Erklärung und Wille: Habilitationsschrift 9783161581854, 9783161581861, 3161581857

Katharina de la Durantaye entwirft eine objektive Theorie des Rechtsgeschäfts. Sie belegt, dass das BGB beim Tatbestand

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German Pages 389 [408] Year 2020

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil 1: Mechanismen zur Willensübereinstimmung
§ 1 Ökonomische Parameter in der Rechtsgeschäftslehre
A. Einleitung
B. Herstellung von Allokationseffizienz
C. Senkung von Transaktionskosten
D. Überwindung ineffizienter Informationsasymmetrien
E. Grundsatz der Risikoverteilung
F. Korrekturbedarf wegen begrenzter Rationalität der Akteure?
§ 2 Tatbestand der Willenserklärung
A. Einleitung
B. Willens- und Erklärungstheorie im 19. Jahrhundert
I. Willenstheorie
II. Erklärungstheorie
C. Die Willenserklärung im BGB
D. Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung
I. Die historische Entwicklung der Dreiteilung des subjektiven Tatbestands
II. Der heutige Stand der Diskussion
III. Kritik
E. Objektive Theorie der Willenserklärung
I. Grundsatz
II. Vorrang einer subjektiven Willensübereinstimmung
§ 3 Auslegung von Willenserklärungen
A. Gesetzliche Grundlagen
I. Auslegung von Willenserklärungen
II. Auslegung von Verträgen
B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden
I. Subjektive Auslegung
1. Innerer Wille
2. Verständnis des Erklärenden
3. Kritik
II. Objektive Auslegung
1. Maßgebliche Perspektive
a) Der konkrete Empfänger
b) Der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer
c) Objektive Theorie der Auslegung
aa) Der idealtypische Empfänger
(1) Unterdurchschnittliche Kenntnisse
(2) Sonderwissen
(3) Kognitive Fähigkeiten
bb) Auslegungsmaterial
cc) Auslegungssorgfalt
2. Treu und Glauben und Verkehrssitte
a) Treu und Glauben
aa) Auslegungsziele
(1) Gebot der interessengerechten Auslegung
(2) Überindividuelle Ziele
bb) Zweifelsregeln
b) Verkehrssitte
aa) Abgrenzung
bb) Voraussetzungen und Wirkung
cc) Ökonomische Bewertung
C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander
I. §§ 133, 157 BGB als Ausgangspunkt
II. Herkömmliche Ansicht: Stufenverhältnis der Auslegungsmethoden
1. Übereinstimmender Wille
2. Übereinstimmendes Verständnis
III. Objektive Theorie der Auslegung
1. Übereinstimmender Wille
2. Übereinstimmendes Verständnis
3. Objektive Auslegung als Grundsatz
§ 4 Schweigen als Willenserklärung
A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen
I. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen
II. Schweigen
1. Gesetzlich geregelte Fallgruppen im BGB
a) Annahme
b) (Verweigerung der) Genehmigung
c) Vertragsverlängerung und Vergütungsvereinbarung
2. Ausgewählte handelsrechtliche Fälle
a) Geschäftsbesorgung
b) Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens
c) „Treu und Glauben“
B. Dogmatische Einordnung
I. Schweigen als „Nicht-Willenserklärung“
1. Fiktion
2. Gesetzeswirkung
3. Vertrauensprinzip
4. Pflicht- bzw. Obliegenheitsverletzung
5. Kontrahierungszwang
II. Objektive Theorie der Willenserklärung
1. Grundsätze des Schweigens als Willenserklärung
a) Ökonomische Vorüberlegungen
b) Auslegung des Schweigens
2. Einzelfragen
a) Handlungs- bzw. Unterlassungswille
b) Geschäftsfähigkeit
c) Zugang
d) Anfechtung
C. Ausprägungen in Gesetz und Gewohnheitsrecht
I. Konstitutive Anordnungen des Gesetzes
II. Deklaratorische Nachzeichnung des Auslegungsergebnisses
1. Bezugspunkt
2. Inhalt der Erklärung durch Schweigen
a) Billigung
aa) Vorverhalten des Schweigenden
(1) Kaufmännische Geschäftsbesorgung
(2) „Treu und Glauben“
(3) Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens
(4) Kauf auf Probe
bb) Natur des Rechtsgeschäfts
(1) Schenkung
(2) Übernahme einer Hypothekenschuld
b) Ablehnung
aa) Schuldnervertragliche Schuldübernahme
bb) Gesetzliche und gewillkürte Stellvertretung
c) Vereinbarung des Verkehrsüblichen
§ 5 Gewillkürte Stellvertretung
A. Funktion und Entwicklung der gewillkürten Stellvertretung
B. Grundsätze des Stellvertretungsrechts nach herkömmlicher Ansicht
I. Repräsentation
II. Offenlegung
III. Trennung und Abstraktion
C. Objektive Theorie der Stellvertretung
I. Objektive Legitimation
II. Abstraktion zwischen Innen- und Außenverhältnis
III. Vorrang der subjektiven Willensübereinstimmung
D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle
I. Vertretungswille und Folgen seines Fehlens
1. Herkömmliche Ansichten
a) Relevanz des Vertretungswillens
b) Irrelevanz des Vertretungswillens
2. Objektive Theorie der Stellvertretung
II. Erteilung, Umfang und Bestand der Vertretungsmacht
1. Erteilung
a) Herkömmliche Ansicht
b) Objektive Theorie der Stellvertretung
2. Umfang
a) Herkömmliche Ansicht
b) Objektive Theorie der Stellvertretung
3. Bestand
a) Erlöschen
b) Unwirksamkeit
III. Missbrauch der Vertretungsmacht
1. Herkömmliche Ansicht
2. Objektive Theorie der Stellvertretung
IV. Fortbestand der Vertretungsmacht
1. Herkömmliche Ansichten
a) Rechtsscheinvollmacht
b) Rechtsgeschäftstheorie
c) Risikoübernahme
2. Objektive Theorie der Stellvertretung
V. Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht
1. Herkömmliche Ansichten
a) Rechtsgeschäftstheorie
b) Rechtsscheintheorie
c) Risikoübernahme
2. Objektive Theorie der Stellvertretung
VI. Anfechtung
1. Herkömmliche Ansicht
2. Objektive Theorie der Stellvertretung
Teil 2: Mechanismen der Korrektur
§ 6 Ökonomischer Hintergrund
A. Bedürfnis für Korrektur
I. Imperfektes Verhalten der Marktteilnehmer
II. Diskrepanz zwischen Erklärungswert und Präferenz
1. Keine objektive Erkennbarkeit der Präferenz
2. Keine subjektive Willensübereinstimmung
B. Gesetzlich geregelte Fallgruppen der Diskrepanz
I. Bewusste Diskrepanz
1. Erkannter innerer Vorbehalt
2. Scherzerklärung
II. Unbewusste Diskrepanz
C. Präferenzbeziehungen als Maßstab der Korrektur
I. Allokationseffizienz durch Anfechtung
II. Entscheidungsverhalten der Marktteilnehmer
III. Präferenzbeziehungen
1. Beziehungsangaben
2. Indifferenzkurven
3. Nutzenfunktion
IV. Anwendung auf Irrtumsfälle
D. Anfechtbarkeit als effizienter Korrekturmechanismus
I. Vergleich mit alternativen Korrekturmechanismen
1. Anfechtungsklage
2. Unwirksamkeit ipso iure
3. „Unverbindlichkeit“
II. Wirksamkeit als Grundsatz
§ 7 Fehler bei der Äußerung der Präferenz
A. Einleitung
B. Erklärungsirrtum
C. Inhaltsirrtum
I. Unterschriftsirrtum
II. Rechtsfolgenirrtum
D. Fehlendes Erklärungs- oder Handlungsbewusstsein
E. Kalkulationsirrtum
I. Vorrang der Auslegung
II. Beiderseitiges Risikogeschäft
III. Einseitiger Kalkulationsirrtum
§ 8 Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung
A. Gesetzliche Grundlage
B. Stand der Diskussion
C. Objektive Theorie der Anfechtung
I. Vorrang der Auslegung
II. Eigenschaftsirrtum und Präferenzordnung
D. Folgen für die Beurteilung strittiger Fälle
I. Wertirrtum
II. Irrtum über die eigene Leistung
1. Kenntnisnahme nach Vertragsschluss
2. Kenntnis bei Vertragsschluss
III. Irrtum über „künftige Eigenschaften“
IV. Irrtum über die Kreditwürdigkeit
Thesen der Arbeit
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Erklärung und Wille: Habilitationsschrift
 9783161581854, 9783161581861, 3161581857

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I

JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 241

II

III

Katharina de la Durantaye

Erklärung und Wille

Mohr Siebeck

IV Katharina de la Durantaye, geboren 1975; Studium der Rechtswissenschaften in Düsseldorf und Berlin; 2003 Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin; 2005 LL.M.-Studium an der Yale Law School; 2005–2010 (Gast‑)Professuren an der Boston University School of Law, der Columbia Law School und der St. John’s University School of Law; 2010–2018 Juniorprofessur an der Humboldt-Universität zu Berlin; seit 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Privates Medienrecht an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).

Gedruckt mit Unterstützung der ius vivum Stiftung, Kiel, und der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung, Hamburg. ISBN 978-3-16-158185-4 / eISBN 978-3-16-158186-1 DOI 10.1628/978-3-16-158186-1 ISSN 0940-9610 / eISSN 2568-8472 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nati­o­nal­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Computersatz Staiger in Rottenburg/N. aus der Stempel-Garamond gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

V

Für Kck

VI

VII

Vorwort Diese Arbeit lag der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Sommersemester 2018 als Habilitationsschrift vor. Später erschienene Rechtsprechung und Literatur konnte größtenteils noch in den Fußnoten berücksichtigt werden. Entstanden ist die Schrift während meiner Zeit als Juniorprofessorin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Mein besonderer Dank gilt Christoph G. ­Paulus für die Betreuung der Arbeit und für seine Freundschaft und Reinhard Singer für wertvolle Anregungen sowie für die Erstellung des Zweitgutachtens. Für ihren Rat während der Habilitationsphase danke ich außerdem Martin ­Eifert, Axel Metzger und Gerhard Wagner. Meine ehemaligen und aktuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle direkt oder indirekt zum Gelingen der Habilitation beigetragen. Dafür und für ihre positive Energie bedanke ich mich herzlich bei Margarita Alexejewa, Jen­nifer Borrmann, Patrick Bladosz, Leane Böhm, David Boss, M ­ arcel Breite, Laura Canadilla Pardo, Niclas Düstersiek, Heike Fach, Sebastian J. Golla, J­ udith Hackmack, Carl Jakob Haller, Tom Hirche, Stella Hornbostel, Katarzyna Jaloszewska, J­ onas Kahl, Eva-Marie König, Leonhard Kreuzer, Céline Mercedes Lalé, Arend Liese, Felix Loth, Benjamin Lück, Cristina Martín Asensio, Rebecca Meyer, Johanna Müller de Oviedo, Patrick Neu, Christopher ­Poschen, Ilona Prodeus, Jule Rothe, Simon Scharf, Sophie Seulberger, Daniel Stracke, Sebastian Theß, Theresa Tschenker, Maximilian Vonthien und Alexander Weiß. Der größte Dank gebührt Linda Kuschel und Sven Asmussen – sie haben das Projekt maßgeblich unterstützt. David Paulus danke ich, dass er einen Teil der Arbeit mit hilfreichen Anmerkungen versehen hat. Die ius vivum Stiftung sowie die Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung haben die Drucklegung des Buches durch eine großzügige Förderung ermöglicht; dafür bin ich dankbar. Von ganzem Herzen danke ich schließlich meiner Familie und meinen Freunden – für ihre Unterstützung, ihre Langmut, ihre Warmherzigkeit und ihren Humor. Berlin, im Juli 2019

Katharina de la Durantaye

VIII

IX

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   XI

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    1 Teil 1:

Mechanismen zur Willensübereinstimmung § 1  Ökonomische Parameter in der Rechtsgeschäftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . .    9 § 2  Tatbestand der Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   23 § 3  Auslegung von Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   57 § 4  Schweigen als Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  119 § 5  Gewillkürte Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  187 Teil 2:

Mechanismen der Korrektur § 6  Ökonomischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  249 § 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  289 § 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  317

Thesen der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  345 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  353 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  387

X

XI

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  IX

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   1 Teil 1:

Mechanismen zur Willensübereinstimmung § 1  Ökonomische Parameter in der Rechtsgeschäftslehre . . . . . . . . . . . . . .

  9

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   9 B. Herstellung von Allokationseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   9 C. Senkung von Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  13 D. Überwindung ineffizienter Informationsasymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . .  16 E. Grundsatz der Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  17 F. Korrekturbedarf wegen begrenzter Rationalität der Akteure? . . . . . . . . . .  19

§ 2  Tatbestand der Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 23

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  23 B. Willens- und Erklärungstheorie im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25 I. Willenstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25 II. Erklärungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  28 C. Die Willenserklärung im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  30

XII

Inhaltsverzeichnis

D. Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  33 I. Die historische Entwicklung der Dreiteilung des subjektiven Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  33 II. Der heutige Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  35 III. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  37 E. Objektive Theorie der Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  42 I. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  42 II. Vorrang einer subjektiven Willensübereinstimmung . . . . . . . . . . . . .  48

§ 3  Auslegung von Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 57

A. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  57

I. Auslegung von Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  57

II. Auslegung von Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  60 B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  62 I. Subjektive Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innerer Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verständnis des Erklärenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 63  63  64  65

II. Objektive Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  66 1. Maßgebliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  67 a) Der konkrete Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Objektive Theorie der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der idealtypische Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unterdurchschnittliche Kenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sonderwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kognitive Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auslegungsmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auslegungssorgfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 69  73  75  75  76  76  80  81  82

2. Treu und Glauben und Verkehrssitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  87 a) Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auslegungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gebot der interessengerechten Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . (2) Überindividuelle Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweifelsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verkehrssitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Voraussetzungen und Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ökonomische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 87  88  88  88  90  92  93  94  97

Inhaltsverzeichnis

XIII

C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  100 I. §§ 133, 157 BGB als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  101 II. Herkömmliche Ansicht: Stufenverhältnis der Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  103 1. Übereinstimmender Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   105 2. Übereinstimmendes Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  107 III.

Objektive Theorie der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übereinstimmender Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übereinstimmendes Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Objektive Auslegung als Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 4  Schweigen als Willenserklärung

 110  111  114   115

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  119

A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen . .  119

I. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen . . . . . . . . . . .  121

II. Schweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  126 1. Gesetzlich geregelte Fallgruppen im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  127 a) Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  128 b) (Verweigerung der) Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  130 c) Vertragsverlängerung und Vergütungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . .  133

2. Ausgewählte handelsrechtliche Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  133 a) Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  133 b) Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens . . . . . . . .  135 c) „Treu und Glauben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  137

B. Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  138 I. Schweigen als „Nicht-Willenserklärung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzeswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertrauensprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflicht- bzw. Obliegenheitsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 138  139  143  146  149  151

II. Objektive Theorie der Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  152 1. Grundsätze des Schweigens als Willenserklärung . . . . . . . . . . . .  152

a) Ökonomische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  153 b) Auslegung des Schweigens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  154

Inhaltsverzeichnis

XIV

2. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  161

a) Handlungs- bzw. Unterlassungswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 161  163  164  165

C. Ausprägungen in Gesetz und Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  170

I. Konstitutive Anordnungen des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  170

II. Deklaratorische Nachzeichnung des Auslegungsergebnisses . . . .  171 1. Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  172 2. Inhalt der Erklärung durch Schweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  173 a) Billigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorverhalten des Schweigenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kaufmännische Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) „Treu und Glauben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens . . (3) (4) Kauf auf Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Natur des Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Übernahme einer Hypothekenschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schuldnervertragliche Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzliche und gewillkürte Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . c) Vereinbarung des Verkehrsüblichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

 173  173  174  176  178  181  181  181  182  183  183  183  184

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  187

A. Funktion und Entwicklung der gewillkürten Stellvertretung . . . . . . . . . .  187 B. Grundsätze des Stellvertretungsrechts nach herkömmlicher Ansicht . . .  189 I. Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  190 II. Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  191 III. Trennung und Abstraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  193 C. Objektive Theorie der Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  195

I. Objektive Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  196

II. Abstraktion zwischen Innen- und Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . .  201 III. Vorrang der subjektiven Willensübereinstimmung . . . . . . . . . . . . . .  204

Inhaltsverzeichnis

XV

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  205 I. Vertretungswille und Folgen seines Fehlens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  206 1. Herkömmliche Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  206

a) Relevanz des Vertretungswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  206 b) Irrelevanz des Vertretungswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  207

2. Objektive Theorie der Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  209 II. Erteilung, Umfang und Bestand der Vertretungsmacht . . . . . . . . .  210 1. Erteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  210

a) Herkömmliche Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  211 b) Objektive Theorie der Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  212

2. Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  214

a) Herkömmliche Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  214 b) Objektive Theorie der Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  215

3. Bestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  216 a) Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  216 b) Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  217 III. Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  219 1. Herkömmliche Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  219 2. Objektive Theorie der Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  222 IV. Fortbestand der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  223 1. Herkömmliche Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  224 a) Rechtsscheinvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  224 b) Rechtsgeschäftstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  226 c) Risikoübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  228

2. Objektive Theorie der Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  229 V. Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . .  231 1. Herkömmliche Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  233 a) Rechtsgeschäftstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  233 b) Rechtsscheintheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  236 c) Risikoübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  238

2. Objektive Theorie der Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  239 VI. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  241 1. Herkömmliche Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  241 2. Objektive Theorie der Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  243

XVI

Inhaltsverzeichnis

Teil 2:

Mechanismen der Korrektur § 6  Ökonomischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 249

A. Bedürfnis für Korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  249

I. Imperfektes Verhalten der Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   250

II. Diskrepanz zwischen Erklärungswert und Präferenz . . . . . . . . . . .  252 1. Keine objektive Erkennbarkeit der Präferenz . . . . . . . . . . . . . . . .  252 2. Keine subjektive Willensübereinstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . .  253 B. Gesetzlich geregelte Fallgruppen der Diskrepanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  254 I. Bewusste Diskrepanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   255 1. Erkannter innerer Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  255 2. Scherzerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  258 II. Unbewusste Diskrepanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  263 C. Präferenzbeziehungen als Maßstab der Korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  268

I. Allokationseffizienz durch Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  268

II. Entscheidungsverhalten der Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . .  270 III. Präferenzbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  273 1. Beziehungsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  273 2. Indifferenzkurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  273 3. Nutzenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  277 IV. Anwendung auf Irrtumsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  278 D. Anfechtbarkeit als effizienter Korrekturmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . .  280 I. Vergleich mit alternativen Korrekturmechanismen . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfechtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unwirksamkeit ipso iure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Unverbindlichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 282  282  283  286

II. Wirksamkeit als Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  287

§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 289

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  289 B. Erklärungsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  289

Inhaltsverzeichnis

XVII

C. Inhaltsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  294 I. Unterschriftsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  296 II. Rechtsfolgenirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  297 D. Fehlendes Erklärungs- oder Handlungsbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . .  304 E. Kalkulationsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  307

I. Vorrang der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  307

II. Beiderseitiges Risikogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  308 III. Einseitiger Kalkulationsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  309

§ 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung

. . . . . . . . . . . . . . . . .  317

A. Gesetzliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  317 B. Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  318 C. Objektive Theorie der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  320

I. Vorrang der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  320

II. Eigenschaftsirrtum und Präferenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  323 D. Folgen für die Beurteilung strittiger Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  330 I. Wertirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  330 II. Irrtum über die eigene Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  334 1. Kenntnisnahme nach Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  334 2. Kenntnis bei Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  338 III. Irrtum über „künftige Eigenschaften“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  339 IV. Irrtum über die Kreditwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  341

Thesen der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  345 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  353 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  387

XVIII

1

Einleitung A. These Seit dem 19. Jahrhundert wird darüber gestritten, ob „der Wille an sich als das einzig Wichtige und Wirksame gedacht werden“ muss,1 oder „ob die Sicherheit des Verkehrs [verlangt], dass jeder Theil auf die vom Gegner gebrauchten Worte bauen könne, dass er in seiner Erwartung nicht getäuscht werde durch den Nachweis eines anderen Willens als derjenige ist, welcher von ihm verständiger Weise aus der Äußerung entnommen werden durfte.“2 Auch heute werden Privatautonomie – insbesondere Vertragsfreiheit – und Verkehrsschutz oft als Antipoden verstanden, die als „konfligierende Prinzipien gegeneinander abgewogen werden müssen“.3 So wird etwa bei der Frage, ob, wann und auf welche Weise die Vertragsfreiheit eingeschränkt werden soll, der Verkehrsschutz regelmäßig als Argument angeführt. Dieser Arbeit liegt die These zugrunde, dass Vertragsfreiheit und Verkehrsschutz nicht grundsätzlich konfligieren. Auch Rechtsgeschäft und Vertrauenshaftung sowie Selbstbestimmung und Selbstverantwortung stellen damit keine Gegensatzpaare dar.4 Vielmehr verhelfen Regelungen, die dem Verkehrsschutz dienen, der Vertragsfreiheit zur Geltung. Zugleich trägt die Vertragsfreiheit in ihrem Kern der Tatsache Rechnung, dass Parteien eines schuldrechtlichen Vertrages Teil des Wirtschaftsverkehrs sind.5 Die Regelungen zu Rechtsgeschäften (§§ 104–185 BGB) stellen in wesentlichen Punkten nicht auf den subjektiven Willen von Erklärendem bzw. Erklärungsempfänger ab.6 Sie geben einen objektiven Maßstab vor: Maßgeblich ist etwa, wie ein durchschnittlich informierter, rationaler Teilnehmer des betreffenden Verkehrskreises eine Erklärung, ein Tun oder Unterlassen üblicherweise 1 

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 258. Regelsberger, Civilrechtliche Erörterungen, Erstes Heft, 1868, S. 17. 3  G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 424. Vgl. auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 1 7 S. 10. 4  Vgl. auch Grundmann, FS 200 Jahre Jur. Fak. HU Berlin, 2010, S. 1015, 1043. 5  Hierzu nur Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. I, 1906, S. 535. Nach C. Paulus, FS Gero Fischer, 2008, S. 445, 451 f. hängen Rechtssicherheit im geschäftlichen Verkehr und Privatautonomie „voneinander ab wie der Wasserpegel in einer kommunizierenden Röhre.“ 6  Alle Personenbezeichnungen in dieser Arbeit sind geschlechtsneutral zu verstehen. 2 

2

Einleitung

versteht. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Rechtsanwender vergleichsweise kostengünstig ermitteln und beweisen. Sind objektive Kriterien maßgeblich, privilegiert die Rechtsgeschäftslehre außerdem denjenigen, der sein Verhalten an Gepflogenheiten ausrichtet. Damit fördert sie Standardisierung, hält Vertragsabschlusskosten niedrig und trägt „Kontinuitätserwartungen [Rechnung], die ohne Reflexion wie feste Gleitschienen dem täglichen Erleben zugrunde gelegt werden“.7 Überdies setzt sie Anreize für Verkehrsteilnehmer sich so auszudrücken, dass sich der objektiv verstandene Inhalt des Erklärten mit dem subjektiv Gewollten deckt. Die Maßgeblichkeit objektiver Kriterien dient also zugleich der Erreichung subjektiver Ziele. Sie fördert den Abschluss von Verträgen, die den Präferenzen der Parteien entsprechen und darum Bestand haben. Rückabwicklungskosten werden vermieden. Die subjektive Willensübereinstimmung ist denn auch das Ziel des Gesetzes. Die Verwendung objektiver Kriterien stellt keinen Selbstzweck dar. Der objektive Erklärungsgehalt etwa gilt nicht absolut, sondern lediglich grundsätzlich. Soll eine Erklärung, ein Tun oder Unterlassen eine andere Bedeutung haben als ihr üblicherweise zukommt, und besteht hierüber Einigkeit zwischen den Parteien, ist das gemeinsam Gewollte vereinbart. Dadurch wird sichergestellt, dass Parteien nicht in ein Rechtsgeschäft gezwungen werden, das den Nutzen für beide Seiten nicht oder wenigstens nicht in gleicher Weise vergrößert wie jenes, das sie übereinstimmend wollen.8

B. Gang der Untersuchung Im ersten Teil der Arbeit werden diese Mechanismen in Kernbereichen der Rechtsgeschäftslehre analysiert. Nach einer Darstellung der einschlägigen ökonomischen Parameter (§ 1) wird zunächst der Tatbestand der Willenserklärung untersucht (§ 2). An der Frage, ob und – wenn ja – über welche subjektiven Tatbestandsmerkmale die Willenserklärung verfügt, hat sich der Streit zwischen Willens- und Erklärungstheorie im 19. Jahrhundert entzündet. Für die Entscheidung über die Existenz einer Willenserklärung ist der objektive Erklärungsgehalt maßgeblich zu berücksichtigen. Die Regelungen über Willenserklärungen beinhalten dadurch ein erzieherisches Element; Schmidt-Salzer spricht von einem „sozialpsychologische[n] Anreiz zu sorgfältigem Verhalten

7 

Luhmann, Vertrauen, 1968, S. 22. Der Arbeit liegt mithin eine andere Konzeption des Vertragsrechts zu Grunde als jene der legal realists, die Barnett, 15 Harv. J. L. & Pub. Pol’y 783 (1992) prägnant zusammenfasst: „the substance of contract law has little to do with consent“. 8 

B. Gang der Untersuchung

3

im rechtsgeschäftlichen Verkehr“.9 Die Regelungen halten Verkehrsteilnehmer an, sich möglichst eindeutig auszudrücken und sich Zeichen zu bedienen, die für das betreffende Rechtsgeschäft geläufig sind – sie fördern und festigen Verhaltensstandards. Zugleich schaffen sie dadurch Anreize für Verkehrsteilnehmer sicherzustellen, dass das objektiv Erklärte ihren subjektiven Präferenzen entspricht. Der Streit zwischen Willens- und Erklärungstheorie lebt auch in den Ansichten über die Auslegung von Willenserklärungen fort (§ 3). Auch hier spornt die Anwendung objektiver Maßstäbe den Erklärenden dazu an, „denkbare Missverständnisse der Gegenseite zu antizipieren und im eigenen Interesse sicherzustellen, dass das, was der Gegner verstehen darf und muss, das ist, was der Erklärende wirklich will.“10 Weil entscheidend ist, was der Erklärungsempfänger „verstehen darf und muss“, hält die Auslegung nach objektiven Maßstäben auch ihn zu Achtsamkeit an. Mehr noch, sie schafft Anreize, sich bereits beim Betreten eines Verkehrskreises über die dort geltenden Gewohnheiten zu informieren und sich ihnen entsprechend zu verhalten. Beide Aspekte klingen bei Regelsberger an: „Man verlangt von jedem, welcher freiwillig in Rechtsverhältnisse tritt, daß er die Fassungskraft und die Vorsicht eines verständigen und überlegten Mannes besitze, und nimmt ihm die Folgen der Thorheit oder Nachlässigkeit in der Auslegung der gegnerischen Erklärung nicht ab.“11

Weil die Wirksamkeit von Willenserklärungen grundsätzlich nicht die Einhaltung einer bestimmten Form erfordert, kann auch Schweigen unter bestimmten Voraussetzungen eine Willenserklärung darstellen (§ 4). Ob dies der Fall ist, ist wiederum durch Auslegung aus Sicht eines objektiven Empfängers zu ermitteln; in der Regel müssen dafür besondere Umstände vorliegen, etwa ein Bezugspunkt und ein bestimmtes Vorverhalten des Schweigenden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, können Verkehrsteilnehmer ein Rechtsgeschäft ohne den Einsatz weiterer Erklärungskosten annehmen, ablehnen oder mit einem bestimmten Inhalt versehen. Sie müssen sich nur dann ausdrücklich äußern, wenn sich ihr Wille von dem eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers unter den gegebenen Umständen unterscheidet. Wie beim Schweigen mit Erklärungswert, das sie als „gesetzlich fingierte Willenserklärung“,12 „unechte Willenserklärung“13 oder „Nicht-‚Willenserklä-

 9  Schmidt-Salzer, JR 1969, 281, 288. Nach ihm verringere dieser Anreiz die „mit der Anerkennung der Formfreiheit verbundenen Gefahren der Verkehrsstörungen.“ 10  Leenen, JuS 2008, 577, 580. 11  Regelsberger, Civilrechtliche Erörterungen, Erstes Heft, 1868, S. 22. 12 MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, Vor § 116 Rn. 12. Vgl. auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 575 Fn. 12. 13  Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 945.

4

Einleitung

rung‘“14 wertet, operiert die herkömmliche Ansicht bei der gewillkürten Stellvertretung (§ 5) mit Fiktionen. Sie bedient sich dieser um zu erklären, warum der Vertreter unter bestimmten Umständen auch dann, wenn er nicht, nicht mehr oder so nicht bevollmächtigt ist, über Vertretungsmacht verfügt. Ein Rückgriff auf Fiktionen ist entbehrlich, wenn von vornherein auf objektive Merkmale abgestellt wird. Dann ist stets und nicht erst nach Feststellung fehlender Vollmacht maßgeblich, wie sich das Handeln des Vertreters aus Sicht des Geschäftspartners darstellt, ob es sich also für einen objektiven Empfänger – und aufgrund eines kausalen Beitrags des Vertretenen – so liest, als habe der Vertretene den Vertreter zur Abgabe von dessen Erklärung ermächtigt. Der Vertretene wird dadurch dazu angehalten, seinen Willen, rechtsgeschäftlich durch einen anderen vertreten zu werden, objektiv erkennbar nach außen zu manifestieren. Für den Geschäftspartner erübrigt sich die (kostenintensive) Erforschung des Innenverhältnisses zwischen Vertreter und Vertretenem. Der zweite Teil der Arbeit ist den Korrekturmechanismen gewidmet, welche die Rechtsgeschäftslehre unter bestimmten Voraussetzungen zur Verfügung stellt, wenn der objektive Gehalt des Erklärten den Präferenzen einer Partei widerspricht, also für sie nicht nutzenmaximierend ist. Zunächst wird untersucht, unter welchen Voraussetzungen eine Korrektur ökonomisch angezeigt ist und welcher Korrekturmechanismus sich unter Effizienzgesichtspunkten am ehesten anbietet (§ 6). Dabei zeigt sich, dass die Regeln zur Irrtumsanfechtung gem. §§ 119, 122 BGB dann, wenn sie als Entscheidungsproblem verstanden werden, ein aus ökonomischer Sicht stringentes System darstellen, in dem auch Fälle Platz finden, die nach herkömmlicher Herangehensweise Probleme bereiten, etwa die Einordnung von Kalkulationsirrtümern oder die Abgrenzung von Motiv- und Eigenschaftsirrtümern. Ein Recht zur Anfechtung wegen Irrtums besteht zunächst einmal (§ 119 Abs. 1 BGB), wenn subjektiv gewollter und durch Auslegung ermittelter Erklärungsinhalt unbewusst auseinanderfallen (§ 7). Der Erklärende hat dann seine Präferenz fehlerfrei gebildet. Ihm ist aber bei der Äußerung seiner Präferenz ein Fehler unterlaufen, weil er ein Erklärungszeichen gewählt hat, das – ihm unbewusst – seine Präferenz nicht oder nur fehlerhaft zum Ausdruck bringt, oder weil er sich versehentlich eines anderen Erklärungszeichens bedient hat als geplant. Bei § 119 Abs. 2 BGB liegt der Fehler auf einer früheren Stufe: Der Erklärende hat sich bei der Verortung des Geschäftsgegenstands oder des Geschäftspartners auf der Präferenzkurve geirrt (§ 8). Dieser Fehler ist insbesondere vom Motivirrtum abzugrenzen. Letzterer ist dem Eigenschaftsirrtum noch weiter vorgelagert; beim Motivirrtum irrt der Erklärende über subjektive Faktoren, welche für die ordinale Reihung der Eigenschaften des Geschäftsgegenstands 14 

Bickel, Die Methoden der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, 1976, S. 131 f.

D. Methode

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oder Geschäftspartners und also für die Bildung der Präferenzordnung des Erklärenden maßgeblich sind. Beispielsweise betrifft sein Irrtum die geplante Verwendung des Geschäftsgegenstands. Derartige Irrtümer beziehen sich auf die „Wertungsgrundlage“ des Erklärenden.15 Diese ist, weil subjektiv, der Beurteilung durch das Recht entzogen.

C. Abgrenzung Gegenstand der Arbeit sind die Regelungen zum Abschluss von Rechtsgeschäften zwischen Partnern, welche die Voraussetzungen für eine Teilnahme am Rechtsverkehr erfüllen. Nicht betrachtet werden daher Zugangsvoraussetzungen wie etwa die Geschäftsfähigkeit. Auch Fragen materialer Art, etwa solche der Vertragsgerechtigkeit, bleiben außen vor. Nicht behandelt werden also beispielsweise Normen verbraucherrechtlicher Natur, insbesondere die Verbraucherwiderrufsrechte. Das AGB-Recht spielt ebenfalls nur eine marginale Rolle. Lediglich am Rande untersucht werden überdies Mechanismen zur Lückenfüllung bzw. zur heteronomen Korrektur. Dazu zählen etwa die ergänzende Vertragsauslegung und die Umdeutung sowie die Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit oder wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot.

D. Methode Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der dogmatischen Analyse.16 In gewissem Umfang schließt dies rechtshistorische Betrachtungen ein. Die zum Untersuchungsgegenstand geführten Diskussionen haben ihren Ursprung in dem bereits erwähnten Streit, den Vertreter der Willens- und der Erklärungstheorie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geführt haben. Eine besondere Bedeutung kommt überdies der Rechtsökonomik zu.17 Bislang wurden nur einzelne Aspekte des Rechts der Willenserklärungen – vorwiegend die Regeln über die Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung sowie wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Geschäfts15 

Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 215. Begriff und Funktion der Rechtsdogmatik vgl. nur Ballerstedt, FS Flume, Bd. I, 1978, S. 257 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 45 ff.; Häsemeyer, FS Schapp, 2010, S. 241 ff.; Jansen, ZeuP 2005, 750 ff.; Schuhr, Rechtsdogmatik als Wissenschaft, 2007, S. 23 ff.; Stürner, JZ 2012, 10 ff. sowie die in Lobinger/Piekenbrock/Stoffels (Hrsg.), Zur Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, 2014 versammelten Beiträge. 17  Zum Verhältnis von Recht und Ökonomik vgl. nur Klöhn in: Diedrich/Heilemann (Hrsg.), Ökonomisierung der Wissensgesellschaft, 2011, S. 455 ff. 16  Zu

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Einleitung

partners oder Gegenstands (§§ 123, 119 Abs. 2 BGB) – ökonomisch analysiert.18 Eine grundsätzlichere rechtsökonomische Untersuchung der Rechtsgeschäftslehre steht noch aus. Selbstverständlich sind rechtliche Regeln nicht ausschließlich danach zu bewerten, ob sie der Herstellung von Allokationseffizienz dienen.19 Gleichwohl ist es gewinnbringend, sich die ökonomischen Folgen gesetzgeberischer oder richterlicher Entscheidungen vor Augen zu führen. 20 Die Ökonomik bietet, so Klöhns Paraphrasierung von Shavell, eine „besondere Sprache, mit der man Gedanken, zu denen jeder fähig [ist], präziser ausdrücken, hinterfragen und fortbilden [kann] als ohne ökonomische Kenntnisse.“21 Sie vereinfacht und ermöglicht es, scheinbar disparate rechtliche Phänomene zueinander in Beziehung zu setzen. 22 Indem sie nach den Wirkungen rechtlicher Regelungen fragt, zwingt sie, Annahmen juristischen Denkens offenzulegen und zu hinterfragen. 23 Etwaige Folgeprognosen, die sie aufstellt, lassen sich prinzipiell empirisch überprüfen. 24 Ein gegenüber der reinen dogmatischen Betrachtung geweiteter Blick verspricht für die Rechtsgeschäftslehre besonderen Gewinn, sind doch die Regelungen über den Abschluss von Rechtsgeschäften die Basis des Vertragsrechts, das wiederum, so Fleischer, „die konstitutionelle Voraussetzung für die Schaffung von Märkten“ bildet. 25

18  Vgl. insbesondere Adams, AcP 186 (1986), 453 ff.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 244 ff., 336 ff.; G. Wagner in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 59 ff. 19  Vgl. auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 8 f.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 10; G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 425. Zum Verhältnis von Privatrechtsdogmatik und ökonomischer Analyse vgl. nur ders., FS Larenz 80. Geb., 2017, S. 281 ff. 20  Vgl. auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 1 ff.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 9 f.; G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 424 ff. 21  Klöhn, AcP 216 (2016), 281, 283. Vgl. auch, zu den Charakteristika der ökonomischen Analyse des Rechts, Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law, 2004, S. 4. 22  So auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 6; Klöhn, AcP 216 (2016), 281, 283. 23  So auch Klöhn, AcP 216 (2016), 281, 283. 24  So auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 6; M. Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht, 1983, S. 245. 25  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 10.

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Teil 1:

Mechanismen zur Willensübereinstimmung

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§ 1 Ökonomische Parameter in der Rechtsgeschäftslehre A. Einleitung Im Deliktsrecht sind rechtsökonomische Beiträge „Legion“.1 Ökonomische Parameter sind aber auch in der Rechtsgeschäftslehre relevant. Dort wurden im deutschen Recht bislang insbesondere §§ 123 und 119 Abs. 2 BGB rechtsökonomisch untersucht. 2 Die vorliegende Arbeit geht erheblich darüber hinaus und betrachtet die klassischen Fragen der Rechtsgeschäftslehre unter anderem aus rechtsökonomischer Perspektive. Dabei werden insbesondere die folgenden Parameter fruchtbar gemacht.

B. Herstellung von Allokationseffizienz Eine der wesentlichen normativen Grundfragen, die in der Wirtschaftswissenschaft verhandelt werden, lautet: Wie können die einer Gesellschaft zur Verfügung stehenden knappen Ressourcen möglichst bedürfnisbefriedigend eingesetzt werden?3 Wie lässt sich also sicherstellen, dass Gegenstände, Kapital etc. an den Ort gelangen, an dem sie den meisten Nutzen stiften und bestmöglich zur allgemeinen Wohlfahrt beitragen? Wohlfahrtsökonomisch betrachtet, gilt: Die Wohlfahrt einer Gesellschaft ist umso größer, je effizienter sie organisiert ist.4 Zur Messung der Effizienz werden im Wesentlichen zwei Kriterien verwendet. Beide verzichten auf interpersonelle Nutzenvergleiche sowie auf kardinale Nutzenkonzeptionen und stehen

1  G. Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 250. Vgl. zu den Anfängen nur Calabresi, 70 Yale L.J. 499 (1961); ders., The Costs of Accidents, 1970; Coase, 3 J. L. & Econ. 1 (1960). 2  Vgl. insbesondere Adams, AcP 186 (1986), 453 ff.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 244 ff., 336 ff.; G. Wagner in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 59 ff. 3  Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Rechts, 5. Aufl. 2012, S. XXXIII. 4  Vgl. nur Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 87.

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§ 1  Ökonomische Parameter in der Rechtsgeschäftslehre

unterschiedlichen Güterallokationen neutral gegenüber, solange diese Allokationen – an ihren jeweiligen Maßstäben gemessen – gleich effizient sind.5 Nach dem Pareto-Kriterium6 ist ein Zustand A einem Zustand B vorzuziehen, wenn A den individuellen Präferenzen mindestens eines Individuums mehr entspricht als B, und wenn alle anderen Individuen entweder ebenfalls A vorziehen oder beiden Zuständen gegenüber indifferent sind, also niemand B präferiert.7 Zustand A ist dann Pareto-superior gegenüber (dem Pareto-inferioren) Zustand B.8 Transaktionen, die freiwillig und ohne Willensmängel zustande gekommen sind, genügen diesem Kriterium.9 Kann kein Individuum bessergestellt werden, ohne dass ein anderes Individuum schlechter gestellt wird, haben also alle Individuen ihr Transaktionspotential ausgeschöpft, ist der Zustand Pareto-optimal oder Pareto-effizient.10 Für das Recht lässt sich dieses Marktkriterium nur begrenzt nutzbar machen, denn: Jeder Einzelne hat danach ein „Veto-Recht“.11 Eine Veränderung des ­status quo ist somit nur schwer möglich, weil Neuregelungen in aller Regel mindestens eine Person belasten.12 Insbesondere Umverteilungen sind ausge-

 5  Vgl. nur Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 49, 52; Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 88.  6 Nach Pareto, Manuale di Economia Politica, 1906. Vgl. dazu nur van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, 2003, S. 212 ff.; Adler/Posner, New Foundations of Cost-Benefit Analysis, 2006, S. 9 f., 19 ff.; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 1986, S. 84 f.; Coleman, Markets, Morals, and the Law, 1988, S. 97 f., 100 ff.; ­Cooter/Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2012, S. 14; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 48 ff.; Janson, Ökonomische Theorie im Recht, 2004, S. 90 f.; Mercuro/­Medema, Economics and the Law, 2. Aufl. 2006, S. 20 ff.; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 2004, S. 44 ff.; R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 14 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 13 ff.  7  Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 48 weist in Fn. 85 darauf hin, dass dieses „starke“ Pareto-Kriterium von einem weniger gebräuchlichen „schwachen“ Pareto-­K riterium unterschieden wird, nach dem A nur dann vorzugswürdig ist, wenn alle Individuen A B vorziehen.  8  Vgl. nur Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 48; Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 90.  9  Vgl. nur Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 48; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 180 f.; Friedman, Capitalism and Freedom, 1962, S. 13; Kronman/Posner, The Economics of Contract Law, 1979, S. 1 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 450 ff. 10  Vgl. nur Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 49; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 13 ff.; Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 90; Varian, Intermediate Microeconomics, 8. Aufl. 2014, S. 15. 11  Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 49. 12  Vgl. auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 49; R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 14 f.; Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 92.

B. Herstellung von Allokationseffizienz

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schlossen – Steigerung und Erhaltung des individuellen Nutzens sind das einzige Kriterium für die Bewertung.13 Dieser Kritik begegnet das Kaldor/Hicks-Kriterium.14 Nach Kaldor/Hicks kann der Zustand A gegenüber dem Zustand B auch dann wohlfahrtssteigernd sein, wenn A eine oder mehrere Personen schlechter stellt als B.15 Kosten und Nutzen dürfen also bei unterschiedlichen Akteuren anfallen, solange nur die Summe der Vorteile, welche A den Gewinnern im Vergleich zu B bringt, größer ist als die Summe der Verluste der Verlierer.16 Nach einer hypothetischen Entschädigung der Verlierer müsste also wenigstens einer der Akteure besser dastehen als zuvor. Die Möglichkeit der Kompensation reicht aus; eine tatsächliche (Wohlfahrtsgewinne verringernde, zu Effizienzverlusten führende) Entschädigung ist nicht notwendig.17 Das Kaldor/Hicks-Kriterium ist in der rechtsökonomischen Literatur zu Recht deutlich einflussreicher als das Pareto-Kriterium.18 Auch dieses Kriterium ist aber nicht über jede Kritik erhaben. Kaldor/Hicks ist, wie Pareto, nicht an Umverteilungsfragen interessiert – das erschwert seine Verwendung im Recht. Aus juristischer Sicht problematisch ist zudem, dass die Zuteilung der Gewinne und Verluste an der Zahlungsbereitschaft der Akteure gemessen wird; dies führt zu Messproblemen und wirft Fragen der Verteilungsgerechtigkeit auf.19 13  Vgl. auch Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 92. 14 Nach Kaldor, 49 Econ. J. 549 (1939) und Hicks, 49 Econ. J. 696 (1939). Vgl. dazu nur van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, 2003, S. 217 ff.; Adler/Posner, New Foundations of Cost-Benefit Analysis, 2006, S. 10 ff., 21 ff.; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 1986, S. 93; Coleman, Markets, Morals, and the Law, 1988, S. 98 ff.; Cooter/Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2012, S. 42 f.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 51 ff.; Janson, Ökonomische Theorie im Recht, 2004, S. 91 ff.; Mercuro/Medema, Economics and the Law, 2. Aufl. 2006, S. 26 f., 105 ff.; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 2004, S. 52 ff.; R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 14 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 19 ff. Eine Unterart dieses Kriteriums ist das wealth maximization principle von R. Posner, 8 J. Legal Stud. 103, 119 ff. (1979); ders., 2 Notre Dame J. L. Ethics & Pub. Pol’y 85 ff. (1985), nach dem nicht individueller Nutzen, sondern individueller Reichtum maßgeblich ist. 15  Vgl. nur Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 51; Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 93. 16  Vgl. nur Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 51; Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 93. 17  Vgl. nur Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 51, 156 f.; Schäfer in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, 1989, S. 1, 3; Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 93. 18  Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 52, 172; Janson, Ökonomische Theorie im Recht, 2004, S. 92. R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 14 f. etwa geht davon aus, das in 90 % der Fälle, in denen von „Effizienz“ die Rede ist, Effizienz im Sinne von Kaldor/Hicks gemeint ist. 19  Vgl. auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 54, 155 ff.; Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 95.

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§ 1  Ökonomische Parameter in der Rechtsgeschäftslehre

Für die vorliegende Arbeit sind die grundsätzlich wichtigen Modifikationen, welche das Kaldor/Hicks-Kriterium dem Pareto-Kriterium hinzufügt, überdies nur bedingt relevant. Untersucht werden die Regelungen zu Abschluss und Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften, welche die Parteien freiwillig eingehen. Betrachtet wird die Wohlfahrt der Parteien; ihr sind die einschlägigen Regelungen des BGB gewidmet. Etwaige Nachteile, die Dritten (oder der Gesellschaft insgesamt) entstehen, bleiben denn auch weitgehend außen vor. Auch die Modifikationen, welche das BGB für Konstellationen vorsieht, in denen eine Machtasymmetrie zwischen den Parteien besteht, insbesondere also für Vertragsschlüsse zwischen Unternehmern und Verbrauchern, sind nicht Gegenstand der Betrachtung. Wichtig für die Arbeit ist aber der Grundsatz, dass die ökonomische Funktion von Verträgen in ihrer wohlfahrtssteigernden Wirkung besteht. Der Tauschprozess, den der Vertrag bewirkt, mehrt den Nutzen der Beteiligten. Sie erhalten ein Gut, das sie mehr schätzen als das Gut, gegen das sie es eintauschen. 20 Verträge tragen damit zu einer effizienten Güterallokation bei. Für das Vertragsrecht ergibt sich hieraus die Aufgabe, wohlfahrtssteigernde Transaktionen zu ermöglichen, zu erleichtern und durchsetzbar zu machen.21 Richard Posner nennt das Vertragsrecht eine „handmaiden of exchange“. 22 Selbstverständlich können auch die Regelungen über den Abschluss von Verträgen dem Tausch zu Diensten sein. Ausgangspunkt für die Ausgestaltung des Vertragsrechts ist dabei, dass ein Vertrag seine wohlfahrtssteigernde Funktion nur erfüllt, wenn er den Präferenzen der Parteien entspricht. Das Ideal ist also eine subjektive Willensübereinstimmung der Parteien, ein zwischen ihnen bestehender tatsächlicher Kon-

20  Vgl. hierzu nur Kronman/Posner, The Economics of Contract Law, 1979, S. 2. Zur Tatsache, dass Menschen nicht stets rational handeln, siehe S. 19 ff. 21  Vgl. nur Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 180 f.; Hermalin/ Katz/Craswell in: Polinsky/Shavell (Hrsg.), Handbook of Law and Economics, Bd. 1, 2007, S. 3, 13; Hirsch, Law and Economics, 3. Aufl. 1999, S. 105 f.; R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 97, 102. Vgl. auch Schmolke in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 260 ff. 22  R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 101. Er nennt fünf ökonomische Funktionen des Vertragsrechts: Verhinderung von Opportunismus, Bereitstellung effizienter Lückenfüller, Bestrafung vermeidbarer Fehler während des Verhandlungsprozesses, Risikozuweisung an die Partei, die das Risiko am besten tragen kann, und Verminderung der Kosten für die Beseitigung von Streitigkeiten (S. 102). Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 181 ff. benennt ebenfalls fünf „Forderungen der Ökonomie“ an das Vertragsrecht; sie decken sich mit jenen Posners nur teilweise: Transaktionskostenminimierung, Rekonstruktion des vollständigen Vertrages, Verhinderung opportunistischen Verhaltens, Sonderung wohlfahrtsmindernder und wohlfahrtserhöhender Verträge und Sicherung der Funktionsbedingungen von Märkten. Fünf noch einmal etwas andere Funktionen finden sich bei Schwartz in: Brousseau/Glachant (Hrsg.), The Economics of Contracts, 2002, S. 116, 117 f.

C. Senkung von Transaktionskosten

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sens. 23 Selbst Posner gesteht ein: „The subjective theory of contract which holds that there must be an actual meeting of the minds of the contracting parties for an enforceable contract to arise, thus makes economic sense.“24 Auf (empfangsbedürftige) Willenserklärungen, die nicht auf Abschluss eines Vertrages, sondern auf Abschluss eines einseitigen Rechtsgeschäfts gerichtet sind, lässt sich das eben Gesagte nicht uneingeschränkt übertragen: Ein einseitiges Rechtsgeschäft, etwa eine Kündigung, mehrt nicht unbedingt den Nutzen beider Parteien. Sie ermöglicht dem Kündigenden lediglich, die Bindung an ein Rechtsgeschäft zu beenden, das seinen Präferenzen nicht mehr entspricht. Auch bei einseitigen Rechtsgeschäften ist aber eine Willensübereinstimmung denkbar. Besteht sie, ist auch hier das Ideal des Gesetzes erfüllt. Aus Kostengesichtspunkten ist allerdings problematisch, dass die subjektive Willensübereinstimmung einen psychologischen Zustand darstellt. Wenn sich dieser Zustand nicht durch objektive Anhaltspunkte manifestiert hat und die Parteien sein Vorliegen auch nicht übereinstimmend behaupten, lässt sich nur mit ganz erheblichen Kosten beweisen, dass eine subjektive Willensübereinstimmung tatsächlich besteht. Falls nicht eindeutig ist, ob der Wille der Parteien subjektiv übereinstimmt, kann es daher ökonomisch sinnvoll sein, auf objektive Merkmale abzustellen, also auf Merkmale, die Parteien in vergleichbarer Lage typischerweise verwenden würden. Solche Merkmale lassen sich regelmäßig mit deutlich geringeren Kosten beweisen als psychische Zustände der Parteien. Zudem wird das, was die Parteien objektiv erklären, in aller Regel mit dem übereinstimmen, was sie subjektiv wollen. Schließlich werden dadurch zugleich Anreize zur Willensübereinstimmung sowie zur Standardisierung von Ausdrucks- und Handlungsweisen im Rechtsverkehr gesetzt.

C. Senkung von Transaktionskosten Nach der Effizienzhypothese des Coase-Theorems25 bewirkt der Markt durch Verträge selbst eine effiziente Verteilung von Gütern.26 Transaktionen finden so lange statt, bis die Ressourcen optimal alloziert sind. 27 23 

Vgl. hierzu Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153. R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 105. Er spricht sich aber im Ergebnis aus Kostengründen gegen eine solche subjektive Theorie aus. 25 Das Coase-Theorem beinhaltet nach herrschender Ansicht zwei Hypothesen. Nach der Invarianzhypothese ist die anfängliche Allokation der Ressourcen und Rechtspositionen für ihre langfristige (effiziente) Verteilung irrelevant. Vgl. Coase, 3 J. L. & Econ., 1, 10 ff. (1960). 26  Coase, 3 J. L. & Econ., 1, 6 ff. (1960). 27  Vgl. nur Schmolke in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 262; Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 42. 24 

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§ 1  Ökonomische Parameter in der Rechtsgeschäftslehre

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Parteien über perfekte Information verfügen und rational handeln, dass sie frei von rechtlichen Hindernissen tätig werden, und dass die Übertragung von Ressourcen und Rechtspositionen keine (Transaktions-)Kosten verursacht. 28 In der Praxis sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. 29 So betont etwa Coase selbst, dass Transaktionen in aller Regel mit Kosten verbunden sind.30 Kosten können in jeder Phase einer Transaktion entstehen. Die Anbahnung des Rechtsgeschäfts etwa ist regelmäßig mit Such- und Informationskosten verbunden.31 Beim Abschluss des Rechtsgeschäfts entstehen Verhandlungs-, Entscheidungs- und Fixierungskosten.32 Auch die Überwachung und Durchsetzung von Leistungspflichten33 sowie die Abwicklung des Rechtsgeschäfts34 produzieren Kosten. Arrow definiert den (schillernden und inhaltlich umstrittenen) Begriff der Transaktionskosten35 als „the costs of running the economic system“.36

28  Vgl. dazu nur Calabresi, 11 J. L. & Econ. 67, 68 (1968); Regan, 15 J. L. & Econ. 427 (1972). 29  Zur Kritik an Coase vgl. nur Cooter, 11 J. Legal Stud. 1 ff. (1982); Cooter/Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2012, S. 86 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 82 ff.; Georgakopoulos, Principles and Methods of Law and Economics, 2005, 112 ff.; Morell in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 163 ff.; Regan, 15 J. L. & Econ. 427 ff. (1972); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 74 ff.; Trebilcock, The Limits of Freedom of Contract, 1993, S. 18 ff.; Veljanovski, 35 Kyklos 53, 58 ff. (1982); ders., Economic Principles of Law, 2007, S. 48 ff. 30  Coase, 3 J. L. & Econ. 1, 15 (1960); Coase, The Firm, the Market, and the Law, 1988, S. 174: „The world of zero transaction costs has often been described as a Coasian world. ­Nothing could be further from the truth.“ 31  Vgl. hierzu nur Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 134 f.; Köhler, ZHR 144 (1980), 589, 591; Morell in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 163. 32  Vgl. hierzu nur Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 134 f.; Hirsch, Law and Economics, 3. Aufl. 1999, S. 121 f.; Köhler, ZHR 144 (1980), 589, 591; Morell in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 163; R. Posner, 83 Tex. L. Rev. 1581, 1583 f. (2004); Schwartz/Scott, 119 Yale L.J. 926, 930 (2010). 33  Vgl. hierzu nur Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 134 f.; Köhler, ZHR 144 (1980), 589, 591. 34  Vgl. hierzu nur Köhler, ZHR 144 (1980), 589, 591. 35  Zum Begriff Transaktionskosten vgl. nur Williamson, 22 J. L. & Econ. 233 ff. (1979); ders., The Economic Institutions of Capitalism, 1985, S. 18, zu dessen Ansatz vgl. nur Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. 2010, S. 194 ff., zur Kritik an dem Begriff „Transaktionskosten“ vgl. nur Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 97 ff.; Goldberg in: Feiwel (Hrsg.), Issues in Contemporary Microeconomis, 1985, S. 395 ff.; Schlag, 62 S. Cal. L. Rev. 1661, 1674 (1989). 36  Arrow in: Joint Economic Committee of Congress (Hrsg.), Analysis and Evaluation of Public Expenditures, Bd. 1, 1969, S. 47, 48.

C. Senkung von Transaktionskosten

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Die Rolle des Vertragsrechts ist auch hiernach wieder instrumental: Es soll „das nach ökonomischen Erkenntnissen Erreichbare so weit wie möglich in die Realität [umsetzen].“37 Das tut es, indem es Transaktionen ermöglicht und erleichtert.38 Dazu gehört auch, dass es Transaktionskosten möglichst niedrig hält, um Transaktionen (und damit eine effiziente Allokation) nicht zu verhindern.39 Zu beachten ist dabei: Auch Schaffung und Änderung (vertrags-)rechtlicher Normen sind mit Kosten verbunden.40 Sofern diese Kosten die mit der Kostensenkung für die Parteien verbundene Nutzensteigerung überwiegen, sollte – ökonomisch betrachtet – auf eine Regelung verzichtet werden.41 Relevant für die Rechtsgeschäftslehre sind insbesondere die Kosten, die mit Abfassung und Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen verbunden sind. Sind sich die Parteien über Bestand oder Inhalt einer Erklärung nicht einig, kommen zu den Kosten für Äußerung und Interpretation jene der Rechtsdurchsetzung hinzu.42 Nicht in jedem Fall gelingt die Rechtsdurchsetzung fehlerfrei; Teil der Rechtsdurchsetzungskosten sind also die Kosten, die etwa durch gerichtliche Fehlentscheidungen entstehen können. Die Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung ist zudem mit Einrichtungskosten für den Staat verbunden, welche der Aufbau und Betrieb eines Justizsystems mit sich ­bringen.43

37 

M. Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht, 1983, S. 28 f. Vgl. auch Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 216: Sie sehen Recht als „Instrument […], die soziale Wirklichkeit zu gestalten.“ 38  Oft wird zudem gefordert, das Recht müsse Marktmechanismen unter Umständen auch nachbilden, vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 63 ff. Kritisch dazu nur Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 192 f.; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 2007, S. 74 ff. 39  Vgl. nur Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 1986, S. 106 ff., 157 f.; Cooter/Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2012, S. 307; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 64; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 134 ff., 181; R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 99; ders., 83 Tex. L. Rev. 1581, 1583 (2004); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 426 f.; Trebilcock, The Limits of Freedom of Contract, 1993, S. 16; Veljanovski, Economic Principles of Law, 2007, 122, 125. 40  So bereits Coase, 3 J. L & Econ. 1, 17 f. (1960). 41  Coase, 3 J. L & Econ. 1, 17 f. (1960). Vgl. dazu nur Calabresi, 11 J. L. & Econ. 67, 69 (1968); Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 107 f. sowie, auf die Auslegung bezogen, R. Posner, 83 Tex. L. Rev. 1581, 1583 f. (2004). 42  R. Posner, 83 Tex. L. Rev. 1581, 1583 f. (2004) stellt eine Faustformel auf, nach der die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Rechtsdurchsetzungskosten umso stärker sinkt, je mehr die Parteien für Abfassung und Auslegung der Erklärung aufwenden. 43  Vgl. nur Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. 2010, S. 56 f., 63.

16

§ 1  Ökonomische Parameter in der Rechtsgeschäftslehre

D. Überwindung ineffizienter Informationsasymmetrien Neoklassische Modelle gehen davon aus, dass Marktteilnehmer perfekt informiert sind.44 Diese Annahme liegt auch dem Coase-Theorem zugrunde. Tatsächlich aber werden Verträge so gut wie nie unter den Bedingungen perfekter Information geschlossen.45 In aller Regel ist keine Seite umfassend informiert. Oftmals verfügt eine Seite überdies über mehr Information als die andere.46 Es ist allgemein anerkannt, dass unvollständige – insbesondere asymme­ trisch verteilte – Information in der Praxis eines der größten Hindernisse für effiziente Transaktionen darstellt.47 Sie kann zu adverser Selektion führen, also zu einer Negativauslese.48 Informationsasymmetrien lassen sich entweder dadurch beseitigen, dass die informiertere Partei ihre Information teilt (signaling),49 oder dass die weniger

44  Paradigmatisch dafür stehen Arrow/Debreu, 22 Econometrica 265 ff. (1954); Arrow, 64 Am. Econ. Rev. 1 ff. (1974). Vgl. hierzu nur (kritisch) Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 93 f.; Grundmann/Kerber/Weatherill in: dies. (Hrsg.), Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, 2001, S. 3, 12 ff. 45  Vgl. dazu bereits Hayek, 35 Am. Econ. Rev. 519 ff. (1945); ders., Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, 1952, S. 64 f. Sehr anschaulich auch Stigler, 69 J. Pol. Econ. 213, 224 (1961): „Ignorance is like subzero weather: by a sufficient expenditure, its effects can be kept within tolerable or even comfortable bounds, but it would be wholly uneconomic ­entirely to eliminate all its effects. And, just as an analysis of man’s shelter and apparel would be somewhat incomplete if cold weather is ignored, so also our understanding of economic life will be incomplete if we do not systematically take account to the cold wind of ignorance.“ 46  Vgl. dazu nur Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 1. 47  Vgl. nur Farell, 1 J. Econ. Persp. 113, 115 (1987); Grundmann, JZ 2000, 1133, 1136 f.; Hart/Holström in: Bewley (Hrsg.), Advances in Economic Theory, 1987, S. 71, 74; Hermalin/ Katz/Craswell in: Polinsky/Shavell (Hrsg.), Handbook of Law and Economics, Bd. 1, 2007, S. 3, 34 ff.; Riley, 39 J. Econ. Lit. 432, 433 (2001); Schmolke, Grenzen der Selbstbindung im Privatrecht, 2014, S. 126 f.; Schweizer, Vertragstheorie, 1999, S. 33 ff.; Sutton, 53 Rev. Econ. Stud. 709, 717 ff. (1986). 48  Besonders anschaulich hat dies Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488 ff. (1970) beschrieben: In seinem Beispiel werden auf dem Markt zwei Sorten Gebrauchtwagen gehandelt, von denen nur eine qualitativ hochwertig ist, die andere nicht. Nur die Verkäufer wissen, welche Qualität das von ihnen angebotene Produkt hat. Die potentiellen Käufer wissen lediglich, dass der betreffende Wagen entweder hochwertig ist oder nicht. Sie werden daher die Wahrscheinlichkeit, dass der Wagen hochwertig ist, mit 50 % veranschlagen. Dementsprechend werden sie nur bereit sein, einen Preis zu zahlen, der in der Mitte zwischen dem Preis für hoch- und jenem für minderwertige Wagen liegt. Zu diesem Preis werden die Verkäufer höherwertiger Wagen ihre Produkte nicht anbieten wollen. Sie werden nach und nach vom Markt verdrängt. Am Ende bleiben nur noch jene übrig, die die schlechtesten Wagen verkaufen. 49  Der Begriff geht zurück auf Spence, 87 Q. J. Econ. 355 ff. (1973); ders., Market Signal­ ing, 1974. In Akerlofs Beispiel könnte der Verkäufer eines Wagens guter Qualität also etwa eine Garantie übernehmen, die für den Verkäufer eines schlechten Wagens zu kostspielig

E. Grundsatz der Risikoverteilung

17

informierte Partei in Information investiert, also den potentiellen Vertragspartner oder das angebotene Gut überprüft (screening).50 Das Recht – neben dem Gewährleistungsrecht insbesondere auch die Rechtsgeschäftslehre – kann hier intervenieren, indem es Anreize für die informiertere Partei setzt, ihre Information preiszugeben, oder indem es sie mit Aufklärungspflichten belegt. Zu beachten ist dabei aber, dass Information eine wertvolle Ressource ist („knowledge is power“),51 deren Gewinnung regelmäßig Kosten produziert.52 Diese Kosten nehmen Marktteilnehmer grundsätzlich nur dann auf sich, wenn sie die damit verbundenen Ertragsmöglichkeiten behalten dürfen, die erlangte Information also nicht (kostenlos) preisgeben müssen.53 Überdies gehen Aufklärungspflichten mit administrativen Kosten einher.54 Ist der Informationsvorsprung einer Seite gesamtgesellschaftlich sinnvoll, weil es sich um produktive Information handelt und nicht um solche redistributiver Natur, ist eine vertragliche Aufklärungspflicht aus wohlfahrtstheoretischer Perspektive also nicht unbedingt angezeigt.55

E. Grundsatz der Risikoverteilung Weil Marktteilnehmer in der Praxis in aller Regel nicht perfekt informiert sind, sind Transaktionen für sie mit Unsicherheiten verbunden, also mit Risiken, welche die potentiellen Parteien in ihre Berechnung einpreisen.56 Diese Risiken

wäre. Diese Möglichkeit benennt Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488, 499 (1970) selbst. Vgl. hierzu außerdem nur Grossman, 24 J. L. & Econ. 461, 470 ff. (1981). 50 Grundlegend Stiglitz, 65 Am. Econ. Rev. 283 ff. (1975). Vgl. auch Rothschild/Stiglitz, 90 Q. J. Econ. 629 ff. (1976). Einen Überblick über die wissenschaftlichen Verästelungen der Literatur zu signaling und screening bietet Riley, 39 J. Econ. Lit. 432 ff. (2001). 51  Stigler, 69 J. Pol. Econ. 213 (1961). 52  Vgl. hierzu nur Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 120. 53  Vgl. hierzu nur Arrow in: National Bureau of Economic Research (Hrsg.), The Rate and Direction of Inventive Activity, 1962, S. 609, 614 f. 54  Hierzu insbesondere Coleman, Risks and Wrongs, 1992, S. 151 f., 162 f. Vgl. überdies nur Schön, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 1191, 1206 ff. 55  Cooter/Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2012, S. 357. Vgl., mit jeweils unterschiedlichen Ansätzen, auch Coleman, Risks and Wrongs, 1992, S. 151 f., 162 f.; J. Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561 ff. (1971); Kronman, 7 J. Legal Stud. 1, 15 f. (1978); Kull, 70 Wash. U. L. Q. 57 ff. (1992); Rasmusen/Ayres, 22 J. Legal Stud. 309 ff. (1993); Shavell, 25 RAND J. Econ. 20 ff. (1994); Trebilcock, The Limits of Freedom of Contract, 1993, S. 102 ff. sowie, aus der deutschen Literatur, Adams, AcP 186 (1986), 453, 468; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 166, 174 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 538 ff., 557 ff. 56  Vgl. nur Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 1986, S. 158. Der „Wert“ des Risikos bestehe aus der Höhe der möglichen Einbuße multipliziert um die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts.

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§ 1  Ökonomische Parameter in der Rechtsgeschäftslehre

lassen sich verringern, indem die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts und/oder die Höhe der beim Eintritt entstehenden Einbuße reduziert werden.57 Um zu entscheiden, welche Partei ein bestimmtes Risiko tragen muss, wird auf die „analytische Kunstfigur“58 des vollständigen Vertrages (fully specified contract) zurückgegriffen.59 Vollständig ist ein Vertrag, wenn sich die Parteien vor Abschluss über die Zuordnung sämtlicher Risiken geeinigt haben, die mit der Vertragsdurchführung verbunden sind.60 Rationale Akteure würden die betreffenden Risiken grundsätzlich jeweils der Partei zuordnen, die sie mit dem geringsten Aufwand vermeiden bzw. reduzieren (cheapest cost avoider),61 jedenfalls aber wenigstens versichern (­cheapest insurer)62 oder, subsidiär, auf andere Art bewältigen kann (superior risk ­bearer)63 und die also für die Risikoübernahme den geringsten Aufschlag verlangen wird.64 Auch die Verantwortlichkeit für die Gewinnung und Bereitstellung von Information würden die Akteure der Partei zuweisen, die die Information mit den geringsten Kosten beschaffen und aufdecken kann (cheapest information gatherer).65 57  Vgl. hierzu nur Köhler, ZHR 144 (1980), 589, 593; ders. in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, 1989, S. 148 ff. 58  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 182. 59  Vgl. hierzu Cooter, 73 Cal. L. Rev. 1 ff. (1985); Eidenmüller, AcP 197 (1997), 80, 84 ff.; Trebilcock, The Limits of Freedom of Contract, 1993, S. 17; Shavell, 11 Bell J. Econ. 466 ff. (1980); Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 44 f. Kritisch Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 103 f. (1989). 60  Vgl. nur Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 182; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 431. 61  Entwickelt wurde dieses Konzept im Deliktsrecht, vgl. nur Calabresi, The Costs of Accidents, 1970, S. 136 ff.; Calabresi/Melamed, 85 Harv. L. Rev. 1089 ff. (1972); Calabresi/ Hirschoff, 81 Yale L.J. 1055 ff. (1972). Vgl. zum Vertragsrecht nur Wehrt, KritV 75 (1992), 358, 359. Eine Risikovermeidung ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn die Kosten für die Vermeidung des Risikos geringer sind als der Erwartungswert des Risikos (Learned Hand-formula), vgl. U.S. v. Carroll Towing Co., 159 F2d. 169 (2d Cir. 1947). 62  Dies ist relevant bei Risiken, welche die Vertragsparteien nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand beeinflussen können. Vgl. hierzu nur Posner/Rosenfield, 6 J. Legal Stud. 83, 91 ff. (1977). Zu den Grenzen dieser Regel vgl. nur Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 440 f. Wenn eine Partei cheapest cost avoider ist, die andere cheapest insurer, ist das Risiko grundsätzlich dem cheapest cost ­avoider aufzuerlegen, vgl. nur Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 441 f. 63  Vgl. nur Posner/Rosenfield, 6 J. Legal Stud. 83, 90 (1977); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 442 ff. Cooter/Rubin, 66 Tex. L. Rev. 63, 70 ff. (1987) sprechen vom loss spreading principle. 64  Vgl. nur Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 1986, S. 159; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 149 ff., 182; Posner/Rosenfield, 6 J. Legal Stud. 83, 91 ff. (1977); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 432. Vgl. auch Trimarchi, ZHR 136 (1972), 118, 135 ff. 65  R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 121. Vgl. zum cheaper (oder better) information gatherer auch Kronman, 7 J. Legal Stud. 1, 4 (1978) und KK‑WpHG/Klöhn,

F. Korrekturbedarf wegen begrenzter Rationalität der Akteure?

19

In der Praxis sind Verträge nahezu nie vollständig.66 Parteien können sich schon deswegen nicht über alle Risiken einigen, weil sie in aller Regel nicht alle Risiken kennen. Auch ansonsten wäre eine solche Einigung zumeist mit prohibitiven Kosten verbunden.67 Dass ein Vertrag lückenhaft ist, kann also durchaus auf einer rationalen Entscheidung der Parteien beruhen.68 Das Vertragsrecht und auch die Rechtsgeschäftslehre haben hiernach die Funktion, die Risiken, hinsichtlich derer die Parteien eine Einigung schuldig geblieben sind, auf eine Weise zuzuordnen, dass der Vertrag den Nutzen der Parteien maximiert.69 Dies tut der Vertrag grundsätzlich dann, wenn das Recht die Risiken so zuteilt, wie die Parteien es getan hätten, wenn sie sich bei Vertragsschluss über die Zuteilung des betreffenden Risikos geeinigt hätten.

F. Korrekturbedarf wegen begrenzter Rationalität der Akteure? Wie soeben gesehen, beruhen neoklassische Ansätze der Ökonomik auf mehreren Grundannahmen:70 Weil menschliche Bedürfnisse grundsätzlich unbegrenzt, Ressourcen aber knapp sind, muss der individuelle Akteur auf dem Markt zwischen verschiedenen Optionen wählen.71 Sein Entscheidungsverhalten hängt von seinen individuellen Präferenzen und Restriktionen ab.72 Der Akteur ist perfekt informiert und handelt rational (homo oeconomicus).73 Vor die 2. Aufl. 2014, Vor § 15 WpHG Rn. 63, der vom least cost information seeker und least cost information provider spricht. 66 Zur contractual incompleteness vgl. nur Grossman/Hart, 94 J. Pol. Econ. 691 ff. (1986); Hart/Moore, 66 Rev. Econ. Stud. 115 ff. (1999); Tirole, 67 Econometrica 741 ff. (1999). Vgl. außerdem Shavell, 11 Bell. J. Econ. 466 ff. (1980). 67  Vgl. nur Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S. 182. 68  Hierzu nur Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 94 (1989); Baird, 19 J. Legal Stud. 583 ff. (1990); Goetz/Scott, 67 Virg. L. Rev. 1089 ff. (1981); Hadfield, 23 J. Legal Stud. 159 ff. (1994); Hermalin/Katz, 9 J. L. Econ. Org. 230 ff. (1993); E. Posner, 112 Yale L.J. 829, 833 (2003); Schwartz, 21 J. Legal Stud. 271 ff. (1992). Vgl. auch Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law, 2004, S. 299 ff. 69  Vgl. nur Adams, AcP 186 (1986), 453, 455; Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87 (1989); Coleman/Heckathorn/Maser, 12 Harv. J. L. Pub. Pol’y 639 ff. (1989); Cooter/Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2012, S. 307; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 433 f. 70  Vgl. zu all dem nur Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 45 ff. 71  Vgl. nur van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, 2003, S. 94 ff.; Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 61. 72  Zu den möglichen Restriktionen zählen auch Recht, Sitten und Gebräuche, vgl. nur Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 67. Siehe zu all dem ausführlicher S. 270 ff. 73  Im Englischen wird diese Annahme als REMM-Hypothese („resourceful, evaluating,

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§ 1  Ökonomische Parameter in der Rechtsgeschäftslehre

Wahl gestellt, entscheidet er sich daher für die Option, die seinen individuellen Nutzen maximiert.74 In den letzten Jahrzehnten haben neoklassische Ansätze zunehmend Kritik erfahren. Die Kritiker bedienen sich insbesondere kognitionspsychologischer Erkenntnisse:75 Menschliches Handeln ist keineswegs stets eigennützig;76 Menschen sind in aller Regel nicht perfekt informiert, handeln oftmals nur mit begrenzter Rationalität (bounded rationality)77 und machen systematisch Fehler, sie unterliegen biases.78 All dem trügen, so der Einwand aus der Verhaltensökonomik (behavioral economics), die neoklassischen Modelle nicht hinreichend Rechnung.79 Die vorliegende Untersuchung verschließt sich selbstverständlich nicht vor diesen Erkenntnissen.80 Sie operiert gleichwohl weitgehend mit Modellen, die auf der Annahme rationalen Handelns basieren. Sie tut dies, weil der Teil der Rechtsgeschäftslehre, dem diese Arbeit gewidmet ist, nicht dem Schutz des Schwächeren dient. Das Gesetz geht davon aus, dass die Parteien des Rechtsgeschäfts gleichberechtigt sind. Es weist daher in erster Linie Risiken zu. Für maximizing man“) bezeichnet. Vgl. zum homo oeconomicus nur Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 1986, S. 40, 50; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 29 ff.; Kirchgässner, Homo Oeconomicus, 3. Aufl. 2008, S. 12 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. XXXV f., 95 ff.; Schlösser, Das Menschenbild der Ökonomie, 1992, S. 12 ff.; Tietzel, JbfSw 32 (1981), 115 ff. Zur ökonomischen Vernunft grundlegend Stadermann, Ökonomische Vernunft, 1987. 74  Vgl. nur Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 29; Varian, Intermediate Microeconomics, 8. Aufl. 2014, S. 3. 75  Besonders einflussreich waren die Arbeiten von Daniel Kahneman und Amos ­Tversky. Vgl. nur Tversky/Kahneman, 76 Psychol. Bull. 105 ff. (1971); Kahneman/Tversky, 3 Cog. ­Psychol. 430 ff. (1972); Kahneman/Tversky, 47 Econometrica 263 ff. (1979); Kahneman, 58 Am. Psychol. 697 ff. (2003). Zur Rolle psychologischer Forschung in der Verhaltensökonomik vgl. nur Rachlinski, 2011 U. Ill. L. Rev. 1675 ff. (2011). 76  Vgl. hierzu, allerdings mit anderem Ansatz, nur Sen, 6 Phil. & Pub. Affairs 317 ff. (1977); ders., On Ethics and Economics, 1987, S. 5 ff. 77  Zum Konzept der bounded rationality vgl. nur H. A. Simon, 49 Am. Econ. Rev. 253 ff. (1959). 78 Grundlegend Kahneman/Tversky, 39 Am. Psychol. 341 ff. (1984). Vgl. aus der deutschen Literatur nur Englerth/Towfigh in: Towfigh/Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 503 ff.; Fleischer/Schmolke/Zimmer in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 9, 17 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 103 ff. 79  Vgl. nur Kahneman/Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325, 1326 (1990); Thaler, 1 J. Econ. Behav. Org. 39 ff. (1980); Kahneman, Thinking, Fast and Slow, 2011, S. 292 ff. Für einen Überblick vgl. Dhami, The Foundations of Behavioral Economic Analysis, 2016; Englerth in: Engel/Englerth/Lüdemann/Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Recht und Verhalten, 2007, S. 60 ff.; Fleischer/Schmolke/Zimmer in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 9 ff. Vgl. auch Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, 2017, S. 40 ff. 80  Siehe dazu vor allem Teil 2 der Arbeit (S. 247 ff.).

F. Korrekturbedarf wegen begrenzter Rationalität der Akteure?

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die Zuweisung von Risiken gibt die Verhaltensökonomik, die keine Theorie menschlichen Verhaltens entwickelt hat, die als Alternative zum Rationalmodell fungieren könnte,81 dem Recht keine Maßstäbe an die Hand. Hinzu kommt: Erfolgt die Zuweisung von Risiken auf Basis der Annahme rationalen Handelns, trägt jede Partei das Risiko, dass ihr Handeln systematisch fehlerhaft ist, selbst. Überdies hält das Recht die Parteien dadurch an, sich möglichst rational zu verhalten.82

81  Vgl. hierzu van Aaken in: Anderheiden/Bürkli/Heinig/Kirste/Seelmann (Hrsg.), Paternalismus und Recht, 2004, S. 109, 110; Bechtold, Die Grenzen zwingenden Vertragsrechts, 2010, S. 322 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. XXXVI. 82  Zum libertären Paternalismus vgl. nur Sunstein/Thaler, 70 U. Chi. L. Rev. 1159 ff. (2003); Thaler/Sunstein, Nudge, 2009, S. 4 ff. Kritisch van Aaken in: Anderheiden/Bürkli/ Heinig/Kirste/Seelmann (Hrsg.), Paternalismus und Recht, 2004, S. 109, 110 ff.; Engel in: Engel/Englerth/Lüdemann/Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Recht und Verhalten, 2007, S. 363, 394 ff.; Fleischer/Schmolke/Zimmer in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011, S. 9, 46 f.

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung „Wer sich in der Einsicht festigen will, daß alle menschliche Erkenntnis Stückwerk bleiben muß, weil eine höhere Weisheit unserem Verstande die Organisation, die alles erfassen könnte, versagt hat, der beschäftige sich mit der Lehre von der juristischen Willenserklärung.“1

A. Einleitung Das Gestaltungsinstrument der Vertragsfreiheit ist das Rechtsgeschäft; es beruht auf einer oder mehreren Willenserklärungen. 2 Die empfangsbedürftige Willenserklärung ist als vernehmungsbedürftige Äußerung3 sowohl Akt der Selbstbestimmung als auch Kommunikations- oder Sozialakt.4 Darüber hinaus 1  Henle, Ausdrückliche und stillschweigende Willenserklärung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, 1910, S. 33. 2 Vgl. Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 1; ders., Jura 2007, 721 ff. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 413 und Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 10 Rn. 2 bezeichnen Rechtsgeschäft und Willenserklärung als die Gestaltungsmittel der Vertragsfreiheit. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 6 verwendet die beiden Begriffe synonym: „Diese Thatsachen heißen Willenserklärungen oder Rechtsgeschäfte.“ Vgl. auch Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1, 1875, § 69, S. 174: „Rechtsgeschäft ist die auf die Entstehung, den Untergang oder die Veränderung gerichtete Privatwillenserklärung.“ Anderer Ansicht HKK/Schermaier, 2003, § 116–124 Rn. 1 mwN. Der Begriff der Willenserklärung stammt aus dem Naturrecht des 18. Jahrhunderts, vgl. Diesselhorst, Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959; Lipp, Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der Allgemeinen Lehren des deutschen Privatrechts, 1980, S. 133 ff.; Nanz, Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs im 16. bis 18. Jahrhundert, 1985, S. 139 ff.; Wollschläger, Sympotica Wieacker, 1970, S. 154 ff.; Zimmermann, AcP 193 (1993), 121, v.a. 129 ff. Anderer Ansicht Gordley, The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, 1991, S. 161 f. nach dem der Begriff Eingang ins Preußische ALR (1. Theil 4. Titel: „Von Willenserklärungen“) findet, jedoch ohne dogmatische Schärfe. Dogmatisch geprägt hat den Begriff zunächst Thibaut, System des Pandektenrechts, Bd. 1, 6. Aufl. 1823, § 113 a.E. Die Beliebigkeit seiner Verwendung kritisiert beispielsweise v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, 1936, S. 15 ff. 3  Vgl. nur Reinach, Zur Phänomenologie des Rechts, 1953, S. 37 ff. Bailas, Das Problem der Vertragsschließung und der vertragsbegründende Akt, 1962, S. 71 f. zieht die Bezeichnung „sprachliche Äußerung“ vor. 4  Canaris, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, 129, 139 betont, die Willenserklärung habe „performativen Charakter“ [Kursivierung im Original]. Vgl. hierzu auch Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 7. Bailas, Das Problem der Vertragsschließung und der ver-

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

sind Willenserklärungen funktionales „Mittel der Güterbewegung“:5 Durch die rechtsgeschäftliche Erklärung wird der Wille des Einzelnen zur treibenden Kraft des Rechtsverkehrs.6 Aus den unterschiedlichen „Grundwertungen und Hauptzwecken“7 der Willenserklärung erklärt sich der Streit über das Verhältnis zwischen subjektivem Willen des Erklärenden und objektiv erkennbarem Bedeutungsgehalt des Erklärten. Er hat seinen Ursprung im 19. Jahrhundert (B.). Die Verfasser des BGB vermieden eine klare Positionierung (C.). Üblicherweise wird der Tatbestand – auch heute – in subjektive, auf den Willen bezogene, und objektive, die Erklärung betreffende, Merkmale unterteilt.8 Es besteht Einigkeit, dass der bloß innerlich gebliebene Wille keine Wirkung entfaltet, denn, in den Worten Hölders: „Vor der Erklärung existirt der erklärte Wille überhaupt nicht als eine Norm, denn zur Existenz der Norm ist ganz unumgänglich, daß diese Norm irgendwie vollzogen, daß diese Norm irgendwie kundgegeben sei.“9 Nach wie vor ist aber umstritten, ob und – wenn ja – über welche subjektiven Tatbestandselemente eine Willenserklärung verfügt und ob eine Willenserklärung auch dann wirksam ist, wenn der Erklärende das Erklärte nicht will, wenn also Wille und Erklärung auseinanderfallen. Im Vordergrund der heute vertre-

tragsbegründende Akt, 1962, S. 75 f. spricht insoweit von einer „‚vollziehende[n] Äußerung‘ oder ‚performative utterance‘“ [Kursivierung im Original]. Zur Geltungstheorie grundlegend Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 34 ff., zur „Doppelfunktion“ der Willenserklärung vgl. nur Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 19 I, S. 335; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 30 Rn. 6; außerdem Musielak, AcP 211 (2011), 769, 796. Vgl. auch Flume, AcP 161 (1962), 52, 61 f. Fn. 12; Wieacker, FS OLG Celle, 1961, S. 263, 279. Kritisch Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 13. Für eine eingehende sprachphilosophische Untersuchung der Willenserklärung Archavlis, Die juristische Willenserklärung – eine sprechakttheoretische Analyse, 2015. 5  F. Bydlinski, JZ 1975, 1. 6 Vgl. v. Jhering, Der Zweck im Recht, Bd. 1, 1877, S. 101, außerdem Kohler, JherJb. 16 (1878), 325, 328: „Jedem soll es nach seiner besten Erwägung, nach seinen Kräften und Anlagen gestattet sein, im Rechtsleben eine Rolle zu spielen und diejenigen Aenderungen des Rechtszustandes herbeizuführen, welche, wo thunlich, seinen leiblichen Bedürfnissen und seiner geistigen Richtung entsprechen. Auf dieser Möglichkeit beruht der ganze Verkehr, das ganze Getriebe der sozialen Mechanik“. 7  F. Bydlinski, JZ 1975, 1. 8 Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 566 ff.; Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 4 Rn. 14 ff.; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 10 Rn. 14 ff.; Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, § 9. Vom „inneren“ und „äußeren“ Tatbestand sprechen Neuner, JuS 2007, 881, 882; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, §§ 31, 32. Zur Willensfreiheit aus neurobiologischer Sicht grundsätzlich Roth, Fühlen, Denken, Handeln, 2001, S. 427 ff.; ders., Aus Sicht des Gehirns, 2003, S. 166 ff. Für rechtswissenschaftliche Literatur mit neurobiologischen Bezügen vgl. nur Mankowski, AcP 211 (2011), 153 ff.; H. A. Wolff, JZ 2006, 925 ff. 9  Hölder, 20. Dt. Juristentag, Bd. 4, 1889, S. 87. Vgl. zudem nur BGHZ 36, 30, 33; Flume, FS 100 Jahre DJT, Bd. 1, 1960, S. 135, 154; Neuner, JuS 2007, 881, 882.

B. Willens- und Erklärungstheorie im 19. Jahrhundert

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tenen Theorien steht dabei der Versuch, etwaige subjektive Tatbestandselemente zu unterscheiden und zu präzisieren, welche davon für die Wirksamkeit der Willenserklärung erforderlich sind (D.). Die von der herrschenden Lehre gefundenen Ergebnisse vermögen nicht zu überzeugen. Konsequenter und folgerichtig ist es, im Grundsatz auf subjektive Elemente zu verzichten (E.).

B. Willens- und Erklärungstheorie im 19. Jahrhundert Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stritten Vertreter der Willens- und der Erklärungstheorie über Geltungsgrund, Tatbestandselemente und Wirksamkeitsvoraussetzungen der Willenserklärung.10 Unterschiedlicher Ansicht waren die Vertreter der beiden Lager insbesondere bezüglich der Frage, ob und auf welche Weise der Tatbestand der Willenserklärung neben der Privatautonomie des Erklärenden auch den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs Rechnung tragen müsse.

I. Willenstheorie Mitte des 19. Jahrhunderts entsprach zunächst die Willenstheorie der herrschenden Meinung.11 Ihre Anhänger sehen den Willen als entscheidend an. Besonders deutlich wird dies bei Savigny. Nach ihm ist der Wille das „Wesen des Vertrags“ und sein Geltungsgrund:12 „Denn eigentlich muß der Wille an sich als das einzig Wichtige und Wirksame gedacht werden, und nur weil er ein inneres, unsichtbares Ereigniß ist, bedürfen wir eines Zeichens, woran er von Anderen erkannt werden könne, und dieses Zeichen, wodurch sich der Wille offenbart, ist eben die Erklärung.“13

10  Vgl. hierzu nur Musielak, AcP 211 (2011), 769, 774 ff.; HKK/Schermaier, 2003, §§ 116– 124 Rn. 3 ff. 11 Für einen rechtsvergleichenden Blick auf die Entwicklung der Willenstheorie vgl. Gordley, The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, 1991, S. 161 ff.; Zimmermann, AcP 193 (1993), 121, v.a. 129 ff. Einen Überblick über das Schweizerische Recht gibt Honsell, FS Walter, 2005, S. 335. 12  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 263 Fn. (b). Vgl. auch Puchta, Pandekten, 9. Aufl. 1863, § 58, S. 89: „Der Wille des Handelnden giebt dem Rechtsgeschäft seinen Inhalt.“ 13  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 258. Vgl. auch, deutlich später, v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, § 61 I 1, nach dem die Willenserklärung „eine Handlung [ist], welche zu dem Zweck vorgenommen wird, einen Vorgang des Seelenlebens zur Kenntnis der Mitwelt zu bringen.“

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

Obwohl Wille und Erklärung „ihrem Wesen nach als verbunden zu denken“ seien,14 versteht Savigny die Erklärung lediglich als „Offenbarung“ des (allein maßgeblichen) Willens.15 Windscheid betont das Zusammenspiel von Wille und Erklärung deutlicher: „Das Wirkende, das die beabsichtigte Rechtswirkung Erzeugende, sagt man, ist zwar nicht der Wille in seiner Innerlichkeit, aber auch nicht die Erklärung in ihrer Aeußerlichkeit, sondern eben die Erklärung des Willens, die Einheit von Wille und Erklärung. Die Erklärung ohne Wille hat ebenso wenig rechtliche Wirkung, wie der Wille ohne Erklärung.“16

Die Willenserklärung sei daher „mehr als Mittheilung des Willens, sie ist der Ausdruck des Willens. Sie ist der Wille in seiner sinnenfälligen Erscheinung.“17 Fallen beide auseinander, ist letztlich aber auch nach ihm der Wille entscheidend.18 Etwa zeitgleich fragt Zitelmann: „Also nicht der lebendige Geist soll gelten, sondern das todte Wort?“19 Wenn sich Wille und Erklärung nicht decken, die Erklärung also nicht den Inhalt hat, den der Erklärende ihr geben wollte, wäre sie hiernach nichtig. Einen Irrtum im Rechtssinne könnte es dann nicht geben. Dies würde unabhängig davon gelten, ob der Erklärungsempfänger den Willensmangel der anderen Seite erkannt hat oder erkennen konnte. Hat er etwa im Vertrauen auf das Erklärte Aufwendungen getätigt, würde der Erklärungsempfänger sie nicht ersetzt erhalten. War das Erklärte nicht das Gewollte, wäre es als bloßes „Zeichen“ unwirksam. Für den Rechtsverkehr würde dies eine ungeheure Belastung darstellen. Vertragsschließende könnten sich nicht auf das Besprochene verlassen. Sie müssten stets den Versuch unternehmen herauszufinden, ob die Erklärung der anderen Seite von einem entsprechenden Willen getragen ist. Letztlich wären sie damit jedoch – selbst wenn sie erhebliche Aufwendungen tätigten – zum Scheitern verurteilt, weil der Wille als innere Tatsache dem Beweis (bislang) unzugänglich ist. Die uneingeschränkte Anwendung der Willenstheorie würde also – in Jherings Worten – zu „Unbilligkeit und praktische[r] Trostlosigkeit“ führen.20 Selbst die Vertreter der Willenstheorie sind daher nicht der Ansicht, dass die Erklärung bei jeder Abweichung vom wirklichen Willen des Erklärenden ipso iure unwirksam ist. Beispielhaft sind hier wiederum sowohl Aussagen von Savigny als auch von Windscheid zur Relevanz von Irrtümern. So ist eine Erklärung nach Savigny dann unwirksam, wenn der Erklärende einem wesentlichen 14 

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 258. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 237. 16  Windscheid, AcP 63 (1880), 72 f. 17  Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 77 [Kursivierung im Original]. Vgl. hierzu auch Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin, Bd. 1, 1888, S. 58 f. 18  Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 99 ff. 19  Zitelmann, JherJb. 16 (1878), 357, 419. Vgl. auch Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin, Bd. 1, 1888, S. 76 ff. 20 So v. Jhering, JherJb. 4 (1861), 1, 2 in seinem Angriff auf die Willenstheorie. 15 

B. Willens- und Erklärungstheorie im 19. Jahrhundert

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Irrtum unterliegt. 21 Wesentlich sei ein Irrtum über die Natur des Rechtsgeschäfts, 22 über die Person des Vertragspartners23 und den Gegenstand des Vertrags (die Sache als solche). 24 Unwesentlich sei hingegen, wenn der Erklärende über die Beweggründe für den Vertragsschluss irre25 oder den Vertragspartner oder Vertragsgegenstand unrichtig bezeichne, „vorausgesetzt daß die Person oder Sache richtig gedacht, und nur der Name verwechselt ist“. 26 Die Grenze zwischen wesentlichem und unwesentlichem Irrtum zieht Savigny unter Berufung auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs sowie die dort herrschenden Sitten und Gebräuche. 27 Paradigmatisch ist insofern seine Begründung für eine Unterscheidung zwischen wesentlichem und unwesentlichem Eigenschaftsirrtum: „[D]enn wollten wir als Regel annehmen, daß jeder Irrthum über irgend eine dem Gegenstand des Rechtsverhältnisses zukommende Eigenschaft den Willen ausschließe, so würde damit die Sicherheit des Rechtsverkehrs völlig vernichtet seyn.“28 Ähnlich argumentiert er um zu erklären, warum der innere Vorbehalt nicht zu berücksichtigen sei – der Verkehr bedürfe einer Erklärung als Zeichen: „Nun beruht aber alle Rechtsordnung gerade auf der Zuverlässigkeit jener Zeichen, wodurch allein Menschen mit Menschen in eine lebendige Wechselwirkung treten können. Daher darf die erwähnte Störung [der Übereinstimmung von Wille und Erklärung] nicht angenommen werden in dem einfachsten dafür denkbaren Fall, wenn nämlich Derjenige, welcher Etwas als seinen Willen erklärt, heimlich den entgegengesetzten Willen hat“. 29

Würde sich die unerkannt gebliebene Mentalreservation durchsetzen, erschüttere dies also das Fundament des Rechtsverkehrs.30 Etwas anderes gelte konsequenterweise, wenn die andere Partei den Vorbehalt kenne oder kennen k ­ önne.31 Windscheid betont in Verteidigung der Willenstheorie zwar: „Das Bedürfniß des Verkehrs ist keine Rechtsquelle.“32 Bei fehlendem Vertragswillen des Erklä21  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 268. Für einen historischen, rechtsvergleichenden Überblick über diverse Versuche, wesentliche Irrtümer (errors in substance) von unwesentlichen (errors in motive) abzugrenzen, vgl. Gordley, 52 Am. J. Comp. L. 433 ff. (2004). 22  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 269. 23  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 269. 24  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 272. 25  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 304. 26  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 305. 27  Vgl. hierzu auch Luig, Ius Commune VIII (1979), 36 ff. 28  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 277. 29  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 258. 30  Vgl. auch Zitelmann, JherJb. 16 (1878), 357, 401, der einen anderen Ansatz wählt und betont, der rein innerlich gebliebene Wille dürfe deshalb nicht berücksichtigt werden, weil er nicht geäußert werden sollte. Ihn nicht zu beachten, entspreche also dem Wunsch des Erklärenden. Ähnlich Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 29 1, S. 402. 31  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 259. 32  Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 81.

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

renden sei, so Windscheid, eine Vertragshaftung daher grundsätzlich nicht angezeigt.33 Gleichwohl möchte er den Vertragspartner vor einem etwaigen Vermögensopfer schützen.34 Der Erklärende soll darum auf das negative Interesse haften.35 Zudem identifiziert Windscheid, ähnlich wie Savigny, Fälle, in denen er eine Haftung auf das positive Interesse für gerechtfertigt hält. Nach Windscheid ist dafür nicht die Wesentlichkeit des Irrtums entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr, ob den Erklärenden ein Verschulden trifft.36 Der Haftungsgrund ist bei ihm also intrinsischer Natur. Nach Windscheid ist etwa die Mentalreservation unbeachtlich, weil sie „eine Lüge enthält und Niemand sich zu seiner Vertheidigung darauf berufen darf, daß er gelogen habe.“37 Überdies will Windscheid die „grobe Nachläßigkeit und Unbedachtsamkeit der Arglist gleichstellen, und wegen derselben den Urheber einer den wirklichen Willen nicht ausdrückenden Vertragserklärung haften lassen, wie wegen Arglist.“38 Diese Voraussetzung sei beispielsweise erfüllt, wenn jemand eine Urkunde unterzeichne, ohne sich ihres Inhalts vergewissert zu haben.39 Bei „gewöhnlicher Nachlässigkeit“ bestehe eine Vertragshaftung hingegen nur dann, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich statuiert habe.40

II. Erklärungstheorie Windscheid wendet sich mit seinen Ausführungen gegen die Kritik, die der Willenstheorie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend zuteil wird. Die Anhänger der Erklärungstheorie sind der Ansicht, dass die Willenstheorie den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs nicht hinreichend Rechnung trage. So schreibt etwa Regelsberger: „[E]s tritt der reinen Rechtskonsequenz die Forderung des praktischen Lebens entgegen, daß der Erklärende zuweilen bei seinen Worten behaftet werde, obwohl sie nicht der Ausdruck seines wirklichen Willens sind und wie wenn sie es wären. Diese Forderung erhebt sich gerade in Vertragsverhältnissen; hier verlangt die Sicherheit des Verkehrs, daß jeder Theil auf die vom Gegner gebrauchten Worte bauen könne, daß er in seiner Erwartung 33 

Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 90. Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 90 f. 35  Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 90. 36  Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 99. 37  Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 98. 38  Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 102 f. 39  Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 104. 40  Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 104: „Daß ein Gesetzgeber zur Aufstellung desselben [Grundsatzes] kommen könne, läßt sich begreiflich finden; daß er zur Aufstellung desselben kommen müsse, ist zu leugnen. Die Frage ist einfach diese: stellt der Gesetzgeber das Inte­ resse des bona-fide-Verkehrs so hoch, daß er zu Gunsten desselben schon der gewöhnlichen Nachläßigkeit ein Opfer auferlegen will?“ [Kursivierung im Original]. 34 

B. Willens- und Erklärungstheorie im 19. Jahrhundert

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nicht getäuscht werde durch den Nachweis eines andern Willens als derjenige ist, welcher von ihm verständiger Weise aus der Aeußerung entnommen werden durfte.“41

Er setzt also einen objektiven Maßstab an. Maßgeblich sei der Inhalt, den die Äußerung „verständiger Weise“ habe. Bähr führt diesen Ansatz fort.42 Sein Ausgangspunkt ist: Man sei „zum Schutz des bona-fide-Verkehrs geradezu genöthigt, den Begriff des Willens als Bedingung der Verpflichtung weniger innerlich aufzufassen, vielmehr die Annahme des Willens, sei es selbst mittelst einer Fiction, unter Umständen schon an die äußere Erscheinung desselben zu knüpfen.“43 Der objektive Bedeutungsgehalt des Erklärten soll also bisweilen („unter Umständen“), nicht aber in jedem Fall maßgeblich sein. Ein objektiver Maßstab sei dann gerechtfertigt, wenn der Erklärungsgegner auf diesen Bedeutungsgehalt vertraut habe: „Mit andern Worten: die Fiction des Willens des Einen findet nur statt zu Gunsten des guten Glaubens des Andern.“44 Zu gelten habe daher der Grundsatz: „[W]er beim Contrahiren in einer ihm zuzurechnenden Weise die äußere Erscheinung seines Willens hervorruft, so daß der ihm Gegenüberstehende bonafide Rechte daraus erlangt zu haben glaubt und glauben darf, wird mit seiner Behauptung, daß ihm in Wirklichkeit der entsprechende Wille gefehlt habe, gar nicht gehört.“45

Statt auf das negative will er den Erklärenden also auf das positive Interesse haften lassen. Die Bindung an das Erklärte – der Vertrag – wird dadurch zur „Strafe“ für die Sorgfaltswidrigkeit des Erklärenden: „Wessen Willen dieser objektiven Erscheinung nicht wirklich entsprach, der mag die Fiction seines Willens als Strafe seines Verschuldens hinnehmen.“46 Bähr fürchtet um die negativen Konsequenzen, die sich für den Handel ergäben, wenn Verträge regelmäßig keinen Bestand hätten. Weder bei einem Inhalts- noch bei einem Erklärungsirrtum möchte er daher eine Anfechtung oder eine Begrenzung der Haftung auf das negative Interesse zulassen.47 Um den Bedürfnissen des Verkehrs Rechnung zu tragen, sind seiner Ansicht nach „der äußeren Erscheinung nach zu Stande gekommene Rechtsgeschäft[e] aufrecht 41 

Regelsberger, Civilrechtliche Erörterungen, Erstes Heft, 1868, S. 17. Gleichwohl basiert Bährs Theorie auf dem Willensdogma. Vgl. hierzu nur Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin, Bd. 1, 1888, S. 71; Flume, FS 100 Jahre DJT, Bd. 1, 1960, S. 135, 154. 43  Bähr, JherJb. 14 (1875), 393, 400 f. [Kursivierung im Original]. 44  Bähr, JherJb. 14 (1875), 393, 407. 45  Bähr, JherJb. 14 (1875), 393, 401. [Kursivierung im Original]. 46  Bähr, JherJb. 14 (1875), 393, 417. Ein paar Seiten weiter schreibt er: „Der wahre Schadensersatz dafür, daß Jemand einem Andern für die Existenz eines Rechtsgeschäfts einzustehen hat, wird stets darin bestehen, daß er das Rechtsgeschäft selbst gegen sich gelten läßt.“ (424). 47  Bähr, JherJb. 14 (1875), 393, 416 und 419 f. So schreibt er etwa zum Inhaltsirrtum: „Wollte man in dieser Beziehung jeder Partei gestatten, ihren subjektiven Irrthum zur Geltung zu bringen, so würden gar manche Verträge der Anfechtung anheim fallen.“ (416). 42 

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

[zu] erhalten, ohne Rücksicht darauf, ob eine wirkliche Uebereinstimmung des innern Willens stattgehabt [sic!].“48 Noch pointierter als Bähr formuliert schließlich Danz Ende des 19. Jahrhunderts: „Man wird daher die ‚Willenserklärung‘ […] definieren können als das Verhalten einer Person, welches nach der Erfahrung des Verkehrs unter Würdigung aller Umstände regelmäßig den Schluß auf einen bestimmten Willen gestattet, ohne Rücksicht darauf, ob dieser Schluß im einzelnen Falle zutrifft, d.h. also ob wirklich ein solcher innerer Wille, wie er sich aus der vorliegenden Willenserklärung ergibt, bei der Person vorhanden gewesen ist oder nicht.“49

C. Die Willenserklärung im BGB Die Verfasser des BGB waren der Ansicht, „daß sich weder das Willensdogma noch die ihm gegenüberstehende Vertrauensmaxime (Erklärungstheorie) ohne erhebliche Modifikationen durchführen lasse und daß es daher nöthig sein werde, die einzelnen in Betracht kommenden Fälle getrennt ins Auge zu fassen, ohne zu der einen oder der anderen Theorie positiv Stellung zu nehmen.“50

Daher regelten sie „den Einfluß der Willensmängel auf die Gültigkeit der Rechtsgeschäfte nicht nach einer bestimmten Theorie […], sondern lediglich nach praktischen Gesichtspunkten“:51 Es „komme […] lediglich darauf an, unter thunlichster Ausgleichung der widerstreitenden Interessen des Irrenden und des anderen Theiles wie auch Dritter ein den Anforderungen der Billigkeit entsprechendes Recht zu schaffen.“52 Auch wollte der Gesetzgeber die Entwicklung des Begriffs Willenserklärung grundsätzlich explizit der Wissenschaft überlassen.53 Das Gesetz gibt aber eine Antwort auf die Frage, ob eine Willenserklärung auch dann vorliegt, wenn zwar etwas erklärt wurde, die Erklärung aber nicht von einem Willen getragen ist.54 48 

Bähr, JherJb. 14 (1875), 393, 408. Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 14. 50  Prot. I, S. 197 (= Mugdan I, S. 710). Der Erste Entwurf hingegen war stärker der Willenstheorie verpflichtet. In Mot. I, S. 191 (= Mugdan I, S. 457) heißt es: „Der Entw. folgt dem Willensdogma, durchbricht es aber in verschiedenen Richtungen.“ Vgl. hierzu auch Jakobs/ Schubert, AT, Bd. 1, 1984, S. 588 f. 51  Denkschrift I, S. 20 (= Mugdan I, S. 832). 52  Prot. I, S. 223 (= Mugdan I, S. 715). 53  Prot. I, S. 267 ff. (= Mugdan I, S. 729) i.V.m. Mot. I, S. 126 (= Mugdan I, S. 421). Dabei werden die Begriffe „Rechtsgeschäft“ und „Willenserklärung“ in gewissem Umfang gleichgesetzt. Kritisch hierzu Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 103 f. 54  Vgl. hierzu Brehmer, Wille und Erklärung, 1992, S. 65 f.; ders., JuS 1986, 440, 441 ff.; Kellmann, JuS 1971, 609, 614; Leenen, JuS 2008, 577, 579 f.; HKK/Schermaier, 2003, §§ 116– 124 Rn. 14; Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 49. 49 

C. Die Willenserklärung im BGB

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So bestimmt § 105 Abs. 2 BGB, dass eine Willenserklärung nichtig ist, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird. Auch eine solche Erklärung stellt also nach dem BGB eine Willenserklärung dar. Sie ist allerdings unwirksam. Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass eine Willenserklärung nur dann wirksam ist, wenn neben objektiven auch subjektive Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Eine weitere Grenze für die Entwicklung des Begriffs der Willenserklärung zieht § 116 S. 1 BGB. Hiernach ist es unbeachtlich, wenn sich der Erklärende insgesamt vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Die Willenserklärung ist deswegen nicht nichtig. Die Vorschrift war bereits im Ersten Entwurf des BGB enthalten und wurde „von keiner Seite beanstandet“.55 Die Erste Kommission befand: „Die Beachtung geheimer Vorbehalte ist weder mit dem allgemeinen Rechtsbewußtsein noch mit einem geordneten Verkehre vereinbar.“56 Dem Erklärenden dürfe „nicht gestattet werden […], seine Erklärung durch Berufung auf eigene Arglist zu entkräften.“57 Auch von Mitgliedern der Zweiten Kommission wurde die Bestimmung nur vereinzelt in Zweifel gezogen.58 Aus rechtsvergleichender Perspektive ist § 116 S. 1 BGB hingegen eine Anomalie.59 Obwohl bereits bei Azo gegolten hatte, dass man sich nicht auf Umstände berufen dürfe, die man „in corde retinuit“ und also im Herzen behält,60 wird dieser Gedanke ausdrücklich lediglich in Kodifikationen geregelt, die auf dem BGB beruhen.61 Gleichwohl erscheint § 116 S. 1 BGB vielen als „Selbstverständlichkeit“.62 55 

Prot. I, S. 198 (= Mugdan I, S. 710). I, S. 191 (= Mugdan I, S. 458). Allerdings war die § 116 S. 1 BGB entsprechende Norm (§ 95) nicht auf letztwillige Verfügungen anwendbar gewesen (§ 1779), Mot. V, S. 45 (= Mugdan V, S. 24). 57  Denkschrift I, S. 20 (= Mugdan I, S. 832). Vgl. auch Prot. I, S. 198 (= Mugdan I, S. 710). 58  Prot. I, S. 198 (= Mugdan I, S. 710). 59  Dessen war sich der BGB-Gesetzgeber sehr wohl bewusst, vgl. Mot. I, S. 192 (= Mugdan I, S. 458). Nach HKK/Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 33 wurde die Norm weniger als Reaktion auf die eherechtliche Praxis der katholischen Kirche in das BGB aufgenommen – so Holzhauer, FS Gmür, 1983, S. 119, 125 – als vielmehr wegen der Aussage von Thomasius, Institutiones iurisprudentiae divinae (1688), Ausgabe Halle 1710, lib. II cap. VII § 40, S. 218, dass derjenige, der einen Irrtum für beachtlich erkläre, auch die Berufung auf die Mentalreservation zulassen könne. 60  Azo, Lectura super codicem (vor 1220), Ausgabe Lyon 1596, lib. II cap. 4 § 25, S. 133. Zum römischen Recht eingehend K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 53, 150 ff. 61  Vergleichbare Normen finden sich etwa im Recht von Japan (Art. 93 Minpô) und Brasilien (Art. 110 Código Civil Brasileiro). Für einen historischen Überblick vgl. Holzhauer, FS Gmür, 1983, S. 119, 124 ff., zur Mentalreservation im katholischen Kirchenrecht vgl. Hinschius, AcP 83 (1894), 321 ff. 62  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 419 f.; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 20 1, S. 402; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 20 Ia, S. 363; Staudinger/Singer, 2017, § 116 Rn. 1 („rechtsethische Selbstverständlichkeit“). Vgl. auch Köhler, AT, 42. Aufl. 56  Mot.

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

Tatsächlich ist die dort normierte Rechtsfolge aber lediglich aus Sicht der Erklärungstheorie folgerichtig:63 Wenn allein das Erklärte maßgeblich ist, muss ein innerlich gebliebener, in der Erklärung also nicht zum Ausdruck gekommener (und von der anderen Seite nicht erkannter) abweichender Wille unbeachtlich sein. Nach Kohler kann ein innerer Vorbehalt sogar bereits tatbestandlich nicht bestehen, weil die Person ihre Erklärung willentlich in die Welt gesetzt ­habe:64 „[D]aß aber der Wille den rechten, d.i. den durch sein Bestreben angewiesenen, Weg geht und zugleich nicht geht […], das ist […] ebenso unmöglich als es ist, daß der Mörder zugleich seinen Streich führt und zugleich nicht führt.“65 Die Erste Kommission erklärt ihre Entscheidung für die Schaffung des heutigen § 116 S. 1 BGB (§ 95 des Ersten Entwurfs) denn auch wie folgt:66 „Die Aufnahme einer ausdrücklichen Bestimmung dieses Inhaltes sei erforderlich, weil die Kom. […] sich weder für das Willensdogma noch für die Erklärungstheorie schlechthin entscheiden wolle, und nur, wenn man sich prinzipiell auf den Standpunkt der letztgenannten Theorie stelle, die Vorschrift entbehrlich erscheine.“67

Manigk bezeichnet den geheimen Vorbehalt daher als „Kap Horn“ der Willens­ theorie.68 Die Rechtsfolge des § 116 S. 1 BGB wird aber selbst von denjenigen nicht angezweifelt, die bei einem Auseinanderfallen von Wille und Erklärung grundsätzlich dem Willen den Vorrang geben. So wird immer wieder angeführt: „Wer bewusst lügt, verdient keinen Schutz.“69 Dies klingt auch in den Motiven zum 2018, § 7 Rn. 7 („versteht sich im Grunde von selbst“); Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 592 („von selbstverständlicher Richtigkeit“); Trupp, NJW 1990, 1346, 1347 („klarstellende Funktion“). 63  Vgl. nur Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 16; K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 53, 134. Letzterer schreibt, § 116 S. 1 BGB sei „keine Ausnahme von einem allgemeinen Prinzip, weil eben […] die Willenstheorie im BGB kein allgemeines Prinzip bildet. Was § 116 Satz 1 BGB bestimmt, würde daher auch gelten, wenn es nicht im Gesetz stünde.“ (176). 64  Anderer Ansicht K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 53, 137: „daß es sich bei Mentalreservation nicht um die Geltendmachung eines ‚inneren Willens‘ gegenüber der Erklärung, sondern um das mit Höchstwissen Anmerkbare, im Gegensatz zu dem zur Zeit der Aeußerung – objektiv oder vom Dritten – Anmerkbare handelt.“ 65  Kohler, JherJb. 16 (1878), 91. 94. Ähnlich ders., JherJb. 16 (1878), 325, 339 (die Mentalreservation enthalte einen „logische[n] Widerspruch“). Vgl. auch Manigk, Irrtum und Auslegung, 1918, S. 54 Fn. 2; v. Scheurl, AcP 78 (1892), 342 ff. sowie Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 20 1, S. 402; Holzhauer, FS Gmür, 1983, S. 119, 120 f., 134 f.; HKK/Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 30; E. Wolf, AT, 3. Aufl. 1982, § 7 B III a), S. 310. 66 Nach v. Hein, ZIP 2005, 191 reflektieren §§ 116–118 BGB „die pragmatische Haltung des Gesetzgebers gegenüber dem Streit zwischen den Anhängern der sog. Willens- und der Erklärungstheorie.“ Ähnlich Preuß, Jura 2002, 815. 67  Prot. I, S. 198 (= Mugdan I, S. 710). 68  Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 142. 69 Staudinger/Singer, 2017, § 116 Rn. 1. Vgl. zu dieser Regel bereits Schliemann, Die Lehre vom Zwange, 1861, S. 114 f.; Windscheid, AcP 63 (1880), 72, 98; ders., Lehrbuch des Pandek-

D. Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung

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BGB an: „[W]er […] täuschen will, hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn er bei dem Worte genommen wird.“70 Der Erklärende werde als Strafe für seine Lüge an der Erklärung festgehalten.71 Abgesehen von diesen Ausnahmen bezieht das BGB aber bewusst nicht grundsätzlich Position für die Willens- oder die Erklärungstheorie. Bähr beschrieb daher den Ersten Entwurf mit drastischen Worten, er „theil[e] sich also zwischen den verschiedenen Lehren; ähnlich wie der Spruch Salomonis vorschlug, das streitige Kind mitten durchzuschneiden.“72 Der Streit um die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Willenserklärung wurde daher auch nach Inkrafttreten des BGB fortgeführt.73

D. Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung Gegenstand dieses Streits ist insbesondere, ob eine Willenserklärung für ihre Wirksamkeit das Vorliegen subjektiver Elemente erfordert, und wenn ja, ­welcher.

I. Die historische Entwicklung der Dreiteilung des subjektiven Tatbestands Gemeinhin wird der subjektive Tatbestand in drei Willens- bzw. Bewusstseins­ elemente unterteilt.74 Diese Unterteilung geht zurück auf Kohler, der sie in Abgrenzung von der Willenstheorie entwickelte.75 Er statuiert zunächst: „[D]ie tenrechts, Bd. 1, 7. Aufl. 1891, S. 194 f. sowie, weit vorher, bereits Samuel Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672, lib. IV cap. I § 8, S. 394 f. Vgl. auch K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 53, 139 ff., der zwischen Mentalreservation und Lüge differenziert. 70  Mot. I, S. 191 (= Mugdan I, S. 458). 71  Vgl. zum Erbrecht Mot. V, S. 45 (= Mugdan V, S. 24), wo es in Abgrenzung zur allgemeinen Regelung heißt: „Dem Gesichtspunkte, daß eine Berufung auf Arglist nicht zu gestatten sei und deshalb der Urheber der Willenserklärung (zur Strafe) an seiner Erklärung festgehalten werden müsse (Mot. I, S. 191), kann hier eine Berechtigung nicht zugestanden werden.“ 72  Bähr, KritV 30 (1888), 312, 335. Wieacker, FS OLG Celle, 1961, S. 263, 278 bezeichnet den Ansatz des BGB später als „durch den Gedanken des Vertrauensschutzes gemilderte ‚Willenstheorie‘“. 73  Vgl. aus der Zeit nur Breit, Die Geschäftsfähigkeit, 1903, S. 131 ff., 159 ff.; Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 6 ff.; Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 9. Aufl. 1903, S. 273 ff.; R. Leonhard, Der Irrtum als Ursache nichtiger Verträge, Erster Teil, 2. Aufl. 1907, S. 82 ff. Eine kurze Übersicht der unterschiedlichen Strömungen findet sich bei HKK/Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 9. 74  Eine andere Unterscheidung findet sich etwa bei Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 32. Sie unterteilen den „inneren Tatbestand“ der Willenserklärung in kompetenzielle und intentionale Voraussetzungen. 75  Eine Dreiteilung der Willenselemente findet sich etwa zeitgleich auch bei Zitelmann,

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

ganze Lehre von dem unmittelbaren Rapport zwischen Wille und Rechtseffekt muß aufgegeben werden.“76 Stattdessen plädiert er für folgende Abschichtung der Willenselemente: „[I]n den hauptsächlichen Fällen der Rechtsgeschäfte, können wir eine dreifache Klimax oder Antiklimax aufstellen: 1) den auf die Rechtsfolgen gerichteten Willen, 2) den auf den Geisteseffekt gerichteten Willen, 3) den auf die äußeren Kommunikationszeichen gerichteten Willen.“77

Der auf die Rechtsfolgen gerichtete Wille (1)) sei unerheblich.78 Rechtliche Relevanz habe lediglich der „auf den Vollzug des Rechtsakts gerichtete Wille“79 als „geistige Erklärung“.80 Er bestehe aus den Willenselementen 2) und 3).81 Maßgeblich sind nach Kohler also der „auf die äußeren Kommunikationszeichen gerichtete“ und von ihm als „Ausführungswillen“ bezeichnete Wille sowie der „auf den Geisteseffekt gerichtete Willen“, den er „Grundwillen“ nennt.82 In der Folge wurden diese drei Elemente von unterschiedlichen Autoren unterschiedlich benannt und definiert. Nach Rudolf Leonhard findet der Streit um die subjektiven Tatbestandsmerkmale daher auf einem „vom Nebel der Mißverständnisse verdunkelten Schlachtfelde [statt], auf dem Freund und Feind versehentlich auf die eigenen Leute schießen.“83 Die heute gebräuchliche Terminologie wurde durch Heinrich Lehmann geprägt.84 Lehmann unterscheidet den Handlungswillen (zutreffender als Handlungsbewusstsein bezeichnet85), den Erklärungswillen, den er auch Erklärungsbewusstsein nennt,86 und den Geschäftswillen.87 Für ihre Wirksamkeit erfordere eine Willenserklärung unstreitig einen Handlungswillen, „der sich auf die Irrtum und Rechtsgeschäft, 1879, 91 ff., 115 ff., 157 ff., 186, einem überzeugten Vertreter der Willenstheorie. Er unterscheidet zwischen dem bewussten Willen, der Absicht und den Motiven. Zur Rezeption von Zitelmanns Ansatz vgl. nur HKK/Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 6, 10. 76  Kohler, JherJb. 16 (1878), 325, 331. 77  Kohler, JherJb. 16 (1878), 325, 335 f. 78  Kohler, JherJb. 16 (1878), 325, 332, 336. 79  Kohler, JherJb. 16 (1878), 325, 333. 80  Kohler, JherJb. 16 (1878), 325, 334. 81  Kohler, JherJb. 16 (1878), 325, 336 f. 82  Kohler, JherJb. 16 (1878), 325, 336 Fn. 1. 83  R. Leonhard, AT, 1900, S. 462 Fn. 2. Zu den unterschiedlichen Bedeutungen Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 20 f. 84 Vgl. Bartholomeyczik, FS Ficker, 1967, S. 51, 53; Musielak, AcP 211 (2011), 769, 783 ff. 85  Warum dieser Begriff vorzugswürdig ist, erklärt Bartholomeyczik, FS Ficker, 1967, S. 51, 67 ff. Er möchte den Willen nicht in drei, sondern in zwei Willensmerkmale trennen; das Erklärungsbewusstsein zählt er zum Geschäftswillen. 86  Den Begriff „Erklärungsbewusstsein“ hat wohl Nipperdey geprägt, vgl. Enneccerus/ Nipperdey, AT, 13. Aufl. 1931, S. 442 f. 87  H. Lehmann, AT, 2. Aufl. 1922, S. 106 f. Vgl. hierzu Bartholomeyczik, FS Ficker, 1967, S. 51, 53 f., 58.

D. Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung

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Beobachtung des äußeren Verhaltens richtet, aus dem der Geschäftswille (die Erfolgsabsicht) erschlossen werden kann“.88 Erklärungswille – von ihm definiert als Wille des Handelnden, „durch die Beobachtung seines Verhaltens eine rechtsgeschäftliche Mitteilung irgendwelchen Inhalts zu machen“89 – und Geschäftswille – also die „auf einen bestimmten wirtschaftlichen, rechtlich gesicherten Erfolg gerichtete Absicht“90 – grenzt er in seinen Ausführungen zum Anfechtungsrecht des BGB voneinander ab.91 Eine mit fehlendem Erklärungswillen abgegebene Willenserklärung erfasse § 119 Abs. 1 BGB nicht direkt. Die Norm dürfe in diesem Fall aber auch nicht analoge Anwendung finden. Eine Erklärung ohne Erklärungswillen müsse vielmehr nichtig sein. Dadurch werde sichergestellt, dass der Erklärende nur dann (aus culpa in contrahendo) hafte, wenn er schuldhaft eine Sorgfaltspflicht verletzt habe. Eine verschuldensunabhängige Pflicht zum Ersatz des Vertrauensschadens gem. § 122 BGB sei hingegen eine „unbegründete Härte, wenn dem Erklärenden jede Vorstellung gefehlt hat, sich am rechtsgeschäftlichen Verkehr zu beteiligen.“92 Dieser Folge entgehe man, wenn man das Vorliegen des Erklärungswillens als Wirksamkeitsvoraussetzung der Willenserklärung verstehe.93 Die Anfechtbarkeit einer ohne Geschäftswillen abgegebenen Willenserklärung hingegen begrüßt er. Hier sei es gerechtfertigt, den Erklärungsempfänger über § 122 BGB zu schützen: „Wer eine Mitteilung rechtsgeschäftlicher Art macht, muß sich allerdings darüber klar sein, daß der Rechtskreis des Empfängers dadurch berührt wird, daß dessen weiteres rechtliches Verhalten auf dieser Mitteilung fußt. Deshalb Ersatzpflicht!“94 Lehmanns Position lässt sich wie folgt zusammenfassen: (Nur) wer sich bewusst ist, dass er eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgibt, hat die Pflicht, den Inhalt seiner Erklärung sorgfältig zu prüfen. Gibt er eine Erklärung ab, die er so nicht abgeben will, ist er gleichwohl (zunächst) gebunden.

II. Der heutige Stand der Diskussion Nach wie vor wird mit unterschiedlichen Begründungen vertreten, dass der Geschäftswille keine Wirksamkeitsvoraussetzung einer Willenserklärung darstelle, das Erklärungsbewusstsein schon. Eine darüber hinausgehende Haftung widerspreche der Privatautonomie: Wenn eine Person, die keine rechtsgeschäft88 

H. Lehmann, AT, 2. Aufl. 1922, S. 106. H. Lehmann, AT, 2. Aufl. 1922, S. 107. 90  H. Lehmann, AT, 2. Aufl. 1922, S. 107. 91  Vgl. hierzu Musielak, AcP 211 (2011), 769, 784, 787. 92  H. Lehmann, AT, 2. Aufl. 1922, S. 174. 93  H. Lehmann, AT, 2. Aufl. 1922, S. 174. 94  H. Lehmann, AT, 2. Aufl. 1922, S. 174. 89 

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

liche Handlung vornehmen wollte, für die Folgen ihres Handelns einzustehen habe, tue sie dies nicht aufgrund privatautonomer Entscheidung.95 Überwiegend sind Autoren heute jedoch der Ansicht, dass der Privatautonomie so lange Rechnung getragen sei, wie dem einzelnen ermöglicht werde, durch Willensäußerungen Rechtsfolgen herbeizuführen.96 Das Recht der Willenserklärungen müsse nicht nur der Selbstbestimmung, sondern auch der Selbstverantwortung und dem Verkehrsschutz zur Geltung verhelfen.97 Zudem sei nicht ersichtlich, warum es die Selbstbestimmung gebiete, dass eine Situation, in der eine Person keine rechtsgeschäftliche Erklärung habe abgeben wollen, anders zu behandeln sei als eine solche, in der eine Person eine Erklärung anderen Inhalts habe abgeben wollen; in beiden Fällen habe die Person die Bindung an das Erklärte nicht gewollt.98 Warum solle die Erklärung also im ersten Fall nichtig und im zweiten Fall lediglich anfechtbar sein?99 Nach den Anhängern der Theorie der Erklärungsfahrlässigkeit ist daher unter bestimmten Voraussetzungen neben dem Geschäftswillen auch das Erklärungsbewusstsein entbehrlich. Auch derjenige, der hätte erkennen können, dass

95  Vgl. nur Adomeit, FS Baumann, 1999, S. 1 ff.; Canaris, Die Vertrauenshaftung im Deutschen Privatrecht, 1971, S. 427 f.; ders., NJW 1984, 2281 f.; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 169 ff.; ders., JZ 1989, 1030 ff.; ders., AcP 201 (2001), 93, 94, 99 f.; Staudinger/ders., 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 37 ff.; Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, 1969, S. 142 f.; Thiele, JZ 1969, 405, 407; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 32 Rn. 22. Nach Eisenhardt, JZ 1986, 875, 879 f. ist auch der Geschäftswille für das Vorliegen einer Willenserklärung erforderlich; fehle er, träten die Rechtsfolgen aufgrund „Zurechnung ‚rechtlich relevanten Verhaltens‘“ ein. Eine Willenserklärung werde dann lediglich fingiert. Vgl. auch Hübner, FS Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 373, 378: „Nicht rechtsgeschäftliche Konsequenz, sondern Reflexwirkung aus der Verhaltensweise trifft den, dem zugerechnet wird.“ [Kursivierung im Original]. Zum rechtlich relevanten Verhalten vgl. auch Flume, AcP 161 (1962), 52 f.: Die Erklärungstheorie nehme dem „Rechtsgeschäft seine Würde, seine Eigenständigkeit“ (52), weil durch sie das „rechtlich relevante Verhalten mit dem Rechtsgeschäft als dem Akt schöpferischer Gestaltung von Rechtsverhältnissen auf eine Stufe gestellt wurde.“ (53).  96 Vgl. F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, 1967, S. 132 ff.; Honsell, FS Walter, 2005, S. 335, 339; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 5; Schmidt-Salzer, JR 1969, 281, 285.  97  Vgl. hierzu nur MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 100; F. Bydlinski, JZ 1975, 1; Gudian, AcP 196 (1969), 232, 235; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 5. Schmidt-­ Salzer, JR 1969, 281, 285 spricht insoweit auch von „Erklärungsverantwortung“.  98  F. Bydlinski, JZ 1975, 1, 5. Vgl. hierzu bereits Hölder, JherJb. 58 (1911), 101, 105 f.  99  Nach BGHZ 91, 324, 329 f.; F. Bydlinski, JZ 1975, 1, 3; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 20 3, S. 415; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 607 ist die sich daraus ergebende unterschiedliche Behandlung einer ohne Erklärungsbewusstsein abgegebenen Erklärung (Anfechtbarkeit gem. § 119 Abs. 1 BGB (analog)) und einer Scherzerklärung (Nichtigkeit gem. § 118 BGB mit Pflicht zum Ersatz des Vertrauensschadens gem. § 122 BGB) dadurch gerechtfertigt, dass sich der Erklärende im ersten Fall nicht bewusst gegen die Geltung des objektiv Erklärten entschieden habe, im zweiten jedoch schon. Kritisch hierzu Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 178 ff.

D. Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung

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sein Verhalten rechtlich erheblich erscheine, solle haften.100 So führt etwa der BGH aus: „Eine Willenserklärung liegt bei fehlendem Erklärungsbewußtsein allerdings nur dann vor, wenn sie als solche dem Erklärenden zugerechnet werden kann. Das setzt voraus, daß dieser bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, daß seine Erklärung oder sein Verhalten vom Empfänger nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte.“101

Voraussetzung dafür sei, dass der Empfänger die Erklärung tatsächlich als Willenserklärung verstanden habe.102

III. Kritik Wer das Erklärungsbewusstsein für zwingend erforderlich hält, berücksichtigt nicht hinreichend, dass Willenserklärungen Bestandteil des Rechtsverkehrs sind. Der Erklärende handelt, wenn er sich in den Rechtsverkehr begibt, in erster Linie als Teil eines Verkehrssystems. Bei der Beurteilung seines Verhaltens sind daher auch die Bedürfnisse der anderen Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Eine (objektiv als solche zu bewertende) Willenserklärung, die nicht von einem subjektiven Willen getragen ist, stellt eine Störung des Rechtsverkehrs dar, die möglichst vermieden werden sollte.103 Dies rechtfertigt es, dem Willen des Erklärenden grundsätzlich keinen Vorrang vor dem einzuräumen, was er objektiv erklärt hat.104 100 

Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 596; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 50 ff.; F. Bydlinski, JZ 1975, 1; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 20 3, § 23 1, S. 414 f., 449 f.; Gudian, AcP 169 (1969), 232; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 5; Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 83 ff.; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 17 Rn. 18; ­Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 208 ff.; Schmidt-Salzer, JR 1969, 281, 284 ff. Vgl. hierzu auch Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 26. Aufl. 2017, Rn. 130, die in diesem Fall aber, anders als der BGH, den Rechtsgedanken des § 118 BGB anwenden wollen, nach dem nur der Schuldlose das Geschäft gegen sich gelten lassen dürfen soll (Rn. 130 a.E.). 101  BGHZ 91, 324, 330. Vgl. auch BGHZ 109, 171, 177; BGH NJW 2002, 2325, 2327; BGH NJW 2005, 2620, 2621. 102  BGHZ 109, 171, 177. Vgl. auch BGHZ 91, 324 ff.; BGH NJW 2005, 2620, 2621. Auf (konkretes) Vertrauen abstellend und damit etwas anders akzentuiert BGH NJW 1995, 953: Eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Erklärung sei wirksam, wenn „der sich ­Äußernde fahrlässig bei dem Erklärungsempfänger das Vertrauen auf einen bestimmten Erklärungsinhalt geweckt“ habe. 103 Vgl. v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, 1936, S. 72 f.: die Frage des Auseinanderfallens von Wille und Erklärung sei ein „Problem des Verkehrsschutzes gegen Verkehrsstörungen“. 104  Zu den Herausforderungen, digitale Äquivalente für die subjektiven Willenselemente zu finden, vgl. nur Teubner, AcP 218 (2018), 155, v.a. 182 ff.

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

Die Erwägungen, die der Theorie der Erklärungsfahrlässigkeit zugrunde liegen, sind daher überzeugend. Allerdings sind die Schlüsse, die daraus gezogen werden, nicht konsequent. Die Vertreter der Theorie der Erklärungsfahrlässigkeit behandeln Fälle fehlenden Geschäftswillens und fehlenden Erklärungsbewusstseins unterschiedlich. Eine ohne Geschäftswillen abgegebene Erklärung soll wirksam sein. Eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Erklärung hingegen soll nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn der Erklärende nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt aufgebracht hat, also fahrlässig war.105 Das Erklärungsbewusstsein ist damit nach dieser Ansicht bedingte Wirksamkeitsvoraussetzung. Dass das Erklärungsbewusstsein nicht stets erforderlich ist, eine Willenserklärung also unter Umständen auch ohne Erklärungsbewusstsein wirksam sein kann, soll dem „Schutze des redlichen Rechtsverkehrs“ dienen.106 Konsequenterweise muss das Erklärungsbewusstsein dann aber stets entbehrlich sein. Aus Sicht des Erklärungsempfängers macht es keinen Unterschied, ob der Erklärende ohne Geschäftswillen oder ohne Erklärungsbewusstsein gehandelt hat.107 Beides ist für ihn gleichermaßen schlecht erkennbar. Wer an die beiden Fälle dennoch unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft, muss also begründen können, warum er die Perspektive des Erklärungsempfängers für weniger relevant erachtet, wenn sich der Erklärende darüber irrt, dass er am Rechtsverkehr teilnimmt, als wenn er sich darüber irrt, mit welchem Inhalt er dies tut. Eben das gelingt den Vertretern der Theorie der Erklärungsfahrlässigkeit nicht. Während sie in ihren Schriften eingehend und überzeugend darlegen, dass das Erklärungsbewusstsein entbehrlich sein kann, weil der Erklärende das „falsche finale Erscheinungsbild“108 bewusst hervorgerufen hat, sind ihre Erörterungen der Frage, warum eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Willenserklärung nur dann Wirksamkeit entfaltet, wenn der Erklärende fahrlässig war, oft kursorisch und brüchig.109 Wenig überzeugend ist insoweit etwa die Argumentation von Franz Bydlinski. Er hält eine Unterscheidung „[z]wischen dem, der rechtsgeschäftlich gar nichts will, und dem, der rechtsgeschäftlich etwas ganz anderes will“,110 für 105  Vgl. nur BGH NJW 1995, 953. In der Praxis wird es höchst selten vorkommen, dass den Erklärenden keine Fahrlässigkeit trifft. 106  BGH NJW 1995, 953. 107  So auch Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 50 f.; v. Craushaar, AcP 174 (1974), 2, 7, 13; Musielak, AcP 211 (2011), 769, 796 f. 108  Bartholomeyczik, FS Ficker, 1967, S. 51, 69 unter Bezugnahme auf Esser, Schuldrecht, 2. Aufl. 1960, § 52 3d, S. 187, der von „erscheinungsbildliche[r] Finalität“ spricht [Kursivierung im Original]. 109  Musielak, AcP 211 (2011), 769, 798 ist daher zutreffend der Ansicht, die Theorie der Erklärungsfahrlässigkeit leide „an einem inneren Widerspruch.“ 110  F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, 1967, S. 163 [Kursivierung im Original].

D. Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung

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nicht gerechtfertigt: Weil die „beiden Fälle unter den für das Rechtsgeschäft entscheidenden Gesichtspunkten (Privatautonomie und Vertrauensprinzip) überein[stimmen], so müssen sie gleich behandelt werden“.111 Tatsächlich aber lässt er den beiden Fällen keineswegs Gleichbehandlung zuteil kommen. Derjenige, „der rechtsgeschäftlich gar nichts will“, dem also das Erklärungsbewusstsein fehlt, soll nämlich nur dann gebunden sein, wenn er „bei Aufwendung gehöriger Sorgfalt in der Lage gewesen wäre, vorauszusehen und zu vermeiden, daß sein Verhalten einem anderen als Willenserklärung entgegentritt.“112 Die rechtsgeschäftliche Bindung beim Erklärungsirrtum begründet er hingegen damit, dass sich der Erklärende „bewußt auf das risikoreiche Parkett des geschäftlichen Verkehrs begeben [habe], auf dem u.U. auch bei aller Sorgfalt des Erklärenden mit Divergenzen zwischen seiner Vorstellung und dem objektiven Inhalt der Erklärung zu rechnen“ sei.113 Es handele sich mithin „um einen recht schwachen Zurechnungsgrund […], weil kein sorgfaltswidriges Verhalten des Erklärenden vorausgesetzt ist, sondern es um die Risikoverteilung zwischen sorgfältigen Teilnehmern am rechtsgeschäftlichen Verkehr geht.“114 Wer „rechtsgeschäftlich etwas ganz anderes will“, also ohne Geschäftswillen gehandelt hat, ist mithin unabhängig davon, ob er fahrlässig war, an seine Erklärung gebunden. Die Bindung beruht auf der Teilnahme am Rechtsverkehr, nicht auf individuellem Verschulden.115 Dann aber kann für den Fall des fehlenden Erklärungsbewusstseins nichts anderes gelten. Maßgeblich müsste sein, ob der Erklärende (bei objektiver Betrachtung) am Rechtsverkehr teilgenommen hat, nicht hingegen, ob er sorgfaltswidrig war. Auch der Ansatz von Gudian ist aus diesem Grund kritikwürdig. Er stellt zunächst (zutreffend) fest, dass der Schutz eines Vertragspartners zu Lasten des anderen Vertragspartners geht. Dies dürfe das Recht nur dann vorsehen, wenn „es zugleich gerechtfertigt erscheint, den anderen diesen Schutz entgelten zu lassen.“116

111 

F. Bydlinski, JZ 1975, 1, 5. F. Bydlinski, JZ 1975, 1, 5. 113  F. Bydlinski, JZ 1975, 1, 4. 114  F. Bydlinski, JZ 1975, 1, 4. Ähnlich insofern auch Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 172, denn „die positive Bindung, die gemäß §§ 119, 121 BGB infolge Präklusion des Anfechtungsrechts eintritt, hat ihren tieferen Grund nicht im individuellen Vertrauensschutz, sondern im generellen Verkehrsschutz.“ Daraus zieht er jedoch andere Schlussfolgerungen. 115  Vgl. hierzu auch Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 174, 176. Andere Vertreter der Theorie der Erklärungsfahrlässigkeit stellen hingegen durchgehend auf das Verschulden des Erklärenden ab, etwa Isay, Die Willenserklärung im Thatbestande des Rechtsgeschäfts nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1899, S. 25 f. und Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 216 f.; ders., JherJb. 83 (1933), 1, 55 f., 60 f., 90 ff. 116  Gudian, AcP 169 (1969), 232, 235. 112 

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

Wann dies der Fall sei, ergebe sich aus dem Zweck des § 119 BGB: „§ 119 BGB dient dem Schutz des Erklärungsempfängers: Da er [der Erklärungsempfänger] sich nur an das objektiv Erklärte halten und den wahren Willen nur von dort her erschließen kann, der Erklärende aber es in der Hand hat, sein Verhalten so einzurichten, daß es nichts anderes zum Ausdruck bringt als seinen wahren Willen, soll das Vertrauen des Erklärungsempfängers darauf, daß das objektiv Erklärte auch den wahren Willen des Erklärenden wiedergibt, den Vorrang haben vor dem Interesse des Erklärenden, nur für das einstehen zu müssen, was er erklären wollte.“117

Auf den ersten Blick lässt dieses Zitat vermuten, dass der ohne Erklärungsbewusstsein Erklärende nach Gudian stets an das objektiv Erklärte gebunden ist. Unabhängig davon, ob der Erklärende sorgfaltswidrig war, kann sich der Erklärungsempfänger nämlich „nur an das objektiv Erklärte halten und den wahren Willen nur von dort her erschließen“. In Wirklichkeit aber möchte Gudian den Erklärenden ebenfalls nur dann binden, wenn ihm Erklärungsfahrlässigkeit zu Last gelegt werden kann. Diese Einschränkung entnimmt er dem Wesen des Vertrauensschutzes, dem § 119 BGB seines Erachtens dient.118 „Vertrauen des Erklärungsempfängers“ ist aber, anders als Gudian schreibt, nicht erforderlich, damit die Voraussetzungen des § 119 BGB erfüllt sind.119 Lediglich für einen etwaigen Schadensersatzanspruch des Erklärungsempfängers gem. § 122 Abs. 1 BGB ist Vertrauen Tatbestandsvoraussetzung.120 Ähnlich wenig überzeugt die Begründung von Schmidt-Salzer. Weil empfangsbedürftige Willenserklärungen für ihre Wirksamkeit des Zugangs bedürfen, muss seines Erachtens in rechtstechnischer Hinsicht „das Risiko des Abweichens von gewolltem und verstandenem Erklärungsinhalt zu Lasten des Erklärenden gehen.“121 Die Dogmatik erfordere jedoch eine andere Lösung: Das Prinzip der Selbstverantwortung verpflichte dazu, den Erklärenden „nur für fahrlässiges, auf einen in Wirklichkeit nicht vorhandenen Willen hindeutendes Verhalten im Rechtsverkehr“ haften zu lassen, ihm aber „kein allgemeines Verhaltensrisiko“ aufzubürden.122 Ausreichender Anknüpfungspunkt für eine selbstverantwortliche Haftung kann aber bereits ein Verhalten sein, das objektiv den Anschein erweckt, als sei es rechtlich erheblich.123 Eine darüber hinausgehende subjektive Vorwerfbarkeit ist nicht erforderlich. Solch ein objektiverer Maßstab vermag auch dafür zu sorgen, dass ein Verhalten, wie Schmidt-Salzer fordert, „dann und nur dann 117 

Gudian, AcP 169 (1969), 232, 235. Gudian, AcP 169 (1969), 232, 235. 119 Ähnlich Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 180; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 32 Rn. 23. 120  Siehe zu § 122 BGB auch S. 270, 292. 121  Schmidt-Salzer, JR 1960, 281, 284. 122  Schmidt-Salzer, JR 1960, 281, 285. Vgl. auch Emmerich, JuS 1984, 971. 123 Vgl., allerdings mit anderem Ansatz, Jahr, JuS 1989, 249, 252, 256. 118 

D. Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung

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als Willenserklärung bestimmten Inhalts zu werten ist, wenn ein vernünftiger Dritter es bei Abwägung aller Umstände in diesem Sinn verstehen würde.“124 Auch systematisch ist es nicht überzeugend, das fehlende Erklärungsbewusstsein durch einen Verschuldensvorwurf zu ersetzen:125 Wer Sorgfaltspflichten verletzt, ist grundsätzlich nur zum Ersatz des dadurch entstehenden Schadens verpflichtet; er wird nicht durch rechtsgeschäftliche Bindung sank­ tioniert.126 In den Worten Mankowskis: Im Recht der Willenserklärungen „geht [es] nicht um Normverletzungen, sondern um Teilnahme am Rechtsgeschäftsverkehr.“127 Letztlich wollen die Vertreter der Erklärungsfahrlässigkeit der „Sozialbindung des Erklärungsempfängers“ Rechnung tragen:128 Nicht nur dem Erklärenden, sondern auch dem Erklärungsempfänger obliege es, sich mit den Sitten des Verkehrs vertraut zu machen und ihnen gemäß zu handeln. Hätte der Erklärende „bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt [nicht] erkennen und vermeiden können, daß seine Erklärung oder sein Verhalten vom Empfänger nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte“,129 war der Erklärungsempfänger sorgfaltswidrig und also nicht schutzwürdig. Seine Annahme, dass der Erklärende einen Vertrag mit ihm schließen wollte, war dann nicht nur irrig, sondern widersprach der Verkehrsübung. Die Vertreter der Theorie der Erklärungsfahrlässigkeit wollen also denjenigen „bestrafen“, dessen subjektive Vorstellung davon abweicht, wie ein verständiger Dritter die Situation eingeschätzt hätte. Damit legen sie einen objektiven Maßstab an. Die diesen Maßstab betreffende Wirksamkeitsvoraussetzung der Willenserklärung muss dann aber ebenfalls objektiver Natur sein; das wird derzeit durch den Verschuldensvorwurf verschleiert.

124 

Schmidt-Salzer, JR 1960, 281, 286 f. Dies tut etwa auch Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 212: „Die Zurechnung des Erklärungswertes eines Verhaltens erfolgt durchweg nicht gemäß dem Kennen, Wollen und Bewußtsein des Handelnden, sondern gemäß dem verkehrsmäßigen Kennenmüssen und dem darauf gestützten Geschäftsvertrauen des Gegners.“ 126  Adomeit, FS Baumann, 1999, S. 1; Brehmer, Wille und Erklärung, 1992, S. 21 f.; Kellmann, JuS 1971, 609, 614 f.; Musielak, AcP 211 (2011), 769, 797; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 174. Vgl. auch Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 608, 454. 127  Mankowski, AcP 211 (2011), 153, 189. 128  Schmidt-Salzer, JR 1969, 281, 287. 129  BGHZ 91, 324, 330. F. Bydlinski, JZ 1975, 1, 5 etwa möchte eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Willenserklärung aufgrund der „notwendige[n] Gleichbehandlung von Erklärendem und Erklärungsempfänger“ nur dem Sorgfaltswidrigen zurechnen. Auch der Empfänger einer irrtümlich abgegebenen Willenserklärung werde nur dann geschützt, wenn er sorgfältig war; dies belege § 122 Abs. 2 BGB. 125 

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

E. Objektive Theorie der Willenserklärung Für die Beantwortung der Frage, ob eine wirksame Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt diese hat, ist in der Regel auf den objektiven Erklärungswert abzustellen (I.). Besteht zwischen den Parteien eine vom objektiven Erklärungswert abweichende subjektive Willensübereinstimmung, genießt sie allerdings Vorrang (II.)

I. Grundsatz Für die Wirksamkeit der Willenserklärung ist grundsätzlich ausreichend, dass ein Verhalten vorliegt, welches aus Sicht eines objektiven Empfängers rechtsgeschäftlichen Erklärungswert besitzt. Bei der Feststellung des objektiven Erklärungsgehalts sind sowohl die verwendeten Zeichen als auch die Umstände ihrer Äußerung zu beachten. Der Verkehr wird eine Erklärung nur dann als Willenserklärung verstehen, wenn sie in einer Sphäre abgegeben wurde, die objektiv geschäftlicher Natur ist, sowohl räumlich-regional als auch situativ. Das Verhalten einer Person wird dadurch nach den Gepflogenheiten des – realen oder virtuellen – Raumes oder der Region beurteilt, in der sie sich befindet. Wenn der objektive Erklärungsgehalt maßgeblich ist und also auf das objektive Erscheinungsbild abgestellt werden muss, kommt es auf etwaige subjektive Vorstellungen des Erklärenden notwendigerweise nicht an.130 Damit sind nicht nur Geschäftswille und Erklärungsbewusstsein irrelevant. Auch für eine Differenzierung zwischen Erklärungs- und Handlungsbewusstsein besteht kein Raum. Eine ohne Handlungsbewusstsein abgegebene Erklärung kann ebenso rechtserheblich erscheinen wie eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene. Tut sie das und liegen die Voraussetzungen des § 105 Abs. 2 BGB nicht vor,131 ist die Erklärung – Kellmann spricht in solchen Fällen von einer „unbewuss-

130  Ähnlich auch Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 88 f.; Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 14. Vgl. überdies Kohler, JherJb. 18 (1880), 129, 155. 131  Aus Sicht des Erklärungsempfängers ist auch im Fall des § 105 Abs. 2 BGB nicht erkennbar, dass das Handlungsbewusstsein gefehlt hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Erklärung einem Abwesenden gegenüber abgegeben wurde. Gleichwohl ordnet das Gesetz die Nichtigkeitsfolge an. Das ist kein Widerspruch: Die Normen über das Rechtsgeschäft sind nur auf Personen anwendbar, die die Fähigkeit haben, einen freien Willen zu bilden. Bewusstlose (und Personen, die unter einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit leiden), sind dieser Fähigkeit temporär beraubt, daher stellt das Gesetz sie Geschäftsunfähigen gleich. Damit ist im Falle des § 105 Abs. 2 BGB bereits der Tatbestand der Willenserklärung nicht erfüllt. Vgl. Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 6 Rn. 76 ff.

E. Objektive Theorie der Willenserklärung

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ten“ Willenserklärung132 – wirksam.133 Der Erklärende kann sie aber, wie eine Erklärung ohne Erklärungsbewusstsein, entsprechend § 119 Abs. 1 BGB innerhalb der Frist des § 121 BGB anfechten.134 In der Praxis sind solche Willenserklärungen ohne Handlungsbewusstsein höchst selten. Möglich ist etwa, dass sich eine vor einem Computer befindliche Person erschrickt und mit einer reflexartigen Bewegung per Mausklick eine Erklärung abgibt, indem sie auf den Bestellbutton eines Online-Portals klickt. Abgesehen davon, dass sie den Vertrag, wenn sie ein Verbraucher ist, gegebenenfalls widerrufen darf und sich also keiner Ersatzpflicht nach § 122 BGB ausgesetzt sieht: Die Wirksamkeit der Erklärung ist insofern gerechtfertigt, als die Person das Risiko für ihre Erklärung selbst geschaffen hat135 bzw. den Eintritt dieses Risikos mit deutlich weniger Aufwand als der Erklärungsgegner hätte verhindern können. Sie ist der cheapest cost avoider.136 Auch § 116 S. 1 BGB ist Ausdruck der Grundregel, dass eine Willenserklärung den Inhalt hat, der in ihr objektiv zum Ausdruck kommt, und dass ein abweichender Wille für die Wirksamkeit unbeachtlich ist. Die Norm hat nicht den typischen Fall fehlenden Handlungs- oder Erklärungsbewusstseins oder fehlenden Geschäftswillens zum Gegenstand.137 Der Erklärende unterliegt kei132  Kellmann, JuS 1971, 609, 612. Seines Erachtens belegen auch §§ 106, 107 BGB, nach denen der gesetzliche Vertreter eine Willenserklärung eines beschränkt Geschäftsfähigen genehmigen kann: „subjektive Elemente auf Seiten des Erklärenden, also auch der Handlungswille, scheiden, sofern sein Fehlen nicht irgendwie erkennbar geworden ist, vollständig aus.“ 133  So im Ergebnis auch Brehmer, Wille und Erklärung, 1992, S. 65 ff.; ders., JuS 1986, 440, 443; Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 90; Kellmann, JuS 1971, 609, 612 f.; Jauernig/Jauernig, 2. Aufl. 1981, Vorb. § 116 Anm. 3a; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 35; HKK/Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 14 („Alles ist Willenserklärung, was als Willenserklärung erscheinen muß.“); Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 49. Vgl. bereits v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, 1936, S. 8 f. 134  Bei fehlendem Handlungsbewusstsein stützt sich die Anfechtbarkeit auf § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB analog, bei fehlendem Erklärungsbewusstsein basiert die Analogie auf § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB, siehe S. 305 f. Der BGH gewährt bei fehlendem Erklärungsbewusstsein hingegen ein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB (direkt), vgl. BGHZ 91, 324, 329. So auch MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 104; F. Bydlinski, JZ 1975, 1, 5; NK-BGB/ Feuerborn, 3. Aufl. 2016, § 119 Rn. 33; Kellmann, JuS 1971, 609, 613; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 46. Brehmer, JuS 1986, 440, 443 hingegen möchte dem Erklärenden ein „Gegenrecht“ einräumen. Noch anders Bartholomeyczik, FS Ficker, 1967, S. 51, 62: „Das Bewußtsein als subjektives Teilelement der Handlung, dem seelischen Sein zugehörend, kann nur vorhanden sein oder fehlen. Es kann nicht vorhanden, aber fehlerhaft sein.“ 135  So auch, mit ganz ähnlichem Beispiel, Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 24, 35. Vgl. überdies Neuner, JuS 2007, 881, 884 sowie Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 89 f., der die Teilnahme am Rechtsverkehr ebenfalls als das Eingehen eines Risikos beschreibt. 136  Siehe zu diesem Konzept auch S. 18. 137 Vgl. Holzhauer, FS Gmür, 1983, S. 119, 120 ff. Nach Kallimopoulos, Die Simulation im bürgerlichen Recht, 1966, S. 49 f.; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 17 Rn. 2; Traub, Das Erklä-

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

nem Irrtum, sondern ist sich des objektiven Bedeutungsgehalts seiner Erklärung sehr wohl bewusst.138 Insgeheim möchte er aber etwas anderes als das, was er erklärt.139 § 116 S. 1 BGB bestimmt, dass sich der objektive Gehalt der Erklärung auch in diesem Fall durchsetzt. In gewisser Hinsicht ist die Norm damit radikal, bestimmt sie doch explizit, dass nicht nur ein nicht voll ausgebildeter oder mangelhaft umgesetzter Wille, wie er im Fall des Irrtums vorliegt, unbeachtlich ist, sondern sogar ein Wille, der fehlerfrei gebildet, aber bewusst nicht nach außen kundgetan wurde: Die Willenserklärung ist jedenfalls nicht wegen des geheimen Vorbehalts nichtig. Die Norm behandelt damit einen klassischen Fall von Informationsasymmetrie:140 Nur der Erklärende kennt den inneren Vorbehalt. Der Erklärungsempfänger hingegen kann ihn, wenn überhaupt, höchstens unter Einsatz erheblicher Kosten in Erfahrung bringen. Informationsasymmetrien können gerechtfertigt und also vom Recht hinzunehmen sein, wenn dadurch Anreize geschaffen werden, produktive, zu volkswirtschaftlicher Wohlfahrtssteigerung führende Informationen zu generieren.141 Der geheime Vorbehalt erfüllt dieses Kriterium nicht: Der Erklärende hat keine – möglicherweise schützenswerten – Anstrengungen aufgewandt, um Kenntnis von einer Information zu erlangen. Sein Vorbehalt ist vielmehr eine innere Tatsache, eine Information, die dem Erklärenden selbst entstammt. Sie betrifft nicht die Kenntnis von Fakten, sondern das Wollen (dessen, was erklärt wurde). Wäre der Vorbehalt gleichwohl beachtlich, würde vorvertraglicher Opportunismus gefördert. Für den Erklärenden wäre es dann rational, seinen Vorbehalt gegen die eigene Erklärung für sich zu behalten. Der Erklärungsempfänger hingegen würde zu kostenintensiven und ineffizienten Nachprüfungen veranlasst.142 Die Vertragsanbahnungskosten würden also steigen. Zudem würden Verkehrsteilnehmer vorsichtiger werden und unter Umständen den Abschluss rungsbewusstsein im Tatbestand der Willenserklärung, 1971, S. 61 fehlt dem Erklärenden bei § 116 BGB hingegen der Geschäftswille. 138  Vgl. auch K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 53, 84 ff., der die Mentalreservation als ein Auseinanderfallen von „Haupteinstellung“, also der Einstellung des Vorbehaltenden, und „Gegeneinstellung“, also dem Verständnis des Vorbehaltsgegners versteht: „Der Vorbehalt des sich Aeußernden besteht also darin, daß er vorsätzlich eine von der Dritteinstellung abweichende subjektive Einstellung hat. Es steht also auch hier nicht ‚Wille‘ gegen ‚Erklärung‘, sondern Einstellung gegen Einstellung und nur das Material für die Feststellung der beiden Einstellungen ist verschieden.“ (94). 139  Die verschiedenen Arten der Mentalreservation fächert K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 53, 118 ff. auf. 140  Siehe hierzu auch S. 16 f. 141 Grundlegend J. Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561 ff. (1971); Kronman, 7 J. Legal Stud. 1 ff. (1978); Levmore, 68 Va. L. Rev. 117, 133 ff. (1982). 142  Vgl. auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 263, der sich mit diesem Argument gegen „jede Auflockerung der Wahrheitspflicht“ ausspricht.

E. Objektive Theorie der Willenserklärung

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von (wohlfahrtssteigernden) Verträgen scheuen.143 § 116 S. 1 BGB wirkt dem entgegen, indem er die oben beschriebenen Anreize setzt: Er hält Verkehrsteilnehmer dazu an, etwaige Vorbehalte offenzulegen und Sorge dafür zu tragen, dass Erklärtes und Gewolltes übereinstimmen. So verstanden, besteht in wirtschaftlicher Hinsicht tatsächlich eine – von den Vertretern der Willenstheorie immer wieder behauptete – Parallele zwischen dem geheimen Vorbehalt und der aktiven Täuschung durch Lüge. Bewusste Fehlinformationen des Marktes sind ineffizient.144 Investitionen in die Fabrikation und Verbreitung von Lügen sind gesamtgesellschaftlich verschwendet.145 In den Worten von Judge Easterbrook: „The optimal amount of fraud is zero.“146 Selbst wer der Ansicht ist, dass das Optimum an Unehrlichkeit null übersteigen kann,147 würde eine Lüge, welche die Voraussetzungen des § 116 S. 1 BGB erfüllt, nicht als wohlfahrtssteigernd betrachten. Nach Levmore etwa liegt „optimal dishonesty“ nur vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:148 Erstens muss die Fehlinformation die belogene Partei zu eben dem Verhalten animiert haben, das sie ohnehin, also auch ohne diese Information, an den Tag gelegt hätte. Zweitens müssen Risiko und Kosten der Informationsbeschaffung eine Offenbarungspflicht als unfair erscheinen lassen. Ein Recht auf Lüge besteht hiernach also allenfalls zum Schutz von Investitionen in Information. Im Fall des § 116 S. 1 BGB wurden keine derartigen Investitionen getätigt. Obwohl § 116 S. 1 BGB eine Rechtsfolge statuiert, die bei objektivem Verständnis der Willenserklärung ohnehin eintreten würde, musste der Gesetzgeber die Regel festschreiben, weil er sich im Theorienstreit nicht positionieren wollte. § 116 S. 1 BGB hat vor allem Signalwirkung für den Rechtsanwender.149 Zugleich verdeutlicht die Norm einen ökonomisch richtigen Ansatz: Der innere Vorbehalt ist rechtlich wirkungslos, weil seine Beachtung volkswirtschaftlich keinerlei Nutzen brächte. Und: Das Recht hält Verkehrsteilnehmer mit dieser Regel dazu an, nur solche Willenserklärungen abzugeben, deren Wirkungen mit den von ihnen gewollten übereinstimmen. Diese Anreize gehen nicht nur von § 116 S. 1 BGB aus, sondern von der objektiven Theorie der Willenserklärung generell. Wer für die Wirksamkeit von Willenserklärungen grundsätzlich nur auf objektive Tatbestandsmerkmale abstellt, belastet denjenigen, der seinen Worten und Handlungen eine andere als 143 

Vgl. auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 263. Kronman, 7 J. Legal Stud. 1, 19 Fn. 49 (1978). 145  R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 119. 146  Ackerman v. Schwartz, 947 f.2d 841, 847 (7th Cir. 1991). 147  Grundlegend etwa Darby/Karni, 16 J. L. & Econ. 67, 77 ff. (1973); Levmore, 68 Va. L. Rev. 117, 137 ff. (1982). Vgl. aus der deutschsprachigen Literatur nur Tietzel, Jb. für Nationalök. und Stat. 1988, 17 ff.; G. Wagner in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 59, 82 f. 148  Levmore, 68 Va. L. Rev. 117, 140 (1982). 149  Vgl. auch Süß, Jura 2011, 735, 740. 144 

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

die übliche Bedeutung beimisst, mit dem Risiko, missverstanden zu werden.150 Dadurch werden Vertragsabschluss- und etwaige Prozesskosten gering gehalten.151 Der Erklärungsgegner muss nicht versuchen, den wirklichen Willen des Erklärenden in Erfahrung zu bringen. Er muss das Vorliegen dieses wirklichen Willens auch im Prozess nicht beweisen. Das wäre prohibitiv teuer – den Erklärenden betreffende innere Tatsachen sind für den Erklärungsgegner nur mit großem Aufwand beweisbar.152 Im Vergleich dazu sind die Kosten, die den Parteien dadurch entstehen, dass sie ermitteln müssen, wie ihre geplante Erklärung üblicherweise verstanden wird, gering. Zugleich hält ein derartiges Verständnis der Wirksamkeitsvoraussetzungen Verkehrsteilnehmer dazu an, ihr Verhalten an objektiven Maßstäben auszurichten. Auch das macht den rechtsgeschäftlichen Verkehr effizienter. Wenn sich die Verkehrsteilnehmer der Üblichkeit entsprechend verhalten, können Verträge schneller und kostengünstiger geschlossen werden.153 Die Wirksamkeitsvoraussetzungen beinhalten dadurch ein erzieherisches Element. Um mit Leenen zu sprechen: „Die rechtliche Wirksamkeit von Willenserklärungen ohne Willen ist das scharfe Schwert der Rechtsordnung zur Bekämpfung dieser unerwünschten Erklärungen.“154 Dieses „scharfe Schwert“ setzt Anreize für Verkehrsteilnehmer, sich möglichst eindeutig und der Üblichkeit entsprechend auszudrücken. Es festigt Verhaltensstandards, belohnt ihnen entsprechendes Verhalten und Verhaltenserwartungen und macht abweichende Praktiken unattraktiv. Besonders wichtig ist dies bei den Massengeschäften des täglichen Lebens. Je weiter ein Vertragsschluss von dem (romantischen) Bild zweier sich persönlich kennender und vertrauter Vertragspartner entfernt ist, desto weniger Spielraum verbleibt für Zeichen, die nicht allgemein bekannt sind.155 In den Worten von Kramer:

150  In diesem Sinn auch Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 97: „Jeder muß sich bei seinem geschäftlichen Verhalten gegenüber einem anderen denjenigen Sinn seines Verhaltens als We. zurechnen lassen, den es verkehrsmäßig für den Empfänger hat.“ 151  Vgl. auch Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 172, der einen weiteren Vorteil in der „Entlastung des Rechtssystems von der Ermittlung schwer aufklärbarer Umstände“ sieht. 152 Vgl. Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 172. 153  Selbstverständlich ist auch denkbar, dass sich die Parteien persönlich kennen und wollen, dass Zeichen in ihrem Verhältnis zueinander eine andere Bedeutung haben als ihnen objektiv zukommt. In diesem Ausnahmefall ist es kostengünstiger, das subjektive Verständnis als maßgeblich zu erachten. Siehe dazu sogleich S. 48 ff. 154  Leenen, JuS 2008, 557, 580. Vgl. auch ders, FS Prölss, 2009, S. 153, 171. 155  Vgl. hierzu Spring Lake NC, LLC v. Holloway, 110 So. 3d 916, 918 (Fla. Distr. Ct. App. 2013): „[A] literal ‚meeting of the minds‘ requiring both parties to have a comparable, subjective understanding of their agreement is clearly not what the courts intend by the use of this phrase. Our modern economy simply could not function if a ‚meeting of the minds‘ required individualized understanding of all aspects of the typical standardized contract that is now signed without any expectation that the terms will actually be negotiated“.

E. Objektive Theorie der Willenserklärung

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„Der am Rechtsverkehr Beteiligte tritt seinem Partner grundsätzlich nicht in seiner subjektiven, personalen Existenz, sondern in einer objektiven sozialen Rolle entgegen. Der Rechtsgenosse und damit auch der Vertragsschließende erwartet von seinem Sozialpartner ein mehr oder minder sozialtypisches ‚Rollenverhalten‘, auf das er sich verlaßen muß“.156

In letzter Instanz dient diese Erziehung zu „sozialtypische[m] ‚Rollenverhalten‘“ zugleich und vor allem der Selbstbestimmung. Indem die Regelungen über den Vertragsschluss „‚stellvertretend‘ für den inneren Willen primär allein auf den äußeren Erklärungstatbestand“ abstellen,157 halten sie die Verkehrsteilnehmer dazu an Sorge zu tragen, dass die nach außen getretene Erklärung, also die „Photographie einer Willensregung“,158 mit dem inneren Willen übereinstimmt. Sie setzen einen „Anreiz, die Deckung von Wille und Erklärung zu besorgen“,159 und erreichen dadurch „ein Höchstmaß an Willensverwirklichung im rechtsgeschäftlichen Verkehr.“160 Die von der objektiven Theorie der Willenserklärung ausgehende Anreizwirkung geht allerdings ins Leere, wenn der Erklärende sein Verhalten nicht selbst steuert. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Dritter den Erklärenden durch Gewalteinwirkung zur Abgabe einer Erklärung zwingt. Dann ist der Tatbestand der Willenserklärung ausnahmsweise nicht erfüllt, obwohl objektiv betrachtet eine Erklärung gegeben ist. Das Gleiche gilt, wenn die Willenserklärung nicht durch eine Handlung des Erklärenden in den Verkehr gelangt ist, sondern von einem Dritten abgegeben wurde. Denkbar ist etwa, dass der Erklärende einen Brief geschrieben, diesen aber nicht abgesendet, sondern auf seinem Schreibtisch liegen gelassen hat, wo ihn ein Dritter sieht und zur Post bringt.161 Diese Konstellation wird kontrovers diskutiert. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass eine empfangsbedürftige Willenserklärung nur wirksam wird, wenn der Erklärende sie bewusst und willentlich in den Verkehr gebracht hat.162 Dagegen wendet Leenen ein, der Verfasser eines entsprechenden Briefes 156  E. A. Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung, 1972, S. 155 f. Seiner Ansicht nach stehen „der Grad der Typizität mit dem Grad der Anonymität des geschäftlichen Kontakts und ebenso natürlich – umgekehrt – das ‚Handlungspotential‘ mit dem Maße des berechtigten Vertrauens in die ‚Fremdinterpretation der eigenen Selbstdarstellung‘ in direkt proportionalem Verhältnis“ (ebd.). 157  Kellmann, JuS 1971, 609, 612. 158  R. Leonhard, Der Irrtum als Ursache nichtiger Verträge, Erster Teil, 2. Aufl. 1907, S. 84. Nach ihm ist „der Sinn [einer abgegebenen Erklärung] nichts anderes, als derjenige Gedanke, von welchem man annehmen muss, dass er von dem inneren Willen ein getreues Spiegelbild darlegt; dieser innere Wille selbst ist als solcher für das Recht gar nicht vorhanden und auch nun und nimmermehr an die Außenwelt getreten.“ (ebd.). 159  Brehmer, Wille und Erklärung, 1992, S. 95. 160  Leenen, JuS 2008, 557, 580. Ähnlich ders, FS Prölss, 2009, S. 153, 171. 161  Dieses Beispiel findet sich etwa bei Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 266; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 49. 162  BGH NJW-RR 2003, 384; BGH NJW-RR 2006, 847, 849; BGH NJW 2013, 3306, 3307;

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

habe bereits eine Willenserklärung „geschaffen“.163 Dass diese Erklärung ohne seinen Willen in den Verkehr geraten sei, berechtige ihn lediglich zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB.164 Richtigerweise ist zu differenzieren: Hat der Erklärende die Willenserklärung versehentlich abgesandt, ist sein fehlendes Handlungs- oder Erklärungsbewusstsein unerheblich. Die Erklärung ist wirksam und allenfalls nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar. Ein versehentliches Absenden kann bereits dann vorliegen, wenn ein Brief an einem Ort abgelegt wird, von dem aus ein anderer regelmäßig Schreiben mitnimmt, um sie zu versenden, und wenn diese Person den Brief auf den Weg gebracht hat. Nicht abgesandt ist ein Brief allerdings, wenn er durch das unbefugte Hinzutreten eines Dritten versendet wird.165

II. Vorrang einer subjektiven Willensübereinstimmung Dass der objektive Erklärungswert grundsätzlich maßgeblich ist, ist kein Selbstzweck, sondern dient der Ermöglichung und Förderung subjektiver Willensübereinstimmung. Das Ideal der Rechtsgeschäftslehre besteht darin, ein meeting of the minds herzustellen.166 Ein Vertrag, der auf einer solchen Willensübereinstimmung beruht, verspricht eine Maximierung des wechselseitigen Nutzens der Parteien.167 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Parteien den Vertrag erfüllen wollen (und werden), ist daher hoch. Tragen die Regelungen über den Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 615; Canaris, JZ 1976, 132; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 12 Rn. 8; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 197; Staudinger/Singer/Benedict, 2017, § 130 Rn. 32. 163  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 6 Rn. 73. Ähnlich Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 267. 164  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 6 Rn. 73. Canaris, JZ 1976, 132; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 197; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 49 hingegen wollen den Erklärenden entsprechend § 122 BGB haften lassen, während BGHZ 65, 13, 15 eine Haftung nach c.i.c vorsieht (zustimmend Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 12 Rn. 8). Ohne Positionierung zwischen diesen beiden Optionen Staudinger/ Singer/Benedict, 2017, § 130 Rn. 32, je nach Verschulden differenzierend BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 130 Rn. 6. 165 Auch Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 6 Rn. 73, fügt einschränkend hinzu, dass eine Erklärung, die gem. § 935 BGB abhandengekommen sei, keine Wirksamkeit entfalten könne. Ein Abhandenkommen im Sinne eines unfreiwilligen Verlusts des unmittelbaren Besitzes wird in dem Fall des auf dem Schreibtisch zurückgelassenen Briefes allerdings fast immer vorliegen. 166 Vgl. E. A. Kramer, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 665, 666 f. („Idealmodell des Konsenses“). Zur Bedeutung des Begriffes in der US-amerikanischen Literatur, wo er zunächst im Sinne eines tatsächlichen Konsenses, heute aber objektiv verstanden wird, vgl. Klass, Contract Law in the USA, 2010, S. 65; Perillo, Calamari and Perillo on Contracts, 6. Aufl. 2009, § 2.2, S. 24. Zur historischen Entwicklung ausführlich Hamburger, 7 L. & Hist. Rev. 241 ff. (1989). 167  Vgl. nur Kronman/Posner, The Economics of Contract Law, 1979, S. 5; R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 105.

E. Objektive Theorie der Willenserklärung

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Vertragsschluss dem Rechnung, fördern sie die Beständigkeit von Verträgen. Volkswirtschaftlich ist das sinnvoll, die Rückabwicklung von Verträgen ist regelmäßig unerwünscht: Sowohl Vertragsschluss als auch Rückabwicklung kosten Geld. Nach der Rückabwicklung haben die Parteien also zumeist eine negative Bilanz. Die tatsächliche Willensübereinstimmung bezeichnet Leenen als „faktischen Konsens“.168 Er führt aus: „Die tatsächliche Übereinstimmung im Willen ist das Ziel schlechthin, auf das eine der Privatautonomie verpflichtete Vertragsrechtsordnung ausgerichtet ist. Zum einen nämlich verwirklicht sich in einem Vertrag, der auf einer tatsächlichen Übereinstimmung im Willen beruht, bestmöglich die Selbstbestimmung beider Kontrahenten. Zum anderen ist es das Credo einer auf Privatautonomie gegründeten Verfassung des Güter- und Leistungsaustausches, dass auch das gemeine Wohl besser durch Verträge gefördert wird, die dem wirklichen Willen der Kontrahenten entsprechen, als durch Verträge, die Rechtsfolgen begründen, die nicht, oder so nicht, oder nicht von beiden Seiten gewollt sind.“169

Obwohl der Begriff des meeting of the minds, wie der des faktischen oder natürlichen Konsenses, aus der Vertragstheorie stammt und sich dementsprechend auf vertragliche Einigungen bezieht, lässt er sich auf einseitige Rechtsgeschäfte übertragen.170 Auch empfangsbedürftige Willenserklärungen, die auf Abschluss eines solchen Rechtsgeschäfts gerichtet sind, können dem Willen von Erklärendem und Erklärungsempfänger entsprechen. So ist etwa denkbar, dass eine (objektiv nicht als solche erkennbare) Kündigungserklärung dem Empfänger gelegen kommt, weil dieser ebenfalls die Beendigung des betreffenden Vertrages wünscht. Zwar ist eine Zustimmung des Erklärungsempfängers für die Wirksamkeit der einseitigen Erklärung nicht erforderlich. Gleiches gilt aber für Erklärungen, die auf einen Vertragsschluss gerichtet sind. Auch hier sind erst für die Wirksamkeit des Vertrages selbst Erklärungen beider Seiten erforderlich, nicht hingegen für die Wirksamkeit der jeweiligen Erklärung. Allein für die Frage, ob eine Willenserklärung vorliegt (und welchen Inhalt sie hat), wenn das Verhalten des Erklärenden objektiv nicht als Willenserklärung zu verstehen war, spielt der Wille des Empfängers eine Rolle. Daher gilt sowohl für Erklärungen, die auf einen Vertragsabschluss abzielen, als auch für einseitige Willenserklärungen: Haben die Parteien eine Willens­ 168  Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 159. Dem „faktischen Konsens“ stellt Leenen den „normativen Konsens“ gegenüber, der eine Übereinstimmung der normativ bestimmten Erklärungsinhalte bezeichnet. Ähnlich E. A. Kramer, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 665, 669, und ders., Grundfragen der vertraglichen Einigung, 1972, S. 175 f., der von „natürlichem Konsens“ (oder „innerem Konsens“) und „normativem Konsens“ spricht. 169  Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 161 [Kursivierung im Original]. 170  Zum durch eine solche Willenserklärung geschaffenen einseitigen Rechtsgeschäft als rechtsgeschäftlicher Gestaltungsform vgl. nur, problematisierend, Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 259.

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

übereinstimmung erzielt, ohne sich objektiv verständlich auszudrücken, genießt diese subjektive Willensübereinstimmung Vorrang.171 Dass Erklärender und Erklärungsempfänger einander verstehen, obwohl keine verkehrsüblichen Erklärungszeichen verwendet werden, ist im heutigen Wirtschaftsleben zwar selten, aber nicht undenkbar. Tritt ein solcher Fall ein, besteht kein Grund, dem gemeinsamen Ziel der Parteien die rechtliche Geltung zu versagen. Eine Regel, nach der sich der objektive Bedeutungsgehalt der Erklärung gegenüber der subjektiven Willensübereinstimmung durchsetzt, würde die Präferenzen beider Parteien missachten. Sie wären an etwas gebunden, was weder Erklärender noch Empfänger will. Das Recht würde dem Erklärenden bzw. (bei einem Vertrag) allen Parteien auferlegen, erneut Erklärung(en) abzugeben, um den Eintritt der übereinstimmend gewollten Rechtsfolge herbeizuführen. Die Abgabe dieser Erklärungen wäre mit Transaktionskosten verbunden. Der Vorrang des übereinstimmend Gewollten verhindert die Entstehung derartiger Kosten. Eine subjektive Willensübereinstimmung geht dem objektiven Verständnis auch dann vor, wenn das Verhalten des Erklärenden objektiv als Willenserklärung erscheint, die Parteien das Rechtsgeschäft aber übereinstimmend nicht wollen. Die Parteien können also auch einen negativen Konsens erzielen.172 Dies ist etwa beim Scheingeschäft der Fall.173 Es ist in vielen Ländern Gegenstand gesetzlicher Regelungen174 und wird bereits im klassischen römischen Recht diskutiert.175 Beim Scheingeschäft versucht der Erklärende – anders als bei der Mentalreservation – nicht, dem Erklärungsempfänger etwas vorzutäuschen. 171  Vgl. auch BGHZ 20, 109, 110; BGH NJW 1984, 721; BGH NJW 1987, 1629, 1630; BGH NJW 1993, 1325, 1326; BGH NJW 1994, 1528, 1529; BGH NJW-RR 1996, 1458; BGH NJW 1998, 746, 747; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 518 ff.; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 14; Czarnecki, Vertragsauslegung und Vertragsverhandlungen, 2016, S. 63; Jahr, JuS 1989, 249, 252; Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 161; ders., AT, 2. Aufl. 2015, § 8 Rn. 144 ff.; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 6; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 327; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 66 f.; BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 133 Rn. 27; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 27 f. Differenzierend Diederichsen, FS 125 Jahre Jur. Gesellschaft, 1984, S. 81, 86 f. 172 Vgl. E. A. Kramer, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 665, 667 f., der von „negativem Konsensbewusstsein“ spricht. 173  So auch E. A. Kramer, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 665, 668. 174 Vgl. Michaelis, FS Wieacker, 1978, S. 444. Beispiele sind etwa § 916 ABGB (Österreich), Art. 18 OR (Schweiz), Art. 1414 Codice Civile (Italien), Art. 94 Minpô (Japan), Art. 167 Código Civil Brasileiro (Brasilien). Vgl. auch The Ocean Enterprise [1997] 1 Lloyd’s Rep 449, 484. Im gemeinen Recht hingegen wird das Scheingeschäft als Unterfall der (beidseitigen) Mentalreservation verstanden, vgl. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 261 f. 175 HKK/Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 39, nach dem die Behandlung der Scheingeschäfte stark von jener der Umgehungsgeschäfte beeinflusst worden war. Vgl. auch Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1971, S. 242 f.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht, 4. Aufl. 1987, 120 f.; Zimmermann, The Law of Obligations, 1996, S. 646 ff.

E. Objektive Theorie der Willenserklärung

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Vielmehr wollen „die Parteien einverständlich lediglich den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen“.176 Getäuscht werden soll oftmals ein Dritter, etwa, wie bei der Unterverbriefung eines Grundstückskaufvertrags, der Fiskus.177 § 117 Abs. 1 BGB bestimmt, dass die zum Schein abgegebene Willenserklärung nichtig ist.178 Für die Willenstheorie ist diese Anordnung nicht erforderlich: „Die Nichtigkeit ergiebt sich schon aus dem Grundsatze, daß nur der wirkliche Wille rechtserzeugende Kraft hat“.179 Wer ausschließlich auf den objektiven Bedeutungsgehalt einer Erklärung abstellen will, müsste hingegen den abweichenden subjektiven Willen der Parteien für irrelevant erachten. Dies sowie die vermutete praktische Bedeutung von Scheingeschäften veranlasste denn auch den Gesetzgeber, § 117 Abs. 1 BGB ins Gesetz aufzunehmen.180 Die Rechtsfolge des § 117 Abs. 1 BGB ist nicht umstritten. Im Allgemeinen wird sie damit begründet, dass der Erklärungsempfänger, anders als bei § 116 BGB, keines Vertrauensschutzes bedürfe.181 Alternativ oder kumulativ wird sie als Bestätigung des allgemeinen Grundsatzes verstanden, dass eine Falschbezeichnung nicht schadet (falsa demonstratio non nocet).182 Bisweilen bezieht sich diese Aussage auf beide Absätze des § 117 BGB,183 bisweilen nur auf den ersten184 oder auf den zweiten Absatz.185 § 117 Abs. 1 BGB ist in der Tat lediglich Ausdruck des Grundsatzes, dass das gemeinsam Gewollte Vorrang vor dem objektiv Erklärten genießt.186 Zwar liegt 176  BVerfG NJW 2008, 3346, 3347 Rn. 35. Vgl. auch BGHZ 36, 84, 87 f.; BGH NJW-RR 2006, 1555 Rn. 11. 177 Nach Kallimopoulos, Die Simulation im bürgerlichen Recht, 1966, S. 48 ist die Täuschungsabsicht gegenüber Dritten sogar Tatbestandsvoraussetzung. 178  Eine Alternative zur Nichtigkeitsanordnung ist die Formpflicht: Scheingeschäfte können dadurch verhindert werden, dass Rechtsfolgen aufgrund bestimmter Worte und/oder Handlungen eintreten. Vgl. hierzu Michaelis, FS Wieacker, 1978, S. 444, 446 f. 179  Mot. I, S. 192 (= Mugdan I, S. 458). 180  Mot. I, S. 192 f. (= Mugdan I, S. 458). 181  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 808. 182  Michaelis, FS Wieacker, 1978, S. 444, 447; HKK/Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 44; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 40 Rn. 17. 183  Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 35 Rn. 21. 184  Coester-Waltjen, Jura 1990, 362, 364 („Konsequenz der Auslegungsgrundsätze“); ­Michaelis, FS Wieacker, 1978, S. 444, 447; HKK/Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 44; Wolf/ Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 40 Rn. 17. 185  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 809; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 6 Rn. 100; Preuß, Jura 2002, 815, 820. 186  Besteht zwischen den Parteien hingegen keine Willensübereinstimmung, setzt sich der objektive Erklärungsgehalt durch. Ist ein Scheingeschäft also missglückt, weil nur eine der Parteien die Erklärung zum Schein abgegeben hat, bestimmen sich Wirksamkeit und Inhalt des Rechtsgeschäfts anhand des objektiv Erklärten. Nicht geboten ist damit – anders als BGH (BGHZ 144, 331; BGH NJW 2001, 1062; BGH NJW 2006, 2843, 2844, vgl. auch MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 118 Rn. 11; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 118 Rn. 2;

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

nach objektiver Auslegung eine Willenserklärung vor, die auf einen bestimmten Erfolg gerichtet ist. Erklärender und Erklärungsempfänger sind sich aber einig,187 dass sie diesen Erfolg nicht herbeiführen wollen. Diese Willensübereinstimmung im negativen Sinn188 genießt Vorrang gegenüber der objektiven Bedeutung des Erklärten. Damit fehlt es an einer wirksamen Willenserklärung;189 eines Rückgriffs auf § 116 S. 2 BGB bedarf es nicht.190 § 117 Abs. 1 BGB ist also – ebenso wie § 116 S. 1 BGB – deklaratorischer Natur. Wiederum wollte der Gesetzgeber einen Pflock einschlagen, mit dem er die Rechtsentwicklung leitet. § 117 Abs. 1 BGB unterstreicht die Regel, dass sich das gemeinsame Verständnis der Parteien gegenüber dem objektiv Erklärten durchsetzt. Der Zweck des Anreizsystems der objektiven Theorie der Willenserklärung, die subjektive Willensübereinstimmung zu fördern, ist auch dann erfüllt, wenn beide Parteien ein Rechtsgeschäft übereinstimmend nicht wollen. Wäre die Willenserklärung gleichwohl gültig, würde das Gesetz die Parteien zur Durchführung eines Rechtsgeschäfts verpflichten, welches weder den Präferenzen des Erklärenden noch denen des Erklärungsempfängers entspricht. Unter Effizienzgesichtspunkten ist das wenig sinnvoll. § 117 Abs. 2 BGB entspringt der gleichen Logik wie § 117 Abs. 1 BGB: Die Wirksamkeit des dissimulierten Rechtsgeschäfts entspricht den Präferenzen von Erklärendem und Erklärungsempfänger.191 Anders als § 117 Abs. 1 BGB hat § 117 Abs. 2 BGB aber einen eigenen Regelungsgehalt, der in der Praxis durchaus relevant ist. Nach der Grundregel, dass das gemeinsam Gewollte VorAK/Hart, 1987, § 118 Rn. 2; Preuß, Jura 2002, 815, 820) und die Erste Kommission vertreten (Mot. I, S. 193 f. (= Mugdan I, S. 459)) – ein Rückgriff auf § 118 BGB. Als Ausnahme zur allgemeinen Regel ist die Norm restriktiv auszulegen; die dort statuierte Rechtsfolge widerspricht den Regeln zu Wirksamkeit und Auslegung von Willenserklärungen (siehe dazu S. 261 ff.) Ihren Anwendungsbereich auf das misslungene Scheingeschäft auszudehnen, würde zu einer ungerechtfertigten Belastung des Erklärungsempfängers zugunsten des in Täuschungsabsicht – etwa gegenüber dem Fiskus – handelnden Erklärenden führen (vgl. auch RGRK/­ Krüger-Nieland, 12. Aufl. 1982, § 118 Rn. 2 unter Berufung auf RGZ 168, 204). 187  Die Rechtsnatur dieser Simulationsabrede ist umstritten. Nach überwiegender Ansicht handelt es sich nicht um ein Rechtsgeschäft, sondern um einen „tatsächlichen Konsens“, vgl. BGHZ 144, 331, 332; Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 35 Rn. 18; Preuß, Jura 2002, 815, 819. Anderer Ansicht v. Hein, ZIP 2005, 191, 197, der die Simulationsabrede als „zumindest rechtsgeschäftsähnlich“ ansieht. Vgl. auch Singer, LM H. 1/2001, § 117 Nr. 20. 188  Vgl. auch v. Hein, ZIP 2005, 191, 197. 189  So auch RGZ 68, 324 f.; AK/Hart, 1987, § 117 Rn. 1; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 117 Rn. 1; Holzhauer, FS Gmür, 1983, S. 119, 121; Köhler, JuS 2010, 665, 667; Kuhn, AcP 208 (2008), 101, 105; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 6 Rn. 98; Michaelis, FS Wieacker, 1978, S. 444, 446; HKK/Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 44; Staudinger/Singer, 2017, § 117 Rn. 1. 190  Diese Verbindung zieht aber Prot. I, S. 203 (= Mugdan I, S. 711). Zu der Norm siehe S. 255 ff. 191  Nach Staudinger/Singer, 2017, § 117 Rn. 1 entspricht die Norm dem „positiven Prinzip der Privatautonomie“, während § 117 Abs. 1 der „Privatautonomie in negativer Hinsicht Rechnung“ trage.

E. Objektive Theorie der Willenserklärung

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rang gegenüber dem objektiv Erklärten genießt, ist ein etwaiges Formerfordernis nämlich auch bei (versehentlicher) Falschbezeichnung erfüllt.192 Ist die Bezeichnung hingegen bewusst unrichtig erfolgt, ist das gewollte, dissimulierte Rechtsgeschäft gem. § 117 Abs. 2 BGB wegen Formmangels bis zu einer etwaigen Heilung (etwa nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB) unwirksam.193 § 117 Abs. 1 BGB stellt nur auf Erklärenden und Erklärungsempfänger ab. Eine Willensübereinstimmung in diesem Verhältnis setzt sich gegenüber einem abweichenden objektiven Erklärungsgehalt durch. Hat ein Dritter aufgrund dieses objektiven Erklärungsgehalts Dispositionen getätigt, gewährt ihm das Gesetz keinen besonderen Schutz gegenüber Erklärendem und/oder Erklärungsempfänger. Eine Regel wie jene des § 916 Abs. 2 ABGB, nach der einem „Dritten, der im Vertrauen auf die Erklärung Rechte erworben hat, die Einrede des Scheingeschäftes nicht entgegengesetzt werden“ kann,194 enthält § 117 BGB nicht, obwohl sie von Vertretern der deutschen Pandektistik mehrfach gefordert worden war.195 Die Erste Kommission war der Ansicht, Dritte würden durch die allgemeinen Regeln ausreichend geschützt.196 Die Zweite Kommission pflichtete ihr bei und lehnte die insgesamt acht Änderungsanträge ab, nach denen die Nichtigkeit des Scheingeschäfts keine Wirkung gegenüber Dritten entfalten sollte, die aufgrund dieses Geschäfts Rechte erworben hätten.197 Ihrer Ansicht nach könne „ein so allgemeines Schutzbedürfnis für den Verkehr nicht anerkannt werden […]. Es empfehle sich nicht, den Schutz des guten Glaubens zu einem allgemeinen Rechtsprinzipe zu erheben, zumal dadurch die Begründung der möglichst zu vermeidenden relativen Rechtsverhältnisse begünstigt werde“.198

192 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 15; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 133 Rn. 8, 19; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 34. In ständiger Rechtsprechung verlangt der BGH zusätzlich, „dass der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille der Parteien in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat“. Vgl. nur BGHZ 63, 359, 362. 193 Vgl. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 20 2, S. 406. Ähnlich auch Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 40 Rn. 19. 194  Dieser Passus wurde erst mit der dritten Teilnovelle 1916 in das Gesetz eingefügt, vgl. HKK/Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 41. Vgl. auch Art. 1415 Codice Civile (Italien), Art. 18 Abs. 2 OR (Schweiz), Art. 94 Abs. 2 Minpô (Japan) und Art. 167 Abs. 2 Código Civil Brasileiro (Brasilien). Der Codex Theresianus von 1766 gewährte dem Dritten einen Schadensersatzanspruch, vgl. CTher, lib. III cap. II art. II § XI n. 122. 195  Vgl. etwa Dernburg, Lehrbuch des preussischen Privatrechts und der Privatrechtsnormen des Reiches, Bd. 1, 1. Aufl. 1875, § 104 Fn. 9; Kohler, JherJb. 16 (1878), 91, 127 ff.; ders., JherJb. 16 (1878), 325, 346 ff.; R. Leonhard, Der Irrthum bei nichtigen Verträgen nach römischem Rechte, 1. Theil, 1882, S. 131 ff. 196  Mot. I, S. 193 (= Mugdan I, S. 459). Schutz bieten vor allem §§ 171 f., 405, 409, 413, 566e, 892 f., 932 ff., 1207, 1032 BGB. 197  Prot. I, S. 204 (= Mugdan I, S. 711). 198  Prot. I, S. 204 (= Mugdan I, S. 711).

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§ 2  Tatbestand der Willenserklärung

Damit hält § 117 Abs. 1 BGB Erklärenden und Erklärungsempfänger nicht dazu an sicherzustellen, dass das Erklärte für einen Dritten nicht rechtserheblich erscheint.199 Dies ist insofern konsequent, als die Willenserklärung unmittelbar nur im Verhältnis zwischen Erklärendem und Erklärungsempfänger rechtliche Wirkungen entfaltet. Dritten können lediglich mittelbar Vor- oder Nachteile entstehen. Auch wenn die simulierte Erklärung wirksam wäre, würden Dritte aus ihr keine Rechte herleiten können. Bis auf §§ 405, 409 Abs. 1 BGB enthält das Vertragsrecht, anders als etwa Sachen- (§§ 892, 932 BGB) und Deliktsrecht (§ 826 BGB), keine drittschützenden Regelungen. 200 Solange sich die Willenserklärung in den Grenzen des gesetzlich Erlaubten (§ 134 BGB) und Sittengemäßen (§ 138 BGB) hält, ist unerheblich, ob sie mittelbare Nachteile für Dritte produziert. Wären die zum Schein abgegebenen Erklärungen der Parteien Dritten gegenüber hingegen wirksam, würde dies – im Verhältnis der Parteien zueinander – zu einer Fehlallokation führen. Die Parteien wären relativ an ein Rechtsgeschäft gebunden, das ihren Präferenzen nicht entspricht. 201 Derartige relative Rechtsverhältnisse sind, wie die Zweite Kommission zu Recht feststellt, „möglichst zu vermeiden“. Der wohl wichtigste Grund für den Vorrang einer subjektiven Willensübereinstimmung liegt also darin, dass ein Rechtsgeschäft, das auf einer solchen Übereinstimmung beruht, den Präferenzen der Parteien entspricht. Eine Willensübereinstimmung liegt nicht bereits dann vor, wenn der Empfänger den (objektiv nicht erkennbaren) wahren Willen des Erklärenden erkennt. 202 Denkbar ist nämlich, dass der Empfänger selbst etwas anderes will als der Erklärende (etwa das objektiv Erklärte). Ist dies der Fall, fehlt es an einem meeting of the

199  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 20 2 c, S. 410 ff. allerdings will das Scheingeschäft im Verhältnis zu Dritten als Mentalreservation behandeln. So auch Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 599. AK/Hart, 1987, § 117 Rn. 8 spricht sich für eine „Relativierung der Absolutheit der Sanktion des § 117 Abs. 1“ aus, die den Zweck der Vorschrift durch eine „zusätzliche Sanktionierung infolge Aufrechterhaltung des simulierten Rechtsgeschäfts gegenüber Dritten verdoppelt und verstärkt“. 200  Vgl. auch Coester-Waltjen, Jura 1990, 362, 365. Zum Verhältnis von § 117 und § 405 BGB vgl. Michaelis, FS Wieacker, 1978, S. 444, 449. 201  Dieser Überlegung folgend, überzeugt die Rechtsprechung zur Kollusion zwischen Vertreter und Geschäftspartner zum Nachteil des Vertretenen (RGZ 134, 33, 37; BGH NJW 1999, 2882; OLG Schleswig NJOZ 2011, 1485, 1486), bei der § 117 Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung kommen soll. Ein Rückgriff auf etwaigen Vertrauensschutz ist dafür nicht erforderlich (so aber Staudinger/Singer, 2017, § 117 Rn. 24). Maßgeblich ist: Zwischen Erklärendem und Empfänger (Vertretenem und Drittem) besteht keine Willensübereinstimmung. Die Wirksamkeit der Willenserklärung widerspräche – anders als im Fall des § 117 Abs. 1 BGB – nicht ihrer beider Präferenzen. 202  So auch E. A. Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung, 1972, S. 175 f.; ders., FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 665, 671.

E. Objektive Theorie der Willenserklärung

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minds. Der Erklärende wird dann an das objektiv Erklärte gebunden, kann seine Erklärung aber unter Umständen anfechten. Womöglich ändern Erklärender oder Empfänger ihren Willen im Laufe der Zeit. Bei Erklärungen unter Anwesenden ist dies praktisch nicht problematisch. Äußerung und Empfang der Erklärung fallen hier in der Regel zusammen oder folgen unmittelbar aufeinander. Die Willenserklärung wird so wirksam, wie Erklärender und Empfänger sie verstehen und wollen. Eine spätere Willensänderung einer Partei kann hieran nichts mehr ändern. Bei Erklärungen unter Abwesenden kann zwischen Abgabe und Zugang einige Zeit vergehen. Zur Frage, welcher Zeitpunkt dann maßgeblich ist, sieht das Recht klare Regeln vor: Für den Erklärenden ist auf den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung abzustellen. Stirbt der Erklärende nach der Abgabe oder wird er, nachdem er seine Erklärung abgegeben hat, geschäftsunfähig, hat dies keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Willenserklärung (§ 130 Abs. 2 BGB). Für den Empfänger hingegen ist der Moment des Zugangs entscheidend. Nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht. Stirbt der Empfänger vorher, kann sie nicht mehr zugehen. 203 Im Einklang mit diesen Grundwertungen ist für die subjektive Willensübereinstimmung ebenfalls auf den Zeitpunkt der Abgabe bzw. des Zugangs abzustellen. Entscheidend ist mithin, ob der Wille des Erklärenden zum Zeitpunkt der Abgabe sich deckt mit dem Willen des Empfängers zum Zeitpunkt des Zugangs. 204

203  Vgl. hierzu nur MüKo-BGB/Einsele, 8. Aufl. 2018, § 130 Rn. 41; Staudinger/Singer/Benedict, 2017, § 130 Rn. 38. Zum Problem, dass der Erklärende (womöglich) vor Zugang gestorben ist, vgl. nur RGZ 142, 403, 405; Staudinger/Singer/Benedict, 2017, § 130 Rn. 77. 204  Anderer Ansicht Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 64, der auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntniserlangung durch den Empfänger abstellt.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen „[A]lles, was von einem anderen Geiste an den unsrigen herantritt, ihn wachruft und anregt, richtet einen Appell, ein Ansinnen und eine Anforderung an unsere Aufnahmefähigkeit und unser Verständnis mit dem Ziele, verstanden zu werden.“1

A. Gesetzliche Grundlagen Die Auslegung dient sowohl dazu festzustellen, ob eine Willenserklärung vorliegt, als auch dazu, ihren Inhalt, ihren Sinn herauszufinden. 2 Überdies wird durch Auslegung ermittelt, welches Verhalten Teil der auszulegenden Erklärung ist.3 Auch der Gegenstand der Auslegung wird also durch Auslegung festgestellt. Grundsätzlich ist jede Erklärung auslegungsbedürftig. Bereits die Feststellung, dass eine Äußerung unzweideutig ist, ist das Ergebnis einer Auslegung.4 Im Allgemeinen Teil des BGB finden sich zwei Normen zur Auslegung. Sie enthalten unterschiedliche Handlungsanweisungen für die Auslegung von Willenserklärungen (§ 133 BGB) und von Verträgen (§ 157 BGB).

I. Auslegung von Willenserklärungen § 133 BGB bestimmt, dass bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Der Wortlaut entstammt dem Vorschlag der Ersten Kommission.5 Sie führte insbesondere rechtsvergleichende Argumente für die Schaffung der 1 

Betti, FS Rabel, Bd. II, 1954, S. 79 f. Allgemeine Ansicht, vgl. nur Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 37; Neuner, JuS 2007, 881, 882; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 8. Ausführlicher zum Begriff „Auslegung“ und zur Geschichte der Auslegungslehre HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 3 ff. 3  Vgl. nur Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 133 Rn. 9; Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 25; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 4 mit Fn. 4. 4 Vgl. Betti, FS Rabel, Bd. II, 1954, S. 79 f.; Canaris, JZ 1987, 543, 545; Neuner, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 901, 908; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 9. Anderer Ansicht RGZ 70, 391, 393; RGZ 160, 109, 11; BGHZ 32, 60, 63; BGH NJW 2007, 1460 f. 5  Im Ersten Entwurf befand er sich in § 73, im Zweiten Entwurf in § 90. 2 

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

Norm an. So betonte sie, dass sowohl die gemeinrechtlichen Quellen als auch zeitgenössische Gesetzgebungen Auslegungsregeln enthielten, die teils für alle Willenserklärungen, teils nur für Verträge gälten.6 Überwiegend würden sie vor einer „strenge[n] Wortauslegung“ warnen und anordnen, dass „auch andere Umstände bei der Willenserforschung in Betracht zu ziehen sind.“7 Als erstes Beispiel für einen derartigen anderen Umstand diente der Kommission interessanterweise nicht der Wille des Erklärenden, sondern „die ­Uebung des Verkehres“.8 Auch die anderen genannten Beispiele, „der Sprachgebrauch zur Zeit oder am Orte der Abgabe der Willenserklärung bz. am Wohnsitze des Erklärenden, der Gang der Vorverhandlungen, der Zusammenhang mit anderen Verabredungen, der offensichtliche Zweck des Rechtsgeschäftes“, betreffen keine inneren Tatsachen, sondern vielmehr Umstände, die dem Beweis zugänglich sind.9 Auslegungsregeln, die derartige Umstände für relevant erklärten, entbehrten, so die Kommission, positiv-rechtlichen Gehalts; für den Richter stellten sie „Belehrungen über praktische Logik“ dar.10 Zudem sei der Versuch, alle möglicherweise relevanten Umstände zu benennen, zum Scheitern verurteilt. Der Entwurf beinhalte daher lediglich den Hinweis, dass der wirkliche Wille zu erforschen sei. Die Kommission konstatiert selbst, dass „fraglich erscheinen [könne], ob selbst dieser Satz erforderlich sei“11 und dass solche Auslegungsregeln die „Gefahr [bergen], dass die Vorschriften für wirkliche Rechtssätze genommen werden und daß der Sinn des gesprochenen Wortes als die Hauptrichtschnur behandelt wird.“12 Gleichwohl wollte sie klarstellen, dass nicht „am buchstäb­ lichen Sinne des Ausdrucks zu haften sei.“13 Die Norm sollte den Richter nach dem Willen der Kommission also nicht dazu verpflichten, ausschließlich zu ermitteln, was der Erklärende gemeint oder gewollt hat. Sie ist vielmehr eine Absage an eine Buchstabenauslegung – in den Worten Titzes an „Wortklauberei“14 – und damit an eine strikte parol evi 6  Mot. I, S. 154 (= Mugdan I, S. 437). Vgl. hierzu auch HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 12 ff.  7  Mot. I, S. 154 f. (= Mugdan I, S. 437).  8  Mot. I, S. 155 (= Mugdan I, S. 437).  9  Mot. I, S. 155 (= Mugdan I, S. 437). 10  Mot. I, S. 155 (= Mugdan I, S. 437). Die „ablehnende Haltung“ beziehe sich allerdings nur auf die Aufstellung allgemeiner, nicht aber besonderer Auslegungsregeln (Mot. I, S. 155 f. (= Mugdan I, S. 438)). Vgl. auch Gebhard, Entwurf AT II.2 S. 251 (= Schubert, AT 2, S. 271). Zu der im 19. Jahrhundert weit verbreiteten Ansicht, dass Auslegungsregeln Normqualität entbehrten, HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 26 ff. 11  Mot. I, S. 155 (= Mugdan I, S. 437). In den Motiven wird betont, dass die entsprechende Anordnung in Art. 278 des ADHGB von 1861 „nicht ohne wohlthätige Folgen gewesen“ sei. Zur Geschichte jener Norm vgl. HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 18 f. 12  Mot. I, S. 155 (= Mugdan I, S. 437). 13  Mot. I, S. 155 (= Mugdan I, S. 437). 14  Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 1910, S. 85. Die Wortlautauslegung gab beispiels-

A. Gesetzliche Grundlagen

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dence rule U.S.-amerikanischer Prägung, wonach insbesondere Zeugenaussagen kein zulässiges Beweismittel dafür darstellen, dass ein schriftlicher Vertrag durch mündliche Abreden vor oder bei Vertragsschluss erweitert oder geändert ­w urde.15 Mit dieser Regel verbunden16 ist die dem Willen der Kommission insbesondere widerstrebende plain meaning rule.17 Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, gilt danach die übliche Bedeutung der von ihnen verwendeten Zeichen; nicht zu berücksichtigen sind äußere Umstände, aus denen sich ergibt, dass die Parteien einem Begriff oder einer Formulierung eine andere als die übliche Bedeutung beigemessen haben.18 Nach § 133 BGB hingegen ist, auch bei schriftlichen Erklärungen, im Grundsatz nicht nur der Wortlaut der Erklärung maßgeblich. Wenn die Parteien Beweismittel vorbringen, aus denen sich ergibt, welche Bedeutung die Parteien den in einem Vertrag gewählten Zeichen beigemessen haben, muss der Richter diese Beweismittel werten. Der Bezug auf den „wirklichen Willen“ ist quasi Platzhalter für alle berücksichtigenswerten Umstände. Die Norm trifft also eine Aussage darüber, welche Mittel in Betracht gezogen werden dürfen bzw. müssen, um den Inhalt einer Erklärung zu ermitteln. Damit ist dem Interpreten aber noch nicht vorgegeben, ob er (bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen) auf den Horizont des Erklärenden oder des Empfängers abstellen soll.19 Die § 133 BGB entsprechende Norm des Ersten Entwurfs (§ 73) wurde im Gesetzgebungsverfahren heftig kritisiert, 20 unter anderem auch deswegen, weil weise § 65 Pr. ALR vor. Er lautet: „Der Sinn jeder ausdrücklichen Willenserklärung muss nach der gewöhnlichen Bedeutung der Worte und Zeichen verstanden werden.“ Vgl. hierzu HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 18 f. 15  Vgl. nur Gianni v. Russel & Co., 126 A. 791, 792 (Pa. 1924); Goss v. Lord Nugent (1833) 5 B. & Ad. 58; 110 E.R. 713; Burnham, 55 Mont. L. Rev. 93 ff. (1994); Corbin, 53 Yale L.J. 603 ff. (1944); Sweet, 53 Cornell L. Q. 1036 ff. (1967) sowie bereits Thayer, 6 Harv. L. Rev. 325 ff. (1893); ders., 6 Harv. L. Rev. 417 ff. (1893). Aus der deutschen Literatur vgl. nur C. Paulus, FS Walter Gerhardt, 2004, S. 747, 757 f. 16  Nach herrschendem Verständnis sind beide Regeln kaum voneinander zu trennen. Besonders deutlich etwa E. Posner, 146 U. Penn. L. Rev. 533, 534 (1998), nach dem die plain mean­ing rule einen Unterfall der parol evidence rule darstellt. 17  Für einen Überblick zur Regel vgl. nur Linzer, 71 Fordham L. Rev. 799 ff. (2002); Meder, Mißverstehen und Verstehen, 2004, S. 13 ff. Zur bekannten Digestenstelle von Paulus zur Testamentsauslegung, wonach nach dem Gemeinten nicht gefragt werden darf, wenn die Worte unzweideutig sind (Paul. D. 32.25.1.), vgl. Zimmermann, The Law of Obligations, 1996, S. 622 ff., zur interpretatio cessat in claris Schott in: J. Schröder (Hrsg.), Theorie der Interpretation vom Humanismus zur Romantik, 2001, S. 155 ff.; Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent, Bd. I, 2001, S. 465 ff., 660 ff. 18  Vgl. nur Farnsworth, 76 Yale L.J. 939, 959 ff. (1967); Schwartz/Scott, 119 Yale L.J. 926, 961 (2010). 19  Vgl. auch Wieacker, JZ 1967, 385 ff. 20  Vgl. nur Bähr, Gegenentwurf zu dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 1892, S. 20 („praktisch ohne Werth“); v. Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht, 1889, S. 162 („wertlos“); Hellmann in: Deut-

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

sie von allen nach dem Willen der Kommission relevanten Umständen nur den „wirklichen Willen“ des Erklärenden nennt.21 Nach Zitelmann ist § 73 des Ersten Entwurfs, „soweit er richtig verstanden wird, überflüssig, soweit er nicht richtig verstanden wird, von Uebel.“22 Die Zweite Kommission behielt die Norm gleichwohl bei.23 Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie die darin aufgestellte Regel inhaltlich ablehne. Schließlich fand die Norm ohne weitere Änderungen Eingang in das BGB.

II. Auslegung von Verträgen Während § 133 BGB seine endgültige Form bereits im Ersten Entwurf erhielt, fand sich im Allgemeinen Teil dieses Entwurfs keine Entsprechung zu § 157 BGB, nach dem Verträge so auszulegen sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. 24 Anlässlich der Erörterungen des heutigen § 133 BGB findet sich in den Materialien lediglich folgender, auch heutzutage wenig kontroverser Hinweis der Ersten Kommission, dass einer Regel, nach der „gegen denjenigen auszulegen sei, dessen Pflicht es gewesen wäre, deutlicher zu reden, also bei Verträgen gegen denjenigen, von dem die Fassung des Vertrages oder der Vertragsbestimmung ausgegangen ist,“25 grundsätzlich lediglich insoweit zuzustimmen sei, als sie eine „Wahrscheinlichkeitsrechnung“ aufstelle und keine „Strafvorschrift“ normiere. 26 Zudem traf die Erste Kommission beim selben Anlass folgende Aussage: scher Anwaltverein (Hrsg.), Gutachten aus dem Anwaltstande über die erste Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1890, S. 487, 492 („überflüssig“). Vgl. überdies HKK/ Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 7; HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 20 f. mwN. 21 Vgl. Goldschmidt, Kritische Erörterungen zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1889, S. 62. 22  Zitelmann in: Bekker/Fischer (Hrsg.), Beiträge zur Erläuterung und Beurtheilung des Entwurfes eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 7./8. Heft, 1889, S. 97. Auf S. 98 führt er weiter aus: „Unrichtig wäre der § 73, wolle er dahin verstanden sein: der Richter habe gegenüber dem objektiven Sinn der Erklärung den subjektiven Sinn des Erklärenden zur Geltung zu bringen. Damit würde er dem Willen bei der Willenserklärung eine Präponderanz gegenüber der Erklärung einräumen, und das darf nicht der Fall sein.“ Die Vorkommission des Reichsjustizamtes forderte ebenfalls die Streichung der Norm, vgl. Jakobs/Schubert, AT, Bd. 1, 1984, S. 703. 23  Wie die Erste Kommission verwies auch sie auf die „wohlthätigen Wirkungen“ des Art. 278 ADHGB, ohne diese jedoch im Einzelnen zu benennen. Vgl. Prot. I, S. 144 (= Mugdan I, S. 685). 24  Vgl. hierzu auch HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 22 ff. 25  Mot. I, S. 155 (= Mugdan I, S. 437). 26  Mot. I, S. 155 (= Mugdan I, S. 437). Ausnahmen können nach der Kommission lediglich in besonderen Bereichen wie dem Versicherungsrecht gerechtfertigt sein (ebd.). Zu allgemeinen Auslegungsregeln zu Lasten einer Partei vgl. aus der heutigen Literatur nur Kötz, FS Zeu-

A. Gesetzliche Grundlagen

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„Unhaltbar erscheint ferner die für das gemeine Recht vertretene Regel, daß es bei einem Vertrage nicht auf den wirklichen Sinn der Rede des Vertragsschließenden, sondern darauf ankomme, wie der andere Vertragsschließende sie nach den ihm vorliegenden Umständen auffassen mußte.“27

Der Passage lässt sich nicht entnehmen, wie der „wirkliche Sinn der Rede“ zu ermitteln ist. Aus der wenige Sätze zuvor getätigten und bereits zitierten Feststellung der Ersten Kommission, 28 dass bei der Auslegung einer Willenserklärung selbstverständlich auch Verkehrsübung, Sprachgebrauch, Gang der Vorverhandlungen, Zusammenhang mit anderen Verabredungen und offensichtlicher Zweck des Rechtsgeschäfts berücksichtigt werden müssen, lässt sich aber ableiten, dass „wirklicher Sinn der Rede“ und subjektiver Wille des Erklärenden nicht gleichzusetzen sind. 29 Diese Umstände ermöglichen nämlich keine Ermittlung des subjektiven Willens des Erklärenden, sondern nur die Ermittlung dessen, was als gewollt erscheint. Während also der Erste Entwurf für den Allgemeinen Teil des BGB keine eindeutige Aussage darüber enthält, wie Verträge auszulegen sind, findet sich im Ersten Entwurf für das Buch über das Recht der Schuldverhältnisse eine Norm über den „Inhalt der Schuldverhältnisse aus Verträgen.“ Nach dieser Vorgängernorm zu §§ 157 und 242 BGB hat eine (schuld)vertragliche Verbindlichkeit zum Inhalt, „was sich aus den Bestimmungen und der Natur des Vertrages nach Gesetz und Verkehrssitte sowie mit Rücksicht auf Treu und Glauben“ ergibt.30 Die Erste Kommission führte hierzu aus: Eine derartige Regelung finde sich nicht nur in anderen modernen Rechtsordnungen; sie sei zudem zu befürworten, weil sie nicht nur Anhaltspunkte für die Ermittlung vertraglicher Verpflichtungen zur Verfügung stelle, sondern überdies dem Grundsatz Ausdruck verleihe, „daß der heutige Geschäftsverkehr von der Rücksicht auf Treue und Glauben beherrscht“ werde und ihr daher, wo die Ermittlung der Verpflichtung unklar sei, besondere Bedeutung zukomme.31 Die Reaktionen auf den Vorschlag waren gemischt.32 Die Vorkommission des Reichsjustizamtes schlug die Schaffung eines Vorläufers des heutigen § 242 BGB vor, also einer die Art der Bewirkung einer geschuldeten Leistung betreffenden

ner, 1994, S. 219, 229 ff.; Neuner, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 901, 909; Stathopoulos, FS Larenz, 1973, S. 357, 365 ff. 27  Mot. I, S. 155 (= Mugdan I, S. 437 f.). 28  Siehe S. 58. 29  Mot. I, S. 155 (= Mugdan I, S. 437). 30 § 359 des Ersten Entwurfs (= Mugdan II, S. XXXIV). 31  Mot. II, S. 198 (= Mugdan II, S. 109). 32  Zustimmend war etwa G. Hartmann, AcP 73 (1888), 309, 314 f., 399, dagegen Bähr, Gegenentwurf zu dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 1892, § 339. Vgl. hierzu HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 25.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

Norm.33 Für eine daneben bestehende – und den heutigen § 133 BGB ergänzende – spezielle Auslegungsregel für Verträge sah sie keinen Bedarf.34 Die Zweite Kommission hingegen entschied sich für die Schaffung beider Normen: Die Vorgängernorm des § 242 BGB regele nur die Art und Weise der Erfüllung, nicht auch die Frage, „ob eine Verpflichtung entstanden sei, und welche“.35 Diese Frage trete nur bei vertraglichen Schuldverhältnissen auf.36 Weil die Maßstäbe von Treu und Glauben aber für alle und nicht nur für schuldrechtliche Verträge erheblich seien, sei die Auslegungsnorm im Allgemeinen Teil zu verorten.37 Der Wortlaut des Vorschlags, den die Zweite Kommission annahm, entspricht dem des heutigen § 157 BGB.38 Damit dient § 157 BGB also nach dem Willen der Kommission vermutlich vor allem der Klarstellung, dass Parteien grundsätzlich redlich handeln (müssen).

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden Überwiegend wird vertreten, dass die Auslegung zwei Ziele verfolgt – die Ermittlung des „subjektiv Gewollte[n]“ sowie die Ermittlung des „objektiven Erklärungsgehalt[s]“.39 Diese beiden Auslegungsziele seien in §§ 133 BGB bzw. 157 BGB verankert.40 Das Gesetz gebe damit zugleich Anhaltspunkte für zwei unterschiedliche Auslegungsmethoden.

33  Die Norm (§ 224) hätte lauten sollen: „Die Leistung ist so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.“ Vgl. Prot. II, S. 607 (= Mugdan II, S. 521). 34  Prot. II, S. 607 (= Mugdan II, S. 521). 35  Prot. II, S. 1251 (= Mugdan II, S. 522). 36  Prot. II, S. 1251 (= Mugdan II, S. 522). 37  Prot. II, S. 1251 (= Mugdan II, S. 522). 38  Prot. II, S. 1250 (= Mugdan II, S. 521). 39  Biehl, JuS 2010, 195, 196. Vgl. auch Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 7, 13; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 40 ff.; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 2; Sosnitza, JA 2000, 708, 714; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 1; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 2. 40 Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 133 Rn. 1, 7; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 5. Vgl. außerdem Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 501; MüKo-BGB/Busche, 78 Aufl. 2018, § 133 Rn. 18; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 133 Rn. 2; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 3; Wieser, AcP 189 (1989), 112, 113; ders., JZ 1985, 407.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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I. Subjektive Auslegung Ziel der auch als „empirische“41 oder „natürliche“42 Auslegung bezeichneten subjektiven Auslegung besteht darin, den „wirklichen Willen“ des Erklärenden (§ 133 BGB) zu ermitteln. Zur Begründung wird zumeist auf das Prinzip der Selbstbestimmung verwiesen.43 Allerdings wird der Begriff des „wirklichen Willens“ auf zwei unterschiedliche Weisen interpretiert.44 Nur für eine dieser Interpretationen vermag die Selbstbestimmung tatsächlich als Begründung dienen.

1. Innerer Wille Traditionell wird unter dem „wirklichen Willen“ der (in der Erklärung zum Ausdruck gekommene) „innere subjektive (psychologische)“ Wille verstanden.45 Bereits in der Pandektenwissenschaft wurde vertreten, dass ermittelt werden müsse, welche konkreten Zwecke der Erklärende mit dem Geäußerten verfolgt habe; nur so lasse sich der Selbstbestimmung des Erklärenden bestmöglich Rechnung tragen.46 Ziel der Auslegung sei es mithin, den inneren Willen des Erklärenden festzustellen.47 Besonders prägnant ist insofern der Satz von Seuffert: „Die Auslegung der Rechtsgeschäfte hat es, wie die der Gesetze, mit der Frage zu tun, was der Urheber einer Willenserklärung bei derselben wirklich gedacht und gewollt hat“.48

41 PWW/Ahrens, 14. Aufl. 2019, § 133 Rn. 16; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 12; Wieser, JZ 1985, 407; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 1. 42 Erman/Arnold, 15. Aufl. 2017, § 133 Rn. 15; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 512; Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 7; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 133 Rn. 7; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 43; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 50; Prütting, FS Jagenburg, 2002, S. 735, 738. 43 Vgl. Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 2; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 b, S. 310; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 40; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 34; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 22. Nach Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 12 trägt die subjektive Auslegung diesem Prinzip „in vollem Umfang Rechnung“. Vgl. auch Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 45. 44  Vgl. hierzu grundsätzlich Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 309 ff., insb. 321 ff. 45 Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, Vor § 116 Rn. 7. Vgl. auch MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 16; HK-BGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 133 Rn. 6 f.; NK‑BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 35; Jauernig/Mansel, 17. Aufl. 2018, § 133 Rn. 9; jurisPK-BGB/ Reichold, 8. Aufl. 2017, § 133 Rn. 18. 46  Vgl. hierzu Staudinger/Coing, 11. Aufl. 1957, § 133 Rn. 18 ff.; Fabricius, JuS 1966, 7; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 22 f. 47  Vgl. nur Dernburg, Pandekten, Bd. 1, 5. Aufl. 1896, S. 291; Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1, 1875, § 84, S. 229. 48  Seuffert, Praktisches Pandektenrecht, Bd. 1, 4. Aufl. 1860, S. 106.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

Auch heute wird in dieser Tradition argumentiert. So schreiben etwa Wolf/ Neuner, das Ziel der subjektiven Auslegung bestehe „allein darin, die Vorstellungen des Erklärenden, ohne Berücksichtigung von Drittinteressen, zu rekonstruieren.“49 Maßgeblich sei das „empirisch Gewollte“.50 Auch „Redlichkeitsgesichtspunkte, wohlfahrtsökonomische Effizienzkriterien und die Verkehrssitte“ müssten außer Betracht bleiben, weil Privatrechtsakteure individualistische Interessen verfolgten und Verpflichtungen ausschließlich zur Mehrung des eigenen Nutzens eingingen.51 Der BGH führt hinsichtlich des Auslegungsmaterials, das hierfür zu Rate zu ziehen ist, aus: „Dieser Aufgabe, im Rahmen der Auslegung nach dem wirklichen – vielleicht ungenau oder sogar unzutreffend geäußerten – Willen als einer sogenannten inneren Tatsache zu forschen, genügt der Tatrichter nicht schon durch eine Analyse des Wortlauts der Erklärung, sondern erst dann, wenn er darüber hinaus auch alle ihm vorgetragenen Umstände außerhalb der Erklärung, die zur Aufdeckung oder zur Aufhellung des Parteiwillens dienlich sein können, mit den üblichen Mitteln des Beweisverfahrens feststellt und sich auf dieser Grundlage seine Überzeugung über den wirklichen Willen zu bilden sucht.“52

2. Verständnis des Erklärenden Die gesetzliche Grundlage für die subjektive Auslegung, § 133 BGB, erfordert dem Wortlaut nach keine derart starke Betonung des inneren Willens. Die Norm bestimmt zwar, dass nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Daraus folgt aber nicht, dass die gewählten Zeichen bedeutungslos sind. Nach Ansicht einiger Autoren ergibt sich dies auch aus der Natur der Willenserklärung.53 So schreibt Wieser: „Die direkte Frage nach dem inneren Willen ist auch theoretisch bedenklich. Denn sie führt an der Erklärung vorbei und mißachtet dadurch das Prinzip, daß der innere Wille erklärt sein muß, um

49  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 23; zu ermitteln seien die konkreten Zwecke. Vgl. auch Neuner, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 901, 903. 50  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 22. Vgl. auch Czarnecki, Vertragsauslegung und Vertragsverhandlungen, 2016, S. 77 f. 51  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 23. Weiterführend Neuner, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 901, 904 ff. Vgl. auch MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 16. Nach ihm ist bei der Auslegung „regelmäßig vom Versuch [auszugehen], den Willen des Erklärenden als eine psychische Tatsache zu ermitteln“. 52  BGH NJW 1984, 721. NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 35 betont, § 133 BGB beziehe „sich nicht auf eine normative Gegebenheit, sondern auf eine psychische Tatsache. Als innere Tatsache ist der wirkliche Wille keiner unmittelbaren Feststellung zugänglich. Er muss daher anhand des Wortlauts und der Umstände der Erklärung ermittelt werden.“ 53  Vgl. nur Staudinger/Coing, 11. Aufl. 1957, § 133 Rn. 7, 30; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 133 Rn. 1; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 11; Wieser, JZ 1985, 407; ders., AcP 189 (1989), 112, 115.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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rechtserheblich zu sein.“54 Dieser Aussage würden auch die Vertreter der erstgenannten, auf den psychologischen Willen abstellenden, Auffassung zustimmen. Wieser zieht daraus jedoch den Schluss, dass nicht der subjektive/psychologische/tatsächliche Wille des Erklärenden entscheidend ist, sondern wie der Erklärende seine Äußerung subjektiv verstanden habe.55 Ähnlich formuliert auch Scherer: Maßgeblich sei das „subjektive Verständnis des Erklärenden vom äußeren Erklärungstatbestand“.56 Bildlich gesprochen hat die Erklärung hiernach den Inhalt, den der Erklärende ihr beimessen würde, wenn ihm die Erklärung vorgelegt werden würde.57

3. Kritik Die so verstandene subjektive Auslegung und die Auslegung, welche den inneren Willen des Erklärenden zu ermitteln sucht, werden in der Praxis in der Regel zum selben Ergebnis führen.58 In der Theorie hingegen besteht ein gewichtiger Unterschied zwischen diesen beiden Versionen der subjektiven Auslegung. Ist maßgeblich, wie der Erklärende seine Erklärung verstanden hätte, bildet nämlich nicht mehr die Selbstbestimmung des Einzelnen die Basis für die subjektive Auslegung. Das Ziel der Auslegung besteht dann nicht darin, in Zweifelsfällen dem Willen des Erklärenden zur Geltung zu verhelfen. Wer sich etwa bei seiner Eisbestellung verspricht und eine Kugel Schokoladeneis bestellt, obwohl er Erdbeereis wollte, wird seine Erklärung, wenn sie ihm zur Interpretation vorgelegt wird, als Bestellung von Schokoladeneis verstehen. Das Ergebnis der Auslegung wird also sein, dass er Schokoladeneis bestellt hat, obwohl er Erdbeereis wollte. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Erklärende denkt, dass „Schokoladeneis“ Erdbeereis bezeichnet. Die Auslegung nach dem Verständnis des Erklärenden verhilft, wenn Gewolltes und objektiver Erklärungsinhalt auseinanderfallen, dem Gewollten mithin nur dann zur Geltung, wenn der Erklärende den von ihm verwendeten Zeichen eine andere als die verkehrsübliche Bedeutung beimisst. Indem die Aus54 

Wieser, AcP 189 (1989), 112, 114. Vgl. auch Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 1. Wieser, JZ 1985, 407, 408; ders., AcP 189 (1989) 112, 115. 56  Scherer, Jura 1988, 302, 305. Vgl. auch PWW/Ahrens, 14. Aufl. 2019, § 133 Rn. 16; Staudinger/Coing, 11. Aufl. 1957, Rn. 6, 30; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 133 Rn. 1; Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 76; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 11; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 8. 57  Wieser, JZ 1985, 407 stellt dies am Beispiel eines Ehegattentestaments wie folgt dar: „Hätte man unseren Eheleuten den Text ihres Testaments vorgelegt mit der Frage, wie sie das, was da stehe, verstanden hätten, so hätten sie sicherlich nicht behauptet, der Satz ,Wir setzen unsere Kinder als Erben ein‘ enthalte auch die gegenseitige Erbeinsetzung. Sie hätten vielmehr zugegeben, daß sie die gegenseitige Erbeinsetzung vergessen haben, jedenfalls in dem maßgeblichen Zeitpunkt, in dem sie ein Testament nicht nur entwarfen, sondern mit Rechtsgeltungswillen errichteten.“ 58 So Wieser, AcP 189 (1989), 112, 113. 55 

66

§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

legung nach dem Verständnis des Erklärenden die Verkehrsteilnehmer, die um die übliche Bedeutung der Zeichen, die sie verwendet haben, wissen, „bestraft“, setzt sie Anreize, die übliche Bedeutung der verwendeten Zeichen nicht zu ergründen. Eine solche Regel erscheint wenig sinnvoll. Hinzu kommt, dass das Recht einem Erklärenden, der tatsächlich nicht um die übliche Bedeutung des von ihm verwendeten Zeichens weiß, eine Lösungsmöglichkeit zur Verfügung stellt. Wegen Inhaltsirrtums steht ihm gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB ein Anfechtungsrecht zu.59 Überzeugender ist es daher, unter dem „wirklichen Willen“ den inneren subjektiven Willen des Erklärenden zu verstehen. Dafür lässt sich ein weiteres ökonomisches Argument anführen: Der subjektive Wille der Partei ist nichts anderes als ihre persönliche Präferenz. Entsprechen diese Präferenzen dem, was auch der Empfänger will, liegt eine subjektive Willensübereinstimmung vor. Eine Auslegung, die diesen Präferenzen zur Geltung verhilft, trägt dazu bei, den Nutzen beider Beteiligten zu mehren und die gehandelten Güter demjenigen Beteiligten zuzuführen, der sie mehr schätzt. Die durch das Rechtsgeschäft entstehende Allokation ist Pareto-superior. Dagegen lässt sich freilich einwenden, dass dieser subjektive innere Wille, wenn er sich nicht erkennbar nach außen manifestiert hat, dem Beweis (noch) nicht zugänglich ist. Selbst wenn der innere Wille erkennbar ist, kann die Ermittlung dieses Willens mit erheblichen Kosten verbunden sein. Auf diesen Aspekt ist bei der Frage nach dem Rangverhältnis der Auslegungsmethoden weiter einzugehen.60

II. Objektive Auslegung Die objektive – auch „normative“61 oder „erläuternde“62 – Auslegung dient dazu, anhand objektiver Anhaltspunkte den „mutmaßlichen Willen“63 bzw. den „zu vermutende[n] Wille[n]“64 des Erklärenden, „das vermeintlich Gewollte“65 bzw. den „vermeintlich wirklichen Wille[n] des Erklärenden“66 59 

Siehe dazu S. 294 ff. Siehe dazu S. 110 ff. 61 Erman/Arnold, 15. Aufl. 2017, § 133 Rn. 19; Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 13; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 14; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 133 Rn. 7; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3, S. 307; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 133 Rn. 14; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 43; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 41; Wieser, JZ 1985, 407. 62  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 525. 63  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 525. Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 323 sprechen vom „normativen Willen“. 64  Rhode, Die Willenserklärung und der Pflichtgedanke im Rechtsverkehr, 1938, S. 32. 65  Jahr, JuS 1989, 249, 251. 66  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 38. 60 

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

67

zu ermitteln.67 Sie basiert damit nach allgemeiner Ansicht nicht nur auf der Selbstbestimmung des Erklärenden, sondern auch auf seiner Selbstverantwortung.68 Überdies werden Verkehrs- und/oder Vertrauensschutz als tragende Prinzipien der objektiven Auslegung angeführt.69

1. Maßgebliche Perspektive Einigkeit besteht zunächst darin, dass für die objektive Auslegung weder der wirkliche Wille des Erklärenden noch das Verständnis des Erklärungsempfängers maßgeblich sind.70 Basis der Auslegung sind vielmehr wertende Maß­ stäbe.71 Jhering etwa formuliert: Der Richter habe nicht „die Frage zu entscheiden: was war der wirkliche Sinn der Erklärung des Redenden, sondern wie mußte der Gegner nach den ihm vorliegenden Umständen sie auffassen?“72 Ganz ähnlich klingt die Formel des BGH. Nach ständiger Rechtsprechung sind „empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste“.73 Einer ähnlichen Formulierung bedienen sich auch die meisten Stimmen in der Literatur.74

67  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 b, S. 310 schreibt, es müsse ermittelt werden, „welche rechtsgeschäftliche Regelung als gewollt zu verstehen ist“. Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 323 verwenden dies als Definition des „normativen Willen“. 68  Vgl. nur Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 18 sowie Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 76. 69 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 12 f.; Canaris/Grigoleit in: Hartkamp/ Hesselink/Hondius/Mak/du Perron (Hrsg.), Towards a European Civil Code, 4. Aufl. 2011, S. 587, 591 ff.; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 41; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 6; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 2. 70 Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 526; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 12; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 12; Pawlowski, FS Großfeld, 1999, S. 829, 834; Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, Rn. 140. Das tatsächliche Verständnis des Empfängers hatte etwa R. Leonhard, AT, 1900, S. 350; ders., Der Irrthum bei nichtigen Verträgen nach römischem Rechte, 1. Theil, 1882, S. 174, 178, 188 für maßgeblich erachtet. 71  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 525; Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 13 ff.; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 133 Rn. 14; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 43; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 12, 16; Muthorst, JA 2013, 721, 724; Petersen, Jura 2004, 536, 537; Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, Rn. 140; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 18; HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 35. 72  v. Jhering, JherJb. 4 (1861), 1, 72 Fn. 78. 73  BGH NJW 2010, 2422, 2425. Vgl. auch BGHZ 36, 30, 33; BGHZ 47, 75, 78; BGHZ 103, 275, 280. 74  Vgl. nur MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 29; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 133 Rn. 14; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 9 Rn. 7; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 61 f.; Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, Rn. 140; Schimmel, JA 1998, 979, 984 f.; Schmidt-­ Salzer, JR 1969, 281, 287; Sosnitza, JA 2000, 708, 714; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 18. Mit anderem Akzent Probst, JZ 1989, 878, 882.

68

§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

Das Wort „musste“ wird hierbei nicht im Sinne von Verschulden verwendet. Vielmehr geht es um die Verteilung von Risiken.75 Nach Mittelstädt beschränkt sich „die Normativierung bei der normativen Auslegung“ sogar auf das „inhaltsneutrale Ziel, Missverständnisrisiken unter den Beteiligten zu verteilen.“76 Deutlicher wird dieses Ziel bei Autoren, die von „verstehen können“ statt „verstehen müssen“ sprechen.77 Für die Verteilung der Risiken sind drei Fragen zu unterscheiden:78 Wer ist der Empfänger, auf wessen Perspektive ist also abzustellen? Welche Umstände, also welches „Auslegungsmaterial“79 bzw. welchen „Auslegungsstoff“80 muss der Empfänger zur Ermittlung des Sinns der Erklärung heranziehen? Und: Wie sorgfältig muss er dieses Material prüfen, welche „Deutungsdiligenz“81 oder „Auslegungssorgfalt“82 obliegt ihm? Wie umfangreich ist also die „Auslegungsarbeit“83, die er zu leisten hat? In Rechtsprechung und Literatur wird oftmals nicht genau zwischen Auslegungsmaterial und Auslegungssorgfalt getrennt.84 Zudem werden die diesbezüglichen Anforderungen an den Empfänger regelmäßig nur rudimentär beschrieben. Das ist erstaunlich, unterscheidet sich doch die objektive von der subjektiven Auslegung insbesondere durch die „Beschränkung des verwertbaren Auslegungsmaterials“.85 So schreibt auch Karl Wolff, der die subjektive und objektive Auslegung Willens- und Erklärungstheorie zuordnet: „‚Willens‑‘ und Erklärungstheorie unterscheiden sich also nicht, wie man glauben könnte, da-

75 Vgl. Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 527 Fn. 23; Brehmer, Wille und Erklärung, 1992, S. 120 ff.; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 13 3 c, S. 312; Kellmann, JuS 1971, 609, 615; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 323; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 35 ff.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 3. 76  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 41. 77 So Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 3. 78  Diese Dreiteilung nimmt auch Asmussen, Haftung für CSR, 2020 (im Erscheinen), S. 162 ff. vor. 79  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 43; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 78. 80  Schmidt-Salzer, JZ 1995, 223, 228. 81  Heck, AcP (112) 1914, 1, 43. 82 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 29; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 323; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 48 f. Vgl. auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 1992, S. 188. 83  Heck, AcP (112) 1914, S. 1, 43; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 50. 84  Sehr deutlich aber Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 43 ff., 50 ff. Vgl. zum „Auslegungsmittel“ auch Czarnecki, Vertragsauslegung und Vertragsverhandlung, 2016, S. 69 ff. 85  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 37. Vgl. auch Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 78; Schmidt-Salzer, JZ 1995, 223, 228.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

69

durch, daß es nach der ersteren auf den ‚Willen‘ ankäme, nach letzterer aber nicht, sondern nur durch das Auslegungsmaterial“.86

a) Der konkrete Empfänger Allgemein wird auf den „objektiven Empfängerhorizont“ abgestellt.87 So schreibt etwa der BGH, maßgeblich seien „Horizont und Verständnismöglichkeiten des Empfängers“.88 Er führt an: „Für die Auslegung sind nur solche Umstände heranzuziehen, die dem Empfänger bekannt oder erkennbar waren.“89 Der Umfang des beachtlichen Auslegungsmaterials ist mithin abhängig von den subjektiven Möglichkeiten des konkreten Empfängers.   Der Richter darf nicht alle Umstände in die Analyse einbeziehen, derer sich ein typischer Empfänger des betreffenden Verkehrskreises bedient hätte, sondern er muss die Verständnismöglichkeiten des konkreten Empfängers ermitteln und darf dann lediglich jene Umstände beachten, die der Empfänger bei den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Wertung hätte heranziehen können. Zur Frage, welche Sorgfalt der Empfänger bei dieser Wertung an den Tag legen muss, führt der BGH in einem anderen Urteil aus: „Der Empfänger darf der Erklärung dabei nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen, sondern muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat.“90 Abgesehen davon, dass der Satz entgegen der ständigen Rechtsprechung nahelegt, dass der Empfänger nur ihm bekannte Umstände zu werten hat,91 nicht auch solche, die er hätte (er)kennen können: Die Aussage ist auch deswegen kritikwürdig, weil die Formulierung „mit gehöriger Aufmerksamkeit“ zirkulär ist, beantwortet das Gericht hier doch gerade die Frage, welches Maß an Aufmerksamkeit erforderlich, also „gehörig“ ist. An anderer Stelle spricht der BGH davon, was „bei vernünftiger Betrachtung“ erkennbar war.92 Diese Formulierung ist deutlicher: Der Empfänger 86 

K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 52, 87. BGH NJW 2003, 743; Erman/Arnold, 15. Aufl. 2017, § 133 Rn. 19; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 12. Vgl. auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 527 („Empfängerhorizont“); Brox/ Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 15 („Empfängerhorizont“); NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 41 („Empfängerhorizont“); Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 323 („Verständnismöglichkeit des Empfängers“) sowie, kritisch die unterschiedlichen Begriffe scheidend und sich im Ergebnis explizit für die Maßgeblichkeit des subjektiven Empfängerhorizonts aussprechend, Greiner, AcP 217 (2017), 492, 493 ff., 531. 88  BGH NJW-RR 2011, 309 Rn. 21. 89  BGH NJW 2006, 3777 Rn. 18. Vgl. auch BGH NJW 2010, 1592 Rn. 17; BGH NJW-RR, 2011, 309 Rn. 21. 90  BGH NJW 2008, 2702 Rn. 30. 91  So klingt es auch bei HK-BGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 133 Rn. 8. 92  BGH NJW 2006, 286, 287. Das Gericht scheint hier überdies die Person des Empfängers zu objektivieren, denn es spricht von der „Sicht eines objektiven Dritten“ (ebd.). 87 

70

§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

müsste hiernach bei der Wertung der Umstände das Maß an Aufwand aufbringen, das rational ist. Damit würde das Gericht hinsichtlich des Auslegungsmaterials einen subjektiven Maßstab anlegen, hinsichtlich der Sorgfaltsanforderungen bei Sichtung und Wertung des Materials aber auf einen objektivierten Verkehrsteilnehmer abstellen. Möglich ist auch, dass der BGH konzeptuell nicht deutlich zwischen Auslegungsmaterial und Auslegungssorgfalt unterscheidet. Darauf deutet auch die eben zitierte Formulierung hin, nach der „nur solche Umstände heranzuziehen [sind], die dem Empfänger bekannt oder erkennbar waren“ [Kursivierung der Verf.]. Das Gericht schreibt nicht von den Umständen, die der Empfänger kannte oder hätte kennen können. Vom althochdeutschen Wort irchennan („geistig erfassen“) abstammend, bezieht sich „erkennen“, anders als „kennen“, auf das Ergebnis einer Analyse, nämlich eine Wertung, eine Entscheidung, ein Urteil.93 Das Gericht würde dann in einem Satz zugleich den Maßstab für die Auswahl des auszulegenden Materials und die an die Auslegungsarbeit zu stellenden Anforderungen abhandeln. Für beides wäre der Horizont des konkreten Empfängers maßgeblich. Etwaige unter- oder überdurchschnittliche Kenntnisse des Empfängers wären dann sowohl bei der Entscheidung über die Auswahl des für die Auslegung relevanten Materials als auch für die Bestimmung des bei der Auslegung anzulegenden Sorgfaltsmaßstabs beachtlich.94 Diese Kenntnisse müsste der Auslegende so einsetzen, wie es ein rationaler Akteur tun würde. Diese Ansicht vertreten vermutlich, aber unausgesprochen, auch die meisten Stimmen in der Literatur. Auch hier werden Auslegungsmaterial und Auslegungssorgfalt oft nicht sauber unterschieden. Larenz etwa bedient sich im Kern fast derselben Worte wie der BGH. Seiner Ansicht nach kommt es für die normative Erklärungsbedeutung „zunächst einmal auf den allgemeinen Sprachgebrauch, die verkehrsübliche Bedeutung eines Ausdrucks, das Verständnis eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers an. Dabei kann indessen nicht stehengeblieben werden. Vielmehr geht der verkehrsüblichen Bedeutung im Einzelfall diejenige Bedeutung vor, die der Empfänger bei hinreichender Aufmerksamkeit auf Grund aller ihm erkennbaren Umstände als die vom Erklärenden gemeinte erkennen mußte.“95

93  Vgl. nur Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 25. Aufl. 2011, S. 255; Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 2. Aufl. 1993, S. 294. 94  Zu Sonderfähigkeiten ähnlich Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 51 f. 95  Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 19 II, S. 339 [Kursivierung im Original]. Vgl. auch ders., Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 1992, S. 188; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 29; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 18.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

71

Warum dies so ist, warum also nicht beim Verständnis eines Durchschnittsteilnehmers „stehengeblieben werden“ kann, erörtert er nicht. Nach dem eben Gesagten gilt aber: Zunächst ist, so Larenz, die durchschnittliche, allgemeine Erklärungsbedeutung zu ermitteln. Dann folgt die Konkretisierung,96 bei der Umstände, die sich aus der Perspektive des Empfängers ergeben, in die Betrachtung einfließen.97 Dies sind alle dem Empfänger „erkennbaren Umstände“.98 Auch Larenz erwähnt zugleich einen Maßstab für die Auslegungssorgfalt.99 Bei der Wertung muss der Empfänger – hier argumentiert er ebenso zirkulär wie der BGH – „hinreichende Aufmerksamkeit“ walten lassen. Ähnliche Begriffe finden sich bei Busche („bei gehöriger Anstrengung“; „mit der gebührenden Auslegungssorgfalt“)100, Leenen („mit zumutbaren Anstrengungen“; „gebotene Mühe“)101 und Singer („mit der gebotenen Sorgfalt“).102 In dieser Tradition argumentiert auch Bork. Er unterscheidet allerdings deutlicher zwischen Auslegungsmaterial und Auslegungssorgfalt. Für sie legt er jeweils unterschiedliche Maßstäbe an. Nach Bork hat sich der Auszulegende einen „objektiven Betrachter“ vorzustellen, der „gleichsam hinter dem Erklärungsempfänger steht und der danach gefragt wird, wie die Erklärung verstanden werden konnte. Dabei wird unterstellt, dass dieser Beobachter alle relevanten Umstände kennt, die für den Empfänger erkennbar waren, und dass er den typischen Verständnishorizont derjenigen Verkehrskreise zugrunde legt, denen der Empfänger angehört.“103

Für das heranzuziehende Material ist demnach der Horizont des Empfängers maßgeblich. Hinsichtlich der bei der Auslegung zu wahrenden Sorgfalt hingegen ist der Maßstab ein objektiver. Flume wählt im Hinblick auf das Auslegungsmaterial einen etwas anderen Schwerpunkt. Er geht aber ebenfalls vom konkreten Empfänger aus.104 Nach ihm gilt sodann:

 96  Zur Konkretisierung bzw. Individualisierung vgl. nur Meier-Hayoz, Das Vertrauens­ prinzip beim Vertragsabschluss, 1948, S. 22; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 46; Stathopoulos, FS Larenz, 1973, S. 357, 364.  97  Vgl. nur BGH NJW-RR 2000, 1002, 1003. Kritisch Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 46 f.  98  Auch nach Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 527, 549 f. sind alle dem Empfänger erkennbaren Umstände einzubeziehen, also alle „ihm zugänglichen Umstände“.  99  Ein solcher fehlt etwa bei F. Bydlinski, BJM 1982, 1, 4, der nur von „sorgfältiger Deutung“ spricht. 100 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 29. 101  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 45, 56. 102 Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 18. 103  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 527. 104  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 c, S. 311.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

„Die zu berücksichtigenden Umstände sind aber nicht nach der Person des Erklärungsempfängers zu bestimmen, nicht ‚seine‘ Umstände, sondern die Umstände der Erklärung sind maßgeblich für die normative Auslegung. Wenn die Auslegung also auch auf den Empfänger bezogen ist, so ist sie doch auch wieder von ihm gelöst, indem die Umstände der Erklärung […] als solche die Auslegung bestimmen, ungeachtet dessen, ob der Erklärungsempfänger sie perzipiert hat, wenn sie nur als für ihn perzipierbar gewertet werden und ihre Kenntnis und Beachtung bei dem Verständnis der Erklärung deshalb als ihm zurechenbar anzusehen sind.“105

„Umstände einer Erklärung“ sind nach Flume „alle Vorgänge und Zustände […], welche den Sinn einer Erklärung bestimmen können“.106 Unter welchen Voraussetzungen Umstände als dem Empfänger „perzipierbar“ gewertet werden, ob er sich also auf unterdurchschnittliche Kenntnisse berufen darf oder sich überdurchschnittliche Kenntnisse anrechnen lassen muss, erörtert Flume nicht. Während die eben genannten Autoren die Frage, welches Material bei der Auslegung herangezogen werden darf, ausdrücklich beantworten und zur erforderlichen Auslegungssorgfalt wenigstens fragmentarisch Stellung beziehen, wird oftmals ganz generell auf den Horizont des konkreten Empfängers abgestellt.107 Wolf/Neuner etwa führen zur Auslegung allgemein aus, bei der Ermittlung der normativen Erklärungsbedeutung komme es darauf an, wie die Erklärung „redlicherweise zu verstehen war.“108 Die Auslegung sei „aus der Sicht eines redlichen, verständigen und folgerichtig denkenden Interpreten vorzunehmen.“109 Für das in die Auslegung einzubeziehende Material würde dies bedeuten: Relevant wären alle Umstände, die ein rational handelnder Empfänger in die Betrachtung einbeziehen würde. Diese wären dann mit rationalem Aufwand zu analysieren. Tatsächlich aber soll ihrer Ansicht nach wohl regelmäßig der Verständnishorizont des konkreten Empfängers maßgeblich sein. So schreiben sie, ohne jedoch auf die Auswahl des Auslegungsmaterials oder die bei der Analyse erforderliche Sorgfalt Bezug zu nehmen, es sei „auf die dem Empfänger bei gehöriger Anstrengung zumutbare Erkenntnis- und Verständnismöglichkeit abzustellen“.110

105 

Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 c, S. 311. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 c, S. 312. 107  Vgl. etwa Erman/Arnold, 15. Aufl. 2017, § 133 Rn. 19; Biehl, JuS 2010, 195, 196; Palandt/ Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 133 Rn. 9; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 45, 56; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 323; Sosnitza, JA 2000, 708, 714; Wolf/Neuner, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 17. 108  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 17 [Kursivierung im Original]. 109  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 11. 110  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 17. 106 

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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Auch Oechsler schreibt ganz allgemein: „[N]icht die subjektiven, womöglich unvernünftigen und überzogenen Vorstellungen des Gläubigers sind maßgeblich für die Auslegung der Willenserklärung, sondern der Verständnishorizont eines objektiven Beobachters in der Person des Gläubigers.“111 Abstellen möchte er damit wohl auf das rational handelnde Idealbild des konkreten Empfängers. Demnach wäre das Material in die Auslegung einzubeziehen, dessen sich diese Person zur Ermittlung der Bedeutung des Erklärten bedient hätte. Außerdem würde gelten: Sonderwissen ist dem Empfänger zuzurechnen.112 Auf unterdurchschnittliche Kenntnisse kann er sich ebenfalls berufen. Irrationale Präferenzen hingegen sind unbeachtlich.

b) Der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer Objektiver als die herrschende Ansicht heute ist der Ansatz von Heck. Von ihm stammt der Begriff des „Empfängerhorizonts“.113 Seiner Ansicht nach wird mit der objektiven Bedeutung eine Größe erforscht, die „kein reales Element eines konkreten menschlichen Bewusstseins“ ist.114 Weiter führt er aus: „Unter dem Empfängerhorizont verstehe ich die Gesamtheit des Materials, das dem hypothetischen Ausleger zugerechnet wird, sowohl das Umstandswissen wie das Regelwissen, also sowohl die Kenntnis der vorausgegangenen Verhandlungen, begleitenden Umstände, als die Kenntnis von Sprache und Verkehrssitte.“115

Der Empfänger als konkrete Person spielt bei ihm also lediglich insofern eine Rolle, als er derjenige ist, dem das Auslegungsmaterial oder vielmehr die Möglichkeit, dieses Material zu kennen, zugerechnet wird. Er vertritt aber nicht, dass von dem objektiv vorhandenen Material nur dasjenige zur Auslegung herangezogen werden darf, welches der konkrete Empfänger hätte kennen können, sondern rechnet dem Empfänger einschränkungslos Umstands- und Regelwissen zu.116 In diesem Punkt ähneln seine Ausführungen jenen von Danz. Letzterer schreibt, der Interpret habe „anstelle der Parteien zwei verständige Menschen“ zu setzen.117 Dies klingt so als wolle er den tatsächlichen Empfänger durch eine rational handelnde Person ersetzen. Andernorts spricht er von „Normalmen111  Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, 2. Aufl. 2017, Rn. 30 [Kursivierung im Original]. 112  Dafür explizit Thomale, Leistung als Freiheit, 2012, S. 23. 113  Heck, AcP 112 (1914), 1, 43. Vgl. auch Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 43. 114  Heck, AcP 112 (1914), 1, 40. 115  Heck, AcP 112 (1914), 1, 43. 116  Einen ähnlichen Maßstab wenden auch Schapp/Schur, Einführung in das Bürgerliche Recht, 4. Aufl. 2007, Rn. 346 an. Ihrer Ansicht nach ist das „Verständnis eines vernünftigen Dritten in der Situation des Erklärungsempfängers“ maßgeblich. 117  Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 78.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

schen“118 bzw. der „Allgemeinheit“,119 scheint also einen durchschnittlichen Menschen mit den für einen solchen Menschen typischen Fehlern, Schwächen – biases – vor Augen zu haben. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Heck und Danz besteht allerdings darin, dass letzterer deutlich weniger Material zur Auslegung heranziehen möchte. So müsse der Interpret, nachdem er die Parteien durch verständige Menschen ersetzt habe, herausfinden, „wie diese das Verhalten, welches die Willenserklärung bildet, aufgefaßt, gedeutet hätten.“120 Hiernach wäre Sonderwissen des Empfängers unbeachtlich. Unbeachtlich wären auch Umstände, die außerhalb der Willenserklärung liegen, etwa die Vorverhandlungen, die zwischen den Parteien stattgefunden haben, weil sie nicht zu dem „Verhalten, welches die Willenserklärung bildet“, gehören. Danz steht damit in der Tradition der strengen Wortlautauslegung, wie sie heutzutage etwa im U.S.-amerikanischen Recht praktiziert wird.121 In Deutschland ordnete sie beispielsweise das Preußische ALR an. Sein § 65 lautete: „Der Sinn jeder ausdrücklichen Willenserklärung muss nach der gewöhnlichen Bedeutung der Worte und Zeichen verstanden werden.“122 Mit § 133 2. Halbsatz BGB hat sich der Gesetzgeber explizit gegen eine solche Auslegungsregel ausgesprochen. Es gibt aber auch nach heute in Deutschland herrschender Ansicht eine Gruppe von Willenserklärungen, die nicht gemäß dem Horizont des Empfängers ausgelegt werden müssen, sondern objektiveren Maßstäben unterworfen werden: Willenserklärungen, die an die Allgemeinheit oder an einen größeren Personenkreis gerichtet sind.123 Laut BGH ist hierfür „ausschließlich der objektive Inhalt der Erklärung maßgeblich.“124 Wolf/Neuner schreiben, bei diesen Erklärungen sei „von der Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers oder eines Angehörigen gerade des angesprochenen Personenkreises auszugehen.“125 Für die Auslegung herangezogen werden dürfen hiernach der Text der Erklärung, Urkunden, auf die in der Erklärung Bezug genommen wird und die jedermann zugänglich sind, sowie jedermann bzw. 118  Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 48, 55. Vgl. auch Meier-­ Hayoz, Das Vertrauensprinzip beim Vertragsabschluss, 1948, S. 22, der von der Perspektive eines „Unbeteiligten“ spricht. 119  Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 55. So auch Meier-Hayoz, Das Vertrauensprinzip beim Vertragsabschluss, 1948, S. 22. 120  Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 78. 121  Siehe dazu S. 81 f. 122  Vgl. hierzu HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 18 f. 123  Beispiele sind AGB, Gesellschaftsverträge und Schecks/Wechsel, vgl. nur BGH NJW 2014, 1292; NK‑BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 87; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 72 ff.; Sosnitza, JA 2000, 708, 714 f.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 33. 124  BGH NJW 2007, 2912 Rn. 10. Vgl. auch BGH NJW 1979, 2102. 125  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 33.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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wenigstens jedem Angehörigen des angesprochenen Kreises erkennbare Um­ stände.126

c) Objektive Theorie der Auslegung Wie eben gesehen, wird die Frage, ob etwaiges Sonderwissen oder unterdurchschnittliche Kenntnisse und/oder eine begrenzte Rationalität des Erklärungsempfängers beachtlich sind, in Rechtsprechung und Literatur in aller Regel nur sehr oberflächlich diskutiert.127 Auch wird zumeist nicht sauber getrennt zwischen den Kenntnissen und kognitiven Fähigkeiten des maßgeblichen Empfängers (aa)), dem Material, das dieser zu Rate ziehen muss (bb)), und der Sorgfalt, die er dabei aufzubringen hat (cc)). Dabei handelt es sich um unterschiedliche Maßstäbe, die jeweils eigenständiger Erörterung bedürfen.

aa) Der idealtypische Empfänger Die ganz herrschende Ansicht, nach welcher der Horizont des konkreten Empfängers höchstwahrscheinlich sowohl Auswirkungen hat auf das Auslegungsmaterial, welches der Empfänger heranzuziehen hat, als auch für die erforderliche Auslegungssorgfalt, produziert erhebliche Transaktions- und Prozesskosten. Diese Kosten vermeidet, wer auf einen idealtypischen Verkehrsteilnehmer abstellt.128 Der idealtypische Empfänger verfügt über die Kenntnisse eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers. Der Richter muss demnach lediglich ermitteln, welche Kenntnisse ein Teilnehmer des betreffenden Verkehrskreises üblicherweise hat. Aus der Perspektive einer Person, die all das (und nur das) weiß, was der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer weiß, wird die betreffende Erklärung dann ausgelegt. Das bedeutet: etwaige unterdurchschnittliche Kenntnisse des realen Erklärungsempfängers sind ebenso unbeachtlich (1) wie Sonderwissen (2), das ihm möglicherweise zur Verfügung steht. Von einem durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer unterscheidet sich der idealtypische Empfänger aber hinsichtlich seiner kognitiven Fähigkeiten (3). Er ist eine Person, die dazu fähig ist, rational zu denken und zu handeln. Anders 126 

Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 33. auch Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016,

127  So

S. 51 f. 128  Faust, AT, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 9 f. will auf eine „vernünftige Person an der Stelle des Empfängers“ abstellen. Sie „verfügt über das Wissen, das man im Rechtsverkehr erwarten kann, und zieht daraus die angemessenen Schlüsse.“ (Rn. 10). Dies habe zur Folge, dass maßgeblich sei, welchem Verkehrskreis der Empfänger angehöre, und dass sich der konkrete Empfänger nicht darauf berufen könne, weniger zu wissen, als er aufgrund seiner besonderen Verhältnisse wissen müsse (ebd.). Damit scheint für ihn auch Sonderwissen beachtlich zu sein. Zu den kognitiven Fähigkeiten verhält Faust sich nicht explizit. Der von ihm gewählte Begriff legt aber nahe, dass die „vernünftige Person“ rational handelt und keinen biases unterliegt.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

als der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer unterliegt er insbesondere keinen biases.

(1) Unterdurchschnittliche Kenntnisse Wenn, wie Rechtsprechung und herrschende Lehre vertreten, der Horizont des konkreten Empfängers maßgeblich ist, müsste beachtlich sein, wenn der Empfänger weniger weiß als der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer. In der Praxis würde dies zu problematischen Ergebnissen führen: Wenn der Erklärende sicher sein wollte, dass sein Verhalten die von ihm gewünschte Bedeutung hat, müsste er in jedem Einzelfall ergründen, ob der Verständnishorizont des Erklärungsempfängers geringer ist als der des durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers. Wäre dies der Fall, müsste er die von ihm gewählten Erklärungszeichen an diesen verminderten Horizont anpassen. Eine solche Regel befördert nicht die Herausbildung von standardisierten Ausdrucks- und Verhaltensweisen beim Abschluss von Rechtsgeschäften, sondern behindert sie. Überdies führt sie zu Fehlanreizen. Der Empfänger wird nicht dazu angehalten, sich Kenntnisse anzueignen, die jenen eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers entsprechen. Die Informationskosten werden vielmehr vom Empfänger auf den Erklärenden abgewälzt.129 Dass der Erklärende angehalten wird, den Horizont der anderen Seite zu ergründen, ist aber auch deshalb ökonomisch wenig sinnvoll, weil der Empfänger regelmäßig über einen durchschnittlichen Verständnishorizont verfügt. Die Ermittlungskosten, die dem Erklärenden entstehen, werden nur in Ausnahmefällen zu dem Ergebnis führen, dass er sich nicht der durchschnittlichen Sprache bedienen darf. Es verwundert denn auch nicht, dass sich weder in Rechtsprechung noch in Literatur explizit Stimmen finden, nach denen unterdurchschnittliche Kenntnisse von Relevanz sind, auch wenn dies die logische Konsequenz der ganz herrschenden Meinung wäre.

(2) Sonderwissen Bei konsequenter Anwendung der von Rechtsprechung und herrschender Lehre vertretenen Ansicht hat sich der Empfänger überdies anzurechnen, wenn er mehr weiß als der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer. Er darf sich also nicht auf die Kenntnisse eines durchschnittlichen Empfängers berufen, sobald und sofern er über Sonderwissen verfügt.

129  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 52 schreibt, auf Basis der herrschenden Lehre sei „nach unten zu generalisieren und nach oben zu individualisieren“, damit der Empfänger den Anreiz erhalte, alle ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen. Das hier angesprochene Problem wird dadurch jedoch nicht beseitigt.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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Das meist diskutierte Problem ist jenes, das üblicherweise unter der Überschrift „erkannter und ausgenutzter Irrtum“ abgehandelt wird.130 Der Erklärende ist einem Irrtum unterlegen. Für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer ist der Irrtum nicht erkennbar. Der Empfänger erkennt diesen Irrtum aber, weil er über überdurchschnittliches Wissen verfügt. Er weist den Erklärenden gleichwohl nicht auf den Irrtum hin, weil ihm der objektive Bedeutungsinhalt der Erklärung gelegen kommt. So möge der US-amerikanische Betreiber eines Berliner Clubs einer Berliner Personalagentur nach längeren Verhandlungen mitgeteilt haben, er wolle für eine Veranstaltung „drei brave Türsteher“ buchen. Er denkt, „brav“ sei die korrekte deutsche Übersetzung für das englische Wort „brave“ (mutig). Einem durchschnittlichen Empfänger wäre dieser Irrtum selbst bei Wertung aller Umstände des Einzelfalls nicht aufgefallen. Er würde höchstwahrscheinlich dem Eindruck unterliegen, der Betreiber erwarte eine friedliche Veranstaltung und wolle daher mit seiner Auswahl der Türsteher ein freundliches Signal setzen, während sich der Clubbetreiber in Wirklichkeit für den schlimmsten Fall wappnen will. Der Inhaber der Agentur aber kennt andere Amerikaner, die ebenfalls das Wort „brav“ verwenden, wenn sie brave meinen.131 Er bemerkt darum den Irrtum des Clubbetreibers. Für den betreffenden Abend hat er alle harten Jungs aus seiner Kartei bereits anderen Kunden versprochen, kann also nur brave Türsteher zur Verfügung stellen. Darum antwortet er, er nehme das Angebot an und werde drei brave Jungs vorbeischicken. Der subjektive Wille der Parteien stimmt mithin nicht überein: Der Inhaber der Agentur hat den Irrtum des Clubbetreibers zwar erkannt; er will aber den Abschluss eines Vertrages mit dem Inhalt, den die Willenserklärung des Clubbetreibers bei objektiver Betrachtung durch eine Person hätte, die nicht über Sonderwissen verfügt. Nach herrschender Ansicht wären die Parteien übereingekommen, dass der Inhaber der Agentur dem Clubbetreiber für die Veranstaltung drei mutige Türsteher zur Verfügung stellt. Abzustellen wäre danach nämlich auf den (objektivierten) Verständnishorizont des konkreten Empfängers. Der Inhaber der Agentur hat den Antrag des Clubbetreibers auf Abschluss eines Vertrages über die Arbeit von drei „braven“ Türstehern aufgrund seines Sonderwissens korrekt als Antrag auf Abschluss eines Vertrages über die Arbeit von drei mutigen Türstehern verstanden und diesen Antrag angenommen. Um einen Vertrag anderen Inhalts abzuschließen, hätte er das Angebot des Clubbetreibers ablehnen 130  Vgl. nur MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 63; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 155 Rn. 8; Diederichsen, FS 125 Jahre Jur. Gesellschaft, 1984, S. 81, 87; Fleischer, RabelsZ 65 (2001), 264, 269; Singer, JZ 1999, 342, 347; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 39. 131  Zwischen „brav“ und „tapfer“ besteht eine Beziehung: Brav entstammt dem französischen „brave“, was „tapfer, gut“ bedeutet, vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 25. Aufl. 2011, S. 149.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

und ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages über die Bereitstellung von drei freundlichen Türstehern unterbreiten müssen. Vermutlich würde sich die herrschende Meinung hierfür (auch) moralischer Argumente bedienen.132 Aus wirtschaftlicher Sicht ließe sich für diese Lösung womöglich anführen, dass der Inhaber der Agentur der cheapest cost avoider sei.133 Ihm sei es mit geringem Aufwand möglich, den Irrtum des Clubbetreibers aufzudecken und also zu verhindern, dass die beiden einen Vertrag über die Bereitstellung von Türstehern abschließen, die die Bedürfnisse des Clubbetreibers nicht erfüllen (und sich und andere womöglich in Gefahr bringen) werden. Gleichwohl überzeugt diese Lösung nicht. Sie hält den Erklärenden, also den Clubbetreiber, insofern nicht an, Worte korrekt zu verwenden, als sie das Sprachrisiko vom Erklärenden auf den Empfänger abwälzt, sobald dieser den Fehler erkannt hat.134 Zudem verpflichtet sie Gerichte, bereits bei der Feststellung, ob ein Rechtsgeschäft geschlossen wurde und welchen Inhalt dieses Rechtsgeschäft hat, den Verständnishorizont des konkreten Empfängers zu ermitteln, statt sich auf die Feststellung des objektiven Bedeutungsgehalts zu beschränken. Sie tut dies, obwohl das Anfechtungsrecht für derartige Fälle einen Mechanismus zur Verfügung stellt, der den Interessen beider Parteien Rechnung trägt und sie zur Sorgfalt anhält.135 Dem Erklärenden gewährt das Gesetz unter den Voraussetzungen des § 119 BGB ein Anfechtungsrecht. Es erlaubt ihm also, sich von dem ungewollten Rechtsgeschäft zu lösen. Allerdings muss er dem Empfänger im Gegenzug gem. § 122 BGB den Vertrauensschaden ersetzen. Damit setzt das Gesetz Anreize für den Erklärenden, seinen Willen so zu formulieren, dass ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer die Erklärung entsprechend dem wirklichen Willen des Erklärenden versteht.136 Für eine Ausnahme von dieser Regel besteht auch dann kein Bedürfnis, wenn der Empfänger den Irrtum erkannt hat.137 Bereits das Anfechtungsrecht hält 132  Vgl. NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 47, nach dem der Empfänger nicht schutzwürdig ist. Auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 518; HK-BGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 133 Rn. 9 sehen in solchen Fällen keinen Anlass für Vertrauensschutz. 133  Vgl. hierzu grundsätzlich nur Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 441. Zum erkannten und ausgenutzten Kalkulationsirrtum Fleischer, RabelsZ 65 (2001), 264, 271; R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 118 f. 134  Siehe zu Sprachrisiken auch S. 96 f. 135  Siehe dazu ausführlich Teil 2 der Arbeit (S. 247 ff.). 136  Vgl. auch Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 170 f. mit etwas anderem Ansatz: „Der Erklärende muss sich – bildlich gesprochen – ‚in die Schuhe des anderen Vertragsteils‘ stellen und aus dessen Sicht den eigenen Willen formulieren, will er der Gefahr entgehen, dass der andere Vertragsteil seine Erklärung in einem abweichenden Sinne verstehen darf und somit der Vertrag mit einem dem wirklichen Willen des Gegners entsprechenden Inhalt zustande kommt.“ [Kursivierung im Original]. 137  Anderer Ansicht insoweit aber Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 170, nach dem die Verlagerung des Sprachrisikos in einem solchen Fall wiederum eine wünschenswerte verhaltens-

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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den Empfänger nämlich dazu an, sein Sonderwissen zu offenbaren, also, in den Worten Mankowskis, „Selbstschutzmaßnahmen“ zu ergreifen.138 Der Anspruch des Empfängers auf Ersatz des Vertrauensschadens ist nach § 122 Abs. 2 BGB nämlich ausgeschlossen, wenn er die Anfechtbarkeit der Erklärung kannte (oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte).139 Ficht also der Clubbetreiber im Beispielsfall seine Willenserklärung an, und wird der Vertrag dadurch gem. § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend nichtig, kann der Inhaber der Agentur vom Clubbetreiber etwaig entstandene Kosten nicht ersetzt verlangen.140 Die Kosten, die dem Empfänger durch die Selbstschutzmaßnahmen entstehen, sind regelmäßig geringer als jene, die der Erklärende aufwenden müsste, um seinen (Inhalts-)Irrtum zu entdecken bzw. zu verhindern.141 Damit führt die Regel zu niedrigeren Gesamtkosten und, wenn der Anreiz wirkt, zu weniger irrtumsbehafteten Rechtsgeschäften bzw. geringeren Schäden.142 Nicht über das Anfechtungsrecht, sondern bereits auf Ebene der Auslegung sind hingegen Fälle zu lösen, in denen der Irrtum objektiv erkennbar war.143 Die Erklärung hat dann entweder den Inhalt, der ihr objektiv zu entnehmen war, oder – wenn objektiv erkennbar war, dass der Erklärende einem Irrtum unterlegen ist, nicht aber, welchen Inhalt die Erklärung nach dem Willen des Erklärenden haben sollte – es liegt keine gültige Willenserklärung vor.144

steuernde Wirkung hat: Erkenne ein Vertragsteil, dass es an einer Willensübereinstimmung fehle, werde er angehalten, dies aufzudecken. 138  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 554. 139  Anderer Ansicht Trupp, NJW 1990, 1346, 1347, der in § 119 BGB eine implizite Auslegungsregel erkennt, die allerdings nur bei schutzwürdigem Vertrauen des Empfängers greife. Den Anwendungsbereich von § 122 Abs. 2 BGB will Trupp auf Fälle späterer, also nach Vertragsschluss eingetretener, Kenntniserlangung reduzieren. Vgl. dazu auch Danz, JherJb. 46 (1904), 381, 426; Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“, 1987, S. 34; Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 105 f. 140  In der Praxis wird es dem Clubbetreiber allerdings regelmäßig nicht leicht fallen zu beweisen, dass ihn der Inhaber der Agentur korrekt verstanden hat. 141  Vgl. auch Koziol, FS Schmidlin, 1998, S. 291, 297 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 554. 142  Vgl. auch Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 554. 143  Vgl. dazu nur MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 122 Rn. 22; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 41, § 122 Rn. 17, jeweils unter Bezugnahme auf Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung, 1972, 195 ff.; Leenen, MDR 1980, 353, 357. Vgl. aus der älteren Literatur Jacobsohn, JherJb. 56 (1910), 329, 361 f.; R. Leonhard, AT, 1900, S. 476 ff.; Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, 1907, S. 468 f. 144  So auch Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 79 f. Fn. 2; Staudinger/Singer, 2017, § 122 Rn. 17. Vgl. auch Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 155 Rn. 12, der unter diesen Voraussetzungen § 155 BGB anwenden will. Für diese Fälle spielt § 122 Abs. 2 BGB in der zweiten Variante („kennen musste“) keine Rolle, vgl. auch Danz, JherJb. 46 (1904) 381, 426; Jacobsohn, JherJb. 56 (1910), 329, 361 f.; Staudinger/Singer, 2017, § 122 Rn. 17; Trupp, NJW 1990, 1346, 1347; Wieling, AcP 172 (1972), 297, 300 Fn. 15.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

(3) Kognitive Fähigkeiten Wer auf die konkrete Person des Empfängers abstellt, muss auch dessen individuelle Schwächen und Fehleinschätzungen in die Auslegung einbeziehen. Dies würde in der Praxis zu enormer Rechtsunsicherheit führen: Erkenntnisse der Verhaltenspsychologie zeigen, dass Menschen biases unterliegen.145 Aufgrund von confirmation biases146 fokussieren Menschen sich beispielsweise auf Anzeichen, die ihre eigene Ansicht stützen, und missachten Anzeichen, die dieser entgegenstehen.147 Tendenziell verstehen Menschen also Aussagen entsprechend ihrer Wünsche und Vorstellungen, selbst wenn sie bei rationaler Betrachtung feststellen müssten, dass die betreffende Aussage einen anderen als den gewünschten Inhalt hat oder dass sie den Inhalt gar nicht verstehen. Beispielsweise könnte etwa der Kunde einer Bank glauben, ein „Disagio“ bezeichne einen Nachlass auf die bei einem Kredit zurückzuzahlende Summe. Unterschreibt er nun einen Vertrag über einen Kredit mit einem Disagio, könnte er selbst dann, wenn sich aus den Vertragsbedingungen der Bank ergibt, dass der Kredit aufgrund des Disagio in verringerter Höhe an den Kunden ausgezahlt wird, wegen seines confirmation bias davon ausgehen, dass er den Kredit nur in verringerter Höhe zurückzahlen muss, weil er die Bedingungen entsprechend seines Verständnisses liest. Ist das Verständnis des konkreten Empfängers maßgeblich, hängt der Erklärungsgehalt einer Willenserklärung davon ab, welche biases der Empfänger hat. Der Erklärende müsste damit seine Erklärung so gestalten, dass auch eine Person, deren Verständnis aufgrund von biases von dem eines rationalen Empfängers abweicht, die Erklärung in dem Sinne versteht, den ihr der Erklärende beimessen wollte. Dies ist umso schwieriger, als nicht alle Menschen den gleichen biases unterliegen oder die gleichen biases im gleichen Maß aufweisen.148 In anderen Bereichen des Rechts ist die Berücksichtigung von biases (und Heuristiken) durchaus angezeigt. Vor allem, wenn – wie im Verbraucherrecht – ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen den Parteien besteht, kann es angemessen sein, den Erklärenden zu verpflichten, typischen kognitiven Schwächen potentieller Empfänger Rechnung zu tragen und sie nicht auszunutzen. Für die 145 

Siehe dazu S. 20. hierzu grundsätzlich nur Wason, 12 Q. J. Experim. Psych. 129 ff. (1960); Wason/ Johnson-Laird, Psychology of Reasoning, 1972, S. 172. 147  Eine griffige Definition findet sich bei Doyle, 57 IDEA 29, 37 (2016): „Confirmation bias refers to the favoring of evidence that confirms a hypothesis and the disregarding of evidence that is not conforming.“ 148  Vgl. hierzu nur Mitchell, 91 Geo. L.J. 67, 137 (2002): „In fact, the likelihood that a particular decision or judgment will deviate from the ideal behavior derived from norms of rationality depends on a range of personal and situational factors. Some people are inherently more likely to exhibit certain anomalies, and some circumstances increase the likelihood that decision makers will engage in heuristics and possibly biased information processing.“ 146  Vgl.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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Rechtsgeschäftslehre gilt dies nicht. Hier geht es um die Abgrenzung von Risikobereichen. Dafür ist es geboten, statt auf reale Menschen auf rationale Personen abzustellen. So ist sichergestellt, dass jede Vertragspartei das Risiko ihrer kognitiven Fehler/Schwächen selbst trägt. Dadurch hält das Recht die Parteien zu rationalem Verhalten an.149

bb) Auslegungsmaterial Aus dem eben Gesagten ergibt sich, dass hinsichtlich des in die Auslegung einzubeziehenden Materials nicht auf den konkreten Empfänger abzustellen ist, sondern auf den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer.150 Unterdurchschnittliche Kenntnisse und Sonderwissen des Empfängers sind insofern unbeachtlich. Das bedeutet aber nicht, dass das zu wertende Material, wie Danz es will, lediglich aus dem die Erklärung bildenden Verhalten besteht.151 Die hier vertretene Ansicht unterscheidet sich also von jener, für die etwa Schwartz und Scott stehen. In ihren einflussreichen Aufsätzen zum US-amerikanischen Unternehmensvertragsrecht schreiben sie, effizient sei eine Auslegungsregel, nach der bei schriftlichen Willenserklärungen auf die minimale Beweisbasis abzustellen sei.152 Zwar sei eine akkurate Auslegung im Ansatz begrüßenswert. Allerdings sei sie mit (unverhältnismäßigen) Kosten für Parteien und Gerichte verbunden. Eine gesamtgesellschaftlich wünschenswerte Auslegungsregel müsse daher eine Balance herstellen zwischen fehlerfreier (accurate) Interpretation und den damit einhergehenden Kosten; diese Balance lasse sich erreichen durch eine – als default geltende153 – Begrenzung des relevanten Auslegungsmaterials.154 Bei schriftlichen Verträgen bestehe die minimale Beweisbasis im Wesentlichen aus

149  Siehe dazu auch S. 20 f. Vgl. zu diesem „normative[n] Ideal eines unbeschränkt rationalen Verkehrsteilnehmers“ überdies Asmussen, Haftung für CRS, 2020 (im Erscheinen), S. 165. 150  In dem System von K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 52, 71 f. ist nach der hier vertretenen Ansicht also der „objektive“ und nicht der „bezügliche (relative)“ Sinn zu ermitteln. 151  Siehe hierzu oben b). 152  Schwartz/Scott, 113 Yale L.J. 541, 573–583 (2003). Sie gehen dabei von folgenden Annahmen aus (575, 577): 1. Das Gericht findet das richtige Auslegungsergebnis mit positiver Wahrscheinlichkeit. 2. Stehen dem Gericht mehr Beweise als die minimale Beweisbasis zur Verfügung, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht das richtige Auslegungsergebnis findet. 3. Das Gericht ist unvoreingenommen (unbiased). In Schwartz/Scott, 119 Yale L.J. 926, 945 (2010) ergänzen sie die 1. Annahme insofern, als die Wahrscheinlichkeit für ein richtiges Auslegungsergebnis nun > 0,5 ist. 153  Wenn Parteien in ihrem Vertrag ausdrücklich bestimmten, dass sie hinsichtlich der Auslegung ihres Vertrages eine Abweichung von der Grundregel wünschen, solle das Recht diesen Präferenzen zur Geltung verhelfen, Schwartz/Scott, 113 Yale L.J. 541, 570 ff. (2003); dies., 119 Yale L.J. 926, 940 ff. (2010). 154  Schwartz/Scott, 113 Yale L.J. 541, 574 ff. (2003); dies., 119 Yale L.J. 926, 944 ff. (2010).

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

dem Vertragstext.155 Die Vertragspraxis der Parteien oder die Vertragsverhandlungen hingegen seien irrelevant.156 Eine solche, rein textualistische Auslegungslehre vermag die Kosten der Auslegung selbst zu begrenzen. Sie treibt aber die Vertragsabschlusskosten in die Höhe, indem sie Parteien zwingt, jeden Umstand, der ihrer Ansicht nach für die Auslegung relevant sein soll, in den Vertragstext aufzunehmen.157 Für das deutsche Recht kommt hinzu: Selbst wenn eine Regel wie die von Schwartz und Scott befürwortete effizient sein sollte, wäre sie nicht zulässig. Der Regelungsgehalt des § 133 BGB ist zwar begrenzt. Die Norm verbietet aber explizit die reine Wortlautauslegung.158 (Nicht gegen § 133 BGB würde es hingegen verstoßen, wenn lediglich die allen Verkehrsteilnehmern zugänglichen Umstände in die Auslegung einbezogen würden, wie dies für Willenserklärungen, die an die Allgemeinheit gerichtet sind, vertreten wird.) In die Auslegung sind mithin alle Umstände einzubeziehen, die ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer gewertet hätte, wenn er die Erklärung empfangen hätte. Welche Umstände dies sind, hängt ab von der konkreten Willenserklärung. Bei Willenserklärungen, die auf Abschluss eines Vertrages gerichtet sind, sind dies beispielsweise Kenntnisse der Vertragssprache, der Branchengewohnheiten, etwaiger Vorverhandlungen oder Absprachen zwischen den Parteien sowie allgemeine Kenntnisse oder offenkundige Tatsachen im Sinne von § 291 ZPO. Ist eine Willenserklärung an die Allgemeinheit gerichtet, dürfen nur solche Umstände in die Betrachtung einbezogen werden, die Mitgliedern der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.

cc) Auslegungssorgfalt Auch bei der Frage, welche Sorgfalt der Erklärende bei dem Auslegungsprozess an den Tag zu legen hat, sind unterdurchschnittliche Kenntnisse und Sonderwissen nicht zu berücksichtigen. Folge ist etwa, dass § 116 S. 2 BGB über eigenständige Bedeutung verfügt:159 Bei der Auslegung der betreffenden Erklärun155  Schwartz/Scott, 113 Yale L.J. 541, 572 (2003); dies., 119 Yale L.J. 926, 931 (2010). Hinzu kämen Informationen darüber, ob die Parteien die Verpflichtungen, die der Vertrag allem Anschein nach voraussetze („obligations that the contract appears to require“), ein Sprachwörterbuch, die Erfahrung des Interpretierenden sowie sein Verständnis der Welt. Kritisch Burton, Elements of Contract Interpretation, 2009, S. 17, 219. 156  Schwartz/Scott, 113 Yale L.J. 541, 572 (2003); dies., 119 Yale L.J. 926, 955 ff. (2010). 157  Kostritsky, 96 Ky. L.J. 43, 54 ff. (2007) kritisiert überdies, dass die Auslegungslehre von Schwartz/Scott zu opportunistischem Verhalten verleite. Nach Bowers, 57 Rutgers L. Rev. 587, 601 (2005) setzt sie Anreize zum schummeln („chisel“). Kritisch auch Bayern, 97 Cal. L. Rev. 943 (2009). Gegen alle drei wenden sich Schwartz/Scott, 119 Yale L.J. 926, 947 (2010). 158  Vgl. aber die Rechtsprechung des BGH, nach der die Vollständigkeit und Richtigkeit von Urkunden vermutet wird, etwa BGHZ 20, 109, 111; BGH NJW 2002, 3164; BGH MDR 2016, 1371. 159  Siehe dazu ausführlicher S. 257 f.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

83

gen ist das Sonderwissen der Beteiligten (hinsichtlich des inneren Vorbehalts) zunächst nicht relevant. Erst nach Ermittlung der (objektiven) Erklärungsbedeutung scheitert die Erklärung wegen der Anordnungen des Gesetzes in § 116 S. 2 BGB. Allerdings muss der Empfänger bei der Auslegung nicht die durchschnittliche, sondern optimale Aufmerksamkeit walten lassen. Abzustellen ist mithin auf den Idealtyp des durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers. Auf biases oder andere kognitive Imperfektionen ist mithin keine Rücksicht zu nehmen. Optimal sorgfältig ist nicht derjenige, der sich maximal sorgfältig verhält. Das Optimum an Sorgfalt ist vielmehr dann erreicht, wenn die mit der Sorgfalt verbundenen Grenzkosten ebenso groß sind wie der mit der Sorgfalt verbundene Grenznutzen. Die Anwendung optimaler Sorgfalt erfordert also nicht, dass der Empfänger alle Informationsquellen ausschöpfen muss. Mitunter kann die erforderliche Auslegungssorgfalt auch null betragen. Dies illustriert folgender Fall, den der BGH zu entscheiden hatte.160 Eine Bauunternehmerin hatte einem Kunden einen Auftrag zur Unterzeichnung geschickt. Der Kunde änderte den Inhalt des Auftragsschreibens und sendete es unterschrieben zurück, versehen mit einem Begleitschreiben, in dem stand: „Anbei erhalten Sie die beiden Exemplare des Bauvertrags […] unterschrieben zu Ihrer weiteren Verwendung zurück. Wir möchten Sie bitten, ein Exemplar unterschrieben an uns zurückzusenden.“ Die Unternehmerin bemerkte die Änderungen nicht, änderte im Einverständnis mit dem Kunden die im Vertrag genannten Fristen handschriftlich und sendete den Vertrag gegengezeichnet zurück. Der BGH urteilte, der Vertrag sei zu den Konditionen zustande gekommen, die die Unternehmerin in ihrem Auftragsschreiben an den Kunden genannt hatte. Das Gericht bemühte hierfür die Grundsätze von Treu und Glauben, die es im Rahmen der Frage, ob das Schreiben des Kunden ein modifiziertes Angebot gem. § 150 Abs. 2 BGB darstelle, anwendete.161 Das Gericht hätte allerdings die Annahmeerklärung des Kunden zunächst gem. §§ 133, 157 BGB auslegen müssen. Erst wenn es zu dem Schluss gekommen wäre, dass die Annahme das Angebot modifiziert, wäre die Auslegungsregel des § 150 Abs. 2 BGB einschlägig gewesen. Argumentiert das Gericht also dogmatisch unsauber, ist seinem Urteil aber im Ergebnis zuzustimmen. Nach objektivem Empfängerhorizont hatte die Erklärung des Kunden den Inhalt, den ihr ein objektiver Verkehrsteilnehmer in der Position der Unternehmerin mit optimaler Sorgfalt entnehmen würde. Der BGH statuiert nun: Wenn eine Seite den Vertragstext geschrieben hat und die andere Seite den Text ändert, aber dem Verfasser suggeriert, keine Änderungen

160  161 

BGH NJW 2014, 2100. BGH NJW 2014, 2100, 2101 Rn. 17.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

vorgenommen zu haben, geht die optimale Sorgfalt gegen null.162 Der Verfasser des Textes kennt diesen bereits. Er ist daher nicht verpflichtet, ihn noch einmal zu lesen, wie er es hätte tun müssen, wenn er sich maximal sorgfältig verhalten hätte. Deswegen ist die Erklärung des Kunden so zu verstehen, als habe er keine Änderungen vorgenommen. Gerade bei umfangreichen Verträgen erleichtert eine solch begrenzte Sorgfaltspflicht die Vertragspraxis und hält die Transaktionskosten niedrig. Zugleich hält sie Verkehrsteilnehmer an, ihre Erklärungen klar und unzweideutig abzugeben, weil versteckte Inhalte nicht Bestandteil des Vertrages werden. Verändern die Parteien den Entwurf eines Vertragstextes mittels Informationstechnologie, dürfen sie diese Technologie nicht nur zu ihren Gunsten nutzen, sondern müssen die Möglichkeiten zur Information ihres Gegenübers ausschöpfen, also beispielsweise eine Textdatei im Änderungsmodus bearbeiten. Die Begrenzung der Sorgfaltspflicht des Empfängers setzt also Anreize für den Erklärenden, seinen Vertragspartner nicht in die Irre zu führen. Letztlich hält sie die Vertragsparteien dadurch an, sich so zu verhalten, dass Verträge vom Willen beider Parteien gedeckt sind. Damit schützt sie das Interesse des Rechtsverkehrs am Bestand von Verträgen. Zugleich gilt: Auslegungsmaterial, das der Empfänger der betreffenden Willenserklärung in die Vertragsverhandlungen eingebracht hat, muss er kennen. Hier muss er maximal sorgfältig sein. Hätte die Unternehmerin in dem von ihr aufgesetzten Vertragsentwurf also aus Versehen einen falschen Preis für ihre Leistungen vermerkt, etwa 100 Euro statt 110 Euro, und hätte der das Angebot abgebende Kunde diesen Text unverändert unterschrieben, hätte die Unterschrift der Unternehmerin nach objektiver Auslegung die Annahme zum Preis von 100 Euro zum Gegenstand gehabt. Die Unternehmerin hätte sich nicht darauf berufen können, dass ein rationaler Verkehrsteilnehmer den unterschriebenen Vertrag an ihrer Stelle nicht noch einmal gelesen hätte, weil sie den Text selbst verfasst hatte, ihn mithin vermeintlich kannte, so dass die Annahme den von ihr beabsichtigten Preis von 110 Euro zum Gegenstand gehabt habe. Als Korrekturmöglichkeit stellt ihr das Recht unter Umständen ein Anfechtungsrecht gem. § 119 BGB Abs. 1 zur Verfügung. Eine solche Pflicht, sich maximal sorgfältig zu verhalten, besteht auch dann, wenn das Material nicht aus der Hand des Erklärenden, aber aus seiner Sphäre stammt. In diesem Zusammenhang wird der „Speisekarten-Fall“ diskutiert:163 Ein Mann entwendet in einem Lokal eine Speisekarte. Von schlechtem Gewissen geplagt, bringt er die Karte Jahre später unbemerkt ins Lokal zurück. In der 162  Der Verfasser muss lediglich das den Vertragstext begleitende Schreiben lesen, welches suggeriert, dass der Vertragstext selbst unverändert geblieben ist. 163  Er geht zurück auf v. Jhering/Oertmann, Zivilrechtsfälle ohne Entscheidung, 14. Aufl. 1932, Nr. 49 II.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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Zwischenzeit haben sich die Preise in dem Lokal verdoppelt. Das Design der Karten hingegen ist unverändert; es ist also nicht ersichtlich, dass die Karte, die der Mann zurückgebracht hat, andere als die aktuellen Preise enthält. Der Wirt bringt die Karte einem seiner Gäste, der ihr die Preise entnimmt und beim Wirt „Ein Bier!“ bestellt. Nach neuer Karte hätte das Bier vier Euro gekostet, nach alter Karte nur zwei Euro. Eine Ansicht kommt hier zum Schluss, dass zwischen den Parteien grundsätzlich ein Dissens gem. § 154 Abs. 1 S. 1 BGB gegeben sei.164 Der Gast habe ein Bier für zwei Euro kaufen wollen. Den Preis, den er für das Bier zu zahlen bereit war, habe er aber nicht genannt. Nach objektivem Empfängerhorizont sei dem Wirt nicht ersichtlich, dass der Gast seine Bestellung auf Basis einer veralteten Karte getätigt habe. Er müsse die Erklärung des Gastes als Angebot auf Abschluss eines Vertrages über ein Bier zum aktuell geltenden Preis verstehen. Die Bestellung des Gastes stelle mithin ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages zum Preis von vier Euro dar. Der Wirt habe dieses Angebot annehmen wollen. Nach objektiver Auslegung habe er hingegen die Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Vertrages über ein Bier zum Preis von zwei Euro erklärt. Ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer in der Position des Gastes hätte das Einverständnis des Wirtes als Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Vertrages zu den in der dem Gast vorliegenden Speisekarte genannten Konditionen gewertet. Die beiden Parteien hätten sich mithin hinsichtlich des Preises und also über eines der essentialia negotii nicht geeinigt.165 Die ausgetauschten Leistungen seien damit grundsätzlich nach den Regeln des Bereicherungsrechts (§§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2, 3 BGB) rückabzuwickeln.166 Viele wollen hier korrigierend eingreifen, um einen Vertragsschluss zu den in der alten Karte genannten Konditionen, also zu einem Preis von zwei Euro, zu bejahen.167 Flume etwa verlangt, dass der objektive Inhalt der Erklärung 164  Greiner, AcP 217 (2017), 492, 520 f.; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 239; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 324; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 21. Kling, Sprachrisiken im Privatrechtsverkehr, 2008, S. 353 f. Fn. 214 und Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 19 II, S. 342 sind dieser Ansicht, wenn die Bestellung kurz nach Zurückbringen der Karte erfolgt ist. 165  Auch ein Anspruch des Gastes gegen den Wirt aus culpa in contrahendo scheidet aus. Für das Handeln des Gastes haftet der Wirt nicht nach § 278 BGB. Ihm selbst obliegt es nicht, die bei ihm befindlichen Speisekarten nach alten Karten zu durchsuchen. So auch Medicus/ Petersen, AT, 11. Aufl. 2016. Rn. 325. Vgl. überdies Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 305 f. Zu den ökonomischen Argumenten, die sich für die Auslegung wie für die Diskussion der Anforderungen im Rahmen der c.i.c. fruchtbar machen lassen, sogleich im Text. 166  So auch Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 324. 167 Vgl. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 c, S. 311; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 326; Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 175; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 20 ff.; Wieser, AcP 184 (1984), 40, 44.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

„dem Erklärenden als Sinn seiner Erklärung auch zurechenbar sein“ muss.168 Nach Canaris bedürfen Fälle, in denen „der Erklärungsempfänger Umstände berücksichtigt, die dem Erklärenden unerkennbar sind“, einer Sonderbehandlung.169 Leenen meint, es liege eine „typische Risikoverteilungssituation vor, in der letztlich den Ausschlag gibt, wessen ‚Sphäre‘ diese [für beide Parteien nicht erkennbaren] Umstände eher zuzurechnen sind.“170 Auch Medicus/Petersen schreiben, zugunsten des Erklärenden müssten bei der Auslegung „zumindest solche Umstände außer Betracht bleiben, die dieser in keiner Weise erkennen konnte und die eher in die Sphäre des Erklärungsempfängers gehören.“171 Im „Speisekarten-Fall“ ließe sich, so Flume und Wieser, dieses Ergebnis auch dadurch erzielen, dass der Bedeutungsgehalt der wortlosen Zustimmung des Wirtes aus dem Inhalt des Angebots bestimmt wird.172 Dieses Ergebnis lässt sich bereits durch Anwendung der herkömmlichen Auslegungsregeln erreichen. Nach objektiver Auslegung ist die Bestellung des Gastes nämlich auf den Abschluss eines Vertrages über ein Glas Bier zum Preis von zwei Euro gerichtet. Der Bestellung liegt, für einen durchschnitt­ lichen Verkehrsteilnehmer in der Situation des Wirtes erkennbar, die auf dem Tisch liegende und vom Gast zu Rate gezogene Speisekarte zu Grunde. Von der Pflicht, diese Karte zu lesen, ist der Wirt auch nicht deswegen ausgenommen, weil er den Inhalt der Karte zu kennen glaubt. Der Wirt hat die Karte vielmehr (unwissend) in die Vertragsverhandlungen eingebracht. Er muss sich daher, wie bei anderen, von ihm eingebrachten Dokumenten auch, maximal sorgfältig verhalten. Die Situation ist damit jener beim Unterschriftsirrtum vergleichbar. Auch da muss sich der Erklärende, wenn er sich falsche Vorstellungen über den Inhalt der Urkunde gemacht hat, zunächst am objektiv erkennbaren Inhalt der Urkunde festhalten lassen, darf seine Erklärung aber gem. § 119 Abs. 1 BGB anfechten.173 Ein Unterschied besteht nur insofern, als das schriftliche Dokument beim „Speisekarten-Fall“ lediglich eine invitatio ad offerendum darstellt und nicht, wie beim Unterschriftsirrtum, das Vertragsdokument selbst. Einem rational handelnden Wirt stehen dann mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Er kann bei jeder Veränderung der Kartenpreise das Design der Karte verändern, was zugleich – und soweit für alle Gäste vorteilhaft – signalisieren würde, dass die Karte inhaltliche Veränderungen enthält. Er kann sich, deutlich günstiger als der Gast, gegen derartige Fälle ungewollter vertraglicher

168 

Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 c, S. 311. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 344 Fn. 43. 170  Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 169 f. 171  Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 326. 172  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 34 3, S. 620; Wieser, AcP 184 (1984), 40, 44. 173  Siehe S. 296 f. 169 

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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Bindung versichern. Oder er kann sich dafür entscheiden, das Risiko auf sich zu nehmen, das damit einhergeht, wenn er sich nicht maximal sorgfältig verhält. Wirtschaftlich wenig sinnvoll hingegen wäre es, wenn der Wirt seinen Stapel an Speisekarten konstant nach etwaigen zurückgebrachten Karten durchsuchte. Ein Fall wie der hier genannte wird nur höchst selten vorkommen, die in Rede stehenden Beträge sind vergleichsweise moderat. Die Kosten für den Einsatz maximaler Sorgfalt werden die Kosten, die durch den Vertragsschluss zu ungünstigen Konditionen entstehen, mit großer Wahrscheinlichkeit übersteigen. Zudem stellt das Recht dem Wirt die Möglichkeit der Anfechtung zur Verfügung. Übt er sein Anfechtungsrecht aus, haftet er dem Gast lediglich gem. § 122 Abs. 1 BGB auf den Ersatz des negativen Interesses.

2. Treu und Glauben und Verkehrssitte Nach § 157 BGB sind Verträge (bzw. die sie konstituierenden Willenserklärungen)174 so auszulegen, „wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“. Dabei soll das Merkmal „Treu und Glauben“ Vorrang gegenüber dem Merkmal „Verkehrssitte“ genießen.175 Auf letztere sei nach dem Wortlaut der Norm lediglich „Rücksicht“ zu nehmen; Treu und Glauben hingegen seien stets zu beachten.176

a) Treu und Glauben Das Begriffspaar „Treu und Glauben“ hat „keinen fest umrissenen“ Bedeutungsgehalt.177 Was Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte entspreche, lässt sich, so Singer, „nicht begrifflich oder deduktiv erfassen“.178 Vogenauer wertet den Bezug auf Treu und Glauben sogar als „Leerformel ohne inhaltlich-informative Vorgaben“.179 In Rechtsprechung und Literatur werden unter der Überschrift „Treu und Glauben“ im Rahmen des § 157 BGB Themen behandelt, die sich deutlich von jenen unterscheiden, welche die Diskussion zu „Treu und Glauben“ bei § 242

174 

Siehe dazu S. 101 ff. Vgl. nur Prot. I, S. 1253 (= Mugdan II, S. 522), außerdem MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 17; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 d, S. 313 f.; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 52; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 55. 176 NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 52. Vgl. zu § 242 BGB nur MüKo‑ BGB/Schubert, 8. Aufl. 2019, § 242 Rn. 8, 12; Staudinger/Looschelders/Olzen, 2015, § 242 Rn. 167. 177 NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 53. 178 Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 64. 179 HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 73. 175 

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

BGB dominieren.180 Es geht um grundlegende Fragen wie jene nach den Zielen der Auslegung und der Behandlung von Zweifelsfällen.

aa) Auslegungsziele Erörtert wird beispielsweise, ob das Gebot in § 157 BGB, nach dem Verträge so auszulegen sind, „wie Treu und Glauben es erfordern“, Auswirkungen hat auf die Ziele, denen die objektive Auslegung dient.

(1) Gebot der interessengerechten Auslegung Wegen der Bezugnahme auf Treu und Glauben ist nach allgemeiner Ansicht (ein) Ziel der Auslegung, dass die Interessen „jedes Teils grundsätzlich, soweit als möglich, zur Geltung kommen“.181 So dürfe beispielsweise ein Richter den Erklärungen nicht sein eigenes Verständnis zugrunde legen – maßgeblich seien die Interessen- und Risikobewertungen der Parteien.182 Besonders prägnant formuliert dies Flume: „Wer ein Rechtsgeschäft auszulegen hat, ist niemals Herr über das Rechtsgeschäft, dass er an die Stelle der privatautonom gesetzten Regelung eine andere setzen könnte, deren Inhalt er danach bestimmt, was die rechtsgeschäftlich Handelnden hätten bestimmen sollen.“183 Soweit die Parteien unterschiedliche Interessen haben, muss, so der BGH in ständiger Rechtsprechung, eine „nach beiden Seiten hin interessengerechte Auslegung“ erfolgen.184 Dies betreffe insbesondere auch zukünftige Risiken wirtschaftlicher Art.185 Die Literatur hat sich dem weitgehend angeschlossen.186

(2) Überindividuelle Ziele Bereits bei der Entstehung der „deutsche[n] Paarformel“ im 14. Jahrhundert wurde Treu und Glauben ein „ethischer […] Unterton“ beigemessen.187 Diese Tradition lebt bis heute fort. Busche etwa vertritt, dass das Begriffspaar „Treu 180  Vgl. hierzu MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 4; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 26. 181 Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 60. 182 NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 55. Vgl. auch MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 64; seines Erachtens ist auch eine Auslegung, die dem Wortlaut einer Erklärung widerspricht, regelmäßig unzulässig. 183  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 a, S. 308. 184  BGHZ 131, 136, 138; BGHZ 137, 69, 72; BGHZ 149, 337, 353; BGHZ 152, 153, 156. Vgl. auch BGHZ 109, 19, 22; BGHZ 115, 1, 5; BGHZ 150, 32, 39. 185  Vgl. nur BGHZ 149, 337, 353. 186 Erman/Armbrüster, 15. Aufl. 2017, § 157 Rn. 6; HK-BGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 157 Rn. 3; Kiethe, NZG 2004, 993, 994; Staudinger/Singer, 2017, § 133, Rn. 52 ff.; BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 133 Rn. 25; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 11. Kritisch MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 64. 187 HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 70.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

89

und Glauben“ eine „sittliche Anforderung“ beinhalte:188 „Treu könnte man auch der Verpflichtung zu einem sozialethisch negativ zu bewertenden Verhalten sein. ‚Treu und Glauben‘ dagegen sind erst dann gewahrt, wenn die Auslegung darauf zielt, einen sozialethisch positiv bewertbaren Regelungsinhalt zu erschließen.“189 Nach diesem Ansatz wird das Gebot interessengerechter Auslegung durch das Ziel flankiert, „die Redlichkeit im Geschäftsverkehr“ zu wahren190 bzw. den „Anforderungen eines redlichen Geschäftsverkehrs“191 Rechnung zu tragen, auch wenn dem Willen der Parteien wegen der Verbindung von § 157 BGB zu § 133 BGB bei der Auslegung eine größere Rolle zukomme, als dies im Rahmen des § 242 BGB der Fall sei.192 Es gehe hierbei um die „Wertung eines sozialen Verhaltens“.193 Derartige überindividuelle Ziele ließen sich auch wirtschaftlich fassen. Ein Ziel der Auslegung bestünde dann darin, das volkswirtschaftlich sinnvollste Auslegungsergebnis zu realisieren. Für die Auslegung sind überindividuelle Ziele aber nicht maßgeblich – auch nicht subsidiär. Um Schmidt-Rimpler zu bemühen: Frei ausgehandelte Verträge gelten, weil ihnen eine „Richtigkeitsgewähr“ innewohnt;194 ein zwischen den Parteien ausgehandelter Vertrag entspricht den Präferenzen der Parteien.195 Das Ziel der Auslegung muss denn auch darin bestehen, den Präferenzen der Parteien, also ihren jeweiligen Interessen, zur Geltung zu verhelfen. In dieser Logik ist für überindividuelle Ziele, auch ergänzend, kein Platz. Um mit Flume zu sprechen: „Die rechtsgeschäftliche Regelung wird von der Rechtsordnung so anerkannt, wie sie gesetzt ist, es sei denn, daß sie wegen Verstoßes gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot nicht gilt.“196 Für nicht ausgehandelte bzw. für Verbraucherverträge treten neben §§ 134, 138 BGB heutzutage noch §§ 305 ff. BGB sowie die Normen des Verbraucherschutzes. Auch sonstige Normen des zwingenden Rechts, die ganz überwiegend (auch) die Erreichung überindividueller Ziele bezwecken, sind selbstverständ188 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 10. Nahezu wortgleich Lange, Treu und Glauben und Effizienz, 2013, S. 65 f. 189 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 10. Auch er ist aber der Ansicht, dass die Privatautonomie es verbiete, ein eindeutiges Auslegungsergebnis unter Berufung auf Treu und Glauben in ein gemeinwohlverträglicheres Ergebnis umzuwandeln (Rn. 11). 190 NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 53. 191 Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 64 [Kursivierung im Original]. 192 NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 53. 193 Soergel/Siebert, 9. Aufl. 1959, § 157 Rn. 7. Kritisch hierzu Hübner, FS Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 373 ff. 194  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157. Kritisch dazu und den Begriff der „Richtigkeitschance“ bevorzugend Canaris, Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, 1997, S. 48 ff. Vgl. auch bereits ders., FS Lerche, 1993, S. 873, 883 ff. 195  Siehe dazu ausführlicher S. 48 ff. 196  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 a, S. 308. Diese Aussage bezieht sich bei ihm aber nur auf eine Auslegung, die dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien widerspricht.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

lich zu beachten. Das bedeutet aber nicht, dass bereits die Auslegung des Vertrages, also die Ermittlung dessen, was die Vertragsparteien (objektiv) vereinbart haben, anhand überindividueller Erwägungen zu ermitteln ist, zumal die Heranziehung etwa von §§ 134, 138 BGB kaum dazu führen kann, den Vertragsinhalt konkret zu bestimmen, weil sie kein konstruktives Ergebnis vorgeben.

bb) Zweifelsregeln Hinsichtlich der Auslegungsziele enthält die Formel von „Treu und Glauben“ also – richtig verstanden – keine über die allgemeine Grundregel zur objektiven Auslegung von Willenserklärungen hinausgehende Handlungsanweisung für den Interpreten. Unter der Überschrift „Treu und Glauben“ wird aber zudem diskutiert, welchen Regelungen der Interpret zu folgen hat, wenn er sich zwischen mehreren möglichen Auslegungsergebnissen entscheiden muss. Nach nationalsozialistischer Rechtslehre gingen überindividuelle Auslegungsziele parteiinternen vor.197 Nur solche Verträge entsprachen Treu und Glauben, die dem „Gemeinschaftsgedanke[n]“ und der „Treupflicht der Vertragsgenossen“ Rechnung trugen.198 Vergleichbar wurde in der DDR vertreten, dass Verträge den „Grundsätze[n] der sozialistischen Moral“ entsprechen müssten.199 Heutzutage besteht Einigkeit, dass das Gebot der interessengerechten Auslegung Vorrang vor etwaig zu berücksichtigenden überindividuellen Zielen genießt. 200 In Zweifelsfällen, insbesondere bei widerstreitenden Parteiinteressen, sollen überindividuelle Interessen aber nach Ansicht einiger den Ausschlag geben. Nach Looschelders etwa ist, wenn sich unter Bezugnahme auf die Interessen der Parteien, wie sie in der Vereinbarung zum Ausdruck gekommen sind, kein eindeutiges Auslegungsergebnis erzielen lasse, „auf die Wertungen abzustellen, die in der gesamten Rechtsordnung verankert sind.“201 Wolf vertritt, dass in einem solchen Fall „unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der Erforderlichkeit und des schonendsten Mittels“, dem „wertvolleren Interesse“ der Vorrang zu geben sei. 202 Wendtland wiederum möchte in der Regel die Auslegungsvariante wählen, die dem schutzwürdigeren der wider197  Sehr drastisch in diesem Sinne etwa Larenz, Vertrag und Unrecht, Bd. 1, 1936, S. 109. Vgl. hierzu auch D. Simon, Myops 12 (2011), 65 ff. Zum Einfluss der Generalklauseln in der Gerichtspraxis des Nationalsozialismus grundsätzlich Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 8. Aufl. 2017, S. 216 ff. 198  Vgl. hierzu HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 72. 199  Vgl. HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 72. 200  Vgl. hierzu nur NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 73. Siehe auch bereits Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 350 ff. Kritisch zum Begriff der „interessengerechten Beurteilung“ MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 63. 201 NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 56. 202 Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 62.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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streitenden Interessen Geltung verschafft. 203 Singer formuliert den Erfahrungssatz, dass „sich die Parteien im Zweifel redlich und folgerichtig verhalten“. 204 Hierauf beruhe auch das Gebot gesetzeskonformer Auslegung. 205 ­Busche nennt als Beispiel, dass eine Klausel, die eine Partei eingebracht und – unter Ausnutzung ihrer wirtschaftlichen Übermacht – durchgesetzt habe, im Zweifel zum Nachteil dieser Partei auszulegen sei. 206 Wenn überindividuelle Ziele für die Auslegung keine Relevanz haben, können diese Ziele allerdings auch nicht herangezogen werden, um in Zweifelsfällen Klarheit zu schaffen. Auch die Zweifelsregeln, die tiebreakers, 207 müssen also parteiimmanent sein. Hierzu gehört die vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretene Trias der Auslegungsmaximen. Der Interpret muss hiernach „bei mehreren an sich möglichen Auslegungen derjenigen den Vorzug […] geben, bei welcher der Vertragsnorm eine tatsächliche Bedeutung zukommt, wenn sich diese Regelung ansonsten als (teilweise) sinnlos erweisen würde.“208 Im Zweifel ist überdies diejenige Auslegung zu wählen, welche die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts aufrecht erhält;209 für letztwillige Verfügungen ist dies explizit normiert (§ 2084 BGB). Schließlich hat der Interpret sich für jenes Auslegungsergebnis zu entscheiden, das wirtschaftlich am sinnvollsten ist. 210 Lüderitz führt insofern aus: „Für die Auslegung ist vor allem bedeutsam die wirtschaftliche Vernunft; denn mit Rechtsgeschäften

203 BeckOK/Wendtland,

Stand 01.05.2019, § 157 Rn. 15. 2017, § 133 Rn. 56. 205 Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 61. 206 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 8. Vgl. auch Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 296 f. (unter Verweis auf RGZ 117, 102 und RG JW 1938, 1594 Nr. 20) sowie Kötz, FS Zeuner, 1994, S. 230; Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 28 Rn. 56. Kritisch Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 54: Pauschale Auslegungsregeln, die eine Partei bevorzugen, seien „stark ideologiegefährdet und mit den Gleichheitsprämissen des Privatrechts unvereinbar“. Vgl. auch R. Posner, 83 Tex. L. Rev. 1581, 1607 f. (2004); Riesenhuber, JZ 2005, 829, 831 ff. 207  Diesen Begriff verwendet auch R. Posner, 83 Tex. L. Rev. 1581, 1590, 1608 (2004). 208  BGH NJW 1998, 2966. Vgl. auch BGH NJW 1993, 1976, 1978; BGH NJW 2002, 440; BGH NJW 2005, 2618, 2619; BGH NJW 2010, 2343 Rn. 16. Vgl. auch Erman/Armbrüster, 15. Aufl. 2017, § 157 Rn. 7; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 64, § 157 Rn. 6; HKBGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 157 Rn. 3. Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 340 ff. spricht von „vernünftigem Willen“. 209  BGHZ 152, 153, 158 f.; BGH WM 2006, 871, 872; BGH GRUR 2011, 946, 948. Vgl. auch Erman/Armbrüster, 15. Aufl. 2017, § 157 Rn. 7; Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 214; J. Hager, Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung und Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften, 1983, S. 31 ff., 115 ff., 154 ff.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 13. MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 15 weist darauf hin, dass eine Auslegung entsprechend Treu und Glauben unter Umständen eine Lücke nicht nur schließen, sondern auch zur Schaffung einer Lücke führen kann. 210  Vgl. nur BayObLG NJW 1960, 1765 sowie Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 105. 204 Staudinger/Singer,

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

werden vornehmlich wirtschaftliche Bedürfnisse befriedigt.“211 Er kommt zu dem Ergebnis: „Interessegemäß auslegen heißt somit: im Rahmen des empirisch Gewollten ein Ergebnis erzielen, das dem Handelnden bei möglichst geringen Opfern möglichst großen Gütergewinn verschafft.“212 Im Code Civil und den auf ihm basierenden Zivilgesetzbüchern sind vergleichbare Regelungen positiv normiert. 213 Der deutsche Gesetzgeber hat sich, wie oben bereits beschrieben, 214 gegen derartige „Denkregeln ohne positiv-rechtlichen Gehalt“ entschieden. 215 Die erst im Gesetzgebungsverfahren in die Auslegungsregeln eingefügte Formel von „Treu und Glauben“ ist daher der einzige geschriebene und damit naheliegende Ankerpunkt für derartige Überlegungen. Die eben genannten Zweifelsregeln des BGH stellen aber weniger „Belehrungen über praktische Logik“ dar216 als vielmehr angewandte praktische Logik. Die Regeln ergeben sich aus dem Auslegungsziel, den Präferenzen der Parteien bei Vertragsschluss möglichst umfänglich zur Geltung zu verhelfen. Grundsätzlich haben Parteien ein Interesse an kohärenten und inhaltlich sinnvollen Verträgen. In der Regel wollen Parteien einen einmal geschlossenen Vertrag aufrechterhalten, um eine Frustration der bei dem Vertragsschluss angefallenen Transaktionskosten sowie etwaige Rückabwicklungskosten zu verhindern. Und in der Regel bezwecken Parteien wirtschaftlich sinnvolle Ergebnisse. Der Gehalt des Begriffspaars „Treu und Glauben“ besteht damit in der Vorgabe an den Interpreten, dasjenige Auslegungsergebnis zu wählen, welches den Interessen der Parteien bei Vertragsschluss am nächsten kommt. Dazu gehört etwa auch das Gebot, den Wortlaut der Erklärungen und also den Text einer Vertragsurkunde nicht gegen die gemeinsamen Interessen der Parteien durchzusetzen.

b) Verkehrssitte § 157 BGB bestimmt nicht nur, dass Verträge so auszulegen sind, wie Treu und Glauben es erfordern, sondern statuiert zudem, dass bei der Auslegung „Rücksicht auf die Verkehrssitte“ zu nehmen ist.

211 

Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 350. Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 355. 213  Vgl. hierzu Kötz, FS Zeuner, 1994, S. 219, 228 ff. 214  Siehe S. 57 ff. 215  Mot I, S. 155 f. (= Mugdan I, S. 435). 216  So Mot I, S. 154 ff. (= Mugdan I, S. 437 f.) zu Auslegungsregeln allgemein. 212 

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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aa) Abgrenzung Nach herrschender Ansicht stellt eine Verkehrssitte kein Gewohnheitsrecht dar. 217 Während Gewohnheitsrecht unmittelbar gilt, 218 erhält die Verkehrssitte ihre rechtliche Wirkung mittelbar, aufgrund gesetzlicher Anordnung. 219 Zudem fehlt der Verkehrssitte die zur Bildung von Gewohnheitsrecht erforderliche Überzeugung des Verkehrs, „dass sie geltendes Recht sei“. 220 Zugleich hat die Verkehrssitte aber „Regelcharakter“. 221 Sie ist mehr als eine bloße Gewohnheit, die Danz als regelmäßige Handlungswiederholung des Einzelnen bezeichnet; die Verkehrssitte hingegen erfordere „eine Mehrzahl von Personen, einen Kreis bestimmter Personen (alle Volksgenossen, die Kaufleute, Studenten &c.) oder ein bestimmtes Territorium (ein bestimmtes Land, einen bestimmten Bezirk &c.)“, in welchem sich die Gewohnheit etabliert habe. 222 Nach Sonnenberger sind Verkehrssitten „allgemeine Verkehrsregeln“, also „Kollektivübungen“ im Gegensatz zu individuellen Übungen der Parteien. 223 Während sich die Verkehrssitte vom Gewohnheitsrecht vor allem in der (formal-)rechtlichen Qualität unterscheidet, erfolgt die Abgrenzung von Sitte und Gewohnheit/Übung anhand der tatsächlichen gesellschaftlichen Akzeptanz. Hierin spiegeln sich die zwei Komponenten der Verkehrssitte wider. Sie ist einerseits Rechtsbegriff, andererseits tatsächliches Phänomen. Um noch einmal Sonnenberger zu bemühen: „Der Gesetzgeber verwendet den Begriff ‚Verkehrs217 Erman/Armbrüster, 15. Aufl. 2017, § 157 Rn. 8; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 1 I, S. 10; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 60; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 70; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 1 Rn. 48; BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 157 Rn. 18. Anderer Ansicht Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1899, S. 63; Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, S. 82 f. RGRK-HGB/v. Godin, 2. Aufl. 1963, § 346 Bem. 2 S. 21 schreibt: „Soweit es sich um Normen handelt, die nicht sittliche Postulate aussprechen, ist die Verkehrssitte abdingbar. Soweit die Verkehrssitte Normen aufstellt, ist sie vom Gewohnheitsrecht nicht unterschieden“. 218  Vgl. nur Erman/Armbrüster, 15. Aufl. 2017, § 157 Rn. 8; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 1 Rn. 9; BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 157 Rn. 18. 219 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 16; Rummel, Vertragsauslegung nach der Verkehrssitte, 1972, S. 29 ff.; BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 157 Rn. 18. Vgl. auch Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 128 f. 220  Vgl. nur Palandt/Grüneberg, 78. Aufl. 2019, Einl. Rn. 23; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 1 Rn. 13; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 70; Wolf/Neuner, 11. Aufl. 2016, § 4 Rn. 18. Bei entsprechender Anerkennung und hinreichender Dauer kann eine Verkehrssitte aber zu Gewohnheitsrecht erstarken, vgl. nur Erman/Armbrüster, 15. Aufl. 2017, § 157 Rn. 8; NK-BGB/ Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 60, die das kaufmännische Bestätigungsschreiben als Beispiel verwenden. Siehe zu letzterem S. 135 ff., 178 ff. Zudem können aus Verkehrssitten auch Rechtsvorschriften entstehen, vgl. Danz, JherJb. 54 (1909), 1, 23 ff. 221 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 16. Vgl. auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 d, S. 312 f. 222  Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 124. 223  Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, 1969, S. 69 f.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

sitte‘ als offenen Rechtsbegriff, um bestimmte soziale Tatbestände juristisch für erheblich zu erklären.“224

bb) Voraussetzungen und Wirkung Nach dem BGH ist Voraussetzung für eine Verkehrssitte, dass sie „bei den beteiligten Verkehrskreisen Zustimmung gefunden und während eines längeren Zeitraums bestanden“ hat. 225 Er verlangt die Zustimmung aller an dem betreffenden Geschäftszweig beteiligten Kreise. 226 Das Reichsgericht definiert die Verkehrssitte denn auch als „die den Verkehr beherrschende thatsäch­liche Übung“227 und führt aus, dass es „[f]ür den Begriff der Verkehrssitte […] ohne Bedeutung [ist], ob diese Übung eine genügende rechtliche Grundlage hat und geeignet ist, denjenigen, der ihr im Rechtsleben folgt, vor Schaden zu be­ wahren.“228 Erforderlich ist also, dass das betreffende Verhalten im Verkehr praktiziert wird. Zudem darf zwar (noch) keine gesetzliche Fixierung bestehen, wohl aber eine gewisse rechtliche Akzeptanz und Potential für eine solche Fixierung (normative Anerkennung). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist tatrichterlich festzustellen. 229 Idealerweise würde die Feststellung mittels empirischer Sozialforschung erfolgen. 230 Praktisch holen Gerichte jedoch üblicherweise Sachverständigengutachten der Industrie- und Handelskammern ein 231 oder entscheiden aufgrund eigener Erfahrung. 232 Die Verkehrssitte wird nicht herangezogen, um den Willen der Parteien zu erforschen. Sie ist den Beteiligten unabhängig von deren Kenntnis entgegenzuhalten, 233 solange die Verkehrssitte dem Empfänger nur erkennbar war. 234 224 

Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, 1969, S. 61. BGH NJW 1990, 1723, 1724. Vgl. auch BGH NJW 1952, 257; OLG Koblenz NJW‑RR 1988, 1306; RGZ 110, 47, 48. 226  BGH NJW 1957, 1105, 1105. Vgl. auch RG JW 1909, 720. 227  RGZ 49, 157, 162; RGZ 55, 375, 377; RGZ 104, 358, 362. Vgl. auch MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 16; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 133 Rn. 21; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 d, S. 312 f.; NK‑BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 59; Staudinger/ Singer, 2017, § 133 Rn. 66; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 15; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 63. Kritisch Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, S. 85. 228  RGZ 55, 375, 377. 229  BGH LM Nr. 1 zu § 157 BGB (B). 230 Vgl. Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, 1969, S. 1 f. 231  Vgl. BGH NJW 1966, 502, 503 f.; BGH LM Nr. 8 zu § 346 (B); Limbach, FS Hirsch, 1968, S. 77, 78 ff.; K. Wagner, NJW 1969, 1282, 1283 f.; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 70. 232 Vgl. Gast, Juristische Rhetorik, 5. Aufl. 2015, Rn. 340; Rehbinder, Rechtssoziologie, 8. Aufl. 2014, Rn. 12. Kritisch Oestmann, JZ 2003, 285. 233  BGH LM Nr. 1 zu § 157 BGB (B). 234  Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 302; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 68. Anderer Ansicht Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16, 3 d, S. 313. Spezifisch zum 225 

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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Nach Wolf „erläutert [die Verkehrssitte] wie eine gesetzliche Auslegungsregel die einzelnen Erklärungen und Ausdrücke im Sinne des Typischen“. 235 Grund für die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Verkehrssitte ist der Erfahrungssatz, „dass sich die Teilnehmer am Rechtsverkehr gewöhnlich an die in ihrem Verkehrskreis bestehenden Sitten und Gebräuche halten“. 236 Nicht selten herrscht eine „tatsächliche Übung“ lediglich in Teilen des Verkehrs. Handelsbräuche als die „Verkehrssitten des Handels“ gelten nur unter Kaufleuten (§ 346 HGB). 237 Manche Sitten bestehen in einem bestimmten Berufs- oder Gewerbezweig, sind also branchenüblich.238 Bei regionalen Messen, Märkten oder Börsen kann es herrschende örtliche Gewohnheiten geben.239 Eine derartige örtliche Verkehrssitte geht einer allgemeinen grundsätzlich vor. 240 Nur die „Angehörigen der regelbildenden Gemeinschaft“, nicht aber Dritte, haben die Verkehrssitte zu berücksichtigen.241 Sowohl dieses Gebot zur Berücksichtigung der Verkehrssitte als auch seine Beschränkung auf die dem jeweiligen Verkehrskreis angehörigen Verkehrsteilnehmer sind nach dem hier vertretenen Ansatz selbstverständlich. 242 Die explizite Erwähnung in § 157 BGB hat demnach, anders als für diejenigen, die bei der Auslegung auf den Horizont des konkreten Empfängers abstellen, nur klarstellenden Charakter: Das durchschnittHandelsbrauch BGH NJW 1966, 502, 503, zur historischen Einordnung Danz, JherJb. 54 (1909), 1, 16. 235 Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 68. Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 74 bezeichnet die Verkehrssitte als „eine Erkenntnisquelle für das, was als erklärt zu gelten habe, ein Hilfsmittel zur Abwertung der Erklärung, zur Feststellung ihres Feingehalts“. 236 Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 66. Vgl. auch Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 15. 237  Vgl. nur Hellwege, AcP 214 (2014), 853 ff.; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 59; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 1 Rn. 48 ff.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 15. 238 Vgl. nur Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 65; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 65; BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 157 Rn. 17; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 15. 239  Vgl. nur Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 68; BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 157 Rn. 17; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 66 f. Probleme können auch dadurch entstehen, dass gewisse Begriffe in unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Bedeutung haben. So bedeutet etwa „1. Stock“ in Süddeutschland „Parterre“, in Norddeutschland hingegen „1. Obergeschoss“, vgl. BGH LM Nr. 1 zu § 157 BGB (B); G. Hartmann, JherJb. 20 (1882), 1, 36; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 9 Rn. 12; Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 301 f.; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 68. 240 Vgl. nur MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 24; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 62; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 68; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 66. 241 Vgl. Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 5. Er bezeichnet die Verkehrssitte als „Unterart der Sitte“. 242  Siehe S. 75 ff.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

liche Mitglied des Verkehrskreises des Empfängers kennt die Gebräuche, die in dem betreffenden Verkehrskreis „Zustimmung gefunden und während eines längeren Zeitraums bestanden“ haben. Erklärungen interpretiert es natürlich in diesem Wissen. Ein durchschnittlicher Empfänger, der diesem Kreis nicht angehört, tut dies nicht. Entstammen Erklärender und Empfänger unterschiedlichen Branchen und damit verschiedenen Verkehrskreisen, kommt es, so die herrschende Ansicht, grundsätzlich auf die Verständnismöglichkeiten des Empfängers an. 243 Nach dem hier vertretenen Ansatz ist, wie bei der Auslegung insgesamt, maßgeblich, welcher Branche oder Berufszweig das betreffende Geschäft zuzuordnen ist. Es kommt mithin darauf an, wie ein durchschnittliches Mitglied des Verkehrskreises, in den das Geschäft fällt, die Erklärung verstehen würde. Bei der Wahl zwischen unterschiedlichen örtlichen Verkehrssitten geht die herrschende Auffassung davon aus, dass die Willenserklärung im Sinne der Verkehrssitte des Ortes auszulegen ist, an dem die Willenserklärung abgegeben wurde. 244 Diese Ansicht findet sich bereits bei Regelsberger: „[E]in Ausdruck, welcher eine örtlich verschiedene Bedeutung hat, [ist] im Zweifel nach dem Sprachgebrauch des Ortes zu verstehen, von welchem aus das Angebot gemacht wurde, weil angenommen werden darf, daß der Anbietende sich dieses Sprachgebrauchs bedient habe. […] [D]as mußte sich auch der Anerbotene bei der Annahme zum Bewußtsein bringen.“245

Befindet sich der Erklärende, der aus einem anderen Verkehrskreis stammt, am Ort des Empfängers, gelte zwar grundsätzlich die Verkehrssitte dieses Ortes; sei dem Empfänger aber erkennbar, dass der Erklärende von einem anderen Ort komme, müsse er diesen Umstand berücksichtigen und mit zumutbaren Anstrengungen herauszufinden versuchen, was der Erklärende habe sagen wollen. 246 Diese Aussage ist nach der hier vertretenen Ansicht wiederum insofern zu modifizieren, als nicht darauf abzustellen ist, ob dem konkreten Empfänger erkennbar war, dass der Erklärende von einem Ort kommt, an dem eine andere Verkehrssitte herrscht. Maßgeblich ist vielmehr, ob diese Tatsache einem durch243 NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 62; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 68 (der allerdings der Ansicht ist, im Handelsverkehr müsse sich der Empfänger über die Sitten und Gebräuche des Erklärenden informieren); Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 15. Anderer Ansicht etwa MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 24; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 d, S. 313; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 65. 244  BGHZ 6, 127, 134; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 157 Rn. 24; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 68. Anderer Ansicht Sieg, BB 1953, 985, 986: Ort des Erklärungsempfängers. Differenzierend Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 301; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 15. 245  Regelsberger, Civilrechtliche Erörterungen, Erstes Heft, 1868, S. 22. 246  Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 301; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 15. Vgl. auch Kling, Sprachrisiken im Privatrechtsverkehr, 2008, S. 335; Linke, ZVglRWiss 79 (1980), 1, 46, 56.

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

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schnittlichen Mitglied des betreffenden Verkehrskreises am Ort des Vertragsschlusses erkennbar war. Zudem erscheint es nicht als gerechtfertigt, bei Distanzgeschäften auf den Ort der Erklärungsabgabe abzustellen und also im Zweifel den dem Erklärenden bekannten Verkehrssitten Vorrang einzuräumen. 247 Bei Verträgen würde dies bedeuten, dass das Angebot einer anderen Verkehrssitte unterfiele als die Annahme – das Risiko für einen Dissens wird dadurch erhöht. Hinzu kommt, dass dem Empfänger, vor allem beim Einsatz moderner Kommunikationsmittel, oftmals nicht erkennbar ist, wo die Erklärung abgegeben wurde. Stattdessen sind hier die Wertungen des internationalen Privatrechts heranzuziehen. 248 Danach kommt es bei Verträgen auf den Sitz derjenigen Partei an, die die vertragscharakteristische Leistung erbringt. 249 Dies erscheint sinnvoll, weil dieser Ort für beide Parteien am leichtesten erkennbar ist. Bestellt also etwa eine Person aus Düsseldorf bei einem Bäcker in Berlin telefonisch 100 Pfannkuchen, haben die Parteien einen Kaufvertrag über Pfannkuchen im Berliner Sinn geschlossen, also über ein in schwimmendem Fett gebackenes, meist mit Marmelade gefülltes, kugelförmiges Gebäckstück aus Hefeteig, welches im Rheinland als „Berliner“ bezeichnet wird, und nicht über eine in der Pfanne gebackene, flache Mehlspeise aus Eiern, Mehl und Milch, die Berliner „Eierkuchen“ nennen. 250 Den Parteien wird mithin auferlegt, sich über die Verkehrssitten zu informieren, die an dem Ort herrschen, an welchem die Partei ansässig ist, die die charakteristische Leistung des Vertrags erbringt.

cc) Ökonomische Bewertung Auch die Anweisung des Gesetzgebers zur Berücksichtigung der „Verkehrssitte“ ist damit – wie die Bezugnahme auf Treu und Glauben – letztlich ein Hinweis darauf, welches von mehreren möglichen Auslegungsergebnissen der Interpret zu wählen hat. Sie ist vor allem bei der Auslegung mehrdeutiger Begriffe sowie zur Schließung von Lücken im Vertrag relevant. 251 Im Zweifel ist den Erklärungen jene Bedeutung beizumessen, die innerhalb der Verkehrskreise anerkannt ist. 252 Es gilt die Vermutung, dass die Parteien des konkreten Ver247  So auch Kling, Sprachrisiken im Privatrechtsverkehr, 2008, S. 333; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 15. 248  Dies befürwortet auch Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 301. 249  Vgl. nur Art. 4 Abs. 1, 2 Rom I-VO. Für Verträge, an denen ein Verbraucher beteiligt ist, wäre – wiederum entsprechend der Wertungen des internationalen Privatrechts (vgl. Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO) – hingegen auf den Sitz des Verbrauchers abzustellen. 250  Zu den Bedeutungen des Begriffes vgl. nur http://www.duden.de/rechtschreibung/ Pfannkuchen (zuletzt abgerufen am 30. Juli 2019). 251 Erman/Armbrüster, 15. Aufl. 2017, § 157 Rn. 9; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 68 f. 252  Vgl. hierzu auch NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 65; BeckOK/Wendt-

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

trags ihren Erklärungen im fraglichen Fall ebenfalls diese Bedeutung beimessen ­wollten. Aufgrund ihrer Verbreitung und Anerkennung in einem bestimmten Verkehrskreis führt die Verkehrssitte zu einer „Typisierung von Auslegungsregeln und Verhaltenserwartungen“. 253 Insofern stärkt die rechtliche Anerkennung der Verkehrssitte das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer und mithin ihre Bereitschaft, am Rechtsverkehr teilzunehmen. Diese Funktion von Vertrauen als „Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität“ erkennt auch Luhmann: „Vertrautheit […] ermöglicht relativ sicheres Erwarten und damit auch ein Absorbieren verbleibender Risiken, ist aber selbst weder günstige noch ungünstige Erwartung, sondern Bedingung der Möglichkeit für beides. Vertrautheit ist Voraussetzung für Vertrauen wie für Mißtrauen, das heißt für jede Art des Sich­engagierens in eine bestimmte Einstellung zur Zukunft. Nicht nur günstige Aussichten, sondern auch Gefahren bedürfen einer gewissen Vertrautheit, einer sozial konstituierten Typizität, um ein vertrauensvolles oder mißtrauisches Hinein­leben in die Zukunft zu ermöglichen.“254 Ferner: „Im Akt des Vertrauens wird die Komplexität der zukünftigen Welt reduziert. Der vertrauensvoll Handelnde engagiert sich so, als ob es in der Zukunft nur bestimmte Möglichkeiten gebe. Er legt sich auf eine Zukunft fest. Er macht damit anderen Menschen das Angebot einer bestimmten Zukunft, einer gemeinsamen Zukunft, die sich nicht ohne weiteres aus der gemeinsamen Vergangenheit ergibt, sondern ihr gegenüber etwas Neues enthält.“255

Auch ökonomisch ist eine solche, an den Erwartungen und Bedürfnissen der Mehrheit orientierte, Regel (majoritarian default rule) sinnvoll. Zwar müssen sich Erklärender und Empfänger über die herrschenden Sitten informieren. Die rechtliche Anerkennung der den Verkehr beherrschenden Übung senkt für den Empfänger aber gleichwohl die Kosten der Vertragsgestaltung. Er kann sich im Zweifel darauf verlassen, dass die Aussage des Erklärenden die Bedeutung hat, die ihr bei vergleichbaren Rechtsgeschäften zukommt. Er darf also davon ausgehen, dass sich der Erklärende an die „üblichen“ Sitten und Gebräuche hält und muss nicht nach einem etwaigen „untypischen“ Willen des Erklärenden forschen. 256

land, Stand 01.05.2019, § 157 Rn. 19; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 68. Vgl. auch BGH NJW 1966, 502, 503. 253  So für Handelsbräuche K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 1 Rn. 48. 254  Luhmann, Vertrauen, 1968, S. 17. 255  Luhmann, Vertrauen, 1968, S. 18. 256  Kritisch zu all dem Bernstein, 110 Nw. U. L. Rev. 63, 100 ff. (2015).

B. Auslegungsziele und Auslegungsmethoden

99

Für den Erklärenden führt die Regel ebenfalls zu einer Kostenersparnis. Ihm ermöglicht die rechtliche Anerkennung der Verkehrssitte, seine Erklärung knapp zu halten, also beispielsweise im Handelsrecht standardisierte Vertragsklauseln „circa“, „fix“ oder „Kasse gegen Dokumente“ zu verwenden, 257 ohne ihre Bedeutung in jedem Fall erklären zu müssen. Zudem fördert die rechtliche Anerkennung der Verkehrssitte die Entstehung von Verkehrssitten und damit ein standardisiertes Verhalten der Verkehrsteilnehmer, was wiederum zu einer Senkung der Vertragsgestaltungskosten für die Beteiligten führt. Auf die Verkehrssitte darf allerdings nur zurückgegriffen werden, wenn der betreffende Punkt nicht explizit zwischen den Parteien vereinbart ist. 258 Auch darf der Sitte kein zwingendes Recht entgegenstehen.259 Zudem geht, wie stets, ein übereinstimmendes Parteiverständnis der Auslegung nach der Verkehrssitte vor. 260 Die Berücksichtigung ist wiederum nur der Grundsatz; eine abweichende Willensübereinstimmung der Beteiligten genießt Vorrang. Schließlich darf die Verkehrssitte nicht unsittlich sein, also keine „Unsitte“261 oder „Missbräuche“ darstellen. 262 Zu beachten ist dabei aber, wie Oertmann schreibt: „Die Sitte im Sinne von Übung verhält sich zur Sitte als Regel teils wie der Grund, teils wie die Folge. Wie der Grund: die mehr oder weniger andauernde Übung eines bestimmten Verhaltens erzeugt naturgemäß schließlich ein allgemeines Urteil dahin, daß das Verhalten auch geübt werden müsse; es ist insoweit ganz entsprechend, wie bei der gewohnheitsmäßigen Bildung von Rechtssätzen […]. Hat dieser sich aber einmal durch dauernde Anwendung durchgesetzt, so heischt er Geltung auch denen gegenüber, die bei seiner an257 

Für diese und weitere Beispiele vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 1 Rn. 53. Zur Bedeutung der Klauseln vgl. auch GK-HGB/Achilles/Schmidt, 8. Aufl. 2015, § 346 Rn. 38 ff.; Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, § 346 Rn. 39 f.; Schlegelberger/Hefermehl, 5. Aufl. 1976, § 346 HGB Rn. 50 ff.; Heymann/Horn, 2. Aufl. 2004, § 346 HGB Rn. 73 ff.; Staub/Koller, 4. Aufl. 2004, § 346 HGB Rn. 128 ff. 258  BGH NJW-RR 1996, 995; Erman/Armbrüster, 15. Aufl. 2017, § 157 Rn. 13; Soergel/ Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 73. 259  Vgl. nur RGZ 103, 146, 148; BGH NJW 1987, 1641, 1642; Erman/Armbrüster, 15. Aufl. 2017, § 157 Rn. 11; BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 157 Rn. 18; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 75. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass die Verkehrssitte auch dispositives Recht, das wesentliche Schutz- und Ordnungsgedanken enthält, nicht außer Kraft setzen könne, vgl. RGZ 135, 339, 345; Gallois, NJW 1954, 293, 295; Schönle, NJW 1968, 726, 730 f. 260  Vgl. nur RGZ 114, 9, 12; BGHZ 23, 131, 136 f.; BGH LM Nr. 1 zu § 157 BGB (B); Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 d, S. 313; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 69; BeckOK/ Wendtland, Stand 01.05.2019, § 157 Rn. 24; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 73. 261  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 d, S. 313 f.; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 69; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 15. 262 Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 69. Vgl. auch Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 3. Aufl. 1911, S. 130; Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 85; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 15.

100

§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

fänglichen Entstehung nicht beteiligt waren […]. Die Gesellschaft, als Einheit vorgestellt, schafft den Satz: die einzelnen Angehörigen der Gesellschaft sind ihm unterworfen.“263

C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander In der Regel sind Gewolltes, Erklärtes und Verstandenes deckungsgleich. Üblicherweise gelingt also der Verständnisakt. 264 Gleichwohl: Vertragsrechtliche Rechtsstreitigkeiten haben häufig Auslegungsfragen zum Gegenstand. 265 Dann wirkt es sich aus, dass objektive und subjektive Auslegung unterschiedliche Voraussetzungen haben. Die Wahl der Auslegungsmethode kann sowohl Einfluss darauf haben, ob eine Willenserklärung existiert, als auch darauf, welchen Inhalt die Erklärung hat. 266 Das Verhältnis, in dem die beiden Auslegungsmethoden zueinander stehen, ist mithin nicht nur dogmatisch, sondern auch praktisch von erheblicher Bedeutung. Vielfach wird betont, dass objektive und subjektive Auslegung in einem „Komplementärverhältnis“ stünden. 267 Die Methoden ergänzten und modifizierten sich gegenseitig.268 Andere wiederum verstehen objektive und subjektive Auslegung als gegensätzliche Auslegungsmethoden. 269 263  Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 26 f. 264  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 495; Faust, AT, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 8; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 34 1, S. 619; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 37; ders., FS Prölss, 2009, S. 153, 160; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 79 f.; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärung, 1995, S. 47; Wieser, JZ 1985, 407. 265  Sehr drastisch in diesem Sinne Werner Vogels, zuständiger Referent des Reichsjustizministeriums, anlässlich der Beratungen zu einem nationalsozialistischen Volksgesetzbuch: „Nun sind gerade die §§ 157 und 133 […] eigentlich die Quintessenz des gesamten bürgerlichen Rechts. Man könnte sagen: fast Dreiviertel der Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit es sich um das Zivilrecht handelt, könnte mit den §§ 133, 157 und 242 bestritten werden. Diese drei Paragraphen würden für einen qualifizierten Richter genügen, um alles das zu machen, was er will.“ (W. Vogels, V. Sitzung des Sonderausschusses für allgemeines Vertragsrecht der Akademie für Deutsches Recht am 21.11.1940, zitiert nach W. Schubert (Hrsg.), Akademie für Deutsches Recht 1933–1945, Bd. 4, 1992, 545, 555). Vgl. zum US‑amerikanischen Recht Schwartz/Scott, 119 Yale L.J. 926 ff. (2010). 266  Vgl. hierzu auch Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 154 ff. 267 Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 14. 268  Vgl. MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 19; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 a, S. 308; Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 76 f.; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 43; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 14. 269  Vgl. Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 133 Rn. 1; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 3. Zu dieser „dualistischen Lehre“ vgl. nur Bailas, Das Problem der Vertragsschließung und der vertragsbegründende Akt, 1962, S. 8; Diederichsen, FS 125 Jahre Jur. Gesellschaft, 1984, S. 81, 85 Fn. 25; E. A. Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung, 1972, S. 134; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 23 ff.

C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander

101

I. §§ 133, 157 BGB als Ausgangspunkt Ausgangspunkt für eine Bestimmung dieses Verhältnisses sind naturgemäß die gesetzlichen Regelungen. Die Formulierungen der §§ 133, 157 BGB werden als wenig gelungen kritisiert. 270 Die darin enthaltenen Auslegungsrichtlinien seien „vage und konkretisierungsbedürftig“. 271 Flume etwa stellt fest: „Ihre Bedeutung als Rechtssätze ist gering“; auch ohne ihre Existenz wäre die Auslegung „in gleicher Weise vorzunehmen“. 272 Dass dem so ist, war, wie oben beschrieben, selbst den Verfassern des BGB bewusst. 273 Allgemein wird § 133 BGB als die Basisnorm subjektiver Auslegung, § 157 BGB als die Grundlage objektiver Auslegung verstanden. 274 Beide Normen enthalten jedoch auch Anweisungen an die jeweils andere Auslegungsmethode. Sie wirken also kreuzweise und ergänzen sich. 275 So enthält die in § 133 BGB normierte Absage an die reine Wortlautinterpretation Vorgaben hinsichtlich des maßgeblichen Auslegungsmaterials, die auch für die objektive Auslegung relevant sind. 276 § 157 BGB wiederum hat auch für die subjektive Auslegung Relevanz, weil es, um mit Flume zu sprechen, „Treu und Glauben entspricht, daß die Erklärung oder der Vertrag im Sinne des übereinstimmenden tatsächlichen Verständnisses gilt“.277 Kritisiert wird insbesondere die gesetzliche Unterscheidung zwischen der Auslegung von Willenserklärungen (§ 133 BGB) und der Auslegung von Verträgen (§ 157 BGB). 278 Sie gilt zu Recht als „verunglückt“:279 Verträge bestehen regelmäßig aus zwei Willenserklärungen. Die Auslegung von Verträgen kann daher schon denklogisch nicht abweichen von der Auslegung der Willenserklärungen, die diesen Vertrag bilden.280 Medicus/Petersen etwa kommen daher 270 Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 500; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 320; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 24 f.; Staudinger/Roth, 2015, § 157 Rn. 2. 271 Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 5. 272  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 a, S. 308. 273  Siehe S. 57 ff. 274  Vgl. auch Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 133 Rn. 1; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 43; NK‑BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 3; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 320 f.; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 5; Wieser, JZ 1985, 407; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 8 ff. 275  Vgl. auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 a, S. 308. 276  Vgl. auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 a, S. 308; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 2. 277  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 a, S. 308. Vgl. auch NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 2. 278  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 550 f.; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 a, S. 308; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 319 f.; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 23 ff.; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 3. 279  Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 320. 280  Vgl. nur Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 319.

102

§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

zu dem Ergebnis: „In Wahrheit gibt es einen solchen Unterschied zwischen der Auslegung von Willenserklärungen und von Verträgen nicht.“281 Sowohl bei der Auslegung von Willenserklärungen als auch bei der Auslegung von Verträgen werden §§ 133, 157 BGB grundsätzlich gemeinsam angewendet. 282 Ganz überwiegend wird aber zwischen der Auslegung empfangsbedürftiger und der Auslegung nicht empfangsbedürftiger Willenserklärungen unterschieden. 283 Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen soll grundsätzlich ausschließlich § 133 BGB zur Anwendung kommen.284 Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Willenserklärung nicht formbedürftig ist. 285 Indem § 133 BGB vorgebe, dass nicht an dem buchstäblichen Ausdruck zu haften, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen sei, enthalte er eine einseitige Fokussierung auf die Interessen des Erklärenden. 286 Die Auslegung sei „nicht an der Verständnismöglichkeit des Empfängers orientiert, sondern kann alle Umstände zur Ermittlung des wirklich Gewollten heranziehen, ohne dass diese einem Empfänger erkennbar gewesen sein müssen.“287 Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen sei diese Fokussierung sachgerecht. Hier seien lediglich die Interessen des Erklärenden betroffen oder doch wenigstens schutzwürdig. 288

281  Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 320. Vgl. auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 3 a, S. 308. 282  Vgl. nur RGZ 169, 122, 124 f.; BGHZ 21, 319, 328; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 18 f.; Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 7; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 3; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 10. 283  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 513 ff.; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, Rn. 44 ff.; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 322; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 26 ff. 284 Vgl. Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 44, 47; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 322; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 31. Stärker differenzierend MüKo‑BGB/ Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 11, 28. Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 513 will auf den Einzelfall abstellen. 285  Muss die Erklärung hingegen, wie etwa ein Testament, in einer bestimmten Form abgegeben werden, ist nur das zu berücksichtigen, was in der Erklärung zumindest angedeutet wurde. Vgl. hierzu BGHZ 80, 242; BGHZ 80, 246; BGHZ 86, 41, 46 f.; BGH NJW 1996, 2792 f.; RGRK/Krüger-Nieland/Zöller, 12. Aufl. 1982, § 133 Rn. 4; Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 28 Rn. 82 ff.; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 329 ff.; HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 81 ff. Vgl. bereits F. Leonhard, AcP 120 (1922), 14, 23 f. 286  Vgl. auch Erman/Arnold, 15. Aufl. 2017, § 133 Rn. 15; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 38; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 320; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 22 f. 287  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 31. 288 Vgl. Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 44; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 38; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 15; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 31 f. Letztere weisen aber darauf hin, dass im Einzelfall von einem objektiven Standpunkt aus interpretiert werden müsse, um Missbrauch vorzubeugen und Rechtssicherheit zu garantieren. Ein Beispiel sei § 151 S. 1 BGB. Vgl. auch MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 11.

C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander

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Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen hingegen werde in aller Regel der Rechtskreis des Empfängers berührt. 289 Die in § 133 BGB enthaltene (ausschließliche) Fokussierung auf den wirklichen Willen des Erklärenden sei darum nicht sachgerecht; auch die Interessen des Empfängers seien zu berücksichtigen.290 Damit kann (nur) bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ein Spannungsverhältnis zwischen objektiver und subjektiver Auslegung bestehen. Aus diesem Grunde konzentriert sich die folgende Untersuchung auf empfangsbedürftige Willenserklärungen. Für die Frage, welche Auslegungsmethode bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen anzuwenden ist, in welchem Verhältnis also subjektive und objektive Auslegung zueinander stehen, enthalten §§ 133, 157 BGB keine Vorgaben. 291 Sie geben nichts dazu her, „wie sich das Komplementärverhältnis vollzieht, bzw. wie die einander widersprechenden Funktionsbereiche abzugrenzen sind“. 292

II. Herkömmliche Ansicht: Stufenverhältnis der Auslegungsmethoden Weil die gesetzlichen Vorgaben wenig ergiebig sind, auf gleichem Rang stehen und unterschiedliche Akzente bzw. Aussagen treffen, wird für das Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander in der Regel auf die Prinzipien der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sowie des Verkehrs- bzw. Vertrauensschutzes rekurriert. 293 Nach Looschelders etwa haben Rechtsprechung und Lehre die Aufgabe, „aus den hiernach maßgeblichen Kriterien eine in sich stimmige Auslegungslehre zu entwickeln, mit der sich im Einzelfall sach- und interessengerechte Ergebnisse erzielen lassen“. 294 Ganz überwiegend wird vertreten, dass subjektive und objektive Auslegung in einem Stufenverhältnis zueinander stehen. Die erste Stufe komme – auch bei

289  Vgl. hierzu nur MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 12; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 9 Rn. 7; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 323; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 3. 290  Vgl. nur MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 12; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 9 Rn. 7; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 41; Trupp, NJW 1990, 1346. 291  Vgl. nur Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 6; Wieacker, JZ 1967, 385. 292  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 28. 293  Vgl. nur Erman/Arnold, 15. Aufl. 2017, § 133 Rn. 1; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 12 ff.; NK‑BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 41; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 6. 294 NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 3.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

empfangsbedürftigen Willenserklärungen – der subjektiven Auslegung zu. 295 Das empirisch Gewollte habe Vorrang. 296 Dieser Ansicht ist auch der BGH in ständiger Rechtsprechung.297 Sie kommt in folgendem Zitat besonders gut zur Geltung: „Gelingt es dagegen nicht festzustellen, was der Erklärende wirklich gewollt und daß der Empfänger die Erklärung in diesem Sinne verstanden hat, dann darf der Richter die Auslegung damit noch nicht abbrechen. Vielmehr kommt es alsdann in einer weiteren Stufe des Auslegungsvorganges gem. §§ 133, 157 BGB darauf an, wie der Empfänger der empfangsbedürftigen Willenserklärung diese bei objektiver Würdigung aller Umstände und mit Rücksicht auf Treu und Glauben zu verstehen hatte.“298

In der Literatur entspricht dies ebenfalls nahezu allgemeiner Ansicht. Paradigmatisch sind insofern die Worte von Neuner: „Entsprechend den gesetzlichen Auslegungsdirektiven ist primär das Gewollte maßgeblich. Das Erklärte erlangt nur unter besonderen Voraussetzungen Priorität.“299 Die objektive Auslegung sei lediglich subsidiär anwendbar: „Erkennt der Adressat das tatsächlich Gewollte nicht, tritt der Aspekt der Zurechnung des Erklärten in den Vordergrund.“300 Auch Jahr beschreibt dies sehr anschaulich: „Die Geltung des Gewollten überwiegt nicht nur statistisch und ist nicht nur die gedankliche Voraussetzung für die Geltung des Nicht-Gewollten als des vermeintlich Gewollten; sie ist auch in dem Sinne die Regel, daß eine Geltung des Nicht-Gewollten nur in Betracht kommt, wenn keine der Voraussetzungen der Geltung des Gewollten erfüllt ist. Da dieser Satz umgekehrt nicht gilt, ist die Geltung des Nicht-Gewollten Ausnahme. Auslegung 295  Sehr ausgesprochen in diesem Sinne Greiner, AcP 217 (2017), 492, 531; er ist allerdings der Ansicht, dass die objektive Auslegung die heute ganz allgemein gültige Grundregel darstelle (493). Für den Vorrang der subjektiven Auslegung prinzipiell auch etwa Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 518 f.; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 14; Czarnecki, Vertragsauslegung und Vertragsverhandlung, 2016, S. 63 ff., 67 ff.; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 133 Rn. 22; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 12; Wieser, JZ 1985, 407, 408; Wolf/Neuner, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 27. 296  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 518 f.; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 14; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 9 Rn. 13; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 52; Jauernig/Mansel, 17. Aufl. 2018, § 133 Rn. 9; Neuner, FS Canaris 70. Geb., Bd. 1, 2007, S. 901, 907; BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 133 Rn. 27; Wieling, AcP 172 (1972), 297, 300; Wieser, JZ 1985, 407, 408; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 27. Ablehnend Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 6 f.; Soergel/Wolf, 13. Aufl. 1999, § 157 Rn. 14. 297  Vgl. nur BGHZ 20, 109, 110; BGHZ 71, 75, 77 f.; BGHZ 71, 243, 247; BGHZ 86, 41, 46; BGH NJW 1984, 721; BGH NJW 2008, 1658, 1659 Rn. 12. 298  BGH NJW 1984, 721. 299  Neuner, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 901, 907. Vgl. auch Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 25. 300  Neuner, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 901, 908. Vgl. auch Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 133 Rn. 14; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 6; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 29.

C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander

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einer Willenserklärung als der Versuch, den für die Anknüpfung der Rechtsfolge maßgebenden Sinn des Sprachakts zu ermitteln, kann nicht mit der Ausnahme beginnen; sie muß vielmehr zunächst fragen, ob der Regelfall vorliegt, und gelangt zur Ausnahme nur bei Verneinung dieser Frage.“301

Drückt sich der Erklärende so aus, dass seine Erklärung objektiv den Inhalt hat, den er ihr subjektiv beimessen wollte, sind also subjektiv Gewolltes und objektiv Erklärtes deckungsgleich, kommen subjektive und objektive Auslegung zum selben Ergebnis.302 Unterschiede ergeben sich nur, wenn subjektiv Gewolltes und objektiv Erklärtes voneinander abweichen.

1. Übereinstimmender Wille Wenn die subjektive, die Ermittlung des subjektiv Gewollten bezweckende Auslegung der objektiven Auslegung vorgeht, ist eine zwischen Erklärendem und Erklärungsempfänger bestehende – im Prozess durch beiderseitiges Par­ teivorbingen oder durch Beweise belegbare – Willensübereinstimmung auch dann maßgeblich, wenn das gemeinsam Gewollte in der Erklärung objektiv nicht oder nur unvollständig zum Ausdruck gekommen ist.303 Das Erklärte ist insoweit irrelevant, als es dem gemeinsam Gewollten entgegensteht (falsa demon­stratio non nocet).304 Begründet wird dies regelmäßig wie folgt: Das Interesse des Erklärenden, dass seine Erklärung den Inhalt hat, der seinem Willen entspricht, auch wenn der Wortlaut diesen Willen nicht oder nur unvollkommen abdeckt, sei durch das „für die Privatautonomie grundlegend[e]“305 Prinzip der Selbstbestimmung gedeckt. Empfangsbedürftige Willenserklärungen berührten allerdings regel301 

Jahr, JuS 1989, 249, 252. hierzu auch Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 13 (mit Verweis auf Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, S. 302): „Sofern der Empfänger das Gewollte zwar nicht erkannt hat, aber hätte erkennen können, liegt diesem Urteil eine objektiv-normative Auslegung zugrunde, die der Erklärungsempfänger gemäß § 157 BGB gegen sich gelten lassen muss.“ 303  Vgl. nur BGHZ 87, 150; BGH NJW 1994, 1528, 1529; BGH NJW 2006, 3139 Rn. 13; BGH NJW 2008, 1658, 1659; Bitter/Röder, AT, 4. Aufl. 2018, § 5 Rn. 68; Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 10; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 26. Aufl. 2017, Rn. 124; Musielak/Hau, Grundkurs BGB, 15. Aufl. 2017, Rn. 177; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 29; Wertenbruch, AT, 4. Aufl. 2017, § 9 Rn. 12; Zerres, Bürgerliches Recht, 8. Aufl. 2016, S. 50. Zur Frage, welchen Inhalt eine empfangsbedürftige Willenserklärung nach Zugang, aber vor tatsächlicher Kenntnisnahme hat, vgl. Jahr, JuS 1989, 249, 253. 304  Vgl. zur Geschichte der falsa demonstratio Bang, JherJb. 66 (1916), 309, 310 ff.; Seifert, Falsa demonstratio non nocet, 1929, S. 17 ff.; Wieling, AcP 172 (1972), 297, 298 f.; ders., JZ 1983, 760 f.; HKK/Vogenauer, §§ 133, 157 Rn. 85 ff. Die Redaktoren des BGB waren der Ansicht, dass sich die Regel bereits aus § 73 des Ersten Entwurfs, also dem heutigen § 133 BGB, ergebe, vgl. Mot. V, 40 f., Prot. V, S. 6655 f., 6661 f. (= Mugdan V, S. 22, 538, 540). Vgl. auch Wieling, AcP 172 (1972), 297, 316: „Die Regel falsa demonstratio non nocet hat keinen bestimmten Inhalt und keinen Argumentationswert.“ 305 Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 13. 302  Vgl.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

mäßig den Rechtskreis des Empfängers. Dieser wiederum habe grundsätzlich ein Interesse daran, dass die Erklärung nur den Inhalt hat, der ihr objektiv zu entnehmen ist. Die Selbstbestimmung des Erklärenden müsse daher regelmäßig in Einklang gebracht werden mit Verkehrs- und Vertrauensschutzgesichtspunkten, um auch den Interessen des Empfängers Rechnung zu tragen.306 Decke sich aber der Wille des Erklärendem mit jenem des Empfängers, entspreche es der Selbstbestimmung beider Parteien, dem Willen des Erklärenden auch dann zur Geltung zu verhelfen, wenn er im Wortlaut nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gekommen sei. Die Parteien seien damit, so Hefermehl, „nicht nur Herren ihres Willens, sondern auch der von ihnen gewählten Ausdrucks- oder Darstellungsweise“.307 Nach Leenen tritt die normative Erklärungsbedeutung gegenüber der tatsächlichen Willensübereinstimmung auch deshalb zurück, „weil Willenserklärungen lediglich das technische Instrument zur Schaffung von Rechtsgeschäften sind“.308 Dass das gemeinsam Gewollte dem objektiv Erklärten vorgehe, sei auch in § 117 BGB normiert.309 Dessen Abs. 1 bestimmt, dass die zum Schein abgegebene Willenserklärung nichtig ist. Der objektive Erklärungsgehalt entfaltet mithin keine Wirksamkeit, weil er dem widerspricht, was Erklärender und Empfänger übereinstimmend wollen.310 Wirksam wird stattdessen – falls etwaige Formvoraussetzungen eingehalten wurden – das gewollte Rechtsgeschäft, obwohl das Gewollte nicht erklärt wurde. § 117 Abs. 2 BGB bestimmt, dass die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung finden. Unter dem Stichwort der falsa demonstratio non nocet wird insbesondere der jedem Jurastudenten bekannte „Haakjöringsköd-Fall“ behandelt.311 Der Verkäufer hatte dem Käufer angeboten, ihm eine Schiffsladung Haakjöringsköd zu verkaufen. Der Käufer hatte das Angebot angenommen. Beide Parteien waren davon ausgegangen, dass Haakjöringsköd Walfleisch bedeute. Tatsächlich aber bezeichnet haakjærringkjøt (heute håkjerringkjøtt) im Norwegischen das Fleisch des Grönland- oder Eishais.312 Das Reichsgericht urteilte, die beiden hätten trotz der Falschbezeichnung einen Kaufvertrag über Walfleisch geschlossen.313 306  Vgl. nur MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 12 f.; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 41; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 13; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 2. 307 Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 133 Rn. 17. 308  Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 161. 309  Vgl. nur Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 327; Reinicke, JA 1980, 455, 457; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 13. Zu § 117 BGB ausführlicher oben § 2 E.II. 310  Vgl. nur Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 117 Rn. 1; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 327; Reinicke, JA 1980, 455, 456; Staudinger/Singer, 2017, § 117 Rn. 1; Wolf/Neuner, 11. Aufl. 2016, § 40 Rn. 14 f. 311  RGZ 99, 147. 312  Vgl. dazu auch J. Schmidt, Der Vertragsschluss, 2013, S. 137 f. Fn. 1030. 313  Vgl. auch BGHZ 87, 150; BGH NJW 1984, 721; BGH NJW 2002, 1038. Kritisch Martinek, JuS 1997, 136 ff.; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen,

C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander

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2. Übereinstimmendes Verständnis Die herkömmliche Ansicht stellt diesen Fällen, in denen Erklärender und Empfänger übereinstimmend etwas anderes wollen als das, was objektiv erklärt wurde, Konstellationen gleich, in denen der Empfänger das vom Erklärenden Gewollte erkennt, obwohl es in der Erklärung bei objektiver Betrachtung nicht oder nur fehlerhaft zum Ausdruck gekommen ist.314 Vogenauer etwa definiert den Grundsatz falsa demonstratio non nocet sogar in diesem Sinne: „Verstehen alle Beteiligten die Erklärung übereinstimmend in einem anderen Sinn, als sie ein objektiver Dritter verstehen müsse, so hat das Gewollte Vorrang. Die Falschbezeichnung schadet nicht.“315 Einige Autoren unterscheiden dabei nicht ausdrücklich zwischen Fällen, in denen die von der objektiven Bedeutung abweichende (subjektive) Bedeutung einer Bezeichnung dem übereinstimmenden Willen der Parteien entspricht, und Fällen, in denen keine Willensübereinstimmung, sondern nur ein übereinstimmendes Verständnis gegeben ist.316 Der BGH hingegen ist hier explizit: „Haben die Parteien eines Vertrages eine Willenserklärung […] übereinstimmend in einem bestimmten Sinne verstanden, ist für den Inhalt der Erklärung dieser übereinstimmende Parteiwille, nicht jedoch ihr Wortlaut maßgebend. Dabei ist nicht erforderlich, daß sich der Empfänger den wirklichen Willen des Erklärenden zu eigen macht. Es genügt vielmehr, daß er ihn erkennt und in Kenntnis dieses Willens den Vertrag abschließt.“317

2016, S. 87 f.; Wieling, AcP 172 (1972), 297, 298 Fn. 4. Zur Behandlung der falsa demonstratio durch die Vertreter der Erklärungstheorie vgl. Czarnecki, Vertragsauslegung und Vertragsverhandlungen, 2016, S. 58 f. 314  Vgl. nur BGH NJW 1984, 721; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 519, 942; Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 10; HK-BGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 133 Rn. 9; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 133 Rn. 8; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 29; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 47; Jauernig/Mansel, 17. Aufl. 2018, § 133 Rn. 9; Medicus/ Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 327; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 26. Aufl. 2017, Rn. 124; Musielak/Hau, Grundkurs BGB, 15. Aufl. 2017, Rn. 177; Neuner, JuS 2007, 881, 882 f.; Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 102 f.; Schubert, JR 1984, 194; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 13; Wertenbruch, AT, 4. Aufl. 2017, § 9 Rn. 12; Wieling, AcP 172 (1972), 297, 300; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 27. 315 HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 84. Ebenso Reinicke, JA 1980, 455, 456. 316 Vgl. Bitter/Röder, AT, 4. Aufl. 2018, § 5 Rn. 68; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 519; Brox/ Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 10; HK-BGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 133 Rn. 9; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 29; Jauernig/Mansel, 17. Aufl. 2018, § 133 Rn. 9; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 327; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 26. Aufl. 2017, Rn. 124; Musielak/Hau, Grundkurs BGB, 15. Aufl. 2017, Rn. 177; HKK/Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 84 ff.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 27. Zum nicht kongruenten Doppelirrtum Jahr, JuS 1989, 249, 252. 317  BGH NJW-RR 1993, 373. Vgl. auch BGH NJW 1984, 721: „[D]er wirkliche Wille des Erklärenden geht, wenn alle Beteiligten die Erklärung übereinstimmend in eben diesem sel-

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

Als Begründung führt er in einem anderen Urteil an: „Das beruht darauf, daß eine Willenserklärung, also das Mittel privater Setzung einer rechtlichen Regelung kraft Parteiwillens, ihre Geltung von eben diesem Parteiwillen ableitet. Deshalb wäre es, wenn bei keinem der Beteiligten ein Mißverständnis vorliegt, nicht zu rechtfertigen, eine andere rechtliche Regelung als die wirklich gewollte zur Geltung zu bringen, dies selbst dann nicht, wenn die Erklärung diesen Willen nicht oder nicht genau wiedergibt.“318

Auch in der Literatur wird diese Ansicht vertreten. Wieling schreibt: „Versteht der Empfänger aus den Worten den Willen des Erklärenden, so hat die Erklärung ihren Zweck erfüllt.“319 Leenen betont, der Empfänger habe kein berechtigtes Vertrauen auf die normative Erklärungsbedeutung, wenn er den Irrtum des Erklärenden erkenne. Die Argumente für die objektive Auslegung – Vertrauens- und Verkehrsschutz – griffen hier nicht.320 Singer schreibt ebenfalls, es sei nicht erforderlich, dass sich der Empfänger „den erkannten Willen des Erklärenden zu eigen gemacht“ habe.321 Die Frage, ob ein Konsens bestehe, betreffe erst das Zustandekommen von Verträgen, nicht die „Ebene des Verstehens“.322 Zudem führt er moralische Argumente an. Wer „das wirklich Gewollte erkennt, wäre auch in Bezug auf die objektive Bedeutung der Erklärung ‚bösgläubig‘.“323 Andere ziehen eine Parallele zu Art. 8 CISG324 oder zu § 116 BGB.325 Grundsätzlich müsse sich der Erklärende gem. § 116 S. 1 BGB auch dann am objektiv Erklärten festhalten lassen, wenn er insgeheim etwas anderes wolle. Dies gelte jedoch gem. § 116 S. 2 BGB dann nicht, wenn der Empfänger den Vorbehalt kenne. Dann komme, so Reinicke, „der reale innere Wille des Erklärenden zur Geltung“,326 obwohl dieser objektiv in der Erklärung keinen Ausdruck gefunden habe. Flume nimmt ebenfalls auf die Norm Bezug, wenn er schreibt: ben Sinne verstanden haben, nicht nur dem Wortlaut, sondern jeder anderweitigen Interpretation vor.“ Vgl. auch BGH NJW-RR 1989, 931, 932; BGH NJW 2002, 1038, 1039. 318  BGH NJW 1984, 721. 319  Wieling, AcP 172 (1972), 297, 300 f. 320  Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 170. 321 Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 13 [Kursivierung im Original]. Vgl. auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 1 d, S. 301: „Auf Grund der Erkenntnis des tatsächlichen Verständnisses des Erklärenden durch den Erklärungsempfänger befinden sich beide in übereinstimmendem Verständnis.“ 322 Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 13. Vgl. auch Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 98 Fn. 88. 323 Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 13. Vgl. auch Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 10. 324  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 26. 325  Vgl. nur Czarnecki, Vertragsauslegung und Vertragsverhandlungen, 2016, S. 66; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 1 d, S. 301; Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“, 1987, S. 32; Reinicke, JA 1980, 455, 457. Zu § 116 S. 2 BGB ausführlicher unten § 6 B.I.1. 326  Reinicke, JA 1980, 455, 457.

C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander

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„Würde der Erklärungsempfänger eine irrtümlich formulierte Offerte durch eine Erklärung seinerseits annehmen, den Vertrag aber ungeachtet des Erkennens des tatsächlichen Verständnisses des Offerenten nicht gemäß diesem Verständnis, sondern nur dem Wortlaut entsprechend abschließen wollen, so wäre dies ein Fall der Mentalreservation“.327

Zudem stütze der in § 122 Abs. 2 BGB enthaltene Rechtsgedanke das gefundene Ergebnis.328 Sei der Erklärende einem Irrtum unterlegen, stehe ihm unter den Voraussetzungen des § 119 BGB ein Anfechtungsrecht zu. Übe er dieses Recht aus, müsse er dem Empfänger gem. § 122 Abs. 1 BGB einen etwaigen Vertrauens­ schaden ersetzen. Bei übereinstimmendem Verständnis seien beide Elemente hinfällig.329 Für eine Irrtumsanfechtung des Erklärenden sei „kein Platz“,330 wenn die Erklärung (wegen der zwischen den Parteien bestehenden Übereinstimmung im Verständnis) den Inhalt habe, den der Erklärende ihr beimessen wollte. Der Empfänger wiederum verfüge über kein schutzwürdiges Ver­trauen.331 Diese Wertung komme „ähnlich in § 122 Abs. 2 zum Ausdruck, wonach in den Fällen, in denen der Anfechtungsgegner die Anfechtbarkeit kannte oder kennen mußte, ihm der Anspruch auf Schadensersatz nicht zuteil wird“.332 Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass § 122 Abs. 2 BGB die Anfechtbarkeit einer irrtumsbehafteten Erklärung voraussetze, wenn der Empfänger den Irrtum erkannt habe.333 Die Norm sei nicht gegenstandslos, wenn das übereinstimmende Parteiverständnis Vorrang vor dem objektiven Erklärungsgehalt genieße.334 Sie komme zur Anwendung, wenn „der Empfänger wohl weiß, daß das Erklärte nicht gewollt ist, er aber nicht erkennt, was gewollt ist“,335 sowie bei der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB.336 327 

Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 1 d, S. 301. Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“, 1987, S. 33; Staudinger/Singer, 2017 § 133 Rn. 13; Wieling, AcP 172 (1972), 297, 300 Fn. 15. 329 Vgl. Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“, 1987, S. 33. 330 MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 60. Vgl. auch Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 168 („kein Raum“); Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“, 1987, S. 34 („Anfechtung […] ausgeschlossen“); Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 745 („Anfechtung unnötig“); Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 103 („teleologische Restriktion des Anfechtungsrechts“); Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 90 („Irrtum scheidet von vorneherein aus“). 331  Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“, 1987, S. 33. 332  Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“, 1987, S. 34. 333  Dieses Argument antizipiert Wieling, AcP 172 (1972), 297, 300 Fn. 15. 334  Wieling, AcP 172 (1972), 297, 300 Fn. 15. 335  Wieling, AcP 172 (1972), 297, 300 Fn. 15. Vgl. auch F. Leonhard, AcP 120 (1922), 14, 126; Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 106. 336  Wieling, AcP 172 (1972), 297, 300 Fn. 15. Vgl. auch Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 80. Danz, JherJb. 46 (1904), 381, 426; Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“, 1987, S. 34; Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 105; Trupp, NJW 1990, 1346, 1347 wollen § 122 Abs. 2 BGB lediglich auf Fälle anwenden, in denen der Empfänger den Irrtum des Erklärenden nach 328 Vgl.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

Lehrbuchfall für die Erörterung der rechtlichen Behandlung von „erkannten Irrtümern“ ist eine Entscheidung des Reichsgerichts:337 Ein Makler hatte in einer Provisionsvereinbarung irrtümlich „Quadratrute“ statt „Quadratfuß“ geschrieben. Dem Empfänger der Erklärung war revisionsrechtlich zu unterstellen, er habe verstanden, dass „Quadratfuß“ gemeint war. Er erklärte, er sei mit dem Vorschlag des Maklers „einverstanden“. Nach Ansicht des Reichsgerichts kam der Vertrag daher mit dem Inhalt „Quadratfuß“ zustande; Vertragsinhalt wurde also das, was der Erklärende erklären wollte.338 In der Literatur findet diese Entscheidung fast durchgehend Zustimmung.339 In logischer Konsequenz muss gelten: Hätte der Empfänger nur verstanden, dass der Makler nicht „Quadratrute“ erklären wollte, dass also objektiv Erklärtes und Gewolltes nicht übereinstimmen, nicht aber, was der Makler stattdessen erklären wollte, hätte der Empfänger den Irrtum also nur „erkannt“, nicht aber „durchschaut“,340 würde sich der objektive Erklärungsgehalt durchsetzen. Der Vertrag hätte dann den Inhalt „Quadratrute“. Im Ergebnis kommt die herkömmliche Ansicht daher zu folgender Regel: „Die subjektive Auslegung ist anwendbar bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen, bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen, wenn das Rechtsgeschäft keine schutzwürdigen Belange berührt, und bei übereinstimmendem Parteiverständnis.“341 Ansonsten ist die Willenserklärung – subsidiär – objektiv auszulegen.

III. Objektive Theorie der Auslegung Die herkömmliche Ansicht vermag nur insofern zu überzeugen, als sich hiernach eine Willensübereinstimmung der Parteien gegenüber dem objektiv Erklärten durchsetzt (1.). Haben die Parteien die Erklärung lediglich übereinstimVertragsschluss erkennt. Auch damit hätte die Norm selbst dann einen eigenständigen Anwendungsbereich, wenn das gemeinsame Verständnis dem objektiv Erklärten vorgehe. 337  RGZ 66, 427. 338  RGZ 66, 427. Vgl. auch BGH NJW-RR 1989, 931, 932; BGH NJW-RR 1995, 859; BGH NJW 1997, 1778, 1779; BGH NJW 1998, 3196; BGH NJW 2006, 3139 Rn. 13. 339  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 1 d, S. 301; Kling, Sprachrisiken im Privatrechtsverkehr, 2008, S. 337 f.; Manigk, JherJb. 75 (1925), 127, 211. Vgl. auch Bork, AT, 4. Aufl. 2015, Rn. 942 f.; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 8 Rn. 142. Anderer Ansicht Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 28 Rn. 33. 340  Vgl. hierzu Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 78; Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2006, S. 97. 341  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 513 ff. Vgl. auch BGH NJW 2013, 3306; Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 10; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 133 Rn. 8, 13; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 322; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 6. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 1 d, S. 302 schreibt daher, bei der Auslegung von Willenserklärungen bestimme „das tatsächliche Verständnis der an der Erklärung Beteiligten als ein historisches Faktum die Auslegung.“

C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander

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mend verstanden, entspricht der vom objektiven Erklärungsgehalt abweichende Gehalt der Erklärung aber nicht dem Willen des Empfängers, hat die Erklärung den Inhalt, der ihr bei objektivem Verständnis zukommt (2.). Die objektive Auslegung ist mithin der Grundsatz (3.).

1. Übereinstimmender Wille Ökonomisch ist es sinnvoll, die Parteien auch dann an das übereinstimmend Gewollte zu binden, wenn das Gewollte in der Erklärung – objektiv betrachtet – nicht oder nur unvollständig zum Ausdruck gekommen ist. Diese Bindung entspricht den Präferenzen der Parteien.342 Das Ideal des Gesetzes ist damit erreicht – eine subjektive Willensübereinstimmung liegt vor.343 Würde sich der objektive Bedeutungsgehalt der Erklärung durchsetzen, wären die Parteien stattdessen an etwas gebunden, was den Präferenzen keiner Partei bei Vertragsschluss entspricht. Zudem würde das Recht damit den Erklärenden bzw. – bei einem Vertrag – alle Parteien dazu verpflichten, erneut Willenserklärung(en) abzugeben, sobald sie die Abweichung erkennen, um die Bindung an das Nicht-Gewollte zu beseitigen und eine Bindung an das übereinstimmend Gewollte herbeizuführen. Die Abgabe dieser Erklärungen wäre mit Transaktionskosten verbunden. Der Vorrang des übereinstimmend Gewollten verhindert die Entstehung derartiger Kosten. Als Illustration hierfür mag der „Haakjöringsköd-Fall“ dienen: Dass die Parteien einen Kaufvertrag über Walfleisch geschlossen haben, entspricht ihren Präferenzen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Haben sie nach objektiver Auslegung hingegen einen Vertrag über den Kauf einer Schiffsladung Fleisch vom Grönlandhai geschlossen,344 würde der Verkäufer, wenn die Parteien an das objektiv Erklärte gebunden wären, gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB mangelhaft leisten, wenn er die Leistung erbringen würde, die die Parteien tatsächlich erbringen und erhalten wollten.345 Dies könnte der Käufer ausnutzen, falls sich seine Präferenzen nach Abschluss des Vertrages geändert hätten.346 342 

Vgl. hierzu auch Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 161. Zum Ideal des tatsächlichen Konsenses siehe S. 48 ff. Vgl. außerdem Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 160 ff. 344  Bisweilen wird darauf hingewiesen, dass die Parteien im „Haakjöringsköd-Fall“ vermutlich auch nach objektiver Auslegung einen Vertrag über Walfleisch geschlossen haben. Ihr diesbezüglicher Wille sei höchstwahrscheinlich in der Vorgeschichte bzw. den Vorverhandlungen zum Ausdruck gekommen. Vgl. Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 87 f. („unechte Falschbezeichnung“); Wieling, AcP 172 (1972), 297, 298 Fn. 4 („kein Beispiel einer falsa demonstratio“); ders., Jura 1979, 524, 525. Vgl. auch Martinek, JuS 1997, 136, 137; kritisch Cordes, Jura 1991, 352, 354. 345 Ein aliud gem. § 434 Abs. 3 BGB wäre nur dann geleistet worden, wenn die Parteien eine Gattungsschuld vereinbart hatten. So auch Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 26. Aufl. 2017, Rn. 288. 346  Um derartiges opportunistisches Verhalten zu verhindern, muss sich der wegen Irr343 

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

Mittelstädt nutzt diesen Fall um zu zeigen, dass auch der Vorrang des gemeinsam Gewollten opportunistisches Verhalten nicht in jedem Fall verhindert.347 Habe eine Seite nach Vertragsschluss erkannt, dass die Parteien einen falschen Begriff verwendet haben, und erfrage sie daraufhin bei der anderen Seite, wie diese das wechselseitig Erklärte verstanden habe, könne diese andere Seite behaupten, schon immer das objektiv Erklärte gewollt zu haben. Hätten sich ihre Präferenzen nach Abschluss des Vertrages geändert, könne sie mithin eine Bindung an das objektiv Erklärte herbeiführen.348 Das gemeinsam Gewollte dürfe daher dem objektiv Erklärten nicht vorgehen. Zudem habe das Gesetz sicherzustellen, dass etwaiges nachträglich entstandenes Vertrauen in den objektiven Erklärungsgehalt geschützt werde. Wer nachträglich seinen Irrtum entdecke, werde nämlich Dispositionen treffen, um die dem objektiven Erklärungswert entsprechende Leistung entgegennehmen bzw. erbringen zu können.349 Gelte nun das, was beide Parteien anfänglich wollten, werde der Entdecker schutzlos gestellt. Mittelstädt basiert sein Petitum für den Schutz nachträglich entstandenen Vertrauens in den objektiven Erklärungsgehalt unter anderem auf ökonomische Erwägungen: Die Dokumentation des tatsächlich Gemeinten verursache Kosten.350 Zudem müsse die Partei eines unter kongruentem Doppelirrtum geschlossenen Vertrages Rückfrage bei ihrem Vertragspartner halten, wenn sie nach Vertragsschluss ihren Irrtum entdecke, um Sicherheit über den Inhalt des Vertrages zu erlangen.351 Beide Kostenpunkte entstünden nicht, wenn die Parteien an das objektiv Erklärte gebunden würden. Diese Argumente überzeugen aus mehreren Gründen nicht. Zunächst ist der für die Bestimmung des Vertragsinhalts maßgebliche Zeitpunkt der des Vertragsschlusses. Zu diesem Zeitpunkt besteht Einigkeit zwischen den Parteien. Dieser Willensübereinstimmung will Mittelstädt nicht zur Geltung verhelfen. Bei seiner Berechnung lässt Mittelstädt zudem unberücksichtigt, dass die Parteien das tatsächlich Gemeinte in jedem Fall dokumentieren müssen, um den Nachweis eines etwaigen, für die Anfechtung gem. § 119 BGB erforderlitums gem. § 119 BGB Anfechtende nach zutreffender Ansicht auf Wunsch des Erklärungsgegners an seinem wahren, in der Erklärung fehlerhaft zum Ausdruck gekommenen Willen festhalten lassen. Vgl. hierzu nur Lobinger, AcP 195 (1995), 274 ff. 347  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 116 ff. Vgl. auch Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 1910, S. 422 f., der die Verkehrssicherheit gefährdet sieht, wenn eine der Parteien den Irrtum entdeckt. Kritisch hierzu Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, S. 414 mit Fn. 1009. 348  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 127 f. Zum umgekehrten Fall, in dem sich der Erklärungsempfänger nach Anfechtung des Erklärenden auf das subjektiv Gewollte beruft, vgl. Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 103. 349  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 117. Ihm folgend auch Faust, AT, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 12. 350  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 126. 351  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 126.

C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander

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chen Irrtums erbringen zu können. Auch rechnet er die oben erwähnten Kosten nicht mit ein, die die Parteien nach Entdeckung des Irrtums auf sich nehmen müssen um sicherzustellen, dass zwischen ihnen tatsächlich das gilt, was sie vereinbaren wollten. Statt einfach nachzufragen, müssen sie – unter Umständen sehr komplexe – Vertragswerke aufschnüren und neu verhandeln, auch wenn auf operativer Ebene Einigkeit über die zu erbringenden Leistungen besteht. Bei komplexen Verträgen ist es deutlich wahrscheinlicher, dass das gemeinsam Gewollte von der objektiven Bedeutung des in der Leistungsbeschreibung Befindlichen abweicht als bei der Bezeichnung des Gegenstands eines ordinären Kaufvertrags. Diese Kosten will Mittelstädt in Kauf nehmen, obwohl die Gewinne, die er schützen will, Zufallsgewinne darstellen. Zudem werden in der Praxis zwar vermutlich tatsächlich die von ihm genannten Dokumentationskosten anfallen, vor allem bei langfristigen Verträgen, wenn das Personal auf operativer Ebene wechselt. Die Nachfragekosten sind aber lediglich theoretischer Natur: Aller Wahrscheinlichkeit nach, so Mittelstädt selbst, werden die Parteien auf die Nachfrage verzichten, weil die Chance, dass die andere Partei demselben Irrtum unterlegen ist, verschwindend gering ist.352 Nach Mittelstädt müsste der Aufwand der Nachfrage dem drohenden „Vertrauensschaden [der Schaden, den der Erklärende dadurch erleidet, dass er nachträglich auf die objektive Erklärungsbedeutung vertraut hat], multipliziert mit der ex-ante-Wahrscheinlichkeit eines (durch die Gegenseite nachweisbaren) Doppelirrtums oder erratenen Willens“, gegenüber gestellt werden.353 Mittelstädt operiert also unter der Annahme, dass die irrende Partei, sobald sie ihres Irrtums gewahr wird, das objektiv Erklärte leisten wird, und er lässt die eigentlich relevanten Kosten, die ihr dadurch entstehen, dass sie etwas anderes als das Gewollte leistet, außen vor. Dazu gehören etwaige Kosten für die Lagerung des Gutes, das sie leisten wollte. Hinzu kommen mögliche Kosten für den Erwerb des Gutes, das sie nun leisten muss. Überdies mag die Gegenleistung für die irrende Partei nur dann attraktiv sein, wenn sie für die Leistung des Gewollten erbracht wird; erfolgt sie für die Leistung des objektiv Erklärten, ist das Rechtsgeschäft für sie unter Umständen nicht mehr nutzenbringend. Je nachdem, wie hoch die Kosten sind, wie groß also subjektiv Gewolltes und objektiv Erklärtes in wirtschaftlicher Hinsicht voneinander abweichen, wird die Partei mithin unter Umständen nicht an ihrer Erklärung festhalten wollen. Dann muss sie ihre Erklärung anfechten. Dies ist ebenfalls mit Kosten verbunden, führt aber zu einer Situation, in der das Rechtsgeschäft scheitert und also keine Partei das erhält, was sie wünscht. Werden diese Kosten in die Berech352  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 126. Vgl. auch Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, S. 414 Fn. 1009. 353  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 126 Fn. 27.

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

nung eingestellt, scheint es sinnvoll, dass sich die Partei, die den Irrtum entdeckt hat, bei der anderen Seite erkundigt, ob sie sich nicht womöglich doch auf das von ihr Gewollte geeinigt haben.

2. Übereinstimmendes Verständnis Anders stellt sich die Situation dar, wenn der Empfänger lediglich erkennt, welche von der objektiven Erklärungsbedeutung abweichende Erklärung der Erklärende abgeben wollte, diesen abweichenden Erklärungsinhalt selbst aber nicht will. Die Erklärung kann dann nur (bei subjektiver Auslegung) den Präferenzen des Erklärenden oder (bei objektiver Auslegung) jenen des Empfängers entsprechen, nicht aber den Präferenzen beider Beteiligten. Hat die Erklärung gleichwohl den Inhalt, den der Erklärende ihr subjektiv beimessen wollte, wird dadurch nicht das Ideal der subjektiven Willensübereinstimmung verwirklicht. Die Konsequenz ist vielmehr, dass das vom Erklärenden Gewollte gilt, obwohl er sich nicht so ausgedrückt hat, dass das, was er wollte, seiner Erklärung objektiv zu entnehmen war. Diese Lösung hält Verkehrsteilnehmer also nur in beschränktem Umfang dazu an, sich eindeutig und objektiv verständlich auszudrücken. Der Erklärende darf dann vielmehr darauf hoffen, dass der Empfänger seinen vom objektiv Erklärten abweichenden Willen versteht, auch wenn dies auf Sonderwissen zurückzuführen ist, das der Empfänger nicht kostenfrei erworben hat. Wie bereits oben beschrieben:354 Die Anwendung der subjektiven Auslegung auf diese Fälle überzeugt auch deswegen nicht, weil das Anfechtungsrecht hierfür einen Mechanismus zur Verfügung stellt, der den Interessen beider Parteien Rechnung trägt und sie zur Sorgfalt anhält.355 Der Erklärende darf seine Erklärung unter den Voraussetzungen des § 119 BGB anfechten und sich dadurch von dem ungewollten Rechtsgeschäft lösen. Dass er dem Empfänger dafür grundsätzlich gem. § 122 BGB einen etwaigen Vertrauensschaden ersetzen muss, schafft Anreize für den Erklärenden sich so auszudrücken, dass sich seiner Erklärung das, was er will, objektiv entnehmen lässt. Weil der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens ausgeschlossen ist, wenn der Empfänger den Irrtum durchschaut hat (§ 122 Abs. 2 BGB), wird zugleich der Empfänger angehalten, sein Wissen zu offenbaren. Womöglich ist dies der Grund, warum auch nach Larenz/Wolf das vom Erklärenden Gewollte nur gilt, „wenn das Verhalten des Erklärungsempfängers, insbesondere die unterlassene Aufklärung des anderen über seinen Irrtum, als Indiz für seinen Zustimmungswillen zu verstehen ist“.356 Ansonsten sei ein

354 

Siehe S. 78 f. Siehe dazu ausführlich Teil 2 der Arbeit (S. 247 ff.). 356  Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 28 Rn. 33. 355 

C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander

115

„Vertrag mit dem Inhalt [zustande gekommen], wie er sich aus der objektiven Erklärungsbedeutung des falschen Ausdrucks ergibt“.357 Gegen Singers bereits erwähnten Einwand, die Frage nach dem Vorliegen eines Konsenses betreffe erst das Zustandekommen von Verträgen,358 lässt sich anführen, dass der Empfänger auch bei einseitigen Erklärungen einen eigenen Willen bildet. Womöglich kommt etwa dem Vermieter einer Wohnung die Kündigung seines Mieters gelegen, weil er denkt, dass er die Wohnung anschließend zu einem höheren Preis vermieten kann. Decken sich der Wille von Erklärendem und Empfänger, besteht auch bei einseitigen Erklärungen kein Grund, ihnen das gemeinsam Gewollte zu verwehren, nur weil es vom objektiven Erklärungsgehalt abweicht. Zwar mag eine Willensübereinstimmung bei einseitigen Erklärungen seltener vorkommen als bei Verträgen. Dass die objektive Erklärungsbedeutung damit noch häufiger als bei Verträgen maßgeblich ist, ist aber unproblematisch, weil kongruent mit den für einseitige Willenserklärungen bestehenden Sonderregelungen. So wird etwa die Bedingungsfeindlichkeit mit einem größeren Bedürfnis an Rechtssicherheit und Klarheit gerechtfertigt.359 Der Empfänger einer einseitigen Gestaltungserklärung soll nicht in „unzumutbare Ungewissheit“ in Bezug auf die Rechtslage versetzt werden.360

3. Objektive Auslegung als Grundsatz Nach überwiegender Ansicht ist die subjektive Auslegung der Grundsatz. Die objektive Auslegung stelle (wenigstens in der Theorie, wenn auch nicht zahlenmäßig in der Praxis) die Ausnahme für den Fall dar, dass die subjektive Auslegung gescheitert sei.361 357 

Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 28 Rn. 33. 2017, § 133 Rn. 13. Vgl. auch Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 98 Fn. 88. Siehe dazu auch S. 108 ff. 359  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1258; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 18; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 849; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 17 Rn. 43, § 52 Rn. 20 ff. 360  BGHZ 97, 264, 267; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 849 f.; BeckOK/Rövekamp, Stand 01.05.2019, § 158 Rn. 18; MüKo-BGB/Westermann, 8. Aufl. 2018, § 158 Rn. 28 ff. 361 Vgl. BGH NJW 1984, 721; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 133 Rn. 14; Greiner, AcP 217 (2017), 492, 530 ff.; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 133 Rn. 1, 22; Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung, 1972, S. 134 f.; Leenen, FS Prölss, 2009, S. 153, 161; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. 2016, § 133 Rn. 45 ff.; Manigk, JherJb. 75 (1925), 127, 215; Martinek, JuS 1997, 136, 139; Staudinger/Singer, 2017, § 133 Rn. 12; Wolf/Neuner, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 27. Anderer Ansicht etwa Diederichsen, FS 125 Jahre Jur. Gesellschaft, 1984, S. 81, 82 ff.; HK-BGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 133 Rn. 8 f.; Trupp, NJW 1990, 1346; HKK/ Vogenauer, 2003, §§ 133, 157 Rn. 84. Vgl. überdies Canaris in: F. Bydlinski/Krejci/Schilcher/ Steininger (Hrsg.), Das Bewegliche System im geltenden und künftigen Recht, 1986, S. 103, 105. 358 Staudinger/Singer,

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§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

Die Beschreibung eines derartigen Stufenverhältnisses legt, so Mittelstädt, „die Vorstellung nahe, es müssten im Prozess stets zunächst auf der ersten Stufe die inneren Verständnisse der Beteiligten ermittelt werden, bevor auf der zweiten Stufe die normative Methode zum Zug kommen kann, falls die Verständnisse der Beteiligten nachweisbar divergieren“.362

Wie Mittelstädt zutreffend ausführt, hängt die Anwendbarkeit der objektiven Auslegung jedoch „nicht davon ab, dass das Gericht zu der Überzeugung gelangt, die Beteiligten hätten die Willenserklärung unterschiedlich verstanden“.363 Ansonsten müsse ein Gericht, wenn es – wie häufig – zu einem „non liquet auf der ersten Stufe“ komme, also eine Willensübereinstimmung oder, nach der herkömmlichen Ansicht, auch ein übereinstimmendes Verständnis der Parteien weder bewiesen noch widerlegt werden könne, die Prüfung beenden; es dürfe die Erklärung dann nicht objektiv auslegen.364 Die objektive Auslegung kommt aber auch dann zur Anwendung, wenn die Beweisaufnahme über das subjektive Verständnis unmöglich ist oder ergebnislos verläuft.365 So auch Wieser: „[L]äßt es sich also nicht klären, ob die Beteiligten ein übereinstimmendes Verständnis erzielt haben („non liquet“), so geht der Richter gleichfalls zur normativen Auslegung über.“366 Mittelstädt vertritt, die beweisbelastete Partei könne daher im Prozess de facto wählen, ob sie die objektive oder subjektive Auslegungsmethode zur Anwendung bringen möchte: Sie könne entweder vortragen, dass zwischen den Beteiligten eine Willensübereinstimmung bestanden habe, oder sie könne zum objektiven Erklärungsgehalt vortragen, ohne etwaige innere Tatsachen zu erwähnen.367 In der Tat hat der Vortrag der Parteien Auswirkungen auf die richterliche Auslegung insofern, als der Richter (ausschließlich) objektiv auslegt, soweit die Parteien nicht zu einem übereinstimmenden abweichenden Willen vortragen. Die objektive Auslegung ist damit der default. Nur wenn der Empfänger der Erklärung eine andere Bedeutung beigemessen hat, als ihr objektiv zukommt, und wenn diese andere Bedeutung dem Willen des Empfängers entspricht, wird die Erklärung subjektiv ausgelegt. Deckt sich das Ergebnis dieser Auslegung mit dem Willen des Erklärenden, beansprucht das subjektiv Gewollte Geltung. Es klingt so, als sei auch die Erste Kommission von diesem Verständnis ausgegangen. Ihres Erachtens gilt die Regel, „daß, wenn die Worte eines Vertrages deut362 

Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 68. Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 68. 364  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 68. 365  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 68. 366  Wieser, JZ 1985, 407, 409. 367  Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 68 f., der wegen der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit von Urkunden von „einer Beweislastumkehr im Hinblick auf die natürliche Methode“ spricht (S. 69). 363 

C. Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander

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lich sind, der Sinn anzunehmen sei, welchen sie geben, ausgenommen, wenn bewiesen werden kann, daß alle bei dem Vertrage Betheiligten damit einen anderen Sinn verbunden haben.“368 Insofern weist die hier vertretene Ansicht Ähnlichkeit mit jener von Dörner auf. Auch seines Erachtens stellt – ohne sich dieses Begriffes zu bedienen – die objektive Auslegung (für empfangsbedürftige Willenserklärungen) den Grundsatz dar: „[E]mpfangsbedürftige Willenserklärungen [sind] grds so auszulegen, dass die objektive, sich aus der Sicht des Empfängers nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ergebende Bedeutung erkennbar wird („objektive“ oder „normative“ Auslegung […]). […] Sind objektiver Sinngehalt einer Erklärung und realer Wille des Erklärenden nicht deckungsgleich, gilt die Willenserklärung in ihrem objektiven Verständnis; der Erklärende kann seine Erklärung aber nach Maßgabe der §§ 119 I, 122 BGB anfechten.“369

Und auch er erkennt, dass es vom Verständnis des Empfängers abhängt, ob dieser Grundsatz durchbrochen wird: „Weicht der reale Wille des Erklärenden vom objektiven Bedeutungsgehalt seiner Erklärung ab, so gilt jedoch ungeachtet [oben Gesagtem] grds das Gewollte und nicht das Erklärte, wenn der Erklärungsempfänger den realen Willen des anderen erkennt […] oder sich sogar bei einem Vertragsschluss bewusst oder irrtümlich selber der Falschbezeichnung bedient, um damit einen übereinstimmenden Willen zum Ausdruck zu bringen (falsa demonstratio non nocet)“.370

Dörners Ausführungen ist jedoch in zwei Punkten nicht zu folgen. Für die Durchbrechung des Grundsatzes ist nach hier vertretener Ansicht nicht das Verständnis des Empfängers entscheidend, also dass er „den realen Willen“ des Erklärenden erkennt. Maßgeblich ist vielmehr der Wille des Empfängers. Außerdem wird der Grundsatz nicht erst dann durchbrochen, wenn sich der Wille des Empfängers mit dem Willen des Erklärenden deckt. Ob dies der Fall ist, lässt sich nämlich erst nach der subjektiven Auslegung der Erklärung feststellen. Dörners Argumentation ist damit entweder zirkulär, oder er bürgt dem Richter auf, stets beide Auslegungsmethoden anzuwenden, weil das Ergebnis der subjektiven Auslegung bereits feststehen muss, wenn der Wille (bzw. bei Dörner: das Verständnis) des Empfängers betrachtet wird. Aus ökonomischer Sicht ist es sinnvoll, dass die objektive Auslegung den Grundsatz darstellt. Ermittlung des und Vortrag zum objektiv Erklärten sind mit deutlich weniger Transaktionskosten verbunden als Vortrag und vor allem Beweis des übereinstimmend Gewollten (aber auch eines vom objektiven Erklärungsgehalt abweichenden übereinstimmenden Verständnisses der Parteien). 368 

Mot. I, S. 155 (= Mugdan I, S. 438). 10. Aufl. 2019, § 133 Rn. 8 [Kursivierung im Original]. Vgl. auch Diederichsen, FS 125 Jahre Jur. Gesellschaft, 1984, S. 81 ff.; Trupp, NJW 1990, 1346. 370 HK-BGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 133 Rn. 9 [Kursivierung im Original]. 369 HK-BGB/Dörner,

118

§ 3  Auslegung von Willenserklärungen

Ein rational handelnder Verkehrsteilnehmer wird zum übereinstimmend Gewollten nur dann vortragen, wenn sein durch die Anwendung der subjektiven Auslegung entstehender Grenznutzen größer ist als die Grenzkosten von Vortrag und Beweis des gemeinsam Gewollten. Zudem schafft diese Regel Anreize, sich sowohl eindeutig als auch dem Üblichen entsprechend auszudrücken.371 Sie stärkt damit bestehende Sprach- und Handlungsgewohnheiten und/oder Verkehrssitten.

371 

Zum ersten Punkt auch Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 42.

119

§ 4  Schweigen als Willenserklärung „Die Verwendung von Fiktionen führt zu Scheinbegründungen.“1

A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen Dem BGB liegt der Grundsatz der Formfreiheit zugrunde. 2 Auch die allermeisten anderen modernen Rechtsordnungen verwirklichen diesen Grundsatz:3 Nur in den durch Gesetz ausdrücklich angeordneten Fällen bedürfen Rechtsgeschäfte für ihre Wirksamkeit einer bestimmten Form.4 Zur Entscheidung für den Grundsatz der Formfreiheit im BGB wird in der Denkschrift ausgeführt: „Das HGB hat den Grundsatz der Formfreiheit bereits zur Geltung gebracht, und der Handelsverkehr kann ihn nicht missen. Die Einführung der entgegengesetzten Vorschrift für den allgemeinen bürgerlichen Rechtsverkehr würde Verwirrung und Rechtsunsicherheit mit sich bringen.“5

1 

Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 26. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1044; MüKo-BGB/Einsele, 8. Aufl. 2018, § 125 Rn. 1; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 15 I 2, S. 246; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, Vor § 125 Rn. 1; Heldrich, AcP 147 (1941), 89, 90; Staudinger/Hertel, 2017, § 125 Rn. 3; Köbl, DNotZ 1983, 207; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 16 Rn. 1; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 44 Rn. 2. Schön auch Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 954: „Ein Mann, ein Wort“. 3  Vgl. dazu nur Heldrich, AcP 147 (1941), 89, 90; Köbl, DNotZ 1983, 207; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl. 1996, S. 359. Zum absoluten Formzwang früherer Rechtsordnungen vgl. nur Dulckeit, FS Fritz Schulz, Bd. I, 1951, S. 148, 161 f.; Ebel, Recht und Form, 1975, S. 13 f. („Form ist die älteste Norm“); Ehrenberg, Freiheit und Zwang auf dem Gebiete des Verkehrsrechts, 1905, S. 10; Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, 1971, S. 22; Kaser, Das Römische Privatrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1971, § 8, S. 39; Kaser/ Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 6 Rn. 1; Köbl, DNotZ 1983, 207, 216; W. Lorenz, AcP 156 (1957), 381, 386, 393; v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 238 ff.; v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 496; Westerhoff, AcP 184 (1984), 341, 352. 4 § 125 S. 1 BGB. Ein Formerfordernis kann auch vertraglich vereinbart werden (§ 127 BGB). Ein Verstoß gegen die vereinbarte Form hat nach § 125 S. 2 BGB im Zweifel ebenfalls die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. 5  Denkschrift I, S. 24 (= Mugdan I, S. 835). 2  Vgl.

120

§ 4  Schweigen als Willenserklärung

Den Gesetzgeber scheint also unter anderem das Bestreben zur Schaffung einer einheitlichen Rechtsordnung motiviert zu haben. Zugleich stellt diese Entscheidung aber das Ergebnis einer grundsätzlichen Abwägung dar. Formzwang verleiht größtmögliche Sicherheit beim Verständnis von Willenserklärungen. Die rechtliche Wirkung tritt nur ein, wenn eine bestimmte (rituelle) Handlung vorgenommen wird. Diese Sicherheit ist allerdings insofern teuer erkauft, als Formzwang Informationskosten produziert. Vor Abgabe einer Willenserklärung muss der Erklärende feststellen, welcher Form seine Erklärung bedarf, damit sie Wirksamkeit entfaltet. Auch die Einhaltung der Form selbst, etwa die schriftliche Abfassung oder notarielle Beurkundung einer Erklärung, ist mit Kosten verbunden. Zugleich kann Formzwang zu Kostenersparnissen führen, weil die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass die Parteien Streit führen müssen über die Bedeutung der verwendeten Erklärungszeichen. Formfreiheit ermöglicht dagegen Schnelligkeit im Rechtsverkehr. Personen können Verträge durch bloße Einigung abschließen, modifizieren und beenden – ungeachtet der konkreten Art ihrer Verständigung. Das grundsätzliche Bekenntnis zu dieser Formfreiheit setzt aber die Überzeugung voraus, dass sich die Teilnehmer des Rechtsverkehrs auch ohne festgelegte Formen verständigen können. An die Stelle des Formzwangs tritt hierbei ein Anreizsystem. Dies gilt insbesondere dann, wenn Willenserklärungen (im Grundsatz) so ausgelegt werden, wie der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer sie verstehen würde. Dem Erklärenden wird dadurch das Risiko für die Verwendung eines unüblichen Erklärungszeichens bzw. für die unübliche Verwendung eines Erklärungszeichens auferlegt; er wird angehalten, sich üblicher und objektiv verständlicher Zeichen zu bedienen.6 Indirekt fördert das Recht also auch dann die Ausbildung und Einhaltung von Standards, wenn die Verwendung bestimmter Erklärungszeichen keine Rechtspflicht darstellt. Weil kein Formzwang besteht, kann eine Willenserklärung grundsätzlich „durch jedes Mittel erfolgen, welches geeignet ist, sie verständlich zu machen.“7 Sie kann mündlich mitgeteilt oder schriftlich niedergelegt werden; die Parteien können sich vorbestimmter Zeichen oder individueller Erklärungen bedie-

6  Vgl. auch v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 416: „Der Erklärende kann, wenn keine Form der Erklärung vorgeschrieben ist, das ihm geeignet scheinende Mittel der Erklärung wählen. Er muß dafür sorgen, daß seine Erklärung von der Person, auf welche es ankommt, verstanden wird. Dazu genügen je nach Umständen und dem Inhalt der Erklärung verschiedene Mittel. Ist das Mittel so gewählt, daß die Erklärung nicht verstanden werden kann, so bleibt sie ohne rechtliche Wirkung.“ 7  v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 496. Ähnlich Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 60: „Die Vertragsfreiheit stellt es im Grundsatz frei, in welcher Form der Erklärende sein rechtsgeschäftliches Wollen zum Ausdruck bringt. Dem Rechtssubjekt steht die Wahl unter sämtlichen denkbaren Formen des Sich-Mitteilens offen.“

A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen

121

nen.8 Die Willenserklärung muss nicht explizit als solche formuliert werden. Es reicht, dass das jeweilige Verhalten auf einen bestimmten Erklärungswert schließen lässt.9 Üblicherweise werden ausdrückliche und konkludente bzw. stillschweigende Willenserklärungen voneinander unterschieden (I.) und dem reinen Schweigen als rechtlichem nullum gegenübergestellt (II.).

I. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen Die Unterscheidung zwischen ausdrücklicher und konkludenter bzw. stillschweigender Willenserklärung geht zurück auf Savigny. Eine ausdrückliche Willenserklärung liegt seines Erachtens vor, wenn die Handlung „nur allein“ den Zweck habe, eine rechtsgeschäftliche Erklärung vorzunehmen.10 Eine stillschweigende Willenserklärung werde hingegen durch eine Handlung geäußert, die noch über „eine andere, selbstständige Bestimmung“ verfüge.11 Savignys Gedanken finden sich auch bei späteren Vertretern der Pandektistik12 sowie in Gebhards Vorarbeiten für den Allgemeinen Teil des BGB. Gebhard führt zunächst aus: „Von besonderen Vorschriften abgesehen, kann die Willenserklärung sowohl ausdrücklich als stillschweigend geschehen. Immer aber ist erforderlich, daß die Handlung, nach objektivem Maßstabe beurtheilt, als eine Aeußerung des betreffenden Willens anzusehen ist.“13 In Anlehnung an Savigny schreibt er, der ausdrücklich Erklärende verfolge mit der von ihm vorgenommenen Handlung „in der Regel keinen anderen Zweck, als den der Willenskundgebung“14; eine stillschweigende Willenserklärung ergebe sich hingegen „aus der Beurtheilung thatsächlicher Vorgänge.“15 Diese Differenzierung weist deutliche Bezüge zur Willenstheorie auf: Die innere Zielsetzung ist das maßgebliche Unterscheidungsmerkmal. Für denjenigen, der bei Willenserklärungen (richtigerweise) generell nicht darauf abstellt, welcher Zweck dem Erklärenden innerlich vorschwebt, kann hingegen ebenso wenig relevant sein, ob der Erklärende nur einen einzigen oder mehrere Zwecke verfolgt.  8 

Vgl. auch F. Leonhard, AcP 120 (1922), 14, 25. Vgl. nur Erman/Arnold, 15. Aufl. 2017, Vor § 116 Rn. 6; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 566; Fabricius, JuS 1966, 1, 11; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 3; Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 81; Stadler, AT, 19. Aufl. 2017, § 17 Rn. 3. Vgl. auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 5 1, S. 62; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 10 Rn. 14. 10  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 242. 11  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 242. 12  Eine detaillierte Darstellung der Meinungen der verschiedenen Vertreter der Pandektistik findet sich bei Kühle, Der Dualismus von ausdrücklicher und stillschweigender Willenserklärung, 2009, S. 7 ff. 13  Gebhard, AT Begründung II.2, S. 63 (= Schubert, AT 2, S. 83). 14  Gebhard, AT Begründung II.2, S. 64 (= Schubert, AT 2, S. 84). 15  Gebhard, AT Begründung II.2, S. 64 (= Schubert, AT 2, S. 84).  9 

122

§ 4  Schweigen als Willenserklärung

Für den Vorentwurf zum BGB wählt Gebhard denn auch zu Recht nicht den „Zweck“ der Handlung als Unterscheidungsmerkmal, sondern ein objektiveres Kriterium. Er grenzt ausdrückliche und stillschweigende Willenserklärungen danach ab, ob die verwendeten Worte oder Zeichen die Erklärung unmittelbar oder mittelbar enthalten: „Die Willenserklärung ist eine ausdrückliche, wenn die Willensaktion in der Hervorbringung von Zeichen besteht, welche als typische Offenbarungszeichen des Willens gelten, die objektive Bestimmung haben, der Willensmittheilung zu dienen; sie ist eine stillschweigende, wenn sich die Willensaktion in Handlungen vollzieht, welche nicht in der Hervorbringung solcher Zeichen besteht, die aber gleichwohl einen Schluß darauf zulassen, daß ein gewisser Willensinhalt in ihnen und durch sie bethätigt wird.“16

„Typische Offenbarungszeichen“ seien solche, denen „die Bestimmung aufgeprägt ist, Medium des Gedankenaustausches, der Mittheilung der Willensbewegung zu sein“,17 wobei die Bestimmung auf „allgemeinem Gebrauche“, auf „rechtlicher Satzung“ oder auf „Festsetzung unter den Betheiligten“ beruhen könne.18 § 10 des Vorentwurfs formuliert Gebhard wie folgt: „Die Willenserklärung kann, vorbehaltlich besonderer Bestimmungen, ausdrücklich, durch Worte oder Zeichen, welche dieselbe unmittelbar enthalten, oder stillschweigend durch ein Verhalten erfolgen, welches auf die Willenserklärung mit Sicherheit schließen läßt.“19 Der Versuch Gebhards, ausdrückliche von stillschweigenden bzw. konkludenten Willenserklärungen zu unterscheiden, macht deutlich, dass diese beiden Arten der Äußerung einer Willenserklärung nicht in einem Ausschlussverhältnis stehen, sondern vielmehr in einem Spezialitätsverhältnis. Jeweils geht es um ein Verhalten, welches den Schluss auf einen bestimmten Erklärungsinhalt zulässt. Bei der ausdrücklichen Willenserklärung besteht dieses zu interpretierende Verhalten in einem besonders typischen Zeichen. Mit anderen Worten: Jede ausdrückliche Willenserklärung ist zugleich eine konkludente Willenserklärung, aber nicht jede konkludente Willenserklärung ist auch eine ausdrückliche. Gleichwohl: Die Unterscheidung zwischen ausdrücklicher und stillschweigender Willenserklärung lebt im Ersten Entwurf fort. Nur auf Gebhards Definition wird verzichtet. § 72 bestimmt lediglich: „Die Willenserklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen.“20 In den Motiven findet sich dazu 16 

Gebhard, AT Begründung II.2, S. 63 (= Schubert, AT 2, S. 83). Gebhard, AT Begründung II.2, S. 63 (= Schubert, AT 2, S. 83). 18  Gebhard, AT Begründung II.2, S. 63 f. (= Schubert, AT 2, S. 83 f.). 19  Gebhard, AT Entwurf II.2, S. 3 (= Schubert, AT 2, S. 5). Vgl. auch § 90 des Gesamtentwurfs in Gebhard, AT Entwurf I, S. 17 (= Schubert, AT 1, S. 17). Ähnlich auch später v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 416. 20  Mugdan I, S. LXXVIII. 17 

A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen

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die Erklärung, der Satz sei, „obwohl vielleicht selbstverständlich, aufgenommen, weil er eine Regel von grundlegender Bedeutung enthält und zugleich eine wesentliche Bereicherung der Sprache des Entw. ermöglicht.“21 Die Zweite Kommission entscheidet sich, § 72 zu streichen. Die dort aufgestellte Regel hält die Kommission, „abgesehen von ihrem mehr lehrhaften Charakter, um so eher für entbehrlich, als sie im Entw. durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen sei.“22 Die Differenzierung zwischen ausdrücklicher und konkludenter Willenserklärung hat mithin kaum Relevanz. Im Grundsatz kann eine Willenserklärung ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Mit den von der Zweiten Kommission erwähnten „zahlreichen Ausnahmen“ können nur jene Fälle gemeint sein, in denen das Gesetz ausnahmsweise eine ausdrückliche Willenserklärung verlangt.23 Dass nur eine konkludente Willenserklärung Rechtsfolgen herbeizuführen vermag, sieht das Gesetz zu Recht an keiner Stelle vor. Eine entsprechende Qualifizierung einer Willenserklärung als konkludent (und nicht ausdrücklich) kann kaum gelingen. So stellt auch Hölder fest: „Die Bestimmung des § 72 […] ist […] um so überflüssiger, da die Unterscheidung der ausdrücklichen und der stillschweigenden Willenserklärung sich jeder sicheren Bestimmung entzieht“. 24 Dass ausdrückliche und konkludente Willenserklärung einander nicht ausschließen, klingt auch bei von Tuhr an: „Da die Ausdrücklichkeit einer Erklärung auf ihrer Deutlichkeit beruht, kann die Abgrenzung der ausdrücklichen Erklärung von der nichtausdrücklichen keine ganz scharfe sein; denn es gibt Abstufungen der Deutlichkeit, von der ganz undeutlichen und daher unwirksamen Erklärung bis zu der Erklärung, deren Bedeutung vollständig klar liegt und die das Gesetz als ausdrückliche bezeichnet.“25

Manigk betont ebenfalls die Wesensverwandtschaft beider Formen von Willenserklärungen. So stelle auch die ausdrückliche Willenserklärung einen tatsächlichen Vorgang dar, der erst durch die Anordnung der Rechtsordnung zu einer rechtlich relevanten Handlung werde: „Das menschliche Verhalten ist von Hause aus rechtlich indifferent. Rechtserheblich wird es wie andere natürliche Tatsachen nur, indem die Rechtsordnung ihm diese Erheblichkeit in irgendeiner Richtung zuspricht und es so zur rechtlichen Tatsache macht. Es gibt Handlungen, die typisch rechtlich sind, wie etwa die ausdrückliche Schuldverschreibung, die Quittung, bei Testamentserrichtung; aber die empirischen Vorgänge sind auch bei diesen Akten natürlicher Art, nämlich das Schreiben. Die schlüssigen We. und die Wg. [Wil21 

Mot. I, S. 153 (= Mugdan I, S. 436). Prot. I, S. 144 (= Mugdan I, S. 685). 23  Vgl. auch Kühle, Der Dualismus von ausdrücklicher und stillschweigender Willenserklärung, 2009, S. 154, der ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass nur der Begriff der ausdrücklichen Willenserklärung für das System des BGB Relevanz beansprucht. 24  Hölder, AcP 73 (1888), 1, 66. 25  v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 417. 22 

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

lenserklärungen und Willensgeschäfte] sind in tatsächlicher Hinsicht immer noch etwas anderes; man denke z.B. an den Verbrauch einer unbestellt erhaltenen Ware durch den Empfänger. Rechtswirksam ist ein Verhalten im entwickelten Recht nicht wegen seiner absoluten Typik, sondern als von der Rechtsordnung normierte Ursache (Grund) einer Rechtswirkung (Rechtsfolge).“26

Auch wenn die Folgerung Manigks, dass die rechtliche Wirkung eines Verhaltens allein durch die Rechtsordnung hergestellt wird, so nicht zutrifft, weil es doch um die Verwirklichung des Willens der Parteien geht: Um dieses Ziel zu erreichen, um dem Willen der Parteien zur Geltung zu verhelfen, muss das Recht an objektiv erkennbare Tatbestände anknüpfen. Liegen diese Tatbestände vor, verleiht das Recht dem qualifizierten Verhalten rechtliche Wirkung. Dennoch versucht die Literatur auch nach Inkrafttreten des BGB, eine aussagekräftige Unterscheidung zwischen ausdrücklicher und konkludenter Willenserklärung zu finden. 27 Henle etwa definiert: „Ausdrücklich ist […] eine Erklärung dann, wenn die Erklärungshandlung in erster Linie lediglich den in Frage stehenden Inhalt hergibt, keiner sonstigen Deutung fähig ist; stillschweigend ist die Erklärung, wenn die Erklärungshandlung neben diesem Inhalte auch noch andere Deutungen zuläßt.“28

Dieser Definition ist nicht zu folgen; auch ausdrückliche Willenserklärungen können mehrere Deutungen zulassen. 29 Andere Definitionen stehen, auch heute, in der Tradition von Gebhard – unterschieden wird nach dem Kriterium der Unmittelbarkeit.30 Wolf/Neuner kritisieren diese Abgrenzung als „wenig präzise und aussagekräftig“.31 Sie wollen zwischen formalen und materialen Anforderungen unterscheiden.32 In formaler Hinsicht erfordere eine ausdrückliche Willenserklärung die „Inanspruchnahme einer standardisierten Kommunikationsform“, also, wie es in § 863 ABGB heiße, „Worte und allgemeine Zeichen“.33 Inhaltlich müsse eine ausdrückliche 26 

611.

Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 11. Kritisch Bickel, NJW 1972, 607,

27  Kritisch dazu Kühle, Der Dualismus von ausdrücklicher und stillschweigender Willenserklärung, 2009, S. 152. 28  Henle, Ausdrückliche und stillschweigende Willenserklärung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, 1910, S. 20. 29  Ähnlich auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 567 Fn. 2 in Erwiderung auf Hübner, AT, 2. Aufl. 1996, Rn. 669. Vgl. auch F. Leonhard, AcP 120 (1922), 14, 27; Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 88, 90. 30  Vgl. etwa Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 4 Rn. 21 f.; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 51. Lotmar, Der Arbeitsvertrag, Bd. 1, 1902, S. 121, knüpft, ebenso wie Gebhard, an ein formales Kriterium an und definiert ausdrückliche Erklärungen als solche, die „mittels der Sprache oder anderer dieser gleichstehender gebräuchlicher Erklärungsmittel geschieht.“ 31  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 3. 32  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 4. 33  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 4.

A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen

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Willenserklärung hinreichend bestimmt sein.34 Bork scheint ein noch engeres Verständnis zu haben. Nach ihm liegt eine ausdrückliche Willenserklärung nur vor, „wenn sich jemand der Sprache bedient, um seinen Rechtsfolgewillen zu äußern.“35 Daran überzeugt, dass das Hauptaugenmerk auf der Definition der ausdrücklichen Willenserklärung liegt statt auf der Abgrenzung von ausdrücklicher und konkludenter Willenserklärung. Wie bereits gesagt, ist eine trennscharfe Abgrenzung vor allem deshalb kaum möglich, weil der Begriff der konkludenten Willenserklärung so umfassend ist, dass er jedes Verhalten, welches nach objektiver Auslegung eine Willenserklärung darstellt, einschließt.36 So bestehen nach der Rechtsprechung konkludente Willenserklärungen in schlüssigem Verhalten, beispielsweise der Entgegennahme37 oder der Erbringung einer Leistung.38 Leenen spricht von Handlungen, die „als Ausdruck des Willens verstanden werden können, einen Vertrag zu schließen“,39 etwa der tatsächlichen Bereitstellung einer Leistung40 oder dem Gebrauchmachen von einer angebotenen Leistung.41 Erforderlich sei, so Petersen, ein „irgendwie geartetes Tun“.42 Medicus/Petersen plädieren daher dafür, von einer „Willenserklärung durch konkludentes oder schlüssiges Verhalten“ zu sprechen.43 Wolf/Neuner betonen, das konkludente Verhalten stelle „isoliert betrachtet einen bloßen Handlungsvollzug und keinen Kommunikationsakt dar.“44 Vor allem würden „keine verkehrsmäßig typischen Zeichen“ verwendet.45 Unter bestimmten Voraussetzungen ließe sich aber gleichwohl aus dem Verhalten auf einen Rechtsfolgewillen schließen: „Der Schluss, der hier gezogen wird, beruht meist auf der Annahme einer folgerichtigen Denk- und Handlungsweise“.46 Dass konkludentes Verhalten keinen Akt der Kommunikation darstellt, ist so nicht richtig. Kommunikation besteht keineswegs nur aus verbalen Äußerungen. Sie setzt keine Verwendung klassischer Erklärungszeichen voraus. In der Kommunikationswissenschaft ist anerkannt, dass sämtliches Verhalten – sowohl aktives Tun als auch passives Nichtstun – Kommunikation darstellt:

34 

Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 5. Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 567. 36 Ähnlich Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 88. 37  BGH NJW 1963, 1248. 38  RGZ 129, 109, 113; BGH NJW 1980, 2245, 2246. 39  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 8 Rn. 31. 40  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 8 Rn. 33. 41  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 8 Rn. 58. 42  Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 149. 43  Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 333. 44  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 7. 45  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 7. 46  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 7. 35 

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

„[N]o matter how one may try, one cannot not communicate. Activity or inactivity, words or silence all have message value“.47 Zuzustimmen ist Wolf/Neuner aber insofern, als unter Umständen auch aus nonverbaler oder nicht eindeutiger Kommunikation auf einen Rechtsfolgewillen geschlossen werden kann.48 Ein entsprechendes konkludentes Verhalten kann sowohl in einer aktiven Handlung als auch in einem Unterlassen bestehen. Zu Recht wird daher heutzutage der Begriff der konkludenten Willenserklärung jenem der stillschweigenden Willenserklärung vorgezogen.49

II. Schweigen Eine Person, die kein Erklärungszeichen setzt, „schweigt“.50 Schweigen ist grundsätzlich rechtlich bedeutungslos:51 „Wer schweigt, erklärt nichts.“52 Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Partei durch ihr Schweigen rechtsgeschäftlich binden wollte.53 Grundsätzlich bedarf es für eine Willenserklärung eines Erklärungszeichens. Indem die Rechtsordnung Schweigen grundsätzlich als rechtliches nullum betrachtet, verwirklicht sie die negative Vertragsfreiheit.54 Verkehrsteilnehmer sind grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Willenserklärung abzugeben, also 47 Vgl. Watzlawick/Bavelas/Jackson, Pragmatics of Human Communication, 1967, S. 49 [Kursivierung im Original]. 48 Nach Mota Pinto, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 871, 873 bestehen bei der Auslegung konkludenter Willenserklärungen Besonderheiten. 49  Kritisch zum Begriff der stillschweigenden Willenserklärung etwa Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 571 Fn. 4; Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 149. Besonders schön bereits v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 418: „Der Ausdruck [stillschweigende Willenserklärung] ist irreführend. Denn die nicht ausdrückliche Erklärung kann zwar in einem Schweigen bestehen, ebenso aber auch in einem sonstigen Verhalten, z.B. in Worten, deren Bedeutung sich nicht ohne Rücksicht auf die begleitenden Umstände feststellen läßt, oder in sonstigen Handlungen, welche zu dem Zweck vorgenommen werden, einen rechtsgeschäftlichen Willen oder eine sonstige Tatsache zur Kenntnis anderer Menschen zu bringen.“ 50  Vgl. nur Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 345. 51  Vgl. BGHZ 18, 212, 216; BGH NJW 2010, 3510 Rn. 43; Bickel, NJW 1972, 607, 611; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 147 Rn. 6; Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77; Ehrlich, Die stillschweigende Willenserklärung, 1893, S. 174; Fabricius, JuS 1966, 50, 58; Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 148; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 26; MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 1; Wolf/Neuner, 11. Aufl. 2016, AT, § 31 Rn. 11. 52  Fabricius, JuS 1966, 50, 58; Hanau, AcP 165 (1965), 220, 241. Nach letzterem lässt das Schweigen, auch unter Beachtung aller Umstände, höchstens einen wahrscheinlichen oder möglichen Schluss zu, denn es könne „doch immer auf Nachlässigkeit oder dem gegenteiligen Willen beruhen.“ (242). Hiergegen Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 78. 53 Vgl. Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 345. 54  Vgl. MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 147 Rn. 6; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 12.

A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen

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etwa auf ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages zu reagieren. Die Regel des kanonischen Rechts „Qui tacet consentire videtur“ (Wer schweigt, scheint zuzustimmen) kennt das deutsche Recht nicht.55 Unter bestimmten Voraussetzungen macht das Recht eine Ausnahme von eben geschildertem Grundsatz. Larenz spricht insofern von einem Schweigen „an Erklärungs Statt“.56 Schweigen hat nach ganz herrschender Meinung zunächst dann Erklärungswert, wenn die Parteien vereinbart haben, dass es zwischen ihnen rechtlich erheblich sein soll bzw. wenn sich dies aus den Gepflogenheiten der Parteien ergibt.57 Daneben gibt es Fälle, in denen die Erklärungswirkung des Schweigens gesetzlich normiert oder gewohnheitsrechtlich anerkannt ist. Auf diese konzentriert sich die folgende Untersuchung. Betrachtet werden dabei neben den Normen des BGB auch ausgewählte Fälle des Handelsrechts. Letztere haben praktisch die größte Relevanz. Sie sind wissenschaftlich am umfangreichsten aufgearbeitet. Die dort angeführten Argumente sind auch für die Normen des BGB zum Schweigen mit Erklärungswert aufschlussreich. Als Rechtfertigung dafür, dass Schweigen unter bestimmten Voraussetzungen Erklärungswirkung zukommt, wird allgemein der Verkehrsschutz angeführt.58 Für einzelne Normen finden sich daneben oder an Stelle dieser grundsätzlichen Begründung weitere Argumente. Sie werden bei der Darstellung jener Normen abgehandelt.

1. Gesetzlich geregelte Fallgruppen im BGB Das BGB ordnet an verschiedenen Stellen an, dass Schweigen Erklärungswirkung hat. Schweigen gilt dann als Annahme (a)), Genehmigung oder Verweigerung einer Genehmigung (b)). Schweigen kann auch zu einer Vertragsverlängerung oder einer Vergütungsvereinbarung führen (c)).

55  Für einen historischen Überblick vgl. Ehrlich, Die stillschweigende Willenserklärung, 1893, S. 175 ff.; Wacke, JA 1982, 184. Vgl. zudem Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 5 2 b, S. 64 f. 56  Larenz, Schuldrecht I, 9. Aufl. 1968, § 6 I, S. 67; ders. AT, 7. Aufl. 1989, § 19 IV, S. 361. 57  Vgl. MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, Vor §§ 116 Rn. 8; Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 78; Fabricius, JuS 1966, 1, 11; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 5 2 a), S. 64; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 346; MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 3; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 14. Kritisch Bickel, NJW 1972, 607, 608 f. Für eine Vereinbarung des Schweigens als Erklärungszeichen in AGB setzt § 308 Nr. 5 BGB Grenzen, vgl. nur Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 346; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 14. 58  Vgl. nur Hanau, AcP 165 (1965), 220, 243 f.; Oetker/Maultzsch, 6. Aufl. 2019, § 362 HGB Rn. 4.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

a) Annahme Für das Schuldrecht sieht das BGB nur in einer Konstellation vor, dass das Schweigen einer Person zum Abschluss eines Vertrages führt:59 Nach § 516 Abs. 2 S. 2 BGB gilt eine Schenkung als angenommen, wenn die Zuwendung bereits erfolgt ist und derjenige, der sie erhalten hat, die Schenkung nach Aufforderung zur Erklärung nicht innerhalb einer ihm gesetzten, angemessenen Frist ablehnt. In den Protokollen findet sich als Begründung eine Art Wahrscheinlichkeitsrechnung des Gesetzgebers:60 „Schenkungen [würden] nur ausnahmsweise zurückgewiesen“.61 Dieser „Erfahrungssatz“ bestätige, so Petersen, die „Hypothese“, dass Schweigen als Zustimmung gewertet werden dürfe, wenn das Rechtsgeschäft, das durch das Schweigen begründet werde, dem Schweigenden lediglich rechtliche Vorteile verschaffe.62 Koch betont darüber hinaus die Schutzfunktion dieser Regelung für den Schenkenden. Der Schenkende brauche Gewissheit darüber, inwiefern er nach wie vor über sein Vermögen verfügen dürfe.63 Darum ermögliche ihm § 516 Abs. 2 S. 1 BGB, den Schwebezustand zu beenden, den er mit seinem Antrag geschaffen habe.64 Der Beschenkte sei, so Looschelders, nicht schutzwürdig, weil er die Zuwendung unentgeltlich erhalte.65 Das OLG Köln schließlich abstrahiert von den Vertragsparteien. Wenig überzeugend begründet es den Erklärungsgehalt des Schweigens damit, dass „das Angebot im überwiegenden Interesse einer normalen, sachgemäßen Abwicklung des Rechtsverhältnisses liegt und deshalb mit Bestimmtheit zu erwarten ist, daß derjenige, an den das Angebot herangetragen worden ist, nicht widerspricht.“66 Dieser Schluss ist zirkulär, untersucht das Gericht hier doch erst, ob zwischen den Parteien überhaupt ein „Rechtsverhältnis“ besteht.

59  Nach § 1943 BGB gilt die Erbschaft als angenommen, wenn die Frist für die Ausschlagung verstrichen ist. 60  Kritisch hierzu Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 60. 61  Prot. II, S. 1622 (= Mugdan II, S. 739). 62  Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 152. Vgl. auch Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 78; Wacke, JA 1982, 184, 185. 63 MüKo-BGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 516 Rn. 48. 64 MüKo-BGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 516 Rn. 48. Vgl. auch Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 387. 65  Looschelders, Schuldrecht BT, 14. Aufl. 2019, § 18 Rn. 5. Vgl. auch Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 60: Die Norm finde ihren Rechtsgrund vielmehr darin, dass mit ihr „keinem der Beteiligten etwas Unbilliges zugemutet“ werde; das Interesse der säumigen Partei könne hier geschützt werden, ohne die Interessen der anderen Seite zu beeinträchtigen. 66  OLG Köln NJW 1966, 1817, 1818.

A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen

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Wer Schweigen mit Erklärungswert untersucht, behandelt oftmals auch § 151 BGB.67 Danach kommt ein Vertrag durch Annahme eines Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn die Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende darauf verzichtet hat. Durch die Norm wird also „die Vertragsperfektion gegenüber dem Regelfall vorverlegt.“68 Auch diese Norm wird allgemein als verkehrsschützend eingeordnet, weil sie den Vertragsschluss beschleunige und erleichtere.69 Sie diene sowohl den Interessen des Antragenden als auch des Angebotsempfängers.70 Bestehe die Annahme in der Erfüllungshandlung, habe sie zur Folge, dass der Angebotsempfänger die Rechte aus dem Vertrag bereits mit Vornahme der – mit Kosten verbundenen – Erfüllungshandlung und nicht erst, wie sonst regelmäßig, mit dem Empfang der Kaufsache durch den Adressaten erwerbe.71 Von Bedeutung sei dies insbesondere beim Versendungskaufvertrag,72 weil etwa § 447 BGB voraussetze, dass zwischen den Parteien bereits ein wirksamer Kaufvertrag bestehe. Auch dem Käufer, der das Angebot abgegeben habe, komme die Norm zugute. Gehe die Kaufsache beim Transport aufgrund eines Fehlers des Verkäufers verloren oder werde sie beschädigt, stünden ihm wegen § 151 BGB bereits vertragliche Schadensersatzansprüche zu.73 Liege die Annahme hingegen in einer Gebrauchs- oder Aneignungshandlung, begünstige dies den Antragenden, weil der Eingriff in sein Eigentum dazu führe, dass er im Gegenzug einen vertraglichen Anspruch gegen den Gebrauchenden oder Aneignenden erhalte, jener also an seine Entscheidung gebunden werde.74

67  Unter dieser Überschrift, aber in Abgrenzung zum Schweigen mit Erklärungswert behandeln § 151 BGB etwa Kramer, Jura 1984, 235, 248 f.; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 347; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 60. 68 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 151 Rn. 1. 69  Vgl. nur Erman/Armbrüster, 15. Aufl. 2017, § 151 Rn. 1; Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 8 Rn. 21; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 151 Rn. 1; P. Bydlinski, JuS 1988, 36, 37; BeckOK/Eckert, Stand 01.05.2019, § 151 Rn. 1; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 8 Rn. 23; Wolf/ Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 37 Rn. 36. 70 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 151 Rn. 1; P. Bydlinski, JuS 1988, 36, 37; BeckOK/ Eckert, Stand 01.05.2019, § 151 Rn. 1; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 28 I, S. 531 ff. Für ein Überwiegen des Interesses des Antragstellers Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 35 II 3, S. 657. 71 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 151 Rn. 1; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 37 Rn. 36. 72  Brehmer, JuS 1994, 386, 387; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 151 Rn. 1; BeckOK/ Eckert, Stand 01.05.2019, § 151 Rn. 18; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 35 II 3, S. 657; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 8 Rn. 91; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 382; Stadler, AT, 19. Aufl. 2017, § 17 Rn. 29; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 37 Rn. 36. 73  Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 8; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 37 Rn. 36. Vgl. auch MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 151 Rn. 1; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 382. 74 MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 151 Rn. 1; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 28 I, S. 533.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

§ 151 BGB ist allerdings keine Norm, die dem Schweigen einer Person einen bestimmten Erklärungswert zumisst. Die Annahme selbst ist hiernach nicht entbehrlich – § 151 BGB bestimmt nur, dass sie nicht zugehen muss.75 Geäußert wird die Annahme regelmäßig durch eine Erfüllungs-, Aneignungs- oder Gebrauchshandlung.76 Das bloße Schweigen, also das Nichtstun, reicht nicht aus, um den Angebotsempfänger zu verpflichten.77 Nicht zutreffend ist damit beispielsweise, wie Manigk schreibt: „Indem der Antragende auf eine Erklärung ihm gegenüber verzichtet, verzichtet er auf eine Erklärung überhaupt.“78 Ebenso wenig überzeugend ist die in die gleiche Richtung gehende Ansicht von Flume und anderen, die Annahme gem. § 151 BGB stelle keine Willenserklärung, sondern ein „Willensgeschäft“ bzw. eine „Willensbetätigung“ dar.79 Weil die Vorschrift lediglich den Zugang der Erklärung (und damit die Erkennbarkeit der Annahme für den Empfänger) betrifft, ist sie für die folgende Untersuchung nicht relevant.

b) (Verweigerung der) Genehmigung Bisweilen sieht das Gesetz vor, dass Schweigen einen bestehenden Schwebezustand insofern beendet, als es als Verweigerung einer Genehmigung gilt. Unter bestimmten Fällen statuiert das Gesetz die entgegengesetzte Rechtsfolge, nämlich dass ein Rechtsgeschäft durch Schweigen genehmigt wird. Wird der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen zur Erklärung über die Genehmigung eines vom Minderjährigen ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters geschlossenen Vertrages aufgefordert, und gibt der Vertreter binnen zwei Wochen nach Zugang keine Erklärung ab, so gilt die Genehmigung gem. § 108 Abs. 2 S. 2 BGB als verweigert. Dies gibt dem Geschäftspartner die Mög75  So auch Brehmer, JuS 1994, 386, 387 f.; Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 1; Kramer, Jura 1984, 235, 248; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 35; MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 5; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 60; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 37 Rn. 37 f. Anderer Ansicht Fabricius, JuS 1966, 1, 9 f. („§ 151 hat keine Willenserklärung zum Inhalt“). 76  Vgl. nur Staudinger/Bork, 2015, § 151 Rn. 17 f.; ders., AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 749; P. Bydlinski, JuS 1988, 36; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 14 Rn. 22; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 8 Rn. 22; Repgen, AcP 200 (2000), 533, 539 f.; Wedemeyer, Der Abschluß eines obligatorischen Vertrages durch Erfüllungs- und Aneignungshandlungen, 1904, S. 79 ff.; MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 6; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 37 Rn. 39. 77  Vgl. BGHZ 111, 97, 101; BGH NJW 2004, 287, 288; Brehmer, JuS 1994, 386, 387 f.; Kramer, Jura 1984, 235, 248; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 382; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 35; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 37 Rn. 38. 78  Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 346. Er spricht deshalb nicht von einer Willenserklärung, sondern von einem „Willensgeschäft“. 79  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 35 II 3, S. 655 („Willensgeschäft“). Vgl. auch P. Bydlinski, JuS 1988, 36, 37 („Willensbetätigung“); ders., JBl. 1983, 169, 170 f. („Willensbetätigung“); Fabricius, JuS 1966, 1, 9 („Willensgeschäft“); Vytlacil, Die Willensbetätigung, das andere Rechtsgeschäft, 2009, S. 53 ff.

A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen

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lichkeit, die schwebende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, während derer er seine eigene Leistung bereithalten muss, ohne sicher sein zu können, dass der Vertrag tatsächlich durchgeführt wird, zu beenden.80 Gleiches sieht das Gesetz beim Vertragsschluss durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht vor. Gem. § 177 Abs. 2 S. 2 BGB gilt die Genehmigung als verweigert, wenn der Vertretene den Vertrag nicht innerhalb von zwei Wochen genehmigt. Auch hier ermöglicht das Gesetz dem Geschäftspartner also eine Beendigung des Schwebezustands, der durch den Vertragsschluss mit dem Vertreter ohne Vertretungsmacht geschaffen wurde.81 Dass das Schweigen als Verweigerung und nicht als Genehmigung gilt, wird mit dem Schutz des Vertretenen vor Verpflichtungen begründet.82 Solche Verpflichtungen werte das Gesetz im Zweifel immer als „Übel“.83 Wenn die Übernahme einer Schuld zwischen Schuldner und Übernehmer vereinbart wird, hängt ihre Wirksamkeit ebenfalls von der Genehmigung des Gläubigers ab (§ 415 Abs. 1 S. 1 BGB). Schweigt der Gläubiger auf eine Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung innerhalb einer bestimmten Frist, gilt dies gem. § 415 Abs. 2 S. 2 BGB als Verweigerung. Diese Regelung dient wiederum dazu, die Beendigung eines Schwebezustands zu ermöglichen.84 Die Rechtsfolge trägt, so die allgemeine Ansicht, der Tatsache Rechnung, dass die Kreditwürdigkeit des Schuldners maßgeblich ist für den Wert der Forderung.85 Für die Wirksamkeit der Übernahme einer hypothekarisch gesicherten Schuld des Veräußerers durch den Erwerber eines Grundstücks ist gem. § 416 Abs. 1 S. 1 BGB ebenfalls die Genehmigung des Gläubigers erforderlich. Teilt der Veräußerer dem Gläubiger die Übergabe mit, und äußert sich letzterer daraufhin innerhalb von sechs Monaten nicht, gilt die Schuldübernahme nach § 416 Abs. 1 S. 2 BGB als genehmigt; § 415 Abs. 2 S. 2 BGB findet keine Anwen-

80 Staudinger/Klumpp, 2017, § 108 Rn. 7, 51; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 22, § 34 Rn. 52. Vgl. auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1029; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 11 Rn. 48; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 572; MüKo-BGB/Spickhoff, 8. Aufl. 2018, § 108 Rn. 2. 81  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 47 2, S. 800 f.; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 26 Rn. 1; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 177 Rn. 23; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 978; Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2103, S. 326; MüKo‑BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 177 Rn. 23; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 22, § 51 Rn. 11, 14. 82  Bei § 416 Abs. 1 S. 2 BGB bestehe ein solches Schutzbedürfnis hingegen nicht, deshalb sei hier eine andere Rechtsfolge vorgesehen, Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 59. 83  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 59. 84  So auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 21. Aufl. 2015, Rn. 834; Staudinger/­ R ieble, 2017, § 415 Rn. 88; Weiler, Schuldrecht AT, 4. Aufl. 2017, § 40 Rn. 10; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 22. Vgl. auch Mot. II, S. 146 f. (= Mugdan II, S. 80). 85  Vgl. nur Dörner, Dynamische Relativität, 1985, S. 135; Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 59; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 394.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

dung. Die beiden Normen enthalten damit nach Petersen einen „konträren Regelungsmechanismus“.86 Grund für die Anordnung in § 416 Abs. 1 S. 2 BGB ist die Annahme, dass der Gläubiger einer dinglich gesicherten Forderung weniger Wert auf die konkrete Person des Schuldners legt, weil er sich notfalls mithilfe des Grundstücks befriedigen kann.87 Ihm könne also unterstellt werden, dass er die Schuldübernahme im Zweifel genehmige.88 Zudem vermeide die Norm, dass persönliche und dingliche Haftung auseinanderfallen.89 Darum soll § 416 BGB auch auf Grundschulden Anwendung finden.90 § 455 S. 2 BGB schließlich bestimmt: War die Sache bei einem Kauf auf Probe dem Käufer zum Zweck der Probe oder der Besichtigung übergeben, gilt das Schweigen des Käufers bis zum Ablauf der vereinbarten oder einer vom Verkäufer gesetzten angemessenen Frist als Billigung. Technisch gesehen stellt die „Billigung“ keine Genehmigung dar. In ihrer Wirkung sind die beiden aber durchaus vergleichbar. Nach § 454 Abs. 1 S. 2 BGB ist ein Kauf auf Probe nämlich im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung geschlossen. Der Vertragsschluss ist also bereits erfolgt. Lediglich die Wirksamkeit des Vertrages ist gem. § 158 Abs. 1 BGB noch in der Schwebe.91 Wie am Beispiel der Schenkung zeige sich – so Wacke – auch hier, dass im BGB Schweigen nur dann als Zustimmung gilt, wenn dies für den Schweigenden vorteilhaft ist.92 Beim Kauf auf Probe habe der Käufer Besitz und Nutzungsmöglichkeit erhalten; indem es anordne, dass der Kaufvertrag durch Schweigen endgültige Wirksamkeit erlange, stelle das Gesetz sicher, dass der Käufer diese Vorteile behalten dürfe.93

86  Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2103, S. 152. Vgl. auch MüKo‑BGB/ Heinemeyer, 8. Aufl. 2019, § 416 Rn. 2. 87  Vgl. hierzu Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 43. Aufl. 2019, § 35 Rn. 14; Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 59; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 396; Looschelders, Schuldrecht AT, 16. Aufl. 2018, § 53 Rn. 8; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 21. Aufl. 2015, Rn. 834; Weiler, Schuldrecht AT, 4. Aufl. 2017, § 40 Rn. 10; Vgl. auch Prot. II, S. 833 (= Mugdan II, S. 593). 88  Vgl. nur Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 59. 89  Vgl. nur RGZ 128, 68, 71 f.; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 396; Nörr/Scheyhing/ Pöggeler, Sukzessionen, 2. Aufl. 1999, § 26 I 4, S. 235; Staudinger/Rieble, 2017, § 416 Rn. 3. 90  Vgl. nur BGH NJW 1983, 2502, 2503; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 397; Nörr/ Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, 2. Aufl. 1999, § 26 I 4, S. 235; Staudinger/Rieble, 2017, § 416 Rn. 14. 91  Praktisch wird die Billigung des Käufers aber regelmäßig erst die Annahme des Vertrags darstellen. Vgl. nur Larenz, Schuldrecht BT, Bd. II/1, 13. Aufl. 1986, § 44 I, S. 144; Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, 2. Aufl. 2017, Rn. 528. 92  Wacke, JA 1982, 184, 185. 93  Wacke, JA 1982, 184, 185.

A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen

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c) Vertragsverlängerung und Vergütungsvereinbarung Unter bestimmten Voraussetzungen sieht das Gesetz vor, dass ein bereits bestehendes Vertragsverhältnis verlängert wird, wenn eine Partei unwidersprochen ein bestimmtes Verhalten an den Tag legt. So verlängert sich etwa nach § 545 S. 1 BGB ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, wenn der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fortsetzt und keine Vertragspartei dem anderen Teil innerhalb von zwei Wochen ihren entgegenstehenden Willen erklärt.94 Wird ein Dienstverhältnis nach Ablauf der Dienstzeit von dem Verpflichteten mit Wissen des anderen Teils fortgesetzt, gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht der andere Teil unverzüglich widerspricht (§ 625 BGB). Beide Normen sollen verhindern, dass die erbrachten Leistungen bereicherungsrechtlich rückabgewickelt werden müssen, obwohl die Parteien für den fraglichen Sachverhalt in der Vergangenheit bereits eine Einigung getroffen hatten.95 Überdies gilt, wenn dies nach den Umständen zu erwarten ist, eine Vergütung bei Dienst-, Werk-, Mäkler- und Verwahrungsverträgen als stillschweigend vereinbart (§§ 612 Abs. 1, 632 Abs. 1, 653 Abs. 1, 689 Abs. 1 BGB).

2. Ausgewählte handelsrechtliche Fälle Das Handelsrecht verfügt über einige prominente, wissenschaftlich intensiv aufgearbeitete und daher auch für die BGB-Diskussion besonders interessante Fälle, in denen Schweigen Erklärungswert zukommt.96

a) Geschäftsbesorgung Nach § 362 Abs. 1 HGB wird ein Antrag auf Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags durch Schweigen angenommen, wenn der Schweigende Kaufmann ist, ein Gewerbe betreibt, das die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt, und er in Geschäftsverbindung mit dem Antragenden steht (S. 1), oder wenn er sich diesem gegenüber zur Geschäftsbesorgung erboten hat (S. 2). Die Norm ist eine Ausnahme zur Grundregel der §§ 663, 280 Abs. 1 BGB,97 wonach eine Person, die zur Geschäftsbesorgung öffentlich bestellt ist 94  Die Frist beginnt für den Mieter mit Fortsetzung des Gebrauchs, für den Vermieter zu dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält (§ 545 S. 2 BGB). 95  Vgl. nur MüKo-BGB/Bieber, 7. Aufl. 2016, § 545 Rn. 1; F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, 1967, S. 82 f. (zu § 568 BGB a.F.); MüKo-BGB/Henssler, 7. Aufl. 2016, § 625 Rn. 1; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 63; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 23. 96  Neben den hier behandelten Beispielen ist dies insbesondere unter den Voraussetzungen der §§ 75h, 91a, 386 HGB der Fall; das Schweigen hat dabei jeweils den Erklärungswert einer Genehmigung. 97  Vgl. auch Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 197; Fa­ bricius, JuS 1966, 50, 52. Anderer Ansicht Hanau, AcP 165 (1965), 220, 244.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

oder sich öffentlich erboten hat, lediglich auf Ersatz des negativen Interesses haftet, falls sie ihre Nichtannahme eines auf solche Geschäfte gerichteten Auftrags nicht unverzüglich anzeigt. Die Materialien zum HGB begründen § 362 HGB damit, dass der Handelsverkehr unter den darin normierten Voraussetzungen das Schweigen allgemein als Annahme verstehe.98 Die Norm diene in hohem Maße der „Förderung des Verkehrs“.99 Sie verhelfe Treu und Glauben im Handelsverkehr zur Durchsetzung100 und schütze Vertrauen.101 In der Literatur ist beispielsweise Canaris der Ansicht, dass die Norm Verkehrs- und Vertrauensschutz diene.102 Der Antragende müsse „sich darauf verlassen können, daß auch der andere Teil die Verkehrssitte kennt und sich ihr gemäß verhält; er hat i.d.R. keinen Anlaß zu Zweifeln oder gar Rückfragen.“103 Andere sehen die Ratio des § 362 HGB nur im Vertrauensschutz,104 während überwiegend vertreten wird, dass die Norm ausschließlich den Schutz des Verkehrs bezwecke.105 So schreibt etwa Welter: „Durch die gesetzliche Fiktion wird der Rechtsverkehr von der Unsicherheit entlastet, im Einzelfall eine entsprechende (konkludente) Willenserklärung festzustellen.“106 Oertmann argumentiert grundsätzlicher: „Der Handel hat selbstverständlich das größte Interesse wie an der Schnelligkeit, so auch an der Bequemlichkeit des Geschäftsverkehrs, und beide Interessen werden entschieden gefördert, wenn man in weitem Maße das bloße Schweigen als genügenden Ausdruck eines rechtsgeschäftlichen Erklärungswillen gelten läßt.“107

98  Materialien zum Handelsgesetzbuche für das Deutsche Reich, 1897, S. 97: „Hat ein Kaufmann sich einem Anderen gegenüber zur Besorgung gewisser Geschäfte erboten oder steht er mit einem Anderen in einer Geschäftsverbindung, so wird es im Handelsverkehr als selbstverständlich angesehen, daß er sich der Besorgung eines ihm aufgetragenen Geschäfts unterziehen will, wenn er nicht das Gegentheil erklärt“. 99  Mot. zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten, 1857, S. 125. 100  Vgl. Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines HGB, S. 115 (= Schubert/ Schmiedel/Krampe, Bd. II.2, S. 1353). 101  Prot. zum ADHGB, Bd. II, S. 582. 102  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 200. 103  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 200. Vgl. auch Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 163, der § 362 Abs. 1 HGB ebenfalls als verkehrs- und vertrauensschützende Norm versteht. 104  Vgl. nur Weller/Prütting, Handels- und Gesellschaftsrecht, 9. Aufl. 2016, § 33 Rn. 849; Wacke, JA 1982, 184, 185. 105 Vgl. nur Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 128; Koller/Kindler/Roth/ Drüen, 9. Aufl. 2019, § 362 HGB Rn. 1; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 39; MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 2. 106 MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 2. 107  Oertmann, ZBH 1 (1926), 7.

A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen

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b) Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens Neben § 362 HGB sind vor allem die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens von praktischer Relevanz. Sie sind nicht normiert.108 Ihren Ursprung haben sie in einem Handelsbrauch.109 Im Laufe der Zeit110 hat sich dieser zu einer gewohnheitsrechtlichen Norm entwickelt.111 Nach diesen Grundsätzen hat der Empfänger eines Bestätigungsschreibens, der Kaufmann ist oder vergleichbar unternehmerisch am Rechtsverkehr teilnimmt,112 unverzüglich zu widersprechen, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will.113 Lässt er „ein Bestätigungsschreiben, das ihm zugeht, unbeantwortet, so wirkt es konstitutiv“,114 es sei denn, er kann dem Absender Unredlichkeit nachweisen, oder ihm gelingt der Nachweis, dass das Schreiben von den vorherigen Abreden so sehr abweicht, dass der Absender nicht vernünftigerweise auf eine Billigung des Inhalts vertrauen konnte.115

108 Vgl. hierzu, mit rechtsvergleichenden Ausführungen sowie solchen zum IPR, K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 66 ff. 109  ROHGE 1, 76, 81; ROHGE 15, 94, 97; RGZ 15, 94, 97; RGZ 54, 176, 182; BGHZ 11, 1, 5. Vgl. Keilhauer, Über die rechtliche Bedeutung von Bestätigungsschreiben, 1914, S. 33 ff.; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 67. Mit anderem Schwerpunkt Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 154: Die Lehre habe „ihre positiv-rechtliche Fundierung in § 362 HGB sowie verschiedenen handelsrechtlichen Sondervorschriften“ (§§ 75h, 91a HGB). 110  Für eine ausführliche Übersicht über die relevante Rechtsprechung Oßwald, Der sogenannte Vertragsschluss durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben, 1972, S. 93 ff. 111  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 206; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 67. Vgl. auch Erman/Armbrüster, 15. Aufl. 2017, § 147 Rn. 5; MüKo-BGB/ders., 8. Aufl. 2018, Vor § 116 Rn. 9; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 147 Rn. 11; v. Dücker, BB 1996, 4; Flume, AcP 161 (1962), 52, 66; ders., AT, Bd. II, § 36 6, S. 665; Hopt, AcP 183 (1983), 608, 622, 691; R. Schmidt, Die Obliegenheiten, 1953, S. 121. Anderer Ansicht F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, 1967, S. 195; Diederichsen, JuS 1966, 129, 130; MüKo‑BGB/Kramer, 4. Aufl. 2001, § 151 Rn. 15 ff. 112 Vgl. nur MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 147 Rn. 18; Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 23 Rn. 45; Hopt, AcP 183 (1983), 608, 691 f.; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 72 ff. Auch der Absender des Schreibens muss hiernach diese persönliche Qualifikation erfüllen. BGH WM 1975, 831 f. hingegen verlangt, dass die Beteiligten Kaufleute i.S.d. §§ 1 ff. HGB sind. Vgl. auch Schmidt-Salzer, BB 1971, 591, 594. 113  Vgl. nur RGZ 95, 48, 50; BGHZ 7, 187, 189 f.; BGHZ 11, 1, 3; BGHZ 18, 212, 215 f.; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 147 Rn. 9; Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, § 346 HGB Rn. 17; Oetker/Pamp, 6. Aufl. 2019, § 346 HGB Rn. 38; MüKo‑HGB/K. Schmidt, 4. Aufl. 2018, § 346 HGB Rn. 141; ders., Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 66. 114  Diederichsen, JuS 1966, 129, 130. 115  Vgl. nur RGZ 95, 48, 51; BGHZ 7, 187, 189 f.; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 147 Rn. 20; Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, § 346 HGB Rn. 26 f.; Oetker/Pamp, 6. Aufl. 2019, § 346 HGB Rn. 38; MüKo-HGB/K. Schmidt, 4. Aufl. 2018, § 346 HGB Rn. 141; ders., Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 66.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

Anwendbar ist diese Regel auch auf andere Schreiben, etwa auf Verhandlungsprotokolle.116 Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben im weiteren Sinne ist „jede für den Vertragsinhalt maßgebliche Bestätigung vorausgegangener Vertragsverhandlungen“.117 Durch das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben kann also sowohl ein Rechtsgeschäft erstmalig begründet als auch ein bereits bestehendes Rechtsgeschäft abgeändert werden. Für diesen Gewohnheitsrechtssatz bestehe, so die allgemeine Ansicht, ein praktisches Bedürfnis, weil sich die Parteien im Handelsverkehr oftmals – unter Einschaltung von Mittelspersonen – zunächst nur über die wesentlichen Bestandteile des Rechtsgeschäfts einigten; die Details der Vereinbarung würden erst im Bestätigungsschreiben vereinbart.118 Zudem würden vor allem Telefongespräche das Risiko bergen, „daß sich Mißverständnisse, Hörfehler, Gedächtnislücken u.ä. einschleichen, so daß sich daraus ein echtes Bedürfnis nach schriftlicher Fixierung der Verhandlungen ergibt.“119 Der Zweck dieser Grundsätze wird regelmäßig gleichgesetzt mit jenem des § 362 HGB.120 Teilweise wird vertreten, dass die Norm Vertrauensschutz bezwecke.121 Canaris etwa schreibt, die Rechtssätze über das Bestätigungsschreiben fänden, wie § 362 HGB, ihre Grundlage in der Rechtsscheinhaftung.122 Karsten Schmidt und einige andere sind der Ansicht, der Zweck bestehe, wie jener des § 362 Abs. 1 HGB auch, in der „Gewährleistung von Verkehrssicherheit“:123 „Es handelt sich nicht um die Belohnung individueller Gutgläubigkeit, sondern um objektiven Verkehrsschutz.“124 Die Norm diene Schnelligkeit, Leichtigkeit und Sicherheit des Handelsverkehrs.125 Letztere werde vor allem

116 

Vgl. nur BGHZ 188, 128, 135 Rn. 24. K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 86. Vgl. auch nur BGH NJW 1974, 991, 992; BGH NJW 1990, 386 sowie, deutlich früher, bereits Keilhauer, Über die rechtliche Bedeutung von Bestätigungsschreiben, 1914, S. 47 f. 118  Vgl. nur Keilhauer, Über die rechtliche Bedeutung von Bestätigungsschreiben, 1914, S. 33 f.; Kuchinke, JZ 1965, 167. 119  Diederichsen, JuS 1966, 129, 130. Vgl. auch v. Dücker, BB 1996, 3, 4; Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 23 Rn. 15. 120  Vgl. nur Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 128. 121  Vgl. nur Diederichsen, JuS 1966, 129, 135 ff.; v. Dücker, BB 1996, 3, 4; Hübner, FS Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 373 ff. 122  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 206. Vgl. auch Wolf/ Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 18, § 37 Rn. 48. Kritisch hierzu F. Bydlinski, FS Flume, Bd. I, 1978, S. 335, 345; ders., Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, 1967, S. 195 ff. 123  K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 69. Vgl. auch MüKo-HGB/ders., 4. Aufl. 2018, § 346 HGB Rn. 143, außerdem Hopt, AcP 183 (1983), 622, 691; Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 128. 124  K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 69 mit Verweis auf Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 128. 125  K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 69. Vgl. auch Kuchinke, JZ 1965, 167. 117 

A. Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen und Schweigen

137

dadurch gefördert, dass das Bestätigungsschreiben den genauen Inhalt des betreffenden Vertrages zu Beweiszwecken festhalte.126

c) „Treu und Glauben“ Nach dem BGH kann Schweigen auf ein Vertragsangebot im Handelsverkehr auch dann eine Annahme darstellen, „wenn nach Treu und Glauben ein Widerspruch des Angebotsempfängers erforderlich gewesen wäre.“127 Dies sei beispielsweise dann der Fall, „wenn die Parteien schon vorher in Geschäftsverbindung standen“ oder „wenn der Briefschreiber […] für den Gegner erkennbar ein Interesse an einer baldigen Antwort hatte.“128 In der Literatur wird diese Rechtsprechung heftig kritisiert.129 Larenz etwa spricht von einer „Mitleidsentscheidung“.130 Betont wird vor allem, dass die Berufung auf Treu und Glauben schwammig und wenig handhabbar sei. Nach Karsten Schmidt ist die Formel „von gefährlicher Beliebigkeit“,131 nach Petersen handelt es sich um eine „konturenlose Billigkeitsrechtsprechung.“132 Flume spricht von einem „allgemeinen und unsubstantiierten Satz“,133 der „gefährlich“ sei und dem Handelsverkehr nicht diene,134 sondern „allgemeine Rechtsunsicherheit“ produziere.135 126  Hohmeister/Küper, BuW 1997, 702, 704; Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, § 346 HGB Rn. 17. Vgl. auch bereits Friedenthal, Das kaufmännische Bestätigungsschreiben, 1929, S. 17. 127  BGHZ 1, 353, 355. Vgl. auch BGH NJW 1972, 820; BGH NJW 1990, 1601, 1601 f.; BGH WM 1991, 554, 557 („Grundsätze des redlichen Geschäftsverkehrs“); BGH NJW 1995, 1281; BGH NJW 1995, 1281. 128  BGHZ 1, 353, 355 f. 129  Vgl. nur Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 225 f.; ders., FS Wilburg, 1975, S. 77, 86 f.; Flume, AcP 161 (1962), 52, 67 ff.; ders., AT, Bd. II, § 35 II 4, S. 658 ff.; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 27 II 1, S. 524; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 392; Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 156; Scheffer, NJW 1995, 3166, 3168; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 26; MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 4. Eine Ausnahme bildet MüKo‑BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 147 Rn. 7. 130  Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 27 II 1, S. 524. Vgl. auch Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 392, sowie, zu BGHZ 1, 353, Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 87: Die Entscheidung sei „als Leitentscheidung für die Behandlung des ‚Schweigens im Rechtsverkehr‘ denkbar ungeeignet.“ 131  K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 26. 132  Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 156. 133  Flume, AcP 161 (1962), 52, 67; ders., AT, Bd. II, § 35 II 4, S. 658. 134  Flume, AcP 161 (1962), 52, 68; ders., AT, Bd. II, § 35 II 4, S. 659. 135  Flume, AcP 161 (1962), 52, 69; ders., AT, Bd. II, § 35 II 4, S. 660. Habe der Angebotsempfänger allerdings erkannt, dass der mit ihm in einer laufenden Geschäftsbeziehung stehende Antragende sein Schweigen als Zustimmung werten werde, und mache er den Antragenden gleichwohl nicht darauf aufmerksam, dass der Vertrag nicht zustande gekommen sei, dürfe er sich wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht auf das fehlende Zustandekommen des Vertrages berufen: „Wenn er bewusst ‚den anderen‘ in dem redlichen Glauben an die Geltung des Vertrages beläßt, muß er den Vertrag auch gelten lassen.“ (Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 35 II 4, S. 660).

138

§ 4  Schweigen als Willenserklärung

B. Dogmatische Einordnung Dass Schweigen Erklärungswert zukommt, sieht das Gesetz also an unterschiedlichen Stellen vor. Die aufgeführten Beispiele unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Interessenlage und der durch das Schweigen ausgelösten Rechtsfolgen zum Teil erheblich. Die Rückbeziehung dieser unterschiedlichen Fälle auf eine einzige Begründung sowie die einheitliche dogmatische Einordnung des Schweigens mit Erklärungswert fallen nicht leicht. Canaris schreibt, es gebe „weder eine eigenständige Lehre vom Schweigen im Rechtsverkehr noch auch nur eine einheitliche Problematik ‚des‘ Schweigens“.136 Es lassen sich denn auch unterschiedliche Ansätze ausmachen, die anhand unterschiedlicher Beispielsfälle des Schweigens entwickelt wurden. Die gewählten dogmatischen Begründungen hängen nicht zuletzt davon ab, ob der jeweilige Autor eher der Erklärungs- oder der Willenstheorie zuneigt. Vertreter der Erklärungstheorie vermögen dem Schweigenden eine den Verkehrsanschauungen entsprechende Erklärungsbedeutung als rechtsgeschäftliche Erklärung zuzurechnen. Nach Ansicht von Vertretern der Willenstheorie hingegen ist die Bindung nicht rechtsgeschäftlicher Natur, weil die Wirkung des Schweigens auch dann eintritt, wenn der Schweigende nicht über Erklärungsbewusstsein verfügt.137

I. Schweigen als „Nicht-Willenserklärung“ In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit, dass das Schweigen in den gesetzlich geregelten oder gewohnheitsrechtlich anerkannten Fällen keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung darstellt. Hinsichtlich der dogmatischen Einordnung werden aber unterschiedliche Ansichten vertreten. Sie ähneln sich in ihren Grundannahmen sowie in der generellen dogmatischen Konstruktion. Unterschiede bestehen vor allem in den dogmatischen Feinheiten und der verwendeten Terminologie. Manche Autoren bedienen sich zudem mehrerer Begründungsansätze. Sie lassen sich daher nicht sauber einer einzigen Ansicht zuordnen.

136 

Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 98. Vgl. auch Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 51 f.; Kuchinke, JZ 1965, 167, 170; Kellmann, JuS 1971, 609, 615. 137 

B. Dogmatische Einordnung

139

1. Fiktion Die meisten der besprochenen Normen statuieren, dass Schweigen in einer bestimmten Situation als Annahme, Billigung, (Verweigerung einer) Genehmigung, Vertragsverlängerung oder Vereinbarung einer Vergütung „gilt“.138 Aufgrund dieser Formulierung wird von „gesetzlich fingierten Willenserklärungen“,139 einer „unechte[n] Willenserklärung“140 oder der „Fiktion“ einer Willenserklärung141 gesprochen. Des Begriffs der „rechtlichen Fiktion“ bedient sich auch der BGH.142 Er führt aus: „Der Empfänger eines Bestätigungsschreibens, der sich auf das Schreiben nicht erklärt, ist deswegen gebunden, weil Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Anschauungen des Verkehrs eine Antwort von ihm erfordert hätten. Die Rechtswirkungen seines Verhaltens werden mithin durch die Tatsache des Schweigens auch dann ausgelöst, wenn die Umstände allein es nicht rechtfertigen würden, in ihnen ohne weiteres einen schlüssigen Ausdruck der Zustimmung zu erblicken.“143

Der Begriff der „fingierten Erklärungen“ geht zurück auf Savigny.144 Er versteht darunter Erklärungen, bei denen eine positive Rechtsregel einem Verhalten oder Unterlassen die Wirkung einer Willenserklärung vermittele.145 Als

138  Annahme: §§ 516 Abs. 2 S. 2 BGB, 362 Abs. 1 S. 1 HGB; Billigung: § 455 S. 2 BGB; Genehmigung: § 416 Abs. 1 S. 2 BGB; Verweigerung einer Genehmigung: §§ 108 Abs. 2 S. 2 BGB, 177 Abs. 2 S. 2 BGB, 415 Abs. 2 S. 2 BGB; Vertragsverlängerung: § 625 BGB; Vergütungsvereinbarung: §§ 612 Abs. 1, 632 Abs. 1, 653 Abs. 1, 689 Abs. 1 BGB. 139 MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, Vor. § 116 Rn. 12. Vgl. auch F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, 1967, S. 72 ff. („Lehre von den ‚normierten‘ (fingierten) Willenserklärungen“); EBJS/Füller, 3. Aufl. 2015, § 386 HGB Rn. 7 zu § 386 HGB („Genehmigungsfiktion“; „gesetzliche Fiktion“); Staudinger/ Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 62 ff. („gesetzliche Fiktion“). Vgl. überdies Staudinger/ Kober, 7./8. Aufl. 1912, § 612 I 1, S. 1088; Zunft, NJW 1959, 276, die allerdings das Vorliegen unwiderleglicher Vermutungen annehmen, sowie Bickel, Die Methoden der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, 1976, S. 131 f., der im Ergebnis von einer Gesetzeswirkung ausgeht. Zum Unterschied zwischen fingierten und unwiderleglich vermuteten Willenserklärungen Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 96 ff. 140  Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 945. 141  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 575 Fn. 12; RGRK/v. Godin, 2. Aufl. 1963, § 346 HGB Rn. 16h; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 6; Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 127; Stadler, AT, 19. Aufl. 2017, § 17 Rn. 28; v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 423. Staudinger/Richardi/Fischinger, 2016, § 612 Rn. 11 sprechen von der „Fiktion einer stillschweigenden Vergütungsvereinbarung“; sie sei aber „keine Fiktion im eigentlichen Sinn“, weil nicht etwas fingiert werde, was die Parteien in Wirklichkeit nicht wollten (Rn. 5). 142  BGHZ 11, 1, 5. 143  BGHZ 11, 1, 5. Vgl. hierzu Oßwald, Der sogenannte Vertragsschluss durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben, 1972, S. 102. 144  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 253. 145  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 253.

140

§ 4  Schweigen als Willenserklärung

Beispiele nennt Savigny das gesetzlich entstehende Pfandrecht146 und ein als Einwilligung geltendes Schweigen.147 Nur eine ausdrückliche Gegenerklärung („Protestation“) könne, wenn überhaupt, die Wirkung einer solchen Fiktion verhindern.148 Esser sieht in der Gesetzesfiktion eine „besondere Form der Verweisung“.149 Der Gesetzgeber nehme eine „normative Gleichsetzung“ vor, also eine „gesetzliche Anweisung der Gleichbehandlung verschiedener Tatbestände“.150 So stellten etwa die Normierungen einer stillschweigend vereinbarten Vergütung bei Dienst-, Werk- und Mäklerverträgen insbesondere keine Auslegungsregeln dar.151 Für die Anwendbarkeit einer solchen „Dispositivvorschrift in Fiktionsform“152 komme es nämlich, anders als bei der Auslegung, nicht auf den subjektiven Willen der Beteiligten an, sondern „allein auf die objektive Üblichkeit der Entgeltlichkeit“; die Fiktion gelte „ohne Rücksicht auf den wirklichen Parteiwillen kraft Gesetzes als gewollt.“153 Damit mache sie dem Richter eine Auslegung unmöglich.154 Bei §§ 108 Abs. 2 S. 2, 177 Abs. 2 S. 2, 415 Abs. 2 S. 2, 416 Abs. 1 S. 2 und 516 Abs. 2 S. 2, BGB schafften die gesetzlichen Anordnungen „Abhilfe bei Säumnis“, indem das Gesetz durch die Anordnung negativer oder positiver Säumniswirkung dafür sorge, dass die Beendigung des Schwebezustands nicht auf Dauer im Belieben des Säumigen stehe.155 Wer das Schweigen in den genannten Fällen als Fiktion versteht, blendet jedoch aus, dass Willenserklärungen nach zutreffender Ansicht auch sonst nicht vom inneren Willen des Erklärenden abhängen. Dass eine rechtlich verbindliche Willenserklärung vorliegt, ist unabhängig davon, ob der Erklärende dies wollte oder nicht. Der im Einzelfall fehlende Wille ist also keine Eigenheit des Schwei-

146 

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 254. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 255. 148  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 256. 149  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 26. Später schreibt er (S. 40), die Fiktion schaffe „keinerlei juristische Wahrheit“, die Grenzen der Gleichsetzung ergäben sich jeweils aus dem Zweck der Verweisung. 150  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 29. Vgl. auch Kühle, Der Dualismus von ausdrücklicher und stillschweigender Willenserklärung, 2009, S. 141 („gesetzlich angeordnete Vereinbarung“). 151  Er stellt sich hiermit vor allem gegen die Ansichten von Lotmar, Der Arbeitsvertrag, Bd. 1, 1902, S. 124 Fn. 3; Oertmann, Kommentar zum BGB, 2. Aufl. 1906, § 612 Rn. 2. Auch in Mot. II, S. 459 (= Mugdan II, S. 256) wird von einer „Auslegungsregel“ gesprochen. 152  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 77. 153  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 76. So auch Hanau, AcP 165 (1965), 220, 265. 154  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 80. Etwas anders MüKo‑BGB/ Armbrüster, 8. Aufl. 2018, Vor § 116 Rn. 12: „Solche gesetzlichen Erklärungsfiktionen dienen der Rechtssicherheit, indem sie eine Auslegung des Verhaltens im Einzelfall entbehrlich machen.“ 155  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 58 ff. 147 

B. Dogmatische Einordnung

141

gens, die einer besonderen Begründung bedarf und den Rückgriff auf die Fiktion rechtfertigt. Manigk verwendet § 416 Abs. 1 S. 2 BGB, um den Unterschied zwischen Fiktion und Auslegungsregel zu erläutern. Bei § 416 Abs. 1 S. 2 BGB schließe der Gesetzgeber eine Auslegung aus, „indem eine Erklärung der Genehmigung als erteilt gelten soll, obgleich sie nicht erteilt ist.“156 Diese Fiktion versehe das Verhalten mit einem Sinn, der durch Auslegung nicht entkräftet werden könne.157 Die Genehmigungswirkung trete nicht eigentlich durch das Schweigen ein, sondern „auf Grund des gesetzlich dort angegebenen, aus einer Reihe von Elementen zusammengesetzten Tatbestandes […], weil das Recht der Selbstgestaltung des Gläubigers mit Ablauf der Frist verwirkt ist“.158 Mit Ablauf der Frist übernehme „das Gesetz die Wertung des Verhaltens durch Normung.“159 Zu diesen „gesetzlich typisierte[n] Erklärungen“ zählt er neben § 416 Abs. 1 S. 2 BGB auch §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2, 415 Abs. 2 S. 2, 496, 516 Abs. 2, 612, 632, 653, 689 BGB sowie §§ 362, 377 Abs. 2, 3 HGB.160 Gleichwohl rechnet Manigk diese „gesetzlich typisierten Erklärungen mit normativer Wirkung“ sowie die diesen entsprechenden Typisierungen durch Verkehrssitte161 „dem Gebiet der Privatautonomie“ zu, weil sie der rechtlichen Selbstgestaltung dienten.162 Die gesetzlich normierte Wirkung trete nur ein, wenn der Verkehrsteilnehmer das vorausgesetzte Verhalten an den Tag lege; er könne eine andere als die gesetzlich normierte Wirkung hervorrufen, indem er sich entsprechend erkläre.163 Den von Manigk geprägten Begriff der typisierten Erklärung mit normativer Wirkung greift Krause auf.164 Sodann führt er aus: „Weil hier in den beteiligten Kreisen dem Schweigen ganz allgemein die Bedeutung einer Annahmeerklärung beigelegt wird, hat das Gesetz diese Wirkung von den Zufälligkeiten, denen sie bei der jedesmal notwendigen Feststellung einer Willenserklärung ausgesetzt ist, losgelöst und typisiert.“165

156 

Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 105 f. Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 106. 158  Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 106. 159  Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 108. 160  Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 107 f., 279. 161  Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 280 ff. Kritisch Kuchinke, JZ 1965, 167, 170. 162  Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 279. An anderer Stelle bezeichnet er diese Fälle sogar als echte stillschweigende Willenserklärung, vgl. Manigk, FS Ernst Heymann, Bd. II, 1931, S. 590, 631. 163  Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 279. 164  Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 127 mit Verweis auf Manigk, Irrtum und Auslegung, 1918, S. 274. 165  Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 127. 157 

142

§ 4  Schweigen als Willenserklärung

Gegen die Lehre von der „verkehrsmäßig typisierenden Erklärungsbedeutung“ wendet sich Kindl.166 Zunächst einmal sei, das habe Franz Bydlinski zutreffend herausgearbeitet,167 fraglich, wann eine Verkehrssitte die Bedeutung eines Verhaltens abschließend festlege und nicht nur eine von mehreren Elementen darstelle, die bei der Auslegung zu berücksichtigen seien.168 Die Feststellung einer typisierenden Wirkung sei zudem im Ergebnis wenig hilfreich, weil stets doch auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden müsse, etwa um festzustellen, ob der Inhalt eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens so weit vom Vereinbarten abweiche, dass der Absender nicht mit einer Billigung habe rechnen können.169 Auch Kindl erkennt aber etwa in § 362 Abs. 1 HGB eine „Annahmefiktion“.170 Die Norm beruhe auf einem lange bestehenden Handelsbrauch; in ihr könne eine „gesetzliche Fixierung der Umstände gesehen werden, die dem nicht unverzüglichen Widerspruch Schlüssigkeit im Sinne einer Zustimmung verleihen“.171 Lägen diese Umstände vor, bestehe „aus der Sicht des Offerenten eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Annahmewillens des Oblaten, die dadurch verstärkt wird, daß der Oblat in der Regel ja Vorteile aus dem Abschluß eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags hat.“172 § 362 Abs. 1 HGB sei dementsprechend eine „Verkehrs- und Vertrauensschutzregelung, die der Schnelligkeit und Klarheit der Abwicklung der von dieser Vorschrift erfaßten Geschäfte ebenso dient wie dem Schutz des Vertrauens des Offerenten“.173 Interessanterweise bedient sich Kindl damit für die Begründung, warum § 362 Abs. 1 HGB bei fehlendem Annahmewillen des Schweigenden eine Fiktion normiere,174 eines Arguments, das für das Vorliegen einer Willenserklärung spricht: Aus den Umständen des Schweigens ergebe sich „eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Annahmewillens des Oblaten“.175 Dieser Gedanke findet sich nicht nur bei ihm. Wie eben gesehen, verweist Krause 166 

Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 153 ff. F. Bydlinski, FS Flume, Bd. I, 1978, S. 335, 347 f.; ders. Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, 1967, S. 81 f. 168  Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 153. 169  Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 154. 170  Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 160. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben will Kindl in enger Anlehnung an § 362 Abs. 1 HGB einordnen (S. 195 ff.). 171  Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 162. 172  Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 163. 173  Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 163. 174  In der „überwiegenden Mehrzahl der Fälle“, in denen der Schweigende über Annahmewillen verfüge, ist das Schweigen nämlich nach Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 164 „als echte Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten aufzufassen.“ Ähnlich bereits Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 945. 175  Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 163. 167 

B. Dogmatische Einordnung

143

auf das Verkehrsverständnis, welches „dem Schweigen ganz allgemein die Bedeutung einer Annahmeerklärung“ beilege.176 Und Armbrüster führt aus, das Schweigen stelle ein Verhalten dar, welches „generell den Schluss auf den entsprechenden Geschäftswillen“ zulasse.177 Bei objektiver Auslegung ist das Schweigen demnach als Annahme zu werten. Es verwundert, dass die Autoren das Vorliegen einer Willenserklärung durch Schweigen gleichwohl ablehnen.

2. Gesetzeswirkung Den Vertretern der Fiktionswirkung sehr nah ist die Ansicht, nach der es sich bei den gesetzlich normierten oder gewohnheitsrechtlich anerkannten Fällen des Schweigens mit Erklärungswert um „reine Gesetzeswirkungen“178 oder „Rechtssätze“ handele,179 deren Tatbestandsvoraussetzung das Schweigen sei. Der Unterschied zwischen den beiden Ansichten besteht in der dogmatischen Konstruktion: Bei der einen Ansicht beruht die Erklärungswirkung auf einer fingierten Willenserklärung, bei der anderen folgt die Wirkung unmittelbar aus der Norm. Auch Oertmann stellt fest: „Der Unterschied [der Fiktionswirkung] von auch äußerlich reinen Gesetzeswirkungen ist dabei nur der, daß die Denkfigur einer Willenserklärung verwendet wird. Aber diese Anknüpfung ist eine rein konstruktive, der Unterschied gegenüber reinen Gesetzeswirkungen an sich nur formell.“180

Besonders nachdrücklich spricht sich Flume für eine Gesetzeswirkung aus. Das Schweigen mit Erklärungswirkung sei ein aliud zum Rechtsgeschäft. Wenn die Rechtsgeschäftslehre ihren Sinn nicht verlieren wolle, dürfe unter einem Rechtsgeschäft nur der „Akt schöpferischer Gestaltung von Rechtsverhältnissen nach dem Willen des Einzelnen“ verstanden werden.181

176 

Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 127. 8. Aufl. 2018, Vor § 116 Rn. 12. 178  Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 279. 179  Bickel, Die Methoden der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, 1976, S. 137; Flume, AcP 161 (1962), 52, 65. Dies gilt nach Flume selbst für ungeschriebene Fälle wie das kaufmännische Bestätigungsschreiben (S. 66). Bickel fasst den Begriff des Rechtssatzes entsprechend weit als die „‚durch Rechtswissenschaft und Rechtsprechung‘ aufgestellten Rechtssätze“ (S. 137). 180  Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 279. Vgl. auch Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 945 f.: „Nicht auf privatautonomer Gestaltung beruhen daher diejenigen Rechtsfolgen, die zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes ebenfalls aus einem der Willenserklärung gleichgestellten Verhalten abgeleitet werden, wobei aber in Wahrheit nur eine Gleichsetzung der Wirkung, nicht dagegen von Verhalten und Willenserklärung bezweckt war.“ 181  Flume, AcP 161 (1962), 52. Wer anderer Ansicht sei, „vergeht sich gegen einen Grundwert unserer Rechtsordnung, das Prinzip der Privatautonomie.“ (55). 177 MüKo-BGB/Armbrüster,

144

§ 4  Schweigen als Willenserklärung

Er kritisiert: „Im 19. Jahrhundert zog man durch die Fiktion der ‚stillschweigenden‘ Willenserklärung die Tatbestände rechtlich relevanten Verhaltens zur Willenserklärung. […] Soweit dagegen die moderne Lehre die Willenserklärung zu dem rechtlich relevanten Verhalten zieht, wobei es nicht mehr nur um eine Gleichstellung durch Fiktion geht, hat sie sich um das Verständnis sowohl der Willenserklärung wie des rechtlich relevanten Verhaltens gebracht.“182

Schweigen sei keine Willenserklärung, sondern es sei „als Nichterklärung, als Verhalten des Nicht-Erklärens“183 Tatbestandsmerkmal bestimmter Rechtssätze, etwa beim kaufmännischen Bestätigungsschreiben.184 Wer anders argumentiere, also der Erklärungstheorie folge, der, so Flume, bestimme „nach dem pathologischen Rechtsgeschäft den Begriff des Rechtsgeschäftes“.185 Dies gelte, obwohl das Gesetz davon ausgehe, „daß die ex lege eintretende Rechtsfolge den Interessen des Betroffenen und damit auch seinem Willen entspricht.“186 Auch Fabricius spricht von „pathologischen Fällen“187 und kritisiert: „Das Verfahren, durch Minimalisierung der Voraussetzungen eines Begriffsinhaltes einen Rechtssatz für einen sonst von ihm nicht erfaßten Sachverhalt passend zu machen, kennzeichnet die Begriffsjurisprudenz derjenigen Richtung, die dem heutigen, an materialer Betrachtungsweise ausgerichteten Rechtsbewußtsein nicht gerecht wird und daher abzulehnen ist.“188

Hiergegen lässt sich mit Krause entgegnen: Das Schweigen als Willenserklärung anzusehen orientiert sich gerade nicht an dem pathologischen Fall, dass der Schweigende unbewusst schweigt, sondern an dem Regelfall, dass er „in dem klaren Bewußtsein, dadurch eine Zustimmung auszudrücken“ oder seine Ablehnung zu erklären, schweigt.189 Die rechtliche Regelung führt damit in aller Regel zu einem Gleichlauf von subjektivem Willen des Schweigenden und rechtlicher Wirkung seines Verhaltens. 182 

Flume, AcP 161 (1962), 52, 59. Flume, AcP 161 (1962), 52, 66. 184  Flume, AcP 161 (1962), 52, 65 f. 185  Flume, AcP 161 (1962), 52, 53. Vgl. auch Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 142, der ähnlich wie Flume der Ansicht ist, den Begriff der Willenserklärung höhle aus, wer das Schweigen als rechtsgeschäftliche Handlung werte. Wenn der Begriff der Willenserklärung „als Mittel der privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen nach dem Willen des Erklärenden seines Sinnes nicht völlig entleert werden soll, dann kann das Fehlen des Erklärungsbewußtseins nur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Erklärung zur Folge haben. Bei einer endgültigen Bindung des ohne Erklärungsbewußtsein Schweigenden verbleibt dagegen nicht einmal ein ‚rudimentärer Rest von Selbstbestimmung‘, so daß es wenig sinnvoll erscheint, die Rechtsfolge des § 362 I HGB in jedem Fall mit den Mitteln der Rechtsgeschäftslehre erklären zu wollen.“ 186  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 10 5, S. 130. 187  Fabricius, JuS 1966, 50. 188  Fabricius, JuS 1966, 50. 189  Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 134. 183 

B. Dogmatische Einordnung

145

Im Übrigen erfordern Willenserklärungen keineswegs stets einen „Akt schöpferischer Gestaltung“. Willenserklärungen und eine etwaig damit einhergehende vertragliche Bindung sind nicht von einem entsprechenden subjektiven Willen abhängig, sondern allein von dem äußeren Erscheinungsbild des Verhaltens. Hinsichtlich des (entscheidenden) äußeren Tatbestands ist die Ansicht von Flume und Fabricius aber ebenfalls zu eng. Eine Willenserklärung erfordert nicht die Verwendung von Erklärungszeichen, die den Anforderungen des allgemeinen Sprachgebrauchs an eine (aus verbalen Kommunikationszeichen bestehende) „Erklärung“ genügt. Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung kann bereits dann erfüllt sein, wenn sich der Erklärende nonverbaler Erklärungszeichen bedient hat. Erforderlich ist lediglich ein Verhalten, dem nach den Umständen in der konkreten Situation ein bestimmter Erklärungswert zukommt. Diese Voraussetzung kann unter Umständen auch Schweigen erfüllen. Eine ähnliche Ansicht wie Flume hatte bereits Oertmann vertreten. Sowohl bei den stillschweigenden Vergütungsvereinbarungen als auch in anderen Fällen des Schweigens (§§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2, 415 Abs. 2 S. 2, 416 Abs. 1 S. 2, 516 Abs. 2 S. 2 BGB, § 362 HGB) handele es sich um gesetzliche Anordnungen: „M.E. stehen in allen diesen Fällen reine Gesetzeswirkungen in Frage, nicht Auslegungsregeln oder sonstige Vermutungen. Denn ob der Tatbestand irgendeines bewußten Parteiverhaltens vorlag, kann man gar nicht sagen, jedenfalls kommt es darauf in keiner Weise an.“190 An anderer Stelle führt Oertmann aus, die Wirkung des Schweigens knüpfe das Gesetz an einen Tatbestand, der „an sich keinen geschäftlichen Charakter aufweist, sondern bloße Tatsache ist.“191 Bei § 362 HGB etwa gelte das Schweigen „nicht nur als objektiver Tatbestand der Annahmeerklärung, sondern als Annahmehandlung überhaupt; der Vertragsschluß setzt sich hier einfach, wie sonst aus Angebot und Annahme, aus Angebot und Schweigen zusammen, von weiteren subjektiven Erfordernissen, insbesondere von einem Erklärungsbewußtsein, ist keine Rede.“192

Warum das Schweigen eines Kaufmanns auf ein Bestätigungsschreiben keinen „geschäftlichen Charakter“ haben soll, bleibt bei diesen Ausführungen zweifelhaft. Das Verhalten eines Kaufmanns im Handelsverkehr hat letztlich in jeder Situation geschäftlichen Charakter, weil er als Geschäftsmann und nicht als Privatperson handelt. Ob er dabei aktiv erklärt oder auf die Erklärung eines anderen hin passiv bleibt, ist gleichgültig, solange diese fremde Erklärung tatsächlich in seinen Machtbereich gelangt ist. So verlangt richtigerweise auch Oertmann, dass die „Passivität eine subjektive Beziehung auf das dem Empfänger zugegan190  Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 279. 191  Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 10. 192  Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 9.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

gene Angebot haben“ muss.193 Der Schweigende müsse über Handlungs- bzw. Unterlassungswillen verfügen: „Bei der hier formulierten Frage dagegen kann es nur darauf ankommen, ob das Schweigen der Ausdruck eines auf das Passivbleiben selbst gerichteten Willensentschlusses, ob es sozusagen: willentlich und wissentlich sein muß.“194 Wenn der Schweigende noch nicht einmal Kenntnis von dem Antrag erlangt hätte, sei sein Schweigen „nicht Ergebnis eines psychischen Ueberlegungsprozesses, sondern ein reines Nichts“.195

3. Vertrauensprinzip Eine starke Meinung sieht einige Fallgruppen des Schweigens als Ausdruck des Vertrauensprinzips bzw. der Rechtsscheinhaftung an.196 Es werde, so Coing, nicht an einen Geschäftswillen angeknüpft, sondern an den Eindruck, der bei einem redlichen und vernünftigen Geschäftspartner hervorgerufen werde.197 Weil die Vertreter der Rechtsscheinhaftung das Schweigen mit Erklärungswert nicht nur dogmatisch einordnen, sondern mit dem Vertrauensprinzip zugleich und vor allem eine Rechtfertigung für die Bindung des Schweigenden liefern, lässt sich diese Ansicht nicht trennscharf von den bisher genannten unterscheiden. Das Vertrauensprinzip wird auch bemüht, um eine Fiktions- oder Gesetzeswirkung zu rechtfertigen. Nach Canaris stellt etwa § 362 HGB einen gesetzlich geregelten Fall der Rechtsscheinhaftung dar.198 Sei das Schweigen nicht als Annahme gemeint gewesen, liege lediglich der „Schein einer Annahme“ vor, das Schweigen sei dann „nur scheinkonkludent“.199 Indem das Gesetz diesen Schein der Wirklichkeit gleichstelle, lege es die Bedeutung des Verhaltens „typisierend“ fest. 200

193 

Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 10. Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 10. 195  Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 10. Die fehlende Kenntnisnahme beruhe allerdings oftmals auf einer Pflichtverletzung und begründe daher regelmäßig eine Haftung auf das negative Interesse. Vgl. hierzu auch Diederichsen, JuS 1966, 129, 133. 196  Zur Rechtsscheinhaftung als Erscheinungsform der Vertrauenshaftung vgl. nur Singer, FS Canaris 80. Geb., 2017, S. 425, 426 ff. 197  Vgl. Staudinger/Coing, 11. Aufl. 1957, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 3 ff. 198  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 200; Staub/ders., 4. Aufl. 2004, § 362 HGB Rn. 4; ders., Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 23 Rn. 3. Vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl, 5. Aufl. 1976, § 362 HGB Rn. 16; Oetker, Handelsrecht, 8. Aufl. 2019, § 7 Rn. 24. 199  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 200 [Kursivierungen im Original]. 200  Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 23 Rn. 3. Vgl. auch ders., Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 200; Lettl, JuS 2008, 849, 850; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 18 sowie, kritisch, Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, S. 150 ff. 194 

B. Dogmatische Einordnung

147

Auch bei der Wertung eines Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben als Annahme handele es sich um Rechtsscheinhaftung. 201 Die Wertung sei dadurch zu rechtfertigen, dass ein ordentlicher Kaufmann widerspräche, wenn er mit dem Inhalt eines Bestätigungsschreibens nicht einverstanden sei. 202 Mit dieser „typisierten Verkehrssitte“ werde „ein gesteigerter Vertrauenstatbestand“ begründet. 203 Diederichsen sieht in dem Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben einen „Vertrauenstatbestand, der zwischen den Parteien ein vertragsgleiches Rechtsverhältnis mit dem in dem Schreiben festgesetzten Inhalt entstehen läßt.“204 Es gehe darum, „die konstitutive Wirkung des Bestätigungsschreibens unabhängig vom Willen des Schweigenden, ja gegen ihn durchzusetzen.“205 Die Annahmeerklärung werde also aufgrund des Vertrauensschutzgedankens fingiert. 206 Ähnlich argumentiert auch Hübner: „Nicht rechtsgeschäftliche Konsequenz, sondern Reflexwirkung aus der Verhaltensweise trifft den, dem zugerechnet wird.“207 Diese Haftung greife unter drei Voraussetzungen: Es liege ein Vertrauenstatbestand vor, der Dritte sei schutzwürdig, und der Vertrauenstatbestand sei dem Handelnden zurechenbar. 208 Beim Vertrauenstatbestand will Hübner die Umstände durch „einen Maßstab des ‚Sozialtypischen‘“ bewerten. 209 Ob der Vertrauenstatbestand dem Handelnden zurechenbar sei, hänge auch von Verkehrsschutzaspekten ab. 210 Frotz argumentiert ähnlich, wenn er schreibt, in gewissen Bereichen des Rechtsverkehrs bestehe eine „gesteigerte soziale Verantwortung für missverständliches Verhalten in Rechtsverhältnissen“. 211 Sie setze das Bestehen „einer objektiven Vertrauensgrundlage für den Geschäftsgegner“ voraus. 212 Aus Sicht des Gegners müsse „der bei sorgfältiger Verstehensbemühung als gewollte Ver201  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 206. Vgl. auch Wolf/ Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 18, § 37 Rn. 48. 202  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 206 f. 203  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 219. 204  Diederichsen, JuS 1966, 129, 139. 205  Diederichsen, JuS 1966, 129, 133. 206  Diederichsen, JuS 1966, 129, 135. 207  Hübner, FS Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 373, 378. 208  Hübner, FS Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 373, 386 f. 209  Hübner, FS Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 373, 386. 210  Hübner, FS Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 373, 388: „Die Begünstigung von Verkehrsschutz­ interessen kann allerdings auch zu Verschärfungen i. S. eines Einstehenmüssens schlechthin führen, so insbesondere im Wertpapierrecht, beim Scheinkaufmann.“ 211  Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, S. 482 ff., 486. Kritisch hierzu Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 150: „[D]as Vorliegen von rechtlichen Sonderbeziehungen [kann] zwar zu einer Steigerung der Verantwortung der Parteien führen; diese findet ihren Ausdruck aber in der Begründung von Pflichten und einer entsprechenden Haftung aus c.i.c.“ 212  Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, S. 483.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

haltensfolge zu deutende Tatbestand“, den der Schweigende gesetzt habe, den „Erklärungswert einer Willenserklärung“ haben.213 In Folge dessen sei dem Erklärenden die Berufung auf sein fehlendes Erklärungsbewusstsein versagt;214 die Annahme der Erklärung werde fingiert. 215 Gegen die Einordnung – insbesondere des § 362 HGB – als Haftung für Rechtsschein wird angeführt, die Norm sanktioniere nicht das Setzen eines Rechtsscheins, sondern mache den Anschein einer Annahme überflüssig, weil hiernach das Schweigen als Annahme gelte. 216 Zudem suggeriere der Ausdruck der Rechtsscheinhaftung fälschlicherweise, dass die Regeln der Rechtsgeschäftslehre, vor allem der Willensmängel, insgesamt nicht gelten würden. 217 Die Wirkungen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens mit dem Vertrauensprinzip zu rechtfertigen, lehnt vor allem Franz Bydlinski vehement ab. Die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens seien mit dem Vertrauensprinzip in dreierlei Hinsicht unvereinbar. Erstens erforderten die Rechtswirkungen des Schweigens keine Würdigung des Einzelfalls, sondern träten auch ein, wenn eine schlüssige Zustimmung nach den Umständen des Einzelfalls nicht gerechtfertigt erscheine. 218 Zweitens sei Fahrlässigkeit des Absenders oder etwaiger Hilfspersonen unerheblich. 219 Drittens erwecke das Schreiben einen bloß deklaratorischen Anschein 220 und sei „weder objektiv noch vom Absender her subjektiv als Vertragsoffert gefaßt“, so dass sich nicht erschließe, warum es gleichwohl konstitutive Wirkung haben solle.221 Gegen Diederichsen, Hübner und Frotz lässt sich zudem einwenden, dass keiner der drei überzeugend darzulegen vermag, warum das rechtlich relevante Schweigen keine echte Willenserklärung darstellen soll. Die von Hübner an213 

Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, S. 483. Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, S. 483 ff. Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 150, kritisiert, nach der Ansicht von Frotz müsse ein fehlendes Erklärungsbewusstsein regelmäßig unbeachtlich sein, weil in den meisten Fällen des missverständlichen Verhaltens bereits ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien bestehe. 215  Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, S. 483. 216 Vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 39: „Nicht weil der Empfänger den Schein einer Willenserklärung erweckt, gilt sein Schweigen als Annahme. Der Vertrag ist vielmehr geschlossen, weil eine Annahme – und damit auch deren Schein! – von Rechts wegen entbehrlich ist.“ 217  Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 152. 218  F. Bydlinski, FS Flume, Bd. I, 1978, S. 335, 343 f. mit Verweis auf BGHZ 11, 1. 219  F. Bydlinski, FS Flume, Bd. I, 1978, S. 335, 344. Weil schwer nachzuweisen sei, dass der Absender des Bestätigungsschreibens bewusst von dem abgewichen sei, was die Parteien vorher vereinbart hatten, schüfen die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens einen „ständigen Anreiz zur Verfälschung des Vereinbarten“. 220  F. Bydlinski, FS Flume, Bd. I, 1978, S. 335, 344. 221  F. Bydlinski, FS Flume, Bd. I, 1978, S. 335, 346. 214 

B. Dogmatische Einordnung

149

gesprochene „Reflexwirkung“ ist keine Besonderheit des Schweigens. Bei jeder Willenserklärung wird durch ein bestimmtes Verhalten eine Rechtsfolge (reflexartig) ausgelöst. Die von Frotz geforderte „objektive Vertrauensgrundlage“ und der vom Erklärungsempfänger „bei sorgfältiger Verstehensbemühung“ festgestellte Erklärungswert sind keineswegs nur Voraussetzungen einer Rechtsscheinhaftung, sondern stellen zugleich und in erster Linie die Basis für das Vorliegen einer Willenserklärung dar. Gleiches gilt für den Eindruck, den das Verhalten des Schweigenden beim Erklärungsempfänger nach Coing hinterlassen müsse, sowie für die von Canaris geforderte „typisierte Verkehrssitte“, die vermuten lasse, dass der Schweigende die Rechtsfolge wünsche, welche das Gesetz anordne. Beides sind objektive Anhaltspunkte, aufgrund derer das Schweigen bei objektiver Auslegung als Willenserklärung zu werten ist. 222

4. Pflicht- bzw. Obliegenheitsverletzung Nach Fabricius wird der Schweigende gebunden, weil er eine Pflichtverletzung begangen hat. 223 Das Schweigen mit Erklärungswert sei Teil des „privaten Sozialrecht[s]“, das abzugrenzen sei vom „privaten Individualrecht“, welchem die Willenserklärung unterfalle. 224 Auch in Urteilen des BGH findet sich die Aussage, es gebe keinen Grund von der Auffassung abzurücken, „wonach die Rechtswirkungen, die dadurch ausgelöst werden, daß der Empfänger eines Bestätigungsschreibens dieses unbeantwortet läßt, nicht auf seiner – zu unterstellenden – zustimmenden Willenserklärung, sondern darauf beruhen, daß er nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Anschauungen des Verkehrs für verpflichtet gehalten wird, dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zu widersprechen, wenn es nicht als genehmigt angesehen werden soll.“225

Zu Recht wird kritisiert, die Erklärungswirkung des Schweigens lasse sich nicht dadurch erklären, dass der Schweigende zur Erklärung verpflichtet gewesen sei; eine Pflichtverletzung vermöge lediglich eine Schadensersatzpflicht zu begründen. 226

222 

So auch Kellmann, JuS 1971, 609, 616. Fabricius, JuS 1966, 50, 58 f. mit Beschreibung der einzelnen Fälle des Schweigens auf S. 54 ff. 224  Fabricius, JuS 1966, 50, 58. 225  Vgl. BGHZ 20, 149, 153 f. 226  Vgl. etwa Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 83; Diederichsen, JuS 1966, 129, 134 f.; RGRK/v. Godin, 2. Aufl. 1963, § 346 HGB Rn. 16h; Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 146 f.; Hanau, AcP 165 (1965), 220, 236 f.; Oßwald, Der sogenannte Vertragsschluss durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben, 1972, S. 103; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 41. 223 

150

§ 4  Schweigen als Willenserklärung

Hanau, 227 Reimer Schmidt 228 und andere229 sind der Ansicht, dieses Problem lasse sich umgehen, wenn man das Schweigen als Obliegenheits- statt als Pflichtverletzung begreife. 230 Das Handlungsgebot der Obliegenheit ziele, anders als die Rechtspflicht, nicht auf die Herbeiführung rechtmäßigen Verhaltens ab; es solle lediglich die Voraussetzungen für den Eintritt oder Nichteintritt von Rechtsfolgen schaffen.231 Dementsprechend führe eine Obliegenheitsverletzung auch zu anderen Rechtsfolgen als eine Pflichtverletzung. 232 Nach Hanau lässt sich die Erklärungswirkung des Schweigens in allen Fällen auf eine solche Obliegenheitsverletzung zurückführen:233 „Gesetz, Verkehrssitte und Rechtsprechung belasten die Schweigenden mit Obliegenheiten und knüpfen an deren Verletzung die Erklärungswirkung“. 234 Die Obliegenheit trete also an die Stelle des erklärten Willens, 235 die Erklärungswirkung sei „Sanktion“ ihrer Verletzung. 236 § 663 BGB, der keine Haftung auf das positive, sondern nur auf das negative Interesse anordne, stelle eine „positiv-rechtliche Ausnahmeregelung“ dar. 237 Gegen diese Ansicht wird mit Recht vorgebracht, es leuchte nicht ein, „daß es Pflichten minderen Ranges geben soll[e], die schärferen Sanktionen unterliegen.“238 Gewöhnlich begründe eine Obliegenheit kein Vertragsverhältnis, sondern sie entstehe aus einem solchen Verhältnis. 239 Die Verletzung einer Obliegenheit führe zum Verlust bestehender (eigener) Rechte und nicht zur Begründung neuer vertraglicher Bindung. 240 Werba weist zudem darauf hin, dass der Schweigende die Erklärungswirkung regelmäßig durchaus willentlich (durch sein Schweigen) herbeiführt; der Vorwurf der Obliegenheitsverletzung passe 227 

Hanau, AcP 165 (1965), 220, 236 ff. R. Schmidt, Die Obliegenheiten, 1953, S. 121 ff., 192. 229  Vgl. etwa Bülow, AcP 62 (1879), 1, 80 ff.; Krause, BB 1955, 265, 267; ders., FS Erich Molitor, 1962, S. 383, 399; Kuchinke, JZ 1965, 167, 174. 230  Hanau, AcP 165 (1965), 220, 237. Offen gelassen von Fabricius, JuS 1966, 50, 59. 231  Hanau, AcP 165 (1965), 220, 239. 232  Hanau, AcP 165 (1965), 220, 237 f. Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 83 steht dem sehr skeptisch gegenüber. Seiner Ansicht nach steht die Theorie der Obliegenheitsverletzung im „Widerspruch zu den Grundsätzen über die Folgen einer Pflichtverletzung“; wie eine Obliegenheitsverletzung zu einer Erfüllungshaftung führen könne, sei unerklärlich. Vgl. auch Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 108. 233  Hanau, AcP 165 (1965), 220, 237. Hiergegen Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 79. 234  Hanau, AcP 165 (1965), 220, 239. 235  Hanau, AcP 165 (1965), 220, 242, 248. 236  Hanau, AcP 165 (1965), 220, 242. 237  Hanau, AcP 165 (1965), 220, 244. 238  Ballerstedt, ZHR 121 (1958), 78, 82. Vgl. auch die Kritik von Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 147 f.; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 41, 71. 239  Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 83. Zu Obliegenheiten grundsätzlich Hähnchen, Obliegenheiten und Nebenpflichten, 2010. 240  So auch Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 83. 228 

B. Dogmatische Einordnung

151

dann nicht. 241 Versteht man Begriff und Rechtsfolge einer Obliegenheitsverletzung so weit wie die Vertreter der Theorie der Obliegenheitsverletzung, lässt sich letztlich jede (ungewollte) rechtliche Bindung auf eine solche Verletzung zurückführen.

5. Kontrahierungszwang Götz kritisiert, die Vorschriften über Willenserklärungen als Zurechnungstatbestände anzusehen, sei „zu positivistisch“:242 Dieser Ansatz vermenge „den Zwang in Rechtsverhältnisse auf Grund rechtlicher Wertung wegen eines bestimmten Verhaltens und das freiwillige Eingehen von Rechtsverhältnissen auf Grund des Gestaltungswillens des einzelnen.“243 Auch die Ansicht, nach der die gesetzlich geregelten und gewohnheitsrechtlich anerkannten Fälle des Schweigens mit Erklärungswert Willenserklärungen fingierten, sei abzulehnen. Es komme nicht ein gewöhnlicher Vertrag zustande, sondern ein „Schuldverhältnis besonderer Art […], auf das dann lediglich die für ein entsprechendes, durch Vertrag begründetes Schuldverhältnis geltenden Bestimmungen angewendet werden.“244 In der Bindung aufgrund von Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben sowie auf eine verspätete oder eine modifizierte Annahmeerklärung (§ 150 Abs. 1, 2 BGB) erkennt Götz die „Oktroyierung eines Kontrahierungszwangs“:245 „Die Privatautonomie (Abschlußfreiheit) wird im Rahmen eines solchen besonderen Kontakts für den Empfänger darauf beschränkt, daß er nur das Recht hat, sich durch eine entsprechende rechtzeitige Erklärung von der bedingt eingetretenen Bindung zu befreien.“246 Dieser Zwang diene dazu, eine Verkehrsstörung zu verhindern oder auszuräumen und Rechtsverhältnisse klarzustellen. 247 Er sei nur dann gerechtfertigt, wenn folgende Voraussetzungen gegeben seien:248 Die Parteien stünden in einem besonderen sozialen Kontakt. Derjenige, der das Schreiben verfasst bzw. die Annahme erklärt habe, habe dies innerhalb einer angemessenen Frist getan und verfüge über gewisse subjektive Voraussetzungen. Das Schreiben bzw. die modifizierte Annahme erfüllten bestimmte inhaltliche Voraussetzungen. Schweigen bzw. Annahme seien zugegangen. Ein Widerspruch liege trotz Ablaufs der Widerspruchsfrist nicht vor. 241 

So auch Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 91. Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 58. 243  Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 58. 244  Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 50. 245  Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 238. 246  Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 238 [Kursivierung im Original]. 247  Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 243. 248  Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 243 ff. 242 

152

§ 4  Schweigen als Willenserklärung

Die Liste der Voraussetzungen ist also lang, das Schweigen mit Erklärungswert lässt sich nur mit erheblichem Aufwand als Anwendungsfall eines Kontrahierungszwangs konstruieren. Zudem wäre die Möglichkeit des opt-out systemwidrig. Das Recht legt Verkehrsteilnehmern einen Kontrahierungszwang ausnahmsweise dann auf, wenn ein so großes rechtliches Interesse an Abschluss und Durchführung des Vertrags besteht, dass es das Interesse des einzelnen Verkehrsteilnehmers an dem Nichtabschluss des Vertrages und damit an der Realisierung seiner negativen Vertragsabschlussfreiheit überwiegt. 249 Dies würde konterkariert, wenn der Verpflichtete – wie beim Schweigen – dem Zwang entgehen könnte, indem er seinen dem Kontrahierungszwang entgegenstehenden Willen äußert.

II. Objektive Theorie der Willenserklärung Bei der Erörterung der soeben diskutierten Ansichten klang bereits an, dass das Schweigen in den gesetzlich geregelten bzw. gewohnheitsrechtlich anerkannten Fällen objektiv den Erklärungswert hat, den ihm auch das Gesetz bzw. das Gewohnheitsrecht beimessen. Wenn die Wirksamkeit der Willenserklärung nicht vom Vorliegen subjektiver Tatbestandsmerkmale abhängt, lässt sich Schweigen damit unproblematisch als formlose Willenserklärung verstehen.250 Erforderlich ist aber stets, dass das Schweigen aufgrund der betreffenden Umstände objektiv einen Erklärungswert hat. Tut es dies nicht, ist das Schweigen ein recht­ liches Nichts. Etwaige Rechtsfolgen, die sich daran anknüpfen, treten dann aufgrund gesetzlicher Anordnung ein.

1. Grundsätze des Schweigens als Willenserklärung Für das Schweigen als Willenserklärung gelten damit im Grundsatz die gleichen Regeln wie für andere Willenserklärungen auch. Eine Regel, nach der Schweigen entweder stets oder nie ein rechtliches nullum ist, würde ökonomisch wenig Sinn machen (a)). Ob Schweigen im Einzelfall einen Erklärungswert hat und – wenn ja – welchen, ist durch Auslegung zu ermitteln. Wird dem Schweigen rechtlich der Inhalt zugesprochen, den ihm ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer in der betreffenden Situation beimessen würde, besteht zugleich eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich rechtlicher Erklärungswert und tatsächlicher Wille des Schweigenden decken (b)).

249  So bereits Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920, S. 7. Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 664 ff. 250 Ähnlich Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 89 f.

B. Dogmatische Einordnung

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a) Ökonomische Vorüberlegungen Auch das Schweigen einer Person ist ein Verhalten, das wie jedes andere auszulegen ist. 251 Eine strikte Regel, die besagt, dass Schweigen niemals Erklärung sein kann, wäre ökonomisch nicht sinnvoll. Sie wäre eine Formvorschrift – sie würde die Parteien verpflichten, ihre Erklärungen durch aktives Verhalten abzugeben – und würde damit, wie jede andere Formvorschrift auch, Kosten produzieren. Katz etwa befürchtet, dass diese zusätzlichen Kosten unter Umständen dazu führen könnten, dass gesellschaftlich nützliche Transaktionen unterbleiben.252 Auch dem Erklärungsgegner würden Kosten entstehen, weil er sich niemals mit dem (beredten) Schweigen seines Gegenübers begnügen könnte. So erkennt auch Canaris: „Zwar werden hier nicht selten Rückfragen einen Ausweg bieten, doch sind sie teils untunlich und teils auch angesichts der Geschwindigkeit des modernen Geschäftsverkehrs zu zeitraubend.“253 Derartige Kosten sind insbesondere dann verschwendet, wenn der anderen Seite bereits ohne eine aktive Handlung klar ist, was die Person mit ihrem (passiven) Verhalten erklärt. Richtigerweise ist daher allgemein anerkannt, dass Schweigen eine (konkludente) Willenserklärung darstellen kann, wenn die Parteien vereinbart haben, dass es zwischen ihnen rechtlich erheblich sein soll oder wenn sich dies aus ihren Gepflogenheiten ergibt. 254 Genauso wenig erstrebenswert wäre die entgegengesetzte Regel, dass Schweigen unabhängig von den betreffenden Umständen, also auch dann, wenn das sonstige Verhalten des Schweigenden keinerlei Anhaltspunkte dafür bietet, dass er den betreffenden Vertrag schließen will, eine zustimmende Willenserklärung darstellt. 255 Eine solche Regel würde Anreize für Verkehrsteilnehmer setzen, anlasslos Angebote zu unterbreiten, um Personen, die das Angebot nicht rechtzeitig (aktiv) ablehnen, in Verträge zu zwingen. 256 Dies wäre insbesondere deswegen eine erhebliche Ressourcenverschwendung, weil die Ablehnungsrate für 251  Vgl. auch MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, Vor §§ 116 Rn. 8 (es „besteht kein Grund für eine Sonderbehandlung des Schweigens“); Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, § 346 HGB Rn. 30 (Schweigen ist in der Regel keine Willenserklärung, „aber ein Element der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB und kann ausnahmsweise auch eine Willenserklärung darstellen“). 252  Katz, 9 J. L. Econ. & Org. 77, 78 (1993). 253  Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 87 f. 254  Vgl. MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, Vor §§ 116 Rn. 8; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 147 Rn. 7; Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 78; Fabricius, JuS 1966, 1, 11; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 5 2 a, S. 64; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 346; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 30; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 14. Kritisch Bickel, NJW 1972, 607, 609 f. Für eine derartige Vereinbarung durch AGB setzt § 308 Nr. 5 BGB Grenzen, vgl. Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 346; Wolf/­ Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 14. Hierzu auch schon oben A.II. 255  Vgl. auch Flume, AcP 161 (1962), 52, 69. 256 Vgl. R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, § 4.3, S. 106.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

unverlangte Angebote die Zustimmungsrate bei weitem übersteigt. Die große Mehrheit der Angebotsadressaten müsste dann aktiv tätig werden, um den Vertragsschluss zu verhindern – und die damit verbundenen Kosten tragen. 257 Jedwede strikte rechtliche Qualifizierung des Schweigens ist also abzulehnen. Im Einklang damit entschied die Erste Kommission, dass das BGB – anders als das Bayerische Landrecht258 – keine Regelung enthalten solle, nach der sich die Erklärungswirkung des Schweigens auf gesetzlich vorgesehene Fälle begrenzt: „Der Vortheil, den man von der Beseitigung eines leicht trüglichen Mittels der Willensäußerung sich zu versprechen geneigt sein möchte, wird überwogen durch die Unzuträglichkeiten und Härten, welche ein der Natur der Sache und den Lebensverhältnissen nicht entsprechender formeller Satz im Gefolge haben kann. Dazu kommt, daß die Fälle der ­Aeußerung durch bloßes Schweigen und diejenigen der stillschweigenden Willenserklärung durch andere Handlungen nicht selten in einander übergehen“. 259

Wann das Schweigen einer Person eine konkludente Willenserklärung darstelle, lasse sich nicht pauschal bestimmen. 260 Wenn für die rechtliche Bewertung des Schweigens also – wie bei anderem Verhalten auch – die Umstände des Schweigens einbezogen werden müssen, ergibt sich statt einer strikten Regel ein graduelles System: Die Bedeutung eines Verhaltens ist umso eindeutiger, je mehr Aufwand eine Person betreibt, um sich verständlich auszudrücken. Ob ein Vertrag geschlossen wurde, ist regelmäßig weniger zweifelhaft, wenn sich die Parteien schriftlich ausgetauscht haben, als wenn sie sich lediglich mündlich verabredet haben. Ein ausdrücklich geantwortetes „Ja“ ist klarer als ein Nicken. Das Maximum an Eindeutigkeit ist aber nicht erforderlich, damit Verhalten Rechtswirkungen erzeugt. Je nach Situation kann also auch Schweigen ausreichend sein.

b) Auslegung des Schweigens Welche Umstände erfüllt sein müssen, damit Schweigen Erklärungswirkung hat, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Die Erste Kommission wollte eine Willenserklärung durch Schweigen aber gleichwohl nur unter recht konkreten Voraussetzungen bejahen:

257  Vgl. hierzu auch Katz, 9 J. L. Econ. & Org. 77, 90 (1993): „For unsolicited offers, the rejection rate is close to 100 percent; so a rule that required individual householders to answer each piece of junk mail that arrives at their door, for instance, would be enormously inefficient.“ 258  Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, 1756, IV 1 § 5, S. 313. 259  Mot. I, S. 154 (= Mugdan I, S. 437). 260  Mot. I, S. 153 (= Mugdan I, S. 436).

B. Dogmatische Einordnung

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„Die Frage, ob im Schweigen die Aeußerung eines bestimmten Willensinhaltes zu finden sei, kann nur dann entstehen, wenn die Handlung eines Dritten vorliegt, welche geeignet ist, Anlaß zum Reden zu geben, wenn ferner der Betheiligte von diesem Vorgange Kenntniß hatte und wenn er in der Lage war, seinen Willen erklären zu können. Aber auch beim Vorhandensein dieser Voraussetzungen wird das Schweigen in der Regel eine Willenskundgebung nicht enthalten und im besonderen ändert die Stellung eines Präjudizes seitens des anderen Theiles hieran nichts. Ausnahmsweise können indessen die Umstände so liegen, daß sie die Annahme rechtfertigen, der Schweigende würde, falls er nicht zuzustimmen willens gewesen wäre, den entgegengesetzten Willen ausgesprochen haben. In diesen Fällen ist das Schweigen eine schlüssige Thatsache, das Unterlassen des Widerspruches eine stillschweigende Willenserklärung.“261

Die Ausführungen der Ersten Kommission lesen sich so, als hätte ihr eine Art Auslegungsregel vorgeschwebt: Wenn die genannten Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt sind, ist das Verhalten der Person als Willenserklärung auszulegen. Den (heutigen) § 612 BGB bezeichnet sie in den Motiven sogar explizit in diesem Sinne: „Die Aufnahme der in Abs. 2 enthaltenen, die stillschweigende Vereinbarung einer Vergütung betr. Auslegungsregel rechtfertigt sich durch die große praktische Wichtigkeit, welche erfahrungsmäßig derselben zukommt.“262 Vor allem in der älteren Literatur finden sich Stimmen, welche die stillschweigenden Vergütungsvereinbarungen nach §§ 612, 632, 653 und 689 Abs. 1 BGB ebenfalls in die Nähe von Auslegungsregeln rücken. Henle etwa konstatiert, die Vorschriften seien „nichts als spezielle Hinweise auf die Zulässigkeit stillschweigender Erklärung“.263 Lotmar stellt darauf ab, ob die Vergütungsvereinbarung „aus den Umständen folgt, […] unter denen die Vereinbarung der Arbeit vor sich geht.“264 Die individuellen subjektiven Erwartungen der Parteien seien insofern unerheblich; es komme allein darauf an, „daß nach den […] objektiven Voraussetzungen erwartet werden mußte, die Arbeit erfolge als zu entgeltende.“265 Man könne auch von einer entsprechenden Verkehrssitte sprechen. 266 Allerdings ist das Verhalten der Parteien bereits nach gewöhnlicher Auslegung als Vergütungsvereinbarung zu verstehen, ohne dass es der Maßstäbe einer gesetzlichen Auslegungsregel bedarf. Dies wird auch bei Richardi/Fischinger deutlich. Ihrer Ansicht nach ist § 612 Abs. 1 BGB nur anwendbar, wenn eine Vergütung weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart wurde. 267 Diese Voraussetzungen seien aber nur im Ausnahmefall erfüllt; regelmäßig liege eine konkludente Vereinbarung vor: „Wer nämlich eine Dienstleistung in Anspruch 261 

Mot. I, S. 153 f. (= Mugdan I, S. 436 f.). Mot. II, S. 459 (= Mugdan II, S. 256). 263  Henle, Ausdrückliche und stillschweigende Willenserklärung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, 1910, S. 30. 264  Lotmar, Der Arbeitsvertrag, Bd. 1, 1902, S. 121. 265  Lotmar, Der Arbeitsvertrag, Bd. 1, 1902, S. 127. 266  Lotmar, Der Arbeitsvertrag, Bd. 1, 1902, S. 127 Fn. 1. 267 Staudinger/Richardi/Fischinger, 2016, § 612 Rn. 15. 262 

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nimmt, die den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist, gibt durch schlüssiges Handeln eine Willenserklärung ab, durch die er sich zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet.“268 Dieses Beispiel zeigt: Die Tatbestandsmerkmale der gesetzlich geregelten bzw. gewohnheitsrechtlich anerkannten Fälle des Schweigens mit Erklärungswert benennen Umstände, die für die Auslegung des Verhaltens des Schweigenden regelmäßig besonders relevant sind. Gleiches gilt für die Voraussetzungen, welche die Erste Kommission aufstellt. Trotzdem dürfen andere Umstände nicht völlig ausgeblendet werden. Schweigen kann auch in anderen als den gesetzlich geregelten Fällen aufgrund der konkreten Umstände Erklärungswert haben. Während die Einordnung der betreffenden Fälle als Auslegungsregel im Ergebnis also nicht zu überzeugen vermag, ist ihr aber gleichwohl insofern zuzustimmen, als sie das Verhalten der schweigenden Person als Willenserklärung erkennt und einen etwaigen abweichenden subjektiven Willen des Schweigenden – wie stets – als für die Wirksamkeit der Erklärung irrelevant erachtet. Zu diesem Ergebnis kommt auch Danz. Er definiert – unter Verweis auf die Anschauung „der Römer, des Lebens und des BGB“ – die Willenserklärung als „das Verhalten einer Person, welches nach der Erfahrung des Verkehrs unter Würdigung aller Umstände regelmäßig den Schluß auf einen bestimmten Willen gestatte und zwar gleichgültig, ob dieser Schluß im einzelnen zutrifft“. 269 Dementsprechend könne auch das Schweigen einer Person bzw. ihr konkludentes Verhalten unter Umständen eine Willenserklärung darstellen, und zwar unabhängig von ihrem Willen. Die Willenserklärung erfolge dann „‚rebus ipsis et factis‘, welche der Richter eben nur in Worte umwandelt; es liegt nicht am Ende eine fingierte, in Wirklichkeit gar nicht abgegebene Erklärung vor.“270 268 Staudinger/Richardi/Fischinger, 2016, § 612 Rn. 15 [Kursivierung im Original]. Nicht zuzustimmen ist ihnen allerdings, wenn sie im weiteren Verlauf feststellen, es fehle „an einer rechtgeschäftlichen Vereinbarung, wenn offen ist, ob man das Verhalten des Dienstberechtigten als Erklärungsakt deuten kann, durch den er sich zur Leistung einer Vergütung verpflichtet.“ [Kursivierung im Original]. Dann sei § 612 BGB anwendbar. Diese Sichtweise verkennt, dass unter den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 612 Abs. 1 BGB bereits hinreichend Umstände vorliegen, um auf eine entsprechende Erklärung des Dienstberechtigten schließen zu können. Anderes gilt nur, wenn der Dienstberechtigte in nach außen erkennbarer Weise deutlich macht, dass er keine Vergütung vereinbaren will. Dann sind die Voraussetzungen von § 612 Abs. 1 BGB aber nicht erfüllt. 269  Danz, JherJb. 54 (1909), 1, 20. Eine Auslegungsregel unterscheide sich deutlich von einer ergänzenden Regel: einen „ergänzenden Rechtssatz“ wende der Richter an, wenn die Erklärungen der Parteien eine Lücke aufwiesen; eine „auslegende Norm“ wende er an, wenn er „die Bedeutung der vorliegenden Willenserklärungen feststellt“. (S. 10 f.). 270  Danz, JherJb. 54 (1909), 1, 12. Als Beispiel führt er an, nach römischem Recht werde „ein bestimmtes Verhalten der Parteien, nämlich das Wohnenbleiben des Mieters in dem vermieteten Grundstück über die vereinbarte Mietzeit hinaus ohne Widerspruch des Vermieters, gedeutet als eine Willenserklärung der Parteien, gerichtet auf Weitervermietung des Grundstückes zu demselben Preis. Die Parteien haben […] ihren Willen auf Fortsetzung des Miet-

B. Dogmatische Einordnung

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Auch von Craushaar versteht das Schweigen mit Erklärungswert als rechtsgeschäftliche Willenserklärung. 271 Eine „Zustimmungserklärung“ liege insbesondere im Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben. 272 Seiner Ansicht nach ist „für alle Willenserklärungen, die einen typischen Vertrauenstatbestand erzeugen, nicht der Wille, sondern der berechtigte Willensverlaß alleiniger oder über den Willensschutz hinausgreifender Geltungsgrund“. 273 Ob sich der Schweigende tatsächlich erklären wollte, ist für ihn daher nicht maßgeblich. Das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben begründe grundsätzlich einen „berechtigten Willensverlaß“, 274 weil eine „beträchtliche Zustimmungswahrscheinlichkeit“ bestehe. 275 Auch gebe es keinen triftigen Grund nicht zu vertrauen, also etwa Rückfragen oder Erkundigungen zu unternehmen. 276 Zudem sei derjenige, der das Bestätigungsschreiben abgesandt habe, in besonderer Weise darauf angewiesen, dass der Empfänger dieses Schreibens bei fehlendem Einverständnis seinen Widerspruch erkläre.277 Nach der hier vertretenen Ansicht ist ein Rückgriff auf das Kriterium des Vertrauens nicht sachdienlich. Für die Auslegung kommt es nicht darauf an, ob der Empfänger auf einen bestimmten Tatbestand vertraut hat und ob er auf diesen Tatbestand vertrauen durfte, ob also ein „berechtigter Willensverlaß“ gegeben ist. Zu ermitteln ist vielmehr, welcher objektive Gehalt der auszulegenden Willenserklärung zukommt. Bei der Beurteilung, ob Schweigen im Einzelfall objektiv als Zustimmung zu werten ist, ist die „Zustimmungswahrscheinlichkeit“, die auch für von Craushaar eine Rolle spielt, aber selbstverständlich ein relevantes Kriterium.

verhältnisses erklärt, ebenso wie es für gewöhnlich durch Worte geschieht; nur haben sie als Ausdrucksmittel dieses Verhalten gewählt, was im Leben – auch heutzutage! – von jedermann in diesem Sinne aufgefaßt wird.“ (S. 11 f.) 271  v. Craushaar, Der Einfluß des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung, 1969, S. 109 ff. 272  v. Craushaar, Der Einfluß des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung, 1969, S. 111. 273  v. Craushaar, Der Einfluß des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung, 1969, S. 101. 274  v. Craushaar, Der Einfluß des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung, 1969, S. 111. 275  v. Craushaar, Der Einfluß des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung, 1969, S. 103. Allerdings führt er wenig später aus (S. 106), dass die „Bedeutungswahrscheinlichkeit“ bei ausdrücklichen Willenserklärungen wesentlich höher sei als bei Schweigen, weshalb er folgert: „Wäre die Berechtigung des Vertrauens nach einem Wahrscheinlichkeitsurteil festzustellen, so bestünden in der Tat Bedenken, im Falle des Schweigens einen berechtigten Willensverlaß anzunehmen.“ 276  v. Craushaar, Der Einfluß des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung, 1969, S. 106 f. Zwar vertraue der Absender, wenn der Adressat schweige, nicht nur darauf, dass der Empfänger zustimmen wolle, sondern auch darauf, dass er den Inhalt des Schreibens mangels Widerspruchs in jedem Fall gegen sich gelten lassen müsse; trotz dieses „Mußverlaßes“ werde die Vertrauensrichtung aber letztlich maßgeblich durch den Willensverlass bestimmt (S. 104). 277  v. Craushaar, Der Einfluß des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung, 1969, S. 103 f.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

So sieht es auch Kellmann. Er verweist darauf, dass die Fälle des Schweigens mit Erklärungswert bei objektiv-normativer Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB bzw. § 346 HGB sauber gelöst werden könnten. 278 Danach gelte: „Jedes Schweigen kann und muß nach der hier vertretenen Auffassung als (ggf. unbewußte) Zustimmung gewertet werden, aber nicht etwa unter der Voraussetzung oder als Folge ‚fehlerhaften Verhaltens‘, sondern nur, aber auch immer dann, wenn es vom Empfängerhorizont aus nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Zustimmung gewertet werden konnte.“279

Richtigerweise stellt das Schweigen mit Erklärungswert in den oben besprochenen Fällen mithin durchweg keine besondere Art der Willenserklärung dar, also nicht eine Willenserklärung, die sich von einer konkludenten Willenserklärung unterscheidet. 280 Aufgrund der Umstände, in denen sich der Schweigende befand, insbesondere aufgrund seines eigenen Vorverhaltens und/oder der typischen Interessen der Parteien, ist das Schweigen vielmehr ein Verhalten, das bei objektiver Auslegung als konkludente Willenserklärung zu werten ist. Auch in der älteren Rechtsprechung finden sich Beispiele, in welchen das Schweigen zwar nicht explizit als Willenserklärung eingeordnet, aber gleichwohl auf eine Weise beschrieben wird, die eine erhebliche Nähe zu, wenn nicht eine Identität mit der Willenserklärung suggerieren. 281 Bisweilen wird sogar ausdrücklich auf die „allgemeinen Auslegungsregeln für schlüssiges Verhalten“ verwiesen. 282 Selbst manche derer, die die Erklärungswirkung des Schweigens grundsätzlich als Fiktion einordnen, 283 gestehen zu, dass Schweigen unter Umständen eine Willenserklärung darstellen kann. So erkennt von Tuhr im Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben eine schlüssige Willenserklärung.284 Die „Erklärung durch Unterlassen, insbesondere durch Schweigen“ ist für ihn ein „besonders wichtiger Fall der ‚stillschweigenden Willenserklärung‘“. 285 Ob Schweigen im Einzelfall als Willenserklärung aufzufassen sei, sei „nach Umständen und Verkehrssitte zu beurteilen“. 286 Allerdings schränkt von Tuhr die 278  Kellmann, JuS 1971, 609, 616. Vgl. auch Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 93. 279  Kellmann, JuS 1971, 609, 616. 280  So auch Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 92. Anderer Ansicht wohl Kellmann, JuS 1971, 609, 616, der Erklärungen durch Schweigen ausdrücklichen und konkludenten Erklärungen gegenüberstellt. Sie unterschieden sich, so Kellmann, nur „unwesentlich“ von den anderen beiden. Worin diese Unterschiede bestehen, führt er nicht aus. 281  Vgl. RGZ 103, 401, 405 („Zustimmungserklärung“); BGHZ 7, 187, 190 („stillschweigende Genehmigung“); OLG Düsseldorf 1965, 761, 762 („stillschweigende Genehmigung“). 282  Vgl. BGH NJW 1964, 1223 f. 283  So etwa v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 422 f. 284  v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 421 f. 285  v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 420. 286  v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 421.

B. Dogmatische Einordnung

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Fälle des Schweigens mit Erklärungswert dadurch ein, dass er ein subjektives Willenselement für konstitutiv hält: „Eine Unterlassung steht dem Handeln nur dann gleich, wenn sie gewollt ist, d.h. wenn jemand, der den Anlaß und die Möglichkeit hat, etwas zu tun, diese Handlung nicht vorzunehmen beschließt.“287 Ähnlich äußert sich Kindl, der nur dann eine Fiktionswirkung annimmt, wenn dem Schweigenden das Erklärungsbewusstsein fehlt. 288 Zu § 362 HGB führt er sogar aus, dass der Schweigende in der „überwiegenden Mehrzahl der Fälle“ über Annahmewillen verfüge, 289 und dementsprechend sein Verhalten „als echte Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten aufzufassen“ sei. 290 Sowohl Kindl als auch von Tuhr ist insofern zu widersprechen, als der innerlich gebliebene subjektive Wille der Person – wie bei der Auslegung allgemein – für die Erklärungsbedeutung zunächst nicht entscheidend ist. Wie für alle Willenserklärungen gilt aber natürlich auch für das Schweigen mit Erklärungswert: Eine etwaige abweichende Willensübereinstimmung zwischen den Parteien genießt Vorrang vor dem objektiven Erklärungsgehalt. Erfüllt das Schweigen also beispielsweise objektiv nicht die Voraussetzungen einer (konkludenten) Willenserklärung, hatte der Schweigende es aber als solche gemeint, und entspricht die Wertung als Willenserklärung auch dem Willen desjenigen, der dem Schweigenden ein Angebot unterbreitet hat, so ist das Schweigen gleichwohl als Billigung bzw. Ablehnung zu werten. 291 Ökonomisch sinnvoll ist die Einordnung als Willenserklärung insbesondere deshalb, weil sich der objektive Erklärungswert des Schweigens als Willenserklärung in den überwiegenden Fällen mit dem tatsächlichen Willen des Schweigenden deckt. Für die gesetzlich geregelten und die gewohnheitsrechtlich anerkannten Fälle des Schweigens mit Erklärungswert wird immer wieder angeführt, dass das angeordnete Ergebnis „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ dem mutmaßlichen Willen des Schweigenden entspreche. So schreibt etwa ­Esser, §§ 612, 632, 653 und 689 Abs. 1 BGB seien das Ergebnis einer Wahrscheinlichkeitsrechnung: „Mitbestimmend hierbei ist die Erwägung, daß verständig und billig denkende Menschen in einer Situation der fraglichen Art die betreffende Bestimmung auch tatsächlich getroffen hätten und daß daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, daß die Parteien im konkreten Falle auch so han-

287 

v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 420. Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 164, 166. 289  Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 163. 290  Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 164. 291  Vgl. hierzu auch Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 78 f., der allerdings nicht darauf abstellt, ob zwischen den Parteien eine Willensübereinstimmung besteht, sondern nach dem es ausreichend ist, dass der Empfänger der Willenserklärung durch Schweigen den Willen des Schweigenden erkannt hat. Zum Unterschied zwischen diesen beiden Ansichten siehe S. 107 ff., 114 f. 288 

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

deln wollten.“292 Von einer „Nicht-Willenserklärung“, etwa einer Fiktion, auszugehen, würde diesen meist vorhandenen Willen ignorieren. Weil das Schweigen entsprechend dem Horizont eines objektiven Empfängers ausgelegt wird, hängt es vom Verständnis des jeweiligen Verkehrskreises ab, wie das Schweigen zu werten ist. Dies klingt auch bei Krause an, obgleich seines Erachtens bei § 362 HGB eine Willenserklärung fingiert wird: „Weil hier in den beteiligten Kreisen dem Schweigen ganz allgemein die Bedeutung einer Annahmeerklärung beigelegt wird, hat das Gesetz diese Wirkung von den Zufälligkeiten, denen sie bei der jedesmal notwendigen Feststellung einer Willenserklärung ausgesetzt ist, losgelöst und typisiert.“293

Wenn aber in den beteiligten Kreisen dem Schweigen im konkreten Fall Erklärungswirkung beigemessen wird, spricht viel dafür, dass auch der Schweigende selbst weiß und will, dass sein Schweigen entsprechend verstanden wird. So sieht es auch Krause: „Denn man darf nicht vergessen, daß das Schweigen in Unkenntnis des Zugangs die Ausnahme darstellt; durchweg erfolgt das Schweigen in dem klaren Bewußtsein, dadurch eine Zustimmung auszudrücken. Es wird lediglich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten abzugeben.“294

Ähnlich äußert sich auch Kindl: „[A]ngesichts dessen, daß bei Vorliegen der in § 362 Abs. 1 HGB bezeichneten Umstände ein Annahmewille des Schweigenden in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle vorliegen wird, ist das Zustandebringen des Vertrages durch einfaches Unterlassen einer Ablehnung für den Oblaten ökonomischer und bequemer.“295

Das Schweigen einer Person wird also jeweils als Erklärung bestimmten Inhalts gewertet, weil es die Mehrheit der Personen in dem betreffenden Verkehrskreis ebenso verwenden und verstehen würde. Indem diese Tatsache bereits bei der Auslegung des Schweigens berücksichtigt wird, wird verhindert, dass „zur Unzeit passive[s] Verhalten des verfügungsberechtigten Rechtsgenossen“ zu „Störungen“ im System führen kann. 296 Derartige Störungen für „die auf der Erwartung allgemeiner Aktivität der Interessierten aufgebaute Ordnungsmethode durch die Säumigkeit oder Nachlässigkeit der gestaltungs- oder mitwirkungs-

292  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 52. Vgl. auch Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 6 Rn. 6. 293  Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 127. 294  Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 134. 295  Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 163. 296  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 50 f. Vgl. auch Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 17 („Verkehrsstörung“); v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, 1936, S. 108 Fn. * („verkehrswidrige Passivität“).

B. Dogmatische Einordnung

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berechtigten Rechtsgenossen“ befürchtet Esser. 297 Indem das Recht anordne, dass das Schweigen Erklärungswert habe, statuiere es Auffangregelungen, die den Sachverhalt wieder ordneten. 298 Damit verkennt Esser allerdings, dass die Ordnung gar nicht verletzt ist, wenn der jeweilige Verkehrskreis das passive Verhalten bereits mit einer Bedeutung versieht und das Recht dieser Tatsache bei der Auslegung Rechnung trägt.

2. Einzelfragen Wenn das Schweigen eine konkludente Willenserklärung darstellt, unterfällt es den gleichen Regeln wie andere Willenserklärungen auch. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, ob subjektive Tatbestandselemente (a)) oder Geschäftsfähigkeit (b)) erforderlich sind, oder ob das Schweigen zugehen muss (c)). Auch hinsichtlich der Möglichkeit zur Anfechtung ergeben sich keine Abweichungen von den allgemeinen Regeln (d)).

a) Handlungs- bzw. Unterlassungswille Interessanterweise untersuchen einige derjenigen, die das Schweigen mit Erklärungswert nicht als Willenserklärung verstehen, gleichwohl, ob es die (subjektiven) Tatbestandsvoraussetzungen einer Willenserklärung erfüllen muss. Oertmann etwa fragt, ob ein subjektives Mindestmerkmal erforderlich ist; ob die „Passivität eine subjektive Beziehung auf das dem Empfänger zugegangene Angebot haben“ muss.299 Es geht ihm dabei nicht um den Erklärungswillen, sondern den Handlungs- bzw. den Unterlassungswillen des Schweigenden: „Bei der hier formulierten Frage dagegen kann es nur darauf ankommen, ob das Schweigen der Ausdruck eines auf das Passivbleiben selbst gerichteten Willens­ entschlusses, ob es sozusagen: willentlich und wissentlich sein muß.“300 Oertmann bejaht dies und meint, wenn der Schweigende noch nicht einmal Kenntnis von dem Antrag erlangt habe, sei sein Schweigen „nicht Ergebnis eines psychischen Ueberlegungsprozesses, sondern ein reines Nichts.“301 Dem widerspricht Kellmann. Ob der Empfänger von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis genommen habe oder nehmen konnte, sei unerheblich.302 Im Übrigen sei dem Schweigenden ab Zugang auch die Berufung auf §§ 104, 105 BGB 297 

Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 51. Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 51: „Diese [Ordnung] nimmt nun das Gesetz selbst vor in der Wendung, daß es die gesetzlich getroffene Ersatz-Entscheidung als vom Dispositionsberechtigten (schweigend) angeordnet oder vereinbart erklärt. Mit dieser stereotyp wiederkehrenden Fiktion repariert es die im Bereich der Privatautonomie entstandene Lücke auf die systematisch wie inhaltlich adäquateste Weise.“ 299  Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 10. 300  Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 10. 301  Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 10. 302  Kellmann, JuS 1971, 609, 616. 298 

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

analog verwehrt, weil § 130 BGB Kenntnis unterstelle.303 „Fingierte Willenserklärungen“ seien also in Wirklichkeit „Prototypen unbewußter (aber gleichwohl ‚echter‘!) We., die sich nur unwesentlich von stillschweigenden oder ausdrücklichen Erklärungstatbeständen unterscheiden.“304 Kellmanns Verweis auf § 130 BGB ist insofern irreführend, als nicht die Wirksamkeit des Zugangs in Frage steht, sondern die Erklärungswirkung des Schweigens. Dennoch ist Kellmann zuzustimmen, dass die Erklärungswirkung nicht von der subjektiven Kenntnis des Schweigenden abhängt. Dies ergibt sich nach hier vertretener Ansicht allerdings bereits daraus, dass für eine wirksame Willenserklärung generell keine subjektiven Voraussetzungen bestehen. Das Schweigen einer Person kann mithin Erklärungswert haben, ohne dass die Person eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben wollte. Auch ein Handlungsbzw. Unterlassungsbewusstsein ist nicht erforderlich.305 Dementsprechend kann ein passives Verhalten auch dann eine Willenserklärung darstellen, wenn der Schweigende die Umstände, die seinem Verhalten Bedeutung verleihen, nicht kennt,306 solange er objektiv einen Grund zum aktiven Handeln hatte. Ein solcher Grund besteht beispielsweise, wenn dem Schweigenden ein Antrag nach § 362 HGB, ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben oder eine Aufforderung zur Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zugegangen ist. Der Wirksamkeit der Erklärung durch Schweigen steht insbesondere nicht entgegen, dass der Schweigende von dem betreffenden Schreiben keine Kenntnis erlangt hat, weil er betrieblich oder privat schlecht organisiert ist. Die Unkenntnis des Schweigenden ist allerdings dann relevant, wenn der Absender erkennen konnte, dass der Empfänger keine Kenntnis von dem Schreiben nehmen kann.307 Gleiches gilt, wenn ein Dritter, der nicht dem Verantwortungsbereich des Schweigenden zuzuordnen ist, die Kenntnisnahme verhindert hat, etwa wenn ein Einbrecher Unterlagen stiehlt, unter denen sich auch ein kurz zuvor eingegangenes kaufmännisches Bestätigungsschreiben oder ein Antrag im Sinne des § 362 HGB befindet. Der objektive Tatbestand muss also nicht von einem subjektiven Willen getragen sein. Er muss sich aber auf den Erklärenden zurückführen lassen.308

303 

Kellmann, JuS 1971, 609, 616. Kellmann, JuS 1971, 609, 616. 305  Siehe dazu S. 42 ff. 306  Zur Möglichkeit einer Anfechtung in diesen Fällen siehe S. 304 ff. 307 Nach K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 100 hingegen muss sich der Absender darum bemühen, dass der Empfänger tatsächlich Kenntnis vom Schreiben erhält. 308  Siehe hierzu grundsätzlich auch oben § 2 D.I. 304 

B. Dogmatische Einordnung

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b) Geschäftsfähigkeit Ist der Schweigende geschäftsunfähig, entfaltet das Schweigen keine Wirkung. Ist er beschränkt geschäftsfähig, bedarf er grundsätzlich der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Nach hier vertretener Ansicht ergibt sich dies aus den allgemeinen Regeln der §§ 104 ff. BGB Auch ein Teil jener, die das Schweigen mit Erklärungswert als Nicht-Willens­ erklärung einordnen, wollen dem Schweigen nur dann Wirksamkeit verleihen, wenn der Schweigende geschäftsfähig ist. Sie bedürfen dazu eines erheblichen Begründungsaufwands. So betont Manigk, dass die Rechtsordnung das Verhalten zwar im Wege der Fiktion, aber gleichwohl als rechtsgeschäftliche Willenserklärung wür­dige.309 Für die Zurechnung sei daher Geschäftsfähigkeit erforderlich.310 Ähnlich äußert sich Oertmann in Bezug auf § 362 Abs. 1 HGB:311 Die Norm ordne lediglich an, dass das Schweigen als Annahmeerklärung gelte; für eine wirksame Annahmeerklärung aber sei Geschäftsfähigkeit „unerläßlich“.312 Esser wie­derum hält den Aufforderungscharakter der gesetzlichen Regelungen für maßgeblich. Die Rechtsordnung wolle nur demjenigen die Abgabe einer Erklärung auferlegen, der dazu überhaupt im Stande sei.313 Diese Voraussetzung erfülle nur der Geschäftsfähige.314 Andere wollen das Problem umgehen, indem sie nicht auf das Schweigen selbst bzw. die dadurch hervorgerufene Wirkung abstellen, sondern auf die vorgelagerte Voraussetzung, dass der Schweigende eine Aufforderung zur Äußerung erhalten hat – etwa ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, einen Antrag nach § 362 Abs. 1 HGB oder eine Aufforderung zur Genehmigung gem. §§ 108 Abs. 2 oder 177 Abs. 2 BGB. Sei der Schweigende geschäftsunfähig, könne ihm diese Aufforderung wegen § 131 BGB nicht zugehen.315 Bereits deswegen scheide eine Erklärungswirkung des Schweigens aus.316 Dieser Ansatz vermag zum einen nicht zu beantworten, ob das Schweigen Rechtswirkungen entfaltet, wenn der Schweigende kurz nach Zugang der Aufforderung geschäftsfähig wird. Zum anderen trägt er der Tatsache, dass nicht jede Aufforderung eine Willenserklärung, ja noch nicht einmal eine ge309 

Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 112, 280. Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 112, 280. 311  Für die anderen gesetzlich angeordneten Fälle des Schweigens mit Erklärungswert ist er zurückhaltender, vgl. Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 279 f. 312  Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 9. 313  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 79. 314  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 79. 315  Vgl. nur Hanau, AcP 165 (1965), 220, 249; Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 151. 316  Hanau, AcP 165 (1965), 220, 249. 310 

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

schäftsähnliche Handlung darstellt, nicht hinreichend Rechnung.317 Auch rein tatsächliche Umstände können eine Aufforderung beinhalten, die dem passiven Verhalten der anderen Seite Erklärungswert verleiht. Ob die Erklärung durch Schweigen wirksam ist, hängt dann ebenfalls von der Geschäftsfähigkeit des Schweigenden ab. Das ergibt sich aber nicht aus § 131 BGB, sondern aus §§ 104 ff. BGB.

c) Zugang Ob die Aufforderung zum Handeln eine empfangsbedürftige Erklärung darstellt, hängt also vom jeweiligen Fall ab. Erforderlich ist aber stets, dass die Willenserklärung durch Schweigen zugeht. Teilweise wird angezweifelt, dass Schweigen zugehen kann. So meint etwa Fabricius: „Unter Abwesenden kann ein bloßes Schweigen, das im Grunde genommen das Gegenstück von einem privatautonomen, selbstschöpferischen Gestaltungsakt ist, weder in Richtung auf einen Adressaten kundbar gemacht werden noch zugehen, was bei allen Akts­ typen des Vertragsrechts regelmäßig notwendig (Wirksamkeitsvoraussetzung) wäre.“318

Damit verengt er die Willenserklärung zu stark auf ein punktuelles Ereignis, das beim Empfänger zugehen muss. Entscheidend für den Zugang ist, dass die die Willenserklärung konstituierenden Umstände in die Sphäre des Empfängers gelangen. Diese Umstände müssen sich weder in einem einzelnen Akt erschöpfen noch auf einen singulären Moment begrenzen. Der Erklärungswert eines Verhaltens kann sich auch aus mehreren Umständen zusammensetzen, die sich innerhalb eines gewissen Zeitraums ereignen. Bei der Willenserklärung durch Schweigen ergibt sich der Erklärungsgehalt aus den dem Schweigen vorausgehenden Ereignissen sowie dem Schweigen selbst. Dass sich der Schweigende passiv verhält, kann der Empfänger in dem Moment, in dem der Schweigende die Aufforderung erhält, noch nicht feststellen. Das Schweigen ist das Ergebnis eines über einen bestimmten Zeitraum andauernden Unterlassens. Die Erklärung durch Schweigen ist also zugegangen, wenn diese Voraussetzungen vorliegen und für den Empfänger erkennbar sind.

317  Für geschäftsähnliche Handlungen werden die Vorschriften über den Zugang von Willenserklärungen analog angewendet. Vgl. nur BGHZ 47, 352, 357; BGH NJW 2002, 1565, 1567; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 420; MüKo-BGB/Einsele, 8. Aufl. 2018, § 130 Rn. 4; Staudinger/Singer/Benedict, 2016, § 130 Rn. 14; Ulrici, NJW 2003, 2053, 2055; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 28 Rn. 12. 318  Fabricius, JuS 1966, 1, 11.

B. Dogmatische Einordnung

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d) Anfechtung Hat das Schweigen unter den Umständen des Einzelfalles Erklärungswert, stellt das Schweigen also eine Willenserklärung dar, kann der Schweigende diese Erklärung nach hier vertretener Ansicht – wie jede andere Willenserklärung auch – grundsätzlich gem. §§ 119, 123 BGB anfechten.319 Wer das Schweigen mit Erklärungswert hingegen nicht als (gewöhnliche) Willenserklärung wertet, bedarf einer besonderen Begründung, um die Anfechtbarkeit zu rechtfertigen. Die Vertreter der herkömmlichen Ansicht ziehen aus ihren gewählten dogmatischen Konstruktionen zur Bindungswirkung des Schweigens unterschiedliche Folgerungen für dessen Anfechtbarkeit. Ein Teil jener, die die Bindungswirkung auf Gesetz oder Fiktion stützen, lehnen die Anfechtbarkeit grundsätzlich ab.320 Die „bloße Tatsache des Schweigens“, an die das Gesetz die Wirkung knüpfe, könne „man wohl nicht wegbringen mittels eines Gesichtspunktes, der Sinne und Anwendungsmöglichkeit nur in Beziehung auf echte Willenserklärungen aufweist.“321 Auch diejenigen, welche das Schweigen als Obliegenheitsverletzung werten, sind teilweise der Ansicht, dass der Schweigende für einen Irrtum über eine solche Obliegenheit einzustehen habe.322 Wendt hingegen hält eine Anfechtung generell für möglich, weil sich aus der Fiktion grundsätzlich die Wirkungen des fingierten Tatbestandes ergäben.323 Auch das Reichsgericht ging noch davon aus, dass die „Zustimmungserklärung“, die in dem Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben liegt, angefochten werden kann.324 Wiederum andere wollen zwischen den einzelnen Tatbeständen des Schweigens mit Erklärungswirkung unterscheiden. Nach Enneccerus/Nipperdey etwa sind die Vorschriften über die Anfechtung grundsätzlich nur dann anwendbar, wenn das Verhalten zwar unabhängig von einem fehlenden Geschäftswillen als Willenserklärung gewertet werde, ein tatsächlich vorhandener Geschäftswille aber beachtlich sei.325 Grundsätzlich keine Anfechtung sei hingegen bei 319 Ähnlich

Kellmann, JuS 1971, 609, 617. Vgl. BGHZ 11, 1, 5; BGHZ 20, 149, 154; BGH BB 1961, 1344, 1345; Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, S. 108. Vgl. auch Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 153, der die Anfechtbarkeit der Erbschaftsannahme nach § 1943 BGB ablehnt, weil der Erbe einem unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum unterlegen sei. 321  Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 10. 322  So etwa Kuchinke, JZ 1965, 167, 175. 323  Wendt, AcP 92 (1902), 1, 254 f. Vgl. auch F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, 1967, S. 72. 324  RGZ 103, 401, 405; RGZ 129, 347, 349; RG JW 1927, 1675, 1676. 325  Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 947. Sie bezeichnen diese Fälle als „unwiderleglich vermutete Willenserklärungen“. Die Anfechtung dürfe dann allerdings nicht die Vermutung zum Gegenstand haben, sich also nicht auf das Fehlen des Geschäftswillens beziehen; bei kaufmännischen Bestätigungsschreiben sei also die Anfechtung zulässig, 320 

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„fingierten Willenserklärungen“ möglich,326 also bei Normen, die lückenhafte Verträge ergänzten (§§ 612, 632, 653, 689 BGB) oder „bei denen nach der Wertung der Rechtsordnung das Interesse des Geschäftsgegners derart überwiegt, daß die Beseitigung der rechtsgeschäftlichen Folgen des Verhaltens wegen eines Willensmangels auch nicht für die Zukunft erfolgen darf“.327 Auch Esser will über die Anfechtbarkeit anhand des Charakters der jeweiligen Norm entscheiden. Er möchte „einen Unterschied machen zwischen denjenigen Verwirkungsfällen, die nur das Interesse des Verkehrs bzw. des Geschäftsgegners im Auge haben, und anderen, in denen auch die Rücksicht auf den mutmaßlichen Willen des passiven Teils eine Rolle spielt.“328 Wacke schließlich differenziert zwischen Fällen, in denen das Schweigen zustimmende, und solchen, in denen es ablehnende Wirkung hat. Nur erstere könnten angefochten werden.329 Letztere seien einer Anfechtung hingegen generell nicht zugänglich: „Denn die Anfechtung eines fingierten Nein kann nie zu einem Ja führen, sondern könnte nur den Weg dorthin frei machen. Dieser Weg ist aber vom Gesetz unwiderruflich verschlossen: Die Anfechtung eines fingierten Nein kann aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Anfechtungsgegner nicht zu einer Wiedereinsetzung in die nun einmal abgelaufene Frist führen.“330

Auch dann, wenn die Anfechtung des Schweigens grundsätzlich gestattet sein soll, sollen aber nicht alle üblicherweise zur Verfügung stehenden Anfechtungsgründe zur Anfechtung des Schweigens berechtigen; auch hier werden unterschiedliche und zum Teil widersprüchliche Ansichten vertreten.331 Wegen Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) wird eine Anfechtung ganz überwiegend für möglich gehalten.332 Weil es nach herkömmlicher Ansicht an einer (anfechtwenn der Schweigende hinsichtlich des Inhalts des Schreibens einem Missverständnis unterlegen sei, nicht aber, weil er die Wirkungen seines Schweigens nicht gekannt habe (S. 948). 326  Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 952. 327  Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 952. Als Beispiele werden genannt §§ 60 Abs. 2, 112 Abs. 2 HGB und die Rechtsscheinvollmacht. 328  Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 79. Ähnlich MüKo‑BGB/ Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 73. 329  Wacke, JA 1982, 184, 185. Unzulässig sei die Anfechtung allerdings mit der Begründung, dass die Wirkung des Schweigens verkannt worden sei. 330  Wacke, JA 1982, 184, 185. Ähnlich Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 102 für §§ 108 Abs. 2 S. 2, 177 Abs. 2 S. 2 BGB. 331  So auch Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 100. 332 MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 73; Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 947 f.; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 10 2, S. 119; Friedenthal, Das kaufmännische Bestätigungsschreiben, 1929, S. 41; Hanau, AcP 165 (1965), 220, 249 f.; Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 176 (für § 362 HGB) und 213 f. (für das kaufmännische Bestätigungsschreiben); Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 134 ff.; Koller/Kindler/Roth/Drüen, 9. Aufl. 2019, Vorb zu §§ 343–372 HGB Rn. 8; Schack, AT, 16. Aufl. 2019, Rn. 384; v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 425 f.

B. Dogmatische Einordnung

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baren) Willenserklärung fehlt, wird die Anfechtungsmöglichkeit üblicherweise auf Billigkeitserwägungen gestützt.333 Die Anfechtung wegen eines Irrtums gem. § 119 BGB wird überwiegend dann für zulässig erachtet, wenn sich der Irrtum nicht auf die Erklärungswirkung des Schweigens bezieht.334 Irrt etwa der auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben Schweigende in Bezug auf eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Vertragsgegenstands, soll er diesen Irrtum gem. § 119 Abs. 2 BGB geltend machen können.335 Weil das Schweigen aber keine Willenserklärung darstellen soll, bleibt offen, worauf sich die Anfechtung genau bezieht. Wegen Unkenntnis über die Bedeutung des Schweigens soll eine Anfechtbarkeit nach herrschender Meinung hingegen ausgeschlossen sein,336 weil der Zweck der Erklärungsfiktion sonst unterlaufen werde.337 Gleiches gilt für die Unkenntnis der Umstände, die dem Schweigen Erklärungswert verleihen.338 Canaris begründet dies mit dem kaufmännischen Organisationsrisiko:339 Der Kaufmann strukturiere seinen Geschäftsbereich arbeitsteilig und auf eine Weise, die für Außenstehende nicht erkennbar sei;340 er trage demenent­sprechend das

333  Besonders deutlich Hanau, AcP 165 (1965), 220, 250: „Das entspricht einer unabweisbaren Forderung der Billigkeit.“ Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 213 f. („Der Absender, der den Empfänger durch eine widerrechtliche Drohung zum Vertragsschluß gezwungen hat, verstößt ebenso gegen Treu und Glauben wie derjenige, der bei den vorausgegangenen Vertragsverhandlungen den Empfänger arglistig getäuscht hat bzw. Kenntnis (oder fahrlässige Unkenntnis) von einer solchen Täuschung hatte.“). 334  Vgl. nur MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 73; Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 948; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 10 2, S. 119; Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 176; Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 134 ff.; Schack, AT, 16. Aufl. 2019, Rn. 384; Schwerdtner, Jura 1988, 443, 445, 446; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 67; v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, S. 424. 335 Vgl. Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 948; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 10, 2, S. 119; Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 174 ff.; Koller/Kindler/Roth/Drüen, 9. Aufl. 2019, § 346 HGB Rn. 34; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 66, 71. 336  Vgl. nur Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 51; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 202, 210; Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 948; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 10 2, S. 119; RGRK/v. Godin, 2. Aufl. 1963, § 346 HGB Rn. 16h; Hanau, AcP 165 (1965), 220, 250 f.; Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 165 (für § 362 HGB) und 208 (für das kaufmännische Bestätigungsschreiben); Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 134 ff.; Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 10; Schack, AT, 16. Aufl. 2019, Rn. 383. 337  Vgl. nur Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 202, 210; Hanau, AcP 165 (1965), 220, 250 f.; Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 8. 338  Vgl. nur Hanau, AcP 165 (1965), 220, 252. 339  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 202 ff. Zustimmend Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 171. 340  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 193 ff.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

Risiko „für jeden Irrtum und jede Unkenntnis, die ihren Grund in den besonderen Organisationsrisiken eines kaufmännischen Betriebs haben“.341 Die herkömmliche Ansicht will die Anfechtung wegen fehlenden Erklärungs- und fehlenden Handlungs- bzw. Unterlassungsbewusstseins bei der Willenserklärung durch Schweigen also nicht gestatten. Dies führt aber zu einer problematischen Ungleichbehandlung von ausdrücklichen und sonstigen konkludenten Willenserklärungen auf der einen und konkludenten Willenserklärungen durch Schweigen auf der anderen Seite. Canaris selbst gesteht ein, dass das Verhalten des (ohne Erklärungsbewusstsein) Schweigenden für den anderen Teil die Bedeutung einer Erklärung habe, „nicht anders als bei einem sonstigen konkludenten Verhalten ohne Erklärungsbewußtsein.“342 Auch Mota Pinto gibt zu bedenken, dass „Wertungsunstimmigkeiten drohen“, wenn ausdrückliche und stillschweigende Willenserklärungen im Rahmen der Irrtumsanfechtung unterschiedlich behandelt werden.343 In der Tat leuchtet nicht ein, warum der Empfänger einer Erklärung durch Schweigen vor der Anfechtung seines Gegenübers geschützt werden soll, wenn (sogar) der Empfänger einer ausdrücklichen Erklärung stets mit der Anfechtung rechnen muss. Werba formuliert treffend: „Das Widersprüchliche […] ist, daß eine Willenserklärung einerseits mit dem Hinweis auf die mangelnde Konkludenz und die geringere Schutzwürdigkeit des Adressaten verneint wird, andererseits aber auf Grund einer eigenständigen Vertrauenshaftung dieselben Rechtsfolgen wie bei einer Willenserklärung angenommen werden, wobei aber die Irrtumsanfechtung weitergehend als bei der ‚zuverlässigeren‘ ausdrücklichen Willenserklärung ausgeschlossen wird.“344

Hinzu kommt, dass sich die Erklärung durch Schweigen und jene durch sonstiges konkludentes Handeln in der Praxis häufig nicht eindeutig voneinander trennen lassen. Oertmann scheint gleichwohl eine Ungleichbehandlung zwischen Schweigen und sonstigen konkludenten Erklärungen und mithin die Bestrafung des Schweigenden für gerechtfertigt zu erachten: „Es ist in den Fällen des § 362 [HGB] zweifellos im Interesse der Klärung wünschenswert, daß der Angebotsempfänger sich in aller Form über das Angebot erklärt; sein Schweigen zeigt eine Indolenz, deren Folgen man ihn am besten selbst tragen läßt. Erklärt er sich aber ausdrücklich, so besteht kein rechter Anlaß, ihn hier, im Anwendungsbereich des § 362, ungünstiger zu behandeln, als im sonstigen rechtsgeschäftlichen Verkehr. So ist die strenge Behandlung des Schweigens gegenüber der des Antwortens geeignet, einer Neigung der Angebotsempfänger zu Nachlässigkeit oder Vergeßlichkeit entgegenzuwirken.“345 341 

Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 228 ff. Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 79. 343  Mota Pinto, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 871, 877. 344  Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 92. 345  Oertmann, ZBH 1 (1926), 7, 10. 342 

B. Dogmatische Einordnung

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Damit setzt Oertmann allerdings, ökonomisch betrachtet, die falschen Anreize. Wie bereits festgestellt, kann es ökonomisch durchaus sinnvoll – weil besonders kostengünstig – sein, von einer ausdrücklichen Äußerung abzusehen. Dennoch ist Oertmann insofern zuzustimmen, als die Anfechtung wegen Unkenntnis der Bedeutung des Schweigens für § 362 HGB sowie für das kaufmännische Bestätigungsschreiben nicht gestattet ist.346 Im Handelsverkehr ist eine schnelle und bestandssichere Abwicklung von Rechtsgeschäften essen­ tiell.347 Sowohl § 362 HGB als auch die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens sollen eben diesem Bedürfnis Rechnung tragen; deshalb hat sich der Anfechtungsausschluss für den Irrtum über die Bedeutung des Schweigens gewohnheitsrechtlich herausgebildet. Auch erscheint es generell angemessen, Kaufleuten eine größere Verantwortung aufzuerlegen und ihnen die Anfechtungsmöglichkeit zu versagen, wenn sie Handelsbräuche, gewohnheitsrechtliche oder gesetzliche Regelungen nicht kennen.348 Außerhalb des Handelsrechts führt die Anfechtbarkeit des Schweigens wegen fehlenden Erklärungsbewusstseins hingegen nicht zu einer nennenswerten Beeinträchtigung des Verkehrs. In vielen der im BGB normierten Fälle begründet das Schweigen mit Erklärungswert keine rechtliche Verpflichtung für den Schweigenden. Das BGB wertet das Schweigen vielmehr regelmäßig als Ablehnung des in Frage stehenden Rechtsgeschäfts (vgl. §§ 108 Abs. 2 S. 2, 177 Abs. 2 S. 2, 415 Abs. 2 S. 2 BGB); als Zustimmung gilt es vor allem dann, wenn das Rechtsgeschäft für den Schweigenden keine vertraglichen Pflichten begründet und in aller Regel wirtschaftlich vorteilhaft ist (wie bei § 516 Abs. 2 S. 2 BGB) oder – wie bei der schuldnervertraglichen Übernahme einer Hypothekenschuld (§ 416 Abs. 1 S. 2 BGB) – wegen der Befriedigungsmöglichkeit aus dem Grundstück im Ergebnis nicht mit wirtschaftlichen Nachteilen für den Gläubiger verbunden ist, oder wenn der Schweigende die ihm gebührende Gegenleistung auf seinen Wunsch hin bereits erhalten hat und testen konnte (§ 455 S. 2 BGB). Die Motivation des Schweigenden, seine Erklärung anzufechten, dürfte darum in aller Regel sehr gering sein. Dies gilt umso mehr, wenn die mit der Anfechtung gegebenenfalls verbundene Schadensersatzpflicht gem. § 122 BGB 346  Vgl. hierzu auch MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 70 f.; Mues, Die Irrtumsanfechtung im Handelsverkehr, 2004, S. 124; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 79 (für das kaufmännische Bestätigungsschreiben). Anderer Ansicht Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 105 f. 347  Vgl. nur Lindemann, JZ 1997, 314, 315; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 69. 348  Auf handelsrechtliche Besonderheiten kann im Rahmen dieser Arbeit nicht vertieft eingegangen werden. Zu bedenken ist aber, ob die Möglichkeit zur Irrtumsanfechtung gem. § 119 Abs. 1 BGB unter Kaufleuten generell einzuschränken ist. Vgl. hierzu LG Tübingen JZ 1997, 312, 313; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 21 9 c, S. 428. Kritisch Mues, Die Irrtumsanfechtung im Handelsverkehr, 2004, S. 131 und 213 f. m.w.N.; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 69.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

in die Betrachtung einbezogen wird. Durch sie wird sichergestellt, dass der Schweigende etwaige Kosten, die dem Empfänger im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Erklärung entstanden sind, tragen muss.349 In der Praxis wird der Schweigende schließlich in aller Regel auch deswegen auf eine Anfechtung seiner Erklärung wegen fehlenden Erklärungsbewusstseins verzichten, weil ihm der Beweis desselben nicht gelingen wird.350

C. Ausprägungen in Gesetz und Gewohnheitsrecht Die Anwendung der dargestellten Theorie auf die gesetzlich geregelten und gewohnheitsrechtlich anerkannten Fallgruppen des Schweigens mit Erklärungswert belegt, dass sich der vorgesehene Erklärungswert zumeist mit jenem deckt, der sich bereits bei objektiver Auslegung des Schweigens ergibt (II.). Nur ausnahmsweise sind die angeordneten Rechtsfolgen mit den Instrumenten der Auslegung nicht zu erklären (I.).

I. Konstitutive Anordnungen des Gesetzes Eine konstitutive Anordnung des Gesetzes liegt beispielsweise vor, wenn die Erklärungswirkung eintritt, obwohl ein objektiver Erklärungsempfänger das Ereignis, welches dem Schweigen Relevanz verleiht, weder kannte noch kennen musste. So verhält es sich etwa bei der Vertragsverlängerung nach §§ 545 S. 1 bzw. 625 BGB.351 Die dort genannten Handlungen stellen bei objektiver Auslegung kein Angebot auf Abschluss eines Vertrages mit dem im Gesetz genannten Inhalt dar. Aus der fortgesetzten Nutzung der Mietsache bzw. der fortgesetzten Erbringung der Dienstleistung lässt sich nicht darauf schließen, dass Mieter bzw. Verpflichteter des Dienstvertrages ein unbefristetes Vertragsverhältnis wünschen. Im Gegenteil: In der Vergangenheit hatte er das Angebot auf

349  Vgl. auch Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 104. Anderer Ansicht Hanau, AcP 165 (1965), 220, 251. 350  Dies gesteht auch Canaris, FS Wilburg, 1975, S. 77, 80 ein. Vgl. überdies Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 166; Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 104, jeweils mit unterschiedlichen Folgerungen. 351  Im Handelsrecht kann etwa die Mitteilung nach §§ 75 h, 91a HGB nicht nur durch den Dritten, sondern auch durch den Handlungsgehilfen bzw. den Handelsvertreter erfolgen. Eine solche Mitteilung ist für einen objektiven Dritten – als Erklärungsempfänger der Genehmigung durch Schweigen – nicht erkennbar. Da das Verhalten des Schweigenden aus dessen Perspektive bewertet wird, ist die Mitteilung also kein Umstand, der in die Auslegung des Schweigens einfließt. Dementsprechend hat das Schweigen auf die Mitteilung des Handlungsgehilfen bzw. des Handelsvertreters aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers keinen Erklärungswert. Die Anordnung des Gesetzes ist mithin konstitutiv.

C. Ausprägungen in Gesetz und Gewohnheitsrecht

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Abschluss eines befristeten Vertrages unterbreitet oder angenommen.352 Sein Handeln lässt also höchstens den Schluss darauf zu, dass er das Vertragsverhältnis derzeit aufrechterhalten möchte. Gleiches gilt für den Vermieter bzw. Dienstherrn: Dass er der fortgesetzten Inanspruchnahme bzw. Erbringung der Leistung nicht widerspricht, lässt bei objektiver Auslegung nicht den Schluss zu, er wolle ein Angebot auf einen zeitlich unbefristeten Vertrag annehmen, hatte er bei dem ursprünglichen Vertragsschluss doch kundgetan, einen befristeten Vertrag mit der anderen Seite abschließen zu wollen. Ebenso wenig lässt sich seiner Passivität entnehmen, dass er die vertraglich vereinbarten durch die (regelmäßig längeren) gesetzlichen Kündigungsfristen ersetzen möchte, wie es § 545 S. 1 BGB und grundsätzlich auch § 625 BGB nach allgemeiner Ansicht anordnen.353 Diese Rechtsfolgen treten vielmehr ein, weil ihr Eintritt gesetzlich angeordnet ist. Allgemein werden §§ 545 S. 1, 625 BGB, die die Rechtsverhältnisse klarstellen354 und eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung verhindern sollen,355 denn auch eher eng ausgelegt.356

II. Deklaratorische Nachzeichnung des Auslegungsergebnisses Abgesehen von den eben genannten Ausnahmen weisen Gesetz oder Gewohnheitsrecht dem Schweigen den Erklärungswert zu, den es bei objektiver Auslegung ohnehin hat. Die Anordnungen sind mithin deklaratorischer Natur. Konstitutive Wirkung haben sie lediglich insofern, als sie eine bestimmte Frist normieren, nach deren Ablauf das Schweigen eine Erklärung darstellt. Täten sie dies nicht, müsste in jedem Fall individuell durch Auslegung bestimmt werden, ob der Zeitraum verstrichen ist, innerhalb dessen üblicherweise eine Regung 352  Vgl. auch MüKo-BGB/Henssler, 7. Aufl. 2016, § 625 Rn. 19, der von einem „an sich nahe liegende[n] Wille[n] zum Abschluss einer erneuten Befristung“ spricht. 353  Vgl. nur MüKo-BGB/Bieber, 7. Aufl. 2016, § 545 Rn. 9; MüKo-BGB/Henssler, 7. Aufl. 2016, § 625 Rn. 19; Staudinger/Emmerich, 2018, § 545 Rn. 15; Staudinger/Preis, 2019, § 625 Rn. 28. Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 18. Aufl. 2018, § 23 Rn. 79; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 348 nennen § 545 S. 1 BGB aus diesem Grund „gefährlich“. Zu Ausnahmen bei § 625 BGB vgl. BAG NZA 1989, 595; LSG Nds. BeckRS 1999, 16682; MüKo-BGB/Henssler, 7. Aufl. 2016, § 625 Rn. 19; Staudinger/Preis, 2019, § 625 Rn. 30 ff. 354  Vgl. nur MüKo-BGB/Bieber, 7. Aufl. 2019, § 545 Rn. 1 zu § 545 BGB. 355  Vgl. nur F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, 1967, S. 82 f. (zu § 568 BGB a.F.); MüKo-BGB/Henssler, 7. Aufl. 2016, § 625 Rn. 1; Staudinger/Singer, 2017, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 63; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 23. 356  Vgl. zu § 545 BGB MüKo-BGB/Bieber, 7. Aufl. 2016, § 545 Rn. 6 f., zu § 625 BGB MüKo-BGB/Henssler, 7. Aufl. 2016, § 625 Rn. 7a ff., 14 ff., 19, 24 (der allerdings darauf hinweist, dass die Möglichkeit der einschränkenden Auslegung bei Arbeitsverhältnissen durch das TzBfG stark beschränkt ist).

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

erfolgt wäre, so dass die Nichtreaktion als Willenserklärung zu verstehen ist. Diese Einzelfallprüfung machen die gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Regelungen entbehrlich. Damit dem Schweigen einer Person Erklärungswert zukommt, bedarf es eines Bezugspunkts (1.). Aus den Umständen des Einzelfalls ergibt sich dann, welchen konkreten Inhalt die Erklärung durch Schweigen hat (2.).

1. Bezugspunkt Regelmäßig ist der Bezugspunkt ein dem Schweigen vorausgegangenes Ereignis. Jeder der gesetzlich geregelten oder gewohnheitsrechtlich anerkannten Fälle setzt den Eintritt eines solchen Ereignisses voraus. Oftmals – etwa bei der Geschäftsbesorgung oder beim kaufmännischen Bestätigungsschreiben – hat die Person dem Schweigenden ein Angebot unterbreitet;357 bei der Schenkung hat der Zuwendende den Beschenkten zudem zur Erklärung über die Annahme aufgefordert (§ 516 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und 2 BGB). Bisweilen hat die Person den Schweigenden aufgefordert, sich zu einem Sachverhalt zu erklären, insbesondere ein Rechtsgeschäft zu genehmigen. So verhält es sich etwa bei § 416 Abs. 1 S. 1 BGB; der Veräußerer des Grundstücks muss dem Gläubiger mitteilen, dass der Erwerber die Hypothekenschuld übernimmt. Bei §§ 75h Abs. 1 und 91a Abs. 1 HGB (jeweils in der zweiten Variante) hat der Geschäftsgegner den Prinzipal bzw. Unternehmer über Abschluss und wesentlichen Inhalt des Rechtsgeschäfts benachrichtigt. Bei § 386 HGB hat der Kommissionär dem Kommittenten die Ausführung des Geschäfts unter der für diesen nachteiligen Abweichung vom Preislimit angezeigt (§ 386 Abs. 1 HGB). Auch bei § 415 Abs. 1 S. 2 BGB haben Schuldner oder Dritter dem Gläubiger die Schuldübernahme mitgeteilt. Und in den BGB-Fällen, in denen der durch einen Dritten abgeschlossene Vertrag schwebend unwirksam ist, hat der andere Teil 357  Kaufmännische Bestätigungsschreiben werden verschickt, weil sich bei mündlichen Vertragsschlüssen Missverständnisse einschleichen und einzelne Punkte unerkannt ungeklärt bleiben. Der Absender nimmt in das Schreiben das auf, was seiner Meinung nach vereinbart wurde bzw. womit der Vertragsgegner seiner Ansicht nach einverstanden ist. Ihm ist dabei aber üblicherweise bewusst, dass sein Vertragsgegner möglicherweise ein anderes Verständnis von dem Ausgehandelten bzw. Vereinbarten hat als er selbst; typischerweise schickt er sein Schreiben, um etwaige Missverständnisse auszuräumen. Das Bestätigungsschreiben enthält mithin bei objektiver Auslegung einen Antrag des Absenders mit dem Inhalt: „Diesen Vertrag, von dem ich ausgehe, dass wir beide ihn so wollen, möchte ich schließen.“ Darum vermag die insbesondere von F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, 1967, S. 199; ders., FS Flume, Bd. I, 1978, S. 335, 344, 346; Oßwald, Der sogenannte Vertragsschluß durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben, 1972, S. 281 ff. geäußerte Kritik, ein Bestätigungsschreiben als bloße Mitteilung über einen nach Ansicht seines Absenders bereits geschlossenen Vertrag könne keine konstitutive Wirkung entfalten, nicht zu überzeugen. In gewisser Hinsicht ähnlich wie hier Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 194.

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eine Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung des Vertrags ausgesprochen – bei § 108 Abs. 2 S. 1 BGB richtet sich diese an den gesetzlichen Vertreter, bei § 177 Abs. 2 S. 1 BGB an denjenigen, in dessen Namen der Vertreter gehandelt hat.358 Unter Umständen, etwa beim Kauf auf Probe, wurde sogar bereits ein Kaufvertrag abgeschlossen. Im Zweifel haben die Vertragspartner dabei als aufschiebende Bedingung vereinbart, dass der Käufer die Kaufsache innerhalb einer bestimmten Frist billigen werde (§ 454 Abs. 1 S. 2 BGB), oder der Verkäufer hat dem Käufer eine bestimmte angemessene Frist für die Billigung gesetzt (§ 455 Abs. 1 S. 1 BGB). Bei der stillschweigenden Vergütungsvereinbarung nach §§ 612, 632, 653 und 689 Abs. 1 BGB schließlich stehen die Willenserklärungen beider Parteien zur Frage. Das entscheidende Ereignis besteht hier nicht in der (ausdrücklichen) Erklärung einer Partei, sondern in dem Verhalten beider Beteiligter, nämlich dem Vertragsschluss. Die Parteien haben einen Dienst-, Werk-, Mäkler- oder Verwahrungsvertrag geschlossen, also einen Vertrag, der zu einer Regelung einer etwaigen Vergütung herausgefordert hat.

2. Inhalt der Erklärung durch Schweigen Je nach Fallkonstellation kann die Willenserklärung eine Billigung (a)) oder Ablehnung (b)) des betreffenden Rechtsgeschäfts zum Inhalt haben. Der Erklärungswert des Schweigens erschöpft sich dann in einem „Ja“ oder „Nein“. Schweigen kann auch einen darüber hinausgehenden Inhalt haben, der dem Verkehrsüblichen entspricht (c)).

a) Billigung Damit das Schweigen als Billigung auszulegen ist, müssen besondere Umstände vorliegen, die den Schluss rechtfertigen, dass der Schweigende den in Frage stehenden Sachverhalt gutheißt. Regelmäßig bestehen diese Umstände in einem vorherigen Verhalten des Schweigenden (aa)). Ausnahmsweise können sie sich auch aus der Natur des betreffenden Rechtsgeschäfts ergeben (bb)).

aa) Vorverhalten des Schweigenden Dass ein Verhalten des Schweigenden grundsätzlich erforderlich ist, verhindert, wie Krause bildlich schreibt, „daß plötzlich irgend ein Ahnungsloser mit Schrecken die Folgen seiner Untätigkeit in Gestalt der Rechtswirkungen eines typi-

358  Eine vor der Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam, § 177 Abs. 2 S. 1 a.E. BGB. Vgl. hierzu auch MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 177 Rn. 27; Staudinger/Schilken, 2014, § 177 Rn. 13.

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schen Erklärungsaktes über sich hereinbrechen sieht.“359 Aufgrund seines eigenen vorherigen Verhaltens muss der Schweigende vielmehr damit rechnen, dass sein Schweigen als Billigung verstanden wird.

(1) Kaufmännische Geschäftsbesorgung Ein konkretes Vorverhalten des Schweigenden verlangt etwa § 362 Abs. 1 HGB. Hier gibt es zwei alternative Tatbestände, welche die objektive Erklärungsbedeutung als Annahme des Antrags auf Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags rechtfertigen. Bei § 362 Abs. 1 Fall 1 HGB ist der Kaufmann ein „Geschäftsbesorgungskaufmann“.360 Er führt also einen Gewerbebetrieb, der die Besorgung von Geschäften mit sich bringt.361 Angebote wie das ihm zugegangene kann und will er also grundsätzlich annehmen. Außerdem steht er mit dem Antragenden bereits in geschäftlicher Verbindung. Er will solche Geschäfte also grundsätzlich auch für den Antragenden ausführen. Bei § 362 Abs. 1 Fall 2 HGB muss der Kaufmann hingegen kein „Geschäftsbesorgungskaufmann“ sein.362 Auch steht er mit der anderen Seite womöglich noch nicht in Geschäftsverbindungen. Er hat sich aber dem Antragenden gegenüber zur Geschäftsbesorgung erboten, also seinem grundsätzlichen Willen Ausdruck verliehen, mit diesem einen Vertrag abzuschließen.363 Aufgrund dieses vorherigen Verhaltens spricht, wenn der Kaufmann auf den ihm zugehenden Antrag hin schweigt, alles dafür, dass der Geschäftsbesorgung nichts im Wege steht, der Kaufmann den Vertrag mit dem Antragenden also will. In der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle wird dies auch zutreffen. Möchte der Kaufmann ausnahmsweise verhindern, dass sein Schweigen als Billigung gewertet wird, muss er dem Antragenden mitteilen, dass er den Vertrag nicht schließen möchte. Ökonomisch ist das sinnvoll; die Bindung an das Angetragene entspricht in aller Regel dem Willen des Schweigenden. Der Kaufmann muss nur in dem Ausnahmefall tätig werden, in dem er das Geschäft nicht wünscht. Nur dann entstehen ihm die mit der Tätigkeit verbundenen Kosten. Das bedeutet zugleich: Wenn der Kaufmann einem Antragenden, mit dem er in Geschäftsbeziehungen steht, kommuniziert hat, dass er ein bestimmtes Geschäft nicht abschließen möchte, ist sein Schweigen auf ein Angebot zum Abschluss eines solchen Vertrages objektiv nicht als Annahme zu werten. So verhält es sich etwa, wenn ein Kaufmann ein Angebot auf Erbringen einer Leistung 359 

Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 129. K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 48. 361  K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 48 nennt als Beispiele Banken, Makler, Kommissionäre, Spediteure und Frachtführer. 362  K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 50. 363  K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 50 weist darauf hin, dass die Norm in der Praxis gleichwohl vor allem auf Geschäftsbesorgungskaufmänner Anwendung findet, und zwar dann, wenn es an einer vorherigen Geschäftsbeziehung fehlt. 360 

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erhält, die zu erbringen er in seinen Vertragsbedingungen ausgeschlossen hat,364 oder wenn der Kaufmann einen sehr ähnlichen oder identischen Antrag desselben Antragstellers unter ähnlichen Umständen bereits einmal abgelehnt hat.365 Mit diesem Ansatz lässt sich auch eine sachgerechte Lösung für den Streit finden, ob der Schweigende Kaufmann sein muss. Nach der Regierungsbegründung scheint dies der Fall zu sein.366 Dagegen spricht sich ein Teil der Literatur dafür aus, § 362 Abs. 1 HGB analog auch auf andere Unternehmensträger – insbesondere Minderkaufleute sowie Freiberufler – anzuwenden.367 Verwiesen wird hierbei auf die Erwartungen des Verkehrs; die Erweiterung sei gerechtfertigt, „da (und in Grenzfällen soweit) für diese die für § 362 maßgebliche Verkehrserwartung ständiger Leistungsbereitschaft im Rahmen ihres Anerbietens besteht.“368 Diese Leistungsbereitschaft sei unabhängig vom Kaufmannsbegriff.369 Zu diesem Ergebnis gelangt auch, wer – wie hier – auf objektive Merkmale abstellt. Ob jemand die Grenze zum Ist-Kaufmann überschreitet, ist aus der Perspektive des Antragenden nicht ersichtlich. Es kommt stattdessen darauf an, ob die betreffende Person dem Antragenden gegenüber so auftritt, dass sie den objektiven Anschein ständiger Leistungsbereitschaft erweckt. Ist dies der Fall, ist ihr Schweigen, wenn die anderen Voraussetzungen vorliegen, als konkludente Billigung zu werten. Hinsichtlich des Vorverhaltens des Schweigenden besteht ein erheblicher Unterschied zwischen § 362 HGB und der Geschäftsbesorgung nach BGB; er rechtfertigt die Unterschiede in den Rechtsfolgen beider Normen. Bei § 663 S. 1 BGB hat sich die Person, welcher der Auftrag zugeht, nicht dem Antragenden gegenüber, sondern nur allgemein zur Erbringung von Geschäften erboten, oder sie ist zur Besorgung dieser Geschäfte öffentlich bestellt. Sie ist verpflichtet, ihre Ablehnung dem Auftraggeber gegenüber unverzüglich anzuzeigen. Tut sie dies nicht, begeht sie eine Pflichtverletzung und haftet bei Verschulden nach § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz. Bei § 663 S. 2 BGB hat sich der Schwei364  LG Karlsruhe, VersW 1950, 262 f. Vgl. auch MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 22. 365  So im Ergebnis auch EBJS/Eckert, 3. Aufl. 2015, § 362 HGB Rn. 35; Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 5; MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 34. 366  BT-Drucks. 13/8444, S. 30. 367 Vgl., mit unterschiedlichen Ansätzen, Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 206; Hopt, AcP 183 (1983), 608, 686 f.; K. Schmidt, NJW 1998, 2161, 2163 f.; ders., Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 43; MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 17. Anderer Ansicht EBJS/Eckert, 3. Aufl. 2015, § 362 HGB Rn. 9 f.; Schlegelberger/ Hefermehl, 5. Aufl. 1976, § 362 HGB Rn. 8; Heymann/Horn, 2. Aufl. 2005, § 362 HGB Rn. 5; Oetker/Maultzsch, 6. Aufl. 2019, § 362 HGB Rn. 10; Müller-Graff, Rechtliche Auswirkungen einer laufenden Geschäftsverbindung im amerikanischen und deutschen Recht, 1974, S. 203 f.; Oetker, Handelsrecht, 8. Aufl. 2019, § 7 Rn. 25. 368 MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 17. 369  K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 43.

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gende dem Auftraggeber gegenüber zwar zur Besorgung gewisser Geschäfte erboten, diese Geschäftsbesorgung muss aber unentgeltlicher Natur sein oder auf eine Weise erfolgen, dass nicht der objektive Anschein ständiger Leistungsbereitschaft erweckt wird, weil ansonsten der vorrangige § 362 HGB einschlägig ist.370 Bietet jemand einer anderen Person an, unentgeltlich oder lediglich dann Geschäfte für sie zu tätigen, wenn sie Kapazitäten dafür hat, erweckt sie nicht den objektiven Anschein, grundsätzlich unbedingt Aufträge annehmen zu wollen. Die besonderen Umstände, die erforderlich sind, damit ein Schweigen als Willenserklärung zu werten ist, liegen damit nicht vor. Dadurch ist aber natürlich nicht ausgeschlossen, dass eine Bewertung des Schweigens als Annahme im Einzelfall gerechtfertigt sein kann.371 Dies gilt für Geschäftsbesorgungsverträge ebenso wie für alle anderen Verträge, insbesondere im Handelsverkehr.372 Dass § 362 HGB auf Geschäftsbesorgungen begrenzt ist, erklärt sich aus dem historischen Zusammenhang. Als das ADHGB 1861 erlassen wurde,373 waren Waren knapp, Dienstleistungen hingegen grundsätzlich unbegrenzt verfügbar.374 Heute werden Waren in Massengeschäften gehandelt; sie sind nicht unbedingt knapper als Dienstleistungen. Je nach Umständen des Einzelfalls kann das Vorverhalten des Kaufmanns also auch bei Warenlieferungen darauf hindeuten, dass er einen Antrag annehmen will, wenn er schweigt.

(2) „Treu und Glauben“ In der Rechtsprechung des BGH finden sich denn auch zu Recht Beispiele, in denen Schweigen im Handelsverkehr auch außerhalb von Geschäftsbesorgungsverträgen als Zustimmung gewertet wird.375 Problematisch ist in den betreffenden Fällen lediglich die Begründung des Gerichts. Es verlangt als Voraussetzung für die Erklärungswirkung des Schweigens (nur), dass „nach Treu und Glauben ein Widerspruch des Angebotsempfängers erforderlich gewesen wäre“.376 Die Formel ist wenig handhabbar und steht, in dieser Allgemeinheit, im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass Schweigen per se kein Erklärungswert zukommt.377 Auch Canaris’ dogmatischen Bedenken, dass Schweigen, wenn es 370  K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 37. Vgl. auch MüKo-BGB/Schäfer, 7. Aufl. 2017, § 663 Rn. 3. Anderer Ansicht Canaris; Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 23 Rn. 1. 371  Vgl. auch Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 238. 372  Vgl. auch K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 27. 373  Die dem heutigen § 362 Abs. 1 HGB entsprechende Vorschrift fand sich in Art. 323 Abs. 1 ADHGB. Vgl. hierzu MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 13. 374  So auch K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 31. 375  Vgl. auch K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 27. 376  BGHZ 1, 353, 355; BGH NJW 1995, 1281. 377 So auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 35 II 4, S. 658 ff.; MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 4.

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nach Handelsbrauch oder kaufmännischer Verkehrssitte nicht ausnahmsweise als Zustimmung zu werten sei, allenfalls die Verletzung einer Aufklärungspflicht darstelle,378 die eine Schadensersatz-, nicht aber eine Erfüllungspflicht zu begründen vermöge, sind nicht von der Hand zu weisen.379 Nach dem hier vertretenen Ansatz ist die Alternative aber nicht, wie Welter es fordert, „darauf abzustellen, dass der Schluss auf eine Zustimmung sich so sehr aufdrängen muss, dass jedes andere Verständnis des Schweigens mit der Sicherheit des Rechtsverkehrs unvereinbar wäre“.380 Erheblich ist weder, was Treu und Glauben in einem subjektiven Sinne gebieten, noch, ob die Sicherheit des Rechtsverkehrs die Wertung des Schweigens als Willenserklärung erfordert. Stattdessen muss die Frage lauten: Hat der Schweigende durch sein Vorverhalten objektive Hinweise darauf gegeben, dass er den in Frage stehenden Vertrag abschließen will? Damit ist auch eine Begrenzung der Erklärungswirkung auf bestimmte Fallgruppen, wie etwa Hopt es vorschlägt,381 nicht vereinbar. Positiv beantworten lässt sich die Frage etwa in den oben genannten, im Wesentlichen unumstrittenen Fällen, in denen die Parteien in laufenden Geschäftsbeziehungen stehen und das Schweigen als Erklärungszeichen für eine Annahme vereinbart oder Schweigen in der Vergangenheit bereits als Annahme verstanden haben. Voraussetzung ist allerdings, dass der in Rede stehende Vertrag einen in diesem Geschäftsverhältnis üblichen Vertrag darstellt. Ist dies der Fall, muss der Empfänger des Angebots aktiv tätig werden, um den gewöhnlichen Ablauf zwischen den Parteien zu verändern. Nach Karsten Schmidt und anderen gilt Schweigen überdies auch dann als Zustimmung, wenn die Parteien durch Vorverhandlungen einen abschlussreifen Vertrag geschaffen haben.382 In dieser Allgemeinheit ist dem Satz nicht zuzustimmen. Aus der Tatsache, dass eine Person mit einer anderen einen Vertrag 378  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 225. Vgl. auch ders., FS Wilburg, 1975, S. 77, 82 ff. (Widerspruchspflicht). 379  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 225 f.; ders., FS Wilburg, 1975, S. 77, 83, 86. Vgl. auch Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 156. Canaris kritisiert des Weiteren, dass der BGH bei der von ihm gewählten Lösung nicht berücksichtigen könne, mit welchem Motiv der Erklärende den (veränderten) Antrag gesendet habe oder ob Mitverschulden vorliege. Der BGH hätte also „folgerichtig der Klage auch dann […] stattgeben müssen, wenn die Klägerin – worüber aus dem Urteil nichts zu entnehmen ist – das Gleis im Zeitpunkt ihres Änderungsangebots bereits gekauft oder hergestellt hatte und nun lediglich einen höheren Preis ‚herausschlagen‘ wollte.“ (FS Wilburg, 1975, S. 77, 83, 86 f.). 380 MüKo-HGB/Welter, 4. Aufl. 2018, § 362 HGB Rn. 4. Vgl. auch Scheffer, NJW 1995, 3166, 3168: Eine Bindung sei nur dann sachgemäß, wenn ein Vertrauenstatbestand bestehe, „der es rechtfertigt, den Schweigenden wie denjenigen zu behandeln, der seine Zustimmung zu einem Vertragsangebot ausdrücklich erklärt hat.“ 381 Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, § 346 HGB Rn. 32 („vorsichtige Fallgruppenbildung“). 382  K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 29. Vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl, 5. Aufl. 1976, § 346 HGB Rn. 102; EBJS/Joost, 3. Aufl. 2015, § 346 HGB Rn. 38; Kramer,

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ausgehandelt hat, lässt sich noch nicht darauf schließen, dass sie diesen Vertrag auch abschließen möchte.383 Im Einzelfall kann diese Voraussetzung aber natürlich erfüllt sein.384 Anders als teilweise vertreten, ist Schweigen auf einen Antrag auch nicht bloß deswegen als Zustimmung zu werten, weil der Schweigende einem Kontrahierungszwang unterliegt.385 Ein Kontrahierungszwang macht eine Annahmeerklärung nicht entbehrlich. Auch der insofern in seiner Abschlussfreiheit Beschränkte kann also einen Antrag (zunächst) ablehnen. Auch hier sind also die Gesamtumstände des Falles in Betracht zu ziehen.

(3) Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens Ähnlich wie bei § 362 HGB verhält es sich bei den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens. Dort hat der Empfänger des Schreibens durch sein Vorverhalten ebenfalls demonstriert, dass er grundsätzlich mit dem Absender des Schreibens eine Geschäftsbeziehung eingehen will. Deswegen hat er mit diesem verhandelt und (vermeintlich) einen Vertrag abgeschlossen. Erhält er nun das Bestätigungsschreiben mit dem Antrag des Absenders,386 den Vertrag mit dem Inhalt abzuschließen, der dessen Ansicht nach dem Willen beider Parteien entspricht, und widerspricht der Empfänger nicht unverzüglich, drückt er aus Sicht des Absenders seine Zustimmung aus. Das Schweigen hat den objektiven Erklärungswert „Ja, ich will den Vertrag mit diesem Inhalt (und gegebenenfalls diesen Nebenbestimmungen) schließen.“ Der Inhalt des Bestätigungsschreibens wird damit grundsätzlich zum Inhalt des Vertrages. Jura 1984, 235, 248. Nach Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 35 II 4, S. 660 Fn. 71 stellt der „Antrag“ in einem solchen Fall in Wirklichkeit ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dar. 383  Wie hier MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 147 Rn. 7. 384  So etwa bei RGZ 102, 227, 229 f. (vgl. auch BGH BB 1955, 1889): Ein Unternehmer hatte einer mit ihm in Briefwechsel stehenden Partei ein „freibleibendes Angebot“ auf Abschluss eines Kaufvertrages über von ihm zu liefernde Kiefern unterbreitet und dabei deutlich gemacht, dass ihm sehr an einem zügigen Vertragsschluss gelegen sei. Die andere Seite akzeptierte das Angebot unverzüglich unter dem Vorbehalt der Besichtigung. Die Parteien traten daraufhin noch einmal in Kontakt und verständigten sich über einen Besichtigungstermin. Nach der Besichtigung gab die Bestellerin die Verladung der Kiefern schriftlich in Auftrag. Der Unternehmer reagierte hierauf erst nach 12 Tagen; er unterbreitete ein neues, höheres Angebot, weil sich die Kiefern in der Zwischenzeit in einem weiter entfernteren Lager befanden. Später berief er sich darauf, dass der Vertragsschluss wegen der Klausel „freibleibendes Angebot“ zuvor nicht zustande gekommen sei. Das Argument des Unternehmers überzeugt nicht, weil der Zusatz „freibleibend“ verwendet wird, um nicht an ein Angebot gebunden zu sein, das nicht erfüllbar ist, etwa weil die angebotene Ware nicht mehr lieferbar ist. Indem der Unternehmer nach Erhalt der Bestellung unter Vorbehalt eine Besichtigung der Kiefern ermöglichte, gab er zu verstehen, dass die Kiefern tatsächlich noch lieferbar waren. Dieses Verhalten war aus Sicht der Bestellerin als Annahme zu verstehen. 385  So aber EBJS/Joost, 3. Aufl. 2015, § 346 HGB Rn. 38; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 28. 386  Siehe oben Fn. 357.

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Eine Ausnahme gilt, wenn der Inhalt erheblich von dem bereits Ausgehandelten oder Vereinbarten abweicht. Dann lässt sich das Schweigen nach Auslegungsgrundsätzen nicht als Billigung verstehen. Diese Rechtsfolge ist auch ökonomisch effizient. Wie Moritz zu Recht feststellt, führt die Zustimmungswirkung des Schweigens zur Senkung von Transaktionskosten, weil der Empfänger nur im Ausnahmefall durch einen Widerspruch reagieren muss.387 Enthält das Bestätigungsschreiben erhebliche Änderungen, ist eine Ablehnung des Empfängers wahrscheinlich.388 Damit wäre es ökonomisch nicht sinnvoll, das Schweigen gleichwohl als Zustimmung zu behandeln. Einer Bezugnahme auf das Fehlen eines die Bindung rechtfertigenden Vertrauenstatbestands bedarf es aber nicht.389 Etwaiges Vertrauen des Absenders ist nicht erforderlich. Stattdessen ist relevant, ob die objektiven Umstände des Schweigens auf eine Zustimmung schließen lassen. Dieser Gedanke klingt auch beim BGH an, nach dem die Wirkungen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens nicht eintreten, „wenn der Inhalt des Bestätigungsschreibens von dem Inhalt der Besprechungen so weit abweicht, daß der Absender vernünftigerweise nicht mit einem Einverständnis des Empfängers rechnen kann“.390 Vor diesem Hintergrund vermag auch Franz Bydlinskis Einwand, ein „sorgfältiger und vernünftiger Briefschreiber“ könne nicht damit rechnen, dass der Empfänger „einer ihm gar noch versteckt unter dem Deckmantel einer bloßen Bestätigung angesonnenen Verschlechterung seiner Vertragslage“ zustimmen werde,391 nicht zu überzeugen. Angetragen wird nicht die Verschlechterung der Vertragslage, sondern der Abschluss eines Vertrags, der nach Ansicht des Absenders dem Willen beider Parteien entspricht.392 Ist dies nicht der Fall, weil das Angetragene objektiv erheblich von dem abweicht, was die Parteien zuvor abgesprochen haben, liegen die erforderlichen objektiven Umstände nicht vor. Das Schweigen ist dann nicht als Zustimmung zu werten.

387 

Moritz, BB 1995, 420, 421. Moritz, BB 1995, 420, 421. Moritz kritisiert allerdings, dass die Rechtsprechung dem Empfänger aufbürdet zu beweisen, dass eine erhebliche Änderung vorliegt. Die Zustimmungswirkung solle nur dann eintreten, wenn die erheblichen Änderungen im Bestätigungsschreiben deutlich hervorgehoben sind. So könne der Empfänger davon ohne großen Kostenaufwand Kenntnis nehmen und gegebenenfalls widersprechen. 389  So auch Schlegelberger/Hefermehl, 5. Aufl. 1976, § 346 HGB Rn. 128. 390  BGH NJW 1963, 1922, 1923. Vgl. auch RGZ 95, 48, 51; BGHZ 7, 187, 190; BGHZ 11, 1, 4; BGHZ 40, 42, 44; BGHZ 61, 282, 286; BGHZ 93, 338, 343; EBJS/Joost, 3. Aufl. 2015, § 346 HGB Rn. 85; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 111. 391  F. Bydlinski, FS Flume, Bd. I, 1978, S. 335, 342; ders., Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, 1967, S. 202. 392  Siehe oben Fn. 357. 388 

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Auch die Fälle, die üblicherweise unter dem Begriff „Unredlichkeit“393 oder „Bösgläubigkeit“394 des Absenders diskutiert werden, lassen sich mit Mitteln der Auslegung sauber lösen. Nach allgemeiner Ansicht soll der Empfänger eines Bestätigungsschreibens nicht an den Inhalt des Schreibens gebunden sein, wenn der Absender darin bewusst Punkte aufgenommen hat, die nicht dem entsprechen, was die Parteien abgesprochen haben.395 Tatsächlich aber ist zu differenzieren: In den in der Rechtsprechung behandelten Fällen sind die Änderungen erheblich;396 bereits die objektiven Umstände des Schweigens lassen mithin nicht auf eine Zustimmung schließen. Hat der Absender hingegen bewusst unerhebliche Änderungen in das Bestätigungsschreiben aufgenommen, ist das Schweigen als Zustimmung zu werten. Ob der Absender gutgläubig war, ist insoweit irrelevant. Vor Probleme stellen die herrschende Ansicht vor allem sich widersprechende, kreuzende Bestätigungsschreiben, etwa wenn beide Parteien dem Vertrag ihre eigenen AGB zugrunde legen wollen. Teilweise wird vertreten, dass dann „das letzte Wort“ gelte, also der Inhalt des zuletzt zugegangenen Schreibens.397 Dagegen wird eingewandt, es fehle an der für die Wirkungen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens erforderlichen „Vertrauenslage“, wenn der Geschäftsgegner offensichtlich andere Klauseln bzw. einen anderen Inhalt durchsetzen wolle als jene/n, welche/n der Absender aufgenommen habe.398 Darum würde sich keines der beiden Schreiben durchsetzen; die AGB gälten nur insoweit, als sie sich deckten.399 Letztgenannte Ansicht entspricht der hier ver-

393  K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 103 ff.; MüKo-HGB/ders., 4. Aufl. 2018, § 346 HGB Rn. 162. Vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl, 5. Aufl. 1976, § 346 HGB Rn. 125 ff. („Redlichkeit“); Schärtl, JA 2007, 567, 570 („unredlich“); Walchshöfer, BB 1975, 719, 720 f. („arglistig“/„redlich“). 394  Petersen, Examinatorium AT und Handelsrecht, 2013, S. 159. Vgl. auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 36 4, S. 664 (Berufung auf die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens nur bei Absendung „in gutem Glauben“ zulässig). 395  Vgl. nur RGZ 95, 48, 50 f.; Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, § 346 HGB Rn. 26; Schlegelberger/Hefermehl, 5. Aufl. 1976, § 346 HGB Rn. 125; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 104. 396  Vgl. nur BGHZ 93, 338, 343 (Gewährleistungsausschluss statt Eigenschaftszusicherung); BGH NJW 1987, 1940, 1942 (Bestätigung einer Stornierungsabrede); OLG Koblenz NJW-RR 2013, 1241, 1242 (Änderung der Zahlungsbedingungen). Vgl. aber BGH NJW 1969, 1711, 1712 (Verdoppelung des Entgelts unschädlich). 397  BGHZ 18, 212, 215; BGH NJW 1963, 1248; Rieger/Friedrich, JuS 1987, 118, 125. 398  Vgl. nur K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 19 Rn. 117. Ähnlich EBJS/Joost, 3. Aufl. 2015, § 346 HGB Rn. 75 (Vertrauen des Absenders ist nicht gerechtfertigt); Oetker/ Pamp, 6. Aufl. 2019, § 346 HGB Rn. 49. 399  Vgl. nur BGH BB 1957, 728; BGH BB 1961, 954; BGH BB 1974, 1136; OLG Köln, DB 1980, 924 f.; OLG Hamm, BB 1983, 1814, 1815; Oetker, Handelsrecht, 8. Aufl. 2019, § 7 Rn. 46; Schlegelberger/Hefermehl, 5. Aufl. 1976, § 346 HGB Rn. 123; EBJS/Joost, 3. Aufl. 2015, § 346 HGB Rn. 90.

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tretenen, die das Ergebnis mit Mitteln der Auslegung erzielt. Soweit sich die Bestätigungsschreiben widersprechen, fehlt es an objektiven Umständen, welche auf eine Zustimmung des Schweigenden schließen lassen würden.

(4) Kauf auf Probe Beim Kauf auf Probe hat der Schweigende nicht nur grundsätzlich seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag abzuschließen. Er hat diesen Vertrag sogar bereits geschlossen und die Kaufsache zum Zwecke der Probe oder der Besichtigung erhalten. Der Vertrag ist im Zweifel nur deswegen noch nicht wirksam, weil die Parteien ihn gem. § 454 Abs. 1 S. 2 BGB unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung der Kaufsache durch den Käufer geschlossen haben. Beide Parteien haben also einen Kaufvertrag über die Sache avisiert. Sie gehen davon aus, dass die Kaufsache dem Käufer potentiell gefällt. Indem der Käufer die Sache nun in seinem Herrschaftsbereich behält, bringt er zum Ausdruck, dass diese Vermutung zutrifft. Objektiv ist die Nicht-Ablehnung des Käufers nach Ablauf der vereinbarten oder vom Verkäufer gesetzten angemessenen Frist aufgrund des Vorverhaltens des Käufers damit als Billigung der Kaufsache zu verstehen.

bb) Natur des Rechtsgeschäfts Bisweilen bestehen die besonderen Umstände, welche die Bedeutung des Schweigens als Billigung rechtfertigen, nicht in dem (Vor-)Verhalten des Schweigenden, sondern ergeben sich aus der Natur des betreffenden Rechtsgeschäfts.

(1) Schenkung So verhält es sich etwa bei § 516 Abs. 2 S. 2 BGB. Die Norm findet nur auf „reine Schenkungen“ Anwendung. Das sind Schenkungen, die keinerlei rechtliche Pflichten des Beschenkten begründen.400 Die Annahme des Schenkungsvertrages führt also ausschließlich zu einer Begünstigung des Beschenkten und ist

400 MüKo-BGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 516 Rn. 49. Kritisch MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 147 Rn. 7: Dass das Angebot für den Empfänger lediglich rechtlich vorteilhaft sei, reiche alleine nicht aus, um von ihm eine ablehnende Erklärung zu verlangen. Zur Frage, ob es Schenkungen gibt, die wenigstens in sozialer Hinsicht lediglich altruistisch motiviert sind, vgl. Mauss, L’Année Sociologique I (1923–1924), 30 ff. Zur Schenkung als causa do­nandi im römischen Recht vgl. nur Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung in das römische Recht, 6. Aufl. 2016, S. 193; Staudinger/Chiusi, 2013, Vorbem. zu §§ 516 ff. Rn. 5; Honsell/Mayer-­ Maly/Selb, Römisches Recht, 4. Aufl. 1987, S. 346; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 47, S. 293 f., für eine rechtsökonomische Betrachtung Grundmann, AcP 198 (1998), 457, 473 f., zur Schenkung im anglo-amerikanischen Rechtskreis vgl. nur Fuller, 41 Colum. L. Rev. 799, 815 ff. (1941).

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

für ihn in aller Regel nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft. Rational ist daher, dass der Beschenkte, der die Zuwendung zudem bereits erhalten hat, den Abschluss des diese Vermögensverschiebung auf Dauer mit einem Rechtsgrund versehenden Vertrages wünscht.401 Diese Überlegung liegt vermutlich auch der oben erwähnten „Wahrscheinlichkeitsrechnung“ des Gesetzgebers zugrunde,402 nach der Schenkungen im Regelfall nicht zurückgewiesen werden.403

(2) Übernahme einer Hypothekenschuld Auch bei der Übernahme einer Hypothekenschuld gem. § 416 BGB wäre es für den Gläubiger ökonomisch nicht sinnvoll, der Schuldübernahme zu widersprechen. Sollte sich der neue Schuldner als nicht liquide erweisen, kann sich der Gläubiger einer dinglich gesicherten Forderung notfalls aus dem Grundstück befriedigen.404 Die Person des Schuldners hat für ihn demnach keine große Bedeutung. Zugleich hat er aber ein Interesse an einem Gleichauf von dinglicher und (besicherter) persönlicher Forderung.405 Äußert der Gläubiger nicht ausdrücklich seine gegenteilige Präferenz, ist daher davon auszugehen, dass er das ökonomisch Sinnvolle, das Rationale will, nämlich eine Übernahme der Schuld durch den Erwerber. Für den hier eingeschlagenen Weg ergibt sich ein eindeutiges Ergebnis zu der Frage, ob eine vor Mitteilung der Schuldübernahme geäußerte Verweigerung die Genehmigungswirkung nach § 416 BGB hindert und – wenn ja – weshalb.406 Die vom Gläubiger geäußerte Verweigerung der Genehmigung ist in die Auslegung seines Schweigens miteinzubeziehen. Sie stellt ein starkes Indiz dafür dar, dass der Gläubiger die Schuldübernahme nicht billigt. Dementsprechend wird sein Schweigen in der Regel nicht den Erklärungswert einer Genehmigung haben.

401 

Vgl. dazu auch Werba, Die Willenserklärung ohne Willen, 2005, S. 93. Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 60. 403  Prot. II, S. 1622 (= Mugdan II, S. 739). 404  Vgl. hierzu Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 43. Aufl. 2019, § 35 Rn. 14; Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 59; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 396; Looschelders, Schuldrecht AT, 16. Aufl. 2018, § 53 Rn. 8; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 21. Aufl. 2015, Rn. 834. 405  Vgl. RGZ 128, 68, 71 f.; RG HRR 1930, Nr. 1723; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393, 396; Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, 2. Aufl. 1999, § 26 I 4, S. 235; Staudinger/­ Rieble, 2017, § 416 Rn. 3. 406  Dafür etwa MüKo-BGB/Heinemeyer, 8. Aufl. 2019, § 416 Rn. 9; Günther, DJZ 1912, 510, 511; Soergel/Schreiber, 13. Aufl. 1999, § 416 Rn. 4. Dagegen RG HRR 1930, Nr. 1723; MüKo-BGB/Möschel, 5. Aufl. 2007, § 416 Rn. 9; Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, 2. Aufl. 1999, § 26 I 4, S. 237. 402 So

C. Ausprägungen in Gesetz und Gewohnheitsrecht

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b) Ablehnung Aus den besonderen Umständen des Falles kann sich auch ergeben, dass der Schweigende das betreffende Rechtsgeschäft ablehnt.

aa) Schuldnervertragliche Schuldübernahme Bei der schuldnervertraglichen Übernahme einer Schuld, die nicht durch eine Hypothek gesichert ist (§ 415 Abs. 2 S. 2 BGB), bestehen diese besonderen Umstände wiederum in der Natur des Rechtsgeschäfts. Der Gläubiger einer Forderung hat regelmäßig ein lebhaftes Interesse an dem Abschluss eines Vertrages mit einem liquiden Schuldner.407 Liegt kein Bargeschäft des täglichen Lebens vor, sucht sich der Gläubiger seinen Schuldner darum sorgsam aus. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass er einer Auswechslung seines Vertragspartners gegen einen unter Umständen deutlich weniger solventen Schuldner zustimmen wird.408

bb) Gesetzliche und gewillkürte Stellvertretung Auch wenn ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger einen Vertrag ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters schließt und dieser der Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung nicht nachkommt (§ 108 Abs. 2 S. 2 BGB), sprechen die Umstände bei objektiver Betrachtung dafür, dass der Vertreter den Vertrag nicht billigt:409 Entweder war er in den Abschluss des Vertrages nicht eingebunden, oder er hat dem Minderjährigen den Vertragsschluss vorab sogar untersagt. Unter Umständen hat der Vertreter nicht einmal Kenntnis von dem genauen Inhalt des zu genehmigenden Vertrages. Um die Rechtsfolge des § 108 Abs. 2 S. 2 BGB auszulösen, muss der Vertreter nur über den Abschluss, also das Ob des Vertrages, informiert werden, nicht aber über dessen wesentlichen Inhalt.410 Ähnlich verhält es sich im Fall des § 177 Abs. 2 S. 2 BGB. Ebenso wie bei § 108 Abs. 2 S. 2 BGB würde die Bindung an das zunächst schwebend unwirksame Rechtsgeschäft mit Verpflichtungen einhergehen. Wie bei § 108 Abs. 2 S. 2 BGB erfährt der Vertretene durch die Aufforderung lediglich, dass ein Vertrag in seinem Namen abgeschlossen wurde; er muss aber nicht über den wesent407  Vgl. nur Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 43. Aufl. 2019, § 35 Rn. 7; Grigoleit/ Herresthal, Jura 2002, 393, 396; Looschelders, Schuldrecht AT, 16. Aufl. 2018, § 53 Rn. 1. 408  Vgl. auch Staudinger/Rieble, 2017, § 415 Rn. 74, nach dem das Schweigen allerdings nur „allenfalls“ nein bedeutet. 409  Die Bedingungen sind insofern ganz andere als in den im HGB geregelten Fällen, in denen das Schweigen auf die Benachrichtigung über den Abschluss eines durch einen Dritten abgeschlossenen, schwebend unwirksamen Vertrags als Billigung gilt (vgl. §§ 75h, 91a, 386 HGB). 410  Anders insofern die Voraussetzungen der §§ 75h, 91a HGB.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

lichen Inhalt des Rechtsgeschäfts in Kenntnis gesetzt werden. Der Inhalt kann dem Vertretenen also unter Umständen unbekannt sein. Auch den Vertreter ohne Vertretungsmacht kennt der Vertreter unter Umständen nicht.411 Zu beachten ist dabei wiederum, dass es einer Genehmigung gem. § 177 BGB nach hier vertretener Ansicht überhaupt nur dann bedarf, wenn der Vertreter nicht objektiv legitimiert ist, sich also das Verhalten des Vertretenen aus Sicht eines durchschnittlichen Geschäftspartners nicht so darstellt, als handele der Vertreter mit Ermächtigung.412 Ist der Vertreter hingegen objektiv legitimiert, sind die Voraussetzungen für eine wirksame Vertretung grundsätzlich erfüllt; eine Genehmigung ist dann entbehrlich.

c) Vereinbarung des Verkehrsüblichen Wie stets, ist bei der Auslegung einer Willenserklärung auch die Verkehrssitte zu berücksichtigen.413 Verkehrsstandards finden dadurch Eingang in Erklärungen und Verträge; sie können unter anderem vorgeben, welchen Inhalt die Erklärung einer Partei hat, wenn sie sich zu einem konkreten Punkt nicht ausdrücklich geäußert hat. Der Gehalt des Schweigens kann damit über ein schlichtes „Ja“ oder „Nein“ hinausgehen – Schweigen ist dann eine Erklärung des Inhalts, den die Erklärung eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers in der betreffenden Situation haben würde. So ist beispielsweise in den Tegernseer Gebräuchen zum inländischen Handel mit Rundholz, Schnittholz, Holzwerkstoffen und anderen Holzhalbwaren festgelegt, dass der Kaufpreis im Zweifel „nach Wahl des Käufers entweder innerhalb 14 Tagen mit 2 % Skonto oder innerhalb 30 Tagen in bar ohne Abzug zu zahlen“ ist.414 Hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten wird dem Schweigen also der Inhalt beigemessen, der verkehrsüblich ist. Ebenso verhält es sich etwa in den Situationen, die Gegenstand der §§ 612, 632, 653 und 689 Abs. 1 BGB sind. Jeweils haben die Parteien einen Vertrag geschlossen. Ob für die zu erbringende Dienst-, Werk-, Mäkler- oder Verwahrungsleistung eine Vergütung geschuldet wird, haben sie nicht explizit ge­ regelt.

411  Auch diesbezüglich bestehen Unterschiede zu §§ 75h, 91a HGB, bei denen das Schweigen jeweils eine Genehmigung darstellt. Dort ist der Vertreter im Unternehmen des Vertretenen mit der Aufgabe betraut, Vertragsabschlüsse für ihn vorzubereiten oder durchzuführen. 412  Siehe S. 196 ff., auch zur Ausnahme, die gilt, wenn der Vertreter zwar objektiv legitimiert ist, der Vertretene dazu aber keinen kausalen Beitrag geleistet hat. 413  Siehe dazu oben S. 92 ff. 414 § 1 Abs. 4 Tegernseer Gebräuche (in der Fassung von 1985) lautet auszugsweise: „Ist bei laufender Geschäftsverbindung kein besonderes Zahlungsziel zur Übung geworden oder vereinbart, so ist der Kaufpreis nach Wahl des Käufers entweder innerhalb 14 Tagen mit 2 % Skonto oder innerhalb 30 Tagen in bar ohne Abzug zu zahlen.“

C. Ausprägungen in Gesetz und Gewohnheitsrecht

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Die Normen stellen fest, dass für die objektive Auslegung der Parteierklärungen maßgeblich ist, was andere Parteien in einer vergleichbaren Situation vereinbaren würden. Im Zweifel, so die Normen, ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien die zu erbringenden Leistungen wirtschaftlich ebenso bewerten, wie Verkehrsteilnehmer es üblicherweise tun, und dass sie eine dieser wirtschaftlichen Bewertung entsprechende rechtliche Verpflichtung wünschen. Dies ergibt sich bereits aus den Grundsätzen der objektiven Auslegung.415 Ein ähnliches Verständnis scheint Oertmann zu haben. Wenn eine Dienstleistung vereinbart sei, bestehe selbst dann, wenn es an einer Abrede fehle, eine Vermutung dafür, dass die Leistung entgeltlich erbracht werden solle, der Vertrag also ein Dienstvertrag sei.416 Für ihn ist dies allerdings nicht das Ergebnis einer Auslegung: Eine Vergütung gelte als vereinbart „nicht nur unter den allgemeinen Voraussetzungen der stillschweigenden Willenserklärung, sondern schlechthin, sofern nur objektiv die Leistung gegen Vergütung zu erwarten war. Es handelt sich im Grunde um gesetzliche Anordnung, nicht bloße Auslegung des Parteiwillens […].“417

Nach Götz weisen die Regeln zu Vergütungsvereinbarungen ebenfalls Ähnlichkeiten mit der gesetzlichen Anordnung auf. Er unterscheidet zwischen gesetzlichen Regelungen, die eine vertragliche Vereinbarung ergänzen, und solchen, die eine Anordnung für den Fall völliger Untätigkeit treffen.418 Zur ersten Gruppe zählt er vor allem die Vorschriften über die stillschweigende Vereinbarung einer Vergütung. Er meint: „Es handelt sich – um es einmal überspitzt zu formulieren – um eine gesetzliche ‚ergänzende Vertragsauslegung‘.“419 Gegen eine gesetzliche Anordnung spricht, dass – wie auch Oertmann eingesteht – die Parteien vereinbaren können, dass die Leistung unentgeltlich erfolgen soll.420 Sie müssen sich allerdings aktiv äußern, damit ihren Erklärungen nicht der verkehrsübliche Inhalt beigemessen wird. Auch von der ergänzenden Vertragsauslegung unterscheiden sich §§ 612, 632, 653 und 689 Abs. 1 BGB. Die Erklärungen der Parteien werden nicht heteronom ergänzt. Sie (und auch ihr Schweigen) haben den Inhalt, den ihnen ein objektiver Empfänger des betreffenden Verkehrskreises beilegen würde. Einigen sich die 415  Vgl. auch Henle, Ausdrückliche und stillschweigende Willenserklärung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, 1910, S. 30. Seines Erachtens handelt es sich bei den Vorschriften um „nichts als spezielle Hinweise auf die Zulässigkeit stillschweigender Erklärung“. 416  Oertmann, Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 1929, § 612 Rn. 1. 417  Oertmann, Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 1929, § 612 Rn. 1. 418  Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 77 f. 419  Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, 1968, S. 80. 420  Oertmann, Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 1929, § 612 Rn. 1. Seine in einer Vorauflage geäußerte Ansicht, „der Lohn gelte kraft praesumtio iuris et de iure als vereinbart“, bezeichnet er daher selbst als „zu weit“. Vermutlich distanziert er sich damit auch von ders., Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht, 1914, S. 270 f.

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§ 4  Schweigen als Willenserklärung

Parteien etwa darauf, einen Mäklervertrag zu schließen, tätigen sie damit zugleich die Aussage, dass für die Mäklerleistung die übliche Vergütung geschuldet wird. Die Vergütung ist also privatautonom vereinbart.421

421  Auch der BGH legt Willenserklärungen von Vertragsparteien bisweilen so aus, dass sie eine konkludente Vereinbarung des Verkehrstypischen enthalten. So entschied er in BGHZ 83, 334, 339, die Inzahlungnahme eines Altwagens im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Neuwagens beinhalte einen konkludenten Haftungsausschluss für den Gebrauchtwagen: „Der wesentliche Anknüpfungspunkt für einen Haftungsausschluß liegt in der typischen Interessenlage der an dem Vertrag Beteiligten.“ Kritisch Schack, NJW 1983, 2806, 2807.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung „Denn Fiktionen sind rechtstechnische Notbehelfe, die als begriffliche ultima ratio nur dann zu bemühen sind, wenn sich keine gedanklich einfachere, systemgerechtere und sachlich einleuchtendere Lösung finden läßt.“1

A. Funktion und Entwicklung der gewillkürten Stellvertretung Stellvertretung kann auf Gesetz, Organschaft oder Rechtsgeschäft beruhen. 2 Weil Marktzugangsvoraussetzungen, insbesondere die Geschäftsfähigkeit sowie damit zusammenhängende Rechtsfragen, und organschaftliche Fragen des Gesellschaftsrechts nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, beschränkt sich die folgende Untersuchung auf die gewillkürte Stellvertretung. Die gewillkürte Stellvertretung ermöglicht Verkehrsteilnehmern, ihren Wirkungskreis zu erweitern, indem sie durch andere am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilnehmen.3 Für ein arbeitsteiliges Wirtschaftssystem ist sie damit unverzichtbar:4 „Die meisten Willenserklärungen werden in fremdem Namen abgegeben.“5 In den Motiven heißt es denn auch: „Die grundsätzliche Zulässigkeit der Vornahme von Rechtsgeschäften durch Vertreter ist für den heutigen Verkehr unabweisbares Bedürfniß.“6 Zugleich ist die Vertretung mit einer gewissen Einschränkung der Selbstbestimmung des Vertretenen verbunden.7 Im Rahmen der Vollmacht kann der 1 

Beuthien, FS Medicus, 1999, S. 1, 6. Zu den Unterschieden zwischen gewillkürter, gesetzlicher und organschaftlicher Stellvertretung vgl. nur Pawlowski, JZ 1996, 125, 130 f. 3  Vgl. nur Pawlowski, AT, 7. Aufl. 2003, Rn. 671; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 1. 4  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1288; Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 4; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2015, S. 429; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, Vor § 164 Rn. 1; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 881; D. Paulus, JuS 2017, 301; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 2. Vgl. auch bereits Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 53. 5  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 4 Rn. 96. 6  Mot. I, S. 223 (= Mugdan I, S. 475). 7  Das betonen etwa Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 104, 2 

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

Vertreter den Vertretenen verpflichten, berechtigen und über dessen Rechte verfügen und ihn damit möglicherweise an ein Rechtsgeschäft binden, das dem Willen des Vertretenen zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Rechtsgeschäfts nicht entspricht.8 Diese Einschränkung der Privatautonomie ist der Grund, weshalb weder das klassische römische9 noch das mittelalterliche Recht die rechtsgeschäftliche Vollmacht kannten.10 In der Spätscholastik und bei den Naturrechtlern finden sich erste Ansätze eines Vertretungsrechts,11 aber erst im 19. Jahrhundert, als die Bedürfnisse nach Arbeitsteilung rapide anstiegen, wurde das Recht der Stellvertretung systematisch entwickelt.12 Vor Herausforderungen stellte die Stellvertretung dabei vor allem die Anhänger der Willenstheorie. Wenn der Wille des Verpflichteten (alleiniger) Rechtsgrund für seine Bindung ist, kann er nur den „Wollenden“ binden;13 eine „Vertretung im Willen“ ist 108; Siebenhaar, AcP 162 (1963), 354, 355 ff., 367 ff. Vgl. überdies auch Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, 1966, S. 59 f.  8  Zu den Bedenken, die deswegen insbesondere von Naturrechtlern geäußert wurden, vgl. nur Ballerstedt, AcP 151 (1950), 501 ff., 513 ff.  9  Vgl. nur Ulpian, D. 45.1.38.17 („Alteri stipulari nemo potest“); C. 4.27.1.pr („per liberam personam […] nihil acquiri posse indubii iuris est“), außerdem Kaser, Das römische Privatrecht II, 2. Aufl. 1975, S. 99; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 5. Zudem galt im römischen Recht der Grundsatz, dass Handelnder und (rechtlich) Betroffener personenidentisch sind, vgl. Hanloser, Stellvertretung und Botenschaft, 2004, S. 11; U. Müller, Die Entwicklung der direkten Stellvertretung und des Vertrages zugunsten Dritter, 1969, S. 14. Nur beim Handel über große Distanzen erkannte man eine Art Stellvertretung an, ansonsten bediente man sich der indirekten Stellvertretung bzw. rechnete über den Personenstatus zu, vgl. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 43 2, S. 751; Kaser/Knütel/ Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 5 (mit Beschreibung der Ausnahmen für Besitz- und vermutlich auch Eigentumserwerb durch procurator und tutor); Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2015, S. 431; Rehberg, Das Rechtfertigungsprinzip, 2014, S. 767; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 3; HKK/Schmoeckel, 2003, §§ 164–181 Rn. 3; Zimmermann, The Law of Obligations, 1996, S. 49 ff. Zum gemeinen Recht vgl. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, § 113, S. 90 ff. sowie, in Erwiderung, Puchta, Vorlesungen über das heutige römische Recht, Bd. 1, 5. Aufl. 1862, § 52, S. 118 f.; ders., Vorlesungen über das heutige römische Recht, Bd. 2, 5. Aufl. 1863, § 273, S. 113 ff. 10  Zur Geschichte allgemein Buchka, Die Lehre von der Stellvertretung bei der Eingehung von Verträgen, 1852. Vgl. überdies Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 43 2, S. 751 f.; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 105 f.; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 3 ff.; HKK/Schmoeckel, 2003, §§ 164–181 Rn. 3. 11  Ein Beispiel für letztere ist Hugo Grotius, De jure belli ac pacis (1625), II 11 § 18. Vgl. HKK/Schmoeckel, 2003, §§ 164–181 Rn. 3; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 8; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 4. 12  Aus der Zeit vgl. nur Mitteis, Die Lehre von der Stellvertretung, 1885, S. 84 ff. Vgl. außerdem Mohnhaupt, Ius Commune VIII, 1979, 60; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 106; Rehberg, Das Rechtfertigungsprinzip, 2014, S. 768; Staudinger/ Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 10 ff. 13  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 43 2, S. 751. So beispielsweise Puchta/Schirmer, Pan-

B. Grundsätze des Stellvertretungsrechts nach herkömmlicher Ansicht

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nicht möglich.14 Die Stellvertretung würde hiernach zur Fremdbestimmung führen.15 Nach heute allgemeiner Ansicht wird der Privatautonomie allerdings dadurch Genüge getan, dass die Vertretung auf den Willen des Vertretenen zurückgeht.16 Habe sich dieser nach Erteilung der Vertretungsmacht geändert, sei es gerechtfertigt, den Vertretenen gleichwohl zunächst an das Rechtsgeschäft zu binden, bis er seinen abweichenden Willen in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zum Ausdruck gebracht habe. Dafür streite der Verkehrsschutz; wie im Recht der Willenserklärung grundsätzlich müsse auch im Recht der Stellvertretung ein Ausgleich gefunden werden zwischen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung.17 Dieses Bedürfnis sei sogar potenziert, weil „der Geschäftsgegner hier als redlicher Dritter (mindestens) ein ‚doppeltes‘ Maß an Vertrauen aufbringen“ müsse.18

B. Grundsätze des Stellvertretungsrechts nach herkömmlicher Ansicht Die Grundsätze des Stellvertretungsrechts, wie sie heute allgemein vertreten werden, entstammen ebenfalls dem 19. Jahrhundert.

dekten, 12. Aufl. 1877, § 273, S. 416 f. Vgl. dazu auch Beuthien, FS Medicus, 1999, S. 1, 2 f.; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, Vor § 164 Rn. 9; Siebenhaar, AcP 162 (1963), 354, 355 ff. 14  So beispielsweise Thöl, Das Handelsrecht, Bd. 1, 6. Aufl. 1879, § 70, S. 236 ff. Vgl. nur Ballerstedt, AcP 151 (1950/1951), 501, 514 f.; Beuthien, FS Medicus, 1999, S. 1, 3; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 43 3, S. 754 f.; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 5. Der Begriff findet sich auch bei Mot. I, S. 223 (= Mugdan I, S. 475). 15 Vgl. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 43 2, S. 751 f. sowie, vor allem als Reaktion auf Savigny, Mohnhaupt, Ius Commune VIII, 1979, 60, 76; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 5. 16  Vgl. nur Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 35; Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, 1966, S. 60. Vgl. außerdem Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 106. 17  Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 109. 18  Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 165. Der Verkehrsschutz stehe also nicht im Widerspruch zur Privatautonomie, sondern sei „aufgrund der existierenden Privatautonomie aller am Verkehr teilnehmenden Personen notwendiger Bestandteil derselben“ (ebd.).

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

I. Repräsentation Das Recht der Stellvertretung basiert, so die heute ganz herrschende Ansicht, unter anderem auf dem Repräsentationsprinzip.19 Es geht insbesondere auf Windscheid zurück. 20 Hiernach ist der Vertreter Repräsentant des Geschäftsherrn. 21 Er gibt eine eigene Willenserklärung ab, die Rechtsfolgen dieser Erklärung wirken aber für und gegen den Geschäftsherrn (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB). Weil der Vertreter Handelnder ist, hängt die Wirksamkeit der Willenserklärung grundsätzlich von seiner Person ab (§ 166 Abs. 1 BGB). 22 Nicht durchgesetzt hat sich damit insbesondere die von Savigny begründete Geschäftsherrentheorie. 23 Nach ihr handelt der Vertretene durch den Vertreter. 24 Der Vertreter ist danach, vergleichbar einem Boten, 25 Träger des Willens des Vertretenen, also quasi eines seiner „juristischen Organe“. 26 Selbst wenn 19  Vgl. hierzu nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1294 ff.; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 43 2 c, 3, S. 752, Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, Vor § 164 Rn. 10 ff.; D. Paulus, JuS 2017, 301, 303; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 32; MüKo‑BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 19 f.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 2. Kritisch Beuthien, FS Medicus, 1999, S. 1, 4 f.; Pawlowski, AT, 7. Aufl. 2003, Rn. 776 ff.; Rehberg, Das Rechtfertigungsprinzip, 2014, S. 778 ff. 20 Vgl. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1, 1875, § 73, S. 186 ff. 21 Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1294; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 4 Rn. 79; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, Vor § 164 Rn. 10; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, Vor § 164 Rn. 7; BeckOK/Schäfer, Stand 01.05.2019, § 164 Rn. 16; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 32; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 19; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 2. 22  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1294; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 4 Rn. 80; Soergel/ Leptien, 13. Aufl. 1999, Vor § 164 Rn. 10; Mock, JuS 2008, 309, 310; MüKo‑BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 20; Stüsser, Die Anfechtung der Vollmacht nach bürgerlichem Recht und Handelsrecht, 1986, S. 38; Wolf/Neuner, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 2. 23  v. Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Bd. 2, 1853, § 57, S. 58 ff. Vertreten wurde damals auch die Vermittlungstheorie, nach der Vertreter und Vertretener gemeinsam handelten. Vgl. hierzu Mitteis, Die Lehre von der Stellvertretung, 1885, S. 109 ff.; Lenel, JherJb. 36 (1896), 1 ff. Zur Überleitungstheorie, nach welcher allein der Vertreter handelt, indem er seine Rechtsposition an den Vertretenen abtritt, vgl. Puchta/Schirmer, Pandekten, 12. Aufl. 1877, § 275, S. 419. 24  In dieser Tradition stehen die Ansichten von Beuthien, FS Medicus, 1999, S. 1, 4 ff.; Pawlowski, AT, 7. Aufl. 2003, Rn. 668; ders., JZ 1996, 125, 130. Kritisch Hanloser, Stellvertretung und Botenschaft, 2004, S. 15 ff.; Petersen, Jura 2003, 744, 745; Rehberg, Das Rechtfertigungsprinzip, 2014, S. 774 ff. 25  v. Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1853, § 57, S. 59. Die Gleichsetzung dient bei ihm unter anderem der Legitimierung der Stellvertretung, vgl. Mohnhaupt, Ius Commune VIII, 1979, 60, 61, 70 ff.; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 10. 26  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, § 113, S. 90. Vgl. auch ders., Das Obligationenrecht als Theil des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1853, § 57, S. 58 ff. Vgl. Beuthien, FS Medicus, 1999, S. 1, 2; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 11 f.; Petersen, Jura 2003, 744 f.; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 11; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 5.

B. Grundsätze des Stellvertretungsrechts nach herkömmlicher Ansicht

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ihm ein gewisser Ermessensspielraum zustehe, übermittele er doch eine „vorgefertigte Erklärung“ des Vertretenen. 27 Ob die abgegebene Willenserklärung wirksam sei, hänge mithin – für Anhänger der Willenstheorie von elementarer Wichtigkeit – von der Person des Vertretenen ab. 28 Die Fremdwirkung der Erklärung des Vertreters für den Geschäftsherrn ist gerechtfertigt, weil und wenn der Vertreter mit Vertretungsmacht handelt (oder der Geschäftsherr den Vertrag gem. §§ 177 BGB genehmigt). 29 Wird Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft erteilt, nennt das BGB sie Vollmacht (§ 166 Abs. 2 S. 1 BGB).30 Die Vollmachtserteilung erfolgt entweder durch Erklärung gegenüber dem Vertreter (§ 167 Abs. 1 Fall 1 BGB) oder durch Erklärung gegenüber einem Dritten (§ 167 Abs. 1 Fall 2 BGB). Die dem Vertreter gegenüber erteilte Vollmacht wird gemeinhin „Innenvollmacht“ oder „interne Vollmacht“ genannt31 und der dem Dritten gegenüber erteilten „Außenvollmacht“ oder „externen Vollmacht“ gegenübergestellt.32 Die Rechtsfolgen der Bevollmächtigung beschreiben die Motive wie folgt: „Die Rechtsordnung legt einer Willenserklärung die Wirkung bei, daß ein Anderer die rechtliche Macht erhält, an Stelle des Erklärenden und in dessen Namen thätig zu werden.“33

II. Offenlegung Der Grundsatz der Offenlegung, auch Offenheits- oder Offenkundigkeitsgrundsatz genannt,34 besagt, dass derjenige, der mit Vertretungsmacht handelt, 27 Vgl.

Hanloser, Stellvertretung und Botenschaft, 2004, S. 15. Anhänger der Willenstheorie, die zugleich die Repräsentationstheorie vertraten, behalfen sich hingegen mit einer Fiktion: Die Willenserklärung des Vertreters sei als Erklärung des Vertretenen zu denken. Vgl. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 43 2 c, S. 752. 29  Vgl. hierzu nur Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 9 Rn. 67; D. Paulus, JuS 2017, 301, 302. 30  Vgl. auch Mot. I, S. 228 (= Mugdan I, S. 478): „Unter Vollmacht versteht der Entw. […] die auf rechtsgeschäftlicher Ertheilung beruhende Ermächtigung zur Vertretung. Die Vollmacht ist ein eigenartiges Rechtsinstitut.“ 31  Den Begriff der „Innenvollmacht“ verwenden Hoffmann, JuS 1970, 451; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 927; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 60; Wolf/ Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 13, von „interner Vollmacht“ sprechen Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 50 2, S. 841; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 167 Rn. 5. 32 Von „Außenvollmacht“ sprechen Hoffmann, JuS 1970, 451; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 927; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 63; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 15, von „externer Vollmacht“ Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 50 3, S. 843; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 167 Rn. 5. 33  Mot. I, S. 228 (= Mugdan I, S. 478). 34 Wie hier Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1378; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 905. Von „Offenkundigkeit“ sprechen etwa Einsele, JZ 1990, 1005; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 4 Rn. 88; Mock, JuS 2008, 309, 311; K. Schmidt, JuS 1987, 425; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 24, von „Offenheit“ Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 I, S. 763; 28 

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

den Dritten grundsätzlich (nur dann) berechtigt und verpflichtet, wenn er in dessen Namen handelt.35 Dies bestimmt § 164 Abs. 1 S. 1 BGB. Demnach muss die Vertretung, also das Handeln für einen anderen, nach außen erkennbar sein – für die Erste Kommission eine Selbstverständlichkeit des Stellvertretungsrechts.36 Der Offenlegungsgrundsatz folgt aus dem Repräsentationsprinzip: Nur wenn der Geschäftspartner erkennen kann, dass der Vertreter für einen anderen handelt, ist ihm zuzumuten, dass er mit diesem anderen das Rechtsgeschäft schließt.37 Die damit verbundene Eindeutigkeit kommt zugleich dem Rechtsverkehr zugute.38 Darüber hinaus ist der Offenlegungsgrundsatz Folge allgemeiner Auslegungsregeln. Die Erklärung des Vertreters ist nur dann auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit dem Vertretenen gerichtet, wenn dem objektiven Empfänger erkennbar ist, dass nicht der Handelnde, sondern ein Dritter berechtigt oder verpflichtet werden soll.39 Wie stets genügt es daher, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Vertreter in fremdem Namen handelt (vgl. auch § 164 Abs. 1 S. 2 BGB).40 Im Umkehrschluss bedeutet dies: Ergibt die Auslegung der Erklärung des Vertreters, dass er für sich selbst handeln wollte, handelt der Vertreter also im eigenen Namen, ist er an diese Erklärung gebunden, selbst wenn er den Willen hatte, für einen anderen tätig zu werden. Auch eine Anfechtung scheidet dann aus, obwohl Gewolltes und Erklärtes auseinanderfallen, dem Vertreter also eigentlich ein Anfechtungsrecht wegen Inhaltsirrtums gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB zustünde.41 § 164 Abs. 2 BGB bestimmt, dass der Mangel des Willens, im

Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, Vor § 164 Rn. 21; Lüderitz, JuS 1976, 765; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 35. 35  Vgl. nur Einsele, JZ 1990, 1005; Mock, JuS 2008, 309, 311; D. Paulus, JuS 2017, 301, 304; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem zu §§ 164 ff. Rn. 35; K. Schmidt, JuS 1987, 425, 426. 36 Mot. I, S. 223 (= Mugdan, I, S. 476): „Zum Wesen der Vertretung gehört nach dem Entw., daß ein Rechtsgeschäft im Namen eines Anderen vor- bz. entgegengenommen wird.“ 37  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1378; Einsele, JZ 1990, 1005, 1006; G. Hager, AcP 180 (1980), 239, 248; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, Vor § 164 Rn. 22; K. Müller, JZ 1982, 777, 779; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 21. 38 Vgl. Canaris, FS Flume, Bd. I, 1978, S. 371, 407; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 I, S. 764; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, Vor § 164 Rn. 22; K. Schmidt, JuS 1987, 425, 426; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 35; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 24. 39  BGHZ 36, 30, 33. Vgl. auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1384; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 4 Rn. 88; K. Schmidt, JuS 1987, 425, 427; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 45. 40  BGH NJW 2014, 1803 f. Rn. 14; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1384; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 I, S. 764; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 164 Rn. 6; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 915; K. Schmidt, JuS 1987, 425, 427; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 45. 41  Vgl. auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1417; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 III,

B. Grundsätze des Stellvertretungsrechts nach herkömmlicher Ansicht

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eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht kommt, wenn der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervortritt. Die Motive rechtfertigen diese Ausnahme zum Anfechtungsrecht damit, dass sonst, gerade bei der mittelbaren Stellvertretung, „Shikanen und Streitigkeiten in zahlreichen Fällen Thür und Thor geöffnet“ würden, der Geschäftspartner also besonderen Schutzes bedürfe.42 Die Regelung wird allgemein mit Verkehrsschutzgesichtspunkten gerechtfertigt.43

III. Trennung und Abstraktion Neben der Vertretungsmacht besteht zwischen Vertreter und Vertretenem oftmals ein sogenanntes „Grundverhältnis“,44 mit dem die Bevollmächtigung in Zusammenhang steht, etwa ein Auftrags- oder Dienstverhältnis. Erforderlich ist dies jedoch nicht; gem. § 167 Abs. 1 BGB setzt die Bevollmächtigung keine Bezugnahme auf ein Grundverhältnis voraus.45 Nach herkömmlicher Ansicht ist – auf der Theorie von Laband aufbauend46 – die Vollmacht von dem etwaigen Grundverhältnis bzw., in Labands Worten, dem „Mandat“47 zu trennen.48 Dies ergibt sich aus § 168 S. 2 BGB. Grundverhältnis und Vollmacht werden regelmäßig wie folgt unterschieden: Das Grundverhältnis regele das „rechtliche Dürfen“49 und zugleich das Müssen des Vertreters, also seine Pflicht zum Tätigwerden für den Geschäftsherrn, während die Vollmacht den Vertreter berechtige, den Geschäftsherrn mittels Erklärung in dessen Namen wirksam zu berechtigen und zu verpflichten (§ 164 Abs. 1 S. 1

S. 775; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 919; K. Schmidt, JuS 1987, 425, 427; Wolf/ Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 66. 42  Mot. I, S. 226 (= Mugdan I, S. 477). 43  Vgl. nur Schimikowski, JA 1986, 345, 346. Die Norm trotz ihres Ausnahmecharakters billigend außerdem Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 III, S. 775, kritisch hingegen MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 176. 44  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1491; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 6, 21. 45  Vgl. nur BGHZ 110, 363, 367; Lüderitz, JuS 1976, 765, 767; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 34. 46 Vgl. Laband, ZHR 10 (1866), 183, 203 ff. 47  Laband, ZHR 10 (1866), 183, 240: „Durch die Loslösung der Vollmacht vom Mandat […] ist die Möglichkeit einer selbstständigen Verkehrslegitimation gegeben. Der Stellvertreter ist Dritten gegenüber befugt, Rechte eines Andern geltend zu machen, gleichviel in welchem Rechtsverhältniß er zu diesem Andern steht […], ob er dessen Interessen materiell fördert oder verletzt.“ [Kursivierung im Original]. 48  Vgl. nur Lieder, JuS 2014, 393; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 949; D. Paulus, JuS 2017, 301, 303; Pawlowski, JZ 1996, 125, 126; K. Schmidt, FS Canaris 80. Geb., 2017, S. 117, 118 ff.; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 21; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 7. 49 MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 21.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

BGB). Sie habe mithin das „rechtliche Können“ des Vertreters zum Gegenstand.50 Nach der Ersten Kommission gilt: „Durch die Annahme des Auftrages übernimmt der Beauftragte die Verpflichtung, das Rechtsgeschäft im Namen des Auftraggebers einzugehen, und um dieser Verpflichtung genügen zu können, erhält er gleichzeitig, aber durch ein besonderes Rechtsgeschäft, die Macht, im Namen des Auftraggebers aufzutreten.“51

Ebenfalls auf Laband geht die heute vorherrschende Überzeugung zurück, dass Grundverhältnis und Vollmacht abstrakt voneinander sind.52 Dies gelte jedenfalls in Bezug auf die Wirksamkeit der Vollmacht sowie hinsichtlich ihres Umfangs,53 während sich das Erlöschen gem. § 168 BGB nach dem Grundverhältnis bestimme. Die Vollmacht könne also auch dann wirksam sein, wenn dem Grundverhältnis die Wirksamkeit fehle,54 oder wenn der Vertreter bei Abgabe seiner Erklärung gegen Pflichten aus dem Grundverhältnis verstoßen habe. Gegebenenfalls seien die Ergebnisse durch die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht zu korrigieren.55 Das Abstraktionsprinzip diene, so die ganz herrschende Ansicht, vor allem dem Schutz des Rechtsverkehrs.56 Beispielsweise schreibt Schubert: „Es geht somit nicht nur um eine prinzipiengerechte Einbindung der Stellvertretung in die Rechtsgeschäftslehre, sondern auch um die Funktionsfähigkeit des Rechts50 MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 21. Vgl. auch Lieder, JuS 2014, 393, 394; Schack, AT, 16. Aufl. 2019, Rn. 465. 51  Mot. I, S. 229 (= Mugdan I, S. 479). 52  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1487 ff.; Lieder, JuS 2014, 393, 394 ff.; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 949; D. Paulus, JuS 2017, 301, 303; Pawlowski, JZ 1996, 125, 126; Petersen, Jura 2004, 829, 831 f.; BeckOK/Schäfer, Stand 01.05.2019, § 164 Rn. 19; Staudinger/ Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 33 f.; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 22; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 7. Kritisch gegenüber der Formulierung, die Vollmacht sei „abstrakt“, Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 50 1, S. 840, kritisch gegenüber der Abstraktion von Vollmacht und „Grundgeschäft“ Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81 ff.; Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, S. 328 ff., 533 ff.; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 202 f.; ders. in: Coing/Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. II, 1977, S. 144, 202 ff.; Siebenhaar, AcP 162 (1963), 354, 356, 372; Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, 1966, S. 249 f. 53 Vgl. Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1487, 1491, 1493; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 22. 54  Vgl. hierzu nur H. Bauer, Die Entwicklung des Rechtsinstituts der freien gewillkürten Stellvertretung seit dem Abschluß der Rezeption in Deutschland bis zur Kodifikation des BGB, 1963, S. 123 ff.; Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, 1989, S. 457 f.; U. Müller, Die Entwicklung der direkten Stellvertretung und des Vertrages zugunsten Dritter, 1969, S. 157; Schmoeckel in: Falk/Mohnhaupt (Hrsg.), Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, S. 77, 85. 55  Vgl. hierzu K. Schmidt, FS Canaris 80. Geb., 2017, S. 117, 127 ff. 56  Vgl. nur Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 45 II 2, S. 787; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 3; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, Vor § 164 Rn. 40; Lieder, JuS 2014, 393, 394; Petersen, Jura 2004, 928, 831 f.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 100.

C. Objektive Theorie der Stellvertretung

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geschäftsverkehrs, die insbesondere durch den Schutz des Geschäftspartners gewährleistet wird.“57 Zudem trage das Abstraktionsprinzip auch den Interessen des Vertreters Rechnung, indem es verhindere, dass dieser wegen Fehlern im Grundverhältnis als Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. § 179 BGB haften müsse.58

C. Objektive Theorie der Stellvertretung Die soeben dargelegten Grundsätze des Stellvertretungsrechts sollen einen Ausgleich herstellen zwischen der Freiheit des Einzelnen und den Interessen des Verkehrs. Ausgangspunkt bildet dabei das Willensdogma. Im weiteren Verlauf der Erörterungen des Stellvertretungsrechts wird sich zeigen, dass die Fokussierung auf den Willen der Parteien zu dogmatisch unsauberen Lösungen bei der Erfassung und Einordnung alltäglicher Fälle führt – insbesondere die Frage, ob ein Vertretungswille erforderlich ist, die Geltung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips hinsichtlich Erteilung, Umfang und Bestand der Vertretungsmacht, Missbrauch und Fortbestand der Vertretungsmacht sowie die dogmatische Einordnung von Duldungs- und Anscheinsvollmacht.59 Diese Probleme sind nicht dem Repräsentationsprinzip, dem Offenlegungsgrundsatz oder dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip per se geschuldet. Als problematisch erweist sich die Regel, dass rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht auf einer Bevollmächtigung beruht. In Folge dessen wird das Trennungs- und Abstraktionsprinzip auf das falsche Verhältnis, nämlich das (Innen-)Verhältnis zwischen Vollmacht und Grundverhältnis, bezogen. Diese Sichtweise lässt sich nur um den Preis umfangreicher Ausnahmen aufrechterhalten, die so zahlreich und wirtschaftlich relevant sind, dass sie die Regelhaftigkeit der Regel in Frage stellen. Eine objektive Theorie der Stellvertretung trägt dieser Tatsache Rechnung. Hiernach gibt ein Vertreter eine eigene Willenserklärung ab, die grundsätzlich für und gegen den Vertretenen wirkt, wenn er aus Sicht eines objektiven Empfängers dazu legitimiert ist. Eine Ausnahme gilt, wenn die objektive Legitimation nicht adäquat kausal auf ein Verhalten des Geschäftsherrn zurückzuführen ist. Dann wird ihm die Willenserklärung des Vertreters nicht zugerechnet (I.). Wesentlich ist mithin nicht eine etwaige Abstraktheit von Grundverhältnis und Bevollmächtigung, sondern von Innen- und Außenverhältnis (II.). Außerdem

57 MüKo-BGB/Schubert,

8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 23. nur Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 82; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1487; Faust, AT, 6. Aufl. 2018, § 26 Rn. 9; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 3; Soergel/ Leptien, 13. Aufl. 1999, Vor § 164 Rn. 40; Lieder, JuS 2014, 681, 682. 59  Siehe dazu S. 210 ff., 219 ff., 223 ff., 231 ff. 58  Vgl.

196

§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

genießt, wie in der hier vertretenen objektiven Rechtsgeschäftslehre stets,60 eine subjektive Willensübereinstimmung der Parteien Vorrang vor dem objektiven Erscheinungsbild (III.). Legt man im Grundsatz objektive Maßstäbe an, stellen Selbstbestimmung und Verkehrsschutz keine widerstrebenden Prinzipien dar, die eines Ausgleichs bedürfen, sondern sie bedingen einander.61 Für den Vertretenen hat der objektive Ansatz zur Folge, dass er seinen Willen, rechtsgeschäftlich durch einen anderen vertreten zu werden, objektiv erkennbar nach außen manifestieren muss. Auf den ersten Blick scheint sich damit der Aufwand für den Vertretenen zu erhöhen. In der Praxis wird der Vertretene aber regelmäßig ohnehin irgendwie für den Geschäftspartner erkennbar tätig werden müssen, weil dieser sich ansonsten nicht auf das Geschäft mit dem Vertreter einlassen wird. Zudem sind die Risiken einer Stellvertretung für den Vertretenen besser zu beherrschen, weil er weiß, an welchem Maßstab sein Handeln gemessen wird. Für den Rechtsverkehr hat der objektive Ansatz den offensichtlichen Vorteil, dass keine Nachprüfungen in Bezug auf das Innenverhältnis, insbesondere das Bestehen einer wirksamen Bevollmächtigung des Vertreters, erforderlich sind. Die folgende Erörterung derjenigen Fälle, die umstritten sind oder die Vertreter der herkömmlichen Ansicht zu Inkohärenzen zwingen, wird zeigen, dass der hier vertretene Ansatz nicht nur dem in der Praxis tatsächlich existierenden Regel-Ausnahme-Verhältnis besser Rechnung trägt als der von der herrschenden Ansicht vertretene. Überdies vermag er praktische Phänomene dogmatisch zu erfassen, ohne dabei auf Fiktionen rekurrieren zu müssen. Zudem trägt er der Tatsache Rechnung, dass eine persönliche Beziehung aller Beteiligten in der Rechtspraxis selten besteht. Damit ist es sinnvoll und kostensparend, grundsätzlich auf objektive – für den durchschnittlichen Geschäftspartner erkennbare – Kriterien abzustellen. Die hier vertretene Ansicht führt mithin zu ökonomisch sinnvollen Regelungen und verhilft damit letztlich auch dem Willen der Parteien besser zur Geltung, als dies nach herkömmlicher Ansicht möglich ist.

I. Objektive Legitimation Der von der herkömmlichen Ansicht vertretene und auf §§ 166 Abs. 2, 167 BGB gestützte Grundsatz, nach dem rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht auf einer Vollmacht beruht, die durch Willenserklärung gegenüber dem Vertreter oder einem Dritten erteilt wird, wird in der Praxis vielfach durchbrochen.62 Basis der Vertretungsmacht ist dann nicht eine Willenserklärung des Geschäftsherrn; die 60 

Siehe dazu S. 48 ff. Siehe dazu bereits S. 1 f. 62  Vgl. hierzu auch Rehberg, Das Rechtfertigungsprinzip, 2014, S. 796. 61 

C. Objektive Theorie der Stellvertretung

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rechtliche Macht, einen anderen zu vertreten, beruht in diesen Fällen vielmehr oftmals auf Rechtsschein. So verhält es sich etwa bei der Fortdauer der nach außen kundgegebenen Vollmacht (§§ 170–172 BGB) sowie bei der Anscheins- und der Duldungsvollmacht.63 Auch die handelsrechtliche Vertretungsmacht ist nicht in jedem Fall auf eine Willenserklärung des Vertretenen zurückzuführen. So ist die aufgrund von Eintragung ins Handelsregister bestehende Vertretungsmacht nicht unbedingt deckungsgleich mit dem geäußerten Willen des Geschäftsherrn. Wird etwa eine erteilte Prokura widerrufen, ohne dass dies ins Handelsregister eingetragen wird, kann der (ehemalige) Prokurist den Kaufmann weiterhin wirksam vertreten (§ 15 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 HGB). Ähnlich verhält es sich bei § 56 HGB. Der in einem Laden oder offenen Warenlager Angestellte kann den Kaufmann bei jedem Geschäft, zu dem solche Angestellte typischerweise ermächtigt sind, wirksam vertreten. Und eine Handlungsvollmacht nach § 54 Abs. 1 Fall 2 HGB kann bereits dadurch erteilt werden, dass dem Angestellten „Zuständigkeiten und Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung in einem Unternehmen übertragen werden.“64 Weil die herkömmliche Ansicht diese Phänomene als Ausnahme zu ihrem Grundprinzip behandelt, muss sie zunächst prüfen, ob eine Vollmacht besteht, um dann, wenn dies nicht der Fall ist, zu untersuchen, ob der Vertretene nach außen Zeichen gesetzt hat, die auf eine (fortbestehende) Innenvollmacht hindeuten. Der erste Prüfungspunkt ist dem Sachverhalt gewidmet, der ihrer Ansicht nach der Regel entspricht. Erst der zweite Prüfungspunkt entscheidet aber darüber, ob der Vertreter mit Vertretungsmacht gehandelt hat. Damit ist dieser Prüfungspunkt, der nach herkömmlicher Konzeption außergewöhnliche Fälle auffangen soll, derjenige, der das Ergebnis letztlich bestimmt. Nach der hier vertretenen objektiven Theorie ist hingegen maßgeblich und (zunächst) einzig zu prüfen, ob sich das Verhalten von Vertreter und Vertretenem aus Sicht eines durchschnittlichen Geschäftspartners so darstellt, als handele der Vertreter mit Ermächtigung des Vertretenen für diesen.65 Dabei sind alle Umstände in die Wertung einzubeziehen. Neben etwaigen bereits vorbestehenden Gewohnheiten der Parteien sowie dem Verhalten des Vertretenen im konkreten Fall66 gehören dazu beispielsweise der Charakter des jeweiligen Rechtsgeschäfts67 und die Frage, ob eine Willenserklärung des (vermeintlichen) 63 

Siehe dazu S. 223 ff., 231 ff. BGH NJW 2014, 2790 Rn. 10. Vgl. auch BGH NJW 1982, 1389, 1390; BGH NStZ 2011, 280, 281. 65 Ähnlich Pawlowski, JZ 1996, 125, 127. 66  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1550. 67 Vgl. Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 5. Im Handelsverkehr etwa kann einfacher auf eine Ermächtigung geschlossen werden als im bürgerlichen Rechtsverkehr, vgl. Litterer, Vertragsfolgen ohne Vertrag, 1979, S. 149. 64 

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Vertreters, die diesem zum Vorteil gereicht, dem Vertretenen offensichtlich Schaden zufügt.68 Ergibt sich hiernach, dass das Auftreten des Vertreters dem mutmaßlichen Willen des Vertretenen entspricht, ist der Vertreter objektiv legitimiert. Ob eine objektive Legitimation vorliegt, ist sowohl dafür entscheidend, ob überhaupt Vertretungsmacht besteht, als auch dafür, ob die jeweilige Handlung des Vertreters von der Vertretungsmacht gedeckt ist. Das bisher übliche Prüfungsprogramm wird durch diese Prüfung signifikant abgekürzt. Auch an anderer Stelle führt die hier vertretene Ansicht zu einer deutlichen Vereinfachung. Allgemein wird zunächst geprüft, ob der Vertretene den Vertreter bevollmächtigt hat. Ist dies nicht der Fall, schließt sich eine neue Prüfung an. Bei ihr wird ermittelt, ob Vertretungsmacht in Form einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht vorliegt oder ob eine zuvor bestehende Vollmacht durch Kundgabe oder Urkunde bekanntgegeben und nicht in gleicher Form widerrufen wurde. Untersucht wird also, ob ein Rechtsschein besteht, aufgrund dessen der Geschäftspartner darauf vertrauen durfte, dass der Vertreter mit Vollmacht gehandelt hat.69 Die herkömmliche Ansicht nimmt also zunächst die Perspektive des Vertreters ein, um dann im zweiten – und entscheidenden – Schritt aus Perspektive des Geschäftspartners zu argumentieren. Konsequenter, einfacher für den Rechtsverkehr und vor Gericht leichter nachweisbar ist es, sofort und stets auf den Geschäftspartner als (objektiven) Empfänger der Erklärung des Vertreters abzustellen. Die Fälle der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung, der fortbestehenden Vollmacht sowie der Anscheins- und Duldungsvollmacht werden damit gleich behandelt.70 Dafür wird das traditionelle Verständnis der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung in einem wichtigen Punkt modifiziert: Die objektive Legitimation beruht, anders als § 167 BGB es vorsieht, nicht auf einer Willenserklärung des Vertretenen. Anstatt – wie die herkömmliche Ansicht – an dem Prinzip der Vollmachtserteilung festzuhalten und die zahlreichen Fälle, in denen Vertretungsmacht auf anderer Grundlage begründet wird, als Ausnahmen von diesem Prinzip zu behandeln, wird das Vorliegen rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht aufgrund von objektiven Anhaltspunkten – der objektiven Legitimation des Vertreters – beurteilt. 68  Der BGH berücksichtigt diese Umstände ebenfalls, allerdings nicht im Rahmen der Vertretungsmacht, sondern bei der Frage, ob ein Vertretergeschäft wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. Vgl. BGH NJW 1989, 26, 27: „Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß Vereinbarungen, welche Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner zum eigenen Vorteil ‚hinter dem Rücken‘ des Geschäftsherrn und zu dessen Schaden treffen, gegen die guten Sitten verstoßen und nichtig sind.“ Vgl. auch RGZ 136, 359, 360; BGH NJW-RR 1977, 42. Differenzierend Pawlowski, JZ 1996, 125, 130. 69  Vgl. nur Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 11 Rn. 35; Wolf/Neuner, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 61. 70 Ähnlich Pawlowski, JZ 1996, 125, 127, der den maßgeblichen Zweck der Bevollmächtigung in der „Begründung und Rechtfertigung eines Vertrauensschutzes für den Verhandlungspartner des Vertreters“ sieht.

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Durch diesen Perspektivwechsel löst sich die hier vertretene Ansicht in gewissem Umfang vom Wortlaut des Gesetzes. Dies ermöglicht es ihr, einen allgemein gültigen Erklärungsansatz für die unterschiedlichen Fälle rechtsgeschäftlicher Stellvertretung zu finden. Die so erzielten Ergebnisse unterscheiden sich nicht signifikant von jenen der herkömmlichen Ansicht. Handelt der Vertreter mit Vertretungsmacht, ist dies in aller Regel aus Sicht eines durchschnittlichen Geschäftspartners erkennbar: „Die meisten Vollmachten werden schriftlich (zur Beweissicherung) und ausdrücklich (zur genauen Bestimmung des Umfangs der Vertretungsmacht) erteilt.“71 Nur in den praktisch seltenen Fällen, in denen es, obwohl der Vertreter im Namen des Vertretenen auftritt, keine objektiven Anzeichen für die Legitimation des Vertreters gibt, und in denen sich der Dritte trotz dieser mangelnden objektiven Legitimation auf das Geschäft einlässt,72 liegt nach hier vertretener Ansicht, anders als nach herkömmlicher Ansicht, (zunächst) keine wirksame Vertretung des Geschäftsherrn vor.73 Ein Gleichlauf mit der herkömmlichen Ansicht besteht im Ergebnis auch in dem Ausnahmefall, in dem der Vertreter zwar objektiv legitimiert ist, der Geschäftsherr aber keinen kausalen Beitrag zu dieser Legitimation erbracht hat.74 Der Vertreter hat sich dann die objektive Legitimation selbst geschaffen, etwa indem er eine Urkunde gefälscht und diese dem Geschäftspartner vorgelegt oder die Uniform eines Unternehmens gestohlen und diese bei den Vertragsverhandlungen getragen hat. Ein Rechtsgeschäft zwischen Geschäftsherrn und Geschäftspartner kommt dann ausnahmsweise nicht zustande. Es ist nicht interessengerecht, den Geschäftsherrn an ein Rechtsgeschäft zu binden, das er

71 

Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 5. Vgl. auch Pawlowski, JZ 1996, 125, 127. gibt Tietz, Vertretungsmacht und Vertretungsbefugnis im Recht der BGB-Vollmacht und der Prokura, 1989, S. 62 für die reine Innenvollmacht aufgrund ihres (regelmäßigen) Gleichlaufs mit den Befugnissen des Vertreters im Innenverhältnis zu Bedenken: „Eine andere Sache ist es, ob der Dritte bei einer so vollmachtgeberfreundlichen Vollmachtsform noch mit dem Vertreter Rechtsgeschäfte abschließt oder ob er nicht vielmehr davon Abstand nimmt, weil Vollmacht und Vertretungsbefugnis für ihn unerkennbar sind.“ Pawlowski, JZ 1996, 125, 127 spricht von der sehr geringe[n] Legitimationswirkung“ der internen Vollmacht. Vgl. auch Lüderitz, JuS 1976, 765, 770. 73  Unterschiede ergeben sich zudem bei Bargeschäften des täglichen Lebens. Die herkömmliche Ansicht durchbricht hier, mit unterschiedlichen Begründungen und dogmatischen Konstruktionen, im Ergebnis das Offenheitsprinzip. Nach dem Institut des rechtsgeschäftlichen Handelns für den, den es angeht, soll der Geschäftsherr auch dann Vertragspartner werden, wenn der Vertreter nicht in seinem Namen gehandelt hat. Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1397 ff.; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 4 Rn. 94; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 920; K. Müller, JZ 1982, 777 ff.; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 52 f.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 50. 74  Insofern ließe sich im Ergebnis eine gewisse Parallele ziehen zum Veranlassungsprinzip beim Rechtsschein. Vgl. zu letzterem nur Kindler/Paulus, JuS 2013, 393, 397; Neuner, JuS 2007, 401, 404. 72  So

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nicht will und dessen Abschluss er nicht gefördert hat.75 Die Ansprüche des Geschäftspartners beschränken sich daher, wie nach herkömmlicher Ansicht auch, auf solche, die er gem. § 179 BGB gegen den Vertreter geltend machen kann. Der Vertreter kann den Geschäftsherrn überdies dann nicht wirksam vertreten, wenn der Geschäftspartner weiß, dass der Geschäftsherr die Vertretung nicht wünscht. Dieser Gedanke findet sich auch in § 173 Abs. 3 S. 1 Fall 1 BGB. Nach jener Norm setzt sich die positive Kenntnis ebenfalls gegenüber dem objektiven Erscheinungsbild durch. Objektive Kriterien – vorliegend objektive Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass das Handeln des Vertreters dem Willen des Geschäftsherrn entspricht – sind grundsätzlich maßgeblich, weil der Geschäftspartner regelmäßig keinen Einblick in das Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem hat. Wenn der Geschäftspartner dieses Verhältnis aber kennt und mithin weiß, dass die Vertretung dem Willen des Vertretenen widerspricht, besteht kein Grund, objektiven Kriterien Vorrang einzuräumen.76 Auf den ersten Blick besteht damit ein Widerspruch zur Beurteilung von Tatbestand und Inhalt einer Willenserklärung. Dort ist unerheblich, ob der Empfänger aufgrund subjektiven Sonderwissens erkennt, dass das, was der Erklärende bei objektiver Betrachtung erklärt hat, nicht von dessen subjektivem Willen gedeckt ist.77 Dadurch wird verhindert, dass das subjektiv Gewollte Bindungswirkung entfaltet, obwohl dies den Präferenzen des Empfängers (für das objektiv Erklärte) widerspricht. Etwas anderes gilt nur, wenn eine Willens­ übereinstimmung zwischen Erklärendem und Empfänger besteht, also beide das subjektiv Gewollte präferieren. Zum Ausgleich dafür steht den Erklärenden ein Anfechtungsrecht gem. § 119 BGB zu. Stellt er fest, dass das, was er objektiv erklärt hat, nicht seinen Präferenzen entspricht, darf er die Bindung daran beenden, muss aber gegebenenfalls Schadensersatz gem. § 122 Abs. 1 BGB zahlen.78 Bei der objektiven Legitimation ist die Lage eine andere: Erkennt der Geschäftspartner, dass die Erklärung des Vertreters nicht von der Ermächtigung des Vertretenen gedeckt ist, obwohl dies objektiv nicht erkennbar ist (ein Umstand, der selten vorliegen und dessen Vorliegen sich im Prozess nur schwer beweisen lassen wird)79, entfaltet die Erklärung ihm gegenüber gar keine Wirkung. Er wird also nicht entgegen seiner Präferenzen gebunden. Für den Geschäftsherrn hingegen hätte die wirksame Vertretung ungleich härtere Konsequenzen als die Bindung an den objektiven Erklärungsgehalt beim erkannten und ausgenutzten Irrtum: Weil die objektive Legitimation keine Willenserklärung darstellt, könnte er die Vertretung nicht gem. § 119 BGB anfechten. 75  Zur Frage, inwiefern einem Kaufmann das Handeln von Personen, die sich in sein Unternehmen eingeschlichen haben, zugerechnet werden kann, Pawlowski, JZ 1996, 125, 128. 76  Vgl. hierzu auch, allerdings mit anderem Ansatz, BGH NJW-RR 1988, 1320. 77  Siehe dazu S. 114 f. 78  Siehe dazu Teil 2 der Arbeit (S. 247 ff.). 79  Vgl. auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1579.

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Die hier vertretene Lösung weist eine gewisse Parallele mit der in § 122 BGB normierten Interessenabwägung auf. Für die Beurteilung, ob der Anfechtende nach dieser Norm schadensersatzpflichtig ist, ist ebenfalls relevant, ob der Anfechtungsgegner über Sonderwissen verfügt, ob er also Kenntnisse hat, die über jene des durchschnittlichen, lediglich auf objektive Kriterien abstellenden Erklärungsempfängers hinausgehen. Hat er solches Sonderwissen, steht ihm kein Schadensersatzanspruch zu, wie auch der Geschäftspartner, der um die fehlende Ermächtigung weiß, etwaige Schäden nicht ersetzt verlangen kann, weil dann nicht nur eine wirksame Stellvertretung ausscheidet, sondern gem. § 179 Abs. 3 S. 1 Fall 1 BGB auch die Haftung des Vertreters entfällt. Aus der Tatsache, dass die objektive Legitimation keine Willenserklärung darstellt und also nicht wegen Willensmängeln angefochten werden kann,80 ergeben sich im Übrigen nur geringfügige Unterschiede zur herkömmlichen Ansicht.81 Sie hat aber den Vorteil, dass sie die Schadloshaltung des Geschäftspartners bei einer (auch nach hier vertretener Ansicht möglichen) Anfechtung der Ermächtigung im Innenverhältnis erheblich vereinfacht.82 Weil die Legitimation rein objektiv beurteilt wird, ist für die Vertretungsmacht prinzipiell irrelevant, ob die Vollmacht im Innenverhältnis widerrufen wurde. Entzieht der Vertretene dem Vertreter intern die Befugnis, darf der Vertreter subjektiv nicht mehr für den Geschäftsherrn auftreten. Ob er den Geschäftsherrn noch wirksam vertreten kann, bemisst sich – wie stets – danach, ob der Geschäftspartner aufgrund objektiver Umstände davon ausgehen darf, dass der Vertreter (weiterhin) mit Vertretungsmacht handelt. Mit dem Widerruf im Innenverhältnis fällt die Vertretungsmacht im Außenverhältnis also nicht automatisch weg. Der Vertreter ist erst dann nicht mehr legitimiert, wenn der Vertretene die objektiven Anhaltspunkte für seine Legitimation beseitigt hat, etwa indem er eine Vollmachtsurkunde zurückgenommen oder für kraftlos erklärt hat. Zu diesem Ergebnis kommt auch die herkömmliche Ansicht, indem sie entweder §§ 170 ff. BGB oder die Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zur Anwendung bringt.

II. Abstraktion zwischen Innen- und Außenverhältnis Nach herkömmlicher Ansicht sind Grundverhältnis und Bevollmächtigung abstrakt voneinander. Praktische Relevanz hat diese Abstraktheit nach den Regelungen des BGB aber nur dann, wenn der Vollmachtgeber eine Außenvollmacht erteilt, die Bevollmächtigung kundgegeben oder eine Vollmachtsurkunde aus80  Auch nach herrschender Ansicht lässt eine etwaige Anfechtung der Vollmacht im Innenverhältnis einen bestehenden Rechtsschein unberührt. Siehe dazu S. 243 f. 81  Mehr dazu S. 243 f. 82  Mehr dazu S. 244 ff.

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gestellt hat, die der Vertreter dem Geschäftspartner vorgelegt hat (§§ 170–172 BGB). Nur unter diesen Voraussetzungen kann der Vertreter im Außenverhältnis mehr, als er im Innenverhältnis darf. Ist dies der Fall, ist es logisch und richtig, dass Innen- und Außenverhältnis abstrakt voneinander sind. Wenn die Bevollmächtigung, wie sie die herkömmliche Ansicht versteht, „nach außen gedrungen“ ist, hat sich die Legitimation des Vertreters sichtbar für die Außenwelt manifestiert. Es würde den Rechtsverkehr erheblich belasten und zu Rechtsunsicherheit führen, wenn das Bestehen und der Umfang der sich hieraus ergebenden Vertretungsmacht durch nach außen nicht erkennbare Abreden im Innenverhältnis beschränkt werden könnten. Wurde hingegen lediglich im Innenverhältnis Vertretungsmacht erteilt, ohne dass dies in einem dem Geschäftspartner vorgelegten Schriftstück festgehalten oder sonst nach außen sichtbar gemacht wurde, sind Grundverhältnis und Vollmacht in aller Regel deckungsgleich.83 Hat der Geschäftsherr den Vertreter etwa zunächst für den Abschluss einer Reihe von Rechtsgeschäften bevollmächtigt und ihn zu einem späteren Zeitpunkt wissen lassen, dass er seine Vertretungsmacht nur für ein bestimmtes Geschäft verwenden soll, stellt dies nicht nur eine Beauftragung bzw. eine Modifikation eines möglicherweise bereits bestehenden Auftragsverhältnisses dar, sondern zugleich eine Modifikation der Vollmacht.84 Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn Vollmachten einem Formoder Typenzwang unterliegen würden, der den Geschäftsherrn daran hindern könnte, die (reine Innen-)Vollmacht exakt so auszugestalten, wie es seinem im Innenverhältnis zum Vertreter erklärten Willen entspricht. Derartige Typisierungen kennt das BGB nicht. Lediglich die handelsrechtlichen Vollmachten – vor allem Prokura (§§ 49, 50 Abs. 1 HGB), aber auch Handlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 HGB) und Vollmacht des Ladenangestellten (§ 56 HGB) – haben einen festen Umfang.85 Absprachen, Beschränkungen oder Bedingungen, die (auch) im Hinblick auf die Vollmacht getätigt werden können, untergraben damit den Schutz der Verkehrsinteressen. Eine etwaige Abstraktion zwischen Grundverhältnis und Vollmacht vermag den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs mithin nur bedingt Rechnung zu tragen. Nicht korrekt ist daher die Behauptung, die Abstraktion der beiden Rechtsverhältnisse führe dazu, dass dem Geschäftspartner „nicht zugemutet [wird], Erkundigungen über das Innenverhältnis zwischen Geschäftsherr 83  In diese Richtung auch Tietz, Vertretungsmacht und Vertretungsbefugnis im Recht der BGB-Vollmacht und der Prokura, 1989, S. 65. 84  Deshalb ist auch unter denen, welche Grundverhältnis und Vollmacht für grundsätzlich abstrakt voneinander halten, umstritten, ob das Abstraktionsprinzip bei der Erteilung einer reinen Innenvollmacht durchbrochen werden muss. Siehe dazu S. 212 f. 85  Vgl. nur Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 102 f.; MüKo-HGB/Krebs, 4. Aufl. 2016, § 48 HGB Rn. 1; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 24 Rn. 13; Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 83.

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und Vertreter einzuholen“86 bzw. „die Vertretungsmacht im Außenverhältnis von unerkannten Mängeln und Beschränkungen des Grundverhältnisses abzuschirmen“ und dadurch Informations- und Streitbewältigungskosten zu senken sowie einen Beitrag zu einer effizienten Allokation knapper Ressourcen und mithin zur Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands zu leisten.87 Nach herkömmlichem Verständnis wird die Innenvollmacht allein durch Erklärungen im Innenverhältnis erteilt. Dem Geschäftspartner bleibt eine Erforschung des Innenverhältnisses also gerade nicht erspart. Bereits Laband kam es mit dem, von ihm nicht als solches bezeichneten,88 Abstraktionsprinzip insbesondere darauf an, die Legitimation im Außenverhältnis unabhängig zu gestalten von der Berechtigung im Innenverhältnis.89 So schreibt er zunächst zwar: „Wenn der A dem B Vollmacht ertheilt, in seinem Namen dem C ein Pferd abzukaufen, ihn aber zugleich beauftragt, nicht mehr als 100 Rthlr. zu bewilligen und nur einen Schimmel zu kaufen, so handelt der B als befugter Stellvertreter, wenn er auch dem C einen Rappen für 200 Rthlr. abkauft; d.h. das Geschäft ist zwischen dem A und dem C rechtsverbindlich“90.

Dafür müsse aber, so führt er in einer Fußnote aus, „natürlich erkennbar sein, daß die Vollmacht weiter reicht als der Auftrag.“91 Ob Vollmacht und Mandat, wie Laband es nennt, abstrakt sind, muss damit „natürlich“ abhängen von der Perspektive des Geschäftspartners. Richtig verstanden ist im Stellvertretungsrecht also nicht die Abstraktion zwischen Grundverhältnis und Vollmacht maßgeblich,92 sondern ob Innenverhältnis (Grundverhältnis und Ermächtigung) und Außenverhältnis (objektive Legitimation des Vertreters) abstrakt voneinander sind.93 Die Abstraktion zwischen Innen- und Außenverhältnis bewirkt die Senkung von Informations- und Streitbewältigungskosten, welche eine Abstraktion zwischen Vollmacht und Grundverhältnis nicht herbeizuführen vermag. Voraussetzung dafür ist, dass 86 

F. Becker, Der Missbrauch treuhänderischer Legitimationen, 2010, S. 27. Lieder, JuS 2014, 393, 395. 88  Vgl. hierzu K. Schmidt, FS Canaris 80. Geb., 2017, S. 117, 118. 89  Vgl. hierzu auch Pawlowski, JZ 1996, 125, 126. 90  Laband, ZHR 10 (1866), 183, 230 [Hervorhebung im Original]. 91  Laband, ZHR 10 (1866), 183, 230 f. Fn. 69 (mit Hinweis auf § 93 I 13 Pr. ALR). 92  Insofern ähnlich Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 108. Seine Ansicht unterscheidet sich von der hier vertretenen aber insoweit, als er unter Abstraktheit der Vollmacht versteht, „daß die Geschäftsführungspflicht und die Vertretungsmacht inhaltsverschieden sind und innerhalb des Auftragsvertrages nebeneinander bestehen, dies allerdings nicht beziehungslos, sondern in einer sachlich einander zugeordneten Art und Weise.“ (108). 93  Dass Innen- und Außenverhältnis nicht deckungsgleich sein müssen, erkennt beispielsweise auch Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 33 an. Er versteht den Begriff des Außenverhältnisses allerdings anders, denn nach hier vertretener Ansicht stellt nicht die Bevollmächtigung das Außenverhältnis dar, sondern die objektive Legitimation. 87 

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

das Außenverhältnis objektiv verstanden wird: Entscheidend ist, ob der Vertreter aus Sicht des Geschäftspartners (als Erklärungsempfänger) zur Äußerung einer Willenserklärung für den Vertretenen legitimiert ist. Da der Geschäftspartner hierbei alle objektiv erkennbaren Umstände werten muss, haben etwaige Beschränkungen, die der Vertretene im Innenverhältnis festsetzt, dann Auswirkungen auf den Umfang der Vertretungsmacht, wenn sie nach außen gedrungen sind. Dies stellt keine Durchbrechung des Abstraktionsprinzips dar,94 sondern ist der objektiven Legitimation als Ergebnis einer (objektiven) Gesamtwertung immanent. Das bedeutet: Ist der Vertreter im Außenverhältnis objektiv legitimiert und hat der Geschäftsherr dazu einen adäquat kausalen Beitrag geleistet, kommt ein Rechtsgeschäft zwischen Vertretenem und Geschäftspartner zustande.95 Dies gilt auch dann, wenn sich der Vertreter dem Vertretenen gegenüber abredewidrig verhalten hat und der Vertretene das Rechtsgeschäft (so) gar nicht (mehr) wollte. Dem Vertretenen steht dann unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch aus dem Grundverhältnis, regelmäßig einem Auftrag, gegen den Vertreter zu. Fehlt es an einem Grundverhältnis, haftet der Vertreter dem Vertretenen gemäß den Regeln zur Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB). Ob der Vertreter zu seinem Handeln ermächtigt ist, hat mithin nur für das Dürfen im Innenverhältnis Relevanz, also um zu entscheiden, ob sich der Geschäftsherr beim Vertreter schadlos halten kann.

III. Vorrang der subjektiven Willensübereinstimmung Wie stets in der Rechtsgeschäftslehre ist der objektive Maßstab lediglich ein Grundsatz, von dem abgewichen werden kann. Er ist (ökonomisch) sinnvoll, weil die dadurch angeordnete Rechtsfolge in der Mehrzahl der Fälle dem Willen des Betreffenden entspricht: Wenn der Vertreter objektiv legitimiert ist, ist er dies zumeist, weil der Geschäftsherr durch den Vertreter im Rechtsverkehr auftreten will. Objektive Legitimation des Vertreters und subjektiver Wille des Geschäftsherrn, durch den Vertreter vertreten zu werden, sind also in aller Regel deckungsgleich.96 Zudem ist höchst unwahrscheinlich, dass der Geschäftspartner bereit ist, ein Rechtsgeschäft mit einem Vertreter abzuschließen, dessen Vertretungsmacht nicht durch äußere Legitimationszeichen, etwa eine Voll94 

So aber Pawlowski, JZ 1996, 125, 129. Zu beachten ist aber, dass es in den Fällen, welche die herkömmliche Ansicht unter dem Stichwort „Missbrauch der Vertretungsmacht“ behandelt, an einer solchen objektiven Legitimation fehlt, weil objektiv erkennbar ist, dass das Handeln des Vertreters nicht dem Willen des Vertretenen entspricht. Siehe dazu S. 222 f. 96  Vgl. hierzu auch Lieb, JuS 1967, 106, 112. 95 

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

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machtsurkunde oder die Kundgabe des Willens, vertreten zu werden, nachgewiesen ist.97 Das Regel-Ausnahme-Verhältnis, wie es die herkömmliche Ansicht festsetzt und nach der die äußere Legitimation erst im zweiten Schritt maßgeblich sein soll, entspricht also nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Liegen im Einzelfall objektiv keine (hinreichenden) Anhaltspunkte für eine Legitimation des Vertreters vor, will der Geschäftsherr aber gleichwohl, dass der Vertreter für ihn ein Geschäft abschließt, und möchte der Geschäftspartner ebenfalls mit dem Geschäftsherrn kontrahieren, kommt das Rechtsgeschäft auch ohne objektive Legitimation zwischen Geschäftsherr und Geschäftspartner zustande, weil zwischen ihnen eine subjektive Willensübereinstimmung besteht. Für die Feststellung, ob sich der subjektive Wille von Geschäftspartner und Geschäftsherr decken, ist – wie auch sonst – grundsätzlich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der Äußerung des Willens durch den Geschäftsherrn maßgeblich. Dieser Zeitpunkt wird meist vor Abgabe der Erklärung des Vertreters gegenüber dem Geschäftspartner liegen. Auf eine zwischenzeitliche Änderung seines Willens kann sich der Geschäftsherr nur berufen, wenn er dies dem Vertreter vor Abgabe von dessen Erklärung mitgeteilt hat.

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle In vielen Bereichen werden die oben geschilderten, überkommenen Grundsätze des Stellvertretungsrechts von ihren eigenen Vertretern durchbrochen, um sachgerechte Ergebnisse zu erzielen. Hinzu kommen einige Fragen, in denen erheblicher Streit herrscht. Im Folgenden werden diese Bereiche untersucht. Dabei wird sich zeigen, dass die objektive Theorie der Stellvertretung zu sachgerechteren, vor allem aber zu stringenteren Ergebnissen führt als die herkömmliche Ansicht.

97  Die herkömmliche Ansicht geht allerdings davon aus, dass der Geschäftspartner bei einem Bargeschäft des täglichen Lebens keinen Wert auf ein Legitimationszeichen legt und das Geschäft mit dem, den es angeht, abschließen will. Vgl. hierzu nur Einsele, JZ 1990, 1003, 1009 f.; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, Vor § 164 Rn. 29; Mock, JuS 2008, 309, 312; MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 130. Etwas restriktiver Lüderitz, JuS, 1967, 765, generell (und zurecht kritisch) Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 II 2 b), S. 772; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 30 II b), S. 603 f. Siehe auch oben Fn. 73.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

I. Vertretungswille und Folgen seines Fehlens Ob der Wille des Vertreters, den Geschäftsherrn zu vertreten, rechtliche Relevanz hat, ist umstritten. Bedeutung erlangt dieser Streit, wenn der Vertreter, der im Namen des Geschäftsherrn aufgetreten ist, in Wirklichkeit für sich selbst oder für einen (weiteren bzw.) anderen Geschäftsherrn handeln wollte.98

1. Herkömmliche Ansichten Weil der Vertreter eine eigene Willenserklärung abgibt, müssen diejenigen, welche die Wirksamkeit einer Willenserklärung an das Vorliegen subjektiver Tatbestandselemente knüpfen, grundsätzlich auch den Willen des Vertreters für beachtlich halten. Zugleich soll der Geschäftspartner aber davor geschützt werden, dass er die Person, in deren Namen der Vertreter gehandelt hat, nicht als Geschäftspartner erhält, weil dem Vertreter – für den Geschäftspartner nicht erkennbar – der Vertretungswille fehlte.

a) Relevanz des Vertretungswillens Ein Teil der Literatur ist der Ansicht, dass das Handeln des Vertreters von einem „Vertretungswillen getragen sein muss“.99 Nur so lasse sich der Privatautonomie des Vertreters angemessen Rechnung tragen.100 Lediglich bei der Rechtsscheinvollmacht sei ein etwaiger Vertretungswille unerheblich.101 Die Wortwahl der diesen Ansatz vertretenden Autoren („getragen sein muss“) erweckt den Eindruck, als sei die Stellvertretung unwirksam, wenn der Vertreter nicht mit Vertretungswillen gehandelt hat. Tatsächlich wird aber nur vereinzelt vertreten, dass fehlender Vertretungswille zu einem Dissens führt.102 Nach der Literatur soll der fehlende Vertretungswille die Wirksamkeit der Erklärung des Vertreters (zunächst) nicht beseitigen, sondern lediglich ein Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 1 BGB begründen.103 Die Erklärung sei näm 98 

Vgl. auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 III, S. 776. 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 175; Staudinger/Schilken, 2014, § 164 Rn. 4. Vgl. auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 III, S. 775; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 164 Rn. 12; Lieb, JuS 1967, 106, 111 f. („der Vertretungswille [ist] ein essentiale des Vertretergeschäfts“); Mock, JuS 2008, 309, 313; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 36. 100 MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 175. 101  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1549 Fn. 190; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 167 Rn. 19; Staudinger/Schilken, 2014, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 36, § 167 Rn. 39. Vgl. hierzu Merkt, AcP 204 (2004), 638, 641 f. 102  So etwa OLG Nürnberg, 3. ZS – Urt. v. 12.07.1960 als Vorinstanz zu BGHZ 36, 30, 31. 103  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 III, S. 776; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 164 Rn. 12; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 175; v. Tuhr, AT, Bd. II/2, 1918, § 84, S. 347.  99 MüKo-BGB/Schubert,

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

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lich, wie alle Willenserklärungen, anhand des objektiven Empfängerhorizonts auszulegen. Ergebe sich hiernach, dass der Vertreter für den Geschäftsherrn handeln zu wollen schien, sei seine Erklärung als Handeln im fremden Namen zu verstehen.104 Die Anfechtbarkeit sei dann nicht nach § 164 Abs. 2 BGB ausgeschlossen; die Norm sei weder direkt noch analog anwendbar.105 Auch zur Frage, wer bei fehlendem Vertretungswillen des Vertreters anfechten darf, finden sich unterschiedliche Ansichten. Teilweise wird nur dem Vertreter das Recht zur Anfechtung zugesprochen.106 Habe der Vertreter mit Vertretungsmacht gehandelt, bestehe für den Vertretenen keine Veranlassung für eine Anfechtung; fehle dem Vertreter die Vertretungsmacht, betreffe das Geschäft den Geschäftsherrn nicht. Teilweise wird vertreten, nur der Vertretene sei zur Anfechtung berechtigt.107 Teilweise werden sowohl Vertreter als auch Geschäftsherr als anfechtungsberechtigt angesehen.108 Wieder andere differenzieren danach, ob der Vertreter mit Vertretungsmacht gehandelt hat.109 Sei dies nicht der Fall, dürfe der Vertreter anfechten, um der Haftung nach § 179 BGB entgehen und selbst Partei werden zu können.110 Sei das Geschäft von Vertretungsmacht gedeckt, könne nur der Vertretene anfechten, weil ihm der Irrtum des Vertreters nach § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet werde.111

b) Irrelevanz des Vertretungswillens Andere sind der Ansicht, das Vorliegen eines Vertretungswillens habe weder bei der rechtsgeschäftlichen noch bei der Rechtsscheinvollmacht Relevanz.112 Besonders prominent wird diese Ansicht vertreten von Fikentscher.113 Er führt 104  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 III, S. 776; ders., JZ 1962, 281; Hübner, AT, 2. Aufl. 1996, Rn. 1221; Hofmann, JuS 1970, 234, 235; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 164 Rn. 12; Staudinger/Schilken, 2014, § 164 Rn. 4; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 175. Eine Ausnahme soll aber dann gelten, wenn Vertreter und Dritter den übereinstimmenden Willen haben, miteinander das Rechtsgeschäft zu schließen. In diesem Fall sei das Rechtsgeschäft nach den Grundsätzen der falsa demonstratio zwischen Vertreter und Drittem zustande gekommen, vgl. MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 175. 105  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1420; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 III, S. 776; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 164 Rn. 12, 35; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 164 Rn. 26. 106  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 44 III, S. 776; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 180. 107 Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 164 Rn. 12; Mock, JuS 2008, 309, 313; v. Tuhr, AT, Bd. II/2, 1918, § 84, S. 347. 108  Lieb, JuS 1967, 106, 112 f. Fn. 63. 109  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1420; Brox, JA 1980, 449, 454; Staudinger/Schilken, 2014, § 164 Rn. 21. 110 MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 180. 111  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1420; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 164 Rn. 19, 26. Kritisch hierzu MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 180. 112  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 16. 113  Fikentscher, AcP 154 (1955), 1, 18.

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aus, dass dieselben Gründe, die dafür stritten, dass eine Rechtsscheinvollmacht unabhängig vom Vorliegen eines Vertretungswillen wirksam sei, auch bei der Vertretungsmacht aufgrund von Vollmacht Geltung beanspruchten.114 Für den Geschäftspartner bestehe kein Unterschied zwischen beiden Formen der Vertretungsmacht.115 Jeweils müsse er sich beim Abschluss des Rechtsgeschäfts auf die Umstände verlassen. Einer dieser Umstände könne – müsse aber nicht – die ausdrückliche Erklärung des Vertreters sein, dass er über Vertretungswillen verfüge.116 Auch bei der Vertretungsmacht aufgrund von Vollmacht bestehe nämlich ein Rechtsschein; dieser beziehe sich aber, anders als bei der Rechtsscheinvollmacht, nicht auf die Bevollmächtigung, sondern auf das Handeln in fremdem Namen.117 Wolle der Vertreter diesem Rechtsschein zuwider in eigenem Namen handeln, habe der Rechtsverkehr an der Verlässlichkeit des Rechtsscheins ein ebenso großes Interesse wie bei der Rechtsscheinvollmacht.118 Dieser Ansicht hat sich im Grundsatz auch der BGH angeschlossen,119 während das Reichsgericht das Erfordernis eines Vertretungswillens für den Erklärungsvertreter zunächst noch bejaht hatte.120 Wie stets gelte, so der BGH: „Der innere Wille ist nicht maßgeblich.“121 Entscheidend sei nur, ob objektiv aus Sicht des Empfängers ein Handeln in fremdem Namen vorliege; sei dies der Fall, werde alleine der aus den Umständen erkennbare Vertretene berechtigt und verpflichtet.122 Ein Anfechtungsrecht bestehe nicht. Das Gericht stützt sich hierbei insbesondere auf einen Umkehrschluss zu § 164 Abs. 2 BGB.123 Der Vertreter habe Sorge dafür zu tragen, dass er weder versehentlich in eigenem noch versehentlich in fremdem Namen auftrete.124 Eine Ausnahme von dieser Regel möchte der BGH machen beim vollmachtlosen Vertreter, der sich die Genehmigung vorbehalten will.125 Hier sei der Vertretungswille beachtlich.

114  Fikentscher, AcP 154 (1955), 1, 18. Etwas anderes gelte lediglich beim Geschäft für den, den es angeht. Weil hier dem Offenlegungsgrundsatz nicht genügt sei, müsse der Wille des Vertreters über die Zuordnung der Rechtsfolgen des Geschäfts entscheiden (21). 115  Fikentscher, AcP 154 (1955), 1, 18. 116  Fikentscher, AcP 154 (1955), 1, 18. 117  Fikentscher, AcP 154 (1955), 1, 18. 118  Fikentscher, AcP 154 (1955), 1, 18. 119  BGHZ 36, 30, 33; BGH NJW 1962, 2196; BGH NJW 1966, 1069; BGH NJW 1966, 1915, 1916; BGH WM 1970, 816; BGH NJW-RR 2006, 701, 702. 120  RGZ 58, 273, 277. Vgl. aber RG JR 1926, 1202 Nr. 1601. 121  BGHZ 36, 30, 33. 122  BGHZ 36, 30, 33. Vgl. auch BGH NJW 1966, 1069; BGH NJW 1966, 1915, 1916; BGH WM 1970, 816; BGH NJW-RR 2006, 701, 701. 123  BGHZ 36, 30, 33. 124  BGHZ 36, 30, 33. 125  BGH DNotZ 1968, 407.

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2. Objektive Theorie der Stellvertretung Nach hier vertretener Ansicht ist nicht zwischen rechtsgeschäftlicher und Rechtsscheinvollmacht zu differenzieren. Entscheidend ist, ob der Vertreter objektiv legitimiert ist. Liegt eine objektive Legitimation vor, kommt das Rechtsgeschäft zwischen Geschäftspartner und Vertretenem zustande. Nur dann kann sich überhaupt die Frage stellen, ob der Vertretungswille des Vertreters relevant ist. Diesbezüglich gilt, wie bei Willenserklärungen stets: Willenselemente sind kein konstitutives Merkmal einer Willenserklärung.126 Dementsprechend setzt auch eine wirksame Stellvertretung nicht das Vorliegen eines Vertretungswillens voraus. Entscheidend ist wiederum nur, dass die Erklärung des Vertreters objektiv aussieht wie eine Erklärung, die der Vertreter berechtigterweise im Namen des Geschäftsherrn abgibt. Auch im Hinblick auf die Frage, ob die Anfechtung der Vertretererklärung zulässig ist, wenn der Vertreter ohne Vertretungswillen gehandelt hat, sind die allgemeinen Regeln anwendbar. Die Funktion des Anfechtungsrechts besteht darin zu verhindern, dass Verkehrsteilnehmer in ein Rechtsgeschäft gezwungen werden, das sie (so) nicht wollen.127 Dieser Gedanke findet auch auf das Vertretergeschäft Anwendung. Die Möglichkeit zur Anfechtung ist insbesondere nicht wegen § 164 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Die Norm ist weder direkt noch analog anwendbar. Sie behandelt den Fall, dass eine in eigenem Namen auftretende Person eine andere Person als sich selbst berechtigen oder verpflichten möchte. Dieser Wille ist nach § 164 Abs. 2 BGB irrelevant. Fehlt einem Vertreter hingegen der Vertretungswille, will er sich nicht der Verantwortung, die sich aus dem Handeln im eigenen Namen ergibt, entziehen, sondern er will das Rechtsgeschäft für sich selbst (oder eine dritte Person) schließen, obwohl er in fremdem Namen gehandelt hat. Aus der Funktion des Anfechtungsrechts ergibt sich zugleich, wer zur Anfechtung berechtigt ist: die Person, die aufgrund des Irrtums des Vertreters berechtigt und verpflichtet ist. War der Vertreter objektiv legitimiert, ist der Vertretene grundsätzlich zur Anfechtung berechtigt. Ihm wird dann der Irrtum des Vertreters gem. § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet. Eine Ausnahme gilt, wenn der Vertretene keinen adäquat-kausalen Beitrag zu dieser objektiven Legitimation geleistet hat. Dann ist er ohnehin nicht an das Rechtsgeschäft gebunden – einer Korrekturmöglichkeit bedarf er also nicht. In dem seltenen Fall, dass der Vertreter nicht objektiv legitimiert war bzw. der Vertretene keinen adäquat-kausalen Beitrag zur objektiven Legitimation geleistet hat, aus Sicht eines objektiven Empfängers aber gleichwohl der Eindruck entstanden ist, dass der Vertreter für einen anderen gehandelt hat, obwohl dieser 126  127 

Siehe dazu S. 42 ff. Siehe dazu grundsätzlich S. 249 ff., 263 ff.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

das innerlich nicht wollte, und in dem der Vertretene das Geschäft nicht gem. § 177 Abs. 1 BGB genehmigt, darf der Vertreter seine Erklärung anfechten. Ist die Anfechtung wirksam, entgeht der Vertreter dadurch der Haftung nach § 179 BGB.128 Grund ist auch hier: Der Vertreter wurde durch seine Willenserklärung in einer Weise verpflichtet, die seinen Präferenzen widerspricht. Um selbst Vertragspartner zu werden oder denjenigen, den er vertreten wollte, wirksam zu binden, muss er anschließend eine neue Willenserklärung abgeben. Weder Vertreter noch Vertretenem steht ein Anfechtungsrecht zu, wenn der Anspruch nach § 179 Abs. 1, 2 BGB gem. § 179 Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen ist, weil dann keiner der beiden gebunden ist bzw. haftet.129

II. Erteilung, Umfang und Bestand der Vertretungsmacht Die Ausführungen von Vertretern der herkömmlichen Ansicht zu Erteilung, Umfang und Bestand der Vollmacht belegen, dass die vorgebliche Abstraktion zwischen Vollmacht und Grundverhältnis brüchig ist. So gestehen sie ein, dass bei der Innenvollmacht regelmäßig ein Gleichlauf zwischen Vollmacht und etwaigem Grundverhältnis besteht: Wozu der Vertreter im Außenverhältnis bevollmächtigt ist, ist abhängig von den Absprachen, die er mit dem Geschäftsherrn (im Grundverhältnis) trifft. Bei der Außenvollmacht hingegen soll das Abstraktionsprinzip Geltung entfalten. Doch zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass nicht die Abstraktion zwischen Grundverhältnis und Bevollmächtigung den Verkehrsschutz bewirkt, der nach herkömmlicher Ansicht Grund für seine Existenz ist, sondern dass der Verkehr auch bei der Außen- oder der anderweitig nach außen gedrungenen Vollmacht vor allem durch die Verwendung objektiver Anhaltspunkte sowie durch eine Abstraktion zwischen Innenverhältnis (Grundverhältnis und Ermächtigung) und Außenverhältnis (objektive Legitimation) geschützt wird. Dies erkennt im Ergebnis auch die herkömmliche Ansicht an.

1. Erteilung Die Erteilung der Vollmacht erfolgt gem. § 167 Abs. 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll.

128  Haftet der Vertreter nur gem. § 179 Abs. 2 BGB, bringt die Anfechtung für ihn freilich insofern keinen Vorteil, als er dann gem. § 122 BGB ebenfalls das negative Interesse ersetzen muss. 129  Siehe auch S. 199 f.

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

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a) Herkömmliche Ansicht Nach allgemeiner Ansicht wird durch die Erteilung festgelegt, was der Vertreter im Außenverhältnis rechtlich kann.130 Die Erteilung sei eine empfangsbedürftige Willenserklärung131 und ein einseitiges Rechtsgeschäft.132 Eine Annahmeerklärung sei nicht erforderlich, weil die Bevollmächtigung für den Vertreter keine nachteiligen Folgen habe: „Die Vollmacht verpflichtet ihn [den Vertreter] zu nichts.“133 Eine Vollmacht kann, so die herrschende Ansicht, auch ohne bestehendes Grundverhältnis (Auftrag o.ä.) wirksam erteilt werden.134 Dies soll auch dann gelten, wenn Vertretener und Vertreter ein Grundverhältnis avisiert hatten, dieses Verhältnis aber aus rechtlichen Gründen nicht wirksam zustande gekommen ist.135 Das Gesetz enthalte – anders als für das Erlöschen der Vollmacht (§ 168 S. 1 BGB) – keine Norm, nach der sich das Entstehen der Vollmacht nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis bestimme.136 Weil die Vollmacht lediglich rechtlich vorteilhaft sei, stehe eine etwaige beschränkte Geschäftsfähigkeit des Vertreters einer wirksamen Stellvertretung nicht entgegen (§ 165 BGB). Ein Minderjähriger könne den Geschäftsherrn mithin auch dann wirksam vertreten, wenn das – für den Minderjährigen nicht nur mit rechtlichen Vorteilen verbundene – Auftragsverhältnis gem. §§ 107, 108 BGB (schwebend) unwirksam sei. Bisweilen werden in diesem Zusammenhang

130  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1493; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 11 Rn. 25; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 2; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, Vor § 164 Rn. 15; Lieder, JuS 2014, 393, 394; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 164 Rn. 17; Schack, AT, 16. Aufl. 2019, Rn. 465; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 2; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 100. 131  Vgl. nur Giesen/Hegermann, Jura 1991, 357, 363; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 8; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 167 Rn. 6; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 5; Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 12. 132  Mot. I, S. 229 (= Mugdan I, S. 479). Vgl. auch Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 10. Vgl. allerdings Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 1, S. 823: Es sei „nicht einzusehen, weshalb sie [die Vollmacht] nicht zum Gegenstand eines Vertrages sollte gemacht werden können.“ 133  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 1. 134  Vgl. nur RGZ 69, 232, 234; BGHZ 110, 363, 367; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, Einf. v. § 164 Rn. 2; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 50 1, S. 840; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 2; Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 2; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 168 Rn. 37; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 7. 135 Vgl. Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1491; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 50 2, S. 842; Hübner, AT, 2. Aufl. 1996, Rn. 1238; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 11 Rn. 26; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 24 Rn. 16; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 7 f. Anderer Ansicht Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 85; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 949. 136  Vgl. nur Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 85; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 50 2, S. 841; Petersen, Jura 2004, 829, 831; v. Tuhr, AT, Bd. II/2, 1819, § 85 II, S. 386.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

das Abstraktionsprinzip und die Repräsentationstheorie als Argumente angeführt.137

b) Objektive Theorie der Stellvertretung Nicht der Akt einer Bevollmächtigung, sondern die objektive Legitimation des Vertreters ist für die Wirksamkeit der Stellvertretung entscheidend. Diese Legitimation ist keine Willenserklärung. Sie setzt lediglich eine kausale Handlung des Vertretenen voraus, die nicht von subjektiven Willenselementen getragen sein muss. Mit der Vollmacht nach herkömmlicher Ansicht hat die Legitimation gemeinsam, dass sie lediglich rechtlich vorteilhaft ist und damit keiner Annahme bedarf. In aller Regel hat der Geschäftsherr den Vertreter (im Innenverhältnis) ermächtigt, eine Erklärung für ihn abzugeben oder entgegenzunehmen. Daneben besteht zwischen den Parteien zumeist auch ein Grundverhältnis, etwa ein Auftrag, aus dem der Vertreter verpflichtet ist, für den Geschäftsherrn tätig zu werden. Nur weil die Ermächtigung des Vertreters und seine Verpflichtung zum Tätigwerden auf unterschiedlichen Rechtsgeschäften beruhen, sind diese Rechtsgeschäfte aber nicht notwendig inhaltlich und in ihrem Bestand abstrakt voneinander.138 Im Gegenteil: Die Ermächtigung wird nach objektiver Auslegung zumeist den Inhalt haben, dass der Vertreter nur dann ermächtigt sein soll, wenn das etwaige Grundverhältnis wirksam ist.139 Dies erkennt auch die Literatur an. So seien Grundverhältnis und Vollmacht in der Praxis „vielfach durch eine besondere Zweckbestimmung miteinander verbunden.“140 Die Parteien des Grundverhältnisses würden bei der Innenvollmacht regelmäßig nicht gesondert über die Vertretungsmacht sprechen. Die Bevollmächtigung ergebe sich vielmehr aus dem Auftrag, ein Rechtsgeschäft für den Auftraggeber abzuschließen.141 Auch bei herkömmlichem Verständnis entspricht es nicht den Interessen der Parteien, dass die Vollmacht Wirksamkeit erlangt, wenn das avisierte Grundverhältnis gescheitert ist. Das betonen zu Recht insbesondere Beuthien und 137 MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 165 Rn. 5 („Abstraktionsprinzip“); Staudinger/ Schilken, 2014, § 165 Rn. 1 („Abstraktionsgrundsatz und Repräsentationstheorie“). 138  Zum Zusammenhang zwischen Grundverhältnis und Ermächtigung auch oben C.II. und unten D.II.2. und 3. 139  Vgl. auch Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 93 f. 140  Lieder, JuS 2014, 393, 394. 141  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 91. Zu der Frage, ob Vollmacht stillschweigend erteilt werden kann, wollte sich die Erste Kommission nicht positionieren. In Mot. I, S. 230 (= Mugdan I, S. 479) heißt es dazu: „[Z]ur angemessenen und gründlichen Erledigung der Frage müßte das nicht zu erschöpfende Gebiet der Kasuistik betreten werden“. In der Praxis erfolgt die Erteilung einer Vollmacht oftmals etwa dadurch, dass eine Person für eine Aufgabe eingestellt wird, die in der Regel mit der Erteilung einer Vollmacht verbunden ist, ohne dass das Recht zur Vertretung ausdrücklich ausgeschlossen wurde.

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­Medicus/Petersen.142 Für den Geschäftsherrn berge die Wirksamkeit ein Risiko, denn die Vollmacht sei dann ohne Gegenstand und also „zwecklos“.143 Der Vertreter wiederum habe keinen Anlass anzunehmen, dass seine Vollmacht unabhängig von dem beabsichtigten Auftrag existieren soll.144 Zudem stelle das Gesetz mit § 168 S. 1 BGB eine Verbindung zwischen Vollmacht und Grundverhältnis her; die Interessenlage sei hinsichtlich der Entstehung der Vollmacht nicht anders als hinsichtlich ihres Erlöschens.145 Ein Gleichlauf zwischen Ermächtigung und Grundverhältnis hingegen ist nach dem hier vertretenen Ansatz weder für den Geschäftspartner noch für den Vertreter mit unzumutbaren Risiken verbunden. Im Außenverhältnis kann der Vertreter den Geschäftsherrn auch dann wirksam vertreten, wenn die Ermächtigung unwirksam ist. Voraussetzung dafür ist allein die objektive Legitimation. Erheblich ist die Frage nach der Wirksamkeit der Ermächtigung hingegen für etwaige Ansprüche des Geschäftsherrn gegen den Vertreter im Innenverhältnis, also etwa, wenn der Geschäftsherr aus der Stellvertretung Nachteile erleidet und vom Vertreter Regress verlangt. Ist die Ermächtigung unwirksam, und trifft den Vertreter Verschulden, haftet er dem Geschäftsherrn gem. § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz bzw. – bei fehlendem Grundverhältnis – aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Schicksale von Ermächtigung und Grundverhältnis unterscheiden sich aber ausnahmsweise, wenn der Vertreter wegen Minderjährigkeit beschränkt geschäftsfähig ist. Dann ist die Ermächtigung, weil rechtlich nicht mit Nachteilen verbunden, gem. § 107 BGB wirksam. Ob das (nicht lediglich rechtlich vorteilhafte) Grundverhältnis wirksam ist, hängt hingegen gem. §§ 107, 108 BGB von der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ab. Für die Wirksamkeit der Stellvertretung ist die Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte im Innenverhältnis jedoch irrelevant. Weil Innen- und Außenverhältnis abstrakt voneinander sind, kann der Minderjährige den Geschäftsherrn nach außen wirksam vertreten, wenn er objektiv legitimiert ist. Seine Minderjährigkeit ist insoweit wegen § 165 BGB unerheblich. Ist der Minderjährige nicht objektiv legitimiert oder hat der Geschäftsherr keinen kausalen Beitrag zur objektiven Legitimation erbracht, ist die Stellvertretung nach oben dargestellten Regeln gleichwohl wirksam, wenn eine Wil­ lens­übereinstimmung zwischen Geschäftsherrn und Geschäftspartner besteht.146 Für den Geschäftsherrn wird dabei abgestellt auf den Willen, den er vor 142  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 85; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 949. 143  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 85. 144  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 85; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 949. 145  Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 949. 146  Siehe S. 204 f.

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Abschluss des Rechtsgeschäfts durch den Minderjährigen diesem gegenüber im Akt der Ermächtigung geäußert hat. Damit handelt der Minderjährige in allen Fällen, in denen er den Geschäftsherrn nach herkömmlicher Ansicht wirksam nach außen vertritt, auch nach hier vertretener Ansicht mit Vertretungsmacht.

2. Umfang Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass auch der Umfang der Vollmacht nicht gänzlich unabhängig ist von einem etwaigen zugrunde liegenden Rechtsver­ hältnis.

a) Herkömmliche Ansicht Nach herkömmlicher Ansicht bestimmt sich der Umfang der durch Vollmacht erteilten Vertretungsmacht nach dem geäußerten Willen des Vollmachtgebers.147 Seine Erklärung sei gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen.148 Bei der Innenvollmacht sei auf den objektiven Verständnishorizont des Vertreters als Erklärungsempfänger abzustellen.149 In Betracht zu ziehen seien hierbei Inhalt, Zweck und Umstände des Grundverhältnisses.150 Auch bei der kundgegebenen Innenvollmacht soll, so Schubert, der „objektive Empfängerhorizont des Vertreters maßgeblich“ sein.151 Kundgabe bzw. Vollmachtsurkunde begründeten allerdings einen Rechtsschein (§§ 171, 172 BGB), dessen Reichweite sich nach dem objektiven Horizont des Empfängers dieses Rechtsscheins richte.152 Nach Ansicht des BGH hingegen ist die nach außen kundgegebene oder in einer Urkunde verlautbarte Vollmacht gemäß der Verständnismöglichkeiten des Geschäftspartners auszulegen.153 Inhalt und Zweck des Grundverhältnisses dürften dabei mitberücksichtigt werden, soweit die Umstände dem Geschäftspartner bekannt seien.154 Bei der Außenvollmacht ist nach allgemeiner Ansicht der objektive Empfängerhorizont des Geschäftspartners maßgeblich.155 147  Vgl. BeckOK/Schäfer, Stand 01.05.2019, § 167 Rn. 24; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 56. 148 Vgl. Lieder, JuS 2014, 393, 394; BeckOK/Schäfer, Stand 01.05.2019, § 167 Rn. 24; MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 56. 149 Vgl. nur Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 167 Rn. 5; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 60. 150  Vgl. BeckOK/Schäfer, Stand 01.05.2019, § 167 Rn. 25; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 60. 151 MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 62. 152  RGZ 143, 196, 199; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 62. 153  BGH NJW 1991, 3141, 3142. Vgl. aber BGH DB 1970, 1126. 154  BGH NJW 1983, 1905, 1906; BGH NJW 1991, 3141. 155  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1570; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 11 Rn. 57; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 167 Rn. 39; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 167 Rn. 51; Mock, JuS 2008, 391, 394; BeckOK/Schäfer, Stand 01.05.2019, § 167 Rn. 26; Staudinger/

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b) Objektive Theorie der Stellvertretung Dass Inhalt, Zweck und Umstände des Grundverhältnisses den Umfang der Ermächtigung (mit)bestimmen, entspricht der hier vertretenen Ansicht. Wenn Grundverhältnis und Vollmacht grundsätzlich unabhängig voneinander bestehen, ist diese Verbindung zwischen beiden jedoch nicht überzeugend. Bei der herkömmlichen Ansicht verschwimmen denn auch die Grenzen zwischen Auslegung der Vollmacht, Abstraktion zwischen Vollmacht und Grundverhältnis und Rechtsscheinhaftung. Die ersten beiden Punkte zeigen sich etwa in folgendem Zitat von Schubert. Sie hält zwar am Abstraktionsprinzip fest, muss dann aber eingestehen: „Die fehlende Kenntnis des Geschäftspartners hinsichtlich der Vollmacht kann sich lediglich bei der Auslegung der Bevollmächtigung auswirken, da der Vertreter in Kenntnis vom Innenverhältnis einen anderen (objektiven) Empfängerhorizont hat.“156 Bei der Innenvollmacht bestimmt sich denn auch ihrer Ansicht nach der Umfang der Vertretungsmacht in Abhängigkeit vom Grundverhältnis („Innenverhältnis“). Indem die herkömmliche Ansicht bei der Ermittlung des Umfangs der Vollmacht das Abstraktionsprinzip durchbricht, trägt sie der Tatsache Rechnung, dass BGB-Vollmachten individuell ausgestaltet werden können, der Geschäftsherr also eine reine Innenvollmacht in aller Regel deckungsgleich zu den (internen) Befugnissen des Vertreters erteilen wird. Bei einer Vollmacht, die nicht auf einem Schriftstück oder einer nach außen sichtbaren Handlung beruht, ist mithin schwer vorstellbar, dass sie sich nicht mit dem Grundverhältnis deckt. Lieder möchte das Abstraktionsprinzip gleichwohl auch bei reinen Innenvollmachten anwenden: „Die im Schrifttum vertretene Gegenauffassung ist mit dem Regelungsziel der abstrakten Vollmacht nicht in Einklang zu bringen. Sie setzt sich sowohl über die überindividuellen Interessen der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechts- und Handelsverkehrs hinweg und begründet für den Vertreter zudem die Gefahr, vom Geschäftspartner nach Maßgabe des § 179 in Anspruch genommen zu werden.“157

Lieders Argument, bei fehlender Abstraktion werde dem Schutzbedürfnis des Vertreters nicht hinreichend Rechnung getragen, vermag nicht zu überzeugen. Wenn sich der Vertreter an die Anweisungen des Vertretenen hält, muss er keine Haftung gem. § 179 BGB befürchten. Eine solche Haftung gegenüber dem Geschäftspartner droht dem Vertreter nur, wenn er zwar nach außen hin objektiv legitimiert ist, der Geschäftsherr aber keinen kausalen Beitrag zu dieser Legitimation geleistet hat. Vergleichbar argumentiert auch Beuthien, nach dem Schilken, 2014, § 167 Rn. 84; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 63; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 16. 156 MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 210. 157  Lieder, JuS 2014, 393, 395.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

es eine „Frage des Auftragsvertragsrisikos“ ist, ob der Vertreter/Beauftragte Schutz vor dem Risiko der Außenhaftung gem. § 179 BGB verdiene. An der Risikoverteilung seien sowohl Auftraggeber/Geschäftsherr als auch Vertreter/ Beauftragter beteiligt.158 Auch Lieders Sorge um die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs ist unbegründet. Bei einer reinen Innenvollmacht gibt es keinen Vertrauensträger. Für den Rechtsverkehr ist der (lediglich) im Innenverhältnis Bevollmächtigte von einer Person, die nicht bevollmächtigt ist, nicht zu unterscheiden.

3. Bestand Schließlich hängt auch der Bestand der Vollmacht ab von einem etwaigen zugrunde liegenden Rechtsverhältnis.

a) Erlöschen Hinsichtlich des Erlöschens der Vollmacht normiert dies das Gesetz selbst in § 168 S. 1 BGB: „Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis.“ Nach herrschender Ansicht stellt § 168 S. 1 BGB eine Ausnahme dar, „die in sprichwörtlicher Weise die regelhafte Geltung des Abstraktionsgrundsatzes bestätigt.“159 Bisweilen wird § 168 S. 1 BGB kritisiert. Die Norm verringere den Verkehrsschutz und halte den Geschäftspartner an, sich jederzeit darüber informiert zu halten, ob die Vollmacht unverändert fortbestehe.160 Die damit verbundenen Kosten stünden einer effizienten Allokation der Ressourcen im Wege.161 Selbst die Autoren, die diese Ansicht vertreten, müssen allerdings zugestehen, dass der Geschäftspartner durch §§ 170 ff. BGB geschützt wird, ihm also keine Informationskosten entstehen, wenn die Vollmacht nach außen gedrungen ist.162 Sie erkennen dadurch letztlich selbst an, dass nicht die Abstraktheit der Vollmacht vom Grundverhältnis, also die Abstraktion im Innenverhältnis, Verkehrsschutz bewirkt, sondern die Anknüpfung an objektive Anhaltspunkte gepaart mit der Abstraktion zwischen Außen- und Innenverhältnis. Auch in den Motiven wird die Kritik an § 168 S. 1 BGB antizipiert und wie folgt entkräftet:

158 

Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 86 f. Lieder, JuS 2014, 393, 395. Nach Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 168 Rn. 4 ist das Erlöschen der Vollmacht als Folge des Erlöschens des Grundverhältnisses eine „Abweichung vom Abstraktionsgrundsatz“. 160  Lieder, JuS 2014, 393, 396. 161  Lieder, JuS 2014, 393, 396. 162  Lieder, JuS 2014, 393, 396. 159 

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

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„Die Geneigtheit der Gesetze, den Vollmachtgeber auch in solchen Fällen zu Gunsten des Dritten, der das Erlöschen der Vollmacht weder kannte noch kennen mußte, zu binden, hat nur eine beschränkte Berechtigung. Der Schutz des guten Glaubens ist kein allgemeines Rechtsprinzip, sondern eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen, die nur insoweit gerechtfertigt ist, als sie durch dringende Gründe praktischer Zweckmäßigkeit geboten wird. Anlaß, dem Dritten zu Hülfe zu kommen, liegt nur vor, wenn er für sein Vertrauen auf den Fortbestand der Vollmacht einen besonderen Anhalt hatte. Ein solcher ist geboten, wenn die Ertheilung der Vollmacht dem Dritten durch den Vollmachtgeber besonders kundgegeben worden ist, sonst nicht.“163

Die zweite Kommission erkennt dadurch zugleich an, dass die Abstraktion der beiden Rechtsgeschäfte im Innenverhältnis keinen Selbstzweck darstellt. Entscheidend ist vielmehr, ob die Vollmacht nach außen gedrungen ist.

b) Unwirksamkeit Nach hier vertretener Ansicht sind Ermächtigung und Grundverhältnis, zum Beispiel der Auftrag, zwar getrennt voneinander. Sie werden aber regelmäßig das gleiche Schicksal teilen. Zum einen fallen Ermächtigung und Grundverhältnis häufig zeitlich zusammen, so dass sie von denselben Wirksamkeitshindernissen betroffen sind. Zum anderen ist die Erteilung der Ermächtigung in der Regel geprägt von den Absprachen im Grundverhältnis.164 Eine „Bindungslosigkeit des Bevollmächtigten“165, wie sie auch § 168 S. 1 BGB verhindern soll, wird daher nur in den seltensten Fällen vorliegen. Auch die herkömmliche Ansicht entscheidet die Frage, ob die Vollmacht (bedingt) wirksam ist, häufig in Abhängigkeit zum Grundverhältnis. So können Auftraggeber/Vertretener und Beauftragter/Vertreter einen Bedingungszusammenhang vereinbaren. Erteilung und Erlöschen der Vollmacht werden dann an den Eintritt einer bestimmten Bedingung gebunden,166 so dass Vollmacht und Grundverhältnis aneinander gekoppelt sind. Um das Abstraktionsprinzip nicht zu sehr auszuhöhlen, soll ein solcher Zusammenhang nach Ansicht einiger nur wirksam sein, wenn er ausdrücklich vereinbart wurde.167 Dem Schutz des Rechtsverkehrs dient dieses Erfordernis aber nicht. Für Außenstehende ist weder ein im Innenverhältnis ausdrücklich noch ein in diesem Verhältnis konkludent vereinbarter Bedingungszusammenhang erkennbar. Der BGH hat überdies geurteilt, dass eine Vollmacht unwirksam ist, wenn der ihr zugrunde liegende Geschäftsbesorgungsvertrag gegen das Rechtsbera-

163 

Mot. I, S. 236 f. (= Mugdan I, S. 483). Vgl. auch Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 108, nach dem Grundverhältnis und Ermächtigung aber stets kausal verbunden sind. 165  Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 949. 166 Vgl. Lieder, JuS 2014, 393, 396 f. 167  Lieder, JuS 2014, 393, 397. 164 

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

tungsgesetz (jetzt: Rechtsdienstleistungsgesetz) verstößt.168 Der Schutzzweck des Gesetzes ließe sich nur erreichen, wenn auch die Vollmacht unwirksam sei, sonst könne der Rechtsberater „seine gesetzlich missbilligte Tätigkeit gleichwohl zu Ende führen“.169 Die Literatur stimmt dem zu. Nach herrschender Ansicht ist die Vollmacht in diesem Fall gem. § 134 BGB nichtig;170 es bestehe eine „Fehleridentität“.171 Andere sind der Ansicht, Grundverhältnis und Vollmacht stellten (zugleich) eine Geschäftseinheit i.S.v. § 139 BGB dar, aufgrund derer die Nichtigkeit des Grundverhältnisses die Vollmacht erfasse.172 Auf die Figur der Geschäftseinheit rekurriert auch der BGH, wenn das Grundverhältnis wegen Formmangels und/oder Minderjährigkeit des Vollmachtgebers nichtig bzw. schwebend unwirksam ist.173 Regelmäßig wird hier für Zurückhaltung plädiert, um den Geschäftspartner durch den Wegfall der Vertretungsmacht nicht über Gebühr zu belasten.174 Dieses Ziel lässt sich aber auch bei zurückhaltender Auslegung des § 139 BGB nicht erreichen, weil § 139 BGB nicht dem Schutz Dritter dient und daher keine Anhaltspunkte dafür bietet, einer etwaigen ungerechtfertigten Belastung des Geschäftspartners vorzubeugen. Telos des § 139 BGB ist vielmehr, wie Beuthien zu Recht schreibt, die Vertragspartner davor zu bewahren, dass sie entgegen ihrem Willen „an einen Rumpf des von ihnen einheitlich erstrebten Rechtsgeschäfts“ gebunden werden.175 Der Geschäftspartner sei aber nicht Partei des Rechtsverhältnisses zwischen Auftraggeber/Vertretenem und Beauftragtem/ Vertreter und habe daher nur begrenzt Einblick darin.176 Beuthien kommt daher zu dem Schluss: „Die Frage, ob und inwieweit der Dritte schutzwürdig ist,

168  Vgl. BGH NJW 2001, 3774; BGH NJW 2002, 66; BGH NJW 2002, 2325; BGHZ 153, 214; BGH NJW 2003, 2088; 2091; BGHZ 154, 283; GH NJW 2004, 2745; BGH NJW 2005, 2983. 169  BGH NJW, 2002, 66, 67; BGHZ 153, 214, 221. 170 Vgl. Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 17; Petersen, Jura 2004, 829, 830; Reiter/Methner, VuR 2001, 193, 196; Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 75a; MüKo‑BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 55. Kritisch Edelmann, DB 2001, 687, 688; Ganter, WM 2001, 195; Hermanns, DNotZ 2001, 6, 8 f.; Sommer, NotBZ 2001, 28, 29. 171 Vgl. Reiter/Methner, VuR 2001, 193, 196; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 55; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 9. Kritisch Lieder, JuS 2014, 393, 397: die Bezeichnung sei „missverständlich“. 172 Vgl. Ganter, WM 2001, 195; Reiter/Methner, VuR 2001, 193, 196. Petersen, Jura 2004, 829, 830 Fn. 25 weist darauf hin, dass sich die beiden Lösungswege in der Praxis vor allem insofern unterschieden, als der Bevollmächtigte „bei § 139 BGB im Einzelfall die Wirksamkeit der Vollmacht nachweisen kann“. 173  BGHZ 110, 363, 369. Vgl. auch BGH NJW 1985, 730; BGH NJW 1988, 697, 698. 174  Vgl. nur Edelmann, DB 2001, 687, 688; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 17, 21. Lieder, JuS 2014, 393, 397 spricht sich dagegen aus, das Bestehen so einer Einheit zu vermuten. 175  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 86. 176  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 86.

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läßt sich daher mittels der Geschäftseinheit von Auftrag und Vollmacht kaum beantworten.“177 Zusammenfassend bedeutet dies: Dass Grundverhältnis und Ermächtigung miteinander verknüpft sein können, ist unproblematisch. Deshalb ist es aber nicht notwendigerweise gerechtfertigt, dass diese kausale Verbindung im Innenverhältnis die Vertretungsmacht im Außenverhältnis beseitigt. Solche Fälle begrenzen will, wer bei der Annahme einer Geschäftseinheit, einer Fehleridentität oder eines Bedingungszusammenhangs zwischen Grundverhältnis und Vollmacht Zurückhaltung üben will. Wenn (und soweit) Vertretungsmacht aber alleine durch einen Akt im Innenverhältnis begründet werden kann, sind die Möglichkeiten, den Geschäftspartner im Außenverhältnis zu schützen, begrenzt. Insbesondere dienen die Normen, die eine Unwirksamkeit der Bevollmächtigung nach sich ziehen, (vorrangig) anderen Zwecken. Sie bieten daher keine Anknüpfungspunkte für die Berücksichtigung der Interessen des Geschäftspartners. Effektiven Schutz genießt der Geschäftspartner vielmehr dadurch, dass Innen- und Außenverhältnis abstrakt voneinander sind: Ist der Vertreter objektiv legitimiert, wirkt das Geschäft, das er abschließt, grundsätzlich auch dann gegen den Geschäftspartner, wenn es im Verhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem sowohl an einem wirksamen Grundverhältnis als auch an einer Ermächtigung fehlt. Kann der Geschäftspartner das Fehlen der Ermächtigung hingegen objektiv erkennen, was etwa in den Sachverhalten, die den BGHUrteilen zum Rechtsberatungsgesetz zugrunde lagen, durchaus denkbar ist, fehlt dem Vertreter die Vertretungsmacht.

III. Missbrauch der Vertretungsmacht Übersteigt das „Können“ des Vertreters im Außenverhältnis das, was er im Innenverhältnis darf, besteht die Gefahr, dass der Vertreter seine Vertretungsmacht missbräuchlich nutzt.

1. Herkömmliche Ansicht Das Risiko eines solchen Missbrauchs trägt nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich der Vertretene.178 In den Worten des BGH: „Den Vertragspartner trifft keine Prüfungspflicht, ob und inwieweit der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist, von seiner nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen.“179 177 

Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 86. Rspr., vgl. nur BGH BeckRS 2016, 110992 Rn. 19; BGH WM 2016, 1437 Rn. 23; BGH WM 1966, 491; Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 91. 179  BGH BeckRS 2016, 110992 Rn. 19; BGH WM 2016, 1437 Rn. 23. 178  St.

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Hiervon sind zwei Ausnahmen anerkannt. Erstens soll die Willenserklärung des Vertreters dann nicht für und gegen den Vertretenen wirken, wenn Vertreter und Geschäftspartner kollusiv zum Nachteil des Vertretenen zusammengewirkt haben.180 Laut BGH und einem Teil der Literatur ist das Vertretergeschäft dann gem. § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig.181 Die Nichtigkeit erfasse nicht nur die Abrede der Kollusion, sondern auch das Rechtsgeschäft, das aufgrund dieser Abrede abgeschlossen wurde. Dies soll gelten, obwohl das Vertretergeschäft selbst nicht unbedingt sittenwidrig, sondern möglicherweise lediglich überteuert ist. Gerechtfertigt wird dies damit, dass erst das Vertretergeschäft den rechtlichen Nachteil bewirke.182 Andere sind der Ansicht, das Geschäft sei zwar nicht nach § 138 BGB nichtig, aber mangels Schutzwürdigkeit des Geschäftspartners nicht von der Vertretungsmacht gedeckt.183 Sie wollen dem Vertretenen damit ermöglichen, das Geschäft gem. § 177 Abs. 1 BGB zu genehmigen.184 Dabei wird das Abstraktionsprinzip durchbrochen.185 Zweitens soll das grundsätzlich wirksame Rechtsgeschäft dann keine Wirkung für und gegen den Vertretenen entfalten, wenn der Vertreter „von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass beim Geschäftspartner begründete Zweifel bestehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege“.186 Die Vertretungsmacht sei zu verneinen, wenn „eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs“ vorliege,187 so dass sich „nach den gegebenen Umständen die Notwendigkeit einer Rückfrage des Geschäfts-

180  BGH BeckRS 2016, 110992 Rn. 20; BGH WM 2016, 1437 Rn. 23; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 215. Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 93 verlangt arglistiges Zusammenwirken. 181  BGH NJW 1989, 26, 27; BGH NJW 2000, 2896, 2897; BGH DStR 2011, 2159 Rn. 9; BGH DStR 2014, 755 Rn. 10; BGH WM 2016, 1437 Rn. 24; Faust, AT, 6. Aufl. 2018, § 28 Rn. 24; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 45 II 3, S. 788; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 167 Rn. 71; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 966; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 215; Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 93 („Sonderfall der Sittenwidrigkeit“), 100. Siehe auch bereits v. Tuhr, AT, Bd. II/2, 1918, § 85 VI, S. 400. 182  Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 966; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 215. 183  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1575; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 9 Rn. 108; Lieder, JuS 2014, 681, 685; Singer, Anm. zu BGH LM H. 10/99 § 166 BGB Nr. 6; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 107. 184  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1575; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 9 Rn. 108; Lieder, JuS 2014, 681, 685; Singer, Anm. zu BGH LM H. 10/99 § 166 BGB Nr. 6; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 107. 185  Vgl. hierzu Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 9 Rn. 104. 186  BGH NJW 1999, 2883; BGH BeckRS 2016, 110992 Rn. 20. Vgl. auch BGHZ 50, 112, 114; BGHZ 113, 315, 320; BGH NJW 1984, 1461; 1988, 2241; BGH WM 1966, 491; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 45 II 3, S. 789 f. 187  BGH BeckRS 2016, 110992 Rn. 20.

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gegners bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt.“188 Unter diesen Voraussetzungen sei ein etwaiges Vertrauen des Geschäftspartners auf den Bestand der Vertretungsmacht nicht schutzwürdig.189 Maßgeblich sei also die Perspektive des Geschäftspartners. Ob sich der Vertreter des Missbrauchs bewusst sei, sei unerheblich,190 auch wenn ein Vertreter in der Praxis kaum jemals verkenne, dass er eine Vollmacht objektiv evident missbrauche.191 Auch für dieses Ergebnis finden sich unterschiedliche dogmatische Begründungen. Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur sind der Ansicht, die Berufung des Geschäftspartners auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts für und gegen den Vertretenen stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar und verstoße gegen § 242 BGB; §§ 177 ff. BGB seien analog anwendbar.192 Andere plädieren für eine teleologische Reduktion des Abstraktionsprinzips und die daraus resultierende Anwendbarkeit der §§ 177 ff. BGB,193 weil der Geschäftspartner nicht schutzwürdig sei. Schilken führt dazu aus: „Die Verselbstständigung der Vertretungsmacht gegenüber der Pflichtenbindung im Innenverhältnis in unserem Rechtssystem bezweckt die Herbeiführung von Verlässlichkeit für den Rechtsverkehr, die wiederum Evidenz der Vertretungsmacht erfordert. Wo aber auf der Seite des Kontrahenten kein Anlass für Verlässlichkeit besteht, weil umgekehrt der Verstoß gegen die Innenbindung evident ist, entfällt der Grund für die weitere Anwendung der abstrahierenden Regelung der §§ 164 ff.“194

188  BGH BeckRS 2016, 110992 Rn. 20. Vgl. auch BGH NJW 1984, 1461, 1462; BGH NJW 1988, 2241; BGH NJW 1999, 1812, 1813. 189  BGH NJW 1991, 1812, 1813. Vgl. auch Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 9 Rn. 104. 190  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 45 II 4, S. 791; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 9 Rn. 104; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 968; Pawlowski, JZ 1996, 125, 129; Staudinger/ Schilken, 2014, § 167 Rn. 95. Zwischen kraft Gesetzes unbeschränkter und rechtsgeschäftlich bestimmter Vollmacht differenzierend BGHZ 50, 112, 114; BGH NJW 1988, 3012. Nach John, FS Mühl, 1981, S. 349, 358 ist für den Missbrauch organschaftlicher Vertretungsmacht Vorsatz des Vertreters erforderlich. 191  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 45 II 4, S. 791; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 968. 192  BGH NJW 1999, 2266; Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 12 Rn. 40 f.; PWW/ Frensch, 14. Aufl. 2019, § 164 Rn. 72; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 177 Rn. 15. Vgl. auch RGZ 134, 67, 71 f.; RGZ 145, 311, 314 f.; BGHZ 50, 112, 114; BGH NJW 1966, 1911; BGH NJW 1984, 1461, 1462; BGH NJW 1988, 3012; BGH NJW 1990, 384, 385; BGH NJW-RR 2004, 247, 248. 193  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1578; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 164 Rn. 14b; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 45 II 3, S. 789; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 9 Rn. 104; Lieder, JuS 2014, 681, 684; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 167 Rn. 73; Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 95, 103; NK-BGB/Stoffels, 3. Aufl. 2016, § 164 Rn. 88; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 49 Rn. 103 f. Mit grundsätzlicher Kritik am Abstraktheitsgrundsatz auch Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 88. 194 Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 95.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

2. Objektive Theorie der Stellvertretung Die letztgenannte Aussage von Schilken liest sich so, als finde das Abstraktionsprinzip nur dann Anwendung, wenn für den Rechtsverkehr objektive Anhaltspunkte bestehen, die auf ein Vorhandensein der Vertretungsmacht schließen lassen. Damit kommt er im Ergebnis einer objektiven Theorie der Stellvertretung nah. Auch nach hier vertretener Ansicht trägt der Vertretene grundsätzlich das Risiko eines Missbrauchs der Vertretungsmacht. Die Gefahr, dass ein Vertreter ein Geschäft abschließt, das der Geschäftsherr (so) nicht will, ist gewissermaßen der Preis, den der Vertretene dafür zahlt, dass er den Vertreter als Mittelsperson einsetzt, um seine Effizienz zu steigern, seinen wirtschaftlichen und rechtlichen Radius zu erweitern und seine Transaktionskosten zu verringern. Haben Vertreter und Geschäftspartner allerdings kollusiv zusammengewirkt oder war das Fehlen der Vertretungsmacht für letzteren evident, entfaltet die Erklärung des Vertreters keine Wirkung für und gegen den Vertretenen. Das Ergebnis stimmt also mit jenem der herkömmlichen Ansichten überein. Anders als nach herkömmlicher Ansicht stellt dieses Ergebnis keine Ausnahme von der Regel dar. Sowohl bei kollusivem Zusammenwirken als auch bei evident fehlender Ermächtigung im Innenverhältnis fehlt dem Vertreter die für die Vertretungsmacht erforderliche objektive Legitimation. Bei der Kollusion ist die Absprache zwischen Vertreter und Geschäftspartner ein Umstand, der bei der Beurteilung, ob der Vertreter objektiv legitimiert ist, in Betracht zu ziehen ist. Ein objektiver Empfänger kann erkennen, dass der Vertreter nicht legitimiert ist, dieses Geschäft abzuschließen. Im Fall der Evidenz liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vertreter eine Erklärung abgibt, die nicht dem Willen des Geschäftsherrn entspricht. Diese objektiven Anhaltspunkte zieht der Empfänger in seine Bewertung der Legitimation des Vertreters mit ein. Jeweils stellt sich das Verhalten des Vertreters also für einen objektiven Erklärungsempfänger nicht so dar, als handele der Vertreter mit Ermächtigung des Vertretenen für diesen. Wie stets ist dabei entscheidend, ob der Geschäftspartner den Missbrauch der Vertretungsmacht „erkennen musste“, ob also ein objektiver Empfänger der Erklärung des Vertreters unter Berücksichtigung der relevanten Umstände erkannt hätte, dass der Vertreter zu dem Geschäft nicht ermächtigt war. Vertretungsmacht fehlt überdies auch dann, wenn der Geschäftspartner über subjektives Sonderwissen verfügte und daher wusste, dass der Vertreter nicht zum Handeln für den Geschäftsherrn ermächtigt war.195 Ein etwaiger Regressanspruch des Vertretenen im Innenverhältnis steht mithin nur dann im Raum, wenn der objektiv legitimierte Vertreter eine Willenser195 

Siehe dazu S. 200.

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klärung abgegeben hat, die für und gegen den Vertretenen wirkt, deren Abgabe aber einer Absprache zwischen Vertreter und Vertretenem widersprach. Wie bereits gesagt, haftet der Vertreter in einem solchen Fall gem. § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Grundverhältnis bzw. – bei fehlendem Grundverhältnis – aus Geschäftsführung ohne Auftrag.

IV. Fortbestand der Vertretungsmacht Unter bestimmten Voraussetzungen besteht eine einmal erteilte Vertretungsmacht auch dann fort, wenn der Vertreter im Innenverhältnis (so) nicht (mehr) berechtigt ist.196 Das Gesetz ordnet dies bei der Außenvollmacht an.197 Die Vertretungsmacht erlischt erst, wenn der Vollmachtgeber das Erlöschen dem Dritten angezeigt hat, gegenüber dem sie erklärt wurde (§ 170 BGB).198 Wurde die Bevollmächtigung kundgegeben, bleibt die Vertretungsmacht bestehen, bis die Kundgebung in der Weise widerrufen wurde, wie sie erfolgt ist (§ 171 Abs. 2 BGB). Der Vertretene muss also durch besondere Mitteilung oder öffentliche Kundgabe tätig werden, um die Vertretungsmacht zu beseitigen. Hat der Vertretene dem Vertreter eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt, besteht Vertretungsmacht, bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird (§ 172 Abs. 2 BGB). In den Motiven wird dazu ausgeführt, „nach der Auffassung des Lebens wie nach der vernünftiger Weise anzunehmenden Absicht des Vollmachtgebers [liege] in dieser Kundgebung […] nicht blos ein Hinweis auf die Thatsache der Bevollmächtigung, sondern die Erklärung, daß der Dritte sich darauf verlassen kann, daß die betr. Person Vertretungsmacht habe.“199

Die Erste Kommission beruft sich also auf den gesunden Menschenverstand, um die Regelung des § 171 Abs. 2 BGB zu begründen. Unter den genannten 196  Gründe für das Erlöschen der Vollmacht sind neben Beendigung des Grundverhältnisses (§ 168 S. 1 BGB) und Widerruf der Vollmacht (§ 168 S. 2 BGB) etwa Zeitablauf (§ 163 BGB), Zweckerreichung, Bedingungseintritt (§ 158 Abs. 2 BGB), Verzicht, Insolvenzeröffnung (§ 117 Abs. 1 InsO), Tod des Bevollmächtigten oder seine Geschäftsunfähigkeit (§ 104 Nr. 2 BGB). Vgl. hierzu nur Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 48–60. Denkbar ist aber auch, dass die Vollmacht von Anfang an unwirksam war oder einen geringeren Umfang hatte als das, was dem Geschäftspartner kommuniziert wurde. Gegenstand der im Folgenden erläuterten Normen ist dann strikt genommen nicht der Fortbestand der Vertretungsmacht, sondern ihr Umfang bzw. ihr Bestehen. Siehe dazu S. 214 ff., 216 ff. 197  Die Existenz von Außenvollmachten verneinend Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 250 f. 198  Zum Bedürfnis für diese Norm vgl. Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 9 Rn. 86, § 13 Rn. 32; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 63: Gem. §§ 168 S. 3, 167 Abs. 1 BGB könne auch die Außenvollmacht durch Erklärung gegenüber dem Vertreter widerrufen werden. Außerdem erlösche sie gem. § 168 S. 1 BGB mit Beendigung des ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses; davon habe der Geschäftspartner unter Umständen keine Kenntnis. 199  Mot. I, S. 237 (= Mugdan I, S. 483 f.).

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

­Voraussetzungen erfordere der Verkehr, dass der Vertretene nicht lediglich zum Ersatz eines etwaigen Schadens verpflichtet sei, sondern „daß diejenige Rechtslage schlechthin eintritt, welche sich ergeben würde, wenn der Kundgebung die Bedeutung einer für sich bestehenden Vollmachtsertheilung innewohnte.“200

1. Herkömmliche Ansichten §§ 170, 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB werden unterschiedlich dogmatisch eingeordnet.

a) Rechtsscheinvollmacht Nach herrschender Ansicht, die in der Tradition der Zweiten Kommission argumentiert, 201 dienen §§ 170, 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB dem Schutz des gutgläubigen Dritten, der auf den Fortbestand der (ursprünglich bestehenden) Vollmacht vertraut. 202 Der Vertretene habe „durch bestimmte nach außen gerichtete Handlungen die Vollmacht kundgetan“ und dadurch zurechenbar, weil willentlich, einen Rechtsschein gesetzt. 203 Kundgabe und Vorlage der Vollmachtsurkunde sind nach dieser Ansicht Tatsachenmitteilungen über eine bereits im Innenverhältnis erfolgte Bevollmächtigung; als solche hätten beide deklaratorische Wirkung204 bzw. seien (zugleich) geschäftsähnliche Handlungen. 205 Dies gelte, obwohl sie, so Canaris, „ein Element der Bekräftigung enthalten und eine zusätzliche Legitimation dar­ stellen.“206 Für das Verständnis als Mitteilung über eine bereits erfolgte Bevollmächtigung streite der Wortlaut der Normen:207 Bei § 171 Abs. 1 BGB gebe der Vertre200 

Mot. I, S. 237 (= Mugdan I, S. 484). Vgl. Prot. I. S. 301 (= Mugdan I, S. 741). 202  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1519 ff.; Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 25 Rn. 26; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 24 Rn. 28; Schreiber, Jura 1997, 104, 105; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 93; Wellspacher, Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Rechte, 1906, S. 85 f.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 61. Zur Dogmatik der Rechtsscheinhaftung Singer, FS Canaris 80. Geb., 2017, S. 425, 427 ff. 203  Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 24 Rn. 28. Vgl. auch BGHZ 102, 60, 62 f.; BGH NJW 1997, 312, 314; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1522 ff.; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 134; Faust, AT, 6. Aufl. 2018, § 26 Rn. 22; Schreiber, Jura 1997, 104, 105; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 93; v. Seeler, ArchBürgR 28 (1906), 1, 2 f.; Wolf/ Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 64, 70, 77 f. 204  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 32. 205 Vgl. Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1524; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 171 Rn. 4, § 172 Rn. 3; Staudinger/Schilken, 2014, § 171 Rn. 2 f.; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 171 Rn. 2; RGRK/Steffen, 12. Aufl. 1974, § 171 Rn. 3; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 69 f. Vgl. auch BGH NJW 2008, 3355 Rn. 36. 206  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 33 [Kursivierung im Original]. 207  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 32, der als weiteres 201 

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

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tene kund, dass er den Vertreter „bevollmächtigt habe“. Bei § 172 Abs. 1 BGB müsse der Vertreter dem Geschäftspartner die ihm bereits ausgehändigte Urkunde vorlegen. 208 Überdies werde diese Ansicht durch die Systematik gestützt. Es sei nicht ersichtlich, warum § 171 BGB die Außenvollmacht regele, wenn diese doch bereits Gegenstand des § 167 BGB sei. 209 Für die Rechtsscheintheorie streite zudem der Umstand, dass §§ 170 ff. BGB gem. § 173 BGB nur dann Anwendung fänden, wenn der Dritte gutgläubig sei, das Erlöschen der Vertretungsmacht also weder gekannt habe noch habe kennen müssen. 210 Probleme bereitet dieser Ansicht jedoch der Wortlaut des § 170 BGB. Hiernach bleibt die Außenvollmacht „in Kraft“, bis dem Dritten das Erlöschen der Vollmacht angezeigt wird. Diese Formulierung sei, so Wolf/Neuner, „inkorrekt“. 211 Tatsächlich werde die erloschene rechtsgeschäftliche Vollmacht durch eine „gesetzliche Vertretungsmacht gleichen Umfangs“ ersetzt, die sich auf den Rechtsschein des Fortbestehens der Vollmacht gründe.212 Nach Bork hingegen besteht keine Vertretungsmacht, auch nicht eine solche gesetzlicher Natur; der Vertretene dürfe sich aber auf das Fehlen der Vertretungsmacht nicht berufen, wenn der Dritte in seinem Fortbestand auf die Vertretungsmacht schutzwürdig sei. 213 Gewichtiger als die Inkonsistenzen mit § 170 BGB sind die Argumente, die Lobinger gegen die Annahme einer Rechtsscheinvollmacht anführt: Rein deklaratorische Erklärungen könnten keine Vertrauenshaftung begründen, weil sie keinen Vertrauenstatbestand schüfen. 214 Als bloße „Mitteilung eines früheren rechtsgeschäftlichen Konstitutivakts würde die Vollmachtskundgabe ja immer nur auf das in Bezug genommene Geschehen verweisen – und damit aber immer auch auf sämtliche diesem Geschehen möglicherweise anhaftende Fehler und Wirksamkeitshindernisse!“215

Argument für die Rechtsscheinhaftung anführt, dass die Bindung unabhängig davon eintrete, ob der Vertretene über Erklärungsbewusstsein verfüge (S. 32 f.). 208  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 32. 209  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 32; Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 9 f.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 69. Vgl. überdies Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 927. 210 Vgl. Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1522; Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 11; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 11 Rn. 38; MüKo‑BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 170 Rn. 3; Wellspacher, Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Rechte, 1906, S. 87; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 62. Vgl. auch bereits v. Seeler, ArchBürgR 28 (1906), 1, 39. 211  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 63. 212  Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 63. 213  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1522. 214  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 239. 215  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 239 f.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

Seiner Ansicht nach habe Canaris mit seinem Zugeständnis, Kundgabe und Aushändigung einer Vollmachtsurkunde enthielten ein Element der Bekräftigung, die „Rechtsscheintheorie schon aufgehoben“. 216 Die Haftung des Vertretenen beruhe dann nämlich nicht auf einem deklaratorischen Akt; der Vertretene hafte vielmehr aufgrund seines „objektiv in Erscheinung tretenden Willens, potentiellen Vertragspartnern durch die ‚Bekräftigung‘ und die hierin liegende ‚zusätzliche Legitimation‘ im Hinblick auf die Machtbefugnisse des Vertreters eine Sicherheit zu verschaffen, die ihnen ohne eine solche Bekräftigung nicht zukäme.“217

Bereits wegen dieses Elements der „Bekräftigung“, das §§ 171, 172 BGB unstreitig enthalten, überzeugt die Einordnung als Rechtsschein und mithin als Fiktion nicht. Zudem vermag die Rechtsscheintheorie nicht zu erklären, warum § 173 BGB die Fälle der §§ 171, 172 BGB sowie jenen des § 170 BGB, bei dem die Vollmacht wenigstens zunächst unstreitig rechtsgeschäftlicher Natur ist, gleichbehandelt.

b) Rechtsgeschäftstheorie Diese Probleme haben die Vertreter der Rechtsgeschäftstheorie nicht. Außenvollmacht, Kundgabe und Vorlage der ausgehändigten Vollmachtsurkunde basieren nach Flume und anderen auf rechtsgeschäftlicher Vollmacht. Kundgebung und Vorlage der Vollmachtsurkunde nach §§ 171, 172 BGB seien jeweils ein „selbständiger, rechtsgeschäftlicher Begründungsakt der Bevollmächtigung“, welcher neben der Erteilung der Vollmacht gem. § 167 BGB stehe. 218 Die Vertretungsmacht stütze sich nicht auf einen Rechtsschein, sondern sie bestehe, weil sie rechtsgeschäftlich wirksam nach außen erteilt und nicht widerrufen wurde. Wer eine Vollmacht kundgebe oder eine Vollmachtsurkunde aushändige, die der Vertreter dem Geschäftspartner vorlege, wolle den Vertreter dadurch legitimieren. 219 Vertretungsmacht aber sei „nichts anderes als Legitima­ 216 

Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 240. Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 241. 218  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 2 c, S. 825. Vgl. auch Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 9 Rn. 83; Pawlowski, JZ 1996, 125, 127; Staudinger/Schilken, 2014, § 170 Rn. 1, § 171 Rn. 3, § 172 Rn. 2. Einen etwas anderen Ansatz wählt Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 133 f., der in jedem Vertreterhandeln zugleich eine Außenvollmacht sieht. Die Mitteilung der Bevollmächtigung, die Gegenstand des § 171 BGB sei, sei „elementarer Bestandteil“ des Vertreterhandelns (S. 134). Ein offenkundig handelnder Vertreter erkläre wenigstens konkludent, dass er zu seinem Handeln bevollmächtigt sei. Darin liege zugleich eine Erklärung des Vertretenen gegenüber dem Geschäftspartner, er habe den Vertreter bevollmächtigt. Die Ansicht ist wenig überzeugend. Damit der Vertreter eine Außenvollmacht erteilen könnte, müsste er zur Erteilung bevollmächtigt sein; er würde also praktisch ein Insichgeschäft führen. 219  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 2 a, S. 824. Vgl. auch Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 9 217 

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

227

tion“. 220 Einem Laien sei nicht zu vermitteln, worin der Unterschied zwischen einer Außenvollmacht gem. § 167 BGB und einer Vollmacht durch Kundgebung oder Vorlage einer Urkunde gem. §§ 171, 172 BGB bestehe. 221 Entscheidend sei lediglich, ob die Vollmacht gegenüber dem Vertreter oder gegenüber einem Dritten erteilt worden sei. 222 Dieser Unterschied zwischen interner und externer Vollmacht liege auch § 173 BGB zu Grunde, der § 170 BGB mit einbeziehe. 223 Im Übrigen sei die Situation bei § 173 BGB mit dem Missbrauch der Vertretungsmacht vergleichbar. Hier wie dort bestehe die Vertretungsmacht als Legitimation nicht mehr, wenn der Geschäftspartner den Missbrauch kenne oder kennen müsse. 224 Kritiker werfen den Vertretern der Rechtsgeschäftstheorie vor, ihre Ansicht sei nur schwer mit § 173 BGB in Einklang zu bringen. §§ 170 ff. BGB fänden hiernach nur dann Anwendung, wenn der Geschäftspartner gutgläubig sei. 225 Bestehe die Vertretungsmacht gem. §§ 170 ff. BGB aber selbständig neben der Innenvollmacht, dürften Unwirksamkeit und Widerruf der Innenvollmacht bzw. die Kenntnis davon keine Auswirkungen haben auf die Wirksamkeit der Vertretungsmacht gem. §§ 170 ff. BGB. 226 Zudem ließe sich § 168 S. 1 BGB mit der Rechtsgeschäftstheorie nicht erklären. Die Norm unterscheide nicht zwischen der bloßen Innenvollmacht und den nach außen erteilten oder mitgeteilten Vollmachten. 227 Gleiches gelte für § 168 S. 3 BGB; indem er auf § 167 Abs. 1 BGB verweise, gestatte er den Widerruf einer Außenvollmacht im Innenverhältnis explizit. 228 Auch sei § 171 S. 1 BGB überflüssig, wenn Kundgabe oder Aushändigung einer Vollmachtsurkunde eine Außenvollmacht darstellten. 229

Rn. 83: „Der Vertretene erklärt sein Einverständnis damit, dass ihn die Wirkungen des vom Vertreter vorgenommenen Rechtsgeschäfts treffen.“ 220  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 2 c, S. 825. 221  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 2 c, S. 825. 222  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 2 c, S. 825. Insoweit zustimmend Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 242. 223  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 2 c, S. 825. 224  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 2 c, S. 827 f. 225  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1522; Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 11; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 244; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 170 Rn. 3; Wellspacher, Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Rechte, 1906, S. 83 ff.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 62. 226  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 244. 227  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1522; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 135. 228  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1522; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 134 f.; Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 11. 229  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 32; Kindl, Rechts-

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

Schließlich entspreche die Deutung, dass §§ 171, 172 BGB Vertretungsmacht begründeten, nicht dem Inhalt der in Frage stehenden Erklärungen.230 Die Erklärungen bezögen sich jeweils auf bereits bestehende Vollmachten. 231 Auch wenn die Aussage von Wellspacher, das Bild der „Vollmachtsurkunde als juristischer Papagei, der die ihm eingelernte ‚Willenserklärung‘ fortwährend wiederholt, […] zeig[e] vielleicht am besten, wie weit man sich mit jener Konstruktion vom realen Boden hinweg in die Lüfte des Begriffshimmels erhoben ha[be]“, 232

etwas drastisch ist: Aus Perspektive des Geschäftspartners liegt in der Kundgabe sowie in der Ausstellung der Urkunde tatsächlich keine Willenserklärung zur Erteilung von Vollmacht, sondern eine Bestätigung, dass Vollmacht bereits erteilt wurde.

c) Risikoübernahme Lobinger ist daher der Ansicht, die Erklärungen gem. §§ 171, 172 BGB bezögen sich jeweils auf eine bereits bestehende Vertretungsmacht. Sie sicherten das Bestehen dieser Vertretungsmacht „ähnlich wie eine Eigenschaft beim Kauf“ zu. 233 Es handele sich mithin um „Tatbestände einer zusicherungsgleichen rechtsgeschäftlichen Risikoübernahme.“234 Die bloße Behauptung des Vertreters, er verfüge über Vertretungsmacht, sei für den Geschäftspartner, der Interesse daran habe, den Vertrag mit dem Vertretenen abzuschließen, mit einem erheblichen Risiko verbunden. 235 Weil er regelmäßig keinen Einblick in das Verhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem habe, müsse er sich entweder auf ein „Vabanquespiel“ einlassen oder beim Vertretenen nachfragen, um auszuschließen, dass das Geschäft wegen eines Fehlers oder Mangels im Innenverhältnis nicht wie gewünscht mit dem Vertretenen zustande komme. 236 Kundgabe oder Vorlage der Urkunde verringerten das Risiko des Geschäftspartners und steigerten seine Bereitschaft, einen Vertrag mit dem Vertreter zu schließen. 237 So verstanden stelle § 173 BGB eine „Selbstverständlichkeit“ dar. 238 Wenn der Zweck der Zusicherung darin bestehe, dem Geschäftspartner das Risiko zu nehmen, dass im Innenverhältnis keine wirksame Vollmacht bestehe, gehe sie scheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 9; Stüsser, Die Anfechtung der Vollmacht nach bürgerlichem Recht und Handelsrecht, 1986, S. 115. 230  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 242 f. 231  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 242. 232  Wellspacher, Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Rechte, 1906, S. 85. 233  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 243. 234  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 245 ff. 235  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 245 f. 236  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 246. 237  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 246. 238  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 248.

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

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leer, wenn der Geschäftspartner bereits positiv wisse, dass Vertretungsmacht im Innenverhältnis fehle. 239 Dieses Argument ist insofern nicht stichhaltig, als §§ 170, 171 Abs. 2 und 172 Abs. 2 BGB nach § 173 BGB auch dann keine Anwendung finden, wenn der Geschäftspartner das Erlöschen der Vertretungsmacht „kennen muss“. Unter diesen Voraussetzungen bestehen für den Geschäftspartner subjektiv durchaus Risiken. Aber auch grundsätzlich überzeugt die Charakterisierung der Kundgabe der Vollmacht sowie der Aushändigung und Vorlage einer Vollmachtsurkunde als zusichernde Risikoübernahme nicht. Die Risikoübernahme würde ein Rechtsgeschäft darstellen, das neben das eigentliche, mangels bestehender Bevollmächtigung im Innenverhältnis unwirksame Rechtsgeschäft zwischen Vertretenem und Geschäftspartner tritt. Der Geschäftspartner dürfte sich aufgrund der Risikoübernahme beim Vertretenen erholen, weil der Vertreter nicht wirksam bevollmächtigt war. Im Rahmen der Naturalrestitution würde der Vertretene unter Umständen das Erfüllungsinteresse schulden. Damit würde die Haftung des Vertretenen aber auf der Zusicherung und nicht auf der wirksamen Stellvertretung basieren.

2. Objektive Theorie der Stellvertretung In einem wichtigen Punkt stimmt Lobingers Ansicht allerdings mit der hier vertretenen überein. Auch er gründet seine Theorie auf der Überzeugung, dass objektive Anhaltspunkte, die auf eine Legitimation des Vertreters hindeuten, ausschlaggebend sind für die Entscheidung des Geschäftspartners, einen Vertrag mit dem Vertretenen abzuschließen, obwohl ihm dieser lediglich vermittelt durch einen Vertreter gegenübertritt. Der typische Vertretene gibt seine Vollmacht kund oder stellt eine Vollmachtsurkunde aus und lässt sie vorlegen, um die Bereitschaft des potentiellen Geschäftspartners zum Abschluss des Vertrages zu erhöhen. Kundgabe und Urkunde stellen objektive Anhaltspunkte dar, welche die Beweislage zu Gunsten des Geschäftspartners verbessern. Überzeugender ist es aber, den Zweischritt, den Lobinger vornimmt und bei dem die Risikoübernahme die Rechtsfolgen des gescheiterten Vertrages herbeiführt, zu ersetzen durch ein System, das von Anfang an abstellt auf das, was der Geschäftsherr nach außen kundgegeben oder sonst kommuniziert hat: Vertretungsmacht besteht, soweit objektiv Anhaltspunkte für die Legitimation vorliegen und sich diese Anhaltspunkte kausal auf den Vertretenen zurückführen lassen.

239 

Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 248.

230

§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

Diese Regel macht die Verwendung von Fiktionen überflüssig.240 Zwar treten die in §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB angeordneten Rechtsfolgen nach hier vertretener Ansicht auf anderem Wege ein, als es das Gesetz anordnet. Die objektive Theorie der Stellvertretung zeichnet aber die Ergebnisse nach, die §§ 170– 173 BGB vorgeben. Zudem werden – wie bei der Rechtsgeschäftstheorie – alle drei Sachverhalte gleich behandelt: die Mitteilung des Vertretenen an den Geschäftspartner, dass er einem Vertreter Vertretungsmacht erteile, die Kundgabe des Vertretenen gegenüber dem Geschäftspartner, dass er den Vertreter ermächtigt habe, und die Vorlage einer vom Vertretenen ausgestellte Urkunde, aus der sich ergibt, dass der Vertretene das Handeln des Vertreters für und gegen sich wünscht. Jeweils hat der Vertretene den Vertreter durch Schaffung (objektiver) Anhaltspunkte objektiv legitimiert. Die Vertretungsmacht erlischt, wie §§ 170, 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB es vorsehen, (erst) dann, wenn der Vertretene die objektiven Anhaltspunkte und damit die objektive Legitimation beseitigt hat. Auch der Rechtsfolge des § 173 BGB trägt die objektive Theorie der Stellvertretung Rechnung. Konnte der Geschäftspartner erkennen, dass der Vertreter nicht bevollmächtigt war, fehlt es dem Vertreter an der objektiven Legitimation. Vertretungsmacht hat er dann nicht. Kannte der Geschäftspartner das Nichtbestehen der Vertretungsmacht im Sinne der herkömmlichen Ansicht, wusste er also subjektiv, dass der Vertretene die Vertretung nicht wünschte, obwohl dies objektiv nicht erkennbar war, kann der Vertreter den Vertretenen ebenfalls nicht wirksam vertreten. 241 Diese Ergebnisse stellen keine Sonderfälle dar. Sie sind keine Ausnahmen zu einer allgemeinen Regel, sondern Ausdruck der Grundregel, nach der Vertretungsmacht gegeben ist, wenn der Vertreter aufgrund eines kausalen Beitrags des Vertretenen objektiv zur Vertretung legitimiert ist. An einem derartigen kausalen Beitrag kann es in den Fällen fehlen, die üblicherweise unter der Überschrift der „abhandengekommenen Vollmachtsurkunde“ abgehandelt werden. Die herkömmliche Ansicht hält § 172 BGB unter diesen Voraussetzungen für nicht anwendbar, weil – je nach Autor – die Zurechenbarkeit eines Rechtsscheins, 242 ein rechtsgeschäftlichen Handeln 243 oder

240  Den Begriff der Fiktion verwendet in diesem Zusammenhang auch Fikentscher, AcP 154 (1955), 1, 3 Fn. 8. 241  Siehe auch S. 200. 242  Vgl. BGHZ 65, 13, 14; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 548; ders., JZ 1976, 132, 134; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 172 Rn. 3; Neuner, JuS 2007, 401, 411; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 172 Rn. 17; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 197; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 78. Anderer Ansicht Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, § 188 I 1 c, S. 1148, die bei Fahrlässigkeit des Vollmachtgebers eine „Haftung aus dem veranlaßten Rechtsschein einer Vollmacht“ gem. § 172 BGB analog annehmen. 243  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 2 c, S. 827; Staudinger/Schilken, 2014, § 172 Rn. 7.

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

231

„die ‚treibende Kraft‘ des eigenen positiven Geltungsinteresses“244 fehle. Der Vertretene soll dann verschuldensunabhängig analog § 122 BGB, 245 verschuldensabhängig gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB oder gemäß den Grundsätzen der Duldungsvollmacht haften. 246 Nach hier vertretener Ansicht ist auf Primärebene allein relevant, ob der Vertreter objektiv legitimiert war. Der Vertreter handelt ohne objektive Legitimation und also ohne Vertretungsmacht, wenn der Vertretene keinen adäquat kausalen Beitrag zur Vorlage der Vollmachtsurkunde erbracht hat. Ob ein solcher Beitrag vorliegt, hängt davon ab, ob der Vertretene die objektiv übliche Sorgfalt hat walten lassen. Hat er die Urkunde beispielsweise in einem Safe eingeschlossen, hat er in aller Regel die erforderliche Sorgfalt aufgewandt um sicherzustellen, dass die Urkunde (vorerst) nicht im Rechtsverkehr eingesetzt wird. Hat der Vertretene die Urkunde hingegen ohne weitere Angaben auf seinem Schreibtisch abgelegt, zu dem derjenige, der in der Urkunde als Vertreter benannt wird, rechtmäßigen Zugang hat, ist sie auch dann nicht abhandengekommen, wenn der Vertretene nicht wollte, dass der Vertreter die Urkunde nimmt und im Rechtsverkehr verwendet. Da eine etwaige Fahrlässigkeit des Vertretenen damit schon im Rahmen der objektiven Legitimation, nämlich bei der Frage des adäquat kausalen Beitrags, relevant wird, kann sie auf Sekundärebene keine Rolle mehr spielen. Wem das Verhalten eines nicht ermächtigten Vertreters mangels objektiver Legitimation nicht zuzurechnen ist, der haftet auch nicht wegen schuldhaften Verhaltens für das Auftreten des falsus procurator. Möglich ist allenfalls eine Zurechnung gem. § 278 BGB bzw. eine Haftung gem. § 831 BGB, wenn der Vertretene aus anderen Gründen für den vermeintlichen Vertreter verantwortlich ist.

V. Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht Voraussetzung von §§ 170–172 BGB ist, dass der Vertretene dem Vertreter eine Vollmacht erteilt hat. §§ 170, 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB betreffen denn auch den Einfluss, den das Schicksal der Vollmacht im Innenverhältnis auf die Vertretungsmacht im Außenverhältnis hat. Die Vertretungsmacht im Außenverhältnis besteht auch dann (fort), wenn die Vollmacht so nicht oder (so) nicht mehr besteht. 244 

Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 230. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 548; ders., JZ 1976, 132, 134; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 231; Neuner, JuS 2007, 401, 411; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 197; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 78. 246 Vgl. Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1527; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 2 c, S. 827; Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 48 Rn. 12; Staudinger/Schilken, 2014, § 172 Rn. 7; MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 172 Rn. 17. 245 

232

§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine wirksame Vertretung aber auch vorliegen, wenn der Vertretene dem Vertreter nie Vollmacht erteilt hat. Dies wird insbesondere bei der sogenannten Duldungs- und der sogenannten Anscheinsvollmacht angenommen. Die Rechtsinstitute wurden durch die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts und des Reichsgerichts geschaffen 247 und durch den BGH248 fortentwickelt. 249 Üblicherweise werden die beiden wie folgt definiert: Bei der Duldungsvollmacht weiß der Vertretene, dass jemand als sein Vertreter auftritt, und unternimmt nichts gegen dieses Auftreten, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.250 Er duldet das Verhalten also. Bei der Anscheinsvollmacht weiß der Vertretene nicht, dass der vermeintliche Vertreter in seinem Namen Willenserklärungen abgibt; hätte er die gehörige Sorgfalt aufgewendet, hätte er das Verhalten aber kennen und verhindern können.251 In der Regel setzt dies voraus, dass der Vertreter über eine gewisse Dauer und mit einer gewissen Häufigkeit tätig geworden ist. 252 Weitere Voraussetzung sowohl der Duldungs- als auch der Anscheinsvollmacht ist, dass der Geschäftspartner das Fehlen der Bevollmächtigung nicht kannte und auch nicht kennen musste, 253 sondern das „Dulden nach Treu und 247  Vgl. nur ROHGE 1, 150, 152; ROHGE 12, 267, 277; RGZ 1, 8, 9; RGZ 65, 292, 295 ff.; RGZ 76, 202, 203 f.; RGZ 100, 48, 50; RGZ 117, 164, 165 ff. Gegen diese Einschätzung Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 3, S. 829: „Diese Duldungsvollmacht war keine „Schöpfung der Rechtsprechung“, sondern die Rechtsprechung war eine selbstverständliche Durchführung des Rechts der Stellvertretung kraft Bevollmächtigung.“ 248  Vgl. nur BGHZ 5, 111; BGH NJW-RR 1987, 308. 249  Das Reichsgericht unterschied nicht deutlich zwischen Duldungs- und Anscheinsvollmacht, vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 48 Fn. 70; Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 22 ff.; Macris, Die stillschweigende Vollmachtserteilung, 1941, S. 9 ff. Zur Entwicklung der Duldungs- und Anscheinsvollmacht in der Rechtsprechung auch Bader, Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978, S. 3 ff. 250  BGH JR 1976, 281; BGH NJW 2002, 2325, 2327; BGH NJW-RR 2004, 1275, 1277; BGH NJW 2007, 987, 988 Rn. 19; BGH NJW 2014, 3150, 3151 Rn. 26; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1549; Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 25 Rn. 31; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 39; HK-BGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 173 Rn. 8; Hoffmann, JuS 1970, 451; Hübner, AT, 2. Aufl. 1996, Rn. 1283; Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, 1999, S. 83; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 930, 969; Schack, AT, 16. Aufl. 2019, Rn. 514; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 84. 251  Vgl. RGZ 117, 164, 166; BGHZ 5, 111; BGH NJW-RR 1987, 308; BGH NJW 1998, 1854, 1855; OLG Köln NJW 1973, 1798, 1799; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1549; Fikentscher, AcP 154 (1955), 1, 7 f.; Hoffmann, JuS 1970, 451; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 969; Schmidt-Rimpler, Anm. zu RG JW 1927, 1249 f.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 95. 252  Vgl. BGH NJW-RR 1986, 1169; BGH NJW 1998, 1854, 1855. 253  Vgl. RGZ 117, 164; RG JW 1927, 1249 f.; BGHZ 5, 111; BGH NJW 2006, 1971 Rn. 17; BGH NJW 2011, 2421 Rn. 16; BGH NJW 2014, 3150 Rn. 26, BGH WM 2016, 691 Rn. 61; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1549; Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 25 Rn. 33; Hoffmann, JuS 1970, 451; Hübner, AT, 2. Aufl. 1996, Rn. 1287; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 26 Rn. 15; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 167 Rn. 15, 17; Wackerbarth, ZGR 1999, 365, 386; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 84, 95.

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

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Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde zu den vorgenommenen Erklärungen bevollmächtigt ist“254 bzw. „annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters“. 255 Für die Frage, ob Vertretungsmacht vorliege, komme es, so das Reichsgericht, „nicht so sehr darauf an, ob der Vertretene das Geschäftsgebaren des Vertreters gekannt und geduldet hat, als vielmehr darauf, wie das ganze Verhalten des Vertretenen in Ansehung der Handlungen des Vertreters von dem mit diesem kontrahierenden Dritten aufgefaßt werden mußte.“256

Vertretungsmacht besteht hiernach also vor allem dann, wenn sich das Verhalten des Vertretenen für einen objektiven Betrachter so darstellt als habe der Vertreter mit seinem Willen gehandelt.

1. Herkömmliche Ansichten Der Geltungsgrund der Bindung des Vertretenen an die Willenserklärung des Vertreters ist ebenso umstritten wie bei §§ 170–172 BGB. 257 Mitteis spricht von einer „äußerst zweifelvollen Frage, in welcher der juristische Verstand von Mitleid und Furcht […] sehr bestürmt wird“.258 Im Wesentlichen finden sich die zu §§ 170–172 BGB vertretenen Theorien auch bei der Erörterung der Duldungsund Anscheinsvollmacht wieder. Da es sich bei beiden um richterrechtlich entwickelte Institute handelt, sind die Theorien naturgemäß stark von den Argumentationslinien der Rechtsprechung beeinflusst.

a) Rechtsgeschäftstheorie Die Rechtsprechung bejahte in den heute unter dem Begriff Duldungsvollmacht diskutierten Sachverhalten zunächst das Vorliegen einer konkludenten rechtsgeschäftlichen Vollmacht. Die ersten Urteile entstammten der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts. Es befand 1874, dass im kaufmännischen Verkehr auch die stillschweigende Bevollmächtigung von Angestellten zulässig sei; es bedürfe insofern nicht der Konstruktion einer Scheinvollmacht. 259 Ihm folgend urteilte das Reichsgericht 1879, für die Annahme einer stillschweigenden Bevollmächtigung genüge es, wenn die Handlung eines Ange254 

Vgl. nur BGH NJW 2014, 3150 Rn. 26. BGH NJW 2011, 2421 Rn. 16; BGH WM 2016, 691 Rn. 61. 256  RG JW 1927, 1249 f. 257  Merkt, AcP 204 (2004), 638, 646 etwa schreibt, die Frage nach der dogmatischen Einordnung sei „auf das Engste verknüpft […] mit der Lehre von der Willenserklärung.“ Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 6 betont, „der Gedanke der Privatautonomie (also Bindung nur im Rahmen des und an das Gewollte[n]) sowie der für den Rechtsverkehr notwendige Vertrauensschutz“ sei durch die Theorien in Ausgleich zu bringen. 258  Mitteis, Die Lehre von der Stellvertretung, 1885, S. 169. 259  ROHG 12, 267, 277. 255 

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

stellten „unter den Augen“ des Kaufmanns vorgenommen werde. 260 Bis 1907 ermittelte es den mutmaßlichen Willen, erst danach stützt es die Bindung des Vertretenen auf den Rechtsschein einer Vollmacht. 261 Auch der BGH argumentierte bei der Duldungsvollmacht anfänglich noch rechtsgeschäftlich. 262 In der Literatur formuliert Karsten Schmidt prägnant, die Duldungsvollmacht habe „zwar viel mit dem Verkehrsschutz, aber nichts mit dem Rechtsscheinschutz zu tun, denn die sog. Duldungsvollmacht ist nichts als ein typisierter Unterfall der durch Unterlassen erteilten konkludenten Bevollmächtigung.“263 Flume zieht eine Parallele zwischen Duldungsvollmacht und § 171 BGB. 264 Wer einen anderen bewusst als seinen Vertreter gewähren lasse, bringe damit zum Ausdruck, dass er diese Person als Vertreter anerkenne, die Person also bevollmächtigt sei. Damit liege auch bei der sogenannten Duldungsvollmacht eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung vor. 265 Dass der Vertretene bei Erteilung der (Außen-)Vollmacht kein Erklärungsbewusstsein habe, dessen Vorliegen Flume ansonsten für den Tatbestand einer Willenserklärung erfordert, erwähnt er – wie auch bei seinen Erörterungen zu §§ 171 f. BGB – nicht. 266 Konsequenter ist die Ansicht von Leenen. Für den Tatbestand einer Willenserklärung ist seines Erachtens kein Erklärungsbewusstsein erforderlich. 267 Ihm bereitet es darum deutlich weniger Schwierigkeiten, eine rechtsgeschäftliche Erteilung von Vertretungsmacht anzunehmen, wenn eine Person weiß, dass eine andere Person in ihrem Namen Rechtsgeschäfte abschließt.268 Weil es nur auf das objektive Erscheinungsbild ankomme, sei auch die Anscheinsvollmacht „einer rechtsgeschäftlichen Deutung zugänglich.“269 260 

RGZ 1, 8, 9. Vgl. auch RGZ 118, 234, 239 f. Vgl. hierzu Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, 1933, S. 23 ff. 262  BGH NJW 1956, 460; BGH WM 1957, 926; BGH NJW 1966, 1915; BGH WM 1972, 615. Eine Unterscheidung zwischen Duldungs- und Anscheinsvollmacht findet sich etwa in BGH NJW 1991, 1225; BGH WM 1996, 2230. 263  K. Schmidt, FS Gernhuber, 1993, S. 435, 446 [Kursivierung im Original]. Vgl. auch Schreiber, Jura 1997, 104, 105. 264  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 3, S. 828. Auch vergleicht er die Duldungsvollmacht mit der Vollmacht des Ladenangestellten gem. § 56 HGB (S. 829). Einen Vergleich mit der kundgegebenen Innenvollmacht ziehen auch Bader, Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978, S. 167 ff.; Lüderitz, JuS 1976, 765, 770 („nur ein gradueller Unterschied“); Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 930. 265  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 3, S. 828. 266  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 3, S. 828 ff. Schreiber, Jura 1997, 104, 105 hält das Erklärungsbewusstsein in diesem Zusammenhang für irrelevant, weil die herrschende Meinung nur darauf abstelle, dass der Vertretene, wenn er sich sorgfältig verhalten hätte, hätte erkennen können, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden würde. 267  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 33 f. 268  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 7, § 9 Rn. 92. Vgl. auch Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 153 f.; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 172 Rn. 8. 269  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 7; § 9 Rn. 96. 261 

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

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Ganz ähnlich sieht es Pawlowski. Seines Erachtens besteht kein Anlass, rechtsgeschäftliche und Duldungs- bzw. Anscheinsvollmacht zu trennen. Maßgeblich sei nur, „wann und unter welchen Umständen die Erklärungen des Vertreters dem Vertretenen (Geschäftsherrn) zuzurechnen sind, weil der Verhandlungspartner des Vertreters dem (Erklärungs-)Verhalten des Geschäftsherrn entnehmen konnte und durfte, daß dieser den Vertreter zu seinen Erklärungen bevollmächtigen wollte.“270

Beide wenden sich damit gegen Flume und andere. Nach Flume widerspricht die Anscheinsvollmacht Grundsätzen des Privatrechts. 271 Grund für die Wirksamkeit der Vertretung sei bei der Anscheinsvollmacht die „Nichterfüllung pflichtgemäßer Sorgfalt“. Anders als nach Handelsrecht vermöge eine solche Pflichtverletzung nach Bürgerlichem Recht aber nur eine Haftung auf das negative Interesse zu begründen. 272 Auch Medicus/Petersen gewähren dem Geschäftspartner in Sachverhalten, welche üblicherweise mittels Anscheinsvollmacht gelöst werden, statt eines Erfüllungsanspruchs lediglich einen Anspruch aus c.i.c. auf Ersatz des negativen Interesses. 273 Anders als die Duldung lasse sich die Fahrlässigkeit bei der Anscheinsvollmacht nicht gleichsetzen mit der willent­ lichen Kundgabe im Sinne der §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB. 274 Lieb stimmt dem zu und ergänzt, eine Erfüllungshaftung würde zu einem Wertungswiderspruch mit § 179 Abs. 2 BGB führen, wonach der Vertreter nur auf das negative Interesse hafte, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht nicht kannte. 275 Auch sei es wertungsmäßig nicht angebracht, die gleiche (strenge) Rechtsfolge für die Duldungs- und die Anscheinsvollmacht vorzusehen, obwohl diese Institute auf unterschiedlich gewichtigen Zurechnungskriterien beruhten. 276 270 

Pawlowski, JZ 1996, 125, 127. Vgl. auch ders., AT, 7. Aufl. 2003, Rn. 727, 728. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 4, S. 834. 272  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 49 4, S. 834. Im Ergebnis ebenso, wenngleich mit unterschiedlichen Begründungen: Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 51; Hoffmann, JuS 1970, 451 f.; Litterer, Vertragsfolgen ohne Vertrag, 1979, S. 145 ff.; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 256 ff. Hiergegen Schreiber, Jura 1997, 104, 106: §§ 170 ff. BGB zeigten, „daß durch Nachlässigkeit nicht beseitigter Rechtsschein durchaus zu Erfüllungsansprüchen führen kann.“ Lüderitz, JuS 1976, 765, 770, will danach differenzieren, ob der Dritte sein Vertrauen auf die Vollmacht „betätigt“, also Dispositionen getroffen habe. Bader, Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978, S. 195 ff. lehnt eine Anscheinsvollmacht sowohl im allgemeinen Zivilrecht als auch im Handelsrecht ab. 273  Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 971. Ähnlich Altmeppen, Disponibilität des Rechtsscheins, 1993, S. 131; Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, S. 299 f.; Picker, NJW 1973, 1800. 274  Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 970. Vgl. auch Bader, Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978, S. 184; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 49 f.; Hoffmann, JuS 1970, 451 f.; Litterer, Vertragsfolgen ohne Vertrag, 1979, S. 144. 275  Lieb, FS Heinz Hübner, 1984, S. 575, 583. 276  Lieb, FS Heinz Hübner, 1984, S. 575, 583 f. Vgl. auch Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 50. 271 

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

Gegen die rechtsgeschäftliche Begründung der Duldungs- wie der Anscheinsvollmacht lässt sich, wie bei §§ 170–172 BGB, einwenden, dass die bewusste Duldung bzw. das Nichtverhindern des Auftritts des vermeintlichen Vertreters aus Perspektive des Geschäftsherrn allenfalls als Bestätigung einer bereits bestehenden Innen-, nicht aber als Erteilung einer Außenvollmacht erscheint. 277 Auch hier formuliert Wellspacher, dass „überhaupt nicht ein Schluß aus einem bestimmten äußeren Verhalten auf einen rechtsgeschäftlichen Willen gezogen wird, sondern daß der Dritte lediglich auf eine irgend einmal stattgefundene Vollmachtserteilung, also auf ein bestehendes Vollmachtsverhältnis schließt.“278

b) Rechtsscheintheorie Die Grundlage für die Ansicht, nach der Duldungs- und Anscheinsvollmacht auf Rechtsschein basieren, hat das Reichsgericht in seinen späteren Entscheidungen gelegt.279 Auch nach dem BGH beruhen Anscheins- und Duldungsvollmacht auf Rechtsschein. 280 Dem folgt eine starke Meinung in der Literatur. 281 Umstritten ist unter den Vertretern dieser Theorie, worauf die Zurechnung des Rechtsscheins gründet. Manche sind der Ansicht, Basis der Zurechnung sei ein Verschulden des Vertretenen; bei der Duldungsvollmacht habe er vorsätzlich, bei der Anscheinsvollmacht fahrlässig gehandelt. 282 Andere wiederum betonen, Verschulden eigne sich als Zurechnungsgrund bereits deswegen nicht, 277  So auch Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 40 f., der insgesamt beklagt, dass die Theorie nicht ausreichend zwischen Innen- und Außenvollmacht differenziere. Vgl. überdies Bader, Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978, S. 167 f.; D. V. Simon, FS Leser, 1998, S. 133, 134; Schmidt-Rimpler, Anm. zu RG JW 1927, 1249 Fn. 5. 278  Wellspacher, Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Rechte, 1906, S. 97 [Hervorhebung im Original]. 279  RGZ 65, 292, 295; RG LZ 1908, 864 Nr. 4; RG LZ 1911, 464 Nr. 2; RGZ 100, 48, 49. Vgl. hierzu Fikentscher, AcP 154 (1955), 1, 4. 280  Vgl. nur BGHZ 5, 111 (Ls.); BGH NJW 1956, 460; BGH NJW-RR 1987, 308; BGH NJW 2005, 2985, 2987. Vgl. hierzu Fikentscher, AcP 154 (1955), 1, 7 f. 281  Vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1550 ff., 1560 ff. (nach dem das Verhalten des „informierten Vertretenen“ allerdings häufig als stillschweigende Bevollmächtigung ausgelegt werden kann, Rn. 1556); Brox/Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 25 Rn. 26 ff.; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 42, 48; Hoffmann, JuS 1970, 451; Soergel/ Leptien, 13. Aufl. 1999, § 167 Rn. 19 ff.; Schimikowski, JA 1986, 345, 349; D. V. Simon, FS Leser, 1998, S. 133; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 87, 96. 282  Vgl. zur Duldungsvollmacht nur Hübner, AT, 2. Aufl. 1996, Rn. 1286; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 167 Rn. 22; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 167 Rn. 19; Staudinger/ Schilken, 2014, § 167 Rn. 40; zur Anscheinsvollmacht BGH NJW 1998, 1854, 1855; Hübner, AT, 2. Aufl. 1996, Rn. 1286; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 167 Rn. 22; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 167 Rn. 19; Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 40. Nach Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 172 Rn. 11; Gotthardt, Der Vertrauensschutz bei der Anscheinsvollmacht im deutschen und französischen Recht, 1970, S. 131 f. soll lediglich die Anscheinsvollmacht auf Verschulden gründen.

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

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weil es eine Pflichtverletzung voraussetze; die Beseitigung eines Rechtsscheins stelle aber keine Pflicht des Vertretenen dar, sondern allenfalls eine Obliegenheit. 283 Bei der Duldungsvollmacht handele es sich stattdessen „um einen Fall der Bindung an einen wissentlich geschaffenen Scheintatbestand“. 284 Indem der Geschäftsherr das Verhalten des vermeintlichen Vertreters geduldet habe, habe er bei dem Geschäftspartner bewusst den Eindruck erweckt, dass er den Vertreter bevollmächtigt habe. 285 Zurechnungsgrund sei mithin willentliches Verhalten eines Geschäftsfähigen.286 Die Anscheinsvollmacht wiederum finde ihre Basis in der „Beherrschbarkeit der eigenen Risikosphäre“287 bzw. in der Pflicht zur Übernahme betrieblicher Organisationsrisiken. 288 Jeder Verkehrsteilnehmer müsse seine eigene Sphäre kontrollieren und organisieren und sicherstellen, dass kein Rechtsschein zu seinen Lasten entstehe. 289 Wie Conrad zu Recht betont, 290 bedient sich die Ansicht, nach der die Bindung auf Verschulden beruht, ähnlicher Argumente wie in der Diskussion um die Erklärungsfahrlässigkeit. 291 Dort wie hier gilt aber: Ob derjenige, der durch die Erklärung gebunden wird – im Grundfall der Erklärende selbst, hier der Vertretene –, schuldhaft gehandelt hat, ist für den Geschäftspartner nicht erkennbar. 292 Statt auf das „subjektive Element des Verschuldens“ abzustellen, sollte „ein objektives Element der Zurechnung“ verwendet werden. 293 283 

Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1555, 1564. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 42 [Kursivierung im Original]. 285  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 42; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 86. Vgl. auch Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 930. 286  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1554 f. 287  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1564. Vgl. auch v. Craushaar, AcP 174 (1974), 2, 19 ff.; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 116 ff. 288 So Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 194 f., 479 ff., der die Anerkennung der „Anscheinsvollmacht“ im allgemeinen Bürgerlichen Recht – anders als im Handelsrecht – aber ablehnt (S. 50), weil der Vertretene ohne Mitteilungsbewusstsein gehandelt (S. 50) und den Rechtsschein lediglich fahrlässig verursacht habe (S. 48), und weil Fahrlässigkeit grundsätzlich nur zu Schadensersatzpflicht führe und keine Erfüllungshaftung begründe (S. 51). 289  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1564. 290  Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 124. 291  Siehe dazu S. 36 ff. 292  Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 124 sowie, zum fehlenden Erklärungsbewusstsein, S. 95. 293  Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 124. Er will allerdings die Erklärung des Vertreters, bevollmächtigt zu sein, auslegen und dabei auf darauf abstellen, ob Anhaltspunkte aus der Sphäre des Vertretenen diese Aussage stützen (S. 125). Dem ist insofern nicht zuzustimmen, als die Aussage des Vertreters, über Vollmacht zu verfügen, so geäußert nicht weiter auslegungsbedürftig ist, und sich die Auslegung des Verhaltens des Vertreters 284 

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

Hinzu kommt ein weiteres Argument gegen die Rechtsscheintheorie insgesamt: Es ist wenig plausibel, dass ein Verhalten, das allenfalls als deklaratorische Erklärung gewertet werden kann, einen Rechtsschein begründen soll. Lobinger kritisiert die Rechtsscheintheorie denn auch scharf: „Das Vertrauen des Geschäftspartners wird hiernach auch dann schon geschützt, wenn dieser allein aus der Beobachtung eines schlicht hinnehmenden Verhaltens des Vertretenen auf das Bestehen der vom Vertreter behaupteten Vertretungsmacht schließt, ohne dass dieses Verhalten ihm gegenüber aber auch den Wert einer versichernden Kundgabe haben müßte, wie das Gesetz es erfordert.“294

c) Risikoübernahme Nach Ansicht von Lobinger hat der Gesetzgeber die Risiken eindeutig verteilt; diese Wertung dürfe nicht durch einen Rückgriff auf Treu und Glauben umgangen werden. 295 Insbesondere § 179 BGB weise das Risiko fehlender Vertretungsmacht grundsätzlich dem Geschäftspartner zu. 296 Er habe „seinen guten Glauben“ beim Vertreter „zu suchen“, wenn er sich nicht beim Vertretenen erkundigen wolle. 297 Nur unter den Voraussetzungen der §§ 170 ff. BGB werde das Risiko aufgrund der rechtsgeschäftlichen Zusicherung auf den Vertretenen verlagert. 298 Diese Normen erfassten auch einen Teil der Fälle, die die Rechtsprechung über die Duldungs- oder Anscheinsvollmacht löse: Indem der Vertretene dem Vertreter eine bestimmte Stellung einräume, die üblicherweise mit der Erteilung einer Vollmacht verbunden sei, teile er das Bestehen einer Vertretungsmacht nach außen mit. 299 Ließe sich der betreffende Sachverhalt aber nicht unter §§ 170 ff. BGB subsumieren, sei es nicht geboten, Vertretungsmacht, insbesondere aufgrund von Anscheinsvollmacht, anzunehmen; insoweit fehle es am erforderlichen subjektiven Tatbestand: „Dem Vertretenen muß dann zumindest i.S.v. § 116 BGB die ‚versichernde‘ Wirkung seines Verhaltens für den Dritten bewußt sein. Das aber bedeutet, daß der sog. Anscheinsvollmacht […] eine legitimierende Wirkung prinzipiell nicht zuzuerkennen ist.“300 Es handele sich um „echte Fälle des fehlenden Erklärungsbewußtseins“, weshalb höchstens Schadensersatz entsprechend der Grundsätze der c.i.c. infrage käme.301 nur auf dessen Willenserklärung, nicht aber auf die Bevollmächtigung durch den Vertretenen beziehen würde. 294  Vgl. auch Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 269. 295  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 263 ff. 296  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 264. 297  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 264. 298  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 264. 299  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 265. 300  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 271. 301  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 271.

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

239

Dieses Argument verfängt nach hier vertretener Ansicht bereits deswegen nicht, weil das Erklärungsbewusstsein keine Tatbestandsvoraussetzung der Willenserklärung ist.302

2. Objektive Theorie der Stellvertretung Die Fälle der Duldungs- und Anscheinsvollmacht zeigen besonders anschaulich, dass die rechtsgeschäftliche Vertretung einer Person durch eine andere keine wirksame Bevollmächtigung voraussetzt. Im Ergebnis hängt sie auch nach herkömmlichen Ansichten vor allem davon ab, dass der Vertreter durch objektive Anhaltspunkte zur Vertretung legitimiert ist. Besonders gut lässt sich dies an der Rechtsprechung nachzeichnen. Zunächst versuchte sie, an dem Konzept der Bevollmächtigung festzuhalten, indem sie annahm, dass der Vertretene – jedenfalls bei der Duldungsvollmacht – konkludent eine Vollmacht erteilt habe, auch wenn gewichtige Argumente gegen diese Annahme sprechen. Vor allem bei der Anscheinsvollmacht lässt sich das Vorliegen einer solchen Vollmacht im Innenverhältnis nicht leicht begründen. So gab die Rechtsprechung diesen Ansatz schließlich auf. Seither leitet sie die Vertretungsmacht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) her.303 Gerade die Anscheinsvollmacht reiht sich damit in die lange Liste von Ausnahmen und Einschränkungen der vermeintlichen Grundregel ein, nach der rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht auf einer Bevollmächtigung beruht. Diese Ausnahmen betreffen keineswegs Konstellationen, die auch in der Rechtspraxis die Ausnahme darstellen. Im Gegenteil: Der „Regelfall“, dass eine reine Innenvollmacht besteht, dürfte praktisch eine Seltenheit sein. Für die objektive Theorie der Stellvertretung lassen sich die unter den Begriffen Duldungs- und Anscheinsvollmacht behandelten Fälle unter die Grundregel subsumieren: Vertretungsmacht besteht, wenn objektive Anhaltspunkte für die Legitimation des als Vertreter Handelnden vorliegen, und wenn der Vertretene dazu einen kausalen Beitrag erbracht hat.304 Ein solcher Beitrag kann auch darin bestehen, dass er den anderen gewähren lässt. Insofern ergeben sich keine 302 

Siehe dazu S. 37 ff., 42 ff. nur BGHZ 5, 111; BGH NJW-RR 1987, 308; BGH NJW 2005, 2985 ff. Kritisch hierzu Bader, Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978, S. 184 f. 304  Vgl. hierzu auch Conrad, Die Vollmacht als Willenserklärung, 2012, S. 126: „Der Erklärungsempfänger vernimmt die Erklärung des ihm gegenüber auftretenden Stellvertreters und schließt aus den erkennbaren Gesamtumständen in einem wertenden Akt, ob sich eine sinnvolle Verbindung zum behaupteten Geschäftsherrn ziehen lässt. Dies wird der Empfänger nur dann bejahen, wenn Anhaltspunkte aus der Sphäre des nunmehr Vertretenen diesen Rückschluss sinnvoll erlauben.“ Seine Ansicht geht allerdings etwas weit; Vertretungsmacht auch da anzunehmen, wo lediglich mittelbar – insbesondere aufgrund des Auftretens des Vertreters und sonstiger, nicht auf dem Verhalten des Vertretenen beruhender Begleitumstände – auf eine Bevollmächtigung geschlossen werden kann, würde den Verantwortungsbereich des Vertretenen unangemessen stark ausweiten. 303  Vgl.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

Besonderheiten im Vergleich zur – stets zu untersuchenden – Frage nach der objektiven Legitimation des Vertreters. Hierfür ist entscheidend, ob das Verhalten des Vertreters unter den objektiv erkennbaren Voraussetzungen üblicherweise vom Willen des Vertretenen gedeckt ist. Dieser Gedanke findet sich bereits in den Entscheidungen des Reichsgerichts. So führt es aus: „In einem Falle wie dem vorliegenden würde es überdies den kaufmännischen Gepflogenheiten nicht entsprochen haben, wenn der anbietende Makler bei dem Geschäftsinhaber persönlich angefragt hätte, ob sein Angestellter auch auftragsgemäß gehandelt habe. Er hätte Besorgnis hegen müssen, daß er mit einer derartigen Anfrage Anstoß erregen würde, und er hätte, wenn – was doch normalerweise anzunehmen war – die Sache in Ordnung gewesen wäre, tatsächlich durch sein ungewöhnliches Mißtrauen Anstoß erregt.“305

Der Geschäftspartner muss hiernach also lediglich so handeln, wie es den Gepflogenheiten entspricht.306 Darüber hinausgehende Anstrengungen sind nicht erforderlich: „Dem einzelnen kann nicht zugemutet werden, über die Ermächtigung des für einen anderen Auftretenden genaue Ermittlungen anzustellen, solange er nach dem äußeren Anschein anzunehmen berechtigt ist, daß der Auftraggeber seinen Vertreter zu decken gewillt ist.“307 Gleiches gilt für den Geschäftsherrn, der keine Vertretungsmacht gewünscht hat. Er wird mit seinem Einwand, er habe keine Vollmacht erteilt, deswegen nicht gehört, weil er sich nicht dem Standard entsprechend verhalten hat. Er wird nicht bestraft, etwa indem dem Geschäftspartner Schadensersatzansprüche gegen ihn gewährt werden, sondern er wird so behandelt als habe er den Gepflogenheiten entsprochen: Dann hätte er bei dem Verhalten, das er an den Tag gelegt hat, die Vertretung gewollt.308 Ob der Geschäftsherr den anderen bewusst oder unbewusst gewähren lässt, ob er das Handeln also duldet oder das Verhalten des anderen nur hätte kennen können, spielt für die rechtliche Beurteilung keine Rolle. Nicht angezeigt ist daher eine unterschiedliche Behandlung der nach herkömmlicher Ansicht unter den Begriffen Duldungs- und Anscheinsvollmacht subsumierten Sachverhalte, denn: Die objektiven Umstände sind in beiden Fällen gleich.309 Jeweils tritt eine Person als Vertreter auf, obwohl sie dazu nicht ermächtigt wurde. Jeweils hätte der Geschäftsherr dieses Verhalten verhindern können, und jeweils war dem Geschäftspartner die fehlende Bevollmächtigung nicht bekannt und er hätte sie auch nicht kennen müssen. 305 

RGZ 100, 48, 50. das OLG Köln, NJW 1973, 1798 hält die Sicht des „redlichen Rechtsverkehrs“ und die „Verkehrsanschauung“ für maßgeblich. Kritisch Picker, NJW 1973, 1800, 1801. 307  RGZ 100, 48, 49. 308  Dieser Gedanke klingt auch an bei Fikentscher, AcP 154 (1955), 1, 8. 309  Dies betonen unter anderem auch Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 9 Rn. 96; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 167 Rn. 17; Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 32. 306  Auch

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

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VI. Anfechtung Ist die Stellvertretung wirksam, wird der Vertretene an die Erklärung des Vertreters gebunden. Diese Bindung kann den Präferenzen des Vertretenen aus unterschiedlichen Gründen widersprechen. Fraglich ist dann, ob, unter welchen Voraussetzungen und gegenüber wem der Vertretene diese Bindung durch Anfechtung beseitigen kann. Ist der Vertreter bei der Abgabe seiner Willenserklärung einem Willensmangel unterlegen, ist § 166 Abs. 1 BGB anwendbar. Danach kommt es bei Willensmängeln auf die Person des Vertreters an. Der Vertretene kann also die für ihn geltende Erklärung anfechten und sich dabei auf den Willensmangel des Vertreters berufen. Schwieriger ist die Beurteilung, wenn der Willensmangel beim Vertretenen aufgetreten ist.

1. Herkömmliche Ansicht Die herkömmliche Ansicht, nach der Vertretungsmacht durch Willenserklärung erteilt wird, unterscheidet danach, ob die Vertretungsmacht bereits ausgeübt wurde. Vor Gebrauch der Vollmacht soll der Vertretene die Vollmachtserteilung ohne Einschränkungen anfechten können, zumal er die Vollmacht auch nach § 168 S. 2 BGB durch Widerruf beseitigen könne.310 Wurde die Vollmacht hingegen bereits ausgeübt, würde die rückwirkende Beseitigung dazu führen, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hätte, so dass Verträge, die er im Namen des Vertretenen geschlossen hätte, schwebend unwirksam (§ 177 BGB), einseitige Erklärungen von Anfang an unwirksam (§ 180 BGB) wären.311 Zum Teil wird daher in diesen Fällen für eine Einschränkung der Anfechtbarkeit plädiert. Anderenfalls könne sich der Vertretene einem für ihn ungünstigen Rechtsgeschäft dadurch entziehen, dass er sich auf einen Fehler berufe, der lediglich die Erteilung der Vollmacht betreffe.312 Eujen/Frank fassen zusammen: „Im Ergebnis stünde er damit durch die Einräumung zusätzlicher Anfechtungsmöglichkeiten trotz oder gerade wegen der Einschaltung eines in

310  Vgl. nur Becker/Schäfer, JA 2006, 597, 599; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1472; Brox/ Walker, AT, 42. Aufl. 2018, § 25 Rn. 36; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 52 a, S. 867; Erman/ Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 167 Rn. 45; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 944 f.; BeckOK/Schäfer, Stand 01.05.2019, § 167 Rn. 56; Staudinger/Schilken, 2014, § 167 Rn. 77; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 46; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 28. 311 Vgl. Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 22. 312  Brox, JA 1980, 449, 451; Eujen/Frank, JZ 1973, 232, 235; Prölss, JuS 1985, 577, 582 f.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

seinem Interesse tätigen Vertreters besser, als wenn er das Geschäft selbst abgeschlossen hätte.“313 Dementsprechend sollen nur solche Willensmängel zur Anfechtung berechtigen, die „auf das Vertretergeschäft ‚durchschlagen‘“.314 An der Anfechtbarkeit der ausgeübten Innenvollmacht wird zudem kritisiert, dass dies zu einer Ungleichbehandlung im Vergleich zur Außenvollmacht führe.315 Bei ersterer hafte der Vertreter nach § 179 BGB, bei letzterer hafte der Vertretene nach § 122 BGB.316 Ganz überwiegend wird eine Anfechtung aber auch dann vollumfänglich zugelassen, wenn die Vollmacht bereits ausgeübt wurde.317 Eine Einschränkung der Anfechtbarkeit führe zu einem „nicht zu rechtfertigenden Schutzüberschuss zu Gunsten des Geschäftsgegners“.318 Bevollmächtigung und Vertretergeschäft seien getrennte Rechtsgeschäfte, dementsprechend sei auch die Anfechtung der Vollmacht ohne Rücksicht auf das Vertretergeschäft zu beurteilen.319 Der besonderen Interessenlage bei ausgeübter Innenvollmacht wollen einige Autoren aber dadurch Rechnung tragen, dass die Anfechtung gegenüber dem Geschäftspartner320 bzw. – wegen der erforderlichen Fehleridentität – sowohl gegenüber dem Vertreter als auch gegenüber dem Geschäftspartner zu erklären321 und der Geschäftspartner Berechtigter des Schadensersatzanspruchs nach § 122 BGB sei. Der Schadensersatzanspruch gem. § 122 BGB sei für den Geschäftspartner nicht nur bei angefochtener Außenvollmacht gerechtfertigt, sondern auch dann, wenn eine Innenvollmacht angefochten werde, weil diese 313  Eujen/Frank, JZ 1973, 232, 235 [Kursivierung im Original]. Ähnlich Prölss, JuS 1985, 577, 582 f. 314  Eujen/Frank, JZ 1973, 232, 236. Vgl. auch Brox, JA 1980, 449, 451 f.; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 404; Prölss, JuS 1979, 577, 582 f.; Schack, AT, 16. Aufl. 2019, Rn. 519. Kritisch zum Konzept des „Durchschlagens“ Petersen, AcP 201 (2001), 375, 377, 380 f., der stattdessen „Fehleridentität“ erfordert. 315  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 23 („recht zufällige Besonderheit“); Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 403 f. 316  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 23 f. 317  Becker/Schäfer, JA 2006, 597, 600; Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 97 f. Fn. 72; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1473 ff.; Edenfeld, JuS 2005, 42, 45; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 167 Rn. 3; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 166 Rn. 22; Erman/Maier-Riemer, 15. Aufl. 2017, § 167 Rn. 46; BeckOK/Schäfer, Stand 01.05.2019, § 167 Rn. 57; Staudinger/ Schilken, 2014, § 167 Rn. 77 f.; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 48. Differenzierend Schwarze, JZ 2004, 588, 594; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 25, 28. 318  Schwarze, JZ 2004, 588, 594. 319 BeckOK/Schäfer, Stand 01.05.2019, § 167 Rn. 57; Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 37 f.; Staudinger/ders., 2014, § 167 Rn. 77 f.; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 48. 320  Leipold, AT. 9. Aufl. 2017, § 24 Rn. 39. 321  Petersen, AcP 201 (2001), 375, 385 ff. Vgl. auch Becker/Schäfer, JA 2006, 597, 600; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 52 5 c, S. 870; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 11 Rn. 28; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 24 Rn. 39; Lipp, JuS 2000, 267, 271; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 404 Fn. 30; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 20.

D. Anwendung auf Inkohärenzen und Streitfälle

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letztlich für das Geschäft zwischen Vertretenem und Geschäftspartner bestimmt gewesen sei.322 Andere sind der Ansicht, dass der Geschäftspartner dieses Schutzes nicht bedürfe, weil er einen Anspruch gegen den Vertreter nach § 179 BGB habe.323 Der Vertreter wiederum könne sich beim Vertretenen nach § 122 BGB erholen; ihn treffe also letztlich ohnehin die Verantwortlichkeit.324

2. Objektive Theorie der Stellvertretung Nach der hier vertretenen objektiven Theorie gründet die Vertretungsmacht auf der objektiven Legitimation des Vertreters. Sie ist keine Willenserklärung und kann daher nicht angefochten werden. Auf die Möglichkeit des Vertretenen gem. § 166 Abs. 1 BGB, die Willenserklärung des Vertreters wegen Willensmängeln des Vertreters anzufechten, hat dies keine Auswirkung. Zu einem von der herkömmlichen Ansicht (zunächst) abweichenden Ergebnis gelangt die objektive Theorie allerdings hinsichtlich der Frage, ob der Vertretene die Willenserklärung des Vertreters anfechten darf, wenn er selbst einem Willensmangel unterlegen ist. Vor Ausübung der Vertretungsmacht ist dabei einzig relevant, ob der Vertreter objektiv legitimiert ist. Der Vertretene ist grundsätzlich frei darin, die Anhaltspunkte für eine objektive Legitimation zu beseitigen. Dafür muss er in aller Regel nach außen tätig werden. Äußert er lediglich gegenüber dem Vertreter, dass er von diesem nicht vertreten zu werden wünscht, entzieht er diesem zwar intern die Ermächtigung. Auf die objektive Legitimation ist dies aber (zunächst) ohne Einfluss. Erforderlich sind beispielsweise Kundgebungsmaßnahmen oder der Entzug etwaiger Legitimationszeichen. Dieser grundsätzliche Unterschied zwischen der herkömmlichen und der hier vertretenen Ansicht wirkt sich aber regelmäßig praktisch nicht aus. Auch nach herkömmlicher Ansicht bleibt die Vertretungsmacht (trotz Anfechtung) bestehen, wenn ein Legitimationsträger – etwa eine Vollmachtsurkunde oder eine Kundgabe – existiert, der nicht beseitigt wurde.325 Zudem kann der Vertre322  Vgl. etwa Becker/Schäfer, JA 2006, 597, 600; Beuthien, FG 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 81, 97 f. Fn. 72; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 52 5 c, S. 871; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 24 Rn. 39; BeckOK/Schäfer, Stand 01.05.2019, § 167 Rn. 57; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 50 Rn. 26. 323  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1479; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 545 f.; Faust, AT, 6. Aufl. 2018, § 28 Rn. 11 f.; Lüderitz, JuS 1976, 765, 770; Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht, 1983, S. 37 f.; Staudinger/ders., 2014, § 167 Rn. 79; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 53 f.; Schwarze, JZ 2004, 588, 594. 324  Schwarze, JZ 2004, 588, 594. Vgl. auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1479; Lüderitz, JuS 1976, 765, 770; Mock, JuS 2008, 391, 393; BeckOK/Schäfer, Stand 01.05.2019, § 167 Rn. 58; MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 53. 325 Vgl. Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 1479 Fn. 80; Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 167 Rn. 3; Faust, AT, 6. Aufl. 2018, § 28 Rn. 9; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 11 Rn. 45; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 24 Rn. 40; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 166 Rn. 22.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

ter aufgrund von Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zur Vertretung berechtigt sein.326 Ist der Vertreter bereits gegenüber dem Geschäftspartner tätig geworden, muss untersucht werden, ob sich der Fehler des Vertretenen auf das Rechtsgeschäft bezieht, welches der Vertreter für ihn getätigt hat, oder ob er einem Willensmangel im Hinblick auf die Erteilung der Vertretungsmacht unterliegt. Nur im ersten Fall kann der Vertretene den auf Grundlage objektiver Legitimation geschlossenen Vertrag anfechten, etwa wenn er sich versprochen und dem Vertreter eine falsche Präferenz mitgeteilt hat, oder wenn er einem Irrtum über eine (verkehrswesentliche) Eigenschaft des Vertragsgegenstands unterlegen ist. Der Vertretene muss dann nachweisen, dass ihm bei der Ermächtigung ein Fehler unterlaufen ist, der sich im Vertreterhandeln fortgesetzt hat und dazu führt, dass der Vertrag im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht seinen Präferenzen entsprach. Diese Herangehensweise ist mit der gesetzlichen Regelung vereinbar. Zwar bestimmt § 166 Abs. 1 BGB, dass es bei Willensmängeln auf die Person des Vertreters ankommt. Hintergrund der Regelung ist allerdings, dass nach der Repräsentationstheorie die Willensbildung grundsätzlich nur beim Vertreter stattfindet; Schubert nennt die Norm daher eine „logische Folge der Repräsentationstheorie“.327 In den Motiven wird insofern ausgeführt: „Etwaige Willensmängel können nur da gesucht werden, wo die Willensentscheidung stattgefunden hat, mithin in der Person des Vertreters.“328 Nach Medicus/Petersen leuchtet diese Erwägung auch ohne Bezugnahme auf die Repräsentationstheorie ein: „Wenn der Vertretene hinsichtlich des Vertretergeschäfts keinen rechtserheblichen eigenen Willen bilden konnte […] oder gebildet hat […], kann überhaupt nur auf den Vertreter abgestellt werden.“329 Soweit der Vertretene aber selbst einen Willen im Hinblick auf das vom Vertreter abgeschlossene Geschäft gebildet hat, greift dieser Schluss nicht.330 § 166 Abs. 2 BGB legt dementsprechend fest, dass es für die Kenntnis bestimmter Umstände auf die Person des Vertretenen ankommt, wenn der Vertreter nach dessen Weisungen gehandelt hat. Larenz/Wolf stellen insofern treffend fest: „In Wirklichkeit folgt § 166 in Abs. 1 wie in Abs. 2 nur dem einheitlichen Grundsatz, daß der Wissens- und Kenntnisstand desjenigen ausschlaggebend sein soll, bei dem die Willensbildung stattfindet und der die maßgeblichen Entscheidungen trifft.“331 326 Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 167 Rn. 3; Faust, AT, 6. Aufl. 2018, § 28 Rn. 9; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 24 Rn. 40; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 166 Rn. 22. 327 MüKo-BGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 166 Rn. 1. 328  Mot. I, S. 227 (= Mugdan I, S. 478). 329  Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 899. 330  So auch Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 899: „Freilich trägt diese Erwägung nicht, wenn der Entschluss zu dem Geschäft von dem Vertretenen stammt und dieser den Vertreter erst zum Geschäftsabschluss bestimmt hat.“ 331  Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 46 Rn. 109.

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§ 166 Abs. 2 BGB ist daher analog anwendbar auf Irrtümer des Vertretenen, die sich im Vertretergeschäft manifestieren.332 Im Übrigen steht auch die herkömmliche Ansicht nur auf den ersten Blick stärker im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes. Die Möglichkeit zur Anfechtung der Bevollmächtigung im Innenverhältnis führt ebenfalls zu einer Kumulation der Fehlerquellen, mit denen der Geschäftspartner konfrontiert wird. Zwar ficht der Vertretene nach herkömmlicher Ansicht nicht das Vertretergeschäft an, sondern die Vollmacht; hat der Vertreter aber bereits einen Vertrag für den Vertretenen abgeschlossen, verliert der Geschäftspartner durch diese Anfechtung aber dennoch seinen Vertragspartner. Statt vom Vertretenen gem. § 122 BGB, wie nach hier vertretener Ansicht, erhält er dann vom Vertreter gem. § 179 Abs. 2 BGB meist ebenfalls nur das negative Interesse, denn dieser ist in der Regel gutgläubig. Dass der Vertreter statt des Vertretenen haften soll, leuchtet auch wertungsmäßig nicht ein, wenn die Anfechtung des Vertretenen auf einem Willensmangel in Bezug auf den Vertragsgegenstand beruht. Zwar kann sich der Vertreter nach § 122 BGB beim Vertretenen erholen. Er ist dann aber zumindest mit dem Risiko belastet, dass der Vertretene insolvent wird. Dieses Problem vermeiden jene, die den Vertretenen bei ausgeübter Vollmacht dazu verpflichten, die Anfechtungserklärung gegenüber dem Geschäftspartner zu erklären, und die letzteren als Anspruchsberechtigten im Sinne des § 122 BGB verstehen. Ihre Konstruktion unterscheidet sich in dogmatischer Hinsicht, nicht aber hinsichtlich des wirtschaftlichen Ergebnisses von der hier vertretenen. Eine analoge Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB kommt aber dann nicht in Betracht, wenn der Vertretene einem Willensmangel unterliegt, der sich auf die Vertretung bezieht, wenn der Vertretene den Vertreter also etwa gar nicht ermächtigen wollte oder von diesem getäuscht wurde. Dann kann der Vertretene lediglich die dem Vertreter gegenüber erteilte Ermächtigung anfechten.333 Auf die Wirksamkeit des Vertretergeschäfts hat dies zwar keine Auswirkungen, die Anfechtung ermöglicht dem Vertretenen aber, sich gegebenenfalls beim Vertreter gem. § 280 BGB in Verbindung mit dem Auftragsvertrag oder nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu erholen. Damit muss die Anfechtung stets in dem Rechtsverhältnis erfolgen, das der Willensmangel im Kern betrifft. Die objektive Theorie trägt dadurch auch dem 332  Dafür Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 166 Rn. 12; Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 46 Rn. 112; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 899. Für eine analoge Anwendung bei einem Willensmangel, der auf einer arglistigen Täuschung des Vertretenen durch den Geschäftspartner beruht, BGHZ 51, 141, 147 f.; Soergel/Leptien, 13. Aufl. 1999, § 166 Rn. 33; Erman/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017, § 166 Rn. 40. Ob eine Erweiterung auf andere Willensmängel zulässig ist, wird offen gelassen in BGH NJW 2000, 2268, 2269. 333  Mit ähnlichen Erwägungen wie hier kommt Brox, JA 1980, 449, 452 f. zu einer Anfechtbarkeit des Vertretergeschäfts. Anderer Ansicht Petersen, AcP 201 (2001), 375, 381, 384.

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§ 5  Gewillkürte Stellvertretung

Ansinnen derjenigen Rechnung, die die Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht einschränken wollen, um eine Besserstellung des Vertretenen gegenüber dem selbst Handelnden zu vermeiden: Der Vertretene kann das Vertretergeschäft nur mit solchen Einwänden beseitigen, die ihm auch zustünden, wenn er selbst tätig geworden wäre.334

334 

So im Ergebnis auch Petersen, AcP 201 (2001), 375, 382.

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Teil 2:

Mechanismen der Korrektur

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§ 6  Ökonomischer Hintergrund A. Bedürfnis für Korrektur Eine objektive und an den Bedingungen eines funktionierenden Rechtsverkehrs ausgerichtete Auslegung von (Willens-)Erklärungen kann dazu führen, dass eine Person an einen Erklärungswert gebunden wird, den sie (so) nicht beabsichtigt hat.1 Das BGB trägt dieser Tatsache Rechnung, indem es dem Erklärenden unter bestimmten Voraussetzungen eine Korrekturmöglichkeit für sein fehlerhaftes Verhalten zur Verfügung stellt oder unmittelbar korrigierend eingreift und die betreffende Erklärung für unwirksam erklärt. Das Recht nimmt den Erklärenden dann „vor sich selbst in Schutz“. 2 Daneben sind Fälle denkbar, in denen der Erklärende durch arglistiges, treuwidriges oder gar erpresserisches Verhalten des Erklärungsgegners oder eines Dritten zur Abgabe seiner Erklärung bestimmt wurde. Das Recht gewährt dann ebenfalls Lösungsmöglichkeiten und überdies auch Schadensersatzansprüche. Diese Fälle sind gleichwohl nicht Gegenstand der folgenden Untersuchung, denn bei ihnen besteht keine Diskrepanz zwischen dem objektiven Verkehrsverständnis und dem (subjektiven) Verständnis eines Verkehrsteilnehmers. Den Normen, die auf sie zur Anwendung kommen, liegen denn auch andere Wertungen zugrunde als jene, welche Irrtümer oder Willensvorbehalte zum Gegenstand haben. Im Folgenden werden daher weder § 123 BGB noch die Lösungsmöglichkeit über §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB untersucht. Nicht Gegenstand der folgenden Betrachtung ist zudem das Widerrufsrecht.3 Der Widerruf ist kein Korrekturmechanismus im Sinne dieser Arbeit. Sein Zweck besteht nicht darin, eine Willenserklärung, die bereits Wirkungen entfaltet, wegen eines Fehlers zum Zeitpunkt der Abgabe zu korrigieren. Ein Widerruf beendet einen andauernden Rechtszustand, wie bei der Vollmacht oder der Einwilligung, oder er verhindert die Vollendung eines noch nicht abgeschlossenen Rechtsakts – etwa der Widerruf einer Willenserklärung vor Zugang. Auch die – zumeist verbraucherschützenden – Widerrufsrechte, die es gestatten, eine 1  Vgl. hierzu Grigoleit in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 163, 166. 2  Wiedemann/Wank, JZ 2013, 340, 341 zur Irrtumsanfechtung. Zu Korrekturmechanismen im US-amerikanischen Recht vgl. nur Kull, 70 Wash. U. L. Q. 57, 58 (1992). 3  Vgl. hierzu eingehend Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003.

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§ 6  Ökonomischer Hintergrund

Willenserklärung innerhalb einer bestimmten Frist ohne Angabe von Gründen zu beseitigen, dienen nicht der Korrektur eines Fehlers zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung. Sie gewähren dem Widerrufsberechtigten vielmehr eine Phase zum Überdenken seiner Entscheidung, innerhalb derer er seine Willenserklärung folgenlos rückgängig machen kann. Schließlich sind auch Normen, die den Inhalt eines Vertrags heteronom korrigieren bzw. anpassen, nicht Teil der untersuchten Korrekturmechanismen.4 Hierzu zählen etwa die ergänzende Vertragsauslegung und die Umdeutung sowie die Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit oder Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot.

I. Imperfektes Verhalten der Marktteilnehmer Die Teilnehmer des Rechtsverkehrs sind Menschen. Als solche sind Verkehrsteilnehmer naturgemäß nicht perfekt. Sie unterliegen Irrtümern und bedenken nicht immer (vollständig) die Konsequenzen ihres Handelns.5 Auch der sorgfältigste Mensch macht bisweilen Fehler.6 Dass Marktteilnehmer in der Praxis nicht perfekt handeln, erkennen sogar neoklassische Theorien in der Ökonomik an.7 Der Kapitalmarkteffizienzhypothese etwa liegt die Annahme zugrunde, dass „die Einschätzung des Marktes im Aggregat“8 korrekt ist und zu Markteffizienz führt, also zu einem Markt, der die tatsächlichen Werte der gehandelten Güter repräsentiert; dies bedeutet aber nicht, dass jeder Anleger vollständig informiert ist.9 Erkenntnisse der Verhaltensökonomik (behavioral economics) belegen zudem, dass Marktteilnehmer nicht nur sporadisch Fehler machen, sondern sich systematisch irrational verhalten.10 Dies kann zu einer Ineffizienz des Marktes führen.11 Weil Existenz und Inhalt von Willenserklärungen anhand objektiver Kriterien bestimmt werden, kann es vorkommen, dass Personen an einen Erklärungswert gebunden werden, den sie (so) nicht beabsichtigt haben. Diese Folgen  4 

Siehe auch S. 5. Zum fehlerhaften Verhalten von Marktteilnehmern siehe S. 19 ff.  6  Vgl. nur Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 380.  7  Vgl. nur Fama, 25. J. Fin. 383, 387 (1970); Friedman, Essays in Positive Economics, 1953, S. 175; R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 18 f.  8  Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 353.  9 Die Efficient Capital Market Hypothesis wurde definiert vor allem von Fama, 25. J. Fin. 383 ff. (1970). Für einen Überblick vgl. nur Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 81 ff. 10  Siehe hierzu oben § 1 f. 11  Vgl. nur Eidenmüller, JZ 2005, 216, 220 sowie, mit Fokus auf das Kapitalmarktrecht, Fleischer, FS Immenga, 2004, S. 575, 577 f.; D. Hirshleifer, 56 J. Fin. 1533, 1539 ff. (2001); Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 90 ff.; ders., ZHR 177 (2013), 349, 359 f.  5 

A. Bedürfnis für Korrektur

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können im Einzelfall gravierend sein und den Erklärenden erheblich belasten.12 Mankowski spricht vom möglichen „Ruin durch eine versehentliche Zeichensetzung.“13 So widerspräche es Gerechtigkeitserwägungen, wenn der Erklärende seinen Fehler nicht korrigieren dürfe. Newman etwa schreibt, die Möglichkeit, von fehlerbehafteten Verträgen Abstand zu nehmen, beruhe „on a sense of fair play which looks with disfavor on permitting anyone to reap an advantage from an­ other party’s mistakes.“14 Auch aus ökonomischen Gründen kann es gerechtfertigt sein, Verkehrsteilnehmern unter bestimmten Voraussetzungen Mechanismen zur „Kompensation für die Zurechnung von Willenserklärungen“ zur Verfügung zu stellen.15 Gäbe es diese Mechanismen nicht, würde das Recht Verkehrsteilnehmer zu übervorsichtigem Handeln anhalten; insbesondere risikoaverse Verkehrsteilnehmer würden ein „überoptimales“ Maß an Sorgfalt aufwenden.16 Wohlfahrtsverluste wären die Folge.17 Zugleich würde es den Verkehrsteilnehmern auch bei größten Anstrengungen nicht gelingen, Fehlerpotential komplett auszu­ schließen. Unter Umständen könnten Personen von Transaktionen, deren Abschluss für sie nicht unbedingt notwendig ist, sogar gänzlich absehen.18 Je nach Rechtsgeschäft könnte sich der Erklärende mit der Abgabe seiner Willenserklärung dem Risiko aussetzen, dass er an eine irrtumsbehaftete Erklärung gebunden ist, deren Nutzen das Risiko unter Umständen nicht vollständig kompensiert. Ein irrtumsbehafteter Vertrag kann überdies Fehlallokationen produzieren.19 Der Fehler kann dazu führen, dass nicht die Person das Gut erhält, die es am meisten wertschätzt. Zudem können Fehler, die nicht korrigiert werden dürfen, Zufallsgewinne bzw. -verluste produzieren, die nicht wohlfahrtssteigernd sind. 20 Ließe das Recht gleichwohl keine Korrektur zu, würden die Par12 § 153 (a) des Restatement (Second) of Contracts, 1981 erlaubt, von irrtumsbehafteten Verträgen Abstand zu nehmen, wenn (u.a.) „enforcement of the contract would be uncon­ scionable“. Kritisch dazu Kull, 70 Wash. U. L. Q. 57, 74 f. (1992). Zu den Restatements vgl. nur Metzger, Extra legem, intra ius, 2009, S. 140 ff. 13  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 380. 14  Newman, 54 Cornell L. Rev. 232, 237 (1969). 15  Neuner, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 901, 911. Zur rechtsökonomischen Sicht auf Korrekturmechanismen vgl. Kull, 70 Wash. U. L. Q. 57, 77 (1992). 16  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 380. Vgl. auch Kull, 70 Wash. U. L. Q. 57, 78 (1992). Für den Fall des Kalkulationsirrtums ähnlich auch Adams, AcP 186 (1986), 453, 486; Fleischer, RabelsZ 65 (2001), 264, 280; Rasmussen/Ayres, 22 J. Legal Stud. 309, 334 (1993). 17 Vgl. Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 380 ff. 18 Ähnlich Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 380 f. 19  Vgl. nur Birmingham, 24 Rutgers L. Rev. 273, 285 (1970); R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 105; Zhou, 59 N.I.L.Q. 327, 330 (2008). 20 Vgl. Eisenberg, 91 Cal. L. Rev. 1573, 1580 (2003); Fleischer, RabelsZ 65 (2001), 264, 280 (zum Kalkulationsirrtum).

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§ 6  Ökonomischer Hintergrund

teien versuchen, von solchen Zufallsgewinnen zu profitieren bzw. nicht Opfer eines Zufallsverlustes zu werden. Sie würden sich bemühen, jeweils möglichst alle relevanten Informationen zu sammeln, unabhängig davon, wer diese Informationen mit dem geringsten Aufwand beschaffen kann. 21 Wer cheapest information gatherer ist, 22 würde also ausgeblendet. Dies würde zu unnötig hohen Suchkosten führen. 23 Die Parteien würden überdies dazu motiviert, auch solche Informationen zusammenzutragen, die lediglich für die jeweilige Vertragssituation nützlich sind und keinen darüber hinausgehenden gesamtgesellschaftlichen Nutzen bringen. 24

II. Diskrepanz zwischen Erklärungswert und Präferenz Einer Korrektur bedarf es, wenn die objektive Rechtsgeschäftslehre zu einer Bindung an einen Erklärungswert führt, welcher der Präferenz des Erklärenden widerspricht. Dies ist nur ausnahmsweise der Fall. Grundsätzlich trägt eine Auslegung, die im Grundsatz objektiven Kriterien folgt, einer subjektiven Willensübereinstimmung aber Vorrang einräumt, dem Willen der Parteien Rechnung. Willenserklärungen, die nach herkömmlicher Ansicht mit einem Irrtum oder Vorbehalt behaftet sind, werden nach der objektiven Rechtsgeschäftslehre regelmäßig so ausgelegt, dass sich objektiver Erklärungswert und subjektive Präferenz des Erklärenden decken.

1. Keine objektive Erkennbarkeit der Präferenz So wird der Erklärende beispielsweise nicht an ein versehentlich verwendetes, sondern an das beabsichtigte Erklärungszeichen gebunden, wenn der Empfänger den Fehler des Erklärenden erkennen und zudem verstehen konnte, welches

21 Vgl.

Smith/Smith, 19 J. Legal Stud. 467, 486 (1990). Vgl. zum Begriff des cheaper (oder better) information gatherer nur Kronman, 7 J. Legal Stud. 1, 4 (1978). KK-WpHG/Klöhn, 2. Aufl. 2014, Vor § 15 WpHG Rn. 63 hingegen spricht vom least cost information seeker und least cost information provider. 23  Siehe dazu S. 17 ff. Für Beispiele aus dem Kapitalmarktrecht vgl. nur Ayres, 77 Va. L. Rev. 945, 986 (1991); Coffee, 70 Va. L. Rev. 717, 722 (1984); Diamond, 40 J. Fin. 1071, 1083 ff. (1985); Georgakopoulos, 16 Int’l Rev. L & Econ. 417, 424 (1996); Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L.J. 711, 737 f. (2006); Klöhn, WM 2010, 1869, 1878; KK‑WpHG/Klöhn, 2. Aufl. 2014, Vor § 15 WpHG Rn. 63. Grundlegend Stigler, 69 J. Pol. Econ. 213 (1961). 24 Vgl. Kull, 70 Wash. U. L. Q. 57, 78 (1992): „the parties will seek to acquire information that affords only a relative bargaining advantage: that is, information having only redistributive effects as between the parties, and consequently no social value whatever.“ Zur Differenzierung zwischen productive information und redistributive information vgl. Cooter/ Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2012, S. 349 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 538 (die von „produktiven“ und „unproduktiven“ Informationen sprechen). 22 

A. Bedürfnis für Korrektur

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Zeichens sich der Erklärende bedienen wollte. 25 Ob der Empfänger den Fehler tatsächlich erkannt hat, ist unerheblich. Der Maßstab ist ein rein objektiver. 26 Haben Parteien also etwa über die Bestellung von 100 Kisten Wasser verhandelt und schreibt eine Seite (A) im Anschluss, sie habe sich entschieden, die 1000 Kisten Wasser nun tatsächlich zu kaufen, gilt: Hätte sich einem durchschnittlichen Teilnehmer des betreffenden Verkehrskreises aus den Verhandlungen erschlossen, dass A ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags über 100 Kisten Wasser unterbreiten wollte, kommt ein Vertrag über 100 Kisten Wasser zustande, wenn die andere Seite (B) das Angebot annimmt. Dachte nun B irrtümlich, er habe ein Angebot zum Kauf von 1000 Kisten Wasser angenommen, ist gegebenenfalls er zur Korrektur seiner Erklärung berechtigt. War lediglich erkennbar, dass das Angebot von A einen Fehler enthält, nicht aber, welchen Inhalt die Willenserklärung hätte haben sollen, ist das Angebot wegen Perplexität unwirksam. Ein Vertrag leidet dann an einem Einigungsmangel i.S.d. § 154 Abs. 1 BGB. 27 Erklärungswert des (wirksamen) Angebots und Präferenz von A decken sich mithin nur dann nicht, wenn As Fehler objektiv nicht erkennbar war.

2. Keine subjektive Willensübereinstimmung Auch in anderen Fällen, in denen objektiver Erklärungswert und subjektive Präferenz der Parteien auseinanderfallen, wird den Präferenzen der Parteien bereits bei der Auslegung ihrer Erklärungen Rechnung getragen: Hat der Empfänger die Erklärung so verstanden, wie sie vom Erklärenden gemeint war, und stimmen Wille von Erklärendem und Empfänger überein, besteht also ein meeting of the minds, 28 hat die Erklärung den Inhalt, den der Erklärende ihr beimessen

25  Kötz, Vertragsrecht, 2. Aufl. 2012, Rn. 297 hingegen stellt darauf ab, ob der Empfänger den Fehler tatsächlich erkannt hat. 26  Anders aber RGZ 66, 427, 429, nach dem eine mit einem objektiv nicht erkennbaren, aber erkannten Schreibfehler des Erklärenden behaftete Willenserklärung so auszulegen ist, wie es dem erkannten Willen des Erklärenden entspricht. Wie das RG auch die ganz h.L., vgl. nur Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 396; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 16 1 d), S. 301; MüKo-BGB/Kramer, 5. Aufl. 2006, § 119 Rn. 62. Siehe auch S. 107 ff., 114 ff. 27  Nach Ansicht von Kötz, Vertragsrecht, 2. Aufl. 2012, Rn. 299 hingegen ist in einem solchen Fall ein „versteckter Dissens“ gegeben, so dass die Wirksamkeit des Vertrags von der Frage abhängt, ob anzunehmen ist, dass die Parteien den Vertrag auch ohne diesen Einigungsmangel geschlossen hätten. Dies überzeugt insofern nicht, als der Empfänger den Irrtum ja hätte erkennen können und ihm lediglich der wirkliche Wille des Erklärenden nicht erkennbar war. Damit haben nicht beide Parteien den Vertrag als geschlossen angesehen, wie § 155 BGB es erfordert. 28  Vgl. hierzu in diesem Zusammenhang Kull, 70 Wash. U. L. Q. 57, 58 (1992). An anderer Stelle führt er aus, hier bestehe „genuineness or reality of consent“ (69).

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§ 6  Ökonomischer Hintergrund

wollte. Die Falschbezeichnung ist dann unschädlich – falsa demonstratio non nocet. 29 Einer Korrektur, etwa durch Anfechtung, bedarf es nicht.30 Dies gilt insbesondere, wenn die Parteien, wie etwa im „Haakjöringsköd-Fall“,31 einem Erklärungszeichen übereinstimmend eine andere Bedeutung beimessen, als es üblicherweise hat. Wie bereits ausgeführt,32 ist das Urteil des Reichsgerichts, die Parteien hätten trotz der Falschbezeichnung einen Kaufvertrag über Walfleisch geschlossen, wirtschaftlich sinnvoll: Der Inhalt des Vertrages, insbesondere der Vertragsgegenstand Walfleisch, entspricht den Präferenzen beider Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Würde stattdessen das objektiv Gesagte gelten, hätten die Parteien also einen Vertrag über Haifischfleisch geschlossen, würde eine Partei mangelhaft leisten, wenn die Parteien die Leistung, die sie tatsächlich erbringen und erhalten wollen, austauschen (§ 434 Abs. 1 oder Abs. 3 BGB).33 Dies könnte die andere Partei ausnutzen, falls sich ihre Präferenzen in der Zwischenzeit geändert haben.34 Alternativ wären die Parteien gezwungen, den Vertragsinhalt entsprechend dem übereinstimmend Gewollten zu verändern – mit allen Kosten, die dies nach sich ziehen würde.

B. Gesetzlich geregelte Fallgruppen der Diskrepanz Divergieren der – auf Grundlage einer objektiven Rechtsgeschäftslehre – ermittelte Erklärungswert und die subjektive Präferenz des Erklärenden, besteht Raum für Korrektur. Klar ist: Nicht jeder Fehler darf den Erklärenden berechtigen, seine Willenserklärung zu korrigieren bzw. unwirksam zu machen. Dies würde den Grundsatz pacta sunt servanda aushebeln und zu einer enormen und kostenträchtigen Unsicherheit des Rechtsverkehrs führen. Das Recht gestattet eine Korrektur denn auch nur in bestimmten Fällen. Innerhalb des Untersu-

29  So im Ergebnis auch Kramer, Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998, Rn. 68; Medicus/ Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 745; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 119 Rn. 6; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 7; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 11. 30  Kritisch hierzu Mittelstädt, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, 2016, S. 87 f. 31  RGZ 99, 147. 32  Siehe S. 48 ff., 111 ff. 33 Ein aliud gem. § 434 Abs. 3 Fall 1 BGB liegt nur dann vor, wenn die Parteien eine Gattungsschuld vereinbart hatten. Im „Haakjöringsköd-Fall“ hatten die Parteien hingegen über die Ladung eines bestimmten Schiffes kontrahiert. Es handelte sich also um einen Stückkauf, nach heutigem Recht wäre § 434 Abs. 1 S. 1 BGB einschlägig. So auch Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 26. Aufl. 2017, Rn. 288. 34  Um derartige Opportunität zu verhindern, muss sich der wegen Irrtums Anfechtende nach zutreffender Ansicht auf Wunsch des Erklärungsgegners an seinem wahren, in der Erklärung lediglich fehlerhaft zum Ausdruck gekommenen Willen festhalten lassen. Vgl. hierzu nur Lobinger, AcP 195 (1995), 274 ff.

B. Gesetzlich geregelte Fallgruppen der Diskrepanz

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chungsgegenstands35 finden sich explizite Regelungen zu Willensvorbehalten (§§ 116–118 BGB) sowie zu Irrtümern (§ 119 BGB). Bei ersteren stimmen Wille und Erklärung aufgrund einer bewussten Entscheidung des Erklärenden nicht überein. Bei letzteren weichen Wille und Erklärung unbewusst voneinander ab.36 Hat der Erklärende bewusst etwas erklärt, was seiner Präferenz nicht entspricht, ist es ökonomisch wenig sinnvoll, ihm eine Korrektur zu ermöglichen (I.). Hat der Erklärende die Diskrepanz zwischen Erklärungswert und Präferenz hingegen unbewusst herbeigeführt, ist es ökonomisch durchaus sinnvoll, die Korrektur unter bestimmten Voraussetzungen zu gestatten. Sehr unterschiedlich wird in der Literatur beurteilt, anhand welcher Kriterien das BGB zwischen erheblichen und unerheblichen Irrtümern unterscheidet bzw. unterscheiden sollte (II.).

I. Bewusste Diskrepanz Willensvorbehalte führen grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit der Erklärung. Der innere Vorbehalt einer Partei etwa ist unbeachtlich: Wer bei der Abgabe seiner Erklärung einem inneren – das BGB spricht von einem geheimen – Vorbehalt unterliegt, ist sich des objektiven Bedeutungsgehalts seiner Erklärung bewusst.37 Insgeheim möchte er aber etwas anderes als das, was er erklärt.38 § 116 S. 1 BGB bestimmt, dass sich der objektive Gehalt der Erklärung trotz des Vorbehalts durchsetzt.39 Von dieser Regel macht das Gesetz zwei Ausnahmen: beim erkannten inneren Vorbehalt (§ 116 S. 2 BGB) und bei der Scherz­erklärung (§ 118 BGB).

1. Erkannter innerer Vorbehalt Nach § 116 S. 2 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung nichtig, wenn der Erklärungsempfänger den Vorbehalt erkennt, der Plan des Erklärenden also scheitert. Diese Ausnahme zu § 116 S. 1 BGB wird in der Denkschrift zum BGB 35 

Siehe dazu S. 249 ff. Vgl. nur MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 1; Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, S. 1024, 1028; Hübner, AT, 2. Aufl. 1996, Rn. 760; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 6. 37  Vgl. auch K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 53, 83 ff., der die Mentalreservation als ein Auseinanderfallen von „Haupteinstellung“, also der Einstellung des Vorbehaltenden, und „Gegeneinstellung“, also dem Verständnis des Vorbehaltsgegners versteht und ausführt: „Der Vorbehalt des sich Aeußernden besteht also darin, daß er vorsätzlich eine von der Dritteinstellung abweichende subjektive Einstellung hat. Es steht also auch hier nicht ‚Wille‘ gegen ‚Erklärung‘, sondern Einstellung gegen Einstellung und nur das Material für die Feststellung der beiden Einstellungen ist verschieden.“ (94). 38  Die verschiedenen Arten der Mentalreservation fächert K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 53, 118 ff. auf. 39  Siehe dazu auch S. 31 ff. 36 

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§ 6  Ökonomischer Hintergrund

damit begründet, dass „dann die Möglichkeit einer Täuschung und Schädigung des Anderen ausgeschlossen ist“.40 Außer Acht lässt die Zweite Kommission dabei, dass eine Schädigungsabsicht für § 116 BGB nicht erforderlich ist.41 Die Anordnung des § 116 S. 2 BGB hat bisweilen Anlass zu scharfer Kritik gegeben. So schreibt Larenz in seiner Habilitationsschrift, diese Rechtsfolge sei „zwar aus der Befangenheit des Gesetzgebers im Willensdogma psychologisch verständlich, rechtspolitisch und dogmatisch aber vollständig zu verwerfen“,42 und überlegt, ob „der Richter einer solchen Bestimmung, deren Anrufung Treu und Glauben widerspricht, die Geltung versagen müsse.“43 Die Norm stehe im Widerspruch zum „Grundsatz der Verantwortlichkeit des Erklärenden“ und verdanke „nur einem Mißverständnis seine Entstehung“.44 In dieser Drastik wird heutzutage nicht mehr argumentiert. Die Kritik an § 116 S. 2 BGB ist gleichwohl nicht ganz verschwunden. Nach wie vor wird teilweise bemängelt, die Norm trage der Tatsache, dass nicht der Erklärende, sondern der Erklärungsempfänger als Subjekt des Täuschungsversuchs schutzwürdig sei, ungenügend Rechnung; Armbrüster etwa bezeichnet § 116 S. 2 BGB daher als „Zugeständnis des Gesetzgebers an die Willenstheorie“.45 Singer betont, § 116 S. 2 BGB sei folgerichtig, wenn § 116 BGB insgesamt als eine der Rechtssicherheit dienende „Ausprägung einer gesetzlichen Vertrauenshaftung“ verstanden werde.46 Wer die Bindung gem. § 116 S. 1 BGB darauf stütze, dass der Erklärende die Rechtsfolgen willentlich hervorgerufen habe,47 könne § 116 S. 2 BGB hingegen nicht schlüssig erklären. Es überzeuge nicht, „einem fehlerfreien Rechtsgeschäft die Verbindlichkeit abzuerkennen“, weil der Erklärungsempfänger bösgläubig war.48 Auch diejenigen, die § 116 S. 1 BGB als Fall rechtsgeschäftlicher Bindung verstehen, befürworten § 116 S. 2 BGB aber zumeist.49 In der Regel erfolgt dies 40  Denkschrift I, S. 20 (= Mugdan I, S. 832). Vgl. bereits Mot. I, S. 192 (= Mugdan I, S. 458). Eine Ausnahme gilt für die Eheschließung (ebd.). 41  Vgl. nur Flume, AT II, § 20 1, S. 403; Staudinger/Singer, 2017, § 116 Rn. 4, 15. 42  Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 88 f. Später abgeschwächt ders., AT, 7. Aufl. 1989, § 20 I a), S. 364. 43  Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 89. 44  Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 89 Fn. 2. 45 MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 116 Rn. 8. Vgl. auch Coester-Waltjen, Jura 1990, 362, 363. 46 Staudinger/Singer, 2017, § 116 Rn. 1 mit Hinweis auf Pohl, AcP 177 (1977), 52, 62. Vgl. auch Migsch, FS Schnorr, 1988, S. 737 ff. 47 Außer Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 20 I a), S. 363 vertreten dies beispielsweise auch Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 419 ff.; Flume, AT II, § 20 1, S. 402; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 592; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 40 Rn. 3. 48 Staudinger/Singer, 2017, § 116 Rn. 1. 49  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 794, 797; Flume, AT II, § 20 1, S. 403; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 593; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 40 Rn. 4 f.

B. Gesetzlich geregelte Fallgruppen der Diskrepanz

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ohne nähere Begründung. Zumeist wird recht knapp darauf verwiesen, dass dem Erklärungsempfänger beim erkannten Vorbehalt das Vertrauen gefehlt habe und er also nicht schutzbedürftig sei.50 Ähnlich, aber etwas ausführlicher argumentiert auch Karl Wolff: „[W]er sich trotz durchschauten Vorbehaltes auf das Geschäft einläßt, ist wahrlich nicht zu beklagen, wenn er sich nicht auf das ohnehin als nicht zusinnbar erkannte Erklärte berufen kann: hier ist ein Partner des anderen würdig.“51 Leenen wählt einen etwas anderen Standpunkt. Er argumentiert nicht mit dem Schutzbedürfnis des Erklärungsempfängers, sondern führt aus: Wenn die andere Seite den Vorbehalt erkannt habe, sei nach den Grundsätzen der natürlichen Auslegung schon der Tatbestand der Willenserklärung nicht erfüllt. Der Empfänger habe die Erklärung dann im Sinne des innerlich Gewollten verstanden.52 Das gemeinsame Verständnis der Parteien gehe dem objektiven Erklärungsinhalt vor.53 Nach dem hier vertretenen Ansatz überzeugt Leenens Argument nicht: Ein vom objektiven Bedeutungsgehalt abweichender Erklärungsinhalt ist nur dann zu berücksichtigen, wenn dieser abweichende Inhalt dem entspricht, was alle an einem Rechtsgeschäft beteiligten Parteien (übereinstimmend) wollten. Bloß weil der Empfänger den Vorbehalt erkennt, bedeutet dies aber nicht zwingend, dass er das Geschäft ebenfalls nicht will. Nur wenn dies der Fall wäre, hätte der erkannte innere Vorbehalt Ähnlichkeit mit den Grundsätzen der falsa demon­ stratio:54 Dort sind sich die beiden Parteien einig, dass und woran sie sich binden wollen.55 In allen anderen Fällen gilt die übliche Differenzierung: Ließ das Verhalten des Erklärenden den inneren Vorbehalt objektiv erkennen, liegt bereits nach allgemeinen Auslegungsregeln keine wirksame Willenserklärung vor.56 Allein wenn der Vorbehalt objektiv nicht erkennbar war, der Erklärungsempfänger ihn aber dennoch – aufgrund Sonderwissens – erkannt hat, kommt § 116 S. 2 BGB zum Tragen. Anders als § 116 S. 1 BGB, der rein deklaratorisch ist, hat § 116 S. 2 BGB konstitutive Wirkung.57 Ohne die Vorschrift würde das objektiv Erklärte gelten. 50 Vgl.

Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 794, 797; Preuß, Jura 2002, 815, 817. K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 53, 181. 52  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 9, § 6 Rn. 91. Nach BGH NJW-RR 2001, 1130, 1131 hingegen setzt § 116 S. 1 BGB das Bestehen einer Willenserklärung voraus. 53  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 5 Rn. 7 ff. Siehe dazu auch S. 107 ff. 54  Nach HKK-BGB/Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 35 f. gilt dies insbesondere dann, wenn der Erklärende seinen Vorbehalt nicht in bösem Willen, sondern zum Schutz des Erklärungsempfängers für sich behalten, also in dolus bonus gehandelt habe. 55  Vgl. auch AK/Hart, 1987, § 116 Rn. 1. 56  Anderer Ansicht Flume, AT II, § 20 1, S. 403; Süß, Jura 2011, 735, 740; BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 116 Rn. 6. 57  Siehe dazu S. 82 f. Anderer Ansicht Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 6 Rn. 91 f.; Trupp, NJW 51 

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§ 6  Ökonomischer Hintergrund

Ob der Empfänger aufgrund von Sonderwissen den Willensvorbehalt kennt, wäre unerheblich.58 § 116 S. 2 BGB normiert nun, dass das subjektive Verständnis des Empfängers relevant ist. Hat er den Vorbehalt erkannt, ist die Willenserklärung nichtig. In wirtschaftlicher Hinsicht ließe sich für diese Anordnung anführen, dass sie den Empfänger dazu anhält, etwaige Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Erklärung aufzudecken und den Erklärenden damit zu konfrontieren. Leugnet der Erklärende daraufhin, dass er einen inneren Vorbehalt hat, darf sich der Empfänger auf die Aussage des Erklärenden verlassen – § 116 S. 2 BGB findet dann keine Anwendung.59 Allerdings belastet dies den Empfänger, obwohl sich der Erklärende bewusst dazu entschieden hat, eine Erklärung abzugeben, die seinem Willen nicht entspricht. Der Erklärende hat also wissentlich einen Unsicherheitsfaktor gesetzt. Das oben genannte Argument von Karl Wolff lässt sich daher auch ins Gegenteil verkehren: Dass der Empfänger den inneren Vorbehalt des Erklärenden erkannt hat, führt nicht dazu, dass der Erklärende schutzwürdig ist. Ähnlich argumentiert auch Hart: „[D]ie rechtspolitische Wertung, daß das Schutzbedürfnis des Empfängers wegen seiner Kenntnis des Vorbehalts entfiele, [ist] wegen der nach wie vor geltenden Schutzunwürdigkeit des Erklärenden sehr problematisch.“60 Hinzu kommt, dass der Erklärende, selbst wenn der Empfänger den Vorbehalt erkannt hat, der cheapest cost avoider ist. Wäre der Vorbehalt des Erklärenden auch dann unbeachtlich, wenn er erkannt wurde, würde das Recht Anreize setzen, dass sich Verkehrsteilnehmer eindeutig und unmissverständlich verhalten. Aus ökonomischer Perspektive ist die Anordnung der Korrektur nach § 116 S. 2 BGB also nicht unbedingt gerechtfertigt.

2. Scherzerklärung Nach § 118 BGB ist eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel an Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, nichtig. Die Rechtsfolge des § 118 BGB unterscheidet sich mithin von jener des § 116 S. 1 BGB. Nach letzterer führt ein (nicht erkannter) innerer Vorbehalt nicht zur Unwirksamkeit einer Willenserklärung. War der Vorbehalt nicht erkennbar, macht es aus Sicht des Erklärungsempfängers aber keinen Unterschied, ob der Erklärende den Vorbehalt bewusst verheimlicht hat, wie er es im Falle des § 116 BGB tut, oder ob er seinen Vorbehalt offenlegen 1990, 1346, 1347 (mangels schutzwürdigen Vertrauens des Empfängers gelte § 133 BGB; der innerlich gebliebene Wille des Erklärenden beanspruche also Wirkung). 58  Siehe dazu auch S. 114 ff. Anderer Ansicht wohl Süß, Jura 2011, 735, 740. 59  Vgl. auch MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 116 Rn. 9. 60 AK/Hart, 1987, § 116 Rn. 1 [Kursivierung im Original]. Vgl. auch MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 116 Rn. 8.

B. Gesetzlich geregelte Fallgruppen der Diskrepanz

259

wollte.61 In beiden Fällen gibt es eine Informationsasymmetrie. Sie ist nicht effizient, weil sie keine Informationen betrifft, deren Generierung wohlfahrtssteigernd ist.62 Gegenstand ist vielmehr im einen wie im anderen Fall ein Vorbehalt des Erklärenden, also eine innere Tatsache, für deren Kenntnis der Erklärende keine Anstrengungen unternehmen musste. Bisweilen wird darum vertreten, dass § 118 BGB objektiv zu verstehen sei, also nur dann eingreife, wenn die Scherzerklärung objektiv als solche erkennbar sei.63 § 118 BGB wäre dann, wie § 116 S. 1 BGB, lediglich deklaratorischer Natur. Im Hinblick auf § 122 BGB ist dieses Verständnis der Norm allerdings nicht haltbar.64 Wenn der Empfänger die Scherzhaftigkeit der Erklärung nicht erkannt hat, hätte er sie, weil objektiv erkennbar, jedenfalls kennen müssen. Die Schadensersatzpflicht gem. § 122 Abs. 1 BGB würde also stets nach § 122 Abs. 2 BGB entfallen, der Verweis des § 122 Abs. 1 BGB auf § 118 BGB wäre überflüssig. Der Inhalt des heutigen § 118 BGB wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens verändert. Der Erste Entwurf hatte ein anderes, abgestuftes System vorgesehen, das dem objektiven Erscheinungsbild der Erklärung eine größere Bedeutung beimaß: Hat der Erklärende nicht fahrlässig gehandelt, war also die mangelnde Ernsthaftigkeit seiner Aussage objektiv erkennbar – als Beispiel werden theatralische oder didaktische Darstellungen genannt –, wäre die Willenserklärung nichtig gewesen.65 Der Erklärende hätte nicht auf das negative Interesse gehaftet.66 Bei grober Fahrlässigkeit des Erklärenden hingegen wäre die Gültigkeit der Erklärung unberührt geblieben. Dies entspreche, so die Erste 61  Aus dieser Perspektive, wenn auch unter Berufung auf Vertrauensschutz, argumentiert auch Singer, JZ 1989, 1030, 1034. 62 Zur Differenzierung zwischen wohlfahrtssteigernder productive information und (nicht wohlfahrtssteigernder) redistributive information vgl. Cooter/Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2012, S. 349 f.; Kronman, 7 J. Legal Stud. 1, 11 ff. (1978); Kull, 70 Wash. U. L. Q. 57, 78 (1992). Siehe außerdem S. 44 ff. 63  Bailas, Das Problem der Vertragsschliessung und der vertragsbegründende Akt, 1962, S. 60 f.; Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, 1911, S. 17 ff.; ders., DJZ 1906, 1277, 1280 f.; Grziwotz, MDR 2000, 1309, 1310; Pawlowski, AT, 7. Aufl. 2003, Rn. 476 f. Etwas vorsichtiger Kellmann, JuS 1971, 609, 613. Anderer Ansicht Staudinger/Singer, 2017, § 118 Rn. 3; K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 53, 171. Bei Schaffung der Norm dachte der Gesetzgeber vor allem an „diejenigen Gestaltungen scherzweiser Erklärungen, bei welchen der Erklärende glaubt, der Scherz werde verstanden werden, ferner die Fälle, in welchen eine Erklärung als höfliche Redensart, als Lehrbeispiel usw. abgegeben wird, nicht minder der Fall, in welchem Jemand, der ein Scheingeschäft vornehmen will, die Kenntniß seiner Simulationsabsicht und das Einverständniß mit ihr auf Seiten des anderen Theiles irrthümlich voraussetzt.“, Mot. I, S. 193 f. (= Mugdan I, S. 459). 64  So auch Coester-Waltjen, Jura 1990, 362, 364; v. Hein, ZIP 2005, 191, 198; Preuß, Jura 2002, 815, 819; Staudinger/Singer, 2017, § 118 Rn. 3. 65  Mot. I, S. 194 (= Mugdan I, S. 459). Nach Preuß, Jura 2002, 815, 818 unterfallen theatralische oder didaktische Handlungen hingegen nicht § 118 BGB. 66  Mot. I, S. 194 (= Mugdan I, S. 459).

260

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

Kommission, „ebensowohl der Gerechtigkeit als dem praktischen Bedürfnisse, ihn [den Erklärenden] am Worte festzuhalten […] Wer auf solche Weise unvorsichtig mit Worten spielt, wagt und das Wagen geschieht auf seine Gefahr.“67 In gewisser Hinsicht war die Gültigkeit also als Bestrafung für die Unvorsichtigkeit des Erklärenden gedacht. Überdies zogen die Mitglieder der Ersten Kommission eine Parallele zum inneren Vorbehalt, der damals in § 95 des Entwurfs geregelt war. Das beweist die Diskussion um die Behandlung der leichten Fahrlässigkeit. Diese müsse trotz etwaiger Abgrenzungsschwierigkeiten anders behandelt werden als die grobe Fahrlässigkeit, denn: „Nur die grobe Fahrlässigkeit läßt sich dem Vorsatze in Ansehung der Rechtsfolgen (§ 95) an die Seite setzen.“68 Bei leichter Fahrlässigkeit des Erklärenden sollte die Willenserklärung darum nichtig, der Erklärende aber zum Ersatz des negativen Interesses verpflichtet sein.69 Etwas überraschend heißt es schließlich: „Die grobe wie die nicht grobe Fahrlässigkeit ist aber ohne Einfluß, wenn der Empfänger der Willenserklärung den Zwiespalt zwischen Wille und Erklärung auf Seiten des Erklärenden kannte oder kennen mußte.“70 Bei Kenntnis des Erklärungsempfängers ist die Anordnung nachvollziehbar. Nicht möglich ist hingegen, dass sowohl Erklärender als auch Erklärungsempfänger fahrlässig waren. Je nachdem, ob die mangelnde Ernstlichkeit erkennbar ist oder nicht, kann entweder Erklärendem oder Erklärungsempfänger ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden, nicht aber beiden zugleich. Nach dem Willen der Ersten Kommission soll die Willens­erklärung in einem solchen hypothetischen Fall nichtig sein: „[D]ie dem Erklärenden nachtheiligen Rechtsfolgen dürfen nur eintreten, wenn auch den Erklärungsempfänger der Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht trifft.“71 Grund hierfür sei „der Mangel jeder Täuschungsabsicht auf Seiten des Erklärenden.“72 Die Schwierigkeiten, unterschiedliche Fahrlässigkeitsstufen voneinander zu unterscheiden, nahm die Zweite Kommission zum Anlass, die Willenserklärung des nicht ernstlich Erklärenden in jedem Fall für nichtig zu erklären und das ehemals bereits auf Primärebene abgestufte System auf die Ebene der Schadensersatzpflicht zu verlagern.73 Angeknüpft werden sollte hierbei nicht (mehr) an ein Verschulden des Erklärenden, sondern an Kenntnis bzw. Erkennbarkeit für den Erklärungsempfänger.74

67 

Mot. I, S. 194 (= Mugdan I, S. 459). Mot. I, S. 194 (= Mugdan I, S. 459). 69  Mot. I, S. 194 (= Mugdan I, S. 459). 70  Mot. I, S. 194 (= Mugdan I, S. 459). 71  Mot. I, S. 194 (= Mugdan I, S. 459). 72  Mot. I, S. 194 (= Mugdan I, S. 459). 73  Vgl. Prot. I, S. 206 f. (= Mugdan I, S. 712). 74  Prot. I, S. 207 (= Mugdan I, S. 712). 68 

B. Gesetzlich geregelte Fallgruppen der Diskrepanz

261

Zudem nahm die Zweite Kommission Anstoß an der Gleichsetzung von grober Fahrlässigkeit und Vorsatz: „Es sei eine Anomalie, eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung im Falle grober Fahrlässigkeit des Erklärenden als gültig zu behandeln, denn hingesehen auf die Gesinnung bestehe immerhin ein großer Unterschied zwischen dem dolus und der culpa lata. Dem Arglistigen geschehe nicht zu viel, wenn er am Worte gefaßt werde, dagegen sei eine solche positive Bestimmung da nicht am Platze, wo es sich nicht um Täuschungsabsicht handele.“75

Eine etwaige Fahrlässigkeit von Erklärendem oder Erklärungsempfänger ist auf Primärebene mithin irrelevant. Für die Auslegung ist allein entscheidend, ob objektiv, aus Sicht des Empfängers, erkennbar ist, dass die Erklärung nicht ernst gemeint war. Ist dies der Fall, liegt keine wirksame Willenserklärung vor,76 und zwar unabhängig davon, ob der Erklärungsempfänger die mangelnde Ernstlichkeit (subjektiv) erkannt hat. § 118 BGB greift also ohnehin nur dann, wenn die mangelnde Ernstlichkeit objektiv nicht erkennbar war. Die Norm ordnet für diese Fälle an, dass die Willenserklärung, die nach allgemeinen Auslegungsregeln wirksam wäre, nichtig ist. Ob der Empfänger die Scherzhaftigkeit subjektiv erkannt hat oder nicht, ist dafür unerheblich. Diese subjektive Kenntnis ist allerdings auf Ebene der Schadensersatzpflicht beachtlich (§ 122 Abs. 2 BGB). Wer die Scherzhaftigkeit aufgrund von Sonderwissen erkannt hat, wird damit angehalten, sein Wissen zu nutzen. Das Gesetz enthält insofern also ein „abgestuftes System“.77 Die Anordnungen in §§ 116 und 118 BGB führen also dann zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn Vorbehalt bzw. mangelnde Ernstlichkeit weder objektiv erkennbar waren noch subjektiv erkannt wurden. Die mit innerem Vorbehalt behaftete Erklärung ist wirksam (§ 116 S. 1 BGB), die Scherzerklärung ist wegen der Anordnung in § 118 BGB unwirksam. Diese unterschiedlichen Rechtsfolgen sind ökonomisch nicht zu rechtfertigen. Zwar könnte man wie folgt argumentieren: Der mit innerem Vorbehalt Erklärende will den Anschein der Teilnahme am Rechtsverkehr erwecken. Der Erklärungsempfänger soll glauben, dass das Erklärte dem Gewollten entspricht. Im Regelfall des synallagmatischen Vertrages soll der Erklärungsempfänger mithin zu einer Leistung veranlasst werden, während der Erklärende seine eigene Leistung nicht erbringen will. Für einen funktionierenden Rechtsverkehr ist die Unbeachtlichkeit der Mentalreservation daher essentiell. Eine Rechtsordnung, die die Mentalreservation für beachtlich erklären würde, würde den Grundsatz pacta sunt servanda de facto aufkündigen und Verkehrsteilnehmer dazu anhal75 

Prot. I, S. 206 (= Mugdan I, S. 712). auch Preuß, Jura 2002, 815, 818. Anderer Ansicht Brehmer, Wille und Erklärung, 1992, S. 161. 77  Zu Funktion und (wirtschaftlichen) Folgen des § 122 BGB siehe auch S. 269 f. sowie S. 78 f., 114 f., 292. 76  So

262

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

ten, möglichst viele Verträge anzubahnen, um sich, wenn es opportun erscheint, auf etwaige Vorbehalte zu berufen. Für die Konstellation des § 118 BGB gilt diese Befürchtung nicht in gleicher Weise. Wer in der Annahme eine Erklärung abgibt, dass die mangelnde Ernstlichkeit verstanden werde, ist nicht an der Teilnahme am Rechtsverkehr interessiert. Er will den Erklärungsempfänger nicht zur Leistung animieren. Das Recht muss darum nicht steuernd eingreifen, um opportunistisches Verhalten bei der Vertragsanbahnung zu sanktionieren. Allerdings spielt diese innere Absicht für das Recht der Willenserklärungen keine Rolle. Anders als deliktsrechtliche Ansprüche, die einen Verschuldensvorwurf enthalten, setzt die Rechtsgeschäftslehre lediglich eine selbstbestimmte Handlung voraus.78 Ziel der Rechtsgeschäftslehre ist es, einen funktionsfähigen Rechtsverkehr zu ermöglichen. Für den Rechtsverkehr ist das äußerliche Erscheinungsbild der relevante Anhaltspunkt. Irrelevant ist hingegen die Motivation des im Scherz Erklärenden. Zudem setzt die Nichtigkeitsanordnung des § 118 BGB zweifelhafte Anreize. Sie gestattet dem Erklärenden, objektiv nicht als solche erkennbare Scherzerklärungen abzugeben, ohne eine Erfüllungshaftung befürchten zu müssen. Wurde die mangelnde Ernsthaftigkeit nicht erkannt, muss er allenfalls eine Haftung gem. § 122 BGB befürchten. Dass etwaige Anreize zu effizientem Verhalten (hier: Offenlegung des eigenen Vorbehalts) bei dem nicht ernstlich Erklärenden möglicherweise weniger greifen als bei dem, der seinen Vorbehalt vorsätzlich zurückhält, ändert hieran nichts. Der nicht ernstlich Erklärende wähnt sich zwar in einer gesellschaftlichen Kommunikationssituation und will den geschäftlichen Bereich nicht betreten. Das hat er allerdings mit demjenigen gemein, der ohne Erklärungs- oder Handlungsbewusstsein agiert. Hier wie dort setzt der Anreiz zu sorgfältigem Handeln daher auf einer früheren Stufe an. Personen werden dazu angehalten, sich nicht in Situationen zu begeben, die das Risiko einer von ihnen nicht beabsichtigten Willenserklärung bergen. Anzumerken bleibt lediglich, dass der Anwendungsbereich des § 118 BGB in der Praxis vermutlich sehr gering ist. So findet sich bei manchen Autoren die Aussage, dass ein Gericht eine Erklärung im Sinne des § 118 BGB ohnehin nur dann für nichtig erklären werde, wenn die mangelnde Ernstlichkeit objektiv erkennbar war.79 Eine Nichtigkeitserklärung ist in diesen Fällen zwar gar nicht erforderlich, weil die Erklärung dann bereits nach objektiver Auslegung keine Wirksamkeit entfaltet. Dennoch weisen die Autoren auf einen wichtigen Punkt hin: Der Erklärende muss beweisen, dass er seine Erklärung in der Erwartung abgegeben hat, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden. Dieser Beweis wird ihm regelmäßig nur gelingen, wenn er seine innere Erwartung 78  Vgl. auch Mankowski, AcP 211 (2011), 153, 188 f., nach dem zwischen Rechtsgeschäftslehre und Strafrecht ein vergleichbarer Unterschied besteht. 79  Vgl. hierzu auch Thiessen, NJW 2001, 3025, 3027; Tscherwinka, NJW 1995, 308, 309.

B. Gesetzlich geregelte Fallgruppen der Diskrepanz

263

durch äußere Umstände belegen kann.80 Kann er dies nicht, ist die Erklärung wirksam. Die Abgrenzungsprobleme, die die Zweite Kommission vermeiden wollte, wurden in Wirklichkeit also lediglich auf die Beweisebene verlagert.

II. Unbewusste Diskrepanz Ein Irrtum ist eine Fehlvorstellung von der Wirklichkeit.81 In keiner Rechtsordnung sind alle Irrtümer rechtlich erheblich.82 Auch § 119 BGB gestattet dem Irrenden lediglich unter bestimmten Voraussetzungen, die Wirksamkeit seiner Erklärung durch Anfechtung rückwirkend zu vernichten.83 Diese Entscheidung leuchtet auch in ökonomischer Hinsicht ein. In den Worten von Adams: „Der von identischen Erwartungen getragene, überraschungsfreie, irrtumslose Vertrag ist der idealtypische Vertrag einer statischen Gesellschaft ohne Fortentwicklung ihrer Produktivkräfte oder Konsummöglichkeiten.“84 Würde jeder Irrtum zur Anfechtung eines Rechtsgeschäfts berechtigen, hielte das Recht die Bürger nicht dazu an, „neue Ideen, bessere Produktionsverfahren oder günstigere Nutzungsmöglichkeiten von Gütern zu entwickeln oder einzusetzen.“85 Wer Kosten aufgewendet hat, um einen Wissensvorsprung zu erhalten, würde durch das Anfechtungsrecht um die mit diesem Vorsprung verbundenen Ertragsmöglichkeiten gebracht.86 Künftig würde er nicht mehr in die Generierung neuen Wissens investieren; gesamtgesellschaftlich wäre dies nachteilig.87 Zudem würde eine generelle Anfechtbarkeit wegen Irrtums „Opportunismus und adverse Selektion“ fördern.88 80  So auch Coester-Waltjen, Jura 1990, 362, 364. Vgl. auch K. Wolff, JherJb. 81 (1931), 53, 171 (entscheidend sei die „Anmerkbarkeit zur Zeit der Beurteilung“). 81  Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 36 Rn. 1; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 6. Vgl. auch MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 1 („unbewusstes Nichtübereinstimmen von Wille und Erklärung“); Hübner, AT, 2. Aufl. 1996, Rn. 773 („Der Irrtum ist Zwiespalt zwischen Vorstellung und Wirklichkeit.“). 82  Vgl. nur Gordley, 52 Am. J. Comp. L. 433 (2004); Zweigert, ZfRV 7 (1966), 12. 83  Wurde durch die Willenserklärung ein Vertrag (mit)begründet, ist nach Leenen, Jura 1991, 393 mit Fn. 6; Petersen, FS Leenen, 2012, S. 219, 220 der Vertrag und nicht die Willenserklärung das anfechtbare Rechtsgeschäft. 84  Adams, AcP 186 (1986), 453, 468. 85  Adams, AcP 186 (1986), 453, 468. 86  Vgl. auch Adams, AcP 186 (1986), 453, 469; Cooter/Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2012, S. 349 f.; J. Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561 (1971); Kötz, FS Drobnig, 1998, S. 563; ders., 9 Europ. J. L. & Econ. 5 (2000); Kronman, 7 J. Legal Stud. 1, 9 ff. (1978); Rasmusen/Ayres, 22 J. Legal Stud. 309, 324 ff., 339 (1993); Shavell, 25 RAND J. Econ. 20, 33 ff. (1994); G. Wagner in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 59, 76 ff. Auf Abgrenzungsprobleme in der Praxis verweisend Zhou, 59 N.I.L.Q. 327, 335 f. (2008). 87 Vgl. Cooter/Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2012, S. 349 f.; Kötz, FS Drobnig, 1998, S. 563 ff.; ders., 9 Europ. J. L. & Econ. 5 ff. (2000); Kronman, 7 J. Legal Stud. 1, 12 ff. (1978); Shavell, 25 RAND J. Econ. 20, 33 ff. (1994). 88  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 382.

264

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

Prinzipieller formuliert: Wenn jeder Irrtum zur Anfechtung berechtigen würde, wäre der Grundsatz pacta sunt servanda de facto aufgehoben. Der Abschluss von Rechtsgeschäften wird aber sehr kostspielig, wenn der Empfänger nicht damit rechnen kann, dass das, was der Erklärende erklärt hat, verbindlich ist.89 Dürfte sich der Erklärende bei jedem Irrtum von seiner Erklärung lösen, hätte er keinen Anreiz, sich vor Abgabe einer Erklärung über ihre Konsequenzen bewusst zu werden, aus Fehlern zu lernen und sich künftig gewissenhafter zu verhalten.90 Ökonomisch sinnvoll ist es daher, die Anfechtungsregeln derart auszugestalten, dass eine einmal geäußerte Willenserklärung grundsätzlich Bestand hat und die Anfechtung nur die Ausnahme bildet.91 Damit hält das Gesetz die Parteien an, „Irrtumsverhütungsmaßnahmen“ zu ergreifen,92 wenn die dadurch entstehenden Kosten geringer sind als die Kosten einer Anfechtung. Dass nicht alle Irrtümer zur Anfechtung berechtigen, ist unumstritten. Bereits die Erste Kommission schrieb, dass sich eine Rechtsregel, nach der jeder Irrtum einen Anfechtungsgrund darstellen würde, „in seiner Durchführung von unleidlichen Folgen begleitet und mit der im Verkehrsinteresse liegenden thunlichsten Aufrechterhaltung der Rechtsgeschäfte nicht vereinbar“ sei.93 Indem nach dem BGB nicht alle Irrtümer zur Anfechtung berechtigten, weiche das Gesetz zwar vom „Willensdogma“ ab, doch liege dies „ebensowohl im eigenen Interesse des Erklärenden als im Verkehrsinteresse.“94 Anlass zur Diskussion gibt hingegen, welche Irrtümer nach § 119 BGB maßgeblich sind.95 Mankowski spricht insofern von einer „Kernfrage des Irr89  Besonders deutlich wird dies bei der (freilich nicht der Korrektur einer Bindung an einen nicht beabsichtigten Erklärungswert dienenden) Anfechtung gem. §§ 129 ff. InsO. Vgl. hierzu nur Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016, Vorb. zu § 129 InsO Rn. 5 ff.; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1, 8 f.; C. Paulus, FS Fischer, 2008, S. 445, 448 ff. 90 Vgl. Hultmark Ramberg, 26 Eur. L. Rev. 429, 444 (2001) sowie, zum Widerrufsrecht, Eidenmüller, ERCL (7) 2011, 1, 6 f., 16. 91 Vgl. M. Wolf in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, S. 85, 89 f. Die Beschränkung des Anfechtungsrechts erfolge, um dem Bedürfnis nach Sicherheit und Verlässlichkeit des Geschäftsverkehrs Rechnung zu tragen. Sie werde „dabei vom BGB im Zusammenhang mit den Willensmängeln bloß im Sinne einer objektiv institutionellen Sicherung des Vertrags als beständiges Rechtsverhältnis verstanden, nicht aber im Sinne des subjektiven Vertrauensschutzes eines konkreten Vertragspartners.“ 92  Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 868. 93  Mot. I, 197 (= Mugdan I, S. 460). Zum Irrtumsrechts im klassischen römischen Vertragsrecht vgl. Harke, Si error aliquis intervenit, 2005. 94  Mot. I, 197 (= Mugdan I, S. 460). 95  Die unterschiedlichen Fälle von Irrtümern werden eingehend in §§ 7 und 8 behandelt. Zur langen Geschichte des Versuchs, beachtliche und unbeachtliche Irrtümer anhand bestimmter Merkmale zu unterscheiden, vgl. nur Schermaier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, 2000. Zur Schwierigkeit, überzeugende Kriterien für die Anfechtbarkeit von maschinell erstellten Willenserklärungen zu finden, vgl. nur den

B. Gesetzlich geregelte Fallgruppen der Diskrepanz

265

tumsrechts“, die „über das Maß an rechtlich relevanter Subjektivierung“ entscheide.96 Das BGB begrenzt die relevanten Irrtümer in § 119 BGB insofern, als Mo­ tivirrtümer grundsätzlich unbeachtlich sind. Anfechtbar sind vor allem Irrtümer, die dem Erklärenden bei der Auswahl des Erklärungszeichens (Inhaltsirrtum) bzw. bei der Abgabe eines Erklärungszeichens (Erklärungsirrtum) unterlaufen. Zudem kann ein Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Person oder Sache zur Anfechtung berechtigen (Eigenschaftsirrtum). Diese „psychologische Unterscheidung der Irrtumsarten“97 wird von vielen kritisiert. Zweigert etwa schreibt, die auf psychologischen Kriterien basierende Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Irrtümern sei „eine unbrauchbare Kategorie“; sie vermöge nicht zu beantworten, welche Irrtümer beachtlich seien sollen und welche nicht.98 Auch sei die „verbreitete Trennung von Erklärungsentschluss und Erklärungsakt […] in Wahrheit künstlich, und die Unterscheidung zwischen Inhalts- und Motivirrtum ist nicht mehr als ein ‚Einfall‘, der einer kritischen Überprüfung auf seine Rechtserheblichkeit nicht standhält“.99 Bemängelt wird zudem, dass sich anhand der Unterteilung in (beachtliche) Erklärungsirrtümer und (unbeachtliche) Motivirrtümer längst nicht alle Fragen der Irrtumsanfechtung beantworten ließen.100 Ferner wird kritisiert, dass § 119 BGB nicht konsequent nach Risiko- bzw. Verantwortungsbereichen unterscheide.101 Aus dieser Kritik an § 119 BGB sind einige Vorschläge für alternative Anfechtungssysteme erwachsen. Grigoleit etwa schlägt vor, dass das Recht „exo-

Überblick bei Borges/Sesing in: Matusche-Beckmann/Sato (Hrsg.), Rechtsprobleme der Informationsgesellschaft, 2018, S. 179, 194 ff.  96  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 391.  97 Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 2.  98  Zweigert, ZfRV 7 (1966), 12, 20. Vgl. auch Gordley, 52 Am. J. Comp. L. 433 ff. (2004), der sich historisch und rechtsvergleichend mit der Unterscheidung zwischen wesentlichen (essential) und unwesentlichen Irrtümern auseinandersetzt, sowie Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2015, S. 228 („veraltet“). 99  Zweigert, ZfRV 7 (1966), 12, 21. Vgl. auch Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 4, nach dem die Unterscheidung zwischen Geschäfts- und Motivirrtum allerdings „jedenfalls im Grundsatz auf durchaus fundierten Gerechtigkeitserwägungen“ beruht; sie sei „Ausprägung der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen formaler und materialer Selbstbestimmung.“ (Rn. 5). Zudem lägen Motiv und Geschäftswille, rechtsethisch betrachtet, auf unterschiedlichen Ebenen: Wer ein Versprechen lösen wolle, weil sich die Ziele, die er mit dem Geschäft verfolgt habe, nicht erfüllt haben, breche das „bewusst“ gegebene Wort. Bei Erklärungs- und Geschäftsirrtum hingegen leide das Versprechen selbst an einem Mangel. (Rn. 5). 100 Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 4. 101  So etwa Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 874; Zweigert, ZfRV 7 (1966), 12, 21. Vgl. auch M. Wolf in: Basedow (Hrsg.), Europäische Rechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, S. 85, 91.

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§ 6  Ökonomischer Hintergrund

gene“ und „endogene“ Willensstörungen unterschiedlich behandeln solle.102 Erstere habe der Erklärungsgegner zumindest mit zu verantworten, während letztere allein in den Verantwortungsbereich des Erklärenden fielen. Damit steht er in der Tradition von Regelsberger, der 1868 bekannte: „In Vertragsverhältnissen muß Jeder als Inhalt seiner Erklärung den Sinn gelten lassen, zu dessen Annahme er den anderen Theil absichtlich veranlaßt hat. […] [D]ie Redlichkeit wird insoweit fingirt“.103 Irrtümer seien dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie auf grober Fahrlässigkeit beruhten.104 Auch Manfred Wolf schreibt, das Anfechtungssystem des BGB sei zwar zunächst an psychologischen Kriterien orientiert; es ließe sich aber mit dem Gedanken der Verantwortungs- und Risikobereiche verbinden.105 Ein Motivirrtum stamme vollständig aus dem Verantwortungsbereich des Erklärenden und berechtige deshalb nicht zur Anfechtung.106 Bei Erklärungs- und Inhaltsirrtum sei „der Geschäftswille im Erklärungstatbestand unmittelbar zum Ausdruck gelangt und damit für den Empfänger grundsätzlich eher zugänglich und überschaubar […] als die vorgelagerte Willensbildung.“107 Dies rechtfertige es, die Anfechtung zu gestatten. Sie sei allerdings mit einer Schadensersatzpflicht verbunden, so dass das Gesetz dem Erklärenden eine „abgeschwächte Verantwortlichkeit“ auferlege.108 Immer wieder wird kritisiert, dass § 119 BGB mit seiner fehlenden Unterscheidung nach Risiko- bzw. Verantwortungsbereichen – rechtsvergleichend betrachtet – atypisch109 und außergewöhnlich anfechtungsfreundlich sei.110 Auch Rechtsvereinheitlichungsbemühungen wie etwa die UNIDROIT-Prin­ciples oder die PECL seien einen anderen und vorzugswürdigen Weg gegangen als 102 

Grigoleit in: Kötz/Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 163, 165. 103  Regelsberger, Civilrechtliche Erörterungen, Erstes Heft, 1868, S. 18. 104  Regelsberger, Civilrechtliche Erörterungen, Erstes Heft, 1868, S. 19. Ganz ähnlich ordnete auch das Österreichische Gesetzbuch bis 1916 eine Vertragshaftung bei verschuldetem Irrtum an. § 876 AGBGB (1811) lautet: „Wenn der versprechende Theil selbst und allein an seinem wie immer gearteten Irrthume Schuld ist, so besteht der Vertrag; es sei denn, daß dem annehmenden Theile der obwaltende Irrthum offenbar aus den Umständen auffallen mußte.“ Bei der III. Teilnovelle von 1916 wurde diese Vorschrift gestrichen; der Rechtssatz wird nicht mehr angewandt, vgl. Österreichischer OGH, Urt. v. 11.03.1953, 3 Ob 15/53. 105  M. Wolf in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 85, 91. 106  M. Wolf in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 85, 91. 107  M. Wolf in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 85, 91 f. 108  M. Wolf in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 85, 91. 109 Vgl. nur Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 870; Kötz, Vertragsrecht, 2. Aufl. 2012, Rn. 296. 110  Hierzu MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 2.

B. Gesetzlich geregelte Fallgruppen der Diskrepanz

267

§ 119 BGB.111 Habe der Empfänger den Irrtum nicht hervorgerufen, dürfe der Erklärende in anderen Rechtsordnungen regelmäßig nur dann anfechten, wenn dem Empfänger sein Irrtum erkennbar war.112 Erklärungs- und Inhaltsirrtümer berechtigten daher üblicherweise nicht zur Anfechtung.113 Motivirrtümer hingegen würden nicht kategorisch ausgeschlossen; soweit der Irrtum von der anderen Seite erkannt wurde oder erkennbar war, fehle es an schutzwürdigem Vertrauen.114 § 119 Abs. 1 BGB sei mithin eine „solitäre Erscheinungsform“ des deutschen Rechts.115 Auch aus rechtsökonomischer Perspektive wird das deutsche Anfechtungsrecht kritisiert. Koch zieht die aus rechtsökonomischen Untersuchungen des Deliktsrechts bekannte Kategorie des cheapest cost bzw. cheapest risk avoider heran.116 Effizient wäre es demnach, das Anfechtungsrecht so auszugestalten, dass nur diejenige Partei eines Rechtsgeschäfts zur Beschaffung von Informationen über einen Gegenstand angehalten wird, die sie mit dem geringsten Aufwand beschaffen kann:117 „Das Risiko eines Irrtums trägt folglich, allgemeiner ausgedrückt, derjenige am sinnvollsten, der ihn am einfachsten vermeiden kann […].“118 Koch beklagt, die Anfechtungsregeln trügen diesem gesamtgesellschaftlichen Interesse „allenfalls versteckt hinter den ganz anders definierten Merkmalen der Erheblichkeit von Irrtümern“ Rechnung.119 Adams orientiert sich ebenfalls an den Kosten der Informationsbeschaffung.120 Dabei stellt er vornehmlich darauf ab, ob die betreffende Information wohlfahrtssteigernd sei. Wenn ja, dürften demjenigen, der mittels eigener Anstrengungen einen Informationsvorteil erlangt habe, die vertraglichen Gewinne nicht durch eine Anfechtung des Gegners genommen werden.121

111  Vgl. Art. 3.5 UNIDROIT-Principles; Art. 4:103 PECL, außerdem Kramer, ZEuP 2007, 247, 255 ff.; Wiedemann, JZ 1998, 1173, 1176 f. 112  Ein entsprechender Vorschlag für das deutsche Recht findet sich bei Titze, FS Heymann, Bd. 2, 1940, S. 72, 110 f. Vgl. auch Drexelius, Irrtum und Risiko, 1964, S. 97 ff.; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2015, S. 241 f.; Kramer, ZEuP 2007, 247, 249; ders., Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998, Rn. 30; Wolf/Neuner, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 9; Zweigert, ZfRV 7 (1966), 12, 21 f. 113  Seien solche Irrtümer erkennbar, hätten die Erklärungen bereits den vom Erklärenden gewollten Inhalt. Wenn nicht, seien sie unbeachtlich. Vgl. nur Harke, ZEuP 2006, 326, 327 f. 114  M. Wolf in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 85, 100. 115 So Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 336. Vgl. überdies Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2015, S. 241 f. 116  Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 868. Siehe dazu auch S. 17 f. 117  Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 868. 118  Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 868. 119  Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 868. 120  Adams, AcP 186 (1986), 453, 468 ff. 121  Adams, AcP 186 (1986), 453, 475. Vgl. auch Kötz, FS Drobnig, 1998, S. 563, 569 ff.

268

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

C. Präferenzbeziehungen als Maßstab der Korrektur Von den beiden im BGB geregelten Gruppen der Diskrepanz zwischen Erklärungswert und Präferenz – Willensvorbehalte und Irrtümer – lässt sich mithin unter ökonomischen Gesichtspunkten nur die Korrektur von Irrtümern rechtfertigen. Damit ist allerdings noch nicht beantwortet, ob die Unterscheidung des § 119 BGB zwischen erheblichen und unerheblichen Irrtümern kohärent und ökonomisch überzeugend ist. Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des § 119 BGB belegt, dass die Norm weniger das Ergebnis grundlegender systematischer Überlegungen ist als vielmehr ein Produkt der Abwägung widerstrebender Interessen.122 Für theoretische Durchdringung und systematische Stringenz sollte nach dem Willen des Gesetzgebers die Wissenschaft sorgen.123 Im Folgenden wird sich zeigen, dass die gesetzgeberischen Entscheidungen, ökonomisch betrachtet, gleichwohl ein stringentes System erkennen lassen, in dem auch Fälle Platz finden, deren rechtliche Einordnung nach herkömmlicher Herangehensweise Probleme bereitet. Das Recht zur Beseitigung von Irrtümern vermag die Allokationseffizienz zu steigern (I.). Die Unterscheidung des BGB zwischen verschiedenen Arten von Irrtümern erschließt sich insbesondere dann, wenn die Frage als Entscheidungsproblem verstanden wird (II.). Dies lässt sich durch eine Darstellung der Präferenzbeziehungen illustrieren (III.).

I. Allokationseffizienz durch Anfechtung Rechtsgeschäftslehre und neoklassischer Ökonomie liegen vergleichbare Annahmen zugrunde. Wie bereits erwähnt,124 vertritt etwa Schmidt-Rimpler, dass für ausgehandelte Verträge eine Richtigkeitsgewähr besteht; der Wille jedes Vertragspartners setze dem Willen der anderen Seite(n) Grenzen.125 „Richtigkeit“ ist hierbei nicht absolut zu verstehen, sondern bezeichnet die subjektive Bewertung des Rechtsgeschäfts durch die beteiligten Parteien.126 Die Entsprechung nach dem Kriterium der Pareto-Effizienz lautet: Güter werden getauscht, wenn sich durch den Tausch die Position mindestens einer Partei verbessert und die Position keiner Partei verschlechtert. Keine Transaktionen finden (mehr) statt, wenn die Güter auf eine Weise verteilt sind, dass jeder weitere Tausch die Position ei122  Vgl. hierzu grundlegend Schermaier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, 2000, S. 607 ff. 123  Schermaier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, 2000, S. 607. 124  Siehe S. 89. 125  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 155 ff. 126  Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey, 1955, S. 1, 5 ff.

C. Präferenzbeziehungen als Maßstab der Korrektur

269

ner der daran beteiligten Parteien verschlechtern würde.127 Vertragsschlüsse sind also wohlfahrtssteigernd, wenn der Vertrag richtig bzw. ­Pareto-superior ist. Ist der Vertrag hingegen mit Fehlern behaftet, gilt diese Annahme nicht. Der Vertrag kann dann zu einer Fehlallokation der gehandelten Güter führen.128 In solchen Fällen ermöglicht das Anfechtungsrecht, die Bindung an den Vertrag rückwirkend zu beseitigen.129 Die Anfechtung gestattet mithin die Rückabwicklung (Pareto-)ineffizienter Transaktionen. Unter diesem Gesichtspunkt wurde das Anfechtungsrecht bislang nicht eingehender untersucht. Insbesondere werden § 119 Abs. 1 und 2 BGB aus ökonomischem Blickwinkel nicht als Gesamtsystem betrachtet. Die einschlägigen rechtsökonomischen Beiträge konzentrieren sich zumeist auf § 119 Abs. 2 (und § 123) BGB.130 Sie sind dem Bestreben geschuldet, ökonomisch sinnvolle Leitlinien für den Eigenschaftsirrtum (bzw. den Irrtum wegen Täuschung) zu finden. Dies ist insofern wenig verwunderlich, als die Rechtsökonomik traditionell im Deliktsrecht besonders wirkungsmächtig ist. Die Kehrseite der Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder (einseitigen) Eigenschaftsirrtums ist das Versäumnis des Erklärungsgegners, über einen bestimmten Aspekt aufzuklären. Hinzu kommt, dass Irrtümer nach § 119 Abs. 2 BGB ein kalkulierbares und quantifizierbares Risiko darstellen, das rationale Parteien in ihre Entscheidung einfließen lassen können. Bei näherer Betrachtung eint § 119 Abs. 1 und Abs. 2 BGB aber, dass sie – zu Wohlfahrtsverlusten führende – Fehlallokationen vermeiden helfen. Selbstverständlich muss auch bei dieser Betrachtung der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Anfechtung mit Transaktionskosten verbunden ist. Eine Anfechtungsregel, die zu Wohlfahrtsmaximierung führen soll, müsste die Rückabwicklung folglich immer dann zulassen, wenn die Wohlfahrtsverluste, die durch eine irrtumsbedingte Fehlallokation entstanden sind, die durch die Rückabwicklung verursachten Transaktionskosten übersteigen.131 § 119 BGB gibt eine solche Abwägung nicht unmittelbar vor. Das Recht der Irrtumsanfechtung verfügt aber über mehrere Stellschrauben, welche die Ge127 

Dazu bereits S. 10 f. (für den Kapitalmarkt) nur Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral ­Finance, 2006, S. 74. 129  Vgl. nur Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 854. Das hier zugrunde gelegte Verständnis von „Effizienz“ ist weiter als in einigen anderen rechtsökonomischen Untersuchungen, in denen nicht mit Pareto optimality, sondern mit Kaldor-Hicks gearbeitet wird (zu beiden siehe S. 10 ff.). 130  So etwa Adams, AcP 186 (1986), 453; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 244 ff., 336 ff. (der zudem den Kalkulationsirrtum untersucht); Kötz, FS Drobnig, 1998, S. 563 ff.; G. Wagner in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 59 ff. 131 Vgl. Rasmusen/Ayres, 22 J. Legal Stud. 309, 323 (1993), die allerdings von einem engeren Begriff der Fehlallokation ausgehen (siehe Fn. 129). 128 Vgl.

270

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

fahr verringern, dass eine Partei die Anfechtung erklärt, wenn dies nicht effizient ist. So ist eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB nur dann gestattet, wenn ein objektiver Dritter die Erklärung nicht abgegeben haben würde, wenn er demselben Irrtum unterlegen wäre. Dieser objektive Dritte würde auch eine ökonomische Abwägung (im Interesse des Erklärenden) vornehmen. Wegen eines Eigenschaftsirrtums darf der Erklärende nach § 119 Abs. 2 BGB nur dann anfechten, wenn der Irrtum eine Eigenschaft einer Person oder Sache betrifft, die im Verkehr als wesentlich angesehen wird. Auch hier ist der Maßstab also in gewisser Hinsicht objektiviert. Zudem und vor allem ist der Erklärende verpflichtet, dem Empfänger unter den Voraussetzungen des § 122 BGB einen etwaigen Vertrauensschaden zu ersetzen. Damit internalisiert das Gesetz die Externalitäten, die der Erklärende durch seine Anfechtung produziert, also die Kosten der Rückabwicklung. Es hält den Erklärenden dazu an, die Kosten der Fehlallokation mit jenen der Rückabwicklung zu vergleichen und eine Anfechtung wegen Irrtums nur dann zu erklären, wenn die Kosten der Fehlallokation überwiegen.132 Nicht berücksichtigt werden allerdings die Einrichtungskosten der Anfechtung. Bereits die Existenz der Anfechtung ist mit Kosten verbunden. Dass das Recht dem Erklärenden unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zur Anfechtung gewährt, schafft Unsicherheit für den Empfänger. Er kann sich nicht darauf verlassen, dass er den benefit of the bargain wird behalten dürfen.

II. Entscheidungsverhalten der Marktteilnehmer Der erforderlichen Abwägung zwischen den unterschiedlichen Kostenpunkten trägt § 119 BGB somit teilweise mittelbar Rechnung. Die Struktur von § 119 Abs. 1 und 2 BGB ist aber an Kategorien von Irrtümern ausgerichtet (Erklärungs-, Inhalts-, Eigenschaftsirrtum), die sich im Hinblick auf eine Abwägung zwischen den Kosten, die durch Fehlallokation entstehen, und den Kosten der Rückabwicklung nicht unbedingt voneinander trennen lassen. Legt man den Fokus hingegen auf das Entscheidungsverhalten der Marktteilnehmer, stellt sich die im BGB getroffene Unterscheidung zwischen beachtlichen und nichtbeachtlichen Irrtümern als ein System dar, das aus ökonomischer Sicht schlüssig ist. Ob ein Verkehrsteilnehmer eine Erklärung abgibt und – wenn ja – mit welchem Inhalt, ist aus ökonomischer Sicht ein Entscheidungsproblem. Die Marktteilnehmer müssen sich entscheiden, welche Güter sie zu welchen Konditionen austauschen wollen. Es gibt viele Theorien, die sich mit dem Entscheidungsverhalten von Marktteilnehmern beschäftigen. In Verästelungen unter132  So auch Birmingham, 24 Rutgers L. Rev. 273, 284 (1970), der insbesondere weitergehende Sanktionen ablehnt.

C. Präferenzbeziehungen als Maßstab der Korrektur

271

scheiden sie sich erheblich.133 Die Grundelemente sind aber weitgehend gleich. Die Theorien betrachten das Verhalten von Akteuren, die Restriktionen unterliegen, über persönliche Präferenzen verfügen und unter mindestens zwei Varianten wählen können.134 Sie formulieren eine Regel, die beschreibt, welche Entscheidungen Akteure unter diesen Bedingungen treffen.135 Auf Basis dieser Grundelemente lassen sich auch die Regeln zur Irrtumsanfechtung beschreiben und ihre wirtschaftlichen Hintergründe verdeutlichen. Im Folgenden wird daher auf grundlegende Darstellungen der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung zurückgegriffen – auf Komplexitäten wird soweit wie möglich verzichtet. Das Entscheidungsverhalten der Marktteilnehmer wird bestimmt durch ihre Präferenzen.136 Präferenzen sind subjektiv. Ob ein Akteur Güterbündel A oder Güterbündel B präferiert, vermag nur er selbst zu entscheiden. Ökonomische Theorien setzen die Präferenzen der Akteure als gegeben voraus.137 Die meisten Theorien operieren nicht (mehr) mit der Annahme, dass Akteure einem Gut abstrakt einen bestimmten Nutzenwert zuordnen (kardinale Reihung).138 Sie gehen lediglich davon aus, dass Akteure in der Lage sind zu bewerten, ob ein Güterbündel – subjektiv betrachtet – besser, schlechter oder ebenso gut ist wie ein anderes Güterbündel (ordinale Reihung).139 „Nutzen“ indiziert daher nur, inwieweit eine Konsumentscheidung den Präferenzen des handelnden Akteurs entspricht. Das BGB operiert ebenfalls unter der Grundannahme, dass Menschen selbstbestimmt handeln. Das Gesetz enthält Regelungen, die es den Parteien ermöglichen (sollen), ihren Willen zu verwirklichen. Was die Parteien wollen sollen, regelt es nicht. Dies lässt sich gut anhand des § 119 Abs. 2 BGB erläutern. Hiernach berechtigen Irrtümer über Eigenschaften einer Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden, zur Anfechtung. Ein Käufer, der einen Kaufvertrag über ei133 

Für einen Überblick vgl. nur Coleman/Fararo (Hrsg.), Rational Choice Theory, 1992.

134 Vgl. Diekmann/Voss in: Diekmann/Voss (Hrsg.), Rational-Choice-Theorie in den So-

zialwissenschaften, 2004, S. 13, 14 f. 135  Diekmann/Voss in: Diekmann/Voss (Hrsg.), Rational-Choice-Theorie in den Sozialwissenschaften, 2004, S. 13, 15. 136 Vgl. nur Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 9. Aufl. 2018, S. 98; Varian, Inter­ mediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 36. 137  Im Kern ist die Mikroökonomie deskriptive Sozialwissenschaft. Sie untersucht, wie sich Marktteilnehmer verhalten, und versucht, dieses Verhalten vorherzusagen. Auch in Bereichen, in denen sie sich von ihrem deskriptiven Forschungsprogramm weit entfernt hat, etwa in der Spieltheorie, geht es ihr darum zu bestimmen, wie Menschen ihre Ziele möglichst gut erreichen können. Darüber, welche Ziele dies sind, kann sie hingegen keine Aussagen treffen. Vgl. nur Magen in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 170 ff. m.w.N. 138  Vgl. nur Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 57 f. 139  Vgl. nur Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 54 f.

272

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

nen vergoldeten Ring schließt, darf sich also von dem Vertrag lösen, wenn er bei Vertragsschluss denkt, der Ring sei golden.140 Er hat dieses Recht, weil er einen goldenen Ring wollte und nicht bekommen hat. Warum ihm das Material des Ringes wichtig war, spielt für sein Anfechtungsrecht keine Rolle. Zugleich gilt: Motivirrtümer berechtigen nicht zur Anfechtung gem. § 119 BGB.141 Motivirrtümer sind Fehler bei der (ordinalen) Reihung, also bei der Entscheidung eines Akteurs, ob er ein Gut besser bewertet als ein anderes. Aus ökonomischer Sicht ist das konsequent. Es gibt keinen objektiven Maßstab, an dem Präferenzen gemessen werden können. Damit sind Präferenzen immer „richtig“. Ob ein Dritter die Entscheidungen nachvollziehen kann oder nicht, ist unerheblich. Wenn die Arbeit im Folgenden dennoch von der Annahme „plausibler“ Präferenzen142 ausgeht, tut sie dies, um die Präferenzen formal und geometrisch leichter handhaben zu können.143 „Plausible“ Präferenzen sind vollständig, transitiv und monoton.144 Vollständig sind Präferenzen, wenn Akteure sämtliche Handlungsmöglichkeiten kennen und rangmäßig bewerten können.145 Transitiv sind Präferenzen, wenn die aufgestellte Rangordnung widerspruchsfrei ist.146 Wer Gut 1 mehr schätzt als Gut 2 und Gut 2 wiederum Gut 3 vorzieht, muss nach dieser Annahme Gut 1 besser bewerten als Gut 3.147 Dass Präferenzen monoton sind, bedeutet: Unter sonst gleichen Bedingungen ziehen Akteure eine größere Menge eines Guts einer kleineren strikt vor; Sättigung tritt nicht ein.148 Mit anderen Worten: „Mehr ist immer besser.“149 Konsumentscheidungen werden in der Mikroökonomie vor allem dargestellt als Entscheidungen über die Aufteilung eines gegebenen Budgets auf bestimmte Mengen unterschiedlicher Güter. Von den vorhandenen Möglichkeiten wird der Akteur diejenige Güterkombination auswählen, die ihn am besten befriedigt. 140 

Siehe dazu S. 320 f. Zur Abgrenzung von Motiv- und Eigenschaftsirrtum siehe S. 324 ff. 142  Vgl. nur Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 35 f. 143  Vgl. dazu etwa die Übersicht und Diskussion bei Jehle/Reny, Advanced Microeconomic Theory, 3. Aufl. 2011, S. 5 ff. 144  Vgl. nur Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 9. Aufl. 2018, S. 101 f.; Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 35 f. Kritisch etwa H. A. Simon, Reason in Human Affairs, 1983, S. 13 ff. 145  Vgl. nur Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 9. Aufl. 2018, S. 101. 146 Vgl. nur Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 9. Aufl. 2018, S. 101; Varian, Inter­ mediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 35 f. 147 Vgl. nur Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 9. Aufl. 2018, S. 101; Varian, Inter­ mediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 35 f. 148  Vgl. nur Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 9. Aufl. 2018, S. 101 f.; Stobbe, Mikro­ ökonomik, 2. Aufl. 1991, S. 83; Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 45. Vertiefend und mit Alternativvorschlag Jehle/Reny, Advanced Microeconomic Theory, 3. Aufl. 2011, S. 10 f. 149  Vgl. nur Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 9. Aufl. 2018, S. 101 f.; Stobbe, Mikro­ ökonomik, 2. Aufl. 1991, S. 83; Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 45. 141 

C. Präferenzbeziehungen als Maßstab der Korrektur

273

III. Präferenzbeziehungen Klassischerweise werden Präferenzbeziehungen durch Beziehungsangaben, Indifferenzkurven oder Nutzenfunktionen abgebildet. Aller drei Formen bedient sich auch diese Arbeit.

1. Beziehungsangaben Präferenzbeziehungen lassen sich formal darstellen. Eine Person möge zwei Güterbündel (x1, x2) und (y1, y2) bewerten. Zieht sie das Güterbündel (x1, x2) stets, also streng, dem Güterbündel (y1, y2) vor, lautet die Formel (x1, x2) ≻ (y1, y2). Ist sie mit beiden Bündeln gleich zufrieden, also indifferent, lautet die Formel (x1, x2) ~ (y1, y2). Bevorzugt sie das Güterbündel (x1, x2) schwach, ist sie also indifferent oder mit dem Bündel (x1, x2) zufriedener als mit (y1, y2), dann gilt (x 1, x2) ≽ (y1, y2 ).150

2. Indifferenzkurven Indifferenzkurven ermöglichen ebenfalls die Darstellung von Präferenzen.151 Auch hier lässt sich das Verfahren anhand eines Beispiels erläutern: Es gibt zwei Arten Güter, Gut 1 und Gut 2. Die Präferenzen eines Akteurs für Bündel dieser Güter lassen sich durch ein Diagramm darstellen. Die Achsen des Diagramms (x1 und x2) sind je einem der Güter gewidmet. Der Nullpunkt der Achsen steht für null Einheiten des betreffenden Guts. Je weiter ein Punkt auf einer Achse vom Nullpunkt entfernt ist, desto größer ist die Anzahl der Einheiten. In das Diagramm lassen sich Punkte einzeichnen, die für Güterbündel stehen, zwischen denen der Akteur indifferent ist. Die Kurve, die durch eine Verbindung der Punkte entsteht, ist die Indifferenzkurve (Abb. 1  Seite 274). Alle Güterbündel (x1, x2), die sich rechts oberhalb der Indifferenzkurve befinden, werden von dem Akteur schwach bevorzugt. Aus Sicht des Akteurs sind sie also besser, zumindest aber genauso gut wie ein Bündel auf der Indifferenzkurve. Alle Güterbündel links unterhalb der Indifferenzkurve sind für den Akteur weniger wert als Bündel, die sich auf der Kurve befinden. Die Bewertung der einzelnen Güter durch den Akteur sowie das Verhältnis, in dem er bereit ist, ein Gut für ein anderes einzutauschen, beeinflussen die Form der Indifferenzkurve.152

150 

Vgl. nur Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 34. nur Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 9. Aufl. 2018, S. 102; Varian, Inter­ mediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 37. 152  Hierzu grundlegend Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 37 ff. 151 Vgl.

274

x2 (Gut 2)

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

x1 (Gut 1) Abb. 1:  Indifferenzkurve im Zwei-Güter-Fall

Weil die Arbeit mit der Annahme monotoner Präferenzen operiert, verlaufen Indifferenzkurven fallend von links oben nach rechts unten.153 Überdies gilt: Es gibt unendlich viele Indifferenzkurven. Jede von ihnen bezeichnet ein eigenes Nutzenniveau (vgl. Abb. 2). Sowohl die Kurve in Abb. 1 als auch die Kurven in Abb. 2 sind konvex. Dies ist folgender Annahme geschuldet:154 Akteure sind eher bereit, eine Einheit eines Gutes aufzugeben, wenn sie bereits über viele Einheiten dieses Gutes verfügen oder, umgekehrt formuliert, sie ziehen aus einer zusätzlichen Einheit eines Gutes weniger Nutzen, wenn sie bereits über viele Einheiten dieses Gutes verfügen. Als einfaches Beispiel mag ein Besuch in der Eisdiele herhalten: Für die erste Kugel Eis wird ein Akteur bereit sein, mehr auszugeben als für die zweite, für die er aber mehr zu zahlen bereit wäre als für die dritte, die ihm wiederum mehr wert wäre als die n-te Kugel Eis.155 Mit Indifferenzkurven lassen sich unterschiedliche Entscheidungsprobleme darstellen. Für die ökonomische Analyse des Anfechtungsrechts ist wichtig, dass Indifferenzkurven illustrieren, wie sehr eine Person ein Gut schätzt. An ihnen lässt sich ablesen, wie viele Einheiten eines Gutes ein Akteur aufgeben 153 Vgl. nur Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 9. Aufl. 2018, S. 103, 105 f.; Stobbe, Mikro­ökonomik, 2. Aufl. 1991, S. 85; Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 45. 154  Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 51 f. 155  Dieses Beispiel verwendet auch Towfigh in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden im Recht, 2. Aufl. 2017, Rn. 65.

275

x2 (Gut 2)

C. Präferenzbeziehungen als Maßstab der Korrektur

x1 (Gut 1) Abb. 2:  Drei Indifferenzkurven im Zwei-Güter-Fall

würde, um eine Einheit eines bestimmten anderen Gutes zu erhalten. Ökonomen nennen dieses Verhältnis „Grenzrate der Substitution“.156 Die Indifferenzkurven in Abb. 1 und 2 etwa zeigen für jede Anzahl an Einheiten, die der Akteur von Gut 1 hat (x1), wie viele Einheiten des Gutes 2 (x2) er aufgeben würde, um eine weitere Einheit von Gut 1 zu erhalten – und umgekehrt. Die Grenzrate der Substitution entspricht dabei der Steigung der Indifferenzkurve. In das Koordinatensystem der Indifferenzkurven lässt sich – wie in Abb. 3 ( Seite 276) geschehen – zudem eine Budgetgerade einzeichnen, also eine Linie, die die Restriktionen des Akteurs anzeigt. Anhand dieser Geraden lässt sich grafisch aufzeigen, für welches Güterbündel sich der Akteur bei gegebenen Budgetrestriktionen entscheidet, wenn er seinen Nutzen maximieren will. Um einen maximalen Nutzen zu erzielen, wird der Akteur ein Güterbündel wählen, das auf der Budgetgeraden liegt. Güterbündel, die rechts oberhalb der Budgetgeraden liegen, kann er sich nicht leisten. Wählt er ein Güterbündel, das links unterhalb der Budgetgeraden liegt, hat er nicht all seine Mittel ausgenutzt, um seinen Nutzen zu steigern.157

156 

Vgl. nur Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 48. Dass Konsumenten Geld sparen, ist in diesem Entscheidungsproblem nicht angelegt. Ein Entscheidungsproblem, das diese Möglichkeit berücksichtigt, müsste dem Akteur neben dem Erwerb der Güter A und B die Option geben, Geld für künftige Konsumentscheidungen zurückzulegen. Vgl. hierzu Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 9. Aufl. 2018, S. 119 f.; ­Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 73 f. 157 

276

I1

I2

I3

y/p2

x2 (Gut 2)

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

Haushaltsoptimum

Bu dg et

ge r

ad e

y/p1

x1 (Gut 1)

Abb. 3:  Haushaltsoptimum im Zwei-Güter-Fall

Optimal für den Akteur ist der Punkt der Budgetgeraden, der das Güterbündel abbildet, welches ihm die größte Befriedigung bereitet. Abb. 3 zeigt eine typische Indifferenzkurvenschar. Alle Güterbündel auf einer Indifferenzkurve schätzt der Akteur gleich. Güterbündel, die auf einer höheren Indifferenzkurve liegen, zieht der Akteur allen Güterbündeln einer niedrigeren Indifferenzkurve strikt vor (I3 ≻ I2 ≻ I1).158 Der Akteur wird sich mithin für das Güterbündel entscheiden, das dem Punkt entspricht, an dem die Budgetgerade die höchste Indifferenzkurve berührt. In Abb. 3 ist dieser Punkt als Haushaltsoptimum markiert (grauer Punkt). Es ist der Tangentialpunkt zwischen der Indifferenzkurve I2 und der Budgetgeraden.159 In diesem Punkt entspricht die Steigung der Budgetgeraden der Steigung der Indifferenzkurve I2. Da der Verlauf der Budgetgeraden abhängig ist von den Preisen der Güter 1 und 2, gilt: Die Steigung der Indifferenzkurve entspricht der Grenzrate der Substitution, also dem Vorteil, der mit dem Konsum einer weiteren Einheit verbunden ist (Grenznutzen). Die Steigung der Budgetgeraden entspricht den Kosten, die mit dem Konsum einer weiteren Einheit verbunden sind (Grenzkosten). Op-

158  Das ergibt sich aus der Annahme, dass Präferenzen strikt monoton sind. Siehe dazu S. 272. 159  Vgl. statt aller Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 74.

C. Präferenzbeziehungen als Maßstab der Korrektur

277

x2 (Gut 2)

timal ist die Konsumentscheidung dann, wenn die Grenzkosten ihrem Grenznutzen entsprechen. Indifferenzkurven können abbilden, ob sich die Position eines Akteurs durch eine Transaktion (subjektiv) verbessert, verschlechtert oder gleich bleibt. Dies bedeutet zugleich: Mithilfe von Indifferenzkurven lässt sich illustrieren, ob eine Transaktion zu einer Situation führt, die nicht (Pareto‑)effizient ist und in der aus diesem Grunde ein Anfechtungsrecht bestehen könnte. I1

I2

I3

B D A C

x1 (Gut 1) Abb. 4:  Drei Indifferenzkurven im Zwei-Güter-Fall

In Abb. 4 sind verschiedene Punkte eingezeichnet. Der Punkt C stellt den Ausgangswert eines Akteurs dar, also seine (subjektive) Position vor der Transaktion. Liegt seine Position nach Austausch der Güter auf Punkt D, hat die Transaktion seinen Nutzen gemehrt. Liegt sein Vermögensstand auf Punkt B, hat er Güter, die er ebenso schätzt wie die in seinem Ausgangsbündel. Die Transaktion war für ihn also neutral. Unterlag er bei der Transaktion aber einem Irrtum und hat er nun ein durch Punkt A dargestelltes Güterbündel erhalten, hat er seine Position verschlechtert. Die neue Güterverteilung ist Pareto-inferior.

3. Nutzenfunktion Umfassendere Aussagen über Präferenzen von Akteuren lassen sich abbilden, indem Präferenzordnungen durch Nutzenfunktionen statt durch Indiferrenzkurven dargestellt werden. Bei einer Nutzenfunktion wird jedem möglichen

278

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

Güterbündel (X) eine reelle Zahl zugewiesen. Höhere Zahlen bezeichnen stärker präferierte Güterbündel als niedrigere.160 Der Nutzen (utility), den der Handelnde aus dem Konsum eines Güterbündels zieht, wird mit u bezeichnet. Der Nutzen des Güterbündels X1 ist also u(X1). Eine Nutzenfunktion, die die Präferenzordnung X1 ≻ X2 repräsentiert, erfüllt die Bedingung u(X1) > u(X2). Die Nutzenfunktion u bildet ordinal den Nutzen ab, den der Akteur aus dem Konsum der Güter x1, x2, x 3, … xn zieht. Die Größe des Abstands zwischen den Güterbündeln (d.h. die Differenz der Nutzenwerte) enthält daher keine Aussage.161 Als neoklassische Entscheidungsregel gilt: Unter der Budgetrestriktion Y wird jeder Handelnde versuchen, ein Maximum an Befriedigung zu erzielen, das heißt u(x1, x2, x 3, … xn) R max!.162 X1 60

u(x1 , x2)

50 40 30

X2

20 10

0

0

0

5

10

15

20

25

x1

30

35

40

45

50 40 30 20 x2 10

50

Abb. 5:  (Cobb-Douglas) Nutzenfunktion im Zwei-Güter-Fall, u(x1, x2) = √x─1 · √x─2

IV. Anwendung auf Irrtumsfälle Die Nutzenfunktion ermöglicht – das ist für die Darstellung des Anfechtungsrechts wichtig – Aussagen darüber, ob sich die (subjektive) Position des Akteurs durch eine Transaktion verschlechtert hat. Der in Abb. 5 dargestellte Tausch eines Güterbündels mit u(X1) gegen ein Güterbündel u(X 2) etwa stellt für den Akteur eine Verschlechterung dar – die Transaktion ist also Pareto-inferior. Durch Nutzenfunktionen lassen sich weitere, für die Irrtumsanfechtung relevante Informationen darstellen. Ein Akteur möge etwa in einer Entschei160 

Vgl. statt aller Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 55. Präferenzordnung lässt sich mithin durch unterschiedliche Nutzenfunktionen beschreiben, solange die Rangfolge der Güterbündel untereinander erhalten bleibt (monotone Transformation). Vgl. statt aller Stobbe, Mikroökonomik, 2. Aufl. 1991, S. 95; Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 55. 162  Stobbe, Mikroökonomik, 2. Aufl. 1991, S. 95. 161  Eine

C. Präferenzbeziehungen als Maßstab der Korrektur

279

dungssituation – nehmen wir die Zusammenstellung eines Eisbechers – wählen können, ob er Kugeln Vanilleeis (x1), Erdbeereis (x2) oder Schokoladeneis (x 3) erwerben möchte. Der Nutzen, den er aus dem Konsum eines Güterbündels X, bestehend aus n Kugeln Vanilleeis, n Kugeln Erdbeereis und n Kugeln Schokoladeneis zieht, bestimmt sich nach seiner Nutzenfunktion u(x1, x2, x 3) = β1 x1 + β2 x2 + β3 x 3.163 Die Koeffizienten β1, β2 und β3 bezeichnen, wie sehr der Akteur die jeweilige Geschmacksrichtung (x) zum Zeitpunkt der Entscheidung schätzt.164 Vorliegend mag der Handelnde Vanilleeis am liebsten. Erdbeereis schätzt er mehr als Schokoladeneis, d.h. x1 ≻ x2; x2 ≻ x 3. Diese Rangordnung geben die Koeffizienten wieder, wenn β1 > β2 > β3. Der subjektive Teil der Präferenzordnung wird daher durch die Koeffizienten angezeigt. Die Nutzenfunktion verdeutlicht also den, für die Irrtumsanfechtung relevanten, Unterschied zwischen der Eigenschaft eines Gutes (x) und der Motivation des Akteurs für den Erwerb eben dieses Gutes (β). Um die Entscheidungstheorien für die Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB nutzbar zu machen, muss das neoklassische Modell erweitert werden. Herkömmlicherweise gehen ökonomische Theorien davon aus, dass Akteure zwischen Gütern wählen – nicht zwischen Eigenschaften. Lancaster modifiziert das neoklassische Modell, indem er Güter als heterogene Eigenschaftsbündel betrachtet.165 Er geht dabei von folgenden Annahmen aus: „(1) All goods possess objective characteristics relevant to the choices which people make among different collections of goods. The relationship between a given quantity of a good (or a collection of goods) and the characteristics which it possesses is essentially a technical relationship, depending on the objective properties of the goods and, sometimes, a context of technological ‚know-how‘ as to what the good can do, and how. (2) Individuals differ in their reactions to different characteristics rather than their assessment of the characteristics content of various goods collections. It is the characteristics in which consumers are interested. They possess preferences for collections of character­ istics, and preferences for goods are indirect or derived in the sense that goods are required only in order to produce the characteristics.“166

Nach Lancaster ist die Entscheidung von Akteuren also nicht darauf ausgerichtet, ein Güterbündel zu erwerben, sondern ein Eigenschaftsbündel, und zwar dasjenige Eigenschaftsbündel, das ihnen den meisten Nutzen bringt. Für ein Güterbündel entscheiden sie sich nur deswegen, weil sie die Eigenschaften nicht 163  Die vorliegende Arbeit operiert mit linearen Nutzenfunktionen. Sie sind aus mathematischer Sicht am einfachsten zu handhaben. 164  Vgl. dazu statt aller (und ohne Eisbeispiel) Varian, Intermediate Microeconomics, 9. Aufl. 2014, S. 61. 165  Lancaster, Consumer Demand, 1971. Er löst damit das ökonomische Problem „ähnlicher Güter“: Nach neoklassischem Verständnis ist unerheblich, ob sich die Güter grundlegend oder nur in Winzigkeiten unterscheiden. 166  Lancaster, Consumer Demand, 1971, S. 7 [Kursivierung im Original].

280

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

einzeln erwerben können.167 Lancasters Theorie operiert also auf zwei Ebenen, oder vielmehr: in zwei unterschiedlichen Vektorräumen. Der Handelnde zieht seinen Nutzen aus den Eigenschaften einer Sache (Eigenschaftsraum). Er kann die Eigenschaften aber nur in Form von Gütern erwerben (Güterraum).168 Auch § 119 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass Akteure an Eigenschaften von Gütern – Personen oder Sachen – interessiert sind. Manche dieser Eigenschaften sind nach der Konzeption des Gesetzes verkehrswesentlich. Ihr Vorliegen ist kausal dafür, dass Verkehrsteilnehmer eine Willenserklärung in Bezug auf die betreffende Person oder Sache abgeben. Wo erforderlich, wird die Arbeit daher Lancasters Ansatz nutzbar machen. Ansonsten wird der schlankeren Annahmen wegen das neoklassische Modell verwendet. Selbst dort, wo auf Lancaster rekurriert wird, wird nur auf das Entscheidungsmodell für den Eigenschaftsraum zurückgegriffen. Bereits anhand dieses Raums lässt sich illustrieren, ob eine Transaktion zu einer Pareto-infe­ rioren Eigenschaftsallokation geführt hat, und ob ein Irrtum die Motivlage oder eine objektive Eigenschaft der Sache betrifft. Die Darstellung von Präferenzen im Eigenschaftsraum unterscheidet sich nicht von der Darstellung nach neoklassischen Theorien.169 Nur für die Abbildung von Entscheidungen in Lancasters Güterraum bedarf es einiger mathematischer Feinheiten.170

D. Anfechtbarkeit als effizienter Korrekturmechanismus Dass das BGB dem Irrenden gestattet, sein Verhalten zu korrigieren, ist – rechtsvergleichend betrachtet – wenig originell. Nicht in allen Rechtsordnungen wird dem Erklärenden aber die Möglichkeit eröffnet, eine Erklärung durch Willenserklärung anzufechten.171 In manchen Rechtsordnungen sind Willenserklärungen, die der Erklärende irrtümlich abgegeben hat, unter bestimmten Voraussetzungen ipso iure (absolut) unwirksam.172 Andere gewähren dem Irrenden kein 167  So verstanden steht der Ansatz von Lancaster in enger Beziehung zu anderen eher produktionsorientierten Entscheidungstheorien wie etwa der von G. Becker, The Economic Approach to Human Behavior, 1976. Vgl. auch Darby/Karni 16 J. L. & Econ. 67, 69 ff. (1973). 168  Vgl. etwa Lancaster, Consumer Demand, 1971, S. 21. 169  Lancaster, Consumer Demand, 1971, S. 20 f. 170  Vgl. dazu Lancaster, Consumer Demand, 1971, S. 15 ff. 171  Vgl. hierzu auch Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 866 f. 172  Nach britischem Recht führt ein fundamental mistake of fact in engen Grenzen zur Unwirksamkeit einer Erklärung bzw. eines Rechtsgeschäfts, vgl. nur v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, 5. Aufl. 2018, S. 55 f.; Burrows, English Private Law, 3. Aufl. 2013, Rn. 8.133 ff. sowie, mit rechtsvergleichenden Bezügen, Dannemann/Vogenauer, The Common European Sales Law in Context, 2013, S. 391, 395 ff.; Rothoeft, System der Irrtumslehre als Methodenfrage der Rechtsvergleichung, 1968, S. 83 f. In Frankreich wurde bis zur Ver-

D. Anfechtbarkeit als effizienter Korrekturmechanismus

281

Gestaltungsrecht, sondern verpflichten ihn dazu, eine Anfechtungsklage zu erheben.173 Die Erklärung wird dort also nur dann unwirksam, wenn eine staatliche Stelle ihr die Wirksamkeit abgesprochen hat. Dass das BGB Willenserklärungen unter bestimmten Voraussetzungen für anfechtbar erklärt, der Erklärende seine irrtumsbehaftete Erklärung also gem. § 143 Abs. 1 BGB „durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner“ vernichten kann, war auch in Deutschland nicht immer selbstverständlich. Noch Ende der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte der Begriff der Anfechtbarkeit eine weit weniger festgelegte Bedeutung als heute. So beschreibt Savigny die „verschiedenen Arten und Graden“ der Anfechtbarkeit: „Sie kommt vor in Gestalt einer Klage (a); einer Exception (b); einer Obligation auf eine neue juristische Handlung mit einem, der früheren Thatsache entgegengesetzten, Erfolg (c); ferner durch den Antrag auf Restitution, oder auf Bonorum possessio contra tabulas.“174 Eine Anfechtung durch Willenserklärung findet sich bei Savigny nicht. Puchta erwähnt sie kurze Zeit später,175 ohne aber zu erklären, unter welchen Umständen eine solche Anfechtung greifen soll. Im Gemeinen Recht erfolgte die Anfechtung im Savignyschen Sinne vor allem durch Klage, Exception und Restitution.176 Das sächsische Gesetzbuch war das erste deutsche Gesetzbuch, das eine Anfechtung durch Willenserklärung ermöglichte.177 tragsrechtsreform vom 1. Oktober 2016 vertreten, dass ein erreur obstacle, also ein Irrtum, der ein Hindernis (obstacle) für die Einigung darstellt, zu absoluter Nichtigkeit (oder sogar Inexistenz) führt, vgl. nur Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, S. 485, 491; Gaibler, Der rechtsgeschäftliche Irrtum im französischen Recht, 1997, S. 90 f., 141. Nach der Reform des frz. Code Civil ist dieser Ansicht der Boden entzogen. Zur Reform ausführlich Sonnenberger, ZEuP 2017, 6 ff. und Babusiaux/Witz, JZ 2017, 496 ff. Nach Art. 23 des Schweizerischen OR ist ein Vertrag für denjenigen, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum (i.S.d. Art. 24 Abs. 1 OR) befunden hat, „unverbindlich“. Laut Rechtsprechung ist der Vertrag dann automatisch unwirksam, vgl. Huber, Irrtumsanfechtung und Sachmängelhaftung, 2001, S. 77. Die herrschende Ansicht in der Lehre versteht diese einseitige Unverbindlichkeit hingegen als Anfechtbarkeit, vgl. Kramer, Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998, Rn. 96. 173  So ist nach Art. 1131 frz. Code Civil eine Anfechtungsklage (action en nullité) erforderlich, um die (relative) Nichtigkeit einer Willenserklärung wegen eines beachtlichen erreur im Sinne der Art. 1132–1136 frz. Code Civil geltend zu machen und richterlich feststellen zu lassen. Vgl. Sonnenberger, ZEuP 2017, 6, 31. Ebenso ist für die Geltendmachung eines Irrtums gem. §§ 871, 877 ABGB nach herrschender Lehre eine Klage erforderlich, vgl. Schwimann/ Neumayr/Kolmasch, ABGB Taschenkommentar, 4. Aufl. 2017, § 871 Rn. 27; Kramer, Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998, Rn. 95. 174  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. IV, 1841, S. 537. 175  Puchta, Pandekten, 10. Aufl. 1866, § 67, S. 105: „Die Anfechtung geschieht regelmäßig durch ein gerichtliches Rechtsmittel, möglicherweise kann aber auch einer außergerichtlichen Erklärung diese Wirkung beigelegt sein.“ 176  Harder, AcP 173 (1973), 209, 213. 177 § 849 S. 2 Sächsisches BGB: „Die Anfechtung gilt erst als geschehen, wenn der dazu Berechtigte dem Anderen gegenüber erklärt, daß er den Vertrag anfechte, und es löst sich

282

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

I. Vergleich mit alternativen Korrekturmechanismen Im Vergleich zu sonstigen Mechanismen der Fehlerkorrektur, die während des Gesetzgebungsverfahrens zum Erlass des BGB diskutiert wurden oder in anderen Rechtsordnungen bestehen, erweist sich die Anfechtbarkeit als überlegen.

1. Anfechtungsklage In der Ersten Kommission wurde diskutiert, ob das BGB den sächsischen Weg gehen oder ob eine Anfechtungsklage erforderlich sein sollte. Obwohl die Klage mehr Rechtssicherheit biete, entschied sich die Kommission dafür, die Anfechtung durch Willenserklärung zu gestatten, weil sie sonst „ohne Noth erschwert“ werde.178 Die Kommission betont also die Mühen, die eine Klage für den Erklärenden darstellen würde. Ihm entstehen in jedem Fall Form- sowie Verfahrenskosten. Die Rechtssicherheit, die ein staatliches Nichtigkeitsurteil mit sich bringt, ist aber unter Umständen nicht nur für den Erklärenden teuer erkauft.179 Die Anfechtungsklage verursacht Einrichtungskosten für den Staat. Je nach Ausgestaltung entstehen zudem auch dem Empfänger Aufwendungen. Ist er etwa Partei des Anfechtungsverfahrens, muss er sich – gegebenenfalls durch einen Rechtsanwalt – selbst dann äußern, wenn er die Anfechtung anerkennt. Ob die größere Sicherheit, die das staatliche Urteil mit sich bringt, weil es verbindlich feststellt, dass die Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen, diese bei einer Anfechtungsklage in jedem Fall entstehenden Kosten aufwiegt, ist fraglich. Bei einer Anfechtung durch Willenserklärung fallen die mit einem Gerichtsverfahren verbundenen zusätzlichen Kosten nur an, wenn die Parteien uneinig sind, ob der Erklärende anfechten durfte, ob also die Voraussetzungen einer Anfechtung gegeben waren.180 Wie bereits festgestellt,181 ist die Anfechtung einer Erklärung unter anderem nur dann ökonomisch sinnvoll, wenn die damit verbundenen Kosten nicht höher sind als die Wohlfahrtverluste, die durch die irrtumsbedingte Fehlallokation entstehen. Ein Korrekturmechanismus, der – wie die Anfechtungsklage – unnötig hohe Kosten verursacht, würde also rationale Vertragsparteien häufiger von einer Anfechtung abhalten. Ineffiziente Verträge hätten damit häufiger Bestand, obwohl sie zu einer suboptimalen Güterverteilung führen. dann der Vertrag für beide Theile auf.“ Vgl. hierzu sowie zur Entwicklung der Anfechtung allgemein Harder, AcP 173 (1973), 209, 212 ff. 178  Mot. I, 221 (= Mugdan I, S. 474). 179  So auch Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 867. 180  Seit der Vertragsrechtsreform von 2016 stellt Art. 1178 Abs. 1 frz. Code Civil klar, dass eine Klage nicht erforderlich ist, wenn die Parteien gemeinsam durch accord die Nichtigkeit feststellen. Vgl. hierzu Sonnenberger, ZEuP 2017, 6, 42. 181  Siehe S. 269 f.

D. Anfechtbarkeit als effizienter Korrekturmechanismus

283

2. Unwirksamkeit ipso iure Die Erste Kommission entschied sich gegen die Anfechtungsklage und für eine Anfechtung durch Willenserklärung. Zugleich bestimmte sie aber, dass wesentliche Irrtümer nicht zur Anfechtung berechtigen, sondern – anders als eine durch arglistige Täuschung veranlasste Willenserklärung – zur automatischen Nichtigkeit der Willenserklärung führen sollen:182 „Die auf einem wesentlichen Irrthume beruhende Willenserklärung ist an sich nichtig, mag es ein thatsächlicher oder ein Rechtsirrthum, mag er entschuldbar oder unentschuldbar sein; nicht der Irrthum, sondern der durch ihn hervorgerufene Mangel der Uebereinstimmung des wirklichen mit dem erklärten Willen ist der Grund der Nichtigkeit.“183

Bei wesentlichen Irrtümern wollte sie also strikt dem „Willensdogma“ folgen,184 solange der Erklärende nicht fahrlässig gehandelt hatte. Hatte er sich leichte Fahrlässigkeit zu Schulde kommen lassen, sollte er auf das negative Interesse haften, wenn der Empfänger den Irrtum nicht kannte oder kennen musste.185 Bei grober Fahrlässigkeit sollte die Erklärung wirksam sein.186 Die im Entwurf vorgesehene grundsätzliche Nichtigkeitsfolge stieß auf wenig Gegenliebe.187 Die Zweite Kommission sprach sich denn auch für Anfechtbarkeit statt Nichtigkeit aus, die „Anfechtung entspreche am Besten der Sachlage.“188 Der Erklärende „erfahre keine unbillige Behandlung“, denn er könne die Willenserklärung „durch einen besonderen Willensakt hinfällig“ machen.189 Der Empfänger und Dritte hingegen würden über Gebühr bevorzugt, wenn sie sich auf die Unwirksamkeit der Erklärung berufen dürften; bei einer Nichtig182  Wesentlich und beachtlich, also zur Nichtigkeit der Erklärung führend, sei ein Irrtum, „wenn anzunehmen ist, daß der Erklärende die Willenserklärung bei Kenntniß der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.“ Prot. I, 230 f. (= Mugdan I, S. 717). 183  Mot. I, 200 (= Mugdan I, S. 462 f.). Während der Diskussionen wurde vorgeschlagen, die Nichtigkeit relativ statt absolut auszugestalten, die Rechtsfolge also nur dann greifen zu lassen, wenn sich der Erklärende, nicht aber wenn sich der Empfänger darauf berufe, oder sogar eine lediglich „rückwärts und gegen Dritte wirkende Anfechtbarkeit“ vorzusehen, Prot. I, 189 (= Jakobs/Schubert I, S. 597). Vgl. auch Schermaier, Die Bestimmungen des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, 2000, S. 614. 184  Unter den Mitgliedern der Ersten Kommission befand sich niemand, der der Erklärungstheorie nahestand, vgl. Schermaier, Die Bestimmungen des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, 2000, S. 613. 185  Mot. I, 200 (= Mugdan I, S. 463). 186  Mot. I, 200 (= Mugdan I, S. 463). 187  Vgl. nur die bei Schermaier, Die Bestimmungen des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, 2000, S. 648 Fn. 268 genannten Quellen. 188  Prot. I, 221 (= Mugdan I, S. 715). 189  Prot. I, 221 (= Mugdan I, S. 715). Lediglich ein Kommissionsmitglied (Wilke) war der Ansicht, das Anfechtungserfordernis stelle eine „unbillige Zumuthung“ dar (ebd.). Problematisch sei insbesondere, dass der Erklärende nicht nur seinen Irrtum beweisen müsse, sondern auch, dass, wann und wie er angefochten habe, Prot. I, 220 (= Mugdan I, S. 715).

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§ 6  Ökonomischer Hintergrund

keit wäre dies selbst dann möglich, wenn der Irrende an seine irrtümliche Erklärung gebunden werden wolle.190 In der Tat hat die Gestaltungslösung auch gegenüber der ipso iure-Unwirksamkeit Vorteile für Erklärenden und Empfänger.191 Ist eine Willenserklärung automatisch unwirksam, wie etwa im Fall des § 118 BGB, hat der Erklärende kein Wahlrecht. Selbst wenn er sich an dem Erklärten festhalten lassen möchte, wird er nicht gebunden. Die angeordnete Nichtigkeit ist also sehr paternalistisch. Dies scheint indirekt auch in obigen Worten aus den Protokollen durch.192 Ist der Erklärende hingegen, wie nach §§ 143, 142, 119 BGB, berechtigt, seine irrtumsbehaftete Willenserklärung durch Willenserklärung für nichtig zu erklären, kann er sich, nachdem er seines Irrtums gewahr geworden ist, innerhalb der Anfechtungsfrist frei entscheiden, ob seine Erklärung seinen Präferenzen entspricht. Ihm werden die Unwirksamkeit und die damit entstehenden Rückabwicklungskosten nicht aufgezwungen.193 Für den Empfänger wiederum ist die Anfechtbarkeit gegenüber der automatischen Unwirksamkeit insofern vorteilhaft, als die Möglichkeit zur Anfechtung fristgebunden ist.194 Er muss also nicht für immer besorgen, dass die Erklärung der anderen Seite nichtig wird. Zudem tritt eine etwaige Nichtigkeit nur dann ein, wenn der Erklärende ihm gegenüber die Anfechtung erklärt – unverzüglich, nachdem er von seinem Irrtum Kenntnis erlangt hat. Solange dies nicht geschehen ist, ist die Erklärung wirksam. In diesem Wissen kann der Empfänger Dispositionen tätigen und die von ihm unter Umständen zu erbringende Gegenleistung planen. Dabei entstehende Kosten erhält er, wenn der Erklärende den Vertrag anficht, unter den Voraussetzungen des § 122 BGB ersetzt.195 Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass das Anfechtungserfordernis – anders als die Nichtigkeit bzw. schwebende Unwirksamkeit – zur Aufrechterhaltung von Verträgen führt, die für den Erklärenden nicht nutzenmaximierend 190  Prot. I, 221 (= Mugdan I, S. 715). Das darüber hinaus vorgebrachte Argument, die „Anfechtbarkeit entspreche dem in den großen Rechtsgebieten des ALR und des Code geltenden Rechts“ (Prot. I, 221 (= Mugdan I, S. 715), vgl. auch Denkschrift zum BGB, 22 (= Mugdan I, S. 833)), ist so allerdings nicht zutreffend. Vgl. nur oben, außerdem Schermaier, Die Bestimmungen des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, 2000, S. 678. 191  So auch Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 866. 192  Im Ergebnis findet sich dieser Gedanke auch bei Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 2. 193  Ähnlich auch Grigoleit in: Kötz/Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 163, 171. Er plädiert allerdings dafür, „die inhaltsbezogene Relevanz von Willensstörungen von der ausschließlich auf dem Entscheidungsprozeß beruhenden unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfolgen systematisch zu unterscheiden“ (175). 194 Nach Singer, JZ 1989, 1030, 1032 ist § 121 BGB „die eigentliche Schlüsselvorschrift für das Verständnis der kompromißhaften Irrtumsregelung des BGB.“ 195  Singer, JZ 1989, 1030, 1031 bezeichnet § 122 BGB daher als „zentrale Vertrauensschutzbestimmung im Recht der fehlerhaften Willenserklärung“. Indem das Gesetz die Anfechtung gestatte, bringe es unmissverständlich zum Ausdruck, dass das Vertrauen des Rechtsgeschäftspartners grundsätzlich keine Bindung rechtfertige.

D. Anfechtbarkeit als effizienter Korrekturmechanismus

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sind. Um einen Leistungsaustauch zu verhindern oder bereits ausgetauschte Leistungen rückabzuwickeln, muss der Erklärende den Empfänger über den Irrtum informieren.196 Dies gilt unabhängig davon, ob seine Erklärung nichtig oder anfechtbar ist. Der Unterschied besteht darin, dass diese Nachricht im einen Fall deklaratorischen Charakter hat, während sie im anderen Fall konstitutiv ist, mithin eine Gestaltungserklärung darstellt.197 Wurden die Leistungen bereits erbracht, also etwa Güter ausgetauscht, wird unabhängig davon, ob die Erklärung nichtig oder anfechtbar ist, ein Be­sitz­ tums­effekt (endowment effect) greifen.198 Menschen sind verlust-avers (loss averse).199 Eisenberg beschreibt dies prägnant: „the disutility of giving up what one has is greater than the utility of acquiring an equal amount of what one doesn’t have. To put this differently, an actor perceives the loss of existing endowments as a greater harm than a failed opportunity to augment his endowments by an equal amount.“200

Erklärende werden also dazu tendieren, die erworbenen Güter auch dann zu behalten, wenn der Erwerb für sie nicht nutzenmaximierend war und eine Rückabwicklung für sie wirtschaftlich vorteilhafter wäre. 201 Dieser Tatsache trägt etwa Frotz unzureichend Rechnung, wenn er schreibt, dass eine ohne Er196 

Vgl. hierzu auch Jahr, JuS 1989, 249, 255 f. diesem Hintergrund ist die Unterteilung in relative, vor Gericht geltend zu machende, Unwirksamkeit auf der einen und Anfechtbarkeit auf der anderen Seite nur für denjenigen von grundsätzlicher Natur, der materielles und Prozessrecht, also Anspruch auf der einen und Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf der anderen Seite, strikt voneinander trennt. Bei Savigny tritt diese Trennung noch nicht deutlich zu Tage. Zum Zeitpunkt der Beratungen des BGB hingegen bildet sie bereits die Grundlage für den Diskurs. Vgl. hierzu Harder, AcP 173 (1973), 209, 212 ff. 198 Nach Eisenberg, 91 Cal. L. Rev. 1573, 1585 f. (2003) vermögen Besitztumseffekte überdies zu erklären, warum die Anfechtbarkeit den Interessen der Parteien auch dann entspricht, wenn die Leistungen noch nicht ausgetauscht wurden: Müsste der Irrende seine Verpflichtung trotz Irrtums erfüllen, sei sein (subjektiver) Verlust größer als der (subjektive) Gewinn des Empfängers. Zum endowment effect grundsätzlich nur Kahneman/Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325, 1326 (1990); Thaler, 1 J. Econ. Behav. & Org. 39 (1980); Kahneman, Thinking, Fast and Slow, 2011, S. 292 ff. 199  Vgl. nur Kahneman/Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325, 1326 f. (1990); Kahneman/ Knetsch/Thaler, 5 J. Econ. Pers. 193, 194 (1991); Thaler/Sunstein, Nudge, 2009, S. 33. 200  Eisenberg, 91 Cal. L. Rev. 1573, 1585 f. (2003). Zum endowment effect grundsätzlich Thaler, The Winner’s Curse, 1992, S. 63 ff.; Kahneman/Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325 ff. (1990); Thaler/Sunstein, Nudge, 2009, S. 33 f.; Tversky/Kahneman, 59 J. Bus. 251 ff. (1986). 201  Vgl. auch Eidenmüller, JZ 2005, 216, 221; ders., ERCL (7) 2011, 1, 6 zu Widerrufsrechten. Unter Verweis auf BT‑Drucks. 10/2876 v. 15.2.1985, S. 7 f. stellt er fest, dass für Haustürgeschäfte Widerrufsquoten von 0,8–1,8 % festgestellt wurden. Es steht zu vermuten, dass nicht alle der übrigen rund 98 % Haustürgeschäfte den Präferenzen der Käufer entsprachen. Bei Onlinegeschäften sind Widerrufe aber häufiger; in Deutschland werden etwa 12,9 % der Verträge widerrufen. Vgl. nur Höhne, Das Widerrufsrecht bei Kaufverträgen im Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität, 2016, S. 55 Fn. 31 m.w.N. 197  Vor

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§ 6  Ökonomischer Hintergrund

klärungsbewusstsein abgegebene Willenserklärung nichtig sein solle und die Möglichkeit der Anfechtung einen überflüssigen Umweg darstelle, weil derjenige, der ohne Erklärungsbewusstsein handele, das Rechtsgeschäft ohnehin beseitigen werde. 202 Ein Teil der Erklärenden wird mithin vermutlich auch in Situationen, in denen die Erklärung nicht ihren Präferenzen entspricht, auf eine Nachricht verzichten. Unter Umständen kann dieses Verhalten sogar rational sein, etwa wenn die Abweichung von der eigenen Präferenz gering ist oder das Rechtsgeschäft insgesamt keine signifikanten ökonomischen Folgen hat. Die Kosten, die mit der Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts verbunden wären, würden dann die Kosten des Nichtstuns übersteigen. Nach der Nichtigkeitslösung wäre der Güteraustausch gleichwohl rechtsgrundlos erfolgt. Wollten die Parteien dies ändern, müssten sie erneut kontrahieren und also noch einmal Transaktionskosten auf sich nehmen. Nach der Gestaltungslösung hingegen wurden die Leistungen mit Rechtsgrund erbracht. Die Gestaltungslösung fördert somit den Bestand von Verträgen, bei denen die Leistungen bereits ausgetauscht wurden. Damit dient sie dem Verkehrsschutz. Dazu trägt auch die Fristbindung der Anfechtung bei. § 121 BGB verhindert, dass der Erklärende spekulieren und die Nichtigkeit erst in dem für ihn günstigsten Moment geltend machen kann. 203

3. „Unverbindlichkeit“ Aus eben diesen Gründen ist die Anfechtbarkeit auch gegenüber einer anderen Gestaltungslösung vorzugswürdig, welche der Zweiten Kommission unterbreitet wurde: Wilke hatte beantragt, dass eine irrtumsbehaftete Willenserklärung „für ihn [den Erklärenden] unverbindlich“ sein solle. 204 Den Begriff „unverbindlich“ verwendet er im Sinne von schwebend unwirksam, denn eine wegen Irrtums unverbindliche Erklärung soll nach seinem Antrag dann (vermutlich rückwirkend) „verbindlich“ werden, wenn der Erklärende sie nach erkanntem Irrtum genehmigt oder „auf eine von dem anderen Theile erhaltene Aufforderung nicht innerhalb zwei Wochen dem Anderen gegenüber die Unverbindlichkeit der Willenserklärung geltend macht“. 205 Hätte sich der Gesetzgeber für diese Lösung entschieden, hätte er dem Erklärenden ebenfalls ein Wahlrecht zugestanden und also eine im Vergleich zur Unwirksamkeit weniger paternalistische Regelung geschaffen. Allerdings hätte 202  Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, S. 470. Vgl. hierzu F. Bydlinski, JZ 1975, 1, 3; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 548 ff. 203  So auch F. Bydlinski, JZ 1975, 1, 5 bei seinen Erörterungen zur Wirksamkeit der Willenserklärung trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins. 204  Prot. I, 215 f., Antrag Nr. 3 (= Mugdan I, S. 713). 205  Prot. I, 215 f., Antrag Nr. 3 (= Mugdan I, S. 713).

D. Anfechtbarkeit als effizienter Korrekturmechanismus

287

diese Regelung – ähnlich der Unwirksamkeitslösung – Missbrauchspotential geborgen, hier allerdings seitens des Erklärenden. Darauf weist auch die Kommission in ihrer Begründung der Ablehnung des Antrags hin: „[D]er Irrende, der den Irrthum erfahren habe, [könne] so lange auf Kosten des anderen Theiles [des Empfängers] spekulieren […], bis dieser auch seinerseits vom Irrthume Kenntnis und dadurch die Möglichkeit erlangt habe, dem Irrenden die Frist für die Anfechtung zu setzen.“206

Wäre dieser Antrag Gesetz geworden, hätte der Empfänger zudem, anders als nach der Anfechtungslösung, nicht unmittelbar nach Abschluss des Vertrages mit der Vorbereitung einer unter Umständen selbst zu erbringenden Gegenleistung beginnen oder sonstige Dispositionen im Vertrauen auf den Bestand des Rechtsgeschäfts tätigen können. Das Recht hätte also Partner von Rechtsgeschäften, die nicht unmittelbar erfüllt werden, dazu angehalten, die andere Seite nach Vertragsschluss zur Genehmigung des Geschäfts aufzufordern. 207 Sie würden zunächst zum Abwarten gezwungen und müssten Kapazitäten vorhalten für den Fall, dass das Geschäft wirksam werden würde. Die Anfechtbarkeitslösung fördert also, anders als die „Unverbindlichkeit“, die Schnelligkeit des Rechtsverkehrs.

II. Wirksamkeit als Grundsatz Die Anfechtbarkeit weist mithin deutliche Vorteile gegenüber anderen denkbaren Korrekturmechanismen auf. Sie führt überdies zu einer „Favorisierung des Erklärten“. 208 Der Grundsatz ist die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts und nicht – wie bei der schwebenden Unwirksamkeit – seine Unwirksamkeit. Singer hält dies für gerechtfertigt, weil eine irrtumsbehaftete Erklärung die Intentionen des Erklärenden häufig nur geringfügig verfehle und ihm selbst bei größeren Abweichungen am Bestand des Rechtsgeschäfts gelegen sein könne.209 Ab Kenntnis vom Irrtum wisse der Untätige, dass der Empfänger auf einen unrichtigen Geschäftsinhalt vertraue. Deshalb habe er hinreichenden Anlass,

206 

Prot. I, 220 f. (= Mugdan I, S. 715). Hinzu kommt, dass auch nach Wilkes Lösung nicht alle zur Anfechtung berechtigenden Irrtümer erkennbar gewesen wären. Nach seinem Antrag wären irrtumsbehaftete Willenserklärungen unverbindlich gewesen, wenn der andere Teil den Irrtum gekannt hat oder wenn anzunehmen ist, dass der Erklärende die Willenserklärung ohne den Irrtum nicht abgegeben hätte, Prot. I, 215, Antrag Nr. 3 (= Mugdan I, S. 713). 208  Singer, JZ 1989, 1030, 1033, nach dem die Bindung darum heteronom ist (1035). 209  Singer, JZ 1989, 1030, 1034 (allerdings ohne Beleg dafür, dass Abweichungen nur selten erheblich sind). Der Irrende, der seinen Irrtum bemerkt habe, trage also nicht nur die Verantwortung für das Verständnisrisiko, sondern auch für die rechtzeitige Klarstellung des Irrtums. 207 

288

§ 6  Ökonomischer Hintergrund

seine „wahren Absichten mitzuteilen“. 210 Schweige er gleichwohl, bestehe eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Erklärende das Geschäftsergebnis billige oder doch wenigstens hinnehme. 211 Dieser Aussage ist so nicht zuzustimmen: Zwar ist zutreffend, dass der Erklärende auch bei größeren Abweichungen zwischen Erklärtem und Gewolltem unter Umständen am Vertrag festhalten will. Möglich ist auch, dass Erklärende das Gewollte häufig nur geringfügig verfehlen. Ist dies der Fall, sind sie aber nach § 119 BGB ohnehin nicht zur Anfechtung berechtigt, weil dann nicht anzunehmen ist, dass sie die Willenserklärung „bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würden.“ Dass die Wirksamkeit irrtumsbehafteter Erklärungen der default ist, ist mit Blick auf den Erklärenden vor allem aus folgendem Grund sinnvoll: Wäre die Unwirksamkeit der default, müsste der Erklärende, der den Irrtum erkannt hat und gleichwohl an dem Rechtsgeschäft festhalten möchte, die Wirkung des Rechtsgeschäft aktiv durch Genehmigung herbeiführen. Aber auch, wenn er das Rechtsgeschäft nicht will, müsste er der anderen Seite gegenüber mitteilen, dass er das Rechtsgeschäft nicht genehmigt und sich auf die Unwirksamkeit beruft. Ihm entstünden also in jedem Fall Äußerungskosten. 212 Ist hingegen, wie nach geltendem Recht, die Erklärung im default wirksam, entstehen dem Erklärenden diese Kosten nur dann, wenn er sich von der Bindung an das Erklärte lösen möchte. Möchte er an das Erklärte gebunden bleiben, muss er dies der anderen Seite nicht mitteilen – die Willenserklärung ist und bleibt dann wirksam.

210 

Singer, JZ 1989, 1030, 1033. Singer, JZ 1989, 1030, 1033. 212  Im Ergebnis ähnlich Jahr, JuS 1989, 249, 255 f. 211 

289

§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz A. Einleitung Nach § 119 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung anfechtbar, wenn gewollter und durch Auslegung ermittelter Erklärungsinhalt unbewusst auseinanderfallen.1 Der Absatz erfasst also Fehler bei der Willensäußerung, die dem Empfänger nicht erkennbar waren. Das Gesetz unterscheidet zwei Fallgruppen derartiger Mängel – Fehler bei der Auswahl des Erklärungszeichens und Fehler bei der Entäußerung des Erklärungszeichens.

B. Erklärungsirrtum Beim Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB, auch Irrung genannt, 2 bedient sich der Erklärende eines Erklärungszeichens, dessen er sich nicht bedienen will. Dem Erklärenden unterläuft „bei der Erklärung des Willens ein Irrthum […], welcher bewirkt, daß die Erklärung der bezweckten Willenskundgebung nicht gerecht wird.“3 In den Worten Zitelmanns: Es handelt sich um einen Fall, bei dem „der Befehl, welchen der Wille den motorischen Nerven erteilt, von diesen unrichtig ausgeführt wird.“4 Bereits das äußere Erscheinungsbild der Erklärung widerspricht dem, was der Erklärende erklären wollte.5 Aus diesem Grund ist auch der Irrtum im Sinne des § 120 BGB ein Erklärungsirrtum. Der Erklärende wollte hier ebenfalls nicht den äußeren Tatbestand der Erklärung setzen.6 1  Wurde die Anfechtung fristgemäß erklärt, ist dann aber gem. § 142 Abs. 1 BGB das „Rechtsgeschäft“ von Anfang an nichtig. Vgl. zu diesem vermeintlichen Widerspruch zwischen §§ 119 ff. und § 142 Abs. 1 BGB Leenen, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 699, 700 ff.; ders., Jura 1991, 393. 2 Vgl. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 23 2 a, S. 450; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 16; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 746. 3  Mot. I, S. 196 (= Mugdan I, S. 460). 4  Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft, 1879, S. 367. 5  Vgl. hierzu Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 219 sowie, kritisch zum Begriff des „äußeren Tatbestands“, wie ihn BGH NJW 2008, 2442 Rn. 14 und 15 verwendet, Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 33. 6  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 843; Kramer, Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998, Rn. 63.

290

§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

In den Abhandlungen zum Irrtumsrecht spielt § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB nur eine untergeordnete Rolle. Genannt wird dieser Fall vor allem bei der Erörterung des Kalkulationsirrtums, also bei der Frage, ob das Verrechnen dem Verschreiben gleichgestellt werden sollte,7 sowie, allgemeiner, bei der Frage nach dem Verhältnis von Eigenschafts- und Erklärungsirrtum, bei dem aber letztlich die dogmatische Erfassung des Eigenschaftsirrtums und damit des § 119 Abs. 2 BGB im Vordergrund steht.8 Dass dem Erklärungsirrtum im Übrigen vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit zuteil wird, mag damit zusammenhängen, dass die Norm in rechtsvergleichender Hinsicht eine Besonderheit darstellt. Das deutsche Recht belastet den Empfänger mit dem Risiko, dass er den Gewinn des Geschäfts nicht realisieren kann, weil sich der Erklärende – für den Empfänger nicht erkennbar – versehentlich anders ausgedrückt hat als gewollt. Dafür wird es bisweilen heftig kritisiert.9 Die klassische Erklärung dafür, dass die „Differenz […] zwischen gewolltem und tatsächlichem Erklärungswert“ zur Anfechtung berechtigt,10 stammt von Schmidt-Rimpler: Der Erklärende, der einem Erklärungsirrtum unterliegt, habe die Rechtsfolge, die seine Willenserklärung auslöst, nicht gewertet.11 Nur eine Wertung der Rechtsfolge durch beide Parteien vermöge aber die Richtigkeitsgewähr herbeizuführen, welche die Bindungswirkung eines Vertrages rechtfertige.12 Diese Argumentation lässt sich ins Wirtschaftliche wenden: § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB erfasst eine Situation, in welcher der Erklärende ein anderes als das dem objektiven Inhalt seiner Erklärung zugrunde liegende Entscheidungsproblem gelöst hat. Wenn jemand eine Kugel Vanilleeis zu einem bestimmten Preis erwerben möchte, hat er den Nutzen, den er – unter den gegebenen (Budget-)Restriktionen – aus einer Kugel Vanilleeis zieht, ins Verhältnis gesetzt zum Nutzen, den er generieren würde, wenn er die dafür erforderlichen Mittel anders verwendete. Erklärt er nun versehentlich, eine Kugel Schokoladeneis (zum selben Preis) erwerben zu wollen, gibt der Erklärende damit eine Erklärung auf Basis der Lösung eines Entscheidungsproblems ab, mit dem er sich noch nicht befasst hat. Ist die Erklärung gleichwohl wirksam, wird der Erklärende an ein Rechtsgeschäft gebunden, das seinen Präferenzen möglicherweise nicht entspricht. Vgl. auch Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 40, nach denen die benutzte Person oder Einrichtung ein Postdienstleister oder Provider sein kann.  7  Vgl. nur Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 398 f. mwN.  8  Vgl. hierzu nur Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 100 ff.; Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213 ff.  9  Vgl. nur Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 119 Rn. 2; MüKo-BGB/Kramer, 5. Aufl. 2006, § 119 Rn. 7 ff. 10  Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 219. 11  Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 215. 12  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 181; ders., FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 215.

B. Erklärungsirrtum

291

Ökonomisch ist es grundsätzlich sinnvoll, Präferenzen der Marktteilnehmer zur Geltung zu verhelfen. Ein Rechtsgeschäft, das den Präferenzen aller beteiligten Parteien entspricht, ist Pareto-superior – in den Worten Schmidt-Rimp­ lers: Die Richtigkeit des Rechtsgeschäfts ist gewährt. Eine Bindung von Verkehrsteilnehmern entgegen ihrer Präferenzen kann hingegen ineffizient sein; den Vertragsgegenstand erhält dann nicht der Marktteilnehmer, dem er den größten persönlichen Nutzen bringt. Zurück zum Beispiel: Nur weil sich der Erklärende versprochen hat, ist die Transaktion über Schokoladeneis nicht notwendig Pareto-inferior. Der Erwerb einer Kugel Schokoladeneis zum Preis von einer Kugel Vanilleeis kann den Präferenzen des Erklärenden durchaus entsprechen.13 Er hat bislang nur noch nicht festgestellt, ob dies der Fall ist. Das Anfechtungsrecht gibt ihm hierzu die Möglichkeit. Es gestattet dem Erklärenden, den Nutzen, den er aus einer Kugel Schokoladeneis zieht, mit dem Nutzen zu vergleichen, den ihm eine anderweitige Investition dieser Mittel böte, einschließlich des Erwerbs einer Kugel Vanill­eeis. Entspricht der Erwerb des Schokoladeneises seinen Präferenzen, wird er seine Erklärung aufrechterhalten. Andernfalls kann er sie anfechten. Die Gewährung eines Anfechtungsrechts in derartigen Fällen setzt auch keine (Fehl-)Anreize zu opportunistischem Verhalten. In den Worten Eisenbergs: „[P]romises that are a product of mechanical errors are not based on, and do not reflect, the promisor’s preferences. On the contrary, such promises are based on, and reflect, a transient and nondeliberate departure from those preferences – a departure that would not have been made if the promisor’s mental or physical machinery had not temporarily gone awry.“14

Der Erklärende wird also aus Eigeninteresse selbst dann, wenn ihm ein Anfechtungsrecht zugestanden wird, bemüht sein, seine Erklärung korrekt und wie beabsichtigt abzugeben.15 Indem das Recht ihm die Möglichkeit eröffnet, sich von seiner Erklärung zu lösen, wenn ihm gleichwohl unbewusst ein Fehler unterlaufen ist, verhindert es aber, dass der Erklärende jede seiner Handlungen übertrieben gründlich kontrolliert.16 Unnötige Kosten werden vermieden. Richtig verstanden besteht die Funktion des Anfechtungsrechts also nicht nur darin, einen Ausgleich zwischen den Interessen von Erklärendem und Empfänger zu schaffen, wie oftmals behauptet wird.17 Vielmehr verhilft das Gesetz auch überindividuellen Interessen zur Geltung, wenn es die Anfechtung in je13  Dies ist dann der Fall, wenn der Erklärende zwischen Schokoladen- und Vanilleeis indifferent ist. 14  Eisenberg, 91 Cal. L. Rev. 1573, 1584 f. (2003). 15  Vgl. auch Eisenberg, 91 Cal. L. Rev. 1573, 1585 (2003). 16 Vgl. Eisenberg, 91 Cal. L. Rev. 1573, 1585 (2003): „In contrast, a no-relief regime would provide actors with incentives to take too much precaution – triple- and quadruple-checking.“ 17  Vgl. nur MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 1; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018,

292

§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

nen Fällen zulässt, in denen es volkswirtschaftlich sinnvoll ist, den Erklärenden nicht unbedingt an seine Erklärung zu binden. Indem das Recht dem in einem Erklärungsirrtum Befindlichen eine Lösungsmöglichkeit zur Verfügung stellt, gestattet es ihm also zu überprüfen, ob das Erklärte für ihn so vorteilhaft ist, dass er dauerhaft daran gebunden sein möchte. In seine Kalkulation muss der Erklärende auch einfließen lassen, dass die Anfechtung mit einem – im Einzelfall erheblichen – Kostenrisiko verbunden ist. So produziert nicht nur die Anfechtungserklärung Kosten, sondern und vor allem haftet der Erklärende, wenn er die Wirksamkeit seiner Willenserklärung vernichtet, dem Empfänger gem. § 122 Abs. 1 BGB auf das negative Interesse. Er entgeht der Haftung also nicht vollständig.18 § 122 Abs. 1 BGB hat damit eine doppelte Funktion. Die Norm stellt sicher, dass der Empfänger – wenn ihm schon nicht der benefit of the bargain verbleibt – wenigstens finanziell nicht schlechter gestellt wird als er stünde, wenn der Erklärende seine Erklärung nie abgegeben hätte. Zugleich schafft § 122 Abs. 1 BGB einen Anreiz dafür, dass der Erklärende bei Abgabe seiner Erklärung Sorgfalt walten lässt. Hinzu kommt Folgendes: Die Fehler, die § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB erfasst, sind typische Beispiele imperfekten Verhaltens. Paradigmatisch erschienen der Ersten Kommission „Fälle des Sichversprechens, Sichverschreibens, Sichvergreifens.“19 Nach wie vor wird diese Formel in Rechtsprechung und Literatur verwendet. 20 Ergänzt wird sie inzwischen bisweilen um die Fallgruppe des „Verklickens“. 21 Heutzutage beschäftigen vor allem solche Sachverhalte die Gerichte, bei denen Anbieter und/oder Abnehmer von Waren oder Dienstleistungen über das Internet, nicht selten bei Auktionen auf eBay oder ähnlichen Plattformen, versehentlich eine falsche Preisangabe gemacht haben. 22 Derartige Er§ 7 Rn. 15; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 18 Rn. 4; Lessmann, JuS 1969, 478; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 737; BeckOK/Wendtland, Stand 01.05.2019, § 119 Rn. 1. 18  M. Wolf in: Basedow (Hrsg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, S. 85, 91 spricht insofern von einer „abgeschwächte[n] Verantwortlichkeit.“ 19  Mot. I, S. 196 (= Mugdan I, S. 460). 20  Vgl. nur BGH NJW 2005, 976, 977; OLG Düsseldorf MMR 2016, 593 Rn. 86; LG Wiesbaden BeckRS 2014, 01495; LG Düsseldorf NJOZ 2007, 5409; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 840; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 16; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 746; Pawlowski, AT, 7. Aufl. 2003, Rn. 552; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 119 Rn. 11; Wolf/ Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 38. 21 MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 46; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 741; Härting, Internetrecht, 6. Aufl. 2017, Rn. 785. Vgl. auch BGH NJW 2005, 976, 977; OLG Hamm NJW 1993, 2321; OLG Nürnberg MMR 2003, 183, 184; AG Lahr NJW 2005, 991, 992. 22  Vgl. nur BGH NJW 2005, 976; OLG München MMR 2003, 274 sowie, Online-Auktionen betreffend, BGH NJW 2002, 363; OLG Oldenburg NJW-RR 2007, 268; OLG Oldenburg NJW 2004, 168, außerdem, aus der Literatur, Spindler, JZ 2005, 793, 794 f.; Kocher, JA 2006, 144. Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 44 ist der Ansicht, dass diese Fälle, insbesondere BGH NJW 2005, 976, richtig verstanden keine Erklärungsirrtümer, sondern Inhaltsirrtümer be-

B. Erklärungsirrtum

293

klärungen sind insofern besonders irrtumsanfällig, als die Benutzerober­fläche die Ausdrucksmöglichkeiten beschränkt. 23 Wenn der Erklärende die Benutzeroberfläche nicht gestaltet hat, also insbesondere wenn er Abnehmer ist, formuliert er große Bestandteile seiner Willenserklärung nicht selbst. Zudem gestattet die Oberfläche ihm in der Regel nicht, erklärende Zusätze einzufügen. 24 Für diese beim Sprechen, Schreiben, Greifen und Klicken „immer möglichen Fehler in der Verständigung“25 hält das Gesetz mit § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB eine Korrekturmöglichkeit parat. Voraussetzung ist zunächst, dass der Irrtum subjektiv, mithin für den Erklärenden selbst, erheblich war. 26 An der subjektiven Erheblichkeit fehlt es, wenn anzunehmen ist, dass der Erklärende die Erklärung „auch bei Kenntnis der wahren Sachlage“, also auch dann abgegeben hätte, wenn er keinem Irrtum unterlegen wäre. 27 Dies wird etwa dann vermutet, wenn der betreffende Umstand dem Erklärenden nicht maßgeblich erschien.28 Die subjektive Erheblichkeit ist aber nicht ausreichend. Das Gesetz gibt selbst dort, wo es dem Erklärenden ermöglicht, sein Verhalten zu korrigieren, einen objektiven Maßstab vor. Der Erklärende ist gem. § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB nur dann zur Anfechtung berechtigt, „wenn anzunehmen ist, dass er seine Erklärung bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.“29 Nach BGH und herrschender Meinung in der Literatur ist dabei entscheidend, ob eine rationale Person, die „frei von Eigensinn und Unverstand“ ist30 bzw. nicht durch „Eigensinn, subjektive Launen und törichte Anschauungen“ treffen. Vgl. auch Härting, Internetrecht, 6. Aufl. 2017, Rn. 793 ff., nach dem ein Motivirrtum vorlag. Auch in BGH MMR 2016, 737 unterlag der Anbieter möglicherweise einem Erklärungsirrtum, ansonsten vermutlich einem Eigenschaftsirrtum, als er fälschlicherweise angab, dass das von ihm angebotene Motorrad über ein „Dreiganggetriebe“ und einen „Elektro­ starter“ verfüge. Beides prüfte der BGH nicht. Vgl. hierzu auch die Anmerkung von Wagner/ Zenger, MMR 2016, 738, 739. 23 So auch OLG Nürnberg MMR 2003, 183; vgl. auch Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 35 f. 24  So auch OLG Nürnberg MMR 2003, 183. In Verbraucherverträgen gewährt ihm das Recht zum Ausgleich eine Widerrufsmöglichkeit gem. §§ 312c, 312g, 355 BGB. Sie soll dem Verbraucher nicht ermöglichen, einen Irrtum zu korrigieren, sondern ihn in die Lage versetzen, seinen (fehlerfrei gebildeten und geäußerten) Willen zu überprüfen, vgl. nur C. Paulus, FS Mayer-Maly, 2002, S. 563, 565 f.; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 35; MüKo-BGB/Wendehorst, 8. Aufl. 2019, § 312g Rn. 1. Wurde der Verbraucher ordnungsgemäß belehrt, beträgt die Frist zur Ausübung dieses Rechts daher lediglich 14 Tage (§ 355 Abs. 2 S. 1 BGB). 25  Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 215. Eine derartige Differenz zwischen gewolltem und tatsächlichem Erklärungswert sei korrekturbedürftig, weil vor ihr niemand sicher sei und sie üblicherweise zu „grober Unrichtigkeit“ führe (219, vgl. auch 215). 26  Daran wird es in der Praxis nur in den allerseltensten Fällen scheitern. So auch Kötz, Vertragsrecht, 2. Aufl. 2012, Rn. 310. 27  BGH NJW 1995, 190, 191. 28  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 833. 29 Nach Jahr, JuS 1989, 249, 255 wird die Geltung des Nicht-Gewollten in diesen Fällen von den Gründen der Geltung des Gewollten mitgetragen. 30  Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 29.

294

§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

motiviert wird,31 die Erklärung „bei Kenntnis der Sachlage“ ebenfalls nicht abgegeben hätte.32 Nach Bork soll dieses Kriterium sicherstellen, dass „mit der Anfechtung wirklich der Willensfreiheit und nicht nur Eigensinn, Unvernunft oder Emotionen gedient wird.“33 Diese Aussage überzeugt nicht. Es ist hinlänglich bewiesen, dass der menschliche Wille nicht stets vernünftig und rational ist.34 Auch ausschließlich eigensinnige, unvernünftige oder emotionale Erklärungen können der Willensfreiheit dienen.35 Die Einschränkung, nach der eine Anfechtung nur zulässig ist, wenn eine rational handelnde Person die Erklärung „bei Kenntnis der Sachlage“ nicht abgegeben hätte, dient also, richtig verstanden, gerade nicht dazu, der Willensfreiheit zur Geltung zu verhelfen, sondern sie schränkt diese um des Gemeinwohls willen ein. Eine Korrektur des Erklärten ist nur gestattet, wenn sie rational ist, weil dem Erklärenden ein objektiv erheblicher Fehler unterlaufen ist. Präferenzen, die sich von jenen des idealtypischen Marktteilnehmers, des reasonable man,36 unterscheiden („subjektive Launen und törichte Anschauungen“), verhilft das Gesetz mithin nicht zur Geltung – hier ist es volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, eine Anfechtung zuzulassen, weil die gemeinsamen Rückabwicklungskosten regelmäßig höher sein werden als die Nachteile, die der Erklärende dadurch erleidet, dass er an dem Geschäft festgehalten wird.

C. Inhaltsirrtum Wie beim Erklärungsirrtum hat der Erklärende, dem ein Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB unterläuft, ein Entscheidungsproblem fehlerfrei gelöst. Den zur Anfechtung berechtigenden Fehler begeht er bei dem Versuch, seine Präferenz zu äußern. Seine Erklärung hat daher objektiv einen anderen Inhalt, als er ihr beimessen wollte. Der in der Praxis im Einzelfall nicht leicht feststellbare Unterschied zwischen Erklärungs- und Inhaltsirrtum besteht darin, dass der im Inhaltsirrtum Befindliche denkt, seine Erklärung habe eine andere Bedeutung, als ihr nach

31 

RGZ 65, 201, 206. BGH NJW 1995, 190, 191. Vgl. auch BGH NJW 1988, 2597, 2599. 33  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 834. 34  Grundlegend hierzu etwa Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471 (1998); Kahneman, 93 Am. Econ. Rev. 1449 (2003) sowie die in Kahneman/Slovic/Tversky (Hrsg.), Judgment under Uncertainty, 1982 versammelten Beiträge. Vgl. außerdem § 1 f. 35  Vgl. hierzu auch Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 47. 36  Der Begriff stammt von Oliver Wendell Holmes. Vgl. nur seinen Dissent in Lochner v. New York, 198 U.S. 45, 76 (1906) sowie Kellogg, Oliver Wendell Holmes, 2007, S. 151. 32 

C. Inhaltsirrtum

295

objektivem Verständnis zu entnehmen ist. Der Erklärende begeht den Fehler also bei der Entscheidung, welches Zeichen er zur Äußerung seines Willens verwenden will, und nicht, wie beim Erklärungsirrtum, bei der Entäußerung des gewählten Erklärungszeichens. Lessmann beschreibt den Unterschied wie folgt: „Beim Erklärungsirrtum weiß der Erklärende nicht, was er sagt; beim Inhaltsirrtum weiß der Erklärende zwar, was er sagt, er weiß aber nicht, was er damit sagt.“37 Die Erste Kommission bezeichnet den Inhaltsirrtum als einen Fall, in dem „die Erklärung den Willen zwar wiedergiebt, der Wille aber auf einer falschen Vorstellung beruht, welche die Willenswirklichkeit ausschließt.“38 Gemeinhin wird als Paradebeispiel eines Inhaltsirrtums ein Fall angeführt, den das LG Hanau entschieden hat. Die Konrektorin einer Realschule hatte, das Bestellformular der Verkäuferin nutzend, eine Bestellung über „25 Gros Rollen“ Toilettenpapier aufgegeben. Sie dachte, dass das Wort „Gros“ eine Verpackungsart bezeichne und sie 25 große, also 25 Doppelpack Toilettenpapier bestellt habe. Als 3.600 Rollen Toilettenpapier geliefert wurden (ein Gros bedeutet 12 mal 12, also 144), focht sie ihre Erklärung an. Das Landgericht Hanau hielt die Anfechtung für statthaft, weil sich die Konrektorin in einem Inhaltsirrtum befunden habe.39 Der Fall wurde höchstwahrscheinlich falsch entschieden. Unter normalen Umständen hätte die Willenserklärung der Konrektorin keiner Anfechtung bedurft, weil sie perplex und damit von vornherein unwirksam war:40 Es war objektiv erkennbar, dass eine Realschule keinen Bedarf für eine derart große Menge Toilettenpapier hat. Das Landgericht Hanau erkennt selbst an: „Es widerspricht völlig der Lebenserfahrung, daß jemand als Vertreterin einer Schule, die nur als kleines Institut zu bezeichnen ist, auf einen Schlag 3600 Rollen Toilettenpapier à 1000 Blatt bestellt, eine Menge, die den Bedarf des Hauses auf mehrere Jahre gedeckt ­hätte.“41

Neben dem praktischen Bedarf führt das Gericht auch Gründe der – normalerweise jährlich erfolgenden – Haushaltsabrechnung sowie Lagerprobleme an.42 Die Erklärung musste nur dann angefochten werden, wenn sie aufgrund besonderer Umstände objektiv so zu verstehen war, dass die Konrektorin 3.600 Rol-

37 

Lessmann, JuS 1969, 478, 480. Mot. I, S. 196 (= Mugdan I, S. 460). Der Begriff der „Willenswirklichkeit“ stammt von Gebhard, AT Begründung II.2, S. 101 f. (= Schubert, AT 2, S. 121). 39  LG Hanau NJW 1979, 721. 40  Vgl. auch Cziupka, JuS 2009, 887; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 8 Rn. 150; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 745; Plander, BB 1980, 133, 134. Anderer Ansicht Kornblum, JuS 1980, 258, 260. 41  LG Hanau NJW 1979, 721. 42  LG Hanau NJW 1979, 721. 38 

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§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

len bestellen wollte, etwa weil sie für mehrere Schulen zugleich eine Bestellung aufgab.43

I. Unterschriftsirrtum Praktisch relevante Inhaltsirrtümer sind die sogenannten Unterschriftsirr­ tümer. Hier unterschreibt der Erklärende eine Urkunde, die er nicht oder nicht richtig gelesen oder falsch verstanden hat und aus der sich Rechtsfolgen ergeben, die sich von jenen, die der Erklärende hervorrufen wollte, unterscheiden.44 Wenn der Erklärende die Erklärung abgegeben hat, obwohl er sich bewusst war, dass er den Inhalt der Urkunde nicht kannte, ist er nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht in der Literatur nicht zur Anfechtung berechtigt, weil keine unbewusste Diskrepanz zwischen Wille und Erklärung bestand.45 Dem ist zuzustimmen: Der Erklärende weiß, dass er sich nicht sicher ist, welchen Inhalt seine Erklärung hat. Er ist also consciously ignorant.46 Gleichwohl hat er die Erklärung abgegeben. Das Risiko, dass das Erklärte nicht seinen Präferenzen entspricht, hat er mithin bewusst in Kauf genommen. Ein Irrtum liegt nicht vor. Mehr noch: Wenn der Erklärende unter Unsicherheit entscheidet, erhält er unabhängig von dem Inhalt der Urkunde das, was er will, weil er alle möglichen Inhalte der Urkunde gewertet hat. Ein solches Risiko auf sich zu nehmen ist rational, wenn die Grenzkosten, die mit dem Lesen (und Verstehen) der Urkunde verbunden sind, höher sind als der damit verbundene Grenznutzen. Ein Anfechtungsrecht steht dem Erklärenden aber – auch nach der Rechtsprechung – dann zu, wenn „er sich von [dem] Inhalt [der Urkunde] eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat.“47 Dies gilt unabhängig davon, ob er die Urkunde gelesen hat oder nicht.48 Der Erklärende hat dann das seiner Erklärung (etwa seiner Eisbestellung) zugrunde liegende Entscheidungsproblem gelöst. Er ist der Ansicht, dass seine Erklärung kongruent ist mit der Lösung, die er für das Problem gefunden hat. Der Erklärende hat mithin nicht alle möglichen Inhalte der Erklärung in seinen Willen aufgenommen, sondern nur einen einzigen. Hat das objektiv Erklärte nun eine andere Bedeutung, als es 43 

So auch Cziupka, JuS 2009, 887; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 745. Grundlegend und rechtsvergleichend Henrich, RabelsZ 35 (1971), 55 ff. 45 Vgl. BGH NJW 1995, 190, 191; BGH NJW 2002, 956, 957; BFH NJW 1997, 968; ­Cziupka, JuS 2009, 887, 891; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 23 2 b, S. 451 ff.; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 23; Kramer, Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998, Rn. 70; MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 51 ff.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 92. 46  Zu dem Konzept nur Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 154 cmt. c. Vgl. überdies nur Eisenberg, 91 Cal. L. Rev. 1573, 1630 ff. (2003); Farnsworth, Alleviating Mistakes, 2004, S. 37 ff. 47  BGH NJW 1995, 190; BGH NJW 2002, 956. 48  BGH NJW 1995, 190. 44 

C. Inhaltsirrtum

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seinem Willen nach haben sollte, hat er es nicht mit seinen Präferenzen abgeglichen, es also nicht „gewertet“. Das Anfechtungsrecht gibt ihm nun die Möglichkeit, diese Wertung vorzunehmen und die Bindung an das Erklärte gegebenenfalls zu vernichten, selbstverständlich um den Preis einer etwaigen Haftung auf den Vertrauensschaden gem. § 122 Abs. 1 BGB. Die Aussicht auf diese Haftung bildet einen gewissen Anreiz für den Erklärenden, eine Urkunde selbst dann genau zu studieren, wenn er meint, sich ihres Inhalts sicher zu sein. Der Erklärende unterliegt allerdings nur dann einem Inhaltsirrtum gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB, wenn er eine falsche Vorstellung von dem Inhalt einer Urkunde hat, die aus der Feder eines anderen stammt. Hat er die Urkunde selbst aufgesetzt, und unterscheidet sich der Inhalt gleichwohl von dem, was er erklären wollte, befindet sich der Erklärende in einem Irrtum gem. § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB – die ganze Urkunde ist dann als einheitliches Erklärungszeichen zu werten, das der Erklärende so nicht abgeben wollte.49

II. Rechtsfolgenirrtum Wer einem Rechtsfolgenirrtum unterliegt, irrt sich über die Rechtsfolgen einer Erklärung oder eines Schweigens, also über die Rechtslage.50 Die Einordnung dieses Irrtums in die Struktur des § 119 BGB bereitet Probleme.51 Der Rechtsfolgenirrtum kann sowohl als Inhaltsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB als auch als unbeachtlicher Motivirrtum kategorisiert werden.52 Wer ihn als Inhaltsirrtum versteht, betont, dass sich der Erklärende, weil er die Rechtsfolge nicht kannte, nicht bewusst war, welchen Inhalt seine Erklärung hatte.53 Wer der Ansicht ist, dass Rechtsfolgenirrtümer nicht nach § 119 BGB zur Anfechtung berechtigten, wertet die unrichtige Vorstellung über die 49  Bei AGB ist zunächst zu prüfen, ob eine etwaige Klausel, über deren Inhalt sich der Unterschreibende geirrt hat, nicht gem. §§ 305 ff. BGB unwirksam ist, so dass es einer Anfechtung nicht bedarf. Vgl. auch Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 754. 50  Vgl. hierzu Henle, FG Paul Krüger, 1911, S. 293, 321 ff.; Mayer-Maly, AcP 170 (1970), 133, 165 ff. Nach Mayer, Der Rechtsirrtum und seine Folgen im bürgerlichen Recht, 1989, S. 13 kann der Rechtsfolgenirrtum alternativ oder kumulativ auf einem Tatsachenirrtum beruhen. Zur Vertrauenshaftung kraft Rechtsirrtums vgl. Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, 1993, S. 85 ff. 51  Vgl. nur MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 82 ff.; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 750; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 67 ff.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 vor Rn. 71. 52 Vgl. Mayer, Der Rechtsirrtum und seine Folgen im bürgerlichen Recht, 1989, S. 166; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 750. 53 Vgl. Danz, JherJb. 46 (1904), 381, 439 f.; Oertmann, SeuffBl. 67 (1902), 25, 29 f.; Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 1910, S. 451 ff.; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 267 f. schreibt sogar umgekehrt, dass jede Art des Inhaltsirrtums immer auch einen Rechtsfolgenirrtum darstelle: „Wer sich über die Bedeutung des gebrauchten Erklärungszeichens irrt, irrt immer auch über die Rechtsfolge des objektiv Erklärten.“.

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§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

Rechtslage als Motiv für die Abgabe der Willenserklärung. Kritisiert wird daher, die gängigen Begründungsansätze seien in erster Linie ergebnisorientiert. Bezweckt werde letztlich eine Zurückdrängung des Anfechtungsrechts zu Gunsten des Rechtsverkehrs.54 Medicus/Petersen schreiben: „Richtigerweise ist das Problem noch nicht überzeugend gelöst.“55 Das Reichsgericht hatte ursprünglich vertreten, dass die Verkehrsteilnehmer das Recht zu kennen hätten, ein Irrtum über die Rechtslage und damit auch ein Rechtsfolgenirrtum mithin nicht zur Anfechtung berechtige – error iuris nocet.56 Später änderte es seine Rechtsprechung. Unter bestimmten Voraussetzungen stellten Rechtsfolgenirrtümer Inhaltsirrtümer dar: „Ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung liegt […] vor, wenn infolge Verkennung oder Unkenntnis seiner rechtlichen Bedeutung ein Rechtsgeschäft erklärt ist, das nicht die mit seiner Vornahme erstrebte, sondern eine davon wesentlich verschiedene Rechtswirkung, die nicht gewollt ist, hervorbringt, nicht dagegen, wenn ein rechtsirrtumsfrei erklärtes und gewolltes Rechtsgeschäft außer der mit seiner Vornahme erstrebten Rechtswirkungen noch andere, nicht erkannte und nicht gewollte Rechtswirkungen hervorbringt.“57

Der BGH versteht den Rechtsfolgenirrtum dem Grundsatz nach als unbeachtlichen Motivirrtum. Während ein Irrtum über die Rechtsfolgen, die sich „aus dem Inhalt der Erklärung ergeben“, zur Anfechtung berechtige, begründeten Irrtümer über Rechtsfolgen, die kraft Gesetzes eintreten, kein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB.58 Von dieser Grundregel macht das Gericht aber Ausnahmen – und zwar in jenen Fällen, in denen auch das Reichsgericht eine Anfechtung gestattete, nämlich „wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt“.59 Der Irrtum über den „Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtswirkungen hinzutreten,“ stelle hingegen keinen Inhalts-, sondern einen bloßen Motivirrtum dar.60 Der Grundlinie des BGH folgen auch die meisten Vertreter der Literatur. ­L arenz/Wolf etwa unterscheiden zwischen unmittelbar erklärten und mittel54  Vgl. nur S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 268; Mayer-­ Maly, AcP 170 (1970), 133, 171. 55  Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 751. Vgl. auch Rittner, FS v. Hippel, 1967, S. 391, 403 f. 56  RGZ 51, 281, 283; RGZ 57, 270, 273; RGZ 62, 201, 201; RGZ 76, 439, 440. 57  RGZ 88, 278, 284. Vgl. auch RGZ 89, 29, 33, sowie, zuvor, bereits RGZ 75, 271, 272 ff. Zu dem in diesem Zusammenhang regelmäßig genannten Urteil in RGZ 70, 391, 394 vgl. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 23 4 d, S. 467. 58  BGH NJW 2008, 2442 Rn. 15. Vgl. auch BGH NJW 1995, 1484, 1485, außerdem bereits RGZ 75, 271, 272 ff. 59  BGHZ 168, 210, 218 Rn. 19; BGH NJW 2008, 2442, Rn. 19. Vgl. auch BGHZ 134, 152, 156. 60  BGHZ 168, 210, 218 Rn. 19; BGH NJW 2008, 2442, Rn. 19. Vgl. auch BGHZ 134, 152, 156.

C. Inhaltsirrtum

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baren Rechtsfolgen von Willenserklärungen. Unmittelbar erklärt seien Rechtsfolgen, die „in der Erklärung selbst enthalten“ seien und also „darin ihren maßgeblichen Geltungsgrund“ hätten.61 Mittelbare Rechtsfolgen seien solche, die als Folge der unmittelbar erklärten Rechtsfolge und also erst „vom Gesetz oder durch Richterspruch“ vorgesehen seien.62 Zur Anfechtung berechtigten lediglich Irrtümer über unmittelbar erklärte Rechtsfolgen. Nach Flume ist ein Irrtum über Rechtsfolgen unbeachtlich, „welche nicht selbst Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Erklärung sind, sondern von Rechts wegen in Hinsicht auf die rechtsgeschäftliche Erklärung eintreten.“63 Eine ähnliche Unterscheidung nimmt Singer vor: Rechtsfolgen, die als autonome Rechtsetzung erschienen, aber so nicht gewollt seien, berechtigten – dies gebiete die Privatautonomie – zur Anfechtung wegen Inhaltsirrtums, Rechtsfolgen, die auf heteronomer (gesetzlicher) Bestimmung beruhten, hingegen nicht.64 Zwar ließe sich die Unbeachtlichkeit des Rechtsfolgenirrtums nicht mit der abstrakten Richtigkeit gesetzlicher Rechtsfolgen rechtfertigen,65 wohl aber mit der aus der Privatautonomie des Erklärenden erwachsenden Pflicht, sich über derartige Rechtsfolgen seines Handelns zu informieren.66 Auch Singer unterscheidet aber nicht konsequent zwischen autonom und heteronom gesetzten Rechtsfolgen, sondern folgt der Rechtsprechung auch dann, wenn sie diese Regel durchbricht und also danach unterscheidet, ob ein Rechtsgeschäft eine wesentlich andere als die erstrebte Rechtsfolge herbeiführt oder lediglich neben der erstrebten noch weitere, nicht erkannte und nicht gewollte Rechtsfolgen produziert.67 61  Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 36 Rn. 73. Vgl. auch Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 87. Vgl. außerdem Henle, FG Paul Krüger, 1911, S. 293, 336 ff., der zwischen wesentlichen und unwesentlichen Rechtsfolgen unterscheiden und die Anfechtung nur bei einem Irrtum über wesentliche Rechtsfolgen gestatten will. 62  Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 36 Rn. 73. Vgl. auch Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 87. 63  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 23 4 d, S. 465. Kritisch Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 751. 64  Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 229; Staudinger/ders., 2017, § 119 Rn. 67. Einen anderen Ansatz wählt Lessmann, JuS 1969, 478, 482: Ein Irrtum über Rechtsfolgen könne einen Inhaltsirrtum darstellen, wenn die Rechtsfolgen als accidentalia negotii vereinbart worden seien. Neuffer, Die Anfechtung der Willenserklärung wegen Rechtsfolgeirrtums, 1991, S. 124 ff., 142 plädiert dafür, die Formel der Rechtsprechung durch einzelfallbezogene Grundsätze zu ersetzen. 65 Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 68. Vgl. auch Mayer-Maly, AcP 170 (1970), 133, 170; Wieling, Jura 2001, 577, 581. Anders aber Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 23 4 d, S. 465; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 751. 66 Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 68. 67 Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 67. Ähnlich Hübner, AT, 2. Aufl. 1995, Rn. 782; ­Neuffer, Die Anfechtung der Willenserklärung wegen Rechtsfolgeirrtums, 1991, S. 124 ff. Mayer, Der Rechtsirrtum und seine Folgen im bürgerlichen Recht, 1989, S. 189 ff. will des Problems insbesondere über Wertungsgesichtspunkte Herr werden.

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§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

Stephan Lorenz kritisiert, die gängige Abgrenzung zwischen Irrtümern über autonom und heteronom gesetzte Rechtsfolgen privilegiere denjenigen, der viele Rechtsfolgen in seine Willenserklärung aufnehme; zudem sei Gesetzesrecht oftmals dispositiv, so dass seine Anwendbarkeit vom Willen des Erklärenden abhänge.68 Richtigerweise sei daher zwischen unbeachtlichen Irrtümern über zwingende Rechtsfolgen und beachtlichen Irrtümern über dispositive Rechtsfolgen zu unterscheiden.69 Eine Destabilisierung des Rechtssystems sei dadurch nicht zu befürchten, weil in der Praxis auch Irrtümer über dispositive Rechtsfolgen nur in engen Ausnahmefällen zur Anfechtung gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB berechtigten.70 Da dispositives Recht regelmäßig angemessen sei, werde dem Erklärenden zumeist nicht der erforderliche Nachweis gelingen, dass er seine Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte.71 Ähnlich argumentiert Cziupka, der überdies die „Verkehrserleichterungsaufgabe“ des dispositiven Rechts als Argument anführt:72 Bestünde die Funktion des dispositiven Rechts darin, die Vertragsparteien zu entlasten, dürfe es keinen Unterschied machen, ob die Parteien die dispositive Rechtsfolge unmittelbar in ihre Willenserklärungen einbezogen oder ihren Vertrag im Wissen um das dispositive Recht bewusst lückenhaft ausgestaltet haben.73 Im Ergebnis überzeugt diese Unterscheidung von Lorenz und Cziupka. Nach dem hier vertretenen Modell lassen sich Motivirrtum und Inhaltsirrtum wie folgt unterscheiden: Bei einem Motivirrtum irrt der Erklärende über Faktoren, die Eingang finden in die Bildung seiner Präferenzordnung. Bei einem Inhaltsirrtum hat der Erklärende hingegen seine Präferenzordnung fehlerfrei gebildet. Er irrt sich bei der Auswahl des Zeichens, dessen er sich bedient, um seine Präferenzen zu äußern. Dieses Zeichen hat objektiv eine andere Bedeutung als er ihm subjektiv beimisst. Für den Rechtsfolgenirrtum bedeutet dies zunächst: Hat sich der Erklärende nicht überlegt, welche Rechtsfolgen seine Erklärung hervorruft, ist die 68  S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 266. Ganz ähnlich auch Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 751. Vgl. überdies Cziupka, JuS 2009, 887, 890. 69  S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 269. Vgl. auch Faust, AT, 6. Aufl. 2018, § 21 Rn. 17; zur Anfechtung berechtigen seiner Ansicht nach neben den Rechtsfolgen, die der Erklärende in seine Erklärung aufgenommen hat, auch gesetzliche Rechtsfolgen, die der Erklärende einseitig hätte ausschließen können. 70  Vgl. auch S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 269 f. Vgl. auch Oertmann, SeuffBl. 67 (1902), 25, 30. 71  S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 270 f. Ähnlich auch Danz, JherJb. 46 (1904), 381, 440 f.; Neuffer, Die Anfechtung der Willenserklärung wegen Rechtsfolgeirrtums, 1991, S. 115; Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 1910, S. 458 f. 72  Cziupka, JuS 2009, 887, 890. 73  Cziupka, JuS 2009, 887, 890. Ähnlich Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 1910, S. 459 f.

C. Inhaltsirrtum

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Erklärung nicht irrtumsbehaftet.74 Autoren belassen es üblicherweise bei der Feststellung, dass eine fehlende Vorstellung keine Fehlvorstellung sei.75 Tatsächlich stellt sich der Fall aber differenzierter dar. Die Rechtsfolgen des dispositiven Rechts sind bei objektiver Auslegung Bestandteil der Erklärung. Auch ohne dass sich der Erklärende diese Rechtsfolgen im konkreten Fall bewusst gemacht hat, waren sie von seinem (latent vorhandenen) Willen gedeckt. Das menschliche Denken und Verhalten beschränkt sich nicht auf bewusste Entscheidungen. Ein großer Teil alltäglicher Handlungen beruht auf unbewussten Annahmen (unconscious assumptions). Friedman erläutert dies am Beispiel eines Billardspielers: „Consider the problem of predicting the shots made by an expert billiard player. It seems not at all unreasonable that excellent predictions would be yielded by the hypothesis that the billiard player made his shots as if he knew the complicated mathematical formulas that would give the optimum directions of travel, could estimate accurately by eye the angles, etc., describing the location of the balls, could make lightning calculations from the formulas, and could then make the balls travel in the direction indicated by the formulas. Our confidence in this hypothesis is not based on the belief that billiard players, even expert ones, can or do go through the process described; it derives rather from the belief that, unless in some way or other they were capable of reaching essentially the same result, they would not in fact be expert billiard players.“76

Mit Friedman gesprochen vollzieht der Erklärende also nicht immer und nicht hinsichtlich aller Vertragsbestandteile alle Stufen des rationalen Entscheidungsmodells. Zu den unbewussten Annahmen einer Person gehört auch, dass sie sich in einem bestimmten Rechtsraum befindet. Ein privatrechtlicher Vertrag ist daher auch subjektiv mit der anwendbaren Rechtsordnung verbunden. Nur wenige Personen machen sich beim Abschluss jedes Vertrags bewusst Gedanken über die gerichtliche Durchsetzbarkeit ihrer Ansprüche. Dennoch operieren sie unter der Annahme, dass sie den Vertrag im Streitfall mit staatlichen Instrumenten zur Geltung bringen können. Auch ohne konkrete Vorstellung vom Inhalt der relevanten Vorschriften erklärt sich eine Person bei Abschluss eines Vertrags mithin (abstrakt) mit der Geltung der Rechtsordnung einverstanden und nimmt dadurch die Rechtsfolgen des dispositiven Rechts in ihre Erklärung auf. In den von der Recht74  Vgl. auch Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 1910, S. 446 f. Nicht überzeugend daher Mot. I, S. 196 (= Mugdan I, S. 461), wonach „die Meinung sich vertreten läßt, daß das Nichtwissen vorwiegend, wenn nicht ausschließlich, dem Bereiche des Irrthumes in den Beweggründen“ angehöre. 75  So im Ergebnis auch S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 269 f. Vgl. überdies Danz, JherJb. 46 (1904), 381, 443; Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 1910, S. 446 f.; Oertmann, SeuffBl. 67 (1902), 25, 30: Er will denjenigen, der sich ohne großen Aufwand über die Rechtsfolgen hätte informieren können, gleichstellen mit jemandem, der sich dieser Rechtsfolge bewusst unterworfen hat. 76  Friedman, Essays in Positive Economics, 1953, S. 21 [Kursivierungen im Original].

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§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

sprechung erörterten Fällen, die den „nicht erkannte[n] Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtsfolgen [betreffen], die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten,“77 unterliegt der Erklärende also keinem Irrtum, weil er (unbewusst) stets annimmt, dass seine Willenserklärung die durch die Rechtsordnung vorgesehene Wirkung entfaltet. Im Ergebnis gleich ist der Fall zu beurteilen, in dem der Erklärende positiv weiß, dass er die Regelungen des dispositiven Rechts nicht kennt. Er ist dann consciously ignorant und entscheidet unter Unsicherheit, geht also bewusst ein Risiko ein. Wie beim Unterschriftsirrtum ersetzt der Erklärende in seiner Nutzenfunktion die Variable, die sich auf die Vorschrift des dispositiven Rechts bezieht, durch eine Lotterie mit allen denkbaren Inhalten einer solchen Norm (ergänzt um Wahrscheinlichkeiten). Die Regel des dispositiven Rechts entspricht also unabhängig von ihrer Ausgestaltung den Präferenzen des Erklärenden. Realisiert sich ein Risiko, das der Erklärende bewusst eingegangen ist, ist er deshalb nicht nach § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB zur Anfechtung berechtigt. Gegen das Ergebnis einer ergänzenden Auslegung können sich Parteien ebenfalls nicht mit einer Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB wehren, denn: Gerichte ermitteln den hypothetischen Willen der Parteien gerade, weil die Parteien einen bestimmten Punkt nicht bedacht und daher für diesen Punkt keine Regelung gefunden haben. Damit ist es denklogisch ausgeschlossen, dass sich eine Partei über ihren hypothetischen Willen im Irrtum befunden hat. Womöglich hätte sie den Punkt bedacht, wenn sie gewusst hätte, dass dieser Punkt relevant werden und gerichtlich auf eine andere als die seinen Präferenzen entsprechende Weise einer Lösung zugeführt werden würde. Allein diese Tatsache bedeutet aber nicht, dass sie sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in einem Irrtum befunden hätte.78 Nimmt der Erklärende hingegen fälschlicherweise an, dass seine Erklärung bestimmte Rechtsfolgen (nicht) hervorruft, hat er seine Nutzenfunktion für das betreffende Rechtsgeschäft fehlerfrei gebildet. Er bedient sich aber eines Erklärungszeichens, mit dem er nicht seinen Präferenzen zur Geltung verhilft, sondern andere als die gewollten Rechtsfolgen herbeiführt. Er gibt also eine Erklärung anderen Inhalts ab als gedacht. Gleichwohl berechtigt nicht jeder derartige Irrtum zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB. Zu unterscheiden ist vielmehr, ob die Rechtsfolge, die der Erklärende hervorrufen wollte, rechtlich zulässig ist, ob er die gewollte Rechtsfolge also überhaupt mit Mitteln des Rechts hätte herbeiführen können. Irrt sich der Erklärende über Rechtsfolgen, die er mit einer anders gearteten Erklärung zulässigerweise hätte herbeiführen können, also über Rechtsfolgen, 77 

BGHZ 134, 152, 156; BGHZ 168, 210, 210. Vgl. auch Henckel, AcP 159 (1960–1961), 106, 125; Neuner, FS Canaris 70. Geb., Bd. I, 2007, S. 901, 918; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 35 Rn. 71. 78 

C. Inhaltsirrtum

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die das dispositive Recht betreffen, steht ihm ein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB zu. Als Beispiel hierfür möge ein Irrtum über das Kaufmängelgewährleistungsrecht gelten, der nach ganz allgemeiner Ansicht nicht zur Anfechtung berechtigt.79 Aus ökonomischer Sicht ist ein BGB-Kaufvertrag ein typengemischter Vertrag. Die Parteien einigen sich über den Kauf einer Sache sowie über den Abschluss eines Versicherungsvertrags für den Fall, dass die Sache mangelhaft ist.80 Der Versicherungsvertrag hat, wenn die Parteien keine von §§ 434 ff. BGB abweichende Regelung treffen, das Kaufmängelgewährleistungsrecht zum Inhalt. Für den Erklärenden, also den Käufer, der ein Angebot auf Abschluss des Kaufvertrags unterbreitet, sind sowohl die Mangelfreiheit der Kaufsache als auch die Bedingungen des Versicherungsvertrags für den Mangelfall (Eigenschafts-)Variablen des Vertrags. Beide beeinflussen den mit dem Vertrag zu generierenden Nutzen, bestimmen also den Wert, den der Vertrag für den Erklärenden hat. Zugleich gilt regelmäßig: Die Mangelfreiheit der Sache und die Versicherungsbedingungen stellen substituierende Eigenschaften dar. Nimmt man nur diese Eigenschaften in den Blick und lässt also insbesondere jene Kosten unberücksichtigt, die anlässlich der Geltendmachung etwaiger Gewährleistungsansprüche entstehen, ist die Mangelfreiheit der Kaufsache für den Käufer in dem Maße unerheblich, wie er gegen die Differenz zwischen tatsächlicher und vereinbarter Beschaffenheit versichert ist. Wenn sich der Erklärende über die Ausgestaltung des Mängelgewährleistungsrechts irrt, hat er den Inhalt seiner Erklärung mit seiner Präferenzordnung abgeglichen. Seine Erklärung hat aber objektiv einen anderen Inhalt als er denkt. Nimmt der Käufer etwa fälschlicherweise an, dass Kaufmängelgewährleistungsrechte der Regelverjährung unterliegen, und unterbreitet er ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags, das keinen Passus über die Mängelgewährleistung enthält, gibt er in seiner Vorstellung ein Angebot auf Abschluss eines Versicherungsvertrags ab, der für drei Jahre besteht (§ 195 BGB).81 Objektiv enthält die Erklärung hingegen das Angebot auf Abschluss eines Versicherungsvertrags mit einer Dauer von zwei Jahren ab Kaufvertragsschluss für die Rechte auf Nacherfüllung und auf Schadens- und Aufwendungsersatz (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 1, 439 BGB bzw. §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281, 283, 311a oder § 284 BGB)82. Weil die Qualität der Sache in beiden Fällen 79  Vgl. nur Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 23 4 d, S. 465; Mayer-Maly, AcP 170 (1970), 133, 171; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 69; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 89. 80 Grundlegend Priest, 90 Yale L.J. 1297 ff. (1981). Vgl. auch R. Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 113; Schwartz, 97 Yale L.J. 353, 356 (1988). 81  Zum Beginn des Fristablaufs siehe § 199 BGB. 82  Zum Beginn der Verjährungsfrist siehe § 438 Abs. 2 BGB. Für das Rücktrittsrecht und das Minderungsrecht (§ 437 Nr. 2 BGB) gilt nach § 438 Abs. 4, 5 BGB § 218 BGB (analog).

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§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

gleich ist, ist ein Vertrag mit regelmäßig verjährenden Mängelansprüchen für den Käufer mit größerem Nutzen verbunden als ein Vertrag mit Mängelansprüchen, die gem. § 438 BGB verjähren. Mithin hat der Käufer ein Erklärungszeichen gewählt, das eine andere Bedeutung hat, als er denkt. Er bekommt weniger als erwartet und befindet sich also in einem Inhaltsirrtum. Zwar stellt nicht jede dispositive Norm in ökonomischer Hinsicht einen Versicherungsvertrag dar. Auch wenn dies nicht der Fall ist, ist die (dispositive) Norm aber, ökonomisch betrachtet, eine Eigenschaft des Vertrages. Gestützt wird diese Feststellung durch die Invarianzthese des Coase-Theorems.83 Hiernach ist es unerheblich, wie „Eigentumsrechte“ verteilt sind, weil die Parteien immer die für sie effiziente Lösung erzielen werden. Dies schließt Normen des dispositiven Rechts ein. Enthält ein Vertrag eine Lücke, liegt das, wenn die Parteien rationale Akteure sind, daran, dass sie die zum Vertragsbestandteil werdenden Normen des dispositiven Rechts als effizient betrachten. Ansonsten würden sie die Geltung dieser Norm für ihren Vertrag ausschließen. Der Inhalt dispositiver Normen ist damit eine (Eigenschafts‑)Variable in der auf einen Vertrag bezogenen Nutzenfunktion des Erklärenden. Irrt sich der Erklärende hingegen über Rechtsfolgen, die das zwingende Recht vorsieht, ist also die gewollte Rechtsfolge rechtlich unzulässig, ist eine Anfechtung ausgeschlossen.84 Die Eigenschaften der rechtlichen Regelung sind dann nicht variabel. In einer Nutzenfunktion tauchen sie daher nicht als Eigenschaftsvariable auf. Der Nutzen, den der Erklärende aus dem Vertrag zieht, ist damit ausschließlich abhängig von den Eigenschaften des Geschäftsgegenstands. Zwingende Rechtsregeln sind lediglich insofern Teil der Nutzenfunktion, als sie die Wertigkeit der Eigenschaften des Vertragsgegenstands für den Erklärenden beeinflussen.

D. Fehlendes Erklärungsoder Handlungsbewusstsein Eine den in § 119 Abs. 1 BGB geregelten Fällen vergleichbare Interessenlage liegt auch dann vor, wenn jemand eine objektiv rechtserhebliche Erklärung abgibt, ohne sich bewusst zu sein, dass seine Erklärung rechtlichen Gehalt hat oder dass er überhaupt etwas erklärt, wenn dem Erklärenden also das Erklärungsoder Handlungsbewusstsein fehlt (und die Erklärung nicht bereits nach § 105 Abs. 2 BGB nichtig ist).

83 

Siehe S. 13 Fn. 25. Fälle lagen etwa BGH NJW 2008, 2242; BVerwG NJW 2010, 3048; OLG Braunschweig BeckRS 2014, 05369; OLG Hamm NJW-RR 2011, 1436 zugrunde. 84  Derartige

D. Fehlendes Erklärungs- oder Handlungsbewusstsein

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Zwar befindet sich der ohne Erklärungs- oder Handlungsbewusstsein Erklärende nicht in einem Irrtum. Er unterliegt nicht einer Fehlvorstellung von der Wirklichkeit. Ihm fehlt vielmehr eine entsprechende Vorstellung. Dennoch ist es gerechtfertigt, die Anfechtung auch in diesen Fällen zuzulassen, denn: Ähnlich wie bei Erklärungs- und Inhaltsirrtum wollte der ohne Erklärungs- oder Handlungsbewusstsein Erklärende seine Erklärung nicht abgeben. Wie der im Erklärungs- oder Inhaltsirrtum Befindliche – und anders als derjenige, der eine Scherzerklärung im Sinne des § 118 BGB abgibt – hat auch er nicht gewertet, ob das, was er erklärt hat, tatsächlich seinen Präferenzen entspricht.85 Das Anfechtungsrecht ermöglicht ihm, das Erklärte mit seinen Präferenzen abzugleichen und die Bindungswirkung zu beseitigen, falls die Abweichung zwischen Gewolltem und Erklärtem subjektiv und objektiv erheblich ist. Die Beseitigung der Bindungswirkung erkauft sich der Erklärende mit der Verpflichtung, dem Erklärungsgegner unter den Voraussetzungen des § 122 Abs. 1 BGB einen etwaigen Vertrauensschaden zu ersetzen. Gleichwohl bestehen Unterschiede zwischen Erklärungs- und Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 1 BGB und Handeln ohne Erklärungs- bzw. Handlungsbewusstsein. Bei Erklärungs- und Inhaltsirrtum hat der Erklärende nämlich vor Abgabe der Erklärung das, was er erklären wollte, mit seiner Präferenzordnung abgeglichen und das Entscheidungsproblem gelöst. Er hat lediglich das Ergebnis dieser Lösung fehlerhaft zum Ausdruck gebracht. Der ohne Handlungs- oder Erklärungsbewusstsein Handelnde hat im Hinblick auf das konkrete Rechtsgeschäft hingegen (noch) gar keinen Abgleich mit seiner Präferenz­ ordnung vorgenommen, weil er sich nicht bewusst war, dass er eine rechtlich erhebliche Handlung vornahm. Damit hat er auch das der Erklärung zugrund liegende Entscheidungsproblem noch nicht gelöst. Mehr noch: Er hat nicht einmal erkannt, dass er mit einem derartigen Problem konfrontiert ist. § 119 Abs. 1 BGB ist mithin, anders als Rechtsprechung und Teile der Lehre es im Hinblick auf das fehlende Erklärungsbewusstsein vertreten, nicht direkt anwendbar.86 Die Norm kommt vielmehr nur analog zur Anwendung.87 85  Vgl. Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, Vor § 116 Rn. 13; Kellmann, JuS 1971, 609, 613; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 5. Anderer Ansicht etwa Singer, JZ 1989, 1030, 1034 f., nach dem erhebliche Parallelen zwischen einer Erklärung ohne Erklärungsbewusstsein und einer Erklärung gem. § 118 BGB bestehen: Beide Male habe der Erklärende die Geltung des Rechtsgeschäfts nicht gewollt. Es sei daher nicht sachgerecht, dem ohne Erklärungsbewusstsein Erklärenden ein Wahlrecht gem. § 119 BGB einzuräumen. Ähnlich Wolf/Neuner, 11. Aufl. 2016, § 32 Rn. 22. 86  Für eine direkte Anwendbarkeit BGHZ 91, 324, 329; MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 104; F. Bydlinski, JZ 1975, 1, 5; v. Craushaar, AcP 174 (1974), 2, 6 ff.; Gudian, AcP 169 (1969), 232 ff.; Kellmann, JuS 1971, 621 f.; Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930, S. 82 ff.; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 46, ebenso wohl auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 23 1, S. 449 f. 87  So im Ergebnis auch Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 50 ff.; Kramer, Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998, Rn. 63, 72; Röder, JuS 1982, 125, 126.

306

§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

Die dafür erforderliche Regelungslücke ist gegeben. Die Verfasser des BGB haben sich zum Streit zwischen Willens- und Erklärungstheorie nicht klar positioniert.88 Die Entwicklung des Begriffs „rechtsgeschäftliche Erklärung“ wollten sie der Wissenschaft überlassen.89 In Bezug auf die Anfechtung haben die Verfasser ihre Intentionen aber vergleichsweise deutlich geäußert: Sie wollten ein „unter thunlichster Ausgleichung der widerstreitenden Interessen des Irrenden und des anderen Theiles wie auch Dritter ein den Anforderungen der Billigkeit entsprechendes Recht“ schaffen.90 Wenn nun also – wie hier – die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Begriff der rechtsgeschäftlichen Erklärung zu dem Verständnis gelangt, dass wirksame Erklärungen auch ohne Handlungs- und Erklärungsbewusstsein abgegeben werden können, muss dieser Tatsache auf Stufe der Anfechtbarkeit Rechnung getragen werden. Es würde dem Plan der Verfasser des BGB, ein „den Anforderungen der Billigkeit entsprechendes“ Anfechtungsrecht zu schaffen, widersprechen, wenn die Anfechtung bei fehlendem Handlungs- und Erklärungsbewusstsein nicht zugelassen würde. Bei fehlendem Erklärungsbewusstsein lässt sich die Analogie auf § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB stützen.91 Wie beim Inhaltsirrtum hat der Erklärende den Fehler bei der Auswahl des Erklärungszeichens begangen. Der Unterschied besteht nur darin, dass der ohne Erklärungsbewusstsein Handelnde ein Erklärungszeichen wählen wollte, das zu keiner rechtlichen Bindung geführt hätte, während er, wenn er im Inhaltsirrtum befindlich war, ein Erklärungszeichen wählen wollte, mit dem er sich anders gebunden hätte als er es objektiv getan hat. Um mit dem BGH zu sprechen: „Wer erklärt zu kaufen, sich aber Verkauf vorstellt, befindet sich in einer ganz ähnlichen Lage wie derjenige, der das für Kauf übliche Zeichen gibt, aber nicht an Kauf denkt.“92 Hat dem Erklärenden das Handlungsbewusstsein gefehlt, ist hingegen eine Analogie zu § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB zu ziehen. Der ohne Handlungsbewusstsein Erklärende hat nicht ein falsches Erklärungszeichen gewählt, sondern gar kein Zeichen. Er hat sich also, wie der im Erklärungsirrtum Befindliche, eines Zeichens entäußert, dessen er sich nicht entäußern wollte, nur dass er statt dieses Zeichens nicht ein anderes Zeichen abgeben wollte, sondern sich nicht bewusst war, dass er überhaupt handelte.

88 

Siehe dazu S. 30 ff. Prot. I, S. 268 f. (= Mugdan I, S. 729). 90  Prot. I, S. 222 f. (= Mugdan I, S. 715). 91  So im Ergebnis auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 596. Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 5 hingegen möchte bei fehlendem Erklärungsbewusstsein § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB analog anwenden. 92  BGHZ 91, 324, 329. 89 

E. Kalkulationsirrtum

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E. Kalkulationsirrtum In einem Kalkulationsirrtum befindet sich nach allgemeiner Ansicht sowohl ein Erklärender, dem bei der Berechnung der von ihm in seiner Erklärung genannten Summe ein Fehler unterlaufen ist, als auch ein solcher, der sich über einen Umstand geirrt hat, den er seiner Berechnung zu Grunde gelegt hat, also etwa über einen Rechnungsfaktor.93 Ein solcher Irrtum kann unterschiedliche Ursachen haben.94 Fleischer bezeichnet den Kalkulationsirrtum daher als eine „außerordentlich schillernde Erscheinungsform.“95 Im Folgenden nicht betrachtet werden Kalkulationsirrtümer, die durch das arglistige Verhalten des Empfängers (oder eines Dritten) hervorgerufen werden.96 Auch Kalkulationsirrtümer des Erklärenden, die der Empfänger fahrlässig herbeigeführt hat, sind nicht Gegenstand der Untersuchung.97

I. Vorrang der Auslegung Gewisse Fallkonstellationen lassen sich bereits mit den vorrangig zu prüfenden allgemeinen Auslegungsregeln lösen. Das paradigmatische Beispiel hierfür ist der „Rubel-Fall“ des Reichsgerichts.98 Der Kläger hatte dem Beklagten 30.000 Sowjetrubel gegeben und sich im Gegenzug Schuldscheine über 7.500 Mark ausstellen lassen. Die Parteien waren davon ausgegangen, dass ein Rubel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 25 Pfennig wert war. Tatsächlich betrug der Wert eines Rubels aber nur einen Pfennig. Die Parteien waren also beide demselben Irrtum unterlegen. Der Beklagte sollte nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien verpflichtet werden, dem Kläger das Äquivalent des Darlehensbetrags in Mark zu ersetzen. Dass die93  Vgl. nur Cziupka, JuS 2009, 887, 890; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 25; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 20 II, S. 374; Waas, JuS 2001, 14; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 71. 94  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 392 f. Vgl. auch Goltz, Motivirrtum und Geschäftsgrundlage im Schuldvertrag, 1973, S. 236 ff.; Kindl, WM 1999, 2198 ff.; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 762. 95  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 392. 96  Der Erklärende hat dann unter Umständen ein Anfechtungsrecht gem. § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung. 97  Beispiele hierfür sind RGZ 64, 266 ff.; RGZ 95, 58 ff. Hier kommen Ansprüche gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen in Betracht. Vgl. hierzu Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 761; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 85. 98  RGZ 105, 406 ff. Auch der „Silberfall“ könnte womöglich mit Mitteln der Auslegung zu lösen sein (RGZ 101, 107 f.). Die für eine abschließende Bewertung erforderlichen Tatsachen lassen sich dem Urteil allerdings nicht mit Sicherheit entnehmen. Zu möglichen Lösungsvarianten F. Hartmann, Jura 2004, 843.

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§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

ser Betrag falsch berechnet wurde (7.500 Mark statt 300 Mark), ist unschädlich;99 auf den objektiven Erklärungsgehalt kommt es nicht an. Die Willenserklärung des Klägers bedurfte mithin entgegen dem Urteil des Reichsgerichts keiner Anfechtung wegen „erweiterten Inhaltsirrtums“ gem. § 119 Abs. 1 BGB.100

II. Beiderseitiges Risikogeschäft Einer Anfechtung bedarf es auch dann nicht, wenn das Geschäft für beide Vertragspartner ein Risikogeschäft darstellte, sie also wussten, dass ihre Kalkulation möglicherweise fehlerbehaftet war. Als Beispiel hierfür mag der „Altmetall-Fall“ dienen.101 Die Parteien hatten das Gewicht des zu verkaufenden Altmetalllagers geschätzt und auf dieser Grundlage den Kaufpreis ermittelt. Nachdem sich die Schätzung als falsch herausgestellt hatte, hatte der Verkäufer den Kaufvertrag angefochten. Das OLG München hatte der Klage des Käufers auf Duldung der Wegführung der Ware stattgegeben. Der Verkäufer habe den Vertrag nicht anfechten dürfen; er sei für die Parteien ein „gewagtes Geschäft mit gleichem Risiko für beide Teile“ gewesen.102 Das Reichsgericht hingegen urteilte, dass dem Verkäufer ein Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 1 BGB zustehe, weil sich die Schätzung als grob falsch herausgestellt habe.103 Die Parteien hätten angenommen, Gegenstand des Kaufvertrags sei ein Haufen Brockeneisen von 40 Eisenbahnwaggons, während er in Wirklichkeit 80 Eisenbahnwaggons umfasst habe. Die Parteien seien sich zwar bewusst gewesen, dass sie ein Risikogeschäft geschlossen hätten, sie hätten den Preis aber „innerhalb eines gewissen Spielraums als bestimmt“ angesehen und seien insofern einem Irrtum unterlegen.104 Dem Urteil des Reichsgerichts ist so nicht zuzustimmen. Beide Parteien waren sich bewusst, dass sie die Menge des veräußerten Altmetalls lediglich schätzten, sich ihre Annahme also als falsch herausstellen könnte. Dass sich das bewusst eingegangene Risiko für den Verkäufer realisiert hat, und zwar erheblich stärker, als die Parteien für möglich gehalten haben, bedeutet nicht, dass sich  99  Vgl. auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 395; Kindl, WM 1999, 2198, 2204; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 272; Singer, JZ 1999, 342, 344; Wieser, NJW 1972, 708, 709. Etwas anders als hier Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 65. 100  So auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 26 4 a, S. 501 f.; Kötz, Vertragsrecht, 2. Aufl. 2012, Rn. 297; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 758; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 74 f. Anderer Ansicht Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 226. 101  RGZ 90, 268 ff. 102  RGZ 90, 268, 269. Der Verkäufer habe den „Umstand der Ungewissheit“ in seine Vorstellung aufgenommen. 103  RGZ 90, 268, 270. 104  RGZ 90, 268, 270.

E. Kalkulationsirrtum

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der Verkäufer bei Vertragsschluss geirrt hat. Vielmehr haben die Parteien die Schätzung „innerhalb eines bestimmten Spielraums“ zur gemeinsamen Grundlage ihres Vertrages gemacht und auf dieser Basis auch die Risikoprämie bzw. den Risikoabschlag berechnet. Nach heutigem Recht hätte der Verkäufer deshalb einen Anspruch gegen den Käufer auf Anpassung des Vertrages gem. § 313 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB.105

III. Einseitiger Kalkulationsirrtum Ist nur eine Partei einem Kalkulationsirrtum unterlegen, hat sie nach Ansicht von Rechtsprechung und herrschender Lehre auch dann kein Anfechtungsrecht, wenn der Irrtum erkennbar war. Der Irrtum über die Berechnungsgrundlage oder bei der Berechnung betreffe „nur einen der Preisofferte vorangegangenen, außerhalb der rechtsgeschäftlichen Erklärung liegenden Umstand“106 und also „einen schon im Stadium der Willensbildung unterlaufenen Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum), der von keinem der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsgründe erfaßt wird.“107 Er berechtige nicht zur Anfechtung, weil „derjenige, der aufgrund einer für richtig gehaltenen, in Wirklichkeit aber unzutreffenden Berechnungsgrundlage einen bestimmten Preis oder eine Vergütungsforderung ermittelt und seinem Angebot zugrunde legt, auch das Risiko dafür trägt, daß seine Kalkulation zutrifft.“108

Bei dieser Risikoverteilung bleibe es auch dann, wenn der Empfänger den Kalkulationsirrtum hätte erkennen können, ihn aber nicht erkannt habe.109 Unerheblich sei überdies, ob der Erklärende dem Empfänger die Berechnung bzw. die Grundlage der Berechnung mitgeteilt habe (offener Kalkulationsirrtum) oder nicht (verdeckter Kalkulationsirrtum). Beide Irrtümer seien gleich zu behandeln, weil sonst ein geschwätziger Geschäftspartner ungerechtfertigt besser gestellt werde als ein solcher, der weniger Fakten mitteile.110 Das Gesetz solle keine Anreize schaffen für Verkehrsteilnehmer, ihren Geschäftspartnern zur Abwälzung des Kalkulationsrisikos Informationen über die eigene Berech105 

Etwas anders als hier Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 62 f. RGZ 55, 367, 370. 107  BGHZ 139, 177, 180. Vgl. auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 837; Kindl, WM 1999, 2198, 2200; Kötz, Vertragsrecht, 2. Aufl. 2012, Rn. 321; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 20 II, S. 374; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 38, Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 79. 108  St. Rspr., vgl. nur BGHZ 139, 177, 181 m.w.N. 109  St. Rspr., vgl. nur BGHZ 139, 177, 181 m.w.N. Vgl. auch Giesen, JR 1971, 403, 405; Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 25; Kötz, Vertragsrecht, 2. Aufl. 2012, Rn. 325; Wieser, NJW 1972, 708, 710. Anderer Ansicht MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 128; Paw­ lowski, AT, 7. Aufl. 2003, Rn. 535a. 110  Vgl. nur Kindl, WM 1999, 2198, 2200; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 758; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 79 ff. 106 

310

§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

nung oder deren Grundlage mitzuteilen, obwohl eine solche Mitteilung für das betreffende Geschäft nicht erforderlich sei. Etwas anderes soll lediglich dann gelten, wenn der Empfänger den Kalkula­ tions­irrtum erkannt bzw. die positive Kenntnis des Kalkulationsirrtums treuwidrig vereitelt und gleichwohl den Vertrag geschlossen, in der Regel ein Angebot angenommen, hat.111 Die dahinterstehenden ökonomischen Wertungen bringt Richard Posner bildlich zum Ausdruck: „Such taking advantage [of an oversight by your contract partner] is not the exploitation of superior knowledge or the avoidance of unbargained-for expense; it is sharp deal­ing. Like theft, it has no social product, and also like theft it induces costly defensive ex­penditures, in the form of overelaborate disclaimers or investigations into the trust­worthiness of a ­prospective contract partner, just as the prospect of theft induces ex­penditures on locks.“112

Zunächst hatte der BGH geurteilt, es könne eine unzulässige Rechtsausübung gem. § 242 BGB darstellen, wenn jemand in Kenntnis eines erheblichen Kalkulationsirrtums (oder trotz treuwidriger Vereitelung der Kenntnisnahme) auf der Wirksamkeit der irrtumsbehafteten Willenserklärung bestehe.113 In einer Ende 2014 ergangenen Entscheidung sprach das Gericht nun, in Übereinstimmung mit seiner grundsätzlichen Rechtsprechung zu Schadensersatzansprüchen wegen Fehlverhaltens in Vergabeverfahren,114 einem Bieter bei einer öffentlichen Ausschreibung einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB auf Rückgängigmachung eines Vertrages zu, weil das ausschreibende Bauamt einen Zuschlag erteilt hatte, obwohl dem Bieter „bei wirtschaftlicher Betrachtung schlechterdings nicht mehr angesonnen werden kann, sich mit dem irrig kalkulierten Preis als einer auch nur annähernd äquivalenten Gegenleistung für die zu erbringende Bau-, Liefer- oder Dienstleistung zu begnügen.“115 Auch in der Literatur wird zum Teil vertreten, dass Fälle, in denen der Empfänger positive Kenntnis von einem Kalkulationsirrtum hatte, außerhalb der

111  Kriterien dazu, wann die Kenntnisnahme als treuwidrig vereitelt zu betrachten und wann bei Kenntnis von der Erteilung eines Zuschlags abzusehen ist, stellen BGHZ 139, 177, 185 ff.; BGH NJW 2015, 1513, 1514 f. auf. 112  Mkt. St. Assocs. v. Frey, 941 f.2d 588, 594 (7th Cir. 1991). Ähnlich Kronman, 7 J. Legal Stud. 1, 7 (1978): „A rule of this sort is a sensible one. While it is true that in each of the cases just described the mistaken party is likely to be the one best able to prevent the mistake from occurring in the first place (by exercising care in preparing his bid or in reading the proposed contract which has been submitted to him), the other party may be able to rectify the mistake more cheaply in the interim between its occurrence and the formation of the contract.“ Fälle gerechtfertigter Lüge behandelt G. Wagner in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 59, 93 ff. 113  BGHZ 139, 177, 184 ff.; BGH NJW 2006, 3139 Rn. 25 ff. 114  BGHZ 190, 89. 115  BGH NJW 2015, 1513 ff. Vgl. auch RG JW 1925, 1633, 1634.

E. Kalkulationsirrtum

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Irrtumsanfechtung zu lösen seien.116 Andere wollen bei positiver Kenntnis des Empfängers eine Anfechtung gem. § 119 Abs. 1 BGB analog zulassen, weil dieser nicht auf die Fehlerfreiheit der Erklärung vertraut habe und Verkehrsschutz­ erwägungen daher einer Anfechtung nicht entgegenstünden.117 Eine dritte Ansicht hält § 119 Abs. 2 BGB für entsprechend anwendbar.118 Der einseitige Kalkulationsirrtum soll demnach nur dann rechtlich relevant sein, wenn der Empfänger ihn erkannt hat oder sich aufgrund eigener Treuwidrigkeit so stellen lassen muss, als hätte er Kenntnis vom Irrtum gehabt. Flume, Adams und Fleischer plädieren allerdings dafür, eine Anfechtung bei „offensichtlichen“ (Adams) bzw. „evidenten“ (Flume, Fleischer) Kalkulationsirrtümern auch dann zu gestatten, wenn der Empfänger nicht treuwidrig ist.119 Adams führt insoweit aus: Könne der Empfänger grenzkostenfrei erkennen, dass die Erklärung auf einem Kalkulationsirrtum beruhe, minimiere ein Anfechtungsrecht des Erklärenden die gemeinsamen Vertragsabschlusskosten, indem es den Empfänger zur Korrektur des Irrtums anhalte.120 Eine vorrangige Lösung des objektiv erkennbaren Kalkulationsirrtums über die Regeln der Auslegung prüfen Rechtsprechung und Literatur üblicherweise nicht. Nach dem hier vertretenen Ansatz bedarf es aber auch dann, wenn eine 116  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 837; Cziupka, JuS 2009, 887, 891; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 25, S. 493; Hundertmark, BB 1982, 16, 19. Vgl. auch Köhler, AT, 42. Aufl. 2018, § 7 Rn. 26; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 119 Rn. 29; Waas, JuS 2001, 14, 15 ff.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 81. 117  Heiermann, BB 1984, 1836, 1840 f.; Kindl, WM 1999, 2198 ff.; Singer, JZ 1999, 342, 347; Wieser, NJW 1972, 708, 709 f. 118  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 410, 413 („evidente Irrtümer“); MüKo-BGB/Kramer, 5. Aufl. 2006, § 119 Rn. 88, 123; Pawlowski, JZ 1997, 741, 745 f. Dahinstellend hingegen Pawlowski, AT, 7. Aufl. 2003, Rn. 535a. MüKo‑BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 128 will § 119 Abs. 2 BGB direkt anwenden. 119  Adams, AcP 186 (1986), 453, 486 f.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 410; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 25, S. 493. Pawlowski, AT, 7. Aufl. 2003, Rn. 535a möchte eine Anfechtung dann gestatten, wenn der Empfänger den Kalkulationsirrtum „angesichts der Widersprüchlichkeiten der Erklärung oder anderer Ungewöhnlichkeiten“ erkennen konnte. 120  Adams, AcP 186 (1986), 453, 486 f. Nach ihm soll der Empfänger nur dann einen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses geltend machen dürfen, wenn er „den Irrtum nicht kannte oder trotz kostengerechtfertigter Anstrengungen nicht hätte erkennen können.“ (487). Der zweite Fall ist praktisch nicht denkbar. Wenn es dem Empfänger grenzkostenfrei möglich ist, den Irrtum zu erkennen, wird er ihn nie trotz grenzkostengerechtfertigter Anstrengungen nicht erkennen können. Zur Unterscheidung zwischen „deliberately acquired information“ und „casually acquired information“ allgemein Kronman, 7 J. Legal Stud. 1, 8 f. (1978); Rasmusen/Ayres, 22 J. Legal Stud. 309, 324, 327 (1993); Shavell, 25 RAND J. Econ. 20, 33 ff. (1994). Vgl. auch Cooter/Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2012, S. 357 ff. („productive information“ v. „redistributive information“); J. Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561 (1971) („foreknowledge“ v. „discovery“), zu den ökonomischen Hintergründen vertraglicher Aufklärungspflichten grds. Kötz, FS Drobnig, 1998, S. 563 ff.; ders., 9 Europ. J. L. & Econ. 5 ff. (2000); G. Wagner in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 59 ff.

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§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

Partei einem objektiv erkennbaren Irrtum unterliegt, keines Rückgriffs auf die Anfechtung. Lässt sich der Erklärung der irrenden Partei objektiv nicht nur entnehmen, dass sie einem Kalkulationsirrtum unterlegen ist, sondern auch, welchen Inhalt die Willenserklärung haben sollte, was also das Ergebnis der korrekten Kalkulation gewesen wäre, dann hat die Willenserklärung ebendiesen Inhalt. Ergibt sich bei objektiver Auslegung hingegen nur, dass dem Erklärenden ein Fehler bei der Kalkulation unterlaufen ist, nicht aber, was das Ergebnis der Kalkulation hätte sein sollen, ist die Erklärung perplex und also unwirksam – eine Anfechtung ist dann ebenfalls nicht erforderlich.121 Richtig verstanden ist die Frage, ob ein Kalkulationsirrtum „objektiv erkennbar“ war, also sehr wohl erheblich, und zwar für die Abgrenzung zwischen Auslegung und Irrtumsanfechtung. Wichtig ist dabei: Nicht jede einseitige Mitteilung von Berechnungsgrundlage oder Berechnung führt dazu, dass ein Rechenfehler objektiv erkennbar ist. Sonst würde das Gesetz Anreize für Verkehrsteilnehmer setzen, ihre Geschäftspartner mit allen Informationen über die eigene Kalkulation zu überhäufen, um die andere Seite dadurch mit dem Risiko einer Fehlkalkulation zu belasten.122 Für die Bestimmung der objektiven Erkennbarkeit ist der Maßstab anzulegen, der im Kapitel über die Auslegung erarbeitet wurde.123 Objektiv erkennbar sind nur solche Kalkulationsirrtümer, die ein objektiver Dritter unter Einsatz des für den jeweiligen Vertragstyp rationalen Maßes an Sorgfalt erkannt hätte. Eine generelle Pflicht, die Berechnung der anderen Seite nachzuvollziehen oder sogar die Berechnungsgrundlagen zu überprüfen, besteht hingegen nicht. Hat jemand beispielsweise ein Angebot auf Vertragsschluss unterbreitet und dabei die vielen Posten, aus denen sich die Angebotssumme zusammensetzt, einzeln aufgeführt, ist ein etwaiger Fehler, der dem Anbietenden bei der Addition unterlaufen ist, grundsätzlich auch dann nicht objektiv erkennbar, wenn jemand, der die Berechnung nachverfolgen würde, den Fehler erkennen würde. Anders stellt sich die Lage aber dann dar, wenn der Empfänger, wie bei gewissen Ausschreibungen der öffentlichen Hand üblich, die Bieter verpflichtet, ihren Geboten die Berechnung der Angebotssumme beizufügen. Hat der Empfänger die Information über die Berechnung angefordert, obliegt es ihm, die 121  So im Ergebnis auch S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 272 ff. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 396 ff. hingegen will vor allem Fälle des erkannten und ausgenutzten Irrtums mit den Auslegungsregeln lösen: es gelte der normative Konsens, und zwar auch dann, wenn der Irrtum objektiv nicht erkennbar war, der Empfänger ihn aber gleichwohl aufgrund „allfälliger Zusatzkenntnisse“ (S. 396) erkannt habe. 122  Ähnlich auch S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 274 f.; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 758. 123  Siehe S. 75 ff.

E. Kalkulationsirrtum

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Berechnung nachzuverfolgen. Ein Fehler, der sich aus den Unterlagen ablesen lässt, ist dann auch im Rechtssinne „objektiv erkennbar“.124 Gleiches gilt, wenn eine Partei mehrere Waren und/oder Leistungen anbietet, die jeweils als eigene Rechnungsposten aufgeführt sind, und wenn der Preis dieser Einzelposten nach dem Willen der Parteien maßgeblich sein soll. Dies ist etwa im privaten Baugewerbe bisweilen der Fall.125 Unterläuft dem Anbietenden bei der Berechnung ein Fehler, ist dieser Fehler objektiv erkennbar. Die Willenserklärung hat den Inhalt, den sie nach dem Willen des Erklärenden haben sollte.126 Fälle, in denen einem im Kalkulationsirrtum Befindlichen nach herkömmlicher Ansicht ein Anspruch aus c.i.c. auf Rückgängigmachung eines Vertrags bzw. ein Recht auf Irrtumsanfechtung wegen Kalkulationsirrtums zusteht, weil der Erklärungsgegner den Irrtum erkannt hat, werden daher nach der hier vertretenen Ansicht regelmäßig bereits mit Mitteln der Auslegung zu lösen sein. Ist die Willenserklärung nicht perplex, hat sie den Inhalt, der ihr objektiv zu entnehmen war und den der Erklärungsgegner daher regelmäßig kannte oder hätte kennen können, wenn er seine Kenntnisnahme nicht treuwidrig vereitelt hätte. Auf die Auslegung lässt sich nur dann nicht zurückgreifen, wenn der Empfänger einen objektiv nicht erkennbaren Kalkulationsirrtum erkannt hat, etwa weil er über Sonderwissen verfügt oder überobligatorische Anstrengungen unternommen und ein aus mehreren Rechenposten bestehendes Angebot nachgerechnet hat, obwohl dies im konkreten Fall nicht üblich gewesen wäre.127 Hat der Erklärungsgegner einen Kalkulationsirrtum nicht erkannt und war der Irrtum objektiv nicht erkennbar, ist der Erklärende nach Rechtsprechung und Literatur nicht zur Anfechtung berechtigt. Diese Ansicht überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht. Statt alle objektiv nicht erkennbaren Irrtümer über die Berechnung oder ihre Grundlage als unbeachtliche Motivirrtümer zu werten, ist zwischen Rechenfehlern, also Fehlern bei der Berechnung, und Fehlern, welche die Grundlage der Berechnung betreffen, zu unterscheiden. Dass zwischen beiden erhebliche Unterschiede bestehen, wird wiederum dann deutlich, wenn das Problem als Entscheidungsproblem verstanden wird. Wer sich über die Berechnungsgrundlage irrt, wem also etwa bei der Entscheidung, wie viel Gewinn er mit einem bestimmten Rechtsgeschäft realisieren möchte, ein Irrtum unterläuft, irrt über einen Faktor, der in die Bildung seiner Nutzenfunktion Eingang findet. Er irrt über seine Motivation für das Rechts-

124 Ähnlich Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 837 Fn. 17; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 758. 125  Vgl. nur Kleine-Möller/Merl/Glöckner, Handbuch des privaten Baurechts, 6. Aufl. 2019, § 12 Rn. 11 ff., 408; Locher, Das private Baurecht, 8. Aufl. 2012, Rn. 295. 126 Ähnlich Singer, JZ 1999, 342, 344; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 75. 127  Hierzu sogleich S. 315.

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§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

geschäft und also bei der Bildung seiner Präferenz. Ein Irrtum bei der Präferenzbildung berechtigt den Erklärenden nicht zur Anfechtung. Ein derartiger Irrtum lag etwa dem vom Reichsgericht entschiedenen „Grundschuld-Fall“ zu Grunde.128 Dort hatte sich der Käufer einer Grundschuld über die Mieterträge des Grundstücks geirrt, das mit der Grundschuld belastet war.129 Der Käufer hatte diese Erträge als Grundlage genommen für seine Berechnung des voraussichtlichen Erlöses, welches das Grundstück im Falle einer etwaigen Zwangsversteigerung erzielen würde. Dass der Käufer dem Verkäufer von der Bedeutung der Mieterlöse für seinen Kaufentschluss in Kenntnis gesetzt hatte, ändert daran nichts.130 Ist dem Erklärenden hingegen ein Rechenfehler unterlaufen, betrifft sein Irrtum also nicht die Grundlage seiner Berechnung, sondern die Berechnung selbst („Additionsirrtum“), hat er die für seine Erklärung relevanten Faktoren gewertet, also seine Präferenz gebildet. Ihm ist aber, wie bei anderen Erklärungsirrtümern auch, bei der Äußerung seiner Präferenz ein Fehler unterlaufen.131 Darum steht ihm ein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB zu, wenn die Differenz zwischen dem, was er erklären wollte, und dem, was er objektiv erklärt hat, erheblich ist. Der irrtumsrechtlich relevante Kalkulationsirrtum betrifft daher Fälle, in denen der Erklärungsgegner die fehlerhafte Kalkulation des Erklärenden objektiv nicht hätte erkennen können.132 Der Empfänger wird damit zwar schlechtergestellt, als er nach herrschender Ansicht stünde: Bei einer Anfechtung des Erklärenden nach § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB kann er lediglich einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gem. § 122 Abs. 1 BGB geltend machen; hat er den objektiv nicht erkennbaren Irrtum aufgrund von Sonderwissens erkannt, steht ihm wegen § 122 Abs. 2 BGB sogar nicht einmal dieser Anspruch zu. Möchte er sichergehen, dass er den Gewinn des Geschäfts realisieren kann, wird er also eigene Informationsanstrengungen unternehmen um herauszufinden, ob sein Geschäftspartner korrekt kalkuliert hat. Dieses Ergebnis ist aber nur konsequent. Wie bereits bei der Erörterung des „Normallfalls“ des Erklärungsirrtums angeführt,133 ist das Verrechnen in wirtschaftlicher Hinsicht nicht anders zu beurteilen als das Verlesen, Verschreiben, 128  RGZ 149, 235 ff. Ebenso verhält es sich auch in dem von Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 82 unter (1) angeführten Beispielsfall. 129  Die Mieterträge eines Grundstücks können auch eine diesem anhaftende Eigenschaft sein. Zum Eigenschaftsirrtum siehe S. 317 ff. 130  Vgl. hierzu auch S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 275; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 266. 131 Auch Eisenberg, 91 Cal. L. Rev. 1573, 1596 (2003) versteht einen Kalkulationsirrtum (computational error) als Untergruppe des Erklärungsirrtums (mechanical error). 132  Anderer Ansicht Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 398. Seiner Ansicht nach erfasst der Kalkulationsirrtum „Fälle, in denen die eine Partei die fehlerhafte Kalkulation der anderen Partei erkannt hat oder ohne weiteres hätte erkennen können.“ 133  Siehe dazu S. 289 ff.

E. Kalkulationsirrtum

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Versprechen oder Verklicken.134 Alle fünf Gruppen an Irrtümern sind für einen objektiven Empfänger nicht erkennbar.135 Zugleich gilt bei ihnen allen: Würde der Erklärende an das Erklärte gebunden werden, obwohl er sich verlesen, verschrieben, versprochen, verklickt oder eben verrechnet hat, wäre er in einem Rechtsgeschäft gefangen, das seinen Präferenzen nicht entspricht. Das ist volkswirtschaftlich nicht sinnvoll. Hinzu kommt, dass Kalkulationsirrtümer „zu Zufallsgewinnen und ‑verlusten führen, ohne dass der gesamtwirtschaftliche Nutzen steigt.“136 Die Gefahr, dass sich der Erklärende aus Opportunität sorglos verhalten und nicht genau rechnen wird, wenn er seine Erklärung wegen des Rechenfehlers anfechten kann, ist ebenso gering wie beim Verlesen, Verschreiben, Versprechen oder Verklicken. Zum einen ist der praktische Nachweis eines Rechenfehlers vergleichbar schwierig wie der Nachweis eines sonstigen Erklärungsirrtums, zum anderen wird der Erklärende durch die drohende Schadensersatzpflicht gem. § 122 BGB Abs. 1 BGB zur Sorgfalt angehalten. Dies klingt auch bei Eisenberg an, wenn er schreibt: „a computational error does not embody a demonstrative choice; computational errors are not evaluative mistakes; allowing computational errors to serve as a defense to expectation damages does not drain the meaning of promise or undermine the institution of contract; actors deciding from behind the veil would be highly likely to prefer a regime in which computational errors provided a basis for relief from expectation damages; the advantage that B [Empfänger] would receive from full enforcement of the contract is not earned by B’s knowledge, skill, and diligence; and A [Erklärender] is not seeking to back out of the contract because his knowledge, skill, and diligence in evaluation were less than those of B. Indeed, A is not totally backing out of the contract, because he still must pay whatever reliance damages B has justifiably incurred based upon the error.“137

Wie oben bereits angesprochen sind Fälle denkbar, in denen der Empfänger – insbesondere aufgrund überobligatorischer Sorgfalt – den Kalkulationsirrtum des Erklärenden erkannt hat, obwohl er objektiv nicht erkennbar war. Diese Fälle lassen sich nicht mit den Regeln der Auslegung lösen. Sie sind also irrtumsrechtlich relevant. Nach dem hier vertretenen Ansatz berechtigt ein Kalkulationsfehler, den die andere Seite erkannt hat, nicht automatisch zur Anfechtung. Nach diesem Ansatz ist also, anders als Rechtsprechung und Schrift-

134  Das gesteht auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 398 f. ein. Gleichwohl will er an dem Unterschied festhalten, weil „im Interesse des Verkehrsschutzes […] weitere Ausnahmen von der grundsätzlichen Unbeachtlichkeit des Motivirrtums nicht begründbar“ seien. Im Ergebnis ebenso S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 271; Kindl, WM 1999, 2198, 2205; Pawlowski, JZ 1997, 741, 742. 135  Indirekt erkennt dies auch BGHZ 139, 177, 179 an. 136  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 405 unter Hinweis auf Rasmussen/Ayres, 22 J. Legal Stud. 309, 336 (1993). Vgl. auch Adams, AcP 186 (1986), 453, 485. 137  Eisenberg, 91 Cal. L. Rev. 1573, 1600 f. (2003).

316

§ 7  Fehler bei der Äußerung der Präferenz

tum allgemein vertreten, grundsätzlich nicht zwischen „erkannten“ und „nicht erkannten“ Irrtümern zu differenzieren. Gleichwohl wird der Erklärende in der Praxis regelmäßig zur Anfechtung berechtigt sein, wenn der Empfänger einen (objektiv nicht erkennbaren) Kalkulationsirrtum erkannt hat. Es ist nämlich wesentlich wahrscheinlicher, dass der Empfänger einen – nach diesem Ansatz zur Anfechtung berechtigenden – „Additionsirrtum“ erkennt als einen – nicht zur Anfechtung berechtigenden – „Motivationsirrtum“.

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§ 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung A. Gesetzliche Grundlage Nach dem Ersten Entwurf des BGB waren Eigenschaftsirrtümer unbeachtlich. Die Kommission wertete sie als Irrtümer in den Beweggründen: „Irrthum in den Gattungseigenschaften ist ebenso wie Irrthum über Eigenschaften der gegenüberstehenden Person ein Irrthum in den Beweggründen, schließt mithin die Willenswirklichkeit nicht aus. Das letztere gleichwohl zu bestimmen, fehlt es an genügenden Gründen; auch würde eine solche Vorschrift bei der Unmöglichkeit, die Merkmale ihrer Anwendbarkeit mit hinreichender Deutlichkeit zu bestimmen, eine Quelle von Streitigkeiten werden.“1

Diese Entscheidung wurde heftig kritisiert.2 Nach Rudolf Leonhard ist sie „eine der unerfreulichsten Ausgeburten der neueren Gelehrsamkeit.“3 Die Zweite Kommission beschloss denn auch, Ausnahmen von dieser Regel zuzulassen. Der Erste Entwurf werde „dem Bedürfnisse des Verkehres, der Billigkeit und dem Zuge der modernen Rechtsentwicklung nicht gerecht“.4 Die Kommission folgte damit der Sache nach Savigny, der befunden hatte: „Der Irrtum über eine Eigenschaft der Sache ist ein wesentlicher, wenn durch die irrig vorausgesetzte Eigenschaft, nach den im wirklichen Verkehr herrschenden Begriffen, die Sache zu einer anderen Art von Sachen gerechnet werden müßte, als wozu sie wirklich gehört.“5

1 

Mot. I, S. 199 (= Mugdan I, S. 462). Vgl. nur Jacoby, GrünhutsZ 17 (1890), 144, 155 f.; Meischeider in: Bekker/Fischer (Hrsg.), Beiträge zur Erläuterung und Beurtheilung des Entwurfes eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 3. Heft, 1889 (Nachdruck 1974), S. 23 f. 3  R. Leonhard in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. 3, 1889, S. 23, 73. Nach ihm sollen Irrtümer über „besonders wichtige Eigenschaften“ beachtlich sein (74). 4  Prot. I, S. 238 f. (= Mugdan I, S. 720). Vgl. auch Denkschrift zum BGB, S. 21 f. (= Mugdan I, S. 833). 5  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, § 137, S. 283. Er führt weiter aus: „Bey diesem Unternehmen werden wir uns weniger an abstracte Begriffe halten dürfen, als an die im wirklichen Verkehr herrschenden Ansichten und Gewohnheiten, wodurch denn die ganze Untersuchung eine nicht streng juristische Richtung erhält.“ (277). 2 

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§ 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung

Die Kommission berief sich aber nicht ausdrücklich auf Savigny, sondern führte rechtsvergleichende Argumente als Grund dafür an, warum der Eigenschaftsirrtum zur Anfechtung berechtigen solle. Insbesondere nach preußischem, französischem und schweizerischem Recht sei er beachtlich.6 So solle es daher auch in Deutschland gehandhabt werden. Nach § 119 Abs. 2 BGB ist darum eine Willenserklärung anfechtbar, wenn der Erklärende über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Geschäftsgegenstands7 oder Geschäftsgegners8 geirrt hat. Ein solcher Irrtum gilt nach § 119 Abs. 2 BGB als Irrtum über den Inhalt der Erklärung.9 Die Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Irrtümern wollten die Verfasser des BGB der Rechtswissenschaft überlassen.10 Raape bezeichnet die Norm daher als gesetzgeberische „Fahrt ins Blaue“.11

B. Stand der Diskussion Die Wissenschaft versucht seit Inkrafttreten des BGB, diese Fahrt in dogmatisch geordnete Bahnen zu lenken.12 Nahezu einhellig wird die Norm aber bis heute als wenig geglückt kritisiert.13 Leenen etwa bezeichnet sie als „Sündenfall“.14 Nach Fleischer gehört § 119 Abs. 2 BGB „zu jenen rätselhaften und theorieverschlungenen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, die uns selbst nach Jahrzehnten wissenschaftlicher Erkundung noch ebenso undurchdringlich erscheinen wie zu Jahrhundertbeginn.“15  6  Prot. I, S. 239 (= Mugdan I, S. 720). Kritisch hierzu Schermaier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, 2000, S. 678.  7 § 119 Abs. 2 BGB spricht von „Sache“. Eine Sache im Sinne dieser Norm sind über Sachen im Sinne des § 90 BGB (und Tiere, vgl. § 90a BGB) hinaus auch Rechte und Sachgesamtheiten, vgl. nur Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 846; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 24 2 e, S. 481; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 56.  8 Ausnahmsweise, etwa beim Vertrag zugunsten Dritter oder bei der Bürgschaft, kann auch ein Dritter „Person“ im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB sein.  9  Dieser Gesetzestechnik gegenüber kritisch v. Tuhr, AT, Bd. II/1, 1914, § 67, S. 578. 10  Prot. I, S. 246 (= Mugdan I, S. 721 f.). 11  Raape, AcP 150 (1949), 481, 501. 12 Zu den Streitständen vgl. MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 109 ff.; Goltz, Motivirrtum und Geschäftsgrundlage im Schuldvertrag, 1973, S. 183 ff.; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 294 ff.; G. Müller, JZ 1988, 381; HKK/ Schermaier, 2003, §§ 116–124 Rn. 62 ff. 13 Vgl. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 24, S. 472 ff.; Goltz, Motivirrtum und Geschäftsgrundlage im Schuldvertrag, 1973, S. 183 ff.; Kötz, Vertragsrecht, 2. Aufl. 2012; Rn. 311; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 767; MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 106. 14  Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 65. 15  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 336. Anderer Ansicht etwa Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 860.

B. Der Stand der Diskussion

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Beklagt wird insbesondere, dass nicht einsichtig sei, warum ein Eigenschaftsirrtum rechtliche Relevanz haben solle, obwohl er doch einen Motivirrtum darstelle. Schmidt-Rimpler etwa führt aus: „Die Verkehrssicherheit wird, wenn es sich um einen Eigenschaftsirrtum handelt, genauso gefährdet wie bei jedem anderen Motivirrtum, ja sogar in besonders starkem Maße, da ein Eigenschaftsirrtum besonders leicht und häufig vorkommt.“16 Zudem bedürfe der Erklärende hier keines stärkeren Schutzes als bei anderen Motivirrtümern, denn er habe „die Eigenschaft nicht in die Rechtsfolge aufgenommen und sie auch nicht in diese aufnehmen wollen, und das Fehlen der Eigenschaft trifft ihn nicht typisch schwerer als das einer sonstigen Wertungsgrundlage.“17 Gegen diese Argumente wendet sich etwa Bork. Er betont die Perspektive des Empfängers. Für diesen sei ein Eigenschaftsirrtum ebenso schlecht erkennbar wie ein Erklärungs- oder Inhaltsirrtum.18 Zudem müsse der Erklärende den Irrtum beweisen, was ihm, da es sich dabei um eine innere Tatsache handele, regelmäßig nicht gelingen werde; „eine ausufernde Vernichtung von Rechtsgeschäften“ sei daher nicht zu befürchten.19 Die Rechtsprechung scheidet beachtliche von unbeachtlichen Irrtümern nicht anhand dogmatischer Erwägungen, sondern über die Definition des Begriffs „Eigenschaft“. Als Eigenschaft einer Person oder Sache versteht sie diejenigen dauerhaften Faktoren tatsächlicher oder rechtlicher Art, die den Wert unmittelbar wesentlich zu bestimmen pflegen. 20 Faktoren, die nur mittelbar Bedeutung entfalten 21 oder vorübergehender Natur sind, 22 bleiben hiernach ebenso unberücksichtigt wie zukünftige Umstände. 23 Damit der Irrtum über die Eigenschaft zur Anfechtung berechtige, müsse der Erklärende sie dem Rechtsgeschäft zudem in irgendeiner Weise erkennbar zugrunde gelegt haben, ohne dass er sie aber zum Inhalt seiner Erklärung gemacht haben muss. 24 Ihre 16 

Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 226. Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 226. 18  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 860. Auch Gordley, 52 Am. J. Comp. L. 433, 460 (2004) vertritt, dass in erster Linie auf den Empfänger abzustellen sei; von seinen Absichten hänge ab, ob ein Motivirrtum zur Anfechtung berechtigen solle oder nicht: „We know that the promisee wanted a promise from the promisor. We should determine whether the reason the promisee wanted the promise from the promisor was for one of the reasons just described: to avoid difficulties of proving reliance damages, or to lock in a performance of particular value to him, or to lock in a price. If not, and we cannot see any other reason the law should respect for holding the promisor bound, he should not be bound beyond the promisee’s reliance interest.“ 19  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 860. 20  Vgl. RGZ 90, 342, 343; RGZ 99, 214; RGZ 149, 235 ff.; BGHZ 16, 54, 57; BGHZ 34, 32, 41; BGHZ 70, 47, 48. 21  RGZ 149, 235, 238. 22  RGZ 99, 215; BAG NJW 1992, 2173, 2174. 23  RGZ 85, 322, 325; RGZ 52, 429, 431; RGZ 161, 193, 195. 24  RGZ 64, 266, 269; BGHZ 16, 54, 57; BGHZ 88, 240, 246; BGH NJW 2001, 226, 227. Anders noch RG JW 1912, 850; RG LZ 1931, 240, 244. 17 

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§ 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung

Abgrenzung begründet die Rechtsprechung nicht; dies wird lebhaft kritisiert. 25

C. Objektive Theorie der Anfechtung Wie bei Erklärungs- und Inhaltsirrtum ist auch beim Eigenschaftsirrtum genau zwischen Auslegung und Anfechtung zu unterscheiden.

I. Vorrang der Auslegung In einem ersten Schritt ist der Inhalt des Rechtsgeschäfts – regelmäßig ein Vertrag – zu ermitteln. Dabei ist denkbar, dass die Vorstellungen einer Partei über die Eigenschaften des Vertragsgegenstands bei objektiver Auslegung Inhalt des Vertrages sind. Eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums ist dann nicht erforderlich. Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht: In der Auslage eines Juweliers werden verschiedene Ringe aus Gold präsentiert. Unter ihnen befindet sich ein Ring, der lediglich vergoldet ist, sich aber, weil er aufwändig hergestellt wurde, preislich nicht von den goldenen Ringen unterscheidet. Auch ansonsten findet sich kein Hinweis darauf, dass der Ring nicht massiv golden ist. Gibt ein Käufer nun ein Angebot für diesen Ring ab, bezieht es sich aus Perspektive eines objektiven Empfängers auf den Kauf eines goldenen Rings. Die tatsächliche Beschaffenheit des Rings spielt dabei keine Rolle. Wie stets sind schuldrechtliche und dingliche Ebene voneinander zu trennen. Nur weil der Ring, der dem Käufer später übereignet wird, vergoldet ist, bedeutet dies nicht, dass auch der Kaufvertrag über einen vergoldeten Ring geschlossen wurde. Der Kaufvertrag behält den Inhalt, der ihm bei objektiver Auslegung der ihn begründenden Willenserklärungen zukommt; die übergebene Sache ist mangelhaft. Der Verkäufer, der weiß, dass der Ring lediglich vergoldet ist, will dann zwar das Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags über einen vergoldeten Ring annehmen. Aus Perspektive eines objektiven Empfängers nimmt er aber das Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages über einen goldenen Ring an, wenn er nicht deutlich macht, dass der Ring – obwohl er sich in der Auslage der goldenen Ringe befindet – lediglich vergoldet ist. Damit befindet er sich bei Annahme in einem Inhaltsirrtum. Er glaubt, dass seine Erklärung den Erklärungswert „Annahme eines Angebots auf Verkauf eines vergoldeten Rings“ hat, obwohl ihr objektiv der Erklärungswert „Annahme eines Angebots auf Verkauf eines 25  Vgl. nur Adams, AcP 186 (1986), 453, 463; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 847; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 64. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 340 ff. destilliert aus der Rechtsprechung immerhin „verdeckte Sachaussagen“ (341).

C. Objektive Theorie der Anfechtung

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goldenen Rings“ zukommt. Damit steht ihm ein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB zu. Weisen die objektiven Umstände hingegen nicht darauf hin, dass der Ring in der Auslage die Beschaffenheit „massiv golden“ hat, wurde der Vertrag – nach objektiver Auslegung – über den Ring mit der tatsächlich vorhandenen Eigenschaft (vergoldet) geschlossen. Nur dann stellt sich die Frage, ob der Käufer wegen Eigenschaftsirrtums anfechten kann, wenn er den Ring für massiv golden hielt. Mit Hilfe der Auslegung lässt sich auch ein weiterer Fall lösen, der im Restate­ment (Second) of Contracts aufgeführt wird, um die Risikoverteilung beim beiderseitigen Irrtum zu illustrieren.26 Er hat den Verkauf eines Grundstücks zum Gegenstand, dessen Boden kontaminiert ist, was die Parteien nicht wissen. Auch hier sind die Erklärungen objektiv auszulegen. Haben die Parteien keine explizite Vereinbarung getroffen, sind ihre Erklärungen auf den Verkauf eines Grundstücks mit durchschnittlicher Beschaffenheit gerichtet. Üblicherweise sind Grundstücke nicht kontaminiert. Lagen keine besonderen Umstände vor, die eine andere Beurteilung rechtfertigen, wurde der Kaufvertrag daher über ein Grundstück ohne Bodenverschmutzungen geschlossen. Wird die Kontaminierung später bekannt, kann der Käufer Mängelgewährleistungsrechte geltend machen. 27 Etwas anders liegt es, wenn sich unter dem verkauften Grundstück Bodenschätze befinden, um deren Vorhandensein der Verkäufer bei Vertragsschluss nicht wusste (der Käufer aber schon). 28 Diskutiert wird dann, ob dem Verkäufer ein Anfechtungsrecht wegen Irrtums über die eigene Leistung zusteht. Auf diesen Punkt wird später noch zurückzukommen sein.29 Für die Erörterungen an dieser Stelle ist wichtig, dass der Vorrang der Auslegung auch hier richtungsweisend ist. Ergibt sich danach, dass die Parteien einen Kaufvertrag über ein Grundstück mit Bodenschätzen geschlossen haben, darf der Verkäufer nur anfech26 Restatement (Second) of Contracts, § 154, Illustration 6. Vg. zum deutschen Recht nur Raape, AcP 150 (1949), 481, 505 sowie, kritisch, Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 377. 27  Die Illustration des Restatements kommt zu dem Ergebnis, dass der Käufer den Vertrag nicht annullieren („void“) dürfe. Eisenberg, 91 Calif. L. Rev. 1573, 1636 (2003) rechtfertigt dies damit, dass der Käufer im Beispiel, weil Bauunternehmer und also Profi, größere Kenntnisse über die Möglichkeiten etwaiger Bodenverschmutzungen habe als der Verkäufer („in a position to have clearly superior information about the risk that the assumption is mistaken“). 28  Paradigmatische Fälle sind SEC v. Texas Gulf Sulphur Company, 401 f.2d 833 (2d Cir. 1968); Leitch Gold Mines, Ltd. v. Texas Gulf Sulphur Company, 1 Ont. Rep 469, 492 f. (1969). Vgl. nur Fried, Contract as Promise, 2. Aufl. 2015, S. 82 Fn. 17; Kronman, 7 J. Legal Stud., 1, 20 f. (1978) sowie, sehr unterhaltsam, Shulman, The Billion Dollar Windfall, 1969. Aus der deutschen Diskussion vgl. nur G. Wagner in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 59, 76 f. 29  Siehe S. 336 f.

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§ 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung

ten, wenn er nachweisen kann, dass ihm das Wissen, eine Erklärung dieses Inhalts abzugeben, bei Vertragsschluss gefehlt, er sich also in einem Inhaltsirrtum befunden hat. Es ist schwer vorstellbar, dass ihm ein solcher Nachweis gelingen wird. In der Regel wird eine ausdrückliche Vereinbarung notwendig sein, damit ein Kaufvertrag über ein Grundstück die Beschaffenheit „mit Bodenschätzen“ umfasst. In den überwiegenden Fällen hingegen wird der Vertrag über ein Grundstück keine Beschaffenheitsvereinbarung in Bezug auf Bodenschätze aufweisen. Weil das Vorhandensein von Bodenschätzen keine gewöhnliche Beschaffenheit der Sache darstellt, deckt der Kaufvertrag die Qualität „mit Bodenschätzen“ dann nicht ab. Eine Anfechtung des Verkäufers kommt folglich nicht in Betracht, denn der Irrtum darüber, dass das Grundstück Bodenschätze aufweist, ist nicht Teil des Vertrages geworden. Der Verkäufer kann allenfalls einen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Käufer geltend machen. Allerdings beruht die Entdeckung und Bergung der Bodenschätze nicht auf einer Leistung des Verkäufers, sondern auf einer Leistung des Käufers. Dessen Investitionen und Anstrengungen haben die Wertsteigerung des Grundstücks herbeigeführt. Diese Wertsteigerung muss der Käufer nicht nach § 812 Abs. S. 1 Fall 1 BGB an den Verkäufer herausgeben. Er darf den Ertrag seiner Suche behalten. Damit setzt das Recht für den Käufer Anreize, die Kosten auf sich zu nehmen, die mit der Suche nach wertsteigernden Eigenschaften der Sache verbunden sind.30 Daneben ist eine dritte Konstellation denkbar, in welcher der Verkauf des Grundstücks nach objektiver Auslegung ein Risikogeschäft darstellt. Liegt das Grundstück etwa in einem Gebiet, in dem an verschiedenen Stellen bereits Bodenschätze entdeckt wurden, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch das zu verkaufende Grundstück Bodenschätze aufweist. Die Chance einer Entdeckung von Bodenschätzen bzw. das Risiko ihres Fehlens ist dann in den Kaufpreis des Grundstücks eingepreist. Weder der Verkäufer (im Fall der Entdeckung von Bodenschätzen) noch der Käufer (im Falle ihres Fehlens) können ein solches Risikogeschäft anfechten. Das Gleiche gilt für den Kauf eines Tresors, dessen Schloss sich nicht mehr (bzw. nur mit größerem Aufwand) öffnen lässt und bei dem beide Parteien nicht wissen, ob und wenn ja was genau der Tresor enthält.31 Auch dieses Rechtsgeschäft ist objektiv ein Risikogeschäft. Gelingt es dem Käufer nach Abschluss des Vertrags, den Tresor zu öffnen, und stellt sich heraus, dass sich darin Bündel an Geldscheinen befinden, darf der Verkäufer nicht wegen Irrtums über seine ei30  Vgl. hierzu auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 372 f.; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2015, S. 229 mit Fn. 31; Leenen, Symposion Wieacker, 1990, S. 108, 118; Zhou, 59 N.I.L.Q. 327, 333 (2008). 31  City of Everett v. Estate of Sumstad, 631 P.2d 366 (Wash. 1981). Vgl. hierzu nur Eisenberg, 91 Calif. L. Rev. 1573, 1635, 1638 (2003).

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gene Leistung anfechten. Er wusste, dass ihm der Inhalt des Tresors unbekannt war. Er war consciously ignorant; das ihm bewusste Risiko hat sich realisiert. Anders verhält es sich, wenn ein gewöhnlicher Tresor verkauft wird, dessen Tür sich problemlos öffnen lässt. Hat der Verkäufer hier versehentlich vergessen, vor der Übergabe seinen Schmuck aus dem Tresor zu nehmen, kann er den Schmuck wegen ungerechtfertigter Bereicherung vom Verkäufer herausverlangen. Der Kaufvertrag über den Tresor war hinsichtlich des Inhalts des Tresors kein Risikogeschäft. Der Vertrag hatte nicht den (potentiellen) Erwerb des Schmucks zum Gegenstand. Auch beruht die Entdeckung des Schmucks nicht auf einer Leistung des Käufers, sondern auf einer versehentlichen Leistung des Verkäufers.

II. Eigenschaftsirrtum und Präferenzordnung Für das Verständnis des Eigenschaftsirrtums ist es wiederum hilfreich, sich des Verhältnisses von objektiv Erklärtem und Präferenzordnung des Erklärenden gewahr zu werden. Beim Eigenschaftsirrtum geht der Erklärende irrtümlich davon aus, dass der Geschäftsgegenstand oder Geschäftspartner über eine Eigenschaft verfügt, die sie für ihn attraktiver macht, als sie tatsächlich ist. Der Erklärende schreibt dem Geschäftsgegenstand oder Geschäftspartner also versehentlich einen höheren Rang in seiner Präferenzordnung zu, als ihm in Wirklichkeit zukommt. Dieser Fehler ist dem Fehler, dem der Erklärende unterliegt, wenn er sich in einem Inhalts- oder Erklärungsirrtum befindet, vorgelagert. Fehlerhaft ist nicht die Äußerung einer auf der fehlerfrei gebildeten Präferenzordnung beruhenden Lösung des Entscheidungsproblems, wie bei § 119 Abs. 1 BGB, sondern der Abgleich des Geschäftsgegenstands mit der Präferenzordnung. Der Fehler findet also während des Entscheidungsprozesses statt. Zwischen Eigenschafts- und Erklärungsirrtum bestehen mithin kategoriale Unterschiede.32 Nicht zuzustimmen ist daher der Ansicht, dass der Eigenschaftsirrtum ein Erklärungsirrtum gem. § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB sei und § 119 Abs. 2 BGB lediglich klarstelle, dass der Erklärende in seiner Erklärung auch Aussagen über die Eigenschaft des Geschäftsgegenstands oder -partners treffe (dies unter Umständen auch dann, wenn der Erklärende diese Eigenschaft nicht ausdrücklich genannt habe).33 32  Ähnlich Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 5, der insbesondere auf Unterschiede in der Beherrschbarkeit des Irrtumsrisikos abstellt: Irrtümer, die bei Abgabe der Erklärung begangen würden, ließen sich nicht mehr korrigieren, Irrtümer, die dem Erklärenden im Stadium der Willensbildung unterliefen, hingegen schon. Damit korrespondiere ein höheres Maß an Verantwortung. 33  Vertreten von Brauer, Der Eigenschaftsirrtum, 1941, S. 26 ff.; Diesselhorst, Sympotica Wieacker, 1970, S. 180, 195; Kohler, Bürgerliches Recht, Bd. 1, 1906, 505 ff.; Raape, AcP 150 (1949), 481, 493 ff.; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 119 Rn. 34 ff. Nach Schmidt-Rimp-

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Ebenso wenig überzeugt es aber, wenn der Eigenschaftsirrtum – der Einschätzung der Ersten und Zweiten Kommissionen folgend – als Fehler bei der Willensbildung verstanden wird.34 Beim Eigenschaftsirrtum fielen, so die Vertreter dieser Ansicht, nicht gewollter und durch Auslegung ermittelter Erklärungsinhalt auseinander. Vielmehr divergierten „Vorstellung und Wirklichkeit“.35 Der Eigenschaftsirrtum sei damit Motivirrtum; § 119 Abs. 2 BGB erkläre diesen Motivirrtum ausnahmsweise für beachtlich.36 Er gelte als In­ halts­irrtum gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB.37 Der Eigenschaftsirrtum unterscheidet sich aber auch vom Motivirrtum grundsätzlich. Beim Motivirrtum irrt der Erklärende über subjektive Faktoren, welche für die ordinale Reihung der Eigenschaften und also für die Bildung der Präferenzordnung maßgeblich sind. Er irrt also, um mit Schmidt-Rimpler zu sprechen, über die „Wertungsgrundlage“.38 Eisenberg nennt Motivirrtümer darum Bewertungsirrtümer („evaluative mistakes“).39 Solche Wertungsirrtümer berechtigen seiner Ansicht nach nicht zur Anfechtung, weil

ler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 214, 220 f. stellt der Eigenschaftsirrtum eine besondere Form des Erklärungsirrtums dar, weil der Erklärende die Sache oder Person nur mittelbar bezeichne, während er die Eigenschaften beim Erklärungsirrtum unmittelbar mitteilen wolle. Vgl. auch Birk, JZ 2002, 446, 447 ff., der den Eigenschaftsirrtum als „Kommunikationsirrtum“ bezeichnet. 34  Die Basis dafür bildete die Irrtumslehre von Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft, 1879. Vgl. hierzu Oertmann, AcP 117 (1919), 275, 279. 35  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 853. Vgl. auch Adams, AcP 186 (1986), 453, 460. 36  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 853, 864; Cziupka, JuS 2009, 887, 888; Faust, AT, 6. Aufl. 2018, § 21 Rn. 8; Hübner, AT, 2. Aufl. 1996, Rn. 786; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 65; Leipold, AT, 9. Aufl. 2017, § 18 Rn. 31 ff.; Lessmann, JuS 1969, 478, 479; Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 182 ff.; S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 294 ff.; Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 226; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 214 ff.; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 2; Wieling, Jura 2001, 577, 579 ff.; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 51; Zweigert, ZfRV 7 (1966), 12, 21. Vgl. hierzu Koch, FS Zweigert, 1981, S. 851, 868 f.: „Die Unbeachtlichkeit eines Motivirrtums läßt sich immerhin ökonomisch damit rechtfertigen, daß in jenem frühen Stadium der Willensbildung allein der Irrende die Möglichkeit der Kontrolle, Äußerung seiner Vorstellungen, Rückfrage und damit von Präventivmaßnahmen hat. Wenn demgegenüber verkehrswesentliche Eigenschaften des Vertragsgegenstandes als Motiv gleichwohl Beachtung finden (§ 119 II BGB), so mag man auf die darin steckende Objektivität und Erkennbarkeit solcher Merkmale und ihres ersichtlichen Einflusses auf die Vertragsentscheidung verweisen.“ 37  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 853; Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 65; Lessmann, JuS 1969, 478, 479; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 51. 38  Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 215. 39  Eisenberg, 91 Calif. L. Rev. 1573, 1575 (2003). Solche evaluative mistakes entstünden, „when an actor who was capable and well-informed at the time he made a contract comes to believe that his choice to make the contract was mistaken due to a change in either his preferences, his subjective valuation of the performances due under the contract, or the objective market value of those performances.“ (ebd.).

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„in many cases the risk that a contracting party has made an evaluative mistake is the very risk that the other party has bargained for. In effect, such contracts normally are fair bets […]. To allow evaluative mistakes to provide a basis for relief in such cases would undercut the purpose of these contracts and the efficiency goals they serve.“40

Das Schulbeispiel für einen solchen subjektiven Faktor ist die geplante Verwendung des Geschäftsgegenstands, etwa eines Ringes als Verlobungsring. Dass der Erklärende um die Hand seines Freundes oder seiner Freundin anhalten möchte, ist der Grund, weshalb der Abschluss eines Kaufvertrags über einen Ring für ihn einen größeren Nutzen hat als der Abschluss eines Kaufvertrags über einen anderen Gegenstand, etwa einen Gegenstand für den eigenen Gebrauch. Ins Zeitliche gewendet: Der im Motivirrtum befindliche Erklärende irrt, während er seine Nutzenfunktion bildet. Der im Eigenschaftsirrtum Befindliche hingegen hat die Nutzenfunktion bereits gebildet. Ihm ist ein Fehler unterlaufen, als er das konkrete Gut mit seiner Funktion abgeglichen hat. Mathematisch gesprochen, hat der im Eigenschaftsirrtum Befindliche seine Nutzenfunktion nach der falschen Variablen aufgelöst. Auch dies lässt sich anhand eines Beispiels illustrieren. Ein Gut setzt sich zusammen aus mehreren Eigenschaften, die dem Erklärenden unterschiedlich großen Nutzen bringen. In der auf Eigenschaften bezogenen Nutzenfunktion des Erklärenden lässt sich dies wie folgt abbilden: u(x1, x2, x 3 … xn) = β1 x1 + β2 x2 + β3 x 3 … + βn xn . Dabei bezeichnet x eine objektive Eigenschaft eines Produkts, während β ausdrückt, wie sehr der Erklärende die Eigenschaft subjektiv schätzt. Wenn der Erklärende also etwa einen Ring bewerten will und Ringe lediglich zwei Eigenschaften haben, nämlich Größe (s) und Goldanteil (g), dann ist einem Erklärenden, der in erster Linie protzen will, die Größe deutlich wichtiger als der Goldanteil, sagen wir im Verhältnis 4:1. Seine Nutzenfunktion bezogen auf Ringe lautet dann u(s, g) = 4s + g. Er wird nach einem Ring Ausschau halten, der diesen Kriterien entspricht. Fehler, die der Erklärende bei der Bestimmung dieser Nutzenfunktion macht, die sich also darauf beziehen, dass er eine Eigenschaft eines Gutes mehr schätzt als eine andere (also auf den Faktor β), berechtigen den Erklärenden nicht zur Anfechtung. Sie betreffen seine subjektive Präferenzordnung, welche das Recht nicht beurteilen darf, sind also Motivirrtümer. Irrt sich der Erklärende hingegen über eine Eigenschaft der Sache (also über die Variable x), bildet die Nutzenfunktion seine Präferenzen korrekt ab. Ihm ist aber ein Fehler unterlaufen, als er den konkreten Gegenstand mit seinen Präferenzen abgeglichen hat. So mag er etwa gedacht haben, dass der Ring größer 40  Eisenberg, 91 Calif. L. Rev. 1573, 1583 (2003). An anderer Stelle schreibt er: „[T]he promisee has entered into the bargain on the basis of her own evaluations, made through the use of her knowledge, skill, and diligence. If a capable and well-informed promisor could back out of a contract because it turned out that the promisee’s evaluation was better than his, the promisor would be depriving the promisee of an earned advantage.“ (1584).

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sei als er tatsächlich ist. Wenn etwa Größe und Goldanteil nur im Verhältnis 2:1 zueinander stehen (und nicht im Verhältnis 4:1, wie der Erklärende dachte), entspricht der Erwerb des Ringes nicht seinen Präferenzen. Er unterliegt einem Eigenschaftsirrtum und darf gem. § 119 Abs. 2 BGB anfechten. Ebenso verhält es sich, wenn jemand irrtümlich einen vergoldeten Ring als goldenen Ring kauft. Hier hat der Erklärende seine Nutzenfunktion bereits gebildet: Er bevorzugt einen goldenen Ring gegenüber einem vergoldeten. Dies tut er womöglich, weil er den Ring zu einem bestimmten Zweck, etwa als Verlobungsring, verwenden möchte. Der Verwendungszweck und die anderen für die Präferenzbildung relevanten Faktoren sind hier aber nicht irrtumsbelastet. Der Erklärende irrt vielmehr, wenn er den konkreten Gegenstand des Rechtsgeschäfts einschließlich seiner Eigenschaften, hier also den vergoldeten Ring, mit seiner Präferenzordnung abgleicht. Er verortet den Gegenstand falsch, weil er ihm versehentlich eine Eigenschaft zuschreibt – der Ring sei golden –, über die er tatsächlich nicht verfügt. So verstanden stellt die Unterscheidung zwischen Motiv- und Eigenschaftsirrtümern keinen „Sündenfall“ dar:41 Es ist effizient, dass das Rechtssystem Verkehrsteilnehmern ermöglicht, Rechtsgeschäfte zu schließen, die ihren Präferenzen entsprechen, und bei Rechtsgeschäften, bei denen eine Entsprechung unklar ist, eine Korrekturmöglichkeit zur Verfügung stellt, wenn die Wertung durch den Erklärenden ergeben sollte, dass das Rechtsgeschäft seinen Präferenzen nicht entspricht. Die Bildung der Präferenzen selbst aber sollte das Recht nicht schützen, weil es sonst den Verkehr destabilisieren und Transaktionskosten empfindlich erhöhen würde. Überdies würde eine Einmischung des Staates in die Präferenzbildung den Grundsätzen einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung widersprechen. Ob ein Akteur ein Gut einem anderen vorzieht, kann nur er selbst entscheiden. Die hier vertretene Ansicht weist gewisse Ähnlichkeiten mit jener Flumes auf. Nach Flume stellt der Eigenschaftsirrtum ebenfalls keinen ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtum dar. Er argumentiert aber nicht ökonomisch. Für Flume ist maßgeblich, dass „sich der Wille der rechtsgeschäftlich Handelnden in aller Regel nicht auf die Identifizierung des Gegenstandes [beschränkt], sondern […] auch die Beschaffenheit des Gegenstands“ betrifft.42 Flume führt diese Feststellung zu dem Ergebnis, dass Rechtsgeschäfte über einen Gegenstand regelmäßig „betreffs des Gegenstandes als eines von einer bestimmten Beschaffenheit [begründet werden], weil die Vorstellung von dem Gegenstande diesen als einen solchen bestimmter Beschaffenheit begreift.“43 41 

Diesen Begriff verwendet Leenen, AT, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 65, siehe S. 318. Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 24 2 b, S. 477. 43  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 24 2 b, S. 477. Vgl. auch ders., Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1975, S. 20: Vereinbart werde regelmäßig die „Leistung des Gegenstandes in der vorgestellten Beschaffenheit.“ 42 

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Zur Anfechtung berechtige der Eigenschaftsirrtum daher, weil „der Gegenstand oder die Person hinsichtlich einer Eigenschaft nicht dem Rechtsgeschäft entspricht.“44 Erheblich sind nach dieser Lehre vom rechtsgeschäftlichen Eigenschaftsirrtum also nur solche Irrtümer über Eigenschaften, die (ausdrücklich oder stillschweigend) Inhalt des Geschäfts sind.45 Auch die Verkehrswesentlichkeit einer Eigenschaft richtet sich hiernach nicht nach einem abstrakten Verständnis des Verkehrs, sondern nach der Wesentlichkeit für das jeweilige Rechtsgeschäft.46 Insofern ist Flume und den anderen Vertretern der Lehre vom rechtsgeschäftlichen Eigenschaftsirrtum nicht zuzustimmen. Die Anfechtung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Dazu passt es nicht, die Möglichkeit der Anfechtung an eine Vereinbarung der Parteien über eine Beschaffenheit und damit an ein Kriterium zu knüpfen, das nur bei Verträgen vorliegen kann. Nach der Lehre vom rechtsgeschäftlichen Eigenschaftsirrtum wäre § 119 Abs. 2 BGB eine Leistungsstörungsregel mit zu vernachlässigendem Anwendungsbereich; regelmäßig wird die Sachmängelhaftung des besonderen Schuldrechts vorrangig anwendbar sein.47 Flumes Theorie weist damit letztlich ein weiteres Defizit auf: Wenn die Eigenschaft des Gegenstands Inhalt des Vertrages wird, erübrigt sich die Anfechtung. Der Vertrag hat dann bereits nach Auslegung der ihn begründenden Willenserklärungen den Inhalt, den der Erklärende sich vorstellt. Diese Schwierigkeit zeigt sich, wenn Flume den Fokus auf die Anfechtung der Eigentumsübertragung statt die des (schuldrechtlichen) Vertrags richtet: „Ist ein Gegenstand als ein solcher bestimmter Beschaffenheit verkauft, so hat auch die Eigentumsübertragung den Inhalt, daß die Übereignung des Gegenstandes als eines solchen dieser bestimmten Beschaffenheit erfolgt, und die Eigentumsübertragung kann im Falle des Abweichens von dieser Beschaffenheit wegen Eigenschaftsirrtums angefochten werden.“48

44  Flume, AT, Bd. II, § 24 2 b, S. 478. Vgl. auch ders., Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1975, S. 87. 45  Dieser Ansicht folgen unter anderem Birk, JZ 2002, 446, 447 ff.; Goltz, Motivirrtum und Geschäftsgrundlage im Schuldvertrag, 1973, S. 190 ff.; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 119 Rn. 34; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 770; Pawlowski, AT, 7. Aufl. 2003, Rn. 543; Wilhelm, FG Flume, 1998, S. 308 ff. 46  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 24 2 b, S. 447; ders. Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1975, außerdem Birk, JZ 2002, 446, 449; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 770; Paw­ lowski, AT, 7. Aufl. 2003, Rn. 543; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 119 Rn. 36; Wilhelm, FG Flume, 1998, S. 311 f. 47  So auch Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 861; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 345; G. Müller, JZ 1988, 381, 187; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 215 ff. 48  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 24 2 b, S. 479.

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Die Vertreter der Lehre vom rechtsgeschäftlichen Eigenschaftsirrtum versuchen, dieses Problem zu bewältigen, indem die Beschaffenheitsvereinbarung keinen Erfüllungsanspruch begründen, sondern – um Gattungs- und Stückkauf nicht zu vermengen – lediglich zur Anfechtung berechtigen soll.49 Diese Vereinbarung soll durch eine bloße „Vorstellung“ des Erklärenden und also alleine aufgrund seines Willens begründet werden, ohne dass dieser in der Erklärung explizit zum Ausdruck gekommen ist und obwohl regelmäßig nur der Erklärende, nicht aber der Empfänger ein Interesse an ihrem Bestehen hat. Nur weil sich die Präferenz des einzelnen – in Flumes Worten der Wille des rechtsgeschäftlich Handelnden – auf einen konkreten Geschäftsgegenstand mit einer bestimmten Beschaffenheit bezieht, ist das Vorliegen dieser Beschaffenheit aber noch nicht Gegenstand des Rechtsgeschäfts.50 Gleichwohl ist es gerechtfertigt, dem Erklärenden eine Anfechtungsmöglichkeit zuzugestehen, um ihn nicht in ein Rechtsgeschäft zu zwingen, das seinen Präferenzen nicht entspricht. Insofern ist Fleischer zuzustimmen, der ebenfalls keine Eigenschaftsvereinbarung verlangt. Seine, von Flumes Gedanken beeinflusste, Interpretation des § 119 Abs. 2 BGB als gesetzliche Auslegungsregel51 vermag aber aus einem anderen Grunde nicht zu überzeugen: Er legt die Norm zu weit aus. Nach Fleischer normiert § 119 Abs. 2 BGB bei Eigenschaften, die objektiv erkennbar für den betreffenden Verkehrstyp bedeutsam sind, die Vermutung, dass diese Eigenschaften zur Anfechtung berechtigen sollen.52 Zudem soll der Erklärende auch bei Irrtümern über Eigenschaften, die lediglich für ihn (subjektiv) Bedeutung haben, zur Anfechtung berechtigt sein, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Der Erklärende hat die Bedeutung offengelegt, also erkennbar gemacht, und das Vorliegen der Eigenschaft fällt nicht in den Risikobereich des Erklärenden.53 Dem Erkennbarkeitserfordernis komme bei § 119 Abs. 2 BGB jene Filterfunktion zu, die bei § 119 Abs. 1 BGB die „objektive Kausalität“ übernehme.54 Sie solle, so Fleischer mit Verweis auf Singer,55 „ge49 Vgl. Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 21, 35 ff. Ähnlich auch Brauer, Der Eigenschaftsirrtum, 1941, S. 29 ff. 50  Vgl. hierzu auch Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 227 ff., 232. 51  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 347. Er verweist auf Ähnlichkeiten seiner Ansicht mit Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, § 168, S. 1047 Fn. 29, die wiederum auf Kegel, AcP 150 (1949), 356, 360 aufbauen. 52  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 344 f., 347. 53  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 342 ff. Bei der Erörterung subjektiv erheblicher Eigenschaften spricht Fleischer von „Motiven“ (S. 346); er scheint also Eigenschafts- und Motivirrtümer nicht strikt voneinander zu trennen. Subjektiven Kriterien gegenüber kritisch insbesondere Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 847; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 20 II, S. 380 f.; Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 223; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 64. 54  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 343. 55  Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 219.

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währleisten, dass die Abgabe der Willenserklärung wirklich auf einem Mangel an materialer Selbstbestimmung beruht und nicht auf einem nachträglichen Sinneswandel.“56 Hiergegen lassen sich zwei Einwände vorbringen. Erstens dient das Erfordernis der objektiven Kausalität bei § 119 Abs. 1 BGB, nach dem der Erklärende nur anfechten darf, wenn er die Erklärung bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde, anderen Zwecken als Fleischer und Singer meinen. Das Merkmal schützt nicht die „materiale Selbstbestimmung“, sondern beschränkt sie, indem es normiert, dass Präferenzen des Erklärenden, die jenen eines durchschnittlichen Marktteilnehmers nicht entsprechen, nicht zur Anfechtung berechtigen.57 Das Gesetz gestattet die Anfechtung nur dann, wenn auch ein objektiver Dritter, wäre er dem Irrtum des Erklärenden unterlegen, die Erklärung ebenfalls unterlassen hätte. Es schließt also die Anfechtung aufgrund nicht-durchschnittlicher Präferenzen aus und stellt dadurch sicher, dass Rechtsgeschäfte, deren Bestand volkswirtschaftlich sinnvoll ist, nicht durch Anfechtung vernichtet werden können. Zweitens spricht der Verweis auf die funktionale Äquivalenz zwischen objektiver Erheblichkeit bei § 119 Abs. 1 BGB und Erkennbarkeitserfordernis bei § 119 Abs. 2 BGB dagegen, eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB auch dann zu gestatten, wenn der Irrtum Eigenschaften einer Sache betrifft, die nicht objektiv verkehrswesentlich, sondern lediglich subjektiv erheblich sind. Fleischer selbst schreibt, der im Eigenschaftsirrtum Befindliche, der seine Vorstellungen nicht offengelegt habe, habe sich weniger um eine eindeutige Äußerung seines Willens bemüht als der im Erklärungs- oder Inhaltsirrtum Befindliche, der aus seiner Sicht alles getan habe, um den Geschäftsinhalt klarzustellen.58 Um des Verkehrsschutzes willen müsse „er darum hinnehmen, dass sein Wille weniger wiegt als seine unvollständige Erklärung. Treu und Glauben gebieten eine redliche Berücksichtigung der Belange der Gegenpartei, die vor Überraschungen gefeit sein muss.“59 Wenn Fleischer die Anfechtung bei Fehlvorstellungen über Eigenschaften, die im Verkehr nicht als wesentlich gelten, darum gestattet, weil der Erklärende der anderen Seite offengelegt hat, dass er auf die betreffende Eigenschaft wert legt, bevorzugt auch er den Geschwätzigen und setzt also Anreize, alle subjektiven Präferenzen offenzulegen, damit sie für das Rechtsgeschäft Relevanz erhalten und man das Geschäft, wenn die eigene Vorstellungen nicht zutreffen, 56 

Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 343. Siehe dazu S. 293 f. 58  Zu diesem Argument bereits Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 221. Vgl. auch Diesselhorst, Sympotica Wieacker, 1970, S. 180, 195. 59  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 343. Ganz ähnlich argumentiert auch Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 5. Vgl. überdies Schmidt-Rimpler, FS Lehmann, Bd. I, 1956, S. 213, 221. 57 

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rückwirkend vernichten kann. Falls einer Partei das Vorliegen einer objektiv unwesentlichen Eigenschaft wichtig ist, möge sie auf eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung dringen, um dann, falls der Vertragsgegenstand die Eigenschaft nicht aufweisen sollte, Mängelgewährleistungsrechte geltend machen zu können. Mit seiner Lösung fügt Fleischer – ähnlich wie Flume – dem Pflichtenkanon der Parteien bei Verträgen unterhalb von Beschaffenheitsvereinbarung, Zweckverfehlungskondiktion und Geschäftsgrundlage eine weitere Ebene hinzu, die nicht erforderlich ist, zumal der Erklärende, wenn der Geschäftspartner die Offenbarung der anderen Seite für eine arglistige Täuschung ausnutzt, gem. § 123 BGB zur Anfechtung berechtigt ist. Diese Grenze zur Täuschungsanfechtung verwischt Fleischer, indem er dem Empfänger die Pflicht auferlegt, einen Geschäftspartner, dem das Vorliegen einer objektiv nicht verkehrswesentlichen Eigenschaft erkennbar bedeutsam ist, über das Fehlen dieser Eigenschaft aktiv aufzuklären, um sicherzustellen, dass das Geschäft nicht wegen § 119 Abs. 2 BGB vernichtet werden kann. Dogmatisch sauberer und wirtschaftlich effizienter ist es, den Erklärenden zu verpflichten nachzufragen, ob der Geschäftspartner oder Geschäftsgegenstand die für ihn (subjektiv) erhebliche Eigenschaft aufweist. Wenn die andere Seite darauf wahrheitswidrig antwortet, begeht sie eine arglistige Täuschung, so dass die Anfechtung auf § 123 BGB gegründet werden kann.

D. Folgen für die Beurteilung strittiger Fälle Mit dieser Matrix lassen sich auch die in Rechtsprechung und Literatur üblicherweise diskutierten und als problematisch betrachteten Fallgruppen sauber in solche relevanter und nicht relevanter Irrtümer unterteilen.

I. Wertirrtum Während ein Irrtum über wertbildende Faktoren zur Anfechtung berechtigt, ist ein Irrtum über den Verkehrswert oder den Marktpreis des Geschäftsgegenstands nach Ansicht der Rechtsprechung unbeachtlich. Geurteilt hat dies bereits das Reichsgericht.60 Der BGH hat diese Rechtsprechung fortgeführt.61 Auch die Begründung stammt vom Reichsgericht:

60  61 

RGZ 64, 266, 269; RG JW 1906, 378; RG JW 1912, 525; RG JW 1917, 214. BGHZ 34, 32, 41; BGHZ 79, 183, 185; BGH NJW 1988, 2597, 2598.

D. Folgen für die Beurteilung strittiger Fälle

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„Verkehrswert, Marktpreis, Einkaufspreis sind grundsätzlich lediglich das Ergebnis der Schätzung aller für die Wertbildung maßgebenden Eigenschaften der Sache auf der Grundlage der allgemeinen Konjunktur oder der besonderen Umstände des einzelnen Kaufgeschäftes. Sie sind aber nicht ein tatsächliches oder rechtliches Verhältnis der Sache, das für deren Wertbildung maßgebend ist; sie sind keine der Sache innewohnende Eigenschaft.“62

Die Literatur hat sich der Ansicht der Rechtsprechung überwiegend nicht nur hinsichtlich des Ergebnisses, sondern auch hinsichtlich der Begründung angeschlossen: Der Wert oder Preis einer Sache sei keine Eigenschaft, weil das BGB das System freier Preisbildung voraussetze; wäre eine Anfechtung zulässig, weil die Konkurrenz das gleiche Produkt zu einem günstigeren Preis anbiete, würde dies die marktwirtschaftliche Ordnung und die Rechtssicherheit gefährden.63 Zum Teil aber wird die Begründung der Rechtsprechung kritisiert: So vertritt etwa Flume, dass der Wert einer Sache sehr wohl eine Eigenschaft dieser Sache darstelle.64 Zuzugeben sei der Rechtsprechung aber, dass ein Irrtum über den Preis, der für diese Sache üblicherweise gezahlt werde, nicht zur Anfechtung berechtige. Das Rechtsgeschäft beziehe sich nämlich in aller Regel nicht auf den Wert des Geschäftsgegenstands. Verkauft werde nicht ein Gegenstand als ein solcher von dem Wert des Kaufpreises; der Kaufpreis sei lediglich die Festlegung des Entgelts.65 Larenz versteht auch den Preis als Eigenschaft einer Sache; weil der Preis aber je nach Angebot und Nachfrage fluktuiere, fehle ihm die Verkehrswesentlichkeit, die § 119 Abs. 2 BGB erfordere.66 Fleischer stimmt diesen Argumenten im Grundsatz zu und betont überdies, dass eine rein begriffliche Argumentation, die dem Preis pauschal die Qualität einer Eigenschaft abspricht, spätestens dann an ihre Grenzen stoße, wenn es sich um eine Sache handele, die gebundenen Preisen unterliege, weil dann kaum mehr argumentiert werden könne, dass der Preis keine Eigenschaft der Sache darstelle.67 Rechtsdogmatisch lasse sich hier vielmehr der beim Unterschriftsirrtum bereits angesprochene Gedanke der bewussten Unkenntnis (conscious ignorance) bemühen. Oftmals beruhe eine Fehleinschätzung des Marktes auf 62 

RGZ 64, 266, 269. Vgl. nur MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 139; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 100; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 56. Kull, 70 Wash. U. L. Q. 57, 72 (1992) beklagt die in diesem Punkt zunehmend großzügigere Rechtsprechung US-amerikanischer Gerichte, die auf den Einfluss der objektiven Vertragslehre zurückzuführen sei; eine subjektivere Theorie würde die Anfechtung auf Fälle begrenzen, in denen „genuine assent“ gefehlt habe (72). 64  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 24 2, S. 481. So auch Kegel, AcP 150 (1949), 356, 361; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 20 II, S. 384. Mayer-Maly, FS Pedrazzini, 1990, S. 343, 344 schreibt, wertvoll sei ein „Eigenschaftswort“. 65  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 24 2, S. 481; ders., JZ 1991, 633, 634. 66  Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 20 II, S. 383 f.; Larenz/Wolf, AT, 8. Aufl. 1997, § 36 Rn. 55. Vgl. auch Staudinger/Coing, 11. Aufl. 1957, § 119 Rn. 29; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 119 Rn. 51. Kritisch Mayer-Maly, FS Pedrazzini, 1990, S. 343, 352. 67  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 354. 63 

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§ 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung

solch einer bewussten Unkenntnis.68 Es sei darum unbillig, wenn der Erklärende die Kosten der Informationssuche auf den Empfänger abwälzen dürfe.69 Er habe eine Obliegenheit zur Selbstinformation verletzt.70 Zudem sprächen die Funktionsvoraussetzungen der Marktwirtschaft, insbesondere der Grundsatz freier Preisbildung, zwar nicht dagegen, dass der Wert eine Eigenschaft der Sache darstelle; sie rechtfertigten aber, bei einem Irrtum über den Wert die Anfechtung auszuschließen.71 Der hier vertretene Ansatz geht mit diesen Überlegungen konform und fügt ihnen eine weitere Argumentationslinie hinzu. Zugleich beleuchtet er, warum der Marktwert eines Gegenstands keine Eigenschaft dieses Gegenstands darstellt, denn: Durch das Anfechtungsrecht schützt das Gesetz persönliche Präferenzen der einzelnen Marktteilnehmer. Der im Eigenschaftsirrtum Befindliche beispielsweise ist zur Anfechtung berechtigt, weil er den Geschäftsgegenstand falsch in seiner Präferenzordnung verortet hat – er hat dem Gegenstand irrtümlich eine Eigenschaft zugeschrieben, die dieser nicht hat. Auch derjenige, der sich im Preis irrt, darf (nach § 119 Abs. 1 BGB) anfechten. Die Gegenleistung, die etwa ein Käufer für den Geschäftsgegenstand erbringen muss, ist für seine persönliche Präferenz selbstverständlich insofern relevant, als er – als rationaler Akteur72 – Gegenstände stets möglichst günstig kaufen, also eine möglichst geringe Gegenleistung erbringen möchte. Wird der gleiche Gegenstand zu zwei unterschiedlichen Preisen angeboten, wird er sich stets für den Vertrag entscheiden, bei dem er den Gegenstand zum geringeren Preis erwirbt. Dachte er, er verpflichte sich zur Zahlung des niedrigeren Preises, während er sich tatsächlich zur Zahlung des höheren Preises verpflichtet hat, hat er einen Fehler bei dem Versuch begangen, seine Präferenz zu äußern. Der Erklärende begeht den Fehler bei der Entscheidung, welches Zeichen er zur Äußerung seines Willens verwenden will. Er befindet sich also in einem Inhaltsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB. Der Marktwert eines Gegenstands ist aber etwas anderes als der Preis, der im Einzelfall für den Gegenstand gezahlt wird.73 Er ist vielmehr – idealtypisch – 68 

Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 357 f. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 357 f. Ähnlich Adams, AcP 186 (1986), 453, 469; J. Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561 ff. (1971); Kronman, 7 J. Legal Stud. 1, 8 f. (1978); Rasmusen/Ayres, 22 J. Legal Stud. 309, 324, 327 (1993); Shavell, 25 RAND J. Econ. 20, 33 ff. (1994). 70  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 358. Zur Verletzung der Obliegenheit zur Selbstinformation vgl. auch Härle, Die Äquivalenzstörung, 1995, S. 72 f.; Köhler in: Schäfer/Ott (Hrsg.), Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, 1989, S. 148, 153 f.; Medicus, Abschied von der Privatautonomie im Schuldrecht?, 1994, S. 21 f. 71  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 356. Vgl. auch Staudinger/ Singer, 2017, § 119 Rn. 100. 72  Siehe dazu S. 19 ff. 73  Dies verkennt Adams, AcP 186 (1986), 453, 472, der Irrtümer „über den Preis oder den Wert einer Sache“ gleichstellt. Er will bei beiden eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB 69 

D. Folgen für die Beurteilung strittiger Fälle

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das Ergebnis der Präferenzen aller Marktteilnehmer, also der Gesamtnachfrage nach einem bestimmten Gut am Markt. Diese Präferenz am Markt ist bezogen auf den Gegenstand. Sie stellt aber keine Eigenschaft des Gegenstands dar. Dies gilt auch dann, wenn der Gegenstand an der Börse gehandelt wird.74 Bereits das Reichsgericht hat zutreffend geurteilt, dass eine Anfechtung bei einem einseitigen Kurswertirrtum ausgeschlossen ist.75 Auch der Kurswert einer Aktie (oder eines anderen Wertpapiers) spiegelt nämlich die Nachfrage am Markt wider. Der Hauptunterschied zu anderen Handelsgütern besteht darin, dass sich der Marktwert von Aktien besonders leicht ermitteln lässt. Etwas anderes ergibt sich aber bei preisgebundenen Gegenständen.76 Hier bildet der Marktwert nicht die Summe der Präferenzen ab, sondern er ist davon unabhängig und wohnt, weil er gesetzlich festgelegt ist, dem Gegenstand inne. Er ist eine Eigenschaft des Gegenstands. Dies lässt sich auch mit dem von Adams ausgeführten Grundgedanken begründen: Bei gebundenen Preisen fehlt es an einem schützenswerten Informationsvorsprung der anderen Seite.77 Wenn in einer solchen Situation eine Anfechtung gestattet ist, droht keine Abwälzung der Kosten einer Informationssuche. Vielmehr wird die Durchsetzung des gebundenen Preises erleichtert.78

gestatten, wenn der Vertragspartner über einen Informationsvorsprung verfügt, der „auf einer offensichtlich sozial schädlichen, die Allokation der Güter nicht verbessernden Informa­ tionsverschaffung beruht.“ 74  Im Ergebnis ebenso Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 362. Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 189 f. möchte diesen Fall ebenfalls nicht anders behandeln als sonstige Wertirrtümer; nach seiner Ansicht liegt zwar ein Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft vor, allerdings sei das Rechtsgeschäft nicht auf diese Eigenschaft bezogen gewesen. Anderer Ansicht Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, § 168, S. 1048. 75  RG JW 1906, 378, 379. Gehen hingegen beide Seiten bei Vertragsschluss irrtümlich von einem falschen Kurswert aus, besteht, korrekt verstanden, ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB (etwa im Fall von RGZ 101, 51) oder ein Recht auf Lösung bzw. Vertragsanpassung gem. § 313 BGB (etwa im Fall von RGZ 116, 15). Vgl. auch Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 26 4 b, S. 502 ff.; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 20 II, S. 375; Larenz, Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung, S. 24 ff.; MüKo-BGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 128. 76 So im Ergebnis auch Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, § 168, S. 1048; Larenz, AT, 7. Aufl. 1989, § 20 II, S. 384; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 119 Rn. 51. Schwächer Larenz/Wolf, AT, 8. Aufl. 1997, § 36 Rn. 55. 77  Adams, AcP 186 (1986), 453, 471 f. Er möchte daher die Anfechtung bei Wertirrtümern auch dann zulassen, wenn die eine Seite ihren Informationsvorsprung durch offensichtlich sozialschädliches Verhalten erlangt hat, etwa weil sie über Insiderinformationen verfügt (472). 78  Dieser letzte Gedanke findet sich auch bei Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 359 f.

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§ 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung

II. Irrtum über die eigene Leistung Ein Eigenschaftsirrtum bezieht sich bei gegenseitigen Verträgen regelmäßig auf eine Eigenschaft des von der anderen Seite geschuldeten Gegenstands bzw. auf die Person des Geschäftspartners. Rege diskutiert wird, ob auch ein Irrtum über die eigene Leistung zur Anfechtung berechtigt – insbesondere ob sich ein Verkäufer darauf berufen kann, dass die Kaufsache eine ihm bei Vertragsschluss unbekannte werterhöhende Eigenschaft aufweist.

1. Kenntnisnahme nach Vertragsschluss Nach der Rechtsprechung ist der Verkäufer zur Anfechtung berechtigt, wenn er nach Vertragsschluss erfährt, dass der Vertragsgegenstand über eine werterhöhende Eigenschaft verfügt. Die Grundlage hierfür legte wiederum das Reichsgericht.79 Ausformuliert hat die Regel der BGH:80 Jemand hatte ein Gemälde verkauft, das ein Sachverständiger dem Maler Duveneck zugeschrieben hatte. Nach Abschluss des Kaufvertrags und Übereignung des Gemäldes ließ der Käufer es von einem anderen Experten untersuchen. Nach dessen Urteil war das Gemälde von dem Künstler Leibl gemalt worden. Als der Verkäufer das Gemälde in einer Ausstellung über Leibl sah, focht er den Vertrag an. Der BGH gab dem Verkäufer recht: Die Urheberschaft stelle eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar, über diese Eigenschaft habe sich der Verkäufer geirrt.81 In der Literatur erntete der BGH dafür Zustimmung.82 Bereits Savigny hatte vertreten, es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn der Käufer die Bindung an das Erklärte bei irrtümlicher Annahme einer für ihn günstigen Eigenschaft beseitigen könne, der Verkäufer aber nicht anfechten dürfe, wenn die Kaufsache – ihm bei Vertragsschluss unbekannt – über eine für ihn günstige Eigenschaft verfüge.83 Singer führt ein Symmetrieargument anderer Art an: In derartigen Fällen liege üblicherweise eine empfindliche Äquivalenzstörung vor.84 Ein ähnlicher Gedanke findet sich bei Stephan Lorenz, nach dem der Verkäufer lediglich das Risiko trägt, eine Sache zu billig zu verkaufen, nicht aber,

79 

RGZ 124, 115, 120. Unterschwellig auch RG JW 1912, 525. BGH NJW 1988, 2597. Vgl. dazu Köhler/Fritzsche, JuS 1990, 16 ff. 81  BGH NJW 1988, 2597, 2599. 82  Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 858; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 775; Wolf/ Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 70. 83  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, § 137, S. 298. Kritisch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 372: Habe der Käufer darauf spekuliert, dass sich das Kunstwerk als wertvoll erweist, und habe sich diese Hoffnung nicht realisiert, dann könne er nicht anfechten. 84  Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 227, ohne explizit auf den BGH-Fall Bezug zu nehmen. 80 

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eine wertvolle Sache als Sache minderen Wertes zu veräußern; die Norm habe „rein willensschützenden Charakter“.85 Fleischer wendet ein, der Gesetzgeber habe sich grundsätzlich gegen eine Angemessenheitskontrolle entschieden.86 Jeder Verkehrsteilnehmer trage das Risiko dafür, dass die eigene Leistung wertvoller sei als gedacht. Dieses Risiko der (Falsch-)Bewertung der eigenen Leistung liefe parallel zum Risiko der eigenen Leistungsfähigkeit, welches das Leistungsstörungsrecht den Verkehrsteilnehmern ebenfalls zuweise.87 Dieser Gedanke einer Risikotragungsregel klingt in gewisser Hinsicht schon bei Lenel an. Er schreibt: „Ich bin der Meinung, daß dem Veräußerer ein Recht der Anfechtung wegen error in substantia niemals gewährt werden sollte. Seine Lage ist eine ganz andere als die des Käufers. Dem Käufer kann das Fehlen einer irrig vorausgesetzten Eigenschaft den ganzen Kauf zwecklos machen; für den Verkäufer handelt es sich immer nur darum, daß er für die verkaufte Sache infolge eines Irrtums einen geringeren Preis erhält als er sonst gefordert hätte.“88

Fleischer kritisiert die Ansicht von Singer und Lorenz noch aus einem anderen Grund. Ihre Argumente verfingen nicht, wenn die werterhöhende Eigenschaft erst nach Vertragsschluss aufgetreten sei. Für die Beurteilung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung komme es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an.89 Damit weist Fleischer indirekt auf einen wichtigen Punkt hin, ohne diesen jedoch ausdrücklich zu benennen: Die rechtliche Beurteilung eines Irrtums über die eigene Leistung ist abhängig davon, ob der Markt und also ein objektiver Dritter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der werterhöhenden Eigenschaft Kenntnis hatte oder hätte haben können.90 Dieses Kriterium ist bereits für die Auslegung der Willenserklärungen der Vertragsparteien erheblich. Bei objektiver Auslegung lassen sich manche der Fälle, die als Irrtümer über die eigene Leistung diskutiert werden, sachgerechten Ergebnissen zuführen.91 Fleischer argumentiert insoweit in der Tradition Flumes. Dieser möchte bei nachträglichem Auftreten einer werterhöhenden Eigenschaft den Grundsatz

85 

S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 313. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 371. 87 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 375. 88  Lenel, AcP 123 (1925), 161, 191 f. Lediglich bei der Schenkung will er eine Ausnahme von dieser Regel machen. 89  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 371. 90  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 368 ff. will zwischen nachträglichen Entdeckungen und anfänglicher Informationsasymmetrie zwischen den Parteien unterscheiden. Die Struktur leitet er ab aus seinen Untersuchungen zur arglistigen Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB. Beim Eigenschaftsirrtum vernebelt diese Struktur aber den Kern des Problems. 91  Siehe dazu auch S. 320 ff. 86 

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§ 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung

casum sentit dominus anwenden.92 Dafür führt Flume den BGH-Fall als Beispiel an: Wenn die einschlägigen Fachkreise das Bild zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags als Werk des Künstlers betrachtet haben, als dessen Werk es verkauft worden sei, habe das Bild die Eigenschaft gehabt, mit der es verkauft worden sei.93 Etwaige Vorteile, die daraus erwüchsen, dass sich das Werk nachträglich als das eines anderen Künstlers erweise, gebührten der Person, der das Werk zum Zeitpunkt der Entdeckung gehöre. Dieses Argument lässt sich ins Wirtschaftliche wenden: Als der Verkäufer den Vertragsgegenstand vor Vertragsschluss gewertet, also mit seiner Präferenz­ ordnung abgeglichen hat, tat er dies, ohne die seinen subjektiven Präferenzen nach werterhöhende Eigenschaft einzurechnen. Hätte der Verkäufer in Kenntnis der für ihn werterhöhenden Eigenschaft einen höheren Preis für den Gegenstand verlangt, als der Käufer bei korrekter Wertung bereit gewesen wäre zu zahlen, ist der Vertrag nicht Pareto-optimal. Der Gegenstand gelangt nicht zu der Person, die ihn am meisten schätzt.94 Insofern unterscheidet sich der Irrtum über die eigene Leistung nicht vom Grundfall des Eigenschaftsirrtums. Darum erscheint es auf den ersten Blick angemessen, dem Verkäufer ein Anfechtungsrecht zuzugestehen. Wer dies tut, nivelliert aber einen wesentlichen Unterschied zwischen beiden Irrtümern. Wird die Eigenschaft erst nach Vertragsschluss bekannt, hätte jeder andere die Sache ebenfalls ohne Einrechnung der für den Verkäufer werterhöhenden Eigenschaft gewertet. Damit war die Wertung des Verkäufers nicht fehlerhaft; nach allgemeinem Wissensstand bei Vertragsschluss hatte der Kaufgegenstand genau die Eigenschaften, von deren Vorliegen der Verkäufer ausging.95 Wenn also etwa jemand ein Grundstück verkauft, unter dem sich Bodenschätze befinden, deren Existenz nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht nachweisbar ist, nimmt er nicht irrtümlich an, dass der Grund keine Bodenschätze enthält: Für den Markt weist der Grund zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Bodenschätze auf. Sie sind für den Markt erst dann vorhanden, wenn sie nachgewiesen werden können. Der Verkäufer des Grundstücks besaß das Grundstück also nie mit Bodenschätzen. Damit ergibt bereits die Auslegung der Erklärungen von Verkäufer und Käufer, dass sie einen Kaufvertrag über ein Grundstück geschlossen haben, das keine Bodenschätze enthält. Sobald sich die Bodenschätze nachweisen lassen, verfügt derjenige, dem das Grundstück zu diesem Zeitpunkt gehört, über ein Grundstück mit Bodenschätzen. Diese Bodenschätze bzw. ihren Wert muss der Käufer nicht nach §§ 812 ff. BGB an den Verkäufer herausgeben, denn der Käu92 

Flume, JZ 1991, 633 f. Flume, JZ 1991, 633, 634. 94  Vgl. zu einem ähnlichen Beispiel Zhou, 59 N.I.L.Q. 327, 330 (2008). 95  Vgl. hierzu auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 375. 93 

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fer hat die Bodenschätze nicht durch Leistung des Verkäufers erlangt.96 In den Worten Flumes: casum sentit dominus.97 In dem vom BGH entschiedenen Fall liegt die Sache vermutlich anders. Grund hierfür ist eine Besonderheit des Kunstmarktes: Insbesondere bei Werken verstorbener Künstler ist oftmals – anders als bei Bodenschätzen – nicht zweifelsfrei feststellbar, ob das betreffende Werkexemplar tatsächlich von dem Künstler stammt, von dem es stammen soll. Der Handel mit einem solchen Kunstwerk ist also für beide Parteien im Hinblick auf die Urheberschaft des Bildes objektiv ein Risikogeschäft.98 Dies gilt selbst dann, wenn eine Zuschreibung bereits erfolgt ist, weil sie sich durch verbesserte Untersuchungsmethoden oder neue Forschermeinungen verändern kann. Zwar hat der Kunstmarkt Mechanismen entwickelt, um das Risiko einer falschen Zuschreibung eines Werkes zu einem Künstler zu minimieren. Wird das Werk nicht unmittelbar von der Galerie des Künstlers veräußert, wird der Käufer den Verkäufer – sei es eine Galerie, ein Auktionshaus, ein Museum oder eine Privatperson – regelmäßig bitten, Informationen zur Provenienz des Werkes zur Verfügung zu stellen. Über die Werke bekannter Künstler werden Werkverzeichnisse geführt, in denen die Werke nach Möglichkeit beschrieben und/oder abgebildet werden.99 Bei Künstlern, für die keine Werkverzeichnisse bestehen, oder in Fällen, in denen unklar ist, ob ein bestimmtes Werk dasjenige ist, das in einem Werkverzeichnis beschrieben wurde, werden Sachverständige befragt.100 Selbst diese Mechanismen verhindern aber falsche Zuschreibungen nicht hundertprozentig, zumal die Anreize, ein Werk als Fälschung zu entlarven, für alle Beteiligten gering sind.101 Ob der Verkäufer des zunächst Duveneck zugeschriebenen Werkes keinem Irrtum über die Eigenschaft des ihm gehörenden Gemäldes unterlag, weil das Gemälde zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch keine markttaugliche Zuschreibung erfahren hatte, oder weil das Gemälde zu diesem Zeitpunkt für den Markt ein Gemälde von Duveneck war, hängt von der Qualität des Sachverständigen ab, der es vor dem Verkauf begutachtet hatte. War der Sachverständige im  96 

Siehe dazu S. 322. hierzu auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 375 f., 381, der hier einen Anwendungsfall der Besitzer-Finder-Ethik sieht.  98  Vgl. auch Gordley, 52 Am. J. Comp. L. 433, 454 (2004) zu einem Urteil der Cour de cassation mit vergleichbarem Sachverhalt: „The court said that ‚in 1933, in buying or in selling a work attributed to Fragonard, the contracting parties had accepted the risk as to the authenticity of the work.‘ The court’s opinion may seem conclusory. Had it invalidated the contract, the parties would not have accepted that risk. In that event, however, the result would have been that every time a painting was upgraded, so to speak, in the eyes of experts, a chain of contracts would fall like dominos as far back as the available evidence will go.“  99  Vgl. nur Ebling/Schulze/Kirchmaier, Kunstrecht, 2. Aufl. 2012, S. 288 f. 100  Vgl. nur Ebling/Schulze/Kirchmaier, Kunstrecht, 2. Aufl. 2012, S. 286. 101  Vgl. nur Schack, Kunst und Recht, 3. Aufl. 2017, Rn. 46.  97  Vgl.

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§ 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung

Markt anerkannt, was im Hinblick darauf, dass das Bild später in einer Ausstellung als ein solches von Leibl gezeigt wurde, fraglich ist, wies es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Eigenschaft auf, von deren Vorliegen der Verkäufer ausgegangen war. War der Sachverständige hingegen im Markt nicht anerkannt, dann war die Urheberschaft des Gemäldes zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht geklärt. In beiden Fällen besteht kein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 2 BGB. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn das Rechtsgeschäft – trotz des damit objektiv verbundenen Risikos – für den Verkäufer subjektiv kein Risiko barg, weil er sich sicher war, dass das Bild von Duveneck stammte. Weil die mit Zuschreibungen im Kunstmarkt einhergehenden Unsicherheiten hinlänglich bekannt sind, wird ein solcher Irrtum allerdings nur höchst selten vorliegen (und noch seltener beweisen lassen).

2. Kenntnis bei Vertragsschluss Fleischer und Adams grenzen Fälle der nachträglichen Entdeckung einer wert­ erhöhenden Eigenschaft von Fällen ab, in denen ein „anfängliches Wissensgefälle“ zwischen den Parteien bestand.102 Diese Abgrenzung überzeugt nicht. Wenn der Käufer bereits bei Vertragsschluss Kenntnis hatte vom Vorliegen der werterhöhenden Eigenschaft, steht dem Verkäufer unter Umständen nach § 123 Abs. 1 BGB ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung bzw. ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Käufer wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB zu. Für das Vorliegen eines Eigenschaftsirrtums gem. § 119 Abs. 2 BGB ist diese Frage hingegen unerheblich. Maßgeblich ist hierfür lediglich, ob die Eigenschaft erst nachträglich entdeckt wurde oder bereits bei Vertragsschluss im Markt bekannt war bzw. hätte bekannt sein können.103 Irrt sich der Verkäufer über das Vorliegen einer für ihn werterhöhenden Eigenschaft, die bereits bei Vertragsschluss im Markt bekannt ist bzw. hätte bekannt werden können, unterliegt er keinem Irrtum gem. § 119 Abs. 2 BGB. Womöglich befindet er sich aber in einem Inhaltsirrtum.104 Objektiv verstanden schließen die Parteien, wenn die Eigenschaft bereits im Markt bekannt ist, näm102  So die Überschrift von Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 376. Vgl. auch Adams, AcP 186 (1986), 453, 468 ff. Vgl. auch G. Wagner in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 59, 94 f. zu günstig auf dem Flohmarkt verkauften Originalmanuskripten von Mozart (nach AG Coburg NJW 1993, 938, 939). 103  S. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 313 und Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, S. 227 hingegen gewähren unabhängig vom Zeitpunkt der Entdeckung ein Anfechtungsrecht des Verkäufers gem. § 119 Abs. 2 BGB. 104  Siehe dazu S. 320 ff. sowie 294 ff.

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lich unter Umständen einen Vertrag über einen Gegenstand ab, der die dem Verkäufer unbekannte werterhöhende Eigenschaft aufweist, also etwa über einen goldenen Ring, von dem der Verkäufer annahm, er sei vergoldet. Der Verkäufer denkt dann irrtümlich, er gebe eine Erklärung ab, mit der er sich zum Verkauf eines vergoldeten Ringes verpflichtet. Er irrt sich mithin über die Bedeutung seiner Erklärung. Gelingt ihm der Nachweis, dass er tatsächlich einem Irrtum unterlag, und ist der Irrtum objektiv so erheblich, dass anzunehmen ist, er habe seine Erklärung bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben, steht ihm ein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB zu.

III. Irrtum über „künftige Eigenschaften“ Ein Irrtum über eine „künftige Eigenschaft“ eines Gegenstands, also über eine Veränderung der Eigenschaften eines Gegenstands durch ein in der Zukunft liegendes Ereignis, stellt keinen Eigenschaftsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB dar.105 Dies lässt sich wiederum mit dem Konzept der conscious ignorance erklären: Wer annimmt, dass ein bestimmtes Ereignis eintreten wird, geht bewusst ein Risiko ein, für das er in der Regel einen Risikoabschlag bzw. eine Risikoprämie aushandeln wird. Gleichwohl plädiert etwa Fleischer dafür, dass ein einseitiger Irrtum über „künftige Eigenschaften“ in Ausnahmefällen zur Anfechtung berechtigen soll, nämlich „wenn eine Partei den Eintritt eines zukünftigen Ereignisses als sicher angesehen und diese subjektive Gewissheit ihrem Vertragspartner auch zu erkennen gegeben hat.“106 Gehe eine Partei vom sicheren Eintritt eines künftigen Ereignisses aus, sei es nach ihrer Vorstellung „antizipierte Gegenwart.“107 Auch Adams betont, dass eine saubere Trennung zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Eigenschaften nicht möglich sei, weil der „aufaddierte Gesamtnutzen“ eines Gegenstands abhängig davon sei, wie der Gegenstand in Zukunft verwendet werden könne.108 Letzteres ist sicher zutreffend. Fehlvorstellungen der Parteien über den Eintritt künftiger Ereignisse, die Veränderungen der Eigenschaften eines Gegenstands zur Folge haben, entbehren daher auch nicht in jedem Fall rechtlicher Relevanz. Nehmen die Parteien gemeinsam irrtümlich den Eintritt eines bestimmten künftigen Ereignisses als sicher an und gestalten sie ihre wechselseitigen Leistungspflichten entsprechend aus, stellt diese Annahme kein einseitiges Motiv dar.109 Vielmehr liegt ein meeting of the minds vor. Der Eintritt des 105 

In diesem Sinne hat bereits das RG geurteilt, vgl. nur RGZ 112, 329; RGZ 123, 89. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 382. 107  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 387. 108  Adams, AcP 186 (1986), 453, 479. 109  Dies vertritt im Ergebnis auch Adams, AcP 186 (1986), 453, 481. 106 

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§ 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung

Ereignisses und das Vorliegen der Eigenschaft, die der Gegenstand nach seinem Eintreten haben wird, sind damit in der Regel zum Gegenstand des Vertrags, wenigstens aber zur Grundlage desselben geworden, so dass die unzumutbar belastete Partei, wenn sich die Annahme im Nachhinein als falsch herausstellt, nach § 313 BGB jedenfalls einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage hat, gegebenenfalls sogar einen Anspruch aus Mängelgewährleistungsrecht. Unterliegt aber nur eine Partei einer derartigen irrtümlichen Vorstellung, steht ihr nach zutreffender Ansicht kein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 2 BGB zu.110 Auch hier gilt: Eine etwaige Kenntnis der anderen Seite vom Irrtum des Erklärenden ist relevant dafür, ob der Erklärende seine Erklärung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB anfechten kann, oder ob die Vorstellung des Erklärenden, weil objektiv erkennbar, bei objektiver Auslegung Inhalt des Vertrags geworden ist. Im Rahmen des § 119 BGB ist hingegen unerheblich, ob der Erklärende die Annahme, dass der Vertragsgegenstand eine bestimmte Eigenschaft aufweist, seiner Erklärung erkennbar zu Grunde gelegt hat. Paradigmatisch hierfür sind die sogenannten „Bauland-Fälle“.111 Gegenstand des Rechtsstreits ist jeweils ein Kaufvertrag über ein Grundstück, bei dem zwar in Aussicht steht, aber noch nicht sicher ist, dass es zu Bauland erklärt werden wird. Der Käufer unterliegt in einem derartigen Fall keinem Irrtum, selbst wenn er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt des Ereignisses ausgeht. Er stellt keine Fehldiagnose auf, sondern nimmt eine Fehlprognose vor.112 Er hofft auf den Eintritt eines Ereignisses, das die Verwendbarkeit des Gegenstands zu seinen Gunsten verändern wird. Diese Hoffnung stellt ein Motiv dar – einen der Faktoren, die zur Bildung seiner Indifferenzkurve beitragen. Anders stellt sich die Lage nur dar, wenn der Käufer versehentlich annimmt, das künftige Ereignis sei bereits eingetreten. Dann unterliegt er einem Eigenschaftsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB.113

110 Anders Adams, AcP 186 (1986), 453, 481: Gingen beide Parteien eines Grundstückskaufvertrages davon aus, dass der Vertragsgegenstand Bauland sei, und befinde sich eine Partei über diese Frage im Irrtum, stehe ihr ein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 2 BGB zu. Fraglich ist allerdings, wie in einem derartigen Fall nur eine Seite einem Irrtum unterliegen kann. 111  Vgl. nur BGHZ 74, 370, 375. 112  Geprägt hat diese Begriffe in diesem Zusammenhang Reichel, Vertragsrücktritt wegen veränderter Umstände, 1933, S. 18. Vgl. auch Adams, AcP 186 (1986), 453, 482; Bischoff, Vertragsrisiko und clausula rebus sic stantibus, 1983, S. 144, außerdem Wieacker, FS Wilburg, 1965, S. 229, 238, nach dem ein Irrtum etwas anderes ist als eine „Enttäuschung menschlicher Lebensplanung für die Zukunft“. 113  So auch bereits RGZ 61, 84. Vgl. außerdem Adams, AcP 186 (1986), 453, 481.

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IV. Irrtum über die Kreditwürdigkeit Nach Ansicht der Zweiten Kommission stellt der Irrtum über die Kreditwürdigkeit des Geschäftspartners grundsätzlich einen (unbeachtlichen) Motivirrtum dar. Anlässlich der Frage, ob die Unsicherheitseinrede des § 321 BGB auch bei anfänglicher Kreditunwürdigkeit des Vertragspartners Anwendung finden soll, findet sich in den Protokollen die Aussage: „Wenn derjenige, der eine Vorleistungspflicht übernehme, zur Zeit des Vertragsschlusses vorhandene Umstände nicht erkannt habe, die ihn, wenn sie ihm bekannt gewesen wären, von der Uebernahme jener Verpflichtung abgehalten haben würden, so liege an sich ein Irrthum im Beweggrunde vor, welcher die Gültigkeit des Vertrages nicht berühre. Eine Ausnahme von der Regel der Einflußlosigkeit eines solchen Irrthumes zu machen, bestehe kein Grund. Man könne nicht sagen, daß nach der im Verkehre herrschenden Auffassung der Gegner desjenigen, der eine Vorleistungspflicht übernehme, als verpflichtet gelte, alle Umstände offenzulegen, welche für die Beurtheilung seiner Kreditwürdigkeit von Bedeutung seien. Es sei Sache des sich Verpflichtenden, sich über die für ihn wichtigen Umstände zu unterrichten, vor Allem durch Erkundigung bei dem Gegner“.114

Die Rechtsprechung hingegen verneint ein Anfechtungsrecht wegen Irrtums nicht kategorisch. Bereits das Reichsgericht unterschied nach Art des Rechtsgeschäfts. Bei Kreditgeschäften berechtigten Irrtümer über die Kreditwürdigkeit des Geschäftspartners zur Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB,115 bei Bargeschäften nicht.116 Nur bei ersteren stelle die Kreditwürdigkeit eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar. In der Literatur findet diese Unterscheidung Zustimmung.117 Lediglich Flume will eine Berufung auf § 119 Abs. 2 BGB bei einem Irrtum über die Kreditwürdigkeit unter keinen Umständen gestatten.118 In der Praxis wird die rechtliche Relevanz von Irrtümern über die Kreditwürdigkeit vor allem im Zusammenhang mit Bürgschaftsverträgen diskutiert. Dort ist die Kreditwürdigkeit des Bürgen für den Gläubiger nach allgemeiner Ansicht eine verkehrswesentliche Eigenschaft.119 Ein Bürge, der sich über die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners irrt, ist hingegen nach überwiegender Ansicht grundsätzlich nicht zur Anfechtung seiner Bürgschaftserklä114 

Prot. I, S. 1265 (= Mugdan II, S. 636). RGZ 66, 385. 116  RGZ 105, 206, 208 f. 117  Vgl. nur Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 119 Rn. 42; Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 203; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 92; Wolf/Neuner, AT, 11. Aufl. 2016, § 41 Rn. 61. 118  Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 24 3 b, S. 487. Er möchte stattdessen § 321 BGB analog anwenden. 119  Vgl. nur RG Recht 1915 Nr. 2216; RG Recht 1916 Nr. 386; Bork, AT, 4. Aufl. 2016, Rn. 845 Fn. 29; Flume, AT, Bd. II, 3. Aufl. 1979, § 24 4, S. 489 f.; Medicus/Petersen, AT, 11. Aufl. 2016, Rn. 772; Soergel/Hefermehl, 13. Aufl. 1999, § 119 Rn. 43; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 89. 115 

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§ 8  Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung

rung berechtigt.120 Der Bürge solle gerade das Risiko über die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners tragen.121 Der Irrtum über die Kreditwürdigkeit des Geschäftspartners ähnelt dem Irrtum über „zukünftige Eigenschaften“ des Geschäftsgegenstands insofern, als die Kreditwürdigkeit prognostizieren soll, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Person zahlungsunfähig wird. Bisweilen wird daher plädiert, zwischen Irrtümern über die Zahlungsfähigkeit auf der einen und Irrtümern über die Kreditwürdigkeit auf der anderen Seite zu unterscheiden.122 Nur erstere stellten Irrtümer über verkehrswesentliche, gegenwärtige Eigenschaften dar, die zur Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigten. Ein Irrtum über die Kreditwürdigkeit hingegen sei einem Irrtum über den Wert der Person vergleichbar und überdies einem Irrtum über künftige Sachverhalte nicht unähnlich.123 Tatsächlich ist für die korrekte rechtliche Behandlung des Irrtums über die Kreditwürdigkeit aber weniger erheblich, dass es hier um eine Prognoseentscheidung über die Zahlungsfähigkeit in der Zukunft geht. Maßgeblich ist vielmehr, dass es in der Regel von mehreren Faktoren abhängt, ob eine Person nach Ansicht einer anderen kreditwürdig ist. Diese Faktoren wertet der Kreditgeber. Es ist also sauber zu unterscheiden zwischen Irrtümern über die einzelnen Faktoren, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit einer Person erheblich sein können, und einem Irrtum über die Wertung dieser Faktoren. Die Faktoren, etwa das Alter, die berufliche Situation, die Höhe des Einkommens oder der Stand des Bankkontos, sind Eigenschaften einer Person. Irrt sich der Geschäftspartner über einen dieser Faktoren, denkt er also etwa fälschlicherweise, die Person sei 30 statt 64 Jahre alt, verortet er sie falsch auf seiner Präferenzkurve. Dann unterliegt er, wenn der betreffende Faktor für den Typ des in Frage stehenden Rechtsgeschäfts verkehrswesentlich ist, einem Eigenschaftsirrtum, der nach § 119 Abs. 2 BGB zur Anfechtung berechtigt. Bei Bargeschäften werden viele dieser Faktoren regelmäßig nicht verkehrswesentlich sein, bei Kreditgeschäften schon. Irrt sich der Geschäftspartner hingegen bei der Wertung der Faktoren, unterliegt er einem Irrtum bei der Bildung seiner Präferenzkurve und also einem unbeachtlichen Motivirrtum. Schätzt also beispielsweise ein Kreditgeber einen 64-jährigen Kreditnehmer als ebenso kreditwürdig ein wie einen 30-jährigen Kreditnehmer, obwohl die Tilgungschancen einer Person, die aller Voraussicht 120 

BGH NJW 1965, 438 f. 134, 126, 129; BGH WM 1956, 885, 889; Staudinger/Singer, 2017, § 119 Rn. 89; HK-BGB/Staudinger, 10. Aufl. 2019, § 765 Rn. 13. Anderer Ansicht RGZ 158, 166, 170; Enneccerus/Nipperdey, AT, 2. Halbbd., 15. Aufl. 1960, § 168, S. 1046 Fn. 22; Faust, AT, 5. Aufl. 2016, § 21 Rn. 11. Im Ergebnis der herrschenden Meinung zustimmend, aber mit anderer Begründung Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, 2012, S. 448. 122  So etwa Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 365. 123  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 364. 121  RGZ

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nach mehrere Jahrzehnte lang bei guter Gesundheit arbeiten wird, größer sind als die einer Person, welche kurz vor der Rente steht, steht ihm kein Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 BGB zu. Er hat sich nicht über das Alter der Person und also über eine ihrer Eigenschaften geirrt, sondern über das, was diese Eigenschaft für ihn bedeutet. Angewendet auf die Konstellation bei der Bürgschaft bedeutet dies: Für den Kreditvertrag zwischen Gläubiger und Hauptschuldner sind Faktoren wie etwa Alter und Kontostand des Hauptschuldners verkehrswesentliche Eigenschaften. Unterliegt der Gläubiger bezüglich eines Faktors einem Irrtum, hat er ein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 2 BGB. Bewertet er sie hingegen falsch, kann er seine Anfechtung nicht auf § 119 Abs. 2 BGB stützen. Gleiches gilt für den Bürgschaftsvertrag hinsichtlich der entsprechenden Faktoren des Bürgen. Die Faktoren des Hauptschuldners hingegen sind in diesem Vertragsverhältnis nicht verkehrswesentlich. Dass der Gläubiger eine Bürgschaft verlangt, ist zwar der Tatsache geschuldet, dass er den Hauptschuldner nicht als ausreichend kreditwürdig erachtet, um ihn als einzigen Schuldner zu akzeptieren. Auch stellen die Faktoren des Hauptschuldners für das Verhältnis zwischen Bürge und Hauptschuldner verkehrswesentliche Eigenschaften dar. Ist der Bürge etwa eine Bank, wird sie die Gegenleistung, die sie vom Hauptschuldner verlangt, in Abhängigkeit davon berechnen. Bürge und Gläubiger aber verhandeln nicht über die Wahrscheinlichkeit, dass der Hauptschuldner insolvent wird. Der Bürge verpflichtet sich zur Erbringung einer Leistung, ohne dafür vom Gläubiger einen Anspruch auf eine Gegenleistung zu erhalten, und er verpflichtet sich, diese Leistung für den Fall zu erbringen, dass der Hauptschuldner seine Schuld nicht tilgen kann (§ 765 Abs. 1 BGB). Die Konditionen des Bürgschaftsvertrags für den Bürgen sind insoweit unabhängig von der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Insolvenz des Hauptschuldners.

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Thesen der Arbeit Einleitung 1.  Die Rechtsgeschäftslehre gibt im Grundsatz einen objektiven Maßstab vor. Dadurch hält sie die Kosten des Abschlusses von Rechtsgeschäften niedrig und fördert die Herausbildung standardisierten Verhaltens. Zudem und vor allem entspricht das objektiv Erklärte in aller Regel dem subjektiv Gewollten. 2.  Die Maßgeblichkeit objektiver Kriterien ist kein Selbstzweck. Sie fördert die subjektive Willensübereinstimmung der Beteiligten. Diese ist das eigentliche Ziel der Rechtsgeschäftslehre. Besteht eine solche Willensübereinstimmung, setzt sich das gemeinsam Gewollte gegenüber dem objektiven Erscheinungsbild durch.

Teil 1: Mechanismen zur Willensübereinstimmung § 1 Ökonomische Parameter in der Rechtsgeschäftslehre 3.  Ökonomische Parameter, die in der Rechtsgeschäftslehre fruchtbar gemacht werden können, sind insbesondere die Herstellung von Allokationseffizienz, die Senkung von Transaktionskosten, die Überwindung ineffizienter Informationsasymmetrien sowie der Grundsatz der Risikoverteilung. 4.  Für den Untersuchungsgegenstand besteht kein grundsätzlicher Korrekturbedarf wegen begrenzter Rationalität der Akteure. Für die Zuweisung von Risiken gibt die Verhaltensökonomik dem Recht keine Maßstäbe an die Hand. Erfolgt die Zuweisung auf Basis der Annahme rationalen Verhaltens, trägt jede Partei das Risiko, dass ihr Verhalten (systematisch) fehlerhaft ist, selbst. Überdies hält das Recht die Parteien dadurch an, sich möglichst rational zu verhalten.

§ 2 Tatbestand der Willenserklärung 5.  Der Tatbestand der Willenserklärung ist grundsätzlich durch ein Verhalten erfüllt, welches aus Sicht eines objektiven Empfängers rechtsgeschäftlichen Erklärungswert besitzt. Bei der Feststellung des objektiven Erklärungsgehalts

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sind sowohl die verwendeten Zeichen als auch die Umstände ihrer Äußerung zu beachten. 6. Etwaige subjektive Vorstellungen des Erklärenden sind grundsätzlich unerheblich. Irrelevant sind also nicht nur Geschäftswille und Erklärungsbewusstsein, sondern auch, ob der Erklärende über Handlungsbewusstsein verfügte. Der Erklärende wird dadurch angehalten sich so auszudrücken, dass sich objektiver Erklärungsgehalt und subjektiv Gewolltes decken, und sich so zu verhalten, dass seinem Verhalten nur dann rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zukommt, wenn er dies beabsichtigt. 7.  Entgegen dem objektiven Erscheinungsbild liegt ausnahmsweise keine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende durch Gewalteinwirkung eines Dritten zur Abgabe seiner Erklärung gezwungen wurde, oder wenn die Willenserklärung nicht durch ein Handeln des Erklärenden in den Rechtsverkehr gelangt ist. Hier würden die mit der objektiven Theorie verbundenen Anreizwirkungen ins Leere gehen. 8.  Sind sich Erklärender und Empfänger einig, dass ein Verhalten, welches objektiv nicht als Willenserklärung oder nicht als Willenserklärung eines bestimmten Inhalts erscheint, gleichwohl (so) Wirksamkeit zwischen ihnen entfalten soll, stellt das Verhalten eine Willenserklärung bzw. eine Willenserklärung mit dem übereinstimmend gewünschten Inhalt dar. Ansonsten würden die Präferenzen der Parteien missachtet. Aus diesem Grund entfaltet auch ein objektiv als Willenserklärung erscheinendes Verhalten zwischen den Parteien keine Wirkung, wenn die Parteien das Rechtsgeschäft, das dadurch begründet werden würde, übereinstimmend nicht wollen.

§ 3 Auslegung von (empfangsbedürftigen) Willenserklärungen 9.  Die objektive Auslegung erfolgt aus der Perspektive eines idealtypischen Empfängers. Dieser Empfänger verfügt über die Kenntnisse eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers. Etwaiges Sonderwissen und unterdurchschnitt­ liche Kenntnisse des realen Empfängers sind unbeachtlich. Von einem durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer unterscheidet sich der idealtypische Empfänger hinsichtlich seiner kognitiven Fähigkeiten. Er ist fähig zu rationalem Denken, unterliegt also insbesondere keinen biases. 10.  Das relevante Auslegungsmaterial besteht aus allen Umständen, die der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer gewertet hätte, wenn er sich in der Position des Empfängers befunden hätte. Dieses Material muss der idealtypische Empfänger mit optimaler Sorgfalt auswerten. Eine Ausnahme gilt für Auslegungsmaterial, das der Empfänger in die Vertragsverhandlungen eingebracht hat. Solches Material muss er kennen; hier muss er maximal sorgfältig sein.

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11.  Das Gebot in § 157 BGB, nach dem Verträge so auszulegen sind, wie „Treu und Glauben“ es erfordern, beinhaltet eine Vorgabe an den Interpreten, dasjenige Auslegungsergebnis zu wählen, welches den Interessen der Parteien bei Vertragsschluss am nächsten kommt. Überindividuelle Ziele sind für die Auslegung nicht maßgeblich. 12.  Rücksicht zu nehmen ist bei der Auslegung auf die Verkehrssitte der Branche oder des Berufszweigs, dem das betreffende Geschäft zuzuordnen ist. Bestehen örtlich unterschiedliche Verkehrssitten, sind bei Distanzgeschäften die Wertungen des Internationalen Privatrechts heranzuziehen. 13.  Die subjektive Auslegung dient der Erforschung des subjektiven Willens des Erklärenden, also seinen Präferenzen. Maßgeblich ist nicht, wie der Erklärende seine eigene Erklärung verstehen würde. 14. Die objektive Auslegung gilt nur grundsätzlich. Wollen die Parteien übereinstimmend etwas anderes als das objektiv Erklärte, ist das gemeinsam Gewollte maßgeblich. Hat der Empfänger hingegen lediglich erkannt, dass der Erklärende etwas anderes erklären wollte, als er objektiv getan hat, entspricht der abweichende Inhalt der Erklärung aber nicht dem Willen des Empfängers, so hat die Erklärung den Inhalt, der ihr bei objektivem Verständnis zukommt.

§ 4 Schweigen als Willenserklärung 15.  Ausdrückliche und konkludente Willenserklärung stehen nicht in einem Ausschließlichkeits-, sondern in einem Spezialitätsverhältnis. Jede ausdrückliche Willenserklärung ist zugleich eine konkludente Willenserklärung, aber nicht jede konkludente Willenserklärung ist auch eine ausdrückliche. 16.  Eine Willenserklärung kann grundsätzlich durch jedes Verhalten erfolgen, das auf einen bestimmten, rechtlich erheblichen Erklärungswert schließen lässt. Auch Schweigen kann ein solches Verhalten darstellen. 17.  Ob und – wenn ja – welchen Erklärungswert Schweigen im Einzelfall hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Schweigen Erklärungswirkung hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. 18.  Wird einem Schweigen rechtlich der Inhalt zugesprochen, den ihm ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer in der betreffenden Situation beimessen würde, besteht eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich rechtlicher Erklärungswert und tatsächlicher Wille des Schweigenden decken. 19.  Als konkludente Willenserklärung unterfällt das Schweigen den gleichen Regeln wie andere Willenserklärungen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, ob subjektive Tatbestandselemente oder Geschäftsfähigkeit erforderlich sind, oder ob das Schweigen zugehen muss. Auch im Hinblick auf die Möglich-

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keit zur Anfechtung ergeben sich keine Abweichungen von den allgemeinen Regeln. 20.  Die Tatbestandsmerkmale der gesetzlich geregelten bzw. gewohnheitsrechtlich anerkannten Fälle des Schweigens mit Erklärungswert benennen Umstände, die für die Auslegung des Verhaltens des Schweigenden regelmäßig besonders relevant sind. Sonstige Umstände dürfen aber nicht ausgeblendet werden. Schweigen kann auch in anderen als den gesetzlich geregelten Fällen aufgrund der konkreten Umstände Erklärungswert zukommen. 21.  Damit das Schweigen einer Person Erklärungswert hat, bedarf es regelmäßig eines Bezugspunkts. Aus den Umständen des Einzelfalls ergibt sich, welchen konkreten Inhalt die Erklärung durch Schweigen hat. Der Erklärungswert des Schweigens kann sich in einem „Ja“ oder „Nein“ erschöpfen. Schweigen kann auch einen darüber hinausgehenden Inhalt haben, der dem Verkehrsüblichen entspricht. 22.  Eine Billigung stellt Schweigen dann dar, wenn besondere Umstände den Schluss rechtfertigen, dass der Schweigende den in Frage stehenden Sachverhalt gutheißt. Regelmäßig bestehen diese Umstände in einem vorherigen Verhalten des Schweigenden. Im Ausnahmefall können sie sich auch aus der Natur des betreffenden Rechtsgeschäfts ergeben. 23. Die meisten gesetzlichen und gewohnheitsrechtlichen Anordnungen zum Schweigen mit Erklärungswert sind lediglich insofern konstitutiv, als sie eine bestimmte Frist normieren, nach deren Ablauf Schweigen eine Erklärung darstellt. Im Übrigen ergibt sich der Erklärungswert bereits bei objektiver Auslegung des Schweigens. Nur in einigen wenigen Fällen sind die angeordneten Rechtsfolgen mit den Instrumenten der Auslegung nicht zu erklären (im BGB insbesondere §§ 545 S. 1, 625 BGB) und entfalten also in Gänze konstitutive Wirkung.

§ 5 Gewillkürte Stellvertretung 24.  Ein Vertreter gibt eine eigene Willenserklärung ab, die grundsätzlich für und gegen den Vertretenen wirkt, wenn er aus Sicht eines objektiven Empfängers dazu legitimiert ist. Dabei sind alle Umstände in die Wertung einzube­ ziehen. 25.  Die objektive Legitimation ist sowohl für das Bestehen der Vertretungsmacht entscheidend als auch dafür, ob die betreffende Handlung von Vertretungsmacht gedeckt ist. 26.  Ist die objektive Legitimation nicht adäquat kausal auf ein Verhalten des Geschäftsherrn zurückzuführen, oder weiß der Geschäftspartner, dass der Geschäftsherr die Vertretung nicht wünscht, wird die Willenserklärung des Vertreters dem Geschäftsherrn ausnahmsweise nicht zugerechnet.

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27.  Wenn die Berechtigung des Vertreters davon abhängt, dass er aus Sicht eines objektiven Empfängers zur Vertretung legitimiert ist, werden rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung, fortbestehende Vollmacht sowie Anscheins- und Duldungsvollmacht gleich behandelt. 28.  Die objektive Legitimation ist keine Willenserklärung. Sie kann nicht wegen Willensmängeln angefochten werden. 29.  Für die Vertretungsmacht ist prinzipiell irrelevant, ob die Vollmacht im Innenverhältnis widerrufen wurde, solange der Vertreter nur objektiv legitimiert ist. Etwaige Beschränkungen, die der Vertretene im Innenverhältnis festsetzt, haben aber dann Auswirkungen auf den Umfang der Vertretungsmacht, wenn sie für den Geschäftspartner erkennbar nach außen gedrungen sind. 30.  Wesentlich ist nicht eine etwaige Abstraktheit von Grundverhältnis und Bevollmächtigung, sondern von Innen- und Außenverhältnis. Sie bewirkt eine Senkung von Informations- und Streitbewältigungskosten. 31.  Beruht eine Vollmacht ausschließlich auf einer Erteilung von Vertretungsmacht im Innenverhältnis, ohne dass dies in einem dem Geschäftspartner vorgelegten Schriftstück festgehalten oder sonst für diesen sichtbar gemacht wurde, sind Grundverhältnis und Vollmacht in aller Regel deckungsgleich. 32.  Eine subjektive Willensübereinstimmung der Parteien genießt (wie stets) Vorrang vor dem objektiven Erscheinungsbild.

Teil 2: Mechanismen der Korrektur § 6 Ökonomische Parameter der Korrektur 33.  Raum für Korrektur besteht, wenn die objektive Theorie des Rechtsgeschäfts ausnahmsweise zu einer Bindung an einen Erklärungswert führt, der den Präferenzen des Erklärenden widerspricht. 34.  Ökonomisch nicht sinnvoll ist die Korrektur, wenn der Erklärende bewusst etwas anderes erklärt hat, als er subjektiv will. 35.  Ökonomisch sinnvoll ist die Korrektur hingegen, wenn der Erklärende die Diskrepanz zwischen objektivem Erklärungswert und subjektiver Präferenz unbewusst herbeigeführt hat, und wenn die Wohlfahrtsverluste, die durch die irrtumsbehaftete Fehlallokation entstanden sind, die mit der Rückabwicklung verbundenen Transaktionskosten übersteigen. 36.  Von den denkbaren Korrekturmechanismen für Irrtümer ist die Anfechtbarkeit der effizienteste. Sie ist vergleichsweise kostengünstig. Der Grundsatz ist die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts und nicht seine Unwirksamkeit. 37.  Die Unterscheidung in § 119 BGB zwischen verschiedenen Arten von Irrtümern erschließt sich, wenn die Irrtumsanfechtung als Entscheidungsproblem der Marktteilnehmer verstanden wird.

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§ 7 Fehler bei der Äußerung der Präferenz 38. § 119 Abs. 1 BGB erfasst Situationen, in welchen der Erklärende ein anderes als das dem objektiven Inhalt seiner Erklärung zugrunde liegende Entscheidungsproblem gelöst hat. Der Erklärende begeht den zur Anfechtung berechtigenden Fehler bei dem Versuch, seine Präferenz zu äußern. Das Anfechtungsrecht ermöglicht dem Erklärenden, den Nutzen, den ihm eine Bindung an das objektiv Erklärte bringen würde, mit dem Nutzen zu vergleichen, den ihm eine anderweitige Investition dieser Mittel böte. 39.  Die Gewährung eines solchen Anfechtungsrechts setzt keine (Fehl-)Anreize zu opportunistischem Verhalten. Dafür sorgt insbesondere § 122 Abs. 1 BGB. Dieser Norm wegen muss der Erklärende in seine Entscheidung auch einfließen lassen, dass die Anfechtung für ihn unter Umständen mit Kosten verbunden ist, die die mit der Anfechtungserklärung verbundenen Kosten erheblich übersteigen. 40.  Die Einschränkung, nach der eine Anfechtung nur zulässig ist, wenn eine rational handelnde Person die Erklärung „bei Kenntnis der Sachlage“ nicht abgegeben hätte, schränkt die Willensfreiheit des Erklärenden ein. Eine Korrektur des Erklärten ist nur gestattet, wenn dem Erklärenden ein objektiv erheblicher Fehler unterlaufen ist. 41.  Bei einem Unterschriftsirrtum ist der Erklärende oftmals consciously ignorant. Er ist sich bewusst, dass er den Inhalt der betreffenden Urkunde nicht kennt. Indem er die Erklärung gleichwohl abgibt, nimmt er das Risiko in Kauf, dass das Erklärte seinen Präferenzen nicht entspricht. Hat der Erklärende von der Urkunde hingegen eine bestimmte, unrichtige Vorstellung, unterliegt er einem Irrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB. 42.  Beim Rechtsfolgenirrtum ist zu unterscheiden: Hat sich der Erklärende nicht (bewusst) überlegt, welche Rechtsfolgen seine Erklärung hervorruft, sind die Rechtsfolgen bei objektiver Auslegung Bestandteil der Erklärung. Weiß der Erklärende positiv, dass er die Regelungen des Rechts nicht kennt, ist er con­ sciously ignorant. Nimmt der Erklärende fälschlich an, dass seine Erklärung bestimmte Rechtsfolgen (nicht) hervorruft, und kann die gewollte Rechtsfolge mit Mitteln des Rechts erreicht werden, befindet er sich in einem Irrtum gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB. Irrt sich der Erklärende über Rechtsfolgen, die das zwingende Recht vorsieht, ist eine Anfechtung wegen Inhaltsirrtums ausgeschlossen. 43.  Hat der Erklärende ohne Erklärungsbewusstsein gehandelt, ist er gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB analog zur Anfechtung berechtigt. Wenn dem Erklärenden das Handlungsbewusstsein gefehlt hat, ist die Analogie auf § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB zu stützen. 44.  Objektiv erkennbare, einseitige Kalkulationsirrtümer lassen sich mit den allgemeinen Auslegungsregeln sachgerechten Lösungen zuführen. Ein Irr-

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tum im Sinne des § 119 BGB liegt auch dann nicht vor, wenn das Geschäft für beide Vertragspartner ein Risikogeschäft darstellt. Ein objektiv nicht erkennbarer Irrtum über die Berechnungsgrundlage stellt einen Irrtum bei der Präferenzbildung dar. Er berechtigt nicht zur Anfechtung. Unterliegt der Erklärende hingegen einem objektiv nicht erkennbaren Rechenfehler, und ist die Differenz zwischen dem, was er erklären wollte, und dem, was er erklärt hat, objektiv erheblich, steht ihm ein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB zu.

§ 8 Fehler beim Abgleich mit der Präferenzordnung 45.  Der in einem Eigenschaftsirrtum gem. § 119 Abs. 2 BGB Befindliche schreibt dem Geschäftsgegenstand oder Geschäftspartner versehentlich einen höheren Rang in seiner Präferenzordnung zu, als ihm tatsächlich zukommt. Dieser Fehler ist dem Fehler, dem der Erklärende unterliegt, wenn er sich in einem Irrtum gem. § 119 Abs. 1 BGB befindet, vorgelagert. Fehlerhaft ist nicht die Äußerung einer auf der fehlerfrei gebildeten Präferenzordnung beruhenden Lösung des Entscheidungsproblems, sondern der Abgleich des Geschäftsgegenstands mit der Präferenzordnung. 46.  Motivirrtümer sind Fehler hinsichtlich subjektiver Faktoren, welche für die (ordinale) Reihung der Eigenschaften und also für die Bildung der Präfe­ renz­ordnung maßgeblich sind. Sie betreffen die Entscheidung des Akteurs, ob er ein Gut besser bewertet als ein anderes. Zur Anfechtung berechtigen sie bereits deshalb nicht, weil es keinen objektiven Maßstab gibt, an dem Präferenzen gemessen werden können. 47.  Ein Irrtum über den Preis des Vertragsgegenstands berechtigt zur Anfechtung wegen Inhaltsirrtums gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB. Ein Irrtum über den Marktwert des Gegenstands berechtigt nur bei preisgebundenen Gegenständen zur Irrtumsanfechtung. 48.  Wurde bei einem Irrtum über die eigene Leistung die werterhöhende Eigenschaft erst nach Vertragsschluss im Markt bekannt, wies der Kaufgegenstand beim Vertragsschluss jene Eigenschaften auf, von deren Vorliegen der Verkäufer ausging. War die werterhöhende Eigenschaft bei Vertragsschluss im Markt bekannt oder hätte sie dort bekannt sein können, befindet sich der Verkäufer in einem Irrtum gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB, wenn die Parteien einen Vertrag über einen Gegenstand abgeschlossen haben, der die dem Verkäufer unbekannte werterhöhende Eigenschaft aufweist. 49.  Der in einem Irrtum über „zukünftige Eigenschaften“ Befindliche ist in aller Regel consciously ignorant. Nimmt der Erklärende aber irrtümlich an, das künftige Ereignis sei bereits eingetreten, unterliegt er einem Eigenschaftsirrtum gem. § 119 Abs. 2 BGB.

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50.  Befindet sich der Erklärende in einem Irrtum über einen Faktor, der für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit einer Person erheblich sein kann, unterliegt er, wenn der Faktor für den Typ des in Frage stehenden Rechtsgeschäfts verkehrswesentlich ist, einem Eigenschaftsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB. Irrt sich der Geschäftspartner bei der Wertung eines solchen Faktors, unterliegt er einem unbeachtlichen Motivirrtum.

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387

Sachregister Ablehnung durch Schweigen 159, 183 f. Additionsirrtum 312 ff. Allokationseffizienz 6, 9 ff., 203, 216, 268 ff., 280 ff., 345 Altmetall-Fall 308 f. Anfechtung 47 f., 109 f., 112 f., 165 ff., 206 ff., 241 ff., 263 ff., 280 ff., 289 ff., 317 ff., 348, 350 f. – alternative Korrekturmechanismen 282 ff. – der ausgeübten Innenvollmacht 241 ff. Annahme durch Schweigen 128 ff., 173 ff. Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden 129 ff. Anscheinsvollmacht 197 f., 201, 231 ff., 349 Auslegung – des Schweigens 154 ff., 171 ff., 347 f. – Empfängerhorizont 67 ff., 75 ff., 346 f. – ergänzende Vertragsauslegung 185 f., 250, 302 – objektive 66 ff., 100 ff., 346 f., 350 – subjektive 63 ff., 100 ff., 347 Auslegungsmaterial 64, 68 ff., 81 f., 84 f., 101, 346 Auslegungsmethoden – objektive 66 ff., 100 ff., 346 f., 350 – subjektive 63 ff., 100 ff., 347 – Verhältnis der 100 ff. Auslegungssorgfalt 68, 70 ff., 82 ff. Außenvollmacht 210 f., 214, 223 ff., 242 begrenzte Rationalität 19 ff., 80 f., 250 ff., 345 – Besitztumseffekt 285 – bias 20, 73 f., 75 f., 80, 83, 346 behavioral economics 19 ff., 80 f., 250 ff., 345

Besitztumseffekt 285 bias 20, 73 f., 75 f., 80, 83, 346 Billigung durch Schweigen 132, 135, 159, 173 ff., 348 bounded rationality 19 ff., 80 f., 250 ff., 345 cheapest cost avoider 18 cheapest information gatherer 18 cheapest insurer 18 Coase-Theorem 13 f., 16, 304 conscious ignorance 296, 302, 308 f., 322 f., 331, 337 f., 339, 350 f. Duldungsvollmacht 197 f., 201, 231 ff., 349 Effizienz 9 ff., 222, 269, 349 – Allokationseffizienz 6, 9 ff., 203, 216, 268 ff., 280 ff., 345 Eigenschaftsirrtum 265, 269 f., 317 ff., 351 f. Empfängerhorizont 67 ff., 75 ff., 346 f. – idealtypischer Empfänger 75 ff. ergänzende Vertragsauslegung 185 f., 250, 302 Erklärungsbewusstsein 34 ff., 42 ff., 168 ff., 234, 238 f., 285 f., 304 f., 346, 350 Erklärungsirrtum 39, 265 ff., 289 ff., 304 ff., 314 f., 323, 350 f. Erklärungstheorie 28 ff., 33 f., 68 f., 138, 144 Erklärungswert des Schweigens – Ablehnung 159, 183 f. – Annahme 128 ff., 173 ff. – Billigung 132, 135, 159, 173 ff., 348 – Genehmigung 130 ff., 139, 141, 162 f., 172 f., 182 ff.

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Sachregister

falsa demonstratio non nocet 51, 105 ff., 117, 253 f., 257 Formfreiheit 119 f. Formzwang 119 f., 153 fully specified contract 18 geheimer Vorbehalt 27, 31 ff., 43 ff., 108 f., 255 ff. Genehmigung durch Schweigen 130 ff., 139, 141, 162 f., 172 f., 182 ff. Geschäftswille 34 ff., 38 f., 42 ff., 143, 146, 165, 266, 346 Grundschuld-Fall 314 Haakjöringsköd-Fall 106, 111 ff., 254 Handlungsbewusstsein 34, 42 f., 304 ff., 346, 350 Handlungsvollmacht 197, 202 Indifferenzkurve 273 ff., 340 Informationsasymmetrie 16 f., 44, 259, 345 Inhaltsirrtum 77 ff., 192, 265 ff., 294 ff., 305 f., 320 ff., 332, 338 f., 350 f. – erweiterter 307 f. Innenvollmacht 191, 201 ff., 210, 212, 214 ff., 227, 239, 242 ff. – Anfechtung der ausgeübten 241 ff. Irrtum 263 ff., 278 ff., 289 ff., 317 ff., 349 ff. – erkannter (und ausgenutzter) 77 ff., 109 f., 200 f., 288, 310 ff. – (nicht) erkennbarer 79, 267, 289, 309 ff., 319, 350 f. Irrtum über die eigene Leistung 334 ff., 351 Irrtum über die Kreditwürdigkeit 341 ff., 352 Irrtum über eine „künftige Eigenschaft“ 339 f., 342, 351 Kaldor/Hicks-Kriterium 11 f. Kalkulationsirrtum 307 ff., 350 f. Kauf auf Probe 132, 173, 181 kaufmännische Geschäftsbesorgung 133 ff., 142, 145 f., 148, 159 f., 162 f., 168 f., 172, 174 ff.

kaufmännisches Bestätigungsschreiben 135 ff., 148, 151, 157 f., 167 ff., 178 ff. Ladenvollmacht 197, 202 Minderjährige 130 f., 183 f., 211 f., 213 f. Motivirrtum 265 ff., 272, 297 ff., 309 ff., 319, 324 ff., 339 ff., 351 f. Nutzenfunktion 277 ff., 302, 304, 313 f., 325 f. Pareto-Effizienz 10 ff., 268 f., 277 f., 280 parol evidence rule 58 f. plain meaning rule 59 Perplexität 253, 295, 312 f. Prokura 197, 202 Rechtsfolgenirrtum 297 ff., 350 Rechtsgeschäftstheorie 226 ff., 230, 233 ff. Rechtsscheintheorie 136, 146 ff., 224 ff., 236 ff. Risikogeschäft 296, 302, 308 f., 322 f., 331, 337 f., 339, 350 f. – beiderseitiges 308 f. Risikoverteilung 17 ff., 345 – Sprachrisiko 77 ff. Rubel-Fall 307 f. Scheingeschäft 50 ff., 106 Schenkung 128, 172, 181 f. Scherzerklärung 258 ff., 284, 305 Schuldübernahme 131 f., 141, 172, 182 f. Schweigen mit Erklärungswert – Ablehnung 159, 183 f. – als Willenserklärung 119 ff., 152 ff., 170 ff., 347 f. – Annahme 128 ff., 173 ff. – Auslegung 154 ff., 171 ff., 347 f. – Billigung 132, 135, 159, 173 ff., 348 – Fiktion einer Willenserklärung 134, 139 ff., 146 ff., 158 ff., 163, 165 – Genehmigung 130 ff., 139, 141, 162 f., 172 f., 182 ff. – Gesetzeswirkung 143 ff. – Kontrahierungszwang 151 f., 178 – Obliegenheitsverletzung 149 ff., 165

Sachregister

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– Pflichtverletzung 149 ff. – Rechtsscheinhaftung 136, 146 ff. – Vertrauensprinzip 136, 146 ff. Speisekarten-Fall 84 ff. Stellvertretung 187 ff. – Abstraktionsprinzip 193 ff., 201 ff., 210 ff., 215 ff., 220 ff., 349 – gesetzliche 130 f., 163, 173, 183 f., 213 – gewillkürte 187 ff. – objektive Legitimation 184, 196 ff., 209 f., 212 f., 215 f., 219, 222 f., 229 ff., 239 f., 243 f., 348 f. – Offenlegungsgrundsatz 191 ff. – Rechtsgeschäftstheorie 226 ff., 230, 233 ff. – Rechtsscheintheorie 224 ff., 236 ff. – Repräsentationsprinzip 190 f., 192, 212, 244 – Trennungsprinzip 193 ff. superior risk bearer 18

Vertragsverlängerung 133, 139, 170 f. Vertreter ohne Vertretungsmacht 199 ff., 207, 209 f., 215 f., 231, 238, 241 – Genehmigung des gesetzlichen Vertreters 130 f., 183 Vertretungsmacht 196 ff. – Erlöschen 194, 213, 216 f., 223 – Fortbestand 223 ff. – Missbrauch 219 ff., 227 – Unwirksamkeit 213, 217 ff. Vertretungswille 206 ff. Vollmacht – Bestand 216 ff. – Erteilung 189, 191, 198 f., 210 ff., 217, 226 ff., 232 ff., 238 ff., 241, 244, 349 – Kundgabe 198, 201 f., 204 f., 214, 223 ff., 230, 234 f., 238, 243 – Umfang 214 ff. Vollmachtsurkunde 201, 214, 223 ff. – abhandengekommene 230 f.

Theorie der Erklärungsfahrlässigkeit 36 ff., 237 Transaktionskosten 13 ff., 345, 349 Treu und Glauben 60 ff., 87 ff., 176 ff.

Wertirrtum 330 ff. Willenserklärung – abhandengekommene 47 f. – ausdrückliche 121 ff., 168, 347 – durch Schweigen 126 ff., 152 ff. – konkludente 121 ff., 158, 168, 347 Willenstheorie 25 ff., 32 ff., 45, 51, 121, 138, 188 f. Willensübereinstimmung 12 f., 48 ff., 66, 99, 101, 105 ff., 110 ff., 114 ff., 159, 200, 204 f., 213, 253 f., 307 f., 345 ff., 349

Unterschriftsirrtum 86, 296 f., 350 Vergütungsvereinbarung 133, 140 f., 155 f., 165 f., 170 f., 173, 184 f. Verhaltensökonomik 19 ff., 80 f., 250 ff., 345 Verkehrssitte 92 ff.