Frage nach Kookkurrenzmöglichkeiten bzw. -restriktionen zunächst einmal auf die innersprachliche Strukturierung des jeweiligen regionalen

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Empirische Zugänge zur regionalen Umgangssprache – Probleme und Ergebnisse

Variationsspielraums bzw. Repertoires. Auf die Tatsache, dass die sprachlichen Merkmale einer gleichen Varietät untereinander einen Zusammenhang, „ein gewisses Ausmaß an Koimplikation“ (BERRUTO 1987, 26462) aufweisen müssten, ist verschiedentlich hingewiesen worden, allerdings meistens, ohne dass dieser Gedanke konsequent weiterverfolgt worden wäre. Nach neuerer Sicht der Mehrsprachigkeitsforschung sind die Sprachen eines Sprechers (und insbesondere eng verwandte Varietäten) zwar durchaus nicht strikt separat vorzustellen, aber es existiert doch eine Kohäsion zwischen Elementen derselben Sprache/Varietät, zumindest, solange diese Sprache/Varietät auch noch in „Reinform“ verwendet wird. Wenn aus dem Kontakt eine echte Mischvarietät entsteht (oder mehrere), müsste sich zwar bezogen auf die Ausgangssituation von zwei verschiedenen Varietäten eine Lockerung dieser Bindungen zeigen, gleichzeitig müssten aber neue Kohäsionstendenzen sichtbar werden, die die neue Varietät ausmachen. Um die Organisation eines Repertoires zu erhellen, wäre also zunächst zu untersuchen, ob überhaupt Kookkurrenzrestriktionen wirksam sind oder ob alle Varianten frei kombiniert werden können, und zwar nicht nur im selben Text, sondern auch in unmittelbarer Nähe zueinander. In diesem Fall hätte man es tatsächlich mit unabhängiger Variation einzelner Merkmale zu tun, so wie sie nach dem Konzept der Variablenregeln möglich sein müsste (auch wenn das quantitative Gesamtbild dieser Variation danach nicht beliebig, sondern durch soziologische und situative Faktoren bestimmt ist). Wenn es dagegen für bestimmte Variablenkombinationen Restriktionen gibt, wäre weiter zu unterscheiden, ob es sich um zweiseitige oder einseitige Restriktionen handelt. Eine zweiseitige Kookkurrenzrestriktion liegt dann vor, wenn bei der Kombination von zwei Variablen mit je zwei möglichen Realisierungen von den theoretisch möglichen vier Variantenkombinationen nur zwei auftreten können – bei Variation zwischen Dialekt und Standard also Dialektvariante mit Dialektvariante einerseits, Standardvariante mit Standardvariante andererseits. Wenn bei allen möglichen Variablenkombinationen derartige zweiseitige Kookkurrenzrestriktionen gelten, besagt das, dass klar zwischen zwei Varietäten unterschieden werden kann, in diesem Fall zwischen Dialekt und Standard – ohne Zwischenform, abgesehen natürlich von der Möglichkeit des Code-Switchings. Eine einseitige Kookkurrenzrestriktion bedeutet demgegenüber, dass bei der Kombination von zwei Variablen mit je zwei möglichen Realisierungen drei der vier Variantenkombinationen möglich sind und nur eine ausgeschlossen; bei Variation zwischen Dialekt und Standard wäre dann also zusätzlich zu der rein dialektalen und der rein standardsprachlichen Kombination auch eine Kombination „Dialektvariante plus Standardvariante“ möglich, jedoch – im Gegensatz zu freier Variation – nur eine der beiden möglichen heterogenen Kombinationen. Das Auftreten von einseitigen Kookkurrenzrestriktionen bedeutet also, dass es einen strukturierten Zwischenbereich gibt. Wenn es sich dabei um eine oder mehrere distinkte Zwischenvarietät(en) handelt, müssten sich Gruppen von Variablen herauskristallisieren, deren Kombination mit Variablen aus anderen Gruppen 62 In BERRUTO (2004, 190) ist die Stelle im Prinzip identisch, aber sprachlich unvollständig.

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Kookkurrenzregularitäten

durch einseitige Kookkurrenzrestriktionen geregelt ist (s. Abb. 1, A). Zwischen diesen Variablen dürften dagegen keine heterogenen Kombinationen möglich sein. Damit wären solche Varietäten durch spezifische, aus Dialekt- und Standardmerkmalen kombinierte Merkmals-Sets charakterisiert. Aber auch eine Organisation des Bereichs zwischen Standard und Dialekt als Kontinuum von Zwischenlagen müssten sich in Kookkurrenzrestriktionen zeigen lassen, die nur dann nicht blockweise, sondern in Form einer differenziert gestuften Hierarchie auftreten müssten (s. Abb. 1, B) (vgl. MARTIN 1996; 137–138, AUER 1997; SCHEUTZ 1999).

1

0,8

0,8

0,7

0,7

0,6

0,6

0,5

0,5

0,4

0,4

0,3

0,3

0,2

0,2

0,1

Dialekt 0

0,1

(A) Distinkte Varietäten

St-Variante D-Variante Var6

Var5

Variablen

Var4

ST-Variante D-Variante Var6

Var5

Var4

Var3

Var2

Var1

0

Variablen

Var3

Dialekt

1

0,9

Var2

Reg. Ugs.

Standard

0,9

Var1

Standard

(B) Kontinuum

Abb. 1: Kookkurrenz von Merkmalen bei zwei Modellen regionaler Umgangssprache

Die Darstellung B erinnert zwar an die Implikationsskalenanalyse (vgl. 1.3), dahinter steht ja auch dieselbe Vorstellung eines Kontinuums aus Sprachlagen, die zueinander im Verhältnis von Implikation stehen. Der Unterschied zu dem Modell von DECAMP liegt jedoch in der Annahme, dass die Sprecher sich in diesem vorgegebenen Rahmen von Möglichkeiten auch intrasituativ „flexibel“ bewegen können, dass also solche implikativen Bindungen nur kleinräumig gelten (vgl. a. AUER 1997, 82). Schon die m. o. w. konstruierten Zwischenformen zwischen Dialekt und Standard in verschiedenen Darstellungen von Varietäten-Schichtungen (vgl. 1.2 und die dort angegebenen Schichtungsmodelle) gehen meistens in die Richtung einer solchen Auflistung der möglichen Varianten-Kombinationen. Dass dabei mögliche Zwischenstufen fehlen oder willkürlich angesetzt sind, ist immer wieder

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Empirische Zugänge zur regionalen Umgangssprache – Probleme und Ergebnisse

kritisiert bzw. auch von den Autoren selbst angemerkt worden63. Mehr Anspruch auf vollständige Erfassung der Möglichkeiten erheben die „dialektalen Stufenleitern“ von AMMON (1973) (auf der Ebene des Einzelworts). Dass es Kombinationsbeschränkungen gibt, wird jedoch auch hier nur beschränkt thematisiert bzw. zum Sonderfall erklärt: „Dialektale Stufenleitern sind [...] auf der Dimension Dialekt-Einheitssprache unabhängig voneinander variabel“. Nur selten sei mit „Einheiten, die nur in gegenseitiger Abhängigkeit entlang der Achse DialektEinheitssprache variabel sind“, zu rechnen (ebd., 64) – womit hier vor allem Fälle mit historisch unmittelbarem Zusammenhang zwischen den Varianten gemeint sind (Beispiel: der Nasalausfall und die damit zusammenhängende Ersatzdehnung des Vokals in [ga:s]- Gans im Schwäbischen treten nur zusammen auf). Wenn derartige Zusammenhänge synchrone Regeln betreffen, liegen die Einschränkungen im Sinne von bleeding und feeding natürlich auf der Hand (vgl. a. AUER 1997, 82–83). Bei rein historischen Zusammenhängen ist die Frage der Kombinierbarkeit dagegen synchron durchaus zu stellen64. AMMON denkt hier jedoch überhaupt nur an zweiseitige Kookkurrenzrestriktionen, einseitige werden gar nicht in Betracht gezogen: „Zwei Einheiten sind dann unabhängig voneinander variabel und damit Bestandteil verschiedener dialektaler Stufenleitern, wenn eine von ihnen konstant gehalten und die andere dabei in der Dimension Dialekt-Einheitssprache variiert werden kann.“ (ebd.). Zweck der „dialektalen Stufenleitern“ ist jedoch auch nicht die Ermittlung der möglichen Zwischenstufen als solcher, sondern die Errechnung eines Dialektalitätswerts für eine Sprachprobe. AMMON (2003, 167) führt ebenfalls eine konstruierte „Stufenleiter“ vor, wobei es sich um einen Satz (‘Das habe ich gemacht’) handelt und Alternativen vorkommen (Des hab ich gmacht neben Des hab i gemacht); dass andere Kombinationen inakzeptabel seien, wird nur am Rande erwähnt. Speziell auf die Relevanz von Kookkurrenzrestriktionen haben dagegen SCHEUTZ (1985a,b, 1999) und AUER (1986; 1997) hingewiesen. AUER beschreibt mögliche Strukturierungen eines Repertoires explizit damit: The more a given repertoire is characterized by bi-directional restrictions of co-occurrence, the more it is dichotomized. On the other hand, the more of these bi-directional restrictions [...] are loosened and turned into uni-directional ones, the more the repertoire will be open for intermediate forms. (AUER 1997, 95)

So stützt sich AUER (1986) auch auf Kookkurrenzrestriktionen, um Bewegungen im Sprachlagenspektrum bzw. Code-Shifting im Verlauf eines Gesprächs zunächst einmal als solche nachzuweisen, bevor er die Funktion dieses Shiftings 63 Vgl. z. B. SCHEUTZ (1999, 107), BONNER (1986, 211). 64 Bei dem von AMMON angeführten Beispiel des Nasalausfalls ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Kombination Langvokal + n hier auch synchron zu einer zumindest im Standard markierten – wenngleich möglichen – Silbenstruktur (Langvokal plus 2 Konsonanten im Endrand) führen würde. Die historische Abhängigkeit der Vokallänge von dem Nasalausfall bedeutet dagegen noch nicht zwingend, dass bei einer Annäherung an den Standard nicht auch in einer Form mit n der Langvokal beibehalten werden könnte.

Kookkurrenzregularitäten

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untersucht. (Damit ist gleichzeitig das Konzept der Charakterisierung von Sprachlagen durch spezifische Mischungsverhältnisse der Realisierungsmöglichkeiten einer Variablen klar aufgegeben.) Auch SCHEUTZ (1999, 124) schlägt vor, die Frage der Kontinuierlichkeit von Variation über die Untersuchung von Kookkurrenzbeziehungen anzugehen. In seiner eigenen Untersuchung der Dialekt-Standard-Variation in Ulrichsberg/Oberösterreich (SCHEUTZ 1985a,b, 1999) stellt er innerhalb von Wortformen die Geltung erheblicher Einschränkungen der Kombinationsmöglichkeiten fest und folgert daraus, dass wortphonologisch tatsächlich von ‚koexistierenden‘ Systemen – eben (zumindest) dem dialektalen und einem standard- bzw. ‚umgangssprachlichen‘ System – auszugehen ist [...] Die vielzitierte ‚Kontinuität‘ zwischen Dialekt und Hochsprache erweist sich damit als Fiktion: Die Streubreite der Realisierungen einzelner Formen in längeren Gesprächspassagen ergibt zwar bei einer quantitativen Analyse zumeist das Bild kontinuierlicher Übergänge, die qualitative Analyse konkreter Einzelformen führt uns jedoch zu einem anderen Ergebnis. (SCHEUTZ 1985a, 256)

Allerdings beruhen die Angaben zu den Kookkurrenzrestriktionen hier allein auf Introspektion (SCHEUTZ) und (bei AUER) zusätzlich auf den Angaben von drei weiteren, z. T. linguistisch ausgebildeten Informanten. Dass die so erhobenen Regularitäten widersprüchlich sein können, bestätigt AUER (1986, 107, Anm. 13, 1997, 76) selbst. Er führt dies in erster Linie darauf zurück, dass verschiedene Sprecher ihr Repertoire verschieden stark in getrennte Varietäten unterteilen. „In other words, intuitions about co-occurrence restrictions may be a linguistic variable in their own right.“ (AUER 1997 ebd.). Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass das Problem hier auch bei der expliziten Erfragung der Intuitionen liegt bzw. darin, dass derartige Akzeptabilitätsurteile grundsätzlich zu „hyper-normative statements“ (ebd.) bzw. zur Übertreibung v.a. zweiseitiger Kookkurrenzrestriktionen im Sinne einer klaren Aufteilung des Repertoires zwischen den fokussierten Varietäten Dialekt und Standard neigen (vgl. a. 6.3). Hinzu kommt die Schwierigkeit, zwischen prinzipieller Akzeptabilität und eigenem Gebrauch zu unterscheiden. In jedem Fall ist damit zu rechnen, dass die Angaben von Sprechern eine unsichere Basis für die Modellierung der Struktur eines Variationsraums sind. KALLMEYER/KEIM (1994, 152–154), KEIM (1995, 265–67) und BAUSCH (1994, 435–436) beschäftigen sich kurz mit Kookkurrenzregularitäten in der Mannheimer Alltagssprache, ohne dieser Frage jedoch systematisch weiter nachzugehen. Sie stellen fest, dass innerhalb von Wortformen komplexe Implikationsverhältnisse zwischen den phonologischen Varianten gelten und geben eine Reihe von Beispielen dafür. Etwas unklar bleibt allerdings die Grundlage dieser Feststellungen; beides scheint auf einen methodischen Kompromiss zurückzugehen und sich einerseits auf das untersuchte Material zu stützen, andererseits auf Intuitionen der Autoren. So rekrutieren sich die aufgeführten Beispiele anscheinend aus dem Korpus, aber ob die Gleichsetzung von „nicht belegt“ mit „nicht möglich“ (vgl. KEIM ebd., 266) auf einer systematischen Überprüfung der Variantenkombinationen im Korpus basiert oder auf einer punktuellen Bestätigung vorhandener Intuitionen durch das Vorhandensein einiger Belege und das (evtl. auch zufällige?)

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Empirische Zugänge zur regionalen Umgangssprache – Probleme und Ergebnisse

Fehlen anderer, wird nicht deutlich. BAUSCH (1994, 435) geht allerdings offenkundig von einzelnen vorkommenden Belegen aus. Im Prinzip könnte man hier argumentieren, dass eine Kookkurrenzrestriktion im engen Sinne tatsächlich nicht vorliegen kann, wenn ein Gegenbeispiel belegt ist. Das bedeutet allerdings zum einen, dass man die Möglichkeit von Versprechern ausschließt, und dass man eigentlich nicht in der Lage ist, „auffällige“ Formen, die „je nach Verwendungskontext erklärungsbedürftig bzw. Teil eines speziellen Markierungsverfahrens“ sind (KALLMEYER/KEIM 1994, 153), als solche zu identifizieren. Zum anderen wäre es relativ riskant, eine einmal belegte Form als „möglich“ und eine keinmal belegte als „unmöglich“ einzustufen – hier werden die Belege also offenbar eher zur Verdeutlichung von Intuitionen herangezogen. Auch die Feststellung von KEIM (1995, 267), dass Implikationsbeziehungen oberhalb der Wortebene, innerhalb von Sätzen und Äußerungseinheiten, nicht existieren, wird nur mit zwei Gegenbeispielen belegt und ist offenbar eine Impression. Da in Sätzen und Äußerungseinheiten die Möglichkeit von Code-Switching zu berücksichtigen ist, reichen einige Gegenbeispiele zur Absicherung dieser These jedenfalls nicht aus (vgl. a. AUER 1997, 81). Es stellt sich freilich die Frage, ob umgekehrt eine Ermittlung von Kookkurrenzregeln aus der Außensicht, mit statistischen Mitteln, überhaupt möglich ist. In „global-statistischer“ Analyse ist jedenfalls nicht zu unterscheiden, ob Varianten aufgrund eines sprachinternen Zusammenhalts (Kookkurrenz) oder durch das Wirken gleicher außersprachlicher Faktoren (Kovariation) in derselben Situation auftreten. Ein Ansatzpunkt zur statistischen Unterscheidung zwischen kookkurrierenden und nur kovariierenden Varianten ist jedoch die Untersuchung kleiner und kleinster Einheiten (vgl. a. AUER 1997, 83): Wenn das Zusammen-Vorkommen von Varianten in enger Nähe zueinander, insbesondere im selben Wort, ein anderes (zu vermuten: schärferes) Bild zeigt als die global-statistische Auswertung eines ganzen Texts, weist dies auf Kookkurrenz im Sinne von „sequential attraction between units of the same system“ hin, und nicht auf Kovariation, „correlation without respect to the syntagmatic interval“ (THELANDER 1987, 1011). Zwar ist auch auf kleinem Raum natürlich die Möglichkeit von Sprachlagenwechsel gegeben, aber wenn überhaupt eine Kohäsion vorhanden ist, müsste die Wahrscheinlichkeit, dass eine untersuchte Einheit hinsichtlich der Sprachlage nicht homogen ist, geringer werden, je kleiner die Einheit ist.

2.2.2 Bisherige Untersuchungen zu Kookkurrenzregularitäten Schon THELANDER (1979) nimmt eine Unterteilung einer großen Datenmenge65 in kleinere Einheiten vor, um dem schon dargelegten Problem der „globalstatistischen“ Auswertung zu begegnen: Wenn ein Repertoire eigentlich klar zwi-

65 Ein Korpus aus Burträsk in Nordschweden mit Aufnahmen von 56 Sprechern in jeweils 2–3 verschiedenen Situationen.

Kookkurrenzregularitäten

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schen mehreren in sich kohärenten Varietäten aufgeteilt ist, zwischen diesen aber intrasituativ gewechselt wird, nivelliert sich die Trennung zwischen den Varietäten in einer situationsbezogenen Gesamt-Auswertung zu einem diffusen Bild von Variation verschiedener Variablen. THELANDER verwendet das Verfahren sukzessive kleinschrittiger werdender Einteilung des Materials (Sprechertext – halber Sprechertext – Äußerung – Satz) allerdings nur dafür, die Existenz verschiedener Varietäten nachzuweisen; dazu errechnet er für die verschieden großen Einheiten jeweils einen „Kohäsionskoeffizienten“ und weist im Vergleich der Koeffizienten nach, dass die Homogenität tatsächlich größer wird, je kleiner die Einheit ist, dass also keine voneinander unabhängige Variation der Variablen vorliegt (s. ders. 1979, 31–32). Diesen sozusagen „lokal-statistischen“ Ansatz verfolgt er allerdings nicht weiter, um die konkreten Kookkurrenzbeziehungen zu ermitteln und damit die beiden koexistierenden Varietäten genauer zu erfassen. Letzteres geschieht bei ihm zwar über die paarweise Ermittlung von Implikationsbeziehungen zwischen den Variablen, aber hierfür geht er wieder von der Einheit „Text eines Sprechers in einer Situation“ aus (vgl. ebd.: 49–50) und hat dementsprechend mit inhomogeneren Daten zu tun. Diese zwei Ansätze von THELANDER, Untersuchung kleiner Einheiten und Prüfung von Implikationsbeziehungen, werden jedoch von MARTIN (1996) aufgegriffen und zusammengebracht. Dieser Grundidee folgt auch die in der vorliegenden Arbeit durchgeführte Kookkurrenzanalyse. MARTIN untersucht für ein Korpus aus Aufnahmen von 24 Wiener Sprechern die Realisierung der Variablen i/ich, [đ:]/[a‫( ]́܉‬für mhd. ei), net/nicht und k-/ ge-, „um die Struktur des Kontinuums zwischen dem Wiener Dialekt und der österreichischen Hochsprache zu untersuchen“ (ebd., 149). (Dass es sich um ein Kontinuum handelt, ist damit allerdings ohne Begründung schon vorgegeben.) Für die vier Variablen prüft sie paarweise alle Kookkurrenzverhältnisse für die Einheiten Redebeitrag, Teilsatz und speziell die „Phrase“ ‘Ich weiß nicht’. In zwei Fällen stellt sie dabei eine mehrfache Abstufung aus einseitigen Implikationsbeziehungen fest, aus der deutlich wird, dass das Wiener Repertoire offenbar nicht als dreigeteilte Schichtung beschrieben werden kann wie das von THELANDER untersuchte, sondern mindestens eine Zwischenstufe mehr aufweist (vgl. ebd., 154–155). Etwas verwirrend ist in der Darstellung von MARTIN, dass sie einerseits die Kontinuumsstruktur des Wiener Repertoires betont (wobei sich aus den ermittelten Implikationsverhältnissen zwischen den drei Variablen zunächst einmal auch eine vierstufige VarietätenSchichtung ableiten ließe), andererseits Begriffe von THELANDER übernimmt, die nur bei einer dreistufigen Struktur sinnvoll sind. So unterscheidet THELANDER zwischen „Standard-Indikatoren“ (= Varianten, deren Vorkommen standardsprachliche Realisierung der anderen Variablen impliziert) und „DialektIndikatoren“ (= Varianten, deren Vorkommen dialektale Realisierung der anderen Variablen impliziert). MARTIN übernimmt diese Termini, bezieht sie aber nicht auf das Repertoire, d. h. auf die Lokalisierung einer Variante in einer GesamtSchichtung aus (drei) Varietäten, sondern verwendet sie relativ („Dialektindikator in bezug auf Variable X“), damit besagen sie aber nichts anderes mehr als Implikation. Ein Missverständnis im Bezug auf THELANDER zeigt sich ebenso in der

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Empirische Zugänge zur regionalen Umgangssprache – Probleme und Ergebnisse

Adaption von dessen Begriff Makrovariablen. In Makrovariablen fasst THELANDER die einzelnen Variablen zusammen, deren Implikationsverhalten im Bezug auf andere Variablen gleich ist. Aufgrund der Gliederung des Repertoires in drei Varietäten haben hier ja Gruppen von Variablen ein gleiches Implikationsmuster (vgl. Abb. 1, A). MARTIN will hingegen durch Zuordnung der einzelnen Variablen zu Makrovariablen die „langwierige“ Prozedur der Überprüfung der Implikationsbeziehungen zwischen allen Variablen vereinfachen (ebd. 1996, 151–152). Bei einer Kontinuumsstruktur ist eine solche Zuordnung jedoch durchaus nicht sinnvoll, schon gar nicht als „Abkürzung“ der paarweisen Überprüfung der Kookkurrenz, da sie sich ja überhaupt nur durch bestimmte Kookkurrenzverhältnisse rechtfertigt, deren (paarweise) Überprüfung also voraussetzt. Abgesehen hiervon ist MARTIN jedoch darin zuzustimmen, dass die Untersuchung von Kookkurrenz (insbesondere bezogen auf kleinere Einheiten unterhalb der Ebene „Sprechertext“) gerade auch für die Ermittlung von Kontinuums-Strukturen eine erfolgversprechende Annährungsweise darstellt66. Um tatsächlich ein Kontinuum zeigen zu können, müsste dabei aber eine größere Zahl von Variablen überprüft werden, denn es können sich ja aus einseitigen Implikationsverhältnissen maximal so viele verschiedene Sprachlagen wie Variablen (plus reiner Standard) ergeben (vgl. Abb. 1, B). Die Kookkurrenzanalyse eines alltagssprachlichen Korpus aus dem ripuarischen Sprachgebiet im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit (Kap. 5–6) berücksichtigt daher eine erheblich größere Zahl von Variablen, die das regionale Repertoire zwar auch noch lange nicht erschöpft, aber ggf. die Erfassung stärker ausdifferenzierter Wahlmöglichkeiten erlaubt.

2.3 UNTERSUCHUNGEN ZU STANDARD-DIALEKT-VARIATION IM RIPUARISCHEN RAUM Der ripuarische Raum ist eigentlich in allen Phasen der Entwicklung dialektologischer Methoden und Fragestellungen seit Wenkers „Sprachatlas der Rheinprovinz“ (1878) Gegenstand des Interesses gewesen. Mit letzterem nahm schon die Erhebung des Deutschen Sprachatlas hier ihren Ausgang, es folgten historisch und synchron ausgerichtete Grammatiken (J. MÜLLER 1900; MÜNCH 1904; W. MÜLLER 1912 u. a.), die kulturmorphologischen Studien von FRINGS (1926 u. a.) und schließlich die phonologische Monographie zur Kölner Stadtmundart von HEIKE (1964). Aber insbesondere auch die Entwicklung bzw. der Umbruch in den Sprach(gebrauchs)verhältnissen nach dem Zweiten Weltkrieg, Dialektabbau und Entdiglossierung und deren soziologische Aspekte, sind hier besonders eingehend

66 Um ein neues Modell der Umgangssprache, das eine Alternative zu anderen Modellen wie dem der Varietätenschichtung oder des Kontinuums bietet (vgl. ebd.:130,141), handelt es sich dagegen nicht.

Untersuchungen zur Standard-Dialekt-Variation im ripuarischen Raum

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untersucht worden (s. u.). Die pragmatische Dimension der Variationspraxis des „flexiblen Sprechers“, der über ein Spektrum an Variationsmöglichkeiten verfügt, hat schließlich MACHA (1991) am Beispiel rheinischer Handwerksmeister erhellt. Die Aussagen zur Struktur des Repertoires solcher Sprecher bzw. des Bereichs zwischen Dialekt und Standard sind indessen eher widersprüchlich: MATTHEIER (1979 u. ö.) setzt ein Dialekt-Standard-Kontinuum an, MACHA (1991) geht von einer Dichotomie Dialekt – regionale Umgangssprache (plus Standard?) aus, CORNELISSEN (2001a, 2005, 29) beschreibt das Repertoire im ripuarischen Gebiet als Regiolekt-Standard-Kontinuum mit Bruchstelle zum Dialekt. Dass derartige Divergenzen möglich sind, hat zweifellos etwas mit den zuletzt dargestellten Schwierigkeiten der empirischen Erfassung zu tun. Horizontale Ausgleichserscheinungen sind im ripuarischen Gebiet schon für die Ebene der Basisdialekte festgestellt worden. Die Orientierung auf das Zentrum Köln hin, die schon FRINGS (1926, 169 u. ö.) gezeigt hat, hält hier offenbar weiterhin an und führt zu fortschreitender Vereinheitlichung. Der diatopische Aspekt rezenterer Regionalisierungstendenzen ist zwar – anders als im Rheinfränkischen und Moselfränkischen (vgl. BELLMANN 1994) – im ripuarischen Raum bisher nicht wirklich systematisch erforscht worden, aber die stichprobenartigen Ergebnisse von MACHA (1991, 93–108) im Raum der unteren Sieg weisen deutlich auf eine derartige Entwicklung hin: Hier wurden für den Ortsdialekt Formen angegeben, die nicht denen entsprechen, die in der Erhebung zum Deutschen Sprachatlas 1884/85 für diese Orte genannt wurden, sondern die mit den damals für Köln genannten Formen übereinstimmen. Ähnliches gilt auch in anderen Teilen des ripuarischen Gebiets; so nimmt MACHA (1986, 305) an, dass sich schließlich im gesamten ripuarischen Raum eine „Koine Kölner Prägung“ durchsetzen wird. Gefragt war in diesen Fällen jedoch nach der Ortsmundart, also nach intendiertem Basisdialekt, es geht damit nicht um die Herausbildung zusätzlicher intermediärer Lagen im zur Verfügung stehenden Spektrum, sondern um diatopischen Ausgleich in der standardfernsten Lage. Es ist allerdings äußerst unwahrscheinlich, dass sich im Gegensatz zu dieser dialektalen Entwicklung in Sprachlagen oberhalb des Dialekts die lokalen Spezifika, die von denen des regionalen Zentrums abweichen, gehalten haben. Auskunft über Erscheinungen des „mittleren Bereichs“ im ripuarischen Raum geben insbesondere die Arbeiten aus dem großen Bonner Projekt Sprachverhalten in ländlichen Gemeinden67 (Erp-Projekt) und dessen Umkreis, die sich seit den 1970er Jahren mit dem Dialektabbau im Rheinland beschäftigt haben. Im ErpProjekt wurden in den Jahren 1971–74 Sprachaufnahmen von 142 berufstätigen männlichen Einwohnern des Ortes Erftstadt-Erp im Alter zwischen 21 und 66 Jahren gemacht sowie subjektive Sprachdaten und Sozialdaten erhoben. Die Wahl des Ortes erklärt sich aus dem Interesse, die sprachlichen Verhältnisse und Entwicklungen in einer Übergangssituation zwischen traditionellen dörflichlandwirtschaftlichen und modernen mobilen Lebensumständen (Pendler) und ent67 S. BESCH u. a. (Hg.) 1981, HUFSCHMIDT u. a. (Hg.) 1983.

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Empirische Zugänge zur regionalen Umgangssprache – Probleme und Ergebnisse

sprechenden sozialen Netzwerken und Kommunikationsstrukturen zu analysieren. Aufgenommen wurden jeweils zwei Sprechsituationen: „Interview“ und „Gespräch unter Freunden“. Das Aufnahmekonzept zielte also speziell auf den Kontrast zwischen dem intendierten Standard dialektal sozialisierter Sprecher und deren Alltagssprache ab. Dadurch wurde eine systematische Beobachtung des „Herunterfahrens“ dialektaler Merkmale beim einzelnen Sprecher ermöglicht. Will man die Ergebnisse im Hinblick auf eine Strukturierung des Repertoires betrachten, ist allerdings zu berücksichtigen, dass dieses Konzept – gerade vor dem Hintergrund der Annahme eines Kontinuums aus situativen Varietäten (s. HUFSCHMIDT/MATTHEIER 1981, 80) – eine bewusste Einschränkung auf zwei möglichst weit voneinander entfernte Ausschnitte aus dem Spektrum des Möglichen bedeutet. MATTHEIER (1990, 5–6, vgl. a. ders. 1979; 1987) hat das Erp-Material im Hinblick auf den Abbau dialektaler Merkmale untersucht. Das Ergebnis der Variablenanalyse ist ein Kontinuum in Form einer implikativen Abbauhierarchie dialektaler Merkmale, wobei sich die implikative Abstufung sowohl auf die verschiedenen Merkmale als auch – im Sinne des LABOV’schen Modells – auf deren Vorkommen in unterschiedlichen Lautkontexten bezieht. Die Unterschiede sind in erster Linie quantitativer Art. MATTHEIER (1990, 6) führt am Beispiel der Ergebnisse für die Varianten b vs. v vor, dass die Situationen durch charakteristische Variantenverhältnisse bestimmt sind, die öffentliche Situation etwa intervokalisch durch ein b/v-Verhältnis von 87:13 und die private durch das Verhältnis 20:80;

im Auslaut nach Vokal liegen die charakteristischen Relationen dagegen bei 86:14 bzw. 44.4:55.6. (Es handelt sich hier allerdings um Mittelwerte; die von MATTHEIER 1987, 554 angegebenen Beispiele von Einzelwerten bewegen sich für intervokalisches b in der privaten Situation zwischen 0 % und 38.5 %, die individuellen Spannen zwischen dem Wert für die private und dem für die öffentliche Situation schwanken zwischen knapp 60 % und 100 %.) Ob die Struktur dieses Abbaukontinuums gleichzusetzen ist mit der eines Dialekt-Standard-Kontinuums, in dem sich die Sprecher jeweils im Rahmen ihrer Kompetenz je nach Situation (und Intention) flexibel bewegen, muss nun strenggenommen offenbleiben. Es handelt sich hier um das Spektrum dessen, was verschiedene Sprecher in informeller und in formeller Situation bzw. in – mutmaßlich68 – intendiertem Standard verwenden. Für die einzelnen Sprecher ergibt sich dabei aus dem Vergleich mit der Sprache in der informellen Situation jeweils eine persönliche Variationsspanne. Nach dieser Spanne unterscheidet LAUSBERG (1993) in einer genauen Einzeluntersuchung der Aufnahmen von 20 Sprechern drei verschiedene Sprechertypen:

68 Ob tatsächlich alle Sprecher gleichermaßen auf den Standard zielen, zieht zumindest LAUSBERG (1993, 170) in Frage: „Je nach ihrer persönlichen Interpretation des Formalitätsgrades entscheiden sich die GPn [= Gewährspersonen, R.M.] für die Vermeidung – respektive die Beibehaltung – der standardabweichenden Varianten.“

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a) Sprecher, die vom Dialekt zur Standardsprache (mit Regionalakzent) umschalten (CodeSwitcher69) b) Sprecher, die vom Dialekt zu einer stärker dialektal interferierten Standardsprache wechseln (Code-Mixer, wobei aber zu betonen ist, dass diese Sprecher nur bestimmte dialektale Varianten verwenden70) c) Sprecher, die auch in der formellen Situation noch dialektnah sprechen, wenngleich weniger dialektal als im Gespräch unter Freunden (Dialektsprecher).

Diese Gruppierung kann LAUSBERG vor dem Hintergrund der biographischen und metasprachlichen Daten mit einer Kombination der Faktoren Ausbildung und Berufstätigkeit, Alter und Sprachbewusstsein/-bewertung erklären. Im Zusammenhang mit der Sprechertypologie ergibt sich gleichzeitig eine Gruppierung der untersuchten Variablen. Bei einer Reihe von Dialektmerkmalen ist die Spanne zwischen der Verwendung im Gespräch unter Freunden und im Interview bei allen Sprechern relativ groß (je nach Typ bis zu 100 %). Andere71 werden von fast allen auch im Interview (mehr oder weniger) weitgehend beibehalten. Eine dreifache Abstufung der Spanne zwischen informellem und formellem Gebrauch entsprechend der Unterscheidung der drei Sprechertypen stellt sich vor allem bei zwei Variablen heraus, der frikativen vs. okklusiven Variante von standardsprachlichem /g/ und bei dat, wat vs. das, was72. LAUSBERGS Verfahren einer doppelten Gruppierung (die Sprechertypen unterscheiden sich dadurch, dass sie mit verschiedenen Variablengruppen unterschiedlich umgehen) kommt im Grunde dem Ansatz einer Clusteranalyse nahe, er verzichtet nur auf den Versuch einer statistisch abgestützten Objektivierung. Die Gruppierung bedeutet aber (bei beiden Methoden), dass individuelle Unterschiede zugunsten der Gemeinsamkeiten zurücktreten. Bei den einzelnen Vertretern der Sprechertypen zeigen sich jedenfalls – trotz Ausblendens der besonders abweichenden Sprecher – im Einzelnen auch deutliche Abweichungen in der „Abbauhierarchie“ (vgl. die Einzelprofile bei LAUSBERG 1993, 180–199), d. h. eine implikative Anordnung der Sprachproben aus der Interview-Situation wäre auch hier nicht ganz problemlos; und vor allem wäre eine Gleichsetzung der InterviewDaten der drei Sprechertypen mit drei verschiedenen charakteristischen Sprachlagen insofern fragwürdig, als die Anteile der einzelnen Dialektmerkmale bei Sprechern desselben Typs sich z. T. stark unterscheiden und z. T. auch mehr unterscheiden als bei Sprechern, die verschiedene Typen repräsentieren73. 69 Das „Switching“ findet hier aber zwischen informeller und formeller Situation statt, während Code-Switching nach kontaktlinguistischer Terminologie gerade den intrasituativen Wechsel bezeichnet. 70 Auch dieser Terminus wird also etwas anders verwendet als in der Sprachkontaktforschung. 71 Die Koronalisierung von [ç] und die velarisierte Variante von [l], also [κ]. 72 Auch in den von CORNELISSEN (1999, 97; 101) zitierten prototypischen Beispielen niederrheinischen Regiolekts (s. a. Kap. 1.2) sind genau dies die regionalen Merkmale. 73 Vgl. etwa die Prozentwerte für Var. 7 (dat/das) und 8 (palataler bzw. velarer Frikativ vs. Okklusiv): Die Bandbreite liegt innerhalb der Sprechergruppe A bei ca. 0–50 % (Var. 7) bzw. 10–40 % (Var. 8), innerhalb der Sprechergruppe B bei ca. 10–70 % (Var. 7) bzw. 45–85 % (Var. 8) (ebd., 180–182).

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Empirische Zugänge zur regionalen Umgangssprache – Probleme und Ergebnisse

LENZ (2010) unternimmt eine Sekundäranalyse der Daten von MATTHEIER (1979) und LAUSBERG (1993); aus der Clusteranalyse ergibt sich dabei eine Klassifikation der Variablen, die sich zum Teil genau mit der von LAUSBERG deckt (Gruppe der „labilen“ Merkmale mit starker situatiosbezogener Schwankung), bei den „heterogenen“ Merkmalen mit unterschiedlichem Sprecherverhalten jedoch noch weiter untergliedert ist. Unter Einbeziehung der Differenzierung nach Lautkontext von MATTHEIER kommt LENZ zu dem Schluss, dass für Erp wie für Wittlich fünf Verdichtungsbereiche identifiziert werden können, die sich durch implikative Strukturen auszeichen, aber auf zwei Varietäten verteilen. Die Analyse eines anderen Samples von Daten aus dem Erp-Material zu einer ähnlichen Variablen-Gruppierung wie LAUSBERG. Er nimmt in Anlehnung an BELLMANN (1983) und MATTHEIER (1990) jedoch grundsätzlich ein „Kontinuum von Varietäten zwischen Dialekt und Standard“ an (KREYMANN 1994, 51), wobei er keinen näheren Bezug zu seinen Analyseergebnissen herstellt. Dagegen weist er darauf hin, dass bestimmte Variablen sich grundsätzlich hinsichtlich der Art und Bedeutung von Kookkurrenzrestriktionen unterscheiden74. Einen ähnlichen Ansatz wie das Erp-Projekt wählt JÜNGER-GEIER (1989) für die Untersuchung der Sprache in Kelzenberg im Kreis Neuss (knapp südlich der Benrather Linie, also noch im ripuarischen Raum). JÜNGER-GEIER untersucht subjektive Sprachdaten und Aufnahmen von neun männlichen und weiblichen Sprechern unterschiedlichen Alters in vier verschiedenen Gesprächskonstellationen mit unterschiedlichem Gegenüber aus dem Ort (Gleichaltrige(r), Lebenspartner, „Respektsperson“, andere Generation) bzw. gestaffeltem Öffentlichkeits- bzw. Formalitätsgrad (ebd., 92). Auch JÜNGER-GEIER kommt in der Analyse zu einer dreistufigen Rangfolge der sechs untersuchten Variablen (ebd., 169), die sich allerdings weder in der Auswahl noch in der Einordnung der übereinstimmenden Variablen mit der Kategorisierung bei LAUSBERG deckt75. Die Frage nach der Struktur des „mittleren Bereichs“ kann auf der schmalen Datenbasis allerdings kaum beantwortet werden, dies ist auch nicht intendiert: Dass „ein rheinischer Ort wie Kelzenberg durch ein Kontinuum sprachlicher Formen zwischen Hochsprache und tiefem Ortsdialekt gekennzeichnet ist“, wird auch hier von Anfang an vorausgesetzt (ebd., 69, vgl. a. 40). Gleichzeitig „sind zur Beschreibung des situativen Einsatzes der beiden Varietäten Switching-Regeln not74 Dafür wird allerdings nur ein konstruiertes Beispiel angeführt: Taube/duf vs. *tuf/*tauf/*tub – im Gegensatz zur freien Kombinierbarkeit von anlautendem j statt g, s. KREYMANN (1994, 163). 75 Die Variable „Konsonantenausfall vor auslautendem t“, die die mittlere Gruppe ausmacht, ist bei LAUSBERG nicht vertreten (und ist auch von sehr begrenztem Aussagewert, angesichts der Zusammenfassung der hochfrequenten und überregional weit verbreiteten Variante nit ‘nicht’ mit Formen wie Naat ‘Nacht’, die sogar im Basisdialekt mit den Formen mit ch konkurrieren). Die Gruppe der Merkmale, die auch in standardnäherer Sprache vorkommen, umfasst dagegen sowohl stabile als auch variable Merkmale der LAUSBERG’schen Typologie. Die aussagekräftigsten Tabellen (nach Altersgruppen differenzierter Gebrauch im Gespräch mit gleichaltrigen/Lebenspartner, ebd.:207f) deuten allerdings auch hier auf eine entsprechende Abstufung innerhalb dieser Merkmale hin.

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wendig“ (ebd., 69), und schließlich wird auch mit dem Begriff „rheinische Umgangssprache“ operiert, auf die „Setzung einer dritten Varietät“ aus forschungspraktischen Gründen aber verzichtet (ebd., 101). Dass die Frage nach der empirischen Angemessenheit dieser Begriffe hier nicht gestellt wird, ist also offenkundig – allerdings deckt sich diese Widersprüchlichkeit mit der Widersprüchlichkeit der am Anfang des Kapitels zitierten Feststellungen und scheint auch mit den aus dem Material gewonnenen Eindrücken zu tun zu haben. Das von MACHA (1991) untersuchte Material ist wie das Erper Material bei einer Gruppe von dialektkompetenten männlichen Sprechern mittleren Alters erhoben, die allerdings hinsichtlich Beruf und Ausbildung homogener ist (Handwerksmeister). Auch diese Sprecher werden in zwei verschiedenen Situationen aufgenommen, wobei die erste der Interview-Situation des Erp-Materials ähnelt76, die zweite („in vivo“77) allerdings eher eine Sammlung unterschiedlicher Einzelsituationen aus dem beruflichen und familiären Alltag darstellt als einen einheitlichen Situationstyp. Da es dabei gerade um die interne Heterogenität auch in der intrasituativen Sprachverwendung geht (vgl. 3.1), wird auf eine statistische Auswertung dieses Materials verzichtet. Variablenanalytisch untersucht werden nur die Aufnahmen aus dem Interview. In dieser relativ standardnahen „Interviewsprache“ fehlt eine Reihe dialektaler Varianten fast durchgehend (s. MACHA ebd., 140), obwohl sie in den „in vivo“-Aufnahmen vorkommt. Die hier erkennbare Tatsache, dass im Unterschied zu dem Erper Material alle Sprecher über eine bilektale Kompetenz verfügen, kann dabei mit dem spezifischen soziologischen Zuschnitt des Samples zu tun haben, aber natürlich auch mit einer im Lauf von 20 Jahren fortgeschrittenen Entwicklung. Gleichwohl gibt es in Machas InterviewMaterial auch (andere) dialektale Varianten, die „in kräftiger Massierung den Redefluß der Sprecher [charakterisieren]“ (MACHA 1991, 140). Eine Differenzierung von zwei Merkmalsgruppen aufgrund der Gesamtanteile dialektaler Varianten im Interview-Material ist zwar durch eine quantitative Bruchstelle gerechtfertigt78, allerdings ist diese wenig ausgeprägt. Die Werte für die zweite Gruppe reichen von 17,1 % bis zu 95,4 % Nonstandard-Anteil (ebd., 141), und eine bestimmte Merkmals-Kombination, die die „Interviewsprache“ charakterisieren könnte, ergibt sich daraus nicht deutlich. Auffällig ist jedoch das vollständige Fehlen bestimmter Dialektmerkmale im Interview. MACHA (ebd., 137) nimmt daher eine Zweiteilung des Repertoires an: Viele Varianten, die im dialektalen Teil des Sprachvermögens gespeichert sind (wie etwa der entsprechende Vokalismus) werden von den Gewährspersonen nicht auf eine geringere Auftretensquote ‚zurückgefahren‘, sondern sie stehen von vornherein nicht zur Debatte, werden auf 0 reduziert. Es erscheint deshalb theoretisch angebracht, ein ‚code-switching‘-Verhalten anzusetzen. 76 Wenngleich hier nicht versucht wurde, den Formalitätsgrad durch den Auftritt eines dem Informanten vorher unbekannten Interviewers zu heben. 77 Mittels eines Sendemikrofons wurden die Äußerungen des Sprechers in einen Nebenraum zum Explorator übertragen und dort aufgenommen. 78 Eine Gruppe von Merkmalen liegt bei z. T. weit unter 10 %-Anteil, die andere, im folgenden thematisierte Gruppe weist eine Auftretenshäufigkeit von über 15 % auf.“ (ebd.:140).

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Empirische Zugänge zur regionalen Umgangssprache – Probleme und Ergebnisse

Ob die Bereiche auf beiden Seiten einer solchen Bruchstelle nicht noch weiter in sich strukturiert sind, muss dabei aber offenbleiben. Als neuere Datensammlung mit einem kleinen Analyse-Teil ist schließlich noch das Projekt Alles Kölsch (BHATT/LINDLAR 1998) zu erwähnen. Hier geht es weniger um bestimmte Fragestellungen zum „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standard als um eine Sammlung von Aufnahmen und Transkripten mit dem Ziel der „Dokumentation der alltäglichen Sprechsprache in authentischen Textzeugnissen“ (ebd., 20). Anvisiert ist hier allerdings in erster Linie doch der Dialekt; zugunsten der Präsentabilität auch für nicht-wissenschaftliche und dialektpflegerische Zwecke (Herausgeber ist die „Akademie för uns kölsche Sproch“) mussten die Herausgeber das Verständnis von „alltäglich“ und „authentisch“ weit fassen und sind sich dessen bewusst. So weisen sie auf den Widerspruch zwischen der interviewartigen Aufnahmesituation und der anvisierten Nähe-Sprache hin. „Das hat zur Folge, dass manche unserer Sprecher immer wieder dazu angehalten werden mussten, Dialekt zu verwenden.“ (ebd., 24). Bei vielen Sprechern ist die Sprachlage gleichwohl eher standardnah. Eine kleine variablenanalytische Auswertung des Gesamtmaterials (mit Gruppierung der Variablen nach Dialektanteil) und eine Typisierung der Sprecher schließt sich vor allem an die Variablen- und Sprechertypologie von LAUSBERG (1993) an; auch hier stellt sich allerdings wieder das Problem, dass die mittlere Sprecher-Kategorie in ihrer Variantenwahl eigentlich überhaupt kein Muster erkennen lässt (vgl. die Tabelle ebd., 38). BHATT/LINDLAR nehmen auch an, dass hier bei genauerer Analyse verschiedene Typen zu unterscheiden wären: solche, deren Sprache gleichbleibend ein „niedriges Dialektalitätsniveau“ hat und solche, „die beide Sprachlagen mischen“. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aus den vorliegenden Arbeiten zum ripuarischen Raum ein in ähnlicher Weise janusköpfiges Bild resultiert wie z. B. aus den Ergebnissen von LENZ (2003) für Wittlich und diversen anderen Untersuchungen: Einerseits wird immer wieder auf den kontinuierlichen Charakter des Sprachlagen-Spektrums zwischen Dialekt und Standard hingewiesen, und selbst da, wo Autoren auf der Basis von Variablenanalysen Gruppierungen von Variablen vornehmen, sind die Grenzen im Einzelfall eher diffus. Auf der anderen Seite wird auch immer wieder die Tatsache angesprochen und gezeigt, dass die Sprecher „switchen“. Das spricht dagegen, dass metasprachliche Äußerungen nur aufgrund existierender oder nicht existierender Benennungen (vgl. DURRELL 1998, 26) zumeist auf die Dichotomie Dialekt-Standard rekurrieren – auch im tatsächlichen Sprachverhalten sind hiernach Anzeichen für eine Zweiteilung des Repertoires vorhanden.

3. EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG: KORPUS UND UNTERSUCHTE MERKMALE 3.1 ZUR ERHEBUNG „NATÜRLICHER“ ALLTAGSSPRACHE Das Ziel der vorliegenden Arbeit liegt darin, natürliche Alltagssprache von Sprechern des ripuarischen Dialektraums auf überindividuelle Organisationsstrukturen im Bereich zwischen Dialekt und Standard zu untersuchen und dabei vor allem auch den in Kap. 2.2 vorgestellten „statistisch-lokalen“ Ansatz bzw. die Frage nach Kookkurrenzrestriktionen zu verfolgen. Es geht also nicht um Korrelation mit außersprachlichen (soziologischen, situativen) Faktoren oder um die Nutzung der Variationsmöglichkeiten für Kontextualisierungssabsichten, sondern um die vorgeordnete Frage nach der Organisation des zur Verfügung stehenden Repertoires überhaupt. Dabei steht der „mittlere Bereich“ im Zentrum; die Sprachdaten beschränken sich auf „natürliche“ Alltagssprache. Auf die gezielte Elizitierung von intendiertem Ortsdialekt und intendiertem Standard mit Hilfe spezieller Vorgaben und/oder Situations-Arrangements wurde zugunsten einer breiteren Menge an alltagssprachlichem Material verzichtet. Untersucht werden soll, ob die in natürlichem, informellem Sprechen ripuarischer Sprecher anzutreffenden Sprachformen und Erscheinungen der Variation (auch der innersituativen) sich in bestimmten überindividuell festliegenden Bahnen bzw. Strukturen bewegen oder nicht. Die Problematik der Erhebung „natürlicher“ Alltagssprache ist nicht neu (vgl. a. WODAK 1982; MENGE 1990; LENZ 2003, 62–63). Die am einfachsten herzustellende Gesprächskonstellation ist sicherlich die des Interviews. Während Interviews von Sprechern durch Sprachwissenschaftler in situationskontrastierenden Untersuchungen genutzt wurden und werden, um eine möglichst standardnahe Sprachlage zu evozieren, gehen andere Arbeiten davon aus, dass auch im – frei geführten – Interview Alltagssprache erhoben werden kann (JAKOB 1985, 201, BÜCHERL 1982, 5–6). Da die Beurteilung des Formalitätsgrades der Interviewsituation und das sprachliche Verhalten seitens der Befragten wesentlich mit der Sprachlage zu tun haben, die der Interviewer selbst verwendet, ist eine diesbezügliche Weichenstellung dem Interviewer im Rahmen seines sprachlichen Spektrums tatsächlich möglich. Das bedeutet jedoch gleichzeitig auch eine Lenkung in eine bestimmte Richtung (vgl. BÜCHERL 1982, 6). Hinzu kommt, dass ein anderer wesentlicher Faktor kaum beeinflusst werden kann: die Unbekanntheit des Interviewers. Diese wird von Sprechern als zentrales Kriterium für die Wahl einer standardnahen Sprachlage genannt (s. LENZ 2003, 57), und auch durch eine vorausgehende eingehendere Kontaktaufnahme lässt sich dies nicht entscheidend ändern. Es ist insofern wahrscheinlich, dass im Interview eine andere als die all-

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Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

tagssprachliche „Normallage“ der Sprecher erhoben wird und dass auch das normale Variationsverhalten nicht erfasst wird. Der klassische Situationstyp für „natürliche Alltagssprache“ ist demgegenüber das Gespräch zwischen Freunden/Bekannten. Schon im Erp-Projekt wurde das Material für die informelle Situation „A“ in einem (arrangierten) freien Gespräch der Gewährspersonen mit einem Gesprächspartner ihrer Wahl gewonnen. Das bedeutete allerdings noch keine wirklich „natürliche“ Gesprächssituation: Der Interviewer A forderte dann die beiden Gewährspersonen auf, miteinander ein Gespräch zu führen, ohne sich weiter um die anwesenden Mitarbeiter zu kümmern. Thema und Gesprächsinhalt waren völlig freigestellt. [...] Wurde das Gespräch im Laufe der Zeit stockender, so gab der Interviewer A den beiden Gewährspersonen durch gezielte Fragen nach der Schulzeit, nach dem Festkalender des Ortes, nach Volksbräuchen und allgemeinen Ortsvorkommnissen neue Ansatzpunkte für Gespräche, zog sich jedoch daraufhin wieder zurück. (MATTHEIER 1979, 157–158)

Allein die Anwesenheit und Aufmerksamkeit des Explorators hat hier sicherlich durchaus einen Einfluss auf das Gespräch („Beobachter-Paradox“79, vgl. a. KLEIN 1981a, 117; SCHMIDT/HERRGEN 2011, 315). Selbst wenn der Explorator nur das Aufnahmegerät in Gang setzt und dann den Raum verlässt (vgl. etwa JÜNGERGEIER 1989, 55–56, 89; LENZ 2003, 62), bekommt die Situation leicht den Charakter eines arrangierten Experiments. Um dies zu vermeiden, täuscht STEINER (1994) die aufgenommenen Sprecher durch unbemerktes vorzeitiges Einschalten des Aufnahmegeräts, was ethisch allerdings nicht unproblematisch erscheint, auch wenn nachträglich das Einverständnis eingeholt wurde. MENGE (1990, 428–429) hebt mit Recht hervor, dass das gesetzlich geschützte „Vertrauen auf die Vergänglichkeit des gesprochenen Wortes“ auch mit derartigen Maßnahmen erheblich verletzt wird. In der vorliegenden Untersuchung wurde der Hauptakzent auf eine „natürliche“ Konstellation von Gesprächspartnern unter möglichst geringer Beeinflussung durch ungewohnte Faktoren gelegt. So sollte kein fremder Explorator im Spiel sein und das Gespräch zwischen Personen stattfinden, die sich auch sonst miteinander unterhalten, an einem für ein Treffen zwischen diesen Personen normalen Ort. Dahinter steht zum einen das Ziel, potentielle Quellen von „Unnatürlichkeit“ der Situation möglichst auszuschalten, zum anderen aber auch die Annahme, dass selbst eine intendierte Abweichung vom üblichen, eingespielten sprachlichen Gebrauch bei einer vertrauten Konstellation von Gesprächspartnern in einem vertrauten Situationsrahmen kaum über längere Zeit durchzuhalten ist. Einer möglichen Einschüchterung durch die Aufnahme-Apparatur dürfte heutzutage keine große Bedeutung mehr zukommen; schon die geringe Größe der neueren Geräte macht sie unauffällig, vor allem aber ist durch die Allgegenwart und die verbreitete private Nutzung von Mikrofonen und Aufnahmegeräten der „Respekt“ davor deutlich gesunken (vgl. a. SPIEKERMANN 2005, 120). MENGE (1990, 429) sieht die Hoffnung, das Beobachter-Paradox könne vermieden werden, allerdings grundsätzlich als „fromme Selbsttäuschung“ an: 79 S. LABOV (1972).

Zur Erhebung „natürlicher“ Alltagssprache

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Wenn mit Zustimmung der Betroffenen deren Sprache aufgenommen wird, ist ihre Aufmerksamkeit derart auf ihr eigenes Sprachverhalten gerichtet, daß alles andere, nur nicht alltägliche Sprache aufgenommen wird.

Die sehr überzeugenden Beispiele hierfür, die MENGE anführt, sind indessen alle deswegen „unnatürlich“, weil die Hauptrollen der am Gespräch Beteiligten die Rollen ‚aufnehmender Sprachwissenschaftler‘ und ‚aufgenommener Sprecher‘ sind und das Sprechen des einen Gesprächspartners als Selbstzweck im Vordergrund steht (MENGE weist darauf hin, dass oft „Gesprächsanlässe künstlich geschaffen bzw. Gespräche künstlich verlängert“ werden, ebd., 431). Daher wurden die Aufnahmen im hier beschriebenen Projekt in die Hände von Mittelsleuten gelegt, die selbst ein beliebiges Gespräch zwischen sich und Freunden/Bekannten (ggf. auch mehreren Gesprächspartnern gleichzeitig) aufnehmen sollten. Das Treffen wurde fast in allen Fällen nicht zum Zweck der Aufnahme arrangiert, sondern fand unabhängig davon statt und wurde nur „beiläufig“ aufgezeichnet (was z. T. mit längerem Warten auf die Aufnahmen erkauft werden musste). Der Text der Aufnehmenden selbst wurde in den meisten Fällen ebenfalls ins Korpus aufgenommen und analysiert. Bei ihnen ist zwar eventuell eher mit einer Einschränkung der Unbefangenheit zu rechnen, andererseits ist gerade die Doppelfunktion und die Verantwortung für die Aufnahme auch wieder geeignet, der Rolle des Testobjekts und einer reflektierenden Konzentration auf die eigene Sprachproduktion entgegenzuwirken. Eine (m. E. in jedem Fall fragwürdige) Täuschung der Gewährspersonen über das Ziel der Aufnahmen, wie sie z. B. JAKOB (1985, 202) für unabdingbar hält, wäre bei diesem Vorgehen nicht möglich gewesen, ohne Themen vorzugeben bzw. der Aufnahme doch wieder einen Interviewcharakter zu geben. Die Mittelsleute wurden dagegen explizit darauf hingewiesen, dass es um die „normale“ Sprache „normaler Sprecher“ gehe und dass es ihnen selbstverständlich frei stehe, im Nachhinein inhaltlich verfängliche Stellen aus der Aufnahme zu löschen, um eine wirklich ungezwungene Gesprächsatmosphäre zu ermöglichen. Außerdem wurde zugesagt, dass über kurze Einheiten hinaus keine Passagen aus den Gesprächen zitiert würden. Da das Aufnahmegerät80 außerdem leicht zu bedienen war und während einer Stunde keine Aufmerksamkeit benötigte, erscheint die Hoffnung, dass die Sprecher die Aufnahme während des Gesprächs möglichst vergessen würden, nicht unrealistisch. Dies mag zwar nicht immer ganz gelungen sein; so fordert eine Sprecherin die Mittelsperson zwischenzeitig zum Abstellen des Geräts auf, weil das Gespräch infolge ihrer eigenen Redebeiträge eine besonders private und emotionale Wendung genommen hat (die Aufnahme geht dann zu einem späteren Zeitpunkt der Unterhaltung wieder weiter). Andererseits zeigt diese Wendung des Gesprächs als solche, dass die Sprecherin ihre Äußerungen bis dahin nicht auf die Anwesenheit eines Mikrofons abgestimmt hat. Bei anderen Aufnahmen wird z. B. 80 Sony Walkman Professional – das Mikrofon (vivanco EM216) ist zum Anstecken an der Kleidung konzipiert und entsprechend klein und unauffällig. Inzwischen sind ebenso leicht zu handhabende digitale Geräte verfügbar und erschwinglich, dies war 2001 noch nicht der Fall.

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Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

recht ungeniert über Abwesende hergezogen oder über finanzielle Probleme gesprochen – oder gelegentlich auch minutenlang geschwiegen, was in der betreffenden Konstellation eng vertrauter Sprecher recht „normal“ wirkt und wohl eher Unbefangenheit als Befangenheit erkennen lässt. Die Aufnahmen dürften somit wirklich als weitgehend „natürliche“ Sprache einzustufen sein. Allerdings sind dafür Abstriche in der Tonqualität hinzunehmen (sowohl Durcheinandersprechen mehrerer Sprecher als auch z. T. starke Nebengeräusche bei Aufnahmen, die z. B. beim Essen gemacht wurden, Platzierung des Mikrofons in unmittelbarer Nähe zu einem Wellensittich u. ä.), manche Passagen konnten daher nicht ausgewertet werden. Der gewählte Weg bringt leider auch den Verzicht auf gezielte Erhebungen zur Dialekt- und Standardkompetenz der Sprecher mit sich. Das ist insofern bedauerlich, als das den Sprechern zur Verfügung stehende Repertoire damit nicht in seiner gesamten Spannweite bekannt ist. Andererseits ist im Bezug auf derartige Erhebungen auch zu fragen, welchen Stellenwert diese „künstlich“ produzierten Daten im Bezug auf das tatsächliche sprachliche Verhalten der Sprecher haben. In der Kookkurrenzanalyse in Kap. 5/6 wurden also nur die vom jeweiligen Sprecher tatsächlich verwendeten Varianten als „mögliche Varianten“ berücksichtigt – von diesen lässt sich jedenfalls mit Sicherheit sagen, dass sie zum aktiv verwendeten Repertoire der betreffenden Person gehören.

3.2 MATERIAL UND DATENAUFBEREITUNG 3.2.1 Das Korpus Das ausgewertete Korpus besteht aus 18 Aufnahmen aus den Jahren 2001/2002, bei denen insgesamt 38 Sprecher und Sprecherinnen aus dem ripuarischen Gebiet mit ausreichend langen Redeanteilen beteiligt sind, zwei davon mit zwei verschiedenen Aufnahmen aus unterschiedlichen Gesprächskonstellationen. Die Gesamtlänge der Redeanteile der einzelnen Sprecher beträgt im Mittel ca. 2800 Wortformen (die Extreme ca. 1000 bzw. 4000). Die 38 Sprecher sind hinsichtlich Alter und Bildungsgrad gemischt. Für eine Gliederung nach Altersgruppen bieten sich in diesem Fall weniger die typischen biographischen Abschnitte an als eine Einteilung, die sich an Umbrüchen im Stellenwert des Dialekts orientiert (wenngleich diese natürlich nicht auf ein Jahr genau zu datieren sind): Der erste Umbruch dieser Art ist das Ende des zweite Weltkriegs, das durch die Ansiedelung ostmitteldeutscher Vertriebener im Rheinland den massiven persönlichen Kontakt mit Sprechern anderer Dialekte mit sich brachte; der zweite wäre etwa Mitte der 1960er Jahre anzusetzen, wo in vielen Familien offenbar ein „radikales Umdenken“ stattfand und die Kinder fortan in intendierter Standardsprache erzogen wurden (s. MACHA 2000, 304–305, LAUSBERG 1993, 12). Danach ist die Gruppe der Sprecher folgendermaßen verteilt: - geboren bis 1945: 14 - geboren 1946–1965: 16 - geboren nach 1965: 8

Material und Datenaufbereitung

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Die Verteilung von dialektaler oder nicht-dialektaler Primärsozialisation hängt grob mit der Verteilung auf die Altersgruppen zusammen und ist entsprechend gemischt, im Einzelfall ist die Unterscheidung allerdings schwierig, da intendierte sprachliche Erziehung im Elternhaus und Sprache der Peer-Group oft nicht übereinstimmen oder auch jeweils schon nicht einheitlich sind. MACHA (1991, 30–58), der mittels Tiefeninterviews die sprachliche Sozialisation seiner Gewährspersonen erhellt, charakterisiert dementsprechend über ein Drittel seiner Gewährspersonen weder als „genuin dialektale Sprecher“ noch als „genuin nicht-dialektale Sprecher“, sondern als „Wanderer zwischen den Welten“81. Auch hinsichtlich ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit ist die Gruppe der Sprecher gemischt (Handwerker/Landwirt/Hausfrauen/Sekretärinnen/Kindergärtnerin/Ingenieure/Jurist/Rentner/Studentin/...), akademisch gebildete Sprecher sind allerdings vor allem bei den Jüngeren etwas überrepräsentiert. Eine ausgewogene Verteilung wurde jedoch nicht speziell angestrebt, da es wie gesagt nicht darum geht, wer sich im Dialekt-Standard-Repertoire wie bewegt, sondern darum, ob eine übergeordnete Struktur existiert, die die Bewegungsmöglichkeiten vorgibt. Bis auf zwei Sprecher stammen alle aus dem ripuarischen Sprachgebiet, sind dort aufgewachsen und leben dort. Ein Sprecher stammt aus dem westfälischen Teil des Ruhrgebiets, lebt aber seit über 40 Jahren bei Bonn. Ein weiterer Sprecher (S39), der aus Franken stammt und seit ca. 15 Jahren in Köln lebt, wurde nicht in die Gesamtauswertung einbezogen, einige Beobachtungen hinsichtlich der Übernahme ripuarischer Merkmale können aber bei ihm gemacht werden. Das Gespräch, an dem er beteiligt ist, aufgrund der Möglichkeit einer Akkomodation der anderen Teilnehmer an ihn auszuschließen, erschien angesichts des vergleichsweise geringeren Umfangs seiner Redebeiträge unnötig. Darüber hinaus ist eine allzu rigorose Definition dessen, was man als regionalspezifische Alltagssprache akzeptiert, angesichts des heutigen Mobilitätsgrades der Mehrheit der Sprecher auch unrealistisch. Beschränkt man sein Interesse auf die Sprache, die ortsbürtige und -ansässige Sprecher in Gesprächen untereinander, ohne Beteiligung Zugezogener, verwenden, müsste man einen Großteil der in einer Region geführten informellen Gespräche ausklammern; das entspräche allerdings weniger den normalen Bedingungen regionaler Alltagssprache als einem Ideal „unverfälschter“ Regionalität, das in der Fortsetzung des „idealen Dialektsprechers“ steht. Da es nicht um Details der basisdialektalen Formen geht und auch nicht um den Dialektalitätsgrad der Sprache bestimmter Sprechertypen (etwa nach dem Schema „Stadt vs. Land“), waren auch eine engere (klein)regionale Einschränkung und eine Festlegung der Ortsgröße nicht notwendig. Untersucht wurden fast nur gesamtripuarische Merkmale; in den wenigen Fällen, in denen nach DSA/

81 Für das Sprachverhalten ist die Primärsozialisation jedoch offensichtlich nicht allein entscheidend. In MACHAS Übersicht über den Gesamtanteil „nichtstandardlautlicher Lexeme“ im Interview (ebd., 191) unterscheiden sich die – kontinuierlich abgestuften – Werte der „Wanderer zwischen den Welten“ nur durch das Fehlen einiger Spitzenwerte von denen der „genuin dialektalen Sprecher“, und selbst bei einem „genuin nicht-dialektalen Sprecher“ kommt ein Wert vor, der über dem Durchschnitt der Werte für die „dialektalen Sprecher“ liegt.

80

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

DiWA oder Ortsgrammatiken im (alten) Basisdialekt Unterschiede zwischen den Heimatorten der Sprecher bestehen, wurde dies bei der Auswertung berücksichtigt und vor allem der eigene dialektale (bzw. standardfernste) Gebrauch der Sprecher als Maßstab genommen.

3.2.2 Variablenbegriff, Transkription, Annotierung Die Transkription des Materials erfolgte schon im Hinblick auf die anvisierten Auswertungsverfahren. Grundsätzlich ist die gesamte Auswertung – sowohl die Analyse nach etablierten Verfahren der Variationslinguistik (Kap. 4) als auch die der Kookkurrenz (Kap. 5–6) – eine variablenanalytische Auswertung. Nach den Überlegungen in Kap. 1 verlangt das allerdings nach einer Erklärung bzw. Rechtfertigung. Vor dem Hintergrund der LABOV’schen Konzeption eines einzigen Systems mit Variabilität hinsichtlich der Anwendung bestimmter Regeln ist es folgerichtig, verschiedene sprachliche Formen als alternative Varianten einer Variablen einzustufen. Geht man dagegen davon aus, dass Dialekt und Standard getrennte Kompetenzen erfordern und bedeutungsäquivalente und etymologisch verwandte Dialekt- und Standard-Formen im Grunde als Kognaten einzustufen sind, sind die Begriffe Varianten und Variablen eigentlich inkonsequent. Darüber hinaus ist es vor diesem Hintergrund eigentlich schon fragwürdig, von der „Verwendung“ einzelner phonologischer „Merkmale“ zu sprechen. Andererseits müssen in irgendeiner Weise die nicht seltenen „Kompromissformen“ erfasst werden, die sich zunächst einmal – wenn man nicht schon eine Erklärung vorwegnehmen will – als Kombination dialektaler und standardsprachlicher Segmente darstellen bzw. teilweise auch als Anwendung dialektaler phonologischer und morphologischer Regeln auf standardsprachliche Wortformen oder auch umgekehrt. Dies widerspricht nicht der Annahme getrennter Kompetenzen für Dialekt und Standard. So sind im Rahmen von phonologischer Transferenz bzw. phonologischer/morphologischer Integration (Adaption) von Entlehnungen derartige „hybride“ Formen ja auch im Sprachenkontakt häufig. Über phonologische Transferenz/Integration hinaus, die ja in der Regel bestimmte Vorbedingungen voraussetzt (s. Kap. 8.2), ist bei eng verwandten Varietäten außerdem das möglich, was z. B. im RhWb als „Einlautung“ bezeichnet wird: Zum einen kann bei komplexen Wörtern eine (auch nur partielle) Lehnübersetzung gebildet werden, bei der Morpheme durch deren kognate Entsprechungen in der anderen Varietät ersetzt werden. Sofern dies nur für Teile einer Wortform geschieht, kommt es dann zu hybriden Bildungen wie Bauchdanz (KWb) mit standardsprachlichem Diphthong und dialektalem d. Derartige Formen können auf dem Weg über Analogie bzw. die Generalisierung von Korrespondenzen gelegentlich aber auch ohne Rückgriff auf kognate Morpheme zustande kommen, auch wenn eindeutige Lautkorrespondenzen eigentlich nur historisch bestehen. So lautet das Verb zum Substantiv Schnider ‘Schneider’ (das nach W III:54 erst Ende des 16. Jhs. älteres Schroder abgelöst hat) kölnisch nicht schnide, sondern schnigge, das [i:] in Schnider muss demnach wohl auf eine Angleichung nur des Vokals, etwa in Analogie zu Weib – Wiif, zurückgeführt wer-

Material und Datenaufbereitung

81

den, wenn es sich um eine lexikalische Übernahme aus dem Nhd. handelt. In dieser Weise ist umgekehrt auch eine vollständige oder partielle „Verhochdeutschung“ dialektaler Wortformen über Umsetzungsregeln bzw. Analogie möglich. Es können also Formen gebildet werden, die sich nur im Hinblick auf einzelne phonologische Merkmale unterscheiden, auch wenn der Gegensatz zwischen basisdialektaler und standardsprachlicher Form mehrere Merkmale betrifft. Das hier zugrundegelegte Konzept von Variable soll zunächst einmal möglichst neutral gegenüber jeder Vorannahme sein; es wird also sehr weit gefasst und könnte theoretisch ebenso auf Switching zwischen verschiedenen Sprachen angewandt werden wie auf einen systematischen, kontinuierlichen Übergang vom Dialekt zum Standard durch „Regelabbau“82. Gemeint ist damit nur, dass bestimmte Einheiten im Repertoire als Alternativen zur Verfügung stehen (vgl. GUMPERZ 1994, 613; DURRELL 2004, 195; 197–198). Wenn auch einzelne Phoneme als Varianten oder Realisierungen einer Variablen bezeichnet und behandelt werden, einfach weil sie in Äußerungen bei ansonsten gleichen Segmentketten alternativ auftreten können, so impliziert das noch keine Annahmen hinsichtlich der Organisation dieser Alternative im Sprachwissen bzw. im Sprachproduktionsprozess. Es kann sich um „Korrespondenzen“ handeln, wie sie zwischen den Phonemen in Kognaten bestehen, es kann sich auch tatsächlich um Anwendung oder Nicht-Anwendung phonologischer Regeln handeln. Auch die Feststellung umgebungs- und lexemspezifischer Unterschiede bei der Realisation von phonologischen Variablen verweist nicht zwingend auf das Konzept generativer Variablenregeln, sondern kann ebensogut dahingehend verstanden werden, dass phonologische Transferenz bzw. Integration unter bestimmten (artikulatorischen oder Frequenz-) Bedingungen begünstigt oder gehemmt werden. Die Aufnahmen wurden aus praktischen Gründen nicht in Lautschrift transkribiert, sondern in einer durch einige phonetische Zeichen ergänzten literarischen Umschrift (s. genauer Kap. 5.1.2). Eine Lautschrift-Transkription hätte zum einen für eine automatisierte variablenanalytische Auswertung in vielen Punkten unnötigen Aufwand (und unnötige Sonderzeichen, mit den daraus folgenden Problemen der maschinellen Verarbeitung) bedeutet. Zum anderen wäre sie trotz dieses Aufwands nicht ausreichend gewesen, um die Varianten einer Variablen eindeutig zu identifizieren. Für letzteres sind ja über den Lautwert hinaus lexemspezifische Zusatz-Informationen bzw. ein historisches Bezugssystem notwendig. Dementsprechend wurde eine Abwandlung literarischer Umschrift entwickelt, die eine Reihe zusätzlicher Diakritika für die Zuordnung zu den Variablen mit umfasst (etwa j° und ú in j°út ‘gut’ gegenüber j und u in jubeln). Diese Diakritika wurden z. T. schon im Zuge der Transkription eingefügt, z. T. auch in gesonderten Durchgängen nachgetragen (unter Ausnutzung möglicher Automatisierungsschritte, vor allem in Abhängigkeit von phonetischen Kontexten oder unter Benutzung von Wortformenlisten, so dass jede – eindeutige – Wortform nur einmal manuell zu kennzeichnen war). Der in dieser Weise markierte Text verliert zwar an Lesbarkeit, erlaubt aber im nächsten Schritt eine weitgehend automatische Einfügung 82 Auch wenn dieses Konzept nicht wahrscheinlich nicht passt, vgl. Kap. 1.5.

82

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

von variablenbezogenen Annotationen der Form ([Variable]/1) oder ([Variable]/0) – 1 steht für dialektale bzw. Nonstandard-Realisierung, 0 für standardsprachliche, also im Beispiel jut: j°út(j_D)(ou_ST). Damit ist die Variantenwahl im Rahmen der festgelegten Variablen sowohl für die Gesamt-Auswertung als auch für Untersuchungen, die sich auf kleinere Einheiten des Textes oder den Verlauf der Variantenwahl beziehen, unmittelbar automatisch zugänglich83. Bei einigen Variablen sind Zwischenstufen möglich, etwa bei der Koronalisierung von [ç], dies hätte aber in keinem Fall angemessen berücksichtigt werden können, auch hier wurde also bei der Transkription eine binäre Entscheidung getroffen. Zum Teil geht es bei Formen, die bisweilen als Zwischenstufen oder Zwischengrade in der Realisierung einer Variablen dargestellt werden, auch eigentlich um die Kombination verschiedener Variablen, etwa bei Zwischenformen wie nischt, nisch oder nich statt standardsprachlich nicht oder dialektal nit, net. Derartige Formen, die in dieser Arbeit ja gerade von besonderem Interesse sind, wurden dementsprechend als Kombination zweier Variablenwerte kodiert. (Sofern bestimmte Variantenkombinationen dabei grundsätzlich nicht möglich sind, wird dies in der Analyse berücksichtigt – die lexikalische Variante nicht kann mit und ohne Koronalisierung von [ç] und t-Tilgung realisiert werden, während nit dies natürlich ausschließt.) Die Zweistufigkeit des Vorgehens – 1. Transkription mit Markierung durch Diakritika und 2. Annotation – erlaubt einen Zwischenschritt: Während sich die Markierung bei den phonologischen Variablen auf die systematischen Alternativen (vor allem Dialekt-Standard-Gegensätze) bezieht und ausnahmslos alle entsprechenden Fälle erfasst, kann bei der Annotation genauer festgelegt werden, worauf die Auswertung zugreifen soll. So konnte auf der Basis der markierten Wortformen zunächst geprüft werden, ob bei den Realisierungen einer potentiellen Variablen deutliche lexemspezifische oder von der Lautumgebung abhängige Unterschiede zu bemerken sind. Da im Zentrum des Interesses hier nicht die Ergebnisse für einzelne Variablen stehen (im Sinne von Variablenregeln), sondern die Ergebnisse für Variablen-Kombinationen, genügt es nicht, solche Abstufungen festzustellen: Wie sich besonders im Fall der Entsprechungen zu standardsprachlichem /g/ zeigt, können sich aus den Abstufungen auch interne Implikationsbeziehungen ergeben. (Auch für eine global-statistische Auswertung, die der Beschreibung und dem Vergleich von Sprecher(gruppen)- und Situationsprofilen über Variantenanteile dient, muss solchen Abstufungen allerdings Rechnung getragen werden, zumindest müsste sichergestellt werden, dass die Verteilung der relevanten Lexeme und Lautumgebungen bei den verglichenen Sprechergruppen bzw. Situationen ungefähr dieselbe ist.) Der einfachste Weg ist daher die Aufspaltung einer Variablen in mehrere, sofern die jeweilige Beleglage dies zulässt. Die endgültige Annotierung folgt dann dieser korrigierten/präzisierten Definition der Variablen. Für eine global-statistische Auswertung hätten natürlich schon geordnete Wortformen-Indizes für die entsprechenden Texte (normalerweise: Texte der 83 Die gesamte Verarbeitung und Auswertung wurde mit speziell dafür erstellten SPITBOLProgrammen vorgenommen.

Material und Datenaufbereitung

83

Einzelsprecher) genügt. Da es hier aber darum geht, auch möglichen intrasituativen Wechsel zu berücksichtigen und dementsprechend eine „lokal-statistische“ Auswertung der Kookkurrenz vorzunehmen, war es unerlässlich, über annotierte Transkripte der Texte in ihrem originalen Verlauf zu verfügen. Die Texte wurden mit einer Interpunktion und zusätzlichen Zeichen versehen, die den Zugriff auf syntaktische Einheiten (einfache Haupt- oder Nebensätze und komplexe Sätze) erlaubt. Dabei wurden Sprechpausen, Abbrüche bzw. Zögern und Wortwiederholungen markiert und es wurde gekennzeichnet, ob der Satz als syntaktische Einheit danach weitergeht oder nicht. Die für gesprochene Sprache typischen Brüche in der Konstruktion wurden als Satzgrenzen gewertet. Bei sich unterbrechenden Beiträgen verschiedener Sprecher wurde ebenfalls durch Markierungen kenntlich gemacht, ob die „Bruchstücke“ ein syntaktisch geschlossenes Ganzes ergeben. Der annotierte Text sieht also aus wie im folgenden Beispiel: wat(dat_D) ich(sch_ST) mich(sch_ST) jetz(sons_D) besonders drüvve(v_D) jefreut(je_D) han(unreg_D) : en(dekl_D) Kollejin(ej_D) , die jejen(j_D)(ej_D)-üvve(v_D)(vokquant_D) sitz(0t_D) bei mir im Zimmer – un(un_D)wenn=isch(sch_D) dƥ(oa_D) || mer(mer_D) han(unreg_D) uns • immer jut(j_D)(ou_ST) verstand’n(n_ST) – un(un_D)=eh – mer(mer_D) han(unreg_D) uch ƥvens(v_D)(oa_D) dann uns jet privat verzaθθt(vokquant_D)(unreg_D)(l_D). jetz(sons_D) • geht(j_ST)=se weg jitt(j_D)(unreg_D) am vi[x]zehnten(r_F) den(dekl_ST) Ausstand(iik_ST) un(un_D) hät(unreg_D) mish(sch_D) in(iik_D)-jeladen(je_D)(n_ST) . .; : || – markieren Grenzen einfacher und komplexer Sätze (|| steht für Brüche in der Konstruktion) , markiert Grenzen einfacher Sätze – bzw. • markiert Sprechpausen ohne bzw. mit Fortführung des Satzes (ohne: wird als Satzgrenze gewertet)

Für die Auswertung wurden die Texte der verschiedenen an einem Gespräch beteiligten Sprecher getrennt. Für jeden Sprecher wurde eine separate Datei mit dessen Text erstellt, wobei die Grenzen der Redebeiträge markiert sind. Das bedeutet zwar, dass z. B. Akkommodationsphänomene im Rahmen der Interaktion unkenntlich werden und allgemein die Äußerungen aus dem Gesprächskontext herausgerissen werden. Für eine quantitative Analyse sind diese Aspekte jedoch ohnehin kaum zugänglich. Im Rahmen der globalen Auswertung in Kap. 4 ist daher – wie üblich – der Sprechertext die Bezugseinheit. Für die lokale Kookkurrenzanalyse ist dagegen ohnehin der einzelne Redebeitrag die größte untersuchte Einheit. Darüber hinaus wird zum Teil noch eine Einheit „fünf aufeinanderfolgende Redebeiträge“ konstruiert und analysiert, dies dient aber nur dem Vergleich mit den kürzeren „natürlichen“ Einheiten. Textpassagen, in denen die Sprecher andere zitieren, wurden als Zitat markiert und in der globalen Auswertung in Kap. 4 vollständig ausgenommen, da hier von vornherein verstärkt mit innersituativem Lagenwechsel gerechnet werden muss (zur Behandlung der Zitate in der Auswertung der Kookkurrenz s. Kap. 5.1).

84

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

Standardsprachliche Entlehnungen, d. h. Wörter, für die kein dialektales Äquivalent existiert, wurden dagegen nicht prinzipiell ausgeschlossen, sofern sie aus Morphemen bestehen, zu denen dialektale Äquivalente existieren. (Wenn bestimmte Wörter dagegen schon im Basisdialekt aus dem Rahmen der historischsystematischen phonologischen Verhältnisse fallen, werden sie nicht als Belege für die entsprechenden Variablen gewertet.) Zwar beeinflussen Entlehnungen (etablierte wie okkasionelle) natürlich die variablenanalytische Bilanz, gleichzeitig ist die Möglichkeit einer „Einlautung“ aber in allen mitgerechneten Fällen zumindest gegeben und kann von Fall zu Fall verschieden realisiert sein. SCHEUTZ (1985b, 247–251) legt dar, wie schwierig die Beurteilung der Möglichkeit einer dialektalen Realisierung in solchen Fällen ist, und entscheidet sich letztendlich für einen Ausschluss aller Fälle, von denen er aufgrund seiner eigenen Dialektkompetenz „annehmen konnte, dass sie im Dialekt entweder nicht vorkommen oder so jedenfalls nicht gebräuchlich sind“ (ebd., 250). Ein solches Vorgehen bedeutet allerdings, dass die Einstufung einer Sprachlage aufgrund von Varianten-Anteilen unter Umständen zahlreiche derartige „Inseln“ außer Acht lässt. SCHEUTZ (ebd., 251) sieht hier zu Recht ein zentrales und zumeist schweigend übergangenes Problem quantitativer Untersuchungen, dessen Lösbarkeit er grundsätzlich bezweifelt. Vor dem Hintergrund der Überlegungen in Kap. 2.1 verbindet sich dies jedoch mit den Problemen, die die innersituative Variation für global-statistische Analysen überhaupt mit sich bringt. Unter dem Aspekt der Kookkurrenz macht dagegen auch der Umgang mit Entlehnungen die existierenden Möglichkeiten und Restriktionen sichtbar.

3.3 DIE VARIABLEN Als potenzielle Variablen werden zunächst einmal alle Merkmale betrachtet, hinsichtlich derer der ripuarische Dialekt oder der alltagssprachliche Gebrauch im „mittleren Bereich“ sich von der Standardvarietät unterscheidet. Auch einige überregionale Nonstandard-Merkmale wurden einbezogen, also Allegroformen, die im ganzen Sprachraum oder in einem großen Teil desselben gebräuchlich sind und wahrscheinlich anders variieren als die spezifischen Dialektmerkmale (vgl. etwa SPIEKERMANN 2005). Zu den Merkmalen regionaler Umgangssprachen werden aber oft beide gezählt (vgl. z. B. MIHM 2000, 2117), was zum einen damit zu tun hat, dass es auch bei Allegroformen großregionale Unterschiede gibt (vgl. BEREND 2005 zu unterschiedlichen regionalen Gebrauchsstandards), zum anderen damit, dass beide Typen von Merkmalen bis zu einem gewissen Grad ähnliche pragmatische Funktionen erfüllen können. Dass Allegroformen als Informalitätsmarker (s. SCHMIDT/HERRGEN 2011, 360) fungieren können, gilt natürlich vor allem dann, wenn sie nicht im Allegro auftreten, sondern in langsamerem Sprechtempo realisiert werden. Umgekehrt ist jedoch auch davon auszugehen, dass die Wahl des Sprechtempos dem Artikulationsprozess zumeist nicht völlig unabhängig vorausgeht, sondern dass das Tempo an die Erfordernisse einer sorgfältigen,

Die Variablen

85

nicht-reduktiven Artikulation angepasst wird, wenn wirklich standardsprachliche Rede intendiert ist. Im Folgenden werden die in Frage kommenden Merkmale kurz dargestellt; unter Berücksichtigung erster globaler Auswertungsergebnisse (jeweils Anteil der Varianten insgesamt und Mittelwert der Anteile pro Text) werden dabei die im weiteren verfolgten Variablen bestimmt. Besonders wichtig – vor allem im Hinblick auf die systematische Untersuchung der Kombinationen von verschiedenen Variablen – ist eine ausreichend hohe Belegdichte: Potentielle Variablen, die insgesamt weniger als ca. 500mal belegt sind oder in mehr als drei Texten nicht jeweils mindestens sechsmal vorkommen, wurden daher ausgeklammert. Darüber hinaus muss bei verschiedenen Merkmalen auch diskutiert werden, welche Spezifizierungen bzw. Einschränkungen vorgenommen oder jedenfalls geprüft werden müssen. Diese Entscheidungen stützen sich ebenfalls auf die globalen Auswertungsergebnisse, anhand derer zumindest entschieden werden kann, ob erhebliche lexemspezifische oder umgebungsspezifische Unterschiede vorkommen. Im Gegensatz zur Kookkurrenz-Analyse werden hierbei (wie auch in Kap. 4) noch alle Belege im Gesamtmaterial mitgezählt, unabhängig vom Variationsverhalten der jeweiligen Sprecher. Angesichts der beträchtlichen Variation zwischen den einzelnen Aufnahmen, sowie auch innerhalb dieser, kann Lexemspezifik und die Rolle des Lautkontextes nur annäherungsweise untersucht werden, bei jeweils häufig belegten Lautumgebungen oder hochfrequenten Einzellexemen. Es geht jedoch auch nicht vorrangig darum, die Wirkung dieser Faktoren zu untersuchen, sondern darum, dadurch bedingte Verzerrungen zu vermeiden. Soweit möglich, wird also aus dem Auftreten deutlicher umgebungs- oder lexemspezifischer Unterschiede die Konsequenz gezogen, dass die betreffende Variable aufgeteilt wird in mehrere, hinsichtlich der Umgebung spezifizierte Variablen. Die Benennungen der Variablen (im Text typographisch abgehoben) zielen vor allem auf unmittelbare Durchsichtigkeit ab84, Großbuchstaben stehen dabei für phonologische Korrespondenzen, die eine größere oder große Reihe von Wörtern betreffen, Kleinbuchstaben für lexem- bzw. morphemspezifische Variablen. „0“ in „0/T“ u. ä. steht für Tilgung85. In den Beschreibungen in der Spalte „Merkmale“ der Tabellen sind z. T. diachrone Gesichtspunkte bzw. ein historisches Bezugssystem mit einbezogen. Dies dient nur der Identifikation und hat 84 Angesichts der erheblichen Probleme mit Sonderzeichen bei Verwendung verschiedener EDV-Hilfsmittel mussten Sonderzeichen möglichst vermieden werden. Die Alternative, eine Durchnummerierung der Variablen, erschien jedoch bei der Anzahl von 33 Variablen zu leserfeindlich. Die häufig anzutreffenden „dynamischen“ Bezeichnungen wie g-Spirantisierung verweisen allerdings in erster Linie auf das Konzept der Variablenregeln bzw. auf die Ableitung der Dialekt- aus der Standardform. Solche Bezeichnungen werden daher hier vermieden, sofern nicht tatsächlich eine synchrone Regel angenommen wird wie z. B. bei der t-Tilgung oder zumindest die historische Entwicklung einer derartigen Bezeichnung entspricht. In den letzteren Fällen wurden die „dynamischen“ Bezeichungen nur wegen des praktischen Vorteils der Benennung gewählt. 85 In einigen Diagrammen steht aus technischen Gründen „x“ statt „0“.

86

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

nichts mit einem entsprechenden Variablenkonzept, wie es vor allem MATTHEIER (1979) entwickelt hat, zu tun.

3.3.1 Konsonantische Merkmale

Unverschobenes germ. p Der Konsonantismus des Ripuarischen weicht in einigen markanten Punkten vom Lautverschiebungsstand des Standarddeutschen ab. Insbesondere germ. p ist im Ripuarischen in verschiedenen Positionen nicht zu (p)f verschoben. Schon aufgrund der bekannten arealen Auffächerung dieser Erscheinung ist zu differenzieren zwischen westgerm. p im Anlaut, pp (allgemein westmitteldeutsch) und p nach Liquid (nur ripuarisch und weiter nördlich) sowie in op, up ‘auf’ (aus einer Form mit geminiertem p, ebenfalls nur ripuarisch und weiter nördlich). Eine Zusammenfassung von p/pf im Anlaut und pp/pf ist nicht möglich, da im Anlaut – und nur da – die zusätzliche Nonstandard-Variante f existiert. Bei einigen Wörtern hat sich dieses f auch im Dialekt schon seit Längerem durchgesetzt (vgl. W I: 228/II: 301 und RhWb Bd. 6, Sp. 759–760 zu ‘Pflanze/pflanzen’ oder RhWb Bd. 6, Sp. 761 zu ‘pflegen’). Auch nach Liquid gilt im Ripuarischen nur noch eingeschränkt p, vgl. ELSPASS (2000, 264–265), vgl. a. W III:272 zu werfe, 13.-16. Jh. noch werpen, oder ebd., 15 zu scharf. Zudem ist p in dieser Position nicht häufig belegt. Angesichts dieser Notwendigkeit positions- und lexemspezifischer Differenzierung genügt die Belegzahl für unverschobenes p (außer bei ‘auf’) nicht für weitere Untersuchungen. ‘Auf’ ist dagegen häufiger belegt, wobei der Dialektanteil nicht hoch ist. Variable

Merkmal

op/auf

unverschobenes p in ‘auf’

Bel. ges. D-Var. ges.

928

14.33 %

D-Var./Text (Mittel)

20.29 %

Von den arealen Verhältnissen im Dialekt her besteht zwar kein Unterschied zwischen der Funktion von op/auf als Präposition (vgl. DiWA 447 ‘auf’ und 489 ‘auf’) und als Verbpartikel (DiWA 14 ‘auf’, Satz: ... hört auf), dennoch wurde geprüft, ob die Ergebnisse für die Verbpartikel (besonders in Kontaktstellung) eventuell von denen für die Präposition abweichen. Es ergibt sich jedoch nur ein sehr geringer Unterschied: Für die Verbpartikel liegt der Dialektanteil insgesamt bei 15.0 % (nur in Kontaktstellung: 12.1 %86), für die Präposition und das Präpositionaladverb d(a)rauf bei 15.4 %. Die Vokalqualität, die im Dialekt o und u sein 86 Angesichts der eher geringen Belegzahl und der globalen Auswertung, die durch unregelmäßige Häufung von bestimmten Wörtern in bestimmten Gesprächsabschnitten bei bestimmten Sprechern beeinflusst wird, sagt dieser Unterschied nichts aus.

87

Die Variablen

kann, wird im Weiteren nicht berücksichtigt (vgl. a. die Ergebnisse von MACHA 1991, 95).

Unverschobenes germ. t Bei germ. t ist der Unterschied Standard-Dialekt nicht systematisch: Unverschobenes t tritt im Mittelfränkischen nur in einigen Lexemen auf – neben Einzelfällen wie Schottel ‘Schüssel’ bekanntermaßen vor allem in dat, wat, et, den stereotypen Merkmalen rheinischer Umgangssprache87. Da es sich nur um drei Wörter mit verwandter Funktion (Artikel/Pronomen neutrum) handelt, ist hier eindeutig, dass die Variation auf lexikalischer Ebene angesiedelt ist; es kann nicht einmal von einer „Lautkorrespondenz“ gesprochen werden. Variable

Merkmal

Bel. ges.

dat/das

unverschobenes t in ‘das’, ‘was’, ‘es’

6858

D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

64.58 %

64.7 %

Der Dialektanteil ist hier dem Stereotyp gemäß erheblich höher als bei op/auf. Auffällig ist, dass sogar der aus Franken stammende Sprecher S 39 (der in der Gesamtauswertung nicht mitgerechnet ist) hier einen Dialektanteil von 87 % hat, während er sonst kaum ripuarische Varianten verwendet88 (ähnliche Fälle von Akkommodation gerade bei diesem Merkmal beobachten FROITZHEIM 1984, 181 und LAUSBERG 1993, 110). Angesichts der unterschiedlichen Frequenz der Wörter und z. T. unterschiedlicher Ergebnisse für ‘das’, ‘was’ und ‘es’ in anderen Erhebungskontexten89 ist eine getrennte Prüfung sinnvoll. Die Unterschiede erweisen sich für das vorliegende Korpus jedoch als nicht erheblich. Merkmal

Bel. ges.

D-Var. ges.

D-Var./Text (Mittel)

‘das’ ‘was’ ‘es’

4442 1266 1150

66.5 % 63.67 % 61.48 %

65.42 % 66.4 % 62.3 %

Im Weiteren werden daher ‘das’, ‘was’ und ‘es’ unter der Variablen dat/das zusammengefasst.

87 Vgl. die Umschreibung einer Zwischenlage zwischen Dialekt und Standard als „Dat-un-watSprache“, CORNELISSEN (2001, 362). 88 Er benutzt nur häufig [x] bzw. [ç] für standardsprachliches g im Auslaut, was auch in seiner Herkunftsregion üblich ist (vgl. AdA Karte ‘Tag’). Im Anlaut verwendet er dagegen nur zu 6.5 % den Frikativ j für standardsprachliches g. 89 S. MACHA (1991, 173); vgl. a. SCHLOBINSKI (1987, 139) für Berlin – anders dagegen LAUSBERG (1993, 112).

88

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

Bei einer Differenzierung von das nach den Funktionen als Konjunktion, Artikel und Pronomen90 zeigt sich vor allem, dass die Konjunktion im Vergleich fast verschwindend gering belegt ist. Der Dialektanteil ist bei einigen Sprechern für beide genau gleich, bei einigen für Artikel/Pronomen geringfügig höher. Letzteres könnte sich schließlich jedoch auch damit erklären, dass ein Zusammenhang zwischen hypotaktischem Satzbau und standardsprachlicher Realisierung der Variablen besteht. Eine Differenzierung der Variablen erscheint hier jedenfalls nicht notwendig. Schließlich wäre ein möglicher Zusammenhang mit der häufig folgenden Wortform ist denkbar, nämlich eine Präferenz für dat is statt das is im Sinne einer Dissimilation – auch dies spielt aber offenbar höchstens eine geringfügige Rolle: Der Anteil von dat beträgt vor is(t) 66.8 % und vor anderen Folgewörtern 63.0 %.

v vs. b im In- und Auslaut Mit dem (außer im Anlaut) frikativ gebliebenen germ. Ŵ steht das Mittelfränkische nicht nur im Fall einiger lexikalischer Relikte, sondern systematisch auf der Seite der anderen germanischen Sprachen, im Gegensatz zum übrigen Hochdeutschen. Allerdings wird auch in weiten Teilen des übrigen hd. Raums intervokalisches b sowie b nach Liquid frikativ (vgl. SCHIRMUNSKI 1962, 303–304), dabei handelt es sich jedoch um einen phonologischen Prozess, der auch wortübergreifend wirkt (vgl. ebd. 1962, 304) und von der Position zwischen Vokalen bzw. zwischen Liquid und Vokal abhängt. Der mittelfränkische Frikativ ist dagegen lexikalisiert und steht – stimmlos – auch im Auslaut (korf ‘Korb’) am Satzende sowie vor Konsonant (selfs ‘selbst’). In einigen Wörtern ist im Ripuarischen älteres v durch b abgelöst worden; diese Wörter wurden nicht ausgewertet. Variable

Merkmal

Bel. ges.

V/B

Frikativ vs. Plosiv für germ. Ŵ

3352

D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

15.69 %

18.18 %

Der Dialektanteil bei V/B ist also insgesamt recht niedrig. Der Unterschied zwischen den Ergebnissen für die stimmhafte und die stimmlose Variante ist minimal (2 % ges.), eine Begünstigung des Frikativs durch die intervokalische Position spielt demnach keine Rolle. Auch der Unterschied zwischen der Position nach Vokal und der – sehr viel schwächer belegten – Position nach Liquid, deren Sonderstellung MATTHEIER (1987, 545 u. ö.) sehr hervorhebt91, liegt im vorliegenden Material unter 3 %. Die Variable ist besonders häufig in ‘aber’ belegt (ca. 29 % der Belege), etwas häufiger auch noch in ‘ab’ (zumeist als Verbpartikel – ca. 8 % der Belege). Rechnet man getrennt, liegt der Dialektanteil bei ‘aber’ höher als bei 90 SCHLOBINSKI (1987, 144) stellt für Berlin einen Unterschied für dat/das als Konjunktion (meistens -s) und als Artikel/Pronomen (meistens -t) fest. Für das Rheinland bestätigen dies jedoch weder MACHA (1991, 174) noch LAUSBERG (1993, 112). 91 Im Erp-Material handelt es sich hiernach um einen Unterschied von ca. 20 %.

89

Die Variablen

den übrigen Wörtern (19 % gegenüber 10.8 %). Hierauf ist später zurückzukommen (s. Kap. 6.2), für eine Aufspaltung der Variablen ist der Unterschied jedoch nicht gravierend genug. Bei af/ab liegen die Ergebnisse in der Mitte (14.9 % af in Kontaktstellung und 14.7 % af in Distanzstellung – diese Unterscheidung ist also offenbar irrelevant).

Unverschobenes germ. d Germ. d ist im Ripuarischen grundsätzlich nicht zu t verschoben. Zum Teil ist d dagegen zu g velarisiert (s. u.). Diese Velarisierungsfälle (mit t im Standard) sind gesondert zu erfassen, aber nicht von vornherein aus der Betrachtung auszuklammern: Zu prüfen wäre, ob Zwischenformen auftreten, die weder Standard-t noch den dialektalen Velarlaut, sondern d haben (also etwa widder, wiider oder weider statt wigger (Dialekt) oder weiter (Standard)) – sei es als verkehrsdialektale Form, sei es infolge einer Anpassung der Standard-Form mit Hilfe einer Umsetzungsregel t Ÿ d. Im Lehnwort Zeidong ‘Zeitung’ (W92) – neben Zick ‘Zeit’ – gibt es diese Erscheinung jedenfalls (s. a. Kap. 9.). Variable

Merkmal

D/T

unverschobenes germ. d

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

2611

15.1 %

15.46 %

Auch bei D/T ist der Dialektanteil gering. Irgendwelche spezifischen Lexeme oder Lautkontexte treten auch hier nicht hervor; die Annahme, d könne intervokalisch häufiger auftreten als im Anlaut, bestätigt sich auch hier nicht.

Velarisierung von Alveolaren Die ripuarische Velarisierung von Alveolaren (d, n) nach hohen Langvokalen (vgl. MÜNCH 1904, 41–43 § 46) stellt ein besonders charakteristisches Merkmal dar, dessen Entstehung nicht recht geklärt ist93. Auch das Alter dieses Lautwandels ist nicht sicher. Es handelt sich aber in jedem Fall um eine vergleichsweise jüngere Erscheinung, deren Geltungsareal sowohl nach der Lautumgebung als auch z. T. von Wort zu Wort deutlich schwankt (vgl. SCHIRMUNSKI 1962, 396– 397). Auch nach Kurzvokal (vor allem hohen Kurzvokalen, s. MÜNCH 1904, 97 § 117) + n ist d, t velarisiert; diese Erscheinung ist nach Osten hin erheblich groß92 Bei Verweisen auf Wörterbücher wird auf Seitenabgaben verzichtet, wenn die hier angegebene Wortform, auf die sich der Verweis bezieht, identisch mit dem dort alphabetisch eingeordneten Lemmaansatz ist. 93 Vgl. GILLES (1999, 212) – die dort diskutierte Herleitung von BRUCH (1954, 128) setzt die Formen mit -kt, die sich am Rand des Velarisierungsgebiets finden, als Übergangsformen an, SCHIRMUNSKI (1962, 396) deutet sie dagegen als Kompromissformen.

90

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

räumiger im mitteldeutschen Raum verbreitet als die Velarisierung nach hohen Langvokalen, das rheinische Areal ist aber auch hier recht klein und abgeschlossen (vgl. DiWA 545 ‘hinten’/174 ‘Zeiten’). Auch hier gibt es außerdem weitere Unterschiede innerhalb des Ripuarischen, die sich zum einen aus lexemspezifisch verschieden weit reichender Ausbreitung an den Rändern, zum andern aus Verdrängung durch nicht velarisierte Formen im Zentrum (vom Stadtkölnischen aus) ergeben (s. FRINGS 1956: 116). Durch die Abhängigkeit vom vorausgehenden Vokal kommt es bei der Velarisierung teilweise zum Wechsel zwischen Velar und Alveolar innerhalb eines Flexionsparadigmas. So wechseln bei starken Verben der mhd. Klasse I g im Präsens (ehem. langes î) und d im Präteritum/Partizip II (ehem. kurzes i) (schnigge – jeschnedde MÜNCH 1904, 171 § 225, W III:54, TILING-HERRWEGEN 2002, 199). Im Stadtkölnischen hat sich im Zusammenhang mit dem Umlaut bei manchen Wörtern auch ein Wechsel zwischen Singular und Plural etabliert: Sg. Hand, Zand ‘Zahn’ – Pl. Häng, Zäng (vgl. TILING-HERRWEGEN 2002, 133, W). Der stadtkölnische Wechsel zwischen Kind und dem Diminutiv Kingche (W) ist dagegen wohl mit ungleichmäßiger Verdrängung der velarisierten Form und evtl. mit Analogie zu Umlautfällen wie Hand, Hängche zu erklären; auf unterschiedliche Verdrängung geht wohl auch das Nebeneinander von Lind ‘Linde’ und Ling ‘Stadtteil Lind’ (KWb/W) oder bei Linkzeiche/Lintzeiche ‘Muttermal’ (W) zurück. Die Velarisierung ist also im heutigen Ripuarischen kein systematisches und stabiles Merkmal. Dennoch hat sie durch die lautliche Auffälligkeit (vgl. Kap. 8.2) und das Vorkommen in häufigen Wörtern wie hück ‘heute’, Lück ‘Leute’, Zick ‘Zeit’ oder den Possessivpronomina ming, ding, sing den Charakter eines Dialekt-Stereotyps. Angesichts der lokalen Unterschiede und darüber hinaus der lokalen Koexistenz verschiedener Formen wurde die Auswertung vorsichtig gehandhabt: Für die Velarisierungsvariable wurden überhaupt nur die Wortformen annotiert, die nach Ausweis der Literatur jeweils im Herkunftsort des Sprechers eindeutig velarisiert sind (Dies birgt natürlich das Risiko, dass ein veralteter Stand des Dialekts vorausgesetzt wird.) oder die von dem jeweiligen Sprecher selbst irgendwo in velarisierter Form verwendet werden. Variable

Merkmal

G/T

Velarisierung von Alveolaren nach mhd. hohem Langvokal/nach n

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

2021

14.25 %

17.85 %

Dass der Anteil dialektaler Belege sich hier im selben Rahmen bewegt wie bei großräumiger verbreiteten Dialektmerkmalen, lässt annehmen, dass keine Tendenz hin zu einem „Verkehrsdialekt“ ohne dieses auffällige kleinregionale Merkmal besteht – was sicherlich vor allem mit dessen Geltung im regionalen Zentrum Köln zusammenhängt. Eine Differenzierung zwischen den beiden regional unterschiedlich verteilten Velarisierungstypen (einerseits nach Langvokal, andererseits nach Kurzvokal + n) erweist sich als unnötig; bei getrennter Auswertung beträgt der Unterschied (ges.) 2.4 %. Das ist insofern hervorzuheben, als in den Fällen nach Langvokal immer

Die Variablen

91

mindestens zwei Variablen zusammen auftreten (Velarisierung und Diphthongierung), die reine Dialekt- und die reine Standard-Form sich also besonders deutlich unterscheiden (vgl. hück und heute). Das scheint aber keine Rolle zu spielen. Auch eine getrennte Auswertung der Possessivpronomina ‘mein’ ‘dein’ ‘sein’, die 25.7 % der Belege insgesamt ausmachen, erscheint nicht zwingend nötig: Der Dialektanteil ist bei den Possessivpronomina nur um 4 % höher als bei den übrigen Belegen.

Palataler und velarer Frikativ vs. Okklusiv Auch germ. ʨ ist im Ripuarischen frikativ geblieben, und zwar (wie im Nl.) in allen Positionen. Da der Frikativ je nach Position und Lautkontext in unterschiedlichen Ausprägungen auftritt (anlautend [j]94, nach vorderem Vokal inlautend [j], auslautend [ç] bzw. [ƣ] [ԙ], nach hinterem und zentralem Vokal inlautend [‫]׀‬, auslautend [x]) und der jeweilige Geltungsraum der frikativen Varianten dabei durchaus nicht gleich ist, erscheint es hier von vornherein ratsam, für die verschiedenen Positionen verschiedene Variablen anzusetzen. Wenn im Weiteren dennoch auf alle diese Variablen Bezug genommen werden soll, ist der Kürze halber von den „g-Variablen“ die Rede (bezogen auf die standardsprachliche Variante). a) im Anlaut vor Vokal Im Anlaut ist dialektales [j] statt [g] ein Kennzeichen des Ripuarischen (nach DiWA 187 ‘Gänse’ nach Norden und Süden leicht darüber hinaus verbreitet. Weiter nördlich schließt sich [x] bzw. [‫ ]׀‬an, [j] gilt dann wieder in Teilen des ostmitteldeutschen und ostniederdeutschen Raums, s. a. SCHIRMUNSKI 1962, 306–307). Ein phonetischer Unterschied zwischen diesem [j] und dem [j] in jede o. ä. besteht weder im Ripuarischen (vgl. MÜNCH 1904, 86) noch im Berlinischen (zum Zusammenfall vgl. FRINGS 1955, 186; LASCH 1928, 53–54; 7395). Verschiedene Beobachtungen weisen jedoch auf weitere kontextbedingte Unterschiede hin. Nach Untersuchungen zum Dialektabbau im Ripuarischen sowie zum Berlinischen (vgl. SCHLOBINSKI 1987, 105) ist [j] am stabilsten in dem Präfix ‘ge-’, und dies gilt offenbar auch in diatopischer Hinsicht, d. h. für Übergangsdialekte96. Ob der Grund darin liegt, dass es sich hier zumeist um ein Flexionsmorphem handelt (Partizip II), oder einfach in der Häufigkeit dieses Morphs, oder aber in der Unbetontheit der Silbe, ist dabei unklar. Eine Unterscheidung zwischen den beiden ersten Möglichkeiten ist auf der Basis der Daten kaum möglich, geprüft werden kann aber, ob auch die Silbe ge- in synchronen Simplizia wie genau, Gemüse häufiger mit [j] realisiert wird als betonte Silben mit g-Anlaut (s. u.). 94 Auf eine Unterscheidung von [j] (als Glide) und [͡] (als Frikativ) nach dem neueren IPA wird hier durchgehend verzichtet, vgl. dazu auch MAAS (2006, 57, Anm. 15). 95 Vom Anfang der frühneuhochdeutschen Zeit bis ins 16 Jahrhundert ist im Ripuarischen auch hyperkorrektes belegt (gener, gucken, gung), s. Fnhd.Gr. S. 100 § L48.4. 96 Vgl. SCHLOBINSKI (1987, 61); FRINGS (1955, 182), SCHIRMUNSKI (1962, 307).

92

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

b) vor Konsonant Ein weiterer Sonderfall ist die Position vor Konsonant (d. h. zumeist Liquid, da j/g + n seltener vorkommt). In verschiedenen Studien97 hat sich hier ein ganz erheblich niedriger Dialektanteil ergeben als vor Vokal, was offenbar artikulatorische Gründe hat. MATTHEIER (1979, 239) registriert allerdings besonders auch für die Position nach Liquid einen deutlich erhöhten Anteil von g. Dies wird ansonsten nicht berichtet und ist schwieriger zu erklären. Eine grundsätzliche Sonderrolle des Liquidkontextes, wie MATTHEIER sie auch bei V/B feststellt, ergibt sich aus den vorliegenden Daten nicht. HINSKENS (1992, 150) verweist darauf, dass der Cluster j+Liquid im Anfangsrand einer Silbe gegen die Sonoritätshierarchie verstoße und damit hochgradig markiert sei. Nach GILLES (1999, 244–245, Anm.73) ist die Tatsache, dass diese Kombination im Ripuarischen überhaupt möglich ist, nur mit einem dazwischentretenden Sprossvokal zu erklären98. RAMERS/VATER (1992, 103) argumentieren dagegen umgekehrt und werten das Auftreten von Kombinationen wie jl, jr im Ripuarischen und Berlinischen als Argument dafür, j zumindest in diesen dialektalen Inventaren als Frikativ statt als Glide zu werten. In jedem Fall ist auch die Folge stimmhafter Frikativ + Liquid oder Nasal im Anfangsrand durch den relativ geringen Anstieg der Sonorität ungünstig. Das im Ripuarischen erhaltene anlautende [vr] hat sich dementsprechend zu [fr] entwickelt (vgl. frenge ‘wringen’ u. a. Beispiele bei MÜNCH 1904, 87 § 106; vgl. a. SCHIRMUNSKI 1962, 367). Für den ripuarischen Basisdialekt wird in der Literatur zwar durchgehendes j unabhängig vom Folgelaut angegeben (vgl. SCHIRMUNSKI 1962, 306; MÜNCH 1904, 86 § 103). Für andere Gebiete ist jedoch schon im Basisdialekt eine kombinatorische Allophonie bezeugt, besonders in Übergangsgebieten99. c) im Inlaut Im Inlaut besteht im ripuarischen Dialekt kombinatorische Allophonie zwischen zwei frikativen Varianten, [j] nach vorderen Vokalen und Konsonanten und [‫]׀‬ nach hinteren und zentralen Vokalen. Die Verbreitung dieses Merkmals geht weit

97 Vgl. MATTHEIER (1979, 239), MACHA (1991, 161, 164) sowie auch SCHLOBINSKI (1987, 100,105,157–158) und ROSENBERG (1986, 124) für das Berlinische. LAUSBERG (1993, 132/133) konstatiert individuell sehr verschiedenes Verhalten. 98 MÜNCH (1904, 64 § 79) erwähnt das Auftreten eines Sprossvokals im Ripuarischen allerdings nur für Konsonantencluster im Endrand mit l r n an erster Stelle. 99 Z. B. im Wenkerfragebogen von Blankenheimerdorf in der Eifel findet sich zur Aussprache von die Angabe „wie ‘j’ in gut, Gott, aber wie ‘g’ in Gras, groß etc.“, s. MACHA (2005, 251 Anm. 15). Nach FRINGS (1955, 185) steht im östlichen j-Gebiet (südlich von Magdeburg, Harz usw.) prävokalisches j „in der Mehrzahl der Mundarten [...] im Wechsel mit Verschluß g vor Velar und l,r “. Nach SCHIRMUNSKI (1962, 307) weicht für g vor Liquiden die Grenze des Gebiets mit spirantischer Aussprache in Thüringen etwas nach Osten zurück. SCHIRMUNSKI (1962, 306) weist auch auf eine Allophonie zwischen [‫ ]׀‬und [g] (letzteres vor Liquid) in Teilen des Ostfälischen und Westfälischen hin. Auch im Berlinischen kommt nach SCHLOBINSKI (1987, 105) die [j]-Realisierung praktisch nur vor Vokal vor.

Die Variablen

93

über das Ripuarische hinaus, auch im hochdeutschen Raum (vgl. SCHIRMUNSKI 1962, 308–310). d) im Auslaut Im Silbenauslaut und vor stimmlosen Konsonanten ist Frikativ statt Okklusiv in den Dialekten noch weiter verbreitet. Außerdem ist in dieser Position eine den Dialekten entsprechende frikative Aussprache [ç], [x] statt [k] für /g/ auch in standardnaher Sprache im nördlichen und mittleren Teil Deutschlands weit verbreitet. Als Lautungsnorm des Standards ist bekanntlich nach einiger Diskussion ein etwas merkwürdig anmutender Kompromiss zwischen nördlicher frikativer und südlicher okklusiver Variante festgelegt worden (vgl. dazu etwa ROBINSON 2001, 1–6), der den Okklusiv fordert, in -ig jedoch den Frikativ, es sei denn, auch die nächste Silbe endet auf [́ç] wie in königlich100. Jedoch verbreitet sich offenbar zunehmend auch im Gebiet des dialektalen Frikativs nicht normgerechtes [k] in ig (vgl. z. B. AdA Kt. ‘König’). Dies stellt in gewisser Weise sicherlich eine Hyperkorrektion dar; anders als bei Formen wie Zwergfell oder Gunge, die im nördlichen und mittleren Sprachgebiet vor allem früher eine geläufige Erscheinung waren, steht im Fall von -ig bei vielen, gerade jüngeren Sprechern jedoch kein Bewusstsein der Unsicherheit aufgrund dialektal/regional geprägter sprachlicher Sozialisation dahinter, sondern die feste Überzeugung, die Aussprachenorm verlange [k]. Abgesehen von systematischen Gründen, die zu Zweifeln an der Aussprachenorm berechtigen können, gründet sich dieses Bewusstsein offenkundig auf die Orthographie. Variable

Merkmal

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

im Anlaut vor betontem Vokal 2875 46.92 % 50.25 % im Anlaut vor Schwa (außer 354 47.74 % 55.74 % Part.) je-/geim Präfix des Partizips II 2858 59.65 % 61.38 % Jl/Gl im Anlaut vor Konsonant 665 17.14 % 17.01 % eJ/eG im Inlaut nach vorderem Vokal 1532 40.01 % 48.58 % im Inlaut nach hinterem u. zentraaG_fr/aG 605 57.85 % 56.05 % lem Vokal im Auslaut oder vor stl. Kons., eCH/eG 467 63.38 % 66.28 % nach vorderem Vokal im Auslaut oder vor stl. Kons., aCH/aG nach hinterem und zentralem 906 85.76 % 82.6 % Vokal (Die nicht normgerechte Realisierung von -ig als [́k] kommt einige Male vor, aber insgesamt äußerst selten.) J/G

100 Für eine eingehendere Diskussion dieser Norm und ihrer phonologischen Implikationen s. ROBINSON (2001) und WIESE (2006, 206–209).

94

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

Die Ergebnisse für die g-Variablen bestätigen zum einen die relativ hohe Gebräuchlichkeit der dialektalen Varianten, zum anderen die Notwendigkeit der Differenzierung. So kann nicht nur die dialektale/regionale Realisierung im Auslaut (v.a. nach zentralem und hinterem Vokal) fast als allgemein obligatorisch bezeichnet werden, während die Werte im An- und Inlaut deutlich niedriger sind. Auffällig deutlich ist auch die Sonderrolle des Präfixes ‘ge-’ und vor allem der im Vergleich extrem niedrige Anteil des Frikativs für die Position vor Konsonant (d. h. Liquid, g vor n ist nicht belegt). Anscheinend hat der höhere Dialektanteil bei ge- tatsächlich auch mit der morphologischen Funktion zu tun, jedenfalls liegt der Dialektanteil bei den (erheblichen selteneren) synchronen Simplizia mit ge- (Gemüse, genug) niedriger. Für die weitere quantitative Auswertung wird daher nur das Präfix einbezogen. Darüber hinaus ist jedoch kaum eine Abhängigkeit vom Folgelaut festzustellen: Während LAUF (1996, 215) für Brandenburg feststellt, dass die Verwendung von [j] oder [g] vor Hinterzungenvokalen sprecherspezifisch, vor Vorderzungenvokalen (allerdings inclusive Schwa bzw. ‘ge-’) jedoch allgemein ist, zeigt sich ein solcher Unterschied im vorliegenden Material (ge- ausgenommen) nicht. Variable

J/G

Merkmal

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

g vor hinterem und zentralem Vokal 1461 g vor vorderem Vokal 1388

49. % 44.59 %

51.1 % 49.46 %

MACHA (1991, 162–165) beobachtet, dass der Standard-Anteil in seinen Daten im Anlaut höher ist als im Inlaut, auch dies gilt für die hier vorliegenden Daten nicht. Das könnte sich damit erklären, dass es sich im vorliegenden Korpus nicht wie bei dem von MACHA ausgewerteten Material um intendierten Standard handelt, dass also der Aspekt der besseren Kontrollierbarkeit im Anlaut – so MACHAS Erklärung für den Unterschied – nicht relevant ist. Für den Inlaut wird aufgrund der unterschiedlichen Allophone im Dialekt die Unterscheidung zwischen der Position nach vorangehendem vorderem vs. hinterem und zentralem Vokal beibehalten, obwohl der quantitative Unterschied nicht gravierend ist. Im Auslaut bzw. vor stimmlosen Konsonanten ergeben sich dagegen deutliche Unterschiede zwischen palataler und velarer Variante. Trotz der etwas zu geringen Belegzahl in der Position nach vorderen Vokalen wird die Unterscheidung daher beibehalten, allerdings in Kap. 5 dann nicht mehr durchgehend. Betrachtet man die Ergebnisse für [x] näher, stechen vor allem zwei Belegwörter quantitativ hervor: Tag und gesagt. Der Dialektanteil der übrigen Wörter liegt niedriger (75.4 %), während er für Tag 80.56 % beträgt und für (ge)sagt gar 95.1 %. Auch ELMENTALER (2008, 76–80) stellt in Daten aus dem niederfränkischen Raum eine lexemspezifische Staffelung des Anteils frikativer Realisierungen fest, ebenfalls mit besonders hohen Anteilen bei Tag und sag- (sowie krieg-). Eine Differenzierung nach Einzellexemen oder ein Ausschluss dieser Wörter ist jedoch beim vorliegenden Material von den Belegzahlen her nicht möglich.

Die Variablen

95

Im Fall von (ge)sagt handelt es sich bei den Formen mit Frikativ im Ripuarischen gar nicht um genuin dialektale Formen, von „dialektal“ ist hier nur im Hinblick auf die Variable CH/G die Rede (und auch da nur im Bezug auf die kodifizierte Lautungsnorm). Im ripuarischen Dialekt ist der Velarkonsonant hier ausgefallen (s. TILING-HERRWEGEN 2002, 107, vgl. MÜNCH 1904, 95–96 § 115). Insofern sind sacht, jesacht schon Beispiele für Zwischenformen. Eindeutig einen Sonderfall stellt schließlich das Adverb weg dar, das ausnahmslos und auch in rein dialektaler Umgebung als [vȳk] erscheint. Diese Form verzeichnet auch das RhWb (Bd. 9, Sp. 344) neben [vȳç] als Variante „bei barschen Befehlen“, und auch im DWB (Bd. 27, Sp. 2932) ist sie für den mitteldeutschen und niederdeutschen Raum explizit als Ausnahme aufgeführt101. Ob eine Erklärung dafür tatsächlich im Befehlston zu suchen ist, muss offenbleiben, jedenfalls wird das Wort aus der Untersuchung ausgeklammert.

Die Koronalisierung von [ç] zu [ƣ] bzw. [ԙ] Die Koronalisierung von [ç] zu [ƣ] bzw. [ԙ] stellt auch im Dialekt eine neuere Erscheinung dar. Wie neu sie wirklich ist, ist schwierig zu ermitteln, da sie nicht nur von Laien-Umschriften (wie im DSA-Material) oftmals nicht erfasst wird, sondern auch in jüngerer Zeit selbst in dialektpflegerischen/dialektologischen Darstellungen oftmals nicht berücksichtigt ist. (W notiert wie MÜNCH 1904 und wie das RhWb in der Lautschrift immer [Ȥ] vs. [š] (also IPA: [ç] vs. [ԙ]) wie im Standard, alle drei geben auch darüber hinaus keinen Hinweis auf die Koronalisierung. Das KWb differenziert dagegen zwischen [ԙ] und [˘], letzteres für „simultanes [ԙ] und [ç]“ (KWb: 18)102. Nach HERRGEN (1986), der entsprechende Angaben aus der Forschungsliteratur zusammenstellt103, hat die Koronalisierung erst um die Mitte des 19. Jhs. eingesetzt. Moritz TRAUTMANN erwähnt 1884–86 den Leipziger Raum und ausdrücklich das Ripuarische: „etwa von Elberfeld mindestens bis Mannheim, und rechts und links des Rheines weit ausgreifend, sagt beinahe kein mensch mehr ‘peç’, ‘geschiçte’, sondern man setzt anstatt ç ein ԝ ein; auf manchen strecken wird schon ein förmliches ԙ [...] gesprochen. “ (zit. nach HERRGEN ebd., 75). Mitte des 19. Jahrhunderts finden sich auch in einem Bonner Mundarttext einzelne 101 „... ist bemerkenswert, dasz vielfach da, wo sonst ausl. g (mit angleichung an den inlaut) als spirant gesprochen wird, gerade im adv. weg sich der verschluszlaut erhält“ (DWB ebd.). Auch ELMENTALER (2008, 77, Anm.8) weist auf eine fast durchgehend plosive Realisierung bei weg in Daten aus dem niederfränkischen Raum hin, er erklärt dies als vermutliche Vermeidung von Homophonie (weg vs. Weg). Im Ripuarischen wäre hier wegen der unterschiedlichen Vokallänge aber keine Homophonie zu fürchten. 102 Im IPA (2005) steht [˘] für „simultaneous [ԙ] and [x]“, s. (2.10. 2007), zur Erklärung der Abweichung vgl. KWb: 18. 103 S. HERRGEN (1986, 74–81;97–101;227); speziell zum Ripuarischen s. a. MACHA (1991, 152), ELSPASS (2000, 267).

96

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

Schreibungen im Diminutivsuffix ‘-chen’ (s. MATTHEIER 1994, 553, vgl. a. ELSPASS 2000, 267). HERRGEN (1986, 227) resümiert, dass die Koronalisierung zunächst Städte und Stadtregionen im mitteldeutschen Sprachraum erfasst und sich dann zunehmend ausgebreitet hat (vgl. a. ebd., 81–82). „Die areale Diffusion der Koronalisierung ist rezent progressiv.“ Für die Gegenwart stuft LAUSBERG (1993, 155) die Koronalisierung als „zumindest im Zentralripuarischen abgeschlossen“ ein. Großenteils geht sie zwar nicht bis zum [ԙ], sondern nur bis zu dem Zwischenlaut [ƣ], aber umgekehrt nähert sich auch [ԙ] diesem Zwischenlaut an, sodass die Opposition zwischen /x/ und /ԙ/ damit nach vorderen Vokalen aufgehoben ist (vgl. a. HEIKE 1964, 46, HERRGEN 1986, 226). Dementsprechend ist hyperkorrektes [ç] für standardsprachliches /ԙ/ keine Seltenheit104, dies gilt auch für Fehler im Erwerb des schriftlichen Standards (s. HERRGEN ebd., 228, KLEIN u. a. 1978, 77–79). Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, die Varianten [ƣ] und [ԙ] gleichermaßen als Nonstandard-Realisierung dieser Variablen zu werten. Die Koronalisierung betrifft ebenso [ç] in der Funktion als Repräsentant von standarddeutschem /g/ bzw. dessen frikativer Entsprechung im Dialekt. Variable

Merkmal

SCH/CH

Koronalisierung von [ç] zu [ƣ], [ԙ]

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

9672

60.18 %

55.96 %

Im vorliegenden Material ist der Anteil koronalisierter Varianten von /ç/ insgesamt niedriger als erwartet. Der Grund liegt vor allem darin, dass einige Sprecher auch in dialektaler Rede durchgehend [ç] verwenden. Ob dies individuelle Erscheinungen sind oder ob eine Kombination von lokalen und diachronen Faktoren dahintersteht, ist allerdings ohne breite Erhebung des Dialekts nicht zu prüfen. Akzeptanz-Urteile stellen hier keine Zugangsmöglichkeit dar, da der Unterschied nicht deutlich wahrgenommen wird (vgl. Kap. 6.3). Für eine eher individuelle Erscheinung spricht allerdings die Tatsache, dass der Sprecher S26 dieselbe lokale Dialekt-Varietät sprechen müsste wie S24 und S13 und zudem jünger ist, aber im Gegensatz zu den anderen praktisch überhaupt nicht koronalisiert. Dies deckt sich mit der Beobachtung von LENZ (2003, 167) bei Wittlicher Sprechern, dass einige auch im intendierten Ortsdialekt standardkonforme Frikative verwenden, was sie einerseits mit Prägung durch den Standard (junge, städtische Sprecher), andererseits aber ebenfalls mit „individuellen Artikulationskonventionen“ erklärt. Im vorliegenden Korpus gehören auch zwei Sprecher der ältesten Gruppe und der Gruppe mit dem höchsten Dialektanteil zu denen, die kaum koronalisieren. In die Kookkurrenzanalyse in Kap. 5–6 werden jedoch grundsätzlich jeweils nur die Sprecher einbezogen, die bei beiden untersuchten Merkmalen variieren – also keine Sprecher, die immer oder nie koronalisieren. Der Anteil hyperkorrekter [ç]-Realisierungen für /ԙ/ ist im vorliegenden Material verschwindend gering (insgesamt 9 Belege, die z. T. eher als [ƣ] aufgefasst werden können, also im Sinne der angesprochenen beidseitigen Annäherung von 104 Vgl. a. KROKOWSKI (2011) für Mönchengladbach.

97

Die Variablen

[ԙ] und [ç] aneinander). Der Grund ist wahrscheinlich, dass die Hyperkorrektion nur eine Erscheinung des intendierten Standards ist.

[κ] Auch das velarisierte („dicke“) [κ] gilt als typisch rheinisch (vgl. etwa KÖNIG 1989 Bd. I:89). Es handelt sich im Dialekt hier um ein Allophon, das bevorzugt, aber dabei variabel in bestimmten Lautkontexten erscheint (vgl. HEIKE 1964, 44). Abgesehen von der Beschränkung auf postvokalische Positionen gibt es unterschiedliche Angaben zu diesen Kontexten: Nach HEIKE (ebd.) erscheint [κ] vorwiegend nach hinteren und zentralen Vokalen und vor velaren Konsonanten (etwa in Kalk). Nach den Angaben von SCHIRMUNSKI (1962, 370) und LAUSBERG (1993, 138,142) kommt es dagegen vor allem vor d und t zur Velarisierung des l, nach MACHA (1991, 145) außerdem im Auslaut, nach TILING-HERRWEGEN (2002, 69) außerdem auch vor [ԙ]. TILING-HERRWEGEN (ebd.) weist dabei allerdings auch auf große Unterschiede von Sprecher zu Sprecher hin. Bei getrennter Auswertung von l vor d, t und im Auslaut (zwischen diesen Kontexten ergibt sich kein Unterschied) und l vor anderen Folgekonsonanten ergab sich eine deutliche Differenz zwischen beiden: vor alveolarem Plosiv und im Auslaut fast 40 % [κ] – vor anderen Folgekonsonanten 25.8 %. Angesichts der nicht-obligatorischen Geltung selbst im Dialekt und der insgesamt hohen Belegzahl wurde die weitere Auswertung demnach auf die Positionen vor d, t und im Auslaut beschränkt, in denen vergleichsweise stärker mit dem velarisierten l zu rechnen ist. Variable

Merkmal

L_vel/L

velarisiertes [κ] vor d, t / im Auslaut

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

4124

39.11 %

39.58 %

Der Anteil der „typisch rheinischen“ velarisierten l-Varianten ist hiernach auch in der bevorzugten Position nicht sehr hoch.

Postvokalisches /r/ als stimmloser Frikativ Postvokalisches /r/ vor stimmlosen Konsonanten wird im Dialekt vokalisiert. Aus der Verbindung a + r wird dabei in den meisten Fällen langes a, teilweise fehlt r aber auch ersatzlos (schwatz ‘schwarz’ KWb – s. MÜNCH 1904, 35–36 § 40). Für r nach anderen Vokalen verzeichnen MÜNCH und das RhWb (z. B. Bd. 9, Sp. 632 Wort) für das Ripuarische ein [ԥ] oder [Ď]. Im Stadtkölnischen ist dagegen nach den Angaben bei Wrede und im KWb auch hier Totalassimilation eingetreten, (vgl. Woot (W)/Wяяd (KWb) ‘Wort’, Päd (W)/Pääd (KWb) ‘Pferd’). Für die Standardlautung ist nach Langvokal die Vokalisierung zu [Ď۶] neben konsonantischer Realisierung akzeptiert (vgl. Duden-Aussprachewörterbuch S. 54; bei Krech

98

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

u. a. 2009, 30, 87 ist nur diese Variante erwähnt). Krech u. a. (2009: 87) nehmen hiervon die Position nach langem a aus, für die sie nur >Ԃ] vorsehen, nach dem Duden-Aussprachewörterbuch S. 47 ist in dieser Position beides möglich, im Wörterbuch wird [Ď۶] verwendet (ebd.: [ha:Ď۶]), wobei KOHLER (1995, 166) nach a und kurzem o „normalerweise keine Diphthonge, sondern Monophthonge dunklerer Qualität: Haar [đ:] ... Knorr [Ĵ]“ erkennt105. WINTER (2002, 65–68, 104–107) diskutiert die Frage der Vokalqualität eingehender und stellt für ein Korpus standardsprachlicher Aufnahmen von (z. T. auch professionellen) rheinischen Sprechern fest, dass nach a Totalassimilation zu [a:] deutlich überwiegt. Die AdAInformanten (s. AdA 1. Runde Kt. ‘Karte’) geben für die Alltagssprache vor allem im Westen zwischen Pfalz und Westfalen die Aussprache Kaate an, im Norden noch verstreut, in anderen Regionen wie im Südwesten jedoch überhaupt nicht. Die Realisierung als stimmloser uvularer oder auch velarer Frikativ, vor allem nach Kurzvokal vor [s] und [t] (vgl. WINTER 2002, 110, 119), wird für den Standard zwar erwähnt106, gilt aber oft als Eigenheit des Rheinlands107. Die uvulare Variante ist dabei einfach als Verlust der Stimmhaftigkeit durch den Einfluss der Folgekonsonanten zu erklären108, die Verteilung von uvularer und velarer Variante wahrscheinlich ähnlich vom vorangehenden Vokal abhängig wie bei den Allophonen von /x/ (vgl. WIESE 2006, 210 zur Verteilung von [ç] , [x] und [Ȥ] für /x/). Die beiden stimmlosen Frikative sind allerdings auditiv schlecht zu unterscheiden – wie auch die unterschiedlichen Darstellungen der Allophonie bei /x/ deutlich machen – und weichen durch die Stimmlosigkeit beide von der Lautungsnorm ab, sie werden daher im Folgenden als eine Realisierung der Variablen „CHt/Rt“ zusammengefasst. Da auch eine Unterscheidung zwischen basisdialektalen und standardsprachlichen Vokalisierungs-Varianten schwierig ist, wurde nur der Unterschied zwischen der Realisierung als stimmloser Frikativ und den anderen (durchgehend vokalisierten) Varianten erfasst, sodass die Zahlen hier keinen Dialekt-Standard-Gegensatz wiedergeben. Variable

Merkmal

CHt/Rt

[x] oder [Ȥ] für /r/ vor [t]

Bel. ges. stl. Frik. ges. stl. Frik./ Text (Mittel)

1002

43.91 %

43.78 %

Die Variable kann daher nicht in die global-quantitative Auswertung einbezogen werden, wohl aber in die Kookkurrenzanalyse. 105 Vgl. dagegen Duden-Aussprachewörterbuch S. 483: [knƥr], KRECH u. a. (2009, 656): [knƥԂ]. 106 KELZ (1982, 96) sieht für die Position vor [t], [s] und [ԙ] sogar nur [Ȥ] vor. 107 Vgl. WINTER (2002, 77), LAUF (1996, 213); KOHLER (1995, 166) nennt explizit nur das Rheinland, scheint aber noch andere Regionen im Auge zu haben: „Nach kurzen Vokalen zeigen einige regionale Akzente, so im Rheinland, Entwicklung zu [Ȥ] vor stimmlosen Plosiven und Frikativen“ (ebd.). HALL (2000, 136) erwähnt die Auslautverhärtung von /Ӱ/ zu [Ȥ] vor bestimmten Konsonanten „in Dialekten um Düsseldorf“. Die AdA-Informanten, die als alltagssprachlich ortsübliche Formen „Kachte“ und „Spocht“ angeben, sind fast alle Rheinländer (vgl. AdA 1. Runde Ktn. ‘Karte’, ‘Sport’). 108 „Auslautverhärtung“ – vgl. HALL (2000, 126) – passt insofern nicht ganz, als das Vorkommen dieser Variante im Auslaut regional erheblich beschränkter und eher marginal ist.

99

Die Variablen

3.3.2 Tilgung und Assimilation von Konsonanten nit vs. nicht Bei der Negationspartikel ‘nicht’ entspricht die ripuarische Form mit ausgefallenem [ç] einer der beiden großräumig verbreiteten Reduktionsformen (vgl. DiWA 218 ‘nicht’, EICHHOFF 1977ff. Bd. II Kt. 116, AdA Kt. ‘nicht’), in der anderen ist stattdessen das finale t apokopiert. Wenngleich sich für die Kombination /xt/ im Ripuarischen in vielen Fällen die Alternative bzw. Konkurrenz zwischen Formen ohne [x] und Formen mit [x] und Apokope des t entwickelt hat (s. u. Naat vs. Naach), ist bei diesem hochfrequenten Wort die Form ohne [ç] im Dialekt ganz stabil. Der Geltungsraum des ch-Ausfalls ist in diesem Fall auch erheblich größer als sonst (vgl. DiWA 360 ‘Nacht’, 507 ‘gebracht’). Variable

Merkmal

nit/nicht

nit für ‘nicht’

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

1981

45.28 %

46.63 %

Während sich die Formen nit und nich (bzw. nisch) im Korpus ungefähr die Waage halten, ist der Anteil von nicht (nischt) mit Frikativ und t sehr gering (nich zählt im Bezug auf nit/nicht als Standardform, der Gegensatz nich vs. nicht wird von der Variablen sons/sonst erfasst). Sofern die Form nicht gewählt wird, ist die t-Tilgung in der gesprochenen Sprache im ripuarischen Gebiet (und darüber hinaus, vgl. BEREND 2005) offenbar fast so obligatorisch wie in ist (s.d.).

t-Apokope Die mögliche Apokope von auslautendem t nach bestimmten Konsonanten (Frikativen und n) vermerkt KOHLER (1995, 209) auch für den Standard, allgemein als Erscheinung der Satzphonetik. Bei einer mehr oder weniger festen Reihe von kurzen, hochfrequenten Wörtern/Wortformen sind schwache Formen ohne t indessen so fest etabliert, dass sie auch im Starkton auftreten können, abgesehen von dem bereits genannten nicht besonders in ist, jetzt, sonst (vgl. KOHLER 1995, 214). Auch die Formen un und sin ohne auslautendes [t] werden häufig in einem Atemzug mit is, jetz und sons hierzu gezählt (s. KOHLER ebd., MEINHOLD 1973, 28). Allerdings ist die Konsonantenfolge [nt] durch den stärkeren Sonoritätsabfall vergleichsweise weniger problematisch, und auch das Verbreitungsgebiet der Erscheinung ist in den Dialekten jeweils etwas kleiner (vgl. DiWA 201 ‘und’, 170 ‘sind’). Im ripuarischen Dialekt sind die Formen un, sin ohne [t] jedoch obligatorisch (vgl. MACHA 1991, 168–170)109.

109 Auch nach [l] wird [t] im Ripuarischen elidiert bzw. vollständig assimiliert, aal ‘alt’, baal ‘bald’ (KWb, vgl. MÜNCH 1904, 102 § 123). Für eine systematische Untersuchung ist dies jedoch zu selten belegt.

100

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

Im Ripuarischen geht die Tilgung von auslautendem [t] aber noch erheblich weiter110; Tilgung bzw. Assimilation findet hier nach allen Konsonanten außer l, r und n statt (s. MÜNCH 1904, 102 § 123 g, 169 § 223 Anm. 5). Da in Flexionsparadigmen Formen mit getilgtem bzw. assimiliertem d/t im Auslaut und solche mit erhaltenem d/t vor Schwa im regelmäßigen Wechsel stehen (vgl. etwa TILINGHERRWEGEN 2002, 133 zum Plural, z. B. Leech – Leechter etc.; KWb 852–854 zur Adjektivdeklination111: begab – begabte, gefrяg – gefrяgte, fess – feste, fremb – fremde, verklemmp – verklemmte), liegt es nahe, hier eine synchrone Tilgungsbzw. Assimilationsregel anzunehmen (vgl. a. KWb:852). Anders wäre jedenfalls der Unterschied zwischen /jԥfrƥ:x/ – /jԥfrƥ:xtԥ/ und /klo:x/ – /klo:‫׀‬ԥ/ (KWb:854) oder zwischen /frȳmp/ – /frȳmdԥ/ und /vԥklȳmp/ – /vԥklȳmtԥ/ schwieriger zu beschreiben. Bestätigt wird diese Annahme durch die Produktivität der Tilgung (s. Kap. 9.2). Nach m und ƾ kommt es zur Assimilation zu p bzw. k statt zur Tilgung (Hemp ‘Hemd’, singk ‘singt’) – diese Fälle werden hier auch unter der Variablen 0/T mitgezählt. Dass das k bei [ƾk] nicht einfach auf Auslautverhärtung zurückgeht, wird im Vergleich mit Wörtern wie Ring o. ä. sichtbar, die auf [ƾ] auslauten. In der Position nach ch besteht ein Wechselverhältnis zu dem Ausfall von ch vor t im Ripuarischen mit Ersatzdehnung des Vokals (etwa jemaat ‘gemacht’), das sich in z. T. anhaltender Konkurrenz zwischen beiden Formen (Naat, Naach) niedergschlagen hat (vgl. MÜNCH 1904, 37 § 41). Dieses Nebeneinander ist offenbar dadurch zustande gekommen, dass der Ausfall von ch, den MÜNCH (1904, 92 § 110,4) als lexikalisiert beschreibt, auf dem Rückzug ist (dies gilt auch für die areale Verteilung) bzw. die entsprechenden Formen unter Einfluss der Standardsprache ersetzt wurden/werden, während die t-Tilgung noch eine teilweise produktive Regel ist. Die Ersetzung ist im Stadtkölnischen weiter gegangen als im Landkölnischen. Aufgrund der anzunehmenden Fortsetzung dieser Entwicklung, der lokalen Unterschiede und vor allem einer obendrein zu geringen Belegzahl wird der ch-Ausfall im folgenden nicht systematisch ausgewertet. Es muss jedoch das Wechselverhältnis mit der t-Tilgung berücksichtigt werden. Die Tilgung oder Nicht-Tilgung des auslautenden t ist dagegen ausreichend belegt. Die Situation im Dialekt ist dabei allerdings noch etwas genauer zu betrachten. SCHIRMUNSKI (1962, 403 § 19.2) unterscheidet zwischen einer allgemeinen Tilgung nach stimmlosen Frikativen und einer Tilgung auch nach stimmlosen Plosiven in der Verbalflexion. Der Hintergrund dieser Differenzierung scheint jedoch nur das Fehlen entsprechender Belegwörter außerhalb der Konjugation zu sein (wenn man Adjektive wie bekloppt als Partizipien einstuft und Lehnwörter wie Punkt, in denen das -t jedoch ebenfalls getilgt wird, ausklammert). In Verbformen wird -t aber nur im Partizip und im Flexiv der 3. Pers. Sg. getilgt112, nicht 110 MARTENS/MARTENS (1988, 131) erwähnen die Tilgung von auslautendem [t] auch allgemein für das Niederdeutsche und die norddeutsche Umgangssprache; nach den DiWA-Karten II-8, 11 ‘Luft’ und II-1, 360 ‘Nacht’ konzentriert sich dies aber auf den Holsteiner Raum, ein Zusammenhang mit der Erscheinung im Ripuarischen ist also nicht anzunehmen. 111 Die Schreibung geht hier auf das grundsätzlich morphologisch orientierte Schreibungsprinzip des KWb zurück. 112 In der 2. Pers. Sg. ist als Flexiv einfaches -s statt -st anzusetzen.

101

Die Variablen

aber in der 2. Pers. Pl. (s. MÜNCH 1904, 169 § 223 Anm. 5,6, TILING-HERRWEGEN 2002, 85). Um eine ausnahmslose Tilgungsregel für bestimmte Lautkontexte bzw. eine phonotaktische Beschränkung handelt es sich also nicht. Die Tilgung von t wurde zunächst für Adjektive/Adverbien und Nomina, Verbformen der 2. Pers. Sg. (da auslautendes t nach s auch im Standard besonders leicht elidiert wird, insbesondere bei enklitischem du – vgl. KOHLER 1995, 201, 208 – was sich dann allgemein für die Endung verfestigen kann, auch wenn du nicht folgt) und Verbformen der 3. Pers. Sg. und Partizipien getrennt erfasst. Es zeigt sich, dass die t-Tilgung bei Nomina tatsächlich seltener ist als in der Verbflexion. Da das t hier außerdem – anders als in der Flexion – keine morphologisch-systematische Funktion hat, ist nicht unwahrscheinlich, dass andere Kookkurrenzregularitäten gelten. Einer separaten Untersuchung der Substantive steht jedoch die zu geringe Belegzahl entgegen. Bei Adjektiven liegt der Anteil wieder höher, allerdings sind die Verhältnisse bei dieser Gruppe zu heterogen: Neben Adjektiven, die häufig in flektierter Formen auftreten, stehen andere, die sehr oft als Adverb verwendet werden wie direkt (in adverbialer Verwendung ist direk fast ein regionales Stereotyp). Die Auswertung wird daher auf Partizipien und Verbformen der 3. Sg. Präs. Ind. beschränkt. Variable

t-Tilgung

-

in Adjektiven und Adverbien in Substantiven in Partizipien und in Verbformen der 3. Pers. Sg. Ind. Präs.

0/T

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

571 376

25.56 % 13.29 %

31.13 % 16.95 %

1357

26.52 %

28.38 %

Die Ergebnisse für die lexemspezifischen Fälle von t-Apokope spiegeln im Vergleich hiermit deutlich die Abstufung der Reichweite der verschiedenen Ausprägungen des Phänomens wider. Variablen

Formen ohne finales [t]

Bel. ges.D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

ist 2586 98.33 % 98.53 % jetzt, sonst, nicht 2168 90.26 % 89.86 % und, sind 4088 61.59 % 61.28 % Verbformen (3. Sg. Ind. 0/T 1357 26.52 % 28.38 % Präs./Partizip) (Fälle, in denen das Folgewort mit d oder t beginnt, werden grundsätzlich nicht gewertet.) is/ist sons/sonst un/und

Bei ist erweist sich die Form ohne -t als Normalfall (vgl. a. BEREND 2005, 157) – die Variable erübrigt sich insofern eigentlich. Wenn sie dennoch in Kap. 4 beibehalten wird, so nur, um die ganze Spannweite im Anteil der vorkommenden Nonstandard-Formen und deren Verwendung durch die verschiedenen Sprecher zu verdeutlichen. Für jetzt und sonst gilt dies nicht mehr ganz so uneingeschränkt. Bei und und sind ist [t] in über 1/3 der Belege nicht apokopiert.

102

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

n-Apokope Die Tilgung des n nach Schwa im Auslaut (auch im Fugenelement bei Komposita, etwa Sonnebloom) ist im Ripuarischen nicht einheitlich. Nach SCHIRMUNSKI (1962, 387) wechseln -en und -e im Nieder- und Mittelfränkischen „bunt miteinander ab“; in den entsprechenden DSA-/DiWA-Karten ist die Trennung in linksrheinisches -e und rechtsrheinisches -en durch zahlreiche Streumeldungen verunklart (vgl. DiWA 6 ‘fliegen’, 472 ‘bauen’, 54 ‘gebrochen’ u. a.). Im Stadtkölnischen wird -n getilgt, jedoch nach TILING-HERRWEGEN (2002, 67) „meistens“ nicht „vor mit Vokal (oder auch d, h, z. T. auch s) anlautenden Wörtern“. Diese Regel wird traditionell als „Eifler Regel“ bezeichnet, obwohl sie in dieser oder ähnlicher Gestalt in einem größeren Gebiet gilt (vgl. GILLES 2006). Die Formulierung bei TILING-HERRWEGEN zeigt jedoch die Instabilität dieser Verhältnisse auch innerhalb des Stadtkölnischen, dies wird weiter illustriert durch die Uneinheitlichkeit dieser Erscheinung selbst im Rahmen der Beispiele dieser „Kurzgrammatik“, vgl. z. B. geholfe han vs. gedragen han (ebd., 184) oder wäge dem Mattes vs. wägen dä neu Botz (ebd., 224, 246). Auch die Uneinheitlichkeit der Antworten in den Wenkerbögen kann nicht auf die „Eifler Regel“ zurückgehen, da dort ja Sätze vorgegeben sind (und damit der Anlaut des Folgeworts festliegt, auch lexikalische Variation ist hier nicht im Spiel). Demnach ist die n-Tilgung auch in den entsprechenden Teilen des Ripuarischen und in den entsprechenden Lautkontexten im Dialekt nicht obligatorisch, umgekehrt ist aber anscheinend auch Tilgung entgegen der „Eifler Regel“ möglich. Ähnliches stellt auch GILLES (1999, 229) zum Moselfränkischen fest: „Informelle Beobachtungen des Autors an seinem eigenen Dialekt und bei Bekannten deuten jedoch darauf hin, dass die ursprüngliche Regelmäßigkeit durch eine freie Varianz ersetzt wird.“ Sicherheitshalber wurde jedoch entsprechend dieser Regel annotiert, gewertet werden also nur Fälle, die nicht vor Vokal, h, d oder s stehen. Variable

Merkmal

0/N

Tilgung des n nach Schwa (außer vor Vokal, h oder d, s)

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

4104

12.37 %

15.71 %

mer ‘wir’ Beim Personalpronomen der 1. Pers. Pl. hat sich im Dialekt die Assimilation des w an die Endung -n vorangehender Verben verfestigt und der nasale Anlaut ist von der Kontaktposition unabhängig geworden. Dies gilt im gesamten mittel- und oberdeutschen Raum (vgl. DiWA 333 ‘wir’). Im Standard gibt es die Reduktionsform mer ebenso, hier jedoch noch beschränkt auf die Position nach dem Verb bzw. die Enklise. In dieser Position entfallen 98,9 % der Belege im Korpus auf die m-Variante, berücksichtigt werden daher nur die übrigen Fälle.

103

Die Variablen

Variable

Merkmal

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

mer/wir mer, mir für ‘wir’ (außer Enklise)

614

46.9 %

45.01 %

Auch das Indefinitpronomen ‘man’ lautet im Ripuarischen (ebenfalls großräumig) mer ([mԥ]), vgl. KWb, MÜNCH (1904, 166 § 221), RhWb Bd. 5, Sp. 806 – vgl. a. LAUF (1996, 199). Hierfür ist die Anzahl (nicht-enklitischer) Belege im Material aber zu gering.

3.3.3 Vokalische Merkmale Auch im Vokalismus gibt es einige erhebliche Unterschiede zwischen dem Ripuarischen und dem Standard; insbesondere die im Dialekt weitestgehend unterbliebene nhd. Diphthongierung und die Monophthongierung der mhd. steigenden Diphthonge führen hier zu einem deutlichen Kontrast. Da es sich hier um Reihenschritte handelt, deren Systematizität im Verhältnis zwischen den beiden Varietäten bewahrt ist, werden die entsprechenden Varianten jeweils zusammenfassend behandelt (die Benennung der Variablen richtet sich dabei nach der am häufigsten belegten Variante).

Die Verdumpfung von mhd. â Mhd. langes â ist im Ripuarischen wie in den meisten hochdeutschen Dialekten zu [ƥ:] geworden (s. SCHIRMUNSKI 1962, 212–213; MÜNCH 1904, 56–57 § 63). Umgelautetes mhd. â ist dagegen eigentlich wie mhd. ê zu [i:] gehoben worden, jedoch ist dies vor allem in Verbparadigmen in der Regel zu [œ:] angeglichen (s. MÜLLER 1912, 56, MÜNCH 1904, 58 § 65). Da das Verhältnis zwischen Dialektund Standardvariante dann parallel ist, werden diese umgelauteten Formen in der Auswertung mit den nicht-umgelauteten zusammengefasst. Im Prinzip betrifft die „Verdumpfung“ durchgehend alle Fälle von mhd. â (nicht gedehntes a). Aus der Rechnung ausgenommen wurde allerdings die Partikel ja. Für diese sind sowohl im Dialekt (vgl. LAUSBERG 1993, 65) als auch im gesprochenen Standard beide Formen anzutreffen. Variable

Merkmal

Bel. ges.

D-Var. ges.

D-Var./Text (Mittel)

O/A

[ƥ] [œ] für mhd. â æ

8129

17.78 %

19.99 %

Anders als in LAUSBERGS Material (ebd., 67) ergibt sich keinerlei Sonderrolle der Position vor r (oder der Wortform war – aufgrund der Beleglage ist beides kaum zu unterscheiden). Eine Differenzierung erübrigt sich also.

104

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

Die Diphthongierung der mhd. hohen Langvokale Die nhd. Diphthongierung ist im Ripuarischen nur im Auslaut und Hiat eingetreten, ansonsten sind mhd. î iu û als Monophthonge erhalten (s. MÜNCH 1904, 50– 55 § 56–59), z. T. unter Kürzung. Aufgrund der unterschiedlichen Korrespondenz zwischen Dialekt und Standard und insbesondere auch der Tatsache, dass die gekürzte Form vor allem in einer Reihe hochfrequenter Wörter wie mein, sein, aus etc. vorkommt und dabei häufig in Kombination mit der Velarisierung (ming ‘mein’), werden beide getrennt ausgewertet. Variable

Merkmal

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

II/EI langer Monophthong für mhd. î iu û 1302 I_krz/EI kurzer Monophthong für mhd. î iu û 3838

10.9 % 17.35 %

13.89 % 21.92 %

Undiphthongierte Belege sind also insgesamt relativ selten. Im Zusammenhang mit Kürzung liegt der Anteil etwas höher, was wohl damit zu tun hat, dass dies besonders bestimmte frequente Wörter wie die Possessivpronomina sowie die Verbpartikeln (r)aus- und (r)ein- betrifft, wodurch sich auch die erheblich höhere Belegzahl hier erklärt. Eine Differenzierung innerhalb der Reihen der drei Monophthonge bzw. Diphthonge ist nicht notwendig, die Unterschiede betragen weniger als 1 %. Die geschlosseneren Dipthonge [ȳ‫]́܉‬, [œ‫]́܉‬, [ƥ‫܉‬օ], die auch im Ripuarischen vorkommen (s. Kap. 9), werden für die Rechnung bei den Variablen II/EI und I_krz/EI (wie auch EE/EI, s. u.) nicht von den standardkonformen Diphthongen unterschieden. Sie sind zwar in der Transkription separat markiert, der Gesamtanteil (8.21 % der Diphthong-Belege bei II/EI und I_krz/EI, 6.64 % bei EI/EE) sagt hier jedoch nicht viel aus, weil die Verteilung eindeutig in erster Linie sprecherabhängig ist. Immerhin lässt sich feststellen, dass ein Unterschied zwischen den Entsprechungen für mhd. î iu û und mhd. ei öu ou (s. u.) für die Verwendung dieser Varianten offenbar keine Rolle spielt.

Die Monophthongierung der mhd. steigenden Diphthonge Mhd. ei öu ou erscheinen im Ripuarischen größtenteils zu [e:] [ø:] [o:] monophthongiert (außer im Auslaut und Hiat, vgl. MÜLLER 1912: § 44 S. 67). Nur im Stadtkölnischen gelten Diphthonge (vgl. DiWA 80 ‘heiß’). Der Stadtkölner Sprecher S21 wird aus diesem Grund für diese Variable immer ausgenommen (in Kap. 5 und 6 werden aber ohnehin nur die Texte berücksichtigt, in denen auch monophthongische Realisierungen vorkommen). Variable

Merkmal

EE/EI

Monophthong für mhd. ei öu ou

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

4977

12.67 %

19.43 %

105

Die Variablen

Die Hebung von mhd. ê, æ, œ, ô Mhd. ê æ œ ô ist im Ripuarischen zu [i:] [y:] [u:] gehoben. Aufgrund lokaler Unterschiede113, des Ausgleichs in Verbparadigmen (s. o. zu O/A) und der Ersetzung in einzelnen Wörtern (vgl. etwa MÜNCH 1904, 57–58 § 64 zu groß) sind hier in allen Zweifelsfällen nur die Formen für diese Variable annotiert worden, bei denen derselbe Sprecher irgendwann die Hebungsvariante verwendet. Variable

Merkmal

U/O

[i:] [y:] [u:] für mhd. ê æ,œ ô

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

4162

12.92 %

16.75 %

Der Anteil der Dialektvarianten ist hier insgesamt etwa so hoch wie bei der Diphthongierung, der Unterschied bei den Entsprechungen für mhd. ê und ô wieder gering (während die Entsprechung für mhd. œ kaum belegt ist).

Die Senkung von i ü u sowie von monophthongierten mhd. ie üe uo Die fallenden Diphthonge ie üe uo sind im Ripuarischen nicht nur wie im Standard zu [i:] [y:] [u:] monophthongiert, sondern – außer vor r114 – in der Folge außerdem zu [e:] [ø:] [o:] gesenkt worden. In einigen Formen hat eine Kürzung stattgefunden (s. MÜLLER 1912, 71 § 50 Anm.1–2), diese werden aufgrund der schlechteren Unterscheidbarkeit (angesichts der mäßigen Tonqualität der Aufnahmen) nicht berücksichtigt. Das gilt ebenso für schwachbetontes ‘zu’. Auch die mhd. Kurzvokale i ü u sind im Ripuarischen in den meisten Fällen zu e ö o gesenkt (MÜNCH 1904, 59–63 § 67–76). Im Fall von Dehnung im Dialekt wie im Standard ergibt sich für die Entsprechungen von mhd. i ü u also rezent dasselbe Dialekt-Standard-Verhältnis wie bei den mhd. fallenden Diphthongen. Diese Fälle werden daher mit letzteren in einer Variablen zusammengefasst. Variable

Merkmal

O/U

[e:] [ø:] [o:] für mhd. ie üe uo bzw. gedehntes mhd. i ü u

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

2943

15.61 %

19.67 %

Auch hier sind die Differenzen zwischen den Ergebnissen für die verschiedenen Vokale nicht so erheblich, dass eine Trennung notwendig wäre (1 bzw. 5 %).

113 Nach MÜNCH (1904, 58 § 64, 65) hat die Hebung im Stadtkölnischen vor r nicht stattgefunden, z. B. in èr 'Ehre' statt ìr. Das KWb gibt dagegen Ihr an, W verzeichnet beides, Ehr und Ihr. 114 Hier hat die Senkung nur im Stadtkölnischen stattgefunden (vgl. MÜLLER 1912, 72 § 51).

106

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

Unterschiede in der Vokalquantität Vokalkürze und -Länge unterscheiden sich in Dialekt und Standard wegen regional verschiedener positions- und umgebungsbedingter Dehnungs- und Kürzungsprozesse in einer Reihe von Fällen, etwa in sibbe – sieben einerseits und aach – acht andererseits (KWb, vgl. MÜNCH 1904, 30–44). Aus synchroner Perspektive ist hier keine Systematik mehr zu erkennen, daher erübrigt sich eine Differenzierung der verschiedenen historischen Einzelentwicklungen. Da auch beide Ausprägungen des Quantitätenunterschieds praktisch im selben Umfang vorkommen (Differenz 2.9 %) und es sich hier von vornherein um eine Zusammenfassung heterogener Einzelerscheinungen handelt, werden die Unterschiede in der Vokalquantität in einer einzigen Variablen zusammengefasst. Variable

Merkmal

VokQuant

Kürze im Dialekt Länge im Dialekt

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

1577 2343

21.55 % 18.65 %

25.73 % 21.37 %

Ausgenommen bleibt üvver/über, wo der Anteil der Form mit Kurzvokal deutlich höher ist (37.9 %): Aufgrund der Unbetontheit kommt Kürzung hier auch im Standard als Reduktions-Erscheinung vor (KOHLER 1995, 216). Erfasst sind dagegen auch die Fälle, in denen die Dehnung mit ch-Ausfall vor t kombiniert (bzw. historisch dadurch entstanden) ist. Zum einen soll ja erst geprüft werden, ob beides synchron zwingend zusammenhängt, zum anderen ergibt sich vor ch ein anderer historischer Dehnungskontext (vgl. MÜNCH 1904, 31 § 36).

3.3.4 Weitere Merkmale Die e-Apokope Im Ripuarischen ist ehemaliges auslautendes Ω im Prinzip durchgehend apokopiert (wobei sich die Formen mit Apokope meistens durch die rheinische Akzentuierung von denjenigen ohne ursprüngliches -Ω unterscheiden – vgl. MÜNCH 1904, 65 § 80. Dies ist im vorliegenden Kontext aber irrelevant, da die Akzentuierung nicht als regionale Abweichung von der Standardsprache betrachtet werden kann). Synchron ist hier keine Tilgung anzunehmen, sondern Formen ohne auslautendes Ω. Allerdings kommt dennoch auch im Ripuarischen -Ω vor, nämlich dort, wo bei ursprünglichem -Ωn115 das n getilgt wird und das Ω dann im Auslaut steht, etwa in Mage ‘Magen’ (KWb, vgl. MÜNCH 1904, 96 § 116, vgl. a. SCHIRMUNSKI 1962, 468 f.). Durch unterschiedliche morphologische Entwicklungen116 kommt es hier 115 Die Ansicht von MÜNCH (1904, 96 § 116), man könne bei Nomina, die im Mhd. noch kein -n haben, „nicht sagen, daß n in der Mundart abgefallen sei“, steht im Widerspruch zu der Tatsache, dass die Erhaltung des auslautenden Ȫ in diesen Fällen nicht anders zu erklären ist. 116 Vgl. genauer SCHIRMUNSKI (1962, 469), MÜNCH (1904, 153 § 207, 168 § 223).

107

Die Variablen

besonders in der Flexion in einer Reihe von funktionsäquivalenten Formen zu einer Übereinstimmung zwischen -Ω < – Ωn im Dialekt und -Ω im Standard (vgl. u. zur Deklination). Im Plural der Substantive gibt es dabei auch Doppelformen mit und ohne -Ω und lexemspezifische Sonderentwicklungen (s. MÜNCH 1904, 153 § 207, Anm.; TILING-HERRWEGEN 2002, 125). Relativ klar sowohl in der dialektalen Situation als auch im Kontrast zum Standard ist der Fall der umlautenden Pluralformen mit -Ω im Standard, in denen im Dialekt eindeutig kein Ω steht (vgl. TILING-HERRWEGEN 2002, 133). Auf diese Fälle sowie die im Standard auf -Ω auslautenden Feminina und Neutra im Sg. bezieht sich daher die Variable 0/E. In der 1. Pers. Sg. Ind. Präs. der Verben ist die Ausgangsform im Dialekt -Ωn, so dass hier prinzipiell -Ω geblieben ist und je nach folgendem Anlaut ggf. auch -n bleibt (s. MÜNCH 1904, 168 § 223, TILING-HERRWEGEN 2002, 77, 83, 87 ff.). Allerdings zeigt schon die DiWA-Karte 116 ‘glaube’ im Ripuarischen einen hohen Anteil an Streumeldungen mit e-Apokope, die im Bonner Raum und weiter südlich sogar deutlich dominieren. Auch im Standard besteht in Verbendungen eine starke Tendenz zur Tilgung des -Ω, vor allem vor enklitischem vokalisch anlautendem Pronomen (vgl. KOHLER 1995, 207, vgl. a. MEINHOLD 1973, 50), während im Dialekt vor enklitischem ich das -Ωn erhalten ist (MÜNCH 1904, 168 § 223 Anm. 1. TILING-HERRWEGEN 2002, 83–89 erwähnt dies allerdings nicht mehr). Es ist also bei der e-Apokope bei Verbformen der 1. Person auf jeden Fall nötig, weiter zu differenzieren: Bei enklitischem ich ist der Anteil apokopierter Formen im Korpus 96.5 % (vgl. BEREND 2005, 157 zum Gebrauchsstandard); weiter geprüft werden daher nur die übrigen. Das komplexere Verhältnis zwischen Dialekt und Standard in der Adjektivdeklination ist schließlich durch das Zusammentreffen phonologischer und morphologischer Entwicklungen noch anders einzuordnen; hier ergeben sich ganz verschiedene Flexionsparadigmen (wie auch in der Flexion der Pronomina und der unbestimmten Artikel). Diese Deklinationsendungen werden daher hier ausgeklammert und unter der Variablen „Deklination“ (s. u.) eingeordnet. Variable

Merkmal

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

e-Apokope bei fem./neutr. Substantiven, deren Sg. im Standard auf Ω 0/E endet, und bei Pluralformen von 1496 Substantiven, die mit Umlaut und im Standard mit -Ω gebildet werden e-Apokope in der 1. Pers. Sg. Ind. les/lesE Präs. (außer Fälle mit enklitischem 1033 ich)

23.99 %

24.48 %

79.38 %

81.54 %

Für die Apokope im Sg. der Feminina und Neutra auf -e und für -e im Pl. ergibt sich praktisch exakt dasselbe Ergebnis (Differenz 0.07 %), sodass beide zusammengezählt werden.

108

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

Reduktionsformen des unbestimmten Artikels Die Reduktion des unbestimmten Artikels ein(en), eine bzw. en, ene zu ’n, ’ne tritt im Allegro bzw. in ungezwungener Rede sowohl im Dialekt (vgl. TILINGHERRWEGEN 2002, 149) als auch großregional im Standard auf (s. KOHLER 1995, 215, vgl. a. BEREND 2005, 147). (Die im Verhältnis von Dialekt und Standard „gekreuzten“ Formen für Maskulinum bzw. Femininum sind dabei hier ohne Belang, s. dazu unten.) Variable

Merkmal

Reduktion des unbestimmten ne/eine Artikels

Bel. ges. Reduktion ges. Reduktion/Text (Mittel)

1877

84.49 %

85.09 %

Das Vorherrschen der reduzierten Form ist nicht überraschend, es bleibt aber die Frage nach der Kookkurrenz der Reduktion mit dialektaler oder standardsprachlicher Deklination.

Deklination der Artikel und Adjektive Während die Reduktionserscheinungen auch bei den Pronomina eher die Gemeinsamkeiten zwischen Standard und Dialekt (in der gleichartigen Reduktion) zeigen, ist die Morphologie ein Bereich, in dem z. T. deutliche systemische Kontraste auftreten. So kommt es durch die schon oben angesprochene Verbindung morphologischer Entwicklungen (Vereinfachung des Kasussystems im Dialekt) mit phonologischen (e-Apokope und n-Tilgung) besonders in der Deklination der Artikel und der Adjektive zu einer relativ komplizierten Dialekt-Standard-Beziehung, insbesondere zu dem „Überkreuz“-Verhältnis der jeweiligen mask. und fem. Formen (Paradigma nach TILING-HERRWEGEN 2002; vgl. MÜNCH 1904, 139 § 189): unbest. Artikel: ripuarischer Dialekt

(norddeutscher Gebrauchs-)Standard

m. (e)ne (e)nem (e)ne

m. (ei)n (ei)nem, ’m (ei)n

f. (e)n (e)ner (e)n

n. e (e)nem e

f. (ei)ne (ei)ner (ei)ne

n. (ei)n (ei)nem, ’m (ei)n

Beim bestimmten Artikel mask. ergibt sich ein Gegensatz aus dem Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ. Im Neutrum stehen sich dagegen der vokalische Anlaut im Dialekt (et) und der d-Anlaut im Standard gegenüber. Dies ist zwar kein Unterschied der Deklinationsendung, gehört aber ebenfalls in den Komplex ‚unterschiedliche Artikelformen‘ und wird daher hier miterfasst. Der Unterschied zwischen unverschobenem t und s wird hier dagegen nicht berücksichtigt (s. Va-

109

Die Variablen

riable das/dat), sodass Kompromissformen – Artikel dat oder es – sich wieder als Kombination zweier Variablen erfassen lassen. Variable

Merkmal

Deklin

dialektale Deklinationsformen von Artikeln, Pronomina, Adjektiven

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

3706

20.48 %

25.22 %

Spezifische Verbformen In einer Reihe von Fällen weichen schließlich frequente Verbformen in Dialekt und Standard voneinander ab und sind synchron gar nicht mehr systematisch aufeinander zu beziehen, etwa han (Endung der 1. Pers. Sg. auf -n + Kontraktion) vs. habe, säät (Kontraktion + Umlaut) vs. sagt oder jitt (Assimilation speziell in dieser Verbform) vs. gibt, jon (< gân) vs. gehe (vgl. MÜNCH 1904, 105 § 130, SCHIRMUNSKI 1962, 314 f., TILING-HERRWEGEN 2002, 99–114). Dazu gehören auch Formen mit vom Standard abweichendem Rückumlaut im Dialekt (etwa jelaat ‘gelegt’ oder jehuurt ‘gehört’). Die Fälle von spezifisch dialektalen unregelmäßigen Verbformen sind (in Abhängigkeit von Form und Frequenz) sicherlich im einzelnen verschieden gelagert, allerdings für eine einzelne Untersuchung jeweils nicht häufig genug belegt. Ihre Zusammenfassung erlaubt zumindest einen gezielten Zugriff auf diesen Typ von Unterschieden. Variable

Merkmal

UnregVb

spezifisch dialektale unregelmäßige Verbformen

Bel. ges. D-Var. ges. D-Var./Text (Mittel)

3738

20.73 %

25.24 %

3.3.5 Alphabetische Liste der Variablen Die Liste der im Folgenden untersuchten Variablen umfasst also 33 Merkmale (davon sind sechs eigentlich Teilvariablen infolge der Aufsplitterung des FrikativOkklusiv-Gegensatzes bei standardsprachlichem /g/ und dessen dialektalen Entsprechungen). Diese Variablen stellen zwar immer noch nur einen begrenzten Ausschnitt aus dem Gesamtspektrum der Unterschiede zwischen Dialekt/ regionalem Nonstandard und Standardvarietät dar, sie erlauben aber zumindest einen gewissen Einblick in die Organisation des „mittleren Bereichs“.

110

Empirische Untersuchung: Korpus und untersuchte Merkmale

Variable 0/E (x/E)

Dialekt- bzw. Nonstandard-Merkmal Fehlen des auslautenden Ω - im Sg. bei fem./neutr. Substantiven, die im Standard auf Ω enden - bei Pluralformen von Substantiven, die mit Umlaut und im Standard mit Ω gebildet werden 0/N (x/N) n-Tilgung nach Schwa im Auslaut 0/T (x/T) t-Tilgung im Partizip II und in Verbformen der 3. Pers. Sg. Ind. Präs. aCH/aG stl. Frikativ für Standard-g im Auslaut oder vor stl. Konsonanten, nach hinterem und zentralem Vokal aG_fr/aG sth. Frikativ für Standard-g im Inlaut nach hinterem und zentralem Vokal CHt/Rt stl. Frikativ für /r/ vor [t] D/T d statt Standard-t für german. d dat/das t in ‘das’, ‘was’, ‘es’ Deklin dialektale Deklinationsformen von Artikeln, Pronomina, Adjektiven eCH/eG stl. Frikativ für Standard-g im Auslaut oder vor stl. Konsonanten, nach vorderem Vokal EE/EI Monophthong für mhd. ei öu ou eJ/eG sth. Frikativ für Standard-g im Inlaut nach vorderem Vokal G/T Velarisierung von Alveolaren nach mhd. hohem Langvok. bzw. nach n I_krz/EI kurzer Monophthong für mhd. î iu û II/EI langer Monophthong für mhd. î iu û is/ist ist ohne finales t J/G Frikativ für Standard-g im Anlaut vor betontem Vokal je-/geFrikativ für Standard-g im Präfix des Partizips II Jl/Gl Frikativ für Standard-g im Anlaut vor Konsonant L_vel/L velarisiertes [κ] vor d, t bzw. im Auslaut les/lesE e-Apokope in Verbformen der 1. Pers. Sg. Präs. (außer vor enklit. ich) mer/wir mer, mir für ‘wir’ (außer Enklise) ne/eine Reduktion des unbestimmten Artikels nit/nicht nit für ‘nicht’ O/A [ƥ:] [œ:] für mhd. â æ O/U [e:] [ø:] [o:] für mhd. ie üe uo bzw. gedehntes mhd. i ü u op/auf op, up für ‘auf’ SCH/CH [ƣ] oder [ԙ] für /ç/ oder /g/ im Standard sons/sonst jetzt, sonst, nicht ohne finales t U/O [i:], [y:] [u:] für mhd. ê/æ œ ô un/und und, sind ohne finales [t] UnregVb spezifisch dialektale unregelmäßige Verbformen V/B Frikativ statt Plosiv für germ. Ŵ VokQuant lexemspezifische Abweichungen vom Standard in der Vokalquantität x/E, x/N, x/T (aus technischen Gründen in einigen Diagrammen) s. 0/E, 0/N, 0/T Tab. 3: Untersuchte Variablen

4. ERGEBNISSE DER GLOBAL-STATISTISCHEN AUSWERTUNG 4.1 ABSTUFUNG DES VARIANTENGEBRAUCHS IN DEN TEXTEN Die erste Etappe der weiteren Auswertung des Korpus entspricht den traditionellen Verfahren der global-statistischen Variablenanalyse auf der Ebene des Sprechertextes. Dies dient zunächst einmal dazu, das Spektrum des Materials auf dieser Ebene zu untersuchen. Insbesondere soll es aber auch den Vergleich der Ergebnisse dieses klassischen variablenanalytischen Verfahrens mit denen der Kookkurrenzanalyse ermöglichen. Die Aufteilung der aufgenommenen Gespräche nach Beiträgen der verschiedenen beteiligten Sprecher bestätigt sich in der globalen Auswertung schon deswegen als notwendig, weil verschiedene Sprecher auch im Gespräch miteinander erhebliche Unterschiede im Variantengebrauch beibehalten. Umgekehrt erweisen die Ergebnisse für die zweimal aufgenommenen Sprecherinnen S09 und S24 jedoch auch deutliche Unterschiede des Verhaltens gleicher Individuen in unterschiedlichen Situationen, die sich nicht im Formalitätsgrad, aber in der Konstellation der Gesprächspartner unterscheiden. Tab. 4 gibt zunächst noch einmal einen Überblick über die Ergebnisse für alle Variablen, geordnet nach dem mittleren Anteil der Nonstandard-Variante. Es zeigt sich hier das aus diversen Untersuchungen bekannte Bild einer ziemlich kontinuierlichen Abstufung der nicht-standardsprachlichen Anteile bei den verschiedenen Variablen. Am obersten Ende, bei über 80 % Nonstandard-Realisierungen, liegen die nicht regionalspezifischen Reduktionserscheinungen schneller bzw. ungezwungener Rede. Auch die (groß)regionale Variable aCH/aG gehört vom Nonstandard-Anteil her zu dieser Spitzengruppe, allerdings hebt sie sich durch eine deutlich höhere Standardabweichung von den überregionalen Reduktionsvariablen ab. Anders als bei letzteren kommt die Nonstandard-Variante [x] demnach hier nicht in allen Texten häufig vor, in manchen jedoch praktisch durchgehend. Ein etwas größerer Abstand ergibt sich auch zwischen dem velarisierten l und der t-Tilgung. Die Staffelung der Werte lässt jedoch keinen wirklich tiefen, eindeutigen Einschnitt erkennen, auf den sich eine Gruppierung der Variablen stützen könnte – die Gesamtergebnisse deuten insofern tatsächlich auf ein Kontinuum zwischen Dialekt und Standard hin. Angesichts der Heterogenität des Materials, die schon aus der soziologisch gemischten Sprecher-Auswahl resultiert und auch in den hohen Standardabweichungen sichtbar wird, muss allerdings die Frage gestellt werden, ob die Mittelwerte nicht qualitative Unterschiede verschleiern.

112 Variable

is/ist sons/sonst ne/eine aCH/aG les/lesE (CH /G ges. eCH/eG dat/das je-/geun/und aG_fr/aG SCH/CH J/G eJ/eG nit/nicht mer/wir L_vel/L 0/T UnregVb Deklin 0/E VokQuant I_krz/EI op/auf O/A EE/EI V/B G/T Jl/Gl U/O O/U 0/N D/T II/EI

Ergebnisse der global-statistischen Auswertung

Dialekt- bzw. Standardabweichung Anz. berücksichNonstandardtigte Texte (mind. Anteil im Mittel 6 Belege) der Texte (%) 98.53 3.44 40 89.86 9.64 40 85.09 13.19 40 82.6 24.78 40 81.54 13.72 39 75.69 27.42 40 66.28 35.58 37 64.7 35.52 40 61.38 38.91 40 61.28 28.05 40 56.05 36.65 39 55.96 35.25 40 50.25 34.92 40 48.58 34.26 40 46.63 35.38 40 45.01 38.32 38 39.58 28.14 40 28.38 24.96 40 25.24 29.41 40 25.22 28.73 40 24.48 27.05 40 22.91 26.93 40 21.92 27.88 40 20.29 32.44 39 19.99 23.23 40 19.43 24.97 40 18.18 24.88 40 17.85 22.99 40 17.01 26.32 36 16.75 22.12 40 15.61 19.67 40 15.56 21.50 40 15.46 20.16 40 13.89 18.73 40

Belege ges.

2586 2168 1877 906 1033 1373) 467 13716 2858 4088 605 9672 2875 1532 1981 614 4124 1357 3738 3706 1496 3920 3838 928 8129 4977 3352 2021 665 4162 2943 6469 2611 1302

Tab. 4: Dialekt- bzw. Nonstandard-Anteil im Mittel der Texte (%)

Tatsächlich gibt es Sprecher, die – in der aufgenommenen Situation – eine ganze Reihe von Variablen ausschließlich standardsprachlich realisieren, und andere, die bei vielen Variablen oder ganz ausschließlich die Nonstandard-Variante verwenden. Eine Gruppierung der Variablen nach diesem Kriterium könnte also zu einer klareren Differenzierung von Sprachlagen führen. Eine entsprechende Auflistung (in wievielen Sprechertexten kommt die jeweilige Nonstandard- bzw. Dialektvariante praktisch nicht vor, in wievielen ist sie praktisch obligatorisch) ergibt eine

Abstufung des Variantengebrauchs in den Texten

113

Gruppe von Varianten, die alle Sprecher verwenden, und eine andere, die bei keinem obligatorisch ist, dazwischen jedoch wiederum eine kontinuierliche Reihe von Werten, die keine eindeutige Bruchstelle aufweist (ob wie in Tab. 5 ein Toleranzbereich von 10 % angesetzt wird oder ein geringerer oder gar keiner, ist dabei irrelevant): Nonstandard-Var. < 10 % (Anteil der Texte in %) 0. is/ist 0. sons/sonst 0. les/lesE 0. ne/eine 2.5 aCH/aG 5. un/und 10. eCH/eG 17.5 dat/das 20. J/G 22.5 aG_fr/aG 22.5 je-/ge22.5 eJ/eG 22.5 SCH/CH 25. L_vel/L 25. nit/nicht 30.76 mer/wir 32.5 0/T Deklin 40. UmlVb 45. 47.5 0/E UnregVb 50. 52.5 O/A 52.5 EE/EI 52.5 I_krz/EI VokQuant 52.5 55. G/T 55. O/U 60. V/B 60. U/O 60. D/T 60. 0/N 60. II/EI 60. op/auf 65. Jl/Gl

Nonstandard-Var. > 90 % (Anteil der Texte in %) is/ist sons/sonst aCH/aG ne/eine eCH/eG je-/gedat/das les/lesE aG_fr/aG J/G SCH/CH eJ/eG nit/nicht un/und mer/wir op/auf UmlVb Deklin UnregVb 0/E 0/T 0/N EE/EI I_krz/EI VokQuant U/O O/U V/B L_vel/L D/T G/T II/EI O/A Jl/Gl

95. 60. 60. 55. 42.5 37.5 37.5 27.5 22.5 17.5 17.5 15. 15. 15. 12.82 10. 7.5 2.5 2.5 0. 0. 0. 0. 0. 0. 0. 0. 0. 0. 0. 0. 0. 0. 0.

Tab. 5: Anteil der Texte, in denen die Nonstandard-Variante unter 10 % bzw. über 90 % der Realisierungen der jeweiligen Variablen ausmacht

Es wird also deutlich, dass die kontinuierliche Abstufung der Mittelwerte in Tab. 4 nicht das Profil einer mehr oder weniger stabilen Varietät ‚regionale Umgangs-

114

Ergebnisse der global-statistischen Auswertung

sprache‘ wiedergibt, die sich durch unterschiedliche, aber jeweils ungefähr voraussagbare Anteile der verschiedenen Nonstandard-Varianten auszeichnet. Auch von Text zu Text ergibt sich wieder eine kontinuierliche Abstufung. Hierfür könnte die soziologische Heterogenität des Sprecher-Samples als mutmaßlicher Grund angeführt werden; wenn das zuträfe117, müsste man allerdings konstatieren, dass erst diese Heterogenität es erlaubt, die praktisch kontinuierliche Gesamtstruktur des Sprachlagenspektrums zu erkennen, während eine soziologisch homogenere Auswahl künstlich einen oder mehrere Ausschnitte daraus isolieren würde.

4.2 IMPLIKATIONSSKALENANALYSE Zu untersuchen ist nun weiter, ob sich das Material tatsächlich auch im Einzelnen als Kontinuum von Strukturen erweist, ob sich also in der Verwendung der Nonstandard- bzw. Dialektvarianten ein Implikationsverhältnis zeigen lässt bzw. aus dem Auftreten einer Dialektvariante auf die dialektale Realisierung der „übergeordneten“ (= standardnäheren) Merkmale geschlossen werden kann und aus dem Auftreten einer Standardvariante auf die standardsprachliche Realisierung der „untergeordneten“ (=dialektaleren) Merkmal. Wie in Kap. 1.3 dargestellt, hat sich dafür das Verfahren der Implikationsskalenanalyse etabliert. Wenngleich die theoretische Ausgangspositions DECAMPS (Rückführbarkeit aller Lagen im Kontinuum auf das gleiche zugrundeliegende System) für die Variation zwischen Standard und Dialekt grundsätzlich problematisch erscheint, kann dieses Verfahren zur Überprüfung einer hierarchischen Organisation der Variation auch losgelöst davon verwendet werden (vgl. a. BERRUTO 1980, 203). Die Organisationkräfte können dann verschiedener Art sein, auch rein soziolinguistisch (vgl. MIHM 2000, 2110). Um die Hierarchie der Merkmale und die Abstufung der Sprechertexte in einer Matrix abzubilden, werden in Implikationsskalen Merkmale und Texte (auf der x- bzw. auf der y-Achse) jeweils danach angeordnet, wie häufig das entsprechende Merkmal als „nicht standardsprachlich realisiert“ eingestuft ist („1“) bzw. für wieviele Merkmale in dem entsprechenden Text Nonstandard-Realisierung konstatiert wird. Hieraus ergibt sich eine Anordnung, in der die Einträge für „+dialektal“ von Merkmal zu Merkmal und von Text zu Text abnehmen. Sofern Implikation vorliegt, also nicht nur die Zahl der Einträge für „+dialektal“ von Text zu Text abnimmt, sondern dieser Wechsel von „+dialektal“ zu „-dialektal“ nach einer festen Reihenfolge der Merkmale vor sich geht und jeweils nur ein(ige) Merkmal(e) betrifft, während sich für die übrigen nichts ändert, ergibt sich eine diagonale bzw. treppenförmige Struktur (vgl. Kap. 1.3.1, Tab. 1). Je weiter

117 Dann wäre allerdings auffällig, dass sich auch für soziologisch sorgfältig homogen angelegte Samples wie das der „typischen Regionalsprache-Sprecher“ von JAKOB (1985) ähnliche Resultate ergeben.

Implikationsskalenanalyse

115

sich das konkrete Bild von diesem Ideal entfernt, also je mehr 1 und 0 auf der jeweils „falschen“ Seite der Diagonale vorkommen, desto weniger kann von einer Implikationshierarchie die Rede sein. Das Hauptproblem der Implikationsskalen, dass Variation innerhalb einer Untersuchungseinheit (also in der Regel wie hier: eines Sprechertextes) eigentlich nicht vorgesehen ist, wird technisch damit gelöst, dass die Daten mit Hilfe eines Schwellenwerts (cutoff-point) in binäre Daten (1 oder 0) transformiert werden (s. etwa DITTMAR 1997, 284), wobei natürlich die Höhe des Schwellenwerts von wesentlicher Bedeutung ist. Eine sachliche Begründung dieses Werts von der Fragestellung her (wie von HATCH/ FARHADY 1982, 182–186 gefordert) erscheint bei Variation im „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standard kaum möglich, daher probiert z. B. SALEWSKI (1998) verschiedene Schwellenwerte aus. Die vorliegenden Daten werden ebenfalls mit zwei verschiedenen Schwellenwerten getestet; in Tab. 6 steht „1“ für mindestens 33 % Nonstandard-Varianten in der Realisierung einer Variablen im Text des Sprechers, in Tab. 7 für mindestens 50 % Nonstandard-Varianten. Ob die Abweichungen einer Implikationsskala von der optimalen Anordnung sich noch in einem tolerablen Bereich bewegen, wird üblicherweise mit Hilfe des Guttmanschen Reproduzierbarkeitskoeffizienten (Krep) und des Skalabilitätskoeffizienten (Kskal) gemessen (zur Berechnung vgl. HATCH/ FARHADY 1982; DITTMAR 1998; DIEKMANN 1999, 239–242). Krep sollte mindestens bei 0.9 liegen, Kskal mindestens bei 0.6 – allerdings konkurrieren hier unterschiedliche Berechnungsmethoden. Das Ergebnis hängt insbesondere davon ab, was unter „Abweichung“ verstanden wird. Hierfür gibt es verschiedene Definitionen (vgl. DIEKMANN 1999, 241): Entweder wird anhand der Randsummen ermittelt, ob ein Wert an einer bestimmten Position „korrekt“ ist oder nicht118, und jede Abweichung hiervon wird gewertet. Oder es werden nur die Verstöße gegen eine ununterbrochene Abfolge gleicher Werte als Abweichung gewertet, was eine deutlich geringere Anzahl von Abweichungen ergibt119. Für die Berechnung in Tab. 6 und 7 wurde die erstere, strengere Methode gewählt. (Abweichungen sind als „o“ und „I“ abgehoben, „x“ steht für fehlende Werte)

118 So etwa HATCH/ FARHADY (1982, 179; 184–185; 187) und DIEKMANN (1999, 241). 119 So rechnen DITTMAR (1998, 91–92) wie auch SALEWSKI (1998, 111–113).

Ergebnisse der global-statistischen Auswertung

Text

sons/sonst is/ist ne/eine leb/lebE aCH/aG dat/das un/und SCH/CH je-/geeCH/eG aG_fr/aG J/G eJ/eG nit/nicht L_vel/L mer/wir 0/T UnregVb Deklin 0/E VokQuant 0/N D/T EE/EI I_krz/EI V/B G/T O/A U/O Jl/Gl O/U op/auf II/EI

116

S35 S12 S16 S03 S11 S38 S13 S26 S24a S27 S09a S33 S34 S24b S19 S29 S08 S06 S05 S17 S07 S02 S20 S01 S09b S36 S21 S32 S04 S30 S15 S31 S25 S37 S22 S18 S14 S23 S10 S28

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 x 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o o o 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o o 1 o o 1 0 0 I 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 1 o o 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 I I I 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 1 1 o o 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 x x 1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o I 0 0 I 0 0 0 0 x 0 0

1 1 1 1 1 1 x 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 I I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o o 0 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 o 1 1 1 1 1 o 1 1 1 o o 1 I 0 I 0 0 I I I I 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 1 I 0 0 I 0 0 0 0 0 0 x 0 0 0 0 0 0 x 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o I 0 0 0 0 I I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 1 o o 0 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 0 0 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 o 1 1 1 1 1 1 I 0 0 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 I 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 o 1 1 x I 0 0 0 0 I 0 I 0 0 0 0 0 0 0 x 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 x 0 0 0 x 0 0

1 1 1 1 o I 0 I I I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 I 0 I 0 I 0 0 0 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 x 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 I I I 0 I 0 0 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

Tab. 6: Implikationsskala mit cutoff-point (= Schwellenwert für die Zuweisung zu 1 = „dialektal“/ „Nonstandard“ oder 0 = „standardsprachlich“) bei 33 % Dialekt- bzw. Nonstandard-Anteil Krep = 0.9339; Kskal = 0.7382

Implikationsskalenanalyse

Text

sons/sonst is/ist ne/eine hab/habE aCH/aG dat/das eCH/eG je-/geun/und aG_fr/aG SCH/CH eJ/eG J/G nit/nicht mer/wir L_Vel/L UnregVb 0/E 0/T VokQuant Deklin I_krz/EI op/auf EE/EI U/O V/B O/A Jl/Gl O/U Dialekt/T II/EI G/T 0/N

117

S03 S12 S11 S16 S13 S35 S38 S24a S26 S27 S34 S33 S19 S24b S08 S20 S05 S07 S09a S01 S29 S02 S06 S36 S17 S09b S04 S30 S32 S21 S15 S25 S31 S37 S22 S18 S14 S10 S23 S28

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 x 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 o 1 1 o 1 o o o 0 0 0 0 0 0

1 1 x 1 1 1 x 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 o 1 o 1 0 0 0 0 0 0 x 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o o 1 1 1 1 1 1 o o 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 1 o 1 o 0 I 0 0 0 0 I 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 x 1 1 o 1 1 1 1 1 o 1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 1 I 0 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 o o 1 1 o o 1 o 1 1 o 1 1 1 o 1 1 1 1 1 1 1 1 I 0 I 0 I I I 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 1 1 1 o o 0 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o 0 I I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o o I I I 0 0 0 0 I 0 0 0 0 0 x 0 0 0 0 0 0 0 x 0

1 1 1 1 o 1 1 1 o 1 o o 1 I 0 I I 0 0 I I 0 I I 0 0 I I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 o o o I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 o o 0 I I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

o o 1 1 1 1 1 1 1 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 o 1 1 o I I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 o I 0 0 0 0 0 0 0 x 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 o 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 o 1 0 I I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 o 1 0 I 0 0 0 0 0 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

o o 1 1 x I 0 0 I 0 I 0 0 0 0 x 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 x 0 0 0 0 x 0

1 1 0 I 0 0 I 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 I 0 I I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

I 0 I I I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

I I 0 0 I 0 0 I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 I I I 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

Tab. 7: Implikationsskala mit cutoff-point (= Schwellenwert für die Zuweisung zu 1 = „dialektal“/ „Nonstandard“ oder 0 = „standardsprachlich“) bei 50 % Dialekt- bzw. NonstandardAnteil Krep = 0.92; Kska1 = 0.62

118

Ergebnisse der global-statistischen Auswertung

Hiernach bilden die Ergebnisse für die untersuchten Merkmale in den 40 Texten der 38 Sprecher tatsächlich auch im Einzelnen eine implikative Abstufung der Merkmale und der Texte. Nach den Reproduzierbarkeits- und Skalabilitätskoeffizienten sind beide Implikationsskalen akzeptabel120. Die Abstufung zeigt auch keine Bildung größerer Blöcke, sondern weicht nur wenig von der „optimalen“ Diagonalen ab. Die Implikationsskalenanalyse stützt demnach die Annahme eines Kontinuums von Sprachlagen zwischen Dialekt und Standard, die vor allem jeweils durch eine spezifische Kombination dialektaler und standardsprachlicher Merkmale gekennzeichnet sind. Am einem Pol des Kontinuums stehen nach Tab. 6 die Aufnahmen von S10 und S28 (Studentinnen), die nur mit den über- bzw. großregionalen Allegromerkmalen nennenswert vom Standard abweichen. Am anderen Pol stehen die Aufnahmen von S12 (Rentnerin, ehem. Bankangestellte) und S35 (Hausmeister), die alle Variablen überwiegend dialektal realisieren. Allerdings ist diese Hierarchie der Sprechertexte wie auch die Hierarchie der Merkmale in den beiden Skalen nicht genau dieselbe (und auch nicht dieselbe wie in Tab. 4 und 5). Dahinter steht das Problem des Schwellenwert-Verfahrens bzw. der Reduktion der Variations-Daten auf 1 vs. 0 (vgl. SALEWSKI 1998). Eine Anordnung, die ohne eine solche Reduktion widerspruchsfrei der tatsächlichen Abstufung der Werte gerecht würde, lässt sich jedoch nicht finden. Insofern spiegeln Tab. 6 und 7 hier eine Eindeutigkeit in der Abstufung der Merkmale und Sprechertexte vor, die nicht der Realität entspricht. Nach den Überlegungen in Kap. 3.1 überrascht das nicht; die Reduktion der Variation auf 1 vs. 0 bedeutet ja, dass man künstlich vollständig homogene Texte erzeugt. Im Rahmen eines Konzepts, das Variation im Wesentlichen als Momentaufnahme eines Wandelprozesses betrachtet (vgl. etwa MATTHEIER 1979; 1987) und die Betrachtung insofern auf die Häufigkeitsverlagerung bzw. auf „vorher“ und „nachher“ reduzieren kann, wäre dies nicht ungerechtfertigt, insbesondere dann, wenn man gleichzeitig davon ausgeht, dass der prozentuale Anteil einer Variante in einem Text mit der Wahrscheinlichkeit von deren Auftreten unter den gegebenen Bedingungen gleichgesetzt werden kann, dass der Zufall des Gesprächsverlaufs also keine Rolle spielt. Wenn dagegen – wie hier – ein synchroner Zustand untersucht werden soll, in dem die Verfügung über ein Repertoire alternativer sprachlicher Mittel den Sprechern Entscheidungsmöglichkeiten lässt, die sie im Gesprächsverlauf aktiv nutzen, lässt sich diese Reduktion tatsächlich nur technisch begründen. Immerhin weist die Tatsache, dass sich die Daten mit dieser Maßnahme überhaupt in akzeptable Implikationsskalen bringen lassen, doch darauf hin, dass zumindest eine grobere überindividuelle Abstufung in der dialektalen Konnotiertheit der verschiedenen Merkmale existiert.

120 Dies liegt auch nicht daran, dass bei einer Reihe von Merkmalen durchgehend nur Werte oberhalb der Schwellenwerte vorkommen, wie eine Überprüfung ohne diese Merkmale bewies.

Clusteranalyse

119

4.3 CLUSTERANALYSE 4.3.1 Gruppierung der Texte Als vermittelndes Modell zwischen der Annahme klar distinkter Varietäten und der Gegenannahme eines durchgehenden Kontinuums von Sprachlagen ist in Kap. 1.4 das Konzept von Verdichtungsbereichen dargestellt worden: statistisch hervortretende Sprachlagen, zwischen denen gleichwohl kontinuierliche Übergänge möglich sind. Wenn die Implikationsskalenanalyse eher kontinuierliche Übergänge als klar voneinander abgesetzte Blöcke von Variablen zeigt, so weist dies zwar in Richtung eines Kontinuums, aufgrund der Schwellenwert-Problematik kann es aber sein, dass Verdichtungsbereiche infolge geringfügiger Schwankungen der Werte dabei nicht erkannt werden. Solche Verdichtungsbereiche, die sich eben als solche nur durch Häufung ähnlicher Muster, nicht aber durch klare Abgrenzbarkeit nach außen auszeichnen, können jedoch mit Clusteranalysen greifbar gemacht werden, die Merkmalsträger mit ähnlichem Variationsprofil zusammenfassen. So stützt sich auch LENZ (2003), die sich besonders nachdrücklich für das Modell der Verdichtungsbereiche ausspricht, im Wesentlichen auf dieses Verfahren. Im Unterschied zu Versuchen der Klassifikation über die Suche nach Abgrenzungsmöglichkeiten bzw. Unterschieden an den Rändern geht die Clusteranalyse von der Ähnlichkeit aus und formiert Klassen sozusagen „von innen her“, indem nach und nach immer die Elemente mit der größten Ähnlichkeit zu (immer größeren) Clustern zusammengefasst werden121. In der Art eines umgekehrten Stammbaums (Dendrogramm) ergibt sich also eine zunehmend grober werdende Gruppierung der Elemente in (immer weniger) Untergruppen. Wo man einen Einschnitt vornimmt bzw. auf welche Stufe dieses Prozesses man letztendlich eine Einteilung stützt, ist eine Entscheidungsfrage, die u. a. meistens dadurch bestimmt wird, dass die Anzahl der sich ergebenden Gruppen nicht zu groß und nicht zu klein sein soll. Hinzu kommt aber das Kriterium der Ähnlichkeit bzw. Distanz zwischen den Gruppen (bzw. komplementär dazu das der Homogenität innerhalb der Gruppen): Wenn die Distanz zwischen den zusammenzufassenden Clustern von einem Zusammenfassungsschritt zum nächsten stark ansteigt (und damit die Homogenität der resultierenden Cluster stark absinkt), bietet sich ein Einschnitt eher an, als wenn der Unterschied zum vorangehenden Zusammenfassungsschritt gering ist. In jedem Fall hat die vielstufige Differenzierung des Analyseergebnisses den Vorteil, dass sie über- und untergeordnete Gemeinsamkeiten sichtbar werden lässt. Ein wesentlicher methodischer Punkt bei der Clusteranalyse ist die Erfassung der Ähnlichkeit zwischen den (Gruppen von) Merkmalsträgern, d. h. hier: der Übereinstimmung in der Realisierung der Variablen (bei der Bildung von Clustern aus Sprechertexten). Das Distanzmaß als solches ist im vorliegenden Fall nicht so problematisch: Wenn die einzelnen Variablen nicht unterschiedlich gewichtet 121 Zur genaueren Darstellung des Verfahrens vgl. z. B. BACHER (1994), BAHRENBERG/ GIESE/ NIPPER (1992, 278–309).

120

Ergebnisse der global-statistischen Auswertung

werden sollen, kann die Differenz zwischen zwei Texten am Anfang der Analyse einfach als kumulierte Differenz der Einzelwerte für die verschiedenen Variablen122 definiert werden. Schwieriger ist die Definition der Ähnlichkeit im weiteren Verlauf des Verfahrens, wenn es nicht mehr um die Übereinstimmung zwischen einzelnen Texten geht, sondern um die Übereinstimmung zwischen bereits gebildeten Textclustern, die ja aus Texten mit unterschiedlichen Werten bestehen. Hierfür sind drei Methoden mit verschiedenen Kriterien für die Fusionierung besonders geläufig: die complete linkage-Methode (ausschlaggebend für die Ähnlichkeit zwischen zwei Clustern ist die Ähnlichkeit zwischen deren einander unähnlichsten Elementen), die Mittelwert-Methode (average linkage – ausschlaggebend ist die gemittelte Distanz zwischen den Einzelelementen) und das WardVerfahren, das jeweils die Zusammenfassung bevorzugt, bei der sich die interne Homogenität der Cluster möglichst wenig verringert (vgl. BAHRENBERG/GIESE/NIPPER 1992, 284–287). Da die Unterschiede zwischen diesen Methoden wesentliche Folgen für die Bildung der Cluster haben können (und um die methodische Grundlage für die schließlich dargestellte Gruppierung der Texte anschaulicher zu machen), werden im Folgenden die Dendrogramme für die Clusteranalyse123 der vorliegenden Daten nach den genannten drei Methoden hintereinandergestellt. Die in den weiteren Überlegungen zugrundegelegte Zusammenfassungs-Ebene mit Gruppierung der Texte in vier Cluster ist mit Ziffern an den entsprechenden Knoten kenntlich gemacht.

122 Bzw. als euklidische Distanz, also Quadratwurzel der Summe der quadrierten Differenzen. 123 Durchgeführt mit SPSS.

Clusteranalyse

Abb. 2: Dendrogramm zur Clusteranalyse der 40 Sprechertexte (Mittelwert-Verfahren)

121

122

Ergebnisse der global-statistischen Auswertung

Abb. 3: Dendrogramm zur Clusteranalyse der 40 Sprechertexte (complete-linkage-Verfahren)

Clusteranalyse

 Abb. 4: Dendrogramm zur Clusteranalyse der 40 Sprechertexte (Ward-Verfahren)

123

124

Ergebnisse der global-statistischen Auswertung

Wie die Dendrogramme sichtbar machen, hängt die Gruppierung am Anfang der Clusterbildungs-Prozedur stark von der Methode ab. Vergleicht man aber die Ergebnisse an dem Punkt, an dem alle Einzelelemente einem größeren Cluster zugeordnet sind, stimmen sie bei allen drei Methoden sehr weitgehend überein. Abgesehen davon, dass die Texte S15 und S32 nach der complete-linkage-Methode noch dem Cluster 4 angegliedert werden, bilden sich immer die gleichen vier Untergruppen von Sprechertexten. Die durch die 40 Texte repräsentierten Sprachlagen wären demnach in vier deutlich zu unterscheidende Verdichtungsbereiche zu gliedern. Auch die weitere Zusammenfassung dieser vier Cluster – bei der die Homogenität dann allerdings stark absinkt – stimmt beim Mittelwert- und beim Ward-Verfahren überein, danach gehören die beiden mittleren Cluster (auch hinsichtlich der Dialektnähe die mittleren) enger zusammen und stehen dem Cluster der standardnächsten Texte noch einmal näher als dem „Dialekt“-Cluster. Der Vergleich mit dem Ergebnis nach dem complete-linkage-Verfahren relativiert diesen Schluss allerdings und macht deutlich, welche Rolle die Wahl der Methode spielt: Hier ergibt sich auf oberster Ebene eine 2:2–Gruppierung, und der stärkste Einschnitt läge hiernach gerade zwischen den beiden Clustern im „mittleren Bereich“. Die soziologische Gruppierung der Sprecher in diesen Clustern ist insgesamt nicht überraschend. Die ersten beiden Cluster umfassen vor allem die Sprecher aus der ältesten Altersgruppe, dazu jeweils auch einige Sprecher aus der mittleren. Die Zusammensetzung der beiden Cluster unterscheidet sich allerdings nicht weiter, die Verteilung dieser beiden Altersgruppen ist gleich, und auch Beruf oder Bildungsgrad sind hierbei offenbar nicht relevant. Im dritten Cluster ist das Verhältnis von ältester und mittlerer Altersgruppe dann umgekehrt; im vierten finden sich sieben der acht Sprecher aus der jüngsten Gruppe, deren Bildungsgrad gleichzeitig auch besonders hoch ist, und zwei aus der mittleren. Der Akzent soll im Folgenden aber nicht auf die Zusammenhänge zwischen soziologischen Faktoren und Sprachgebrauch gelegt werden, es geht vielmehr darum, die verschiedenen „Sprachlagen“ bzw. die jeweils verwendeten Varianten und deren Kombinationen genauer zu erfassen.

4.3.2 Variationsprofile der verschiedenen Cluster Das Typische in den unterschiedlichen Variationsmustern – und damit auch die unterschiedliche Rolle verschiedener Variablengruppen – wird deutlicher, wenn man pro Cluster (nach dem Mittelwert- oder dem Ward-Verfahren) die Verteilung der Daten (Anteil der nicht-standardsprachlichen Variante pro Text) für die verschiedenen Variablen mittels Boxplots visualisiert. (Die Linie innerhalb des Rechtecks markiert in Boxplots den Median; die Ränder des Rechtecks entsprechen dem 25. bzw. 75. Perzentil, 50 % der Daten fallen also in den Bereich des Rechtecks, den Interquartilbereich. Die senkrechten Linien reichen bis zum 5. und

Clusteranalyse

125

95. Perzentil, markieren also die Strecke, innerhalb derer 90 % der Daten liegen. Die Kreise und Sterne stehen für Ausreißer und extreme Ausreißer124.) Im Cluster 1, den dialektnächsten Texten, bewegen sich fast alle Werte im mittleren bis oberen Bereich, bei den Variablen im rechten Teil des Diagramms liegen sie aber deutlich niedriger als im linken, im Mittel bei ca. 50 % (gegenüber 90 % im linken). Die Spannweite zwischen den Texten dieses Clusters liegt jedoch bei den meisten Variablen schon im Interquartilbereich bei knapp 20 % und nähert sich für die extremeren Werte 40 % (im Fall SCH/CH fast 100 %).

Anteil der D-Variante in %

100 80 60 40 20 0

Abb. 5: Boxplot Verteilung des Variantengebrauchs der Sprecher aus Cluster 1 (S3, S11, S12, S13, S16, S24a, S26, S35, S38)

Beim zweiten Cluster wird gut sichtbar, wie die Dialektanteile in dem ganzen Bereich rechts weiter absinken, auf ca. 20 % im Mittel, während sich links (d. h. bei den g-Variablen außer Jl/Gl, bei der Koronalisierung von [ç], bei dat/das und nit/nicht) weniger ändert. Bei diesen Texten ist der Unterschied zwischen den Variablen also stärker ausgeprägt; die jeweilige Spannweite für die einzelnen Variablen ist etwa so groß wie beim ersten Cluster.

124 Kreise: Werte, die mehr als 1,5 Boxlängen vom 25. bzw. 75. Perzentil entfernt sind. Sterne: Werte, die mehr als 3 Boxlängen vom 25. bzw. 75. Perzentil entfernt sind.

Ergebnisse der global-statistischen Auswertung

126

Anteil der D-Variante in %

100 80 60 40 20 0

Abb. 6: Boxplot Verteilung des Variantengebrauchs der Sprecher aus Cluster 2 (S5, S6, S7, S8, S9a, S19, S20, S24b, S27, S29, S33, S34)

Beim dritten Cluster werden die Dialektanteile der Variablen im rechten Bereich dann praktisch ganz auf Null reduziert, während die Werte im linken Bereich z. T. immer noch sehr hoch sind – allerdings mit einer zum Teil deutlich vergrößerten Bandbreite zwischen den Sprechertexten (schon der Interquartilbereich umfasst hier Unterschiede von ca. 40 %).

Anteil der D-Variante in %

100 80 60 40 20 0

Abb. 7: Boxplot Verteilung des Variantengebrauchs der Sprecher aus Cluster 3 (S1, S2, S4, S9b, S15, S17, S21, S30, S32, S36)

Clusteranalyse

127

Zum vierten Cluster hin sinken dann auch diese Werte erheblich ab, es bleibt eine Variantenkombination, die als überregionale gesprochene Standardsprache bezeichnet werden könnte, wenn nicht die extreme Bandbreite bei der Koronalisierung und bei aCH/aG und der relativ hohe Mittelwert bei letzterem wären. Damit sind hier doch noch Merkmale vorhanden, die spezifisch für die (Groß-)Region sind. Von den eindeutiger regionalen und kleinräumiger verbreiteten Merkmalen sind hier aber kaum noch einzelne Spuren zu finden.

Anteil der D-Variante in %

100 80 60 40 20 0

Abb. 8: Boxplot Verteilung des Variantengebrauchs der Sprecher aus Cluster 4 (S10, S14, S18, S22, S23, S25, S28, S31, S37)

4.3.3 Prototypische Sprachlagen und tatsächlicher Gebrauch Bildet man für die verschiedenen Cluster die Mittelwerte der Dialekt-Anteile pro Variable (Abb. 9, vgl. a. LENZ 2003, 224–229), bietet sich ein recht überzeugendes Bild von vier Sprachlagen, die prototypisch vier Verdichtungsbereiche vertreten und jeweils durch einen spezifischen Umfang der Verwendung bestimmter Gruppen von Varianten charakterisiert sind. Die dialektnächste dieser Lagen sinkt nur bei wenigen Variablen geringfügig unter einen Dialektanteil von 50 % und liegt bei vielen um 90 %, hier könnte man also von „Dialekt mit Standardeinflüssen“ reden. Die zweite Lage ist durch die Kombination hoher Dialektanteile bei bestimmten Variablen und eher niedriger Anteile bei anderen gekennzeichnet. Bezeichnungen wie „Regionaldialekt“ oder „Verkehrsdialekt“ scheinen hier nahezuliegen; dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass die Abstufung des Variantengebrauchs nicht die areale Reichweite der Dialektvarianten reflektiert. So umfasst das dialektale Verbreitungsgebiet auch bei den meisten Merkmale im rechten Bereich des Diagramms den gesamten ripuarischen Raum und geht bei vielen auch darüber hinaus, während umgekehrt die Merkmale des linken Bereichs z. T.

128

Ergebnisse der global-statistischen Auswertung

einen eingeschränkteren Geltungsraum haben. Sowohl bei D/T als auch bei O/A oder EE/EI und II/EI ist der Geltungsraum im Dialekt größer als bei J/G, und auch bei dat/das wäre es berechtigt, als Geltungsraum nicht das gesamte Gebiet mit unverschobenem t anzusetzen, sondern den Raum, in dem diese spezifischen Ausnahmen von der ansonsten vollzogenen Lautverschiebung gelten, also nur das Mittelfränkische. Die dritte und vierte Lage liegen in dem rechten Bereich fast (3.) oder ganz (4.) bei Null, sie unterscheiden sich dagegen deutlich bei den Variablen des linken Bereichs: Hier sind die Werte in der dritten Lage noch relativ hoch, man könnte demnach hier von Standardsprache mit einer bestimmten Reihe von dialektalen Merkmalen sprechen bzw. von regionaler Umgangssprache. In der vierten spielen dagegen auch diese Merkmale kaum eine Rolle, hier treten nur diejenigen Merkmale häufiger auf, die groß- oder überregionale Allegro-Merkmale sind. Ganz deutlich wird hier der Unterschied zwischen diesen Allegro-Erscheinungen und aCH/aG, den die Mittelwertbildung in 4.1 verdeckt hatte; gut sichtbar ist auch die Sonderrolle der Koronalisierung von [ç] und dem velarisierten l, wo sich die Lagen berühren oder sogar kreuzen. Schon im Vergleich mit den Boxplots wird allerdings erkennbar, dass dieses klare Bild prototypischer Sprachlagen, das durch die Zuordnung zu geläufigen Bezeichnungen schon den Anschein einer Varietäten-Schichtung erhält, vor allem durch statistisches „Herauspräparieren“ (vgl. SCHMIDT 2005a, 70) zustande kommt und keinesfalls das spezifische Profil bestimmter üblicher Sprachlagen wiedergibt. Dass das tatsächliche Verhalten der Sprecher durch die zweimalige statistische Bündelung mittels Clusteranalyse und Mittelwertbildung enorm reduziert wird, wird ganz deutlich, wenn man in derselben Weise wie in Abb. 9 – und mit derselben Farbverteilung für die verschiedenen Cluster – die tatsächlichen Einzelwerte danebenstellt125 (s. Abb. 10).

125 Aus Gründen der „Übersichtlichkeit“ musste hier auf eine zusätzliche Kennzeichnung der Werte als Punkt verzichtet werden, zur Orientierung muss die Beschriftung der Achsen ausreichen. Irgendeine Kontinuität soll durch die Linien natürlich nicht suggeriert werden (das gilt auch für die Verbindungslinien zwischen den Punkten in den anderen Diagrammen).

st s_t ine aG as nd aG CH ge bE eG _i _ ha H_ at_d je_ n_u fr_ H_ is son e_e H _ C C u b d n aG SC e a ha

Cluster 1

Cluster 2

ir G G ht _L J_ J_e nic r_w vel L e t_ me i n

Abb. 9: Anteile der Dialektvarianten, gemittelt pro Cluster (in %)

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Cluster 4

I E nt EI auf _A _E x_ ua rz_ _ O Q EE k op I k Vo

Cluster 3

b T in x_ egV ekl D nr U

B V_

G

_T

_G Jl

l

_U _O U O

_T D

N x_

Clusteranalyse

129

130

Ergebnisse der global-statistischen Auswertung

Der Eindruck des Kontinuums überwiegt hier doch wohl deutlich den einer Verdichtung in bestimmten Lagen, selbst wenn die Darstellung letzteren noch stützt. Immerhin sind Kreuzungen zwischen verschiedenen Linientypen – außer bei SCH/CH und L_vel/L – nicht so häufig, was den Befund einer (tendenziell) implikativen Struktur bestätigt. Die Auffächerung pro Cluster (bzw. Linientyp) ist jedoch ganz beträchtlich. Wenn sich also hinsichtlich der Realisierung bestimmter Variablengruppen verschiedene Hauptmuster unterscheiden lassen (womit die relativ klare statistische Gruppierung zusammenhängt), so kann der Gebrauch der Sprecher in der jeweils aufgenommenen Situation in quantitativer Hinsicht jedenfalls kaum als Wahl einer überindividuell existierenden Lage betrachtet werden. Dies lässt sich schließlich an zwei interessanten Einzelfällen näher demonstrieren: Von den Sprecherinnen S09 und S24 liegen jeweils zwei Aufnahmen vor, die zu unterschiedlichen Clustern gehören (Cluster 2 und 3 bzw. 1 und 2). Beide Fälle sind sich sehr ähnlich: Es handelt sich jeweils um eine Sprecherin der mittleren Altersgruppe (Beruf in beiden Fällen Sekretärin), die sich in der a-Aufnahme mit vorwiegend Gleichaltrigen unterhält, in der b-Aufnahme mit ihrem Sohn bzw. ihren Söhnen (Abb. 11). Vor allem bei S09 verläuft die b-Reihe in fast erstaunlicher Weise parallel zur a-Reihe, im linken Teil des Diagramms mit geringerem Abstand, im rechten mit größerem (Ausnahmen: wieder L_vel/L, hier auch Jl/Gl). Auch bei S24 ist in der b-Aufnahme eine systematische Annäherung an den Standard zu erkennen, wenngleich sie schwächer ausfällt, der Abstand weniger regelmäßig ist und sich die Linien sogar mehrfach kreuzen. Vergleicht man diese vier individuellen Lagen jedoch mit den vier statistisch „herauspräparierten“ gemittelten Sprachlagen (dünne Linien), befinden sie sich irgendwo ganz dazwischen – und verlaufen teilweise auch eher quer dazu. Mit soziosituativen Faktoren ist der Unterschied zwischen S09 a und b und S24 a und b nicht zu erklären: Beide Sprecherinnen stimmen in Alter und Beruf weitgehend überein und die Gesprächssituationen sind gut vergleichbar. Auch in der durch die Gesprächspartner bedingten Abstufung zwischen den beiden Situationen ähnelt sich das sprachliche Verhalten der beiden noch, die konkreten „Profile“ der Variantenwahl unterscheiden sich jedoch beträchtlich. Das macht noch einmal deutlich, dass die mit Hilfe der Clusteranalyse ermittelten Verdichtungsbereiche keine im konkreten Einzelfall identifizierbaren Optionen darstellen. Insgesamt zeigt sich bei der global-statistischen Auswertung des Korpus also das bekannte Bild eines Kontinuums von Dialektanteilen, sowohl im Bezug auf die verschiedenen Variablen als auch im Bezug auf die verschiedenen Sprechertexte. Eine Bündelung der Variation mit Hilfe einer Clusteranalyse ergibt zwar eine relativ klare Clusterbildung, und für diese Cluster kristallisieren sich deutlich unterschiedliche Profile des dominierenden Variantengebrauchs heraus (Verdichtungsbereiche). Der Vergleich der durch Mittelwertbildung dann statistisch konstruierbaren (proto-)typischen Sprachlagen mit den Einzeldaten macht jedoch auch die Kluft zwischen beidem sichtbar.

b T in x_ egV ekl D nr U

l E nt EI auf _A _EI _B _T _G _O _U _N _T _EI x_ ua rz_ x D V _ G Jl O U O II E p Q E o Ik k o V

Abb. 10: Anteile der Dialektvarianten in allen Einzeltexten (%) (schwarz: Cluster 1 – grau: Cluster 2 – schwarz gestrichelt: Cluster 3 – grau gestrichelt: Cluster 4)

st s_t ine aG bE eG as ge nd aG CH _G eG cht wir l_L lVb _i J J_ ni r_ ve m is son e_e H_ _ha H_ at_d je_ n_u fr_ H_ e L t_ me U u aG d n ni eC aC hab SC

0,00

10,00

20,00

30,00

40,00

50,00

60,00

70,00

80,00

90,00

100,00

Clusteranalyse

131

Cluster 2

Cluster 3

Cluster 4

b T in x_ egV ekl D nr U

S09a

S09b

S24a

S24b

l E nt EI auf _A _EI _B _T _G _O _U _T x_ ua rz_ D V _ G Jl O U O E p Q E o Ik k o V

Abb. 11: Anteile der Dialektvarianten in den Texten S09a – S09b, S24a – S24b und Mittelwerte pro Cluster (in %)

Cluster 1

t ir _L Vb st s_t ine aG bE eG as ge nd aG CH _G eG ich w l l _i J _ n r_ v e is son e_e H_ _ha H_ at_d je_ n_u fr_ H_ m eJ it_ me L U G C C u b C n d n a e a ha S

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

N EI x_ II_

132 Ergebnisse der global-statistischen Auswertung

5. KOOKKURRENZANALYSE 5.1 ZUR METHODE 5.1.1 Vorgehen Angesichts des in Kap. 2 dargestellten Problems der empirischen Erfassung intrasituativer Variation ist es nicht unwahrscheinlich, dass eine spezifischere Organisation der Möglichkeiten der Variantenwahl existiert, die in den Ergebnissen einer globalen Auswertung nicht erkennbar ist. Daher wird im Folgenden die Perspektive auf die lokalen Kookkurrenzen verengt, um festzustellen, ob innerhalb der Texte eine stärkere Kohäsion zwischen bestimmten Varianten sichtbar wird. Echte Kookkurrenzrestriktionen – also die Unmöglichkeit oder zumindest starke Markiertheit bestimmter Variantenkombinationen – sind natürlich über Korpusanalysen, zumal mit einem Material von notwendigerweise beschränktem Umfang, nur begrenzt nachzuweisen. Auf der einen Seite ist aus dem Nicht-Belegt-Sein einer Kookkurrenz noch nicht sicher auf deren Unmöglichkeit zu schließen, auf der anderen muss berücksichtigt werden, dass auch in diesem Punkt Versprecher vorkommen können, dass also in Einzelfällen Kombinationen produziert werden können, die nach den geltenden bzw. vom Sprecher befolgten Kookkurrenzregeln eigentlich nicht möglich wären. AUER (1986/1997) versucht daher, Kookkurrenzregeln über das Erfragen von Akzeptabilitätsurteilen zu erfassen, und andere Autoren legen ihre eigenen Intuitionen zugrunde (z.T durch einzelne Belege eher illustriert als abgesichert, s. Kap. 2.2). Auch diese Ansätze sind jedoch problematisch. Zum einen wird hier das Konzept des „kompetenten Sprechers“ auf den Bereich der Kookkurrenzrestriktionen übertragen, ohne dass deren Systemcharakter vorab gesichert wäre. Zum anderen ist damit zu rechnen, dass Akzeptabilitätsurteile erheblich rigidere Kookkurrenzrestriktionen formulieren als in Wirklichkeit gelten (vgl. a. Kap. 6.3). Solche Urteile sind insofern vom tatsächlichen sprachlichen Verhalten der Sprecher getrennt zu halten; in der vorliegenden Untersuchung wurden sie separat erhoben und mit den Ergebnissen der Korpusanalyse verglichen. Es handelt sich also auch im Folgenden um eine statistische, mit Variablen operierende Annäherung an die Struktur des „mittleren Bereichs“. Der entscheidende Unterschied zu den üblicheren, in Kap. 4 auch auf das vorliegende Material angewandten Methoden der Variablenanalyse liegt darin, dass nicht einzelne Varianten (als Realisierungen einzelner Variablen) statistisch untersucht werden, sondern lokale Kombinationen von Varianten (als Realisierungen von VariablenPaaren), damit Affinitäten und Unvereinbarkeiten sichtbar werden, die bei globaler Auswertung ganzer Texte nivelliert werden. Für diese „lokal-statistische“ Auswertung wird das Material in kleinere und kleinste syntaktische Untersu-

134

Kookkurrenzanalyse

chungseinheiten untergliedert. Eine wirklich kontinuierliche Beobachtung der Sprachlagenbewegungen126 und entsprechende Analyse der Kookkurrenzen wäre grundsätzlich vielleicht vorzuziehen. Dabei stellt sich jedoch das Problem, dass in anderer Weise definiert werden müsste, bis zu welcher Distanz zwischen zwei Variantenverwendungen noch von Kookkurrenz die Rede sein kann. Eine dynamische Lösung könnte theoretisch sein, sich an den vorkommenden Belegen zu orientieren, also pro Variable immer die letzte vorgekommene Realisierung zu berücksichtigen. Dem steht aber entgegen, dass viele Variablen nicht häufig genug belegt sind und es wenig sinnvoll ist (bzw. sich wieder stark dem „globalstatistischen“ Ansatz annähert), zwei Belege in großem Abstand voneinander ebenso als kookkurrierend zu werten wie zwei unmittelbar benachbarte im selben Satz. Alternativ dazu könnte die Kombination von Varianten in starren Einheiten fester Länge beobachtet werden (vgl. die Berechnung des Kohäsionskoeffizienten bei THELANDER 1979). Solche Einheiten stünden dann aber quer zu den syntaktischen Einheiten, die tatsächlich Planungseinheiten in der Sprachproduktion darstellen (vgl. LEVELT 1989; AZUMA 1996) und deren Bedeutung für Sprachlagenwechsel auch in zahlreichen Untersuchungen zum Code-Switching erwiesen wurde. Zumindest dort, wo Wechsel einigermaßen problemlos als solcher identifiziert werden kann, findet er nicht nur, aber bevorzugt zwischen Redebeiträgen und zwischen Sätzen statt (vgl. Kap. 1.1, vgl. a. SCHLOBINSKI 1988, 94, GIESBERS 1989, 100). Bei starren Einheiten, die solche Grenzen überschreiten, wäre also häufiger mit Verstößen gegen geltende Kookkurrenzrestriktionen zu rechnen als bei syntaktisch begründeten Einheiten. Nach verschiedenen Experimenten wurde daher der ebenso sinnvoll wie praktikabel erscheinende Weg gewählt, die Kombinationen von Variablen innerhalb syntaktischer Einheiten verschiedener Ausdehnung (Redebeitrag, komplexer Satz, einfacher Satz, Wortform) zu untersuchen. Die Differenzierung nach Einheiten verschiedenen Umfangs geht von der Annahme aus, dass die Homogenität mit steigender Ausdehnung abnimmt – wenn dies zutrifft, ist unter anderem auch zu prüfen, an welchen Stellen dabei evtl. Sprünge auftreten. Als Einheit zwischen Wortform und Satz käme noch die Konstituente in Frage (vgl. AZUMA 1996; AUER 1997, 81), insbesondere die Nominalphrase – dagegen spricht jedoch, dass ein besonders häufiger Typ von Code-Switching gerade in Ein-Wort-Switchs bzw. Ad-hoc-Entlehnung innerhalb der Nominalphrase besteht (vgl. a. Kap. 6.2), daher wurde auf diese Einheit verzichtet.

126 Vgl. in dieser Richtung etwa das von HENN-MEMMESHEIMER/EGGERS (2000) vorgestellte

Verfahren, bei dem ein „Fenster“ fester Breite gebildet wird, das sich kontinuierlich nach rechts verschiebt. Das setzt jedoch eine ebenso kontinuierliche Reihe von „Ereignissen“ voraus. Bei HENN-MEMMESHEIMER/EGGERS ist dies die Reihe aller Laute, für die nur zwischen ‘standardkonform gemäß Duden-Aussprachewörterbuch’ und ‘nicht standardkonform’ unterschieden wird (ebd., 131). Für die hier verfolgte Fragestellung ist die Fenster-Methode daher so nicht anwendbar.

Zur Methode

135

Eine besonders wichtige Einheit ist dagegen die des Worts (s. AZUMA 1996, 397). Auch im Hinblick auf Kookkurrenzrestriktionen ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, dass diese vor allem auf Wortebene bedeutsam sind127. Homogenität auf Wortebene mag zunächst selbstverständlich erscheinen, jedoch sind zumindest bei morphologisch komplexen Wörtern „hybride“ Bildungen im Sprachenkontakt ganz geläufig (Switchverhalten, runtergescrollt, trashig – vgl. a. Kap. 7) und können auch lexikalisiert sein. Mit der „free morpheme constraint“ gingen SANKOFF/POPLACK (1981) noch davon aus, dass Code-Switching zwischen einem Basismorphem und einem gebundenen Morphem nicht möglich ist, sofern ersteres nicht phonologisch in die Sprache des gebundenen Morphems integriert ist (womit nach SANKOFF/POPLACK Ad-hoc-Entlehnung statt Switching vorläge). Dies hat sich jedoch als nicht haltbar erwiesen – sofern nicht Gegenbeispiele zu Entlehnungen mit gescheiterter phonologischer Integration erklärt werden (vgl. HAUST 1993, 100), womit die These nicht mehr falsifizierbar wäre. Vom Sprach/Varietätenkontakt-Konzept her kann phonologische „Hybridität“ aber auch in nicht-komplexen Formen auftreten, als Resultat von phonologischer Transferenz und/oder Integration, die ja sehr häufig nur partiell ist. Darüber hinaus ist im Varietätenkontakt auch mit Umsetzungsregeln und Analogie-Mechanismen zu rechnen, die ebenfalls oft nur einzelne Segmente betreffen (das RhWb unterscheidet „Ganz-“ und „Halbeinlautungen“). Schon auf Wortebene ist insofern mit der Kombination von dialektalen und nichtdialektalen Merkmalen (und eventuell weiteren, die weder dem Basisdialekt noch dem Standard zugeordnet werden können) zu rechnen, und das Spektrum der anzutreffenden „Kompromissformen“ auf Wortebene ist gerade im Zusammenhang mit der Frage nach der Stabilisierung von Zwischenstufen zwischen Dialekt und Standard von besonderem Interesse. Angesichts des häufigen Falls der Entlehnung gesamter morphologisch komplexer Lexeme als semantischer Einheiten ist deren Einbeziehung in die Untersuchungseinheit „Wortform“ auf jeden Fall geboten. Auf dieser Ebene werden also Kookkurrenzen innerhalb von Wortformen erfasst und Komposita und auch Partikelverben in Kontaktstellung dabei eingeschlossen. (Partikelverben mit Distanzstellung von Basisverb und Partikel mussten aus technischen Gründe ausgeschlossen werden; in der globalen Auswertung von aff vs. ab als Partikel ergab sich allerdings kein Unterschied.) Gleichzeitig ist bei Komposita und Partikelverben jedoch auch partielle Entlehnung recht geläufig und offenbar grundsätzlich kaum eingeschränkt, es wäre also noch zu fragen, ob unterhalb dieser Ebene eventuell strengere Kookkurrenzrestriktionen gelten. Wie die Diskussion um die free morpheme constraint bei aller Schwierigkeit gleichwohl nahelegt und wie auch aus der zunehmenden Eingeschränktheit der möglichen Morphemkombinationen sowie aus der Abstufung der Geltungsdomänen phonologischer Regeln hervorgeht (vgl. AUER 1990, 269), wären zwischen der Ebene der Komposita und der der

127 S. KEIM (1995, 267), AUER (1997, 81), SCHEUTZ (1999, 129); vgl. a. BELLMANN (1983, 119), AUER (1990, 269).

136

Kookkurrenzanalyse

Morpheme noch die der Derivata und die der flektierten Wortformen separat zu untersuchen. Diese Ausdifferenzierung ist angesichts der verfügbaren Belegzahlen allerdings nicht praktikabel. Daher wird – vor dem Hintergrund der Daten aus dem Sprachenkontakt – zwar die Ebene der Komposita und Partikelverben gesondert behandelt, unterhalb dieser jedoch nicht mehr weiter differenziert. Die Auswertung des variablenbezogen annotierten Materials erfolgt automatisch. Die Auswertung nach syntaktischen Einheiten stützt sich auf das bei der Transkription verwendete spezifische Interpunktionssystem, das auch Abbrüche und Konstruktionsbrüche kennzeichnet. Einbezogen werden alle Variablen, die in Kap. 3.2 festgelegt und in Kap. 4 in die Auswertung aufgenommen wurden. Darüber hinaus kann hier nun auch – wenngleich als Sonderfall – die Variable CHt/Rt berücksichtigt werden, deren Non-Standard-Variante nicht basisdialektal ist, deren Kookkurrenzverhalten aber gerade deshalb von Interesse ist. Im Prinzip kann in dieser Weise natürlich der Text aller einzelnen Sprecher untersucht werden; allerdings führt die Konzentration auf kleinere Einheiten, in denen mehrere Variablen realisiert sind, dazu, dass insgesamt relativ große Textmengen benötigt werden. Da es hier nun nicht um die Korrelation spezifischer Variantenwahlen mit soziologischen und situativen Daten geht, sondern die Existenz einer nicht nur überindividuellen, sondern auch soziologische Gruppen und Situationen übergreifenden Struktur des „Variationsraums“ geprüft werden soll, ist es möglich, für die Kookkurrenzanalyse alle Texte zu einem ungegliederten Korpus zusammenzufassen. Dabei sind die soziosituativen Faktoren, die die tatsächlichen Präferenzen einzelner Sprecher in einer solchen Struktur beeinflussen, für die Ermittlung dieser Struktur selbst zunächst einmal irrelevant. Theoretisch wäre vielleicht möglich, dass auch für Kookkurrenzrestriktionen eine soziosituative Abstufung gilt – dies ist aber insofern unwahrscheinlich, als die situativ angemessene und innersituativ funktionale Handhabung des Repertoires durch die Sprecher ja voraussetzt, dass ein gemeinsames Wissen im Bezug auf dessen Organisation existiert. So hat die Untersuchung von LENZ (2003) ja auch gezeigt, dass die dominierenden Muster der Variantenverwendung der Wittlicher Sprecher insgesamt eine einheitliche Abstufung zeigen, mit situativ versetztem Gebrauch bei unterschiedlichen Sprechergruppen. Für die Analyse wird also das gesamte Material – ohne Differenzierung nach Sprechern – verwendet. Damit jedoch sichergestellt ist, dass es sich hier tatsächlich um Regularitäten der Kookkurrenz in der Rede handelt und nicht nur um verschiedene Repertoires verschiedener Sprecher, wird eine Einschränkung gemacht: Bei der Ermittlung der Ergebnisse für eine Variablenkombination werden jeweils nur die Äußerungen von Sprechern einbezogen, die bei der Realisierung beider Variablen variieren, die also nachweislich jeweils beide in Frage kommenden Varianten in ihrem aktiven Repertoire haben. Die Ergebnisse sind insofern von denen der Implikationsskalenanalyse zu trennen, die jedem Text ein festes Varianten-Inventar zuordnet und diese Inventare vergleicht. Damit sinkt natürlich die Belegzahl, diese Einschränkung ist aber wichtig: Nur so kann die Struktur des von den einzelnen Sprechern innersituativ „flexibel“ gehandhabten Repertoires ermittelt werden und ggf. gezeigt werden, in welchem Verhältnis diese Struktur des

Zur Methode

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Sprecherrepertoires zur individuell und/oder soziosituativ bedingten Auswahl der überhaupt verwendeten Varianten steht, die im Vergleich verschiedener Sprechertexte erkennbar wird. Passagen, in denen andere Personen zitiert werden, wurden in Kap. 4 von der Auswertung ausgeschlossen, weil an solchen Stellen per se mit Lagenwechsel zu rechnen ist. In lokaler Perspektive spielen diese Lagenwechsel jedoch keine grundsätzlich andere Rolle als andere Lagenwechsel (die schwieriger dingfest zu machen sind und daher in globaler Perspektive in jedem Fall ignoriert werden müssen), solange sie – wie meistens der Fall – nicht innerhalb von Einheiten stehen128. Auch die in den Zitaten verwendeten Formen gehören im Regelfall zum Repertoire der Sprecher und erlauben z. T. interessante Aufschlüsse über dessen Abstufung. Im Folgenden werden Zitate also grundsätzlich mit erfasst; in welchem Ausmaß sie Grund für Inhomogenität sind, muss dann im Einzelnen betrachtet werden (s. Kap. 6.2). Die Kookkurrenzanalyse bezieht sich immer auf Paare von Variablen. Grundsätzlich gibt es pro Variablenpaar var1+var2 vier Möglichkeiten der Kombination von Standard- und Non-Standard- bzw. Dialektvarianten129. Bei einer klaren Trennung zwischen Dialekt und Standard dürften davon nur die zwei homogenen Kombinationstypen {var1_D(ialekt) + var2_D} (z.B. dat janze) und {var1_St(andard) + var2_ST} (das ganze) vorkommen. Bei einer implikativen Organisation – sei es ein Kontinuum, seien es distinkte Varietäten – wäre außerdem noch einer der beiden heterogenen Kombinationstypen {var1_D + var2_ST} (dat ganze) oder {var1_ST + var2_D} (das janze) zu erwarten (vgl. Kap. 2.2, Abb. 1). Ein Auftreten beider heterogener Typen ist dagegen mit einem derartigen Modell nicht zu vereinbaren, ein solches Ergebnis weist darauf hin, dass die Variation bei den beiden Variablen nicht durch Kookkurrenzregeln eingeschränkt ist. Ermittelt wird also auf jeder untersuchten Ebene (Wortform, einfacher und komplexer Satz, Äußerung) für jede Variablenkombination die Anzahl von Belegen für die vier Kombinationstypen (= Anzahl der Einheiten mit entsprechenden Belegen) bzw. deren Anteil an der Gesamtzahl der Einheiten (= Wortformen, Sätze, Äußerungen) mit Realisierung beider Variablen. Der einheitenbezogene Ansatz bedeutet dabei, dass Einheiten, in denen mehrere Belege für eine Variable vorkommen, nicht anders gewertet werden als solche mit nur einem Beleg. Das ist unter dem Aspekt von Kookkurrenzrestriktionen sinnvoll und ganz unproblematisch, wenn die Variable innerhalb der Einheit durchgehend gleich realisiert wird. Für die anderen Fälle wurden zusätzliche Kategorien vorgesehen, also die Kombinationstypen {var1_ST/D + var2_D} (etwa auf Satzebene: Das is dat janze Zeuch) etc., die zunächst einmal separat gehalten

128 Für die Einheit „Äußerung“ ist hier allerdings genauere Betrachtung geboten. 129 Der Einfachheit halber wird im Folgenden z. T. auch auf nicht basisdialektale Non-StandardMerkmale mit „Dialektvariante“ oder „varX_D“ etc. Bezug genommen – zu verstehen ist darunter immer: „Dialektvariante bzw. Non-Standard-Variante“.

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Kookkurrenzanalyse

wurden. Da allerdings die heterogenen Kombinationen die aufschlussreicheren sind, während die Tatsache, dass eine homogene Kombination möglich ist, sich normalerweise von selbst versteht, kann etwa der Typ {var1_ST/D + var2_D} unter dem Aspekt der Kombinationsmöglichkeiten von var1 und var2 auch dem gemischten Typ {var1_ST + var2_D} zugeordnet werden. Die Variation einer Variablen innerhalb einer Einheit ist darüber hinaus auf jeden Fall ein Ergebnis für sich, dies wird jedoch dadurch erfasst, dass immer auch die Kombinationen einer Variablen „mit sich selbst“ untersucht werden. Um einen schnelleren Überblick über die jeweiligen Verhältnisse und eine bessere Vergleichbarkeit zu ermöglichen, werden im Folgenden nicht nur jeweils die Anteile der vier Kombinationstypen an der Gesamtzahl von Beleg-Einheiten tabellarisch angegeben, sondern jede Variablenkombination wird einem von vier Implikationsmustern zugewiesen. Dies stützt sich auf die Werte der bedingten Wahrscheinlichkeit der dialektalen Variablenrealisierungen. Für jede der beiden kombinierten Variablen var1 und var2 haben die homogen dialektalen Kombinationen {var1_D+var2_D} einen bestimmten Anteil an der Gesamtzahl der Kombinations-Einheiten mit dialektalen Belegen für diese Variable ({Var2_D+Var1}). Dieses Verhältnis lässt sich auch als bedingte Wahrscheinlichkeit P(var1_D|var2_D) darstellen: Wenn man in dem gegebenen Material irgendeine Einheit mit Belegen für ein Variablenpaar betrachtet und die Variable var2 in dieser Einheit dialektal realisiert ist, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine Einheit handelt, in der auch Variable var1 dialektal realisiert ist? Dabei ist jedoch wieder zu unterstreichen, dass dies nicht unmittelbar im Sinne des Variablenregel-Konzepts verstanden werden soll, d. h. im Sinne der Annahme, dass aus der quantitativen Ausprägung der Variation in den analysierten Aufnahmen auf allgemein gültige quantitative Regularitäten geschlossen werden könnte, dass es also um die Quantifikation der Wahrscheinlichkeit ginge, mit der eine Variable in irgendeinem Gespräch unter gleichen Bedingungen so oder so realisiert wird. Die Frage ist stattdessen, ob die Wahrscheinlichkeit für die dialektale Realisierung einer bestimmten Variablen in Kombination mit dialektaler Realisierung einer anderen Variablen gleich 1 ist (oder gegen 1 tendiert): In solchen Fällen ist anzunehmen, dass eine Kookkurrenzrestriktion bzw. ein Implikationsverhältnis vorliegt. Ob es sich dabei um eine einseitige oder um eine zweiseitige Implikation handelt, wird unmittelbar daraus ersichtlich, ob die bedingte Wahrscheinlichkeit für beide Richtungen (fast) bei eins liegt oder nur in einer Richtung. Bezogen auf die Gesamtzahl der Belege für die Kombination der beiden Variablen drückt sich der Unterschied darin aus, ob der Anteil für beide heterogenen Kombinationstypen {var1_D + var2_ST} und {var1_ST + var2_D} (fast) bei Null liegt (zweiseitige Implikation) oder nur für einen der beiden (einseitige Implikation). In bestimmten Fällen, nämlich dort, wo die Dialektanteile an den Realisierungen der beiden Variablen sehr unterschiedlich sind, kann hier der Einwand gemacht werden, dass das Nicht-Vorkommen eines Kombinationstyps sich schon bei rein

Zur Methode

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zufälliger Verteilung der Varianten auf die Einheiten einfach aus dieser Disproportion ergeben kann, dass folglich auch keine Schlüsse auf Kookkurrenzrestriktionen gezogen werden können130. Für das vorliegende Korpus kann jedoch in sehr vielen dieser Fälle – wenn auch leider nicht immer – gezeigt werden, dass die Verteilung sich statistisch signifikant (z. T. hochsignifikant) von einer Zufallsverteilung unterscheidet (hierauf beziehen sich die * bzw. ** in der zweiten Spalte). Geprüft wurde dies mit Hilfe des chi²-Signifikanztests bzw. des exakten FisherTests (bei theoretischen Werten unter 5 oder Gesamtzahlen unter 40131). Dabei wird die jeweilige Gesamt-Häufigkeit der Varianten pro Variable, summiert aus allen Einheiten, in denen die untersuchte Kombination vorkommt, als gegeben vorausgesetzt; die Nullhypothese entspräche der Annahme, dass beide Variablen auf der Basis dieser Häufigkeiten unabhängig voneinander variieren, also ähnlich wie nach dem Variablenregel-Konzept (für jede der Non-Standard-Varianten gilt eine bestimmte Auftretenswahrscheinlichkeit, aber keine Abhängigkeit voneinander). Auch eine Verteilung, die dem angesetzten Kriterium für Implikation (Schwellenwert s.u.) nicht genügt, kann aber schon statistisch (hoch)signifikant von einer Verteilung bei unabhängiger Variation abweichen, dadurch erklärt sich die Zeichenkombination „~*(*)“.

5.1.2 Zur Darstellung Im Folgenden werden für jede untersuchte Variable die Ergebnisse für die Kombinationen dieser Variablen mit allen anderen dargestellt, immer bezogen auf die Texte, in denen für beide Variablen beide Realisierungen vorkommen. Aus dieser Konzentration auf die intrasituative Variation erklärt es sich, dass die homogenen Kombinationen (D+D oder ST+ST) hier z. T. erheblich seltener vertreten sind als im Gesamtmaterial, wo auch Texte mit rein dialektaler oder rein standardsprachlicher Realisierung bestimmter Variablen vertreten sind. Auch die Reihenfolge der Variablen in den Tabellen richtet sich hier nach der Häufigkeit der dialektalen Variante in dem nach dieser Vorgabe gefilterten Material und nicht (wie bisher) im Gesamtmaterial. Da für jede Variable die Kookkurrenz mit allen anderen geprüft wird (sofern es genügend Belege dafür gibt), ist jede Kombination hier insgesamt zweimal aufgeführt; eine Vermeidung dieser Redundanz hätte zur Zersplitterung des jeweiligen Gesamtüberblicks über das „Kookkurrenzprofil“ der Variablen geführt. Die Diagramme sollen dieses „Kookkurrenzprofil“ auf einen Blick sichtbar machen – die rein weißen oder rein schwarzen Säulenabschnitte

130 THELANDER (1979, 48–50) verzichtet auf die Überprüfung dieser Möglichkeit, die auch bei seinen Daten und seinem Vorgehen durchaus gegeben ist. MARTIN (1996, 151) macht Angaben zur „Signifikanz der Wahrscheinlichkeit der Kookurrenz“, allerdings ist deren Bedeutung und Zustandekommen nach der Darstellung nicht nachvollziehbar. 131 S. EVERITT (1986, 15).

140

Kookkurrenzanalyse

stehen jeweils für die homogenen Kombinationen (weiß: rein dialektal, schwarz: rein standardsprachlich), die grauen Abschnitte stehen dagegen für die heterogenen Kombinationen aus Standard- plus Dialektvariante. Die Bezeichnungen für die Kombinationstypen („D_D“, „D_ST“ etc.) in der Legende sind immer in der Reihenfolge Diagrammvariable_Säulenvariable bzw. Tabellenvariable_Zeilenvariable zu lesen. In den Diagrammen sind nur Kombinationen mit mindestens 6 Belegen erfasst. In den Tabellen werden Gesamtbelegzahl und Anteile der vier Kombinationstypen angegeben. Das Zeichen in der zweiten Spalte „Implikation“ (Impl) steht für das daraus resultierende Gesamtmuster der Variablenkombination, die Pfeile sind von der Zeilenvariablen aus zu lesen, die jeweils in der ersten Spalte eingetragen ist: →: einseitige Implikation; Dialektvariante der Zeilenvariablen (Zvar) impliziert Dialektvariante der Tabellenvariablen (Tvar) (und umgekehrt für die Standardvarianten). So besagt z.B. in Tab. 12 (Tabellenvariable J/G) die Zeile „V/B →“, dass aus der Verwendung der Dialektvariante v auf die Verwendung der Dialektvariante j geschlossen werden kann (und umgekehrt aus der Verwendung der Standardvariante g auf die Verwendung der Standardvariante b), die Form geven ‘geben’ wäre also abweichend. ←: einseitige Implikation; Dialektvariante der Tabellenvariablen impliziert Dialektvariante der Zeilenvariablen (und umgekehrt für die Standardvarianten) ↔: zweiseitige Implikation; aus der Verwendung einer der beiden Dialektvarianten kann geschlossen werden, dass auch die andere Variable dialektal realisiert wird (und ebenso für die Standardvarianten), es gibt also nur einheitliche Kombinationen ~: kein Implikationsverhältnis; die Realisierung keiner der beiden Variablen erlaubt Schlüsse auf die Realisierung der anderen. Die Vergabe dieser Zeichen richtet sich nach dem Anteil der homogenen Kombinationen an den Einheiten mit Realisierung der Varianten – anders ausgedrückt, nach der bedingten Wahrscheinlichkeit von deren Auftreten. Geprüft wird: 1. der Anteil von {Tvar_D + Zvar_D} an {Zvar_D + Tvar}, bzw. P(Tvar_D|Zvar_D) 2. der Anteil von {Tvar_ST + Zvar_ST} an {Tvar_ST + Zvar}, bzw. P(Zvar_ST|Tvar_ST) 3. der Anteil von {Tvar_D + Zvar_D} an {Tvar_D + Zvar}, bzw. P(Zvar_D|Tvar_D) 4. der Anteil von {Tvar_ST + Zvar_ST} an {Zvar_ST + Tvar}, bzw. P(Tvar_ST|Zvar_ST)

Wenn der erste und der zweite Wert über 0.8 liegen, wird „→“ gesetzt (einseitige Implikation: Wenn Zvar_D, dann auch Tvar_D, wenn Tvar_ST, dann auch Zvar_ST, aber wenn Zvar_ST oder Tvar_D, kann keine Voraussage gemacht werden). Wenn der dritte und der vierte Wert über 0.8 liegen, steht „←“ (einseitige Implikation: Wenn Tvar_D, dann auch Zvar_D, wenn Zvar_ST, dann auch Tvar_ST, aber wenn Tvar_ST oder Zvar_D, kann keine Voraussage gemacht werden). Wenn alle vier Werte über 0.8 liegen, wird „↔“ gesetzt (zweiseitige Implikation).

141

Zur Methode

In den übrigen Fällen steht „~“, es sei denn, die D_D- Kombination oder die ST_ST-Kombination ist überhaupt nicht belegt, dann bleibt die zweite Spalte der Tabelle leer. Beispiele dieser verschiedenen Muster für fiktive Verteilungen von 100 Belegen wären: a) einseitige Implikation „→“

b) zweiseitige Implikation „↔“

c) freie Variation „~“

Tvar_D Tvar_ST Zvar_D 29 1 Zvar_ST 50 20 P(Tvar_D|Zvar_D):0.97 P(Zvar_ST|Tvar_ST):0.95 P(Zvar_D|Tvar_D):0.37 P(Tvar_ST|Zvar_ST):0.29 Zvar_D → Tvar_D (Tvar_D → ?)

Tvar_D Tvar_ST Zvar_D 29 1 Zvar_ST 1 69 P(Tvar_D|Zvar_D):0.97 P(Zvar_ST|Tvar_ST): 0.99 P(Zvar_D|Tvar_D): 0.97 P(Tvar_ST|Zvar_ST): 0.99 Tvar_D → Zvar_D Zvar_D → Tvar_D

Tvar_D Tvar_ST Zvar_D 17 13 Zvar_ST 40 30 P(Tvar_D|Zvar_D):0.57 P(Zvar_ST|Tvar_ST):0.7 P(Zvar_D|Tvar_D):0.25 P(Tvar_ST|Zvar_ST):0.43 (Tvar_D → ?) (Zvar_D → ?)

Tab. 8: Mögliche Verteilungen der Kombinationen und Implikationsverhältnisse

Der Schwellenwert von 0.8132 ist zwar etwas niedrig für die Annahme von Kookkurrenzrestriktionen; aber angesichts der insgesamt nicht immer hohen Belegzahlen wurde kein höherer Wert gewählt, damit nicht einzelne abweichende Belege ein zu hohes Gewicht bekommen. Dem Zeichen in der zweiten Spalte wird außerdem noch * bzw. ** hinzugefügt, wenn die Verteilung sich statistisch signifikant (p < 0.05) bzw. hochsignifikant (p < 0.01) von einer Zufallsverteilung unterscheidet (s. a. 5.1.1). Da das Verhältnis der bedingten Wahrscheinlichkeiten keine vollständigen Aussagen über die Gesamtverteilung der vier möglichen Kombinationstypen macht, werden deren Anteile in den weiteren Spalten angegeben. Sofern der Gesamtanteil für einen Kombinationstyp 5 % oder mehr beträgt, werden einzelne Beispiele für die Kombination angegeben. Wenn eine Kombination zwar belegt ist, aber unter 5 % der Belege ausmacht, sind diese – untypischen – Belege dagegen nicht durch ein Beispiel in der Tabelle vertreten, sondern im Anschluss vollständig aufgeführt. In der Tabelle steht dann „(–)“, um deutlich zu machen, dass es sich um Ausnahmefälle handelt. Auch aus den Einträgen in den Spalten für die heterogenen Kombinationstypen ist also zu erkennen, ob ein einseitiges Implikati-

132 MARTIN (1996) wählt denselben Schwellenwert. THELANDER (1979, 48–50) setzt dagegen Implikation an, wenn die Wahrscheinlichkeit P(var1_D|Pvar2_D) höher ist als P(var1_ST|var2_ST) und gleichzeitig P(var2_ST|Pvar1_ST) höher ist als P(var2_D|var1_D), unabhängig von der absoluten Höhe. Dieses Kriterium ist deutlich schwächer, danach wäre auch im Beispiel c) oben Implikation Tvar_D → Zvar_D gegeben. Von einer Kookkurrenzrestriktion kann hier aber wohl nicht gesprochen werden.

142

Kookkurrenzanalyse

onsverhältnis besteht (einmal „–“), ein zweiseitiges (zweimal „–“) oder freie Variation (genügend Belege für alle vier Kombinationstypen). In Einzelfällen sind gar nicht alle vier Kombinationstypen möglich, diese Variablenkombinationen fehlen in den Diagrammen und erscheinen in den Tabellen eingeklammert. Die Zahlen und Beispiele für die Simplizia erscheinen recte, die Zahlen inclusive Komposita und Partikelverben und Beispiele dafür dagegen kursiv. Bei zu geringen Simplex-Belegzahlen werden diese nicht gesondert ausgewertet. Historische Komposita, die synchron als Simplizia einzustufen sind, werden als Simplizia gewertet. Die Transkription bei den Beispielen zielt auf Leserfreundlichkeit ab. Bei standardsprachlichen Formen (in der Spalte rechts) wird die standardsprachliche Orthographie beibehalten. Dies gilt auch für Verbfomen der 1. Person, die nur durch Schwa-Apokope von der Standardform abweichen. Bei Non-StandardFormen richtet sich die Umschrift nach den Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln der Standardsprache. Nur in den folgenden Fällen, in denen relevante phonetische Unterschiede nicht mit den Mitteln der standarddeutschen GraphemPhonem-Korrespondenzen wiedergegeben werden können, werden in Transkripten von Wortformen und Sätzen für einzelne Laute Teuthonista-Zeichen bzw. Diakritika verwendet: – П: sth. velarer Frikativ (IPA: [࣢])133 – ‫ ۃ‬: offenes o (IPA: [ɬ]) – Ċi, öi, ou : im Vergleich zum Standarddeutschen etwas geschlossenere Diphthonge (IPA: [͑੫Ԍ]/[e੫Ԍ], [œ੫Ԍ]/[ø੫Ԍ], [ɬ੫ࡱ]/[o੫ࡱ]) – ‫ב‬: velarisiertes l (IPA ebenfalls [‫)]ב‬

Silbische Nasale (bzw. Fehlen von Schwa) werden durch vorangehenden Apostroph gekennzeichnet: geb’m. Vokallänge wird in geschlossener Silbe durch Doppelschreibung bzw. ggf. durch Setzung des Längenzeichens der entsprechenden Standardvariante (, nach i) gekennzeichnet. In offener Tonsilbe wird Vokallänge normalerweise nicht markiert, ggf. wird allerdings zur Erleichterung des Lesens bzw. der Zuordnung das Längenzeichen der entsprechenden Standardvariante gesetzt (sofern vorhanden). Bei [i:] und vor ch und sch wird Länge immer markiert.

133 Zur Konkurrenz verschiedener Teuthonista-Zeichen für diesen Laut s. MÖHN (1964, 37–38).

143

Ergebnisse auf Wortebene

5.2 ERGEBNISSE AUF WORTEBENE 5.2.1 Konsonantische Variablen V/B Die Variable V/B ist in einer Reihe von Kombinationen gut belegt. Auffällig ist die Zweiteilung: Das Verhältnis zu etwa der Hälfte der Variablen kann als einseitige Implikation charakterisiert werden (die Variante v impliziert deren dialektale Realisierung). In den übrigen Fällen handelt es sich dagegen um doppelseitige Implikation. Dies ist eindeutig nicht das Bild, das einem Kontinuum entspräche, in dem V/B einen bestimmten Platz in einer durchgehenden Hierarchie hätte: In einem solchen Fall müssten m. o. w. durchgehend einseitige Implikationsbeziehungen bestehen. Bei den mit „↔“ markierten Variablen liegt dagegen fast überall der prozentuale Anteil beider heterogener Kombinationen fast oder ganz bei Null. Dies weist deutlich auf zweiseitige Kookkurrenzbeschränkungen hin, zumal die Belegzahlen zumeist ausreichen, um ein zufälliges Zustandekommen dieses Ergebnisses mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. In den übrigen Fällen ist dagegen in der Regel eine der beiden heterogenen Kombinationen gut vertreten, während die andere fehlt. Nur bei wenigen Variablen kommen beide vor. Diese Verteilung reflektiert natürlich auch die Gebräuchlichkeit der Varianten für sich genommen, aber wie der Signifikanztest zeigt und wie im Vergleich der Kombinationen mit verschiedenen Variablen (s. Diagramm) ganz deutlich wird, resultiert sie nicht allein daraus. Das Ergebnis für V/B_Jl/Gl ist immer noch polarisierter

100% D~S 80% S_S 60% S_D 40% D_S 20% D_D le s /le sE CH / je - G SC /geH aG /CH _fr /aG J/G eJ /eG L_ ve l/L 0/ De T Un klin reg Vb 0 Vo kQ /E u I_k ant rz/ EI O/ A EE /EI V/ op B /au f G/ T U/O O/ U D/T Jl/G l II/E I 0/N

0%

Abb. 12: V/B – Verteilung der Kombinationstypen

O/A

I_krz/EI

VokQuant

0/E

UnregVb

Deklin

0/T

L_vel/L

eJ/eG

J/G

aG_fr/aG

SCH/CH

je-/ge-

Zvar les/lesE CH/G

←* ← ~ ←** ~** ↔* ↔** ↔** ←** ←** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔**

←* ←** ← ~ ← ←** ←**

Impl. ←**

Bel. 57 27 94 175 12 44 8 109 132 5 33 9 59 64 98 11 19 50 24 33 378 396 40 67 90 bedrivve affnemme usjevve ‫ܪ‬vend d‫ۃ‬drüvver

D_D glööf – jestorven afjefalle nevvelisch affjewisch afsaПe jevve drüvverjehn üvvrijens affzokrejen Döive‫ב‬ affjespi‫בב‬t schriif affjepluck leven [NSm] hääf affjepluck Schiif

% 38,5 0 9,6 16,6 8,3 9,1 12,5 19,3 18,9 0 18,2 11,1 5,1 17,2 15,3 18,2 47,1 20,8 12,5 9,1 18,8 17,9 17,5 31,3 28,4

D_ST (–) – – – – (–) – – – – – – affstellt (–) (–) – jif (–) – – (–) (–) – – (–)

% 1,8 0 0 0 0 2,3 0 0 0 0 0 0 15,3 1,6 4,1 0 5,9 4,2 0 0 1,6 1,5 0 0 1,7 Ovvenauel abfä‫בב‬t jib abgekrisch – – – (–) (–) – – (–) – –

ST_D glaub, bleib überleescht jeschrieb’m abjescha‫ב‬tet übrisch abgedischtet abjezoПen jeb’m rübberjehn übrijens

% 35,1 66,7 58,5 48,6 58,3 61,4 12,5 27,5 29,5 80 39,4 33,3 39 10,9 8,2 0 0 0 4,2 3 0 0 2,5 0 0

ST_ST gebe, jlaube überlegt geschrieb’m abgebroch’n übrich abjerechnet abgebog’n geb’m abging übrig’n abkriege übel Elternabend erlebt abgemacht lieber [NSm] jehabt stehnjeblieb’m Grube Neb’msache leb’m abgemacht ausjegeb’m jaab, gab Leb’msjahr

% 24,6 33,3 31,9 34,9 33,3 27,3 75 53,2 51,5 20 42,4 55,6 40,7 70,3 72,4 81,8 47,1 75 83,3 87,9 79,6 80,5 80 68,7 70

144 Kookkurrenzanalyse

↔* ← ↔ ↔** ↔** ↔* ↔** ~** ↔** →**

↔** ↔**

170 196 17 11 14 6 31 51 28 59 84 126 539 – opjeschrivve affschnigge striive leven Halfschoon bedrivve affjeschnidde jlöve , jraaf schriive bedrivve

glööf

28,2 24,5 0 18,2 7,1 16,7 12,9 11,8 3,6 6,8 19 25,4 9,1

– – – – – – – (–) – – glööft – (–)

0 0 0 0 0 0 0 2 0 0 21,4 0 3,7

– – – – ungerhalb – – – – – jlaub (–) (–)

0 0 0 0 7,1 0 0 0 0 0 7,1 0,8 0,6

glaube Beinscheibe abjeb’m aufjegeb’m Halbzeit Schneetreib’m liebe abschließ’n vertreib’m Erbt̯il glaub schreib’m vertreib’m

71,7 75,5 100 81,8 85,8 83,3 87,1 86,3 96,4 93,2 52,4 73,8 86,5

Ausnahmen: (les/lesE) D_ST jlöve (S38) – (SCH/CH) D_ST affjericht (S29) – (0/T) D_ST affbrischt (S09a), jelooft (S13), affjezockt (S19) – (UnregVb) D_ST drüvverjehn (S21) – (0/E) ST_D Schraub (S09a) – (VokQuant) D_D/ST nevvenan (S19), D/ST_ST affjeb’m (S17), D_ST afjeholt (S09b) – (I_krz/EI) ST_D usjelobt (S12) – (O/A) D_ST danevve (S24a) – (O/U) D_ST affschließ’n (S17) – (II/EI) ST_D schriib’m (S05) – (0/N) D_ST affjeb’m (S25), üvverläjen (S24a), ovven (S26), ST_D überleje (S19)

Tab. 9: Kombinationen mit der Variablen V/B

Jl/Gl II/EI 0/N

D/T

O/U

V/B op/auf G/T U/O

EE/EI

Ergebnisse auf Wortebene

145

V/B

EE/EI

O/A

I_krz/EI

VokQuant

0/T Deklin UnregVb 0/E

L_vel/L

eJ/eG

J/G

aG_fr/aG

SCH/CH

Zvar les/lesE CH/G je-/ge-

↔** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔*

↔ ** ← ↔** ↔**

← ~* ~* ←

Impl. ← ←* ←** ~ ~ ←* ←** ←**

Bel. 5 177 134 59 76 42 54 59 16 25 196 205 12 13 53 94 90 121 176 203 54 81 146 154 28 bedrivve

– (–) (–) (–) Verdrääch – dees (–) Bläder aandunn (–) (–) jer‫ۃ‬de N‫ۃ‬middach ärbeede, dele

D_D drink Daach jedeelt unnüdisch fuffzischdausend draПen jode

% 20 24,9 17,2 13,6 15,8 19 22,2 20,3 0 4 4,1 3,9 8,3 0 52,8 1,1 40 31,4 0 2,9 29,6 24,4 9,6 9,1 3,6 (–) (–) – – – – (–) (–) – – (–) (–) (–) (–) –

– – – –

D_ST – – – Verdrääch

% 0 0 0 11,9 9,2 0 0 0 0 0 4,6 4,4 0 0 0 0 1,1 0,8 0 0 1,9 2,2 0,7 0,6 0 traПen Jarten Jejent̯i‫ב‬ Verträje Jejent̯i‫ב‬ E‫ב‬tern He‫ב‬GHQWDW trääsch – – Verträäch (–) (–) – – (–) (–) (–) (–) –

ST_D trink Tach anjeboten nötisch

% 60 68,9 59 55,9 52,6 50 18,5 20,3 62,5 56 64,3 64,4 16,7 0 0 5,3 2,2 1,7 0 0 1,9 4,4 0,7 0,6 0

ST_ST trinke Tag getan fertich Küchentisch Tage Garten Tiefgarage Tröge eigenaatisch Teil, t̯ils Spültisch beteilischt (’n) a‫ב‬ter [NSm] tust Karte, Leute getrieb’m angeboten Löite, Seiten Weintrinker geheiratet Nachmittag arb̯itete, Teil eintausend Betrieb

% 20 6,2 23,9 18,6 22,4 31 59,3 59,3 37,5 40 27 27,3 75 100 47,2 93,6 56,7 66,1 99,9 97,1 66,7 68,9 89 89,6 96,4

146 Kookkurrenzanalyse

↔** ↔** ↔**

↔** ↔** ↔* ↔** ↔** ↔** ↔** ↔ ↔

59 20 8 19 29 52 63 6 18 8 46 75 437 – düür Wiiverdaach jer‫ۃ‬de, ärbeede

däden

jode, deef

Wiiverdaach opdraПen hückzedaach unnüdisch, duut

6,8 20 37,5 42,1 31 17,3 14,3 16,7 5,6 0 19,6 20 9,8 – – doot (–) (–) (–) – – – – – (–)

0 0 0 5,3 3,4 1,9 3,2 0 0 0 0 0 2,1

– – – – – (–) (–) – – jl̯ischz̯itisch – (–) (–)

0 0 0 0 0 0 1,6 0 0 12,5 0 4 0,7

abtrag’n Auftrag heutzutage nötisch, tot wehgetan brüt’n, tiefen Spültisch Zutat’n tachtääglisch Großteil töier Haustür traПen, Garten

93,2 80 62,5 52,6 65,5 80,8 81 83,3 94,4 87,5 80,4 76 87,4

Ausnahmen: (eJ/eG): D_D Schwiejerelderen – (L_vel/L): D_D ha‫ב‬d’n, ä‫ב‬dere, Zedde‫( ב‬S09a), vêdee‫ב‬t, jedee‫ב‬t (S16, S35), ze‫ב‬de (S26), E‫ב‬dere (S27), D_ST: Zeddel (S032, S24a), älder, Elderen (S09b, S13), schüddelt (S35), freijehalde (S26) – (0/E): D_D hückzedaach (S19) – (VokQuant): D_ST doon (S13), ST_D getonn (S19) – (I_krz/EI): D_D indraПe (S08, S33), hückzedaach (S19), rinnzedonn (S33) – (O/A): D_ST Namiddaach (S03), wegjedann (S19), ST_D d‫ۃ‬hinter, runterjel‫ۃ‬ssen (S11), N‫ۃ‬mittaach, get‫ۃ‬nn (S19) – (EE/EI): D_ST arbeiden (S24b), ST_D toogen (S27) – (O/U): D_ST jud’n, Rus’nmondachszuch (S19), ST_D A‫בב‬tachsschoon (S12) – (II/EI): ST_D Stüürzettel (S06) – (0/N) ST_D Tännsche, täte (S11), D_ST beärbeeden (S02), draПen, affjeschnidden, arbeiden (S35), arbeeden (S03)

Tab. 10: Kombinationen mit der Variablen D/T

0/N

II/EI

Jl/Gl

D/T

O/U

U/O

op/auf G/T

Ergebnisse auf Wortebene

147

148

Kookkurrenzanalyse

als ein Zufallsergebnis, der Kontrast zur Verteilung der Kombinationstypen bei den übrigen Variablen im rechten Teil des Diagramms macht aber gut sichtbar, dass auch bei insgesamt ungleich verteilten Dialekt- und Standard-Anteilen der beiden Variablen das „Schwarz-Weiß“-Ergebnis sich nicht von selbst versteht, sondern auf eine klare Trennung von rein dialektalen und rein nicht-dialektalen Kombinationen hinweist.

D/T Das Bild für D/T ist ähnlich wie für V/B: Auch hier gilt bei einem großen Teil der Variablen (und zwar denselben wie bei V/B) ein doppelseitiges Implikationsverhältnis, bei den anderen zumeist ein einseitiges. Eine implikative Abstufung z. B. zwischen D/T und V/B oder O/A, wie sie der gegenüber V/B_D oder O/A_D geringere Gesamtanteil von D/T_D im Korpus nahelegt (vgl. Kap. 4.1), besteht hiernach nicht. Obwohl die Variante d für standardsprachliches t geographisch sehr weit verbreitet und als Lenisierung von t zu d eine geläufige Erscheinung bei weniger sorgfältiger Artikulation ist, kommt sie hier fast nur mit eindeutig dialektalen Merkmalen vor, bis auf wenige Ausnahmen nie zusammen mit den Standardvarianten anderer Variablen. Kompromissformen mit d statt Velarisierungs-g (= Dialekt) oder dem entsprechendem t (= Standard) sind nicht belegt – abgesehen von dem (im Dialekt so lexikalisierten) Wort Zeidung und der im Dialekt zumindest üblichen Form runder statt (e)runger (s. W erunder, erunger).

100% 80%

S_S

60%

S_D

40%

D_S

20%

le s /le sE CH /G jeSC /geH aG /CH _fr /aG J/G eJ /eG L_ ve l/L 0/ De T Un klin reg Vb 0/E Vo kQ ua I_k nt rz/ EI O/ A EE /EI V/ op B /au f G/ T U/O O/ U D/T Jl/G l II/E I 0/N

0%

Abb. 13: D/T – Verteilung der Kombinationstypen

D_D

149

Ergebnisse auf Wortebene

G/T Aufgrund geringerer Belegzahlen ist die Situation bei der Velarisierungsvariablen z. T. weniger klar, aber bei den gut belegten Kombinationen mit I_krz/EI (kurzer Monophthong oder Diphthong) und der Deklination (wegen der Possessivpronomina häufig belegt) liegt wieder eindeutig doppelseitige Implikation vor. Zwar kommen auch einige Fälle von dialektaler Deklination bei ansonsten standardsprachlichen Pronominalformen vor, mit 2.65 % der Fälle muss dies aber als Abweichung eingestuft werden (vgl. a. Kap. 6.3). Im Vergleich zu den monophthongischen Varianten der mhd. hohen Langvokale ist das Geltungsgebiet der Velarisierung erheblich kleiner, das scheint aber hier keinen Unterschied zu machen.

100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D 0/N

D/T

O/ U

0/E kQ ua nt I_k rz/ EI O/ A EE /EI V/B Vo

0/T De klin

J/G eJ /eG L_ ve l/L

le s /le sE CH /G je/ge SC H/C H

0%

Abb. 14: G/T – Verteilung der Kombinationstypen

J/G Bei J/G sieht das Ergebnis ganz anders aus, es entspricht dem Bild, das für eine Variable in einem Kontinuum zu erwarten wäre: Hier ist immer auch eine der heterogenen Kombinationen belegt, in einigen Fällen allerdings auch beide. Gegenüber V/B und D/T sowie auch O/A und O/U u. a. ergibt sich hier ein klares einseitiges Implikationsverhältnis; die selteneren dialektalen Merkmale kookkurrieren praktisch nie mit g, wohl aber erscheint umgekehrt häufig die Standardvarianten dieser Variablen mit j: Neben gab und j‫ۃۃ‬f ist jaab etwa gleich oft belegt, gaaf, g‫ۃۃ‬f oder g‫ۃۃ‬b dagegen überhaupt nicht. Das Verhältnis zu den übrigen gVariablen ist ebenfalls einseitige Implikation, aber umgekehrt: jegangen ist häufig belegt, gejangen dagegen nur einmal (1 %).

→ ↔* ↔* ↔**

← ← ↔** ←** ←** ↔** ←

Imp. ~ ← ← ← ~* ~

Bel. 6 18 9 29 27 96 7 6 8 7 264 171 24 1023 26 7 14 13 8 229

– – ungerhä‫ב‬t fingk sinJ [ASf] Lück, Eng aanbinge wigger, hück n‫ۃۃ‬Vchnigge – affschnigge Bruckschoon hückzedaach unge, schnigge

nüngsisch

D_D fing ungerwäächs jefunge

% 16,7 47,1 55,6 17,2 11,1 3,1 0 0 25 28,6 26,5 14,6 25 18,4 3,9 0 7,1 15,4 37,5 15,3

D_ST finge – – – (–) (–) – – – – (–) – – – – – ungerhalb – – (–)

% 33,3 0 0 0 3,7 4,2 0 0 0 0 0,4 0 0 0 0 0 7,1 0 0 3,5

ST_D find unterweechs jefund’n drunterjeschraubt neunzisch nöinzehnhundertdr̯ißisch Jurkenzeit höitijen unterhä‫ב‬tst runterjeklapp (–) (–) Waachhund (–) d‫ۃ‬hinter – – – – (–)

% 50 29,4 22,2 44,8 14,8 63,5 71,4 66,7 50 14,3 2,7 4,1 12,5 0,3 7,7 0 0 0 0 2,2 Untergang neunjährigen Teilzeit drunterjeschraubt s̯ine [NASf] Leute, Ende weitermacht Zeit, m̯ine dahinter Arbeitsz̯it unterschreib’m unterschieden heutzutage finden, hinten

ST_ST – unterwegs gefunden dahintergekomm’m neunzich

% 0 23,5 22,2 37,9 70,4 29,2 28,6 33,3 25 57,1 70,5 81,3 62,5 81,2 88,5 100 85,8 84,6 62,5 79

Ausnahmen: (SCH/CH): D_ST nüngsich, ungerwechs (S26), durchschnigg, durchschnigge (S27) – (Deklin): D_ST singe [ASf] (S19), ST_D mäin, mein [ASf] (S06, S34), mäine, meine [NSm] (S34) – (0/E): ST_D End (S12, S38, S09a, S35), Leut (S06, S21) – (I_krz/ΕΙ): ST_D uffenander (S12, verwendet auch anger) – (0/N): D_ST jestangen (S12), hingenrüm, ungen (S13), ST_D zusammejebunde, runderkumme ( S09a)

Tab. 11: Kombinationen mit der Variablen G/T

J/G eJ/eG L_vel/L 0/T Deklin 0/E VokQuant I_krz/EI O/A EE/EI V/B O/U D/T 0/N

SCH/CH

je-/ge-

Zvar les/lesE CH/G

150 Kookkurrenzanalyse

Bel. D_D 25 jeh 102 jejangen 33 anjeeblisch 54 durschjonn 70 jej’n 82 Je‫ב‬d 31 jib 18 (ne) jode [ASm] 266 jitt, jonn 11 Jurk 22 103 jejevve 33 usjevve 44 j‫ۃۃ‬f 62 22 heemjonn 109 j‫ۃۃ‬f, jevve affjing 132 10 upjing 7 – 18 sujaa 302 joot 54 jode, Jade 59 360 jejange

Tab. 12: Kombinationen mit der Variablen J/G

Imp. ← ←** ← SCH/CH ← eJ/eG ←** L_vel/L ~ 0/T ~ Deklin →* UnregVb →** →* 0/E →** VokQuant →** I_krz/EI →** →** O/A →** EE/EI → →** V/B →** op/auf → G/T U/O → O/U →** →** D/T →** 0/N →**

Zvar les/lesE je-/ge-

% 20 46,1 21,2 25,9 42,9 31,7 22,6 27,8 32,2 27,3 13,6 14,6 18,2 27,3 19,4 13,6 19,3 18,9 20 0 16,7 22,5 22,2 20,3 7,8

D_ST (–) (–) (–) (–) (–) Jeld jibt (’n) janzer jibt, jehn Jasse Jeeßrinne jeb’m ausjehn jaab Jahrjang Jejent̯il jab abjeb’m ufjeb’m – sojar juut Jart’n Jejent̯il jejang’n

% 4 1 3 3,7 1,4 9,8 19,4 22,2 33,2 9,1 9,1 30,1 24,2 31,8 30,6 40,9 27,5 29,5 10 71,4 33,3 40,7 18,5 20,3 33,3 gejen Ge‫ב‬d gib – – – – – – – – – – – – Jurkenzeit – – – – –

ST_D geh, geb jegangen angeeblisch

% 52 20,6 57,6 51,9 12,9 56,1 19,4 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

ST_ST gehe, gebe gegess’n geechnerische durchgegang’n geg’n (–) gibt (’n) guter gibt, gehn Gänge Go‫ב‬dgrube jegeb’m ausgehn gab Schlafengehn Gegenteil geb’m Abgase aufgehen Sonn’nuntergang sogar gut Gachten Tiefgarage jegangen, gegang’n

% 24 32,4 18,2 18,5 42,9 2,4 38,7 50 34,7 63,6 77,3 55,3 57,6 40,9 50 45,5 53,2 51,5 70 28,6 50 36,7 59,3 59,3 58,9

Ergebnisse auf Wortebene

151

152

Kookkurrenzanalyse

zur Tabelle 12, Kombinationen mit der Variablen J/G: Ausnahmen: (les/lesE): D_ST verjesse (S12) – (je-/ge-) D_ST gejangen (S34) – (SCH/CH): D_ST anjeblich (S21), jejensäitich (S13) – (eJ/eG): D_ST Jeg’nd (S21) – (L_vel/L): ST_ST Goldlack, Geld (S03, S31)

Auch in der Verbindung mit eJ/eG sind die Kombinationen einseitig verteilt, wobei hier immerhin das Übergewicht bei den homogenen Varianten jejen und gegen liegt. Auch gejen ist aber offenbar durchaus möglich, während jegen eine Ausnahme darstellt. Ein deutliches Nebeneinander aller vier Typen gibt es nur wieder in der Kombination mit SCH/CH und L_vel/L – und in der Kombination mit 0/T (sowohl jibt (et) als auch gib (et), letzteres ist eventuell als Zitatform mit anderer regionaler Provenienz zu verstehen). 100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D 0/N

II/E I

O/ U D/T

le s /le sE je/ge SC H/C H eJ /eG L_ ve l/L 0/T De k Un lin reg Vb 0/E Vo kQ ua nt I_k rz/ EI O/ A EE /EI V/B op /au f G/ T U/O

0%

Abb. 15: J/G – Verteilung der Kombinationstypen

je-/geWie gesehen, kann das Präfix je- sogar mit standardsprachlicher Realisierung von J/G kombiniert werden. So liegen auch bei den übrigen Kombinationen mit diesem Präfix fast überall einseitige Implikationsbeziehungen vor. Auch hier gibt es wieder weiter einseitige Implikation zwischen g-Variablen: dialektales je- impliziert den Frikativ im Auslaut (aCH/aG_D bzw. eCH/eG_D), gesacht ist die häufigste Form, noch vor jesacht, jesagt kommt dagegen nie vor. Zwischen je-/ge- und aG_vel/aG ist die Hierarchie allerdings nicht so klar, hier scheint der Grad an dialektaler Konnotiertheit ungefähr gleich zu sein, sodass vor allem die homogenen Kombinationen vorkommen. Wieder sind bei L_vel/L und SCH/CH jeweils alle vier Typen belegt.

152

153

Ergebnisse auf Wortebene

100% S_S 80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D

aC H/a eC G H/e SC G H aG /CH _fr /aG J/G eJ /eG L_ ve l/L 0/T De Un klin re Vo gVb kQ ua I_k nt rz/ EI O/ A EE /EI V/B op /au f G/ T U/O O/ U D/T Jl/G l II/E I 0/N

0%

Abb. 16: je-/ge- – Verteilung der Kombinationstypen

Jl/Gl Die gesonderte Untersuchung von j/g in der Position vor Liquid war zunächst einmal aufgrund des unterschiedlichen Gesamtanteils sowie entsprechender Beobachtungen in anderen Arbeiten erfolgt. Hier zeigt sich nun, dass j/g in dieser Position tatsächlich auch in den Kombinationen mit anderen Variablen eine Sonderrolle spielt: Wie sonst nur bei L_vel/L und SCH/CH, finden sich hier bei vielen Variablen alle vier Kombinationstypen in nennenswertem Umfang (jlaub ebenso wie glööf); Jl/Gl unterscheidet sich insofern nicht nur von den viel häufiger dialektal belegten „verwandten“ Variablen J/G und je-/ge-, sondern auch von den anderen Variablen mit eher geringem Dialektanteil.

100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D

Abb. 17: Jl/Gl – Verteilung der Kombinationstypen

II/E I 0/N

D/T

O/ U

U/O

0/E Vo kQ ua nt I_k rz/ EI EE /EI V/B

0/T Un reg Vb De klin

les /le sE je /ge SC H/C H L_ ve l/L

0%

→** →** →** →* →** → → → → → →* →**

O/A

O/U D/T

U/O

G/T

op/auf

V/B

EE/EI

I_krz/EI

Imp. ←** ←** ~ ↔** →** →** ~ →** →** →** →** →**

Zvar aCH/aG eCH/eG SCH/CH aG_fr/aG J/G eJ/eG L_vel/L 0/T UnregVb VokQuant

Bel. 260 37 173 46 102 35 170 391 260 552 677 17 225 90 107 108 94 175 32 9 29 36 47 100 134

aanjerof’n jer‫ۃ‬de, jedeelt

jehüürt

jeärbeet jestorven affjefa‫בב‬e upjebaut jefunge

D_D jesacht jeleescht jeleescht jezoПen jejangen jereje‫ב‬t jetei‫ב‬t jekoof jewess jemaacht aanjekuck jebruche usjeloobt jer‫ۃ‬de

% 44,1 48,6 49,1 47,8 46,1 45,7 38,2 23,8 19,2 24,6 22,2 29,4 24 36,7 31,8 15,7 9,6 16,6 21,9 55,6 17,2 38,9 31,9 13 17,2

D_ST – (–) jeleecht (–) jegangen jebügelt jemeldet jespritzt jewesen jemacht anjeboten jebrauchen rausjedreht jefraacht naachjekuckt jearbeitet jeschrieb’m abjescha‫ב‬tet aufjepaßt jefund’n drunterjeschraubt jedreht wehjetaan anjeruf’n anjeboten

% 0 2,7 11 4,3 20,6 17,1 22,9 40,7 55,8 36,7 40,9 11,8 34,2 32,2 33,6 50,9 58,5 48,6 53,1 22,2 44,8 44,4 51,1 67 59 (–) (–) – –

– –

ST_D gesacht geleescht geleescht gefloПen (–) – gefä‫בב‬t (–) – (–) (–) – (–) (–) (–) (–) –

% 46 21,6 34,1 8,7 1 0 23,5 4,9 0 1,1 0,9 0 0,4 1,1 0,9 0,8 0 0 0 0 0 2,8 2,1 0 0

ST_ST gefragt gelegt gerechnet gezog’n gegang’n geleg’n gemalt geschleppt gewesen gemacht angeboten gebrauch’n reingezog’n getan nachgemacht gearbeitet geschrieb’m abgebroch’n aufgepasst gefunden dahintergekomm’m gehört wehgetan angeruf’n angeboten

% 9,9 27 5,8 39,1 32,4 37,1 15,3 30,7 25 37,6 35,9 58,8 41,3 30 33,6 33,6 31,9 34,9 25 22,2 37,9 13,9 14,9 20 23,9

154 Kookkurrenzanalyse

→ →**

6 25 778

– jefiirt, jebuut jefalle, jer‫ۃ‬de

0 32 11

jeglaubt jeschraubt jegangen

50 60 49,7

– – –

0 0 0

ausgeglischen gefault umgezoПen

50 8 39,2

Ausnahmen: (eCH/eG) D_ST: ausjeprägt (S21), beijefügt (S33) – (aG_fr/aG) D_ST: jezog’n (S06, S32) – (J/G) ST_D: gejangen (S34) – (0/T) ST_D: ungenutz (S17), gedaach, gekoof, gekoss, gekämpf (alle S30), geschick (S31), gedach, gekauf, gekrisch, gesach (alle S32) – (VokQuant) ST_D/ST: angebraachter (S11), ST_D: getonn (S19), gedaach, gekriggt, gesaat (alle S30) – (I_krz/EI) ST_D: ingezoПen (S01) – (O/A) ST_D: getonn (S19) – (EE/EI) ST_D: gekoof (S30) – (U/O) ST_D: gehuurt (S24a)

Tab. 13: Kombinationen mit der Variablen je-/ge-

Jl/Gl II/EI 0/N

Ergebnisse auf Wortebene

155

~

~* ~* ~** ←** ←** →

↔* ~* ↔**



Imp. ~

Bel. 35 6 59 6 10 9 82 10 15 25 10 37 82 88 84 30 32 24 8 5 72 Jraaf, jlöve jruuß Jraubruut jröne – – (–)

D_D jlööf – jrundsätzlisch – – jejrins jlööf (ne) jroße [NSm] – – – – jlöve

% 22,9 0 8,5 0 0 22,2 14,6 30 0 0 0 0 14,6 13,6 19 33,3 34,4 8,3 0 0 2,8 Jraab, jlaub (–) (–) jrünen, Jruuß jl̯ischz̯itisch jl̯ischz̯itisch jlatten, jrünen

D_ST jlöve, jlaube – – Jrill Jrooßeltern – jlaub – Jrenze Jrundschule Jrundschule (–) jlaub, -e

% 5,7 0 0 83,3 50 0 11 0 6,7 20 30 2,7 11 10,2 7,1 3,3 3,1 16,7 12,5 20 18,1 – – – glöve, große

glööf gruuß

ST_D glaub glööf jeglaubt gl̯isch Gri‫ב‬doos Grooße‫ב‬tern – glööf – – (–) Grooßvatter glisch glööf

% 45,7 50 64,4 16,7 50 0 20,7 0 0 4 10 8,1 20,7 19,3 21,4 13,3 12,5 0 0 0 5,6

ST_ST glaube gegriffen gleich – – glaubt, grüßt glaube, glaub (’n) großer [NSm] Grenze Glücksache anjeglichen gleisch jeglaubt Einheitsgröße glaub groß’n hochgradisch grüß, Gruß Großteil Glatteis grab’m

% 25,7 50 27,1 0 0 77,8 53,7 70 93,3 76 60 89,2 53,7 56,8 52,4 50 50 75 87,5 80 73,6

Ausnahmen: (SCH/CH): D_D jläisch (S35), (0/E): ST_D Gri‫בב‬doos (S27), (I_krz/EI): D_ST jläisch (S35), (U/O): D_ST jroße (S35), (0/N): D_D: jroße (S35) jruße (S11, S12)

Tab. 14: Kombinationen mit der Variablen Jl/Gl

O/U D/T II/EI 0/N

U/O

V/B

EE/EI

VokQuant I_krz/EI

0/E

0/T UnregVb Deklin

L_vel/L

Zvar les/lesE je-/geSCH/CH

156 Kookkurrenzanalyse

→ ~ →** → → → →* →**

← →*

↔**

Imp.

Bel. D_D (13) 46 jezoПen 2 JuПendlischen 10 durschjezoПen 10 LiejewaПen 2 VoПe‫ב‬, 5 Ze‫ב‬tlaПer (37) (39) – 13 aanjezoПen 25 injezoПen, 82 fr‫ۃ‬Пe  2ПHQ 8 affsaПe 11 suzesaПen 42 draПen 329 fr‫ۃ‬Пe, saПe, 0 7,7 16 9,8 13,3 12,5 9,1 19 10,5

47,8 100 50 30 100 60

%

D_ST fr‫ۃ‬Пe, saПe gezoПen – – JuПendherberge – ZeltlaПer FraПe JuПendherberge anjezoПen ausjezoПen fraПen AuПen abjezoПen sozusaПen traПen traПen, saПen

Ausnahmen: (je-/ge-): ST_D jezog’n (S13) – (I_krz/EI): ST_D uffschlagen (S26)

Tab. 15: Kombinationen mit der Variablen aG_fr/aG

VokQuant I_krz/EI O/A EE/EI V/B U/O D/T 0/N

0/E

eJ/eG L_vel/L

Zvar les/lesE je-/geSCH/CH

% (15,4) 8,7 0 0 10 0 40 (32,4) 33,3 69,2 52 45,1 20 12,5 54,5 50 48,5

ST_D frag, sag (–) – durschgezog’n – – – – – – (–) – – – – – –

% (38,5) 4,3 0 40 0 0 0 0 0 0 4 0 0 0 0 0 0 Anlage ausgezog’n fragen Augen abgebog’n sozusagen Tage sag’n, fragen

ST_ST frage, sage gezog’n – augenblicklich Liegewagen – – Frage, Lage

% (46,2) 39,1 0 10 60 0 0 (67,6) 66,7 23,1 28 45,1 66,7 75 36,4 31 41

Ergebnisse auf Wortebene

157

G/T U/O

V/B

EE/EI

O/A

I_krz/EI

0/E VokQuant

Deklin

L_vel/L

aG_fr/aG J/G

SCH/CH

Zvar les/lesE CH/G dat/das je-/ge-



→*

→ → → →** →**

→*

←* ←** ~ ~ ←* →** ~** ~** ~ ~ (→*)

Imp.

Bel. D_D (11) ärjer 2 – 29 irj’ndwat 35 jereje‫ב‬t 66 eijentlisch 150 10 LiejewaПen 70 jejen 67 ejaa‫ב‬ 85 20 (ne) vernünftije 24 [NSm] (36) Flejeste‫בב‬ 4 aachzijer 21 Schwiejervatter 4 21 injesteeje 7 aachzischjöhrije 24 110 ej’ntlisch 135 5 üvvrijens 33 affzokrejen 6 – 7 Huhjebirje

% D_ST (9,1) krieje 0 – 17,2 – 45,7 – 43,9 eijentlich 29,3 30 – 42,9 gejen 40,3 ejaal EinzeOUHMLVWHU 37,6 5 (’n) rischtijer 4,2 irjendeine [NSf] (11,1) (Abzüje) 75 achzijer 28,6 Schwiejervater 0 nöinzijer 14,3 auszulejen 57,1 zweijährijen 16,7 dajejen 13,6 eijentlisch 11,9 Bürjermeister 0 übrijens 18,2 jejenüber 0 neunendreißijer 14,3 Hochjebirje

% (27,3) 0 0 0 16,7 12,7 0 12,9 38,8 37,6 30 29,2 (25) 25 33,3 100 42,9 28,6 41,7 30,9 34,1 80 39,4 66,7 57,1 – – – – – – – – – – – – –

ST_D steig Fluuchzöige irg’ndwat jebügelt, jeleg’n eig’ntlisch Bürgerkönisch JuПendherberge (–) egaa‫ ב‬, Rege‫ב‬ Einze‫ב‬UHJLVWHU (ne) richtige [NSm]

% (18,2) 100 34,5 17,1 30,3 42 10 1,4 20,9 23,5 5 4,2 (0) 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Liegewag’n gegen – (–) (’n) vernünftiger eigenständige [NSn] (Abzüge) Anzüge wiederkriegen – ausleg’n neunjährigen Nachfolger eig’ntlich Bürgermeister übrigens abkriege neunjährigen hochleg’n

irg’ndwas gelegen eig’ntlich

ST_ST kriege

% (45,5) 0 48,3 37,1 9,1 16 60 42,9 0 1,2 60 62,5 (63,9) 0 38,1 0 42,9 14,3 41,7 55,5 54,1 20 42,4 33,3 28,6

158 Kookkurrenzanalyse

→ →**

→** →**

16 25 375

83 88

– (–) morje, leje

flejen, kreje

kriejen Bürjerkönichsschieß’n 0 Verträje 4 Jejent̯i‫ב‬ 11,2 besorjen, erfo‫ב‬jen

13,3 12,5 – – – – –

37,3 37,5 62,5 56 29,1

Ausnahmen: (J/G): ST_D Jeg’nd (S21) – (L_vel/L): ST_ST Nieselreg’n (S33) – (D/T): D_D Schwiejerelderen (S13)

Tab. 16: Kombinationen mit der Variablen eJ/EG

0/N

D/T

O/U 0 0 0

0 0 Tröge eigenaatisch z̯igen

kriegen,Züge Briefbög’n 37,5 40 59,7

49,4 50

Ergebnisse auf Wortebene

159

160

Kookkurrenzanalyse

aG_fr/aG Bei aG_fr/aG liegen dagegen wieder wie bei den anderen g-Variablen überall einseitige Implikationsverhältnisse vor, soweit die Belege Aussagen zulassen; in der Kombination mit je-/ge- und eJ/eG dominieren allerdings die einheitlichen Realisierungen. Da die Variable nur intervokalisch vorkommen kann, sind die Möglichkeiten der Kookkurrenz mit der e-Apokope stark eingeschränkt. Für diese Kombination müssen also die komplementären Ergebnisse für aG_fr/aG und aCH/aG zusammen betrachtet werden (s. a. u. bei den Variablen 0/E und les/lesE). Die Kombination des Frikativs mit auslautendem Ω in Verbformen der 1. Pers. Sg. entspricht den basisdialektalen Formen, die Bezeichnung „D_ST“ ist insofern hier eigentlich nicht zutreffend. 100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D 0/N

D/T

U/O

V/B

EE /EI

O/ A

0/E Vo kQ ua nt I_k rz/ EI

eJ /eG

je/

ge SC H/C H

0%

Abb. 18: aG_fr/aG – Verteilung der Kombinationstypen

eJ/eG Bei inlautendem j/g nach vorderen Vokalen oder Liquiden ergibt sich auch innerhalb der g-Variablen ein klareres Implikationsverhältnis. Für die Kookkurrenz mit der e-Apokope gilt dasselbe wie bei aG_fr/aG; und auch hier zeigt sich, dass jedenfalls die Kombination der frikativen Variante mit nicht-apokopierten Formen durchaus gebräuchlich ist.

161

Ergebnisse auf Wortebene

100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D 0/N

O/ U D/T

0/E Vo kQ ua I_k nt rz_ EI O/ A EE /EI V/B G/ T U/O

da t/d as je /ge SC H/ aG CH _fr /aG J/G L_ ve l/L De klin

0%

Abb. 19: eJ/eG – Verteilung der Kombinationstypen

aCH/aG, eCH/eG Auch wenn der Gesamtanteil der frikativen Entsprechung zu standardsprachlichem /g/ im Auslaut (und vor stimmlosen Konsonanten) nach hinteren und zentralen Vokalen deutlich höher ist als nach vorderen, scheint es keinen Unterschied zwischen beiden Positionen zu geben, was die Möglichkeiten der Kombination angeht. So sind die wenigen Belege für die Kombination der beiden Variablen untereinander auch alle homogen. Das erlaubt es, beide in diesem Kapitel zumeist zusammengefasst darzustellen. Die dialektale bzw. Non-Standard-Variante dieser Variablen erscheint mit den Standard-Varianten aller übrigen Variablen zusammen, die umgekehrte Kombination fehlt (außer wieder bei L_vel/L und SCH/CH) immer. Bei eCH/eG sind die Fälle mitgezählt, in denen es sich um die koronalisierte Realisierung handelt, also außer [ç] auch [ɪ, ߑ]. Für die Kookkurrenz zwischen eCH/eG und SCH/CH können diese Fälle dagegen nicht quantitativ gewertet werden; die Alternative zwischen [ç] und [ɪ, ߑ] besteht ja (abgesehen von komplexen Formen) überhaupt nur, wenn eCH/eG frikativ realisiert wird. Dort, wo sie 100% S_S 80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D

Abb. 20: aCH/aG – Verteilung der Kombinationstypen

0/N

II/E I

D/T

O/ U

V/B

O/ A

0/T I_k rz/ EI

je /ge L_ ve l/L

eC H/e G

0%



29

83 165 23

Bel. (53) 5 260 1 11 55 (3) (5) 9 48 63 16 2

Middaachesse

D_D sach Floochzeuch jesacht – Soziaa‫ב‬beitrach jefr‫ۃۃ‬ch Fr‫ۃۃ‬ch Mittachspaus hückzedaach l‫ۃۃ‬ch, jefr‫ۃۃ‬ch N‫ۃ‬hmiddaach – Rusemondaachszuch jenooch Daach Friidach

Tab. 17: Kombinationen mit der Variablen aCH/aG

0/N

II/EI

O/U D/T

U/O

→ →** →

→ →

V/B

O/A

→ →*

~ →**

↔ →**

Imp.

I_krz/EI

0/E

Zvar les/lesE eCH/eG je-/geeJ/eG L_vel/L 0/T

6,9

4,7 25,5 17,4

% (100) 80 44,1 0 27,3 20,4 (33,3) (60) 22,2 27,1 27,7 0 50 jenuch, Zuch Tach Vatertachsschreib’m Fluuchhaf’n

Mittachspause Einschlach jefraacht Naachmittach Freitachab’md Hochzeitstaach

D_ST – – gesacht Fluuchzöige Soziaalbeitrach jefraacht

65,5

78,5 57 60,9

% (0) 0 46 100 9,1 42,6 (0) (20) 22,2 54,2 53,8 62,5 50



– – –

– – – – – –

ST_D – – – – We‫ב‬tbildverlag –

0

0 0 0

% (0) 0 0 0 9,1 0 (0) (0) 0 0 0 0 0

Flughaf’n

Flug Tag Freitag

Auftrag gefragt Nachmittag tagsüber

Schultag gefragt Frage

ST_ST – Flugzeug gesagt

27,6

16,8 17,6 21,7

% (0) 20 9,9 0 54,5 37 (66,7) (20) 55,6 18,8 18,5 37,5 0

162 Kookkurrenzanalyse







~ →** → →

Imp. ↔ →** ~

Bel. 5 37 48 4 1 12 100 15 32 11 2 14 6 23 15 10 16

D_D Fluuchzeuch jeleescht mööschlisch – – Fe‫ב‬dweesch liech, liesch upjerääsch Mööchlichkeet – upjerääsch ungerwäächs – Floochzeuch Verdrääsch – seeschne

Ausnahmen: (je-/ge-) ST_D ausjeprägt (S21)

Tab. 18: Kombinationen mit der Variablen eCH/eG

D/T II/EI 0/N

O/U

Zvar aCH/aG je-/geSCH/CH J/G eJ/eG L_vel/L 0/T I_krz/EI EE/EI V/B op/auf G/T

% 80 48,6 33,3 0 0 33,3 13 6,7 8,6 0 50 38,5 0 8,7 6,7 0 12,5

D_ST – geleescht mööchlich geechnerisch Bürgersteisch Spillzöisch anjeleescht reinjeleescht Mööchlichkeit überleescht aufjereecht unterweechs Kriesch Zuchweesch Verträäsch Mauerseechler krischt’n

% 0 21,6 25 50 100 16,7 30 73,3 54,3 63,6 50 30,8 66,7 52,2 46,7 25 62,5

ST_D – (–) mööglisch – – We‫ב‬tkrieg – – – – – – – – – – –

% 0 2,7 16,7 0 0 16,7 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

ST_ST Flugzeug gelegt möglich gegnerisch – Spielzeug gelegt aufgeregt Mööglischkeiten überlegt – unterwegs Krieg Flugzeug trägt Mauersegler verleugnen

% 20 27 25 50 0 33,3 57 20 37,1 36,4 0 30,8 33,3 39,1 46,7 75 25

Ergebnisse auf Wortebene

163

O/A

I_krz/EI

VokQuant

0/E

UnregVb

Deklin

0/T

L_vel/L

nit/nicht

eJ/eG

J/G

aG_fr/aG

SCH/CH

Zvar sons/sonst CH/G je/ge

→** ~ → → ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~

~ ↔** ↔** → → → ~ ~

Imp. ~**

Bel. D_D 1095 nisch 48 mööschlisch 173 jeleescht 220 rischtisch 300 Eischhörnsch’n 10 JuПendlischen 33 erjiebisch 54 jejenseitisch 66 rischtije achzischjöhrije 150 (844) 56 Bi‫ב‬dsche 101 162 jekrisch 163 19 (e) wischtisch [NSn] (6) flüüsch (7) durschjonn 66 Kirsch 77 29 aachzisch 83 194 drissisch 248 upjerääsch 97 Jöhrsche 139 durschbr‫ۃ‬de

% 43,9 33,3 49,1 60 66 50 21,2 25,9 43,9 29,3 (0) 50 44,6 22,8 22,8 5,3 (33,3) (42,9) 19,7 16,9 20,7 15,7 6,2 6,5 7,2 12,2 achzisch Schuulweesch dr̯ißisch ausgeglisch’n manschmaal

Kirsche

(’n) wischtiger krischt

D_ST nischt mööglisch geleescht – – durschgezog’n ungünstisch Durschgang rischtige gleischmäßiger nisch(t) Bildsch’n schalldischte leescht, sprischt

% ST_D 8,8 nich 16,7 mööchlich 34,1 jeleecht 0 – 0 – 40 – 57,6 (–) 51,9 (–) 30,3 richtije sichelförmije 42 (65,6) 37,5 – 40,6 Fe‫ב‬dweech 53,7 (–) (–) 53,3 73,7 (ne) richtige [NSm] (16,7) flüüch (14,3) 60,6 Kirch 57,1 Stichstr‫ۃۃ‬ß 34,5 aachzich 50,6 66,5 (–) 64,1 (–) 73,2 (–) 61,9 (–)

% 44,5 25 11 0 0 0 3 3,7 16,7 12,7 (0) 0 5 3,7 4,4 5,3 (50) (42,9) 12,1 11,7 17,2 8,4 1,5 2,4 1 2,9 Kirche Ausnüchterungszelle achzich Anfahrtsweech dreißich aussprech’n manchmal Stichstraße

(ne) richtije [f]

reicht, liecht

ST_ST nicht möglich gerechnet richtich Eichhörnch’n augenblicklich goldich durschjegangen eig’ntlich Religionsunterricht nich(t) Mittelchen

% 2,9 25 5,8 40 34 10 18,2 18,5 9,1 16 (34,4) 12,5 9,9 19,7 19,6 15,8 (0) (0) 7,6 14,3 27,6 25,3 25,8 27 18,6 22,6

164 Kookkurrenzanalyse

76 266 12 44 10 27 96

36 40 48 142 59 76 59 87 103 389

~ ~ → ~ → ~* ~

∼ → → ~ ~ ~ → → → →**

Brüütsche

(–) (–) unnüdisch fuffzischdausend jl̯isch üüsch

Brüütsche

nevvelisch affjewisch upjerääsch nüngsisch

eenlisch

11,1 10 4,2 2,1 13,6 15,8 8,5 5,7 4,9 10

69,4 67,5 54,2 61,2 55,9 52,6 64,4 70,1 71,8 52,7

65,8 60,5 58,3 61,4 60 14,8 63,5

– – – (–)

– (–) ferdich

Brüütche

– (–) – (–)

eentlich

6,6 einklich 5,3 Eichhörnch’n 0 übrich 2,3 abjerechnet 0 draufspricht 3,7 neunzich 4,2 nöinzehnhundertfümenvirzich 5,6 ehrlich 5 Hochgeschwindigkeit 0 natürlich 2,1 11,9 fertich Küch’ntisch 9,2 0 gleich 0 föicht 0 sibzichtausn’d 2,1 Würstchen

13,9 17,5 41,7 34,5 18,6 22,4 27,1 24,1 23,3 35,2

13,2 22,9 33,3 27,3 20 70,4 29,2

Ausnahmen: (J/G): ST_D anjeblich (S21), jejensäitich (S13) – (0/T): ST_D liech (S07), sprich (S19, S26), sich (S26), hinkrich (S34) – (I_krz/EI): ST_D aachendrissich (S12), injerichtet, injezeichnet (S24a), nüngsich (S26), durchschnigg, durchschnigge (S27) – (O/A): ST_D Stichstr‫ۃۃ‬ß (S07), manchm‫ۃۃ‬l (S13), Küchedr‫ۃۃ‬t (S34) – (V/B): ST_D affjericht (S29) – (G/T): ST_D nüngsich, ungerwechs (S26), durchschnigg, durchschnigge (S27) – (O/U): D_D veezisch (S06), Bööscher (S24a), unjemöötlisch (S35) – (0/N): Brüütche, Mädche (S14)

gleisch föischt fuffzischdausend Kirsch’n

natüürlisch Zuchweesch nötisch

nötisch

14,5 einglisch 11,3 Eischhörnsch’n 8,3 übrisch 9,1 abgedischtet 20 aufjereescht 11,1 neunzisch 3,1 nöinzehnhundertdr̯ißisch

Tab. 19: Kombinationen mit der Variablen SCH/CH

0/N

II/EI

Jl/Gl

D/T

O/U

U/O

G/T

op/auf

V/B

EE/EI

Ergebnisse auf Wortebene

165

166

Kookkurrenzanalyse

besteht, kommen jedenfalls beide Varianten vor (koronalisierter und nicht koronalisierter Frikativ – mööschlisch und mööchlich).

100% S_S 80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D

0/N

D/T II/E I

G/ T O/ U

0/T I_k rz/ EI EE /EI V/B

aC H/a G je/ge SC H/C H L_ ve l/L

0%

Abb. 21: eCH/eG – Verteilung der Kombinationstypen

SCH/CH Auch bei SCH/CH dominiert neben den (zumeist etwas selteneren) rein standardsprachlichen oder rein dialektalen Kombinationen die Kombination (SCH/CH)_D+(andere)_ST. Jedoch kommt hier häufiger als bei den bisher betrachteten Variablen auch die vierte Kombination in nennenswertem Umfang vor, auch auf Morphemebene, und auch dort, wo sie recht selten ist oder fehlt, ist dies statistisch nicht signifikant. Nur bei der Kombination von zwei Belegen für diese Variable selbst besteht fast durchgehend Homogenität. Die Kombinationen mit den unregelmäßigen Verbformen, nit/nicht und 0/E sind wieder nicht quantativ zu werten, weil oft (bzw. bei nit/nicht immer) nicht alle vier Typen möglich sind. 100% 80%

D~S S_S

60% S_D 40% 20%

so ns /so les nst /le sE CH /G je/ SC geH aG /CH _fr /aG J/G eJ /e L_ G ve l/L 0/T De klin 0/E Vo kQ ua I_k nt rz/ EI O/ A EE /EI V/B op /au f G/ T U/O O/ U D/T Jl/G l II/E I 0/N

0%

Abb. 22: SCH/CH – Verteilung der Kombinationstypen

D_S D_D

Ergebnisse auf Wortebene

167

L_vel/L Das Ergebnis von L_vel/L ähnelt dem von SCH/CH, auch hier sind bei den Kombinationen mit diversen Variablen beide heterogenen Kombinationstypen vertreten (und auch dort, wo einer davon nicht vorkommt, ist diese Verteilung statistisch nirgends signifikant). Anders als bei den meisten anderen Variablen können offenbar L_vel/L_D und L_vel/L_ST frei mit Dialekt- oder Standardausprägung der anderen Variablen kombiniert werden, auch im selben Morphem (etwa ma‫ב‬ und m‫ۃ‬l).

100% D~S 80% S_S 60% S_D 40% D_S 20% D_D les /le sE CH /G je/ SC geH aG /CH _fr /aG J/G eJ /eG L_ ve l/L 0/T De Un klin reg Vb Vo 0/E kQ ua I_k nt rz/ EI O/ A EE /EI V/B op /au f G/ T U/O O/ U D/T Jl/G l II/E I 0/N

0%

Abb. 23: L_vel/L – Verteilung der Kombinationstypen

op/auf Die Variable op/auf bezieht sich auf die lexemspezifische Ausnahme von der 2. Lautverschiebung in diesem Wort. Neben auf und op (up) ist noch off belegt. Ob es sich dabei um eine Kompromissform oder um eine Übernahme aus dem unmittelbar südlich angrenzenden off-Gebiet (vgl. DiWA 447 ‘auf’) handelt, ist nicht zu entscheiden. Eine Kombination mit anderen Variablen im selben Wort ist für die Präposition natürlich nicht möglich, nur für die Verbpartikel. Die (wenigen) entsprechenden Belege sind wiederum vor allem für die g-Variablen teilweise heterogen (einseitig implikativ), jedoch auch für die t-Tilgung und die Vokalqualität. In der Verbindung mit V/B und D/T kommen dagegen keine heterogenen Kombinationen vor.

G/T

V/B

EE/EI

O/A

I_krz/EI

VokQuant

L_vel/L Deklin UnregVb 0/E

eJ/eG

aG_fr/aG J/G

SCH/CH

je-/ge-

CH/G

Zvar les/lesE

→ ~** ~ → ~** ~** ~* ~** → ~ →

~ ~** ~**

~ ←** ~

~

Imp.

170 56 101 5 82 67 85 6 10 28 25 289 316 46 172 188 78 150 9 59 8

Bel. 2 22

a‫בב‬zevi‫בב‬ – – Mü‫בב‬tonn vi‫בב‬ aanjeme‫ב‬G (–) (–) (–) jedee‫ב‬W eem‫בۃ‬ Döive‫ב‬ affjespi‫בב‬t ungerhä‫ב‬t

VoПe‫ב‬ Je‫ב‬d Rejaa‫ב‬

D_D – Soziaa‫ב‬beitrach injeste‫בב‬t Bi‫ב‬dsche 38,2 50 44,6 60 31,7 40,3 37,6 50 0 0 24 16,3 15,5 2,2 3,5 3,7 5,1 2,7 11,1 5,1 25

% 0 45,5 geha‫ב‬ten – Fe‫ב‬dweech – Ge‫ב‬d egaa‫ב‬ Einze‫ב‬UHJLVWHU We‫ב‬tbild a‫ב‬tes [ASn] erzäh‫ב‬W>3DUW@ Go‫ב‬dgrube vie‫ב‬ anjeme‫ב‬GHW ausgewi‫ב‬dert eimaa‫ב‬ GrL‫בב‬abende getei‫ב‬W eimaa‫ב‬ übe‫ב‬ abfä‫בב‬t unterhä‫ב‬Wst

D_ST – We‫ב‬tkrieg 23,5 0 5 0 56,1 20,9 23,5 50 80 14,3 32 14,6 20,6 58,7 44,8 46,3 26,9 37,3 33,3 39 50

% 0 18,2

– d‫ۃۃ‬m‫ۃۃ‬ls Schullj‫ۃ‬hr jedeelt eem‫ۃۃ‬l üvverall afstellt –

ZeltlaПer Jeld ejaal EinzeOUHMLVWHU – – (–) (–) vill

jespielt Bildsch’n

ST_D meld Schuulweesch 22,9 37,5 40,6 40 9,8 38,8 37,6 0 0 3,6 4 24,9 22,8 0 25,5 23,4 1,3 16,7 0 15,3 0

% 50 27,3

ausgefüllt damals Elternabend Teil zweimal übel Elternabend Teilzeit

– (–) – (–) – ältrer [NSm] erzählt 3DUW Schultasche viel

gemalt Mittelchen

ST_ST melde Spielzeug

15,3 12,5 9,9 0 2,4 0 1,2 0 20 82,1 40 44,3 41,1 39,1 26,2 26,5 66,7 43,3 55,6 40,7 25

% 50 9,1

168 Kookkurrenzanalyse

~ ~

~ ~* ~*

~*

432 476 15 31 196 205 6 10 43 166 (–) (–)

– (–) – (–) (–) (–) –

0 0,4 0 3,2 4,1 3,9 0 0 2,3 3

a‫ב‬so Wa‫ב‬dvögel füh‫ב‬t Urwa‫ב‬djebiete E‫ב‬tern He‫ב‬GHQWDW Gri‫בב‬doos Grooße‫ב‬tern Wi‫ב‬dtaub’m festzuha‫ב‬ten

46,3 45 20 32,3 64,3 64,4 16,7 50 32,6 41,6

(–) (–) Veedel (–) (–) (–) Jrill Jrooßeltern Stüürzettel Schwiejereldere

1,6 2,5 6,7 3,2 4,6 4,4 83,3 50 9,3 5,4 Haushalt Zeddelschen

also himmelhoch jespüült Fußball Teil, t̯ils Spültisch –

52,1 52,1 73,3 61,3 27 27,3 0 0 55,8 50

Ausnahmen: (J/G): ST_ST (2.32) Goldlack, Geld (S03, S31 ..) – (eJ/eG): ST_ST Nieselreg’n (S33) – (UnregVb): ST_D verzallt (S12) – (0/E): ST_D (4.): Altersklass (S09a) – (I_krz/EI): D_D injeste‫בב‬t (S12) – (O/A): D_D äim‫בۃۃ‬, eem‫( בۃۃ‬S35:2, S19: 2), Schuu‫ב‬j‫ۃ‬hr (S27) – (EE/EI): D_D verdee‫ב‬t (S16), jedee‫ב‬t (S35), eem‫( בۃۃ‬S35, S19) – (U/O): D_D suunsuvi‫בב‬, suvi‫( בב‬S13), ST_D alsu (S12 2, S08, S02, S35 3), suvill (S12, S08, S17) – (O/U): D_D A‫בב‬tachsschoon (S12), ST_D Veedel (S24a) – (D/T): D_D ha‫ב‬d’n, jeha‫ב‬d’n (S12, S19), ä‫ב‬dere (S03), Zedde‫( ב‬S09a), verdee‫ב‬t, jedee‫ב‬t (S16, S35), ze‫ב‬de (S26), E‫ב‬dere (S27), ST_D Zeddel (S032, S24a), älder, Elderen (S09b, S13), schüddelt (S35), freijehalde(S26) – (II/EI): D_D Iismü‫( בב‬S13) – (0/N): D_D El°dere (S26), Bil°dsche (S33), zel°te (S35, S27), zel°de (S26), jehal°de, Müll°tonne [Pl.] (S19)

Tab. 20: Kombinationen mit der Variablen L_vel/L

II/EI 0/N

Jl/Gl

D/T

O/U

U/O

Ergebnisse auf Wortebene

169

↔**

←* ↔* ↔**

Imp. ← ← ← ← ←

Bel. 5 32 10 10 13 5 10 11 20 7 68

D_D opjerääsch opjeschrivve opjerääsch upjing opjerääsch – opjeschrivve opjeschrivve opdraПen – upjenomme

% 20 21,9 20 20 15,4 0 30 18,2 20 0 11,8

D_ST – – – – – – – – – – (–)

Imp. →* ~* →

Bel. 9 267 7

D_D irjendwat et suwat

Tab. 22: Kombinationen mit der Variablen dat/das

Zvar eJ/eG Deklin U/O

% 17,2 34,8 5,9

D_ST irg’ndwat dat sowat

Ausnahmen: (0/N): ST_D uffräje (S19), D_ST upfall’n (S19), ovvendrup (S12)

Tab. 21: Kombinationen mit der Variablen op/auf

Zvar CH/G je-/geSCH/CH J/G 0/T UnregVb VokQuant V/B D/T II/EI 0/N

% 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1,5

% 34,5 44,6 52,9

ST_D – es –

ST_D aufjereecht aufjegeb’m aufjereescht aufjeb’m aufjepass – aufjemaacht – – – (–)

% 0 5,2

% 60 53,1 60 10 23,1 0 10 0 0 0 1,5

ST_ST irgendwas das sowas

ST_ST beauftragt aufgeschrieb’m draufspricht aufjegeb’m aufjepasst aufstehn aufjegeb’m aufjegeb’m beauftragt aufschreib’m auffressen

% 48,3 15,4 41,2

% 20 25 20 70 61,5 100 60 81,8 80 100 85,3

170 Kookkurrenzanalyse

171

Ergebnisse auf Wortebene

100% S_S

80% 60%

D_S

40%

S_D

20%

D_D 0/N

I II/E

D/T

V/B

O/ A

nt

0/T

kQ ua Vo

J/G

SC H/C H

je /ge -

CH /G

0%

Abb. 24: op/auf – Verteilung der Kombinationstypen

dat/das Für dat/das treten wortintern nur zwei Kombinationen mit anderen Variablen auf: die mit eJ/eG in ‘irgendwas’ und v.a. die mit der Deklin genannten Variablen. Hier handelt es sich allerdings nicht um die Deklinationsendung, sondern um die Form des bestimmten Artikels im Neutrum, der als dat realisiert werden kann, aber dialektal eigentlich et lautet. Es ist bemerkenswert, dass die Kompromissform, der Artikel dat, beinahe die Hälfte der Belege ausmacht134. (Die Fälle, in denen nicht zwischen Artikel und Demonstrativpronomen unterschieden werden konnte, sind hier nicht mitgezählt.) Bei ‘irgendwas’ scheint ein Implikationsverhältnis zu bestehen (kein Beleg für irjendwas). Auch hier ist die Form irjendwat allerdings schon eine Kompromissform, wie allgemein die Verwendung von wat statt des dialektalen jet in der Bedeutung ‘etwas’ (vgl. RhWb Bd. 3, Sp. 1169).

CHt/Rt Der Fall von CHt/Rt unterscheidet sich insofern von den übrigen, als es hier um eine Variante geht, die weder aus dem Dialekt stammt, noch standardkonform ist (also auch nicht in ein Gesamt-Implikationsschema passt). Daher ist diese Variable auch in den Übersichten für die übrigen Variablen nicht berücksichtigt. Aufgrund der z. T. problematischen Abgrenzung der Vokalisierung des r vor t im

134 HARTMANN (1982, 193) beschreibt für den Dialekt von Mönchengladbach ein doppeltes Paradigma mit dat als normalem Artikel und et als „schwachem“ Artikel (bei Referenz auf Unika etc., vgl. die Fälle mit obligatorischer Verschmelzung von Artikel und Präposition im Standard). Für das dialektale ripuarische System wird aber allgemein et als Normalform des Artikels im Neutrum angesetzt.

172

Kookkurrenzanalyse

Dialekt von der Vokalisierung im Standard kann die Unterscheidung zwischen Dialekt- und Standard-Variante hier nicht systematisch gemacht werden, geprüft wird nur die Verwendung der Varianten [x] und [Ȥ]. Es zeigt sich vor allem, dass die Kombination [x] bzw. [Ȥ] + Dialektvariante anderer Variablen (weiß) zwar im linken Bereich des Diagramms vorkommt (d. h. bei Kombinationen mit den g-Variablen sowie mit L_vel/L und SCH/CH), im rechten jedoch überhaupt nicht, mit Ausnahme weniger Belege bei I_krz/EI, wo es sich um Partikelverben bzw. ein Kompositum handelt. Die Variante [x], [Ȥ] ist demnach mit diesen Dialektmerkmalen nicht kombinierbar, dagegen durchaus mit den Standardvarianten fast aller Variablen, außer der okklusiven Realisierung von CH/G, die nur bei sehr großer Standardnähe vorkommt. (Den besonderen Verhältnissen der Variablen entsprechend sind die rein basisdialektalen Formen hier ggf. in der dritten Spalte vertreten, nicht in der ersten. r steht auch für [Ļ੓].) Interessant wäre natürlich die Frage, ob sich bei genauerer Untersuchung der Vokalisierungsformen zeigen würde, dass es sich bei den Kombinationen von Vokalisierung + D im linken Diagrammbereich auch immer um die dialektale Vokalisierung handelt, oder ob auch die standardsprachliche Form der Vokalisierung etwa mit dialektalem j kombinierbar ist. Zumindest die vorkommenden Belege für „Garten“, in denen vier Variablen kombiniert sind, weisen in die Richtung, dass tatsächlich nur folgende Kombinationen möglich sind:

100% vok_S 80% 60%

vok_D

40%

[x]_S

20%

[x]_D

Abb. 25: CHt/Rt – Verteilung der Kombinationstypen

D/T II/E I

O/ U

G/ T U/O

0/E kQ ua nt I_k rz/ EI O/ A EE /EI V/B Vo

J/G eJ /eG L_ ve l/L

/ge SC H/C H aG _fr /aG

je-

CH /G

0%

Jachten, Jä[x]tner schnuchzejaa‫ב‬ schnuchzejaa‫ב‬ schwachze – – injestü[x]zt – – – – – – – –

vi[x]zisch jewachtet spochtlisch –

[x]_D – Jebuchtstach

24,1 37,5 21,2 50 0 0 9,4 0 0 0 0 0 0 0 0

100 35 29,3 0

% 0 33,3

Tab. 23: Kombinationen mit der Variablen CHt/Rt

J/G eJ/eG L_vel/L Deklin 0/E VokQuant I_krz/EI O/A EE/EI V/B G/T U/O O/U D/T II/EI

aG_fr/aG

54 8 33 4 31 11 32 27 15 8 21 15 31 93 8

1 40 147 6

Un/Und je-/geSCH/CH

CH/G

Bel. 4 30

Zvar. les/lesE

173

Gä[x]ten vi[x]ziger Nochdteil Nochddeutscher Kachte anjeochdnet uswä[x]ts Jacht’nkram einenvi[x]zisch abwä[x]ts neunenvi[x]zisch Schwachzbroot Jebuchtstach Gä[x]ten Wi[x]tshöiser

– abgespe[x]t vi[x]zich Tageskachten

[x]_ST einochdne (–)

22,2 12,5 39,4 25 61,3 72,7 34,4 22,2 33,3 62,5 28,6 86,6 80,6 40,9 62,5

0 17,5 18,4 50

% 50 3,3

vok_D wüed Jebootstach, Geburtstach – jewaatet veezisch AuПenaaz, AuПenärztin Jarten, Kinderjaade ĉijenaat Wurze‫ב‬ – Ead, Faakaat fertischjemaacht – – Kirschboom – – – veezisch Kinderjade, feadich – 13 25 12,1 0 25,8 18,2 0 0 6,7 0 0 0 6,5 16,1 0

0 30 31,3 50

% 25 33,3

Garten eigenaatisch Viertel, Veedel landwirtschaftlisches Sorte, Fahrkarte Anfaatsweech fümenvirzich Straßenkarte AuПenaaz Abfart Startzeit Nootaazt vierzich Garten, fertich schwarzweiß

– gewartet virzich, feadich –

vok_ST beherrsche Geburtstag

40,7 25 27,3 25 12,9 9,1 56,3 77,8 60 37,5 71,4 13,4 12,9 43 37,5

0 17,5 21,1 0

% 25 30

Ergebnisse auf Wortebene

173

174

Kookkurrenzanalyse

– [ja:dԥ], [ja:dԥn] mit j, d, ggf. n-Tilgung und dialektaler Totalassimilation des r (= Dialektform) (3 Bel.) – [jaxtԥn], [jaxtnૂ] mit j, t, n und [x] (5 Bel.) – [gaxtԥn], [gaxtnૂ] mit g, t, n und [x] (3Bel.) – [gaĻ੓tԥn], [gľ:tԥn], [gaĻ੓tnૂ], [gľ:tnૂ], mit g, t, n und erkennbarem Unterschied der Aussprache für /ar/ zu [a:] und [ax], [aȤ] (=Standardform) (8 Bel.).

Nicht belegt sind dagegen: [jaĻ੓tԥn] etc., [ja:tԥn]/[ja:tnૂ] oder [ga:tԥn]/[ga:tnૂ]. Wenngleich die Belegzahlen kaum sichere Aussagen erlauben, wäre die dialektale Totalassimilation des vokalisierten r an a demnach nicht mit standardsprachlichem t vereinbar135. Der stimmlose Frikativ für /r/ könnte umgekehrt nicht mit der dialektalen n-Apokope kookkurrieren, wäre also nicht nur selbst nicht genuin dialektal, sondern auch in ansonsten dialektalen Formen nicht akzeptabel. (In einer Kombination von dialektalem d mit [x], [Ȥ] – ??[gaxdԥn] – müsste in jedem Fall mit einer Assimilation des [d] an den stimmlosen Konsonanten gerechnet werden, die Frage nach Kookkurrenzrestriktionen erübrigt sich hier daher.)

135 Die Ergebnisse von WINTER (2002, 104) weisen allerdings in eine andere Richtung, danach wäre auch in der intendierten Standardsprache standardkompetenter und sogar professioneller rheinischer Sprecher ein hoher, sogar überwiegender Anteil von Formen mit Totalassimilation zu [a:] zu verzeichnen.

175

Ergebnisse auf Wortebene

5.2.2 Tilgung von Konsonanten 0/T Das Ergebnis der Kookkurrenzanalyse der t-Tilgung in der 3. Pers. Sg. Präs. und im Part. Perf. steht zwischen den beiden bisher gesehenen Typen von Ergebnissen: Einerseits ergibt sich ähnlich wie bei bei V/B und D/T für eine Reihe von Kombinationen doppelseitige Implikation. Andererseits betrifft dies hier weniger Fälle als dort; z. B. in der Kombination mit V/B oder D/T handelt es sich hier stattdessen um einseitige Implikation: Dialektales v bzw d impliziert die t-Tilgung, aber nicht umgekehrt. Und bei den übrigen Variablen kommen z. T. auch alle vier Kombinationsmöglichkeiten vor, wenngleich eine davon meistens unter der Schwelle von 5 % bleibt. Die Produktivität der t-Tilgung im Dialekt wird schon in der partiellen Ersetzung älterer Formen mit Ausfall von /x/ vor t (Naat) durch solche mit /x/, aber ohne t (Naach) sichtbar. Offenbar ist hier bei aus dem Standard in den Dialekt entlehnten Formen die t-Tilgung eingetreten – eine Erscheinung, die auch im vorliegenden Material vorkommt (jemaach statt jemaat, vgl. ähnlich a. jepluck ‘gepflückt’ neben jeplutt). Dies setzt sich offenbar über den Dialekt hinaus fort, wenn Formen wie verkauf oder schreib mit t-Tilgung, aber Diphthong (und Okklusiv b) möglich sind. Anders als bei den g-Variablen sind derartige Kombinationen hier aber in der Minderzahl, und außer dialektalen Einflüssen gibt es hier wohl noch einen weiteren Erklärungsansatz für die t-Tilgung: Zumindest ein großer Teil der Ausnahmen vom Typ gesach ‘gesagt’ bei je-/ge- stammt von einer Sprecherin (S32), die nicht dialektnah spricht, aber durch hohes Sprechtempo auffällt. Man 100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20% D_D D/T Jl/G l II/E I 0/N

J/G Vo kQ ua nt I_k rz/ EI O/ A EE / EI V/ B op /au f G/ T O/ U

CH /G je/ge SC H/C H

0%

Abb. 26: 0/T – Verteilung der Kombinationstypen

könnte die t-Tilgung hier also wohl auch als Allegro- oder Prestomerkmal einstufen. Auch bei den heterogenen Kombinationen mit den Variablen EE/EI und I_krz/EI könnten Faktoren des (nichtdialektalen) schnellen oder ungezwungenen

391 162 163 31 62 79 39 97 40 153 64 98 3 3 7 26 12 9 31

←** ← ← ~ →** →** ~* ~** ↔** →** →** ~** →

→ ↔** → ↔* ↔**

Bel. 148

Imp. ←**

söök verdrüüch jejrins bliifs

bruch usjepack jefrяяch verkoof schriif affjepluck opjerääsch fingk

jib umjebraach

D_D jefrяяch, liesch jekoof, jepluck liesch 23,8 22,8 22,8 22,6 29 25,3 15,4 20,6 25 28,6 17,2 15,3 15,4 100 28,6 19,2 8,3 22,2 38,7

% 16,2

gib jedach dranjesetz brauch ausjepack jefraach verkauf jib abgekrisch aufjepass – runterjeklapp – trääsch – (–)

(–) (–)

D_ST – 4,9 3,7 4,4 19,4 11,3 12,7 20,5 11,3 5 19,9 10,9 8,2 23,1 0 14,3 0 16,7 0 3,2

% 0

jeht, jibt (–) aansetzt jebrucht usjenützt jefrяяcht (–) (–) (–) – – – – – – –

jepresst reischt

ST_D jefraacht 40,7 53,7 53,3 19,4 3,2 5,1 7,7 8,2 5 0,7 1,6 4,1 0 0 0 0 0 0 0

% 43,2

gibt jedacht anjeleescht braucht ausjesteckt jefraacht jeglaubt erlebt abgemacht aufjereescht – drunterjeschraubt versucht, grüßt beteilischt jeglaubt bleibt

gestrickt liecht, erledicht

ST_ST gefragt, liegt 30,7 19,7 19,6 38,7 56,5 57 56,4 59,8 65 50,7 70,3 72,4 61,5 0 57,1 80,8 75 77,8 58,1

% 40,5

Ausnahmen: (je-/ge-): D_ST ungenutz (S17), gedaach, gekoof, gekoss, gekämpf (alle S 30), geschick (S31), gedach, gekauf, gekrisch, gesach (alle S 32, jeweils mehrere Belege) – (SCH/CH): D_ST liech (S07), sprich (S19, S26), sich (S26), hinkrich (S34) – (EE/EI): ST_D verkooft (S12) – (V/B): ST_D jelooft ‘gelobt’ (S13), affjezockt (S19) – (II/EI) D_ST schreib (S34)

Tab. 24: Kombinationen mit der Variablen 0/T

O/U D/T Jl/Gl II/EI

G/T

op/auf

V/B

O/A EE/EI

I_krz/EI

VokQuan

J/G

SCH/CH

je-/ge-

CH/G

Zvar

176 Kookkurrenzanalyse

177

Ergebnisse auf Wortebene

Sprechens ein Rolle spielen: Bei 0/T_D+EE/EI_ST entfallen 22 von 30 Belegen auf die Form heiß (‘heißt’, 3. Sg. Präs. Ind.), also den homorganen FrikativPlosiv-Cluster, in dem auch in der Endung der 2. Pers. Sg. das t häufiger getilgt wird (vgl. Kap. 3.2 – vgl. a. die Fälle sonst und jetzt). Bei 0/T_D+I_krz/EI_ST entfallen 8 der 10 Belege auf die Form brauch (3. Sg. Präs. Ind.), die eher eine überregionale Nonstandard-Form darstellt und mit der hohen Frequenz dieses Verbs zu erklären ist, evtl. auch mit der Annäherung des Verbs brauchen an die Modalverben (s. genauer MAITZ/TRONKA 2009). Belege für heterogene Kombinationen mit der eindeutig dialektalen Assimilation von mt zu mp (klemmp) kommen umgekehrt nicht vor.

0/N Die n-Tilgung ist auch im Dialekt offenbar nicht nur in Abhängigkeit vom Anlaut des Folgeworts eingeschränkt („Eifler Regel“), sondern grundsätzlich nicht (mehr?) obligatorisch (vgl. 3.3). So erscheint hier die Standard-Variante z. T. auch mit den selteneren Dialektvarianten wie U/O_D kombiniert (hüren ‘hören’ o. ä.). Andererseits handelt es sich um eine regelhafte Tilgungserscheinung, was sich im Auftreten der umgekehrten Kombination wie im Inf. kaufe ohne -n, aber mit Diphthong widerspiegelt. Diese heterogenen Kombinationen sind aber zahlenmäßig eher Ausnahmen, im Prinzip gehört die Variable offenbar doch eher zum selben Typ wie V/B. 100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D 0/N

l II/E I

Jl/G

O/ U D/T

0/ kQ E ua I_k nt rz/ EI O/ A EE /EI V/B op /au f G/ T U/O Vo

CH /G je /ge SC H/ aG CH _fr /aG J/G eJ /eG L_ ve l/L 0/T

0%

Abb. 27: 0/N – Verteilung der Kombinationstypen

Ausnahmen Tabelle (0/N): (SCH/CH): D_ST Brüütche, Mädche (S14), spreche, durchschnigge (S27) – (L_vel/L): D_D El°dere (S26), Bil°dsche (S33), zel°te (S35, S27), zel°de (S26), jehal°de, Müll°tonne [Pl.] (S19 – (VokQuant): ST_D mache (S09b, S19, S26), anjebroche (S38), spiele (S03) – (I_krz/EI): D_ST: beäinflusse (S35), ST_D: ingezoʨen (S16), injezoʨen (S01), inkoof'n (S03), usprobeern (S12) – (O/A): D_ST ware (S16, S35), danevve (S24a) – (EE/EI): D_ST arbäide, kaufe (S19) – ST_D jeloof’n, inkoof’n (S03, S12), Eeschhörnschen (S03) – (V/B): D_ST überleje (S19), ST_D affjeb'm (S25), üvverläjen (S24a), ovven (S26) – (op/auf): D_ST uffräje (S19), ST_D: upfall'n (S19), ovvendrup (S12) – (G/T): D_ST zusammejebunde, runderkumme ( S09a), ST_D jestangen (S12), hingenrüm, ungen

Imp. ← ← ←** ←** ←** ←** ←** ~ ← ←** ←** ←** →** ←** ↔** ↔** ←** ~** ↔** ~ ←** ↔**

Bel. 16 45 778 389 329 360 375 166 13 919 401 459 405 539 68 229 139 299 437 72 219 37

D_D seeschne Middaachesse jefalle Brüütsche frяʨe, saʨe jejange krieje, leje (–) Heckescheer nemme, maache bruche, usfülle schlяfe ärbeede bedrivve upjenomme unge Brüütsche fröhstöcke ärbeede (–) bliive fallelяsse

Tab. 25: Kombinationen mit der Variablen 0/N

je-/geSCH/CH aG_fr/aG J/G eJ/eG L_vel/L 0/E VokQuant I_krz/EI O/A EE/EI V/B op/auf G/T U/O O/U D/T Jl/Gl II/EI 0/N

CH/G

Zvar

% 12,5 8,9 11 10 10,5 7,8 11,2 3 23,1 12,3 13,5 10,2 10,9 9,1 11,8 15,3 16,5 11,4 9,8 2,8 10,5 16,2

D_ST – – – (–) – – – halde – (–) (–) (–) (–) (–) (–) (–) (–) bemühe (–) glöve (–) –

% 0 0 0 2,1 0 0 0 5,4 0 1 0,2 1,1 2,7 0,6 1,5 2,2 1,4 5 0,7 5,6 1,4 0

ST_D krischt’n Fluuchhaf’n jegangen Kirsch’n traʨen, saʨen jejangen besorjen festzuhaκten Iisenbahnbrück mitnemmen (–) wяren (–) (–) (–) (–) hüren (–) (–) jrünen (–) –

% 62,5 65,5 49,7 52,7 48,5 33,3 29,1 41,6 15,4 5,1 4,7 10,2 4,7 3,7 1,5 3,5 5,8 3 2,1 18,1 2,7 0

ST_ST verleugnen Flughaf’n gezog’n Würstchen sag’n, fragen jegangen zȣigen Zeddelschen Krankenkasse Sachen ausgezog’n lass’n kauf’n, zȣigen vertreib’m auffressen hinten gehören suchen, rühren traʨen grab’m Streifen liejenlass’n

% 25 26,7 39,2 35,2 41 58,9 59,7 50 61,5 81,5 81,5 78,4 81,7 86,5 85,3 79 76,3 80,6 87,4 73,6 85,4 81,08

178 Kookkurrenzanalyse

179

Ergebnisse auf Wortebene

(S13) – (U/O): D_ST höre (S27, S33) – (O/U) ST_D: aanjerofen (S07), lefen (S13) anjerofen, jeßen, Sößichkeeten (S12), Appelkoochen (S24a) – (D/T): D_ST Tännsche, täte (S11), ST_D beärbeeden (S02), draʨen, affjeschnidden, arbeiden (S35), arbeeden (S03)– (JL/GL) D_D: jroße (S35) jruße (S11, S12) – (II/EI) D_ST: auße (S34) – ST_D: schriien [Inf.], Striif’n (S03), schriib’m (S05), schriiv'n (S27, S35), erusschmiiß’n (S34).

5.2.3 Vokalische Variablen

O/A Im Vokalismus dominiert allgemein der bei V/B gesehene Verteilungstyp: Die Kookkurrenz mit der einen Hälfte der Variablen ist von einseitiger Implikation geprägt, die mit der anderen von zweiseitiger. Die Abweichungen hiervon bei O/A sind zahlenmäßig zu vernachlässigen und betreffen überdies nur Komposita. 100% D~S 80% S_S 60% S_D 40% D_S 20% D_D I 0/N

II/E

le s /le sE CH /G je /ge SC H/ aG CH _fr /aG J/G eJ /eG L_ ve l/L 0/T Un reg Vb 0/E Vo kQ ua nt I_k rz/ EI O/ A EE /EI V/B op /au f G/ T D/T

0%

Abb. 28: O/A – Verteilung der Kombinationstypen

II/EI Auch bei II/EI passt das Bild der Kombinationen vollkommen zu dem Typ von V/B, auch hier kommen allenfalls oberhalb der Morphemebene einmal (mit D/T) in nennenswertem Umfang heterogene Kombinationen mit einer anderen Variablen aus dem rechten Diagrammbereich vor. Während II/EI nach dem Gesamtanteil der Dialekt-Varianten unterhalb von V/B einzustufen ist (vgl. 4.1), zeigt sich hier wie schon bei D/T, dass die Kombinationsmöglichkeiten eine solche Hierarchie nicht bestätigen.

EE/EI

O/A

I_krz/EI

VokQuant

0/E

UnregVb

0/T

L_vel/L

eJ/eG

J/G

aG_fr/aG

SCH/CH

je-/ge-

CH/G

Zvar les/lesE

←** ←** ← ~ ←** ←** ←** ← ← ~** ~** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔* ↔** ↔**

~ ←* ←*

Imp.

Bel. 18 48 66 90 107 97 139 82 44 62 7 24 172 188 40 17 18 118 124 38 70 35 51 73 100 jedяnn, Schulljяhr injeschlяfen (–) (–) eemяl

Frяяch, Strяяß

jefrяяch sяяch

(–)

aachzischjöhrije

Jöhrsche durschbrяde frяʨe jяяf

D_D lяss frяяch 1яmiddach jerяde

% 5,6 27,1 27,7 36,7 31,8 7,2 12,2 9,8 27,3 19,4 57,1 16,7 3,5 3,7 25 17,6 16,7 11 10,5 34,2 27,1 6,3 2 2,7 28 – – dяяmяяls Schulljяhr jefrяяcht – – – – – – – – – (–)

D_ST frяʨe – – (–) (–) (–) (–) – –

% 5,6 0 0 1,1 0,9 1 2,9 0 0 0 0 0 25,5 23,4 5 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4 Fraʨe jaab Jahrjang zweijährijen dajejen daamaaκV GrLκκabende jefraach – – (–) (–) (–) (–) – (–) – (–)

ST_D fraach laß jefraacht Nachmittach jefraacht naachjekuckt manschmaaκ

% 55,6 54,2 53,8 32,2 33,6 73,2 61,9 45,1 31,8 30,6 28,6 41,7 44,8 46,3 5 0 0 2,5 2,4 2,6 2,9 0 3,9 0 3

ST_ST lasse gefragt Einstiegsfrage gemalt nachgemacht manchmal Stichstraße fragen gab Schlafengehn neunjährigen Nachfolger damals Elternabend jefraacht sah dastehen Fraʨe, Straße Jahrgangsstufe getan anlass’n ausjemaκt damDls nachfrag’n nachlauf’n

% 33,3 18,8 18,5 30 33,6 18,6 22,6 45,1 40,9 50 14,3 41,7 26,2 26,5 65 82,4 83,3 86,4 87,1 63,2 70 93,8 94,1 97,3 65

180 Kookkurrenzanalyse

↔** ↔** → ↔** ↔** ↔ ↔** →**

67 90 26 54 81 5 20 459

яvens dяdrüvver nяKschnigge jerяde Nяmiddach verhiirяt Fiirяvend jerяde 31,3 28,4 3,9 29,6 24,4 60 20 10,2 wяr’n



dяhinter (–)

– 0 0 7,7 1,9 4,4 0 0 10,2 (–)



– (–) – (–) 0 1,7 0 1,9 2,2 0 0 1,1 Jahren

jaab, gab Leb’msjahr dahinter geheiratet Nachmittag Feierab’nd

68,7 70 88,5 66,7 68,9 40 80 78,4

Ausnahmen: (je-/ge-): D_ST getяnn (S19) – (SCH/CH): D_ST Stichstrяяß (S07), manchmяяl (S13), Küchedrяяt (S34) – (L_vel/L): D_D äimяяκ, eemяяκ (S35:2, S19: 2), Schuκjяhr (S27) – (0/E): ST_D Straaß (S01, S31, S34) – (VokQuant): ST_D wegjedann (S19), danevve (S24a) – (O/A): D_D dяmяяls (S03, S24b) – ST_D damяяls (S19, S27, S34) – (EE/EI): D_ST äimяяl, eimяяl (S08), ST_D eemaal (S13, S26:2) – (V/B): ST_D danevve (S24a) – (D/T): D_ST dяhinter, runterjelяssen (S11), Nяmittaach, getяnn (S19), ST_D Namiddaach (S03), wegjedann (S19) – (0/N): ST_D ware, danevve (S24)

Tab. 26: Kombinationen mit der Variablen O/A

0/N

II/EI

D/T

G/T

V/B

Ergebnisse auf Wortebene

181

→**

↔** ↔**

↔**

~ ↔** ← ←** ←** ↔** ↔** ↔ ↔**

Imp. ← ← ← ←

Bel. 28 25 87 103 11 43 31 8 76 90 18 24 5 20 24 126 7 19 46 75 5 7 219

– (–) bliifs üre [ASm] Blattlüüs Uusdrück wiismDDche erusschmiißen verhiirяяt FiirяYHQG – schriive – – düür Friidach – – bliive

D_D Friidach jefiirt üüsch

% 14,3 32 5,7 4,9 0 2,3 38,7 37,5 7,9 11,1 16,7 12,5 60 20 0 25,4 0 0 19,6 20 0 0 10,5 (–) – – (–)

– Stüürzettel – – – – – – – – – (–) – –

D_ST – – –

% 0 0 0 0 0 9,3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0,8 0 0 0 4 0 0 2,7 jlȣischzȣitisch – (–)

ST_D Freitach jeschraubt föischt fuffzischdausend Hausaufjaben Eκternhaus (–) weiße [NSm] Schraub Tausendmarksverträch – – – – (–) – – – –

% 75 60 70,1 71,8 27,3 32,6 3,2 12,5 3,9 5,6 0 0 0 0 4,2 0 0 0 0 0 20 0 1,4

ST_ST Freitag gefault föicht sibzichtausn’d Hausaufgab’m Haushalt bleibt (’n) teurer [NSm] Schraube Schreibmaschine weisjemacht Hausleute jeheiratet Feierab’nd Eisbein schreib’m aufschreiben Schneetreib’m töier zweitausend Glatteis Feuerzeuje vertreib’m

% 10,7 8 24,1 23,3 72,7 55,8 58,1 50 88,2 83,3 83,3 87,5 40 80 95,8 73,8 100 100 80,4 76 80 100 85,4

Ausnahmen: (L_vel/L): D_D Iismüκκ (S13) – (0/T) ST_D schreib (S34) – (EE/EI): ST_D Äisbeen (S09a) – (V/B): D_ST schriib’m (S05) – (D/T) D_ST Stüürzettel (S06) – (0/N): D_ST schriien (S02), Striif’n (S13), schriib’m, erusschmiiß’n (S11), ST_D auße (S34)

Tab. 27: Kombinationen mit der Variablen II/EI

Jl/Gl II/EI 0/N

D/T

EE/EI V/B op/auf U/O

O/A

VokQuant I_krz/EI

0/E

J/G L_vel/L 0/T Deklin

SCH/CH

Zvar CH/G je-/ge-

182 Kookkurrenzanalyse

183

Ergebnisse auf Wortebene

100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D 0/N

D/T II/E I

op /au f U/O

/EI V/B

O/ A

EE

0/E kQ ua nt I_k rz/ EI Vo

0/T De klin

J/G L_ ve l/L

CH /G je /ge SC H/C H

0%

Abb. 29: II/EI – Verteilung der Kombinationstypen

I_krz/EI I_krz/EI ist vor allem in Verbpartikeln (‘aus-’, ‘ein-’) belegt, also nur in wenigen

Fällen mit einer anderen Variablen im selben Morphem. Das Ergebnis ist gleichwohl recht klar: Eine dialektal realisierte Partikel kommt (fast) nie zusammen mit standardsprachlichen Merkmalen vor, und bei den Variablen im rechten Diagrammbereich lässt sich dies auch umkehren, es kommen also auch hier (fast) keine heterogenen Kombinationen vor.

100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D

Abb. 30: I_krz/EI – Verteilung der Kombinationstypen

O/ U D/T Jl/G l II/E I 0/N

les /le sE CH /G je / SC geH aG /CH _fr /aG J/G eJ /eG L_ ve l/L 0/ De T Un klin reg Vb 0/E Vo kQ ua I_k nt rz/ EI O/ A EE /EI V/B G/ T U/O

0%

VokQuant O/A EE/EI V/B G/T U/O O/U

0/E

Deklin UnregVb

0/T

L_vel/L

eJ/eG

aG_fr/aG J/G

SCH/CH

je-/ge-

CH/G

les/lesE

Zvar

← ← ~* ~** ↔** ↔* ↔** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔**

Imp. ← ← ← ←** ←** ~ ~ ~ →**

Bel. 11 19 24 17 225 194 248 25 33 4 21 46 39 97 272 28 135 151 70 35 56 40 1023 18 19 usmaache injeschlяfen injekoof usjevve wigger uffhüet usrohe

hückzedaach jebruch usjemessen glisch upjerääsch injezoʨen usjevve – injesteje (–) bruch usjepack dinJe [ASm] (–) Lück

D_D bruch

% 9,1 5,3 16,7 29,4 24 6,2 6,5 17,3 18,2 0 14,3 2,2 15,4 20,6 21,3 3,6 16,3 15,2 30 6,3 21,4 17,5 18,4 11,1 21,1 – – – – – brucht usjenützt (–) – – – (–) – (–) (–) (–) – –

(–)

– (–)

D_ST –

% 0 0 0 0 0,4 1,5 2,4 0 0 0 0 0 7,7 8,2 0,4 0 0 0 1,4 0 1,8 2,5 0,3 0 0 rausjekricht jebrauchen ausjegeb’m drȣißisch ausgeglisch’n ausjezoʨen ausjehn nöinzijer erauslejen ausjemaκt brauch ausjepack (–) – (–) (–) (–) – (–) – – – –

ST_D brauch

% 63,6 36,8 62,5 11,8 34,2 66,5 64,1 53,3 24,2 100 42,9 58,7 20,5 11,3 3,3 0 1,5 1,3 1,4 0 1,8 0 0 0 0

ST_ST brauche ausgebe ausjeprägt gebraucht rausgeschmissen dreißich aussprech’n ausgezogen ausgehn – ausleg’n ausgefüllt braucht ausjesteckt meine [ASf] aussteh’n Löite, Seite Ausdrücke rausjebracht ausjemaκt ȣinkauf’n ausjegeb’m Zeit, mȣine Hochzeit neunenvirzisch

% 27,3 57,9 20,8 58,8 41,3 25,8 27 29,3 57,6 0 42,9 39,1 56,4 59,8 75 96,4 82,2 83,4 67,1 93,8 75 80 81,2 88,9 78,9

184 Kookkurrenzanalyse

↔** →**

↔**

176 203 37 24 401 – usjetuusch bruche, usfülle

(–) 0 2,9 0 12,5 13,5 glisch – (–)



0 0 8,1 0 4,7 (–) – (–)

– 0 0 2,5 0 0,2

Löite, Seite Weintrinker gleich Einschreib’m ausgezog’n

99,9 97,1 89,2 87,5 81,5

Ausnahmen: (je-/ge-): D_ST ingezoʨen (S01) – (SCH/CH): D_ST aachendrissich (S12), injerichtet, injezeichnet (S24a), nüngsich (S26), durchschnigg, durchschnigge (S27) – (Deklin): D_ST singe [ASf] (S19), ST_D mäin, mein, dein [ASf] (S06, S34a 3, S32a 2), meine, mäine [NASm] (S34) – (UnrVb): D_D erinjonn (S03) – (0/E): ST_D Leut (S06, S21) – (VokQuant): D_ST usenandermachen (S03) – (EE/EI): D_ST injezeichnet (S24a), ST_D reinjeloofen (S24b) – (V/B): D_ST usjelobt (S12) – (G/T): D_ST usenander (S03a, auch anger) – (0/N): D_ST ingezoʨen, injezoʨen, inkoof’n, usprober’n, ST_D beäinflusse

Tab. 28: Kombinationen mit der Variablen I_krz/EI

Jl/Gl II/EI 0/N

D/T

Ergebnisse auf Wortebene

185

186

Kookkurrenzanalyse

U/O U/O ist schon von den dialektalen Verhältnissen her eine problematische Variable, weil hier einerseits lokale Unterschiede bestehen und andererseits noch lexemspezifische Unterschiede innerhalb eines Ortsdialekts hinzukommen. Zudem ist die Beleglage hier besonders schlecht; das Ergebnis passt gleichwohl zu dem der anderen vokalischen Variablen. 100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D 0/N

D/T Jl/G l II/E I

U/O

V/B

J/G eJ /eG L_ ve l/L Un reg Vb Vo kQ ua nt I_k rz/ EI

da t/

da s un /un d je/ge SC H/C H aG _fr /aG

0%

Abb. 31: U/O – Verteilung der Kombinationstypen

EE/EI Auch EE/EI ist aufgrund der Uneinheitlichkeit des Dialekts (Diphthong auch im Stadtkölnischen) keine unproblematische Variable. Für die Sprecher, die den Monophthong verwenden, ist das Ergebnis jedoch eindeutig. Das zeigt sich besonders in der Verbindung mit V/B im häufig belegten Verb ‘glauben’. Während mit Jl/Gl beide heterogenen Kombinationen vorkommen: glööf und jlaub(e), stellen Monophthong (plus Umlaut) und Frikativ in dieser Wortform eine untrennbare Verbindung dar. 100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D

Abb. 32: EE/EI – Verteilung der Kombinationstypen

0/N

l

I II/E

Jl/G

O/ U D/T

les /le sE CH /G je/ge SC H/ aG C H _fr /aG J/G eJ /eG L_ ve l/L 0/T De klin 0/E Vo kQ ua nt I_k rz/ EI O/ A V/B

0%

→**

~* ↔ ←* ↔** ↔ ↔** ↔** ↔** →**

Imp. ← ← ← ← ← ← a ← ← ← ←

Bel. 3 2 17 8 36 47 36 40 11 18 7 432 476 6 17 18 6 50 19 29 30 19 139 jruuß – hüre

suuzesaʨen sujaar Huhjebirje – (–) jehuurt suvill uffhüet striive suwiesu unnüdisch, duut

Brüütsche

D_D hüür Rusemondachszuch suuwat suunsu jeliert, jehüürt

% 33,3 50 5,9 12,5 38,9 31,9 11,1 10 9,1 16,7 14,3 0 0,4 66,7 11,8 11,1 16,7 22 42,1 31 33,3 0 16,5 Brüütche (–) – – – (–) (–) – suviel – – – – – gruuß – hüren

D_ST – – – – (–)

% ST_D 0 hochnehm 0 Hochzeitstaach 0 soowat 0 sounso 2,8 jedreht 2,1 wehjetaan 5,6 nötisch, ewisch 5 0 soozusaʨen 0 sojaar 0 Hochjebirje 1,6 aκso Großeκtern 2,5 0 – 5,9 – 0 – 0 – 0 – 0 doot 0 13,3 (–) 0 – 5,8 (–)

% 33,3 50 52,9 12,5 44,4 51,1 69,4 67,5 54,5 33,3 57,1 46,3 45 0 0 0 0 0 5,3 3,4 3,3 0 1,4 sowas soundso gehören wehgetan nötich Hochgeschwindigkeit sozusagen sogar hochleg’n also soviel jehöört anhör’n Hochzȣit Schneetreib’m sowieso nötisch wehgetan groß’n Schneetreib’m gehören

ST_ST störe

% 33,3 0 41,2 75 13,9 14,9 13,9 17,5 36,4 50 28,6 52,1 52,1 20 82,4 88,9 83,3 78 52,6 65,5 50 100 76,3

Ausnahmen: (je-/ge-) D_ST: gehuurt (S24a) – (SCH/CH): D_ST: Brüütche (S16), nüdich (S35) – (L_vel/L): D_ST alsu (S12 2, S08, S02, S35), suvill (S12, S08, S17) – (Jl/Gl): ST_D: jroße (S35) – (0/N): ST_D: ST höre (S27, S33)

Tab. 29: Kombinationen mit der Variablen U/O

Jl/Gl II/EI 0/N

D/T

UnregVb VokQuant I_krz/EI V/B U/O

L_vel/L

aG_fr/aG J/G eJ/eG

SCH/CH

je-/ge-

Zvar les/lesE CH/G Dat/Das Un/Und

Ergebnisse auf Wortebene

187

II/EI 0/N

Jl/Gl

D/T

G/T O/U

V/B

0/T Deklin 0/E VokQuant I_krz/EI O/A

L_vel/L

eJ/eG

aG_fr/aG J/G

SCH/CH

Zvar les/lesE CH/G je-/ge-

←**

↔ ↔** ↔** ~* ~*

Imp. ←** ← ←** ~ ~ ← ← ←** ←** ~* ~** ←** ↔** ←** ↔* ↔** ↔** ↔** ↔**

Bel. 119 32 108 76 266  22 110 135 78 150 153 221 58 23 56 100 170 196 7 8 146 154 82 88 24 405 – ärbeede

jlöve

– Sößichketen ärbeede, dele

jedeeκW eemяκ verkoof eene [ASm] Bööm, Ooch (–) inkoof’n eemяяl glööf

2ʨHQ heemjonn ej’ntlisch

D_D glööf, meen Mööchlichkeet jeärbeet eenlisch

% 32,8 8,6 15,7 14,5 11,3 13,3 13,6 13,6 11,9 5,1 2,7 28,6 18,1 12,1 4,3 21,4 28 28,2 24,5 0 12,5 9,6 9,1 14,6 13,6 0 10,9 (–) (–)

– – – – jedeelt eemяяl (–) (–) – – (–) (–) – – – – (–) (–) glööf

D_ST (–) – (–) eentlich

% 2,5 0 0,8 6,6 5,3 0 0 0 0 1,3 16,7 0,7 2,7 0 0 1,8 3 0 0 0 0 0,7 0,6 20,7 19,3 4,2 4,7 – (–)

ST_D glaub, mein Mööchlichkeit jearbeitet einglisch Eischhörnsch’n Auʨen Jejentȣil eijentlisch Bürjermeister geteiκW eimaaκ verkauf (–) Jemeind – (–) (–) – – – – (–) (–) jlaub

% 36,1 54,3 50,9 65,8 60,5 20 40,9 30,9 34,1 26,9 37,3 19,9 1,3 10,3 0 1,8 4 0 0 0 0 0,7 0,6 11 10,2 0 2,7

ST_ST glaube, mȣine Mööglischkeiten gearbeitet einklich Eichhörnch’n Augen Gegenteil eig’ntlich Bürgermeister Teil zweimal jeglaubt ȣine [ASf] Böime Gemeindeleb’m ȣinkauf’n nachlauf’n glaube Beinscheibe Arbeitszȣit Laufschuh arbȣitete. Teil eintausend glaube, glaub Einheitsgröße Eisbein kauf’n

% 28,6 37,1 33,6 13,2 22,9 66,7 45,5 55,5 54,1 66,7 43,3 50,7 77,8 77,6 95,7 75 65 71,7 75,5 100 87,5 89 89,6 53,7 56,8 95,8 81,7

188 Kookkurrenzanalyse

Ausnahmen: (les/lesE): D_ST jlöve (S38), loofe (S11), meene (S27) – (je-/ge-): D_ST gekoof (S30) – (0/T): D_ST verkooft (S12) – (Deklin): D_ST eene [NASf] (S06, S26, S33), kleenes (S08, S26), ST_D äine, eine [ASm] (S19, S34), klein [NSn] (S34, S19) – (VokQuant): D_D Obbstbööm (S03) – (I_krz/EI): D_ST reinjeloofen (S24b), ST_D injezeichnet (S24a) – (O/A): D_ST (3.): eemaal (S13, S26:2), ST_D äimяяl, eimяяl (S08) – (D/T): D_ST toogen (S27) – ST_D arbeiden (S24b) – (II/EI): D_ST Äisbeen (S09a) – (0/N): D_ST arbäide, kaufe (S19) – ST_D: jeloofn, inkoofn (S03, S12) Eeschhörnschen (S03)

Tab. 30: Kombinationen mit der Variablen EE/EI

Ergebnisse auf Wortebene

189

190

Kookkurrenzanalyse

O/U

Für die Senkung von mhd. uo üe ie (O/U) ist die Beleglage zumindest in bestimmten Kombinationen besser als für die Hebung von mhd. ô œ ê (U/O). Mit Ausnahme der Fälle 0/E und VokQuant (letzteres nur bei Partikelverben und Komposita) ist auch hier deutlich, dass es für die Variablen im rechten Teil des Diagramms doppelseitige, im linken einseitige Kookkurrenzberschränkungen gibt. 100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D D/T Jl/G l 0/N

G/ T

0/E kQ ua nt I_k rz/ EI EE /EI V/B Vo

0/T De klin Un reg Vb

J/G eJ /eG L_ ve l/L

le s /le sE CH /G je/ge SC H/C H

0%

Abb. 33: O/U – Verteilung der Kombinationstypen

Ausnahmen Tabelle (O/U): (SCH/CH) D_D veezisch (S06), Bööscher (S24a), unjemöötlisch (S35), D_ST Sößichkeeten, veezehnhundertfuffzich (S12) – (L_vel/L): D_D Aκκtachsschoon (S12), D_ST vedel ‘Viertel’ (S24a) – (0/E): D_ST Käsekooche – (VokQuant): ST_D aanjerufen, aanzurufen (S38, S32) – (V/B): ST_D affschließ'n (S17), (D/T): D_ST (1.58) Alκtachsschoon ‘-schuhen’ (S12) – ST_D jud’n, Rus'nmondachszuch (S19) – (0/N): D_ST aanjerofen (S07), lefen (S13) anjerofen, jeßen, Sößichkeeten (S12), Appelkoochen (S24a)

~ ↔** ↔** ↔** ←** ←** ~** ↔** ↔ ↔** ↔** ↔* ↔** ↔** ← ~**

Imp. ← ←* ← ~ ←** ←** ←**

Bel. 89 100 48 142 302 83 88 15 31 26 10 37 46 51 58 19 8 31 51 13 52 63 24 299 jröne fröhstöcke

aanrofe usrohe Sößichketen leven Halfschoon Bruckschoon jode, deef

– (–) versöök (e) joot [NSn] mööt Möh, Fööß

D_D Zooch aanjerofen (–) (–) joot flejen, kreje

Tab. 31: Kombinationen mit der Variablen O/U

Jl/Gl 0/N

D/T

G/T

V/B

VokQuant I_krz/EI EE/EI

0/E

0/T Deklin UnregVb

L_vel/L

eJ/eG

J/G

SCH/CH

Zvar CH/G je-/ge-

% 5,7 13 4,2 2,1 22,5 13,3 12,5 0 3,2 19,2 40 59,5 30,4 27,5 5,2 21,1 12,5 12,9 11,8 15,4 17,3 14,3 8,3 11,4

D_ST – – – (–) – – – Veedel (–) – – – (–) (–) anjerofen – – – – – – (–) – (–)

% 0 0 0 2,1 0 0 0 6,7 3,2 0 0 0 2,2 2 5,2 0 0 0 0 0 0 1,6 0 3

ST_D jenuch, Zuch anjerufen natüürlisch Zuchweesch juut kriejen Bürjerkönichsschieß’n fühκt Urwaκdjebiete – – – Müh Sprühdos (–) – – – (–) – (–) (–) jrünen, Jruß bemühe

% 77,5 67 54,2 61,2 40,7 37,3 37,5 20 32,3 0 0 0 8,7 11,8 3,4 0 0 0 2 0 1,9 3,2 16,7 5 gut kriegen,Züge Briefbög’n jespüült Fußball versucht (’n) guter müsst Füße Mutprobe anjerufen ausgeliehen Laufschuh liebe abschließ’n Unterschieden brüt’n, tiefen Spültisch Gruß rühren

ST_ST Flug angeruf’n natürlich

% 16,8 20 41,7 34,5 36,7 49,4 50 73,3 61,3 80,8 60 40,5 58,7 58,8 86,2 78,9 87,5 87,1 86,3 84,6 80,8 81 75 80,6

Ergebnisse auf Wortebene

191

EE/EI

O/A

VokQuant I_krz/EI

0/E

Deklin UnregVb

0/T

L_vel/L

eJ/eG

aG_fr/aG J/G

SCH/CH

CH/G je-/ge-

les/lesE

Zvar

→* ~** ~ ←** ←** ← →** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔** ↔*

Imp. ~ ~ ← ←** ←** ~ ~ ← ←**

Bel. 110 116 21 552 677 29 83 13 103 4 21 289 316 62 79 8 21 72 90 41 70 38 70 23 (et) aal [ASn] aankütt Saach Obbstbööm draanjeblivve usjewaasse jedяnn, Schulljяhr Obbstbööm

aanjezoʨen jejevve aachzijer Schwiejervatter viκκ aanjemeκG umjebraach

D_D (–) (–) Spillzöisch jemaacht aanjekuck aachzisch

% 0,9 1,7 9,5 24,6 22,2 20,7 15,7 7,7 14,6 75 28,6 16,3 15,5 29 25,3 75 19 23,6 20 31,7 30 34,2 27,1 4,3 (–) aansetzt – draankommt – – – (–) (–) (–) –

– – – – vill

D_ST (–) (–) – (–) (–) aachzich

% ST_D 2,7 mach, nehm 3,4 anhab 0 Schulweesch 1,1 jemacht 0,9 anjeboten 17,2 achzisch 8,4 Schuulweesch 0 Anlaʨe 0 jeb’m 0 achzijer 0 Schwiejervater 24,9 vieκ 22,8 anjemeκGHW 3,2 jedach 5,1 dranjesetz 0 anständje[NSm] 9,5 – 0 – 0 – 0 – 1,4 (–) 2,6 – 2,9 – 0 –

% ST_ST 77,3 wohne, gebe 75 ankomme 66,7 angelegt 36,7 gemacht 40,9 angeboten 34,5 achzich 50,6 Anfahrtsweech 69,2 Anlage 30,1 jegeb’m 25 Anzüge 33,3 wiederkriegen 14,6 viel 20,6 11,3 jedacht 12,7 anjeleescht 12,5 anständijer [NSm] 0 ankommt 0 Schule 0 Nachtzüge 0 anjeb’m 1,4 aufjegeb’m 0 getan 0 anlass’n 0 Anteil

% 19,1 19,8 23,8 37,6 35,9 27,6 25,3 23,1 55,3 0 38,1 44,3 41,1 56,5 57 12,5 71,4 76,4 80 68,3 67,1 63,2 70 95,7

192 Kookkurrenzanalyse

↔** →**

↔** ↔** →* →** ←* ~** ↔** ↔**

378 396 10 24 17 58 90 121 10 18 919 opjeschrivve wiggermaache suvill aanrofe Blääder aandunn – wiismaache nemme

bedrivve 18,8 17,9 30 25 11,8 5,2 40 31,4 0 16,7 12,3

– – aufjemaacht Waachhund – (–) (–) (–) Großvatter – mitnemmen 0 0 10 12,5 0 3,4 2,2 1,7 10 0 5,1

(–) (–) – – suviel anjerofen (–) (–) Jrundschule – (–) 1,6 1,5 0 0 5,9 5,2 1,1 0,8 30 0 1

leb’m abgemacht aufmachen weitermacht hochnehm’m anjerufen getrieben angebot’n anjeglichen weisjemacht Sachen

79,6 80,5 60 62,5 82,4 86,2 56,7 66,1 60 83,3 81,5

Ausnahmen: (les/lesE): D_D aankomm (S19), D_ST nemme (S12), aabinge (S16), nemme (S35) – (je-/ge-): D_ST getonn (S19), gedaach (S30) – (I_krz/EI): D_ST aufjemaacht (S07), ST_D usenandermachen (S03) – (O/A): D_ST wegjedann (S19), danevve (S24a) – (EE/EI): D_D Obbstbööm (S03) – (V/B): D_ST übbrich, übbrish (S26, S27), ST_D affjeb’m (S17), afjeholt, nevvenan (S30) – (O/U): D_ST aanjerufen, aanzurufen (S38, S32) – (D/T): D_ST getonn (S19), ST_D doon (S13) – (0/N): ST_D mache (S26), anjebroche, spiele (S24a)

Tab. 32: Kombinationen mit der Variablen Vokalquant

Jl/Gl II/EI 0/N

D/T

op/auf G/T U/O O/U

V/B

Ergebnisse auf Wortebene

193

194

Kookkurrenzanalyse

Vokalquantität Auch die dialektspezifischen Abweichungen in der Vokalquantität bei bestimmten Wörtern scheinen im Wesentlichen an die Kombination mit anderen dialektalen Merkmalen gebunden zu sein. Einige heterogene Kombinationen kommen hier allerdings vor, jedoch nur bei Partikelverben in nennenswertem Umfang.

100% D~S_ 80% S_S 60% S_D 40% D_S 20% D_D le s /le sE CH / je- G SC /geH aG /CH _fr /aG J/ eJ K /e L_ G ve l/L 0 De /T Un klin reg Vb Vo 0 kQ /E u I_k ant rz/ EI O/ A EE /EI V/ op B /au f G/ T U/O O/ U D/T Jl/G l II/E I 0/N

0%

Abb. 34: Vokalquantität – Verteilung der Kombinationstypen

0/E Wie 0/T ist auch die e-Apokope ein Merkmal, das nicht nur zum Basisdialekt gehört, sondern bei schnellem Sprechen auch im Standard vorkommen kann. Zudem weist es in den Dialekten eine sehr große regionale Verbreitung auf. Im vorliegenden Material ist die Apokope jedoch insgesamt deutlich seltener als nichtapokopiertes Schwa. Und auch das Bild der Kookkurrenzen passt eher zu dem von V/B: Die e-Apokope kommt nicht zusammen mit standardsprachlicher Realisierung der g-Variablen vor, und bei den seltener dialektal realisierten Variablen fehlt nicht nur die Kombination der Dialektvarianten mit auslautendem Schwa ganz, sondern auch die umgekehrte Kombination (e-Apokope mit Standardvariante der anderen Variablen) hat zumeist einen Anteil von unter 5 %, bei Komposita allerdings z. T. auch etwas mehr. Ein Unterschied zwischen den beiden heterogenen Kombinationstypen ist jedenfalls feststellbar: Die letztere Kombination kommt bei allen Variablen zumindest vor, wenngleich in geringem Umfang, die umgekehrte fehlt dagegen gänzlich.

195

Ergebnisse auf Wortebene

100%

S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20% D_D 0/N

D/T Jl/G l EE /EI

O/ U

V/B

G/ T

O/ A EE /EI

J/G eJ /eG L_ ve l/L Vo kQ ua nt I_k rz/ EI

CH -aG

_fr -J/ G SC H/C H aG _fr /aG

0%

Abb. 35: 0/E – Verteilung der Kombinationstypen

les/lesE In den Verbformen der 1. Pers. Sg. Ind. Präs. (ausgenommen die Fälle mit folgendem ich, die zu 100 % apokopiert erscheinen) ist die e-Apokope kein genuin ripuarisch-dialektales Merkmal, die Bezeichnung „D“ für apokopierte Formen ist insofern eigentlich nicht zutreffend. Bei einer Reihe spezifisch dialektaler Verbformen (die auf Wurzelverben zurückgehen) ist die Kombination mit der Apokope ganz ausgeschlossen (jonn, stonn, dunn). Eine weitere Einschränkung betrifft die g-Variablen: Da bei Fehlen des auslautenden Schwa der vorangehende Konsonant stimmlos wird, können die Kombinationen mit den g-Variablen CH/G, aG_fr/aG und eJ/eG (trotz des jeweils deutlich verschiedenen Dialekt-Anteils) hier wieder nur zusammengefasst quantitativ betrachtet werden. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass sich die e-Apokope in der Endung der 1. Pers. Sg. Ind. Präs. mittlerweile auch im Dialekt vielfach durchgesetzt hat: das zeigt sich auch schon in der bei EE/EI zitierten Wortform glööf, jlööf ‘glaube’, wo auch die dreifach als dialektal markierte Form (Monophthong, Umlaut, Frikativ) bei weitem überwiegend ohne -Ω erscheint. 100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D

Abb. 36: les/lesE – Verteilung der Kombinationstypen

l Jl/G

O/ U

G/ T

V/B

EE /EI

O/ A

J/G Vo kQ ua nt I_k rz/ EI

aC HaG

_fr /aG eC HeJ /eG SC H/C H

0%

→** →** →∗

Bel. D_D 82 Frяяch 89 Mittachspaus 66 Kirsch, Küsch 77 11 Jurk 22 25 Müκκtonn 72 Saach 90 Obbstbööm 135 Lück 151 118 Frяяch, Strяяß 124 58 Bööm, Ooch 24 Schiif 33 171 Lück 46 Möh, Fööß 51 94 (–) 15 – 25 – 76 Blattlüüs 90 Uusdrück 13 Heckescheer

Tab. 33: Kombinationen mit der Variablen 0/E

0/N

II/EI

Jl/Gl

Zvar Imp. CH/G + aG_fr/aG ←** + eJ/eG ←** ~ SCH/CH ~ ←* J/G ←** L_vel/L ← ↔** VokQuant ↔** ↔** I_krz/EI ↔** ↔** O/A ↔** EE/EI →** →** V/B →** G/T →** →** O/U →** D/T →

% D_ST 14,6 – 16,9 – 19,7 Kirch 16,9 Stichstrяяß 27,3 – 13,6 – 24 (–) 23,6 – 20 – 16,3 (–) 15,2 (–) 11 (–) 10,5 (–) 12,1 Jemeind 12,5 (–) 9,1 (–) 14,6 (–) 30,4 Müh 27,5 Sprühdos 1,1 Verträäch 0 – 0 (–) 7,9 Schraub 11,1 Tausendmarksverträch 23,1 Iisenbahnbrück

% ST_D 0 Fraʨe 0 Sonntachsschuhe 12,1 Kirsche, Bäsche 11,7 0 Jasse 0 Jeeßrinne 4 Goκdgrube 0 – 0 – 1,5 – 1,3 – 2,5 – 2,4 – 10,3 – 4,2 – 3 – 4,1 – 8,7 (–) 11,8 (–) 5,3 – 0 Jrenze 4 Jrundschule 3,9 – 5,6 – 15,4 –

% ST_ST 25,6 Frage 27 60,6 Kirche 57,1 Ausnüchterungszelle 9,1 Gänge 9,1 Goκdgrube 32 Schultasche 0 Schule 0 Nachtzüge 0 Löite, Seite 0 Ausdrücke 0 Fraʨe, Straße 0 Jahrgangsstufe 0 Böime 0 Grube 0 Neb’msache 0 Leute, Ende 2,2 Füße 2 Mutprobe 0 Karte, Leute 6,7 Grenze 20 Glücksache 0 Schraube 0 Schreibmaschine 0 Krank’nkasse

% 59,8 56,2 7,6 14,3 63,6 77,3 40 76,4 80 82,2 83,4 86,4 87,1 77,6 83,3 87,9 81,3 58,7 58,8 93,6 93,3 76 88,2 83,3 61,5

196 Kookkurrenzanalyse

~ ~ → → ~ →** →** ~ (→)

VokQuant

D_D sach krich spresch + (krisch) jeh –

110 (–) 116 (–) 11 bruch 19 18 lяss 119 glööf, meen 57 glööf 6 fing 3 hüür 7 – 5 drink 35 jlööf

Bel. 56 12 7 10 25 2 (218) 0,9 1,7 9,1 5,3 5,6 32,8 38,5 16,7 33,3 0 20 22,9

20 0

% 80,3 16,7 14,3

lass, schlaf glaub, mein glaub, bleib find hochnehm such trink glööf, glaub

mach, nehm anhab brauch

D_ST (–) steig brech sprech + (krich) geb, geh meld hab (–) –

ST_D frяʨe saʨe krieje spresche

77,3 (–) 75 63,6 – 36,8 – 55,6 frяʨe 36,1 (–) 35,1 (–) 50 finge 33,3 – 14,3 – 60 – 45,7 jlöve, jlaube

52 50 98,6

% 3 25 28,6 gebe, gehe melde (–)

ST_ST frage, sage kriege –

2,7 mache, nehme 3,4 ankomme 0 brauche 0 ausgebe 5,6 lasse 2,5 glaube, mȣine 1,8 gebe, jlaube 33,3 – 0 störe 0 versuche 0 trinke 5,7 glaube

4 0

% 7,6 16,7 57,1

19,1 19,8 27,3 57,9 33,3 28,6 24,6 0 33,3 85,7 20 25,7

24 50 0,9

% 9,1 41,7 0

Tab. 34: Kombinationen mit der Variablen les/lesE Ausnahmen: (aCH~aG_fr/aG): D_ST frag, sag – (J/G): ST_D verjesse (S12) – (VokQuant): D_D aankomm (S19), ST_D nemme (S12, S 35), aabinge (S16) – (EE/EI): ST_D jlöve (S38), loofe (S11), meene (S27) – (V/B): jlöve (S38)

O/A EE/EI V/B G/T U/O O/U D/T Jl/Gl

→ ~



J/G L_vel/L UnregVb

I_krz/EI

Imp. ~** ~ ~

Zvar aCH + aG_fr/aG eCH + eJ/eG SCH/CH

Ausnahmen zu Tab. 33: (L_vel/L): D_ST Altersklass (S09a) – (I_krz/EI): D_ST Leut (S06, S21) – (O/A): D_ST Straß (S01, S31, S34) – (V/B): D_ST: Schraub (S09a) – (G/T): D_ST End, Leut (S06) – (O/U): ST_D Käsekooche (S35) – (Jl/Gl): D_ST Griκκdos (S27)

197

Ergebnisse auf Wortebene

197

267 19 18 20 24 10 8 272

~* ~ ←* ~ ~

10 13 10 8

(ne) leve [NSm.] (ne) jroße [NSm] üre [ASm]

D_ST (-)

% 0,1

40 0 30 37,5

18,1 18,2 26,5 weiße [NSm]

(-) (-) 0 0 0 12,5

1,3 0 2,7

34,8 es [Art.] 5,2 5,3 (ne) richtige [NSm] 5,3 27,8 0 5 (ne) richtige [NSm] 5 4,2 4,2 0 0 75 anständje [NSm] 12,5 21,3 (-) 3,3

% 11,5

-

(-) (-)

ST_D ne [ASf], 'n [NSm.] dat [Art.] ('n) wischtiger ('n) janzer ('n) rischtijer irjendeine [NSf] aκtes [ASn] (-)

0 0 0 0

2,7 0 0,4

44,6 73,7 22,2 30 29,2 80 0 0,4

% 69,1

ST_ST ene [NSf], ein [NSm] das [Art.] (ne) richtije [f] ('n) guter ('n) vernünftiger eigenständige [NSn] ältrer [NSm] anständijer [NSm] mein [NSm] meine [ASf] ȣine [ASf] lieber [NSm] mȣine, sȣine [NASf] mein [NSm] ('n) guter ('n) aκter [NSm] ('n) großer [NSm] ('n) teurer [NSm] 60 100 70 50

77,8 81,8 70,5

15,4 15,8 50 60 62,5 20 12,5 75

% 19,3

Ausnahmen: (ne/eine): D_ST en [NSf] – (I_krz/EI): D_ST mäin, mein, dein [ASf] (S06, S34a 3, S32a), meine, mäine [NSm] (S34), ST_D singe [ASf] (S19) – (EE/EI): D_ST äine, eine [ASm] (S19, S34), klein [NSn] (S34, S19), ST_D eene [NASf] (S06, S26, S33), kleenes (S08, S26) – (G/T): D_ST mäin, mein, dein [ASf] (S06, S34a 3, S32a), mäine, meine [NSm] (S34), ST_D singe [ASf] (S19)

Tab. 35: Kombinationen mit der Variablen Deklin

↔** →

↔**

O/U D/T Jl/Gl II/EI

G/T

↔** ↔* ↔**

EE/EI V/B

D_D 'n [NSf], ne [NSm] et [Art.] (e) wischtisch [NSn] (ne) jode [ASm] (ne) vernünftije [NSn]

(e) aal [ASn] sinJ [ASf] dinJe [ASm] 221 eene [ASm] 11 leven [NSm] 264 sinJ [ASf], minJe [NSm]

Bel. 1351

Imp. ←**

L_vel/L VokQuant → ↔** I_krz/EI

eJ/eG

dat/das SCH/CH J/G

ne/eine

Zvar

198 Kookkurrenzanalyse

199

Ergebnisse auf Wortebene

5.2.4 Weitere Variablen Deklination der Artikel und Adjektive (Deklin) Auch die dialektalen Deklinationsformen von Artikeln, Pronomina und Adjektiven kommen mit geringen Ausnahmen nicht zusammen mit standardsprachlichen Merkmalen vor und stehen mit einem Teil der Variablen in einem zweiseitigen Implikationsverhältnis. Der bestimmte Artikel es mit standardsprachlicher Lautung, der von MÜLLER (1838:12) noch als „nicht selten“ aufgeführt wird, spielt nur eine geringe Rolle, es ist auch nicht klar, inwieweit es sich hier nicht um eine (überregionale) Reduktionserscheinung handelt (vgl. die Verschmelzung mit Präpositionen in aufs, unters etc.). Bei den häufig dialektal realisierten Variablen wie J/G ergeben sich dagegen auch hier einseitige Kookkurrenzbeschränkungen. 100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D l

II/E I

D/T

Jl/G

O/ U

G/ T

V/B

J/G eJ /eG L_ ve l/L Vo kQ ua nt I_k rz/ EI EE /EI

ne /ei ne da t/d as je /ge SC H/C H

0%

Abb. 37: Deklination – Verteilung der Kombinationstypen

Unregelmäßige Verbformen Die Kombination spezifisch dialektaler Verbformen mit anderen Variablen ist in vielen Fällen von vornherein nicht frei möglich, so stellt sich die Frage der Realisierung von aCH/aG bzw. eCH/eG und SCH/CH zwar bei Formen von sagt und kriegt, aber nicht bei säät und kritt. Hier kann aber zumindest konstatiert werden, dass Zwischenformen, d. h. standardsprachliche Verbformen mit dialektalen phonologischen Merkmalen, nicht nur existieren, sondern teilweise sehr häufig sind. Theoretisch möglich wäre die freie Kombination der Verbform der 1. Pers. Sg. Ind. Präs. auf -n (Dialekt) oder ohne -n bzw. mit -e (Standard) etwa bei ‘tun’ mit verschiedenen Realisierungen von D/T und VokQuant.

↔ ↔** ↔**

←** ↔* ↔** ↔** ↔** ↔**

←** ~ ~ ←**

Imp.

Bel. (218) 89 260 (6) 7 266 28 21 28 17 18 19 50 5 6 37 53 hääf affjepluck – jehuurt mööt dees

flüücht jehat, jewess flüüsch durschjonn jitt, jonn – aandunn (–) sяяch

D_D (5,6) 19,2 (33,3) 42,9 32,2 0 19 3,6 17,6 16,7 47,1 20,8 0 66,7 59,5 52,8

%

– (–) – – – – – – – – – –

– – flüüch

D_ST

*Bei CH/G hängt es hier vom Verb ab, ob alle Kombinationen möglich sind oder nicht. Ausnahmen: (L_vel/L): D_ST verzallt (S12) – (I_krz/EI): D_D: erinjonn (S03)

Tab. 36: Kombinationen mit der Variablen UnregVb

op/auf U/O O/U D/T

V/B

O/A

J/G L_vel/L VokQuant I_krz/EI

SCH/CH

Zvar les/lesE CH/G* je-/ge(0) 0 (50) 42,9 0 3,6 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

%

jibt, jehn erzähκt (Part.) draankommt – – – jif (–) – – – –

ST_D hab kricht jewesen (krischt)

% 98,6 (88,8) 55,8 (16,7) 14,3 33,2 14,3 9,5 0 0 0 5,9 4,2 0 0 0 0 gibt, gehn erzählt (Part.) ankommt aufstehn sah dastehen jehabt stehnjeblieb’m aufsteh’n jehöört müsst tust

ST_ST (–) kriegt gewesen, gehabt (jekricht, kricht)

% 0,9 5,6) 25,2 (0) 0 34,7 82,1 71,4 96,4 82,4 83,3 47,1 75 100 20 40,5 47,2

200 Kookkurrenzanalyse

201

Ergebnisse auf Wortebene

In beiden Fällen kommen heterogene Kombinationen aber (außer bei Partikelverben) nicht vor. Auch hier liegen also zweiseitige Implikationsbindungen vor.

100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D D/T

O/ U

U/O

V/B

O/ A

I_k rz/ EI

kQ ua nt Vo

L_ ve l/L

J/G

/ge je-

CH /G

0%

Abb. 38: Unregelmäßige Verbformen – Verteilung der Kombinationstypen

5.2.5 Fazit: Kookkurrenzverhältnisse auf Wortebene Insgesamt werden auf Wortebene vor allem zwei Haupttypen von Variablen erkennbar, einer mit einseitigem Implikationsverhältnis zu allen übrigen (wobei die jeweiligen Richtungen der Implikation eine Hierarchie ergeben) und ein anderer mit halb einseitigem, halb doppelseitigem Implikationsverhältnis. Den ersten Typ vertreten die g-Variablen, die auch untereinander weitgehend eine Implikationshierarchie bilden (J/G_D → eJ/eG_D → aG_fr/aG_D, je-/ge-_D → CH/G_D). Hier können die Dialektvarianten im selben Wort, häufig sogar im selben Morphem, mit den Standardvarianten anderer Variablen kookkurrieren, es ergeben sich also echte „Kompromissformen“. Den zweiten Typ vertreten besonders deutlich V/B, D/T und die vokalischen Variablen, die in einem einseitigen Implikationsverhältnis zu den g-Variablen stehen, aber untereinander keine heterogenen Verbindungen eingehen. Die Dialektvarianten dieser Variablen kommen nur in rein dialektalen Wortformen vor. Angesichts dieser Ergebnisse erscheint es legitim, diese Merkmale (mit THELANDER 1979) als „Dialektindikatoren“ zu bezeichnen136 und die entsprechenden Variablen als „Dialekt-Variablen“. Zur Unterschei-

136 CORNELISSEN (1999:111 und 2005:22) schlägt die n-Apokope als Indikator vor, was nach den vorliegenden Ergebnissen zwar insofern nicht unberechtigt ist, als die Apokope tatsächlich Dialekt anzeigt, aber dennoch ungünstig, weil aus vorhandenem -n keine Schlüsse gezogen werden können. Die von CORNELISSEN (2005:20) ebenfalls vorgeschlagenen Indikatoren V/B

202

Kookkurrenzanalyse

dung müsste die erste Gruppe, die sich durch (einseitig) heterogene Kombinationen auszeichnet, dann als „Regiolekt-Variablen“ bezeichnet werden, wenngleich die terminologische Parallelisierung der beiden Gruppen von Variablen etwas unglücklich ist, weil sie sich eben in der Art der Implikationsbindungen (und damit in der Geschlossenheit) unterscheiden. So können – anders als bei Thelanders Material – die Standardvarianten der „Regiolekt-Variablen“ auch nicht als „Standardindikatoren“ eingestuft werden. Die Tilgungsvariablen 0/T und 0/E stehen hinsichtlich der Kookkurrenzdaten zwischen diesen beiden Gruppen, tendieren aber etwas mehr zur zweiten (vor allem 0/T), das heißt: Heterogene Kombinationen sind recht selten, kommen aber vor, und zwar in einer Richtung (Tilgung plus Standardvariante anderer Variablen) häufiger als in der anderen. Eindeutig fallen SCH/CH und L_vel/L sowie auch Jl/Gl aus der Reihe: Hier gibt es zwar auch häufigere und seltenere Kombinationen, aber offenbar sind alle Kombinationstypen möglich, auch die beiden heterogenen nebeneinander. Von Implikation bzw. Kookkurrenzrestriktionen kann hier also nicht gesprochen werden. Auch bei 0/N ist das Bild unschärfer, was angesichts der wenig eindeutigen Situation im Dialekt nicht verwundert, die Variable passt aber dennoch in die zweite Gruppe. Dass schließlich bei les/lesE besondere Verhältnisse gelten, erklärt sich schon daraus, dass hier die NonstandardVariante nicht mit der basisdialektalen übereinstimmt. Dieses Merkmal fällt aber – zusammen mit den anderen Allegro-Merkmalen – auch durch den allgemein extrem hohen Nonstandard-Anteil aus der Reihe, der ganz unabhängig vom Nonstandard-Anteil bei anderen Variablen ist (vgl. Kap. 4.1). Schon in vielen der aufgeführten Beispielwörter zeigt sich schließlich, dass noch eine ganze Reihe von weiteren Merkmalen offenbar von doppelseitigen Implikationsbeziehungen erfasst ist, die hier aufgrund zu geringer Belegdichte nicht untersucht wurden. So kommen Huu- und Hoch-(jebirje) vor, nicht jedoch die Hebung zusammen mit auslautendem [x] oder umgekehrt [o:] ohne [x]. Entsprechendes gilt für Senkung und -r in hee und hier oder Umlaut und unverschobenes p in schärp und scharf und andere Merkmale.

und II/EI sind dagegen in beiden Richtungen aussagekräftig. Auch die anderen „DialektVariablen“ wie z.B. O/A können in beiden Richtungen als Indikatoren dienen.

6. WEITERE UNTERSUCHUNGEN ZUR KOOKKURRENZ 6.1 KOOKKURRENZ AUF SATZ- UND ÄUSSERUNGSEBENE 6.1.1 Lexemspezifische Variablen Oberhalb der Wortebene wurde das Kookkurrenzverhalten der 33 Variablen auf den Ebenen einfacher Satz, komplexer Satz und Redebeitrag (Äußerung) untersucht, zusätzlich außerdem noch für jeweils fünf aufeinanderfolgende Redebeiträge. Letzteres kann natürlich nicht mehr als echte Einheit im Rahmen der Redeplanung betrachtet werden. Der Zweck ist jedoch gerade der, zu prüfen, ob solche „künstlichen“ Einheiten oberhalb des Redebeitrags – wie man annehmen möchte – erheblich heterogener sind oder nicht. Geprüft wurde jeweils wieder für alle möglichen Variablen-Paare, wie oft welche Varianten in diesen Einheiten kookkurrieren. Gemäß dem Einheiten-Konzept werden bei mehreren Belegen für eine Variable innerhalb einer Einheit die Anteile und die Reihenfolge nicht berücksichtigt, entscheidend ist nur (vollständige) Homogenität oder Heterogenität hinsichtlich dialektaler oder standardsprachlicher Realisierung der beiden Variablen. Die Rolle der einheiteninternen Varianz bei der Realisierung der einzelnen Variablen wird aber dadurch erfasst, dass jede Variable auch in der Kombination „mit sich selbst“ untersucht wird. Die Ergebnisse für alle Variablenkombinationen auf diesen Ebenen müssen und können hier zusammenfassend dargestellt werden137; im Folgenden werden nur die Befunde für einige lexikalische Variablen noch genauer dargestellt und im Weiteren dann die Kookkurrenzverhältnisse auf den unterschiedlichen Ebenen verglichen.

dat/das Da die Variablen dat/das, un/und, mer/wir und nit/nicht lexemspezifische Variation betreffen und auf Wortebene (fast) nicht mit anderen Merkmalen zusammen vorkommen können, kann ihr Kookkurrenzverhalten erst ab der Satzebene überhaupt betrachtet werden. (Auf Tabellen mit Beispielen wird daher verzichtet. Die Belegzahlen sind hier bei den Variablennamen in der DiagrammBeschriftung eingetragen.) Vergleicht man das Ergebnis für dat/das auf Satzebene mit den oben gesehenen Ergebnissen, zeigt sich ein Muster vorwiegend einseitiger Implikationen, 137 Detaillierte Ergebnisse im Anhang.

Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

204

allerdings mit Unschärfen im Übergangsbereich zwischen den Variablen, die nur oder vorwiegend einseitig in ihrer Nonstandard-Variante mit dat vorkommen (linker Diagrammbereich) und denjenigen, deren Dialektvariante einseitig dat impliziert. In diesem Übergangsbereich kommen beide heterogenen Kombinationstypen nebeneinander vor, was auf Wortebene nur bei bestimmten Variablen (SCH/CH, L_vel/L) in nennenswertem Umfang zu sehen war. Auf Satzebene ist diese Erscheinung aber etwa auch bei je-/ge- anzutreffen (s. u.). Der Vergleich von dat/das und je-/ge- zeigt, dass die Kombinationsmuster für beide Variablen sich sehr ähnlich sind. Das Verhältnis einseitiger Implikation scheint dabei aber 100% D~S 80% S_S 60% S_D 40% D_S 20% D_D so ns is/is /s t ne onst (571 les /eine (582) /le (4 ) C sE 32 da H/G (213 ) t ) un /das (290) /un (72 j d 2 e SC -/g (8 ) H e 6 aG /CH - (680) _fr (1 4) /aG 95 6 J (1 ) eJ /G ( 06) /eG 86 me ( 5) nit r/w 371 /n i ) L_ icht r (81 ve (6 ) l/L 15 ) ( D 0/T 95 Un ekli (435) reg n ( 8) V 8 Vo 0 b (705) kQ /E 46 I_k uant (256 ) rz/ (8 ) O/ EI (681) EEA (1563) /E 3 V I (8 3) op /B ( 64) /au 64 G/ f (124) T ( 9) U/O 29 O/ (684) U ( 1) D/T 50 Jl/G (351) II/E l (129) 0/N I (2 4) (1000) 44 )

0%

Abb. 39: dat/das – Verteilung der Kombinationstypen (einfacher Satz)

ansatzweise auch für die beiden untereinander zu gelten: Tendenziell wird je- von dat impliziert. Allerdings ist dies auf Satzebene keine strenge Bindung mehr, Verstöße dagegen sind offenbar durchaus möglich. So genügen die Verteilungen links von J/G alle nicht dem angesetzten Schwellenwert für Implikation (s. 6.3.1, Tab. 38). Der Anteil der umgekehrten Kombination (ge- mit dat) ist jedoch nicht viel höher als der Anteil der Kombination von dat mit das in derselben Einheit (s. „D~S“ in der Kombination von dat/das mit dat/das) – das zeigt den Grad an „Fluktuation“ schon auf Satzebene (s. u.). Zum Vergleich: 100% D~S 80% S_S 60% 40% 20%

so ns is/is /s t ne onst (134 les /eine (213) /le (2 ) C sE 01) da H/G (164 t/ ( ) un das 382) /un (68 j d SC e-/g (5 4) H e- 35 aG/CH (127) _fr (11 ) / a 22 ) J G eJ /G (3(62) /eG 2 8 m nit er/w (172) /n i ) L_ icht r (64) ve (2 l/L 03 (5 ) D 0/T 05 Un ekli (41 ) reg n (4 2) Vb 34 Vo ) kQ 0/E (860 u I_k ant (167 ) rz/ (78 ) E O I (4 6) EE /A (885) /EI 19 V (45 ) op /B (3 9) /a 81 G/ uf (9 ) T U/O (204) O/ (311) U 2 D/T (24 ) 7 Jl/G(235) II/E l (4 ) 0/NI (100) (805) 7)

0%

Abb. 40: je-/ge- – Verteilung der Kombinationstypen (einfacher Satz)

S_D D_S D_D

Kookkurrenz auf Satz- und Äußerungsebene

205

un/und Die Realisierungen von sind und und mit oder ohne finalen Dental zeigen ein ganz ähnliches Kookkurrenz-Muster. Die Formen un und sin setzen tendenziell den Wegfall des finalen Dentals auch in sonst und jetzt sowie in ist voraus, während umgekehrt kein Zusammenhang zu sehen ist. Auf Satzebene sind dies aber keine obligatorischen Regularitäten (vgl. Tab. 38), nur Tendenzen, und auch bei der Realisierung von un/und selbst kommen wieder erhebliche Schwankungen vor – deren Anteil sogar höher ist als der von Sätzen mit durchgehend standardsprachlicher Realisierung dieser Variablen. Gegenüber den meisten Variablen im rechten Teil des Diagramms besteht dagegen ein einseitiges Implikationsverhältnis; der Mischtyp mit der Kombination der [t]-Elision bei und, sind und standardsprachlicher Realisierung der anderen Variablen ist hier überhaupt der häufigste Fall. 100% D~S 80% S_S 60% S_D 40% D_S 20% D_D so ns is/ist /so (1 ne nst 21) ( / les eine 296) /le (28 sE C ( 8) da H/G 125) t/d (26 un as ( 0) /un 86 d 0 SC je-/g (40 ) H/C e- ( 8) aG H ( 535) _fr 116 /aG 2) (8 J eJ /G (4 5) / me eG 90) ( nit r/wir 230) /n ( L_ icht 100) ve (18 l/L 4) 0 (6 D /T 15) Un eklin (230 reg (5 ) V 52 Vo 0 b (43 ) kQ /E ( 9) u I_k ant 289) rz/ (55 E O/ I (516) A EE (10 5) /EI 89 V (5 ) op /B (336) /au 43 f G/ (100) T U/O (28 ) 9 O/ (43 ) U ( 5) D/T 286 ) Jl/G(310 II/E l (8 ) 8) I 0/N (143 (70 ) 5)

0%

Abb. 41: un/und – Verteilung der Kombinationstypen (einfacher Satz)

mer/wir Die Belege von ‘wir’ sind weniger zahlreich, das Bild ist aber ähnlich wie die beiden vorangehenden. Auch hier ist deutlich, dass zumindest zu den Variablen im rechten Teil ein einseitiges Implikationsverhältnis besteht (das auch dem angesetzten Schwellenwert genügt, s. Tab. 38)

Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

206

100% D~S 80% S_S 60% S_D 40% D_S 20% D_D

so ns is/is /so t ne nst ( (4) /e 3 les ine ( 2) / le 2 4 CH sE ( ) da /G 2) ( t un /das 20) /un (8 1 je- d (10 ) SC /ge- 0) aG H/CH (64) _fr /aG (77) J (15 eJ /G (4 ) me /eG 7) ( nit r/wir 28) /ni (1 c 5) h L_ ve t (31 l/L ) ( 0/T 58) Un Dekl (13 reg in ( ) Vb 56) (11 Vo kQ 0/E ( 9) u I_k ant 35) rz/ (80 E O/ I (61) A EE (12 ) /EI 4) V (63 op /B (5 ) /au 0) f G/ (16) T U/O (27) O/ (59) U D/T (51) Jl/G(42) II/E l (2) 0/N I (18 (21 ) 0)

0%

Abb. 42: mer/wir – Verteilung der Kombinationstypen (einfacher Satz)

nit/nicht Dasselbe gilt für nit/nich(t), das allerdings häufiger belegt ist und ein dementsprechend gleichmäßigeres Muster zeigt. Auch diese Variable gehört offenbar wie J/G zur der Gruppe mit durchgehend hierarchischer Abstufung. Allerdings ist auch hier der Anteil von Alternanz schon auf Satzebene relativ hoch. Immerhin liegt aber gegenüber CH/G und dat/das noch ein klares Implikationsverhältnis vor (nit impliziert die Dialektvariante der anderen Variablen), und dasselbe gilt in umgekehrter Richtung auch für alle Variablen im rechten Diagrammbereich (ab 0/T, vgl. Tab. 38). 100% D~S 80% S_S 60% S_D 40% D_S 20% D_D so ns is/is /so t ( 9 n ne st (8 2) / les eine 28) /le (68 s ) C E da H/G (73) t/d (70 a un s ( ) /un 63 d 1 SC je-/ge (186) H/C - ( ) 20 H aG 8 _fr (119 ) /aG 9) J/G (53 eJ (31 ) me /eG ( 9) 8 nit r/wir 8) / ( L_ nicht 33) ve l/L (32) 0 (26 De /T (1 8) Un klin 29 reg (1 ) Vb 84) (2 Vo kQ 0/E 27) u I_k ant (84) rz/ (25 EI 2) O (22 EE /A (4 9) /EI 27) V/B (362 op (25 ) /au 2) f G/ (42) U/OT (97 ) O/ (297 U( ) 1 D/T 65 ) Jl/G(123 ) II/E l (47) 0/N I (56 (36 ) 5)

0%

Abb. 43: nit/nicht – Verteilung der Kombinationstypen (einfacher Satz)

Kookkurrenz auf Satz- und Äußerungsebene

207

op/auf Bei op/auf bestehen demgegenüber zumeist einseitige Implikationsverhältnisse gegenüber den Variablen im linken Bereich (s. Tab. 38), im rechten halten sich dagegen die beiden heterogenen Kombinationstypen zumeist die Waage. Hier entspricht das Muster eher dem der – auf Wortebene – zweiseitig implikativen Beziehungen. Diese zweiseitigen Implikationsbindungen sind allgemein auf Satzebene deutlich schwächer erkennbar, wie sich z.B. bei V/B zeigt. Nur die Tatsache, dass die rein dialektalen Kombinationen immer noch häufiger sind als die heterogenen, weist noch auf diese Bindungen hin (da von den Gesamtanteilen der jeweiligen Dialektvarianten her das Umgekehrte zu erwarten wäre). 100% S_S

80% 60%

S_D

40%

D_S

20%

D_D

so ns is/is /so t (1 ne nst ( 1) / les eine 48) /le (43 sE ) da CH/G (13) t/ un das ( (35) /un 12 9) j d SCe-/ge (100) H aG /CH (94) _fr (1 /aG 75 ) J (10 eJ /G (5 ) me /eG 0) nit r/wir (37) L_ /nich (16) ve t (4 l/L 2) ( 0 133 De /T (5 ) Un kli 0) reg n (9 V 2 Vo 0 b (72 ) kQ /E ) u ( I_k ant 68) rz/ (7 8 E O/ I (48 ) A ( 4) 1 EE 57 /E ) V I( op /B (784) /au 2) f G/ (25) T U/O (57 ) O/ (72 U ) D/T (61) Jl/G (68 ) l II/ (13 0/NEI (4 ) (15 2) 8)

0%

Abb. 44: op/auf – Verteilung der Kombinationstypen (einfacher Satz)

Zum Vergleich: 100%

D~S_

80% S_S 60% 40% 20%

so ns is/i /so st ne nst (88) / ( les eine 222) /le (15 s 8) E C da H/G (142 t/d (1 ) a un s ( 32) 6 /u je nd 63) SC-/ge- (352 ) aG H/CH(394 _fr (8 ) /aG 75 ( ) J eJ /G (344) / me eG (136) nit r/wi 43) /n r L_ icht (52) ve (25 l /L (3 2) De0/T ( 85) Un kli 21 reg n (3 0) Vb 67 ) ( Vo kQ 0/E 329) (16 u a I_ k n t rz/ (60 7) E 6 O/ I (36 ) EE A (71 1) /E 4 V/ I (5 ) op B (1 22) /au 67 G/ f (73 ) T( ) U/O 19 O/ (296) U ( 3) D/ 25 Jl/GT (21 1) l 9 II/E (114) I (1 ) 67 )

0%

Abb. 45: V/B – Verteilung der Kombinationstypen (einfacher Satz)

S_D D_S D_D

208

Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

is/ist, sons/sonst, ne/eine Angesichts des extrem hohen Anteils von Nonstandard-Varianten bei den Variablen is/ist, sons/sonst und ne/eine und angesichts der Tatsache, dass hier – anders als bei les/lesE – kein Unterschied zwischen Dialekt und überregionalem Sub- bzw. Gebrauchsstandard besteht, erübrigt sich eine detailliertere Darstellung der Kookkurrenzen für diese Variablen. Hier ist immer die Kombination der Nonstandard-Variante mit den Standardvarianten der anderen Variablen gut belegt, die umgekehrte heterogene Kombination liegt dagegen zwischen 0 und 5 %. Das Kookurrenzverhältnis dieser Variablen untereinander weicht nicht von dem ab, was von den Gesamtanteilen der Nonstandard-Varianten (und deren minimaler Abstufung) her zu erwarten ist.

6.1.2 Fazit: Gruppierung der Variablen nach Implikationsmustern Bezieht man die Ergebnisse aus 6.1.1 mit ein, wenngleich die Ergebnisse auf Satzebene undeutlicher sind als auf Wortebene, umfasst die Gruppe der „DialektVariablen“ also die Variablen V/B, D/T, G/T, O/A, II/EI, I_krz/EI, U/O, EE/EI, O/U, VokQuant, UnregVb und Deklin (mit zweiseitiger Implikation untereinander), nicht ganz so eindeutig auch 0/N, und wohl auch op/auf. Zu den „Regiolekt-Variablen“ mit einseitigem Implikationsverhältnis gegenüber den „DialektVariablen“ und vielfach auch untereinander sind außer den g-Variablen (bis auf Jl/Gl) auch dat/das, un/und, mer/wir und nit/nicht zu zählen. Die Variablen 0/T und 0/E stehen zwischen diesen Gruppen (tendenziell eher zweiseitige Implikation im Bezug auf die „Dialekt-Variablen“, aber in einer Richtung weniger deutlich). Die übrigen lassen sich nicht in das Bild einordnen: Für SCH/CH, L_vel/L und Jl/Gl zeigen sich kaum klare Implikationsbindungen, und die Nonstandard-Varianten der Variablen is/ist, les/lesE, ne/eine erscheinen zwar häufig in „heterogener“ Kombination mit Standardvarianten anderer Variablen, aber dies folgt schon zwangsläufig daraus, dass die Standardvarianten dieser „Allegro-Variablen“ fast nicht belegt sind. Die Variable CHt/Rt kann aufgrund der Nicht-Unterscheidung von Standardvariante und genuiner Dialektvariante nicht in eine der beiden Gruppen eingeordnet werden, angesichts der fehlenden Kombinationen der Nonstandard-Variante mit Dialektindikatoren und der häufigen Kombinationen mit Standardvarianten anderer Variablen könnte man hier von einer „spezifischen Regiolekt-Variablen“ sprechen.

6.1.3 Vergleich der Ebenen im Gesamtüberblick Im Vergleich zwischen Wort- und Satzebene hat sich bei je-/ge- und V/B gezeigt, dass schon im einfachen Satz die Heterogenität der Kombinationen deutlich größer ist als im Wort. Im Gesamtüberblick über die Kookkurrenzverhältnisse im einfachen Satz (s. Tab. 38) wird im Vergleich zu Tab. 37 (Wortebene) gut der

Kookkurrenz auf Satz- und Äußerungsebene

209

Rückgang klarer Kookkurrenzregularitäten erkennbar. Es sind zwar nach wie vor zwei Hauptgruppen von Variablen zu unterscheiden, zwischen denen blockweise ein Implikationsverhältnis besteht (die dialektalen Varianten der Variablen im unteren/rechten Tabellenbereich implizieren die dialektalen Varianten der anderen). Interne Beziehungen zwischen den Variablen innerhalb der beiden Blöcke treten dagegen schon auf der Ebene des einfachen Satzes nicht mehr so klar hervor, hier ergibt sich meistens schon das Bild freier Kombination. (Der Wechsel von „→“ etc. zu „~“ in der Darstellung ist natürlich abhängig vom gewählten Schwellenwert, auf jeden Fall wird aber deutlich, dass die Kohäsion durchgehend abnimmt – genauer vgl. u.) Das gilt schon für die einseitigen Implikationsverhältnisse, wie sie auf Wortebene z. B. zwischen CH/G und je-/ge- sichtbar wurden. Noch grundlegender ändert sich aber das Bild bei den Variablen im rechten/unteren Bereich der Tabelle: Während auf Wortebene hier der Befund zweiseitiger Implikation beherrschend war, werden auf Satzebene die entsprechenden Schwellenwerte der bedingten Wahrscheinlichkeiten fast nirgends mehr erreicht (nur hinsichtlich der Kombination von Variablen „mit sich selbst“ – und auch dort oft nicht). Für das vorliegende Material bestätigt sich also die Annahme, dass Kookkurrenzrestriktionen auf Wortebene eine größere Bedeutung haben als oberhalb der Wortebene, wenngleich offenbar nicht zutrifft, dass sie oberhalb der Wortebene keine Rolle mehr spielen. Es handelt sich dann aber tatsächlich nicht mehr um strikte Regeln, sondern nur noch um starke Tendenzen. Besonders interessant ist jedoch die Feststellung, dass die Bindung der dialektalen Varianten aneinander schon in der relativ kleinen und durchgeplanten Einheit „einfacher Satz“ nicht mehr richtig deutlich wird. Dass Dialektnähe in diesem Bereich keine Variabilität oder graduelle Abstufung mehr erlaubt, sondern wirklich reinen Dialekt bedeutet, ist z.B. in Abb. 45 bzw. in Tab. 38 schon nicht mehr klar erkennbar, auf Wortebene ist dies dagegen eindeutig. Der Unterschied zwischen den Ergebnissen für den einfachen und für den komplexen Satz (Tab. 39) ist geringer, was sich vor allem damit erklärt, dass es sich hier durchgehend um informelle „Nähe-“Sprache handelt und parataktische Strukturen überwiegen. Die Tendenz setzt sich aber fort. Die zunehmende Inhomogenität zeigt sich auch bei den Kombinationen von Variablen „mit sich selbst“: Auch hier nimmt die Einheitlichkeit der Realisierungen ab (s. u.). Auf der Ebene des Redebeitrags (Tab. 40) schließlich ist zwar immer noch (schwächer) eine blockweise Abstufung zwischen den „Regiolekt-Variablen“ einerseits und den „Dialekt-Variablen“ andererseits zu erkennen, aber das Bild freier Variation ist doch bei weitem vorherrschend.

les/lesE

~ → → → ~

~ → ~ → →



~

~

CH/G



→ → → → → → → → → → →

→ →

→ → → → → ↔ → → → →

→ →

~ ↔ → → ~



je-/ge-

~ → →

~ ↔ → ~

SCH/CH

~ ~ ~ ↔ → → ~ → ~ → ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ → ~ ~ → → →

aG_fr/aG →





→ ~ → → →





↔ ←

J/G →

→ → →

→ → → →

← ~ → ~ → → →

← ←



→ → →

→ → → → →

~

~ →

← ~ ← →

eJ/eG

L_vel/L ~ ~



→ ~ ~ ~ → →

→ →

↔ ↔ ↔ → →

← ← ~ ← ← ← ←

0/E

~ → ~ ~ ~



~ ~

~ ~ ←

0/T → ~ ↔ → ~ → → → ↔ → ↔ ↔ →

~

← ← ←

Deklin ↔ →





↔ ↔

→ ↔

← ~

~

UnregVb ↔ ↔ ~ ↔

← ↔ ↔ ↔ ↔



← ~

VokQuant ↔ →

~ ↔

~ ← ← ~ ← ← ← ~ ↔ ← ← → ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ → →

↔ →

← ← ↔ ~ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔

→ ← ← ~ ~

I_krz/EI



O/A ↔ →





↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔

~ ← ← ~ ← ← ← ~ ↔ ↔

: Dialektvariante der Zeilenvariablen impliziert Dialektvariante der Spaltenvariablen ←Dialektvariante der Spaltenvariablen impliziert Dialektvariante der Zeilenvariablen

Tab. 37: Implikationsverhältnisse auf Wortebene

les/lesE CH/G je-/geSCH/CH aG_fr/aG J/G eJ/eG L_vel/L 0/E 0/T Deklin UnregVb VokQuant I_krz/EI O/A EE/EI V/B op/auf G/T U/O O/U D/T Jl/Gl II/EI 0/N

EE/EI ←

↔ ↔ ~

← ← ← ~ ← ← ← ~ ← ← ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔

V/B

op/auf ↔





← ↔





↔ ← ←

G/T ↔







← ↔ ←

← ← ← ↔

~ ← ← ~

U/O →

↔ ↔ →









← ← ← ← ← ← ← ~

O/U ~

↔ ←



↔ ↔

← ← ~ ← ↔ ↔ ↔ ~ ↔

← ← ← ←

D/T ↔ ↔

↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔

← ← ← ~ ← ← ← ~ ← ←

Jl/Gl ~

← →

~ ~

↔ ↔ ~



~

II/EI →





~ ← ↔ ← ↔ ↔ ↔ ↔

← ← ←

← ← ← → ← ↔ ↔ ← ~ ↔ ~ ← ↔

← ← ← ← ← ← ~ ← ←

0/N

: beidseitige Implikation der Dialektvarianten a: keine Implikation ↔

↔ ← ↔ ↔ ↔ ~ ↔ →

← ← ← ~ ← ← ← ~ ← ~ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↔

210 Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

mr/wir

eJ/eG

J/G

aG_fr/aG

SCH/CH

j-/g-

un/und

dat/das

CH/G

ls/lsE

n/in

sons/sonst

is/ist

~ ~ ~ ~ ~ ~ ← ~ is/ist sons/sonst ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ne/eine ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ les/lesE ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ← CH/G ~ ~ ~ ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ↔ ~ dat/das ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ un/und ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ↔ ~ je-/ge~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ↔ ~ SCH/CH aG_fr/aG → ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ↔ → ~ ← ~ ~ → ~ → ~ ← ↔ ~ ~ ~ → ~ J/G ~ ~ ~ ~ ↔ ← ~ ~ ~ ~ → → ~ eJ/eG ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ → ↔ mer/wir ~ → → ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → → ~ nit/nicht ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ L_vel/L ~ ~ ~ → → ~ → → → ~ → ~ 0/T → → → → → → → → ~ → → → → Deklin UnregVb → → ~ → → → ~ → ~ → → → → ~ → → → → → ~ → ~ → → → → 0/E Vokquant → → → ~ ~ → ~ → ~ → → → → → → → ~ → → ~ → ~ → → → → I_krz/EI → → → ~ → → ~ → ~ → → ~ → O/A ~ → → → → → → → → ~ → → ~ EE/EI ~ → → → → → ~ → → → → → ~ V/B → → ~ → → → → ~ → → → → op/auf ~ → → ~ → ~ → → → → → → ~ G/T → → → ~ → → → → ~ → → → → U/O → → → ~ → → → → ~ → → → ~ O/U → → → ~ → → → → ~ → → → → D/T → → ~ → → → → ~ → → → ↔ Jl/Gl → → ~ → → → → → ~ → → → → II/EI → → → → → → → → ~ → → → → 0/N Tab. 38: Implikationsverhältnisse auf Satzebene (einfacher Satz)

nit/nicht ← ← ~ ~ ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → → → → → → → → → → → → → → → → →

L_vl/L ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

0/T ← ← ~ ← ← ← ~ ← ~ ~ ~ ~ ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ →

Dklin ← ← ← ← ← ← ← ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ↔ ~ → ~ ~ ~ ~ ~ → → ~ ~ ~ ← ~ ~

UnrgVb ← ← ~ ← ← ← ~ ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ~ → ~ ~ ~ → → → → → → → ~ → →

0/E ~ ← ← ← ← ← ~ ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ← ~ ↔ ~ ~ ~ ~ ~ → → ~ ~ ~ ~ → ~

Vokquant ← ← ← ~ ~ ← ~ ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → → ~ ~ ~ ~ ~ ~

I_krz/EI ← ← ← ~ ← ← ~ ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ → ↔ ~ ~ ~ ~ → →

O/A ← ← ← ~ ← ← ~ ← ~ ← ← ~ ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

EE/EI ← ← ← ← ← ← ← ← ~ ← ← ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

V/B ← ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ← ← ← ← ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → •

op/auf ← ← ~ ← ← ← ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ↔ ~ ~ ~ → ~ → •

G/T ← ← ~ ~ ← ← ~ ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ← ~ ← ← ↔ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ← ~ ~

U/O ← ← ← ~ ← ← ← ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

O/U ← ← ← ~ ← ← ← ← ~ ← ← ← ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

D/T ← ← ← ~ ← ← ← ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ → •

Jl/Gl ← ← ~ ← ← ← ← ~ ← ← ← ↔ ← ~ ← → ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ ~ ~ ↔ ~ ~

II/EI ← ← ~ ← ← ← ← ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ← ← ~ ← ~ ~ ← ← ~ ~ ~ ← ~ ~ ~

0/N ~ ↔

← ← ← ← ← ← ← ← ~ ← ← ← ← ← ~ ← ~ ← ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Kookkurrenz auf Satz- und Äußerungsebene

211

is/ist

→ → → → → → →

→ → → → → → → →

→ ~



→ ~ ~ ~ ~ ~

~ ~ ~ ~

sons/sonst

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ → → → → → → → → → → → → → → → → →

ne/eine



→ → → → ~

→ → ~

→ → → → ~

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → → ~

les/lesE

→ ~ ~ ~ → → ~ ~ ~ ~ ~ → → →

→ ~

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

CH/G

~ ~ → → → → ~ → → → → → → → → → → → →



→ ~

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

dat/das → ~ ~ → → ~ ~ ~

un/und

← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → → ~ → ~ → → → → → → → → → → → → → → → → →

je-/ge→ → → → → → → → → → → → → → → →

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

SCH/CH ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ↔ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

aG_fr/aG → →

→ → → → → ~

→ → ~

→ → → → ~

↔ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ~ ~ ~ ~

~ ~ ~ ~

J/G → → → → → → → → → → → → → → → →

~ ~ ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ↔ ~ ~ ~ ~ ~

eJ/eG → → → → → → → → →

→ → → ~ → ~ ~

← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ~ ~ ~

→ → → →

→ → → → ~

→ → → ~

→ → ~

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

~ ~ ~

mer/wir

Tab. 39: Implikationsverhältnisse auf Satzebene (komplexer Satz)

is/ist sons/sonst ne/eine les/lesE CH/G dat/das un/und je-/geSCH/CH aG_fr/aG J/G eJ/eG mer/wir nit/nicht L_vel/L 0/T Deklin UnregVb 0/E Vokquant I_krz/EI O/A EE/EI V/B op/auf G/T U/O O/U D/T Jl/Gl II/EI 0/N

nit/nicht ← ← ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ → → → → → → → → → → → → → → →

L_vel/L ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ ~

← ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ~

← ~ ~ ~ ~

0/T ← ← ← ← ← ← ~

Deklin

← ← ~ ← ← ← ~

UnregVb → •

→ → → ~

→ ~ ~ ~ → → → ~

← ← ← ← ← ~ ~ ~ ~

← ~

← ← ~

← ← ~ ~

0/E → •

↔ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ← ← ~ ← ~ ~ ~ ~

← ~

← ← ← ← ← ← ~

Vokquant ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ← ~

← ~

← ← ← ~ ~ ← ~

I_krz/EI → •

→ ↔ ~ ~ ~ ~

← ~ ~ ← ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ← ~

← ← ← ~

O/A ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ← ~

← ~

← ← ~

← ← ← ~

EE/EI ← ← ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ~

← ← ~ ← ← ← ~

V/B → •

← ~ ~ ← ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ← ← ← ← ← ~

op/auf → •

↔ ~ ~ ~ ~ ~

← ← ← ← ← ~ ~ ~ ← ~ ~ ← ~ ~ ~

← ← ← ← ~

← ← ~

G/T → •

← ← ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ↔ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ~

← ← ~

← ← ~ ~

U/O ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ~

← ← ~

← ← ← ~

O/U ← ← ← ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ← ~ ~

← ← ← ← ~

← ← ← ~

D/T ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ← ← ← ~

← ← ← ~

Jl/Gl ← ~ ~ ← ← ← ← ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ ~ ~ ~

← ← ← ← ← ← ~

II/EI ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ← ← ← ← ~ ~ ~ ← ← ~ ← ~ ~

← ~

← ← ~ ← ← ← ~

0/N ↔

← ← ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

← ~

← ← ← ← ← ← ~

212 Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

aG_fr/aG

SCH/CH

je-/ge-

un/und

dat/das

CH/G

les/lesE

ne/eine

sons/sonst

is/ist

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ is/ist sons/sonst ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ne/eine ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ les/lesE ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ← CH/G ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ dat/das ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ un/und ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ je-/ge~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ SCH/CH aG_fr/aG ~ ~ ~ ~ → ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ J/G ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ eJ/eG ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ mer/wir ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ nit/nicht ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ L_vel/L ~ ~ → → ~ ~ ~ → ~ 0/T ~ → ~ → ~ → → ~ → ~ Deklin UnregVb ~ → ~ ~ → → ~ → ~ → → → → ~ → → ~ → ~ → 0/E Vokquant ~ → ~ ~ ~ → ~ → ~ → ~ → → ~ → ~ ~ → → ~ I_krz/EI ~ → → ~ → ~ → → → ~ O/A → → ~ → → → ~ → ~ → EE/EI ~ → → ~ → → → → → ~ V/B ~ ~ ~ → ~ → ~ → → ~ op/auf ~ → → ~ → ~ → → → ~ G/T → → → ~ → → ~ → ~ → U/O ~ ~ → → ~ → ~ → → ~ O/U → → → ~ → → ~ → ~ → D/T → → → ~ → → ~ → ~ → Jl/Gl ~ → → ~ → → → → → ~ II/EI → → → ~ → → ~ → ~ → 0/N Tab. 40: Implikationsverhältnisse auf Äußerungsebene

J/G ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → → ~ → ~ ~ → → ~ → → → → ~ →

J/G ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ ~ ~ ~ ~ → ~ → ~ ~ → → → →

mer/wir ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ ~ ~ ~ ~ → ~ ~ ~ → ~ ~ → →

~ ~ ~

nit/nicht ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → ~ ~ → ~ → → → ~ → → → → → →

L_vel/L ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

0/T ← ~ ~ ~ ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Deklin ← ~ ← ~ ← ← ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

UnregVb ~ ← ~ ~ ← ← ~ ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

0/E ← ← ← ~ ← ← ~ ← ~ ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Vokquant ~ ← ~ ~ ~ ← ~ ← ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

I_krz/EI ← ← ~ ~ ← ← ~ ← ~ ~ ← ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ → → ~ ~ ~ ~ ~ ~

O/A ← ← ~ ~ ← ← ~ ← ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

EE/EI ← ← ~ ← ← ← ~ ← ~ ← ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

V/B ← ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ← ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

op/auf ← ~ ~ ~ ~ ← ~ ← ~ ← ← ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ↔ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

G/T ← ← ~ ~ ← ← ~ ← ~ ← ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

U/O ← ← ← ~ ← ← ~ ← ~ ← ← ~ ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

O/U ← ~ ~ ~ ← ← ~ ← ~ ← ← ~ ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

D/T ← ← ← ~ ← ← ~ ← ~ ← ← ← ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Jl/Gl ← ← ← ~ ← ← ~ ← ~ ← ← ← ~ ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ↔ ~ ~

II/EI ← ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

0/N ↔

← ← ← ~ ← ← ~ ← ~ ← ← ← ← ← ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Kookkurrenz auf Satz- und Äußerungsebene

213

Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

214

Die auf Wortebene deutliche doppelseitigen Implikation bei den „DialektVariablen“ wird also in größeren Einheiten sehr schnell unscharf. Zur genaueren Betrachtung dieser Entwicklung ist in Abb. 46 pro Variable für die verschiedenen Ebenen nebeneinandergestellt, wie hoch jeweils der mittlere Anteil der heterogenen Kombinationstypen an den Kombinationen der Variablen dieser Gruppe untereinander ist. (Die Kombinationen mit 0/T und 0/E sind nicht in die Mittelwerte bei den anderen Variablen einbezogen.) 45

40

35

30

25

% 20

15

10

5

0

0/T

0/E

Wort

VokQuant I_krz/EI O/A

Einf. Satz

EE/EI

V/B

Kompl. Satz

op/auf

G/T

U/O

Redebeitrag

O/U

D/T

II/EI

5 Redebeiträge

Abb. 46: Mittlerer Anteil der beiden heterogenen Kombinationstypen in den Kombinationen mit den „Dialekt-Variablen“

Der Anstieg der „Unschärfe“ ist steil, und vor allem der erste Schritt ist groß: Während – außer bei den Tilgungsvariablen und VokQuant – die heterogenen Kombinationen auf Wortebene zusammen nur maximal 3 % ausmachen, sind es auf Satzebene schon 15–20 % , in der Einheit „fünf Redebeiträge“ dann schon um 30 %. (Die jeweiligen Anteile der beiden heterogenen Kombinationstypen halten sich dabei meistens ungefähr die Waage.) Dass der Grund für den Sprung von der Wortebene zum Satz in Switching oder „Code-Fluktuation“ zu suchen ist, lässt die Alternanz bei ein und denselben Variablen vermuten, die schon in 6.1.1 sichtbar wurde. Schon auf der Ebene des einfachen Satzes erweist sich, dass bei den meisten Variablen über 10 % der Einheiten, in denen dieselbe Variable mehrfach belegt ist, heterogen sind. Damit ist die variableninterne Varianz fast genauso groß wie die Verstöße gegen die auf Wortebene festgestellten Kookkurrenzrestriktionen bei den Kombinationen mit anderen Variablen.

Heterogene Kombinationen – Varietätenmischung oder Mischvarietät ?

215

35

30

25

20

% 15

10

5

0

CH/G dat/das je-/ge-

Einf. Satz

J/G

I_krz/EI O/A

Kompl. Satz

EE/EI

V/B

G/T

Redebeitrag

U/O

O/U

D/T

II/EI

5 Redebeiträge

Abb. 47: Alternanz bei ein und derselben Variablen (Anteil heterogener Einheiten in %)

Wenn man also von stabilen Sprachlagen oder auch von einem Kontinuum aus (bestimmten) Kombinationsmöglichkeiten ausgeht, muss man dieses Ergebnis dahingehend deuten, dass dahinter satzinterne Wechsel bzw. Schwankungen der Lage stehen, die offenbar relativ häufig sind. Wenn allerdings diese Inhomogenität schon oberhalb der einzelnen Wortform gilt, ist natürlich zu diskutieren, ob es sinnvoll ist, quasi mit dem Mikroskop homogenere Einheiten ausfindig zu machen, bzw. welche Relevanz derartige Kookkurrenzrestriktionen (nur) auf der untersten Ebene für die Beschreibung von Sprachlagen haben. Schließlich wäre die Einheit, die man am ehesten mit einer Sprachlage assoziieren würde, wohl die des Redebeitrags. Gleichwohl lässt sich zeigen, dass eine derartige Mikro-Analyse zum besseren Verständnis dessen, was sich in global-statistischer Perspektive als „Sprachlage“ darstellt, erheblich beiträgt.

6.2 HETEROGENE KOMBINATIONEN – VARIETÄTENMISCHUNG ODER MISCHVARIETÄT ? 6.2.1 Typen und Beispiele heterogener Kombinationen auf Satzebene Die Tatsache, dass die Kookkurrenzregularitäten auf Wortebene eine klare Abgrenzung eines rein dialektalen Bereichs sichtbar machen, während schon im einfachen Satz diese Trennung nicht mehr eindeutig ist, lässt sich auf zwei Weisen

216

Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

deuten: Entweder sind solche inhomogenen Einheiten oberhalb der Wortebene, die Kombinationen umfassen, die auf Wortebene offenbar nicht möglich sind, als instabile, sich okkasionell jeweils neu formierende Mischungen zu erklären, also die Inhomogenität auf Code-Switching zurückzuführen. Oder aber es gibt oberhalb der Wortebene usuelle Verbindungen dialektaler Wortformen mit standardsprachlichen, also stabilisierte Zwischenlagen, deren phonologische Heterogenität mit lexemspezifischen Unterschieden zu erklären ist. Nach BÜCHERL (1982; 1999) kann im Nordbairischen in derselben Sprachlage die Üblichkeit der dialektalen oder standardsprachlichen Variante einer phonologischen Variablen von Wort zu Wort differieren, weil der Einfluss des Standard-Worts je nach Gebrauchskontexten verschieden stark ist oder umgekehrt die Stabilität des Dialektworts ebenso. In diesem Fall könnte nur aus historischer Perspektive von „Inhomogenität“ die Rede sein, synchron hätte man es dagegen mit einer geregelten Kookkurrenz bestimmter lexikalischer Varianten zu tun. Angesichts der Lexikalisiertheit zumindest einer Reihe der untersuchten phonologischen Variablen ist diese Möglichkeit durchaus nicht fernliegend138. Um zu entscheiden, welcher dieser beiden Erklärungsansätze zutreffend ist, sind im Folgenden die inhomogenen Einheiten auf Satzebene näher zu prüfen. Ein erstes Argument gegen die zweite Hypothese ergibt sich allerdings schon aus den Ergebnissen hinsichtlich der Alternanz bei ein und derselben Variablen: Diese hat bei den lexemspezifischen Variablen dat/das und nit/nicht denselben Umfang wie bei den übrigen (vgl. 6.1). Bei den phonologischen Variablen könnte diese Tatsache mit der Annahme homogener Sprachlagen zu vereinbaren sein, sofern eben lexemgebundene Konventionen einmal die dialektale und einmal die standardsprachliche Variante verlangen. Eine phonembezogene statistische Auswertung wäre dann nicht nur bei global-textbezogenem Herangehen, sondern auch bei lokal-einheitenbezogener Perspektive dem Sachverhalt unangemessen. Dies gilt jedoch nicht für die lexikalischen Variablen: Die Alternanz dieser Varianten innerhalb von Sätzen und Äußerungen weist in jedem Fall darauf hin, dass hier „Code-Fluktuation“ stattfindet. Dennoch soll nicht vorschnell ausgeschlossen werden, dass die in größeren Einheiten in größerem Umfang auftretenden (nach Kap. 5) „unzulässigen“ Kombinationen sich nicht doch dadurch erklären, dass hier intermediäre Varietäten oder Lagen in einem Kontinuum existieren, die durch usuelle Kookkurrenz von Dialekt- und Standard-/Regiolekt-Wortformen charakterisiert sind. Es sind also zumindest stichprobenartig die Einheiten näher zu untersuchen, in denen solche „unzulässigen“ Variantenkombinationen auftreten, die dem auf Wortebene zutage 138 Ein extremer derartiger Fall liegt z. B. bei dat, wat /das, was in Teilen des niederdeutschen und niederfränkischen Gebiets vor. Anders als im Mittelfränkischen spielen diese „Kleinwörter“ ja nördlich der Benrather Linie nicht schon im Dialekt eine Sonderrolle, unverschobenes t gilt dort generell. Eine allgemeine statistische Untersuchung des Auftretens von unverschobenem vs. verschobenem t – unter Einschluss von ‘das’ und ‘was’ – in alltagssprachlichen Aufnahmen aus dem Raum Niederrhein-Ruhrgebiet-westliches Westfalen ginge jedoch völlig an den sprachlichen Verhältnissen vorbei (vgl. z. B. AdA 2. Runde Ktn. ‘das’ vs. ‘weiß’).

Heterogene Kombinationen – Varietätenmischung oder Mischvarietät ?

217

getretenen Implikationsschema zuwiderlaufen. Zu prüfen ist, ob sich dabei in irgendeiner Weise lexikalische Präferenzen für die dialektale oder die standardsprachliche Variante bei bestimmten Wörtern manifestieren. Bevor ein quantitativer Ansatz versucht wird, soll im Folgenden aber zunächst eine Reihe typischer Beispiele beleuchtet werden. In den Beispielsätzen wird dabei das Vorkommen dialektaler, regionaler oder standardsprachlicher Merkmale durch eine graphische Markierung der Wörter gekennzeichnet. Im Anschluss an die Ergebnisse aus Kap. 5 erscheint es zulässig, ganze Wörter in dieser Weise zu markieren, also nach dem Auftreten bestimmter Merkmale zu differenzieren: – Dialekt-Merkmale („Dialekt-Variablen“): unterschlängelt und kursiv – Dialekt-Merkmale („Regiolekt-Variablen“): kursiv – Standard-Merkmale („Dialekt-Variablen“): unterpunktet – Standard-Merkmale („Regiolekt-Variablen“): unterstrichen.

In wenigen Fällen wurden Varianten, die eindeutig dialektal sind, aber aus quantitativen Gründen in Kap. 4–5 nicht berücksichtigt wurden, ebenfalls fett und kursiv markiert. Der Fettdruck dient dagegen allein der Hervorhebung im Kontext der Darstellung. Mit der Markierung sind noch keine Varietätenzuweisungen gemeint – kursiv und unterpunktet/unterstrichen schließt sich ja auch graphisch nicht aus. Für die „Regiolekt-Variablen“ kann auch nicht differenziert werden, ob eine heterogene Kombination der Implikationshierarchie entspricht (gesacht) oder nicht (jesagt). Derartige Verstöße sind aber – wie gesehen – in beiden Fällen äußerst selten. Häufig enthalten Wörter oder Wortfolgen aber auch keine aussagekräftigen Merkmale139. Hier in Abhängigkeit von Annahmen über die Organisation des Wechsels graphisch schon eine Zuweisung vorzunehmen, soll vermieden werden; die entsprechenden Wörter bleiben daher unmarkiert. Die Inhomogenität von Sätzen geht tatsächlich in vielen Fällen auf einzelne Wortformen zurück. In einem Großteil dieser Fälle ist die Annahme, dass die Kombination dieser nichtdialektalen Wortformen mit dialektalen charakteristisch für eine Zwischenlage zwischen Dialekt und Standard wäre, jedoch schon deshalb fragwürdig, weil es kein genuin dialektales Äquivalent zu diesen Wörtern gibt. Es handelt sich vor allem um Substantive, die Gegenstände/Begriffe aus dem „modernen Leben“ bezeichnen bzw. die im Standard gebildet worden sind und hauptsächlich in Kontexten vorkommen, in denen zumeist kein Dialekt gesprochen wird. Von der phonologischen Variablenanalyse werden diese Wörter erfasst, weil es sich um komplexe Wörter handelt, zu deren Teilen im Dialekt kognate Morpheme existieren. Daher wäre auch eine „Einlautung“ bzw. Lehnübersetzung möglich – tatsächlich wird eine Anpassung aber allenfalls für die g-Variablen und SCH/CH, L_vel/L vorgenommen; hinsichtlich der „Dialekt-Variablen“ bleiben die

139 Vgl. die ähnliche Situation z. B. in den englisch-niederländischen Beispielen bei CLYNE (1987, [271–273]).

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Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

standardsprachlichen Varianten unverändert, es werden also höchstens regiolektale Kompromissformen erzeugt. (1) Ävver dat jeht w‫ۃ‬hrscheinlisch hück üvver Kompjutereingabe (2) Dat hät j‫ ۃ‬wohl uch in su ne Einrischtungen jeärbeet. Dat is j‫ ۃ‬uch Sozialarbeit'rin. (3) Die hatt j‫ ۃ‬zwĊim‫ۃ‬l ne Oberschenkelha‫בב‬sbruch un is immer widder op de Been jer‫ۃ‬de. (4) Isch han ja als King ens EinlaПen draПen sull'n. (5) Se hät jetz der $XIEDXSODQ von dem Oeve.

Diese Substantive tragen zwar selbst keine morphologischen Markierungen, in denen ein Unterschied zwischen Dialekt und Standard bzw. eine morphologische Integration sichtbar würde140; die dialektale Deklination des Artikels in ne Oberschenkelha‫ב‬sbruch oder der Aufbauplan (Akk.) macht aber die Integration in den dialektalen Satz deutlich, genauso wie bei en Juutschrift oder ne Aufsatz. Dies ist eine typische Kombination: Die Kookkurrenz von dialektal dekliniertem Artikel plus darauffolgendem Substantiv mit Standard-Merkmal ist ungleich häufiger als die umgekehrte. Angesichts des Fehlens dialektaler Äquivalente dieser Wörter stellt sich nun die Frage, ob es sich hierbei um Ad-hoc-Entlehnungen aus dem Standard handelt, oder nicht eher schon um lexikalisierte141 Lehnwörter im Dialekt. Im letzteren Fall wäre die „Inhomogenität“ dieser Einheiten eher ein Problem der Analyse, in Wirklichkeit hätte man es einfach mit rein dialektaler Rede zu tun. Eine Beantwortung dieser Frage ist jedoch praktisch unmöglich. Die Üblichkeit des Gebrauchs in rein dialektalem Kotext lässt sich bei nicht hochfrequenten Wörtern kaum sicher ermitteln, und das einzige klarere Kriterium entfällt: Der Übergang in den Gebrauch nicht bilektaler Dialektsprecher ist nicht prüfbar, wenn es solche Sprecher nicht (mehr) gibt142. So gibt auch das KWb keine Kriterien für die Aufnahme von Wörtern wie Leitung ('Führung', neben Leidung 'Rohr') an. In einigen ähnlichen Fällen sind aber stattdessen dialektale Lehnübersetzungen143 aufgenommen, z. B. üvverwiese 'überweisen' (allerdings nicht ?Üvverwiesung) und Enkummensstüür 'Einkommenssteuer' u. ä. Im vorliegenden Material kommen solche Bildungen aber fast nicht vor144. Und selbst die „Kurzgrammatik“ der „Akademie för uns kölsche Sproch“ nimmt explizit eine reservierte Haltung gegenüber „Einlautungen“ bzw. Lehnübersetzungen ein: Man kann aber nicht so vorgehen, dass man aus jedem deutschen [= standardsprachlichen, R.M.] Wort ein kölsches machen kann. Das ist bei Konkreta relativ geläufig. Aus Stroß und Bahn kann man Stroßebahn machen, analog zu Straßenbahn. Bei Abstrakta wird es schon 140 Das n in der Pluralendung wird ja auch im Dialekt teilweise so realisiert. 141 Lexikalisiert nicht im Sinne von Idiomatisierung, sondern von Aufnahme in den dialektalen Wortschatz. 142 Vgl. a. THOMASON (2001, 133). 143 Da die synchrone Umsetzung in die dialektale Lautung nicht über Entsprechungsregeln möglich ist, sondern den lexikalischen Bezug zu den (kognaten) Dialekt-Morphemen voraussetzt, ist der Terminus „Lehnübersetzung“ zutreffend, auch wenn es sich historisch gesehen nur um phonologische Unterschiede handelt (vgl. Kap. 2.2, 9). 144 Nach BERROTH (2001, 83) scheinen solche Lehnübersetzungen im Schwäbischen dagegen geläufiger zu sein.

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schwierig. Aus Freud und Trone kann man zur Not Freudetrone machen. In einem solchen Fall sollte man sich aber mit einem anderen Ausdruck behelfen: vör Freud kriesche / Trone en de Auge han vör Freud. (TILING-HERRWEGEN 2002, 139)

Wenn es hier um das Generieren dialektaler Wörter nach standardsprachlichem Vorbild geht, so ist dies wohl nicht nur damit begründet, dass es sich um eine Lernergrammatik handelt, sondern vor allem damit, dass die Differenz im lexikalischen Ausbau bilektale Sprecher praktisch regelmäßig in die Situation bringt, für ein standardsprachliches Wort kein dialektales Äquivalent zur Verfügung zu haben. Die Frage „Lehnwort oder Lehnübersetzung“ stellt sich also auch für den kompetenten Dialektsprecher, und auch in der Formulierung „Ganz schwer ist es jedoch zu entscheiden, was noch möglich ist und was nicht.“ (ebd., 141) wird noch einmal deutlich, dass es hier um Ad-hoc-Übernahmen oder -Bildungen geht und nicht um lexikalisierte Entlehnungen in den Dialekt. Als Entscheidungskriterium führt TILING-HERRWEGEN den „Klang“ an: „So gibt es z. B. das Wort bedügge für bedeuten, aber *Bedüggung klingt furchtbar! Überhaupt sollte man Formen auf -ung im Kölschen nach Möglichkeit vermeiden.“ (ebd., 139/141). MÜNCH (1904: 118, § 152) listet -ong indessen ohne Weiteres unter den Suffixen zur „Ableitung abstrakter Substantive“ auf. Hinter dem „Klang“ steht bei TILINGHERRWEGEN offenbar eine feste Assoziation von genuin dialektalen Formen und bestimmten Registern, wie schon oben die explizite Unterscheidung zwischen Lehnübersetzungen für Konkreta und für Abstrakta deutlich macht. Das bedeutet nicht, dass sie Gespräche im Dialekt überhaupt auf diese Register bzw. auf Themen aus einer bildungsfernen Lebenswelt beschränkt wissen will – das angeratene Mittel ist stattdessen die Übernahme aus dem Standard: „Der Plural von Wood heißt Wööder. Trotzdem klingt *Wööderbooch merkwürdig. Man sagt Wörterbuch.“ (TILING-HERRWEGEN 2002, 141). Da nur ein geringer lautlicher Unterschied zwischen Wörterbuch und Wööderbooch besteht, das StandardKompositum nicht stark demotiviert ist und es sich nicht einmal um ein Abstraktum handelt, kann das „Merkwürdige“ der Lehnübersetzung (im Unterschied zum akzeptierten Stroßebahn) hier nur darin liegen, dass der Referent in einen Kontext gehört, in dem normalerweise Standard gesprochen wird (Sekundarschule, „höhere“ Bildung). KEIM (1995, 270) beobachtet bei Mannheimer Sprechern ebenfalls, dass Fachtermini und andere Wörter, die „von den Beteiligten eher einer ‘gehobenen Lexik’ zugerechnet werden“, nicht in dialektaler Form verwendet werden. Die Deutung, dass die Sprecher diese Wörter „als nicht zu ihrer Sprache gehörend charakterisieren wollen“ (ebd.) erscheint für den ripuarischen Raum jedoch nicht ganz treffend, wenn die „Einlautung“ hier in solchen Fällen – nach TILINGHERRWEGEN – überhaupt keine akzeptable Option darstellt. Das bedeutet natürlich, dass rein dialektale Gespräche schnell schwierig werden, wenn bilektale Sprecher ihre Ausdrucksmöglichkeiten nicht in gezwungener Weise einschränken wollen (vgl. a. die unten zitierten Kommentare von Sprechern). Dies bezieht sich auch nicht nur auf bestimmte Themenbereiche. Im vorliegenden Korpus gehen derartige Standard-Entlehnungen jedenfalls durchaus über Abstrakta oder „Bildungswörter“ hinaus (vgl. dinge Winterjarten). Auch in Zusammenhang mit dem häuslichen Alltag kommen gar nicht selten Begriffe vor, die als spezifische kom-

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plexe Prägung aus dem Standard stammen und dementsprechend standardsprachlich verwendet werden, selbst wenn direkt daneben die dialektalen Äquivalente der einzelnen Segmente stehen: (6) Die künn'n j‫ ۃ‬dursch der Nebeneinjang erinjonn. (7) Wat wollt se denn inkoofe ? Nur ne Einkaufsbummel ?

Wie schon dargestellt, ist die Annahme einer Lexikalisierung solcher Wörter im Dialekt angesichts der Bilektalität der Sprecher meistens unsicher und oft unwahrscheinlich. Da genuin dialektale Äquivalente der Standardwörter aber fehlen, ist es auch problematisch, deren Auftreten als Charakteristikum standardnäherer Zwischenlagen zu werten. Eine entsprechende soziologische Differenzierung der Sprecher und evtl. auch Situationen (nach der individuellen sowie themengebundenen Prägung des Bedarfs an lexikalischen Mitteln durch den Standard) ist natürlich nicht ganz abwegig, wenngleich Wörter wie Wintergarten und Einkaufsbummel wohl im aktiven Wortschatz aller Sprecher vorhanden und nicht themengebunden sind. Bezogen auf die Möglichkeiten, über die ein individueller Sprecher verfügt, bezieht sich eine solche Differenzierung jedoch dann nicht mehr auf alternative Sprachlagen bzw. Wahlmöglichkeiten wie die Verwendung von dat oder das, Huus oder Haus, sondern auf alternativlose Bereiche seines Repertoires. Von einer systematischen, strukturierten Abstufung von Sprachlagen kann dann auch deswegen keine Rede mehr sein, weil diese standardsprachlichen Wörter angesichts ihrer geringen Tokenfreqenz in keinem etablierten Verhältnis zu anderen stehen können und ihr Anteil je nach Gesprächsgegenstand und Zufall schwankt. Eine darauf gegründete Abstufung ist also stark zufallsbestimmt und erlaubt schwerlich eine Loslösung von individuellen Daten in Richtung auf allgemeinere Aussagen (s. u. Kap. 7). Was die Interpretation des Auftretens solcher Entlehnungen als charakteristisch für spezifische standardnähere Sprachlagen weiter in Frage stellt, ist die Tatsache, dass im Korpus auch triggering-Erscheinungen vorkommen, die in einem kontinuierlichen oder in Schichten gegliederten Sprachlagen-Spektrum keinen Platz haben, dagegen aber typisch für instabilen bzw. flexiblen Sprachkontakt bzw. Code-Switching sind: (8) J‫ ۃ‬dat künnt ävver ne Mauersegler sein (9) Da w‫ۃ‬r dat eh Problem der Übernachtung nit.

Übernachtung ist wohl als touristischer „Fach“-Terminus zu werten, auch wenn das Phänomen nicht neu ist. Anders als in den anderen Beispielen ist das Wort hier jedoch nicht ganz in den dialektalen Satz integriert, sondern schon das Genitiv-Attribut als solches ist im Dialekt nicht möglich (das Zögern vor Problem hängt eventuell mit dieser Schwierigkeit zusammen, kann aber auch allgemein auf Suchen nach dem passenden Ausdruck zurückgehen). Im ersten Beispiel ist sicherlich das Wort Mauersegler der Grund dafür, dass auch das darauffolgende Verb standardsprachlich ist statt dialektal wie der Beginn des Satzes. Der Anteil standardsprachlicher Elemente beschränkt sich also nicht unbedingt auf die Adhoc-Entlehnungen, sondern diese können weitere standardsprachliche Elemente

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mit sich bringen, zu denen auch dialektale Äquivalente existieren. Deren Verwendung ist dann aber nicht durch ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprachlage zu erklären, sondern nur lokal durch den Einfluss benachbarter (Ad-hoc-)Entlehnungen bzw. als Switching. Im Vergleich mit diesen Beispielen ist der Fall von hochfrequenten Wörtern, insbesondere Funktionswörtern, zunächst einmal anders gelagert, zumal dann, wenn es dialektale Äquivalente gibt. In den heterogenen Kombinationen der Variablen V/B (vgl. u. Tab. 41) mit anderen Variablen desselben Typs ist das auffälligste Beispiel dafür die Konjunktion ob. Nach RhWb (Bd. 6, Sp. 314) und KWb gibt es im Dialekt nur of; ob kommt aber im Korpus auch in ansonsten dialektalen Sätzen vor: (10) a. Jetz will se die ens fr‫ۃ‬Пe, ob die dann nit in der eene Woch ... b. Ich han noch janit richtich jefr‫ۃۃ‬ch, ob mer dat a‫ בב‬richtich jekoof han jester. c. Wees=isch nit, Zitronensäure, ob A‫ב‬di sujet hät. d. Ävver ob dat d‫ ۃ‬uch so is ?

Ein solches frequentes Funktionswort könnte tatsächlich eine Zwischenlage markieren, wie dies bei dat und wat ja der Fall ist (wobei letztere allerdings noch deutlich häufiger vorkommen als ob). Die dialektale Form of ist demgegenüber die Ausnahme, sie ist im Korpus fast nicht belegt, und auch in den besonders dialektnahen Texten wird fast durchgehend ob verwendet. Angesichts dieser Tatsache ist hier allerdings wieder zu erwägen, ob nicht eher eine schon lexikalisierte Entlehnung der Standard-Form in den intendierten Ortsdialekt (mit Verdrängung des indigenen of) vorliegt als eine an den Standard angenäherte Zwischenlage. Der Grund für diese Entlehnung ist indessen nicht klar. Eine Rolle könnte evtl. die ebenfalls hochfrequente Konjunktion obwohl (z. T. auch als Diskursmarker verwendet) spielen. Auch obwohl erscheint in rein dialektalem Kotext: (11) a. obwohl 't ovvendrup knuppendrüüsch is b. Obwohl die Wuezele jonn och deef d‫ ۃ‬drin. c. Obwohl – janz glöve kann isch dat uch n‫ 'ۃ‬nit.

Im Dialekt existiert in diesem Fall jedoch kein indigenes Äquivalent. KWb 444, 774 gibt ovschüns (obschon) als Äquivalent an (im vorliegenden Material nicht belegt), das RhWB (Bd. 6, Sp. 314–315) vermerkt allerdings hierzu wie zu ofjlich (obgleich): „aus dem Nhd; die echte MA. umschreibt“. Hier ist also überhaupt der Konzessivsatz aus dem Standard übernommen worden, und wenngleich die damit auch übernommene Konjunktion nach KWb/RhWb offenbar teilweise an das dialektale of angepasst wird oder worden ist, ist nicht verwunderlich, dass dies unterbleibt, wenn den bilektalen Sprechern die ganze Konstruktion aus dem Standard geläufiger ist als aus dem Dialekt. Die Verwendung von obwohl mit Verbzweitstellung als „Korrekturmarker“ (so im zweiten und dritten Beispiel) ist demgegenüber eine jüngere Erscheinung, die auf Reanalyse der Konjunktion zurückgeht (vgl. GÜNTHNER 2005) und ebenfalls kein basisdialektales Äquivalent hat. Auch dieser Gebrauch stammt also aus dem gesprochenen Standard. Im Übrigen stammt

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das zweite Beispiel aus demselben Text wie das erste, wo obwohl als Konjunktion fungiert (mit Verbletztstellung), vermutlich besteht für den Sprecher auch synchron noch ein Zusammenhang der beiden Funktionen von obwohl (vgl. a. GÜNTHNER ebd., 48). Auch seltenere Adverbien und Präpositionen, die im Dialekt nicht existieren, werden entlehnt bzw. in dialektalem Kotext verwendet: (12) Deshalb fr‫ۃۃ‬ch ich ja, wie kütt mer denn d‫ ۃ‬üvverhaup hin. (13) Ävver die mööt j‫ ۃ‬mittlerweile dann och .. [Abbruch] (14) Der flüücht j‫ ۃ‬unterha‫בב‬b der Wo‫ב‬kendecke.

Im letzten Beispiel wird der Satz allerdings rein standardsprachlich fortgesetzt. Hier handelt es sich also definitiv um Code-Switching, wobei die Präposition unterhalb, die außerdem den im Dialekt inexistenten Genitiv verlangt, wahrscheinlich als trigger wirkt. Als gemeinsamer Hintergrund aller bisher betrachteten Fälle wird deutlich, dass die bilektalen Sprecher auch in dialektaler Rede auf bestimmte Ausdrucksmöglichkeiten der Standardsprache nicht verzichten können oder wollen. LABOV (1972, 215) konstatiert: „We have not encountered any nonstandard speaker who gained good control of a standard language, and still retained control of the nonstandard vernacular.“ Beherrschung des Dialekts würde hier – wie schon bei den oben betrachteten Inhaltswörtern – bedeuten, dass um der sprachlichen Reinheit willen auf geläufige, effiziente Ausdrucksmittel verzichtet wird. Außerhalb dialektpflegerischer Kontexte ist mit einer solchen Einstellung nicht zu rechnen. KREYMANN (1994, 233–234) zitiert Informanten mit Aussagen wie: „Man kann nicht alle Ausdrücke und Ausdrucksweisen auf das Plattdeutsche herabbeschränken“ – „Wenn ich mit ihm irgendetwas diskutiere oder mich ernsthaft unterhalte, geraten wir doch unwillkürlich ins Hochdeutsche, weil man sich dann doch besser ausdrücken kann.“ Ein derartiger Effekt zeigt sich auch im folgenden Beispiel, wo der Sprecher offenbar bei der Konzeptualisierung zunächst mit den (ihm geläufigen) Ausdrucksmöglichkeiten der Standardsprache rechnet und im Dialekt kein äquivalentes Verb zur Verfügung hätte: (15) Hee rüvver huhzefahre bietet sich nit an.

So erklären sich auch Entlehnungen von Wörtern, für die im Dialekt durchaus Äquivalente existieren, durch Übernahme idiomatischer Wendungen aus dem Standard: (16) Eins zu eins oder zwei zu eins weed dat jemaat. (17) Eins zu eins is eenlisch unnüdisch su sööß zo maache. (18) Schwierisch is meiner Meinung nach at üvverhoop e Stöck d‫ ۃ‬vun afzokrejen, vun der Plaat. (19) Dann kannste't j‫ ۃ‬ohne Weitres für dinge Winterjarten bruch'n. (20) Bei mir sin d‫ ۃ‬zum Teil so'n janz dicke Stämm d‫ ۃ‬widder usjewaassen.

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(21) wo die immer uch d‫ ۃ‬zosamme sin und so weiter (22) Bruch isch j‫ ۃ‬unter Umständ'n janix miih. (23) 'a han isch ihr dann noch Medikamente nach Anweisung, irjendjet Droppen un su in ihr Glas jedonn .

Solche Erscheinungen einer Anreicherung des Dialekts mit Standard-Elementen kann man vielleicht in einem weiteren Sinn als „Zwischenlage“ einstufen (vgl. Kap. 7), aber (schon aus Gründen der Tokenfrequenz) nicht im Sinne einer systematischen Kombination bestimmter dialektaler Wortformen mit bestimmten standardsprachlichen. Hier handelt es sich höchstwahrscheinlich um flexible Ad-hocÜbernahme, was auch wieder in triggering-Erscheinungen sichtbar wird: (24) Denn weed dat unter Umständ'n weggeschmissn. (25) Selfs bei Wind un Wetter un Schnee. (26) Ävver d‫ ۃ‬pass doch meines Erachtens vor die Haustür von der Gärtnerei nur ein Doppelhaus. (27) Ävver nich im Übermaß.

Den letzten Fall könnte man auch als „antizipierendes Code-Switching“ einstufen (vgl. FÖLDES 2005, 235), bei dem das standardsprachliche Wort Übermaß rückwirkend schon den Wechsel bei nich auslöst, aber wahrscheinlicher ist die Annahme, dass die ganze Wendung 'nicht im Übermaß' hier aus dem standardsprachlichen Gebrauch stammt. Eine usuelle Verwendung bestimmter solcher Wendungen in einer Zwischenlage oder -Varietät 'Dialekt mit Standardelementen' ist möglich, aber dagegen sprechen andere Beispiele mit Wechsel in beiden Richtungen, bei derselben Wendung und beim selben Sprecher: (28)a. Auf der andern SĊite määt er natürlisch schönen Schatten für dat Höisjen. b. Auf der andern Sick is et natürlisch esu :

In manchen Fällen ist die Verwendung einer standardsprachlichen Wortgruppe in dialektalem Kotext auch eine individuelle und okkasionelle Erscheinung, die sich daraus erklärt, dass nicht die Wörter/die Wendung als solche, sondern ihre Verwendung in einem bestimmten Zusammenhang für den Sprecher in Beziehung zu einem standardsprachlichen Diskurs steht. Dies ist bei Preisangaben relativ einfach nachzuvollziehen: (29) Da jing et üvver zweitausend Mark, nur Miete.

Ein individuellerer Fall ist das folgende Beispiel, in dem an der Stelle, wo gewechselt wird, die Beschreibung aus einem Naturführer anklingt (allerdings wird noch während dieser „ornithologischen“ Passage wieder in den Dialekt gewechselt): (30) Dat sin Schw‫ۃ‬bele. Braune Kehle un 'n schwazze West.

Um eine typische, verfestigte Wortformenkombination handelt es sich hier wohl kaum, hier kann nur Code-Switching konstatiert werden. Auf der Basis einzelner solcher Beispiele kann allerdings noch nicht behauptet werden, dass nicht doch

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zumindest hinter einem Teil der heterogenen Kombinationen eine Stabilisierung bestimmter lexikalischer Übernahmen steht.

6.2.2 Stabilisierung oder flexible Mischung ? Um der Frage nach der eventuellen Rolle etablierter Kombinationen oberhalb der Wortebene etwas systematischer und nicht nur anhand ausgewählter Beispiele nachzugehen, wurden alle inhomogenen Einheiten für die am besten belegte Kombination von „Dialekt-Variablen“, V/B+O/A, auf Satzebene lexikalisch ausgewertet und die jeweiligen Belegformen für diese Variablen tabellarisch zusammengestellt. Die erste Tabelle zeigt die Wortformen mit v und mit b in diesen heterogenen Kombinationen: V/B_ST (kookkurrierend mit O/A_D V/B_D (kookkurrierend mit O/A_ST im selben Satz) im selben Satz) aber: 14 ävver: 27 üvver: 10 (2 r-, 1 dr-) über: 11 überhoup: 1 üvverhaupt, -hoop: 3 of : 1 ob: 15 ab: 7 af: 2 eben: 6 evvens: 2 schreib 1, beschreib'm 1 schriiv, -e: 5 oben 1 ovven: 5 jlaub: 1 jlööv: 3 j‫ۃۃ‬f, jääf: 3 ‫ۃ‬vend- 'abend-': 4 nevve 2 deshalb: 1 selbs 1 halbes 1 erlaub 1 Schiif: 1 bliive 'bleiben': 1 hääf 'habe (Konj.)': 1 Wiiverdaach: 1 Computereingabe: 1 Überweisungsformular: 1 Übermaß: 1 Übernachtung: 1 Tab. 41: Heterogene Kombinationen von V/B und O/A auf Satzebene – die Wortformen mit V/B

Das Ergebnis ist unmittelbar deutlich. Zunächst einmal zeigen die Belegwörter wieder die einheitlich dialektale oder standardsprachliche Realisierung auf Wortebene bei einem Großteil der Variablen: Dialektales v ist mit dialektalem Vokalismus gekoppelt und b mit standardsprachlichem Vokalismus. Vor allem aber

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zeigt sich, dass die substantivischen Entlehnungen quantitativ einen eher geringen Teil der Fälle ausmachen. Dagegen sind es – abgesehen von ob – großenteils kognate Wörter, die auf beiden Seiten erscheinen, also als standardsprachliche Wortform zusammen mit dialektalen Wortformen verwendet werden oder eben genausogut auch umgekehrt. Das Zahlenverhältnis ist bei 'aber' zwar weniger ausgewogen als bei 'über', aber es ist jedenfalls unverkennbar, dass nicht von intermediären Sprachlagen die Rede sein kann, die (u. a.) durch die Kombination von standardsprachlichem aber oder über mit dialektalen Wortformen charakterisiert sind, wenn umgekehrt auch die Kombination von ävver und üvver mit standardsprachlichen Wörtern häufig auftritt. So finden sich auf der einen Seite aber und über zusammen mit w‫ۃ‬r und l‫ۃ‬sse 'lassen': (31) a. Aber ich w‫ۃ‬r jesund un ming Mutter uch. b. Aber dat w‫ۃ‬r nit schlimm. c. Aber l‫ۃ‬ss mer ens .. [Abbruch] d. Wenn die aber hinj‫ۃ‬nn un saПe l‫ۃ‬sse, mer kucke wat mer dunn,

sowie mit anderen Wörtern, die Varianten des eindeutig dialektalen Bereichs enthalten: e. Aber mööt klappe. f. Aber nit jot. g. Aber wat willste maache. h. Die sin aber uch at us em Huus. (32) Et däät übber jede Kooche meckere.

Andererseits kommen auch ävver und üvver zusammen mit war und da vor, sowie mit anderen eindeutig standardsprachlichen Wortformen: (33) a. Da musste dich ävver jetz bemühen. b. Das war so toll ävver nit mit diesen modernen Schiffen.

Im zweiten Beispiel verstößt die Kombination von ävver mit das auch klar gegen die festgestellten einseitigen Implikationsverhältnisse noch auf Satzebene (vgl. 6.1) und macht insofern weiter deutlich, dass es sich hier nicht um eine Sprachlage handeln kann. Dasselbe gilt für (33) c. Ävver das is Wahnsinn, wat dat koss. d. Ävver nich im Übermaß.

Zu konstatieren ist also eher eine allgemeine Anfälligkeit der Konjunktion 'aber' für Switching-Phänomene bzw. okkasionelle Entlehnung145 – evtl. mit der Fre145 ELMENTALER (2008, 72) stellt für das Niederdeutsche fest, dass aber und eben „aufgrund ihrer weiten Verbreitung heute nicht mehr ohne weiteres als hochdeutsche Interferenzen angesehen werden können“. Bei den vorliegenden rheinischen Daten spricht aber die Symmetrie des Wechsels gegen die Annahme einer etablierten Entlehnung.

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quenz zu erklären, evtl. auch mit der Semantik (Ausdruck eines Gegensatzes) oder der Verwendung als Diskursmarker146. Die komplementäre Tabelle zeigt dasselbe Bild; auch in der Tabelle der Wortformen mit [a] bzw. [ɬ] aus den heterogenen Kombinationen von V/B+O/A stehen sich auf beiden Seiten kognate Wortformen gegenüber, die zum Teil in standardsprachlicher Form zusammen mit dialektalen Wortformen belegt sind und zum Teil umgekehrt. Hier kommt nicht einmal ein einziger Fall vor, der nur auf einer Seite häufig vertreten ist. O/A_ST (kookkurrierend mit V/B_D O/A_D (kookkurrierend mit V/B_ST im selben Satz) im selben Satz) da: 33 d‫ۃ‬: 21 war: 14 w‫ۃ‬r: 19 mal: 8 m‫ۃ‬l: 6 wahrscheinlisch: 3 w‫ۃ‬hrscheinlisch: 1 nach: 1 n‫ۃ‬h: 4 lass-: 1 l‫ۃ‬ss-: 2 Jahrjang: 1 J‫ۃ‬hr: 2 k‫ۃ‬m'm 'kamen': 2 fr‫ۃۃ‬ch: 2 nachher: 1 Waage: 1 wahnsinnisch: 1 zwar: 1 fr‫ۃۃ‬ß: 1 N‫ۃ‬ht: 1 ‫ۃ‬vens: 1 schl‫ۃ‬fe: 1 Spr‫ۃۃ‬ch: 1 verhiir‫ۃۃ‬t: 1 Übermaß: 1 Straß'nbahn: 1 Tab. 42: Heterogene Kombinationen von V/B und O/A auf Satzebene – die Wortformen mit O/A

Darüber hinaus findet sich hier auch häufiges Schwanken der Varianten von O/A in der Kombination der Wortformen 'da' und 'war' untereinander: (34) a.Dat einzich Jute, wat da schon w‫ۃ‬r, dat w‫ۃ‬r die Straßenbahn. b. Da w‫ۃ‬r janix. c. Da k‫ۃ‬m der bei jedem beddele.

146 Nach OESCH SERRA (1998) fungiert bei italienischsprachigen Migranten in der französischsprachigen Schweiz ma eher als Diskursmarker, mais dagegen als Konnektiv; darüber hinaus haben sich noch spezifische Funktionen im Turn-Taking-System entwickelt. Eine derartige Differenzierung der Varianten im Hinblick auf verschiedene Funktionen ist hier jedoch nicht zu beobachten.

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d. D‫ ۃ‬war'n ja die Sitten zimmlisch rau. e. D‫ ۃ‬war ne Jüngere [mask.]

LAUSBERG (1993, 67) stellt im Erp-Material eine erhöhte Häufigkeit der Form war gegenüber anderen Belegwörtern mit standardsprachlicher Realisierung von O/A fest. Dies entspricht jedoch nicht dem Befund in den vorliegenden Aufnahmen, wo – wie in den Beispielen zu sehen – z. T. gerade bei w‫ۃ‬r die [ɬ]Realisierung vorkommt. Als Auswirkung des Lautkontextes /r/ auf die Vokalqualität (vgl. ebd.) interpretiert sind diese Daten eindeutig widersprüchlich – als Auswirkung der Frequenz und Unbetontheit einer Wortform auf die Wahrscheinlichkeit von lexikalischer Transferenz bzw. Switching bei Bilektalität nicht. Auch für andere Variablenkombinationen, die auf Wortebene durch beidseitige Implikation gebunden sind, lässt sich zeigen, dass auf Satzebene gerade häufige Belegwörter in beiden Richtungen Heterogenität bewirken. Bei 'hier' ist im Wort ausschließlich die rein standardsprachliche Kombination mit [i:] und r ([Ļ੓]) oder die rein dialektale mit [e:] ohne r belegt, aber im Satz kommen heterogene Kombinationen in beiden Richtungen vor: (36) a. Kanns de Fooß hier drup dun. b. Wie hier d‫ۃ‬m‫ۃ‬ls dat Spill losjing, c. Da s‫ۃ‬ßen se hier, d. Un hier ovven dat Stück is sehr schön. (37) a. Und erst wenn die Schlinge sisch wieder zuzieht hee ob'm, b. Wenn die hee im Stadtanzeijer so irjendwie denn ihre Annongsen aufjeb'm. c. Und Neuseeland da is es jenau wie hee. d. Die hammer jetz jekoof hee, un zwar is dat hee für die brĊit'n Kart'n un das hier für die kleene, die schmal'n.

Für die Variablenkombinationen mit einseitiger Implikation gilt dasselbe; auch hier sind auf Satzebene Wortkombinationen anzutreffen, die der festgestellten Implikationsrichtung zuwiderlaufen, und auch hier sind gerade hochfrequente Wortformen daran beteiligt. (38) a. Da jibt=s ein'n Knall un dat ganze Ding zerspringt. b. Und das janze Zeuch – das war eine Sauerei. (39) a. Das is jut. b. Dat find isch nit gut. (40) a. Es jibt ne breite Schere zwischen Vermöjenden und Armen. b. Et gibt immer Spannungen. (41) a. Da gab et so n'n klein'n Plastiktraktor. b. Do jab=s noch keine – dings.

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Wie schon in 6.1 gezeigt, ist aber auch Alternanz bei ein und derselben Variablen auf Satzebene nicht selten und kann bei bewusster Betrachtung recht auffällig sein: (42) Gekonnt is jekonnt. (43) Das is dat Schlimmste was es überhaupt auf der Welt jibt. (44) Wat is das ? (45) Dat war doch das was du auch scho ma hier jemacht hattest.

Derartige Beispiele sind zwar zahlenmäßig in der Minderheit gegenüber homogenen Einheiten, kommen aber durchaus vor.

6.2.3 Funktionaler Wechsel und Code-Mixing Ein weiteres Argument für die Einstufung derartiger Kombinationen als (auch synchron) „heterogen“ liegt schließlich in der Beobachtung funktionalen Wechsels auch im vorliegenden Korpus. Zwar muss funktionales Code-Switching in der Definition von AUER (1998b) bzw. ALVAREZ CÁCCAMO (2000) nicht mit Sprachoder Varietätenwechsel einhergehen. Wenn jedoch der Verstoß gegen die auf Wortebene festgestellten Implikationsbindungen mit einer lokalen Funktion verbunden ist, spricht dies dagegen, dass die entsprechende heterogene Kombination usualisiert ist147. So soll in (46) Isch bin in meinem Leben öfters bald ens duut jewess.

vermutlich der Wechsel in den Dialekt dazu dienen, einem zu feierlichen oder dramatischen Ton entgegenzuwirken (und damit gleichzeitig die Gelassenheit des Sprechers zu signalisieren, der in familiärer Sprachlage über Lebensgefahr redet). Ähnlich ist die Wirkung bei (47) Da war isch jrade so einijermaßen widder up de Fööß.

In (48) Keiner jing doch zum Jemüsehändler um Jemöös zu kaufen.

147 AUER (2006) argumentiert zwar dagegen, bilinguale Rede grundsätzlich als „Kombination und Vermischung zweier prinzipiell unabhängiger, vorgängig existierender und beschreibbarer Sprachsysteme“ zu analysieren (ebd.:19), stellt aber ebenfalls fest: „Dieses stilistischrhetorische code-switching [...] ist ein Verfahren der bilingualen Praxis, das auf Oppositionsbildungen beruht. Vorausgesetzt wird, dass die Sprecher ohne Schwierigkeiten erkennen können, ob eine Äußerung in Sprache A oder in Sprache B formuliert worden ist – nur auf der Grundlage dieser Zuordnung sind bedeutungsgenerierende Alternationen möglich.“ (ebd.: 5). Der Hinweis auf die Bedeutung von Konvergenzerscheinungen, um den es AUER sich in diesem Aufsatz vorrangig geht, erübrigt sich im Fall von Dialekt-Standard-Kontakt wohl. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass auf eine Analyse als language mixing von vorn herein verzichtet werden sollte (vgl. a. Kap. 7).

Heterogene Kombinationen – Varietätenmischung oder Mischvarietät ?

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soll der Wechsel wahrscheinlich den Kontrast zwischen Anspruch (Handelsware) und Banalität der Sache (bei „bodenständiger“ Beurteilung) ausdrücken. In vielen Fällen lässt sich beobachten, dass in dieser Weise durch die dialektalen Wortformen ein übertriebener Anspruch relativiert wird, im Namen des „gesunden Menschenverstands“ Dinge zurechtgerückt oder in ihrer Banalität klargestellt werden. (49)

Und dat Rejieren dat kütt iirscht janz weit dahinter.

(50)

Man kommt ja überhaupt nit zum Erzählen – driit sisch alles um die Kinder.

(51)

Dat kann 'n – 'n Steuerberater dir sag'n; die bruch'n ja nur nachzukuck'n.

(52)

Un dann war=s jot. (...'war das Problem behoben')

Oberhalb der Ebene des einfachen Satzes kommen noch weitere Typen von funktionalem Code-Switching vor. Am deutlichsten ist die Funktion hier im Zusammenhang mit Zitaten, wo andere Personen, geschriebene Texte oder auch eigene Aussagen aus anderen Situationen zitiert werden, etwa in Form eines nichtdialektalen Zitats mit dialektalem Einleitungssatz oder umgekehrt: (53) Der Rewe schriif ja: „Wegen der Situation in Südeuropa bitten wir um Verständnis, dass das Gemüse und Obst so töier is.“ Obwohl – janz glöve kann isch dat uch n‫ ' ۃ‬nit. (54)

Un d‫ ۃ‬säd=ich esu: „ja das kam=man hier ja auch“

(55) Da hät die Ärztin für misch jesaat: „Herr X, Sie sündijen ja nich es ganze Jaa übber. Un wenn Se da Apptit drauf haben und essen Se das wirklisch nur Ċinmal, dann hat kĊiner was dajejen, auch Ihre JesundhĊit nischt.“ (56)

Das war'n Mitgliederbeschluss; und da hat die Mutter gesacht: „Mir künne dat nit wejen der Kass.“

Für einen angeschlossenen eigenen Kommentar kann wieder in den Dialekt gewechselt werden: (57) Han isch dat dem verzallt, säät der: „Das wundert misch aber, das schaffen eign'tlisch nur wenige, dass die Knospen nachher auch aufgehn“, ne, dat die nit affalle.

Die Rückkehr in den Dialekt kann jedoch auch schon innerhalb des Zitats stattfinden: (58) Der Doktor hat extra jesaat: „Frau X, komm'm Se früh jenuch, dass die andern Werte nit esu afsacke“

Der Wechsel kann aber auch bei Zitaten eher eine „metaphorische“, z. B. objektivierende, Funktion haben, als die tatsächliche Sprache der zitierten Person wiederzugeben: (59) Irjendjet wo mer säät eb'm: „Das is bei uns nicht üblich.“. (60) „Ja su han isch mer dat nit vürjestellt“, sääd=et am Telefon. ... Weeste wat die jesaat han? (langsamer, deutlich) „Das waa nisch das letzte Ma‫“!ב‬

In umgekehrter Richtung wirkt der Wechsel zum Dialekt personalisierend, markiert z. B. den Wechsel vom „allgemein-administrativen“ zum „individuellpraktischen“ Aspekt: (61) Das is 'n Extra-Vordruck normalerweis. Dä hättste at längst han müsse.

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Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

Häufig ist auf Äußerungsebene auch der Einsatz dialektaler metakommunikativer Einschübe in nichtdialektaler Rede (die folgenden Beispiele stammen alle von verschiedenen Sprechern): (62) a. Die eh Gemeinnützischkeit die geht an den Postempfangsbevollmäschtischt'n, den muss=du extra noch benenn'n. Un jetz kütt der Hammer: Wenn sie – wenn isch a‫ב‬s Jeschäftsführer dran war ... b. Wobei das noch die Frage ist, ob der nisch extra da aufgetaucht is, weil – jetz küdd=et: Dat war ja an dem Freitach. c. Un jetz kütt der Kna‫בב‬ ‫בב‬: ‫ בב‬Die Frau musste='t Haus verkauf'n. ‫ ۃ‬joot, irjendwie muss mer ja für die Löite Arbeit su(63) a. Sischer, Industrieansiedlung, j‫ۃ‬ chen. b. Dann is se ma als eh für drei Monate oder wat zu ihm jezog'n; dann aber aus mit der; j‫ۃ‬ ‫ ۃ‬joot, war=er wieder allein.

Auch hier ist jedoch wieder keine feste Richtung vorgegeben, möglich ist auch das Umgekehrte: c. Ja gut, ävver 't wär doch .. [Abbruch]

Und auch eine Bekräftigung durch Wechsel zusammen mit Wiederholung ist in beiden Richtungen möglich: (64) Es war ja dunkel; 't w‫ۃ‬r stischedüster. (65) Der einz'je Bereisch der su ne Bohei määt. Kein anderer macht so'n Bohei.

Bei zahlreichen Beispielen inhomogener Sätze passt die inhomogene Kombination also zu geläufigen Erscheinungen funktionalen Code-Switchings (vgl. a. Kap. 7). Zumindest in diesen Fällen handelt es sich offensichtlich nicht nur nicht um etablierte Kombinationen, sondern von den Gesprächspartnern soll ein Wechsel wahrgenommen werden. Eine Abgrenzung von funktionalem und nichtfunktionalem Wechsel ist allerdings oft schwierig. Etwa bei (66) Hier die vom Land kumm'm n‫ۃ‬h Kölle.

ist kaum von außen zu beurteilen, ob eine Ausdrucksabsicht oder eine unwillkürliche Beeinflussung durch Assoziationen vorliegt, und bei (67) Die ham auch wat jelernt; aber die wenichsten jingen natürlisch up en Universität.

zeigt der Wechsel zum Dialekt im Zusammenhang mit Universität die Grenzen der Argumentation mit intersubjektiv nachvollziehbaren Assoziationen (eventuell soll die Perspektive derer unterstrichen werden, die nicht auf eine Universität gingen). Abgesehen davon, dass die Funktionen beim „metaphorischen“ CodeSwitching von außen oft nicht sicher zu rekonstruieren sind, ist aber im vorliegenden Korpus in vielen Fällen von eindeutigem Code-Switching bzw. -Mixing weder Grund noch Funktion auszumachen. Dabei ist hervorzuheben, dass es sich um Sprecher handelt, die im selben Text auch funktionalen Wechsel verwenden: (68) D‫ ۃ‬jäv et Kauri; un es gäb auch Mammutbäume. (69) Wenn='t su wärm is, is das j‫ ۃ‬sinnvoll.

Informantenurteile zur Gebräuchlichkeit heterogener Kombinationen

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(70) Ich jlaub, die Töchter sin ja auch hee verhiirot. (71) Isch wĊiß jetz nit, ob de weeß, wen isch meen.

Unabhängig von der Typologisierung und der lokalen Deutung der Wechsel- und Mischungserscheinungen kann auf jeden Fall festgestellt werden, dass die heterogenen Sätze und Redebeiträge keine Stabilisierung solcher heterogenen Kombinationen erkennen lassen, sondern sogar oftmals offenbar als heterogen intendiert sind. Hier zeigt sich die „Flexibilität“ der Sprecher, auf die MACHA (1991) hingewiesen hat, tatsächlich in flexibler Verwendung und Kombination von dialektalen und nichtdialektalen Sätzen und Wörtern, und nicht in der (flexiblen oder konventionalisierten) Verwendung bestimmter Zwischenlagen. Dass neben lokal bedeutungslosem Code-Mixing auch funktionales Code-Switching eine Rolle spielt, macht weiter deutlich, dass hier die von AUER (1998b) skizzierte Entwicklung vom Code-Mixing zum fused lect nicht stattgefunden hat. Zu der auf ersten Blick eigentlich befremdlichen Tatsache, dass funktionales und nicht-funktionales Code-Switching nebeneinander stehen, ist zu bemerken, dass dies allgemein bei bilingualen Sprechergruppen nicht selten ist, sondern eher der Normalfall zu sein scheint (vgl. Kap. 7). Zu erklären ist es wohl damit, dass die Interaktionspartner (mit mehr Sicherheit als außenstehende Interpreten) aus der Situation heraus erkennen können, ob eine funktionale Interpretation eines Wechsels angemessen ist oder nicht.

6.3 INFORMANTENURTEILE ZUR GEBRÄUCHLICHKEIT HETEROGENER KOMBINATIONEN Bevor ein Fazit aus den Beobachtungen im Korpus gezogen wird, wird im Folgenden noch versucht, die Ergebnisse von einer anderen Seite her abzusichern. Wie schon dargelegt, ist der Zugang zu Kookkurrenzrestriktionen über die Analyse von empirisch vorgefundenen Merkmalskombinationen zwar nicht unproblematisch, aber immer noch direkter als der über Gebräuchlichkeitsurteile, weil letztere eine Reflexion von wenig oder nicht bewusstem Verhalten voraussetzen, das überdies dem auch bei Laien verbreiteten Postulat der sprachlichen Homogenität zuwiderläuft. Dennoch sollte ergänzend zur Korpusanalyse geprüft werden, wie die Kompatibilität von verschiedenen Dialektmerkmalen von Sprechern aus dem ripuarischen Gebiet beurteilt wird. Zu diesem Zweck sollten 40 Gewährspersonen aus diesem Raum verschiedene heterogene Merkmalskombinationen als geläufig oder unüblich einstufen. Es handelt sich dabei durchgehend um andere Personen als die aufgenommenen Sprecher; die eine Hälfte ist nach eigenen Angaben dialektkompetent, die andere nur eingeschränkt. Den Informanten wurden Sätze in literarischer Umschrift148 vorgelegt, die sie laut lesen mussten. Anschließend wurden sie gebeten, anzugeben, ob man diesen 148 Fragebogen s. Anhang. – In der Umschrift im Fragebogen wurde in einigen Punkten von den in dieser Arbeit verwendeten Regeln abgewichen, zugunsten einer Übereinstimmung mit den bei Laien wohl bekanntesten Regeln, die WREDE zugrundelegt.

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Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

Satz so hören könnte oder nicht und ob sie ihn selbst so verwenden würden. Sofern ihnen der Satz unmöglich erschien, sollten sie versuchen, das Problem genauer zu benennen bzw. auf das „unmögliche“ Element/die „unmögliche“ Kombination hinweisen. Zunächst war geplant, die Informanten nicht lesen zu lassen, sondern ihnen manipulierte Aufnahmen vorzuspielen. Technisch erwies sich dies als aufwändig, aber möglich: Die Manipulationen als solche wurde in sprachlich homogenen Sätzen nicht wahrgenommen. Das Verfahren stellte sich jedoch im Pretest aus einem anderen Grund als nicht praktikabel heraus: Eine Wiederholung des jeweiligen Satzes durch die Hörer ergab regelmäßig, dass abweichende Merkmale „zurechtgehört“ wurden. (Insofern schied auch Vorlesen aus.) Dies könnte natürlich als Hinweis auf Kookkurrenzrestriktionen gewertet werden. Angesichts der Tatsache, dass auch Kombinationen „zurechtgehört“ wurden, die in dem in Kap. 5–6.2 untersuchten Korpus gut belegt sind (etwa Typ jegangen), ist jedoch wahrscheinlicher, dass hier durch die Erwartung „typischer“ Sprache (wie auch bei „Experten-Befragungen“) eine Homogenisierung vorgenommen wurde, die über die tatsächlich wirksamen Restriktionen hinausgeht. Solche Erwartungen kommen natürlich auch bei den gelesenen Sätzen ins Spiel. Dementsprechend ist auch hier mit einer erhöhten Ablehnungsquote zu rechnen, durch das verlangte laute Vorlesen war hier aber zumindest der Zwang da, die untypische Kombination zunächst einmal zur Kenntnis zu nehmen.

6.3.1 Variablenkombinationen mit doppelseitiger Implikation Vorweg ist festzustellen, dass die Ergebnisse das Misstrauen gegenüber Gebräuchlichkeitsurteilen als Zugang zu Kookkurrenzrestriktionen nicht zerstreuen: Bei fast allen Sätzen gab es mindestens eine Ablehnungsquote von 15–30 %, auch bei völlig unauffälligen wie Warum sagste ihr das denn nich? – Sätze, die nach der Korpusauswertung absolut gebräuchlich sind und die vermutlich alle Informanten schon häufig produziert haben. Das mag an den dargestellten Problemen der Befragung liegen, hat aber wohl grundsätzlicher damit zu tun, dass Akzeptabilitätsurteile den Befragten allein im Bezug auf Varietäten mit einer klaren Norm sinnvoll erscheinen. Auch wenn die Fragestellung eindeutig anders ist, wird wahrscheinlich vor diesem Hintergrund geurteilt. Von Interesse ist also vor allem, in welchen Fällen die Ablehnung über dieses „Basisniveau“ hinausging. Die Material-Analyse hat ergeben, dass die „Dialekt-Variablen“ auf der Wortebene nur in homogenen Kombinationen vorkommen. Um diese Beschränkung in beiden Richtungen zu prüfen, wurden für die Kombination von V/B und O/A bzw. II/EI beide möglichen heterogenen Verbindungen in einem Wort in Sätzen untergebracht, wobei dieselben Wörter gewählt wurden (um andere Faktoren auszuschließen), aber unterschiedliche Sätze konstruiert und in möglichst großer Distanz voneinander geprüft wurden. Alle diese Kombinationen: {O/A_D + V/B_ST} ‫ܪ‬bend {O/A_ST + V/B_D} Avend

Informantenurteile zur Gebräuchlichkeit heterogener Kombinationen

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{II/EI_D + V/B_ST} schriibe(n) {II/EI_ST + V/B_D} schreive(n) wurden von der großen Mehrheit der (nach eigenen Angaben) dialektkompetenten Informanten als ausgeschlossen beurteilt (‫ܪ‬bend 80 %, Avend 85 %, schriibe(n) 90 %, schreive(n) 80 %), z. T. mit Äußerungen vehementer Ablehnung. Unter den nicht-dialektkompetenten Informanten hielt dagegen über die Hälfte diese Formen für möglich, nur schriibe(n) wurde stärker abgelehnt (als unmöglich eingestuft: ‫ܪ‬bend 45 %, Avend 40 %, schriibe(n) 60 %, schreive(n) 40 %). Diese Informanten gaben gleichzeitig allerdings auch an, sie würden diese Formen selbst nie verwenden. Eine passive Kenntnis der Implikationsbindung scheint demnach nur in sehr viel schwächerem Umfang zu existieren als die aktive. Eventuell geht hier auch die passive Dialektkenntnis gar nicht so weit, dass eine Abweichung von der dialektalen Norm auffällt. Jedenfalls bestätigen die Reaktionen derjenigen Informanten, die selbst diese Merkmale verwenden, die beiderseitige Kookkurrenzrestriktion. Bei der Kombination der Variablen U/O und II/EI (die im Material überhaupt nur in homogen standardsprachlichen Verbindungen belegt ist) in dem Kompositum 'rotweiß' sprechen die Urteile dagegen überraschenderweise eher für eine einseitige Implikation: Im Kompositum ruutweiß wurde die Kombination {U/O_D+ II/EI_ST} von 85 % der dialektkompetenten Informanten (50 % der nichtdialektkompetenten) als unmöglich eingestuft, das Gegenstück rotwieß dagegen wurde nur von 35 % (20 %) ausgeschlossen. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Hebung von mhd. ô auch innerhalb des Dialekts im Rückgang begriffen ist (vgl. Kap. 3.2) und nur noch lokal unterschiedlich in bestimmten Lexemen üblich ist – zu denen rot allerdings gehört. Auffällig ist auch die Beurteilung der heterogenen Kombinationen von morphologischen und phonologischen Merkmalen: Standarddeutsche Deklination zusammen mit dialektaler Lautgestalt (O/U und D/T bzw. II/EI und G/T) in 'n joder Fründ und ming Kopp wurde von 50 % der dialektkompetenten Gewährsleute für unmöglich gehalten (20 bzw. 30 % der nicht-dialektkompetenten). Die umgekehrte Kombination fanden beide Gruppen demgegenüber jedoch eindeutig unauffällig (ne jute Mensch jeweils nur 5 % Ablehnung) bzw. zumindest weniger störend (deine Opa wurde von 35 % der dialektkompetenten bzw. 25 % der nicht dialektkompetenten Informanten ausgeschlossen). Jedoch gaben auch hier alle, auch die Dialektkompetenten, an, dies selbst nicht zu sagen. Stattdessen fanden mehrere Informanten diese Kombinationen typisch für ältere Sprecher (gemeint wohl: Sprecher mit rein dialektaler Primärsozialisation). Es handelt sich aus ihrer Sicht hier offenbar um eine typische Interferenz, die die Deklination betrifft, während der umgekehrte Fall, dass Dialektwörter standardsprachlich dekliniert werden, den Informanten unwahrscheinlicher vorkommt. Wenn man davon ausgeht, dass der Wortschatzerwerb der sicheren Beherrschung der Morphologie vorausgeht, spiegelt dies die kulturellen Dominanzverhältnisse wider: Intendierter Standard mit Interferenzen ist bzw. war eine geläufige Erscheinung, intendierter Dialekt mit standardsprachlichen Interferenzen dagegen nicht (vgl. a. Kap. 8/10). Im

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Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

untersuchen Material ist die Beleglage hier nicht besonders gut, bei der Kombination von O/U bzw. D/T mit der Deklinationsvariablen spricht sie aber eher für doppelseitige Implikation, jedenfalls in informeller Rede bilektaler Sprecher. Bei II/EI + Deklin ist jedoch auch eine heterogene Kombination (in der von den Gewährspersonen akzeptierten Richtung) belegt.

6.3.2 Variablenkombinationen mit einseitiger Implikation Die Reaktionen auf heterogene Kombinationen, bei denen nach der Korpusanalyse einseitige Implikation gilt, bestätigen die Ergebnisse der Analyse. Die Kombination von Standard-g (J/G, je-/ge-, CH/G) mit dialektalem Vokalismus in goot, gebr‫ۃ‬te(n)/gebr‫ۃ‬de(n), l‫ۃۃ‬g [-k] wurde von den dialektkompetenten Informanten zu 90 % (J/G) bzw. 65 % (je-/ge-) bzw. 80 % (aCH/aG) als unmöglich eingestuft (von den nicht-dialektkompetenten zu 80 % bzw. 35 % bzw. 35 %). Die umgekehrten Kombinationen jebraten, juut, laach wurden weitgehend akzeptiert (Ablehnung bei den dialektkompetenten Sprechern 20 % – 15 % – 15 %, bei den nicht dialektkompetenten 20 % – 20 % – 20 %). Dies hat nichts mit dem Unterschied zwischen konsonantischen und vokalischen Merkmalen zu tun, wie die Reaktionen auf die Kombinationen von J/G und V/B bestätigen: g‫ۃۃ‬f wurde von den dialektkompetenten Informanten zu 80 % ausgeschlossen, jaab dagegen nur zu 10 % (nicht dialektkompetente: 35 % vs. 5 % Ablehnung). Bei Variablenkombinationen innerhalb der Gruppe der „Regiolekt-Variablen“ stießen allerdings auch übliche heterogene Kombinationen teilweise auf Ablehnung, wenngleich in deutlich geringerem Umfang als die heterogenen Kombinationen bei den Merkmalen mit zweiseitiger Implikation. So wurden die Formen gesacht und jesagt (je-/ge- plus CH/G) von den dialektkompetenten Gewährspersonen zu 50 bzw. 40 % abgelehnt, von den nicht dialektkompetenten zu jeweils 30 %. Bei jegangen und gejangen (je-/ge- plus J/G) war die Ablehnung etwas stärker (55 bzw. 65 % bei den dialektkompetenten, 40 bzw. 60 % bei den nicht dialektkompetenten), was nahe liegt, weil es sich hier offensichtlicher um ein und desselbe Merkmal handelt. Es zeigt sich hier, dass auch die im Material gut belegten heterogenen Kombinationen durch die bewusste Reflexion kritischer beurteilt werden als dem tatsächlichen Gebrauch entspräche. Die Gebräuchlichkeitssurteile geben also zum Teil eine idealisierte „Regionale Umgangssprache“ wieder, in der eigentlich fakultative Kookkurrenzen obligatorisch werden. Die Ablehnung ist aber nicht so hoch wie bei heterogenen Kombinationen der „Dialekt-Variablen“. Die Kombination von (groß-)regionalem Frikativ bei aCH/aG und betontem nicht (ohne t-Tilgung) in ein und demselben Satz (Dann fraacht ihr ihn eben nicht!) wurde jedoch von allen dialektkompetenten Informanten akzeptiert (nicht dialektkompetente: 15 % Ablehnung), das Gegenstück (plosive Realisierung von CH/G plus nich im selben Satz) fanden zumindest die meisten Informanten unauffällig (Warum sagste ihr das denn nich? – Ablehnung bei den dialektkompetenten 20 %, bei den übrigen 25 %). Oberhalb der Wortebene wurden heterogene Kombinationen aber allgemein relativ tolerant beurteilt (s. u.).

Informantenurteile zur Gebräuchlichkeit heterogener Kombinationen

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Dass SCH/CH wegen der schlechten Kontrollierbarkeit eine Sonderrolle spielt, zeigte sich auch im Test deutlich – vor allem darin, dass es schwierig war, die Informanten auf den Unterschied zwischen den Varianten (bzw. auf die Diskrepanz zwischen dem Schriftbild und dem Gelesenen) hinzuweisen und ihnen klarzumachen, dass es um diese Unterscheidung ging. Auch wenn dies gelungen war (oder schien), wurden heterogene Kombinationen hier in beiden Richtungen überwiegend akzeptiert, bei nischt (statt dialektalem nit) ebenso wie bei Jeseech mit dialektalem Vokal und t-Tilgung, aber [ç]. (Ablehnung bei den dialektkompetenten Informanten 30 bzw. 35 %, bei den nicht-dialektkompetenten jeweils 35 %). Auch für Jl/Gl bestätigte sich die Sonderrolle, hier noch eindeutiger: Sowohl die Kombination von jl mit standardsprachlichem Vokal und Konsonant in jlaub als auch das Gegenstück glööf erschienen der großen Mehrheit als durchaus geläufig (Ablehnung bei den dialektkompententen Informanten 15 bzw. 5 %, bei den nicht dialektkompetenten 20 bzw. 15 %). Die Tilgung von auslautendem n (0/N) wurde von den Informanten selbst in Wortformen mit tiefdialektalen Merkmalen nicht als zwingend angesehen: Die Form huhjejangen 'hochgegangen' wurde nur von 15 % der dialektkompetenten (20 % der nicht dialektkompetenten) Informanten als unnormal empfunden. Umgekehrt wurde die e-Apokope auch in Kombination mit standardsprachlicher Realisierung von O/A von gut der Hälfte der dialektkompetenten Informanten akzeptiert (Straß: 45 % Ablehnung, nicht dialektkompetente Gewährspersonen 30 %). Die t-Tilgung wurde in der Kombination mit einer standardsprachlichen Verbpartikel (aufjereech) ebenfalls weitgehend als akzeptabel beurteilt (Ablehnung: 15 % dialektkompetente Informanten, 30 % andere). Die letzteren beiden Tilgungsmerkmale sind also auch aus reflektierender Sicht der Sprecher keine eindeutigen Dialektmerkmale. Bei 0/N ist dagegen die Nicht-Tilgung auch im reinen Dialekt möglich. Dass die Kombinationsmöglichkeiten in komplexen Wörtern nicht als frei angesehen werden, zeigte schon die Ablehnung des hybriden Kompositums ruutweiß. Bei den Reaktionen auf heterogene Kombinationen von Partikel und Basisverb bei trennbaren Partikelverben ist im Test ein deutlicher Unterschied je nach Kontakt- oder Distanzstellung zu verzeichnen: Die Kombination von dialektaler Partikel und nicht-dialektaler Form des Basisverbs bei Kontaktstellung wurde weitgehend ausgeschlossen (afjemacht: für 85 % der dialektkompetenten und 50 % der nicht dialektkompetenten Gewährspersonen unmöglich). Bei Distanzstellung wurde die umgekehrte Kombination dagegen akzeptiert (Sons määste dat morje(n) mit dene(n) ab: Ablehnung bei beiden Gruppen nur 20 %). In der Korpusanalyse konnte dies aus technischen Gründen nicht untersucht werden. Oberhalb der Wortformenebene wurden heterogene Kombinationen deutlich besser akzeptiert. So wurde die Kombination von dialektaler Realisierung von V/B mit standardsprachlichem Diphthong (II/EI) in dat selve Haus trotz des unmittelbaren Aufeinanderfolgens und der engen syntaktischen Verbindung nur von 30 % der dialektkompetenten und 20 % der nicht dialektkompetenten Informanten als unmöglich angesehen, die umgekehrte Kombination dat halbe Huus in beiden Gruppen von 35 % (vgl. dagegen die starke Ablehnung dieser Kombinationen im

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Weitere Untersuchungen zur Kookkurrenz

selben Morphem in schreive(n) bzw. schriibe(n), s. o.). So wurden denn auch die wechselnde Realisierung von /g/ in dat jesamte Gericht bzw. dat gesamte Jebäude von der Mehrzahl der Informanten akzeptiert (Ablehnung 45 bzw. 30 % durch die dialektkompetenten, 30 bzw. 35 % durch die anderen). Interessant ist demgegenüber die geringere Akzeptanz der heterogenen Kombination von lexemspezifischen Markern (dat/das – nit/nich(t)) in Das is nit schön (Ablehnung 65 % der dialektkompetenten und 55 % der nicht dialektkomp). Wenn hier immerhin auch ein Verstoß gegen die im Material festgestellte Implikationshierarchie vorliegt, wie auch bei dat sagt aber nix (dat plus g, Ablehnung 55 % der dialektkomp., 20 % der nicht dialektkompetenten), so gilt dies nicht für die Kombination Dat gibt et doch nich ! (dat/das regional, J/G und nit/nich(t) nichtregional) – diese Kombination wurde jedoch fast ebenso stark abgelehnt (60 bzw. 55 %). Überraschenderweise wurde umgekehrt die Kombination das jeht entgegen der Hierarchie im Material von den dialektkompetenten Sprechern weitgehend akzeptiert (nur 20 % Ablehnung, bei den nicht dialektkompetenten 40 %). Als Erklärung hierfür kommt wohl am ehesten die Tatsache in Frage, dass J/G noch als 'für ältere Sprecher ein Problem der Produktion' eingestuft wird (vgl. Kap. 9), genauso wie die dialektale Deklination in deine Opa, während die Verwendung des Markers dat eindeutig als Wahl angesehen wird. Das jeht wird insofern als Dialekt-Interferenz interpretiert, während dat gibt bei bewusster Betrachtung als Inkonsequenz erscheint. Für diese Interpretation spricht auch die Tatsache, dass bei das jeht die dialektkompetenten Informanten – anders als sonst – deutlich toleranter gegenüber der „Mischung“ sind als die nicht dialektkompetenten: Diesen Informanten, die aller Wahrscheinlichkeit nach mehr mit dialektal sozialisierten Personen zu tun haben oder hatten als die anderen, sind derartige Probleme noch geläufig (im typischen Fall des Drei-Generationen-Modells handelt es sich hier um die Schwierigkeiten, die die Generation der Eltern der bilektalen Sprecher mit dem Standard hat(te)). Ein Vergleich mit den Ergebnissen der Korpusanalyse ist in diesem Punkt nicht möglich, weil es hier um Erscheinungen des intendierten Standards geht. Bei den aufgenommenen Texten kommt es dagegen fast nirgends dazu, dass ein Sprecher sich bewusst Mühe gibt, Standard zu sprechen (ausgenommen vielleicht einige Stellen, an denen Standardsprecher zitiert oder evoziert werden sollen). Vergleichbar wäre hier stattdessen das Material der Interview-Situation des Erp-Projekts, das jedoch nicht im Hinblick auf lokale Kookkurrenz ausgewertet wurde. (Ad-hoc-)Entlehnungen aus dem Standard wurden von der überwiegenden Mehrheit der Informanten ohne weiteres akzeptiert, von den dialektkompetenten noch mehr als von den anderen (Dat w‫ۃ‬r esu huh, d‫ ۃ‬kunnt mer dat Nebenhaus janit mieh sinn: nur für 15 % der dialektkompetenten und 25 % der übrigen Informanten nicht möglich. Auch bei Entlehnung/Switching in der umgekehrten Richtung war die Akzeptanz bei den Dialektkompetenten relativ hoch (Auf die Art küdd et aber dadrunter nich so durch: 30 %/55 % Ablehnung). In diesen Fällen zeigt sich im Unterschied zwischen den beiden Gruppen offenbar, dass die erstere aus ihrer eigenen Praxis mit derartigen Phänomenen vertraut ist, während den

Informantenurteile zur Gebräuchlichkeit heterogener Kombinationen

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Gewährspersonen ohne Dialektkompetenz diese Erfahrung fehlt und sie daher eher dazu tendieren, den Wechsel als „unmöglich“ einzustufen. Insgesamt bestätigen die Einschätzungen der 20 dialektkompetenten Informanten also großenteils doch die Ergebnisse aus der Korpusanalyse, wenngleich z. T. eine grundsätzliche Ablehnung nicht-normgerechter Sätze sichtbar wird, die im Bezug auf den tatsächlichen Gebrauch nicht realistisch ist, und wenngleich die regionale Umgangssprache in der Reflexion eine Idealisierung erfährt. Es besteht zwar nie vollständige Einhelligkeit unter den Informanten, aber doch in den meisten – auch im Material eindeutigen – Fällen doch eine weitgehende Übereinstimmung. Bei den 20 nach eigenem Bekunden nicht dialektkompetenten Sprechern waren die Einschätzungen dagegen zum großen Teil sehr divergierend. Offenbar gibt es so etwas wie eine passive Kompetenz für Kookkurrenzrestriktionen nicht: Sprecher, die ein Dialekt-Merkmal – nach eigener Aussage – selbst nicht verwenden, schätzen dessen Kombinierbarkeit anders ein als Sprecher, zu deren Repertoire es gehört.

7. FAZIT: DIE ORGANISATION DER ERSCHEINUNGSFORMEN RHEINISCHER ALLTAGSSPRACHE 7.1 DIALEKT UND REGIOLEKT-STANDARD-KONTINUUM Die Analyse der Kookkurrenz hat zwei Hauptergebnisse erbracht: Zum einen gibt es in dem untersuchten Material auf der Wortebene deutliche Einschränkungen der Kombinationsmöglichkeiten. Es sind nur einige dialektale Merkmale, die im selben Wort mit standardsprachlichen Merkmalen zusammen vorkommen und damit echte Zwischenformen bilden. Eine große Zahl dialektaler Merkmale tritt dagegen nur in Kombination mit anderen Dialektmerkmalen auf, also in rein dialektalen Wortformen. Auf der Satzebene sind noch dieselben Tendenzen zu erkennen, auch die hochfrequenten lexemspezifischen Merkmale lassen sich daher noch jeweils einer dieser Gruppen zuordnen. Gleichzeitig lässt sich jedoch bei größer werdenden Einheiten eine zunehmende Lockerung dieser Regeln beobachten (die schon bei Komposita und Partikelverben beginnt). Zum anderen zeigt sich bei genauerer Untersuchung der Kombinationen auf Satzebene, dass hier keine weiteren spezifischen intermediären Strukturen zu erkennen sind. Abgesehen von der geläufigen Verwendung einiger hochfrequenter dialektaler „Kleinwörter“ (dat/wat/et, nit, un, mer) in standardsprachlichem Kotext finden sich hier keine typischen Kombinationen aus dialektalen und standardsprachlichen Wörtern, die für eine Entstehung von stabilisierten Zwischenstufen zwischen Dialekt und Standard auf dem Weg über lexikalische Entlehnung sprächen, sondern die heterogenen Kombinationen sind schwankend und umkehrbar; z. T. sollen sie offenbar auch als heterogen interpretiert werden (funktionales Code-Switching). Von einem strukturierten Zwischenbereich kann demnach nur hinsichtlich der Kombinationen weniger phonologischer und weniger lexikalischer bzw. lexemspezifischer Dialektmerkmale mit Standardmerkmalen gesprochen werden. Abgesehen von den genannten „Kleinwörtern“ handelt es sich bei diesen Merkmalen in erster Linie um die verschiedenen Ausprägungen des Gegensatzes zwischen okklusivem /g/ des Standards und den entsprechenden Frikativen im Dialekt. Auch untereinander bilden die verschiedenen positionsbedingten Varianten dieses Gegensatzes nur bestimmte Kombinationen, die auf ein jeweils einseitiges Implikationsverhältnis hinweisen. Dies entspricht der geläufigen, an LABOV anschließenden Vorstellung eines Kontinuums von unterschiedlich standard- bzw. dialektnahen Formen, dessen Abstufung einerseits von Konnotationen (mehr oder weniger als ‚dialektal‘ angesehene Varianten) und andererseits von innersprachlichen, vor allem phonetischen Faktoren bestimmt ist. So ergibt sich aus der Abstufung von

Dialekt und Regiolekt-Standard-Kontinuum

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den g-Variablen149 und dat/das, nit/nicht, mer/wir150 in Kombination mit den Standardvarianten der übrigen Merkmale ein Regiolekt-Kontinuum, das mit der Variante aCH/aG_D (gesacht) in den überregionalen Standard übergeht. Eine Abgrenzung vom Standard ist hier kaum möglich. LENZ (2003, 391) nimmt für den Wittlicher Substandard eine solche Abgrenzung vor, indem sie auf Hyperkorrektismen bei SCH/CH verweist, die auf eine Kompetenzgrenze und damit – im Sinne der Varietäten-Definition von SCHMIDT (2005a), vgl. Kap. 1.2 – eine Varietätengrenze zum Standard hindeuten. Abgesehen davon, dass die Abgrenzung damit auf einem einzigen Merkmal beruht, bei dem ein Teil des Problems nicht im Regelwissen, sondern in der (nicht rechtzeitig erworbenen) artikulatorischen Beherrschung zu liegen scheint (s. u. Kap. 8), spricht dagegen allerdings die Beobachtung, dass SCH/CH_D (nach dem vorliegenden Material, aber offenbar auch nach den Daten von LENZ, vgl. ebd., 167) im Regiolekt und sogar im Dialekt nicht obligatorisch ist und kein klarer Zusammenhang mit der Variation bei anderen Merkmalen besteht. Wenn in der Untersuchung von LENZ wie auch in der von LAUSBERG (1993) die Koronalisierung von [ç] und (bei LAUSBERG) auch das velarisierte l als letzte remanente Dialektmerkmale in der Abbauhierarchie erscheinen, also noch in ansonsten standardsprachlichen Sprachlagen, so weisen die vorliegenden Ergebnissen eher auf eine Sonderrolle dieser Merkmale hin und sprechen dagegen, sie mit den anderen Merkmalen in eine eindimensionale Skala von Sprachlagen einzuordnen: Beide Varianten von SCH/CH und L_vel/L treten auch auf Wortebene in allen Kombinationen mit Dialekt- und Standardmerkmalen auf. Als Erklärung dafür liegt nahe, dass die Abstufung, die sich in den Kombinationsmöglichkeiten ausdrückt, bei den anderen Merkmalen vor allem vom Grad der Konnotiertheit (‚dialektal‘/‚regional‘/‚ungezwungen‘) abhängt, während hier die Möglichkeiten der konnotationsgesteuerten Variation durch die besonders schlechte Kontrollierbarkeit stark eingeschränkt sind (vgl. a. Kap. 9). Konstruiert man eine Abbauhierarchie aus dem intendierten Standard von dialektal sozialisierten Sprechern (Erp), sind die besonders schlecht kontrollierbaren Dialektmerkmale diejenigen, die zuletzt übrig bleiben. Sie sind aber offenbar auch im Dialekt nicht allgemein obligatorisch. (Ob im Bezug auf die Koronalisierung die Formulierung „noch nicht obligatorisch“ oder schon „nicht mehr obligatorisch“ oder eventuell auch beides angemessen wäre, müsste in einer detaillierten sowohl diatopisch als auch nach Alter und sozialen Gruppen differenzierten Untersuchung geklärt werden.) Gleichzeitig sind sie wegen ihrer schlechten Kontrollierbarkeit und Unauffälligkeit in der Wahrnehmung der Sprecher auch weniger geeignet, „intendierte Umgangssprache“ (CORNELISSEN 1999, 110) zu charakterisieren, d. h. von Indikatoren regionaler Herkunft und dialektaler bzw. regiolektaler Primärsozialisation zu Markern eines informellen, „bodenständigen“ Stils zu werden. Die Erscheinungsformen in der informellen Rede bilektaler Sprecher unterscheiden 149 Außer Jl/Gl. 150 Vom Verhältnis zu den echt dialektalen Merkmalen her gehört auch un/und wohl in diese Gruppe, ein Implikationsverhältnis zu den übrigen „Regiolekt-Variablen“ ist aber (auf Satzebene) nicht deutlich.

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Fazit: Die Organisation der Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache

sich in diesem Punkt von der Hierarchie im „Merkmalsabbau“ im intendierten Standard von Dialektsprechern. Es wird also in den Ergebnissen sichtbar, dass „intendierte regionale Umgangssprache“ und „intendierter, aber verfehlter Standard“ nicht gleichgesetzt werden können. Wenn sich dennoch für viele Merkmale eine Übereinstimmung zwischen deren Position in der hier untersuchten „intendierten Umgangssprache“ und im intendierten Standard von Dialektsprechern ergibt151, so weist das in Richtung eines Substrat-Modells, mit dem sich auch die soeben erwähnten Abweichungen erklären lassen (s. die folgenden Kapitel). Auch die überregionalen Allegroformen (die e-Apokope in Verbformen der 1. Pers. Sg. Ind. Präs., die reduzierten Artikelformen und die Apokope von -t in jetzt und sonst) stehen außerhalb des sonstigen Variationsmusters. Sie werden von allen Sprechern nahezu immer verwendet, ein Zusammenhang mit der dialektalen oder standardsprachlichen Realisierung anderer Variablen besteht nicht. Bei den jungen Sprechern, die praktisch dialektfrei sprechen (Cluster 4), sind dies die einzigen Nonstandard-Formen, auch diese Sprecher verwenden diese Formen aber im selben Umfang wie die dialektnah sprechenden Sprecher. Im Gegensatz zu diesen Merkmalen werden die Dialektvarianten der „Dialekt-Variablen“ von einigen Sprechern (in den vorliegenden Aufnahmen) überhaupt nicht verwendet und von anderen nur in geringem Umfang. Die beiden Aufnahmen der Sprecherin S09 (vgl. Abb. 11) unterscheiden sich im Bezug auf diese Variablen besonders deutlich, deren Dialektanteil reduziert sich von S09a zu S09b von ca. 30 % auf 0–5 %. Aber auch in den Texten, in denen sie in größerem Umfang vorkommen, machen die Kookkurrenzregularitäten auf Wortebene sichtbar, dass diese Merkmale für die Sprecher klar zum Dialekt gehören, auch wenn sie sie auf Text- und sogar Satzebene mit Standardmerkmalen zusammen verwenden. Auch hier besteht also entgegen dem Eindruck aus der globalen Analyse nicht nur ein quantitativer, sondern ein qualitativer Unterschied zu den „Regiolekt-Variablen“. Einige Variablen sind von den Kookkurrenzen her weder klar in die eine noch in die andere Gruppe einzuordnen. Das sind vor allem diejenigen, bei denen die Dialektvariante eine Reduktion bzw. Tilgung bedeutet (0/T, 0/E – 0/N ist dagegen auch im Dialekt ein Sonderfall). Kombinationen mit nichtdialektalen Merkmalen sind hier seltener als bei den Variablen der „Regiolekt“-Gruppe, sie kommen aber durchaus vor. Als „genuin umgangssprachliches“ Merkmal ist schließlich CHt/Rt zu erwähnen, wo die untersuchte Nonstandard-Variante nicht aus dem Dialekt stammt und auch nicht zusammen mit Dialektindikatoren verwendet wird, im Zusammenhang mit heterogenen, regiolektalen Kombinationen dagegen obligatorisch zu sein scheint, wie das Beispiel Garten nahelegt (s. Kap. 6.2). Allerdings ist die Abgrenzung zum Standard auch in diesem Fall schwierig; die Variante ist auch in ansonsten standardsprachlichen Wortformen üblich. Auch hier dürfte bei

151 Vgl. Kap. 2.3 zu den Ergebnissen.von LAUSBERG (1993).

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vielen Sprechern kein Bewusstsein vorhanden sein, dass es sich um eine einer Nonstandard-Variante handelt152. Einige Merkmale sind also nicht problemlos in eine eindimensionale Standard-Dialekt-Skala einzuordnen; insbesondere die Faktoren der Kontrollierbarkeit und der artikulatorischen Reduktion kreuzen sich hier mit der Abstufung der dialektalen Konnotiertheit. Fasst man das Bild zusammen, das sich aus den Kookkurrenzen für die übrigen Variablen (die Dialekt- und Regiolekt-Variablen) ergibt, ist als Modell für die Organisation des ripuarischen Repertoires weder ein durchgehendes Kontinuum noch eine Gliederung in drei oder mehr distinkte Stufen anzusetzen, sondern eine Kombination beider Modelle: Es gibt eine Bruchstelle zwischen einem reinen Dialektbereich, zu dem eine große Reihe von Merkmalen gehört, die nur in lokal rein dialektaler Rede erscheinen, und einem Bereich, in dem bestimmte Dialektvarianten mit Standardvarianten kombiniert auftreten können. Der letztere Bereich ist in sich eher als Kontinuum organisiert und geht in den (großregionalen) Standard über. Die Untersuchung bestätigt also empirisch die Darstellung der Situation bei CORNELISSEN (2005, 29)153: „Zwischen stark regional gefärbtem Rheinisch und intendierter Standardsprache gibt es Stufen und Stüfchen. [...] Der Dialektsprecher kann außerdem zwischen Dialekt einerseits und Rheinisch/Hochdeutsch auf der anderen Seite wählen.“ Eine ‚regionale Umgangssprache‘ im Sinne einer Varietät mit einem festen Merkmals-Set gibt es nach diesen Ergebnissen im ripuarischen Raum nicht, wohl aber einen Regiolekt-Bereich, der vom Dialekt klar abgegrenzt ist. Zum Standard hin fehlt dagegen eine solche klare Abgrenzung. Eine echte Konsolidierung eines intermediären Bereichs zwischen Dialekt und Standard im Sinne einer bestimmten Varietät zeigt sich in diesen Ergebnissen also nicht, allenfalls eine Stabilisierung dieser Implikationsstruktur. Die Wahl etwa zwischen jejangen und jegangen ist jedoch frei, hier besteht keine Gebrauchsnorm, die „Konsequenz“ verlangte, wie im dialektalen Bereich. Dieser Befund deckt sich besser als das Kontinuum-Modell oder das Modell einer Varietäten-Schichtung mit der Einschätzung von Laien, die relativ übereinstimmend zwischen „Platt“ und nichtdialektalem Nonstandard unterscheiden, jedoch zumeist nicht über ein spezifisches Konzept „Regiolekt“ verfügen. Wenn dennoch manche Informanten eine Idealvorstellung von „den“ Formen rheinischer Umgangssprache skizzieren (s. Kap. 1.2, 6.3), so bezieht sich diese offensichtlich auf den standardfernsten Punkt des nichtdialektalen Regiolekt-Kontinuums, idealisiert diesen also zur Varietät. Das ist insofern nicht überraschend, als einerseits der Dialekt im Rheinland nicht mehr die allgemein übliche Sprache der informellen Interaktion darstellt, andererseits die metasprachliche Reflexion gerade bei derartigen Befragungen das Orts- oder Regionaltypische sucht. Dementsprechend werden in „typischen“ Satzbeispielen alle regionalspezifischen Varianten, deren Verwendung nicht auf den Dialekt beschränkt ist, kumuliert. 152 WINTER (2002, 112–119, bes. 117) stellt diesbezüglich erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Sprechern fest. 153 Vgl. ebenso CORNELISSEN (2001, 371).

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Fazit: Die Organisation der Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache

7.2 CODE-SWITCHING UND CODE-MIXING Aus diesem Modell des Sprachlagenspektrums folgt allerdings, dass die oberhalb der Wortebene vorgefundenen „Verstöße“ gegen die festgestellten Kookkurrenzregeln als Code-Switching eingestuft werden müssen. Zwar ist der überwiegende Teil der Sätze und Äußerungen entweder klar in den Regiolekt-/Standard-Bereich (mit mehr oder weniger Schwankungen) oder in den Dialekt einzuordnen, aber solche „Verstöße“ spielen doch schon auf der Ebene des Redebeitrags eine erhebliche Rolle, sodass man auf ein ständiges Wechseln zwischen Dialekt und Regiolekt/Standard schließen müsste. Der Einwand liegt nahe, dass damit die Realität in inadäquate Schubladen gepresst wird, zumal deutlich ist, dass diese Form der Kommunikation von den Gesprächsteilnehmern als üblich und unauffällig empfunden wird. Demgegenüber entspricht die Trennung zwischen dialektalem und nichtdialektalem Bereich jedoch der Tatsache, dass Dialekt und Standard zunächst einmal verschiedene Kompetenzen voraussetzen und ein bruchloser Übergang dazwischen nicht ohne weiteres erklärbar wäre. Vorstellbar wäre die Entstehung eines solchen Gesamtkontinuums auf dem Wege lexikalischer Diffusion von phonologischen Varianten bzw. über die Etablierung von Kombinationen von bestimmten dialektalen und standardsprachlichen Wortformen. Das erscheint angesichts der hier zugrundegelegten Annahmen über Vernetzung im mentalen Lexikon psycholinguistisch nicht unplausibel; durch häufiges varietätenübergreifendes Zusammen-Verwenden dialektaler und standardsprachlicher Wortformen könnten sich bestimmte Kombinationen einbürgern, die (historisch gesehen) phonologisch heterogen sind. Ein Kontinuum aus solchen Kombinationen wäre in der Tat oberhalb der Wortebene zu verorten (was dann allerdings die Beschreibung mittels phonembezogener Variablenanalysen fragwürdig macht). Im vorliegenden Fall wird dieses Modell jedoch durch das Material nicht bestätigt. Die heterogenen Einheiten auf Satz- und Äußerungsebene lassen jedenfalls bei den frequenten Wörtern keine Verfestigung bestimmter lexikalischer Kombinationen erkennen, sondern im Gegenteil eine weitgehende Beliebigkeit in der Kombination der dialektalen oder standardsprachlichen Ausprägung der Kognaten. „Beliebigkeit“ bezieht sich dabei auf das Fehlen von Kookkurrenzrestriktionen, nicht darauf, dass mit der Wahl der einen oder der anderen Variante nicht (teilweise offenkundig, teilweise eventuell) lokale kommunikative Absichten und Hinweise verbunden sind. Letzteres allein muss zwar noch nicht den Wechsel zwischen verschiedenen Systemen implizieren, aber zumindest das Wahrnehmen einer Änderung seitens der Adressaten. Zusammen mit der historischen Heterogenität spricht es insofern auch für die Deutung als Wechsel, zumal auch die Sprecher in der Regel in der Lage sind, die einzelnen Formen dem Dialekt oder dem Standard zuzuordnen. So ist es schließlich auch nicht mehr ganz so kontraintuitiv, für viele der untersuchten Aufnahmen einen häufigen/ständigen Wechsel zwischen zwei gleichzeitig aktivierten Kompetenzen (Dialekt und Regiolekt/Standard) der Sprecher anzunehmen, wenn man sich vor Augen hält, dass die gleichen Code-Mixing-

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Erscheinungen auch im Kontakt zwischen wenig oder nicht verwandten bzw. sogar typologisch sehr unterschiedlichen Sprachen ganz gebräuchlich sein können. In solchen Fällen ist nur offenkundiger, dass die Üblichkeit einer solchen „gemischten“ Kommunikationsform noch nicht unmittelbar mit der Entstehung von spezifischen „hybriden“ Strukturen (Mischvarietäten bzw. -sprachen) gleichzusetzen ist. Alle hier beobachteten Erscheinungsformen heterogener Einheiten oberhalb der Wortebene sind auch aus dem Sprachkontakt bekannt. Das gilt selbstverständlich für die massive (Ad-hoc-)Entlehnung von einzelnen Substantiven oder auch idiomatischen Wortgruppen, die im Zusammenhang mit lexikalischen Lükken, typischen kulturellen und sprachlichen Kontexten etc. eine ganz geläufige Erscheinung ist154. Das gilt auch für Code-Switching ohne lexikalische Notwendigkeit in solchen Zusammenhängen, z. B. bei Preisangaben wie in Bsp. 29 üvver zweitausend Mark155. Aber auch Wechsel bzw. Ad-hoc-Entlehnung ohne von außen ersichtlichen Grund, etwa bei einzelnen Funktionswörtern, ist im Sprachkontakt häufig belegt. Erklärt wird dies mit dem bilingualen Sprechmodus (s. Kap. 1.1), in dem die Trennung der Sprachen nicht beabsichtigt ist, sodass – vor dem Hintergrund sprachenübergreifender Aktivierung im mentalen Lexikon – das zuerst verfügbare Wort gewählt wird (vgl. GROSJEAN 1982, 125, RIEHL 2002, 74– 75). FÖLDES (2005, 176) beobachtet dabei insbesondere eine „relativ hohe Frequenz der Tranferenz von Konjunktionen“156; aber auch Satzadverbien, Modalpartikeln, Diskurspartikeln sind typische „Kandidaten“ für punktuellen Wechsel. Die Ergebnisse für ävver/aber (s. o. Kap. 6.2, Bsp. 31/33), als Konjunktion oder als Diskurspartikel, passen also genau zu diesen Erfahrungen aus dem Sprachkontakt, vgl.: (72) a. japanisch-engl.: Dakedo I don’t like New York ‘Aber..’ (ROMAINE 1995, 146 nach NISHIMURA 1986) b. ital.-dt.: Ma, die Ansagerinnen die sind nicht so geschminkt, die italienischen. (RIEHL 2004, 84) c. frz.-dt: Mais, das ist nicht der Weg nach Malmédy. (RIEHL 2004, 84) d. frz.-ital.: È la mia lingua mais da quando ho finito la scuola ... (OESCH SERRA 1998, 112)

In der Literatur gibt es zahlreiche weitere Beispiele dafür, dass Ad-hocEntlehnung von Satzadverbien, Partikeln, Interjektionen u. ä. häufig ist, z. B.:

154 Vgl. z. B. zahlreiche deutsch-ungarische Beispiele bei FÖLDES (2005, 131–132, 309). 155 Vgl. La consulta era eight dollars. (Mexikaner in den USA; aus Valdes Fallis 1976, zit. in GROSJEAN 2001, 151). 156 Als Beispiele führt er ungar. hogy ‘dass’ oder hanem ‘sondern’ in dt. (dialektalen) Sätzen an (ebd., 174–177), z. B. Des ka: ma so it: mach:a, hogy jetz: gang: e ånd tu:ar dr A:wäschlåmpa steahla. (‘Das kann man so nicht machen, dass jetzt gehe ich und tue den Abwaschlappen stehlen.’); ganz parallel ist das Beispiel von POPLACK (1979/80:237): I could understand que you don’t know how to speak Spanish.

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Fazit: Die Organisation der Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache (73) afrikaans-dt. Ich will jetzt wrachtach nicht zur Lokasi fahren. (Namibia; afrikaans wrachtig ‘wirklich’) (RIEHL 2004, 84) (74) ungar.-dt.: Különben bi:n i: scha lang nem:i gse:i en Kalocsa. (‘Ansonsten ...’) (FÖLDES 2005, 134) (75)

türk.-dt.: Neyse, hab isch misch hingesetzt, iúte, (KALLMEYER u. a. 2002: 18)

morgens. (‘Nun, ... , halt, ...’)

Selbst bei Partikelverben und Komposita sind heterogene Zusammensetzungen auch bei sehr verschiedenen Sprachen nicht ungewöhnlich, wenn das Mischen („bilingualer Modus“) als solches üblich ist, vgl.: (76) Törpegu:le ‘Zwerghahn’, aus ungar. Törpe ‘Zwerg’ + schwäb. Gule ‘Hahn’ (FÖLDES 2005, 117) (77) Nyugdíjasze:adl: ‘Rentnerzettel’, aus ungar. nyugdíjas ‘Rentner’ + dt. Zettel (ebd.) (78) Waffelprijanik dt. Waffel + russ. prijanik ‘Gebäck’ (RIEHL 2004, 81) (79) Grüngrocer dt. grün + engl. grocer (ROMAINE 1995, 56 nach CLYNE 1967)

Die von FÖLDES (2005, 132) aufgeführten Beispiele hybrider Partikelverben zeigen auch, dass bei derselben Sprechergruppe heterogene Kombinationen in beiden Richtungen möglich sind: (80) ausmosni ‘auswaschen’ (81) råm:turkálna ‘herumstochern’ (82) råm:kínlódnid ‘herumgeplagt’

aber umgekehrt (83) visszabracht ‘zurückgebracht’ (84) fölgschit:led ‘durchgeschüttelt’.

Auch die Transferenz von ganzen Wortgruppen ist eine häufige Erscheinung, gerade auch – wie im vorliegenden Material gesehen – bei kommentierenden und diskursstrukturierenden Wendungen; vgl. y toda esa mierda oder I mean oder ¿entiendes? (POPLACK 1979/80:237). Die letzten drei Beispiele stammen alle aus Äußerungen derselben Sprechergruppe und zeigen also wie die entsprechenden ripuarischen Beispiele jя joot bzw. ja gut in Kap. 6.2 (63.1–3), dass die Richtung des Wechsels dabei nicht unbedingt festliegt, sondern nur das abstrakte Muster der Übernahme solcher Wendungen in Äußerungen in der jeweils anderen Sprache. Wenn diese Wechsel noch klar umrissen sind, so beobachten FÖLDES (2005) wie KALLMEYER u. a. (2002) im Kontakt zwischen Ungarisch und Deutsch bzw. Türkisch und Deutsch auch Wechsel mitten im Satz ganz ohne ersichtlichen Grund157: (85) Tuar’s n:ei a Sup:ába. (‘Tu es hinein in die Suppe.’) (FÖLDES 2005, 111)

157 Vgl. a. KALLMEYER u. a. (2002, 12–13).

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(86) D’ Luckri szétschäar:ázta a Neaschtot. (‘Die Glucke zerscharrte das Nest’) (FÖLDES ebd., 164)158 (87) Ob’s der Bruder is oder Kamer; o da konuúma die gan=Zeit ben de böyl=aptõm (‘Er hat auch nicht gesprochen, die ganze Zeit, und ich habe so gemacht.’) (KALLMEYER u. a. 2002, 17) (88) riff.i úimdi bi vergessen et für ne Zeitlang (‘Jetzt vergiss mal Riff für ne Zeitlang’) (ebd., 13)

Beispiele für derart dichtes Code-Mixing gibt es (u. a.) auch aus dem Kontakt zwischen Italienisch und Schweizer Dialekt oder zwischen Italienisch, Spanisch und Englisch: (89) Perché meinsch se tu ti mangi emmentaler o se tu ti mangi una fontina isch au en unterschied oder ? schlussändlich è sempre lì però il gusto isch andersch. (FRANCESCHINI 1998, 59) (90) un giorno normale en la city la cosa che me sorprende de Australia che/que el lune el marte el miercoles tu va a la city plenty people (CLYNE/CASSIA 1999, 69)

Diese Beobachtung „grundlosen“ Wechselns wird in dem Titel-Zitat von POP(1979/80) auf den Punkt gebracht: „Sometimes I’ll start a sentence in Spanish y termino en español“. Die Sprecher selbst geben explizit an, dass ihnen derartige Switchs – auch bei erheblichem sprachlichen Kontrast – oft nicht bewusst sind: „We keep mixing [zwischen Panjabi und Englisch]. I mean unconsciously, subconsciously, we keep doing it“ (zit. nach ROMAINE 1995, 122 – vgl. a. ebd. 120, 291, vgl. a. FÖLDES 2005, 250–251). Wenn dergleichen nun bei Bilingualität mit zum Teil großen strukturellen Unterschieden zwischen den Sprachen so geläufig sein kann, ist es bei Bilektalität umso näherliegend, da hier ja nicht nur semantisch, sondern auch meistens ausdrucksseitig sprachübergreifende Verbindungen zwischen den Wörtern bestehen (vgl. RIEHL 2002, 69–72), sogar Identität bzw. interlinguale Homophonie häufig ist (vgl. a. Clynes trigger-words) und kaum grammatische Hindernisse vorkommen, also nach MUYSKEN (2000) meistens kongruente Lexikalisierung vorläge. Insofern ist die Annahme eines häufigen, auch sehr kleinschrittigen Wechsels zwischen Dialekt und Regiolekt/Standard oberhalb der Wortebene im freien Gespräch unter dialektkompetenten Sprechern auf den zweiten Blick recht plausibel. Dies entspricht auch hier der Sicht der Sprecher selbst. Die von KREYMANN (1994) zitierten Erper Gewährspersonen beschreiben ihr Verhalten exakt so wie die Informanten von POPLACK (1979/80): LACK

Das geht automatisch. Das geht von einem Satz, von einem Satz kann das zum anderen sein. Es kann sein, daß ich nen Satz auf Hochdeutsch anfange, und beende ihn auf Platt – jenachdem. (zit. nach KREYMANN 1994, 222)

158 Zu analysieren wohl als Switch der Matrixsprache zum Ungarischen bei szétschäar:ázta, wobei jedoch Verb und Nomen als Ad-hoc-Entlehnung wieder aus dem dt. Dialekt übernommen und morphologisch ins Ungarische integriert werden.

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Fazit: Die Organisation der Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache Dat is [...] dieselbe Frage, dasselbe Wort: Kann sein, dat fünf Minuten später, wat jetzt auf Hochdeutsch auch Platt gesprochen wird oder umgekehrt (ebd., 225, Auslassung orig.) Aber kreuz und quer gemischt [...], also dat is Kuddelmuddel. Die meisten sprechen genauso wie wir meistens kein reines Hochdeutsch, sondern dieses Mischmasch zwischen Dialektund Hochdeutschphasen. Das geht oft nahtlos ineinander über in einem Satz [...] Gar nicht kontrollliert und auch gar nicht gefiltert, daß man sagt: Jetzt sprech ich das hochdeutsch aus oder das andere in Platt. Wie’s grad kommt. Man kann das gar nicht mehr genau trennen. (ebd., 226–227, Auslassungen orig.)

(In Abgrenzung von einem reinen Code-Switching-Modell ist im vorliegenden Fall aber noch einmal hervorzuheben, dass der Wechsel nicht nur zwischen den Polen Dialekt und Standard stattfindet, sondern zwischen dem Dialekt und einem Regiolekt-Standard-Kontinuum, in dem tatsächlich etablierte Zwischenformen existieren.) Wenn nun die angeführten Argumente und Beispiele den Einwand der Unwahrscheinlichkeit ständigen Wechselns entkräften, könnte gegen dieses Modell immer noch eingewendet werden, dass es der offensichtlichen Gebräuchlichkeit dieses „gemischten“ Sprechens nicht gerecht wird. Genau diese Etabliertheit des Code-Mixing in bestimmten Interaktions-Konstellationen ist wiederum auch für Sprechergruppen, die verschiedene Sprachen mischen, hervorgehoben worden. Dass tatsächlich nicht nur lokal bedeutungsvoller Wechsel vorkommt, sondern in bestimmten Sprechergruppen und -konstellationen ein (lokal oft bedeutungsloses) Wechseln als solches, ein „bilingual-oszillierender Sprech- bzw. Gesprächsstil“ (FÖLDES 2005, 299), selbst eine Funktion hat, insofern einen bestimmten Code darstellt, hat schon POPLACK (1979/80) bei den Puertoricanern in New York festgestellt, und seitdem sind ähnliche Beobachtungen in einer Vielzahl von Kontaktsituationen gemacht worden. Einige Autoren lehnen mit Hinweis darauf ein Auseinander-Dividieren in der linguistischen Analyse mehr oder weniger kategorisch ab und erklären das Code-Mixing selbst zu einem spezifischen Code oder einer (Kontakt-)Varietät. We can say that CS [= Code-Switching, R.M.] has come to be used as a consistent code of its own, like another focused language, with all its possible variability. The mixture behaves more like a unique code than like two different ones, and they are far from duelling. Or to use Gardner-Chloros’s terms: ‚What others call a mixture is the given, the starting point‘ (1995, 69). (FRANCESCHINI 1998b, 61)159

Im Wesentlichen handelt es sich hier jedoch um eine Frage der Perspektive bzw. der Akzentuierung unterschiedlicher Dimensionen von Sprache. LÜDI (1998) unterstreicht dies, wenn er darauf hinweist, dass sich das von FRANCESCHINI beschriebene „Italoschwyz“ trotz seines spezifischen Namens und seiner kommunikativen Etabliertheit sprachstrukturell deutlich von „echten“ Mischsprachen unterscheidet: „Die Verteilungen der Elemente von Sprache A und Sprache B sind nicht rigide und komplementär, sondern dynamisch, mit breiten Überlappungsbe159 Vgl. a. Kap. 1.1 zu GARDNER-CHLOROS (1995) und deren Zweifel an dem „myth of the discreteness of linguistic systems“.

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reichen.“ Die Sprecher sind zudem auch noch in der Lage, die beiden Sprachen zu trennen160. In der Terminologie von AUER (1998b) handelt es sich hier also nicht um einen fused lect, sondern um language mixing. Die Situation des „Italoschwyz“ ist durchaus mit derjenigen vergleichbar, die in einigen Gesprächen des vorliegenden Korpus anzutreffen ist. Auch hier stellt das Code-Mixing für die beteiligten Sprecher in der betreffenden Situation die „unmarkierte Sprachenwahl“ (MYERS-SCOTTON 1998 u. ö.) dar und kann insofern als spezifischer funktionaler Code eingestuft werden (der sich aber eben dadurch auszeichnet, dass er aus der Mischung mehrerer sprachlicher Systeme besteht). Die Bilektalität prägt – wie in den angeführten Kontaktsituationen – den Alltag der Sprecher, jeder kann sicher sein, dass die Gesprächspartner ihn in beiden Varietäten verstehen; daher ist der bilinguale bzw. bilektale Sprechmodus bei Gesprächen innerhalb dieser Gruppe normal. Während in den zitierten Sprachkontakt-Fällen die Mehrsprachigkeit als solche eine konstitutive, identitätsstiftende Rolle für die Gruppe spielen kann (vgl. z. B. HINNENKAMP 2000), kann das „gemischte Sprechen“ im vorliegenden Fall eine Verbindung von regionaler Bodenständigkeit (Orts- bzw. Landschaftsloyalität) oder verbindender Tradition einerseits und Modernität, Bildung, sozialem Aufstieg andererseits symbolisieren. In diese Richtung weist z. B. der Kommentar der Protagonistin in Ulla Hahns autobiographisch unterlegtem Roman „Das verborgene Wort“ (vgl. NELLEN 2005), die die Spannung zwischen ihrem dörflich-bildungsfernen Herkunftsmilieu und ihren persönlichen Bildungsambitionen zu überbrücken versucht: „Ich hatte mir angewöhnt, mit Eltern, Verwandten und Nachbarn eine unbestimmte Mischung aus Kölsch und Hochdeutsch zu sprechen.“ Gleichwohl differenziert sie innerhalb der „unbestimmten Mischung“ gezielt: „Kölsch für Belangloses, Hochdeutsch fürs Wichtige. Reines Hochdeutsch für den Widerspruch.“161 (Zu der Unterscheidung zwischen Hochdeutsch und reinem Hochdeutsch vgl. Kap. 10) Dass funktionaler und nicht-funktionaler Wechsel bei derselben Sprechergruppe koexistierende und oft schwer unterscheidbare Praktiken darstellen, ist eine offenbar verbreitete Erscheinung, was nur durch die Fokussierung der For160 Das Problem der Diskussion, das hier aus den unterschiedlichen Sichtweisen bzw. unterschiedlichen Definitionen von „Sprache“ erwächst (vgl. LÜDI ebd., 151–152), stellt sich in verschärfter Form für den Begriff „Varietät“. Bei FÖLDES (2005) gewinnt die Darstellung jedenfalls nicht an Klarheit, wenn einerseits ein „besonderer Varietätentyp“ angesetzt wird (ebd., 299), nämlich der einer „bilingualen Kontaktvarietät“, charakterisiert durch „Hybriditätsformen“, die „praktisch eine neue, dritte Größe“ verkörpern (ebd.), andererseits aber von „Sprachenmischung bzw. ‘Varietätengebrauchs-Mischung’“ (ebd., 38) und von den „am arealen Kontaktgeschehen beteiligen Sprachvarietäten“ (nämlich dem ungarndeutschen Ortsdialekt und dem Ungarischen) die Rede ist, wobei schließlich konstatiert wird, dass „im bilingualen Diskursmodus praktisch jedes ungarische Lexem als Augenblickslösung im ansonsten deutschsprachigen Kotext verwendbar“ ist (FÖLDES 2005, 305) und „die analysierte Kontaktvarietät [...]von Sprecher zu Sprecher, von Situation zu Situation und die Art bzw. der Grad der Hybridisierung von Äußerung zu Äußerung“ variiert (ebd., 299). Offenbar ist die „neue“ Varietät hier im Wesentlichen doch nur eine wechselnde Mischung aus den „alten“ (stabilen) Varietäten. 161 Ulla Hahn: Das verborgene Wort. 2. Aufl. München 2003, S. 206.

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schungsperspektive auf das eine oder das andere oft verdeckt ist. Auch darin bestehen genaue Parallelen zwischen dem vorliegenden Material und den Korpora von FÖLDES (2005), KALLMEYER u. a. (2002) und anderen: Das Wechseln ist teilweise unmotiviert, dient aber an anderen Stellen auch offenkundig zur Diskursstrukturierung, zur Markierung von Zitaten162, Kommentaren, zur „zweisprachigen Bekräftigung“163 und anderen „metaphorischen“ Zwecken. Ein solches Nebeneinander von kleinschrittigem Code-Mixing ohne erkennbare Funktion einerseits und funktionalem Code-Switching andererseits ist offenbar eher die Regel als die Ausnahme. So wird auch in verschiedenen Arbeiten zum funktionalen Code-Switching und -Shifting zwischen Dialekt und Standard darauf hingewiesen, dass auch unmotivierter Wechsel, „Alternanz“, „Code-Fluktuation“ vorkommt164. Dies steht dann weniger im Zentrum der Analyse, weil es keine interessanten Einblicke in sprachliches Handeln eröffnet. Im Hinblick auf den Umgang der betreffenden Sprecher mit den Varianten und Varietäten, über die sie verfügen, ist es jedoch wichtig, zu konstatieren, dass ein solches „Oszillieren“ – im Code-Mixing weit über das Maß an Variation hinaus, das sich auch bei monolingualen/-lektalen Sprechern findet – auch außerhalb des funktionalen Wechselns offenbar eine Normalität für sie darstellt. Umgekehrt räumt auch FRANCESCHINI (1998, 60) – trotz ihrer Einschätzung des „Italoschwyz“ als „consistent code of its own“ – ein, dass auch im „Italoschwyz“ funktional zu interpretierende Wechsel zwischen Italienisch und Schweizerdeutsch vorkommen. Dass ein solches Nebeneinander möglich ist, ist – wie in Kap. 6.2 schon gesagt – wohl damit zu erklären, dass die Adressaten aus dem Kontext beurteilen können, ob eine Kommunikationsintention hinter dem Wechsel steht oder nicht. Funktionales Code-Switching setzt jedoch voraus, dass die Sprecher einen Wechsel als solchen wahrnehmen (während die Unterscheidung von verschiedenen Systemen durch die Sprecher nicht unbedingt bedeutet, dass jeder Wechsel funktional sein muss). Dies muss kein Sprach- oder Varietätenwechsel sein, wenn ein solcher jedoch konstatiert werden kann, ist anzunehmen, dass nach ALVAREZ CÁCCAMO (2000) „CodeSwitching mit language alternation“ stattfindet und nicht beides unabhängig voneinander. Es handelt sich bei „heterogenen“ Erscheinungen dann also nicht um spezifische Charakteristika eines neuen fused lect. So zeigt die Analyse des Mixing zwischen Dialekt und Regiolekt/Standard im vorliegenden Korpus denn auch keine stabilisierten spezifischen Kombinationen. Im Regiolekt-Bereich sind solche dagegen zu finden. Obgleich sie auch dort kein festes Set von Merkmalen bilden, sondern ein Kontinuum, sodass auch der „Regiolekt“ nicht als spezifische Varietät eingestuft werden kann, handelt es sich hier tatsächlich um die Herausbildung neuer Strukturen im „mittleren Bereich“. Wenn diese vermittelnden Strukturen entgegen dem üblichen Kontinuum-Modell jedoch keinen bruchlosen Übergang 162 Vgl. FÖLDES (2005, 225), ROMAINE (1995, 162). 163 FÖLDES (2005, 239–240); ROMAINE (1995, 143); KALLMEYER u. a. (2002, 14). 164 Vgl. z. B. AUER (1986, 119); MACHA (1991, 210–213); KALLMEYER u. a. (2002, 1–3, bes. Anm.1).

Code-Mixing als Verdichtungsbereich

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zwischen Dialekt und Standard herstellen, sondern eine Grenze zum Dialekt hin erkennbar wird, so erklärt sich dies mit der Genese der Zwischenformen im Zusammenhang mit den entsprechenden Intentionen der Sprecher. Dies ist Gegenstand der letzten Kapitel – im Folgenden soll jedoch zuerst noch ein Blick darauf geworfen werden, wie sich das untersuchte Code-Mixing im global-statistischen Zugriff darstellt.

7.3 CODE-MIXING ALS VERDICHTUNGSBEREICH In wesentlichen Punkten stimmen die Ergebnisse der lokalen KookkurrenzAnalyse gut zu denen der globalen Clusteranalyse in Kap. 4: Auch dort wird deutlich, besonders in den Werten des Clusters 3 (vgl. Abb. 7), dass die „DialektVariablen“ von den „Regiolekt-Variablen“ zu unterscheiden sind, diese wiederum von den nicht regionalspezifischen Allegromerkmalen, und dass SCH/CH und L_vel/L erheblich stärker und relativ unabhängig von den übrigen Variablen variieren. Nicht sichtbar wird dort jedoch, dass die „Dialekt-Variablen“ auch in den Texten aus Cluster 1 und 2 nicht einfach etwas seltener dialektal realisiert sind als die „Regiolekt-Variablen“, sondern in anderer Weise verwendet werden, nämlich im Rahmen von Code-Switching/-Mixing. Die graduelle Abstufung zwischen relativ hohen Werten, niedrigeren und niedrigen Werten und Null, die die globale Analyse bei diesen Variablen zeigt (vgl. Abb. 5 bis 7), resultiert in Wirklichkeit aus häufigeren oder selteneren, aber lokal immer vollständigen Wechseln in den Dialekt. In einer isolierten Analyse der Ergebnisse für verschiedene Variablen kann dies nicht sichtbar werden; danach wären die Verhältnisse bei den gVariablen nicht grundsätzlich anders, sondern nur – bezogen auf die vier Cluster – um eine Stufe nach oben versetzt (in Cluster 4 sind die Werte auch für diese Variablen weitgehend auf null reduziert). Bei den g-Variablen ist aber tatsächlich eine Abstufung von Zwischenformen bzw. eine graduelle Annäherung an Standard oder Dialekt möglich. Nach den Ergebnissen aus Kap. 6.2 ist nun deutlich, dass die mittleren Werte für die „Dialekt-Variablen“ durch „gemischte“ Verwendung von Wortformen aus Dialekt und Regiolekt/Standard im Rahmen von „kongruenter Lexikalisierung“ zustande kommen. Bei (phonologisch-)variablenanalytischer Untersuchung unter Summierung aller Daten oder unter Bildung von Mittelwerten aus allen Sprechertexten kann sich so in der Tat ein Kontinuum von Werten ergeben, das alle Variablen umfasst und keine Bruchstelle zwischen Dialekt und Regiolekt/Standard erkennen lässt. Wenn eine solche Mischung allerdings schon auf Satzebene so instabil ist wie im vorliegenden Material, wenn bei höherfrequenten Wörtern alle Kombinationen zwischen den dialektalen und den standardsprachlichen Formen möglich sind, erscheint es nicht angemessen, von einem Kontinuum von Strukturen zu sprechen. Ebensowenig wie Kennzeichen für eine Stabilisierung der Varietätenmischung hin zu einer Mischvarietät erkennbar sind, haben sich Regeln gezeigt, aus denen sich eine kontinuierliche Abstufung von Sprachlagen mit verschiedenen Anteilen von Dialektindikatoren ergibt.

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Fazit: Die Organisation der Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache

Wenn derartiges Code-Mixing jedoch mit den Verfahren der globalen Variablenanalyse untersucht wird, hängen die Ergebnisse – die resultierende Abstufung von Sprachlagen wie schon die ermittelten Anteile pro Variante (d. h. im Sinne LABOVS die Wahrscheinlichkeit von deren Auftreten) – wesentlich von dem mehr oder weniger zufälligen Ausschnitt der analysierten Aufnahme ab. Im Rahmen dieses Ausschnittes summiert sich die zielgerichtete oder auch nicht zielgerichtete „Flexibilität“ der Sprecher im Gesprächsverlauf zwangsläufig zu bestimmten Quantitätsverhältnissen. Schon die lexikalischen Entlehnungen aus dem Standard in den Dialekt kommen ja nicht in einem bestimmten bzw. wirklich voraussagbaren Umfang vor – es ist auch für ein informelles Gespräch unter bestimmten Sprechern nicht voraussagbar, wieviel Prozent der Wörter mit Belegen für V/B Wörter vom Typ Oberschenkelhalsbruch sein werden. Derartiges lässt sich auch mit einem Domänenkonzept nicht erfassen. Wenn solche Wörter von der Berechnung ausgeschlossen werden, entsprechen die ermittelten Verhältnisse jedoch auch nicht dem, was tatsächlich gesprochen wird. Mit dem Anteil solcher Entlehnungen – der wiederum mit dem Gesprächsthema zusammenhängt – erhöht sich aber automatisch der Standard-Anteil bei einigen Variablen. In einem im bilektalen Modus geführten Gespräch erhöht sich damit darüber hinaus auch die Wahrscheinlichkeit des triggering, also der Verwendung anderer StandardElemente im Umfeld dieser Wörter. Und für alle vorliegenden Aufnahmen, in denen (über einzelne Brocken hinaus) „Dialekt-Indikatoren“ vorkommen, ist (zumindest teilweise) ein bilektaler Modus anzunehmen, selbst wenn mehr oder weniger lange Strecken rein dialektal sind. Wenn also die vorhandenen Materialmengen nicht so groß sind, dass derartiges ausgeglichen wird, kann das globalstatistische Ermitteln variablenspezifischer „Wahrscheinlichkeiten“ des Auftretens von phonologischen Standardvarianten bei solchen Texten nur unsichere Ergebnisse liefern. In Kap. 6.2 wurden dabei nur die Wechsel innerhalb von Sätzen und Äußerungen näher betrachtet, aber in die global-statistische Auswertung gehen ja die Schwankungen im Verlauf eines ganzen Gesprächs ein. Sicherlich ist plausibel, dass der Anteil dialektaler und nicht-dialektaler Elemente sich über einen längeren Text hin auf ein für einen Sprecher, eventuell auch einen Sprechertyp in einer Situation einigermaßen typisches Gesamtverhältnis einpendelt. Eine Abstufung von solchen Sprachlagen – wie die Unterscheidung zwischen Cluster 1 und Cluster 2 in Kap. 4.3 – ist jedoch dann eine rein quantitative Erscheinung, es handelt sich ggf. um ein Kontinuum von Mischungsverhältnissen, nicht von Strukturen, wobei ein tatsächliches (im einzelnen implikatives) Kontinuum solcher Mischungsverhältnisse nur sehr ansatzweise zustandekommt, wie ja auch in Kap. 4 gesehen. Was dahinter steht, ist eher das Kontinuum zwischen (rein) monolingualem und (ausgewogen) bilektalem Sprechmodus, demzufolge es leichter oder weniger leicht zur Verwendung von Elementen der zweiten Varietät kommt. Auch in dieser Hinsicht ist jedoch mit innersituativen Veränderungen zu rechnen. What is established at the start of the interaction is the default or unmarked mode for the interaction. [...] Plurilinguals activate and deactivate their languages to varying degrees so that their position on the mode continuum may change during the interaction. (CLYNE 2003, 211)

Code-Mixing als Verdichtungsbereich

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Wie sich die Ergebnisse solcher global-statistischen Variablenanalysen zu den in Kap. 5 und 6 untersuchten lokalen Erscheinungen verhalten, lässt sich (in etwas experimenteller Weise) mit einer wortbezogenen Visualisierung deutlich machen, die sich auf die ermittelten Haupt-Typen der Variablen stützt. In Abb. 48 bis 50 stehen die Quadrate für die einzelnen Wörter der Sprechertexte, die Graustufe richtet sich dabei wie die typographische Differenzierung in Kap. 6.2 nach den Merkmalen pro Wort und den ermittelten Variablengruppen; Wörter, die keine der untersuchten Variablen enthalten – und oftmals dann auch wirklich neutral hinsichtlich der Zuordnung zu Dialekt oder Standard sind – , sind nur durch eine schwarze Tilde vertreten. Die Graustufen sind (automatisch auf der Basis der Annotierung) folgendermaßen verteilt: – Schwarz Ŷ steht für Wortformen mit Dialektindikatoren (in Kap. 6.2 unterschlängelt + kursiv) – Dunkelgrau Ŷ steht für Wortformen, die keine Dialektindikatoren enthalten, aber dialektale Realisierung von „Regiolekt“-Variablen (in Kap. 6.2 kursiv) – Hellgrau Ŷ steht für die standardsprachliche Realisierung der „Dialekt-Variablen“ (in Kap. 6.2 unterpunktet) – Weiß Ƒ steht für die standardsprachliche Realisierung der „Regiolekt-Variablen“ (in Kap. 6.2 unterstrichen) – Das graue Zeichen ž steht für Wörter mit uneinheitlicher Realisierung von „DialektVariablen“

Aufgrund der Tatsache, dass nicht in jedem Wort Variablen aus beiden Gruppen realisiert sind, erscheinen also auch sprachlich einheitliche Passagen uneinheitlich: Rein dialektaler Text schwarz und dunkelgrau, rein standardsprachlicher weiß und hellgrau, „ideale“ regionale Umgangssprache (ohne standardsprachliche Varianten von „Regiolekt-Variablen“) hell- und dunkelgrau. Die Zuordnung einer Graustufe zu den „Regiolekt“-Varianten suggeriert natürlich wieder fälschlich eine Einheitlichkeit der „regionalen Umgangssprache“ bzw. reduziert sie auf den standardfernsten Pol. Abgesehen davon wird mit diesem Verfahren aber vermieden, was andere Markierungsverfahren problematisch macht, nämlich die willkürliche Zuweisung neutraler Einheiten bzw. interlingualer Homophone (CLYNE) zu einer von mehreren Varietäten. Die in dieser Weise dargestellten Texte S05, S29 und S24b ergeben tatsächlich den optischen Eindruck insgesamt einigermaßen typischer Mischungsverhältnisse. Allerdings fällt zunächst schon einmal der erhebliche Unterschied zwischen den drei Texten auf, die in der Clusteranalyse demselben Cluster 2 zugeordnet werden. So ist in S05 der Anteil von standardsprachlichen, aber auch von rein dialektalen Wortformen geringer. In allen Texten, besonders im zweiten (S29) und dritten (S24b), zeigt sich darüber hinaus aber auch, dass großräumigere Schwankungen dieses Mischungsverhältnisses auftreten. (Dies ist keine Besonderheit gerade dieser drei Texte, sondern in vielen Texten der Fall.) So ist im Text S29 ca. das letzte Fünftel (abgesehen vom Schluss) weitgehend standardsprach-

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Fazit: Die Organisation der Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache

lich, die Passage davor jedoch stark dialektal. (Angesichts der stark verknappenden Darstellungsform muss dabei unterstrichen werden, dass es sich jeweils um Textpassagen von 2000–3000 Wortformen handelt.) In Text S24 b enthält das erste Drittel viele standardsprachliche und wenig dialektale Varianten, im restlichen Text ist es umgekehrt. Hier wird also augenfällig, wie stark die GesamtAnteile bestimmter Varianten in einem solchen Text vom zufälligen Gesprächsverlauf abhängen; damit wird noch fraglicher, was der Aussagewert einer Sprachlagen-Beschreibung (wie für S24b in Abb. 11) mittels dieser Anteile ist. ~~Ƒ~Ƒ~~Ƒ~~~~~Ŷ~ŶƑ~Ƒ~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~Ŷ~~Ŷ~~ƑŶ~~Ƒ~~~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~ŶŶ~Ŷ ~Ŷ~~~~Ŷ~Ƒ~~~~~~Ŷ~~~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~~~~Ŷ~~ŶŶ~ Ŷ~~~~~~~~~~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~ŶŶ~~~~~~~ŶŶ~~~~~~~~ŶŶ~ŶŶ~~Ŷ~~~Ŷ~~ŶŶŶ~Ŷ~~Ƒ~Ŷ~~~~~~ ~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~~~~~Ŷ~~~~ŶŶ~~ƑŶ~Ƒ~Ŷ~~~~~Ŷ~~~Ŷ~~~ŶŶŶž~~~~~~~~~Ŷ~~~~Ƒ~~~~ Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~~~~ŶŶ~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~Ŷ~~~~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~~Ƒ~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ ~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~~~~~~~~~~~~Ŷ~~~ŶŶ~~~Ŷ~ŶŶ~~~~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~ ~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~ŶŶ~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~~~ŶƑ Ŷ~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~~~~Ŷ~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~~~~~~~Ŷ~~~~~~~~~Ŷ~~~ Ŷ~Ŷ~Ŷ~ŶŶŶ~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~~~Ŷ~~~Ŷ~~~~ŶŶ~Ŷ~~~~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~~~~Ŷ~ŶƑ~Ŷ~~~~~Ŷ~ ~~~~~Ŷ~~~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~~~Ŷ~~~Ŷ~~~Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~ Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~~~Ŷ~~Ŷ~ŶŶ~Ŷ~~~~Ŷ ~~~~~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~~ŶŶ~Ŷ~~~~~~Ŷ~~~~~~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~~~~Ŷ~Ŷ~~~~~ŶŶ~~~Ŷ~~ŶŶ~~~~ Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~~~~~~~~~~~ƑŶ~Ŷ~~~Ŷ~ŶŶ~Ŷ~~~Ŷ~ŶŶ~~ ŶŶŶ~~~ŶŶ~ƑŶŶ~~~Ŷ~Ŷ~ŶŶŶ~~~~~Ŷ~~~~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~ŶƑ~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ ~Ŷ~Ŷ~~ŶŶŶ~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~ŶŶ~~~~~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~~~~~~Ŷ~~Ŷ Ŷ~~~Ŷ~ŶŶŶŶ~~~Ŷ~~~~~~~ŶŶŶ~Ŷ~~~Ŷ~ŶŶŶ~Ŷ~~ŶŶ~~~ŶŶ~~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~Ŷ ŶŶ~~~~~~ŶŶŶ~~Ŷ~Ŷ~~~~~Ŷ~~Ŷ~ŶŶŶŶ~Ŷ~~~Ŷ~~~~ŶŶ~~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~~~ ~~~~~Ŷ~~~~~ŶŶ~~~~~ŶŶ~~Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~~Ŷ~~~~~Ŷ~Ŷ~~ŶŶ~~~~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~ ~Ŷ~~~Ŷ~ŶŶŶ~~~~~~~ŶŶ~~Ŷ~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~~~~~Ŷ~ Ŷ~Ƒ~~~~Ŷ~~~Ŷ~~~~Ŷ~ŶŶ~ŶŶ~~~~~~~~ŶŶ~~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~~~~~ŶŶ~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~ŶŶ~~ ~~~Ŷ~ŶŶ~Ŷ~~~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~Ŷ~ŶŶŶŶ~ŶŶ~Ŷ~~~~Ŷ~~~ Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~ŶŶŶ~~~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~ŶŶ~~Ŷ~Ŷ~~~~~ŶŶ~~ŶŶ~Ŷ~~~ŶŶŶ~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~ Ŷ~~~Ŷ~ŶŶ~ŶŶ~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~~ŶŶ~~~ŶŶ~Ŷ~ŶŶŶŶ~~Ŷ~ŶŶ~~~~Ŷ ~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~~ŶŶ~~Ŷ~~ŶŶ~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~~~~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~~~~~~ŶŶ~~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~ Ŷ~~Ŷ~~~~~~Ŷ~~~~~~~~~~~~ŶŶ~~~~~~~~~~Ŷ~~~~~~~~~Ŷ~~~ŶŶ~Ŷ~~~~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~~~~Ŷ~Ŷ Ŷ~~~~Ŷ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ŶŶ~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~ŶŶ~~ŶŶŶ~~~Ŷ~~Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~~~~Ŷ ~ŶŶ~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~ŶŶ~Ŷ~~~ŶŶ~~~~Ƒ~~~~~~~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~~~~~Ŷ~~ŶŶ~Ŷ~ŶŶ~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~ ~~~Ŷ~ŶŶŶ~~~~~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~ŶŶŶŶ~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~~~~~~ŶŶ~~ŶŶŶ~~ ŶŶ~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~~Ŷ~~~~~~~~Ŷ~~~~~~ŶŶ~~~~Ŷ~~~~~~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~ Ŷ~~~~~~~Ŷ~Ŷ~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~ŶŶ~~Ŷ~~Ŷ~~ Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~~ŶŶ~~~Ŷ~Ŷ~~~ŶŶ~Ŷ~~~~~ŶŶŶ~~~~~~~Ŷ~~~Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~~ŶŶ~Ŷ~~~~~ Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~~~~~ŶŶ~~~~~~~~~Ŷ~~~~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~~~~~~~~ ŶŶ~~~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~~~~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~ŶŶŶ~~~~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~ŶŶ~~~~~~~ŶŶŶ Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~ŶŶ~ž~~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~~~~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~~~ŶŶ~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ ~ŶƑ~ŶƑŶ~~~~ƑŶ~~~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~~~~~~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~~Ŷ~~~~Ŷ ~~~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~~ŶŶ~~Ŷ~~~Ŷ~~ŶŶ~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~ ~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~~~~~~~Ŷ~~~Ŷ~~~~~~~~~~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~ŶŶ~~~Ŷ~~~~~~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~

Abb. 48: Verteilung dialektaler, regiolektaler und standardsprachlicher Wortformen in S05

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Abb. 49: Verteilung dialektaler, regiolektaler und standardsprachlicher Wortformen in S29

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Fazit: Die Organisation der Erscheinungsformen rheinischer Alltagssprache ~~~~Ŷ~Ƒ~~Ŷ~~~~~~Ŷ~~Ƒ~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~~~Ŷ~~~~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~~Ƒ~~~~~~Ƒ Ŷ~~Ƒ~~~~Ŷ~~Ƒ~~~~~~~~ŶƑŶ~~~~Ŷ~~~~ƑŶ~~~~Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~~~~~Ƒ~Ƒ~~~Ŷ~ŶƑ~~~~~~Ŷ ~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~~Ƒ~~Ŷ~~~Ŷ~~~~~~Ƒ~~ƑŶ~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~Ŷ~~ŶƑ~~Ƒ~~ŶŶŶŶ~Ŷ~Ŷ~~~~ ~~~ƑŶƑ~~ŶŶŶ~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~ŶŶ~Ŷ~~~~~~~ŶƑ~~~~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~ŶƑŶ~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ ~~~~~~Ŷ~Ƒ~~~~~~Ŷ~Ŷ~Ƒ~~ŶŶ~Ŷ~~~~ŶŶŶŶ~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~~~~Ŷ~ŶŶ~~~~~~ŶƑ ~~~ƑŶ~~Ŷ~Ŷ~Ƒ~Ƒ~~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~Ƒ~Ƒ~~Ŷ~~~~~ŶŶŶ~~Ŷ~~~~~~~ŶƑ~~~~~~~~~~Ŷ~~~Ŷ ~~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~~~Ƒ~ƑŶ~Ŷ~~Ŷ~ƑŶ~~~~~~~~~~Ƒ~~~~~~Ƒ~ŶƑ~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~Ŷ~ŶŶŶŶ~Ŷ ~~Ŷ~~~~Ƒ~~~Ŷ~Ƒ~~Ŷ~~~~Ƒ~Ŷ~~ŶŶ~~~~~ƑŶ~ŶŶ~~~~~~~~~~~~ŶŶ~ŶŶ~~~~~~Ŷ~~~Ŷ~~ ~~~Ŷ~~ƑŶ~~~~~~~~Ƒ~~ŶƑ~~~~~ŶƑ~~~~Ƒ~~~~~~Ƒ~~~~~Ŷ~Ŷ~Ƒ~Ŷ~ŶƑ~~~~Ŷ~~~~~~~Ŷ ~~~~Ŷ~~~~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~~ŶŶ~~~Ŷ~~~~ŶŶ~~~ŶŶŶŶ~~~Ŷ~~~Ŷ~~~ŶŶ~~ŶŶ~Ƒ~~ ~~Ƒ~Ŷ~~Ŷ~~ƑŶƑŶ~~Ŷ~~~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~~~ŶƑ~~~ŶŶ~Ŷž~Ŷ~~Ŷ~~~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ ~~Ŷ~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~~~~ŶŶ~~~~~~~~Ƒ~~~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷž~~ŶŶŶ~~~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ ƑŶŶ~Ŷ~ŶƑŶ~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~~ŶŶ~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~ŶƑŶ~~~~~~~~~Ŷ ~~~Ŷ~ŶŶŶ~~~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~~ŶŶ~~ŶŶ~~Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~ ~~~~~~~~ƑŶ~Ŷ~~ž~~~Ŷ~ŶŶ~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~~~~~~~~Ƒ~~ŶƑ~~Ŷ~~~~ƑŶŶŶŶ~Ƒ~~~~~Ŷ ~Ŷ~~~Ŷ~~~~~~~~~Ƒ~Ŷ~Ŷ~~ŶŶ~Ŷ~~Ŷ~~~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~ŶŶ~~~~~Ƒ~~~~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~~~~~ ~~~~Ƒ~~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~~~~Ŷ~ƑŶ~~~Ŷ~~~ŶŶ~~~ŶŶŶŶ~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~~~~Ŷ ~~ŶŶ~~Ŷ~ŶŶŶŶ~~Ŷ~~ŶŶŶ~Ŷ~~ƑŶ~~~Ŷ~~ž~~~~~~~~~Ŷ~~~Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~Ŷ~Ŷ ~ƑŶŶ~~Ŷ~~~~Ŷ~~Ƒ~ŶŶ~ŶŶŶ~~~~Ŷ~Ŷ~~~ŶŶ~ŶŶŶƑ~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~~~~~Ŷ~ŶŶ~~~~Ŷ~~ ~~Ŷ~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~~~~~~~Ŷ~~~ŶŶ~~~~~~ŶŶ~ Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~Ŷ~ŶŶ~~ŶŶŶ~~~ŶŶ~~ŶŶ~~~~ŶŶ~~~~Ŷ~~~Ŷ~~Ƒ~~~~~ƑŶ~~~ Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~~ŶŶ~~Ŷ~~~Ŷ~~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~~~ŶŶ~~~~~~Ŷ~~ŶŶ~~~Ŷ~Ŷ~ŶŶ~Ŷ~~ŶŶŶ~ŶŶ~~Ŷ ~~~Ŷ~~~ŶŶŶ~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~ž~~~~~Ŷ~ž~~Ŷ~Ŷ~~~~~~Ŷ~~~~Ŷ~~~~~ŶŶŶŶ~Ŷ~~~~ ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~~~~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~ŶŶ~~~~Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~ž~ ~~~~~~Ŷ~Ŷ~ŶŶ~~~~~~~~~~~Ŷ~~~~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~~Ƒ~~~~~Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~~~žŶ~~~ŶŶ~Ƒ~Ŷ~~ Ŷ~~~~Ŷ~~~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~~~~Ŷ~~Ŷ~~~~Ŷ~ŶŶ~~~ŶŶ~~~~ŶŶ~Ŷ~~~~~~Ŷ~ Ŷ~~~ŶŶ~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~~~~ƑŶ~~~ŶŶ~~Ŷ~~Ŷ~~~~~~~ŶŶ~~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~~~Ŷ Ŷ~~~~~~~~Ŷ~~~~~~~ŶŶ~~~~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~ŶŶŶ~~~Ŷ~~~~~~~~Ŷ~Ŷ~~ŶŶ~~~~Ŷ~Ŷ~ Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~~Ŷ~Ŷ~Ŷ~~~~~~~~žŶ~~ŶŶŶ~~~~ŶŶ~~~Ŷ~~~~~Ŷ~~Ŷ~Ŷ~~~Ŷ~~~ŶŶŶ ~~~Ŷ~Ŷ~~~~~Ŷ~~~~~~ŶŶ~~~Ŷ~~~ŶŶ~~Ŷ~~~~~~~~~ƑŶ~~~~~ŶŶ~~~~~~

Abb. 50: Verteilung dialektaler, regiolektaler und standardsprachlicher Wortformen in S24b

Wenn in global-statistischen Analysen sprecher- und situationsübergreifend Verdichtungsbereiche gezeigt und mit soziosituativen Faktoren korreliert werden können (s. LENZ 2003), spricht das sicherlich dafür, dass es typische Mischungsverhältnisse gibt. Solche Verdichtungsbereiche stellen dann global das „durchschnittliche“ Sprechverhalten bestimmter Sprechergruppen dar (inklusive etwa typischer Themen- und Wortwahl u. ä.) und keine Beschreibung der Möglichkeiten, die für einen Sprecher in der konkreten Kommunikationssituation zur Wahl stehen oder naheliegen165. So kann selbst die Wahl einer von den globalen Durch-

165 Vgl. schon die häufiger zitierte Kritik von Bickerton (1971, 461) an dem Modell der Variablenregeln, die sich in dem folgenden fiktiven Selbstgespräch eines Sprechers kristallisiert: „Good Lord! A’s percentage of contractions in the environment +V_+_NP has fallen to 77! I’ll have to step up mine to – let’s see: A’s production of this environment-type stands to mine in the ratio 65:35 over the last 100 token-occurrences, so I’d better compensate by

Code-Mixing als Verdichtungsbereich

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schnittswerten her „unwahrscheinlichen“ Variante lokal ganz unauffällig sein, wenn es sich um eine (unter Umständen eher zufällig) dialektalere Textpassage handelt. Während der Terminus Verdichtungsbereich noch den statistischen Hintergrund erkennen lässt, lässt die Bezeichnung Sprechlage oder gar Varietät für ein derartiges Gesamt-Mischungsverhältnis schon eine interne Kohärenz annehmen, die jedenfalls im vorliegenden Material nicht besteht und die Bedeutung der gezielten wie der ungerichteten Variation verdeckt. Demgegenüber betonen die Bezeichnungen, die Sprecher für solche Sprache verwenden, sicherlich nicht zufällig gerade den Aspekt der Mischung („Mischmasch“, „halb und halb“). Wenn variationslinguistische Ergebnisse also im Widerspruch zu einer Trennung „Platt-Hochdeutsch“ in der Sicht der Sprecher stehen, so erklärt sich das vermutlich vor allem damit, dass bilektale Sprecher die Wahl zwischen den Optionen Dialekt und Regiolekt/Standard (= „Hochdeutsch“, s. Kap. 10) in jedem Moment des Gesprächs haben und nutzen. Eine statistische Zusammenfassung dieses Wahlverhaltens gibt zwar Auskunft über die Tendenzen und Präferenzen, die bestimmte Sprechertypen in bestimmten Situationstypen dabei erkennen lassen, und ist insofern sinnvoll (wenngleich nur bei großen Textmengen einigermaßen verlässlich). Die solchermaßen statistisch ermittelbaren „Gesamt-Sprachlagen“ stellen jedoch keine konkreten und gar in ihrer Abstufung verfügbaren Wahlmöglichkeiten für die Sprecher dar. Dagegen sind die historisch heterogenen Kombinationen von dialektalen und standardsprachlichen Varianten im RegiolektBereich kein Resultat eines globalen Blicks auf kleinräumige Mischung, sondern tatsächlich spezifische vorgegebene Kombinationsmöglichkeiten im Repertoire der Sprecher. Insgesamt erscheint es also, angesichts der gezeigten Parallelen in Erscheinungen aus anderen Sprachkontakt-Konstellationen, doch durchaus plausibel, die festgestellte Variation zwischen dialektalen und nichtdialektalen Merkmalen strukturell als Manifestation von Code-Switching bzw. (teilweise sehr dichtem) CodeMixing einzustufen. Dass derartiges dichtes Code-Mixing als Kommunikationsmodus etabliert sein kann und insofern aus funktionaler Sicht als spezifische „Varietät“ aufgefasst werden kann, widerspricht dem nicht, hier geht es dann um eine Frage der Perspektive und der Definition. Auch wenn sich sogar soziosituativ typische Mischungsverhältnisse ermitteln lassen, ist jedenfalls festzuhalten, dass die Wahl der Sprecher dabei im Detail flexibel bleibt.

shooting up to ... what ? About 86 %?“, wobei diese Überlegungen obendrein auch in Abwesenheit der anderen Gruppenmitglieder funktionieren müssten (ebd.).

8. REGIOLEKT ALS DIALEKTALES SUBSTRAT 8.1 GRUNDLAGEN DES SPRACH- UND VARIETÄTENKONTAKTS Spezifische, stabilisierte Phänomene der regionalen Umgangssprache im ripuarischen Raum finden sich, wie gesehen wurde, nur in Form einiger (weniger) usueller Kombinationen von (ursprünglichen) Dialektvarianten und Standardvarianten; hinzu kommen die nicht genuin dialektale Koronalisierung von [ç] und die stimmlosen frikativen r-Varianten. Abgesehen von den beiden letzteren passen diese Phänomene zu der traditionellen Annahme, dass die Phänomene des „mittleren Bereichs“ im Wesentlichen auf Transferenz aus dem Dialekt in den Standard zurückzuführen sind. Diese Annahme ist allerdings als „Lernersprachenhypothese“ in letzter Zeit in die Kritik geraten. Unbestritten ist zunächst einmal, dass gegenwärtige Phänomene regionaler Umgangssprache meistens nicht mehr unmittelbar als Übergangsstadium in einem Sprachlernprozess aufgefasst werden können, auch wenn Termini wie „Interferenz“166 dies nahelegen. Voraussetzung dafür wäre, dass die Erstsprache der Sprecher der Dialekt ist; die entsprechenden Zwischenformen ergäben sich danach aus einem nicht vollends erfolgreichem Bemühen um den Standard („intendierter Standard“). Für das Rheinland jedenfalls ist diese Situation heute nicht mehr der Normalfall. So zeigen auch die vorliegenden Aufnahmen in fast allen Fällen stellenweise die Fähigkeit der Sprecher, den Standard ohne die regionalen Merkmale zu sprechen (die Koronalisierung als Sonderfall ausgenommen). Da alle Aufnahmen in eindeutig informeller Situation gemacht wurden, ist hier kein „Bemühen“ anzunehmen. Allenfalls könnte die Aufnahme als solche bewirkt haben, dass die Sprecher sich um standardsprachliches Sprechen bemüht hätten, dies ist jedoch recht unwahrscheinlich. Es ist davon auszugehen, dass die Sprecher hier „intendierte Umgangssprache“ sprechen, nicht in dem Sinn einer fokussierten Varietät, sondern in dem Sinn, dass sie so sprechen wollen, wie sie es tun (für einen Teil der Aufnahmen wäre auch „intendiertes Code-Mixing“ anzunehmen). Es geht also nicht mehr unmittelbar um „defektiven Standard“. Die „Lernersprachenhypothese“ bezieht sich jedoch normalerweise auch nicht unmittelbar auf die Erklärung der dialektalen Merkmale in der parole heutiger Sprecher, sondern auf die Erklärung des Gebrauchs dieser Merkmale im Rahmen nichtdialektaler Rede, anders ausgedrückt: auf die Erklärung der Stabilisierung bestimmter historisch heterogener Variantenkombinationen. MUNSKE (1983, 1005) stellt zwar noch explizit fest: „Umgangssprachen sind Lernersprachen, insofern als ihnen eine Lernsituation der Standardsprache zugrunde liegt“. Der Begriff Umgangssprache ist hier jedoch sehr allgemein und 166 Zum Gebrauch dieses Terminus hier s. Kap. 1.1.3, Anm. 17.

Grundlagen des Sprach- und Varietätenkontakts

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weit; er umfasst echte Lernersprachen, die „instabil sind im Hinblick auf die Erreichung einer höheren Etappe“ und in denen „bestimmte Fehler wie Rückfälle immer wieder auftreten [...], die ihnen eine gewisse charakteristische Stabilität verleihen“ (ebd.) ebenso wie die Möglichkeit, dass „Umgangssprachen, wenn soziale und kommunikative Bedingungen dies begünstigen, sich auf bestimmtem Niveau verfestigen“ und sich so „Umgangssprachen mit eigenen Normen entwikkeln“ und über das Aussterben des Dialekts hinaus bestehen bleiben (ebd., 1005;1011). Im letzteren Fall werden die Merkmale rezenten regionalen Substandards also aus historischen Lernersprachen hergeleitet, genauer: aus fossilisierten Lernersprachen. Im Hinblick auf die Bewahrung solcher Umgangssprachen durch Weitergabe dieser Merkmale an folgende Generationen, deren Erstsprache nicht mehr der Dialekt ist und die den Dialekt oft gar nicht mehr beherrschen, wäre insofern der Terminus „Substrathypothese“ angemessener. Dieser beinhaltet noch einen weiteren Unterschied zur „echten“ Lernersprache: Wenn ehemals lernersprachliche Merkmale als „üblich“ angesehen werden können, setzt das eine Mesosynchronisierung voraus, wie SCHMIDT (2005b, 280– 281)167 sie beschreibt: Sprachliche Kommunikation funktioniert, weil [...] Sprecher in der Zeit auf der Basis des Kooperationsprinzips ihr sprachliches Wissen interaktiv stabilisieren und angesichts bestehender Differenzen ihr individuelles sprachliches Wissen modifizieren. [...] Wenn Individuen über einen längeren Zeitabschnitt an Situationen teilhaben, die für jeden der Beteiligten einen hohen Stellenwert haben, so führt dies zu einer Folge von gleichgerichteten Synchronisierungsakten. [...] Eine solche Folge von gleichgerichteten Synchronisierungsakten, die Individuen in Situationen personellen Kontaktes vornehmen und die zu einer Ausbildung von gemeinsamem situationsspezifischem Wissen führt, nennen wir Mesosynchronisierung.

Wenn eine ganze Sprechergruppe gleiche Interferenzen produziert und Fossilisierungen an die nachwachsenden Generationen weitergibt, kommt es also im Zuge der Mesosynchronisierung zu deren inter-individueller Bestätigung und Rückverstärkung. Mit Lernersprachen (Interlanguage) sind dagegen normalerweise transitorische, instabile Stadien im individuellen Erwerbsprozess gemeint, deren überindividueller Aspekt nur in einer Abstraktion liegt, nämlich darin, dass es eine bestimmte Struktur und Abfolge dieser Stadien gibt. Sofern der Erwerbsprozess an einem Punkt stagniert (Fossilisierung), kann es zwar zur Stabilisierung einer solchen Interlanguage kommen, aber dies ist zunächst einmal von individuellen Bedingungen bestimmt und nicht von Übereinkunft. Das, was für den niederdeutschen Raum häufig als Missingsch bezeichnet wird (eine mit Interferenzen durchsetzte intendierte hochdeutsche Standardsprache von Dialektsprechern), unterscheidet sich durch eine erheblich höhere Variabilität von rezenter regionaler Umgangssprache168. Von rezentem Code-Mixing unterscheidet es sich dagegen durch die Intention, monolektal hochdeutsch zu sprechen, und damit durch den bewussten Versuch, dialektale Formen zu vermeiden. Trotz immer noch beträcht167 Vgl. a. SCHMIDT/HERRGEN (2011, 30–32). 168 Vgl. CORNELISSEN (1999, 92) – nach MÖHN (2004, 124–131) kann der Terminus Missingsch allerdings beides umfassen.

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licher Variabilität sind die Dialekt-Elemente in der regionalen Umgangssprache voraussagbarer als im Missingsch; die Sprecher sind keine auf halbem Weg stekkengebliebenen Lerner, die mit vielleicht an typischen Stellen auftretenden, aber dabei doch individuellen Unsicherheiten zu kämpfen haben. Es ist also auf jeden Fall zu einer Synchronisierung der einzelnen Lernersprachen gekommen, die sich aus der großen Zahl der gleichermaßen betroffen Sprecher erklärt. Dass im Zuge der Mesosynchronisierung nun nicht allein die Faktoren des individuellen Spracherwerbs, sondern auch Vorbilder und Bewertungen relevant sind (s. ELMENTALER 2005, 404), ist sehr wahrscheinlich (s. Kap. 10). Dennoch sind diese gegenüber den elementaren Problemen des Zweitsprach- (hier: Standard-)Erwerbs sekundär, und darüber hinaus standen bei der Entwicklung des Regiolekt-Standard-Kontinuums Vorbilder bzw. Bewertungen und Standard-Erwerb vermutlich in engem Zusammenhang. Gleichzeitig führt(e) die Tatsache, dass die meisten Sprecher auch bei zunehmender Standardkompetenz noch den Dialekt beherrsch(t)en und verwende(te)n, zu einer langfristig andauernden (gegenseitigen) Beeinflussung von Dialekt und Standard, auch noch nach dem Übergang zur Standard- bzw. Gemeinsprache169 als Erstsprache und dominanter oder gleichberechtigter Varietät. Der Terminus Substrat ist insofern auch wieder nicht ganz angemessen, da die Kontaktsituation also mit ihren Folgen für beide verwendeten Varietäten weiterhin andauerte und andauert. Ein weiterer Unterschied zu der normalen Lernersprachen-Situation liegt aber darin, dass die Fossilisierungs-Merkmale bei Sprechergruppen, die den Dialekt nicht mehr erwerben, verstärkt eine Funktion als Identitätssymbol übernehmen können. Im Folgenden soll untersucht werden, ob das Kontaktmodell bei differenzierter Betrachtung eine überzeugende Deutung der vorliegenden Ergebnisse ermöglicht, also vor allem eine Erklärung für die Kombinierbarkeit bzw. Nicht-Kombinierbarkeit bestimmter Dialektmerkmale mit Standardmerkmalen und für die Rolle nicht genuin dialektaler Merkmale im Regiolekt-Bereich liefert. Unabhängig voneinander170 haben THOMASON/KAUFMAN (1988) und VAN COETSEM (1988; 2000) Modelle des Sprachkontakts vorgestellt und dabei übereinstimmend eine grundlegende Unterscheidung in die Sprachkontakt-Forschung eingeführt. Vor dem Hintergrund der (eigentlich schon älteren171) Erkenntnis, dass die linguistischen Auswirkungen von Sprachkontakt unterschiedlich aussehen, je nachdem, ob es sich um Transferenz aus der Muttersprache in eine Fremdsprache handelt oder umgekehrt, wird differenziert zwischen Entlehnung einerseits und Interferenz bzw. Imposition andererseits. Diese Differenzierung wird bei THOMASON/KAUFMAN zuerst an den Unterschied zwischen Spracherhalt (mit Lehneinflüssen aus einer anderen Sprache) und Sprachwechsel (mit Interferenzen aus der Erstsprache) gekoppelt, später aber (THOMASON 2001, 74) hiervon getrennt: Der 169 Dieser Unterschied wird in Kap. 10 näher betrachtet, im Folgenden ist vorläufig noch undifferenziert von Standard die Rede. 170 Und auch im Folgenden unter weitgehender gegenseitiger Nicht-Beachtung, vgl. THOMASON (2001) und VAN COETSEM (2000). 171 Vgl. WEINREICH (1977, 15) zur Unterscheidung zwischen Interferenz und Entlehnung.

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Fall Interferenz/Imposition betrifft danach allgemein unvollständiges Erlernen einer Fremdsprache durch eine Sprechergruppe (ggf. auch ohne Sprachwechsel), deren Interferenzen dann auch von muttersprachlichen Sprechern dieser Sprache übernommen werden – vor allem natürlich von späteren Generationen (Substrat). Auch bei dem Kontakttyp Entlehnung kommt es zu einer Übernahme der Kontaktphänomene aus dem Gebrauch Zweisprachiger in die Sprache einsprachiger Sprecher, dies dauert jedoch erheblich länger. Wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Kontakttypen zeigen sich vor allem hinsichtlich der Manifestation der Kontaktfolgen in unterschiedlichen Bereichen der Sprache (vgl. THOMASON/KAUFMAN 1988, 50–57, 74–76). Bei Entlehnung in die Erstsprache reichen diese Spuren des Kontakts je nach Ausmaß der Zweisprachigkeit von rein lexikalischer Entlehnung (nicht-elementare Inhaltswörter) unter phonologischer Adaption bis zu massiver lexikalischer Entlehnung und schließlich auch mittlerer bis starker struktureller Entlehnung (Phonologie und Syntax). Bei Erlernen einer Zweitsprache gibt es unter Umständen gar keinen Einfluss (sofern nur wenige Sprecher sie lernen oder sofern sie perfekt erworben wird), ansonsten zeigt sich leichte bis starke Interferenz hier vor allem in Phonologie und Syntax, in der Lexik eher nicht, da die Lexik am stärksten der bewussten Kontrolle in Abhängigkeit von der Sprachenwahl unterliegt und bei Sprachwechsel als Erstes und Wichtigstes benötigt wird. Die Folgen für die Morphologie, insbesondere die Flexionsmorphologie, sind schwieriger vorauszusagen, da sie stark von den spezifischen Strukturen, deren interner Kohäsion und spezifischen Schwierigkeiten beim Erlernen abhängen. Phonologische und syntaktische Interferenz sind dagegen normalerweise gleich stark – die syntaktische allerdings ggf. schwächer, wenn es sich um einen schriftlichen Kontakt der gebildeten Sprachteilhaber mit der Zielsprache handelt. Dies ist in gewisser Weise für die Entstehungszeit regionaler Umgangssprachen wohl zutreffend (vgl. Kap. 10), hinzu kommt allerdings, dass grundlegende syntaktischen Unterschiede zwischen den Varietäten im Kontakt hier selten sind. Der häufigste Fall ist der, dass die syntaktischen Strukturen des Dialekts im Standard auch existieren (umgekehrt dagegen nicht immer). Wie stark die Interferenzen überhaupt sind, richtet sich nach THOMASON/KAUFMAN vor allem nach der Größe der Sprechergruppe, die die Sprache wechselt bzw. eine Zweitsprache erwirbt, daneben nach der Länge der Sprachwechsel- bzw. Erwerbsphase (je abrupterer Wechsel, desto stärkere Interferenzen) und der Menge und „Qualität“ des zielsprachigen Inputs. (Vor allem letzteres ist beim Übergang vom Dialekt zum Standard ein wesentlicher Punkt.) Der Umfang von Entlehnung in die Erstsprache hängt dagegen von Verbreitung und Dauer des Bilingualismus ab. Es gibt also eine Art spiegelsymmetrisches Verhältnis zwischen den beiden Kontakttypen Entlehnung und unvollständiger Erwerb/Imposition, was die Anfälligkeit der verschiedenen Bereiche der Sprache für Transferenz angeht. Der Grund hierfür liegt nach VAN COETSEM (2000) in einer einheitlichen StabilitätsHierarchie: Jeweils die stabilsten Bereiche der dominanten Sprache bzw. Erstsprache werden am längsten beibehalten bzw. am wenigsten leicht beeinflusst. Der unterschiedliche Grad der Stabilität begründet sich dabei sowohl aus der un-

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terschiedlichen Strukturiertheit der verschiedenen Bereiche der Sprache als auch aus Frequenz-Unterschieden bei den betreffenden Elementen (bezogen sowohl auf types als auch auf tokens), denn die Frequenz beeinflusst wesentlich die Speicherung und Abrufbarkeit (VAN COETSEM 2000, 105 u. ö.). Für die besondere Stabilität der Phonologie kommt außerdem hinzu, dass hier antrainierte motorische Schemata mit ins Spiel kommen. Was die Art der zu erwartenden Kontakterscheinungen angeht, macht das Kontaktmodell also klare Voraussagen in Abhängigkeit vom Kontakttyp: Bei Kontakteinfluss auf eine Zweit-/Fremdsprache sagt es starken phonologischen und geringen lexikalischen Einfluss voraus. Bei Kontakteinfluss auf die Erstsprache ist dagegen mit starkem Einfluss im Wortschatz (bei grammatischer und phonologischer Integration der Entlehnungen) zu rechnen. Nach VAN COETSEM (2000, 115) geht es dabei vor allem um seltenere Inhaltswörter („secondary vocabulary“), für VAN BREE (1992, 180) ist der Basiswortschatz dagegen im Grunde instabil wie alle anderen Inhaltswörter172. Dementsprechend komme es hier nicht zu Imposition – allerdings in der Regel auch nicht zu Entlehnung, aber nicht aus Gründen der Stabilität, sondern aus mangelnder Notwendigkeit. Funktionswörter bilden demgegenüber ein relativ geschlossenes System mit strukturierten Subsystemen (vgl. SCHIPPAN 1992, 91), sind also schon deshalb stabiler. Hinzu kommt ihre Frequenz und vor allem die Tatsache, dass die Aufmerksamkeit sich vorrangig auf die Wörter mit lexikalischer Bedeutung richtet und insbesondere einsilbige, schwachtonige Wörter „sich wesentlich leichter der Aufmerksamkeit entziehen als mehrsilbige und betonte Lexeme“ (RIEHL 2002, 76). Sie entgehen also der „Endkontrolle“ bei der Sprachproduktion, dem Monitoring173, eher als letztere. So erklärt sich, dass Imposition bei solchen Funktionswörtern anders als bei Inhaltswörtern nicht selten ist, sondern sogar besonders häufig (VAN BREE 1992, 191)174. 172 VAN BREE (1992) untersucht vor dem Hintergrund des Modells von VAN COETSEM (1988) vor allem mit Hilfe von Übersetzungsaufgaben (Dialekt → Standard und Standard → Dialekt) empirisch die Stabilität dialektaler und standardsprachlicher Elemente aus verschiedenen Bereichen der Sprache. Für den intendierten Standard von Dialektsprechern bestätigt sich die Voraussage, jedoch mit einer interessanten Modifikation: Zwischen Inhaltswörtern und Funktionswörtern stellt VAN BREE nicht bloß eine leichte Abstufung der Stabilität fest, sondern einen diametralen Gegensatz. Funktionswörter sind besonders stabil, werden also beim Übergang zum Standard beibehalten, Inhaltswörter und Morphologie dagegen nicht. „The conclusion which may be drawn is that dialectal use of constructions and function words and, to a lesser degree, dialectal word order and use of adverbs of time and place, easily penetrate from the dialect into the Standard language and become elements of a regional Standard variety. We certainly may add peculiarities of pronunciation and intonation. Content words, the lexical phonological aspect, and morphology do not penetrate from the dialect into the Standard language. In the case of morphology, however, simplification and reduction are possible. To sum up: regional varieties of the Standard language are especially determined by subtle forms of imposition.“ (VAN BREE 1992, 191–192). 173 Vgl. KRASHEN (1981), LEVELT/INDEFREY (2000, 83). 174 Auch JAKOB (1987, 87) stellt fest: „Genau in den Teilsystemen, wo in der Standardsprache ‘schwache Formen’ möglich sind bzw. toleriert werden, sind in der Regionalsprache über-

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Von wesentlicher Bedeutung für die Art von Sprachkontaktfolgen wäre nach THOMASON/KAUFMAN und VAN COETSEM also die Frage, ob Sprachwechsel stattgefunden hat oder nicht bzw. welche Sprache in dem Kontakt die dominante ist, sozusagen die Grundlage bildet – eine Frage, die bei Dialekt-Standard-Kontakt erheblich schwieriger zu beantworten ist als bei Kontakt zwischen weniger eng verwandten Sprachen. Allerdings stellen die beiden Kontakt- bzw. Transferenztypen175 zumindest bei andauernder Koexistenz von zwei Sprachen oder Varietäten eigentlich keine alternativen Entwicklungen dar, sondern zwei Seiten derselben Medaille; im einen Fall geht es um die Kontaktfolgen in der (ursprünglichen) Erstsprache, im anderen um die Merkmale des Kontakts in der neu erworbenen Sprache. Typisch ist insofern (solange beide Sprachen koexistieren) die Kombination von beidem: Auf der einen Seite kommt es in der (neu erworbenen) Sprache B zu phonologischen (und syntaktischen) Interferenzen der Erstsprache A, auf der anderen Seite übernimmt die Sprache A immer mehr lexikalische Elemente der Sprache B. Beides manifestiert sich auch im Gebrauch derselben Sprecher, je nachdem, welcher ihrer Sprachen sie gerade sprechen (vgl. dazu THOMA176 SON/KAUFMAN 1988, 45, 69, VAN COETSEM 1988, 87) . Dies entspricht der Überzeugung von LÜDTKE (1999; 2005), dass bei Varietätenkontakt immer zwei Kontaktvarietäten gleichzeitig entstehen; konkret bei Dialekt-Standard-Kontakt wären das also eine Variante des Dialekts mit Standardelementen und eine Variante des Standards mit Dialektelementen, entsprechend dem Vier-VarietätenModell (vgl. Kap. 1.2). Erklärungen von Erscheinungen des „mittleren Bereichs“ nach dem Substratmodell beziehen sich allerdings normalerweise nur auf DialektInterferenzen in intendiertem Standard. MIHM (2000, 2112) geht in seinem Überblick über die Entwicklung regionaler Umgangssprachen im deutschsprachigen Raum dagegen von beiden Typen aus, wobei jedoch für jede Region nur eine der beiden theoretisch zu erwartenden durchschnittlich häufig dialektale Formen möglich bzw. toleriert.“ und erklärt dies mit der Unbetontheit bzw. Unauffälligkeit dieser Wörter (vgl. ders. 1985, 234). 175 VAN COETSEM (2000, vgl. a. schon 1988, 79,87) führt noch einen dritten Typ ein, der die klare Trennung wieder aufhebt und sich vor allem auf die Situation einer gleich guten Beherrschung der Sprachen bei symmetrischer Bilingualität bezieht: In diesem Fall komme es zur Neutralisierung, d. h. die spezifischen Wirkungsweisen der L1 auf die L2 und umgekehrt (s. u.) entfalteten sich für beide Sprachen in gleicher Weise und neutralisierten sich damit. Dieser Fall entzieht sich also genaueren Voraussagen, hier ist alles möglich: Während bei Dominanz einer Sprache der Stabilitätsfaktor eine automatische (unbewusste) Wirkung entfaltet und die Ergebnisse der Entlehnung bzw. des Spracherwerbs modifiziert (VAN COETSEM 2000, 88), ist bei Neutralisierung (idealerweise) nur die (von keinem Automatismus beeinflusste) „Selektion“ des Sprechers für das Ergebnis verantwortlich (ebd., 86). Damit verliert das Modell allerdings erheblich an Aussagekraft – es bleibt die Erkenntnis, dass dann, wenn keine klare linguistische Dominanz besteht, alles möglich ist (oder umgekehrt: Wenn die Erscheinungen kein klares Muster erkennen lassen, muss das daran liegen, dass symmetrische Bilingualität vorliegt). 176 So sind z. B. die Kontaktmerkmale im elsässischen français régional in erster Linie phonetisch-phonologischer, diejenigen im Alemannischen des Elsass vor allem lexikalischer Art, vgl. die Beispiele bei BIRKEN-SILVERMAN (2001, 42,48).

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Kontaktvarietäten berücksichtigt wird: Statt für alle Regionen eine Koexistenz von Regionalstandard (= Standard mit Dialekt-Imposition) und an den Standard angenähertem Dialekt (= Dialekt mit Entlehnung aus dem Standard) anzunehmen, ordnet er die regionalen Umgangssprachen des niederdeutsch-niederfränkischen Raums dem ersten Kontakttyp zu (unvollständiger Erwerb bei Sprachwechsel vom niederdeutschen Dialekt zum Hochdeutschen schon zu einem frühen Zeitpunkt, genauer: beim Wechsel des gehobenen Bürgertums zu hochdeutschen Prestigevarietäten, nämlich „einem gesprochenen Meißnisch“ und westmitteldeutschen Varietäten, s. ebd.). Die Entstehung der Umgangssprachen des Sprachraums südlich der Benrather Linie wird dagegen dem zweiten Kontakttyp zugeschrieben (Beibehaltungs des Dialekts unter Entlehnung aus Prestigevarietäten). Zu einer Degradierung der regionalen Hochsprachen zu Umgangssprachen kam es hiernach dann im 19. Jh. infolge eines zweiten Überschichtungsprozesses, in dem zuerst das gehobene Bürgertum Nord- und Mitteldeutschlands eine schriftnähere Aussprache des Deutschen übernahm, die sich bei den Gebildeten der ostfälischen Städte ausgebildet hatte (ebd.), sodass eine neue gesprochene Standardsprache entstand und als neue allgemeine Prestigevarietät über die älteren regionalen Hochsprachen gestellt wurde. Die entscheidende Bedeutung für die Entwicklung von Zwischenvarietäten zwischen Standard und Dialekt (= ehemalige regionale Hochsprachen) im hochdeutschen Raum käme danach „Entlehnungen aus der meißnischen Prestigevarietät“ (ebd.) im labilen Bereich der Sprache zu, also vor allem Entlehnung von Inhaltswörtern. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass es bei diesem Kontakttyp auch zu lexikalischer Diffusion phonologischer Merkmale kommt, also zu deren Ersatz bei einzelnen Kognaten durch eigentlich lexikalische Entlehnung, die sich aber äußerlich nur in phonologischen Unterschieden manifestiert (s. VAN COETSEM 2000, 127–130), sind Verhältnisse wie das von BÜCHERL (1982) festgestellte lexikalisch abgestufte Kontinuum zwischen Dialekt und Standard im Nordbairischen tatsächlich gut mit diesem Modell vereinbar. Angesichts der strukturellen Nähe von Standard und Dialekt lässt der Weg über lexikalische Entlehnung eine bruchlose Implikationsskala zwischen den beiden Polen theoretisch möglich erscheinen. Allerdings müsste nach dem Kontaktmodell auch in diesem Fall irgendwo noch eine Bruchstelle hinsichtlich der wirklich stabilen (bzw. automatisierten) Elemente der Phonologie vorliegen, für die ja keine primär lexikalische Abstufung gelten dürfte, sondern eher eine Abstufung nach phonetischer Umgebung. Nimmt man wie VAN BREE (1992, 198) eine Kombination aus zwei über die beiden verschiedenen Kontakttypen entstandenen Teilkontinua an (Dialekt mit zunehmendem Anteil von Entlehnungen aus dem Standard – Standard mit zunehmenden Dialekt-Interferenzen), müsste sich die Organisation dieser beiden Teilkontinua eben in diesem Punkt unterscheiden. Regionale Umgangssprache im niederdeutsch-niederfränkischen Raum ist nach MIHM (2000) dagegen insgesamt standard- (bzw. hochdeutsch-)basiert und müsste sich durch verbliebene stabile Dialektmerkmale auszeichnen (vor allem phonetische Merkmale, die in allen betroffenen Wörtern erscheinen). Im hochdeutschen Raum wäre regionale Umgangssprache dagegen dialektbasiert und

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müsste sich durch übernommene Inhaltswörter aus der Gemeinsprache sowie durch über lexikalische Diffusion eingedrungene phonologische Standardmerkmale auszeichnen. Die Vernachlässigung des zweiten Kontakttyps Entlehnung für den niederdeutschen Raum ist dabei nachvollziehbar, da der Dialektabbau dort ja großenteils so weit fortgeschritten ist, dass Alltagssprache in aller Regel nichtdialektal ist. Unklarer ist, ob Varietätenkontakt vom Typ „Imposition“ bzw. „unvollständiger Standard-Erwerb“ hiernach im hochdeutschen Raum gar nicht stattgefunden hätte, was wenig plausibel wäre. Zumindest im ripuarischen Gebiet ist die Nähe zwischen Dialekt und Standard jedenfalls nicht so groß, dass der kollektive Erwerb der Standard-Kompetenz nicht zu diesem Kontakttyp führen müsste. So deuten die Ergebnisse von Kap. 5–6 stattdessen darauf hin, dass die spezifischen Erscheinungen regionaler Umgangssprache im ripuarischen Raum tatsächlich, gemäß den traditionellen Darstellungen, auf unvollständigen Erwerb des Standards bzw. Imposition zurückzuführen sind, also dieser Kontakttyp hier der wesentliche ist: Es handelt sich vor allem um die Beibehaltung bestimmter phonologischer Merkmale des Dialekts. Über phonologische Merkmale hinaus werden auch einige Lexeme beibehalten, diese gehören aber nicht dem labileren Bereich der Inhaltswörter an, sondern dem stabilen des Funktionswortschatzes, zudem sind sie noch besonders frequent. Die Entlehnung anderer lexikalischer Elemente des Standards in den Dialekt ist demgegenüber durchaus auch zu beobachten, scheint hier aber nicht zu einer stabilisierten standardnäheren Varietät des Dialekts geführt zu haben, sondern in wenigen Fällen bis in den Basisdialekt durchgedrungen zu sein177, zumeist aber immer noch okkasionell zu geschehen (vgl. 6.2). Angesichts der Tatsache, dass im ripuarischen Gebiet praktisch keine monolektalen Dialektsprecher mehr existieren, ist dies verständlich: Ad-hoc-Entlehnung aus dem Standard bzw. Code-Switching allgemein ist hier eine omnipräsente Praxis, die auch eine Stabilisierung einer lexikalisch vom Standard beeinflussten Dialekt-Variante behindert. Der Wechsel der linguistischen Dominanz vom Dialekt zum Standard, der hiernach auch den ripuarischen Regiolekt-Bereich geprägt hat, umfasst grundsätzlich zwei Stadien bzw. Kontaktphasen (vgl. VAN COETSEM 2000, 170). Im ersten Stadium führt unvollständiger Erwerb des Standards durch Dialektsprecher zu Dialekt-Interferenzen im Standard, vorübergehend auch zu Hyperkorrektionen aufgrund der Entwicklung und Anwendung von Korrespondenzregeln. Im Zuge von Mesosynchronisierungen verfestigen sich die besonders häufigen und stabilen Interferenzen in der regionalen Form des Standards (bzw. der Gemeinsprache). Spätere Generationen erwerben diese regionale Form der Gemeinsprache als Erstsprache, infolge einer bewussten Entscheidung der Eltern, und nähern sich in der Regel weiter dem überregionalen Standard an. Bei zunehmender StandardKompetenz kommt es so zu Interferenzen in einem nunmehr als Zweitsprache erworbenen Dialekt (vgl. a. VAN BREE 1992, 184). Wenn VAN COETSEM (2000, 171) erklärt: „The stable material transferred from the dialect to the Standard 177 Vgl. etwa die Übernahme von Schwein (mit nhd. bzw. Standard-Diphthong) in übertragener Bedeutung (neben dialektalem Ferke), s. RhWb Bd. 7, Sp. 2038.

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during the first stage is being mirrored back to the dialect“, ist der Charakter dieser „Rückspiegelung“ zwar etwas unklar, da es sich ja um Merkmale handelt, die aus dem Dialekt stammen. Naheliegend (und wohl auch hinter der verkürzten Formulierung gemeint) ist eine „Rückspiegelung“ jedoch zum einen im Sinne einer Stereotypisierung solcher remanenten Merkmale sowie – bei phonetischphonologischen Merkmalen – zum anderen im Hinblick auf die Tatsache, dass bilinguale Sprecher zur Vereinheitlichung ihres Lautsystems über Annäherung von beiden Seiten tendieren178, sodass es an diesem Punkt zur Beeinflussung der Dialektmerkmale durch Standardmerkmale bzw. zur Projektion standardsprachlicher phonologischer Kategorien auf den Dialekt kommen kann. Vom Verhältnis zum Standardsystem hängt langfristig dann auch die Verfestigung bestimmter Impositions-Merkmale ab. Eine solche Verfestigung von Interferenzen bzw. Impositionsmerkmalen entwickelt sich insbesondere dann, wenn kaum Kontakt mit muttersprachlichen Sprechern der erworbenen Sprache/Varietät besteht. If the shifting group is not integrated into the original TL [= target language] speech community, so that (as in the case of Indian English) its members remain as a separate ethnic or even national group, then the TL² becomes fixed as the group’s final version of the TL. (THOMASON 2001, 75)

Im Fall von Dialekt-Standard-Kontakt ist nun in gewisser Weise der Fall, dass keine Integration in eine Gruppe muttersprachlicher Standard-Sprecher stattfindet. Gleichzeitig gibt es aber zunehmend doch (zumindest passiven) Kontakt mit überregionalem Standard, vor allem seit Verbreitung der Tonmedien, und der Prestigevorteil des überregionalen Standards ist unbestreitbar, sodass keine vollständig autozentrierte regionale Variante des Standards zustande kommt. Auch für Sprecher, die sich um einen vollständigen Erwerb des überregionalen Standards bemühen, bekommen die regionalen Charakteristika aber einen symbolischen Wert und werden aus diesem Grund noch verwendet, dies jedoch schon vor dem Hintergrund der Standardkompetenz. Bei einer „Rückspiegelung“ in diesem Sinne werden also die ehemaligen Interferenz-Merkmale bestärkt, die mit dem Standard kompatibel sind, während diejenigen, die mit stabilen Merkmalen des Standards konfligieren, geschwächt bzw. aufgegeben werden. Wie weit das Kontaktmodell oder genauer das Interferenz- bzw. Substratmodell zur Erklärung der Phänomene im „mittleren Bereich“ zwischen Dialekt und Standard reicht, hängt natürlich davon ab, ob über die Voraussage von Imposition bei Sprach- bzw. Varietätenwechsel hinaus konkretere Aussagen hinsichtlich der zu erwartenden Interferenzen gemacht werden können. In diesem Punkt äußern sich THOMASON/KAUFMAN (1988, 35) eher skeptisch: „Linguistic interference is conditioned in the first instance by social factors, not linguistic ones. Both the direction of interference and the extent of interference are socially determined; so, to a considerable degree, are the kinds of features transferred from one language to another“. Diese Feststellung ist allerdings als isoliertes Zitat etwas irreführend, auch im Hinblick auf die Position der Arbeiten von THOMASON/KAUFMAN 178 Vgl. u. 8.2.

Bestimmende Faktoren phonologischer Transferenz

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(1988) bzw. THOMASON (2001) selbst, in der „unberechenbare“ Faktoren wie Attitüden gerade wegen ihrer Unberechenbarkeit nicht weiter verfolgt werden (vgl. THOMASON 2001, 61, 65), die linguistischen Faktoren dagegen im Zentrum stehen. Der Grund dafür ist einsichtig: Zunächst einmal sollten Erklärungsansätze, die sich auf die „berechenbaren“ Faktoren stützen, so weit wie möglich ausgelotet werden. Dies gilt auch im vorliegenden Fall, hinzu kommt, dass bei regionaler Umgangssprache die Herkunft und Rolle von Attitüden eventuell doch nicht so undurchdringlich ist, dass sie nicht in eine Rekonstruktion der linguistischen und historischen Kontaktsituation einbezogen werden könnten.

8.2 BESTIMMENDE FAKTOREN PHONOLOGISCHER TRANSFERENZ 8.2.1 Linguistische Faktoren Wenn die Beibehaltung bzw. Aufgabe dialektaler Merkmale in regionaler Umgangssprache mit Imposition in ehemaliger intendierter Standardsprache zu erklären ist, dann wären diese Unterschiede nach dem Kontaktmodell in erster Linie durch Unterschiede in der Stabilität bedingt, die in irgendeiner Weise auf Unterschiede zwischen diesen Merkmalen zurückgeführt werden müssten. Derartige Versuche, von linguistischen Eigenschaften von Dialektmerkmalen ausgehend Schlüsse auf deren Beibehaltung oder Aufgabe in standardnaher oder -näherer Sprache zu ziehen, sind seit der Unterscheidung zwischen „primären“ Dialektmerkmalen (die nicht beibehalten werden) und „sekundären“ (die beibehalten werden) von SCHIRMUNSKI (1930) bis heute immer wieder diskutiert worden. Angesichts der Getrenntheit der Diskussionen ist dabei auffällig, wie stark die Übereinstimmung ist zwischen den Faktoren, die SCHIRMUNSKI für den intendierten Standard von Dialektsprechern anführt, denjenigen, die von TRUDGILL (1986) und anderen Autoren für den Kontakt zwischen Dialekten erörtert werden, und schließlich denjenigen, die für phonetisch-phonologische Transferenz im Fremdsprachenerwerb diskutiert werden. TRUDGILL untersucht, welche Art von Merkmalen im Kontakt zwischen Dialekten bzw. nationalen Varietäten neu von der jeweils anderen Varietät übernommen wird und welche Merkmale der eigenen Varietät beibehalten werden, mit dem expliziten Ziel der Voraussage solcher Entwicklungen. Die Sprachlernforschung versucht ihrerseits zu ergründen, unter welchen Bedingungen es zu Fremdsprachen-Akzent kommt. In beiden Fällen geht es wie bei SCHIRMUNSKI darum, die Transferenz eines Merkmals der Erstsprache (L1) bzw. des Dialekts aus dessen Eigenschaften und aus dem Verhältnis zu dem korrespondierenden Merkmal der neu erworbenen Sprache (L2) bzw. des Standards heraus zu erklären. (Zur Vereinfachung ist im Folgenden die Rede von L_L1 bzw. L_D und L_L2 bzw. L_ST, damit sind immer die in kognaten Wörtern korrespondierenden Laute gemeint. Mit dem Terminus Laut wird bewusst eine Festlegung hinsichtlich des phonologischen Status vermieden.) Der Vergleich der Diskussion in den verschiedenen Disziplinen zeigt neben großen Gemeinsamkeiten aber auch unterschiedliche Akzentsetzungen im Umgang mit gleichen Schwie-

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rigkeiten. Die Erfahrung, dass einfache kontrastive Ansätze oft zu kurz greifen, führt auf dialektologischer und manchmal auch auf kontaktlinguistischer Seite z. T. zu einem ausgeprägten Pessimismus hinsichtlich der Erklärbarkeit/Voraussagbarkeit von Transferenz; es wird auf die große Bedeutung von Bewertungen verwiesen, die jeder Voraussagbarkeit im Wege stehe. Natürlich spielen Bewertungsstrukturen bei kollektiven Entwicklungen bzw. über Mesosynchronisierungen etablierten Phänomenen wie der Herausbildung und Verfestigung von SubstratInterferenz eine größere Rolle als im individuellen Fremdsprachenerwerb. Auch dort treten jedoch Erscheinungen auf, die sich nicht unmittelbar aus dem Kontrast erklären lassen, was dennoch die Annahme (subtilerer) linguistischer Zusammenhänge erheblich weniger erschüttert. Die Subjektivität der Sprecher (hier: Lerner) ist – gegenüber der Vorstellung eines Kontakt-Automatismus – allerdings auch hier in jüngerer Zeit mehr ins Blickfeld gerückt, konzentriert sich aber eher auf das Problem der Wahrnehmung als auf die Frage von Bewertungen. Im Folgenden werden einige wichtige Erkenntnisse aus Dialektologie und Sprachlernforschung zu den Ausgangsbedingungen von Imposition kurz zusammengefasst, bevor in Kap. 9 dann geprüft wird, ob sich die spezifischen Merkmalskonstellationen des ripuarischen Regiolekt-Bereichs damit erklären lassen. Zentral für die Entstehung von Fremdsprachen-Akzent ist die Frage, ob L_L2 im Lautinventar der L1 existiert oder nicht. Nach dem Modell von LEVELT u. a. (1999) verfügt jeder Sprecher über ein in der Kindheit motorisch antrainiertes Silbeninventar, das bei der artikulatorischen Umsetzung des phonetischen Plans aktiviert wird; die Artikulationsprozesse sind in jedem Fall automatisiert und dementsprechend sehr stabil. Sofern ein Laut nicht im L1-Inventar existiert, ist schon das motorische Problem des Erlernens nicht zu unterschätzen: The language learner, it seems, must acquire complex new sets of highly automatic articulatory gestures or modify existing patterns of phonetic implementation in addition to acquiring control of an abstract, reorganized phonology.“ (FLEGE 1980, 118)

Auch bei Dialekt-Standard- oder Dialekt-Dialekt-Kontakt stellt sich dieses Problem, dessen Einschätzung dadurch verkompliziert wird, dass nicht alle neuen Laute gleich schwierig zu erwerben sind. Ansatzmöglichkeiten, die relative artikulatorische Schwierigkeit einzelner Laute zu messen, sind Daten aus dem Erstspracherwerb oder aus Untersuchungen zu universaler Markiertheit. Bei letzterer179 ist allerdings die Definition umstritten, bzw. die Frage, nach welchen Kriterien Markiertheit ermittelt werden kann180. Vor allem zwei typologische Ansätze konkurrieren: zum einen ein rein frequenzbezogener – gemessen wird die Häufigkeit, mit der ein Laut (als Phonem) in den Sprachen der Welt vorkommt (s. MADDIESON 1984), zum anderen ein implikativer: Geprüft wird, ob aus dem Vorhandensein eines Phonems X in einer Sprache auf das Vorhandensein eines anderen Phonems Y geschlossen werden kann181 (s. ebd.). Andere Kriterien sind Erwerbs179 Vgl. vor allem ECKMAN (1977) zur Markedness Differential Hypothesis. 180 „Everyone seems to have their own definition of markedness.“ (ARCHIBALD 1998, 57). 181 Da sich aus Implikation auf statistische Frequenz schließen lässt, jedoch nicht umgekehrt, gilt Implikation als das stärkere Kriterium. Problematisch bleibt jedoch das Verhältnis zwischen

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reihenfolgen im Erstspracherwerb und Anfälligkeit für Lautwandel (vgl. HALL 2000, 88). Das Problem liegt jedoch nicht immer beim einzelnen Laut und dessen Produktion (und Perzeption, s. u.): Da beim Erstsprach-Erwerb nicht einzelne Laute motorisch antrainiert werden, sondern ein „Silbarium“, sind auch die Position des Lauts und die Kombinationen in der Silbe von wesentlicher Bedeutung, sowohl bei L1-Erwerbsreihenfolgen als auch im Fremdsprachenerwerb. So gehören auch phonotaktische Beschränkungen der L1 zu den sehr stabilen Erscheinungen, bei denen es „regelmäßig“ zu Imposition kommt182. Zu dieser besonderen Rolle der Silbe im Erwerb der Artikulation passt auch die hohe Stabilität kombinatorischer Allophonie, die sehr häufig in die L2 übertragen wird (s. ECKMAN/IVERSON 1997, 188f, MAJOR 2001, 89). Allgemein wird die Stabilität postlexikalischer phonologischer Regeln wie etwa der Auslautverhärtung betont, die in der L1 ausnahmslos gelten und automatisch auf die L2 übertragen werden. Dies gilt für den DialektDialekt-Kontakt ebenso wie für den Fremdsprachenerwerb (vgl. KERSWILL 1994, 159; MAJOR 2001, 91). Die Ergebnisse in der L2 müssen dabei nicht einmal Lauten entsprechen, die in der L1 vorkommen183. Wesentlich ist die Unbewusstheit dieser Prozesse: „[P]ostlexical material [...] is cognitively less prominent, presumably precisely because it lies outside of the lexicon, the arena where all meaningful contributions to word formation take place“ (ECKMAN/IVERSON 1997, 192). Imposition hängt allerdings nicht allein davon ab, ob L_L2 im L1-Inventar existiert und keinen abweichenden phonotaktischen Beschränkungen bzw. postlexikalischen Regeln unterworfen ist. Ob es bei Nichtexistenz im L1-Inventar tatsächlich zu Substitution durch L1-Laute (also Imposition) kommt oder zum Erwerb von L_L2, wird auch wesentlich von der Perzeption bestimmt. Nach FLEGE (1995, 239) ist entscheidend, ob eine Ähnlichkeit mit irgendeinem Laut der L1 wahrgenommen wird, so dass Lernende beide gleichsetzen, oder nicht, so dass sie eine neue phonetische Kategorie bilden. The psycholinguistic reason why similar sounds tend to be more difficult than dissimilar sounds seems to be that gross differences are more often noticed, due to perceptual saliency, whereas minimal differences are less likely to be noticed, resulting in non-learning. (MAJOR 2001, 37, 100)

Wenn also aus Sicht der Forschung zum Fremdsprachen-Akzent letztendlich „perceptual saliency“ entscheidend für die Frage von Imposition oder NichtImposition ist, so ist hier die Übereinstimmung mit (schon älteren und immer noch kontrovers diskutierten) dialektologischen Konzepten unverkennbar. SCHIRMUNSKI (1928/29; 1930) ging davon aus, dass die Erhaltung oder Aufgabe von phylogenetischer und ontogenetischer Argumentation: So ist z. B. [s] dem Sprachenvergleich zufolge ‘unmarkiert’, aber artikulatorisch besonders komplex und schwierig im Erstspracherwerb (JAMES 1988, 46). 182 Vgl. etwa MAJOR (2001, 36), FLEGE (1995, 238), KERSWILL (1994, 159). – Dasselbe stellt TRUDGILL (1986) für den Dialekt-Dialekt-Kontakt fest. 183 Ein solcher Fall ist etwa stimmlose Realisierung englischer stimmhafter interdentaler Frikative im Auslaut (z. B. in with) als Merkmal deutschen Akzents (Auslautverhärtung).

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Merkmalen des Dialekts im Kontakt mit der Gemeinsprache in Verbindung mit bestimmten Eigenschaften dieser Merkmale zu sehen sei und sich hiernach zwei Gruppen von Dialektmerkmalen, primäre und sekundäre Dialektmerkmale, bilden ließen, deren Unterscheidung sich „prinzipiell begründen“ lasse, auch wenn „keine starre Grenze“ gezogen werden könne (SCHIRMUNSKI 1930, 183). Die anhaltende Diskussion um die Brauchbarkeit und Überprüfbarkeit von SCHIRMUNSKIS Konzept nährt sich vor allem daraus, dass er eine Reihe von Eigenschaften nennt, die den Gegensatz zwischen primären und sekundären Merkmalen kennzeichnen184, ohne sich für die Definition des Begriffspaars wirklich explizit auf ein Kriterium festzulegen. Es ist jedoch relativ eindeutig, dass er in bestimmten – als objektiv feststellbar aufgefassten – Merkmalseigenschaften den Grund für die Reihenfolge im Abbau sieht. SCHIRMUNSKIS Vorstellung von primären/ sekundären Dialektmerkmalen ist also an sich nicht zirkulär; der Vorwurf der Tautologie185 ist nur dann berechtigt, wenn statt der von SCHIRMUNSKI als Ausgangspunkt angesetzten Klassifizierung der Merkmale nach bestimmten (allerdings nicht klar definierten) linguistischen Eigenschaften im Kurzschluss die Abbauhierarchie als Einteilungskriterium für die Unterscheidung primär – sekundär genommen wird, statt die behauptete Korrelation zu überprüfen. Dagegen ist eine Umkehrung des Verhältnisses von definierendem Kriterium und damit (möglicherweise) korrelierenden Eigenschaften186 natürlich auch möglich und heuristisch sinnvoll. Allerdings ist die Abbauhierarchie unter dem Aspekt des Ursache-WirkungVerhältnisses bzw. der Voraussagbarkeit der sprachlichen Entwicklungen die nachgeordnete Seite. Bei SCHIRMUNSKI wie auch bei TRUDGILL ist das Ziel, „given a comparison of two varieties, to predict what form of accomodation between them will take place“ (TRUDGILL 1986, 24, Hervorhebung orig.)187. Dabei stehen die Eigenschaften, die von SCHIRMUNSKI oder TRUDGILL als wesentlich angeführt werden, nicht alle auf gleicher Ebene, sondern hängen zum großen Teil voneinander ab. Versucht man eine Hierarchisierung der von SCHIRMUNSKI genannten Faktoren, ergibt sich als wesentliches Kriterium auch hier die Auffälligkeit des betreffenden Dialektmerkmals. Auch für TRUDGILL (1986) ist die Auffälligkeit bzw. saliency (als Salienz in die deutschsprachige Literatur aufgenommen) eines Dialektmerkmals entscheidend dafür, ob es im Dialekt-DialektKontakt übernommen wird oder nicht. Ebenso wie bei SCHIRMUNSKI wurde dies 184 Vgl. dazu auch JAKOB (1987), AUER/BARDEN/GROßKOPF (1996, 144), vgl. a. HINSKENS (1986, 157), TAELDEMAN (1993), LENZ (2003, 22). 185 Z. B. TROST (1968, 53), REIFFENSTEIN (1976, 338), BÜCHERL (1999, 154). 186 Z. B. LENZ (2003, 22) betrachtet zwar ebenfalls die Abbauresistenz als „das implizit definitorische Kriterium, das der Merkmalsklassifizierung SCHIRMUNSKIS zugrundeliegt“, erkennt aber an, dass SCHIRMUNSKI durch seine Ausführungen zu den verschiedenen Eigenschaften der beiden Merkmalstypen „Ansätze einer möglichen Operationalisierung seiner Unterscheidung“ bietet und nimmt selbst eine Überprüfung des Zusammenhanges zwischen Abbauresistenz und (getrennt voneinander) linguistischen Faktoren und Sprecher-Urteilen vor. 187 Viele Kritiker halten dies aufgrund der beteiligten sprachsoziologischen Faktoren allerdings von vornherein für unmöglich (vgl. u.) – Konsequenterweise sollte dann jedoch auch das Schirmunski’sche Begriffspaar aufgegeben werden, was oft nicht geschieht.

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als zirkulär kritisiert (vgl. KERSWILL 1994, 154f, HINSKENS 1992, 16–20), weil sich dasselbe Problem stellt: die Objektivierung des Faktors „Auffälligkeit“, den einige Autoren als grundsätzlich nicht objektivierbar ansehen. Eine Objektivierung ist indessen nicht unmöglich, wenn man sich nicht auf die Vorstellung der „Auffälligkeit“ eines Merkmals als solchen bezieht, das „beibehalten“ oder „aufgegeben“ werden kann, sondern deutlich macht, dass „beibehalten“ in diesem Zusammenhang bedeutet, dass dieses Merkmal L_L1 an die Stelle von L_L2 tritt. „Auffälligkeit“ ist insofern sinnvollerweise auf den Unterschied zwischen L_L1 und L_L2 zu beziehen188 und kann als phonetische/artikulatorische Verschiedenheit operationalisiert werden – was auch SCHIRMUNSKI (1930, 183) als Grundlage der Auffälligkeit eines Dialektmerkmals angibt. Für TRUDGILL (1986, 37–38) ist ebenfalls der „degree of phonetic difference“ zwischen L_D1 und L_D2 ein Hauptfaktor für Salienz. Die Tatsache, dass die Ergebnisse artikulatorischer, akustischer und perzeptiver Ansätze der Ähnlichkeitsmessung nach wie vor auseinanderklaffen (vgl. z. B. Heeringa 2004, 277), ist dabei kein Gegenargument – hier handelt es sich um ein Problem der Messverfahren und insbesondere der Erforschung der Perzeption, aus dem noch nicht geschlossen werden kann, dass „Auffälligkeit“ sich intersubjektiver Erfassung entzieht oder gar nicht existiert. Auf jeden Fall spielt artikulatorische Ähnlichkeit auch im Zweitspracherwerb eine Hauptrolle für die Wahrscheinlichkeit von Substitution eines L2-Lauts durch einen L1-Laut, wobei gleichzeitig auch hier deutlich ist, dass eine einfache Distanzmessung nach phonologischen Merkmalen nicht ausreicht. So weisen beobachtete Lautsubstitutionen z.B. darauf hin, dass perzeptive Ähnlichkeit Übereinstimmung hinsichtlich Sonoranz, Nasalität, Stimmhaftigkeit und normalerweise Artikulationsort erfordert, Übereinstimmung in der Artikulationsart (plosiv/ frikativ) dagegen nicht unbedingt nötig ist (s. ARCHIBALD 1998, 102)189. Sehr wahrscheinlich ist, dass die Auffälligkeit des Unterschieds zwischen L_L1 und L_L2 aber unter anderem auch wesentlich vom Phonemsystem der L1 abhängt: Ein Unterschied, der in einer vom Hörenden beherrschten Varietät eine bedeutungsunterscheidende Rolle spielt, wird normalerweise wahrgenommen (das Umgekehrte gilt allerdings nicht zwingend). So ist auch für TRUDGILL – neben phonetischem Kontrast – der noch wichtigere zweite Hauptfaktor „surface phonemic contrast“ (TRUDGILL ebd.). Bei SCHIRMUNSKI wird dieser Faktor entsprechend der Perspektive ‚unvollständiger Standard-Erwerb durch Dialekt-Sprecher‘ 188 So formuliert auch SCHIRMUNSKI (1930, 118): „Wie [!] bezeichnend [!] [richtig wohl: “Wir bezeichnen“, R.M.] im weiteren die charakteristischen, d. h. am stärksten auffallenden Abweichungen einer Mundart gegenüber der Schriftsprache (oder anderen Mundarten) als primäre Merkmale, die weniger auffallenden als sekundäre Merkmale.“ 189 Dass Übereinstimmung im Artikulationsort von Konsonanten eine größere Rolle spielt als Übereinstimmung in der Artikulationsart, kann mit Universalien der Perzeption zusammenhängen, zumindest bei Sprechern deutscher Varietäten jedoch auch mit der Tatsache, dass sich bei konsonantischem Lautwandel hier mit wenigen Ausnahmen fast immer die Artikulationsart geändert hat, der -ort dagegen kaum oder nicht, sodass derartige Dialekt-Standardoder Dialekt-Dialekt-Korrespondenzen viel vertrauter sind. Dahinter können natürlich wiederum Universalien des Lautwandels stehen.

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als Vorhandensein oder Fehlen von L_ST (in anderer lexikalischer Distribution) im Phonemsystem des Dialekts einbezogen (s. SCHIRMUNSKI 1962, 593). Zu berücksichtigen sind in jedem Fall zwei Aspekte: zum einen die reine Existenz von L_L2 bzw. L_ST im L1- bzw. Dialekt-Inventar, zum anderen die Existenz einer phonologischen Opposition zwischen L_L1 und L_L2 innerhalb der L1 bzw. zwischen L_D und L_ST innerhalb des Dialekts, die den Unterschied leicht wahrnehmbar macht. Mit dem zentralen Begriff der „Ähnlichkeit“ steht auch das Speech Learning Model von FLEGE (1995; s.a. ders. 2003) vor dem Problem, die „wahrgenommene Ähnlichkeit“ objektiv zu erfassen – und auch hier ist die Gefahr der Zirkularität kritisiert worden (vgl. MAJOR 2001, 39). Gleichwohl gilt das Speech Learning Model als anerkannt und empirisch bestätigt (vgl. ARCHIBALD 1998, 49). Die Rolle der „Ähnlichkeit“ zwischen den entsprechenden Lauten (bzw. umgekehrt: der Auffälligkeit des Unterschieds) wird nicht grundsätzlich angezweifelt, sondern die Forschung konzentriert sich eher auf die Präzisierung des Ähnlichkeitsbegriffs bzw. auf die Faktoren, die für die Wahrnehmung von Ähnlichkeit eine Rolle spielen. Hier besteht immer noch Klärungsbedarf, auch wenn Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit in vielen Fällen – vor allem bei Zusammen- statt Gegeneinanderwirken verschiedener Faktoren – doch relativ eindeutig zu bestimmen ist (MAJOR 2001, 36). Die große Bedeutung der phonologischen Oppositionen in der Erstsprache ist jedenfalls auch in der Sprachlernforschung unbestritten. Beim Erstspracherwerb wird die Wahrnehmung von Lauten hierauf abgestimmt, und dementsprechend werden phonetische Eigenschaften, die in der Erstsprache nicht distinktiv sind, auch in der Wahrnehmung anderer Sprachen eher ausgefiltert (vgl. FLEGE 1995, 238). Empirisch abgesichert ist aber darüber hinaus auch die Feststellung, dass die Gleichsetzung bzw. Zuordnung von L2- zu L1-Lauten nicht auf rein phonemischer, sondern auf allophonischer Ebene stattfindet; nach FLEGE (1995, 239) spielt die Position des Lauts in der Silbe nicht nur für artikulatorische Schwierigkeiten (s. o.) eine Rolle, sondern auch für die Wahrnehmung von Unterschieden und damit für die Möglichkeiten der Gleichsetzung von L2- und L1-Lauten. Der Einfluss der phonologischen Kategorien der L1 auf die Wahrnehmung phonetischer Unterschiede wird umso größer, je später die L2 erlernt wird. Gleichwohl bleibt die L1 nicht lebenslang unverändert die Folie für die Wahrnehmung von phonetischen Unterschieden, sondern mit fortschreitendem Erwerb der L2 kann es zum Aufbau neuer Kategorien kommen (vgl. ebd., 239, 263). Dabei wird aber angenommen, dass die phonetischen Kategorien der L1 und der L2 beim Sprecher nicht unabhängig voneinander koexistieren, sondern miteinander in Verbindung stehen und einander beeinflussen können (FLEGE 1995, 242 spricht von einem „common phonological space“). Dies erklärt nicht nur den L2-Akzent in der L1 etwa von Emigranten bzw. deren Akzent in beiden Sprachen190, sondern auch die Tatsache, dass Sprecher, die neben der L2 noch oft die L1 benutzen, in der L2 einen deut190 Vgl. THOMASON/KAUFMAN (1988, 42), s. a. THOMASON (2001, 138), WEINREICH (1977, 138).

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lich stärkeren Akzent haben als Sprecher, die – bei ansonsten gleichen Ausgangsbedingungen – (fast) nur noch die L2 verwenden. Da sich die meisten Überlegungen zu phonologischem Kontakt naheliegenderweise um phonetische und phonologische Fragen drehen, kommt ein weiterer Aspekt dabei sehr häufig zu kurz: Die Rolle der Orthographie. Diese ist im Dialekt-Standard-Kontakt etwas anders (und vielleicht noch wichtiger) als im Fremdsprachenerwerb, aber in mancher Hinsicht ist beides auch vergleichbar. So berichten verschiedene empirische Studien davon, dass die Orthographie einen negativen Einfluss auf den Fremdsprachenerwerb hat, indem gleiche graphische Wiedergabe von L1- und L2-Lauten phonetische Substitutionen befördern, selbst wenn die Sprecher diese Substitution vor dem Kontakt mit geschriebener Sprache nicht vorgenommen haben (vgl. FLEGE/BOHN/JANG 1997, 466; WODE 1983, 180; vgl. a. ARCHIBALD 1998, 90). Umgekehrt erhöht es die Salienz des phonetischen Unterschieds zwischen L_D1 und L_D2, wenn dieser Unterschied in der Standard-Orthographie einer graphemischen Opposition entspricht (vgl. TRUDGILL 1986, 37–38, CHAMBERS 1992, 697–701). Auch SCHIRMUNSKI führt den Faktor „Orthographie“ als relevant für den Unterschied zwischen primären und sekundären Dialektmerkmalen auf, ohne dass dies näher erläutert wird. Eine mögliche Lesart ist die soeben genannte, eine etwas andere (von der Wirkung her aber gleiche) der Bezug auf die Wiedergabe von Dialektmerkmalen in DialektOrthographie (so AUER 1990; AUER/BARDEN/GROßKOPF 1996, 144, LENZ 2003, 197f.). Für eine frühe Phase des Dialekt-Standard-Kontakts, also die „Impositionsphase“, in der der Dialekt in der Regel die Erstsprache war, ist die Rolle der Orthographie aber noch etwas anders zu betrachten, nämlich vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Kontakt mit dem Standard wahrscheinlich in erster Linie dessen geschriebene Form betraf (s. Kap. 10.), also in Form einer Dekodierung von Buchstabenfolgen mit Hilfe des Dialekt-Lautsystems stattfand. Der DialektStandard-Kontakt besteht hier also zuallererst im Herstellen eines (dauerhaften) Bezugs zwischen Standard-Buchstaben und Dialekt-Lauten. Dies gründet sich vorrangig auf Ähnlichkeit, aber darüber hinaus spielen hier sicherlich auch regelmäßige Korrespondenzen bei kognaten Wörtern mit. Selbst bei verschiedenen Sprachen scheint die Existenz kognater Wörter die Gleichsetzung von L1- und L2-Lauten zu beeinflussen, sogar dann, wenn L_L2 in L1 als Phonem existiert191. Im Standard-Dialekt-Kontakt stehen diese Korrespondenzen aber aufgrund des hohen Kognaten-Anteils viel stärker im Vordergrund (vgl. a. KERSWILL 1994, 141–43). In der Diskussion um primäre und sekundäre Dialektmerkmale hat vor allem TROST (1968) – in Kritik an SCHIRMUNSKI – diese Korrespondenzbeziehungen an erste Stelle gerückt. Grundsätzlich können die Korrespondenzen in beide Richtungen eindeutig sein oder ein- oder beidseitig durch Phonemzusammenfall verunklart (häufiger ist letzteres). Nach Trosts Ansicht hängt bei Dialekt-Dialekt191 Vgl. JAMES (1983, 188 und 1986, 163), vgl. a. RAUCH (1995, 283), ABRAHAMSSON (1996, 20).

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Kontakt nun genau hiervon ab, ob der Ausgleich in beide oder eine Richtung begünstigt oder in beiden Richtungen erschwert ist. Für die Frage nach sekundären Dialektmerkmalen im Sinne bleibender Interferenzen sind hieraus jedoch eigentlich keine Erkenntnisse zu gewinnen: Die (seltenen) eindeutigen DialektStandard-Korrespondenzen bedeuten sicherlich in der Anfangsphase eine Erleichterung des Erwerbs. Auf Dauer, für stabile Imposition bzw. Substrat, ist die Frage der Ableitbarkeit jedoch nicht so relevant. REIFFENSTEIN (1976; 1977), der ebenfalls die Eindeutigkeit der Korrespondenzbeziehung für den wesentlichen Faktor im Dialekt-Standard-Kontakt hält, argumentiert im Rahmen einer generativen Darstellung gerade umgekehrt: Uneindeutige Korrespondenzbeziehungen entsprechen tiefenstrukturellen Unterschieden, während eindeutige auf gleiche lexikalische Tiefenstrukturen, aber unterschiedliche Regeln zurückgehen. Für den Kontakt zwischen Dialekt und Standard nimmt REIFFENSTEIN nun an, dass gerade Uneindeutigkeit der Korrespondenz (= verschiedene Tiefenstrukturen) die Übernahme der Standard-Formen begünstigt, weil es sich dabei dann um lexikalischen Ersatz handele, der immer leichter vor sich gehe als systematischer Wandel (REIFFENSTEIN 1977, 181). Hier werden jedoch Dinge vermischt: Ob beim Erwerb neuer Wörter bzw. beim lexikalischen Ersatz phonetisch-phonologische Imposition stattfindet oder nicht, hängt nicht davon ab, ob eindeutige Korrespondenzen die Anwendung von Umsetzungsregeln erlauben (sodass theoretisch keine neuen Lexikoneinträge erworben werden müssten). Auch bei uneindeutigen Korrespondenzen kann lexikalischer Erwerb gleichzeitig den Erwerb einer neuen phonologischen Kategorie notwendig machen bzw. zu Imposition führen, während umgekehrt theoretisch auch bei eindeutigen Korrespondenzen möglich ist, dass L_L2 im Inventar der L1 existiert und eine Umsetzungsregel mit entsprechender Gleichsetzung zu akzentfreien L2-Formen führt. Der Hintergrund für Reiffensteins Argumentation, dass das Phonemsystem bei Wortersatz (Entlehnung) unverändert bleibt und nur Besetzungsverschiebungen stattfinden, ist wohl, dass das Ergebnis von Lautwandel oft lexikalische Umbesetzungen der Positionen in gleichen oder ähnlichen Inventaren sind (vgl. etwa dt. d und t mit engl. d und t), die dabei entstehenden Korrespondenzen zwischen verschiedenen Positionen in parallelen Inventaren verwandter Systeme aber dann selten auf Dauer eindeutig bleiben. (Sofern die betroffenen Systeme nach dem Lautwandel noch im Kontakt miteinander stehen, ergibt sich dies allein schon daraus, dass spätere Entlehnungen nicht an diese Korrespondenzen angepasst werden, sondern unverändert übernommen werden, wenn die entsprechenden Laute im Inventar vorhanden sind192.) Ein Zusammenhang zwischen Eindeutigkeit der Beziehungen und Impositions-Faktoren besteht insofern tatsächlich, aber umgekehrt: Bei parallelen Inventaren (=Abwesenheit von Impositions-Faktoren) bleiben die Beziehungen nicht eindeutig. Bei Inventar-Unterschieden, bei denen es leicht zu Imposition kommt, ist es dagegen wahrscheinlicher, dass eindeutige Korrespondenzen erhalten bleiben. Dies ist jedoch auch nicht zwingend, und die Eindeutigkeit der Korrespondenz ist keinesfalls ein Grund für Imposition. 192 Vgl. etwa engl./dt. tongue/Zunge, aber tank/Tank – vgl. a.Kap. 9.

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So führt die Konzentration auf den phonologisch-strukturellen Aspekt auch bei einem Beispiel von MUNSKE (1983, 1006f.) hinsichtlich der Ursachen der Phänomene eher in die Irre: MUNSKE stellt in Anlehnung an REIFFENSTEIN den Fall vor, dass die bairische Opposition /ȳe/ ~ /ƥa/ (aus mhd. î bzw. ei), der in der Standardsprache nur /ae/ entspricht, nach standardsprachlichem Vorbild „umstrukturiert“ wird, sodass die unterschiedlichen Formen der Umgangssprache und des Standards nun „durch verschiedene phonologische Regeln aus gleicher Basisform“ ableitbar sind. Die Darstellung dieses Prozesses als Wandel bzw. Umstrukturierung der dialektalen Verhältnisse in Richtung einer strukturellen Homogenisierung mit dem Standard erweckt hier den Eindruck, dass es sich um einen strukturellen Ausgleichsprozess handelt. Die strukturelle Homogenisierung mit dem Standard ergibt sich jedoch zwangsläufig daraus, dass der Dialektsprecher die „hochsprachlichen“ Wörter verwenden will (also die Oppositionen des Standards zugrundelegt) und dabei den standardsprachlichen Diphthong [ae] – überall, wo er im Standard auftritt – durch den ähnlichen dialektalen Diphthong [ȳe] substituiert, gerade weil er die „einfache Umsetzungsregel“ bair. [ȳe] => stand. [ae] als gar nicht so einfach empfindet (oder eine weitere Bemühung um den Standard bis in subphonemische „Nuancen“ hinein als übertrieben ansieht). Es handelt sich also nicht um eine strukturelle Anpassung des dialektalen Phonemsystems an den Standard, sondern um eine phonetische Anpassung des standardsprachlichen Systems an den Dialekt.

8.2.2 Subjektive, soziologische und pragmatische Faktoren Gegenüber dem ursprünglichen kontrastiven Ansatz, bei dem die Produktion der Sprecher nur in Funktion des Sprachenpaars gesehen wurde, hat schon KELLERMAN (1977; 1978) die Rolle betont, die Annahmen/Einschätzungen seitens der Lerner für Transfer aus der L1 spielen: Wird angenommen, dass die beiden Sprachen relativ wenig Gemeinsamkeit/Verwandtschaft aufweisen oder dass eine sprachliche Struktur der L1 eine ganz spezifische Erscheinung dieser Sprache ist, kommt es weniger leicht zu (positivem oder negativem) Transfer als im gegenteiligen Fall (vgl. a. JAMES 1988, 37). Der Grund hierfür dürfte darin liegen, dass bei angenommener Nähe der Sprachen die Aufmerksamkeit für Unterschiede reduziert wird; zudem begünstigt eine hohe Zahl von Kognaten Transferenz. Im Dialekt-Standard-Kontakt ist also schon aus diesen Gründen besonders stark mit Imposition zu rechnen. Nach KELLERMAN spielen darüber hinaus aber auch konkrete Annahmen hinsichtlich der Markiertheit eines L1-Merkmals eine Rolle dafür, ob Transfer in die L2 stattfindet oder vermieden wird: If a feature is perceived as infrequent, irregular, semantically or structurally opaque, or in any other way exceptional, what we could in other words call ‘psycholinguistically marked’, then its transferability will be inversely proportional to its degree of markedness. (KELLERMAN 1983, 117)

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Damit wird nicht nur der subjektive Aspekt von „Auffälligkeit“ unterstrichen, sondern auch die Tatsache, dass über den phonetisch-phonologischen Kontrast hinaus noch weitere Faktoren dazu beitragen können. Ein objektiv erfassbarer Faktor ist immerhin die Frequenz, im Bezug auf dialektale Merkmale in enger Beziehung zum Geltungsraum zu sehen. Zum Beispiel ist die Auffälligkeit der Velarisierung der alveolaren Plosive im Ripuarischen (Variable G/T) über die phonetische Distanz193 hinaus zusätzlich auch mit dem kleinen Geltungsraum zu erklären. Aus derartigen Markiertheits-Annahmen ergibt sich jedoch auch, dass positiver Transfer in solchen Fällen verhindert wird (vgl. Kap. 9 zu [g] im Ripuarischen). So berichtet JAMES (1983) vom Fremdsprachenerwerb durch Dialektsprecher, dass die Tatsache, dass der Dialekt über einen für die Fremdsprache „benötigten“ Laut verfügt, nicht genutzt wird, wenn dieser Laut als stark dialektal gilt. Weiter von einer linguistisch-kontrastiven Position entfernt sich TAELDEMAN (1993). TAELDEMAN bezieht sich grundsätzlich auch auf das Kontaktmodell von VAN COETSEM. Darüber hinaus unterscheidet er jedoch zwischen unbewusster und bewusster Dialekt-Persistenz (Imposition, Adaption) bzw. unbewusstem und bewusstem Dialekt-Abbau (Entlehnung). Als unmarkierte Fälle ordnet er unbewusste Dialekt-Persistenz (= „normale“ Imposition) und bewussten Dialekt-Abbau (= „normale“ Entlehnung) ein, daneben gibt es jedoch auch „bewusste Imposition“. TAELDEMAN erklärt dies unter Berufung auf Hinweise seiner Informanten folgendermaßen: Ein flämischer Dialektsprecher bleibt (in einer bestimmten Situation) im Prinzip nicht bei seinem Dialekt, will aber doch nicht in jeder Hinsicht seine Aussprache an die flämische Standardnorm anpassen (z. B. weil er findet, dass diese insgesamt in dieser konkreten Situation zu ‚feierlich‘ klingt). Obwohl er prinzipiell anstrebt, ein hohes Maß an (flämischer) Standardsprachigkeit zu erreichen, wird er bewusst einige Aussprachemerkmale seines Dialekts oder Regiolekts beibehalten.194 (TAELDEMAN 1993, 106, Hervorhebungen original)

Die Merkmale, die nach TAELDEMAN bei unbewusster Dialekt-Imposition beibehalten werden, entsprechen den „sekundären“ Dialektmerkmalen (es handelt sich um subphonemische/nicht-distinktive Merkmale, ohne großen phonetischen Abstand zum korrespondierenden Standardmerkmal, ohne lexikalische Beschränkung/mit besonders hoher Systematizität, mit relativ großem Verbreitungsgebiet, s. ebd., 109). Auch die Merkmale bewusster Imposition sind großräumig verbreitet und bewirken keinen auffälligen Abstand zu den Standard-Formen, können jedoch lexikalisch beschränkt sein und haben eben nicht „eine Art Automatismus“ hinter sich, da sie ja bewusst verwendet werden. Es geht jedoch dabei typischer193 Sofern man als erwiesen voraussetzen kann, dass Unterschiede im Artikulationsort bei Konsonanten auffälliger sind als solche in der Artikulationsart, s. o. (vgl. a. MÖLLER 2011, 95– 97). 194 Een Vlaamse dialectspreker stapt (in een bepaalde situatie) in principe van z’n dialect af maar wil toch niet in alle opzichten z’n uitspraak conformeren aan de Vlaamse standaardnorm (b.v. omdat hij die in z’n totaliteit te ‘plechtig’ vindt klinken in die concrete situatie). Hij zal ondanks z’n fundamentele streven om een hoge mate van (Vlaamse) standaardtaligheid te bereiken bewust een aantal uitspraakkenmerken uit z’n dia- of regiolect meenemen.“.

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weise um Reduktions- bzw. Deletionserscheinungen, was zunächst der „Bewusstheit“ zu widersprechen scheint, aber auf zweiten Blick sehr einleuchtend ist, da die Intention der Sprecher ja ist, nicht „hochgestochen“ zu sprechen (was typischerweise mit Vermeidung von Reduktionsformen verbunden wird) bzw. eine gewisse Informalität zu signalisieren. TAELDEMAN nimmt an, dass die im Vergleich zum Standard zumeist stärkere Reduktion der Dialekt-Formen bei bilektalen Sprechern bewirkt, dass sie das Sprechen ‚nach den Buchstaben‘ auf die Dauer mit Vornehmtuerei gleichsetzen und so in ihre Standardsprache eine (begrenzte) Anzahl von Reduktionen einbauen werden, um zu zeigen, dass das Verwenden der Standardsprache bei ihnen gerade keine Konnotation von Vornehmtuerei zu implizieren braucht.195 (ebd.)

Aus ähnlichen Gründen setzen auch Nicht-Dialektsprecher – auch im Lento – reduzierte Allegroformen ein, um Informalität zu signalisieren. Den Dialektsprechern stehen aber darüber hinaus auch noch die lenisierenden Erscheinungen des Dialekts zur Verfügung. Ohne weiteres lässt sich dies jedoch so nicht mehr mit dem Kontaktmodell erfassen; jedenfalls bedeutet das Konzept von „bewusster Imposition“ hier doch zunächst einmal einen inneren Widerspruch. Klarer wird es, wenn man differenziert: Zum einen kann „bewusste Imposition“ genauer bedeuten: „bewusster Verzicht auf die Vermeidung von Imposition“. Da Imposition nomalerweise unbewusst stattfindet und dementsprechend zur Vermeidung eine bewusste Anstrengung nötig ist, kann auch der Verzicht auf ein derartiges Bemühen in diesem Sinne bewusst sein. Damit setzen sich bei Sprechern, die stark im Dialekt verhaftet sind, genau die Merkmale durch, die besonders anfällig für Imposition sind. Je besser der Sprecher jedoch den Standard beherrscht und/oder je mehr ihm trotz der Angst vor „hochgestochenem“ Sprechen an Standardsprachlichkeit gelegen ist, desto mehr konzertriert sich die „bewusste Imposition“ dann auf Reduktionserscheinungen als Kompromiss. Dies ist offenbar TAELDEMANS Sicht. Darüber hinaus kann „bewusste Imposition“ aber auch bedeuten, dass bewusst Merkmale verwendet werden, die bei dialektal sozialisierten Sprechern ImpositionsMerkmale sind bzw. waren, in einer späteren Phase des Kontakts (in der der Dialekt nicht mehr die dominante Varietät ist) dagegen nicht mehr automatisch transferiert werden, sondern Varianten darstellen, die von ihrer Herkunft her bestimmte Konnotationen behalten haben. In diesem Fall wären die Merkmale der unbewussten und der bewussten Imposition allerdings dieselben, aber da bei dieser jüngeren Generation von Sprechern nun die Ausgangsbedingungen des Standards als Erstsprache mitspielen, liegt es nahe, dass bestimmte Impositions-Merkmale sich leichter in solche Marker transformieren als andere (vgl. o. zur „Rückspiegelung“).

195 „[...] dat zij het ‘op de letter’ spreken op den duur met bekaktheid gaan identificeren en zo in hun A.N. een (beperkt) aantal reducties gaan inbouwen als indicatie dat A.N. spreken bij hén net geen connotatie von bekaktheid hoeft te impliceren“. (ebd. 1993, 111–112). – Zu Vermeidung auffällig standardsprachlicher = „hochgestochener“ Formen vgl. a. AMMON (2003, 168).

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8.2.3 Attitüden Auch wenn von TAELDEMAN kein Automatismus angenommen wird, sondern eine Wahl des Sprechers, ergibt sich auch hier im Endeffekt eine Abstufung der Wahrscheinlichkeit von Imposition bei verschiedenen Merkmalen, die von linguistischen Faktoren herzuleiten ist. In jüngerer Zeit ist gegenüber den rein oder vorwiegend linguistischen Kriterien dagegen nachdrücklicher die soziolinguistische Dimension der Wahl von Dialekt- und Standardmerkmalen und vor allem die Rolle von Attitüden hervorgehoben worden. Schon JAKOB (1987) distanziert sich explizit von der linguistisch begründeten Unterscheidung primärer und sekundärer Merkmale durch SCHIRMUNSKI, denn: „Der Regelapparat, der die Verteilung der Dialektmerkmale steuert, ist ein extralingualer. [...] Er ist aus Gebrauchsnormen und Verhaltensregeln aufgebaut, die die Sprecher- und Hörergruppen als soziale Regeln festlegen.“ (ebd., 92). DAVIES (1999, 222) übernimmt Jakobs Kritik: „Sprache wird ja durch Konventionen gesteuert, die sich unter sozialen Gruppierungen entwickelt haben: Reine linguistische Faktoren können die unterschiedlichen Entwicklungen in verschiedenen Sprechergruppen nicht hinreichend klären“. (Sofern sich in unterschiedlichen Sprechergruppen tatsächlich ganz unterschiedliche Entwicklungen ergeben, ist dies auf jeden Fall zutreffend, für das ripuarische Gebiet gibt es allerdings keine Hinweise darauf.) Aus soziolinguistischer Perspektive wäre wohl zunächst einmal zwischen Markern, Indikatoren und Stereotypen zu unterscheiden, nach der auf LABOV zurückgehenden grundlegenden Klassifikation des soziolinguistischen Status von sprachlichen Merkmalen (s. LABOV 1972, 314). Nach der Definition von KALLMEYER (1994, 28) sind Indikatoren „praktisch vom Sprecher nicht wahrgenommene und nicht kontrollierbare Herkunftsindikatoren“, Marker „wahrgenommene und zumindest versuchsweise kontrollierte sprachliche Merkmale“, Stereotype „allgemein bekannte, wie ein soziales Etikett definierte und auch zur karikierenden Charakterisierung verwendete sprachliche Eigenschaften“. Der wesentliche Unterschied zwischen Indikatoren und Markern liegt also in der Eigenwahrnehmung bzw. Bewusstheit und ist eng an die Kontrolliertheit bzw. Kontrollierbarkeit geknüpft (vgl. a. TRUDGILL 1986, 10f.). Die soziolinguistische Differenzierung ist damit doch wieder an linguistische Unterschiede geknüpft, zumindest sofern man die Perzeption noch hierzu rechnet. Wenn man die im Regiolekt beibehaltenen Dialektmerkmale (als Indikatoren) von (nicht beibehaltenen) Dialekt-Markern unterscheidet, kommt man also letztendlich wieder bei den bisher betrachteten Faktoren heraus196. Damit ist die mögliche Rolle von Bewertungen allerdings noch nicht ausreichend erfasst: Eine Annäherung vom Dialekt an die Gemeinsprache könnte auch so stattfinden, dass kontrollierbare, aber negativ bewertete Merkmale aufgegeben, 196 So wird denn auch (etwa von DAVIES 1999, 220) Marker und primäres Dialektmerkmal gleichgesetzt. In einer Entwicklungsphase, in der es auch Marker regionaler Umgangssprache gibt, wäre allerdings genauer zu differenzieren. Bei letzteren handelt es sich gerade um bewusst und kontrollierbar gewordene sekundäre Dialektmerkmale.

Bestimmende Faktoren phonologischer Transferenz

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positiv bewertete beibehalten werden. Dies ist zumindest die Annahme von MIHM, der die grundsätzliche soziolinguistische Relativierung des SCHIRMUNSKI’schen Erklärungsansatzes besonders deutlich formuliert: Die Übernahme dialektaler Merkmale in die Umgangssprache ist [...] mit allgemeingültigen linguistischen oder lernpsychologischen Gründen nicht zu erklären, sondern muß auf Bewertungen der jeweiligen Sprechergemeinschaft zurückgeführt werden, die letztlich auf kulturhistorischen Traditionen basieren. [...] Als Kriterium für die Aufnahme eines Dialektmerkmals in die Umgangssprache hat daher die in der regionalen Sprachgemeinschaft bestehende Bewertungshierarchie zu gelten. [...] Über die Entstehungsgeschichte dieser Bewertungshierarchien lässt sich nur in beschränktem Maße Aufschluß gewinnen. (MIHM 2000, 2109)

Eine (vollständige) Zurückweisung der „Lernersprachen-“ bzw. Substrathypothese zugunsten einer (ausschließlich) auf Attitüden bezogenen Herleitung regiolektaler Erscheinungen lässt sich m. E. allerdings nicht aufrechterhalten (s. u.). Auch wenn sicherlich damit zu rechnen ist, dass Attitüden zumindest auch einen wichtigen Faktor darstellen, müsste in jedem Fall versucht werden, diese Attitüden bzw. Bewertungssysteme und den Hintergrund ihrer Entstehung soweit wie doch möglich zu erhellen, wenn man sie nicht einfach als black box akzeptieren will. Die Existenz von Bewertungen, die sich auf ästhetische Maßstäbe stützen, wird von der Soziolinguistik in der Regel verneint197. Geläufig sind dagegen Bewertungen, die sich an Vorbildern bzw. Prestigeträgern orientieren; insbesondere die Ausbreitung der sprachlichen Formen regionaler Zentren und tonangebender Regionen hat schon die kulturmorphologische Schule der Dialektologie gezeigt (vgl. FRINGS 1926). Hiermit ist in jedem Fall zu rechnen, genauer zu prüfen ist dann das Kräfteverhältnis zwischen derartigen „horizontalen“ Einflüssen und der Orientierung an der Hochsprache. Ein weiterer Faktor, der für die Bewertung dialektaler Merkmale zweifellos eine Rolle spielt, ist insbesondere deren Geltungsraum, wie zahlreiche empirische Ergebnisse198 gezeigt haben. Es ist allerdings eher eine Frage der Akzentuierung, ob man dies mit Bewertungen erklärt oder – wie schon angesprochen – mit Auffälligkeit: Ein Merkmal mit großräumiger Geltung kann nicht nur als ‚weltläufiger‘ empfunden werden als ein lokales Dialektmerkmal, sondern fällt eben zunächst einmal auch weniger als Spezifikum auf. So ist offenbar auch nicht die absolute Größe des Geltungsraums ausschlaggebend, sondern sozusagen die Entfernung des jeweiligen Orts von dessen Grenzen199, weil es um die Erfahrung der Abweichung im mündlichen Kontakt geht. Insofern ist die Bedeutung der Salienz hier jedenfalls nicht gering, wenngleich der Bewertungsaspekt darüber hinausgeht. Welche weiteren außersprachlichen Faktoren zu einer besonders starken Konnotiertheit eines Merkmals führen können, ist weniger klar. Wenn ein Merkmal Gegenstand von Metakommunikation oder Sprachspott ist, zeigt dies das Vorhan197 Vgl. dagegen allerdings VAN BEZOOIJEN (2002). 198 Vgl. KERSWILL (1994, 11), HINSKENS (1986, 142–143, 1993, 52–53), LENZ (2003, 193–194, 202), THELANDER (1979, 130), SALEWSKI (1998, 120–121). 199 Vgl. HOPPENBROUWERS (1990, 42–43), LENZ (2003, 193), AUER/BARDEN/GROßKOPF (1996, 143).

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Regiolekt als dialektales Substrat

densein solcher Attitüden, darüber hinaus kann es sie verfestigen und stärken. Ein Faktor eigenen Rechts ist dies noch nicht, zu fragen wäre nach dem Hintergrund dieser Bewertungen. Auch hier spielt jedenfalls „Auffälligkeit“ hinein – in der Regel werden unauffällige und weit verbreitete Merkmale nicht Gegenstand starker Konnotationen oder emotionaler Bewertungen. Bestimmte Merkmale eignen sich vielleicht besser zur Imitation und Metakommunikation als andere, aber auch dies hat wieder mit Auffälligkeit und Kontrollierbarkeit zu tun, wobei Auffälligkeit und Kontrollierbarkeit aus der Außen- und aus der Innensicht hier nicht symmetrisch sein müssen (z. B. fällt ein Kontrast, der in einer Varietät phonemisch ist, in der anderen nicht, den Sprechern der ersten mehr auf). Das Bewusstsein, das sich in der Metakommunikation äußert, ist jedoch wesentlich von der Außensicht mitbestimmt, also von den Beobachtungen und Kommentaren von Sprechern außerhalb der Region. Sprachspott kommt sogar ausschließlich von außen, wirkt aber natürlich auch auf die Bewertungen seitens der Sprecher zurück. Dass Bewertungen aber keineswegs allein ausschlaggebend für die Stabilität dialektaler Merkmale in der regionalen Umgangssprache sind, zeigt die Tatsache, dass auch stark stigmatisierte Merkmale trotz der Stigmatisierung stabil sein können, wenn sie für die Sprecher schwer zu kontrollieren sind. Ein besonders deutliches Beispiel dafür ist die Koronalisierung von [ç] (s. Kap. 9), dasselbe zeigt sich aber auch bei J/G_D oder auch bei prosodischen Merkmalen (vgl. KERSWILL 1994, 158). Die Stigmatisierung führt in solchen Fällen zu Unsicherheit und Hyperkorrektismen, aber nicht zum Abbau des Merkmals. Insofern wirken die linguistischen Faktoren, die zur Imposition führen, letztendlich stärker als Bewertungen. So sehen auch AUER/HINSKENS (1996, 22) einen wesentlichen Hinderungsgrund für die Voraussage von Sprachverhalten auf der Basis von Attitüden darin, dass individuelle Unterschiede hinsichtlich der Beherrschung von Varianten berücksichtigt werden müssten. (Wenn AUER/HINSKENS hier die individuell verschiedene Wirkung dieser Faktoren unterstreichen, so gilt dies allerdings sicherlich nicht in höherem Maße als für Attitüden.) Die individuellen Probleme der Beherrschung sind nach den Ausführungen von AUER/HINSKENS jedoch als solche wieder auf linguistische Faktoren zurückzuführen, auf phonetisch-artikulatorische oder perzeptive Probleme oder auf grammatische (Lexikalisiertheit). Die Rolle von Attitüden ist insofern in erster Linie für den Umfang von Imposition oder Entlehnung insgesamt und auch für die Verfestigung von Imposition als Substrat wichtig, aber weniger für die Abstufung der Imposition bei verschiedenen Merkmalen. So stuft THOMASON (2001, 77) die linguistic predictors zwar im Vergleich mit soziologischen Faktoren als letztendlich weniger wichtig ein, erstere beziehen sich jedoch auf einzelne Merkmale, können also zur Voraussage der Kontaktfolgen im Detail herangezogen werden, während alle von THOMASON (ebd.) genannten sozialen und sozioökonomischen Faktoren sich auf das Kräfteverhältnis zwischen den Sprachen insgesamt beziehen, also auf die Fragen, welche Sprache sich überhaupt durchsetzt und wie stark der Einfluss dann ausfällt. Wenn unbedingt vollständiger Erwerb des Standards angestrebt wird, sieht das Ergebnis natürlich anders aus, als wenn „unser Hochdeutsch“ gut genug ist.

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ELMENTALER (2005, 402–404) präzisiert seine Kritik an der „Lernersprachenhypothese“ durch empirisch fundierte Gegenargumente im Bezug auf die regionale Umgangssprache am Niederrhein. Im Wesentlichen sind dies zwei Gegenargumente. Das erste lässt sich allerdings leicht entkräften: Vor dem Hintergrund der Annahme, „der Sprecher habe bestimmte Aussprachebesonderheiten seines Dialekts unabsichtlich in die intendierte standarddeutsche Zielsprache übernommen“, sei zu erwarten, dass Abweichungen von der Standardaussprache besonders bei seltenen Wörtern auftreten, und nicht gerade bei häufigen Wörtern wie ‘das’, die die Sprecher kennen müssten (ebd., 403). Die Feststellung, dass mutmaßliche Interferenz gerade bei hochfrequenten Wörtern zu beobachten ist, steht jedoch ganz im Einklang mit verbreiteten Beobachtungen zum Verhältnis zwischen Frequenz (und Betontheit) von Wörtern und lexikalischer Imposition. Grund für die Imposition ist nicht fehlendes Wissen, sondern verringerte Kontrolle. Das zweite Argument ist schlagender, es geht von der Feststellung aus, dass Unterschiede in der regionalen Umgangssprache zwischen nördlichem und südlichem Niederrhein zu beobachten sind, die sich nicht auf dialektale Unterschiede zurückführen lassen. Hierbei handelt es sich um die frikativen Varianten von J/G und eJ/eG sowie um die Koronalisierung von [ç], den stl. velaren Frikativ bei CHt/Rt und um nit statt nisch(t) – alles Varianten, die nach ELMENTALER nur am südlichen Niederrhein üblich sind, obwohl die dialektale Grundlage im gesamten Niederrheingebiet gleich sei. Letzteres gilt für die g-Varianten allerdings nicht ganz (vgl. Kap. 9), und auch für die r-Varianten ist festzustellen, dass nach der DiWA-Karte 473 ‘Wort’ die dialektalen Verhältnisse (Vokalisierung) am südlichen Niederrhein stärker denen des Ripuarischen entsprechen als am nördlichen (zu CHt/Rt vgl. a. Kap. 9). Bei der Koronalisierung ist zwar zu bedenken, dass es sich auch im Ripuarischen nicht um ein basisdialektales Merkmal handelt und dass die rezente areale Verbreitung nicht genau bekannt ist, geschweige denn die historische – hier sind aber durchaus „horizontale“ Einflüsse möglich. Dasselbe gilt für die Beibehaltung von nit im Süden. ELMENTALERS These, dass sich das südliche Niederrhein-Gebiet am Ripuarischen orientiert habe, ist hier sicherlich zuzustimmen, allerdings wohl weniger im Sinne eines „Transfer[s] kölnischer Sprechmerkmale“ (ELMENTALER 2005, 405) als im Sinne einer Stabilisierung der Imposition durch Vorbilder mit denselben Impositions-Merkmalen200 (vgl. Kap. 10). 200 Bei dem auch am südlichen Niederrhein basisdialektalen Merkmal j statt g im An- und Inlaut kann von einem „Transfer kölnischer Sprechmerkmale“ jedenfalls nicht die Rede sein, ebensowenig bei nit und dem velarisierten l. Sofern die in Kap. 9 dargelegte Vermutung hinsichtlich der Entwicklung der r-Variante [x] zutrifft, ist auch diese von den (vermutlichen) dialektalen Gegebenheiten der Impositionsphase im ripuarischen wie im niederfränkischen Raum her zu erklären. Von den Merkmalen, mit denen ELMENTALER argumentiert (s. ebd., 401), könnte dann allenfalls die Koronalisierung von [ç] als „Übernahme auffällige[r] Merkmale aus der als vornehm erachteten Kölner Stadtsprache“ (ebd., 405) betrachtet werden, wobei die Form nischt statt nit auch in Köln – sowie in den südlicheren Koronalisierungsgebieten – nicht indigen ist, sondern wie am Niederrhein eine standardsprachliche Form mit regiolektal koronalisierter Realisierung des [ç] darstellt. Die Abweichung von der basisdialektalen Form

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Regiolekt als dialektales Substrat

Auch MIHM (2000, 2109) stützt seine bereits dargestellten grundlegenden Bedenken gegen eine linguistische oder lernpsychologische Erklärung der Erscheinungen regionaler Umgangssprache mit einem empirischen Beispiel, bei dem „ein und dasselbe Merkmal in einem Dialektgebiet als primär, im benachbarten als sekundär gelten muß“: Die Senkung der Kurzvokale vor r-Verbindungen werde in der Heilbronner Umgangssprache vollständig gemieden und müsse hier dementsprechend als primär gelten, während sie in der südhessischen und ostpfälzischen Umgangssprache erhalten sei und dort also als sekundär angesehen werden müsse. MIHM bezieht sich dabei auf die Ergebnisse von JAKOB (1985, 282) und DIN201 GELDEIN (1994, 281) . Angesichts der Komplexität der zu berücksichtigenden linguistischen Aspekte (s. o.) muss allerdings die Übereinstimmung der linguistischen Ausgangsverhältnisse sehr genau untersucht werden, bevor eine Begründung der umgangssprachlichen Unterschiede mit diesbezüglichen Differenzen wirklich ausgeschlossen werden kann202. In diesem Fall wäre zumindest auf die arealen Verhältnisse in den Dialekten hinzuweisen: Während in der DiWA-Karte 340 ‘Durst’ das von DINGELDEIN behandelte Gebiet des „Neuhessischen“ um Mainz-Darmstadt-Frankfurt (s. ebd., 278) mitten in einem großen Areal mit Senkung von u vor r-Verbindung liegt, befindet sich Heilbronn ganz an dessen Rand. MIHM hat jedoch eine andere, ebenfalls einleuchtende Erklärung für den Unterschied, nämlich die historisch verankerte Orientierung am Schwäbischen (ohne Senkung vor r-Verbindungen) als Prestigevarietät im einen Fall und an der Frankfurter Stadtsprache (mit basisdialektalem Hintergrund der Senkung vor rVerbindungen) im anderen. Damit wird das Gewicht seines Gegenbeispiels aber eigentlich relativiert: Es ist sicherlich nicht zu bestreiten, dass die regionalen Zentren und Oberzentren die Sprache im Umland beeinflussen und Impositionsam Niederrhein ist also hier noch kein Argument für Übernahme aus dem Kölnischen (vgl. ebd., 404). Wenn die Koronalisierung sich aber tatsächlich von Köln her am Niederrhein ausgebreitet hat, so muss dies jedenfalls eine jüngere Erscheinung sein, die nicht auf regionale Hochsprachen vor dem 19. Jh. (ebd., 407–408) zurückgeführt werden kann, und angesichts der Berichte über ein Aufkommen dieser Variante zunächst in unteren Kölner Gesellschaftsschichten (s. ELSPASS 2000, 267) und der für dieses Merkmal typischen Kombination von Stigmatisierung und Problem der Kontrolle (vgl. Kap. 9) wäre zu überlegen, ob der Grund für die Ausbreitung hier tatsächlich eine Assoziation mit „vornehmer Stadtsprache“ ist oder nicht eher die „Überbesetzung der Reihe der stimmlosen Frikative“ im Deutschen (HERRGEN 1986, 227, vgl. a. Kap. 9). 201 Die Vergleichbarkeit wird hier allerdings dadurch erschwert, dass DINGELDEIN (1994b) sich u. a. wesentlich auf Texte der „neueren Dialektdichtung“ und Aufnahmen aus dem „Tonarchiv hessischer Dialekte“ stützt (ebd., 279), während JAKOB Aufnahmen natürlicher Alltagssprache untersucht. 202 Ein Beispiel aus der Sprachlernforschung kann diese Komplexität illustrieren: Offensichtlich (psycho-)linguistische, aber immer noch ungeklärte Gründe hat das Phänomen, dass es im Fall der englischen interdentalen Frikative zu unterschiedlichen, L1-spezifischen Substitutionen bei Sprechern kommt, deren Erstsprachen grundsätzlich die gleichen „Kandidaten“ für Substitution aufzuweisen scheinen (deutsch- und französischsprachige Lerner verwenden typischerweise [z]/[s], italienischsprachige [d]/[t]). Als Erklärungsansatz für solche Phänomene wird z. B. die ggf. unterschiedlich wichtige Rolle einzelner phonetischer Merkmale im Phonemsystem der jeweiligen Erstsprache diskutiert (ARCHIBALD 1998, 84 f.).

Bestimmende Faktoren phonologischer Transferenz

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Merkmale stabilisieren können, aber für diese Zentren erklärt sich das Auftreten oder Nicht-Auftreten des fraglichen Merkmals auch in diesem Beispiel allein aus dialektaler Imposition. (Sofern im Dialekt vor r-Verbindungen nur die gesenkten Vokale existieren, liegt jedenfalls eine Impositions-Konstellation vor.) Im Fall von Heilbronn handelt es sich immerhin um ein Beispiel attitüdenbestimmten Abbaus eines Impositionsmerkmals, nicht jedoch um das Auftreten eines vom Dialekt her unerwarteten Merkmals infolge einer bewertungsgesteuerten Verbreitung über das Geltungsgebiet hinaus. Letzteres ist sicherlich nicht ganz ausgeschlossen; JAKOB (1985, 278f.) betont für Heilbronn jedoch explizit, dass in der Regionalsprache keine Merkmale auftreten, die nicht im Ortsdialekt vorkommen (z. B. auch nicht die areal unmittelbar angrenzende schwäbische Senkung von Vokalen vor Nasalverbindungen).

8.2.4 Fazit Ob es zu Lautsubstitution/Imposition kommt oder nicht, hängt also insgesamt von der Interaktion verschiedener sprach- und sprachpaarspezifischer, artikulatorischer, perzeptiver, psychologischer, soziologischer und natürlich individueller Faktoren ab. Die Hervorhebung von attitudinalen Faktoren ist in Abgrenzung von zu simplen kontrastiv-linguistischen Analysen dabei zwar berechtigt, geht aber in der Abkehr von linguistischen Erklärungsansätzen z. T. weiter als nötig. Dies hat wohl mit der Angst vor einem Rückfall in deterministische Positionen zu tun; Bewertungen von Sprechern stellen jedoch meistens eher eine Zwischeninstanz zwischen den linguistischen Bedingungen und den Kontakterscheinungen dar als eine unberechenbare Quelle ganz unvorhersehbarer Entwicklungen. Dass eine Sprechergruppe die eine Variante in standardnaher Rede (häufig) beibehält und die andere Variante nicht, ergibt sich im Sinne des Modells der „unsichtbaren Hand“ (s. KELLER 1994) aus Einzelentscheidungen, die vor dem Hintergrund gleicher (struktureller, psycho- und soziolinguistischer) Ausgangsbedingungen stattfinden. Auch wenn dieser Prozess durch Mesosynchronisierung und darin einfließende Bewertungen zusätzlich vermittelt ist, ist das Nächstliegende zuerst einmal, das Augenmerk auf die Zusammenhänge zwischen den Phänomenen und den rekonstruierbaren Ausgangsbedingungen zu richten. Wie die Forschung zum Fremdsprachenakzent zeigt, stellt auch aus neuer Sicht das Verhältnis zwischen den Laut- bzw. Silbeninventaren und phonologischen Regeln der in Kontakt tretenden Sprachen/Varietäten die wesentliche Ausgangsbedingung dar. (Dieses Verhältnis hat auch schon bei SCHIRMUNSKIS Unterscheidung von primären und sekundären Dialektmerkmalen zentrale Bedeutung, zumindest sofern man seinen Begriff der „Auffälligkeit“ als Hauptkriterium für diese Unterscheidung auffasst.) Besteht Übereinstimmung zwischen den Inventaren, ist nicht mit Imposition zu rechnen, auch wenn die lexikalische Distribution der Laute in kognaten Wörtern sich unterscheidet. Andernfalls hängt von verschiedenen Faktoren ab, ob es zu Substitution eines standardsprachlichen Lauts durch einen dialektalen (= Imposition) kommt oder nicht. Dies wären vor allem:

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Regiolekt als dialektales Substrat

artikulatorische Schwierigkeit des Standard-Lauts, Auffälligkeit des Unterschieds zwischen dialektalem und standardsprachlichem Laut (abhängig von – noch nicht ausreichend erforschten – Aspekten der artikulatorischen und perzeptiven Distanz, außerdem von Betontheit der Silbe und Position in der Silbe), Wiedergabe des Unterschieds zwischen den Varietäten in der Orthographie, Annahmen der Sprecher hinsichtlich der Ähnlichkeit der Varietäten allgemein. In bestimmten Fällen ist schließlich trotz Vorhandensein des standardsprachlichen Lauts im DialektInventar mit Imposition zu rechnen, nämlich dann, wenn für diesen Laut im Dialekt andere phonotaktische Einschränkungen oder postlexikalische Regeln gelten als im Standard oder wenn er von den Sprechern als markiert bzw. typisch dialektal betrachtet wird.

9. IMPOSITION UND DEREN AUSGANGSBEDINGUNGEN BEI DEN UNTERSUCHTEN MERKMALEN Im Folgenden soll nun für die einzelnen untersuchten Merkmale genauer betrachtet werden, ob bzw. wie weit sich die Ergebnisse aus Kap. 4–6 mit den dargestellten Erkenntnissen hinsichtlich Imposition bei Varietätenkontakt erklären lassen. Da phonologische Imposition und Adaption von Lehnwörtern dieselben Grundlagen haben, wird dabei auch die Integration von älteren Entlehnungen in den Dialekt zum Vergleich herangezogen. Zunächst geht es hier aus der Perspektive des Dialekts um die Wahrscheinlichkeit von Imposition in intendiertem Standard; im Bezug auf eine spätere Phase des Kontakts, in der der Dialekt nicht mehr (oder nicht mehr eindeutig) die Erstsprache darstellt, ist aber auch die umgekehrte Perspektive zu prüfen: Die Verfestigung ehemaliger Impositionsmerkmale zu regionalen Markern hängt auch von deren Verhältnis zum Standard ab (s. Kap. 8.1 zur „Rückspiegelung“).

9.1 SPURLOSE UND UNAUFFÄLLIGE SUBSTITUTION O/A, O/U, U/O

Die Variablen O/A, O/U und U/O betreffen betonte Vokale, sind also von daher schon grundsätzlich relativ salient. Die Unterschiede vom Standard zum Dialekt sind (vom Dialekt aus gesehen) bei diesen Variablen reine Unterschiede der lexikalischen Distribution: Die Standardvarianten existieren alle auch im PhonemInventar des Dialekts203 und kommen in gleicher Lautumgebung vor wie im Standard (ohne spezifische phonotaktische Beschränkungen auf irgendeiner Seite). Nach den in Kap. 8.2 dargestellten Erwartungen müsste es in diesen Fällen im Standard-Erwerb (bzw. schon beim Lesenlernen im Standard) zu problemloser Gleichsetzung der standardsprachlichen Phoneme mit diesen dialektalen Phonemen kommen. Als Gegengrund käme allenfalls noch in Frage, dass eine Dialektvariante (vor allem aufgrund kleinräumiger Geltung) als besonders dialektal und daher für die Verwendung als Standard-Laut ungeeignet eingeschätzt wird. Dies könnte bei /u:/ aus U/O_D, das ja auch innerhalb des Ripuarischen z. T. schon durch /o:/ ersetzt wird (vgl. Kap. 3.3.3), zwar der Fall sein, aber /u:/ ist gleichzeitig auch als Dialektvariante zu standardsprachlichem /a‫܉‬օ/ (Variable II/EI) im Dialekt fest und weit verbreitet. (Unterschiede hinsichtlich der rheinischen Akzen203 Vgl. etwa [a:x] ‘acht’, [ԙtȳ:n] ‘Stern’ – [fu:s] ‘Faust’, [ru:t] ‘rot’, [fy:s] ‘Fäuste’, [li:f] ‘Leib’ – [fo:s] ‘Fuß’, [fø:s] ‘Füße’ und [le:f] ‘lieb’ – s. HEIKE (1964, 36–51). Das Umgekehrte trifft nicht zu: Die Dialektvariante /ƥ:/ existiert im Standard-Inventar nicht.

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

tuierung können hier außer Acht gelassen werden, weil eine eventuelle Übertragung der Akzente auf den intendierten Standard nicht als Imposition bzw. als Abweichung von der Norm der Zielvarietät wahrgenommen würde.) Entlehnte Wörter bestätigen diese Identifikationen der hochsprachlichen Laute mit den gleichen Lauten im Dialekt-Inventar als immer schon üblich und unproblematisch. Zwar ist das Wort Salat < it. (in)salata im Stadtkölnischen zu Schlяяt geworden (s. MÜLLER 1912, 54; W III, 41; KWb), dies ist aber wohl mit früher Entlehnung zu erklären; das Wort dürfte die a-Verdumpfung, die auf die mhd. Zeit datiert wird204, noch mitgemacht haben. Dasselbe gilt etwa für Kaplяяn (W II, 16) oder für den Namen des Kölner Leprosenhauses (heute Friedhof) Melaten: Malяte, Melяte < frz. malade (W II, 174). Dass bei jüngeren Entlehnungen entlehntes langes a dagegen „durchweg nicht an der Verdumpfung teilgenommen“ hat (MÜLLER 1912, 54 § 30), sondern mit dem aus der Dehnung entstandenen rip. langen a identifiziert wurde, zeigt eine Reihe anderer Beispiele wie Blamaasch (W I, 80), Muskat, Thiater, Materjal, Pokal oder parat (alle W), Spinat, Tzoldat (MÜLLER 1912, 54). In übertragener Bedeutung führt WREDE (W III, 41) auch Salat „in nhd. Form“ (bzw. neu entlehnt) an: Wat mät der janze Salat?205. Ebenso ist [i:] [y:] [u:] in frühen Entlehnungen noch gesenkt worden, wie in Nator206, natörlich, Fijor oder Positor (alle W), und auch das ebenfalls früh entlehnte Suffix -ieren erscheint als -eere. In anderen (jüngeren) Lehnwörtern wird der Vokal jedoch unverändert beibehalten bzw. mit dem vorhandenen rip. [i:] [y:] [u:] gleichgesetzt, etwa in Bluus < frz. blouse (W I, 87), Priis < frz. prise ‘Prise’ (W II, 316). Auch die Hebung von [e:] [ø:] [o:] betrifft Lehnwörter wie Moneete, Ton, Stola (s. W III, 135 Stolamp), Klör < frz. couleur, Malör (alle W) etc. nicht, sondern der Vokal ist mit dem dialektalen [e:] [ø:] [o:] identifiziert worden. Die jüngere Anpassung bestimmter Wörter im Stadtkölnischen (s. schon MÜNCH 1904, 57–58 § 64) an die standardsprachliche Form (jroos statt jruus) bestätigt die Problemlosigkeit dieser Identifikation. Dass die dialektalen Varianten der Variablen O/A, O/U und U/O in der Alltagssprache auf die Kombination mit anderen dialektalen Varianten (= auf den Dialekt) beschränkt sind, passt also insgesamt genau zu den Vorbedingungen, die gegen Imposition sprechen.

V/B

Eine eindeutige Beziehung zwischen Dialekt- und Standardvariante besteht bei V/B schon infolge des Zusammenfalls der dialektalen Variante mit v, f < germ. f 204 6MÜLLER  YJOD0KG*U†/ 205 MÜLLER (1912, 54 § 30) weist demgegenüber ohne weitere Erklärung darauf hin, dass landköln. Schlaat neben stadtköln. Schlяяtsteht, erwähnt dies aber im Zusammenhang mit dem Unterschied zwischen älteren und jüngeren Entlehnungen. 206 Im Stadtkölnischen hat die Senkung auch vor r stattgefunden.

Spurlose und unauffällige Imposition

285

nicht mehr (ovve – Ofen vs. (b)ovve – oben). Auch bei V/B existiert dagegen die Standardvariante im Dialekt-Inventar. Germ. Ŵ ist zwar im Ripuarischen außer im Anlaut normalerweise frikativ geblieben wie in den übrigen germanischen Sprachen, es gibt jedoch auch in- und auslautendes /b/ (ggf. mit Auslautverhärtung) im Dialekt. Teilweise ist dies auf die Position im Silbengelenk (vgl. dazu u. J/G) beschränkt, so bei /b/ aus westgerm. bb (Rebbe ‘Rippen’, KWb) und auch in onomatopoetischen und spielerischen Bildungen wie löbbele ‘lutschen’, Nubbel ‘erdichteter, fingierter Name; Symbol der Kirmes’ (alle W). Hinzu kommen jedoch Fälle, in denen die ehemals mehrgliedrige Struktur von Wörtern synchron nicht mehr durchsichtig ist und somit b aus dem (Morphem-)Anlaut in den Inlaut gerät (Nohber ‘Nachbar’, W); darüber hinaus gibt es auch Kurzformen von Namen u. ä. Bildungen mit intervokalischem b wie Miebes < Bartholomäus, Fiebes ‘Einfaltspinsel’ (Herkunft unbekannt) (W). In all diesen Fällen entspricht die Position des dialektalen b genau der von V/B_ST. So zeigt auch eine größere Reihe zum Teil alter Lehnwörter, in denen b ebenfalls nach Langvokal steht und die in der Laut- und Akzentstruktur nicht als fremd zu erkennen sind, dass b als solches übernommen wurde – vgl. etwa Bibel, Feber ‘Fieber’, Köbes < Jakobus, Tabel ‘Schultasche’, Zabel ‘Säbel’ (< ungar. szablya). Auch das Wort Schnabel, das älteres Bek verdrängt hat (vgl. RhWb Bd 7, Sp. 1526), hat sich in der hd. Form mit -b- etabliert207. In einigen indigenen Wörtern ist im Stadtkölnischen das ältere v, f durch b ersetzt worden: offenbar schon in älterer Zeit in Krebs (altköln. kreftz) (s. W II, 90), Obs (altköln. oyfzt etc.), in jüngerer bei Stab (Stav), sibbe (sevve), Laub (Lauv) (alle W). Der Grund für diese anscheinend mühelose sekundäre Einbürgerung von intervokalischem b ist nicht ganz klar; hinsichtlich der Existenz von indigenem postvokalischem b im Silbengelenk (< westgerm. geminiertem b) unterscheidet sich der Fall nicht von g, wo jedoch keine Ausbreitung über diese Position hinaus stattgefunden hat (s. u. J/G). Im Gegensatz zu g existiert ripuarisches b allerdings auch im Anlaut, und wie schon dabei könnte die Asymmetrie im Verhältnis zu g auch im Inlaut mit der leichteren Produktion und Kontrollierbarkeit von Labialen im Vergleich zu Velaren erklärt werden (vgl. u. zu J/G). Im Niederländischen ist jedenfalls dieselbe Entwicklung zu konstatieren: Auch hier ist das außerhalb der Gemination ursprünglich nicht vertretene208 postvokalische b über Lehnwörter eingeführt worden, während g in Lehnwörtern durch den Frikativ ersetzt worden ist. Es passt also zu diesen Vorbedingungen, dass V/B_ST von ripuarischen Sprechern mit dem b des Dialekts identifiziert wurde und V/B_D damit zu den rein dialektalen und nicht zu den Impositions-Merkmalen gehört209. 207 Der Frikativ in Prov 'Probe' (W) geht dagegen sicherlich auf Entlehnung über das Frz. zurück; vgl. DE VRIES/TOLLENAERE (1993, 294) zu nl. proef < afrz. prove. 208 Vgl. SCHÖNFELD/VAN LOEY (1970, 86 § 86). 209 Die ripuarischen Verhältnisse unterscheiden sich hierin deutlich von denen in anderen hochdeutschen Regionen: Dort sind die dialektalen Bedingungen insofern anders, als b in stimmhafter Umgebung allgemein durch einen Lenisierungsprozess frikativ wird. In diesem Fall handelt es sich um eine ausnahmslose, postlexikalische Regel, die typischerweise im L2Erwerb (zunächst) beibehalten wird, hier liegt Imposition also nahe. So kommt es nach

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

D/T

Der Unterschied zwischen d und t ist im ripuarischen Dialekt wie im Standard lexikalisiert. t kommt im Dialekt ohnehin vor r vor sowie in einigen Wörtern, die im Ripuarischen Ausnahmen von der 2. Lautverschiebung geblieben sind (Tak, Tirvel u. a., s. die Beispiele bei MÜNCH 1904, 79–80), aber auch intervokalisch, etwa in luuter ‘lauter’ (< germ. *hlûtra-) (W, KWb) – in der Eifel z. T. neben velarisierten Formen210 – oder in Formen mit Ausfall von /x/ vor t (W läute ‘(Nüsse) schälen’)211, im Plural von t-Ableitungen wie Faat, -e ‘Fahrt’, in Komparativformen wie fröter ‘früher’, hüter ‘höher’ (vgl. MÜNCH 1904, 100 § 121) sowie in einigen Wörtern unklarer Herkunft (Pluute ‘Fetzen’, W). So steht t ebenso in einer langen Reihe von z. T. sehr alten Lehnwörtern, die zeigen, dass entlehntes t immer schon beibehalten wurde, sowohl im Anlaut bzw. vor betontem Vokal (Tante, Taat, Tabel, Tass, Tee, Teller, Tex, Ton, Tonn, Toor, Toon ‘Turm’, Too(r)t, Tilejraf, Nator, natörlich, Latän ‘laterne’, Lating ‘Latein’ – alle W) als auch nach dem Tonvokal (Kaat, Pl. Kaate/kaate ‘Karten spielen’, Puut Pl. Pute ‘Kind’212, Bätes < Hubertus, alle W). Auch hier gibt es Wörter, in denen d unter dem Einfluß des Standards durch t abgelöst worden ist: Vatter, Motter (‘Mutter’ lautet nach RhWb Bd. 5, Sp. 1473, nur in der „groben“ Bedeutung ‘Muttertier’ lautgerecht Moder – das KWb gibt dagegen nur Moder an, aber Mutterjoddes, muttersielenallein). Ein jüngerer Fall dieser Art ist ‘tauchen’: Hier gibt das RhWb (Bd. 8, Sp. 1100) die Form dauchen als Übernahme des intransitiven Verbs aus dem Nhd. an (mit nhd. Diphthong), bei WREDE ist dagegen nur ducke verzeichnet (ebenso RhWb Bd. 1, Sp. 1539), im KWb jedoch nur noch tauche – demnach hätte sich das t im Kölnischen hier mittlerweile durchgesetzt. Auffällig und schwerer erklärlich ist vor diesem Hintergrund allerdings das d in kölnisch Zeidong (W, vgl. RhWb Bd. 9, Sp. 750: „meist in nhd. Lautung; doch kommen auch Ganz- u. Halbeinlautungen vor“): Da das t in Zeit im größten Teil des ripuarischen Gebiets velarisiert ist, so auch im Zentrum Köln (W: Zick), müsste die Form mit d aus dem angrenzenden Raum übernommen worden sein, was wenig wahrscheinlich ist, oder es wäre hier doch eine Ersetzung des Standard-t durch d im Sinne einer „Einlautung“ (vgl. Kap. 6.2) anzunehmen. Anders als bei anderen „Einlautungen“ geht es hier aber nicht um eine Lehnübersetzung, sondern um die produktive Anwendung einer Korrespondenzregel. Der Grund dieser ReSCHIRMUNSKI (1962, 304) hier auch zur Adaption von Lehnwörtern wie bîwȪl 'Bibel' oder tûwag 'Tabak’, und nach BAUSCH (2000, 82) ist die Entwicklung im Rhein-Neckar-Raum tatsächlich deutlich anders als im Ripuarischen: Dort ist die Spirantisierung von b zwischen Vokalen und nach Liquid „seit über 40 Jahren auf dem Weg, eine konstitutive Variante der regionalen Standardsprache zu werden“. 210 Vgl. RhWb Bd. 5, Sp. 247. 211 Vgl. RhWb Bd. 5, Sp. 244–245 zu Läute II 'gelöste Hülse, Schale' aus Läufte > Läuchte > Läute/dazu als Verb läuten (Sp. 246), vgl. W II, 134 Läut, Pl. -e/läute, vgl. a. die Bsp. in MÜNCH (1904, 37–38, 92). 212 Herkunft wohl auch unklar, WREDE (W II, 325) verweist auf ital. putto.

Spurlose und unauffällige Imposition

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gel ist nicht ganz klar. Denkbar ist eine Erklärung mit der Instabilität und Kleinräumigkeit der Velarisierung, die zu einem kleinräumigen Nebeneinander velarisierter und nicht-velarisierter Formen und auch zum Wechsel von g und d in Flexionsparadigmen führt (s. o. Kap. 3.3). Danach hätte dieses Nebeneinander zu einer Assoziation zwischen diesen Lauten geführt213. Eine andere Möglichkeit wäre, dass es sich bei Zeidong eigentlich um eine Übergeneralisierung einer anderen Korrespondenz handelt, nämlich der zwischen der Lautfolge -eit- im Standard aus mhd. ei +t (nach mhd. ei fand ja keine Velarisierung statt) und dem damit korrespondierenden dialektalen -eid- , wie etwa in Leidung/Leitung. Wieso -taber bei Zeitung nicht einfach beibehalten wird wie bei anderen Wörtern auch, muss offenbleiben. Dasselbe gilt auch für Dijel ‘Tiegel’ < lat. tegula (W). Von einer systematische Ersetzung von Standard-t durch d kann jedoch keine Rede sein, wie die zahlreichen Beispiele oben belegen. Auch hier sprechen die Ausgangsbedingungen also nicht für Imposition.

G/T

Die Velarisierung von Alveolaren in bestimmten Positionen ist im Ripuarischen nicht mehr systematisch, sondern lexikalisiert (vgl. Kap. 3.3). Schon aus dem Nebeneinander velarisierter und nicht-velarisierter Formen im Dialekt selbst (auch lokal – vgl. ebd.) ergibt sich, dass der Unterschied zwischen Dialekt und Standard auch hier nur in der lexikalischen Distribution liegt. Zudem ist die Velarisierung schon innerhalb des Dialekts nicht sehr stabil (s. o.). Ältere Entlehnungen hat sie zwar noch mit betroffen (Lating ‘Latein’), jüngere Übernahmen aus der Gemeinsprache werden aber nicht angeglichen, etwa Schnieder ‘Schneider’ (nach W III, 54 „seit dem Ende des 16. Jh. allmählich an die Stelle des altköln. Wortes schroder getreten“). (Der Monophthong in dieser Form passt allerdings nicht zu einer Übernahme aus dem Nhd, s. u.). Auch bei G/T ist die Substitution des Velars durch die im Dialekt-Inventar vorhandene Standardvariante artikulatorisch kein Problem. Dabei ist hier aufgrund der unsystematischen Beziehungen, des kleinen Verbreitungsgebiets mit je nach Wort wechselnder Ausdehnung, der geringen Ähnlichkeit zwischen Dialektund Standardvariante sowie der häufig gegebenen Kombination mit der Variablen I_krz/EI besonders stark mit rein lexikalischem Ersatz ohne Bezug zu einer Korrespondenzregel zu rechnen – mit Imposition dagegen nicht.

213 Vgl. a. W (III:178) under:„ Zwei- oder mehrgliedrige Wörter sind teils mit under, teils mit unger gebildet, aus lautlich rhythmischen Gründen aus histor. Gegebenheit oder durch nhd. Einwirkung (Mischung) erklärlich. Als Präp. wird stets unger gebraucht.“

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

II/EI, I_krz/EI, EE/EI

Die Variablen II/EI und I_krz/EI wie auch EE/EI betreffen wie O/A, O/U, U/O betonte Vokale. Allerdings sind hier die Standardvarianten nicht unmittelbar und ohne Einschränkungen im Dialekt-Inventar vertreten. Im Dialekt existieren zwar ebenfalls steigende Diphthonge, diese unterscheiden sich jedoch vor allem durch einen geringeren Öffnungsgrad von den standardsprachlichen. Anders als HEIKE (1964, 51) und MÜNCH (1904, 159)214 verzeichnet TILING-HERRWEGEN (2002, 61) für das Stadtkölnische allerdings auch [D‫>@́܉‬ƥ‫>@؝܉‬D‫܉‬օ], nämlich für mhd. ei öu ou im Auslaut, im Gegensatz zu >H‫> @؝܉¡> @́܉‬R‫܉‬օ@ für mhd. ei öu ou sonst und für mhd. î iu û im Auslaut. Auch nach MÜNCH (1904, 159) sind die Diphthonge, die die ersteren mhd. Lautpositionen vertreten, offener als die, die für die letzteren stehen, hiernach ist der Unterschied jedoch der zwischen >ȳ‫@́܉‬und [e‫]́܉‬, es handelt sich also in beiden Fällen um eine geschlossenere Qualität als im Standard. Wenn die Angabe bei TILING-HERRWEGEN tatsächlich auf eine Weiterentwicklung gegenüber dem vom HEIKE (1964) beschriebenen Stand hinweist, so scheint dahinter eine rezentere Angleichung an das Inventar des Standards zu stehen (vgl. Kap. 8.2), die für bilektale Sprecher das Nebeneinander von drei verschiedenen Reihen steigender Diphthonge (zwei im Dialekt und eine im Standard) auf zwei reduziert, im Sinne der Annahme eines „common phonological space“ für beide Varietäten. Hierbei handelt es sich jedoch offenbar um eine neuere Erscheinung. Die phonetische Nähe und gleichzeitig die teilweise (= im Auslaut und Hiat) gleiche lexikalische Distribution der dialektalen Diphthonge und der Standardvarianten von II/EI und I_krz/EI legen eine Gleichsetzung der Standardvarianten [a‫ ]́܉‬/[a‫܉‬e] etc. mit den dialektalen Diphthongen und eine entsprechende regelmäßige Substitution durch diese nahe (schon beim Lesenlernen der Schriftsprache). Für EE/EI kommt hinzu, dass diese (im Verhältnis zum Standard engeren) Diphthonge hier auch im stadtkölnischen Dialekt gelten. Eine Opposition zwischen Diphthongen mit verschiedenem Öffnungsgrad, die die Perzeption des qualitativen Unterschieds stärken könnte, besteht weder im Standard noch im Dialekt. Gegen die Substitution könnte höchstens die Positionsbeschränkung der Diphthonge im Dialekt sprechen, die jedoch auf der Ebene der Silbe keinen Unterschied bedeutet. In einer Reihe von Entlehnungen vor allem aus der nhd. Gemeinsprache bestätigt sich, dass im Dialekt bei II/EI schon früh der Diphthong beibehalten (bzw. durch den engeren indigenen Diphthong ersetzt) worden ist: kreuzije, Laus (v.a. in Komposita, auch mit rein dialektalen Bestandteilen: -hungk, -käl), Neid, Peis ‘Friede’ < frz. paix, Peitsch, scheiße (alle W215). In anderen Fällen ist nach den Angaben bei WREDE auch ursprünglicher kölnischer Monophthong durch den nhd. Diphthong abgelöst worden, z. B.: Keil, keile, Keim, Kneip, Leich, leich ‘leicht’, leis, Paus, Schrein (alle W). Infolge des Zusammenfalls der mhd. hohen 214 Vgl. ebenso MÜLLER (1912: 67), W (z. B. Mai, W II;171). 215 Vgl. ebenso RhWb Bd. 4, Sp. 1482 kreuzigen, Bd. 5, Sp. 222 Komposita mit Laus-, Bd. 6, Sp. 604 Peitsche.

Impositionsbegünstigende Bedingungen

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Langvokale mit den mhd. steigenden Diphthongen im Standard sind die Dialektvarianten vom Standard her nicht ableitbar. Eine Substitution durch die engeren Diphthonge wäre es allerdings. Einer „Rückspiegelung“ dieser Imposition vom Standard aus steht allerdings wieder die schlechte Unterscheidbarkeit im Wege, die wohl auch hinter der TILING-HERRWEGEN zu entnehmenden Anpassung der offeneren Diphthongqualität an den Standard im rezenten Stadtkölnischen steht. Eine Verwendung als regionaler Marker im Rahmen mehr oder weniger bewusster Variation ist daher nicht so wahrscheinlich wie durchgehende Beibehaltung oder Aufgabe dieser Imposition oder aber eine unkontrollierte Variation. So verwenden im vorliegenden Korpus einige der älteren Sprecher – wenn sie die Variablen EE/EI und II/EI bzw. I_krz/EI diphthongisch realisieren – in einem Umfang bis zu ca. 50 % die geschlosseneren Diphthonge. Dabei gibt es allerdings starke Schwankungen. Mit einer Ausnahme handelt es sich zwar um Sprecher, die auch eindeutig dialektale Redeanteile haben, darüber hinaus ist jedoch kein klarer Zusammenhang zwischen dem Umfang dieser dialektalen Redeanteile und dem Anteil eng realisierter Diphthonge in nichtdialektaler Rede festzustellen. So gehören von den sieben Sprechertexten, in denen über 25 % der Diphthonge eng artikuliert sind, vier zum Cluster 1 („dialektal“: S11, S13, S35, S38), zwei zum Cluster 2 („gemäßigt-dialektal“: S19, S20) und einer zum Cluster 3 („regionale Umgangssprache“: S01). Unter den Texten, in denen überhaupt keine engen Diphthonge vorkommen, gehören jedoch auch zwei in den Cluster 1 (S03, S26) und zwei in den Cluster 2 (S07, S24b). Dies dürfte damit zu erklären sein, dass der Faktor „Kontrollierbarkeit“ individuell verschieden wirkt, ähnlich wie bei SCH/CH, wohl auch mit einer in verschiedener Richtung vollzogenen Angleichung des dialektalen und des standardsprachlichen Inventars je nach Häufigkeit der Verwendung von Dialekt oder Standard.

9.2 IMPOSITIONSBEGÜNSTIGENDE BEDINGUNGEN Die Aufsplitterung der g-Variablen in der Korpusanalyse ist zunächst nur mit den Ergebnissen aus anderen empirischen Studien begründet worden, sowie mit der Tatsache, dass eine probeweise Differenzierung auch im vorliegenden Material schon bei den Gesamtergebnissen deutliche positionsbedingte Unterschiede ergab. Die positionsspezifischen Allophone unterscheiden sich z. T. jedoch auch hinsichtlich der hier zu prüfenden Ausgangsbedingungen (Lautinventar, artikulatorische Schwierigkeit, Geltungsraum).

J/G, je-/ge-, eJ/eG

Der Laut [g] ist im ripuarischen Inventar nur sehr eingeschränkt vorhanden. Ein anlautendes g gibt es im Ripuarischen überhaupt nicht, ebensowenig wie im Niederländischen und in Teilen des Niederdeutschen. Dass in einer ganzen Reihe von Sprachen eine solche Lücke in der Reihe der stimmhaften Okklusive besteht (vgl.

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

MADDIESON 1984, 35), weist schon darauf hin, dass es dafür artikulatorische Gründe gibt. GILLES (1999, 248–249) erklärt die „g-Lücke“ in verschiedenen Sprachen wie dem Tschechischen oder dem Niederländischen und eben (weitgehend) im Ripuarischen folgendermaßen: Zur Produktion von stimmhaften Lauten ist ein ausreichender und kontinuierlicher Luftstrom durch die Glottis erforderlich. Bei der Bildung von Obstruenten wird dieser Luftstrom durch Verengungen im Mundraum verringert und der intraorale Luftdruck steigt an. Erhöht sich der intraorale Luftdruck so weit, daß er dasselbe Ausmaß des subglottalen Drucks erreicht, ist keine Stimmhaftigkeit mehr möglich. Um bei diesen erschwerten Bedingungen dennoch die Stimmhaftigkeit erzeugen zu können, existieren verschiedene Ausgleichsmechanismen. So kann z. B. der Mundraum ausgedehnt werden, um den ansteigenden Luftdruck auszugleichen oder Zunge, Kiefer und Larynx werden gesenkt, um mehr Platz für die akkumulierende Luft zu schaffen. Doch diese Kompensationen sind nur möglich, wenn die Konstriktionen der Obstruenten möglichst weit vorne im supraglottalen Raum liegen, i.e. für labiale und alveolare Konsonanten. Je weiter hinten die Konstriktion liegt, umso schwieriger wird es, den Vokaltrakt auszudehnen, denn der Raum zwischen der Glottis und der Konstriktionsstelle ist nun 216 sehr klein.

Nur vor Konsonant hat die okklusive Variante gegenüber der frikativen einen artikulatorischen Vorteil hinsichtlich der Sonoritätskontur (vgl. Kap. 3.3.1). In dieser Position (= Variable Jl/Gl) scheint es auch im Dialekt eine Tendenz zu okklusiver Aussprache zu geben, jedenfalls wird hier auch in dialektaler Rede bzw. in dialektalen Kombinationen häufig [g] artikuliert. In der Position vor r könnte diese Tendenz auch durch den Übergang von der apikalen zur uvularen r-Variante in neuerer Zeit verstärkt worden sein, der das artikulatorische Problem von jrverstärkt hat. Im Anlaut hat sich im Ripuarischen hier anscheinend eine kombinatorische Allophonie entwickelt – schon dies spricht gegen eine bewusste Wahrnehmung des Unterschieds. Im Inlaut gibt es dagegen im Dialekt neben [j] bzw. [‫ ]׀‬zumindest nach Kurzvokal bzw. im Silbengelenk auch [g], z. T. als Nachfolger von geminiertem westgerm. g (Rögge ‘Rücken’), z. T. als Ergebnis der Velarisierung von d (wigger ‘weiter’). HEIKE (1964, 50) konstatiert für das Kölnische somit eine „echte Opposition /j/ vs. /g/“. Allerdings kommt [j] bzw. [‫ ]׀‬wiederum im Silbengelenk fast nicht vor. HEIKE (ebd., 46) nennt immerhin zwei Minimalpaare: lije ‘liegen’ : lige ‘leiden’ und (veraltet) düje ‘taugen’ : düge ‘deuten’. Gleichzeitig stellt er aber selbst fest: „Läßt man die nicht gerade zahlreichen Beispiele mit [g] in Opposition zu [j] unberücksichtigt, so ließe sich eventuell ein Phonem /g/ annehmen mit den kombinatorischen Varienten [g, ‫׀‬, j]“ (ebd., 50 Anm. 1). Es ist zu vermuten, dass – über dessen Seltenheit hinaus – die Beschränkung von dialektalem [g] auf das Silbengelenk einer der Gründe dafür ist, dass es trotz der Existenz dieses [g] zur Imposition des dialektalen [j] bei standardsprachlichem g gekommen ist. Unabhängig von theoretischen und terminologischen Erwägun-

216 Vgl. a. v. Coetsem (1988, 122–123).

Impositionsbegünstigende Bedingungen

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gen ist einleuchtend, dass ein Konsonant, der nur im „festen Anschluss“217 an einen vorangehenden Vokal vorkommt, nicht ohne weiteres im Anlaut und nicht einmal im „losen Anschluss“ verwendet werden kann218. Wie sich die Beschränkung auf das Silbengelenk im Erwerb des „Silbariums“ genau manifestiert, wäre zu prüfen, aber es ist anzunehmen, dass dabei zum Tragen kommt, dass die Silbe gΩ – nach der Darstellung der Anschlusskorrelation bei MAAS (2006, 198) – im Ripuarischen immer „in die Kontur der prominenten Silbe eingeschlossen“ ist und insofern keine selbstständige Einheit darstellt. Hinzu kommt noch ein psychologischer Faktor im Sinne von KELLERMAN (1983) (vgl. Kap. 8.2): In einem Großteil der Fälle geht das dialektale [g] auf Velarisierung zurück, also auf einen besonders kleinräumig verbreiteten Wandel im Ripuarischen, der schon im Vergleich zu angrenzenden Gebieten auffällig und entsprechend stark dialektal konnotiert ist. Aus diesem Zustand ergibt sich z. T. Korrespondenz von [g] und [d] in kognaten Morphemen in benachbarten Ortsdialekten oder sogar im selben Ortsdialekt im Rahmen von Allomorphie (etwa rigge – jeredde 'reiten – geritten'), und die in den Standard-Kognaten mit diesem [g] korrespondierenden Laute sind [d] und [t]. Auch dies muss die Identifikation des dialektalen [g] mit dem Standard-[g] erschweren, zumal ersteres eben nicht im Anlaut vorkommt und den Sprechern auch darum weniger bewusst ist. Typisch sind Äußerungen von Laien, die ein gänzliches Fehlen von g im Ripuarischen behaupten219, und auch WREDE (W, Einl. o.S.) formuliert: „[I]m KölnischRipuarischen gibt es keinen hochdeutschen Laut g als Anlaut, von bestimmten Fällen abgesehen auch nicht im Inlaut.“ Insgesamt kommen hier also diverse Faktoren zusammen, die bewirken, dass trotz der Existenz eines dialektalen [g] der Effekt einer Inventar-Lücke eintritt220, also Substitution des Standard-Lauts durch den (fast) homorganen und distributionell mit dem Standard-Laut korrespondierenden dialektalen Frikativ. Dass ein Unterschied zwischen den frikativen Varianten der g-Variablen und den Dialektvarianten anderer Variablen gemacht wird, wird nicht nur aus der Kookkurrenz deutlich, sondern auch aus der Tatsache, dass erstere auch in gelesenem oder zitiertem Standard innerhalb von dialektalen Äußerungen auftreten – der Wechsel bei den Dialekt-Indikatoren markiert hier das Zitat, aber ein durchgehen217 MAAS (2006, 188–209) plädiert für den Terminus fester Anschluss statt Silbengelenk oder Ambisyllabizität, da der Konsonant – außerhalb des bairischen Raums – nicht länger ist als bei losem Anschluss. 218 Dass schon die Übertragung eines auf den Inlaut beschränkten Konsonanten auf den Anlaut schwierig ist, zeigt die verbreitete Substitution von anlautendem [ç] durch [k] oder [ԙ] – vgl. EICHHOFF (1977ff.), Kt. 112 zur „Aussprache des ch in China“. Die sch-Meldungen gehen hier nach Norden weit über das mitteldeutsche Koronalisierungsgebiet hinaus. 219 Vgl. etwa: „Gott sei Dank wird der 'echte Kölsche' es sich nicht nehmen lassen, das 'G' aus seinem Sprachgebrauch zu verbannen“ (Leserbrief gegen die Einführung der Schreibung in den Schreibregeln der „Akademie för uns kölsche Sproch“, Kölner Stadt-Anzeiger vom 3.4.2004, S. 37). 220 Vgl. a. die ähnliche Feststellung von v. Coetsem (1988, 123) zum Niederländischen, wo es ebenfalls ein [g] – allerdings nur infolge einer Assimilationsregel – gibt: „The Dutch speaker is not aware of this [g], as teachers of phonetics to Dutch speakers regularly find out.“

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

der Wechsel zur Standardvariante der g-Variablen würde anscheinend als übertrieben empfunden, vgl. die folgenden (teilweise schon aus Kap. 6.2 bekannten) Beispiele: (72) ... ihre Tochter hääf alt jefrяяt: „Könn’n wer denn hier nirg’ndwo Erdbeern flücken jehn?“, da hääf se jemeent: „Ja, ich hab noch nichts jemerkt un jehört wo das hier geht.“ (55) ... da hät die Ärztin für misch jesaat: „Sie sündijen ja nich es ganze Jaa übber. Un wenn Se da Apptit drauf haben und essen Se das wirklish nur einmal, dann hat käiner was dajejen, auch Ihre Jesundhäit nischt.“ (73) [aus der Zeitung vorgelesen] „eine Woche Vollpangsion und Ausflüje in herrlicher Umgebung“

Diese Substitution war zweifellos lange Zeit in der Lese-Aussprache fest etabliert: Die regionale Konvention der Leseaussprache (vgl. Kap. 10) ordnete dem Buchstaben in der prägnantesten Position, im Anlaut vor Vokal, den dialektalen Lautwert [j] und den Buchstabennamen jee zu. So schreiben die Informanten der Wenkerbögen – in der Regel Lehrer – auch fast alle für [j]. (Dies ergab jedenfalls eine Durchsicht der Bögen für Wesseling, Roisdorf, Bornheim, Alfter, BonnEndenich, Bonn, Lengsdorf, Dransdorf, Dottendorf, Beuel, Küdinghoven, s. DiWA: Lediglich im Bonner Bogen steht in den Umschriften der dialektalen Formen von fliegen, gute, gestorben und gleich, in dem Bogen aus Alfter in gute und gestorben – gegenüber in fliegen und gleich –, in allen übrigen steht in allen vier Fällen .) Wenker verließ sich dementsprechend in diesem Punkt nicht wie sonst auf die Umschriften der Gewährspersonen, denen ja und zur Verfügung gestanden hätten, sondern stellte vorweg die Frage: „Lautet in dem in Ihrer Schulgemeinde ortsüblichen Dialekte das g im Anfange der Wörter (z. B. in den mundartlichen Wörtern für gut, geben, groß, graben, glauben, glücklich) wie j, oder wie leises k, oder wie leises ch, oder wie hartes ch ?“ Auch in älterer Dialektliteratur wie auch noch im Wörterbuch von HÖNIG (1905) wird trotz lautungsnaher Verschriftung in der Regel die -Schreibung verwendet. Erst WREDE (1956) führt (und im Auslaut) ein. Dass vor diesem Hintergrund über die Produktion hinaus auch die Perzeption des Unterschieds ein Problem bereiten kann, illustriert der folgende, von einem Informanten der Befragung (Kap. 6.3) berichtete Dialog mit seinem Vater: (74)

S: Sach ma gee! V: Jee S: Nee, sach ma gee! V (ärgerlich): Isch sach doch jee!

So wird auch in Entlehnungen ins Ripuarische und in Namen g in den entsprechenden Positionen regelmäßig durch j ersetzt, vgl. etwa Justes ‘Geschmack’ < lat. gustus , Jadderob ‘Garderobe’, Jalopp, Jarnitur, Jas, Jripp, Bejing ‘Begine’, Drajoner etc. (alle W). Im Anlaut romanischer Wörter ist g allerdings stattdessen z. T. durch k substituiert (vgl. die Beispiele bei MÜNCH 1904, 98: Karmasemecher ‘Spaßmacher’ zu frz. grimace oder kaskenat < frz. gasconnade; vgl. a. TILING-

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HERRWEGEN (2002, 69) zur Aussprache [k] in Garage, Gamasche). Romanisches [b] und [d] sind im Ripuarischen aber ebenfalls stimmlos geworden (s. MÜNCH ebd.: Pareer, Parier ‘Barriere’, tiskuriere < discourir). Nach TILING-HERRWEGEN (ebd.) ist die [k]-Aussprache in solchen Wörtern allerdings „im Aussterben begriffen“; an ihrer Stelle setzt sich aber nicht [g] durch, sondern [j] (ebd.). Die Imposition von dialektalem [j] in der Phase des Kontakts vor allem mit der Schriftsprache ist also deutlich und gut nachvollziehbar. Da Imposition bei hochfrequenten und unauffälligen Elementen wahrscheinlicher und stabiler ist, ist auch nachvollziehbar, dass sich das besonders in der häufigen und unbetonten Silbe ge- (vor allem als Flexionsmorphem, aber auch in synchron opaken Wörtern) verfestigt hat. Die Abstufung zwischen Anlaut und intervokalischer Position (gejen vs. ?jegen) erklärt sich ebenfalls mit der größeren Aufmerksamkeit im Anlaut sowie evtl. auch mit einer Lenisierungs-Tendenz in der intervokalischen Position (die jedoch nur im Rahmen dieser regiolektal „möglichen“ Varianten eine Rolle spielt, nicht bei V/B oder D/T). Demzufolge ist die dialektale Konnotation hier weniger stark als bei [j] sonst, was sich in dem festgestellten einseitigen Implikationsverhältnis niederschlägt. Im Standard besteht dagegen (auch im Anlaut) eine Opposition zwischen /g/ und /j/. Dementsprechend ist aus jüngerer Zeit das Bemühen ripuarischer Sprecher sowie insbesondere der Lehrer um diesen Unterschied bezeugt221. So finden KLEIN/MATTHEIER/MICKARTZ (1978, 73) denn auch fast ebenso häufig wie statt in rheinischen Schulaufsätzen hyperkorrektes . Als bekanntes rheinisches (wie berlinisches) Stereotyp steht die Imposition von [j] im Zentrum von Sprachspott – der bekannte Satz „Eine jut jebratene Jans ist eine jute Jabe Jottes“ spiegelt in seiner verschiedenartigen Verwendung als Spott-, Übungs- oder Schibboleth-Satz222 eine Ambivalenz zwischen Stigma und covertem Prestige223 wider, die typisch für regionale Stereotype ist. Jedenfalls kann in diesem Fall nicht ohne weiteres behauptet werden, dass der Kontrast zwischen dem regionalen und dem standardsprachlichen Merkmal unauffällig wäre. Diese Auffälligkeit besteht allerdings zunächst einmal nur in der Außenperspektive und sagt nichts über die Beherrschbarkeit für die Sprecher selbst. Wenn jedoch mit dem Erwerb des gesprochenen Standards in der späteren Phase diese Beherrschbarkeit vorhanden ist, bekommt die Variable J/G einen neuen Status, den eines wählbaren regionalen Mar221 Vgl. den Bericht einer Kölnerin des Jahrgangs 1948 aus ihrer Schulzeit: „Hundertdreißich Mol moht ich et schrieve. Ich verjess et nie: Gott wird mit 'G' geschrieben.“ (in: BHATT / LINDLAR 1998, 154). In U. Hahns Roman Das verborgene Wort (s. Kap. 7, Anm. 13) wird für die 1950er Jahre (sicherlich stereotypisierend) eine soziologische Abstufung dargestellt, die das Nebeneinander einer regionalen Aussprachekonvention und einer am überregionalen Standard orientierten Aussprache wiedergibt: Die Aussprache [g] wird den Volksschülern zwar vom Lehrer vorgemacht, aber nicht wirklich von ihnen verlangt, sie bleibt etwas Exotisches – auf dem Gymnasium ist [g] dagegen die Norm (S. 179). 222 Vgl. wiederum einen Leserbrief zu BHATT, Schreibregeln (Kölner Stadt-Anzeiger 3.4.04, S.37): „... dat dat schöne J för G entfalle soll, es wohl mih als verdötsch. Wie dät sich dann dä Satz anhöre: Ne jot jebrode Jans es ne jode Jabe Jottes ???“ 223 Vgl. TRUDGILL (1972).

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kers. Natürlich ist „Beherrschbarkeit“ hier nicht einfach vollständig gegeben oder nicht, sondern wie Monitoring allgemein abhängig von Konzentrationsfähigkeit und Konzentrationsbemühung und von soziologisch bedingten Unterschieden im Zugang zum Standard. Insofern gibt es Übergänge, und markiert wird nicht ausschließlich Regionalität, sondern auch soziologische Gruppenzugehörigkeit und/oder situationsbezogene Lässigkeit im Sinne reduzierter Anstrengung im Bemühen um „gutes Hochdeutsch“. Für die regionale Identifikation spielt das Merkmal aber jedenfalls eine große Rolle, wie sich etwa 2004 in der Diskussion um die neuen Schreibregeln des KWb gezeigt hat. Die Vorgeschichte der Schreibung bzw. reflektiert schon die Entwicklung der Standard-Kompetenz in diesem Punkt: Während zu einer Zeit, in der die Aussprache von als [j] bzw. [‫ ]׀‬selbstverständlich war, in der Dialekt-Orthographie eine entsprechende Verschriftung möglich war, zog WREDE 1956 vor, obwohl er ansonsten kein phonetisches Verschriftungsprinzip befolgt bzw. nötigenfalls Lautschrift-Angaben hinzusetzt. Er will aber vermeiden, dass „eigenartige kölsche Laute vergewaltigt werden, besonders das weithin bekannte [...] kölnisch-ripuarische j statt hd. g“ (W I, o.S. [2]). Auch für den einheimischen Leser ist dieses Merkmal zu dieser Zeit offenbar (auch im regionalen Standard) nicht mehr ganz selbstverständlich, sondern soll als Charakteristikum des Dialekts sichtbar werden. Dieser Übergang vom regionalen Indikator zum Marker erklärt dann auch, warum die Rückkehr zum in der Dialektschreibung (BHATT 2002) von der lokalen Öffentlichkeit als Angriff auf die eigene Identität gewertet wurde224. ELMENTALER (2005, 404) bezieht sich mit seinem Einwand gegen die Substrat-These explizit auf die Variablen J/G und eJ/eG: Im Regiolekt gelte nur im Niederrheingebiet südlich der Uerdinger Linie j, im nördlichen dagegen g, obwohl die g-Spirantisierung für alle niederrheinischen Dialekte charakteristisch sei. Bei J/G sind allerdings die dialektalen Verhältnisse am Niederrhein nicht einheitlich, sondern auf der Höhe der Uerdinger Linie verläuft tatsächlich auch im Dialekt eine Grenze, nämlich zwischen südlichem [j] und nördlichem [x] bzw. [Ȗ]225. Damit sind die Ausgangsbedingungen am nördlichen Niederrhein nicht ganz dieselben wie im Südniederfränkischen und Ripuarischen. Im Fall von aG_fr/aG, wo im ganzen Niederrhein-Gebiet gleiche dialektale Ausgangsbedingungen gelten wie im Ripuarischen (s. RhWb Bd. 8, Sp. 1269; tragen), hat auch im nördlichen Teil Imposition der frikativen Variante stattgefunden (ELMENTALER ebd., 401). Auch Imposition des anlautenden dialektalen stimmlosen Frikativs [x] im intendierten Standard älterer Sprecher ist zumindest aus dem westfälischen Raum bekannt (vgl. LAUF 1996, 208). Dass das ripuarische/südniederrheinische [j] im 224 Vgl. „Nä, Frau Doktor, dat es nix für uns“ – Leserbriefe (Kölner Stadt-Anzeiger 3.4.04; 37) oder „Komm, Herr Gesus, und rette das kölsche 'J'“ ( (20.3.08)). 225 In der DiWA-Karte 187 'Gänse' reicht das Areal mit „j“-Symbolen ziemlich genau von Süden bis zur Uerdinger Linie, am nördlichen Niederrhein ist kein einziges „j“ verzeichnet (die Angabe „ch“ scheint dagegen, anders als „j“, in den Wenkerbögen überhaupt nur sporadisch gemacht worden zu sein).Nach den RhWb–Artikeln gut und fliegen (RhWb Bd. 2, Sp. 1509 / Sp. 611) schließt sich nördlich [x], im Kleverland [Ȗ] an.

Impositionsbegünstigende Bedingungen

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Vergleich dazu stabiler ist, kann verschiedene Gründe haben, z. B. die Tatsache, dass anlautendes [x] (anders als [j]) wiederum im Standard nicht existiert, sodass es in der Rückspiegelungs-Phase von daher keine Stabilisierung geben konnte. Wie die Frage nach der „Rückspiegelung“ für das ripuarische [‫]׀‬ (aG_fr/aG_D) zu beantworten ist, hängt davon ab, wie der Unterschied zu [Ӱ] eingeschätzt wird. HEIKE (1964, 47) trennt klar zwischen beiden und führt als Beispiel für diese Opposition das Minimalpaar suuge/souge ‘saugen’ : suure/soure ‘saure’ auf. Dagegen gibt WREDE (W I, o.S.[2]) als Lautwert für „zwischen Vokalen“ [Ӱ] an, „durch das ein Zäpfchen-Ӱ ausgedrückt sein soll“ (vgl. ebenso TILING-HERRWEGEN 2002, 69), wenngleich er nicht diese Umschrift wählt. Der Grund für letzteres ist jedoch wohl die „psychologische“ Entfernung zwischen /g/ und /r/ sowie die Möglichkeit, ein als [r] auszusprechen. ELMENTALER (ebd., 401) schreibt dagegen (saren), und in Laien-Umschrift wird das dialektale [‫ ]׀‬ebenfalls häufig als wiedergegeben. Die fehlerhafte Schreibung statt durch dialektsprechende Schüler wird bei KLEIN u. a. (1978, 74) ebenfalls erwähnt, wenn auch nicht als besonders häufig. Gegenüber [j] ist [‫ ]׀‬weniger Gegenstand von Stereotypen u. ä. (am ehesten in der stereotypen Wendung sarens ‘sag mal’, die zusätzlich durch ens regional charakterisiert ist). Es liegt nahe, dass der Unterschied zum Standard den Sprechern hier weniger bewusst ist, weil er nie im Wortanlaut oder im Anlaut betonter Silbe vorkommt und schon von daher weniger Aufmerksamkeit auf sich zieht (und sich weniger für Spottverse u. ä. eignet).

CH/G

Im Auslaut kommt es im Standard wie im Dialekt zur Auslautverhärtung, im einen Fall des Plosivs, im anderen des Frikativs. Als Laut ist die stimmlose Variante [k] des Standards allerdings im Dialekt vorhanden, und der Fall weg (s. Kap. 3.3) zeigt auch, dass eine Übernahme des auslautenden okklusiven /g/ (mit Auslautverhärtung) in den Dialekt vorkommen kann. Dennoch ist der Frikativ im Auslaut und vor Konsonant sogar noch erheblich stabiler als in anderen Positionen. Wenn man davon ausgeht, dass Imposition auf allophonischer Ebene stattfindet (s. Kap. 8.2), kann hier eigentlich keine durch die g-Lücke begründete Imposition angenommen werden226. Zum einen ist jedoch auf die regelhaften Beziehungen zwischen stimmhaften und stimmlosen Frikativen im Rahmen morphologischer Alternation hinzuweisen. Zum anderen ist überhaupt fraglich, ob dieser Fall wirklich als Imposition einzustufen ist. Unter Bezug auf die Schriftsprache müsste dies zwar so eingeschätzt werden – die frikative Variante ist aber im Auslaut durchaus kein Spezifikum des ripuarischen Gebiets, sondern so weit verbreitet, dass erwogen wurde, sie zur Norm zu erheben. Dementsprechend kann sie auch nicht als 226 Auffällig ist allerdings, dass Deutschlehrer von niederländischsprachigen Schülern berichten: „Die stimmlose Variante von [k] wird sehr oft, auch bei sorgfältigem Sprechen, als [x] realisiert, z. B. Tag = [tax]“ (ORTMANN 1976 Bd. III:19).

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

regionaler Marker gelten, allenfalls (in jüngerer Zeit) als Merkmal einer ungezwungenen nord- und mitteldeutschen Lautung. Dies zeigt sich auch im vorliegenden Material im relativ hohen Anteil dieser Variante in einigen Texten des Clusters 4, in denen sich die Abweichungen vom Standard ansonsten auf überregionale Reduktionsmerkmale beschränken.

SCH/CH

Die Koronalisierung von [ç] ist auch im Dialekt eine jüngere Erscheinung (s. o. Kap. 3.3.1). Im älteren Dialekt-Inventar steht [ç] noch in phonologischer Opposition zu [ԙ]. Im jüngeren ist diese Opposition aufgegeben, selbst wenn tendenziell noch ein Unterschied zwischen [ƣ] < [ç] und [ԙ] gemacht wird. Jedoch reicht der Unterschied zwischen [ԙ] und [ƣ] nach HEIKE (1964, 46) „nicht zur Ausbildung wohlunterscheidbarer Oppositionen aus“. HEIKE hat dies durch Hörtests mit Kölner Hörern nachgewiesen (s. ebd.). Auch HERRGEN (1986, 72–73) plädiert für die Annahme, dass für die Sprecher eines Koronalisierungsdialekts [ç] und [ԙ] auch auf der Ebene der zugrundeliegenden Formen nicht unterschieden sind, da die auftretenden Hyperkorrektionen nicht anders zu erklären seien. ROBINSON (2001, 96–97) nimmt ebenfalls an, dass etwa in welch, manch und durch in den entsprechenden Varietäten dasselbe zugrundeliegende Phonem anzusetzen ist wie in welsch, Mensch und Hirsch, betont aber die häufige morphologische Alternation von [x] und [ԙ] (Bach – Bäche), durch die eine Ableitung von [ԙ] aus zugrundeliegendem [x] in solchen Fällen unvermeidbar wird. Das ändert jedoch nichts daran, dass [ç] infolge dieser Entwicklung im Lautinventar nicht mehr zur Verfügung steht und im Phonemsystem mit /ԙ/ zusammenfällt. „Die prälexikalische Ebene wird damit umstrukturiert. Der Zusammenfall selbst hat seinen Ursprung auf der postlexikalischen Ebene. [...] [Aber er] hat sich im phonologischen System festgesetzt und ist auf die prälexikalische Ebene abgesunken.“ (GILLES 1999, 241–242) Diese Umstrukturierung kann als „Verbesserung“ gewertet werden, so erklärt HERRGEN (ebd., 227) die Ausbreitung der (standarddivergenten!) Koronalisierung mit einer „Überbesetzung der Reihe der stimmlosen Frikative“ im Standard: „Die Verschmelzung des Phonems /ԙ/ und des Allophons [ç] des /ç/-Phonems vermindert diese Überbesetzung durch Tilgung einer lexikalisch schwach belasteten Opposition und trägt zur Festigung des Konsonantensystems (Stärkung der Stimmhaftigkeitskorrelation) bei.“ (ebd., 227). Hinzuzufügen wäre noch, dass der Laut [ç] (anders als [ԙ]) stark markiert227 und schwierig zu produzieren ist, was sich zusammen mit der „Überbesetzung der Reihe der stimmlosen Frikative“ konkret darin niederschlägt, dass Substitution von [ç] durch [ԙ] auch ein typisches Merkmal von Fremdsprachenakzent (bei Sprechern unterschiedlichster Erstsprachen) im Deutschen ist. In Städten mit größerem Migrantenanteil erfährt die Koronali227 Nach der Übersicht bei MADDIESON (1984, 45) existiert [ԙ] in 146 von 317 verglichenen Sprachen, [x] in 75 und [ç] lediglich in 16, vgl. a. ROBINSON (2001, 98–99).

Impositionsbegünstigende Bedingungen

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sierung insofern eventuell auch von daher eine Bestärkung. MACHA (1991, 153 Anm. 121) verweist auf die ersten SIEBS-Auflagen, in denen die Koronalisierung (außer „gewissen rheinischen Mundarten“, SIEBS 1920, 71) auch „ungebildeten jüdischen Kreisen“ zugeschrieben wird, verwirft die Annahme eines jiddischen Substrats aber mit Hinweis auf die Korrespondenz zwischen dt. [ç] und jiddisch [x] (statt [ԙ]). Diese etymologische Korrespondenz schließt eine Substitution von [ç] durch [ԙ] in intendiertem Standarddeutsch jedoch grundsätzlich keineswegs aus, da die wahrgenommene phonetische Ähnlichkeit mit einem Laut des L1– Inventars normalerweise schwerer wiegt als die Korrespondenzen in kognaten Wörtern228. Die Aufgabe der koronalisierten Variante bzw. der Erwerb der Opposition zwischen /ç/ und /ԙ/ ist jedenfalls schwierig (anders als die Übernahme dieser Variante bzw. der Verzicht auf die Opposition), zumal der phonetische Unterschied zwischen [ç] und [ԙ] gering ist und durch die Annäherung des dialektalen bzw. regionalen [ԙ] an [ƣ] noch geringer wird. In den Tests für Kap. 6.3 erwies sich, dass die Unterscheidung eindeutig Wahrnehmungsprobleme bereitet. In der Dialekt-Orthographie wird die Koronalisierung nicht wiedergegeben; auch bei WREDE, der vielfach auch Lautschrift-Angaben macht, steht hier Ȥ (= IPA [ç]) (etwa beim Lemma Öllich). Da im Stadtkölnischen zu WREDES Zeit die Koronalisierung eigentlich schon recht etabliert gewesen sein müsste, wäre ein möglicher Grund, dass dies nicht als dialektale Eigenart angesehen wurde, sondern koronalisiertes Lesen von nach vorderem Vokal oder Sonorant als selbstverständlich betrachtet wurde. Aufgrund des geringen Alters dieses Merkmals ist es jedoch fragwürdig, dessen Ausgangspunkt im Basisdialekt zu sehen: Auch dort fand die – bis heute nicht überall abgeschlossene (?) – Durchsetzung ja erst zu einem Zeitpunkt statt, an dem der Gebrauch der Gemeinsprache schon verbreiteter war. Anzunehmen ist also eher, dass die Entwicklung gleichzeitig den Dialekt und die intendierte Hochsprache erfasst hat. Die Frage nach der Adaption von frühen Entlehnungen entfällt damit; jüngere werden selbstverständlich adaptiert (vgl. KWb: Architek [ar˘́tȳk]229). Die Imposition ist also hier nicht eine Erscheinung der frühen Phase, sondern eher eine der späteren: Es geht nicht um Transferenz eines dialektalen Merkmals in die intendierte Hochsprache, sondern um die eines (neueren) regionalen Merkmals (Dialekt und Regiolekt/Regionalstandard) in den intendierten reinen Standard. Obwohl die Nonstandard-Variante bei SCH/CH aufgrund der standardsprachlichen Opposition zwischen /ç/ und /ԙ/ aus der Perspektive des Standards auffällig und dementsprechend als regionaler Indikator bekannt ist, ist die Variable wegen der artikulatorischen Nähe der Varianten zueinander schwer zu kontrollieren, wenn diese Opposition beim Erstspracherwerb nicht erworben wurde. Aus diesem Verhältnis zwischen Außensicht und eigener Wahrnehmung resultiert die Tatsache, dass die Koronalisierung vielen Sprechern als Problem bewusst ist, das kaum

228 Vgl. etwa die Substitution von engl. [ј] [ǧ@ durch [s] [z] statt [d] – z. B. in thing, this – bei deutschen Lernern. 229 Das Zeichen [˘] wird hier statt [ƣ] verwendet.

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

in den Griff zu bekommen ist230; HERRGEN (1986, 221–225) zeigt einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Hyperkorrektionen (die er in individuell sehr verschiedenem Ausmaß antrifft) und Faktoren wie metasprachlicher Aufmerksamkeit und Einschätzung der Bewertung des eigenen Dialekts durch andere. Dies gilt aber nicht für alle Sprecher; manche unterscheiden auch im Dialekt zwischen /ç/ und /ԙ/, zudem gibt es gleitende Übergänge zwischen beiden. Wie die vorliegenden Ergebnisse bestätigen, ist bei diesem Merkmal eine besonders deutliche individuelle Variation zu beobachten (vgl. ebenso FUß 2001, 84, vgl. a. LENZ 2003, 167). Aufgrund seiner schlechten und individuell verschiedenen Kontrollierbarkeit gehört es auch zum intendierten Standard vieler Sprecher, selbst wenn der Standard deren Erstsprache ist. Es kann insofern jedenfalls für diese Sprecher nicht als Marker einer regional gefärbten oder informellen Sprachlage fungieren, zumal umgekehrt auch im Dialekt [ç] möglich ist. So erklärt sich wohl auch, dass die von CORNELISSEN (2002) schriftlich zu ihrer regionalen Umgangssprache befragten Informanten in den angegebenen Formen in literarischer Umschrift die Koronalisierung kaum berücksichtigten (ebd., 305).

L_vel/L

Bei der Variablen L_vel/L handelt es sich um eine kombinatorische Allophonie, die im Dialekt existiert, anscheinend aber fakultativ ist und im Standard nicht existiert. Der Unterschied zwischen Dialekt und Standard gehört hier also in den subphonemischen Bereich, und der phonetische Abstand ist gering. Daher ist das Merkmal – wie kombinatorische Allophonie meistens – für die Sprecher selbst schwierig wahrzunehmen und zu kontrollieren und insofern prädestiniert für Imposition. So ist das velarisierte Allophon [κ] auch aus dem Fremdsprachenunterricht für englischsprachige Sprecher als schwer zu überwindendes Merkmal des Fremdsprachenakzents bekannt (vgl. MAJOR 2001, 89). Die entsprechende Aussprache in Lehnwörtern wie total, sozial, optimal, mimimal, aktuell, generell ist im ripuarischen Dialekt selbstverständlich; als Impositionsmerkmal auch im intendierten Standard stellt [κ] auch gegenwärtig noch einen Indikator dar. Gemäß der Tatsache, dass es sich hier um ein kombinatorisches Allophon handelt, ist das Bewusstsein dafür (wie bei der Koronalisierung) aus der Innenperspektive des Dialekts gering. Wie bei der Koronalisierung spricht auch hier schon die schlechte Kontrollierbarkeit und die Existenz von Zwischenformen (vgl. HEIKE 1964, 44, FUß 2001, 86) gegen eine „Rückspiegelung“ der Imposition, außerdem handelt es sich – anders als bei [ԙ] – um ein „zusätzliches“ Allophon des Dialekts, nicht um eine im Standard phonemische Opposition. Wie die Koronalisierung entspricht das Merkmal also einerseits einem typischen Impositionsmerkmal, es gibt aber auch hier Gründe dafür, dass es nicht zur Stabilisierung als regionaler Marker gekommen ist.

230 S. LENZ (2003, 166), vgl. a. GILLES (1999, 236–237).

Impositionsbegünstigende Bedingungen

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CHt/Rt

Während die Unterschiede zwischen anderen Realisierungsformen des postvokalischen r kaum im Bewusstsein sind (sofern nicht Vokalisierung zu Totalassimilation oder zur Enstehung von auffälligen Diphthongen führt), ist [Ȥ] und vor allem [x] (durch den Zusammenfall mit [x] als Allophon von /x/) deutlicher wahrnehmbar, zumindest aus der Außensicht. Dem Ergebnis (vgl. 5.) nach gehört CHt/Rt_D zum Regiolekt/Standard-Kontinuum, müsste also durch Imposition zu erklären sein. Auch Entlehnungen in den Dialekt werden entsprechend adaptiert: Nach TILING-HERRWEGEN (2002, 139) lautet das standardsprachliche Wort Gefängniswärter in „kölscher Aussprache“ [͡ԥ’fȳƾńs‫ۈ‬vȳxtĎ]. Auch dies spricht dafür, das Merkmal als Impositions-Merkmal einzustufen. Nach Winters Untersuchung zu den r-Varianten rheinischer Sprecher verwenden vor allem die dialektkompetenten Sprecher im intendierten Standard die stimmlosen Frikative (WINTER 2002, 114). Eine Erklärung als Imposition erscheint allerdings zunächst unplausibel, da ja die Dialektvariante ein vokalisiertes r ist wie die Standardvariante auch. Auf zweiten Blick ist dieser Erklärungsansatz jedoch auch hier sinnvoll: Die Vokalisierung im Dialekt führt dazu, dass man keine Entsprechung für das orthographische hört. Bei einer um Standardnähe bemühten und an der Orthographie orientierten Aussprache, bei der jedes Segment zu hören sein soll, also auch ein deutliches [Ӱ] gesprochen werden soll, wird daher von der vokalisierten Variante des Dialekts abgewichen (vgl. ebenso SCHIRMUNSKI 1962, 377). Vor stimmlosem [t] ist die Realisierung als stimmloser Frikativ dabei leichter als die stimmhafte231. Zu dieser Deutung passt die Tatsache, dass die Kombination der dialektalen Totalassimilation des vokalisierten r an vorausgehendes a mit der standardsprachlichen Variante von D/T (?[ja:tn‫]ݙ‬/ ?[ga:tn‫ )]ݙ‬im ripuarischen Raum nicht möglich zu sein scheint232: t ist in der Realisierung unproblematisch und drückt die Entscheidung gegen den Dialekt aus, damit auch die Entscheidung gegen [a:] für /ar/. Wenn gleichzeitig die standardsprachliche Vokalisierungsvariante [Ď۶] nicht zusammen mit dem typischen Impositionskennzeichen j auftritt ?[jaĎ۶tԥn], liegt nahe, dass diese Variante aufgrund des Fehlens im Dialekt oder aufgrund der Entwicklung der standardsprachlichen r-Aussprache in der Haupt-Impositionsphase nicht zur Verfügung stand. Dazu passt auch die Feststellung, dass der stimmlose velare Frikativ für /r/ vor t durchaus nicht nur aus dem Rheinland, sondern aus sehr verschiedenen Regionen belegt ist (vgl. a. SCHIRMUNSKI 1962, 377 zu bairischen Dialekten). SIEBS (1920, 60) – der sich nie länger im Rheinland aufgehalten hat233 – verlangt „in allen Fällen durchaus Zungenspitzen-r“, denn: „Nur dadurch kann den schon sehr stark eingebürgerten Mißbräuchen begegnet werden, statt des r vor

231 Im Französischen sind Realisierungen von /r/ als stimmloser uvularer oder velarer Frikativ vor und nach stimmlosen Konsonanten geläufig, fallen aber weniger auf als im Deutschen, weil es kein Phonem /x/ gibt (vgl. BOILEAU 1975, WALTER 1977, 36). 232 $QGHUVDOOHUGLQJVWINTER(2002, 104). 233 SIEBS stammte aus Norddeutschland, hat in Tübingen und Leipzig studiert und bis 1902 in Greifswald gewirkt, danach in Breslau.

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

t ein ch zu sprechen (z. B. wachten statt warten, Pfochte statt Pforte) und statt des r vor anderen Konsonanten oder statt des auslautenden r einen vokalischen Laut entstehen zu lassen [...]“. Auch die 19. Auflage des SIEBS (1969, 86) stuft den stimmlosen Frikativ noch allgemein als norddeutsche Erscheinung ein, wie auch ULBRICH (1972, 53). VIËTOR (1904, 169) beobachtet den „häufigen“ Übergang von [Ӱ] zu [‫׀‬, x] „z. B. hier in Marburg“. Interessant ist, dass WÄNGLER (1960, 89; 1984, 158) die [x]-Aussprache insbesondere der norddeutschen Bildungsschicht zuordnet: „In Norddeutschland hört man in Kreisen, die auf ihr ‘gepflegtes’ Sprechen besonders stolz sind, z. B. [kօxt] für [kօӰt] (Kurt), [‘gaxtԥn] für [‘gaӰtԥn] (Garten). Andererseits macht sich in einer anderen, größeren Sprecherschicht Vokalisierung breit [...]“. Auffällig ist auch, dass diese Variante von LAUF (1996, 213) wie auch in Laien-Darstellungen234 nicht nur für das rheinische Gebiet, sondern gerade für die (standardnahe) Umgangssprache der „HochdeutschMusterregion“, den ostfälischen Raum (Hannover, Braunschweig) erwähnt wird. Man kann also annehmen, dass hier zwei Dinge zusammenkommen: Zum einen das Bemühen um deutliche, schriftnahe Aussprache, zum anderen der Übergang vom apikalen zum uvularen /r/235. Klar ist, dass dieses Merkmal nur dann auftritt, wenn /r/ nicht allgemein apikal artikuliert wird. Verlauf und Hintergrund dieses Übergangs sind zwar noch nicht letztendlich geklärt (vgl. SCHILLER 1999, 268, WINTER 2002, 13–18). Im vorliegenden Zusammenhang ist jedoch nur wichtig, dass die Varianten [x], [Ȥ] sich recht natürlich aus dem Bemühen um ein „deutliches“ uvulares r vor t ergeben und dass sie dementsprechend in ganz verschiedenen Regionen aufgetreten sind236. Warum es anscheinend im ripuarischen Raum zu einer stärkeren Stabilisierung gekommen ist als andernorts, ist damit noch offen. Auffällig ist aber, dass die Karte der r-Varianten in deutschen Dialekten, die GÖSCHEL (1971) nach Tonbandaufnahmen von 1936 erstellt hat, [Ӱ] nur in drei Arealen zeigt, im linksrheinischen Kölner Raum und weiter rheinabwärts, an der Mosel und im deutschen Südwesten, sowie in einer Reihe von punktuellen Einträgen nördlich des Mains.

234 , (beide 14.2.08). 235 SCHIRMUNSKI (ebd.) nimmt allgemein eine Entwicklung des [R] aus dem Bemühen um deutliche Aussprache des vokalisierten /r/ an. Bei dieser Erklärung ist allerdings auffällig, dass die in postvokalischer Position entstandene Variante auf den Anlaut übertragen worden wäre. 236 MACHA (1991, 149) nimmt an, dass ripuarische Dialektsprecher die Einfügung von [x] für /r/ (statt Vokalisierung bzw. Totalassimilation) analog zur Einfügung von [x] in Fällen mit dialektalem Ausfall von g oder ch vor t handhaben, dass [x] damit ein Art von „passepartout“Funktion bekomme. Es ist möglich, dass diese Zusammenhänge die frikative r-Variante im Rheinland stabilisiert haben, aber der Ursprung dieser Variante kann hier nicht gesucht werden, wenn sie auch außerhalb des (kleinen) Gebiets mit Aufall von g bzw. ch verbreitet war.

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Karte 1: Artikulation von /r/ in den Dialekten um 1936 (aus: Göschel 1971, 94)

Die beiden nordwestlichen [Ӱ]-Areale decken sich dabei ungefähr mit der westmitteldeutschen und niederfränkischen Region, in der viele Sprecher sich zu dieser Aussprache „bekennen“ (s. AdA Ktn. ‘Karte’,’Sport’) und in der gleichzeitig das postvokalische r vor Dental im Dialekt vollständig vokalisiert ist – anders als in dem südwestlichen Areal mit ebenfalls frühem dialektalem [Ӱ] und in dem hessisch-thüringisch-sächsischen [ԁ]-Gebiet (vgl. DiWA 473 ‘Wort’. Allerdings wird die dialektale Situation hier sehr viel unklarer, wenn man die zahlreichen Streubelege für r-lose Formen berücksichtigt. Diese massieren sich nördlich und südlich des ripuarisch-südniederfränkischen woet-Areals, was noch zu der Verbreitung von [x] passt, aber auch in Teilen des Schwäbischen). Man könnte also vermuten, dass die Verfestigung der Variante [x] im Nordwesten mit dem Zusammentreffen von dialektaler r-Vokalisierung und einem besonders frühen Übergang zu uvularem [Ӱ] zusammenhängt. Schon in der Zeit der Ausbreitung des Erwerbs der Gemeinsprache (und der Verfestigung der Impositionsmerkmale) hätte danach in diesem Gebiet auch dialektal [Ӱ] gegolten, und als deutliche und artikulatorisch unproblematische (Lese-)Variante des [Ӱ] vor t hätte sich allgemein [x] etabliert, während dies beides andernorts allenfalls eine Erscheinung in bestimmten soziologischen Gruppen der Städte gewesen wäre (die schon [Ӱ] statt [r] verwendeten) und kein allgemein übliches Merkmal der regionalen Aussprachekonvention der Schriftsprache. Auch hier ist es mit der Verbreitung überregionaler Vorbilder der Standardlautung rezent zu einer Neubewertung gekommen, wie die von WINTER (2002, 114–115) berichtete Tatsache zeigt, dass

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

rheinische Sprecher mit Dialektkompetenz im intendierten Standard fast durchgehend und selbstverständlich die stimmlosen Frikative verwenden, andere rheinische Sprecher diese Varianten dagegen als „typischen Fehler“ bewusst vermeiden.

Vokalquantität Die Unterschiede zwischen Dialekt und Standard in Vokalkürze und -Länge sind weitestgehend lexemspezifisch, es gibt keinen Anlass für Imposition von den Phonem-Inventaren oder von phonotaktischen Regularitäten her. Anders als bei den anderen Merkmalen, bei denen eine Orientierung an der geschriebenen Sprache klare Informationen über die Formen des Standards liefert, bietet die Orthographie hier allerdings teilweise keinen eindeutigen Anhaltspunkt für die Vokalquantität (vgl. brach vs. schwach o. ä.), einige Formen mit dialektaler Vokallänge wie gemaacht (je-) sind insofern mit einer Lese-Aussprache vereinbar. Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass einige (wenige) derartige Wortformen mit Kombination von dialektaler Vokalquantität und ansonsten nichtdialektalen Merkmalen vorkommen, obwohl es sich eigentlich nicht um ein Impositions-Merkmal handelt. Einen Marker stellt die Vokalqualität jedenfalls nicht dar.

t-Tilgung Bei Tilgungs-/Reduktionsphänomenen des Dialekts kommt ein Aspekt zu den bisher berücksichtigten Impositions-Faktoren hinzu: Anders als andere dialektale Merkmale, die artikulatorisch gleich aufwändig sind wie die standardsprachlichen, sind artikulatorisch ökonomischere Formen schon per se (ohne konnotativen Bezug zu einem dialektalen Hintergrund) geeignet, Ungezwungenheit bzw. Familiarität zu signalisieren. TAELDEMAN (1993) hat daher bei genau solchen Merkmalen eine bewusste Beibehaltung in nichtdialektaler Rede festgestellt (s. Kap. 8.2.2), und nicht selten berühren sich dialektale Tilgungen mit überregionalen Allegromerkmalen. So ist die Tilgung von auslautendem [t] in einigen Wortformen überregional allgemein üblich; in ist, sonst und jetzt (und auch in nicht, sofern nicht nit verwendet wird) ist sie nach dem vorliegenden Material in informeller Situation im ripuarischen Raum praktisch obligatorisch, selbst bei gänzlichem Fehlen sonstiger regionaler Varianten. Die weite Verbreitung des Merkmals hat hier mit dem Problem der Artikulation der auslautenden Konsonantencluster und mit der Frequenz der Wörter zu tun237. Zumal bei zunehmender Üblichkeit dieser Formen auch in intendiertem Standard bzw. formellen Situationen (vgl. SPIEKERMANN 2005, 120) kann die Verwendung der nichtreduzierten Formen sogar ähnlich affektiert oder sozial distanzierend wirken wie in bestimmten Sprechergruppen bzw. Situationen die Vermeidung aller regionalen Merkmale (vgl. o. zur „bewussten Imposition“). 237 Vgl. zu ähnlichen Bedingungen im Englischen BYBEE (2002, 61).

Impositionsbegünstigende Bedingungen

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Bei un und sin ohne [t] handelt es sich dagegen um Formen mit begrenzterem (aber immer noch großem) Geltungsraum im Dialekt. Wie bei dat/das ist der Unterschied zum Standard hier einerseits als lexemspezifisches Phänomen prinzipiell kontrollierbar, andererseits aber durch die hohe Frequenz der Wörter und deren Unbetontheit doch auch wieder der bewussten Kontrolle entzogen, insofern ist mit Imposition zu rechnen. Anders als bei dat/das sind bei un/und die dialektalen Varianten aber auch aus der Außenperspektive wenig auffällig, sodass es hier nicht zu Stereotypenbildung gekommen ist. Gleichzeitig wirkt die dialektale Assimilation als Reduktion hier auch synchron anders als die Form dat: Die „nachlässigere“ Artikulation kann hier – trotz der (groß-)regionalen Unterschiede – auch vorrangig als ‘ungezwungen’ aufgefasst werden statt als ‘regional’. Dies gilt grundsätzlich auch für die dialektale t-Tilgung; diese betrifft jedoch auch betonte Wörter. Sie ist im Dialekt regelhaft (s. Kap. 3.3.2), außer den Verbformen der 2. Pers.Pl. gibt es im Dialekt keine Wortformen mit t nach Obstruenten im Auslaut. Das obligatorische Vorkommen des finalen t in den Formen der 2. Pers. Pl. zeigt jedoch, dass keine entsprechende phonotaktische Beschränkung existiert. Gleichwohl ist für den Dialekt eine Tilgungsregel anzunehmen und nicht unterschiedliche Ausgangsformen (wie bei ‘sonst’ oder ‘und’ denkbar ist), daher ist es folgerichtig, wenn diese Regel auch im Rahmen der Adaption und morphologischen Integration von Entlehnungen produktiv angewandt wird: Aujus (W), Subjek, Objek (TILING-HERRWEGEN 2002), direk, Punk, (KWb), Architek, direk, Effek usw. (KWb). Dies betrifft auch Entlehnungen, in denen ansonsten standardsprachliche Merkmale beibehalten werden (W: leich ‘leicht’ mit Diphthong). In diesem Fall gehen Adaption bei Übernahme in den Dialekt und Imposition im intendierten Standard jedoch nicht parallel, da es sich um eine Regel handelt, die an die dialektale Morphologie geknüpft ist, und nicht um eine Lücke des Inventars oder um eine phonotaktische Einschränkung. Die Standard-Form dürfte für Dialektsprecher grundsätzlich keine Schwierigkeiten bereiten und im Zuge „sorgfältiger“ Leseaussprache auch bewusst realisiert worden sein. Dennoch ist das Vorkommen dieses Merkmals (nicht wirklich „Imposition“) auch in nichtdialektalen Formen nachvollziehbar, da die Elision von t in bestimmen Kontexten bei schnellem Sprechen auch im Standard vorkommen kann (s. KOHLER 1995, 209). (Das gilt nicht für die Assimilation vom Typ klemmp ‘klemmt’ – diese ist unter den heterogenen Kombinationsbelegen mit t-Tilgung jedoch auch nicht vertreten). Es ist hier insofern auch von den Ausgangsbedingungen her verständlich, wenn einerseits keine Imposition (und dementsprechend keine Entwicklung zum regionalen Marker) stattfindet, andererseits die Einschränkung des Merkmals auf rein dialektale Wortformen weniger streng ist als bei den anderen Nicht-ImpositionsMerkmalen.

e-Apokope Die (historische) e-Apokope in Substantiven ist synchron im Ripuarischen lexikalisiert; die Form Strяße existiert z. B., nur als Plural- statt als Singularform. Ein

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

phonetisch-phonologisches Problem für die Produktion/Kontrolle oder Perzeption stellt das finale Schwa also vom Dialekt aus gesehen jedenfalls nicht dar. Allerdings ist finales Schwa im Flexionsparadigma femininer Substantive im Singular nicht vorgesehen; so wird bei in den Dialekt entlehnten Feminina auslautendes Schwa apokopiert. Dies gilt nicht nur für Entlehnungen aus dem Französischen (Tant, Taat, Visaasch (W), Maschin (KWb)), wo auf das „Verstummen“ des Schwa im Französischen selbst hingewiesen werden könnte, sondern auch in Übernahmen aus dem Standard (Kneip, Leich, Peitsch – KWb). Für die morphologische Integration der Lehnwörter ist die Apokope hier unerlässlich, weil bei nTilgung sonst Sg. und Pl. ununterscheidbar werden. Wenn die Morphologie dagegen standardsprachlich ist, gibt es eigentlich keinen Grund für phonologische Imposition im Sinne eines Akzents, gerade weil auslautendes Schwa im Dialekt nicht nur existiert, sondern auch morphologisch relevant ist (zur Deklination s. u.). Als Allegromerkmal kommt die e-Apokope jedoch wiederum auch im überregionalen gesprochenen Standard vor. Auch hier handelt es sich also um ein dialektales Merkmal, das, in den Standard übernommen, Ungezwungenheit signalisieren kann (im Vergleich zu 0/T_D ist der Geltungsraum in den Dialekten hier außerdem ungleich größer). Dass die Frequenz des Phänomens im Ripuarischen außerhalb dialektaler Rede dennoch niedrig ist, erklärt sich vermutlich gerade mit der morphologischen Funktion des -e im Dialekt: Die Entscheidung zwischen Dialekt und Regiolekt/Standard impliziert die Entscheidung zwischen dialektaler oder standardsprachlicher Morphologie, und damit für die Numerusdifferenzierung durch -0 vs. -e oder durch -e vs. -en. Dass die e-Apokope dagegen – wie in der überregionalen gesprochenen Sprache – in der Endung der 1. Pers. Ind. Präs. fast durchgehend erscheint (Variable les/lesE), ist insofern zunächst überraschend, als sie gerade dort im ursprünglichen Dialekt nicht gilt. Allerdings deutet sich diese Entwicklung auch im Dialekt schon in den Wenker-Daten an (s. Kap. 3.3.4), und es scheint sich hier eher um eine unspezifische Reduktionserscheinung zu handeln als um eine Übernahme aus apokopierenden Regionen (vgl. a. MACHA 1991, 168, anders MIHM 2000, 2117). Für das Ripuarische ist wahrscheinlich ein Zusammenhang mit der n-Apokope in Verbformen der 1. Pers. zu berücksichtigen, denn bei Enklise von ich wird im Dialekt der Hiat dadurch vermieden, dass nach der „Eifler Regel“ vor Vokal das n erhalten bleibt. Bei TILING-HERRWEGEN (2002, 83) ist allerdings schon für den rezenten stadtkölnischen Dialekt keine Rede mehr von der Verbendung -en bei enklitischem ich (vgl. a. u. zur Schwächung der „Eifler Regel“), und für die intendierte Hochsprache ist von vornherein die Endung -e anzunehmen. Hier kommt es dann zum Zusammentreffen von Schwa und anlautendem i in einer schwachbetonten Form, was die Apokope stark begünstigt. So wird bei enklitischem ich im vorliegenden Material – wie in fast allen deutschen Regionen, vgl. BEREND (2005, 157–158) – fast zu 100 % apokopiert, und man kann weiter vermuten, dass diese Form sich dann auf Fälle mit Voranstellung des Pronomens ausgebreitet hat.

Impositionsbegünstigende Bedingungen

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n-Apokope Die Tilgung von auslautendem n ist demgegenüber ein anders gelagertes Phänomen: Hier handelt es sich im Dialekt um eine Regel, die unabhängig von morphologischen Aspekten und wortübergreifend abhängig vom Lautkontext ist. Bei einer solchen automatisierten Regel wäre eigentlich sowohl Adaption von Lehnwörtern als auch Imposition zu erwarten. Die Frage der Adaption ist allerdings mangels entsprechender Fälle schwierig zu klären, zumeist handelt es sich ja um indigene Flexive. WREDES Eintrag Ame(n) (vgl. a. RhWb Bd. 1, Sp. 164: Ɨ:mΩ(n)) weist darauf hin, dass die Adaption hier zumindest möglich ist (die Klammer um das n bezieht sich nicht auf die „Eifler Regel“, in anderen entsprechenden Lemmata fehlt das auslautende n vollständig). TILING-HERRWEGEN (2002) verwendet Pronome, das KWb führt Exame auf, im RhWb Bd. 2, Sp. 221 steht dagegen ĊksƗ:mΩn. Die Angaben sind also uneinheitlich, was ja auch schon für die vorliegenden Informationen zur Geltung der n-Apokope überhaupt festgestellt wurde (s. Kap. 3.3.2). Einen zwingenden Automatismus der n-Apokope in bestimmten Lautumgebungen gibt es demnach auch im Dialekt nicht. So äußerten sich auch die befragten Testpersonen (s. Kap. 6.3): -n wurde in ansonsten klar dialektalen Formen (auch entgegen der Eifler Regel) nicht als störend angesehen und allgemein als unauffälliges und instabiles Merkmal („das n am Ende wird so vernuschelt, das hört man mal und mal nicht“). Wenn sich die n-Apokope, anders als die e- und die t-Apokope, in der Kookkurrenzanalyse als rein dialektales Merkmal darstellt, so liegt der Unterschied wahrscheinlich in erster Linie hier, in der Differenziertheit und lokalen Eingeschränktheit der n-Tilgung im Dialekt: Zum einen findet sie unter bestimmten Bedingungen nicht statt (als Sandhi-Erscheinung ist dies allerdings automatisiert), zum anderen gibt es kleinräumige Variation und offenbar auch schon seit langem ein lokales Nebeneinander apokopierter und nicht apokopierter Formen. Dieser Rückhalt des standardsprachlichen -n im Dialekt erklärt wohl auch die Tatsache, dass in Schüler-Aufsätzen „Fehler bei -en-Endungen nicht beobachtet wurden“ (KLEIN u. a. 1978, 90), anders als bei e-Endungen (ebd.). Sofern dies Nebeneinander keine neuere, durch verstärkte innerregionale Mobilität ausgelöste Erscheinung ist, sondern schon in der Impositionsphase galt (die komplizierte Arealbildung und vor allem die zahlreichen Streubelege in den entsprechenden DiWA-/DSA-Karten sprechen für letzteres), ist anzunehmen, dass die n-Tilgung nie ein allgemein anzutreffendes Impositionsmerkmal war und sich daher im Zuge der Mesosynchronisierung nicht (gegen den Standard bzw. die Schriftsprache) etabliert hat. Hinzu kommt, dass die Tilgung von finalem n vom Standard her gesehen nicht einfach eine Ausweitung des Geltungsbereichs existierender Schnellsprechregeln darstellt, sondern mit einer von zwei alternativen großräumigen Allegrovarianten im Konflikt steht (vgl. a. KÖNIG 2004, 192), nämlich der Synkope von Schwa (und dementsprechend silbischem n, ggf. unter Assimilation an den vorausgehenden Konsonanten [ge:bm‫ ]ݙ‬bis hin zur vollständigen Assimilation [ge:m]). Dies entspricht den niederdeutschen und ostmitteldeutschen Dialekten

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

sowie dem Bairischen (vgl. SCHIRMUNSKI 1962, 386–387, 388, KÖNIG 2004, 192). Im Südwesten wird dagegen auch im Regiolekt eher das n apokopiert. Wenn das ripuarische Gebiet sich – bei gewissermaßen „unentschiedener“ Ausgangslage – hier nicht dem südwestlichen, sondern dem nördlich angrenzenden Muster anschließt, kann dies vielleicht nicht allein mit dem Substratmodell erklärt werden. Neben einem fehlenden „Zwang“ zur Imposition der n-Tilgung aufgrund der dialektalen Situation spielt hier wohl auch eine grundsätzliche Orientierung in Richtung auf den nord- statt süddeutschen Gebrauchsstandard mit (vgl. BEREND 2005, 164,166).

Einzellexeme: dat/das, nit/nicht, mer/wir Die Variablen dat/das, nit/nicht und mer/wir betreffen Einzellexeme, aber hochfrequente Funktionswörter. Hinsichtlich der Stabilität solcher Wörter im Kontakt ist die Kontaktlinguistik etwas zurückhaltend (s. Kap. 8.1): Einerseits sind lexikalische Elemente am labilsten, andererseits bezieht sich diese Feststellung vor allem auf Inhaltswörter und erheblich weniger auf Funktionswörter, zumal hochfrequente. Tatsächlich kommt auch im Kontakt zwischen weniger oder nicht verwandten Sprachen unabsichtliche (sogar unbemerkte) okkasionelle Übernahme von Funktionswörtern aus der L1 in reinen L2–Sätzen vor238. Bei großer Ähnlichkeit der äquivalenten Wörter im Standard-Dialekt-Kontakt ist auch von der Ausdrucksseite her eine enge Verbindung zwischen ihnen im mentalen Lexikon anzunehmen. Die phonologische Form des gleichbedeutenden und gleich beginnenden Dialektworts wird also immer auch aktiviert, wenn das Standardwort produziert werden soll (vgl. RIEHL 2002, 69–71, SEBASTIÁNGALLÉS/KROLL 2003, 306). Dadurch werden solche unwillkürlichen Übernahmen weiter begünstigt. Angesichts des hohen Anteils gemeinsamer grammatischer Strukturen und lexikalischer Elemente ist insbesondere für die erste Kontaktphase damit zu rechnen, dass die Sprecher keine vom Dialekt unabhängige Kompetenz in der Gemeinsprache entwickelt haben, der Dialekt also in intendierter Hochsprache noch stärker aktiviert war, als es die zweite/dominante Sprache in der Sprachproduktion bilingualer Sprecher normalerweise schon ist. Im Fall von dat/wat/et und mer führt zudem die Unbetontheit239 zugleich zu verringerter Kontrolle. So geben Sprecher auch gegenwärtig noch an, dass ihnen dat und nit (net) bei reduzierter Aufmerksamkeit aus Versehen „durchrutscht“240.

238 S. Kap. 7.2. Auf Nachfragen in unmittelbarem Anschluss an derartige Erscheinungen – die auch im monolingualen Modus (im Gespräch mit monolingualen Sprechern) vorkommen können – zeigen bilinguale Sprecher sich oft selbst überrascht. 239 Die Unbetontheit wird schon als Grund dafür angenommen, dass dat, wat etc. im Mittelfränkischen die Lautverschiebung nicht mitgemacht haben (vgl. SCHIRMUNSKI 1962, 130: „Es sind ... schwachbetonte Formen (wie die Personalpronomina dat, wat, et), die der Sprechende lautlich nicht mit Bewußtsein erfaßt“, die der „Lautanalogie“ entgehen). 240 Vgl. KREYMANN (1994, 249, Anm. 4), LENZ (2003, 334, 357).

Impositionsbegünstigende Bedingungen

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Auch für mer ist die häufige Unbetontheit des Pronomens anzuführen, hier oft noch verbunden mit der Position nach der Endung -en der Verbformen der 1. Pers. Pl. und der entsprechenden Kontaktassimilation. (So ist die Form ja überhaupt entstanden.) Auch wenn die Belege in dieser Position, in der auch im überregionalen Substandard die Form mer vorkommt, nicht mitgerechnet worden sind, stützt diese Erscheinung die dialektale Form auch in anderen Positionen. Bei nit kommt noch ein anderer Aspekt hinzu: Die Standard-Form nicht ist artikulatorisch relativ aufwändig und wird dementsprechend in informeller Rede in allen Regionen reduziert (s. BEREND 2005, 155). So wechselt die Dialekt-Form auch im vorliegenden Material ja nicht mit der vollen Standard-Form, sondern mit der Form nich (mit Apokope des t), die sich im gesprochenen Standard vor allem der deutschen Nordhälfte fest etabliert hat – dies wohl vor allem, weil nich fast flächendeckend in den niederdeutschen Dialekten gilt241; gleichzeitig passt diese Form aber auch zu der noch weiter verbreiteten Erscheinung der t-Apokope in hochfrequenten „Kleinwörtern“ (Variable sons/sonst). In einer ersten, schriftorientierten Phase des Dialekt-Standard-Kontakts dürfte diese Alternative jedoch noch nicht so nahe gelegen haben wie in einer Zeit, in der nicht nur der Standard, sondern auch der norddeutsche Gebrauchsstandard über die Tonmedien überall geläufig ist, sodass an Stelle der artikulatorisch aufwändigen Standard-Form zunächst die angestammte Reduktionsform beibehalten wurde. Anders als bei den phonologischen Impositions-Merkmalen erklären sich die lexikalischen allerdings nicht unmittelbar aus artikulatorischen oder perzeptiven Schwierigkeiten, sie können auch nicht als Merkmale einer Leselautung auf dialektaler Grundlage eingestuft werden. Es ist jedoch aus Gründen der Frequenz und Unbetontheit plausibel, dass diese Merkmale bei gesprochener intendierter Hochsprache besonders häufige (insofern „übliche“) lexikalische Interferenzen darstellten. Die ehemals aus dialektalen Interferenzen in gesprochener intendierter Hochsprache zu erklärenden lexikalischen Merkmale haben sich in der Folge in ungezwungener gesprochener Sprache der Region etabliert und sind wie die Merkmale phonologischer Imposition zu Markern geworden. Dies zeigt sich auch in der Übernahme von dat durch Zugezogene. Dass einige Sprecher in der als formell intendierten Interview-Situation des Erp-Projekts dat und wat erfolgreich vermeiden, andere diese Merkmale aber in erheblichem Umfang beibehalten, erklärt LAUSBERG (1993, 113–114) mit Unterschieden im „sprachlichen Selbstverständnis“ und in der Interpretation der Situation. Die (allerdings nicht durchgehend) bessere Kontrolle von dat/das im Vergleich zu J/G weist dabei auf den unterschiedlichen Typ von Imposition hin. Sofern die Angaben von Sprechern, die noch in jüngerer Zeit die Verwendung von dat und wat als ein unwillkürliches „Herausrutschen“ darstellen, nicht nur auf Tradierung eines Topos beruhen, wäre jedoch vielleicht zu präzisieren: Wenn die dialektal sozialisierten Sprecher et, wat und dat im Interview beibehalten, so tun sie das eventuell, „weil sie sich in Übereinkunft mit einer Art überregionalem Sprachusus wissen“ (so die Überlegung von LAUSBERG ebd.), aber wohl nicht im Sinne einer bewussten Wahl dieser Va241 Vgl. DiWA 218 ‘nicht’. Nur im südlichen Teil des Westfälischen gilt dialektal nit.

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

rianten, sondern im Sinne eines Verzichts auf deren bewusste Vermeidung (vgl. o. Kap. 8.2.2 zur „bewussten Imposition“). Dass diese Varianten einerseits bei ripuarischen Sprechern leicht der Kontrolle entgehen, andererseits von Zugewanderten leicht übernommen werden242, ist insofern kein Widerspruch, als dat etc. auch von diesen Sprechern nicht ausnahmslos verwendet wird. Es kommt also bei Einheimischen wie bei Zugereisten zu einem Nebeneinander beider Formen, das sich in der Variabilität des Regiolekt/Standard-Bereichs niederschlägt. Auch im Berlinischen und im Ruhrdeutschen ist der unverschobene Plosiv genau in diesen Wörtern in der Umgangssprache beibehalten worden und hat sich zum Marker entwickelt. Auffällig ist allerdings die Beobachtung, dass diese Formen nicht im gesamten niederdeutsch-niederfränkischen Gebiet gleichermaßen als Merkmal des Regiolekts gelten. Die AdA-Karte ‘das’ verzeichnet zwar einige Meldungen im norddeutschen Raum, aber erheblich weniger als im westfälischen, am Niederrhein und im Berliner Umland. Dies lässt im Sinne MIHMS und ELMENTALERS darauf schließen, dass hier nicht nur die linguistischen Bedingungen der ersten Kontaktphase, sondern auch das Vorbild Kölns (im Westen) und Berlins (im Osten) eine wesentliche Rolle spielen. Angesichts der Rolle dieser beiden Städte in den betreffenden Gebieten ist das durchaus möglich, zumal es sich – wie gesagt – um ein lexikalisches Merkmal handelt, das leicht zu übernehmen ist. Der Ursprung dieser Variante ist gleichwohl dialektale Imposition, eine Ausbreitung über das Gebiet mit dialektalem dat, det hinaus ist nirgends zu bemerken.

op/auf

Auch 'auf' ist ein hochfrequentes Funktionswort. Im Vergleich zu den zuletzt erörterten Fällen ist hier der lautliche Bezug zwischen Dialekt- und Standardvariante weniger deutlich; sie unterscheiden sich in allen Segmenten, und es gibt keine parallelen Fälle gleicher Korrespondenzen (normalerweise steht für einfaches postvokalisches westgerm. p auf beiden Seiten f , für geminiertes im Standard pf, vgl. Kopp-Kopf.) Die Standard-Form stellt vom Dialekt aus hier keine Schwierigkeit dar, sieht man von der Diphthongqualität ab (s. II/EI). Anders als bei den anderen lexikalischen Merkmalen ist hier das Geltungsgebiet der Dialektvariante auch innerhalb des Ripuarischen begrenzter (schon südlich der Ahr gilt of, vgl. DiWA 447 ‘auf’. Vor allem ist op wohl deswegen nicht mit dat etc. zu vergleichen, weil es häufig als Verbpartikel auftritt (hier knapp 30 % der Belege). Insofern stellt op anders als dat sehr oft keine klar isolierte lexikalische Einheit dar und ist als Verbpartikel dann auch betont. Trotz relativ hoher Frequenz ist also erklärlich, dass die Verwendung von op anscheinend normalerweise auf den intendierten Dialekt beschränkt ist. Im KWb aufgeführte Entlehnungen in den Dialekt zeigen, dass schon hier keine konsequente Ersetzung von standardsprachlichem auf- durch op- statt242 Bei dem süddeutschen Sprecher S39 hat dat/das_D einen erheblich höheren Anteil als J/G_D, was die leichtere Übernahme des Einzelworts zeigt.

Impositionsbegünstigende Bedingungen

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findet. Zwar gibt es dialektale Lehnübersetzungen und – entsprechend den lockereren Kookkurrenzregeln bei Partikelverben – daneben auch die Kombination von op mit nichtdialektalen Varianten wie den nhd. Diphthongen (opbrause neben „veraltet“ opbruuse, optauche) oder O/U_ST (Opruhr neben -rohr). Andererseits wird aber „in bestimmten Komposita“243 Auf- übernommen: Aufgab, Auflag, Aufzog).

Deklination Nach VAN COETSEM und THOMASON/KAUFMAN ist die Morphologie ein Bereich, in dem Transferenz eher selten ist – was sich etwa in der praktisch durchgehenden morphologischen Integration der (phonologisch z. T. wenig integrierten) Anglizismen in der deutschen Gegenwartssprache bestätigt. Nach dem Code-SwitchingModell von MYERS-SCOTTON (MLF-Modell) ist die Matrixsprache, in die die Switchs „eingebettet“ sind, immer diejenige, die die Morphologie liefert. Die morphologischen Unterschiede zwischen Dialekt und Standard sind zwar zumeist gering, in der Deklination ergibt sich allerdings aus der Kombination von morphologischer und phonologischer Entwicklung ein synchron unsystematisches, zum Teil „gekreuztes“ Verhältnis der Flexionsendungen -0, -e und -en, das die Unabhängigkeit der Systeme voneinander deutlich macht. Ein separater Erwerb ist hier unerlässlich. Die ausdrucksseitige Identität der Flexive in verschiedenen Funktionen führt in diesem Fall allerdings doch dazu, dass fehlerhafter Transfer vorkommt (vgl. KLEIN u. a. 1978, 98–99 zu den entsprechenden Fehlern dialektal sozialisierter Kinder im Schulunterricht). Umgekehrt ist heute auch das dialektale System unter dem Einfluss des Standards destabilisiert, vgl. TILINGHERRWEGEN (2002, 195) zu den eigentlich endungslosen Formen in der AdjektivDeklination: „Durch den Einfluss des Deutschen fügen viele Leute trotzdem ein e an. Dies sollte aber vermieden werden.“ Bei den im Dialekt endungslosen Adjektivformen resultiert aus der Interferenz aber zumindest keine Ambiguität, während sich bei dialektalen Interferenzen im Standard vielfach eine abweichende Genusoder Numerusmarkierung ergibt (meine Vater). Da die dialektalen Varianten als solche aber nicht prägnant sind und wegen der homonymen standardsprachlichen Varianten in anderer Funktion auch nicht unabhängig vom Gesamtsystem in das standardsprachliche System übernommen werden können, gibt es hier keine Weiterentwicklung der Interferenz zum Marker. Die dialektalen Interferenzen sind regionalen Informanten zwar als Interferenzen noch geläufig (s. Kap. 6.3), aber werden mit älteren Sprechern bzw. Defiziten in der Standard-Kompetenz assoziiert; wer die Standard-Morphologie beherrscht, verwendet diese Varianten (in nichtdialektaler Rede) nicht.

243 So die Einträge zu den Lemmata Aufgab etc.

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Imposition und deren Ausgangsbedingungen bei den untersuchten Merkmalen

Verbformen Die spezifischen dialektalen Flexionsformen sind schließlich lexikalisiert, eine Imposition insofern unwahrscheinlich, außer eventuell bei extrem frequenten Formen wie han. Auch hier besteht jedoch wie bei 0/N ein Konflikt mit der Allegrovariante der Standardsprache, der (hier ohne Einschränkung) überregional verbreiteten Reduktionsform ham (mit Assimilation des Nasals an das ursprüngliche b), und der Unterschied zwischen den beiden Formen ist nicht besonders prägnant. Die dialektale Variante ist insofern zwar als unwillkürliche Übernahme denkbar, aber längerfristig zur Signalisierung von Informalität durch Reduktion nicht besser geeignet als die überregionale Variante ham, und im Vergleich zu dat u. ä. fehlt ihr wegen der geringen Auffälligkeit das „Marker-Potential“.

Fazit Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Verteilung der NonstandardMerkmale auf den Dialektbereich und den Bereich des Regiolekt-StandardKontinuums sich mit den Erkenntnissen und Annahmen der Sprachkontakt- und Sprachlernforschung recht gut erklären lässt. Die dialektalen Merkmale, die in nichtdialektaler Umgebung beibehalten werden, sind solche, für die eine Imposition in ehemaliger intendierter Hochsprache gut auf Lücken im Lautinventar des Dialekts oder auf verringertes Monitoring infolge von Frequenz und Unbetontheit zurückgeführt werden kann, und bei denen außerdem eine Weiterentwicklung zu regionalen Markern (im Rahmen einer monolektalen standardsprachlichen Kompetenz) begünstigt ist. Dass bei anderen Merkmalen weder eine eindeutige Beschränkung auf den Dialekt noch eine Einordnung in das Regiolekt-StandardKontinuum feststellbar war, erklärt sich ebenfalls mit Eigenschaften dieser Merkmale, nämlich im einen Fall besonders schlechter Kontrollierbarkeit (was der Entwicklung zu Markern entgegensteht), im anderen artikulatorischer Reduktion (was die Beibehaltung zur Charakterisierung informeller Rede auch ohne eigentliche Impositionsfaktoren erklärt). Merkmale des „mittleren Bereichs“, die nicht dem Basisdialekt entstammen, sind nur die Koronalisierung von [ç], die jedoch auch den Basisdialekt erfasst hat, und die stimmlosen frikativen r-Varianten. Letztere lassen sich jedoch auch aus dem Bemühen um gute Artikulation in der Schriftsprache vor dem Hintergrund der dialektalen Verhältnisse herleiten.

10. VON REGIONALEM „HOCHDEUTSCH“ ZU REGIONALER UMGANGSSPRACHE Die genauere Betrachtung der ripuarischen Dialektmerkmale, die lokal mit Standardvarianten kookkurrieren können, bestätigt also das Substratmodell als Entstehungsmodell für die Charakteristika des Regiolekts. Es handelt sich um diejenigen Dialektmerkmale, bei denen die Produktion der Standardvariante bzw. die Perzeption und Kontrolle des Unterschieds zwischen Standard- und Dialektvariante für Dialektsprecher Schwierigkeiten bereitet und bei denen daher im Standarderwerb Imposition zu erwarten ist. Dies bezieht sich jedoch nicht auf die aktuelle Situation; heute sind diese Merkmale zumeist nicht mehr als dialektale Interferenzen einzustufen, sondern als Marker „intendierter Umgangssprache“. Die für die Impositions-Merkmale entscheidende Kontaktphase ist vielmehr in einer Zeit anzusetzen, in der eine große Zahl von Sprechern mit dialektaler Primärsozialisation die Standardvarietät erworben hat. Insofern ist es ungenau, von Dialekt-StandardKontakt zu sprechen und sich dabei implizit auf die heutigen Varietäten zu beziehen, insbesondere auf den gegenwärtigen kodifizierten Standard inklusive der Lautungsnorm. Zu unterscheiden sind zumindest zwei Entwicklungsphasen: Eine erste, in der die Mehrheit der Sprecher eindeutig dialektal sozialisiert ist und auf dieser Basis mehr oder weniger begrenzte Kenntnisse der Hochsprache erwirbt, und eine zweite, in der gute Kenntnisse der Hochsprache verbreitet sind und diese für viele Sprecher schon die Erstsprache ist, gleichzeitig aber neu eine überregionale Standardsprache bzw. vor allem -lautung auf die Bildfläche tritt. Da eine solche vor dem 20. Jahrhundert kaum existierte, ist es auch für das 19. Jahrhundert noch irreführend, von der Standardvarietät zu sprechen, zumindest im Bezug auf phonologische Merkmale. Der nichtdialektale Pol des sprachlichen Repertoires der Region in den früheren Jahrhunderten wird hier daher als regionales „Hochdeutsch“ bezeichnet (in Anführungszeichen zur Abgrenzung von dem diatopischen Begriff), was der bei den meisten Sprechern immer noch üblichen Bezeichnung entspricht. Im Folgenden soll abschließend kurz skizziert werden, wie dieses regionale „Hochdeutsch“ sich entwickelt hat und in das gegenwärtige RegiolektStandard-Kontinuum übergegangen ist.

10.1 IMPOSITION UND SUBSTRAT Das Substratmodell setzt den Sprachwechsel bzw. Zweitspracherwerb durch eine große Sprechergruppe voraus. Der Wechsel zum (regionalen) „Hochdeutschen“ als Erstsprache ist im ripuarischen Raum im großen Maßstab (in soziologischer und Stadt-Land-Staffelung) großenteils erst im 20. Jahrhundert, vielfach erst in den 1960er Jahren erfolgt (vgl. LAUSBERG 1993, 12), aber die Konstituierung ei-

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Von regionalem „Hochdeutsch“ zu regionaler Umgangssprache

ner allgemein einigermaßen vertrauten und von den meisten Sprechern auch gelegentlich oder häufiger aktiv verwendeten Form des „Hochdeutschen“ geht zumindest bis ins 19. Jahrhundert zurück, in die Zeit, in der im Rahmen des Schulbesuchs (im Rheinland ab 1825 verpflichtend) der Erwerb des „Hochdeutschen“ bzw. „Schriftdeutschen“ obligatorisch wurde. Wie weit und in welcher Form vorher schon gesprochenes regionales „Hochdeutsch“ geläufig war – und wem –, ist allerdings weniger klar. Anders als etwa BELLMANN (1983) oder SCHMIDT (2005b), SCHMIDT/HERRGEN (2011, 63–67)244 geht MIHM (2000, 2112–2113, vgl. a. ELMENTALER 2005) davon aus, dass sich schon (spätestens) ab dem 16. Jahrhundert durch Annäherung der gesprochenen Sprache des gehobenen Bürgertums an mitteldeutsche Varietäten und insbesondere an die meißnische Prestigevarietät regionale Hochsprachen herausgebildet hätten. Den Kontakttyp Imposition setzt er dabei nur für den Raum nördlich der Benrather Linie an, für das hochdeutsche Gebiet dagegen den Kontakttyp Entlehnung (s. Kap. 8.1), während nach den vorliegenden Ergebnissen auch im ripuarischen Gebiet eine von Imposition geprägte Variante der Hochsprache enstanden ist. In jedem Fall hat das nach dem einen oder anderen Kontakttyp entstandene ältere regionale „Hochdeutsch“ der Oberschicht nach MIHMS Auffassung in dem Varietätenwechsel größerer Sprecherkreise im 19./20. Jahrhundert die Zielvarietät dargestellt (s. MIHM 2000, 2113). Die wesentliche Kontaktphase müsste hiernach schon in der frühen Neuzeit gelegen haben und außerdem in erster Linie von mündlichem Varietätenkontakt in der Oberschicht ausgegangen sein, und in der Ausbreitung dieser Kontaktvarietäten hätte auch weiterhin Orientierung am mündlichen Gebrauch – nun der örtlichen Oberschicht – die entscheidende Rolle gespielt. Die Annahme einer Orientierung des frühen regionalen „Hochdeutsch“ der regionalen Elite an gesprochenen mitteldeutsche Varietäten ist insofern besonders interessant, als in diesem Fall Merkmale übernommen worden sein könnten, die weder auf den ripuarischen Dialekt, noch auf die Schriftsprache, noch auf den Kontakt zwischen beiden zurückzuführen wären, und die sich über die Imitation dieser Varietät durch die unteren sozialen Schichten im heutigen Regiolekt erhalten hätten. Dessen Merkmale lassen sich allerdings wie gesehen doch auf die einheimischen Dialekte zurückführen (sofern nicht auch diese solche importierten Merkmale übernommen hätten). Schon aus rein technischen Gründen erscheint die Annahme auch problematisch; eine sprachliche Nachahmung setzt dauerhafte intensive Kontakte mit Sprechern aus einer spezifischen Region voraus. Allein vom Umfang des „Inputs“ her dürften mündliche Kontakte in der Bildungsschicht wohl eine erheblich geringere Rolle gespielt haben als der Umgang mit der geschriebenen Sprache, in der sich im 16. Jahrhundert ein erster allgemein-hochdeutscher Konsens herausgebildet und auch im niederdeutschen wie im ripuarischen Raum verbreitet hatte. (Dass dies auch im ripuarischen Raum in Form eines echten schreibsprachlichen Umbruchs stattfand und nicht wie in anderen hochdeutschen Regionen als gleitender Übergang, bestätigt den sprachlichen Abstand und untermauert insofern auch die 244 Vgl. a. WIESINGER (2000b), MATTHEIER (2000), KÖNIG (2004, 175–177) u. a.

Imposition und Substrat

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Annahme eines ähnlichen Modells mit Bruchstelle zwischen Regiolekt und Dialekt in beiden Fällen.) Schon aufgrund fehlenden intensiveren Umgangs mit ostmitteldeutschen Sprechern ist das „Meißnische“ als mündlich imitierte Prestigevarietät für den Kölner Raum nicht sehr plausibel. Darüber hinaus war auch das Ideal des „meißnischen Deutsch“ stark an das Ideal schriftnaher Sprache geknüpft (vgl. V. POLENZ 1994, 140) und wurde insbesondere mit der Lutherbibel und dem Protestantismus assoziiert (ebd., 138–139). Dass schon im 16. Jahrhundert im ripuarischen (wie niederdeutschen) Raum Hochdeutsch produziert wurde (hier tatsächlich im geographischen Sinne: oberdeutsch-ostmitteldeutsch geprägte Sprachformen), steht dagegen fest, allerdings nur für die geschriebene Sprache. Es ist wahrscheinlich und punktuell auch belegt, dass die Bildungsschicht – oder zumindest: Angehörige bestimmter Berufe – sich auch um mündliche Hochdeutsch-Kompetenz bemühte (s. MÖLLER 2005, 272– 273). Das besagt noch nichts über die Rolle des Hochdeutschen im alltäglichen regionalen Gebrauch dieser Kreise; HOFFMANN/MATTHEIER (2003, 2335–2336) setzen für das 17. und 18. Jahrhundert in Köln ein „kölnisches Hochdeutsch“ nur als Vorlese- und Lesesprache an und sind davon überzeugt, dass die normale Sprechsprache auch in den oberen sozialen Schichten noch das Kölnische war, bis sich im 19. Jahrhundert gruppen- und situationsspezifisch das „Hochdeutsche“ verbreitete. Auch WIESINGER (2000b, 1938, 1945) ist der Ansicht, dass die soziologische Differenzierung der gesprochenen Sprache sich – abgesehen von den größeren Städten im obersächsischen Raum – im 18. Jahrhundert noch innerhalb des dialektalen Bereichs abspielte und dass gerade im Rheinland wegen des erheblichen Abstands zwischen Dialekt und Schriftsprache auch im 19. Jahrhundert noch im mittleren Bürgertum der Dialekt und in höheren Kreisen eine „stark dialektal ausgerichtete Umgangssprache“ gesprochen wurde. Als überregionale Leitvarietät kommt insofern auch längerfristig vor allem die Schriftsprache in Frage. MATTHEIER (1991, 51) stellt noch für das 19. Jahrhundert fest, dass die Idee einer deutschen Standardsprache als Sozialsymbol des Bildungsbürgertums nach wie vor ganz auf die Schriftsprache ausgerichtet war, die um 1800 durch die Werke der deutschen Klassik und die Kodifikation durch Gottsched und Adelung noch mehr an Prestige gewonnen hatte. „Die sprachliche Leitnorm, um die es im Zusammenhang mit der Popularisierung der deutschen Standardsprache im 19. Jahrhundert geht, ist eine relativ vage Vorstellung von ‚Sprache der deutschen Klassiker‘“ (MATTHEIER 1991, 59, vgl. a. ebd., 51). Das Ideal dialektfreier, „richtiger“ Sprache breitet sich dabei innerhalb der oberen gesellschaftlichen Schichten soziologisch nicht von oben nach unten aus, sondern entsteht im Bildungsbürgertum und geht dann erst auf den (immer noch prestigehöheren) Adel über (s. MATTHEIER 1991). Die anerkannt „beste“ Sprache, sowohl in rhetorischer Hinsicht wie im Hinblick auf Dialektferne, ist bis ins 19. Jahrhundert nicht die Sprache der soziologischen Oberschicht, sondern immer noch die Sprache der Predigt. So war die Kirche auch der erste Ort, wo die breite Bevölkerung

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Von regionalem „Hochdeutsch“ zu regionaler Umgangssprache

regelmäßig mit nicht-dialektalem Deutsch – im niederdeutschen Raum: mit Hochdeutsch – konfrontiert wurde245. Sprach- bzw. Bildungsprestige und soziologisches Prestige waren also nicht völlig identisch, und ersteres bezog sich in Deutschland vor allem auf die schriftsprachliche Kultur, wie schon in den vorangehenden Jahrhunderten246. So entstanden und entwickelten sich auch deren gesprochene Formen unter Bezug auf die Schrift als maßgebliche Instanz, als regionale Oralisierungsnormen der Schriftsprache (s. SCHMIDT 2005b, 284–286) im Rahmen des Austauschs unter Gebildeten mit vorwiegend gleichem dialektalem Hintergrund. Im personellen Kontakt der Mitglieder der intellektuellen Elite in den verschiedenen geistigen Zentren waren die Oralisierungsakte gleichgerichtet (auf die Schriftsprache gerichtet) und hatten eine ähnliche dialektale Basis, so dass sich bald relativ stabile Konventionen herausbildeten. (SCHMIDT 2005b, 284)

– Konventionen, die eben von der Beziehung zwischen schriftsprachlichem Ideal und dialektbasierter Artikulation geprägt waren. Die dialektalen Eigenheiten dieser Konventionen sind dennoch als Imposition zu verstehen und nicht nur als Zeichen reiner Unkenntnis bzw. Nichtexistenz einer überregionalen Lautungsnorm: Im Hinblick auf eine schriftgetreue Aussprache war der Unterschied zwischen und ja grundsätzlich nicht irrelevant. Durch den vorwiegend regionalen Rahmen der mündlichen Interaktion auch in der Hochsprache musste die weniger mühsame [j]-Aussprache jedoch als normal erscheinen. Eine Orientierung an einer überregionalen Standardlautung kann für die Zeit vor der Verbreitung einer gesprochenen Standard-Norm durch die Audio-Medien, also vor den 1930er Jahren, auch bei der Bildungsschicht kaum vorausgesetzt werden. Selbst wenn in Form der „Bühnenaussprache“ auch schon vor der Lautungskodifikation 1898 eine solche Norm existierte, konnte sie den allermeisten Sprechern nicht wirklich geläufig sein, und SIEBS (1920, 20) schränkt deren Geltungsanspruch noch dahingehend ein, dass „größere mundartliche Gebiete für die Schule diejenigen Forderungen aus der Bühnensprache nicht zu übernehmen haben, die dem heimatlichen Gebrauch allzustark widerstreben und als geziert und unnatürlich empfunden werden müssen“. Auch die starke Verbreitung von „Hochdeutsch“-Kenntnissen ab dem 19. Jahrhundert fand weiterhin unter Bezug auf die Schriftsprache statt, nämlich in der Schule im Zusammenhang mit dem Lesenlernen. (Noch die bei KREYMANN 1994, 193–195 zitierten, in den 1930er und 1940er Jahren geborenen Erper Sprecher geben durchgehend an, erst in der Schule Hochdeutsch gelernt zu haben.) Hier verbindet sich also der gesteuerte Erwerb des geschriebenen und des nach der Schrift gesprochenen „Hochdeutschen“ mit dem schriftorientierten Sprachvorbild der lokalen Bildungselite. Damit beruht die Aussprache bis ins frühe 20. Jahrhundert auf regionalen BuchstabenLaut-Zuordnungen auf der Basis der regionalen phonetisch-phonologischen Kategorien, d. h. die Merkmale von „Akzent“ (dialektaler Imposition) sind selbstver245 Vgl. LÖFFLER (2000, 1971), SCHMIDT (2005b:285), MATTHEIER (2000, 1956). 246 Vgl. V. POLENZ (1994, 139–147) zu dem spezifisch deutschen Primat schriftorientierter Sprachvorbilder gegenüber dem „sozialen Autoritätsprinzip“.

Imposition und Substrat

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ständlich. Aufschlussreich ist hier eine Bemerkung von VIËTOR (1882, 158) (die sich gegen die zeitgenössische Praxis des Englischunterrichts wendet, der in derselben Weise wie das Lesenlernen stattfindet): „Deutsch lesen aber, das wissen wir aus der Vorschule, heißt: die gedruckten Buchstaben ins Schwäbische, Westfälische, Schlesische usw. übersetzen, je nachdem“. Diese Phase starker Ausbreitung der „Hochdeutsch“-Kompetenz im 19./frühen 20. Jahrhundert hat durch die unvermeidliche, allen Sprechern gemeinsame dialektale Imposition zwangsläufig zu einer weiteren Verfestigung der Impositionsmerkmale geführt, die die regionale Oralisierungsnorm der Schriftsprache bzw. ggf. das regionale Hochdeutsch der Bildungsschicht vorher schon geprägt haben. Auch wenn man MIHMS These eines Primats der Mündlichkeit folgt, müssten zwei „Impositions-Wellen“ stattgefunden haben, die erste beim Übergang der vorher dialektsprechenden Oberschicht zum „Hochdeutschen“, die zweite im Zuge der Übernahme dieser regionalen Hochsprache durch immer noch dialektsprechende breitere Bevölkerungsschichten, wobei sich die angestammten regionalen Merkmale noch einmal verstärkt haben müssten. Auch für diese jüngere Impositions-Phase ist allerdings angesichts der Konzentration des Erwerbs und Gebrauchs des „Hochdeutschen“ auf den Kontext von Schule und Kirche wahrscheinlicher, dass die vorbildliche Sprache nicht primär mit dem Prestige einer regionalen sozialen Elite assoziiert wurde, sondern mit einem überregionalen Bildungsprestige. Natürlich fungierte die Elite als Vermittler des „Hochdeutschen“, aber das Ideal war wohl nicht, so zu sprechen wie diese Personen, sondern so schön Hochdeutsch zu sprechen wie sie. Der Unterschied zwischen beidem liegt insbesondere darin, wie die Impositions-Merkmale im regionalen „Hochdeutsch“ wahrgenommen wurden. So akzentuiert ELMENTALER (2005, 404–405) genau umgekehrt: „Es war offenbar nicht das Ziel der dortigen Dialektsprecher, eine möglichst standardnahe Sprachlage zu erreichen, sondern vielmehr, sich der kölnischen Sprechweise anzunähern.“ und bezieht sich dabei auf eine Übernahme kölnischer Merkmale am Niederrhein. Eine Übernahme nicht-indigener Merkmale kann bei den meisten von ihm angeführten Phänomenen jedoch bezweifelt werden; abgesehen von der [ç]-Koronalisierung, deren Entwicklung auch für Köln noch unklar ist, handelt es sich durchgehend um Merkmale, die sowohl am südlichen Niederrhein wie in Köln aus dialektaler Imposition erklärt werden können (s. Kap. 8.2.2). Näher liegt insofern die Annahme, dass für die niederrheinischen Dialektsprecher, für die Köln auch in „Bildungsdingen“ das Orientierungszentrum darstellte, der Unterschied zwischen „kölnischem Hochdeutsch“ und überregionaler Standardsprache lange Zeit nicht deutlich war. Die Aussprache von als [j] dürfte in dieser Phase den meisten gebildeten Sprechern am südlichen Niederrhein nicht als kölnisches (Prestige-)Merkmal erschienen sein, sondern einfach als normale Aussprache. Wenn auch die Elite des kulturellen Zentrums solche (gemeinsamen) regionalen Varianten verwendete, bestand für die niederrheinischen Sprecher kein dringender Anlass, diese mühsam abzulegen. Das Prestige dieser Elite spielt dabei sicher eine Rolle, aber auch der Geltungsraum der Varianten bzw. die Nähe zu dessen Grenzen: Ein Merkmal, das in der „Hochdeutsch“-Produktion des Zentrums sowie der gesamten Umgebung vorhanden ist, erscheint naturgemäß

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„normaler“ und ist damit stabiler als eines, das schon im Vergleich zum Nachbarort als Spezifikum der lokalen Aussprache auffällt. Da sich der regionale Synchronisierungsprozess, in dem sich Varianten als „üblich“ etablieren oder nicht, im Rahmen der politisch-administrativ-kulturellen Räume und unter Dominanz der jeweiligen Zentren abspielt, geht es hierbei nicht nur um rein geographische Entfernung, sondern auch um echte und mentale Grenzen. Ein Unterschied vom südlichen zum nördlichem Niederrhein kann sicherlich mit solchen historisch247 begründeten Strukturen zu tun haben, die Grundlage des Regiolekts ist gleichwohl vor allem Imposition. Eine zu starke Polarisierung von soziolinguistischer und „sprachlernpsychologischer“ Betrachtungsweise ist insofern nicht sinnvoll. Sie wird hier zwei Tatsachen nicht gerecht: Erstens sind die Möglichkeiten der Annäherung an ein nichtregionales Ideal sowohl in der Oberschicht als auch bei den Sprechern, die sie imitieren, durch die Impositions-Faktoren beschränkt. Die Bedeutung von Bewertungen bzw. der Imitation von Vorbildern ist nicht von letzteren abgekoppelt zu betrachten, sondern eher als Filter vorzustellen: Die Tendenz zu Imposition in einem bestimmten Punkt hängt von den Ausgangsbedingungen ab, Bewertungen bestimmen dagegen die Toleranz den Impositions-Merkmalen gegenüber (auch im schulischen Bereich). Zweitens ist die „lernpsychologische“ Dimension mit einer einfachen Kontrastierung von Dialekt und heutigem kodifiziertem Standard nicht angemessen erfasst. Abgesehen davon, dass auch ein Substratmodell nach dem heutigen Stand der Sprachkontakt- und Sprachlernforschung nicht besagt, dass sich sprachliche Erscheinungsformen ohne Zutun der Sprecher und ihrer Bewertungen entwickeln, muss vor allem bedacht werden, dass bis zur Ausbreitung der Tonmedien keine anderen Repräsentanten gesprochener „Standard-“ bzw. „Hochsprache“ verfügbar waren als die regionale Bildungselite. Erst mit dem Aufkommen des Sprachvorbilds „Nachrichtensprecher im Radio“248 konnte sich allgemein eine Vorstellung von überregionaler Standardlautung verbreiten. Für das 19. und frühe 20. Jahrhundert ist dagegen durchaus nicht auszuschließen, dass der (heutige) ripuarische Regiolekt „Gegenstand des Schulunterrichts“ am südlichen Niederrhein war249, nur eben nicht als ripuarischer Regiolekt, sondern als das „Hochdeutsch“, das Lehrer und Pfarrer selbst sprachen und von den Schülern forderten.

247 Zumindest auf kirchlicher Ebene bestand bzw. besteht seit dem 19. Jahrhundert allerdings wieder eine Grenze zwischen nördlichem und südlichem Niederrhein, da der nördliche Niederrhein 1821 dem Bistum Münster angegliedert wurde, während der südliche beim Erzbistum Köln verblieb (vgl. HANTSCHE 1999, 137). Wenn die Argumentation mit Bistumsgrenzen in kulturmorphologischer Manier für das 19. Jahrhundert auch zunächst abwegig erscheint, wäre doch zu prüfen, welche Bedeutung diese Gliederung für die Mobilität bzw. für Herkunft und Kontakte der sprachlich vorbildlichen Repräsentanten von Kirche und eventuell auch Schule hatte (letztere war ja im 19. Jahrhundert noch sehr eng mit der Kirche verbunden). 248 Zum ersten Mal greifbar in SIEBS’ Rundfunkaussprache (1931): „Der Hörer wächst mit dem Redner und besonders mit dem täglich zu ihm sprechenden Ansager zusammen, und dieser kann dem Hörer – mehr oder weniger bewußt – geradezu zum Lehrer und Vorbilde werden.“ (ebd., 2f.). Zur Bedeutung des Rundfunks vgl. genauer LAMELI (2004, 110–112). 249 Vgl. anders ELMENTALER(2005, 405).

Die Entwicklung im 20. Jahrhundert

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10.2 DIE ENTWICKLUNG IM 20. JAHRHUNDERT Es ist also davon auszugehen, dass das im ripuarischen Raum im 19. und frühen 20. Jahrhundert gesprochene „Hochdeutsch“ allgemein noch ein ripuarisch artikuliertes Schriftdeutsch mit weiteren ripuarischen Interferenzen in der frei gesprochenen Produktion war. Der Terminus Substrat ist angesichts dieser besonderen Kontakt-Konstellation eigentlich nicht ganz angemessen, trifft aber im Wesentlichen doch die Erscheinungen. Er trifft insbesondere auch die weitere Entwicklung, in der sich im Zuge der Weitergabe des regionalen „Hochdeutschen“ an nachfolgende Generationen – zunehmend auch als Erstsprache – bestimmte regionale Merkmale halten und weiter verfestigen, die Verbreitung lernersprachlicher Variabilität („Missingsch“) dagegen zurückgeht. Zur Entstehung einer oder mehrerer echter Kontaktvarietät(en) kommt es in diesem Prozess gleichwohl nicht. Auf der einen Seite ist zwar bei einer zunehmend guten bilektalen Kompetenz vieler Sprecher ein ständiges Code-Mixing verbreitete Praxis; dabei bleibt die Trennung zwischen Dialekt und „Hochdeutsch“/Standard aber bestehen, aufgrund des relativ großen Unterschieds zwischen den Varietäten und aufgrund des soziologischen Drucks zu Erwerb und Erhaltung einer möglichst interferenzfreien „Hochdeutsch-“ bzw. Standardkompetenz. Auf der anderen Seite sind die dialektalen Impositionsmerkmale im regionalen „Hochdeutsch“ zwar durch Synchronisierung stabilisiert, aber durch ihre Entstehung aus Imposition (mit ungleich starker Unvermeidbarkeit) ist das Ergebnis der Stabilisierung kein festes Set von Merkmalen, sondern eine implikative Hierarchie. Auch in der jüngeren Entwicklung hat sich dies nicht geändert, obwohl die Vorstellung von „Hochdeutsch“ sich geändert hat. Der soziologisch abgestuft verlaufende Übergang zum „Hochdeutschen“ als gesprochener Sprache und schließlich als Erstsprache begann in den 1930er Jahren langsam auch auf dem Land (MACHA 2000, 296). Gleichzeitig breitete sich zu dieser Zeit aber mit den Tonmedien die Präsenz gesprochenen überregionalen Standards aus (während die offizielle Festlegung der Lautungsnorm 1898 zunächst ohne praktische Folgen geblieben sein dürfte). Mit zunehmender Bedeutung von Radio, Kino und schließlich Fernsehen waren erstmalig Vorbilder einer nicht ripuarisch geprägten Hochsprache verfügbar und machten den Sprechern die Regionalität des eigenen „Hochdeutschen“ deutlich (vgl. SCHMIDT/HERRGEN 2011, 65–66 zur „Umwertung der Werte“). Hinzu kommt nach dem Zweiten Weltkrieg der Kontrast zur Sprache der Flüchtlinge und Vertriebenen, die im Rheinland vor allem ostmitteldeutsch (schlesisch) war250, und in jüngerer Zeit der allgemeine Anstieg der Mobilität, sodass z. B. die von KREYMANN (1994, 219– 220) zitierten Erper Gewährspersonen immer wieder auf die Bedeutung der „Zugezogenen“ für den Dialekt-Rückgang hinweisen. Vor diesem Hintergrund und im Rahmen zunehmend längerer schulischer Ausbildung erwerben immer mehr Spre250 Vgl. RUDOLF/OSWALT (Hg.) (2004, 203).

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cher eine (annähernde) Kompetenz gesprochenen überregionalen Standards. Das ehemalige regionale „Hochdeutsch“ verliert damit den Status der regionalen Leitvarietät; die ehemals unauffälligen Merkmale dialektaler Imposition in diesem „Hochdeutsch“ stehen nun zunehmend im Kontrast zum Standard und werden so mit Regionalität und Normferne assoziiert. Pragmatisch und soziosituativ können die Substrat-Merkmale des regionalen „Hochdeutschen“ – die keine Dialektkompetenz erfordern, sondern schon mit einer geringfügigen Erweiterung einer monolektalen (Standard-)Kompetenz verfügbar sind – damit Funktionen des Dialekts übernehmen, Ausdruck von Nähe, Informalität und regionaler Identität werden. Dies überlagert sich jedoch mit dem Auftreten echter dialektaler Interferenzen bzw. einer weiterhin andauernden Wirkung des Substrats bei Sprechern, die noch nicht über eine gute Standard-Kompetenz verfügen, sowie mit einer andauernden wechselseitigen Beeinflussung von Standard und Dialekt bei den bilektalen Sprechern251. Die Polarität Dialekt-Standard bleibt noch bestehen, solange der Dialekt noch erworben und verwendet wird, und es gibt nebeneinander Sprecher, für die das regionale „Hochdeutsch“ intendierter Standard ist, und andere, für die es intendierter Nonstandard ist. Das Problem der Kontrolle bestimmter Merkmale tritt gleichzeitig bei der feineren Unterscheidung zwischen „Hochdeutsch“ und „gutem Hochdeutsch“ stärker in den Vordergrund, was eine Grenzziehung hier schwieriger macht. Sowohl linguistisch als auch soziopragmatisch ist also erklärlich, dass ein nach oben hin klar abgegrenzter „Regiolekt“ nicht existiert. Viele der Erper Informanten werten regiolektale Merkmale noch als Zeichen einer nicht vollständigen Standardkompetenz bzw. unvermeidbarer regionaler Merkmale im „Hochdeutschen“: Also was wir hier Hochdeutsch nennen. (zit. nach KREYMANN 1994, 33) Wir werden ja niemals in der Lage sein, genau wie Adenauer selig auch, zu leugnen, daß wir Rheinländer sind. Ich spreche nur das, was ich hier als [sic] mein Hochdeutsch zu nennen pflege. (ebd, 224) Was ich jetzt wieder für Hochdeutsch halte (Gelächter). (ebd., 177) Wat heißt reines Hochdeutsch ? Soweit wie man dat kann. Soweit wie et jeht! (ebd., 177)

Aus derartigen Aussagen geht aber auch hervor, dass bei diesen in den 1970er Jahren befragten Sprechern schon ein Bewusstsein der Diskrepanz zwischen dem regionalen „Hochdeutsch“ und dem überregionalen Standard vorhanden ist. Die Untersuchung von JÜNGER-GEIER (1989) lässt einen altersabhängigen Unterschied bei der Einschätzung erkennen: In der Sicht der älteren Informanten schließt „Hochdeutsch“ Merkmale wie j und dat nicht aus, in der Sicht der jüngeren dagegen ja – aber auch diese sind nicht durchweg in der Lage, das dialektale [‫ ]׀‬statt [g] und das regionale [ԙ] statt [ç] zu vermeiden. Wegen der Abstufung der Kontrollierbarkeit der Impositions-Merkmale ist die Veränderung des Ideals von 251 Zunehmend auch in Richtung auf den Dialekt; so kommt es bei zunehmender Beherrschung und Verwendung des Standards neben dem Dialekt schließlich auch zu phonologischen und syntaktischen Einflüssen auf den Dialekt.

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„Hochdeutsch“ allerdings wenig prägnant252. Ob das dialektale oder das standardsprachliche System intendiert ist, ist auch bei starken Interferenzen an den zahlreichen gut kontrollierbaren Systemunterschieden gut zu erkennen. Ob jedoch „unser Hochdeutsch“ oder „reines Hochdeutsch“ produziert wird, unterscheidet sich nur innerhalb des Bereichs (ursprünglicher) Impositionsmerkmale und ist damit mindestens so sehr eine Frage der soziologisch und individuell bedingten Möglichkeiten wie der Intention. Zwar können die (besser kontrollierten) Substratmerkmale im Zuge der Ausbreitung guter Standardkompetenz zunehmend als Merkmale regionaler Identifikation und Träger coverten Prestiges fungieren, nicht nur als unabänderlich und allgemein üblich toleriert, sondern gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen sein. Der Herausbildung einer klareren Grenze zum Standard steht aber die gleichzeitige Koexistenz und Interaktion „ungleichzeitiger“ Konstellationen von Sprachkompetenzen entgegen, die – trotz soziologischer und situativer Verdichtungen – nach wie vor keine deutliche Unterscheidung von „intendierter Umgangssprache“ und „defektivem Standard“ erlaubt. Es bleibt insofern weiterhin bei dem Gegensatz zwischen „Platt“ und „Hochdeutsch“, und die neue Nuancierung „unser Hochdeutsch“ bzw. „rheinisches Hochdeutsch“ vs. „reines Hochdeutsch“ entwickelt sich weder im Bewusstsein der Sprecher noch in ihrem Variantengebrauch zu einer damit vergleichbaren Varietätengrenze.

252 Vgl. SCHMIDT (2005a:71): „Sprecher mit bivarietärer Kompetenz, die den großregionalen Substandard als Sekundärvarietät erworben haben, sind sich der Differenzen, auch der systemischen Differenzen, zur normgerechten Standardsprechsprache in der Regel nicht bewusst und bezeichnen ihre Prestigevarietät als ‚Hochdeutsch‘. Bei monovarietären, im regionalen Substandard sozialisierten Sprechern hängen die Auskünfte im Wesentlichen von der Regionalität des sprachlichen Erfahrungshintergrunds ab. In der Regel wird die Systemdifferenz zur Standardsprechsprache nur bei längerem Aufenthalt außerhalb der Großregion bewusst, was dann zu einer entsprechenden Abwertung des oberen regionalen Substandards führt (‚schlechtes Hochdeutsch‘).“

ZUSAMMENFASSUNG Das Ziel dieser Arbeit war es, empirisch die Organisation der Variation im Zwischenbereich zwischen Dialekt und Standardsprache im ripuarischen Raum zu erhellen. Ausgangspunkt war die Feststellung einer recht unterschiedlichen Beurteilung der Struktur dieses „mittleren Bereichs“ in bisher vorliegenden Untersuchungen und aus der Sicht von Sprechern: Während einerseits variationsanalytische Arbeiten zu Ergebnissen gelangt sind, die dem Modell eines DialektStandard-Kontinuums entsprechen (vor allem MATTHEIER 1979, 1987 u. ö.), wurde andererseits im selben Gebiet funktionales Code-Switching zwischen Dialekt und Standardsprache oder regionaler Umgangssprache gezeigt (insbesondere MACHA 1991), was auf geschiedene Varietäten hinweist, und eine solche Trennung entspricht auch eher der Darstellung von Sprechern, die mit dem Kontrast Platt – Hochdeutsch operieren und Erscheinungen des Zwischenbereichs als Mischung zwischen beidem betrachten. Ein möglicher Grund für diese unterschiedliche Beurteilung wurde in methodischen Problemen vermutet, die spezifisch für die Erforschung des „mittleren Bereichs“ sind: Angesichts des Fehlens einer Norm bzw. hoher Variabilität ist der übliche empirische Zugang die variablenanalytische Untersuchung des Gebrauchs bestimmter Sprechertypen in bestimmten Situationen. Dabei wird für die einzelnen Sprachmerkmale „global-statistisch“ die Gesamtvariation im Text eines Sprechers in einem Gespräch analysiert, was bedeutet, dass die Möglichkeit von Varietätenwechsel innerhalb dieses Textes ausgeblendet bzw. übergangen werden muss. Wie andernorts hat sich auch im ripuarischen Raum bei diesem Ansatz in den einzelnen analysierten Sprechertexten jeweils eine fein gestaffelte Abstufung von Dialektanteilen bei verschiedenen Sprachmerkmalen ergeben, und eine ebensolche Abstufung der Dialektanteile gleicher Merkmale in Texten von verschiedenen Sprechern bzw. aus verschiedenen Situationen. Die übliche Interpretation solcher Ergebnisse ist die Annahme eines entsprechend dieser Staffelung aufgebauten Gesamtkontinuums zwischen Dialekt und Standard, in dem sich Sprecher je nach Kompetenz und Situation bewegen. (Ein problematischer Punkt bleibt allerdings die Frage nach der Auflösung der Systemgrenze zwischen Dialekt und Standard, die dieses Modell impliziert.) Die Unterscheidbarkeit von spezifischen Variationsprofilen verschiedener Sprechertypen (LAUSBERG 1993) weist auch für den ripuarischen Raum auf die Existenz von Verdichtungsbereichen hin, wie sie LENZ (2003) mittels Clusteranalyse in moselfränkischen Daten gezeigt hat (vgl. a. LENZ 2010) – auch aus den Daten von LAUSBERG (und LENZ) ergibt sich aber gleichwohl der Befund eines Gesamt-Kontinuums. Die vorliegende Arbeit basiert ebenfalls auf einem – neu erhobenen – Korpus von Gesprächen (38 Sprecher in vertrauten Gesprächskonstellationen im Familien- oder Freundeskreis, aufgenommen ohne Beteiligung eines fremden Explora-

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tors), wobei keine Auswahl der Sprecher nach soziologischen Kriterien vorgenommen wurde und auch auf eine Kontrastierung mit einer formelleren Gesprächssituation verzichtet wurde. In einem ersten Schritt wurde hier ebenfalls nach den üblichen Methoden eine Analyse von 34 Variablen in „globalstatistischem“ Zugriff durchgeführt (Kap. 4). Auch bei diesen Daten ergibt sich das aus anderen Untersuchungen bekannte Bild: Ordnet man alle Variablen nach dem jeweiligen Dialekt- bzw. Nonstandard-Anteil (im Mittel der Sprechertexte), bildet sich eine praktisch kontinuierliche Reihe von 13,9 % bis 98,5 % Nonstandard-Anteil. Auch die Anordnung der Variablen nach dem Anteil der Texte, in denen (fast) nur die Nonstandard-Variante realisiert ist oder in denen umgekehrt (fast) nur die Standardvariante vorkommt, führt zu mehr oder weniger kontinuierlichen Reihen dieser Anteile. Es wird zwar deutlich, dass eine Gruppe von Variablen in keinem der Texte überwiegend dialektal realisiert wird (dies betrifft vor allem den dialektalen Vokalismus, aber auch einige konsonantische Merkmale) und eine kleine andere Gruppe von Variablen in keinem der Texte überwiegend standardsprachlich (= nicht regionalspezifische Reduktionsphänomene wie tElision in bestimmten hochfrequenten Lexemen), aber für die übrigen Variablen sind die Anteile von Texten mit (fast) ausschließlicher Verwendung der standardsprachlichen Variante eher bruchlos zwischen 2,5 % und 60 % abgestuft; dies gilt umgekehrt ebenso für die Anordnung der Variablen nach dem jeweiligen Anteil von Texten mit (fast) ausschließlicher Verwendung der Nonstandard-Variante. Die Implikationsskalenanalyse bestätigt den Eindruck eines Kontinuums und darüber hinaus dessen implikative Struktur: Die Variablen und Sprechertexte lassen sich – bei der üblichen Vereinfachung der Variation mit Hilfe eines Schwellenwerts (binäre Unterscheidung „dialektal vs. nicht-dialektal“ statt genauer Anteile) – so anordnen, dass für jede Nonstandard-Variante vorausgesagt werden kann, mit welchen anderen Nonstandard-Varianten ihr Auftreten gekoppelt sein muss (einseitige Implikation, d. h. es gibt jeweils andere Variablen, über deren Realisierung das Auftreten dieser Nonstandard-Variante nichts aussagt, von deren Nonstandard-Variante sie aber ihrerseits impliziert wird). Abweichungen von der „idealen“ Implikationsskala treten zwar auf, aber insgesamt werden die Verlässlichkeitskriterien (Reproduzierbarkeits- und Skalabilitätskoeffizient) erfüllt. Eine Clusteranalyse ergibt jedoch eine recht klare Gruppierung der Texte in vier Cluster. Das lässt darauf schließen, dass in dem Kontinuum Verdichtungsbereiche existieren (vgl. LENZ 2003) – nach Clustern differenziert zeigen die Nonstandard-Anteile der verschiedenen Variablen jeweils ein charakteristisches Profil (Kap. 4.3.2): Im Cluster der dialektnächsten Texte liegen die Werte im Mittel zwischen ca. 50 % Dialekt- bzw. Nonstandard-Anteil bei einem Teil der Variablen (vor allem den vokalischen und einigen anderen) und bis zu 90–100 % bei den übrigen, wobei allerdings erhebliche individuelle Schwankungen von Text zu Text zu beobachten sind. Im zweiten Cluster sinken die Werte für die erste Gruppe von Variablen weiter ab, auf ca. 20 % Nonstandard-Anteil in Mittel, während sie für die übrigen unverändert hoch bleiben. Bei vielen dieser anderen Variablen sind die Anteile der Nonstandard-Varianten auch beim dritten Cluster noch hoch bis sehr hoch, wobei die Unterschiede zwischen den individuellen Texten hier

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allerdings größer werden. Für die erste Gruppe von Variablen, die auch schon in den ersten beiden Clustern weniger konsequent dialektal realisiert sind, reduzieren sich die Nonstandard-Anteile im dritten Cluster dagegen praktisch auf Null. Bei den Texten des vierten Clusters sind nur noch für wenige Variablen (die bereits genannten überregionalen Reduktionsphänomene) durchgehend hohe Nonstandard-Anteile zu verzeichnen und bei wenigen regionalen Merkmalen noch teilweise hohe Werte, die übrigen Variablen werden hier standardsprachlich realisiert. Errechnet man pro Cluster die mittleren Dialekt- bzw. Nonstandard-Anteile für alle Variablen, ergibt sich recht deutlich das Bild von vier unterschiedlichen prototypischen Sprachlagen. Der Vergleich dieser Mittelwerte mit den tatsächlichen Werten für alle einzelnen Texte sowie mit den Werten von zwei Einzelfällen, in denen jeweils dieselben Sprecherinnen in zwei vergleichbaren unterschiedlichen Gesprächskonstellationen aufgenommen wurden, macht allerdings sichtbar, in welchem Maße dieses klare Bild von der statistischen Bündelung abhängt. Die Profile aller einzelnen Texte sind praktisch über die ganze Bandbreite aufgefächert. Und die Variantenwahl der beiden Sprecherinnen zeigt zwar jeweils eine deutliche Abstufung zwischen den beiden Texten aus den verschiedenen Gesprächskonstellationen, die der jeweiligen Zuordnung zu zwei verschiedenen Clustern (1 und 2 bzw. 2 und 3) entspricht. Die konkreten Anteile der Nonstandard-Varianten liegen jedoch irgendwo zwischen denen der statistisch „herauspräparierten“ vier Sprachlagen, und zum Teil weichen auch die Relationen zwischen verschiedenen Variablen hier deutlich von den statistisch dominierenden Relationen ab. Berücksichtigt man nun die Ergebnisse aus Arbeiten, die eher methodischen Ansätzen der Sprachkontaktforschung verpflichtet sind, so ist klar, dass die globale Analyse der Einheit „Text eines Sprechers in einer Situation“ nicht unproblematisch ist. Das Operieren mit dieser Einheit geht eigentlich auf die ältere soziolinguistische Annahme zurück, dass der Sprachgebrauch im Wesentlichen durch soziologische und situative Faktoren determiniert ist und innerhalb einer Gesprächssituation keine Änderung der Sprachlage eintritt. Es ist jedoch in neuerer Zeit zunehmend gezeigt worden, dass Sprecher im Lauf eines Gesprächs die unterschiedlichen Möglichkeiten ihres sprachlichen Repertoires (also gegebenenfalls Dialekt, Standardsprache und etwaige Zwischenformen) gezielt „flexibel“ einsetzen, um lokale kommunikative Zwecke zu erreichen. Die Annahme intrasituativ invarianter Sprachlagen ist insofern unrealistisch, wird aber einfach aus methodischer Notwendigkeit in der Forschungspraxis implizit aufrechterhalten, um die Ermittlung der Struktur des Variationsraums auf eine feste Einheit – den Sprechertext – stützen zu können. Umgekehrt wird bei der Untersuchung der kommunikativen Funktion von situationsinternen Sprachlagen-Änderungen in der Regel von eher intuitiv angesetzten diskreten Varietäten ausgegangen, d. h. hier werden ebenfalls aus praktischen Gründen differenziertere Erkenntnisse hinsichtlich der existierenden Übergangsformen ausgeblendet. In der vorliegenden Studie wurde nun versucht, diesen Konflikt zu lösen, indem im zweiten, zentralen Analyseteil (Kap. 5 und 6) die Kookkurrenz von Varianten in kleineren Äußerungseinheiten, unterhalb der Ebene des Sprechertextes, unter-

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sucht wurde. Wie auch die Sprachkontaktforschung gezeigt hat, ist umso weniger mit einem Wechsel der Sprache oder Sprachlage zu rechnen, je kleiner die entsprechende Einheit ist – also innerhalb von einzelnen Sätzen weniger als zwischen Sätzen bzw. innerhalb von längeren Äußerungen oder gar von Gesprächen, und insbesondere innerhalb von einzelnen Wortformen ist kaum Wechsel zu erwarten. Daher wurde in der vorliegenden Arbeit paarweise für alle möglichen Kombinationen der untersuchten Variablen geprüft, welche der jeweiligen Varianten innerhalb von Wörtern und innerhalb von Sätzen zusammen vorkommen oder nicht. Dabei wurden pro Variablenkombination jeweils alle Sprechertexte einbezogen, in denen hinsichtlich der Realisierung beider Variablen überhaupt variiert wird, bei denen also konkret eine Wahl zwischen alternativen Möglichkeiten hinter dem beobachteten Gebrauch steht. Da die Variablen binär angelegt sind (standardsprachliche vs. dialektale bzw. ursprünglich dialektale Variante), ist theoretisch immer mit vier Kombinationstypen zu rechnen, zwei „homogenen“, also einer rein dialektalen und einer rein standardsprachlichen Kombination, und zwei „heterogenen“, also Mischformen in den beiden möglichen Verteilungen (dialektale Realisierung nur der einen oder nur der anderen Variablen). Das Fehlen von Belegen für einen der beiden heterogenen Kombinationstypen oder für beide weist dann darauf hin, dass eine Kookkurrenzbeschränkung existiert bzw. ein einseitiges oder zweiseitiges Implikationsverhältnis zwischen den Varianten vorliegt (zumindest dann, wenn die Verteilung signifikant von einer zufälligen Verteilung abweicht). Auf diese Weise kann die Strukturierung der Wahlmöglichkeiten im Zwischenbereich zwischen reinem Dialekt und reiner Standardsprache ermittelt werden. So bestätigen die Ergebnisse auf Wortebene für einen Teil der Variablen ein einseitig implikatives Verhältnis zwischen diesen: Die dialektale Variante der einen Variablen kann mit der Standard-Variante der anderen zusammen auftreten, aber nicht umgekehrt. Dies sind vor allem Variablen, die sich auf standardsprachliches /g/ in unterschiedlichen Positionen bzw. dessen frikative dialektale Entsprechungen beziehen – diese Variablen bilden untereinander tatsächlich weitgehend eine Implikationshierarchie, was der Struktur eines Kontinuums entspricht: Mit jeder neu hinzutretenden Dialektvariante nähert sich die Sprachlage mehr dem Dialekt (etwa gegangen – jegangen – jejangen). Auch das Verhältnis zwischen den Variablen dieser Gruppe und den meisten der übrigen Variablen ist einseitig implikativ: Die Dialektvarianten der anderen Variablen werden nur mit den Dialektvarianten der g-Variablen kombiniert, während umgekehrt keine Bindung existiert, sondern zahlreiche „hybride“ Formen vorkommen (etwa dialektales j kombiniert mit standardsprachlichem u statt dialektalem o in juut ‘gut’ – nicht jedoch umgekehrt). In den Kookkurrenzen der meisten übrigen Variablen untereinander zeigt sich dagegen klar ein anderes Muster: Hier dominiert weitestgehend zweiseitige Implikation, das heißt, die Kombinationen von Realisierungen dieser Variablen untereinander sind entweder rein dialektal (etwa schriive) oder rein nicht-dialektal (schreiben), die verschiedenen theoretisch möglichen heterogenen Kombinationen (*schreive(n), *schriibe(n) usw.) fehlen in auffälligem, großenteils auch stati-

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stisch signifikantem Maße. Wenn die dialektalen Varianten dieses zweiten Typs von Variablen demnach nur in reinen Dialektformen vorkommen können, bedeutet das, dass hier eine weitere kontinuierliche Annäherung an den Dialekt ausgeschlossen ist, sondern mit diesen Varianten eine Grenze zum „reinen“ Dialekt überschritten wird. Die dialektalen Varianten dieses zweiten Typs von Variablen können insofern als „Dialektindikatoren“ eingestuft werden. Es handelt sich hierbei um die meisten derjenigen Variablen, die in der global-statistischen Analyse durch insgesamt geringe Dialektanteile bzw. clusterspezifisch durch weniger hohe Dialektanteile in den dialektnahen Texten und (fast) rein standardsprachliche Realisierung in den standardnahen Texten aufgefallen waren, also vor allem V/B, D/T und die vokalischen Merkmale sowie die beiden morphologischen Variablen (Deklination von Artikeln/Pronomina/Adjektiven und unregelmäßige Verbformen). Bei den Tilgungsvariablen (Tilgung von auslautendem t in Verbformen, Tilgung von auslautendem n, Tilgung von auslautendem Schwa) ist die Zuordnung zu einem dieser beiden Typen nicht ganz eindeutig; die Tendenz geht eher zum zweiten Typ, aber heterogene Kombinationen kommen gelegentlich vor. Klar abweichend sind dagegen die Ergebnisse für die Koronalisierung von [ç], für velares l und ebenso für j vs. g in der Position vor Liquid: Trotz quantitativer Unterschiede ist deutlich, dass bei diesen Variablen meistens keine der heterogenen Kombinationen ausgeschlossen ist; signifikante einseitige oder zweiseitige Implikationsverhältnisse wie bei den anderen Variablen bestehen hier fast nicht. Auf Satzebene sind diese Kookkurrenzregularitäten zwar noch zu erkennen, aber schon auf der Ebene des komplexen Satzes und noch mehr dann in der Untersuchungseinheit „Äußerung“ werden sie zunehmend undeutlich. Im einfachen Satz überwiegen die entsprechenden Kombinationen noch, der Umfang der Abweichungen steigt allerdings an. Die lexemgebundenen Variablen wie dat/das oder op/auf zeigen daher ein weniger klares Kookkurrenzprofil als die phonologischen und morphologischen Variablen, gleichwohl sind Übereinstimmungen mit deren Profilen noch gut sichtbar, sodass es legitim erscheint, die Variablen dat/das, nit/nicht, mer/wir noch dem ersten Typ (einseitige Implikation) zuzurechnen, die Variable op/auf dagegen eher dem zweiten (Beschränkung auf homogene Kombinationen). Die ermittelten Kookkurrenzregularitäten bestätigen sich größtenteils in den zusätzlich erhobenen Urteilen weiterer Informanten aus dem ripuarischen Gebiet zur Akzeptabilität einer Reihe von Sätzen mit heterogenen Kombinationen auf Wort- und Satzebene (Kap. 6.3). Dabei sind allerdings zwei Einschränkungen zu machen: Zum einen sind diese Urteile tendenziell etwas strenger als der tatsächliche Gebrauch, zum anderen entsprechen nur die Angaben der 20 dialektkompetenten Informanten den in den Daten vorgefundenen Kombinationsbeschränkungen – die übrigen 20 Informanten, die die meisten der Dialektvarianten selbst nicht verwenden, sind auch unsicher im Bezug auf deren Kombinierbarkeit, sodass die Urteile dieser Teilgruppe divergieren. Für die Wahlmöglichkeiten der rheinischen Sprecher ergibt sich aus der Kookkurrenzanalyse insgesamt die Struktur eines Standard-Regiolekt-Kontinuums mit Bruchstelle zum Dialekt: Es gibt einen dialektalen Bereich, der durch

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eine große Reihe von exklusiv dialektalen Varianten deutlich abgegrenzt ist. Der nichtdialektale Nonstandard (Regiolekt, regionale Umgangssprache) stellt sich dagegen als Kontinuum dar, das ohne klare Grenze in den regionalen und überregionalen Standard übergeht (ob die großregional verbreiteten frikativen Varianten [ç] / [x] statt Okklusiv für /g/ im Auslaut und vor stimmlosen Konsonanten noch als regionales Merkmal einzustufen sind, erscheint unsicher. Im Weiteren verbleiben dann noch die – zum Teil auch nicht ganz überregionalen – typischen Reduktionserscheinungen gesprochener Sprache). Die Feststellung einer deutlichen Grenze zwischen Regiolekt-StandardKontinuum und Dialekt bedeutet nun allerdings für Texte wie die aus den ersten beiden Clustern, in denen in einem Umfang von 20–50 % die „Dialektindikatoren“ verwendet werden und häufig zwischen dialektalen und nichtdialektalen Varianten gewechselt wird, dass hier ein permanentes Code-Switching bzw. -Mixing zwischen Dialekt und Nichtdialekt angenommen werden müsste. Diese vielleicht zunächst kontraintuitive Annahme gewinnt allerdings bei näherer Betrachtung an Plausibilität. Die genauere Analyse der „Verstöße“ gegen die festgestellten Kookkurrenzbindungen auf Satzebene (Kap. 6.2) zeigt, dass es sich tatsächlich nicht um stabilisierte Kombinationen handelt, die etwa durch lexikalische Diffusion phonologischer Merkmale des Standards erklärt werden könnten, sondern dass die lexikalischen Konstellationen schwanken. Die heterogenen Kombinationen ergeben sich zunächst einmal häufig durch die Übernahme eines phonologisch unveränderten Standard-Lexems in einen dialektalen Satz, zwecks Füllung einer lexikalischen Lücke oder aufgrund der Assoziation des entsprechenden Begriffs mit nichtdialektalen Kommunikationskontexten; dies sind offenbar eher okkasionelle als lexikalisierte Entlehnungen seltener Lexeme. Bei frequenteren Lexemen wie Konjunktionen kommen Übernahmen in beiden Richtungen vor. Für die phonologisch heterogenen Kombinationen von bestimmten (hochfrequenten) Lexemen kann sodann klar gezeigt werden, dass die Realisierung in dialektaler oder nichtdialektaler Lautform hier nicht stabil zwischen den beiden Lexemen verteilt ist, sondern dass die Rollen wechseln. Und schließlich lassen sich in den Daten typische Phänomene von funktionalem Code-Switching und von Triggering identifizieren, was den Befund des Wechselns zwischen Dialekt und Nichtdialekt als getrennten Bereichen bestätigt. Im Vergleich mit Erkenntnissen und Beispielen aus der kontaktlinguistischen Literatur (Kap. 7) wird deutlich, dass der dichte Wechsel zwischen verschiedenen Varietäten, wie er nach dieser Analyse für die Gespräche der ripuarischen Dialektsprecher angenommen werden muss, auch im Kontakt viel entfernter oder gar nicht miteinander verwandter Sprachen durchaus geläufig sein kann, wenn eine ganze Sprechergruppe regelmäßig mit zwei Sprachen umgeht. Selbst im Detail zeigen Beispiele aus solchen Kontaktsituationen auffällige Parallelen zu den „heterogenen“ Wortformenkombinationen im vorliegenden Material. Entsprechend verbreiteten Annahmen bezüglich der sowohl inhalts- als auch ausdrucksseitigen sprach- bzw. varietätenübergreifenden Vernetzung der Einheiten im mentalen Lexikon liegt es nahe, dass derartige Erscheinungen bei eng verwandten Varietäten noch frequenter sind als bei weniger verwandten Sprachen; und wenn, wie

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angenommen, diese Vernetzung durch die Praxis von Code-Switching/ -Mixing noch verstärkt wird, ist verständlich, dass permanenter Wechsel in bilingualen bzw. bilektalen Sprechergruppen einen üblichen Kommunikationsmodus darstellen kann (wie in verschiedenen Kontaktkonstellationen festgestellt wurde). Ob ein solcher etablierter Kommunikationsmodus nun – aus funktionaler Sicht – als Varietät oder zumindest Sprechlage eigenen Rechts oder – aus struktureller Sicht – als instabile Mischung betrachtet wird, ist dann eine Frage der Perspektive (bzw. der Definition von Varietät oder Sprechlage). Wenn sich bestimmte Mischungsverhältnisse statistisch als Verdichtungsbereiche dingfest machen und soziosituativ verorten lassen, so spricht dies dafür, dass auch der Umfang des Zurückgreifens auf Dialekt bzw. Nichtdialekt sich in der ständigen Kommunikationspraxis dabei auf einem bestimmten Niveau einpendeln kann (wobei die Wahl im Einzelfall aber frei bleibt). Die genauere Betrachtung der Entwicklung der „Zusammensetzung“ von Einzeltexten (Kap. 7.3) lässt allerdings erkennen, dass dies erst ab einem bestimmten Textumfang fassbar werden kann, während kürzere Strecken eines Textes durchaus unterschiedlich mehr von dialektalen oder mehr von nichtdialektalen bis standardsprachlichen Elementen dominiert sein können, in Abhängigkeit von Zufällen der Themenwahl und von spezifischen Intentionen der Sprecher. Das funktionale Switching zeigt, dass diese Schwankungen von den Sprechern durchaus wahrgenommen bzw. bewusst produziert werden. Der letzte Teil der Arbeit (Kap. 8–10) widmet sich der historischen Entstehung der ermittelten Struktur des „mittleren Bereichs“ im ripuarischen Gebiet. Unter Rückgriff auf Erkenntnisse aus der Sprachkontakt- und Sprachlernforschung (in denen klare Parallelen zu SCHIRMUNSKIS – zum Teil zu Unrecht umstrittener – Differenzierung zwischen primären und sekundären Dialektmerkmalen zu bemerken sind) kann gezeigt werden, dass genau die Merkmale, deren Verwendung nicht auf dialektale Kombinationen beschränkt ist, im Kontakt von Dialekt und Gemeinsprache prädestiniert für Remanenz waren. Das Auftreten und die Abstufung dieser Merkmale in nichtdialektaler Alltagssprache (Regiolekt/ regionaler Umgangssprache) lassen sich auch im Detail damit erklären, dass sie – wie verbreitet angenommen – verfestigte, ehemals bzw. teilweise immer noch schlecht kontrollierbare Relikte eines Sprachwechsel-Prozesses sind (Substrat-Hypothese). Es handelt sich um Erscheinungen von Akzent und Interferenz (nach VAN COETSEM 2000 Imposition), die zunächst allgemein prägend für die regionale Gemeinsprache („Hochdeutsch“) waren und sich dann durch Auftreten nichtregionaler Sprachvorbilder und zunehmend bessere Beherrschung in jüngerer Zeit zu Merkmalen regionaler Umgangssprache entwickelt haben. Was die Regiolekt-Merkmale für Remanenz prädestiniert, sind vor allem linguistische Faktoren, deren Relevanz in Kontaktkonstellationen in ganz verschiedenen Kontexten herausgestellt worden ist (Zusammenschau in Kap. 8) und deren Geltung für speziell diese Merkmale im Einzelfall gezeigt werden kann (Kap. 9) – so das Fehlen der Standard-Variante als Phonem im Inventar der Erstsprache (Dialekt) bzw. die Geltung starker phonotaktischer Einschränkungen für den betreffenden Laut in der Erstsprache (dies gilt vor allem für standardsprachliches [g]), oder verringerte Kontrolle bei hochfrequenten und unbetonten Wörtern (dat,

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nit ‘nicht’). Auch die Zwischenposition der Tilgungsvariablen und die Sonderrolle der Koronalisierung von [ç] und der Velarisierung von l lassen sich auf (kontakt)linguistische Faktoren zurückführen. Bei den phonologischen Charakteristika des Regiolekts bestätigt sich die besondere „Stabilität“ der entsprechenden Dialektmerkmale auch darin, dass sie nicht nur im Regiolekt auftreten, sondern dass – wie unter anderem nach dem Kontaktmodell von VAN COETSEM (2000) zu erwarten – umgekehrt auch ältere lexikalisierte Entlehnungen aus der Gemeinsprache in den Dialekt (nur) im Hinblick auf diese Merkmale phonologisch integriert worden sind. Gleichzeitig ist bei den meisten dieser Merkmale eine langfristige Stabilisierung als Marker intendierten Regiolekts (im Repertoire von nicht mehr dialektkompetenten Sprechern) besonders unproblematisch, weil sie entweder im Inventar des Standards als Phonem enthalten sind und die Formen mit Korrespondenzregeln problemlos vom Standard hergeleitet werden können, oder weil es sich nur um hochfrequente Einzellexeme handelt – das Nebeneinander von Standard und Regiolekt erfordert daher keine echte bilektale Kompetenz (anders als bei Standard und Dialekt). Wenngleich die Rolle von Bewertungen bei der Stabilisierung von ursprünglichen Interferenzerscheinungen nicht geleugnet werden kann und soll, erscheint es nach den Ergebnissen von Kap. 8–9 also möglich, die Merkmale des ripuarischen Regiolekts und deren Abstufung primär mit linguistischen Faktoren zu erklären. Die gegenwärtige Organisation des „mittleren Bereichs“ ist offenbar immer noch von dessen historischer Entwicklung geprägt. So war die Variantenwahl bei den leicht beherrschbaren Unterschieden zwischen Dialekt und Standard schon früh eine Frage der bewussten Entscheidung zwischen Platt und Hochdeutsch; entsprechend klar ist die Grenze zwischen diesen Bereichen in der Praxis (trotz Switching/Mixing) und im Bewusstsein immer noch. Dagegen hat sich bei den (ehemals) schlechter beherrschbaren regionalen Merkmalen keine feste Merkmalskombination oder zumindest klare Abgrenzung vom (Regional-)Standard etabliert, die die Entstehung einer spezifischen intermediären Varietät anzeigen würde. Dies liegt wohl vor allem daran, dass sich aus der Abstufung der Beherrschbarkeit bzw. Kontrolle (so z.B. bei Standard-/g/ im Anlaut betonter Silben vs. im Präfix ge-) eine Staffelung ergibt, bei der der Punkt, ab dem die Kontrolle noch nicht problemlos ist, soziologisch und individuell verschieden situiert ist. Dadurch ist es anhaltend schwierig, zwischen dem Misslingen von Kontrolle, dem mehr oder weniger bewussten Verzicht auf Kontrolle („bewusste Imposition“) und der intendierten Verwendung ehemaliger Interferenz-Merkmale zu unterscheiden. Es ist also je nach Sprecher, Situation und Moment innerhalb eines Gesprächs (da ja die Kontroll-Bemühung wie auch die Intention variiert) nicht immer klar, ob ein und dasselbe regionale Merkmal einen bewusst verwendeten oder zumindest nicht vermiedenen Regiolekt-Marker darstellt oder einen nicht gut beherrschten regionalen Indikator in intendiertem Standard. Dementsprechend hat sich zwar eine kontinuierliche Abstufung nach dem Grad der Beherrschbarkeit verfestigt, aber keine Grenze zwischen Regiolekt und (Regional-)Standard herausgebildet.

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ANHANG

ANHANG 1: ERGEBNISSE DER KOOKKURRENZANALYSE OBERHALB DER WORTEBENE Die Anordnung richtet sich nach der Häufigkeit der Dialekt- bzw. Non-Standard-Varianten, wie auch in Kap. 5 und 6. In den Zeilen für die Kombinationen einer Variablen „mit sich selbst“ erscheinen die heterogenen Einheiten zu gleichen Teilen auf die beiden Kombinationstypen („DST“ und „ST-D“) verteilt. Zu den Angaben in der Spalte „Impl./Sign.“ s. Kap. 5.1. Aus Platzgründen steht „>“ statt „→“,„** 50 3 >** 166 48 >** 102 41 >** 95 23 >** 188 76 ~** 8 5 ~** 56 26 ~** 31 21 >** 11 10 >** 39 20 >** 83 61 ~** 10 53 ~** 26 108 ~** 36 93 ~** 14 69 ~** 20 101 ~**

43 9 33 14 5 25 22 15 31 22 13 14 22 16 21 16 9 11 20 11 5 5 7 4 15 15 7 18 58 39 27 41 4 21 12 4 26 15 17 31 35 25 29

35 1 5 2 4 5 24 4 25 17 14 24 22 51 28 21 4 19 32 20 24 1 8 0 0 4 1 1 2 9 2 26 1 5 1 0 1 26 11 21 9 7 24

167 15 44 23 9 42 75 9 27 25 14 24 24 37 33 30 5 11 21 13 12 1 7 68 95 108 43 92 242 173 156 247 35 109 56 20 82 124 27 56 64 33 49

37 6 44 30 6 33 42 27 84 63 55 87 99 111 119 103 27 60 79 47 52 22 28 5 8 28 16 6 52 40 26 74 7 56 28 16 41 82 77 143 128 88 158

370 –I_krz/EI –O/A –EE/EI –V/B –op/auf –G/T –U/O –O/U –D/T –Jl/Gl –II/EI 0/N–is/ist –sons/sonst –ne/eine –les/lesE –dat/das –un/und –je-/ge–SCH/CH –aG_fr/aG –J/G –eJ/eG –mer/wir –nit/nicht –L_vel/L –0/T –Deklin –UnregVb –0/E –VokQuant –I_krz/EI –O/A –EE/EI –V/B –op/auf –G/T –U/O –O/U –D/T –Jl/Gl –0/N

Anhang 1: Ergebnisse der Kookkurrenzanalyse oberhalb der Wortebene

>** ~** ~** >** >** ~** ~** ~** >** ~** ~* >** > >* >** >** >** >** ~* >** >** >** >** >** ~** >** ~** >** ~** ~** >** ~** ~** ~** ~** ~** ~** ~** ~** ~** **

22 29 9 42 10 8 11 10 22 3 2 7 40 38 12 165 96 97 165 25 85 56 44 62 53 33 121 105 42 150 120 134 91 92 21 68 73 72 86 12 63

1 25 13 8 2 2 15 5 5 2 1 1 3 1 1 6 21 4 76 1 5 0 1 2 51 5 38 22 10 38 26 95 33 31 9 27 44 49 25 7 0

21 76 33 152 15 90 14 100 4 26 15 44 14 71 12 49 7 91 4 10 1 28 128 7 267 33 235 52 102 16 526 248 399 189 457 249 945 420 157 65 279 256 172 163 76 89 149 152 365 331 42 101 100 477 90 545 41 183 108 696 101 510 172 979 72 498 61 466 19 110 38 312 70 338 56 330 33 380 16 74 0 475

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25 3 25 94 ~** 32 32 43 175 ~* 14 18 20 113 ~* 42 8 19 113 ~** 10 2 5 32 ~** 9 2 20 53 ~* 14 15 22 87 ~** 9 9 18 64 ~** 23 7 10 102 ~** 3 3 5 12 ~** 4 2 2 50 ~** 11 1 189 12 >** 42 5 333 37 > 37 3 297 65 >** 14 3 146 38 ~** 188 9 692 301 >** 106 36 527 225 ~** 107 6 524 277 >** 167 97 1071 452 ~** 23 1 162 68 >** 88 7 357 284 >** 60 2 203 183 >** 40 1 88 92 >** 71 4 184 200 >** 61 65 442 379 ~** 38 11 64 136 ~** 118 54 132 570 ~** 115 32 143 598 ~** 49 15 60 230 ~** 142 61 150 751 ~** 117 38 128 575 ~** 125 116 223 1060 ~** 90 51 112 568 ~** 95 40 90 532 ~** 21 18 23 124 ~** 71 36 52 369 ~** 79 63 93 399 ~** 70 70 74 364 ~* 86 35 43 432 ~** 14 9 21 91 ~* 77 0 0 621 **

27 33 16 40 14 12 19 10 25 7 6 21 43 41 18 189 102 101 136 20 96 54 34 71 61 38 94 123 58 113 106 102 88 83 24 61 79 49 66 18 84

11 56 44 92 25 45 21 36 5 11 10 38 22 41 20 31 20 23 7 8 7 7 1 322 5 473 5 411 8 225 14 927 37 669 10 600 110 1124 3 191 21 458 8 260 3 104 13 297 91 554 34 106 98 191 60 198 41 102 83 199 70 175 168 296 103 145 79 131 35 38 64 86 109 118 120 106 71 80 24 39 0 0

119 208 143 144 47 83 120 117 141 28 82 14 50 92 57 301 236 259 394 76 315 207 82 257 376 243 647 598 297 769 612 982 630 582 146 396 455 393 448 126 813

ANHANG 2: FRAGEBOGEN ZUR ÜBLICHKEIT HETEROGENER KOMBINATIONEN (KAP. 6.3)

Sprechen Sie rheinisches Platt / Kölsch ? ja ( ) nein

( ) ein bißchen Ort:_____________

(

)

Die Frage ist, ob man die folgenden Sätze im normalen Alltag im Rheinland zu hören bekommt (nicht, ob es sich um richtiges Deutsch oder richtiges Platt handelt !!) oder ob an bestimmten Sätzen in Ihren Ohren etwas ungewöhnlich ist. Bitte jeden Satz einzeln laut lesen (Aussprache genau wie geschrieben!) und direkt markieren: a) Ist der Satz irgendwie unnormal ? Dann bitte mit X markieren und (nur) wenn sofort deutlich ist, woran das "Unnormale" liegt, die "Problemstelle" anstreichen b) Wenn normal: Könnte der Satz auch von Ihnen stammen ? (wenn nur im Spaß: "S") a) 1 - Dat jlaub isch dir nit. 2 - Wer kritt noch Pommes rudweiß ? 3 - Dat is aber durchjebraten. 4 - Dat gibt et doch nich ! 5 - Ach, die is schon jegangen ? 6 - Sie lach [langes a] am letzten Avend schon im Bett. 7 - Och, dat sagt [saakt] aber nix ! 8 - Das is nit schön. 9 - Dann müss'(m) mer dem morje(n) schreive(n). 10- Natürlisch kann se jeg'n den Chef nix machen. 11- Das sachste jetz so, aber ich weiß nich (isch weiß nisch) .. 12- Dat is 'n joder Fründ von (vun) mir. 13- Dat gesamte Jebäude wird renoviert. 14- Jetz kann der wid(d)er in dat selve Haus. 15- Haste schon gejessen ? 16- Nochma Pommes rotwieß ! 17- De(r) Theo hät hinten em Jade uch su e Ding stonn. 18- Dat gefällt mir jut. 19- Nee, deine Opa kennt misch nit. 20- Dat hat er doch gesacht . 21- Die da hinten sin nur am Schlяfe(n). [я, ҏ = o wie in doch, aber lang]

b)

372

Anhang 2: Fragebogen zur Üblichkeit heterogener Kombinationen (Kap. 6.3)

22- Dat hattn se doch schon afjemacht ? 23- Nee, dat glööv isch nit ! 24- Nee, dat hat se nie jesagt. [Aussprache jesaakt] 25- Dat wяr an dem letztn ҏbend. 26- Dinge Vatter is ävver dя huhjejangen [-n]. 27- Das is kein Problem, das jeht. 28- Dat wяr eben (eb'm) eenfach 'ne finge Kääl. 29- Daß die sich jetz so aufjereech hat - da kammer ma sehn ! 30- Gebrяte(n) / gebrяde(n) is et leckerer. 31- Wat ham se gejen den Quatsch protestiert - nix ! 32- Der Heinz is 'ne jute Mensch. 33 - Dat gяv zimmlisch Krawall ! 34- Ich sяch (sяh) richtich wie dä rud em Jeseech wood. [überall ch, nicht sch] 35- Warum sagste [saakste] ihr das denn nich ? 36- Sons määste dat morje(n) mit dene(n) ab. 37- Die wollte(n) uns dat noch jenau schriibe(n). 38- Dя unge(n) wolln se de janze Straße sperren. 39- Von mir aus, auch jut ! 40 -Isch mache sowas nischt. 41- Wie, dat jesamte Gericht is zu ? 42- Auf die Art küdd et aber dadrunter überall durch. 43- Dat lяg [-k] letztens noch nit hier ! 44- Bei dem jab et nix andres. 45- Dann fraacht ihr ihn eben nicht ! [deutlich, betont] 46- Dat halbe Huus is neu. 47- Dat jehört noch zur oberen Straß. 48- Nee, so is et doch got. [langes o] 49- Der hat uns reingelegt ! 50- Dat wяr esu huh, dя kunnt mer dat Nebenhaus jaanit mieh sinn. 51- Seit heut morjen steht dat da oben (ob'm) drup / drop. 52- Ming Kopp is janz schwer.

Z E I T S C H R I F T F Ü R D I A L E K T O L O G I E U N D L I NG U I S T I K



BEIHEFTE

In Verbindung mit Werner König und Dieter Stellmacher herausgegeben von Jürgen Erich Schmidt.

Franz Steiner Verlag

ISSN 0341–0838

93. Anthony Robert Rowley Morphologische Systeme der nordostbayerischen Mundarten in ihrer sprachgeographischen Verflechtung 1997. XX, 277 S. mit 40 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-06700-3 94. Larissa Najdicˇ Deutsche Bauern bei St. Petersburg-Leningrad Dialekte – Brauchtum – Folklore 1997. 241 S., kt. ISBN 978-3-515-07051-5 95. Hans Gehl Deutsche Stadtsprachen in Provinzstädten Südosteuropas 1997. 136 S., kt. ISBN 978-3-515-07171-0 96. Angelika Braun (Hg.) Untersuchungen zu Stimme und Sprache / Papers on Speech and Voice 1996. VIII, 166 S. mit 43 Abb., kt. ISBN 978-3-515-07025-6 97. Heinrich Ramisch / Kenneth Wynne (Hg.) Language in Time and Space Studies in Honour of Wolfgang Viereck on the Occasion of his 60th Birthday 1997. XLVIII, 510 S., kt. ISBN 978-3-515-07041-6 98. Annelies Häcki Buhofer / Harald Burger Wie Deutschschweizer Kinder Hochdeutsch lernen 1998. 146 S., kt. ISBN 978-3-515-07239-7 99. Kerstin Salewski Zur Homogenität des Substandards älterer Bergleute im Ruhrgebiet 1998. XVIII, 321 S., kt. ISBN 978-3-515-07340-0 100. Wilhelm H. Vieregge Patho-Symbolphonetik Auditive Deskription pathologischer Sprache. Unter Mitarbeit von Johannes Pahn (Rostock) und Harm K. Schutte (Groningen) 1996. XIV, 239 S. mit 2 CDs in Taschen, kt.

ISBN 978-3-515-06807-9 101. Peter Seidensticker die seltzamen namen all Studien zur Überlieferung der Pflanzennamen 1997. 136 S. mit 14 Abb., kt. ISBN 978-3-515-07123-9 102. Peter Seidensticker Pflanzennamen Überlieferung – Forschungsprobleme – Studien 1999. 141 S., kt. ISBN 978-3-515-07486-5 103. Hans Gehl Kommentierte donauschwäbische Texte 1999. 226 S., kt. ISBN 978-3-515-07552-7 104. Norbert Nail / Joachim Göschel Über Jena Das Rätsel eines Ortsnamens. Alte und neue Beiträge herausgegeben und kommentiert 1999. 134 S., kt. ISBN 978-3-515-07504-6 105. Peter Wagener (Hg.) Sprachformen Deutsch und Niederdeutsch in europäischen Bezügen. Festschrift für Dieter Stellmacher zum 60. Geburtstag 1999. 374 S. und 2 Faltktn., kt. ISBN 978-3-515-07522-4 106. Angelika Braun (Hg.) Advances in Phonetics Proceedings of the International Phonetic Sciences Conference (IPS), Bellingham, WA, June 27–30, 1998 1999. VIII, 144 S., kt. ISBN 978-3-515-07655-5 107. Johannes Pahn / Antoinette LamprechtDinnesen / Annerose Keilmann / Kurt Bielfeld / Eberhard Seifert (Hg.) Sprache und Musik Beiträge der 71. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachund Stimmheilkunde e. V. in Berlin

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vom 12.–13. März 1999 2000. 190 S., kt. ISBN 978-3-515-07544-2 Beat Siebenhaar Sprachvariation, Sprachwandel und Einstellung Der Dialekt der Stadt Aarau in der Labilitätszone zwischen Zürcher und Berner Mundartraum 2000. IV, 281 S., kt. ISBN 978-3-515-07698-2 Dieter Stellmacher (Hg.) Dialektologie zwischen Tradition und Neuansätzen Beiträge der Internationalen Dialektologentagung in Göttingen vom 19.–21. Oktober 1998 2000. 437 S., kt. ISBN 978-3-515-07762-0 Volker Harm Regularitäten des semantischen Wandels bei Wahrnehmungsverben des Deutschen 2000. 247 S., kt. ISBN 978-3-515-07775-0 Hans Tyroller Grammatische Beschreibung des Zimbrischen von Lusern 2003. XII, 291 S., kt. ISBN 978-3-515-08038-5 Armin R. Bachmann Die Mundart von Eslarn in der Oberpfalz Phonologie – Morphologie – Glossar 2000. 263 S., kt. ISBN 978-3-515-07811-5 Friedhelm Sauerhoff Pflanzennamen im Vergleich Studien zur Benennungstheorie und Etymologie 2001. 432 S. mit 17 Abb., 3 Graphiken und 4 Farbtaf., geb. ISBN 978-3-515-07857-3 Claudia Mauelshagen / Jan Seifert (Hg.) Sprache und Text in Theorie und Empirie Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft. Festschrift für Wolfgang Brandt 2001. X, 230 S., kt. ISBN 978-3-515-07877-1 Rudolf Bentzinger / Damaris Nübling / Rudolf Steffens (Hg.) Sprachgeschichte – Dialektologie – Onomastik – Volkskunde

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Beiträge zum Kolloquium am 3.–4. Dezember 1999 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Wolfgang Kleiber zum 70. Geburtstag 2001. 358 S., kt. ISBN 978-3-515-07549-7 Daniela Berroth Altersbedingter Mundartgebrauch Wandel und Kontinuität in einem mittelschwäbischen Dialekt 2001. 220 S., kt. ISBN 978-3-515-07887-0 Stefan Müller-Dittloff Interferenzen des Substandards im Westmitteldeutschen am Beispiel von Idar-Oberstein Eine kontrast- und fehleranalytische Untersuchung 2001. 375 S. mit 53 Abb. und 154 Tab., kt. ISBN 978-3-515-07910-5 Angelika Braun (Hg.) Beiträge zu Linguistik und Phonetik Festschrift für Joachim Göschel zum 70. Geburtstag 2002. 463 S., geb. ISBN 978-3-515-07979-2 Gertrud Reershemius Niederdeutsch in Ostfriesland Zwischen Sprachkontakt, Sprachveränderung und Sprachwechsel 2004. 200 S., kt. ISBN 978-3-515-08571-7 Charles V. J. Russ Die Mundart von Bosco Gurin Eine synchronische und diachronische Untersuchung 2002. 223 S., kt. ISBN 978-3-515-08133-7 Angelika Braun / Herbert R. Masthoff (Hg.) Phonetics and its Applications Festschrift for Jens-Peter Köster on the Occasion of his 60th Birthday 2002. 531 S., geb. ISBN 978-3-515-08094-1 Marthe Philipp / Erich Weider sein und haben im elsasslothringischen Mundartraum Ein organisiertes Chaos 2002. 107 S., kt. ISBN 978-3-515-08182-5 Jürg Fleischer Die Syntax der Pronominaladverbien in den Dialekten des Deutschen 2003. VI, 429 S., kt.

ISBN 978-3-515-08237-2 124. Guido Seiler Präpositionale Dativmarkierung im Oberdeutschen 2003. 283 S., kt. ISBN 978-3-515-08318-8 125. Alexandra N. Lenz Struktur und Dynamik des Substandards Eine Studie zum Westmitteldeutschen (Wittlich/Eifel) 2003. 443 S. mit 167 Abb. und 86 Tab., kt. ISBN 978-3-515-08349-2 126. Maik Lehmberg (Hg.) Sprache, Sprechen, Sprichwörter Festschrift für Dieter Stellmacher zum 65. Geburtstag 2004. XXVI, 511 S., geb. ISBN 978-3-515-08459-8 127. Frederik van Eeden Logische Grundlage der Verständigung / Redekunstige grondslag van verstandhouding Niederländisch-Deutsche Paralleledition. Ins Deutsche übersetzt von Wilhelm H. Vieregge und H. Walter Schmitz. Hg., komment. und interpr. von Wilhelm H. Vieregge, H. Walter Schmitz und Jan Noordegraaf 2005. XIII, 195 S., kt. ISBN 978-3-515-08400-0 128. Alfred Lameli Standard und Substandard Regionalismen im diachronen Längsschnitt 2004. 272 S., kt. ISBN 978-3-515-08558-8 129. Elvira Glaser / Peter Ott / Rudolf Schwarzenbach (Hg.) Alemannisch im Sprachvergleich Beiträge zur 14. Arbeitstagung für alemannische Dialektologie in Männedorf (Zürich) vom 16.–18. September 2002. Unter Mitarbeit von Natascha Frey 2004. 500 S. mit 63 Abb. und 61 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-08536-6 130. Eckhard Eggers / Jürgen Erich Schmidt / Dieter Stellmacher (Hg.) Moderne Dialekte – Neue Dialektologie Akten des 1. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD) am Forschungsinstitut für deutsche Sprache „Deutscher Sprachatlas“ der Philipps-Universität Marburg vom 5.–8. März 2003

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2005. X, 775 S. mit 8 Farbktn., geb. ISBN 978-3-515-08762-9 Michiel de Vaan (Hg.) Germanic Tone Accents Proceedings of the First International Workshop on Franconian Tone Accents, Leiden, 13–14 June 2003 2006. 167 S. mit 28 Abb., 3 Farbund 8 s/w-Ktn., kt. ISBN 978-3-515-08877-0 Bruno Schweizer Zimbrische Gesamtgrammatik Vergleichende Darstellung der zimbrischen Dialekte. Hg. von James R. Dow 2008. XLIV, 972 S. mit 8 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-09053-7 Dorina Ronca-Uroš Kontrastive Phonetik Deutsch – Afrikaans Unter Mitarbeit von Anna E. Coetzee 2008. 184 S. mit 41 Abb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09191-6 Stefan Rabanus Morphologisches Minimum Distinktionen und Synkretismen im Minimalsatz hochdeutscher Dialekte 2008. 330 S. mit 1 Abb., 22 Ktn. und 102 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09242-5 Peter Ernst / Franz Patocka (Hg.) Dialektgeographie der Zukunft Akten des 2. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD) am Institut für Germanistik der Universität Wien vom 20.–23. September 2006 2008. 308 S. mit 51 Abb. und 26 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-09256-2 Melanie M. Wagner Lay linguistics and school teaching An empirical sociolinguistic study in the Moselle-Franconian dialect area 2009. 197 S., kt. ISBN 978-3-515-09323-1 Peter Zürrer Sprachkontakt in Walser Dialekten Gressoney und Issime im Aostatal (Italien) 2009. 236 S. mit 3 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-09358-3 Alexandra N. Lenz / Charlotte Gooskens / Siemon Reker (Hg.) Low Saxon Dialects across Borders / Niedersächsische Dialekte über Grenzen hinweg 2009. 366 S. mit 31 Abb., kt.

ISBN 978-3-515-09372-9 139. Peter Seidensticker Aisthesis Wahrnehmung der Farben in den Pflanzenbeschreibungen der frühen deutschen Kräuterbücher 2010. 98 S. mit 8 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09623-2 140. Helen Christen / Manuela Guntern / Ingrid Hove / Marina Petkova Hochdeutsch in aller Munde Eine empirische Untersuchung zur gesprochenen Standardsprache in der Deutschschweiz Unter Mitarbeit von Mirjeta Reçi 2010. 249 S. mit 14 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09700-0 141. Helen Christen / Sibylle Germann / Walter Haas / Nadia Montefiori / Hans Ruef (Hg.) Alemannische Dialektologie: Wege in die Zukunft Beiträge zur 16. Arbeitstagung für alemannische Dialektologie in Freiburg/Fribourg vom 07.–10.09.2008 Unter Mitarbeit von Christiane Stieger 2010. 373 S. mit 58 s/w- und 11 Farbabb., kt. ISBN 978-3-515-09827-4 142. Gerrit Appenzeller Das Niedersächsische Wörterbuch Ein Kapitel aus der Geschichte der Großlandschaftslexikografie 2011. 480 S. mit CD-ROM, geb. ISBN 978-3-515-09848-9 143. Alexander Werth Perzeptionsphonologische Grundlagen der Prosodie Eine Analyse der mittelfränkischen Tonakzentdistinktion 2011. 297 S. mit 89 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09862-5 144. Elvira Glaser / Jürgen Erich Schmidt / Natascha Frey (Hg.) Dynamik des Dialekts – Wandel und Variation Akten des 3. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD) 2011. 365 S. mit 13 s/w- und 7 Farbabb., kt. ISBN 978-3-515-09900-4 145. Elisabeth Knipf-Komlósi Wandel im Wortschatz der Minderheitensprache Am Beispiel des Deutschen in Ungarn 2011. 293 S. mit 6 Abb. und 13 Tab., kt.

ISBN 978-3-515-09930-1 146. Tom F. H. Smits Strukturwandel in Grenzdialekten Die Konsolidierung der niederländischdeutschen Staatsgrenze als Dialektgrenze 2011. 360 S. mit 27 Abb. und 221 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09946-2 147. Cristian Kollmann Grammatik der Mundart von Laurein Eine Laut- und Formenlehre aus synchroner, diachroner und kontrastiver Sicht 2012. 386 S., kt. ISBN 978-3-515-09944-8 148. Tobias Streck Phonologischer Wandel im Konsonantismus der alemannischen Dialekte Baden-Württembergs Sprachatlasvergleich, Spontansprache und dialektometrische Studien 2012. 471 S. mit 144 Abb., 12 Tab. und 11 Kunstdrucktafeln ISBN 978-3-515-10068-7 149. Christoph Purschke Regionalsprache und Hörerurteil Grundzüge einer perzeptiven Variationslinguistik 2011. 364 S. mit 53 s/w- und 30 Farbabb., 47 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09927-1 150. Agnes Kolmer Pronomen und Pronominalklitika im Cimbro Untersuchungen zum grammatischen Wandel einer deutschen Minderheitensprache in romanischer Umgebung 2012. 253 S. mit 20 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10151-6 151. John Bellamy Language Attitudes in England and Austria A Sociolinguistic Investigation into Perceptions of High and Low-Prestige Varieties in Manchester and Vienna 2012. 245 S. mit 62 Abb. und 78 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10272-8 152. Roland Kehrein Regionalsprachliche Spektren im Raum Zur linguistischen Struktur der Vertikale 2012. 389 S. mit 67 s/w- und 7 Farbabb., 40 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10273-5

Die Sprache, die in der informellen Kommunikation im Alltag verwendet wird, ist im Rheinland – wie in einem Großteil des deutschen Sprachgebiets – zumeist weder der Dialekt noch das Standarddeutsche, sondern etwas dazwischen. Die Frage, wie dieser „mittlere Bereich“ organisiert ist, ob sich eine intermediäre Varietät gebildet hat (oder mehrere), ob die Wahlmöglichkeiten der Sprecher in anderer Weise eingeschränkt sind oder ob es sich im Wesentlichen um eine schwankende Mischung aus Dialekt- und Standardelementen handelt, ist von Sprechern und

ISBN 978-3-515-10122-6

Forschern unterschiedlich beantwortet worden. Diese Arbeit folgt nun einem bislang vernachlässigten Ansatz: Im Zentrum steht die Untersuchung von Kookkurrenzregularitäten. In einem Korpus aus familiären Gesprächen wird untersucht, welche Kombinationen dialektaler und standardsprachlicher Elemente innerhalb von Wörtern und von Sätzen vorkommen bzw. nicht vorkommen. So ergibt sich ein Gesamtbild, in dem sich die scheinbaren Widersprüche (Kontinuum vs. DialektHochdeutsch-Dichotomie) klären.

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