Erfolgsgeheimnisse des Marketingmanagers: Die ungeschriebenen Gesetze auf dem Weg zum CMO 3834914843, 9783834914842


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Table of contents :
3834914843......Page 1
Die Erfolgsgeheimnisse des Marketingmanagers......Page 3
Inhaltsverzeichnis......Page 6
Einführung: Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis......Page 11
Der besondere Ansatz dieses Buches......Page 12
Wen dieses Buch anspricht......Page 13
Wie das Buch aufgebaut ist......Page 14
Danksagung......Page 17
Was Marketing ist – und was nicht......Page 18
Rollen und Arten von Marketeers......Page 20
Einsatzorte im Marketing......Page 21
Konsumgütermarketing......Page 22
Dienstleistungsmarketing......Page 23
Industrieoder Investitionsgütermarketing......Page 24
Marketing für öffentliche Betriebe......Page 25
Marketingdienstleister......Page 26
Was ist eigentlich Erfolg?......Page 27
Vielsagende Zitate......Page 28
Fragen zur persönlichen Erfolgsdefinition......Page 29
Marketeers definieren Erfolg manchmal sonderbar......Page 30
Eine erste Erfolgsformel......Page 32
Die Situation des Marketeers im Marketing......Page 34
Marketing ist wichtig......Page 35
Marketing ist schwierig......Page 36
Marketing kämpft mit Mythen......Page 37
Kontrabass-Image......Page 39
Hypothese 1: Marketeers wählen ihr Wunschunternehmenschlecht aus – und Unternehmen ihre Marketeers......Page 40
Hypothese 3: Marketeers stehen sich oft selbst im Weg......Page 41
Hypothese 4: Marketeers positionieren sich nicht gutinnerhalb des Unternehmens......Page 42
Marketeers wählen ihren Arbeitgeber suboptimal aus......Page 43
Branchenwahl und Geschlechterdominanz......Page 45
Geschäftsmodell und wichtige Schnittstellen......Page 47
(Arbeitgeber-)Image und Markenwerte......Page 49
Sexiness-Faktor und Eigentümerstruktur......Page 50
Unternehmensgröße und Nationalität......Page 51
Strategische oder operative Funktion......Page 54
Größe der Fußstapfen......Page 55
Organisatorische Einbettung des Marketings......Page 56
Zentrale oder dezentrale Funktion......Page 57
Die Unternehmenssicht: Was macht den Top-Marketeer aus?......Page 58
Fachliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt......Page 59
Die richtigen Projekte in Angriff nehmen, sinnlose vermeiden......Page 61
Die richtige Durchführung ist essenziell......Page 68
Lern- und Innovationsbereitschaft sind Voraussetzung......Page 69
Ein Projekt, mit dem Sie berühmt werden......Page 70
Den Prozess systematisieren und den Nutzen des Projektes klären......Page 71
Priorisieren und quantifizieren......Page 72
Persönliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt......Page 73
Der Erfolgserreichungsplan......Page 74
Positionsmacht und persönliche Macht......Page 76
Determinanten von Personal Power......Page 80
Suboptimale Positionierung im Unternehmen......Page 86
Schnittstelle 1: Das Marketingteam......Page 88
Schnittstelle 2: Der Vorstand......Page 91
Schnittstelle 3: Die Glieder der Wertschöpfungskette......Page 93
Schnittstelle 4: Die Matrixorganisation......Page 96
Schnittstelle 5: Externe......Page 99
Kapitel 3 Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers......Page 101
Die Methodik des Management Appraisals......Page 102
Wie Kompetenzen definiert und operationalisiert werden......Page 104
Leistungskategorien für die Bewertung im Marktvergleich und des Potenzials......Page 108
Die Marketeer-Stichprobe......Page 109
Kompetenzen der Marketingmanager auf mittlerer Managementebene......Page 116
Die Funktionen Marketing und Finanzen im Vergleich......Page 117
Unterschiede nach Branchen und Geschlecht......Page 119
Ergebnisorientierung und Veränderungsmanagement......Page 121
Geschlechterspezifische Stärken und Profil des CMOs......Page 123
Der Premium-Marketeer©: Der Weg zum Chief Marketing Officer......Page 125
Die Kaderschmiede für High-Potentials......Page 127
Was auf dem Weg zum CMO zählt: Top-Marketeers gestern und heute......Page 128
Ein Beispiel zur Konsumentenorientierung......Page 130
Die Interviews im Überblick......Page 133
Top-Marketeers der Konsumgüterbranche......Page 135
Top-Marketeers aus anderen Branchen......Page 164
Die Marketingfunktion aus Personalbzw. CEO-Sicht......Page 174
Erfolgreiches Marketing in schwierigen Zeiten: Erfolgreic Tipps für souveränes Krisenmanagement......Page 189
Ein kompletter Budgetstopp im Marketing führt zu sicheren Verlusten......Page 190
2. Analysieren......Page 191
4. Binden und sich trennen......Page 192
7. Sich repositionieren und die Strategie anpassen......Page 193
9. Innovativ sein und antizyklisch handeln......Page 194
Zunehmende Durchlässigkeit und Fragmentierung......Page 195
Auf der Suche nach Relevanz und Authentizität......Page 196
Horizontaler und vertikaler Zusammenschluss – raus aus dem Silo......Page 197
Auswirkungen auf das zukünftige Profil des Marketeers......Page 198
Nachwuchskräfte optimal entwickeln: Nachwuchsk Talentmanagement-Strategien für Chefs......Page 199
Talentmanagement für Marketingpositionen......Page 204
Führungskräfteentwicklung als wichtigste Aufgabe sehen......Page 205
Kapitel 6 Zwölf Erfolgsrezepte für Marketeers......Page 207
Entwickeln Sie einen festen Vorsatz......Page 208
Erfolgsrezept 3: Erweitern Sie Ihre Kriterien für die Erfolgsrezep Arbeitgeberund Funktionswahl während der gesamten Laufbahn......Page 209
Mehr Verantwortung mit jedem Wechsel......Page 210
Erfolgsrezept 4: Werden Sie fachlich ein Ass und Erfolgsrezep erzielen Sie messbare Ergebnisse......Page 211
Legen Sie Ihr Marketingrepertoire fest und entscheiden Sie sich für die richtigen Projekte......Page 212
Lernen Sie die Technologie verstehen......Page 213
Nutzen Sie Ihre Positionsmacht, aber bauen Sie auf persönliche Macht......Page 214
Entwickeln Sie Ihre Führungsqualitäten......Page 215
Bringen Sie Teamund Einzelleistung in Einklang......Page 216
Bauen Sie Brücken......Page 217
Saugen Sie von allen Seiten Wissen auf......Page 218
Verdoppeln Sie Ihre Versagensrate......Page 219
Orientieren Sie sich an innovativen Benchmarks......Page 220
Treten Sie unmoralischen Angeboten energisch entgegen......Page 221
Pech 2: Scheinbar aussichtslose Situationen......Page 222
Haben Sie Geduld und Vertrauen......Page 223
Erfolgsrezept 12: Genießen Sie Ihren Erfolg wie das Gipfelglück nach einem gelungenen Aufstieg......Page 224
Artikel und Bücher......Page 225
Privatwirtschaftliche Studien......Page 226
R......Page 227
Z......Page 228
F......Page 229
M......Page 230
W......Page 231
Z......Page 232
Die Autoren......Page 233
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Erfolgsgeheimnisse des Marketingmanagers: Die ungeschriebenen Gesetze auf dem Weg zum CMO
 3834914843, 9783834914842

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Michael M. Meier / Christine Wichert Die Erfolgsgeheimnisse des Marketingmanagers

Michael M. Meier / Christine Wichert

Die Erfolgsgeheimnisse des Marketingmanagers Die ungeschriebenen Gesetze auf dem Weg zum CMO

Bibliograische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograie; detaillierte bibliograische Daten sind im Internet über abrufbar.

1. Aulage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Barbara Möller Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Covermotiv: Fotolia/Photo Ambiance Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1484-2

Für Ariane Für meine Frau Astrid

Inhaltsverzeichnis

Einführung: Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis __________________13 Danksagung _________________________________________________________________ 19 Kapitel 1 Marketing und Marketeers: Definitionen und Situationsbeschreibung __21 Was Marketing ist – und was nicht ___________________________________________________21 Rollen und Arten von Marketeers ___________________________________________________ 23 Einsatzorte im Marketing ___________________________________________________________ 24 Konsumgütermarketing__________________________________________________________ 25 Dienstleistungsmarketing _______________________________________________________ 26 Marketing im Handel _____________________________________________________________ 27 Industrie- oder Investitionsgütermarketing ____________________________________ 27 Marketing für öffentliche Betriebe ______________________________________________ 28 Gemeinnütziges Marketing _____________________________________________________ 29 Marketingdienstleister___________________________________________________________ 29 Was ist eigentlich Erfolg? ____________________________________________________________ 30 Fragen zur persönlichen Erfolgsdefinition _________________________________________ 32 Marketeers definieren Erfolg manchmal sonderbar _______________________________ 33 Eine erste Erfolgsformel _____________________________________________________________ 35 Die Situation des Marketeers im Marketing _______________________________________ 37

Kapitel 2 Warum Marketeers auf dem Weg nach oben oft scheitern _______________ 43 Vier Hypothesen ______________________________________________________________________ 43 Marketeers wählen ihren Arbeitgeber suboptimal aus ____________________________ 46 Inhaltsverzeichnis |

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Branchenwahl und Geschlechterdominanz _____________________________________ 48 Geschäftsmodell und wichtige Schnittstellen __________________________________ 50 (Arbeitgeber-)Image und Markenwerte __________________________________________ 52 Sexiness-Faktor und Eigentümerstruktur ______________________________________ 53 Unternehmensgröße und Nationalität __________________________________________ 54 Fokus: Marketingkarriere in japanischen Unternehmen ______________________ 56 Strategische oder operative Funktion ___________________________________________ 57 Größe der Fußstapfen _____________________________________________________________ 58 Organisatorische Einbettung des Marketings __________________________________ 59 Zentrale oder dezentrale Funktion ______________________________________________ 60 Stimmen erfolgreicher Marketeers: Pieter A. J. Nota, Vorstand Marketing, Vertrieb und F&E, Beiersdorf AG ________61 Die Unternehmenssicht: Was macht den Top-Marketeer aus? __________________61 Fachliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt ____________________________________ 62 Die richtigen Projekte in Angriff nehmen, sinnlose vermeiden _______________ 64 Die richtige Durchführung ist essenziell ________________________________________71 Lern- und Innovationsbereitschaft sind Voraussetzung _______________________ 72 Ein Projekt, mit dem Sie berühmt werden ______________________________________ 73 Persönliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt__________________________________ 76 Der Erfolgserreichungsplan _____________________________________________________ 77 Positionsmacht und persönliche Macht ________________________________________ 79 Determinanten von Personal Power _____________________________________________ 83 Erkenntnisse für Sie: _____________________________________________________________ 88 Stimmen von Personalexperten: Andreas Zehnder, Berater bei Egon Zehnder International in Zürich __________ 89 Suboptimale Positionierung im Unternehmen _____________________________________ 89 Schnittstelle 1: Das Marketingteam ______________________________________________91 Schnittstelle 2: Der Vorstand_____________________________________________________ 94 Stimmen erfolgreicher Marketeers: Thomas Haensch, CMO Chief Marketing Officer, Grohe AG ____________________ 95 Schnittstelle 3: Die Glieder der Wertschöpfungskette _________________________ 96 Schnittstelle 4: Die Matrixorganisation_________________________________________ 99

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| Inhaltsverzeichnis

Stimmen erfolgreicher Marketeers:Hans P. Vriens, Chief Innovation Officer, Barry Callebaut __________________________________________________________________ 101 Schnittstelle 5: Externe _________________________________________________________ 102

Kapitel 3 Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers ______________________________ 105 Die Methodik des Management Appraisals ________________________________________ 106 Wie Kompetenzen definiert und operationalisiert werden ___________________ 108 Leistungskategorien für die Bewertung im Marktvergleich und des Potenzials _______________________________________________________________112 Die Marketeer-Stichprobe ___________________________________________________________113 Kompetenzen der Marketingmanager auf mittlerer Managementebene ________ 120 Die Funktionen Marketing und Finanzen im Vergleich ________________________121 Unterschiede nach Branchen und Geschlecht _________________________________ 123 Kompetenzen der Chief Marketing Officers _______________________________________ 125 Ergebnisorientierung und Veränderungsmanagement _______________________ 125 Geschlechterspezifische Stärken und Profil des CMOs _______________________ 127 Der Premium-Marketeer©: Der Weg zum Chief Marketing Officer _______________ 129 Die Kaderschmiede für High-Potentials _________________________________________131 Was auf dem Weg zum CMO zählt: Top-Marketeers gestern und heute__________ 132 Ein Beispiel zur Konsumentenorientierung ___________________________________ 134

Kapitel 4 Zur richtigen Zeit die richtige Idee: Erfolgsgeschichten_________________ 137 Die Interviews im Überblick ________________________________________________________ 137 Top-Marketeers der Konsumgüterbranche ________________________________________ 139 „Marketing ist heute ein Multitasking-Job“________________________________________ Tina Müller, Corporate Senior Vice President bei Henkel _____________________ 139 „Marketing ist bei uns eine Art Primus inter Pares“ ______________________________ Michael Gyssler, CMO der Mammut Sports Group ____________________________ 148 „Es ist wichtig, den Status quo permanent in Frage zu stellen.“ __________________ Gerald Neumair, Vice President Chocolate Category Kraft Europe, Kraft Foods _______________________________________________________ 153

Inhaltsverzeichnis |

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„Starke Marketeers sehen ihre Marke als ihr Unternehmen im Unternehmen“ Veronika F. Rost, Global Category Director bei Reckitt Benckiser____________ 157 „Marketing wird im Bankbereich einer der wesentlichen internen Innovationsmotoren werden“ Jürgen Lieberknecht, Vorstand Marketing und Produktmanagement, Citibank _________________________________________________ 163 Top-Marketeers aus anderen Branchen ___________________________________________ 168 „Marketing sollte als eigenständige und übergeordnete Disziplin im Unternehmen positioniert sein“ Adriana M. Nuneva, Senior Vice President Global Marketing & Communications, Heidelberger Druckmaschinen AG _________________________ 168 „Marketing ist in erster Linie eine interne Dienstleistung“ Andreas Harting, CMO, Von Roll AG, Schweiz _________________________________ 173 Die Marketingfunktion aus Personal- bzw. CEO-Sicht ____________________________ 178 „Wer nur etwas von Marketing versteht, versteht auch nichts davon.“ Frank-Michael Schmidt, CEO der Scholz & Friends Group ____________________ 178 „Marketeers müssen gute Brückenbauer und Teamplayer sein“ Dr. Ariane Kristof, Vice President Human Resources Development & Engineering bei Tetra Pak in Malmö, Schweden _______________________________ 183 „Wir brauchen Marketeers mit einem klaren ethischen Anspruch und hoher Sensibilität und Kreativität“ Markus Bonsels, Regional Director Recruiting EMEA, Johnson & Johnson__ 188

Kapitel 5 Die Zukunft der Marketeers zwischen Krise und Wachstum ________________193 Erfolgreiches Marketing in schwierigen Zeiten: Tipps für souveränes Krisenmanagement _________________________________________________________________ 193 Herausforderung neue Medien: Wie Sie den Umbruch meistern _________________ 199 Nachwuchskräfte optimal entwickeln: Talentmanagement-Strategien für Chefs __________________________________________ 203

Kapitel 6 Zwölf Erfolgsrezepte für Marketeers_______________________________________211

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| Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis _______________________________________________________ 229 Artikel und Bücher ______________________________________________________________ 229 Privatwirtschaftliche Studien __________________________________________________ 230

Namensverzeichnis ________________________________________________________ 231 Stichwortverzeichnis ______________________________________________________ 233 Die Autoren _________________________________________________________________ 237

Inhaltsverzeichnis |

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Einführung: Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis Was ist das Geheimnis erfolgreicher Marketeers? Was ist überhaupt Erfolg, wie lässt sich der Erfolg eines Marketeers definieren und messen? Und mit welchen konkreten Maßnahmen und Verhaltensweisen können Marketeers ihren persönlichen Erfolg vergrößern? Um diese Kernfragen geht es in dem vorliegenden Buch. Keine unternehmerische Funktion ist so spannend wie das Marketing, keine verändert sich schneller in ihren Anforderungen, und keine erfordert eine größere Bandbreite an Fähigkeiten. In keiner anderen Funktion darf man sich zudem kürzer auf einem Erfolg ausruhen. Keine Frage, Marketeers leben gefährlich. Das lässt sich etwa an der durchschnittlichen Verweildauer eines Chief Marketing Officers (CMO) ablesen: CMOs bleiben im Schnitt nur halb so lange in einem Unternehmen wie CEOs. Die Gründe liegen weniger in den jeweils aktuellen Erwartungen an den CMO. Vielmehr spielen drei Schlüsselaspekte, die jeder Marketeer über seine gesamte Karriere hinweg beachten und ausprägen sollte, eine entscheidende Rolle. Dies sind fachliche und persönliche Aspekte sowie solche der Positionierung im Unternehmen (s. Abbildung 1). In diesem Buch wollen wir aus einer ganzheitlichen Sicht untersuchen, was Erfolg für Marketeers heißt, und den strukturierten Versuch einer Erklärung wagen. Dass Erfolg und Misserfolg nicht allein durch ausgeprägtes oder mangelndes fachliches Können erklärbar sind, ist mittlerweile Allgemeingut. Nicht zuletzt für Marketingfunktionen ist der Einfluss der Persönlichkeit und insbesondere der Emotionalen Intelligenz für die Erklärung von Karrieren bedeutsam. Zahlreiche Untersuchungen arbeiten die spezifischen fachlichen und organisatorischen Anforderungen an Marketeers und insbesondere an CMOs heraus. Dabei gehen europäische und US-amerikanische Publikationen unterschiedlich an die exponierte Rolle des Marketeers heran und zeigen auf, wie die Lehre vom Marketing als Leitfunktion in der Praxis organisatorisch umgesetzt werden kann. Vor allem US-amerikanische Publikationen widmen sich der Drehscheibenfunktion des Marketings im Unternehmen und beschäftigen sich mit der Frage, wie sich das Marketing und der Marketeer positionieren können. In Europa dreht sich die Diskussion dagegen oft mehr um die nötigen fachlichen Tools und Kenntnisse. Doch bislang gibt es keine Publikation, die einen ganzheitlichen Ansatz zugrunde gelegt hat. Diese Lücke schließt das vorliegende Buch. Einführung: Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis |

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Abbildung 1:

Die Schlüsselfrage: Was macht Marketingmanager erfolgreich? Was ist Erfolg?

Erfolgstreiber?

Fachliche Aspekte

Persönliche

Erfolg des Marketingmanagers

Aspekte

Positionierung im Unternehmen

Sonstiges, Zufall

Der besondere Ansatz dieses Buches Y

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Ganzheitlichkeit. Sie lernen die fachlichen und persönlichen Erfolgsfaktoren von Marketeers kennen. Darüber hinaus werden Sie mit der Positionierung im Kräftespiel innerhalb des Unternehmens vertraut. Damit verbindet das Buch drei bislang isoliert betrachtete Aspekte. Sie bekommen nicht nur Antworten auf die Frage, wie man Chief Marketing Officer wird, sondern erhalten auch viele nützliche Informationen über mittlere Karrierestufen eines Marketeers. Vielfältige Methoden. Das Buch vereint drei Methoden, die so bislang nicht in einer Publikation zu finden waren: 1. Theoretische Überlegungen auf der Grundlage praktischer Erfahrungen 2. Empirische Erkenntnisse auf Basis der umfassenden Datenbank von Egon Zehnder International 3. Erfahrungsberichte erfolgreicher Marketing- und Personalmanager. Konkreter Marketingbezug. Sie lernen die Besonderheiten des Marketings im

| Einführung: Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis

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Vergleich zu anderen Managementdisziplinen kennen. Empirische Analysen zeigen beispielsweise Unterschiede in Verhalten und Leistung zwischen CMO und CEO auf. Von Personalern in den Experteninterviews erfahren Sie, worin sich aus ihrer Sicht Marketeers von anderen Funktionen unterscheiden. Breite Branchenabdeckung. Die Fallbeispiele kommen sowohl aus der schnelllebigen Konsumgüterbranche mit ihren „Fast Moving Consumer Goods“ (FMCG) wie aus der Industriegüter- und die Dienstleistungsbranche. Es werden mittelständische Unternehmen ebenso wie globale Konzerne beleuchtet. Praktische Anwendbarkeit. Jedes Kapitel enthält ganz praktische Fragen zur Selbstreflexion, so dass Sie dieses Buch auch als Arbeitsbuch nutzen können.

Welchen Nutzen Sie aus diesem Buch ziehen können Was Sie in der Hand halten, ist weder ein Marketingfachbuch noch eine Karrierebibel; es ist ein strukturierter Rat- und Impulsgeber. Dieses Buch will Sie als Marketeer dazu anregen, Ihre eigenen bereits getroffenen und zukünftigen Karriereentscheidungen zu hinterfragen und Ihr Verhalten kritisch zu reflektieren. Dazu stellen wir teilweise ungewöhnliche Fragen, um Ihnen neue Perspektiven zu vermitteln. Diese können durchaus den ein oder anderen blinden Fleck offenbaren und Anstöße für Verhaltensänderungen geben, die Sie zu noch größerem Erfolg führen. Sie müssen sich dazu darüber klar werden, welche Erfolgsdefinition für Sie passt und welches für Sie die wichtigsten Stellhebel sind. Im Folgenden können Sie sich an realen Marketeer-Profilen orientieren, sich selbstkritisch mit Ihrem persönlichen Kompetenzprofil auseinandersetzen und so Ihren individuellen Erfolgsweg identifizieren. Unser Ziel ist, dass Sie am Ende des Buches konkrete Tipps für Ihre Karriere mitnehmen. Teilen Sie uns mit, inwiefern uns dies aus Ihrer Sicht gelungen ist. Wir freuen uns auf Ihre Meinung!

Wen dieses Buch anspricht Das Buch wendet sich an alle Marketeers, vor allem in der Industrie, aber auch bei Dienstleistern wie Werbeagenturen, Marktforschern oder anderen Organisationen, die noch erfolgreicher sein und besser verstehen wollen, was ihren Erfolg treibt. Auch für Geschäftsführer, CEOs, Personalentwickler und externe Berater bis hin zu Verantwortlichen an internen Schnittstellen wie Vertrieb, Entwicklung

Einführung: Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis |

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oder Produktion ist es hilfreich, um die Funktion des Marketeers besser zu verstehen und die Zusammenarbeit zu optimieren.

Erfahrungen, die die Autoren einbringen Wir, die Autoren Dr. Christine Wichert und Dr. Michael Meier, besitzen langjährige Berufs- und Managementerfahrung im Marketing und haben die zahlreichen Herausforderungen, vor denen Marketeers stehen, in unseren eigenen Karrieren kennen gelernt und durchlebt. Dies sowohl als Mitarbeiter wie auch als Führungskraft und in so unterschiedlichen Zusammenhängen wie denen einer Unternehmensberatung, einer Agentur, eines Konsumgüter- und Industrieunternehmens oder eines selbstständigen Dienstleisters. Beide haben wir als Dienstleister durch unsere Kunden erfahren, dass Marketeers gerade auf höheren hierarchischen Ebenen häufig auf einem Schleudersitz sitzen. Hinzu kommt die Personalberatungsperspektive, die Dr. Michael Meier mit seiner Erfahrung bei Egon Zehnder International – einem der weltweit führenden Executive Search-Unternehmen – einbringt. Die Human-Resources-Perspektive schließlich steuert Logibrand-Gesellschafterin Dr. Ariane Kristof bei (siehe den Gastbeitrag „Persönliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt“ innerhalb des 2. Kapitels sowie das Personal-Interview mit Frau Dr. Kristof im 4. Kapitel). Sie hat in den verschiedensten Unternehmen und Branchen hohe Personalpositionen bekleidet und vermag Marketeers im Vergleich zu anderen Funktionen genau einzuschätzen.

Wie das Buch aufgebaut ist Das Buch gliedert sich in sechs Kapitel. Nach der Einführung und der Situationsbeschreibung folgen theoretische Erklärungsversuche, empirische Erkenntnisse sowie Interviews mit erfolgreichen, senioren Marketeers. Daraus haben wir konkrete Handlungsempfehlungen für Sie abgeleitet. Die Kapitel im Einzelnen: Kapitel 1: Am Anfang steht die Definition: Was ist eigentlich Marketing? Welche Arten von Marketeers gibt es? Was macht Erfolg aus? Gibt es eine allgemeingültige Erfolgsformel? So einfach diese Fragen klingen, so schwierig sind sie in der Praxis zu beantworten. Das Ergebnis sind sehr individuelle Definitionen und teilweise

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| Einführung: Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis

überraschende empirische Erkenntnisse. Anschließend beschreiben wir die Situation des Marketeers in einer im Umbruch befindlichen Funktion – einschließlich der Mythen, die diese Funktion umranken. Kapitel 2: Haben Sie sich auch schon gefragt, warum Marketeers sich oft so schwer tun und der Erfolg manchmal ausbleibt? Wir analysieren, wie Unternehmen und Bewerber sich gegenseitig auswählen, und richten den Blick dann auf fachliche und persönliche Faktoren wie auch auf Positionierungsfragen im Unternehmen. Kapitel 3: Welches sind die erfolgstreibenden Kompetenzen des Marketeers und was unterscheidet hervorragende von durchschnittlichen Marketeers? Bei unseren Antworten stützen wir uns auf aktuelle empirische Erkenntnisse auf Basis der Datenbank von Egon Zehnder International. Wir stellen vertikale Vergleiche zwischen Marketeers auf mittlerer Position und Chief Marketing Officers an und stecken das Profil des erfolgreichen Marketeers ab. Außerdem erfahren Sie, welche Fähigkeiten Sie selbst auf dem Weg nach oben entwickeln müssen. Kapitel 4: Nichts ist faszinierender als das wirkliche Leben. Dieses Kapitel präsentiert deshalb persönliche Karrieregeschichten erfolgreicher Marketeers. Dazu haben wir zahlreiche Interviews mit Menschen geführt, die „es geschafft“ haben, und die spannendsten Gespräche für Sie ausgewählt. Die Befragten geben Ihnen großzügig Einblick in ihre ganz persönlichen Erfolgsgeheimnisse. Ebenso lernen Sie die Sichtweise der Personalchefs und eines CEOs kennen, die Marketeers im Vergleich zu anderen Funktionen kalibrieren können; so halten sie dem Marketeer als Funktion den Spiegel vor. Die Auswahl der Befragten erschließt Ihnen nicht nur die deutsche, sondern auch die europäische Sicht und lässt feine Unterschiede beispielsweise zwischen deutschen und Schweizer Marketeers erkennen. Kapitel 5: Blicken Sie mit uns in die Zukunft der Marketeers zwischen Krise und Wachstum. Sie erfahren, welche Fähigkeiten ein erfolgreicher Marketeer in Zeiten der Krise und angesichts der Medienkonvergenz mitbringen muss. Aus der Perspektive des Unternehmens zeigen wir konkrete Strategien für das Talentmanagement sowie Entwicklungswege für den einzelnen Marketeer und die gesamte Marketingabteilung auf. Kapitel 6: Abschließend kehren wir zur Erfolgsformel zurück und kontrastieren diese mit den empirischen Ergebnissen. Sie bekommen konkrete Vorschläge, wie Sie Ihre persönlichen Erfolgsfaktoren in den drei Dimensionen – fachlich, persönlich und Positionierung im Unternehmen – optimieren. Zum Ausklang lesen Sie, welchen Herausforderungen sich ein Top-Marketeer der Zukunft stellen muss.

Einführung: Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis |

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Während des gesamten Buches können Sie Ihr eigenes Verhalten immer wieder mit Hilfe der zahlreichen Checklisten, Fallbeispiele und praktischen Tipps überprüfen. Wir wünschen Ihnen viel Freude und Inspiration beim Lesen. Dr. Christine Wichert und Dr. Michael Meier

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| Einführung: Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis

Danksagung Unser Dank gilt insbesondere Dr. Ariane Kristof für ihren Text über die persönlichen Erfolgsfaktoren sowie allen Interviewteilnehmern, deren Einsichten wir – ob vollständig oder in Auszügen – publizieren durften. Weiter möchten wir uns bei allen Gesprächspartnern, ob Kollegen, Marketeers, Freunde oder Familie bedanken, die uns auf dem Weg zum fertigen Manuskript auf vielfältige Weise inspiriert und unterstützt haben. Besonderer Dank gebührt Verena Fussberger für die umfangreichen Recherchen, Gabriele Dermund für die organisatorische Unterstützung, Mona Dirnfellner für die kritische Durchsicht und Barbara Möller vom Gabler Verlag für das Lektorat.

Danksagung |

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Kapitel 1 Marketing und Marketeers: Definitionen und Situationsbeschreibung Wir beginnen unsere Suche nach dem „Erfolgsgeheimnis des Marketingmanagers“ ganz handfest mit verschiedenen Definitionsfragen: Was ist eigentlich Marketing? Welche Arten von Marketeers gibt es? Was macht Erfolg aus? Lässt er sich messen? Was treibt ihn? Und: Gibt es eine allgemeingültige Erfolgsformel?

Was Marketing ist – und was nicht Marketing ist die „Ausrichtung des Unternehmens auf den Markt“ und „umfasst alle Maßnahmen in einem Unternehmen, die den Absatz fördern“ – so die Definition der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Keine Sorge, wir haben nicht vor, mit einem Grundlagenbuch über Marketing zu konkurrieren und bei Adam und Eva zu beginnen. Dennoch ist die zitierte Definition wichtig und nützlich. Sie steckt die Breite und Tiefe sinnvoller Tätigkeiten im Rahmen des Marketings ab und gibt damit eine Art genereller Erwartungshaltung vor. Auf etlichen Seiten führt Wikipedia die historische Entwicklung der verschiedenen Marketingdefinitionen aus. Die Vielfalt der Definitionen, die unterschiedliche Weite oder Enge des Begriffs und die verschiedenen Betrachtungsschwerpunkte (zum Beispiel Aufgaben, Themen, Philosophie, Führungskonzepte) zeigen die „Weichheit“ und Interpretierbarkeit des Konstrukts. Marketing kann im Minimalfall für reine Werbung stehen. Im umfassendsten Sinne ist es das Steuerungselement des Unternehmens, die treibende Funktion und allein ausschlaggebende Perspektive einer konsumentengetriebenen Organisation.

Kapitel 1 – Marketing und Marketeers |

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Kapitel 1 – M

Zur Definition werden oft die im Marketing enthaltenen Elemente oder das Prozessmodell in Anlehnung an Kotler oder Meffert herangezogen. Dieses beginnt bei der – kontinuierlich fortzuführenden – Marktforschung und umfasst sodann die konzeptionellen Elemente der Ziel- und Strategieformulierung. Es folgen die operative Ausgestaltung der Marketing-Mix-Elemente (4 Ps: Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Vertriebspolitik) und schließlich das Marketingcontrolling. Wir wollen an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen, inwieweit die neuen Medien die herkömmlichen Vorgehensweisen des Marketings verändern (siehe hierzu Kapitel 5). Denn neben dem sich fortentwickelnden Prozesscharakter der Marketingfunktion finden sich in den angesprochenen Marketingdefinitionen bereits die für unsere Fragestellung wesentlichen Aspekte wieder: Y Anspruch der Ganzheitlichkeit: Marketing umfasst nicht nur einzelne Funktionsbereiche, sondern ermöglicht und betreibt die marktorientierte Führung des Unternehmens. Y Relevanz: Marketing ist nicht nur für Konsumgüter und Business-to-Business (B2B), sondern auch für staatliche und sogar Nonprofit-Unternehmen essenziell. Y Fristigkeit: Marketing besitzt eine strategische und eine operative Komponente, also langfristig-konzeptionelle und kurzfristig-durchführende Aspekte. Y Aufgabenspektrum: Analytische (z. B. Media-Controlling) und kreative Aspekte (z. B. Ausgestaltung von Werbekampagnen) gehen Hand in Hand. Trotz der Vielfalt der Spezialdisziplinen bleibt Marketing dabei eine holistische Funktion. Y Top-Line-Einfluss: Marketingmaßnahmen wirken sich signifikant auf die Umsatzseite aus, insbesondere durch Maßnahmen wie Neuprodukteinführungen (langfristig) oder Verkaufsfördermaßnahmen (kurzfristig). Y Bottom-Line-Relevanz: Nicht umsonst werden Marketingetats gekürzt, wenn das erzielte Ergebnis nicht stimmt. Auch das, was es als Fehlinterpretation zu vermeiden gilt, ist wichtig für die Definition: Marketing ist nicht mit Werbung gleichzusetzen. Vielmehr ist Werbung eine Facette des Marketings – die im Extremfall, wie beim erfolgreichen Beispiel der Modekette Zara, sogar auf Null gesetzt werden kann.

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| Was Marketing ist – und was nicht

Rollen und Arten von Marketeers Der Begriff Marketeer bezeichnet im Folgenden alle im Marketing tätigen Mitarbeiter und Führungskräfte über Aufgabenbereiche und Hierarchieebenen hinweg. Tätigkeitsbezogen gehören dazu Marktforscher, Public-Relations-Mitarbeiter und Marketingstrategen ebenso wie kreative Designer, Kundenberater oder Marketingcontroller. Hierarchisch gesehen zählen alle funktionalen Rollen von der Marketingassistentin bis zum Chief Marketing Officer (CMO) dazu. Den klassischen Karriereweg vom Junior Brand Manager über den Senior Brand Manager bis zum Marketing Director gibt es in den meisten marketingorientierten Unternehmen, jedoch unter unterschiedlichen Bezeichnungen. In diesen hierarchisch differenzierten Positionen werden mit wachsender Verantwortung Führungskräfte mit übergreifender Kompetenz für Marketing- sowie teilweise auch für GeneralManagement-Positionen ausgebildet. Eine gute Voraussetzung, um als Marketeer voranzukommen, ist die direkte Verantwortung für Umsatz und Ergebnis. Positionen, die dies nicht bieten, sollten unmittelbaren strategischen Einfluss nehmen können, um trotz fehlender Ergebnis-, also P&L-(Profit and Loss-)Verantwortung bedeutsam und auch weiterführend zu sein. Marketing ist in den meisten FMCG-Unternehmen eine konkurrenzintensive Disziplin. Im klassischen Karrierebereich gilt dabei das so genannte „Up-or-out“Prinzip. Die Verweildauer in den einzelnen Funktionen ist üblicherweise relativ kurz. Gerade dies verweist übrigens auf ein wesentliches Kriterium für die Bedeutung von Marketing in einem Unternehmen: Gibt es klar definierte und nachweisbare Messgrößen, an denen das Marketing gemessen wird, spielt der Marketingbereich eine zentrale Rolle und bietet gute Karrierewege im Unternehmen. Fehlen diese Messkriterien, liegt der strategische Fokus in anderen Abteilungen und der Marketingbereich wird nicht selten als „Werbeabteilung“ abgestempelt und reduziert. Grundsätzlich gibt es keine unentrinnbaren Sackgassen innerhalb der diversen Marketingdisziplinen. Letztlich bildet die Mischung an Erfahrungen und erprobten Herangehensweisen das Substrat für den langfristigen Erfolg. Auch ein Marktforschungsexperte kann sich in die CMO-Rolle entwickeln. Prinzipiell sind alle Marketingrollen erfolgsträchtig, die in eine greifbare und relevante Markterfahrung münden. Idealerweise sind Marketeers in den Anfängen ihrer Karriere sowohl strukturiert-analytisch als auch kreativ tätig, und dies in umsetzungsorientierten Projekten. So gesehen sind Brand-Management-Aufgaben eher Karriereschmieden auf dem Weg zum CMO oder General Manager als etwa Spezialistenrollen in Preisstrategie oder Trade Marketing – Bereichen, die kaum Gelegenheit bieten, sich an den Herausforderungen des täglichen Geschäfts und des Marktes zu messen. Kapitel 1 – Marketing und Marketeers |

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Einsatzorte im Marketing Es gibt unzählige Spielarten des Marketings und entsprechend vielfältige Orte, sich als Marketeer zu betätigen. Einige wichtige möchten wir anhand der jeweiligen institutionellen Rahmenbedingungen ableiten: Y Konsumgütermarketing Y Dienstleistungsmarketing Y Marketing im Handel Y Industrie- oder Investitionsgütermarketing Y Marketing für öffentliche Betriebe Y Gemeinnütziges Marketing Y Marketingdienstleister

Abbildung 2: Einsatzorte im Marketing und Stellenwert der Marketingelemente Element

Marke

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Produkt

Preis

Kommunikation

Vertrieb

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Öffentliche

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Gemeinnützige

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Marketingdienstleister

Abhängig vom Typ (z.B. Werbeagentur +++ Kommunikation, Pricingdienstleister +++ Preis)

Ort

+++ hoher Stellenwert, ++ mittlerer Stellenwert, + niedriger Stellenwert

Der Einfluss und die Maßnahmen des Marketings hängen stark von der branchenspezifischen Tätigkeit des Unternehmens ab; sie werden zudem durch den Grad der Internationalität eines Unternehmens bestimmt. Die sieben Spielarten, die wir betrachten wollen, unterscheiden sich hinsichtlich der Art des Angebots und der Nachfrage erheblich voneinander.

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| Einsatzorte im Marketing

Sie lassen sich weiter differenzieren: Y nach der Art und Anzahl der Käufer und Verkäufer sowie den Merkmalen des hiermit verbundenen Kaufentscheidungsprozesses, Y nach der Form des Marketings, Y nach der Wichtigkeit der absatzpolitischen Instrumente. Aus all diesen unterschiedlichen Markt- und Kundenzugängen sowie produktspezifischen Elementen leiten sich verschiedene Marketingmethoden und -arbeitsweisen ab, die an den Marketeer jeweils andere Anforderungen stellen.

Konsumgütermarketing Mit Marketing wird meist Konsumgütermarketing assoziiert. Die Aktivitäten konzentrieren sich hier auf die Vermarktung von Gütern des täglichen, kurzfristigen Bedarfs – wie zum Beispiel Nahrungsmittel – oder von Gebrauchsgütern wie Möbeln und Autos. Das Angebot besteht in der Regel aus Massenprodukten bzw. aus Produkten, die einen hohen Standardisierungsgrad aufweisen. Dazu gehören Lebensmittel und Getränke ebenso wie Waschmaschinen oder Computer. Der Absatz findet auf indirektem Weg statt, meist über den Einzelhandel, gegebenenfalls auch über den Fachhandel. Die Käufer – die Zielgruppe der Marketingaktivitäten – sind in erster Linie Privatpersonen (Konsumenten). Der Kaufentscheidungsprozess ist verhältnismäßig kurz bis mittelfristig (z. B. Automobil), die Kaufmotive sind sowohl rationaler als auch stark emotionaler Natur. Deshalb finden sich in diesem Bereich die spannendsten und raffiniertesten Marken. Das trifft nicht nur auf Markenprodukte zu, sondern verstärkt auch auf Handelsmarken (Private Label Marketing), für die bislang galt: wenig Marke, viel Produkt. Aber auch die Handelsmarken lernen „premium“ zu werden und den Stellenwert der Markenführung zu erhöhen. In manchen Marktsegmenten erreichen Handelsmarken bereits einen Marktanteil von über 50 Prozent. Marketeers nutzen hier vor allem das Massenmarketing. Dabei sind Werbung und Preispolitik die wichtigsten absatzpolitischen Instrumente. Der Produktpolitik (Sortiment, Innovationen, Relaunches etc.) kommt ebenfalls eine hohe Bedeutung zu. In diesem weit gesteckten und sehr heterogenen Feld spielt das Marketing als Funktion eine sehr wichtige, wenn nicht die entscheidende Rolle im Rahmen einer Wertschöpfungskette. Entsprechend spannend sind die Aufgaben für Marketeers – und entsprechend hoch ist der Erwartungsdruck, schnelle Erfolge zu erzielen.

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Dienstleistungsmarketing Im Dienstleistungsmarketing kümmern sich Marketeers um die bedarfsgerechte Gestaltung und Vermarktung von Dienstleistungen. Mit der zunehmenden Bedeutung von Dienstleistungen in zahlreichen Gesellschaften, insbesondere in hoch entwickelten Industrieländern, gewinnt dieser Bereich immer mehr an Bedeutung. Wegen der Besonderheiten von Dienstleistungen unterscheidet sich das Dienstleistungsmarketing erheblich vom Marketing für Konsumgüter. Dienstleistungsangebote sind immateriell, nicht greifbar, nicht lagerbar und höchst individuell. Sie zeichnen sich außerdem dadurch aus, dass der externe Faktor (z. B. der Kunde selbst, ein reparaturbedürftiges Produkt) mit einbezogen wird. Hinzu kommt, dass der Kunde das Kaufrisiko wegen der stärker ausgeprägten Qualitätsunsicherheit hoch einschätzt. Das Spektrum der Dienstleister ist breit gefächert. Finanzdienstleister, Versicherungsanbieter, Reiseveranstalter und Fluglinien gehören beispielsweise ebenso dazu wie wissenschaftliche Forschungseinrichtungen oder das Gesundheitswesen. Der Kaufentscheidungsprozess hängt von der jeweiligen Dienstleistung ab. So kann zum Beispiel seine Dauer stark variieren – von „extrem kurz“ bei einer schlichten Dienstleistung, die der Käufer unter Umständen schon kennt und bereits in der Vergangenheit in Anspruch genommen hat (z. B. Frisörbesuch), bis „sehr lang“ bei komplexen, individuell ausgearbeiteten Dienstleistungen (z. B. Versicherungspaket für einen Großkonzern). Die Kaufmotive sind oftmals eher emotional. Neben der Produktpolitik ist daher Werbung sehr wichtig, und auch die Preispolitik hat große Bedeutung. Ganz entscheidend ist der persönliche Verkauf, die persönliche Betreuung des Kunden. In vielen Fällen werden die traditionellen Kanäle heute jedoch sukzessive durch neue Medien ersetzt, so etwa bei Fluglinien. Dies stellt eine besondere Herausforderung für das Marketing dar. Für Marketeers stellt Dienstleistungsmarketing eine doppelte Herausforderung dar. Zum einen ist das Marketing in den allermeisten Unternehmen nicht die tonangebende Funktion. So entscheiden zum Beispiel bei Versicherern häufig die Mathematiker, die die Modelle entwickeln, und bei den Banken haben die Produktentwicklungsabteilungen das Sagen. Fachwissen spielt mithin oft eine wichtigere Rolle als Konsumentennähe. Und natürlich baut vieles auf den Vertrieb, wie etwa in der Assekuranz. Zum anderen sind Dienstleistungsprodukte sehr komplex, nicht anfassbar und daher schwerer zu vermarkten. Dienstleistungsmarketing stellt daher hohe Anforderungen an die Kreativität und das Prozessverständnis von Marketeers.

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Marketing im Handel Das Marketing von Handelsunternehmen gegenüber ihren Kunden, den eigentlichen Konsumenten, wird als Handelsmarketing bezeichnet. Davon zu unterscheiden ist das Trade Marketing, also das Marketing von Herstellern gegenüber Handelsunternehmen. Handelsunternehmen unterscheiden sich stark im Hinblick auf Standort, Sortiment, Preisniveau, Verkaufsfläche sowie Bedienungspraxis. Typische Aufgaben für den Marketeer sind hier die Ladengestaltung, die Regalplatzierung der angebotenen Produkte im Category Management, die Sonderangebotspolitik, die Festlegung der Ladenöffnungszeiten sowie Entscheidungen über Filialisierung und über die Eigenmarken-Politik des betreffenden Handelsunternehmens. Anders als beim Industrie- oder Herstellermarketing laufen die Marketingmaßnahmen im Handel auch über die Verkaufsfläche. Der direkte Kundenkontakt hat ein deutlich höheres Gewicht und kommt entweder auf der Fläche oder über Direktmarketingmaßnahmen zum Tragen. Auch Kundenbindungsprogramme spielen eine wichtige Rolle, da über die Kundendateien eine persönliche Beziehung zu jedem einzelnen Kunden herstellbar ist. Jenseits der Flächenaktionen kann Handelsmarketing sehr zahlengetrieben sein. Im Idealfall sind Unmengen von Kundendaten zu Einkaufsfrequenz und -verhalten vorhanden, die zu zielgerichteten Maßnahmen genutzt werden.

Industrie- oder Investitionsgütermarketing Im Mittelpunkt des Industrie- oder Investitionsgütermarketings stehen oft hochpreisige Produkte, die von Firmen beschafft werden, um mit diesen Produkten andere Produkte herstellen zu können. Häufig wird das Produkt individuell und erst nach Auftragseingang hergestellt. Als Anbieter und Käufer stehen sich in der Regel zwei Unternehmen gegenüber. Meist werden die Produkte über den direkten Absatz an eine heterogene Entscheidergruppe auf Käuferseite, etwa eine Einkaufsabteilung oder eine technisch orientierte Abteilung verkauft. Für Marketeers ist hierbei die so genannte Multipersonalität des Verkaufsprozesses zu beachten. Unter diesem Begriff fasst man die Vielzahl der involvierten Funktionen mit ihren vielschichtige Denk- und Handlungsweisen zusammen, die – etwa bei der Beschaffung von Maschinen oder Materialien – die Kauf- oder Beschaffungsentscheidung für das Unternehmen fällen: Dies ist ein weit komplexerer Vorgang als beispielsweise die Entscheidung, welchen Joghurt ich als Konsument kaufe.

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Da die technischen Funktionen oder der technische Vertrieb in diesem Bereich im Vordergrund stehen, wird Marketing oft als vernachlässigbare Größe angesehen. Doch bieten sich hier für Marketeers überaus spannende Betätigungsfelder jenseits starrer Strukturen. Welche besonderen Fähigkeiten für dieses Marketingfeld notwendig sind, erläutern wir in Kapitel 2 (Theorie) und 3 (Empirie). Denn die Beschaffungsprozesse im so genannten B2B-Bereich (Business-to-Business) unterscheiden sich strukturell erheblich von Kaufentscheidungen bei Konsumgütern. Die Kaufmotive sind eher rationaler Natur, auch wenn emotionale Elemente durchaus eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Die Zeitdauer bis zum Abschluss des Geschäfts ist tendenziell lang und durch eine umfangreiche Interaktion zwischen Käufer- und Verkäuferseite geprägt, die das Marketing anbahnen und auch begleiten kann. Hier lässt sich Individualmarketing einsetzen. Die Preispolitik spielt dabei eine wichtige Rolle, wird aber noch mehr durch technische Spezifika, Serviceleistungen und immer stärker auch durch Markenstärke gestützt. Werbung ist weniger bedeutsam; oft sind die Präsenz auf Messen und ein enger Kontakt zu den Entscheidern wichtiger. Den Ausschlag geben der persönliche Verkauf und die richtige Produktpolitik – die Mischung aus Individualprodukten und Systemprodukten – sowie die Servicekomponente.

Marketing für öffentliche Betriebe Das Marketing für öffentliche Betriebe befasst sich mit dem Angebots- und Nachfrageverhalten öffentlicher Verwaltungen und Unternehmen. Da diese Betriebe im Regelfall keine oder nur bedingt erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgen, spielt Marketing in diesem Fall eine besondere Rolle. So etwa bei öffentlichen Bildungsangeboten durch Volkshochschulen, Universitäten, Wissenschaftseinrichtungen, Schulen oder die Politik. Diese Institutionen müssen nicht nur ihre Leistung klar und prägnant darstellen und sich als kundenfreundliche Einrichtungen profilieren. Da sie als Arbeitgeber an Attraktivität verlieren, spielt zum Beispiel auch das Employer Branding eine große Rolle, ohne das sie keinen oder nicht mehr den besten Nachwuchs gewinnen können. Aufgrund der stärkeren Reglementierung ist dieses Feld nicht für alle Marketeers attraktiv. Sehr kreative Menschen oder Marketeers mit hoher Umsetzungsorientierung fühlen sich hier unter Umständen eingeschränkt.

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Gemeinnütziges Marketing Eine eher junge Art des Marketings ist das gemeinnützige Marketing für soziale Aufgaben. Es konzentriert sich auf die Bekanntmachung und Lösung übergeordneter, wohlfahrtsstiftender Ziele. Dazu gehören beispielsweise die Beschaffung von Nahrungsmitteln für Menschen in armen Gebieten durch die Welthungerhilfe, die Versorgung elternloser und verlassener Kinder durch die SOS-Kinderdörfer oder die Vermittlung generationenübergreifender Beziehungen durch die Plattform Wahlverwandtschaften. Manche Vereinigungen verfolgen auch ideelle Ziele, die durch ein angestrebtes Verbot – etwa des Walfangs, der Folter etc. – verwirklicht werden sollen. Die nicht kommerziellen Organisationen kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, von Kultur (z. B. Museen), Lebensgestaltung (z. B. Wohlfahrtsorganisationen, Kindergärten) und Umweltschutz (z. B. BUND) über die Entwicklungshilfe (z. B. UNESCO) bis hin zur Gesundheitsvor- und -nachsorge (z. B. Krankenhäuser). Marketeers arbeiten hier weniger auf Gewinnerzielung hin, sondern müssen wirtschaftlich tragfähige Konzepte entwickeln, die den Zielen der Organisation gerecht werden und Spendengelder einsammeln helfen. Ihr Gehalt liegt dabei unter Umständen unter den Standards der Industrie. Viel Idealismus ist notwendig, auch das Produkt ist in vielen Fällen ideeller Natur und wird von den Zielgruppen als „nice to have“ eingestuft. In der Wahrnehmung der Konsumenten konkurriert eine Spende etwa mit dem Kinobesuch beim Start des neuen James Bond-Films oder der Anschaffung neuer Software von Nintendo. Hier ist viel Kreativität bei geringen Budgets gefragt – eine echte Herausforderung.

Marketingdienstleister Zu den Marketingdienstleistern zählen Marktforschungsinstitute, Marketingund Markenstrategieberatungen sowie PR-, Media- und Werbeagenturen. Letztere bieten häufig eine breite Palette an Dienstleistungen aus einer Hand an. Eine hohe Dienstleistungsorientierung, ohne sich anzubiedern, effizientes projektbezogenes Arbeiten über viele Schnittstellen hinweg und eine hohe Leistungsbereitschaft sind eine gute Schule für Kreative, aber auch für Marketingstrategen und Marketingberater, die in den Agenturen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Kundenunternehmen teilweise über Jahre und sehr eng zusammenarbeiten. Ein Wechsel auf die Kundenseite – etwa in die Führung einer Marketingabteilung in einem mittleren oder großen Unternehmen – kann schwierig sein, da die Arbeitsweise, die

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Entscheidungsabläufe und die komplexen Stakeholder-Strukturen in Unternehmen häufig stark von der Agenturwelt abweichen. Arbeiten Agenturen und Dienstleister oft in zeitlich befristeten Projekten, so agieren Marketeers in der Linienorganisation eines Unternehmens in einem langfristig ausgerichteten Umfeld. Die sorgfältige Auswahl des richtigen Unternehmens und der richtigen Branche ist daher besonders wichtig, um den Wechsel von der Dienstleisterseite in eine Linienfunktion erfolgreich zu meistern.

Was ist eigentlich Erfolg? Erfolgsgeheimnisse des Marketingmanagers – der Buchtitel verweist bereits darauf, dass es zweierlei zu ergründen gilt: den Erfolg und die Geheimnisse, die zu ihm führen. Unser Hauptaugenmerk liegt zweifellos auf Letzteren. Denn wie schon der Jesuitenpater Rupert Lay bemerkte, ist man langfristig nur erfolgreich, wenn man weiß, warum man erfolgreich ist. Um Erfolgshebel ermitteln zu können, müssen wir jedoch zunächst definieren, was Erfolg ist und wie man ihn misst und operationalisiert. Ähnlich wie beim Stichwort Marketing hilft auf der Suche nach einer Definition Wikipedia weiter. Und wie beim Marketingbegriff zeigt sich auch hier die latente Natur und Uneindeutigkeit des Begriffs. Erfolg sei, so heißt es, „ein als positiv empfundenes Resultat eigenen Handelns“, aber auch „das Voranschreiten auf ein Ziel hin, basierend auf der eigenen Leistung“ sowie „die Summe richtiger Entscheidungen“. Darauf folgt der relativierende Hinweis, Aussagen über Erfolg hingen grundsätzlich vom Wertesystem des Beurteilenden ab. Erfolg ist also ein Resultat des eigenen Handelns, das auf Basis der eigenen Werte als positiv beurteilt wird. Das Thema Erfolg beschäftigt uns Menschen sehr, nicht nur weil Erfolg so begehrt ist, sondern auch, weil die Wege, ihn zu erreichen, so mysteriös scheinen. 38.100.000 Einträge verzeichnete der Begriff Erfolg am 18. Mai 2009 bei einer Google-Suche. Interessanterweise fanden sich zum gleichen Zeitpunkt unter „Misserfolg“ nur 1.170.000 Einträge. Das entspricht einem Verhältnis von 33 : 1.

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| Was ist eigentlich Erfolg?

Vielsagende Zitate Zitate bringen oft grundlegende Einsichten auf den Punkt und sind deshalb sehr en vogue. Beim Studium von Erfolgszitaten sahen wir schnell, dass nur wenige beschreiben, was Erfolg ist, aber deutlich mehr herausstellen, was Erfolg treibt. Und die wenigen Zitate, die eine Erfolgsdefinition offenbaren, stammen in den seltensten Fällen von Managern. Hier einige Beispiele Y „Wir neigen dazu, Erfolg eher nach der Höhe unserer Gehälter oder nach der Größe unserer Autos zu bestimmen als nach dem Grad unserer Hilfsbereitschaft und dem Maß unserer Menschlichkeit.“ (Martin Luther King, US-amerikanischer Bürgerrechtler) J Erfolg wird hier immateriell definiert. Y „Was bedeutet schon Geld? Ein Mensch ist erfolgreich, wenn er zwischen Aufstehen und Schlafengehen das tut, was ihm gefällt.“ (Bob Dylan, US-amerikanischer Rockstar) J Erfolg impliziert hier die Selbstbestimmtheit des Tuns Y „Bewerte deine Erfolge daran, was du aufgeben musstest, um sie zu erzielen.“ (Dalai Lama, Oberhaupt der tibetischen Buddhisten) J Erfolg hat einen Preis. Y „Erfolg ist ein Geschenk – eingepackt in harte Arbeit.“ (Ernst Ferstl, ein österreichischer Lehrer und Autor) J Erfolg als glückliches Resultat von Fleiß. Einer der wenigen Manager, der über eine Erfolgsdefinition sinniert, ist bezeichnenderweise ein „Aussteiger“, der Ex-Banker und Buchautor Rudolf Wötzel. In seinem literarischen Werk „Über die Berge zu mir selbst“ offenbart er folgende Einsicht: Y „Wenn Erfolg bedeutet, seinem Herzen zu folgen und glücklich zu werden, und sei es auf die allergewöhnlichste und schlichteste Weise, dann muss ich nicht ohne Neid eines anerkennen: Der Mankeiwirt (dessen Lebenstraum es war, eine Berghütte zu bewirtschaften – Anmerkung der Autoren) mit seiner Hütte und seiner kuriosen Passion für Murmeltiere ist weit erfolgreicher gewesen als ich mit meinem Musterlebenslauf und meiner Hochglanz-Karriere. [...] Ich vertraute stets meinem Kopf und steuerte meine Lebensplanung, indem ich mich an die bewährten „Eckwerte“ hielt: Abitur, Examen, Meilensteine der Karriere. Ich habe es mein Leben lang verpasst, die Ressource Intuition zu nutzen.“ (Rudolf Wötzel, ausgestiegener Banker)

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Fragen zur persönlichen Erfolgsdefinition Wenn Marketing bedeutet: „Selling more stuff to more people more often for more money more cost-effectively“ (Definition von Grohe-Vorstandschef David J. Haines), dann müsste Erfolg im Marketing bedeuten, genau dies zu erreichen. Oder? Es stellt sich die Frage: Was bedeutet Erfolg für Sie persönlich als Marketingmanager? Wir empfehlen Ihnen, sich etwas Zeit zu nehmen und die folgenden Fragen zu beantworten.

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So kommen Sie Ihrer eigenen Erfolgsdefinition auf die Spur: Wann fühlten Sie sich das letzte Mal im Marketing erfolgreich und warum? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Welchen Erfolg wünschen Sie sich beruflich am meisten? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Sind Sie eher monetär oder nicht monetär getrieben? Wie viel bedeuten Ihnen Geld, Macht, Anerkennung und die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Für was feiern Sie oder wofür belohnen Sie sich? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Wer ist nach Ihrer Meinung erfolgreich (in Ihrem Unternehmen, als Prominenter oder privat) und wie hat es diese Person geschafft? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Was wäre aus Ihrer Sicht ein kleiner, was ein großer Misserfolg in Ihrer Funktion? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

| Fragen zur persönlichen Erfolgsdefinition

Marketeers definieren Erfolg manchmal sonderbar Anders als etwa der Dalai Lama und die anderen zitierten Persönlichkeiten bestimmen viele Marketeers Erfolg für sich ausschließlich nach Macht- und Statusaspekten und „harten“, messbaren Kriterien. Neben marketingtypischen Kennzahlen wie Marktanteil, Umsatz und Profit – häufig auf Basis von Studien renommierter Markforschungsinstitute, die unter Marketeers oft hoch im Kurs stehen – sind Marketeers von Incentives getrieben wie viele andere Manager auch. Die Erfolgsfaktoren umfassen Größen wie Jahresgehalt und Bonus, Zahl der Mitarbeiter im Team, Vertretung in Gremien, Höhe des verantworteten Budgets und Unterschriftenbefugnis sowie die erreichte Hierarchiestufe und – gerade in jungen Jahren – die Anzahl und Geschwindigkeit der Beförderungen. Sehr beliebt sind auch Statussymbole wie die Senator- oder die HON-Card der Lufthansa, die einen Marketeer als (wichtigen) Vielflieger ausweist, oder die Größe, Lage und Ausstattung des eigenen Büros.

Abbildung 3: Die sonderbare Erfolgsdefinition vieler Marketeers Jahresgehalt und Bonus

Karriereschnelligkeit (in jungen Jahren)

Zahl der Mitarbeiter

Erfolg ?

Höhe des Budgets und Unterschriftenvollmacht

Hierarchiestufe und Beförderungen

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Erfolg ist keine im mathematischen Sinn eindeutig messbare Variable, sondern eine latente Größe, die Sie für sich individuell bestimmen müssen und dürfen. Wie Sie ihn definieren, hängt von Ihrem Werte- und Anspruchssystem ab und von Ihrer ganz persönlichen Situation. So mag der eine froh sein, dass in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise der Kelch der Kündigung an ihm vorbeigegangen ist, während sich der andere nur über das schnelle Erreichen der Spitze der Hierarchie freut. Von „Job behalten“ bis „morgen Vorstand werden“ kann Erfolg demnach alles bedeuten, ja er kann sogar vollkommen unabhängig von Leistung im Sinne der Selbstverwirklichung definiert werden. Viele (Marketing-)Wissenschaftler definieren ihren Erfolg über nicht monetäre Aspekte, z. B. die Anerkennung neuer Methoden, die Gewinnung neuer Erkenntnisse, über in so genannten „A-Journals“ platzierte Beiträge und weitere nicht monetäre Kriterien. Geld und Macht spielen für sie keine entscheidende Rolle. Wo stehen Sie auf der Skala der materiellen und immateriellen Erfolgsdefinitionen? Es ist hilfreich, sich dies zumindest bewusst zu machen. In Kapitel 4, in dem es um persönliche Erfolgsgeschichten geht, erfahren Sie mehr darüber. Die Definition von Erfolg ist demnach genauso individuell wie die persönliche Definition von Glück. So wie man bei einer Markenidentität bestimmt, was eine Marke nicht ist, hilft auch die Klärung der Frage, was Erfolg nicht ist. Auch diese Definition ist sehr individuell, doch bieten wir gerne unsere persönliche Definition dafür an. Erfolg ist nicht: Y Das Vermeiden von Misserfolg. Y Keine Fehler zu machen. Y Es jedem Recht zu machen (selbst wenn man helfen möchte!). Y Noch nie rausgeworfen worden zu sein. Y Anderen Niederlagen beizufügen. Y Deterministisch und linear. Y Gerecht. Y Ein Dauerzustand. Y Kostenlos.

Und was ist für Sie Erfolg nicht? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

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| Marketeers definieren Erfolg manchmal sonderbar

Eine erste Erfolgsformel Was sind Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren? Welche Rolle spielt Glück? Das wollen wir im nächsten Kapitel beleuchten. Um das Thema vorab zu strukturieren, bieten wir Ihnen eine erste Erfolgsformel an. Erfolg ist demnach ein selbst gestecktes, persönliches Ziel und lässt sich durch sechs Erfolgsfaktoren erklären. Y Zum einen sind dies allgemeine Erfolgsfaktoren, die wir nicht näher beleuchten werden. Dazu zählt etwa privates Glück, das häufig mit beruflichem Erfolg zusammenhängt. Auch Gesundheit, Allgemeinbildung, gesunder Menschenverstand, Zielstrebigkeit, harter Arbeitseinsatz, Disziplin, Anpassungsfähigkeit und Aspekte wie zum Beispiel Jugendlichkeit gehören dazu. Y Bei der Arbeitgeber- und Funktionswahl geht es darum, wie strategisch durchdacht sich jemand – über allgemeine Kriterien wie Gehalt und Attraktivität des Ortes hinaus – den Arbeitgeber und die zu besetzende Funktion aussucht. Y Mit fachlichen Fähigkeiten sind rationale Intelligenz, Erfahrung, Lernfähigkeit und -willigkeit, Geschäftsverständnis, Kreativität, analytisches Verständnis sowie die richtige Projektauswahl und -durchführung gemeint. Y Zu den persönlichen Fähigkeiten zählen wir emotionale und Sozialkompetenz, Intuition und den Umgang mit aus der Position erwachsender wie auch persönlicher Macht. Y Die Positionierung im Pentagon bezeichnet die eigene Positionierung als Marketeer und als Marketingfunktion innerhalb der fünf unternehmerischen Kräfte: nach oben zum Vorstand hin, zur Seite in der Wertschöpfungskette und Matrixorganisation sowie innerhalb des Marketingteams und schließlich nach außen, zu Externen. Y Nicht zuletzt gilt es auch Glückselemente, von denen Pechelemente abzuziehen sind, zu berücksichtigen. Fachliche, persönliche und Positionierungsfähigkeiten werden als Kompetenzen in Kapitel 3 aus der Sicht und der empirischen Erfahrung des Personalberaters betrachtet – und dort mit anderen Begrifflichkeiten belegt.

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Abbildung 4: Der Versuch einer Erfolgsformel Erfolg

Erreichen eines selbst gesteckten persönlichen Ziels im Marketing

=

f (x1, x2, x3, x4, x5, x6)

x1: Allgemeine Erfolgsfaktoren x2: Auswahl des Arbeitgebers und der Funktion x3: Fachliche Fähigkeiten x4: Persönliche Fähigkeiten x5: Positionierung im Pentagon x6: Glück – Pech

Apropos Glück und Pech – damit sollte man sich gar nicht lange aufhalten, denn Pech kommt früher und später auf jeden einmal zu. Makroökonomisches Pech oder Glück sind zum Beispiel die ökonomische Großwetterlage, das Ausmaß von Wirtschaftskrisen und Börsencrashs oder die plötzliche politische Instabilität eines Landes. Firmeninternes Glück oder Pech bedeutet es zum Beispiel, wenn ein neuer CEO die Firmenleitung übernimmt, der ein anderes Wertgefüge etabliert, ebenso, wenn das Unternehmen verkauft oder insolvent wird, wenn die eigene Stelle wegfällt, ein Umweltunglück geschieht oder ein Korruptionsskandal aufgedeckt wird. Persönliches Glück oder Pech betrifft beispielsweise Krankheit, einen Unfall oder peinliches persönliches Versagen, etwa wenn ein heikles Mail an den falschen Adressaten versendet wird. Wetterkatastrophen, die zu Flugverspätungen oder -ausfällen führen, Post- und Flugstreiks gehören ebenfalls dazu – dumm gelaufen! Achtung: Marketeers kennen das Gefühl, Glück oder Pech gehabt zu haben. Zum einen das gefühlte Glück, an einer nachhaltigen Marketing-Erfolgsstory ähnlich wie Nespresso, Apple, Zara oder Bionade mitgewirkt zu haben, sich bei einem gelungenen Produktlaunch, echter Produktdifferenzierung, der Einzigartigkeit im Auftritt und nachhaltigen Marktanteilsgewinnen engagieren zu können oder sogar verantwortlich gewesen zu sein. Aber auch das Gefühl des Pechs gehört zum Marketeer-Dasein. Wer hat nicht schon verpatzte Produkteinführungen und misslungene Kampagnen erlebt oder auch die x-te Konzeptidee, die vom Kreativchef oder General Manager abgelehnt wird, aus Frustration im Umgang mit vermeint-

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| Eine erste Erfolgsformel

lich bornierten Kollegen in Produktion, Vertrieb oder Forschung & Entwicklung, die die zwingend logische Konsumentenperspektive nicht für sich akzeptieren wollen. Auch im Marketing gibt es zudem persönliche Befindlichkeiten wie Kommunikationsschwächen oder mangelnde Sensibilität gegenüber Fachfremden. Genau das meinen wir mit Pech – oder Glück – aber nicht. Denn all das man kann positiv beeinflussen. Wir sind der Meinung, dass es möglich ist, für die meisten der genannten Faktoren eine passende Strategie zu entwickeln, die marketingspezifisch zum Erfolg führen kann. Doch stellen wir uns eine typische Situation eines ambitionierten Marketeers in einem global agierenden, deutschen Unternehmen der Konsumgüterbranche vor ...

Die Situation des Marketeers im Marketing Man stelle sich einmal eine Welt ganz ohne Marketing vor. Schnell kommen Bilder der grauen, reduzierten Welt der ehemaligen DDR hoch: Wir hätten nur eine sehr begrenzte Vielfalt an Marken, Vertriebskanälen und Produkten. Es gäbe eine einheitliche, oft nicht überragende Qualität und rein funktionale Verpackungen. Die Innovationszyklen wären lang oder gar nicht entwickelt. Im Fernsehen gäbe es keine Fußballtore zu bejubeln, weil die Sponsoren dafür fehlten. Es herrschte ein Mangel an Zeitschriften, und die wenigen, die es gäbe, wären teuer und dünn. Wer nicht in Großstädten lebte, wüsste nicht, dass es so wunderbare Produkte wie das iPhone gibt. Schlimmer noch: Wahrscheinlich gäbe es das iPhone gar nicht. Und Schnäppchen könnten wir auch nicht mehr jagen. Soweit zur Negativseite einer Welt ohne Marketing. Im positiven Sinne fasziniert Marketing gerade wegen des beschleunigten Wandels, den es in der letzten Dekade erlebt hat. Der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt ist längst vollzogen, der Konsument entzieht sich immer mehr traditionellen Erklärungsmustern und verhält sich bisweilen „irrational“. Die Hirnforschung erklärt uns, warum er dies tut. Doch bislang können wir die Ergebnisse aus den Magnetresonanztomographen noch kaum in konkrete Handlungsempfehlungen umsetzen. Es gibt also viel zu entdecken. Neue, attraktive Zielgruppen tauchen auf, andere verschwinden. So traten kürzlich die LOHAS mit ihrem „Lifestyle of Health and Sustainability“ und die Silver Generation, die lange von Werbungstreibenden vernachlässigt wurden, ins ScheinKapitel 1 – Marketing und Marketeers |

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werferlicht. Im Zuge der Wirtschaftskrise werden plötzlich sogar Beamte und Angestellte in staatlichen Institutionen interessant, weil ihr Gehalt und damit ihre Ausgabenbereitschaft stabiler erscheinen als die der bisher anvisierten Zielgruppen. Gleichzeitig verschwinden Zielgruppen und weichen zielgruppenübergreifenden mentalen Verfassungszuständen, die im „Verfassungsmarketing“ behandelt werden. Zahlreiche neue „Must-have“-Marken entstanden in kürzester Zeit, von Apple über Bionade bis Zara. Und alles kann heute Marke sein, selbst der Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, oder ein Land wie Deutschland, für das eigens Kampagnen gestaltet wurden, um dem nationalen Selbstbewusstsein der Bürger auf die Sprünge zu helfen. Die digitale Welt fasziniert nicht nur mit immer neuen Werbemöglichkeiten und Konsumenten-Plattformen, sondern auch durch ihre Interaktivität und die neuen Herausforderungen des Web 2.0. Neue Preisstrukturen erwecken das bislang vernachlässigte „P“ zum Leben und eröffnen unzählige neue Möglichkeiten, individuelle Preisbereitschaften auszuschöpfen – von reisezeitabhängigen Flugpreisen über Auktionen für Mittagessen bis hin zu selbst bestimmten Preisen je nach Zufriedenheit. Mit all diesen und vielen weiteren Herausforderung darf sich der Marketeer auseinandersetzen. Die Aufgabe verbindet Analytik und Kreativität, Konzeption und Umsetzung, Strategie und Operatives, Innovation und Tradition – der Traum jedes gut ausgebildeten Generalisten. Wir werden sehen, dass die Marketingfunktion eine ideale Ausgangsplattforum für eine fruchtbare und befriedigende lebenslange Karriere sein kann. Gleichzeitig bietet sie alle Voraussetzungen, um sich in Richtung General Management zu entwickeln. Wie Sie das eine, das andere, oder auch beides erreichen können, verraten wir Ihnen in den Handlungsempfehlungen in Kapitel 6.

Marketing ist wichtig Marketing ist die Stimme des Kunden im Unternehmen, denn es stellt die Verbindung zwischen den Konsumenten und der Wertschöpfung im Unternehmen her. Wie wichtig Marketing ist, hob schon der Managementpapst Peter Drucker in den 50er Jahren hervor. Ein Unternehmen, so sagte er, habe zwei, und nur zwei essenzielle Funktionen: Innovation und Marketing. Zahlreiche Studien (z. B. Booz Allen Hamilton / ANA, 2006) haben seine Sichtweise belegt und gezeigt, dass marketingund markenorientiert geführte Unternehmen schneller wachsen und deutlich pro-

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| Die Situation des Marketeers im Marketing

fitabler sind als andere. Das gilt auch für den Industriegüterbereich und andere traditionell weniger marketingaffine Branchen. Auch sie entdecken den großen Wert erhöhter Kundenorientierung. Marken generieren demnach Wert(e). Der Anteil des Markenwertes am Firmenwert ist über die Jahrzehnte kontinuierlich gestiegen, und selbst im Industriegüterbereich werden oft schon Werte von 20 bis 40 Prozent und mehr erreicht. Auch die Markenwertbestimmung bleibt spannend. Denn obwohl der Markenwert bereits bilanziert werden darf, gibt es noch immer keinen einheitlichen Standard, wie man ihn bestimmt.

Marketing ist schwierig Die Marketingfunktion ist stark im Umbruch. Zum einen entziehen sich die Konsumenten zunehmend der Werbung und vertrauen eher ihrer eigenen Peer Group, wenn sie Informationen über Angebote einholen. Zahlreiche Skandale und bewusst irreführende Informationen haben das Vertrauen in die klassische Werbung erschüttert. Zusätzlich sorgt neben der Fragmentierung der Kanäle auch die Überflutung mit Informationen dafür, dass bei den Adressaten immer weniger ankommt. Und das ist längst nicht das Ende der Herausforderungen. Die junge Zielgruppe ist Weltmeister im Multitasking: Sie hört Radio, surft im Internet, telefoniert – das alles, und oft noch mehr, gleichzeitig. Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt, dass das Fernsehen im Jahr 2010 nur noch etwa 35 Prozent der Effektivität besitzen wird, die es noch 1990 zeigte. Die Aufgabe des Marketings wird immer komplexer, und mit ihrer Komplexität steigen die Breite und die Tiefe der Leistungsanforderungen an den Marketeer. Immer neue Tools, Techniken und Plattformen entstehen. Die Funktion wird wissenschaftlicher und quantitativer, weil auch Marketing messbare Resultate vorweisen muss. Die strategisch-konzeptionellen Anforderungen wachsen, kreative Leistungen und operative Verantwortung treten in den Hintergrund. Diese werden immer öfter an externe Dienstleister vergeben, weil Mitarbeiter mit dem schnellen technologischen Wandel gar nicht mehr mithalten können. Visionen werden gefordert, Umsatz- und Ergebnisverantwortung übertragen. Im internationalen Umfeld steht der Spagat der „Glokalisierung“ an: Der Marketeer muss einerseits globale Strategien entwickeln und andererseits gleichzeitig den lokalen Anforderungen gerecht werden. Und schließlich ist in volatilen Zeiten Krisentauglichkeit gefordert.

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Marketing ist gefährlich Nach dem CEO Confidence Index der US-amerikanischen Zeitschrift „Chief Executive“ sind nur 18 Prozent der Unternehmenslenker „sehr zufrieden” mit ihrer Marketingorganisation, aber 36 Prozent „mäßig oder unzufrieden“. Dies ist eine wesentliche Erklärung dafür, dass die Marketingfunktion oft ein Schleudersitz ist. Auch die durchschnittliche Verweildauer eines Chief Marketing Officers (CMOs) zeugt davon. Sie liegt laut zweier Studien von Spencer Stuart etwa bei der Hälfte der Zeit, die ein durchschnittlicher CEO im Unternehmen verbringt. Auch bei der Wiederholung der Studie Ende 2008 hat sich der Wert nur leicht erhöht. Nun beweist die Verweildauer des Marketingverantwortlichen nicht unbedingt, dass die Funktion als solche in jedem Fall gefährlich ist. Sie weist aber auf ein viel tiefgreifenderes Problem hin: Offensichtlich werden Marketeers nicht intensiv und differenziert genug auf ihre besonders herausfordernde Funktion vorbereitet. Außerdem wählen die Unternehmen sie offenbar nach wenig zielführenden Kriterien aus. Beides, die richtige Ausbildung und die richtige Rekrutierung, ist heute umso wichtiger, da die Marketingfunktion gerade in Krisenzeiten, wie wir sie 2008 und 2009 erlebt haben, vor enormen Herausforderungen steht. Die Budgets, die Marketeers meist schon in konjunkturell rosigen Zeiten als zu niedrig empfinden, sind dann die ersten, die reduziert oder gar gestrichen werden. Weil direkte Umsatzund Ergebniseffekte oft nicht oder nur unzureichend belegt werden können, sind die Posten von Marketingmitarbeitern wie ihre Budgets oft instabil und scheinen nicht selten wie im Bermudadreieck auf unerklärliche Weise zu verschwinden.

Marketing kämpft mit Mythen Eine der Kernaufgaben des Marketings ist, für ein gutes Image des eigenen Unternehmens und der vertretenen Marken zu sorgen. Während Marketeers diese Aufgabe oft gut meistern, scheinen sie für ihr eigenes Image häufig wenig tun zu können. Zahlreiche Mythen und Vorurteile ranken sich um die Marketingfunktion im Allgemeinen und die darin agierenden Marketeers. Die bekanntesten Mythen und Vorurteile sind: Y Das Marketing zieht kreative Menschen sowie Schwafler und Schaumschläger an, die sich gut verkaufen, aber nicht mit Zahlen umgehen können. Y Die Aufgaben des Marketings – dieses Vorurteil ist insbesondere im Industriegüterbereich weit verbreitet – erfordern keine speziellen technischen Kenntnisse und könnten auch von der Assistentin/Sekretärin/Praktikantin übernommen werden.

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| Die Situation des Marketeers im Marketing

Überhaupt ist Marketing nur für große Unternehmen und vor allem solche der Konsumgüterindustrie relevant. Und nur diese können sich Marketing leisten. Y Marketing betreibt nur Kommunikation oder Werbung. Dabei wird regelmäßig mindestens die Hälfte des Geldes verschwendet. Y Marketing verursacht vor allem Kosten und generiert nur qualitative Ergebnisse; es ist eine „weiche“ Funktion, denn seine Erfolge sind nicht messbar. Y Marketing ist die „Verschönerungsabteilung“ im Unternehmen. Sie produziert hauptsächlich „bunte Bildchen“. Marketeers sind „Pappenträger“. Y Marketing schafft eine Nachfrage nach Dingen, die man nicht braucht. Oder aber es schafft Nachfrage, befriedigt sie dann aber nicht. Y Marketing ist nur eine den Verkauf unterstützende Funktion. Deswegen muss man sich in Zeiten knapper Geldbeutel fragen, ob nicht ein weiterer Mitarbeiter im Außendienst mehr Wert schafft als eine Marketinginvestition. In der Wahrnehmung vieler Kollegen – vor allem außerhalb des Marketings – haftet diesen Mythen ein Körnchen Wahrheit an. Aber auch Marketeers selbst sehen sich häufig genug als primär kreativ tätige Menschen oder als mit Prozessen betraut, die nur indirekt mit der rauen Vertriebswelt oder den Einschränkungen der Forschung & Entwicklung und der Produktion zu tun haben. Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, sind diese Mythen größtenteils hausgemacht. In Abbildung 5 sehen Sie erste Gründe, weshalb das so ist. Y

Abbildung 5: Gründe, weshalb es Marketing im Unternehmen oft schwer hat 1.

Marketing ist nach innen gerichtet, wenig reflektiert (siehe Kapitel 2.4).

2.

Marketing spricht eine eigene Sprache.

3.

Marketing wird missverstanden und hat ein zu enges Selbstverständnis.

4. Viele Nicht-Marketeers sehen die Verbindung zwischen Marketing und Gewinn nicht. Ihre Annahme: Marketing verschlingt (große) Budgets mit Aktivitäten zweifelhaften Returns. Marketing kann nicht nachweisen, wie es zur Rentabilität des Unternehmens beiträgt. 5.

In vielen Organisationen gibt es keine systematisierten, sich wiederholenden Prozesse.

6. Mit der Markenführung setzt Marketing Funktionen, Ländern und Geschäftsbereichen Grenzen, trägt aber nichts zu F&E und Vertrieb bei – das birgt Potenzial, sich schnell in der ganzen Firma unbeliebt zu machen und als unwichtig zu gelten.

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Kontrabass-Image Das Fazit: Marketing ist wichtig, spannend – und gefährlich. Das erinnert an Patrick Süskinds Erstlingswerk „Der Kontrabass“. Darin hält ein Kontrabassist eines Opernorchesters einen Vortrag. Seine anfängliche Vergötterung des Instruments als Herzstück des Orchesters wird im Laufe der Zeit brüchig und schlägt schließlich ins Gegenteil um. Das Ding ist lästig! Betrachtet man das Bild der Marketingfunktion, so ist es so ambivalent wie die Sicht des Kontrabassisten bei Süskind. Und kein Zweifel: Der Erfolg des Marketings – wie auch der Marketeers – ist noch optimierbar. Wagen wir also den nächsten Schritt und begeben wir uns noch tiefer in die Suche nach den Erfolgsgeheimnissen dieser ebenso faszinierenden wie herausfordernden Funktion.

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| Die Situation des Marketeers im Marketing

Kapitel 2 Warum Marketeers auf dem Weg nach oben oft scheitern Wer als Marketeer reüssieren will, muss nicht nur fachlich top sein, er muss auch in der Lage sein, geschickt im Kräftespiel des Unternehmens zu agieren. In der Praxis haben Marketeers auf dem Weg nach oben häufig mit Stolpersteinen zu kämpfen. Was sind das für Probleme, wo liegen ihre Ursachen und was kann man dagegen tun?

Vier Hypothesen Nach unseren Beobachtungen liegen die Ursachen für Stolpersteine in der Karriere oft schon in der Zeit vor dem Job, namentlich im Bewerbungsprozess; sie häufen sich in der Zeit, in der die Marketingfunktion – oft scheinbar erfolgreich – wahrgenommen wird. Vier Kernhypothesen bringen die Probleme auf den Punkt:

Hypothese 1: Marketeers wählen ihr Wunschunternehmen schlecht aus – und Unternehmen ihre Marketeers Schon bei der Definition ihres Wunscharbeitgebers und ihrer Wunschposition treffen Marketeers oft eine falsche Wahl. Die wirklich wichtigen Erfolgskriterien bleiben häufig unberücksichtigt: Passt die Branche zur Persönlichkeit? Passt die Aufgabenstellung zum eigenen Kompetenzprofil? Stimmt der Mix an operativen und strategischen Aufgaben? Umgekehrt läuft das Prozedere seitens des einstellenden Unternehmens ebenfalls nicht optimal. Oft dienen hauptsächlich fachliche Kompetenzen als Screening-Basis, obwohl die persönlichen Fähigkeiten, die individuellen Ausprägungen der Kompetenzen (siehe Kapitel 3) und nicht zuletzt das erkennbare Potenzial für die Zukunft entscheidender für den Erfolg sind. Zu selten nutzen beide Seiten externe Hilfe bei der Auswahl. Wie ein Marketeer tatsächlich Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Kapitel 2 – W

im Unternehmen agiert, kann gerade bei der Einstiegsposition vorab nicht mit großer Treffsicherheit erkannt werden und offenbart sich erst, wenn die Entscheidung für den Job bereits gefallen ist.

Hypothese 2: Marketeers werden den fachlichen Anforderungen oft nicht gerecht Hier geht es um drei Themenkomplexe: fachliche Kompetenzen, Planungs- und Projektthemen. Hinsichtlich der fachlichen Kompetenzen sind viele Marketeers nicht generalistisch genug aufgestellt, um dem Vorstand oder anderen Funktionen kompetente Gesprächspartner auf Augenhöhe zu sein. Sie passen sich den veränderten Anforderungen oder der erweiterten Verantwortung nicht an. Häufig legen sie ihr Hauptgewicht auf Kreation, Produktmanagement, Branding, Marktforschung oder Kommunikation. Nicht zufällig glauben Vertreter anderer Funktionen oft, dass für Marketing nichts weiter nötig sei als gesunder Menschenverstand und dass gerade kreativ-visuelle Leistungen letztlich von jedem kompetent zu beurteilen seien. Marketeers haben eine stark übergreifende Aufgabe; sie müssen viele Bereiche außerhalb ihres eigentlichen Zuständigkeitsbereichs beeinflussen und für ihre Sache gewinnen. Gutes Marketing ist immer mit tiefgreifenden Veränderungen verbunden – auch und gerade in benachbarten Funktionen wie Forschung und Entwicklung, Produktion und Vertrieb. Viele Marketeers verstehen sich nicht in ausreichendem Maß als Change-Manager und sind nicht ergebnisorientiert genug: „Zu viele Marketer sind Bunte-Pappen-Träger und leider zu wenige an Zahlen orientierte Geschäftsleute“ – diese Aussage des Vorstandschefs von Grohe war der Absatzwirtschaft in der Mai-Ausgabe 2009 eine Überschrift wert. Marketeers wählen oft die falschen Projekte aus; sie setzen zu sehr auf operative Vorhaben. Hinzu kommt, dass nur wenige Prozesse im Marketing systematisiert sind. Es gibt kaum Metriken und wenn es sie gibt, sind es oft die falschen (z. B. Bekanntheit). So verschlingt Marketing große Budgets für Aktivitäten mit zweifelhaftem Return on Investment.

Hypothese 3: Marketeers stehen sich oft selbst im Weg Marketeers definieren Erfolg oft nicht ganzheitlich und anders als andere Funktionen. Ihr Verständnis von Erfolg ist stärker von der Größe des Budgets und der Anzahl der Mitarbeiter geprägt als von ergänzenden individuelleren Faktoren, die neben Leistungsaspekten auch qualitative Aspekte wie zum Beispiel die WorkLife-Balance einbeziehen. Marketeers versuchen zudem, ihre Themen stärker über die – vermeintliche – Macht ihrer Position zu implementieren und vertrauen sel-

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| Vier Hypothesen

tener auf die Wirkung ihrer Persönlichkeit. Trotz ihrer häufig überdurchschnittlichen Kommunikationsfähigkeit richten viele Marketeers überdies ihr Handeln eher nach innen aus: Sie sind mit reinen Marketingthemen und ihrer eigenen Abteilung beschäftigt und weniger reflektiert als andere Funktionen. Und dies, obwohl gerade das Marketing eine Drehscheibenfunktion übernehmen sollte.

Hypothese 4: Marketeers positionieren sich nicht gut innerhalb des Unternehmens In vielen Unternehmen außerhalb des FMCG-Bereichs ist die Ausgangslage für eine starke Einflussnahme des Marketeers suboptimal. Marketing und Markenführung sind hier in der Hierarchie häufig nicht so weit oben und so strategisch verortet, wie es der Bedeutung der Funktion für das unternehmerische Ergebnis entspräche. Oft ist das Marketing nicht im Vorstand des Unternehmens vertreten, sondern auf zweiter oder gar dritter Ebene angesiedelt. Teilweise ist dies das Resultat der gerade eben erwähnten Herausforderungen, teilweise ist es historisch bedingt. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Das Marketing hat als Funktion häufig ein zu enges Selbstverständnis oder nimmt das von oben vorgegebene begrenzte Aktionsfeld – wenn auch oft mürrisch – hin. Dadurch positioniert sich die Funktion oft ungünstig in der organisatorischen Landschaft des Unternehmens. Nach oben „vermarktet“ das Marketing seine Daseinsberechtigung und seine Leistungen nur unzureichend, obwohl dies seine ureigenste Fähigkeit sein sollte. Statt als Verbindungsglied zwischen den Abteilungen zu fungieren, verharrt es meist in Silos, pflegt eine eigene, für andere wenig verständliche Sprache – und fühlt sich missverstanden. Dabei schreckt es allerdings vor allem in der Markenführung nicht davor zurück, anderen Funktionen, Geschäftsbereichen und Ländern Grenzen zu setzen und Leistungen von ihnen einzufordern, und realisiert nicht, dass es zu Forschung, Entwicklung und Vertrieb selbst viel zu wenig beiträgt. Im Folgenden möchten wir diese vier Kernhypothesen eingehender beleuchten.

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Abbildung 6: Vier Themenblöcke bilden die zentralen Erfolgshypothesen Vor dem Job

Während des Jobs

Am Ziel

Fachliche Erfolgsfaktoren

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Arbeitgeber- und Funktionswahl

X

Persönliche Erfolgsfaktoren

p

CMO

Positionierung im Pentagon

q

Marketeers wählen ihren Arbeitgeber suboptimal aus Erfolgsaussichten zeigen sich nicht erst „on the job“, sondern werden teilweise schon durch die Wahl des Arbeitgebers und der wahrzunehmenden Funktion bestimmt. Natürlich machen sich Marketeers bei der Arbeitsplatzwahl genauso viele oder wenige Gedanken wie andere Funktionen. Gehalts- und Karriereaussichten, Attraktivität des Standorts, Arbeitsatmosphäre, Work-Life-Balance beispielsweise sind Standardkriterien von Wirtschaftswissenschaftlern, die auch für Marketeers wichtig sind. Aber im Marketing gibt es noch andere Kriterien, die sonst selten im Blickpunkt stehen.

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| Marketeers wählen ihren Arbeitgeber suboptimal aus

Zunächst aber eine Frage an Sie, liebe Leser: Hand aufs Herz, was waren für Sie die wichtigsten Kriterien, als Sie zuletzt einen Arbeitgeber und eine Marketingfunktion gewählt haben?

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Arbeitgeber Standort __________________________________________________________________________________ Produktaffinität __________________________________________________________________________________ Bezahlung __________________________________________________________________________________ Karriereaussichten __________________________________________________________________________________ Unternehmenskultur __________________________________________________________________________________ Sonstiges __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Funktion Persönliche Neigung __________________________________________________________________________________ Stab versus Linie __________________________________________________________________________________ Verfügbarkeit __________________________________________________________________________________ Mit Chef und Kollegen stimmt die Chemie __________________________________________________________________________________ Sonstiges __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

Alle diese Kriterien sind wichtig und zielführend für Ihren persönlichen Erfolg. Aber haben Sie auch die folgenden bedacht? Wir möchten Ihnen zehn Kriterien etwas detaillierter vorstellen. Kriterien, die für Sie erfolgsprägend sein könnten und die unserer Überzeugung nach ein systematisches Nachdenken und eine bewusste Wahl erfordern. Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Abbildung 7: Neben den allgemein üblichen Kriterien gibt es elf weitere, für Sie persönlich passende, zu wählen Arbeitgeber

Funktion

1.

Branche

7.

Strategisch versus operativ

2.

Männer- versus Frauendominanz

8.

Chance zum Brückenbauen: Schnittstellen

3.

Geschäftsmodell 9.

4.

Arbeitgeberimage und Markenwerte

Größe der Fußstapfen & Starstatus der Firma

5.

Sexiness-Faktor und Eigentümerstruktur

10. Organisatorische Einbettung

6.

Unternehmensgröße und Nationalität

11. Zentrale oder dezentrale Funktion

Erheblicher Einfluss auf Ihre Erfolgschance!

Branchenwahl und Geschlechterdominanz Jeder kennt Branchen, die ihn faszinieren, und solche, in denen er niemals arbeiten möchte. Die Frage ist, ob die Branche des Arbeitgebers strategisch gewählt wird und nicht nur danach, ob man „sich mit dem Produkt identifizieren kann“, wie es so häufig ist. Jede Branche hat ihre Eigenheiten. Manche Branchen sind hauptsächlich für Männer, andere eher für Frauen attraktiv, denn typischerweise sind einige Branchen von Männern, andere von Frauen dominiert. Schwimmen Sie aufgrund Ihrer Persönlichkeitsstruktur gerne mit dem Strom, etwa als Frau in der Kosmetikbranche oder als Mann in naturwissenschaftlichen Forschungsinstitutionen? Oder haben Sie eher Freude daran und Geschick darin, sich als Vertreterin einer Minderheit Respekt zu erkämpfen, wie es zum Beispiel Frauen in der Hightech- oder Investitionsgüterindustrie tun müssen? Wer es liebt, anders, ja einzigartig zu sein, sucht sich eher eine Branche, die vom anderen Geschlecht dominiert ist. Er wird die Aufmerksamkeit und das ständige Rampenlicht, die dies mit sich bringt, in vollen Zügen genießen, während andere sie eher als Stress empfinden.

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| Marketeers wählen ihren Arbeitgeber suboptimal aus

Ähnliches gilt für die Präsenz des Marketings in unterschiedlichen Branchen. Obwohl Marketing im B2B-Bereich allmählich aufholt, ist es immer noch weniger bedeutend als bei den Konsumgütern, namentlich den schnelllebigen FMCG. Manche Branchen, deren Kunden durchaus wie Konsumenten entscheiden, werden fälschlicherweise dem B2B-Bereich zugeordnet. Das gilt etwa für die Medizintechnik, deren Geräte und Verbrauchsmaterialien von niedergelassenen Ärzten ausgewählt werden. Letztere sind zwar im juristischen Sinne Firmen, entscheiden jedoch – unter anderem wegen mangelnder Rechenschaftspflicht – anders als ein klassisches Buying-Center eines Industriegüterunternehmens, nämlich genauso emotional und spontan wie Konsumenten. In Kliniken hingegen professionalisiert sich der Einkauf mehr und mehr. Manche Branchen sind stark reguliert. Dazu zählt zum Beispiel die Pharmaindustrie, die preispolitische, vertriebliche und weitere Aktionsspielräume des Marketings einschränkt. Hier sind der Macht – im Sinne von „machen können“ – des Marketeers Grenzen gesetzt, was man mögen muss. Oder es sind Fähigkeiten gefordert, die im engeren Sinne wenig mit dem klassischen Marketing zu tun haben. So etwa, wenn es um das Regelwerk staatlicher Institutionen oder um das Business-to-Government-Geschäft (B2G) geht, in dem Lobbying eine große Rolle spielen kann. Wenn Ihnen schließlich am „Drehen großer Räder“ gelegen und somit die Höhe der Budgets wichtig ist, spielt die Rentabilität des Unternehmens und der gesamten Branche eine Rolle. Einige Branchen, wie zum Beispiel die Energiebranche, sind hochprofitabel. Auch wenn dort eine zweistellige Millionenkampagne leichter bewilligt wird als etwa im notorisch renditeschwachen Handel, sind die größten fortlaufenden Marketinginvestitionen im Lebensmitteleinzelhandel zu finden.

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Abbildung 8: Bewusste Branchenwahl ist sinnvoll (Beispiele) B2G1)

B2B

B2P2)

Dienstleistungen

Langlebige Konsumgüter

FMCG

Sicherheitslösungen

Maschinen

Medizinprodukte

Versicherung, Marketingdienstleister

Auto, Häuser

Kosmetik, Lebensmittel

Weniger Freiraum, Lobbying

Männlich, Marketing weniger etabliert, zahlengetrieben

Chance! Als B2B verkannt, aber oft B2C-Ansatz

Mensch oft Kernfaktor, Dienstleistungsmentalität

Männlicher, sexy, jung, technischer, kompetitiv

Weiblich, sexy, jung, extrem kompetitiv

1)

Business-to-Goverment

2)

Business-to-Professionals

Geschäftsmodell und wichtige Schnittstellen Auch die Geschäftsmodelle, die teilweise innerhalb einer Branche erheblich variieren, geben Aufschluss darüber, wie wichtig die Marketingfunktion in einem Unternehmen ist. An ihnen lässt sich ablesen, ob dort Aufbau- und Überzeugungsarbeit zu leisten oder das Marketingfeld bereits bestellt ist. Das Geschäftsmodell zeigt auch, welches die wichtigsten Schnittstellen sein werden und wer heute schon Gehör beim Vorstand findet. Mit den Vertretern der jeweiligen Funktion muss man „können“ und sollte sie nicht belächeln oder einfach nicht verstehen. Beginnen wir am Anfang der Wertschöpfungskette, bei Forschung und Entwicklung. Forschung ist in Branchen wichtig, die nach Durchbrüchen oder Strukturbrüchen suchen, so etwa in der Biotechnologie und in privaten oder staatlichen Forschungsinstitutionen wie zum Beispiel dem Fraunhofer Institut. Entwicklung ist beispielsweise in der Automobilindustrie und generell in technischen Branchen wie dem Maschinenbau von großer Bedeutung. Die Lieferkette spielt bei zeitsensiblen Transportdienstleistern wie UPS und im kostengetriebenen Handel eine besondere Rolle. Demgegenüber steht bei stark an Qualität orientierten Unternehmen wie etwa in der Chemiebranche, bei Qualitätschampions wie Toyota sowie – wenn auch in anderer Form – in manchen Bereichen des Finanzdienstleistungs-

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sektors die Produktion im Vordergrund. Das Marketing spielt eine extrem wichtige Rolle bei Markenartiklern wie L’Oréal und Luxusfirmen wie Louis Vuitton; es ist dort die Leitfunktion. Der Vertrieb wird überall dort groß geschrieben, wo – wie etwa bei Avon oder Vorwerk – ein Großteil des Personals im Direktvertrieb arbeitet oder wo standardisierte Dienstleistungsprodukte vertrieben werden wie zum Beispiel im Assekuranzbereich. Manche Firmen legen den Schwerpunkt auch auf die Personalarbeit. Das gilt etwa für das beratende Gewerbe, das von der Expertise seiner Mitarbeiter lebt und auf die Anstellung von High-Potentials angewiesen ist. IT schließlich ist bei so starken Marken wie Ebay oder Google besonders wichtig.

Abbildung 9: Wichtig: Das Geschäftsmodell bzw. den Stellenwert der einzelnen Funktionen berücksichtigen (Beispielbranchen)

ƒ Unternehmensberatungen und Think Tanks ƒ Personalberater

ƒ Soft- und Hardwarefirmen ƒ Internetanbieter

Personal, IT, sonstige unterstützende Prozesse

Forschung & Entwicklung ƒ IT-Branche

ƒ Maschinenbau ƒ (weitere Durchbrüche Suchende)

Einkauf, Produktion & Logistik ƒ Handel

ƒ Qualitätsbesessene

ƒ Transportdienstleister

Marketing

Vertrieb

ƒ Konsumgüterfirmen ƒ Strukturvertriebe bzw. Markenartikler im Finanzbereich ƒ Luxusfirmen

ƒ Direktvertriebe

ƒ (viele B2B- Firmen)

ƒ (weitere Kostengetriebene)

Aus den beschriebenen Schwerpunktsetzungen lässt sich erklären, warum die Aufgaben, die den Marketingabteilungen zugewiesen sind, so stark voneinander abweichen können. Oft ist im Marketing lediglich die Kommunikation angesiedelt, in mehr oder weniger professioneller Ausprägung. Es gibt durchaus „Marketingabteilungen“, in denen einige hoch bezahlte Mitarbeiter mit akademischer Ausbildung damit beschäftigt sind, Zeitungsausschnitte zu sammeln und sie in verdichteter Form als Marketingbericht an die Verkaufsabteilungen weiterzureichen, wo diese Papiere vermutlich nie gelesen werden. Auch die Trennung von „Marketingabteilung“ und „Vertriebsabteilung“, ja bereits die begriffliche Unterscheidung von Marketing und Vertrieb in diesen Firmen, weisen darauf hin, dass es sich lohnen könnte, einmal kritisch zu hinterfragen, ob und wie gut hier die Zusammenarbeit an den Schnittstellen funktioniert. Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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(Arbeitgeber-)Image und Markenwerte Heutzutage werden vor dem ersten Job oft Bewerbermessen besucht und Rankings, welche die beliebtesten Arbeitgeber für die jeweilige Studienrichtung auflisten (z. B. Absolventenbarometer), studiert. Das Nachschlageinteresse nimmt jedoch schon beim ersten Stellenwechsel merklich ab. Vielfach spielen dann vordergründige Merkmale wie Gehalt, Positionsbezeichnung oder Standort die entscheidende Rolle, Ranglisten oder Arbeitgeber-Bewertungsplattformen wie www.kununu.com werden nicht mehr konsultiert. Warum eigentlich nicht? Die Frage ist berechtigt, auch wenn bei den Rankings unbedingt zu beachten ist, dass das Arbeitgeberimage nur bei Dienstleistern unmittelbar mit den dort arbeitenden Menschen und der vorherrschenden Kultur zu tun haben muss. Im produzierenden Gewerbe wird das Arbeitgeberimage so stark vom Produktmarkenimage überlagert, dass es durchaus im Widerspruch zu der gelebten Kultur stehen kann. Bei Dienstleistungsfirmen entspricht das Image eher der Kultur.

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Überlegen Sie zunächst: Wächst die Firma oder schrumpft sie? Wie stark wächst der Markt, in dem sie agiert? __________________________________________________________________________________ Wie stark ist die Marke Ihres Arbeitgebers? __________________________________________________________________________________ Welche (Arbeitgeber-)Markenwerte vertritt Ihre Firma? __________________________________________________________________________________ Können Sie sich mit diesen Werten identifizieren, entsprechen diese Ihren persönlichen Werten? __________________________________________________________________________________ Werden die postulierten Werte im Unternehmen auch tatsächlich gelebt, und woran machen Sie dies fest? __________________________________________________________________________________ In welchen Preislagen konsumieren Sie am häufigsten: Discount, Mitte oder Premium? __________________________________________________________________________________

Die Arbeitgebermarke ist vermutlich die wichtigste Marke im Leben eines jeden Arbeitnehmers. Keine andere – nicht das Handy, nicht das gefahrene Auto und nicht die Lieblingsmodemarke – bestimmen das persönliche Wohlfühlen so sehr wie der Arbeitgeber. Bei ihm verbringen wir den Großteil unserer wachen Zeit, und

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beim Austeilen unserer Visitenkarte entscheidet er darüber, ob dem Gegenüber ein anerkennendes „Wow!“ entfährt oder nicht. Bei einer starken, innovativen Marke wie Amazon.com gearbeitet zu haben, ist mehr wert, als bei einer kleinen Startup-Firma gewesen zu sein, die niemand kennt. Begehrte Arbeitgeber sind starke Ingredient Brands für Ihren Lebenslauf, genau wie die Marke Gore-Tex eine Outdoorjacke im Wert steigert. Wenige starke Marken führen eher zum Erfolg als viele schwache. Das stimmt für den Einzelhandel genauso wie für den Lebenslauf. Ob ein Unternehmen oder der Markt, in dem es agiert, wächst oder nicht, weist darauf hin, ob Sie eher Wachstums- oder Sanierungsexperte sein sollten. Die Werte und eventuell sogar die Preislage, die der Arbeitgeber vertritt, sollten zu Ihren eigenen Werten passen. Sind Sie konservativ? Dann passen Sie besser zu BMW als zu Slow Food. Denken, kleiden, reisen Sie „Premium“ – dann passen Handelsmarken und Discount weniger gut zu Ihnen. Dienen Sie ungern? Dann wird die Dienstleistungsbranche vielleicht zu einer zu großen Herausforderung für Sie. Sind Sie eher traditionsverbunden? Dann sind Sie vielleicht nicht mit allen Werten von Pro Sieben kompatibel. Wie sehr ein Unternehmen seine postulierten Werte lebt, ist ein untrügliches Maß dafür, welchen Stellenwert Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und die Substanz hinter den verführerischen Worten haben. Spricht ein Unternehmen von seinen Arbeitnehmern als einem wesentlichen Erfolgsfaktor, während gleichzeitig seine Mitarbeiter ihre Bandscheiben auf antiquierten Bürostühlen ruinieren, dann ist es wenig glaubwürdig. Man wird dort auch im Marketing eher Wert auf den schönen Schein als auf die Sicherung der Markensubstanz legen.

Sexiness-Faktor und Eigentümerstruktur „Sexy“ erscheinen Marketingmitarbeitern starke, bekannte, begehrte Kultoder Prestigemarken. Der Umkehrschluss geht allerdings fehl: Als „unsexy“ gelten nicht die schwachen Marken, sondern die weniger bekannten und weniger begehrten. Eine besondere Chance versprechen die so genannten Hidden Champions, die sich meist im B2B-Bereich tummeln. Es sind in der Regel Mittelständler, oft Weltmarktführer wie zum Beispiel Würth oder Kärcher, stark wachsend und profitabel. Oft sind sie mit einer Art intuitiver Markenführung ohne eine explizite Marketingfunktion erfolgreich geworden und entdeckten erst spät das Marketing. Häufig gibt es eine dominante Eigentümerfamilie, die operativ eingreift, jeden Euro gut investiert sehen will und daher viele harte Beweise dafür fordert, was eine Marketingaktivität konkret bringt. Hidden Champions sind demnach attraktive Arbeitgeber für Marketeers, die erfolgreich Widerstände überwinden können und sich darauf verKapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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stehen, die Effekte von Marketingaktivitäten nachzuweisen. Die Ellbogenfreiheit für das Marketing ist in diesen Unternehmen anfangs oft sehr gering. Sobald sich der erfolgreiche Marketeer jedoch beim Eigentümer oder dessen Fremdmanagement etabliert und das Vertrauen der übrigen Funktionen gewonnen hat, sind umfangreiche Projekte möglich.

Unternehmensgröße und Nationalität Schon die Einstiegshürden sind häufig unterschiedlich. Genügen im Mittelstand manchmal noch ein guter Universitätsabschluss und praktische Erfahrung in einem relevanten Umfeld, benötigen Bewerber für die großen Konzerne einen exzellenten Lebenslauf, internationale Praktika in renommierten Unternehmen einschließlich mindestens einer längeren Station im Ausland (Praktikum oder Semester) sowie sehr gute Abschlussnoten. Dies gilt ganz besonders für jene Unternehmen, die immer wieder in den Listen der beliebtesten Arbeitgeber auftauchen. Rund 11.000 Bewerbungen jährlich bekommt etwa die Deutschland-Tochter des Kosmetikriesen L'Oréal, die hierzulande etwa 2.000 Mitarbeiter beschäftigt. Es kann sogar noch wettbewerbsintensiver werden: Die Boston Consulting Group (BCG) warb in den 90er Jahren auf dem Titel einer Broschüre provokativ mit „Ihre Chancen stehen 1 : 99“, was mehr als ein cooler Slogan war. Denn die Chance, aufgrund einer Initiativbewerbung eine Festanstellung als Consultant bei diesem Liebling der High-Potentials zu ergattern, lag bei knapp über einem Prozent. Welche Unternehmensgröße passt nun besser zu Ihnen? Der Mittelstand ist Rückgrat und Motor der deutschen Wirtschaft. Angesichts der beeindruckenden Zahlen werden hierüber auch in Zukunft keine Zweifel aufkommen. 99,7 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind dem Mittelstand zuzuordnen. Fragt man mittelständische Unternehmer jedoch nach der Bedeutung von Marketing und speziell des strategischen Marketings, bekommt man Aussagen wie die folgenden zu hören: „Marketing ist nur für die großen, internationalen Konzerne wichtig.“ „Nur bekannte Markenartikelhersteller mit hoher Werbepräsenz brauchen Marketing.“ „Produktflops gibt es auch trotz strategischen Marketings!“ Umgekehrt denken Marketeers bei der Karriereplanung nicht unbedingt zuerst an den Mittelstand. Den meisten erscheinen die Budgets einfach nicht groß genug, um sich eingehender mit dem Thema zu beschäftigen. Oder aber sie sind nicht bereit, den Aufwand zu erbringen, den es braucht, um sich in die meist hochgradig spezialisierten Märkte der Mittelständler einzuarbeiten.

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Solchen Vorbehalten zum Trotz ist Marketing in mittelständischen Unternehmen ein wichtiges Instrument zur Unternehmensführung und eine attraktive Einstiegsvariante. Dabei geht es um wesentlich mehr als die Gestaltung der nächsten Werbekampagne oder des nächsten Prospekts. Rascher als in Konzernstrukturen liegt im Mittelstand eine systematische und überprüfbare Analyse vor, die heute für den Produkterfolg nahezu unerlässlich ist. Hier tun sich spannende Tätigkeitsfelder für ambitionierte Marketeers auf. In keinem anderen Segment finden sich so viele Spezialisten wie im Mittelstand. Hier gilt es, die allgemein verbindlichen Regeln des Marketings auf die individuellen, spezialisierten Märkte des Mittelstandes anzuwenden. Für die gezielte und professionelle Vermarktung und Kommunikation spezialisierter Produkte und Dienstleistungen reichen Strategien und Maßnahmenplanungen von der Stange bei Weitem nicht aus. Marketing im Mittelstand erfordert echte Multitalente. Von der Analyse der individuellen Zielgruppen-, Markt- und Offensiv-Potenziale bis hin zur konkreten Maßnahmenplanung liegt oft vieles in einer Hand. Hieraus erwächst für das Marketing im Mittelstand eine Aufgabe, die – neben der unverzichtbaren Strategiearbeit – von außerordentlicher Bedeutung ist, aber in kaum einem Lehrbuch hinreichend behandelt wird: die Koordinationsfunktion sämtlicher Dienstleister und Spezialisten, extern wie intern. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Gerade in kleineren und mittelständischen Unternehmen werden Entscheidungen oft emotional gefällt. Gefährliche Fehler der Verantwortlichen, die sich häufig über gewonnene Erkenntnisse hinwegsetzen, können zu Misserfolgen führen. Hier kommt dem Marketing die Funktion einer entscheidenden Kontrollinstanz zu. Marketeers in kleineren Unternehmen müssen sich lateral gut vernetzen und Einfluss nehmen können. Ein gutes Verhältnis zum Geschäftsführer oder Eigentümer ebnet lediglich den Weg. Die Herausforderung besteht darin, nah am Markt und an der operativen Umsetzung zu agieren und die notwendigen Marketingthemen mit den Kollegen der anderen Bereiche unkompliziert und ohne viel Politik umzusetzen. Dabei kommt es weniger auf große Budgets als auf Kreativität und Cleverness an. Auch die Karrierewege sind unterschiedlich. Im Mittelstand ist der Einstieg oft sehr praxisbezogen und „on-the-job“. In großen Konzernen wie etwa der Deutschen Bahn werden Hochschulabsolventen dagegen zunächst einmal zwölf Monate lang durch wichtige zentrale und regionale Bereiche des Konzerns geschickt. Erst dann besetzen sie eine – beim Einstieg bereits festgelegte – Position, die meist fachlich eng definiert ist. Marketingabteilungen wie die für die Bahn hochstrategische und politisch umstrittene Preisbildung haben alleine oft eine dreistellige Mitarbeiterzahl, so viel wie manche Mittelständler insgesamt. Ein klarer Vorteil internationaler Konzerne sind die deutlich besseren Möglichkeiten, ins Ausland zu gehen. Bei Henkel etwa müssen sich Marketeers erst einmal vielseitig bewähren, um sich für das Top-Management zu qualifizieren. „Triple 2“ heißt die Erfolgsformel: StaKapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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tionen in zwei Ländern, zwei Funktionsbereichen – etwa Vertrieb und Marketing – und zwei Unternehmensbereichen – etwa Waschmittel und Klebstoffe – müssen durchlaufen werden. Weiter stellt sich die Frage nach der vorherrschenden Nationalität in der Unternehmenskultur. Ist es die Heimatkultur des Unternehmens oder eine eher international geprägte Kultur? Letztere kann dominant sein oder auch nur latent den Ton angeben, je nachdem wie weit die Zentrale entfernt ist – ein Paradebeispiel hierfür sind japanische Unternehmen. Wie stimmt die Kultur des fraglichen Unternehmens mit Ihrer persönlichen kulturellen Prägung überein? Nicht jeder „kann“ mit jeder Kultur. Wer zum Beispiel die Konsenskultur der Schweden schätzt, wird sich mit der dominant-direktiven Kultur der Franzosen schwer tun. Wie wichtig ist Hierarchie? Und wie locker oder starr sind die Geschlechterrollen verteilt? Auch dies – und damit die Chancen des individuellen Marketeers – hängt maßgeblich von der Nationalität des Unternehmens ab. Prüfen Sie also insbesondere, welche Machtdistanz Sie vorfinden, wie individuell bzw. kollektivistisch die Kultur ist und wie sehr Unsicherheitsvermeidung (insbesondere in Asien vorzufinden) ein Thema ist. ] Fokus: Marketingkarriere in japanischen Unternehmen In den Führungsetagen der größten Unternehmen Japans – etwa der Autohersteller Toyota und Mitsubishi oder des Telekomkonzerns Nippon Telegraph and Telephone (NTT) – sitzen bislang nur wenige westliche Führungskräfte. Diese Situation wird für japanische Unternehmen zunehmend zum Problem. Sie wissen, dass Erfolge auf globalen Märkten nur mit multinationalen Teams möglich sind, da lokales Marketingverständnis und Kundennähe eine entscheidende Rolle spielen. Immer mehr europäische Marketingführungskräfte nutzen diese Chance, um bei japanischen Unternehmen einzusteigen. Interkulturelle Kompetenz ist dabei der Schlüssel zum Erfolg und auch zur persönlichen Zufriedenheit in diesen Unternehmen. Am schwersten haben es ausländische Manager in konservativen japanischen Firmen, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden. Jüngere, international ausgerichtete Firmen wie der Elektronikriese Sony, der Autobauer Nissan und der Glasverarbeiter Nippon Sheet Glas bieten dagegen ein eher westliches Umfeld. Eine kleine, aber stetig wachsende Zahl japanischer Unternehmen, darunter etwa Shiseido, benennt sogar nicht japanische Marketing-Topmanager. Marketing und Kundenorientierung spielen bei japanischen Unternehmen traditionell eine wichtige Rolle, und man kann durchaus auch als Nichtjapaner in japanischen Unternehmen in Marketing- bzw. Vertriebspositionen Karriere machen. Nicht japanische Marketingmanager, die sich auf dieses herausfordernde Terrain wagen wollen, sollten sich auf Beziehungspflege verstehen und helfen, zwischen dem lokalen Management, dem Kunden und der Unternehmenszentrale zu vermitteln.

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In Konzernen lässt die Führungsverantwortung oft länger auf sich warten. Die Karrierewege sind lang. Bei L’Oréal etwa starten Einsteiger als Junior Product Manager. In dieser Position müssen sie sich um Markt- und Wettbewerbsanalysen, operative Markenführung oder die Steuerung von Point-of-Sale-Maßnahmen kümmern. Es folgen Stationen als Product Manager und Senior Product Manager. Nach frühestens drei Jahren kann der Aufstieg zum Group Product Manager, der vier bis sechs Mitarbeiter führt, gelingen. Nach weiteren drei Jahren folgt im Idealfall der Sprung zum Marketingleiter, der eine komplette Marke verantwortet. So genannte Kaminkarrieren sind grundsätzlich weniger sinnvoll. Auch können Kontinuitätsrollen wie etwa im Corporate Marketing auf sehr lange Dauer ausgerichtet sein. Sie münden dann in eine Karriere in ausschließlich strategisch ausgerichteten Abteilungen, in denen sich der Marketeer von Positionen mit Verantwortung für Budget und Ressourcen „entfremdet“.

Strategische oder operative Funktion Im Marketing gibt es eher operative Funktionen wie die Marketing-Kommunikation, strategische Funktionen wie das New Business Development und Positionen wie die des Chief Marketing Officers, die beides vereinen. Es existieren rein ausführende Tätigkeiten, wie sie häufig in den so genannten Marketing Services anzutreffen sind, die auf Geheiß der Fachabteilungen Leistungen bewerten und einkaufen. Am anderen Ende der Skala stehen beispielsweise strategische Marketingmanager, die eher treiben als selbst auszuführen. Die einzelnen Funktionen werden in den Unternehmen unterschiedlich bezeichnet und gehandhabt. Verstehen Sie deshalb Abbildung 10 bitte als Richtlinie auf Basis unserer persönlichen Einschätzung. Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass einem Marketeer mit zunehmender Reife mehr strategische Aufgaben übertragen werden, so wie umgekehrt die Wahrnehmung strategischer Aufgaben ein Sprungbrett für die Karriere im Marketing sein kann.

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Abbildung 10: Strategische Funktionen bereiten Sie auf Höheres vor. Achtung: persönliche Eindrücke, kein Gültigkeitsanspruch Strategisch CMO New Business Development

Corporate Development Innovation Manager

Brand Manager

Strategic Marketing Manager

CRM Manager

Ausführen

Marketing Services

Product Manager

Marktforschung

Communications Manager

Gestalten

Liaison Manager Corporate Design MarketingAssistent

Local Marketing Manager

Messe- & EventManager

Operativ

Größe der Fußstapfen Einige Positionen, die es zu besetzen gilt, werden neu geschaffen, aber die meisten waren schon einmal besetzt. Bewerber tun gut daran, sich zu erkundigen, weshalb der Vorgänger ging. Sie erfahren auf diese Weise einiges über Anspruch und Wirklichkeit des Arbeitgebers und des direkten Vorgesetzten. Nicht bedacht wird jedoch oft die Frage, wie groß die Fußstapfen sind, in die man als neuer Mitarbeiter tritt. Der Zusammenhang ist einfach: Je größer die Fußstapfen sind, sprich je besser der Vorgänger den Job gemacht hat, desto schwerer ist es zu reüssieren. Denn der neue Kandidat wird stets mit dem gerade abgetretenen verglichen. Es gibt zahlreiche Beispiele für hervorragende Manager, die an ihrem beruflichen Zenit zurücktraten, so zum Beispiel Arun Sarin, der CEO von Vodafone im Jahr 2008. Aber es gibt auch mutige Manager, die Star-Managern unerschrocken folgten, obwohl

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sie nur eine äußerst geringe Chance hatten, die Leistung ihres Vorgängers zu wiederholen oder gar zu übertreffen. Ein Beispiel hierfür ist Michael Mandel, heute CEO von comdirect. Er folgte André Carls nach fünf Rekordergebnissen und der Wahl von comdirect zur besten Bank Deutschlands. Wenn zu derart hohen Anforderungen noch Pech etwa in Form einer Finanzkrise kommt, hat man es extrem schwer. Das Paradebeispiel einer zunächst gelungenen Strategie, die im falschen Moment über Bord geworfen wird, ist die Karrierestrategie von Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann. Sie erinnert an die Börsenweisheit „Buy low, sell high“, und genau dieses Vorgehen empfiehlt sich auch für den Erfolg des Marketeers. Klinsmann kalkulierte vor jedem Schritt stets das Verbesserungspotenzial und das Fallrisiko seiner Marke. Mit der deutschen Nationalmannschaft übernahm er 2004 ein Team, das am Boden lag: Er trat in kleine Fußstapfen und konnte so eigentlich nur gewinnen. Und in der Tat: Er wurde nicht nur Sieger der Herzen, sondern belegte mit seiner Mannschaft auch einen stolzen dritten Platz bei der Weltmeisterschaft – und verhalf den Deutschen während des märchenhaften Fußballsommers 2006 zu neuem Selbstbewusstsein. Nach diesem sensationellen Erfolg begrenzte Klinsmann sofort seine Risiken und trat zurück. Denn ein mögliches Scheitern bei der folgenden EM-Qualifikation hätte seinen Markenwert schlagartig reduziert. Er gab bewusst auf dem Gipfel ab, wie schon bei den Tottenham Hotspurs, als er auf dem Höhepunkt seiner Stürmerkarriere zu Bayern München wechselte. Er machte sich rar und steigerte so seinen Marktwert ins Unermessliche. Doch dann erlag er der Versuchung, für Bayern München, den notorischen deutschen Meister, als Trainer tätig zu werden. „Buy high, get fired low“ könnte man das Ergebnis dieses strategischen Fehltritts zusammenfassen: Die Erfolgschance war von Anfang an gering.

Organisatorische Einbettung des Marketings Der Stellenwert des Marketings im Unternehmen lässt sich auch an dessen organisatorischer Einbettung ablesen. Wenn Marketing nicht auf den oberen Ebenen vertreten ist, sollte der Kandidat das Geschick mitbringen, Widerstände zu erkennen und gegebenenfalls sanft zu brechen.

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Am einfachsten lässt sich der Stellenwert des Marketings an der Position im Organigramm erkennen. Ist dies nicht verfügbar, hilft die Beantwortung der folgenden Fragen: Y Gibt es einen Chief Marketing Officer bzw. eine Marketingvertretung in der Geschäftsführung? __________________________________________________________________________________ Y Ist Marketing im Aufsichtsrat vertreten? __________________________________________________________________________________ Y Sind Marketing und Vertrieb kombiniert? __________________________________________________________________________________ Y Oder hängt Marketing unter dem Vertrieb oder vice versa? __________________________________________________________________________________

Zentrale oder dezentrale Funktion Marketeers zwischen Mitte 30 und Mitte 40 haben meist schon einige Karrierestationen hinter sich, und es lassen sich Muster erkennen, welche Positionen bevorzugt wurden – vorausgesetzt, diese wurden selbst bestimmt. Bei vielen Marketeers sind klare Präferenzen für das Arbeiten in einer Landesgesellschaft oder aber in der Zentrale festzustellen. Beide Positionen sind wichtig, erfordern aber unterschiedliche Fähigkeiten und Einstellungen.

Abbildung 11: Präferenzen: „Zentralist“ oder „Lokaler“? Zentrale ƒ Macht Vorgaben, dreht „große Räder“

ƒ Empfängt Vorgaben, dreht „kleinere Räder“

ƒ Strategisch-konzeptionelle Arbeit, entfernt vom Kunden, aber vorstandsnah

ƒ Eher operative Arbeit mit Ergebnisverantwortung, nahe am Markt, weit weg vom Vorstand

ƒ Denkt global; muss sich in viele Kulturen eindenken, gemeinsamen Nenner suchen

ƒ Steuert, muss Brücken bauen, Best Practice vermitteln

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Niederlassung ƒ Muss seine Kultur kennen, erklären, verteidigen

ƒ Führt aus, muss gute Beziehung zur Zentrale haben wegen Co-Finanzierung

| Marketeers wählen ihren Arbeitgeber suboptimal aus

i Stimmen erfolgreicher Marketeers: Pieter A. J. Nota, Vorstand Marketing, Vertrieb und F&E, Beiersdorf AG Wer ganz nach oben will, sollte sowohl in einer globalen Markenverantwortung als auch in Länderverantwortung gearbeitet haben. Hier ändert sich in letzter Zeit das Karriere-Setup: Heute liegt bei Beiersdorf die globale GesamtmarketingVerantwortung oft in hoch angesiedelten Spezialistenrollen im Corporate Center mit brillanten Konzeptfähigkeiten und schöpferischem Impetus. Das ist eine sehr kreative Rolle, allerdings ohne direkte lokale operative Verantwortung. Früher wurde Marketing oft als klarer Schritt ins General Management gesehen, vor allem über den Umweg einer Country-Manager-Position. Letztere sind heute eher operativ, vertriebsorientiert und in der Go-to-Market-Strategie engagiert, weniger im Bereich Produktentwicklung oder Markenführung. Fassen wir zusammen: Es ist sinnvoll, bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber und eine zu bekleidende Funktion wählerisch zu sein und sich all diese ungewöhnlichen Fragen zu stellen. Nicht jeder hat die Chance, unter vielen hochkarätigen Angeboten erstklassiger Arbeitgeber zu wählen. Aber die meisten Marketeers haben bei einer neuen Stelle zwei oder mehrere Optionen. Diese gilt es nach den oben genannten Kriterien zu prüfen – denn „Failing to plan is planning to fail“ (Mark Flanighan).

Die Unternehmenssicht: Was macht den Top-Marketeer aus? Auf Unternehmensseite wird der Auswahl herausragender Marketeers sowohl intern wie auch bei externen Besetzungen allzu häufig noch zu wenig strukturierte Aufmerksamkeit geschenkt. Oft spielen funktionale Faktoren eine zu große Rolle bei der Personalauswahl, etwa eine bestimmte Fachkompetenz oder Branchenkenntnisse. Auf diese Weise sind kreative Personallösungen, die den Transfer von neuen Ideen in ein Unternehmen ermöglichen, ausgeschlossen. Auch wird der vollen Bandbreite der Kernkompetenzen (siehe Kapitel 3) und deren Operationalisierung für die jeweilige Situation bei der Einstellung und Weiterentwicklung von Marketeers zu selten Beachtung geschenkt. Intern ist es sinnvoll, Marketeers systematisch zu fordern – bis an die persönlichen Grenzen und auch darüber hinaus. Bleibt ein Unternehmen hinter diesen Erfordernissen zurück, verliert es an Einfluss auf seine langfristig wichtigste Ressource. Vor diesem Hintergrund gehen wir in den Kapiteln 3 und 6 drei Fragen nach: Erstens: Was ist eigentlich effektive Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

61

Führungskräfteentwicklung für Marketeers? Zweitens: Warum ist sie so wichtig? Und drittens: Wie können Unternehmen sinnvolle Strategien für diesen Bereich entwickeln?

Fachliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt Fachkompetenz ist die Eintrittskarte zur Karriere als Marketeer. Denn Marketing umfasst viele Aktivitäten, die sehr unterschiedliche Fähigkeiten erfordern. Im Folgenden geht es uns dabei nicht primär um eine Vervollständigung der vier, fünf oder mehr Marketing-Ps.

Abbildung 12: Elemente des Marketings

Marke (Positioning)

Product Product

Price Price

Promotion Promotion

Place Place

People People

Marktforschung

Wir verstehen unter Fachkompetenz die Fähigkeit, marketingtypische Aufgaben den Anforderungen gemäß eigenverantwortlich und erfolgreich zu bewältigen. Die hierzu nötigen Kenntnisse erfordern rationale Intelligenz, Erfahrung wie

62

| Fachliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt

auch Offenheit für Neues, ein Verständnis marketingspezifischer Fragen und Zusammenhänge sowie die Fähigkeit, diese Fragen technisch einwandfrei und zielgerecht zu lösen (in Anlehnung an Wikipedia). Es geht also um die richtige Einstellung, die rationale und intuitive Herangehensweisen gleichermaßen umfasst. Allerdings setzen die großen FMCG-Unternehmen hier durchaus unterschiedliche Schwerpunkte. So gilt Procter & Gamble als überaus zahlen- und marktforschungsorientiert; ungestützte Bauchentscheidungen sind in dieser Unternehmenskultur nicht gern gesehen oder werden von vornherein durch entsprechende Entscheidungsschleifen ausgeschlossen. L‘Oréal hingegen weist den „weichen“ Entscheidungskriterien eine wichtige Bedeutung zu, etwa bei der Auswahl von Copy-Motiven, Claims oder Verpackung. Auf der Suche nach Erfolgserklärungen hilft uns Daniel Goleman, der in seinen Studien zur emotionalen Intelligenz aufzeigt, dass Erfolg zwar mit Intelligenz korreliert, letztere aber lediglich einen Anteil von 15 bis 25 Prozent des persönlichen Erfolgs begründet. Doch sehen wir uns einmal genauer an, welche Faktoren wir mit Intelligenz, Erfahrung und Lernbereitschaft beeinflussen können.

Abbildung 13: Elemente der Marketingfachkompetenz Rationale Intelligenz ƒ Kunden- und Marktorientierung

ƒ Analytisch-strukturierend ƒ Kreativ-gestaltend ƒ Strategischkonzeptionell

ƒ Praktischimplementierend

ƒ Ergebnisse messend ƒ Moralisch

+

Erfahrung

+

Lernbereitschaft

ƒ Fachwissen

ƒ Inhaltliche Trends

ƒ Marke & Marktforschung

ƒ Neue Methoden

ƒ Marketing-Ps

ƒ Vertrieb

ƒ Außerhalb Marketing & Vertrieb ƒ Interdisziplinäres

ƒ Strukturelle Trends ƒ Neue Medien ƒ Krisen

ƒ Anpassung an veränderte Ziele

ƒ International

Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

63

Die richtigen Projekte in Angriff nehmen, sinnlose vermeiden In sozial komplexen Situationen, wie wir sie in einem Unternehmen vorfinden, spielt neben der rationalen und emotionalen Intelligenz auch der „richtige“ Fundus an Erfahrungen eine wichtige Rolle. Nicht nur die Breite der gesammelten Erfahrungen ist entscheidend, sondern insbesondere ihre Qualität: Gefragt sind Erfahrungen in den „richtigen“ Projekten – solchen, die, wie wir noch sehen werden, nachweislich zur Wertschöpfung beitragen. Sammeln Sie also möglichst umfassende Erfahrungen, vermeiden Sie Wiederholungen und gehen Sie das Risiko ein, auch einmal zu experimentieren, um sich konsequent weiterzuentwickeln. Planen Sie dazu gezielt, welche Projekte Sie in Angriff nehmen und wie Sie sie durchführen. Zunächst gilt es, sinnlose Projekte zu vermeiden, wie wenig Zeit sie auch beanspruchen mögen: „There is nothing so useless as doing efficiently that which should not be done at all“, sagt der Managementexperte Peter Drucker.

Wenn Sie einmal Ihre wichtigsten Projekte anschauen, in die Sie mindestens 80 Prozent Ihrer Zeit investieren, wie beantworten Sie dann die folgenden Fragen: Y Erzielen Ihre Projekte einen substanziellen Effekt für die Unternehmensziele Wachstum und Gewinn? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Y Können Sie diesen Zusammenhang ursächlich nachweisen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Y Liegen die Projekte dem Vorstand am Herzen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Y Sind Sie für Fortschritt, Ressourcenverbrauch und Ergebnis rechenschaftspflichtig? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Y Helfen die Projekte, andere Abteilungen im Unternehmen erfolgreich zu machen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

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| Fachliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt

Y

Y

Y

Y

Y

Y

Y

Y

Y

Wie groß ist das Konfliktpotenzial? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Ermöglichen Ihnen die Projekte Sichtbarkeit in der Organisation? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Sind die Projekte zukunftsorientiert oder eher vergangenheitsbezogen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Helfen die Projekte unternehmerische Entscheidungen herbeizurufen oder zu priorisieren? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Orientieren sich die Projekte am Markt und am Kunden oder sind sie innengerichtet? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Ist der zeitliche Ablauf der Projekte sinnvoll, oder würden Sie sachlogisch andere Projekte zuerst durchführen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Haben Sie die Projekte selbst initiiert? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Sind die Projekte „richtig“ durchführbar? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Ganz ehrlich: Haben Sie schon einmal ein oder mehrere Projekte durchgeführt, die man aus Ihrer Sicht gar nicht hätte in Angriff nehmen sollen? Falls ja, warum? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

Schaut man sich an, wofür die meisten Marketeers laut einer Befragung von MarketingProfs.com im Jahr 2005 verantwortlich sind, fällt ins Auge, dass Marketing selten für vorstandsrelevante Größen wie Umsatz, Gewinn oder Preisfindung zuständig ist. Nach wie vor sind Werbung und Verkaufsförderung die wesentlichen Tätigkeiten, die von Marketeers gefordert werden, nicht zu vergessen die Herleitung und Begründung der Maßnahmen anhand von Umsatz- und Ergebniseffekten. Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

65

Abbildung 14: Verantwortlichkeiten von Marketeers heute sehr operativ Verkaufsförderung Werbung Branding

91 88 85 85

Marktforschung Website Management Konkurrenzanalyse

77 74 73 70

Marktsegmentierung Lead-Generierung Kundenbindung Customer Relationship Management

47 47

Neuproduktgewinnung Vertriebskanalmanagement Umsatz Kundendienst Ergebnis Preisfindung

38 29 26 21 20 18

Quelle: Befragung von MArketingProfs.com von 2005; n = 3000 Marketeers, eigene Übersetzung

Zunehmend verlangt jedoch der Vorstand vom Marketing auch eine strategische Orientierung sowie die Übernahme von Verantwortung für die „Bottom Line“, also eine Ergebnisorientierung. Marketeers benötigen damit die Fähigkeit, ihre Projektergebnisse in relevanten Zahlen zu erfassen ebenso wie die Bereitschaft, sich an diesen messen zu lassen. Diese quantitative Orientierung ist keineswegs Selbstzweck. Sie hilft dem Marketeer vielmehr, den Erfolg seiner Projekte unzweifelhaft zu belegen, eine veränderte Markenpositionierung im Unternehmen zu verankern und für Budgets zu werben. Dazu braucht er Überzeugungskraft, gute Argumente – und die Veränderungsbereitschaft der Organisation. Nach Erfahrung der Autoren haben sich Zahlen und knallharte Ergebnisse in diesem Zusammenhang als exzellente Change-Agenten erwiesen. Eine weitere Herausforderung liegt darin, dass Projekte und Aufgaben im Marketing oft singulär sind. Wiederkehrende Prozesse fehlen damit häufig (siehe Abbildung 15).

66

| Fachliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt

Abbildung 15: Marketingprozesse werden heute oft nicht regelmäßig durchgeführt 0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Budgetierung Homepage kreieren Marketingpläne Kundenzufriedenheitsanalysen Werbung Homepage pflegen Strategische Planung Interne Kommunikation Marktsegmentierung Wettbewerbsradar Positionierung bzw. Differenzierung Marken-Tracking Finanz. Ergebnisse der Marketingaktivitäten Umsatzprognosen Marktforschung Berechnung von Konsumenten-Lebenswerten Systematisch

Unsystematisch/Ad hoc

Nicht angewendet

Quelle: MarketingProfs.com 2006, eigene Übersetzung

Da der Umfang, in dem Projekte und Prozesse als permanent wiederkehrend etabliert werden können, begrenzt ist – schließlich soll eine gute Markenidentität viele Jahre Bestand haben und eine Verpackung nicht allzu häufig verändert werden –, gilt es immer wieder neu, Projekte auszuwählen. Die Frage ist, welche. Richtige Projekte sind für das Unternehmen wertschöpfende Projekte. Generell genießen wachstumsbezogene, ertragsorientierte und Imageprojekte ein höheres Vorstandsinteresse. Aus gutem Grund, denn: „The first thing to really understand is what engines are driving P&L“, so Steve Horn, Ex-CEO von Coca-Cola. Es ist sinnvoll, an die unternehmerische Gewinnformel anzudocken – wie später noch näher auszuführen sein wird. Doch zunächst einige weitere Beispiele für richtige, weil wertschöpfende Projekte: Y Preisoptimierungsprojekte erzielen substanzielle Effekte, weil der Preis eine zentrale Stellgröße in der unternehmerischen Gewinnformel ist.

Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Abbildung 16: Projektzuordnung zu Elementen der unternehmerischen Gewinnformel (Beispiele) Preis

ƒ Preisoptimierung und zeitliche Preisdifferenzierung

ƒ Markenpositionierung ƒ …

X

Menge

ƒ Markenpositionierung ƒ Neue Produkte & Verwendungen

ƒ Neue Kanäle, Zielgruppen & neue Märkte ƒ Verkaufsförderung



Kosten

ƒ Virales Marketing ƒ Online-Werbung ƒ E-Commerce

ƒ Websiteoptimierung ƒ …

ƒ …

Y Y

Y

Y Y Y Y

Y

68

Rechenschaftspflichtig sind alle großvolumigen Projekte wie zum Beispiel internationale Werbekampagnen. Projekte, die mit über den Erfolg zahlreicher weiterer Abteilungen entscheiden, sind zum Beispiel Marken- und Verpackungsprojekte. Hier kann und muss man Brücken bauen, wofür es Offenheit und Kooperationsbereitschaft braucht. Zu den Projekten, die stets mit offenen Armen aufgenommen werden und die wenig Konfliktpotenzial bergen, zählen beispielsweise Projekte, die sich um Themen mit innovativem Potenzial drehen. Projekte im Bereich Marketingcontrolling, die Erfolgskennziffern darstellen, ermöglichen eine hierarchie- und disziplinübergreifende Sichtbarkeit. Werbe-Pretests und langfristige Trendforschung sind zukunftsgerichtete Projekte. Eine erklärende statt beschreibende Marktforschung kann schnelle Entscheidungen herbeiführen und helfen, Prioritäten zu setzen. Kunden- und marktorientierte Projekte punkten mehr als innengerichtete Projekte. Der Marketeer ist ein „Kunden- und Marktversteher“. Diese Kernkompetenz sollte sich in seiner Projektwahl ausdrücken. Empirisch fundierte Projekte schließlich haben den Vorzug, messbar zu sein, und sind daher „richtig“ durchführbar.

| Fachliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt

Weniger sinnvoll sind Projekte, die als weniger wertschöpfend angesehen werden. Demnach empfiehlt es sich, Projekte zu vermeiden, die Y keinen substanziellen Effekt auf die Unternehmensziele Wachstum und Gewinn zeigen, Y wenig kundenrelevant sind (Nebenkriegsschauplätze), Y dem Vorstand gleichgültig und nicht rechenschaftspflichtig sind, Y nur Sie im Marketing interessieren, Y signifikantes Konfliktpotenzial (politischen Sprengstoff) bergen. Diese Projekte sollten nur nach reiflicher Überlegung angegangen werden. Man erkennt sie leicht daran, dass sie niemand in der Organisation gern übernimmt, obwohl sie inhaltlich für wichtig erachtet werden. Y Y Y

Wenig zielführend sind auch vergangenheitsorientierte Projekte, beschreibende, jedoch nicht erklärende Analysen, nach innen gerichtete Projekte, die keinen Wettbewerbsvorteil herbeiführen.

Es geht jedoch nicht nur um die Wahl der richtigen Projekte. Wichtig ist auch, die in Angriff genommenen Vorhaben in einer sinnvollen Abfolge durchzuführen, um Doppelarbeiten und unnötige Fragen zu vermeiden. Königsprojekte sind grundsätzlich jene, die Sie selbst initiiert haben und bei denen die „OwnershipFrage“ klar beantwortet werden kann. Mit dem Verzicht auf wenig wertschöpfende Projekte lassen sich Misserfolge verhindern. Hierzu einige konkrete Beispiele für „falsche“ Projekte: Y Projekte zur Bekanntheitssteigerung, die kein Kaufinteresse auslösen, sind Wertvernichtungsprojekte par excellence. Man denke etwa an die E.on-Kampagne „Mix it“ mit Testimonials von Arnold Schwarzenegger. Sie verschlang allein im Jahr 2001 umgerechnet fast 22,5 Millionen Euro. Jeder gewonnene Neukunde kostete 20.500 Euro. Man freute sich über eine ungestützte Bekanntheit von 66 Prozent und eine gestützte Bekanntheit von sogar 93 Prozent, doch war diese letztlich nicht kaufentscheidend. Y Kleinvolumige, operative Vorhaben erzielen in den seltensten Fällen Vorstandsinteresse. Y Serien-Monitoring-Projekte wie das monatliche Markentracking in vielen Unternehmen der FMCG-Branche oder eigene Lieblingsprojekte mit persönlichen Interessen sind oft nicht rechenschaftspflichtig. Y Marketingspezifische Konferenzen sind nur für das Marketing relevant und bauen keine Brücken zu anderen Abteilungen. Auch schlecht getimte Projekte und solche, die Teil eines machtpolitischen Kampfes darstellen, sind eher zu meiden. Dasselbe gilt für Vorhaben, die Pet Pro-

Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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jects des Chefs darstellen. Bei der Durchführung vergangenheitsorientierter Projekte wie Werbe-Posttests muss man sich die Frage gefallen lassen, ob man nicht sinnvoller in Pretests investiert hätte, aus denen man vor der Marketinginvestition hätte lernen können. Ähnlich kann beispielsweise eine Marktforschung, die nur beschreibt („wir sind drittbeliebteste Marke“) und nicht erklärt, Kritik hervorrufen und am Ende in der Schublade verstauben. Nach innen gerichtete Aktivitäten wie internationale Marketing-Intranetlösungen sind ebenfalls wenig nützlich, wenn es darum geht, die Marketingerfolgsleiter zu erklimmen. Eine unsinnige zeitliche Abfolge von Projekten ist beispielsweise gegeben, wenn man beginnt, das Corporate Design zu optimieren, ohne dass die Markenidentität klar wäre, oder, schlimmer noch, jährliche Kundenzufriedenheitsstudien in B- und C-Ländern durchführt, die unternehmerisch betrachtet besser ganz dem Rotstift zum Opfer fallen sollten. Mit Gefälligkeitsstudien für andere Abteilungen sammelt man zwar Sympathiepunkte, schafft aber keinen operativen Erfolg. Und schließlich sollte man bedenken, dass alle vagen, eher qualitativ-kreativen Prozesse stark nach Geschmackskriterien beurteilt werden, weshalb quantitativ messbare Projekte eher zu bevorzugen sind. Es kann hilfreich sein, die eigenen Projekte einmal mit dieser Checkliste zu vergleichen und zu überprüfen, wie viel Erfolg das persönliche MarketingprojektPortfolio im Hinblick auf die genannten Kriterien und insbesondere das Brückenbaupotenzial verspricht.

Abbildung 17: Checkliste zum Priorisieren (I) piel B ei s

„Richtige“ Kriterien

Projekt

Substanz. Effekt

Vorstandsinteresse

Rechensch. pflichtig

Sichtbarkeit

Pricing

9

9

9

9

9

Markenpositionierung

9

9

9

9

9

Kundenzufriedenheit

?

9

9

9

9

0

0

0

0

9

Website

?

?

?

9

0

Innovationspotenzial

9

0

9

9

9

Pre- und Posttests



… 0 Konfliktpotenzial

70

9 geeignet

| Fachliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt

Ri. durchführbar

Natürlich lässt es sich nicht immer vermeiden, Projekte, die nach diesen Kriterien eher als „falsch“ erscheinen, anzunehmen und durchzuführen. Es kommt jedoch auf die Mischung der Projekte an, die ein Marketeer bearbeitet, und darauf, dass die Zusammensetzung dieses Mixes sukzessive immer mehr zugunsten sinnvoller Projekte verändert wird.

Abbildung 18: Checkliste zum Priorisieren (II) Brückenbau- und Konfliktpotenzial

piel B ei s Projekt

Vorstand

Pricing

9

Markenpositionierung

9

Kundenzufriedenheit

9

F&E

9

Operations

9

Marketing

Vertrieb

9

90

9

9

9

9

Pre- und Posttests

9

Website

9

9

9

9

Innovationspotenzial

9

9

Andere

9

… 0 Konfliktpotenzial

9 geeignet

Die richtige Durchführung ist essenziell Sind die „richtigen“ Projekte gewählt, geht es darum, dass sie „richtig“ durchgeführt werden. Grundvoraussetzung hierfür ist ein professionelles Projektmanagement: Es gilt, effektiv und effizient – und damit kompetent – zu arbeiten, im Budget und innerhalb der Deadline zu bleiben. Projektmanagement ist allerdings nicht Gegenstand dieses Buches. Eine wichtige Voraussetzung für kompetentes Arbeiten ist, dass man die eigenen Kapazitäten angemessen einsetzt. Überlegen Sie also genau, wie viele Projekte Sie annehmen und durchführen. Meist liegt das Problem nicht darin, dass ein Marketeer zu wenige Projekte „stemmt“ und daher als faul gilt, sondern darin, dass er sich zu viel auflädt. In diesem Fall wird entweder die eigene Organisation schlicht-

Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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weg überfordert oder die Qualität des gesamten Projektportfolios leidet oder gar beides. Daher ein wichtiger Tipp im Sinne der persönlichen Markenführung: Vermeiden Sie sinnlose Projekte. Werden Sie stattdessen für mindestens ein sinnvolles Projekt „berühmt“ und damit einzigartig. Zusammenfassend sind die besten Projekte jene, die Y an die Unternehmensziele und die unternehmerische Gewinnformel andocken, Y in ihrem voraussichtlichen Ergebnis konzeptionell belegbar sind, Y mess- und quantifizierbar sind („Marketing is a science, not an art“, so David Haines, Grohe CEO), Y als Prozess systematisierbar sind, Y intern in einer Sprache kommuniziert werden, die die Nachbarabteilungen verstehen, Y die Sie aufgrund des Impacts und der Vermittlung Ihrer einzigartigen Kompetenzen„berühmt“ machen.

Lern- und Innovationsbereitschaft sind Voraussetzung Neben der Auswahl richtiger Projekte und der richtigen Durchführung ist die Bereitschaft, zu lernen und sich veränderten Anforderungen anzupassen, essenziell. Die Halbwertszeit des Wissens ist im Marketing besonders kurz. „I believe today’s marketing model is broken. We’re applying antiquated thinking and work systems to a new world of possibilities“, proklamierte 2004 Jim Stengel, bis 2008 Chief Marketing Officer bei Procter & Gamble. Und die Geschwindigkeit der Veränderungen scheint sich zu erhöhen, wie Cammie Dunaway, CMO von Yahoo, 2007 bekräftigte: „The pace of innovation has just speeded up beyond our wildest dreams“. Was fachliche Fähigkeiten anbelangt, ist schnelle Anpassung gefordert – nicht unbedingt um selbst operativ im Marketing arbeiten zu können, sondern um gerade in der zweiten Hälfte der persönlichen Karriere Fachtermini und Plattformen, die es in der eigenen Jugend nicht gab, zumindest zu verstehen. Undenkbar, dass ein heute erfolgreicher CMO etwa Facebook, Twitter & Co. nicht kennt. Er muss nicht selbst dort aktiv sein, sollte aber wissen, wie sie funktionieren und was ihre Faszination für die junge Zielgruppe ausmacht. Ständige Weiterbildungsbereitschaft ist damit unerlässlich – gelegentlich in der Absatzwirtschaft zu blättern, genügt nicht! Fachliteratur zu lesen ist wichtig, eine erweiterte Marketingbibliothek einzurichten sehr sinnvoll, ebenso wie der Besuch von Fachkonferenzen und Seminaren, die aktuelle Themen besprechen und Networking ermöglichen. Mit diesen und anderen Kontakten können dann auch branchenübergreifende Netzwerke erstellt werden, um konkurrenzfrei und effizient gemein-

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| Fachliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt

same Trendthemen zu erarbeiten und aus der Sicht unterschiedlicher Branchen zu beleuchten. Inhaltlich ist die langfristige Trendforschung das A und O, um sicherzustellen, dass man sich mit den relevanten Zukunftsthemen eingehend auseinandersetzt und die Implikationen erarbeitet. Dabei gibt es strukturelle sowie inhaltliche Trends, die sich im Lauf der Jahre wieder verschieben oder neu entstehen. Stellen Sie sich einen Marketeer vor, der die strukturellen Veränderungen der Marketinglandschaft in den letzten 25 Jahren ignoriert: Er würde nur die klassischen Werbemöglichkeiten im Fernsehen – ARD, ZDF und die Regionalprogramme – nutzen und daneben auf Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Plakate setzen. Selbst wenn er lediglich die Veränderungen der letzten zehn Jahren ignorierte, wären webbasierte Werbeformen vom Internetbanner über Blogs, Podcasts und Konsumentenplattformen, die allesamt hohe Wachstumsraten zeigen, außen vor. Unser Marketeer wäre auf ein einseitiges Kommunikationsmodell beschränkt, in dem die Firma den Kunden informiert und der Kunde passiv erscheint. Er hätte den Zwischenschritt des interaktiven Modells (Web 1.0) verpasst, in dem man mit dem Kunden kommuniziert und der Kunde via Feedback reagieren kann. Die Interaktion im multilateralen Modell des Web 2.0, mit einem aktiven, Feedback gebenden und Content entwickelnden Kunden, wäre ihm völlig fremd und die daraus resultierenden Chancen blieben ungenutzt. Genauso wenig wäre er in der Lage, inhaltliche Trends – etwa die neue Ehrlichkeit in der Markenführung –, die durch strukturelle Neuerungen wie Web 2.0 und inhaltliche Verbesserungen im Web 3.0 getrieben werden, aufzugreifen.

Ein Projekt, mit dem Sie berühmt werden Wie suchen Sie ein Projekt aus, für das Sie berühmt werden können? Nun, es muss zunächst relevant sein und relativ dringend; Sie sollten Fähigkeiten einsetzen können, über die nicht viele verfügen; und Sie sollten das Projekt selbst und auf Ihre Art initiieren können. Dazu kommen noch die oben genannten Kriterien für „richtige“ Projekte. Im Themenbereich Markenführung ist das Schaffen einer Markenidentität oder einer gelungenen Positionierung eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Thema überhaupt. Autorin Christine Wichert stand in ihrer internationalen Konzernkarriere mehrfach vor der Herausforderung, Sinn und Zweck einer scharfen, relevanten, von der Konkurrenz differenzierten Markenidentität begründen und später gestalten zu müssen. Sie machte die empirisch optimierte Markenpositionierung zu dem Projekt, für das sie in der Organisation berühmt werden wollte. Es war ein hochrelevantes Projekt, in dem sie die bei Marketeers nicht weit verbreiteKapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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te Fähigkeit zum Nutzen der Firma einsetzen konnte: ihr Verständnis statistischer Methoden, ökonometrischer Kausalanalysen und Modellierung. Noch heute ist diese Art von Projekt der Hauptumsatz- und Imageträger ihrer Firma Logibrand, die damit bereits einigen Unternehmen zu finanziellen Rekordergebnissen, signifikant erhöhter Werbeeffizienz und zahlreichen Auszeichnungen im Marketing verholfen hat. Drei Schritte waren der Schlüssel zu diesem Erfolg: 1) Den Prozess systematisieren und den Nutzen des Projektes klären 2) Brücken bauen und Veränderungen managen (Change Management) 3) Stellhebel der Marke priorisieren und quantifizieren.

Den Prozess systematisieren und den Nutzen des Projektes klären Vor dem Projektstart galt es, CMO und CEO zu gewinnen. Dazu wurde ein systematischer Prozess vorgestellt, in dem die aktuelle Situation der Marke zunächst empirisch ermittelt werden sollte. Auf Basis der Zielanforderungen sollte die Markenpositionierung – ebenfalls empirisch gestützt – optimiert werden und daraufhin die Marke im Sinne einer Navigation von A nach B schrittweise implementiert werden (siehe Wichert (2005)). Drei Kernaspekte überzeugten die beiden Stakeholder: der Wert der Marke für die unternehmerische Gewinnformel, die Korrelation einer starken Marke – zu der eine gelungene Positionierung gehört – mit Preis- und Mengenprämien und der systematisch gesteigerte Markenwert als Anteil des Firmenwertes.

Abbildung 19: Systematischer Prozess statt Ad-hoc-Workshops

Marke morgen

Unternehmensstrategie ƒ Vision ƒ Mission ƒ Strategie ƒ Kultur

A

B

Marke heute

Schritt n : Wo stehen wir aus Sicht der Marke? ƒ Erfolgsfaktoren & Leistung ƒ Misserfolgsfaktoren

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Schritt o: Wo wollen wir hin? ƒ Markenvision & Ziele ƒ Positionierung ƒ Markenversprechen

Schritt p: Wie kommen wir dorthin? ƒ Markenstrategie ƒ Manifestation an Berührungspunkten ƒ Markenorganisation ƒ Leben der Marke ƒ Marketing-Mix ƒ Tracking

| Fachliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt

Brücken bauen Zum Projektstart gab es ein persönliches Markenaudit mit allen wichtigen Stakeholdern über die Geschäftsbereiche, Länder und Funktionen der Wertschöpfungskette hinweg. Ein Kernteam war intensiv mit der Erarbeitung einer Hypothese für die spätere Positionierung beschäftigt. Dies sicherte den organisatorischen Buy-in und die Veränderungsbereitschaft der Organisation und stärkte die Überzeugung, dass die Markenpositionierung sinnvoll ist und nach nachvollziehbaren Kriterien gemeinsam geschaffen und nicht oktroyiert wird. Später im Prozess, als die Positionierung bereits feststand, wurden alle Geschäftsbereiche, Funktionen und Länder im Implementierungsprozess einbezogen, und das Markenteam bot seine Unterstützung an.

Abbildung 20: Die Vorzüge des Markenaudits: Einbindung der wesentlichen Stakeholder und Hypothesengenerierung ƒ Sammlung und Bewertung des Marken-Know-hows und der Gefühle innerhalb der Organisation – faktischer Input – Hoffnungen und Sorgen ƒ Wichtig für spätere Implementierung und Aufgreifen unterschiedlicher Perspektiven ƒ Zielgerichtete Forschung basierend auf einer gemeinsam entwickelten Positionierungsidee

Priorisieren und quantifizieren Statt der verbreiteten Vorliebe für qualitative Studien und Fokusgruppen zu folgen, wurde eine quantitative Markenforschung gewählt, die die Priorisierung, Quantifizierung und Operationalisierung der Ergebnisse ermöglichte. Um all jene nicht zu verschrecken, für die Statistik ein rotes Tuch darstellt, wurden die Statistikbegriffe „übersetzt“ und vereinfacht, ohne zu übersimplifizieren. Bauchgefühle wurden durch harte, nachvollziehbare Fakten ersetzt, die Positionierung wurde kausalanalytisch optimiert. Diese belastbare Basis erlaubte eine schnelle Entscheidung, kürzte sonst langwierige politische Diskussionen ab und führte ohne Druck zu einem selbst gefundenen Konsens. Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Abbildung 21: Knallharte Basis – Erfolgsfaktoren der Marke empirisch ermitteln Indikatoren (messbar)

Markenstärke

Indikatoren (messbar)

Erfolgsfaktoren

Neue Technologie Faktor 1 z.B. Innovation

Attraktives Design ...

Preisprämie Einzigartigkeit

Kaufabsicht ...

Bereitschaft eiterzuempfehlen

Markenidentifikation

MarkenVetrauen

Mehrpreisbereitschaft

Gute Erfahrung

Markensympathie

Kaufabsicht

Indikator 4 Faktor 2 Indikator 5

Markenstärke Markenstä rke

Indikator 6 Faktor 3

Indikator 7 ...

Wie stark ist die Marke heute? Und die der Konkurrenz?

Was macht sie noch stärker? Was treibt Preisprämie und kurzfristigen Abverkauf?

Und nun geht die Frage an Sie, lieber Leser: Mit welchem Projekt möchten Sie in Ihrer Organisation berühmt werden? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

Persönliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt Anmerkung der Autoren: Dieses Unterkapitel wurde von Frau Dr. Ariane Kristof erstellt, der wir hierfür herzlich danken. Halten wir an dieser Stelle nochmals zwei Kernaussagen der Erfolgsdefinition fest: Erstens ist Erfolg ein auf eigener Leistung basierendes Voranschreiten auf

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| Persönliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt

ein Ziel hin, und zweitens hängen Aussagen über Erfolg vom Beurteilungssystem des Wertenden ab. Mit ein wenig Reflexion kann man erkennen, wie subjektiv und persönlich Erfolg letzten Endes ist. Eigener Einsatz und Schweiß gehören dazu; ehrlich empfundener Erfolg kann niemals ererbt oder von einem anderen gestohlen werden. Des Weiteren haben wir es selbst in der Hand, wie hoch wir die Messlatte legen und welche Einflüsse wir als erfolgsvergrößernd oder -schmälernd zulassen. Erfolg ist stets ein als positiv empfundenes Resultat eigenen Handelns. Jeder muss sich demnach seine eigene Erfolgsdefinition schaffen. In diesem Schritt liegt bereits ein erster persönlicher Erfolgsfaktor für den Marketeer: die Wahl für ihn persönlich angemessener Ziele. Diese muss ein jeder für sich selbst treffen, denn sich von außen Erfolgsziele diktieren zu lassen oder sie zu kopieren, macht eine authentische Erfolgsbewertung unmöglich. Des Weiteren ist die Tatsache anzuerkennen, dass neben der eigenen Leistung auch Komponenten wie Glück, Zufall sowie die Beiträge und Leistungen anderer für die Zielerreichung maßgeblich sein können. Die Bewertung der eigenen Leistung im Verhältnis zu diesen Komponenten muss jeder für sich selbst vornehmen, um seinen eigenen Erfolg bewusst und kritisch einschätzen zu können. Der Marketeer sollte also in verschiedener Hinsicht selbstbewusst darangehen, seinen Erfolg zu erarbeiten. Zunächst sollte er sich seiner eigenen Ziele und Erfolgskriterien bewusst sein. Dabei mag er sich an anderen Personen orientieren, aber um die eigene Bewertung wird er letztlich nicht herumkommen. Sind die Ziele und Erfolgskriterien für ihn selbst einigermaßen klar, braucht der Marketeer eine realistische Selbsteinschätzung, wo er im Blick auf diese steht. An diesem Punkt ist übrigens der Input anderer von hohem Wert. Während die Ziel- und Erfolgsdefinition eine höchst persönliche Angelegenheit darstellt, ist die eigene Standortbestimmung ohne Feedback von außen unvollständig und häufig unrealistisch und irreführend.

Der Erfolgserreichungsplan Als Nächstes sollte sich der Marketeer eine klare Vorstellung über die Schritte erarbeiten, die ihn dem definierten Ziel und Erfolg näherbringen. Auch hier können Einflüsse und Vorschläge von außen sehr hilfreich sein, so etwa das Lesen von Büchern wie diesem hier, die Teilnahme an Konferenzen, der Meinungsaustausch mit Kollegen und Fachfremden. Es lohnt sich, Zeit und Gedanken zu investieren und einen persönlichen „Erfolgserreichungsplan“ zu entwickeln. Haben Sie schon einen? Wenn nicht, können Sie gleich damit beginnen.

Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Y

Y

Y

Y

Y

Y

Y

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Elemente eines persönlichen Erfolgserreichungsplans sind: Was sind Ihre Ziele – was wollen Sie erreichen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Was sind Ihre Werte, Stärken, Restriktionen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Was motiviert Sie? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Was demotiviert Sie? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Wo stehen Sie, realistisch betrachtet? Wo sind Sie gut, wo müssen Sie sich verbessern? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Welche konkreten Maßnahmen zur Erhöhung Ihrer Fachkompetenz ergreifen Sie? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Mit wem arbeiten Sie, um Ihre Sozial- und Führungskompetenz zu erhöhen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Welche Veränderungen Ihres Lebensstils müssen Sie vornehmen, um Ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu optimieren? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Wie priorisieren Sie Ihre Aktionen? Können Sie sich einen realistischen Zeitplan erstellen, statt alles auf einmal anzugehen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Welche Kollaborateure oder Trainer können Sie sich suchen, die Sie unterstützen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

| Persönliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt

Y

Y

Wie kontrollieren Sie Ihre Zielerreichung und Ihren Erfolg? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Was gönnen Sie sich selbst als Belohnung für die Erreichung Ihrer Ziele? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

Auf Basis einer solchen Klärungsarbeit kann der Marketeer selbstbewusst daran gehen, seine Ziele anzustreben und seinen Erfolg zu verwirklichen. Sich diesen Erfolg auch zuzutrauen, ist dabei eine wichtige Voraussetzung, um wirklich am Ziel anzukommen!

Positionsmacht und persönliche Macht Der Marketeer ist in einem hochsozialen Umfeld tätig – in einem Unternehmen, das sich im Markt behaupten muss. Erfolg fällt einem dort nicht in den Schoß, er muss mühsam erarbeitet, den Umständen und der Konkurrenz abgetrotzt werden. Um seine Ziele zu erreichen und sich seinen Erfolg zu erarbeiten, benötigt der Marketeer daher Macht. Die Marketingfunktion ist in dieser Hinsicht besonders herausfordernd, da Marketeers übergreifend Einfluss auf die Wertschöpfungskette eines Unternehmens nehmen müssen. Macht beinhaltet in diesem Zusammenhang verschiedene Aspekte. Vordergründig wird Macht oft einfach mit Autorität oder Seniorität gleichgesetzt. Diese Sichtweise greift aber innerhalb eines Unternehmens mit seinen vielfältigen Kooperations- und Abhängigkeitsbeziehungen zu kurz. Eine hilfreiche Definition: Macht ist die Fähigkeit, das Wahrnehmen, Verhalten und Denken anderer zu beeinflussen. Im sozialen Kontext eines Unternehmens kann der Marketeer kein Ziel durch rein individuelles Agieren erreichen. Sein Erfolg entsteht nicht durch Aktion, sondern durch Interaktion. Isolierte Entscheidungen lassen sich gewiss mit einiger Anstrengung kraft Titel durchsetzen, aber das ist ein mühsamer Weg. Nachhaltiger Erfolg in einer Firma lässt sich nur über die effektive Beeinflussung anderer Menschen erreichen. Zielführend interagieren zu können, ist also ein Zeichen von Macht.

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Die professionellen Ziele jedes Managers lassen sich zu einem hohen Grad von den Zielen des Unternehmens oder der Organisation, in der er tätig ist, ableiten. Darüber hinaus muss der Marketeer Ressourcen, Mitstreiter, Informationen und Unterstützung für seine Zwecke in erster Linie in seinem unmittelbaren Organisationsumfeld mobilisieren. Der berühmte Organisationstheoretiker Henry Mintzberg hat Macht daher als die Fähigkeit charakterisiert, organisatorische Ergebnisse zu bewirken. In dem Sinne kann man Macht auch als die Fähigkeit verstehen, Veränderungen zu bewirken. Schließlich hat Macht auch einige ganz persönliche Komponenten. Die wichtigste ist vielleicht die Fähigkeit, Unsicherheit zu verarbeiten, eigene Ziele zu definieren und an diesen festzuhalten, bis sie erreicht werden. Beim Gedanken an Macht (englisch: „Power“) sollte sich der Marketeer des Unterschieds zwischen „Position Power“ und „Personal Power“ bewusst sein. Position Power bezeichnet die Macht, die einer Stelle zugeschrieben wird. Position Power ist damit unabhängig von Personen und strukturell bedingt. Sie ist sehr organisationsspezifisch und hängt von der Machtverteilung ab, die in einer Firma besteht. In einem dezentral geführten Unternehmen kann sehr viel Macht delegiert sein, während es Kennzeichen einer zentralistisch geführten Firma ist, alle Macht an der Spitze zu konzentrieren. Position Power ist formal; in einer Stellenbeschreibung wird sie oft schriftlich kodifiziert und dadurch auch klar begrenzt.

Abbildung 22: Unterscheidung zwischen „Position Power“ und „Personal Power“

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Position Power

Personal Power

Personenunabhängig

Individuell

Strukturell bedingt

Flexibel

Organisationsspezifisch

Gestaltungsoffen

Formal

Persönlich

Häufig schriftlich kodifiziert

Beziehungsabhängig

Klar begrenzt

Sich mit der Zeit wandelnd

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Personal Power hingegen ist, wie der Name schon sagt, ein Attribut einer Person, gleich welche Position sie in einer Organisation bekleidet. Personal Power ist flexibel und gestaltungsoffen in dem Sinne, dass sie persönlich ausgestaltet werden kann und muss. Personal Power ist abhängig von Beziehung und drückt den persönlichen Einfluss aus, den jemand auf sein Umfeld hat. Dieser kann sich im Lauf der Zeit mit den zwischenmenschlichen Beziehungen entwickeln und verändern und lässt sich nicht durch abstrakte Regeln fixieren. Doch sehen wir uns beide Formen der Macht einmal genauer an: Position Power umfasst alle offiziell zugewiesenen Einfluss- und Entscheidungsbefugnisse der Stelle des Marketeers. Diese Befugnisse werden häufig in einer Stellenbeschreibung zusammengefasst und können Elemente aufweisen wie Y Entscheidungsverantwortung für zugewiesene marketingspezifische Aufgaben Y Eindeutig zugewiesene strategische Verantwortungen Y Positionierung im zentral-dezentralen Machtverhältnis Y Kosten- und Budgetverantwortung Y Personalhoheit Y Offizielle Mitspracherechte bei wichtigen funktionsübergreifenden strategischen Initiativen und Maßnahmen Y Organisationsinterne Kommunikationsmandate

Stellenbeschreibungen für Marketeers existieren in den Unternehmen in vielerlei Formen und unterschiedlicher Ausführlichkeit, manchmal allerdings auch gar nicht. Es lohnt sich aber auf jeden Fall für den Marketeer, sich Klarheit über den Umfang seiner tatsächlichen Position Power zu verschaffen. Dazu liest man sich am besten einmal wieder seine eigene Stellenbeschreibung (oder andere relevante Dokumente) durch oder fordert diese aktiv ein und fragt sich: Y Welche formale Genehmigungs- oder Entscheidungsmacht gewährt Ihre Position in wichtigen Sachfragen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Y Beinhaltet Ihre Stelle feste Mitgliedschaften in wichtigen, strategischen Entscheidungsgremien? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Y Gibt es eine „ständige Vertretung“ der Funktion Marketing bei wichtigen Ereignissen oder in Gremien benachbarter Funktionen (z. B. Vertrieb)? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Y

Y

Y

Erhält Marketing ein eigenes Kapitel im Geschäftsbericht? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Hat Marketing einen geregelten Zugriff auf den firmenweiten „Talentpool“? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Wie umfangreich ist die Budgethoheit meiner Position? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

Position Power ist die Aktionsplattform für alles, was der Marketeer in seinem Unternehmen durchsetzen will. Es ist die offizielle Stimme der Marketingfunktion bzw. seiner Stelle und umfasst Verantwortung und Einflussmöglichkeiten, die durch keine andere Position zu ersetzen sind oder sein sollten. Position Power ergibt sich somit aus dem Nullsummenspiel um Macht im Unternehmen und sollte genau verstanden und sorgfältig gepflegt werden. Auch wenn in manchen Organisationen die Kodifizierung von Stellenbeschreibungen eher lax gehandhabt wird, lässt sich doch feststellen, dass durch die jüngst gestiegene Aufmerksamkeit für „Corporate Governance“ die bewusste Formalität von Positionsbeschreibungen an Bedeutung gewinnt und vom Marketeer durchaus zur Festigung der eigenen Machtbasis eingesetzt werden kann. Sich für seine Fachaufgaben verantwortlich zu fühlen und die anvertrauten Ressourcen und Entscheidungsbefugnisse im besten Sinne zur Erreichung der Unternehmensziele einzusetzen, sollte für den Marketeer heißen, professionelle Reife zu demonstrieren und die Macht der eigenen Position wirkungsvoll zu nutzen. Natürlich unterliegt auch Position Power einem sozialen Kontext und hat damit Grenzen. Dessen sollte sich jeder bewusst sein. Den Rahmen bestimmen Faktoren wie Unternehmens- und Führungskultur, Eigentümerstruktur, Unternehmensentwicklung sowie die Transparenz und Bekanntheit von Formalien wie Stellenbeschreibungen und anderen „Governance-Strukturen“. Es geht keineswegs darum, durch einen fokussierten Blick auf die eigene Stelle die Formalität der eigenen Position überzubetonen. Vielmehr sollen das Verstehen des Unternehmensgefüges und der Blick fürs Ganze geschärft werden. Auf dieser Grundlage kann der Marketeer daran arbeiten, seine Position Power optimal zur Erreichung seiner Ziele einzusetzen. Im Gegensatz zu Position Power ist Personal Power ein vielseitiges Konzept, das ganz dem Ausbau der Einflussmöglichkeiten des Marketeers dienen kann.

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Personal Power fängt da an, wo Position Power aufhört. Personal Power hängt ganz von der Person des Marketeers ab und erkennt bewusst den sozialen Kontext an, in dem sich sein professionelles Handeln abspielt. Personal Power setzt, so Daniel Golemann in Emotional Intelligence, in erster Linie auf emotionale Intelligenz und Fähigkeiten wie Selbsterkenntnis, Selbstbeherrschung, Empathie und das gezielte Beeinflussen der Emotionen anderer Menschen. Man sollte sich keiner Illusion hingeben: Personal Power wirkt auch, wenn sie nicht bewusst gepflegt wird. Jeder hat eine Personal Power; sie kann stark oder schwach, positiv oder negativ sein. Jedem wird durch sein Umfeld ein gewisser Grad sozialer Einflussnahme zugestanden, gleich ob wir dies zur Kenntnis nehmen oder nicht. Personal Power ist eine Art persönlich-individuellen Markenwertes. Ein erfolgsorientierter Marketeer sollte nicht unreflektiert über die Möglichkeit, seine Personal Power bewusst auszubauen und zu pflegen, hinweggehen, denn hier liegt der Schlüssel zum Erfolg. Plakativ gesprochen: Wenn Position Power die Eintrittskarte zu einer Abendveranstaltung darstellt, ist Personal Power die Platzkarte für die Teilnahme am Gala-Diner.

Determinanten von Personal Power Die Personal Power eines Managers in seinem Unternehmen ruht auf vier Säulen: Sichtbarkeit, Autonomie, Relevanz und Beziehungen. Diese vier Säulen beschreiben auch den Umfang des persönlichen Einflussvermögens und damit die Erfolgschancen des Marketeers. Sie werden im Folgenden näher beleuchtet.

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Abbildung 23: Die Personal Power des Marketeers in der Firma beruht auf vier Säulen

Personal Power

Sichtbarkeit

Autonomie

Relevanz

Beziehungen

Sichtbarkeit betrifft den Bekanntheitsgrad eines Managers in seinem Unternehmen. Lapidar gesagt muss man, um in seiner Firma etwas durchsetzen zu können, zunächst einmal wahrgenommen werden. Sichtbarkeit bezieht sich in diesem Zusammenhang auf alle Seiten und richtet sich nicht nur hierarchisch nach oben. Eine gut ausgebaute „360-Grad-Sichtbarkeit“ ist die Grundlage für das Durchsetzen von Ideen und den persönlichen Erfolg. Es ist eine Tatsache, dass sich die Bekanntheit und die Glaubwürdigkeit von Personen in einer Organisation wechselseitig positiv beeinflussen – wenn sie angemessen gepflegt werden. Einem erfolgsorientierten Marketeer wird es darum gehen, beides, Bekanntheit und Glaubwürdigkeit, gleichermaßen zu stärken. Er wird seine Sichtbarkeit daher beständig weiterentwickeln. Der Nutzen ist klar: Nur wenn man einflussreichen Menschen bekannt ist, können diese einen unterstützen. Eilt einem ein guter Ruf voraus, öffnen sich Türen und Hindernisse werden kleiner. Und schließlich erleichtert persönliche Glaubwürdigkeit die Durchsetzung neuer und komplexer Maßnahmen. Die Betonung liegt hierbei auf dem guten Ruf und der hohen Glaubwürdigkeit. Sichtbarkeit erhöht die Ausstrahlung der persönlichen Reputation. Sie kann somit ebenso zur Festigung eines schlechten Rufes und schlimmstenfalls zum Abbau von Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft führen, also kontraproduktiv wirken. Wir gehen natürlich davon aus, dass der Marketeer fachlich und sozial kompetent und ein weithin akzeptierter, gern gesehener Kollege in seiner Firma ist. In diesem Fall sollte er sich daran machen, seine Bekanntheit und seine natürli-

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che Begehrtheit im Unternehmen zu stärken, ganz so, wie er dies für eine Marke tun würde. Trotzdem kann es durchaus hilfreich sein, gezielt Feedback einzuholen und sich der Qualität des eigenen Rufs und des entgegengebrachten Vertrauens zu vergewissern, ehe man sich an die Erhöhung seiner Sichtbarkeit macht. Der Marketeer kann seine Sichtbarkeit erhöhen, indem er in seinen internen und externen Bekanntheitsgrad investiert. Schon einige einfache Aktionen und Maßnahmen können eine positive Wirkung entfalten; so kann er Y an Komitees, Arbeitsgruppen und Projekten teilnehmen, an denen sich Kollegen aus verschiedenen Teilen des Unternehmens beteiligen, Y sich Klarheit über die wahren „Key Player“ des Unternehmens verschaffen und nach passenden Situationen suchen, um mit ihnen über seine Arbeit und seine Ziele zu sprechen, Y sicherstellen, dass sein Wirken im Unternehmen formell wie informell – bei Meetings, in Gesprächen, in Berichten etc. – angemessen kommuniziert wird, Y in geeigneten Momenten andere – insbesondere leitende Angestellte – in seine Ziele und Ambitionen einweihen und sie ausdrücklich um Unterstützung bitten, Y eine Rolle in einer professionellen Vereinigung außerhalb des eigenen Jobs übernehmen – es ist immer wieder überraschend, wie schnell das Echo solcher Aktivitäten zurückhallt. Autonomie bezeichnet den Spielraum der persönlichen Einflussnahme im Rahmen der Aufgabenerfüllung. Je mehr Freiheit der Marketeer bei der Arbeit hat, desto offensichtlicher – für ihn selbst wie für andere – wird sein persönlicher Erfolg. Je enger er sich dagegen führen lässt, desto weniger Erfolg wird naturgemäß ihm persönlich zugesprochen. Erfolg wird intuitiv eher anerkannt, wenn er unter einem wahrgenommenen Risiko erreicht wurde. In jeder Position lassen sich die Möglichkeiten für Eigeninitiative und Entscheidungsverantwortung ausdehnen. Der erfolgsorientierte Marketeer tut gut daran, seine Autonomie beständig zu erweitern. Nicht zuletzt brauchen auch seine Kreativität und seine Motivation angemessene Freiräume, um zu voller Blüte zu gelangen. Dabei kann der Marketeer seine Autonomie innerhalb wie außerhalb der bestehenden Aufgaben erweitern, indem er Y Entscheidungen, für die er offiziell verantwortlich ist, vorbildlich ausführt und sich diese nicht abnehmen lässt, Y sich konsequent darum bemüht, seine Entscheidungsautorität im Job kontinuierlich zu erhöhen, Y alle im gegebenen Rahmen existierenden Möglichkeiten ausschöpft, um Eigeninitiative und Kreativität zu demonstrieren, Y Initiativen übernimmt oder – innerhalb wie außerhalb der eigenen Abteilung – Projekte sucht, in denen er etwas entwickeln und beeinflussen kann, Y innere Autonomie pflegt, um unabhängig und dabei mutig entscheiden und handeln zu können. Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Relevanz ist die dritte Säule von Personal Power. Hier wird die Frage gestellt, wie wichtig das, was der Marketeer im Tagesgeschäft tut, für das Unternehmen tatsächlich ist. Je enger seine Arbeit mit den Firmenprioritäten verbunden ist, umso größer ist das Interesse, das seinem Wirken entgegengebracht wird. Erfolg ist leichter zu realisieren, wenn man mit der Strömung statt gegen die Strömung schwimmt. Vorstände, Geschäftsführer und höhere Führungskräfte haben lange Prioritätenlisten. Wenn das Marketingthema nicht auf diesen Prioritätenlisten positioniert ist, wird es für den Marketeer schwer, die Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu gewinnen, die er braucht, um seine Erfolge zu realisieren. Umgekehrt können reale Erfolge, die der Marketeer erarbeitet, nachhaltiger wirken, wenn sich diese mit verwandten Initiativen und wichtigen Firmenprioritäten verbinden lassen. Von daher sollte der Marketeer seine persönliche Kompetenzentwicklung an den mittelfristig relevanten Firmenprioritäten ausrichten. Schon mit wenigen einfachen Maßnahmen kann er die Relevanz seiner Arbeit erhöhen, beispielsweise indem er Y sich zunächst Klarheit verschafft (eventuell auf Basis der übergeordneten Unternehmensstrategie), welches die zwei bis drei Schlüsselthemen sind, denen sich das Unternehmen in den kommenden ein bis zwei Jahren widmen muss, Y definiert, welche Rolle seine Aufgabe bei der Bearbeitung dieser Themen spielen könnte, und sein Verantwortungsportfolio konsequent auf diese ausrichtet, Y nach Entwicklungsmöglichkeiten strebt, die ihm eine möglichst große Beteiligung und Einflussnahme bei der Bearbeitung der Top-Themen bieten, Y sicherstellt, dass er persönlich über wirklich nützliche, für das Unternehmen Wert steigernde Kompetenzen und Fähigkeiten verfügt. Beziehungen strahlen als wirkungsvolles Netzwerk in alle Richtungen aus und erleichtern das Durchsetzen von Zielen. So tragen sie als vierte Säule maßgeblich zur Personal Power des Marketeers bei. Ein Unternehmen ist ein soziales Gebilde und erfordert Beziehungspflege nach allen Seiten: horizontal und vertikal, nach innen und nach außen. Gerade die horizontale Beziehungspflege wird häufig unterschätzt. Der Marketeer sollte seine „Peer Relations“ vor allem in andere Funktionen hinein (z. B. Vertrieb, Finanzen) nicht verkümmern lassen, sondern sich bewusst um ihren Ausbau bemühen. Die eigenen Mitarbeiter sollte man nicht nur als „Truppen“, sondern auch als „Botschafter“ mit Zukunftswirkung sehen und entsprechend in sie investieren. Nach oben wird der Marketeer zwei bis drei hohe Befürworter mit Einfluss brauchen, die sich für ihn einsetzen und sich für seinen Erfolg interessieren. Schließlich können gut ausgeprägte externe Beziehungen den Wert des Marketeers und

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seine Durchsetzungskraft im Unternehmen stark erhöhen. Zur Kräftigung seiner Personal Power sollte sich der Marketeer systematisch ein persönliches Netzwerk aus Allianzpartnern in alle Richtungen aufbauen. Dazu gehört, dass er Y vertrauensvolle persönliche Peer Relations entwickelt, denn in einem Unternehmen hat man als Einzelkämpfer keine Chance, Y die eigenen Mitarbeiter nach Kräften fördert und sie als Vorhut für spätere eigene Erfolgsmaßnahmen auch „in die Fremde“ schickt, Y sich ein bis zwei einflussreiche und interessierte Mentoren im Unternehmen sucht und diese Beziehungen konsequent und mit Wertschätzung ausbaut, Y in externe professionelle Kontakte investiert, die dem Unternehmen oder ihm selbst zugute kommen können, und sich dabei als Botschafter seiner Organisation versteht. Gerade in einem Unternehmen sind die Möglichkeiten des Netzwerkens sehr vielfältig. Vom Gespräch an der Kaffeemaschine, in der Kantine oder der Sportgruppe über die Mitarbeiterzeitung bis hin zu diversen Firmenevents sollte der Marketeer die Gelegenheiten bewusst und planvoll nutzen. Personal Power baut auf die natürliche individuelle Sozialkompetenz und stärkt diese gleichzeitig. Gerade die persönliche Begegnung ist dabei wichtig: „The paradox of our wired world is that as we become connected electronically, we become less connected emotionally“, wie Carl Jung feststellt. Wir wissen aus der Hirnforschung, dass Emotionen nötig sind, um Handlungen auszulösen. Wann immer es ihnen möglich ist, sollten Marketeers daher den persönlichen Kontakt dem Telefonat vorziehen und das Telefonat einer E-Mail oder SMS. Als Marketeer sollte man die typischen Stärken des eigenen Faches nutzen und das Thema Personal Power nicht dem Zufall oder dem eigenen Opportunismus überlassen. Seien Sie als Marketeer – immer im authentischen Rahmen – stattdessen betont Y extrovertiert, Y verkaufsnah, Y zielgruppenorientiert, Y kreativ, Y empathisch, Y ergebnisorientiert Y und auf Self-Branding bedacht!

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Abbildung 24: Die Möglichkeiten zum „Netzwerken“ in der Firma sind vielfältig

Kaffeemaschine

Betriebsrat

Kantine

Sportgruppe

„Eigengründung“

CharityMaßnahmen

Firmenfeste/Events

Walk-About

Mitarbeiterzeitung

Das Bild des Marketings ist, wie schon erwähnt, mit Klischees und Vorurteilen behaftet. Ein effektives Aufbauen der eigenen Personal Power entlang der vier erläuterten Säulen bedeutet, mit den landläufigen Vorurteilen über Marketeers aufzuräumen und eine neue Anerkennung und Wertschätzung für dieses faszinierende und ökonomisch hochrelevante Fach zu generieren. Um von anderen Funktionsträgern im Extremfall nicht als reiner Kostenfaktor, Schreibtischtäter, Schwafler oder substanzloser Dünnbrettbohrer wahrgenommen zu werden, sollte der Marketeer die wahren Potenziale des Marketings über seine Person zum Ausdruck bringen: Marketeers liefern die Erfolgsgrundlage für den Vertrieb und die harten Zahlen für die Strategiediskussionen; sie motivieren die Mitarbeiter zur Herstellung und die Kunden zum Kauf der Produkte und Leistungen des Unternehmens. Erkenntnisse für Sie: Y Y

Y Y

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Jeder muss sich seine eigene Erfolgsdefinition schaffen. Erfolg entsteht nicht durch Aktion, sondern durch Interaktion. Eine Firma ist ein soziales Gebilde; wer in ihr agieren will, muss über die Fähigkeit verfügen, das Wahrnehmen, Denken und Handeln von Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten zu beeinflussen. Position Power bezeichnet die Macht und Autorität, die an eine Stelle gebunden ist; sie wird häufig in einer Stellenbeschreibung zusammengefasst. Personal Power ist ein Attribut einer Person, gleich welche Stelle sie bekleidet. Personal Power fängt da an, wo Position Power aufhört. | Persönliche Erfolgsfaktoren werden nicht erfüllt

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Sichtbarkeit, Relevanz, Autonomie und Beziehungen stellen die vier Säulen von Personal Power und die persönliche Grundlage für den Erfolg des Marketing Managers dar.

i Stimmen von Personalexperten: Andreas Zehnder, Berater bei Egon Zehnder International in Zürich Welche Qualifikation, welchen Hintergrund erwarten Sie für Marketingführungspositionen? Folgende Qualifikationen erwarten wir von einer Führungspersönlichkeit im Marketing: ein Team bereits erfolgreich geführt, als Leader begeistert und überzeugt zu haben; denn Marketing ist eine Überzeugungsfunktion. Ein CMO muss, was die Top- und am besten auch die Bottom-Line anbelangt, erfolgreich gewesen sein. Er sollte mindestens zwei Unternehmenskulturen kennen gelernt haben und über eine gute, solide Grundausbildung verfügen, zum Beispiel einen Abschluss an einer Internationalen Business School. Internationalität ist für internationale Konzerne wichtig, und ein Hintergrund, der die Nähe zum Kunden mit sich brachte, ist von Vorteil, beispielsweise ein paar Jahre im Verkauf oder Erfahrung als Key Account Manager. Wenn der Kandidat Erfahrung mit Innovationsmanagement und in funktionsübergreifenden Teams hat, ist dies zusätzlich von Vorteil.

Suboptimale Positionierung im Unternehmen Wir haben gesehen, dass man im Marketing meist abteilungsübergreifend arbeitet. Dennoch denken und arbeiten viele Marketeers eher isoliert. „Glück und Erfolg werden nur dem gegeben, der großmütig einwilligt, beide zu teilen“, sagte Albert Camus. Dies hat David Aaker von Prophet zum Anlass genommen, die Brückenbautätigkeiten zwischen Abteilungen als „Spanning Silos“ zu charakterisieren. Die Aufgaben der Marketingfunktion überschneiden sich in zahlreichen Schnittstellen mit anderen Funktionen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Wie der Marketeer an diesen Schnittstellen agiert, prägt ebenfalls sein Image und kann im Zeitalter der 360-Grad-Feedbacks die Wahrscheinlichkeit des persönlichen Erfolgs erhöhen oder aber schmerzlich dämpfen.

Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Abbildung 25: Die Positionierung des Marketeers im Pentagon der Kräfte Vorstand/ Geschäftsführung

Marketingfunktion

Externe

Wertschöpfungskette

Matrixorganisation

Neben dem eigenen Team bzw. der Marketingfunktion, in der es sich aktiv zu positionieren gilt, ist der Vorstand oder die Geschäftsführung die nächstwichtige Kraft, zu der Brücken zu bauen sind. Darauf folgt in der Prioritätenliste die gesamte Wertschöpfungskette, von Forschung und Entwicklung über die Supply Chain und Operations bis hin zum Vertrieb. Auch die so genannten unterstützenden Prozesse wie Personal, Recht und Informationstechnologie gilt es zu berücksichtigen. Weitere Schnittstellenpartner stellen – zumindest in einem großen, internationalen Konzern – die Einheiten der Matrixorganisation dar. Dies sind die Geschäftsbereiche auf der einen und die Regional- und Länderorganisationen auf der anderen Seite. Allein diese Partnerschaft ist bereits sehr komplex. Dazu kommen noch Schnittstellen mit externen Dienstleistern. Das gilt nicht nur für Vorreiter-Unternehmen, in denen praktisch das gesamte Marketing outgesourct ist, sondern für alle Unternehmen, in denen beispielsweise Kreativ- oder Marktforschungsleistungen von externen Dienstleistern erbracht werden und man sich der Inspiration und Kompetenz spezialisierter Unternehmen bedient. Im Folgenden möchten wir die fünf Kräfte im unternehmerischen „Pentagon“ en détail betrachten und untersuchen, was sie motiviert und wie man dort jeweils am besten Brücken bauen kann. Nicht alle Schnittstellen werden vorgestellt, aber die für den Marketeer wichtigsten. Deren Anforderungen können für sämtliche Schnittstellen als Schlüssel gelten.

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| Suboptimale Positionierung im Unternehmen

Schnittstelle 1: Das Marketingteam Der Marketeer kann in seinem Marketingteam eine seiner Kernkompetenzen auf sich selbst anwenden: den Markenaufbau einschließlich der Positionierung. Er kann sein Team und sich selbst als Marke, das heißt als relevant, leistungsstark und einzigartig positionieren. Dafür sind folgende Analysen sinnvoll: Y Wo steht das Marketing/der Marketeer heute? Hierzu bietet sich eine interne Befragung darüber an, wie das eigene Image aussieht, welche Erwartungen an das Marketing und das Team gestellt werden und was somit die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren für Team und Funktion sind. Y Wohin strebt das Marketing/der Marketeer? Welche Ziele steuern beide an (z. B. eine wichtige Funktion mit ausreichend Handlungsbefugnis)? Y Was muss das Marketing/der Marketeer tun, um zu diesem Ziel zu gelangen? Marketing kann daraufhin als Botschaft verbreiten, dass und inwieweit es kurzund langfristig gewinnrelevant ist. Dieses „Versprechen“ ist dann nachweisbar einzulösen. In Abbildung 26 nehmen wir die Aussagen des ersten Kapitels darüber, warum sich Marketeers schwertun, wieder auf und geben dazu konkrete Handlungsempfehlungen.

Abbildung 26: Eigene Markenführung des Marketings stärkt die gesamte Funktion und den Marketeer selbst 1.

Marketing ist innen gerichtet, wenig reflektiert

Æ alterozentriert werden

2.

Marketing spricht eine eigene Sprache

Æ Definitionen klären, Begriffe in Geschäftssprache übersetzen

3.

Marketing wird missverstanden und hat oft ein zu enges Selbstverständnis

Æ Marketing breit definieren, nicht auf ein P reduzieren lassen; überhaupt eine Definition anbieten

4.

Viele Nicht-Marketeers sehen die Verbindung zwischen Marketing und Gewinn nicht

Æ Ergebnisse mit Metriken quantifizieren und mit Unternehmenszielen verbinden. Outputs statt Inputs

5.

6.

In vielen Organisationen gibt es keine systematisierten, Æ Prozesse systematisieren sich wiederholenden Prozesse Marketing setzt mit der Markenführung Funktionen, Ländern und Geschäftsbereichen Grenzen, trägt aber nichts zu F&E und Vertrieb bei – das birgt Potenzial, sich schnell in der ganzen Firma unbeliebt zu machen

Æ als Brückenbauer positionieren

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Marketing braucht klare Inhalte und eine verständliche Sprache. „You cannot risk being perceived as a fluffy creative marketer“, wie es laut Simon Fenton einmal ein CEO in einer Studie von Spencer Stuart ausdrückte. Konkret bedeutet dies, eine Output- statt einer Inputkommunikation zu betreiben. Im strategischen Sinne erfindet Forschung & Entwicklung neue Produkte, der Vertrieb verkauft und generiert Umsätze – und das Marketing? Marketing identifiziert Quellen heutigen und zukünftigen Cashflows. Diese Aussage trifft den Punkt. Im Operativen könnte zum Beispiel das häufig postulierte „Wir erstellen Broschüren“ einem „Wir generieren Leads“ weichen. Die wichtigsten häufig benutzten Marketingfachbegriffe sollten definieren werden: Was bedeutet Marketing im Unternehmen? Ebenso sollte man Begrifflichkeiten übersetzen: Was bedeutet zum Beispiel Brand Equity? Eine Priorisierung, welche Aktivitäten die wichtigsten sind und am schnellsten zum Ziel führen, überzeugt strukturierte Menschen in der Organisation am leichtesten. Quantifizieren und Operationalisieren schließlich bringen die Dinge auf den Punkt: Was genau bedeutet etwa Zuverlässigkeit und wie wichtig ist sie wirklich? Quantifizierung und Priorisierung spielen für den Erfolg eine entscheidende Rolle. „In God we trust. All others bring data“, sagte einmal Barry Beracha, der ehemalige CEO von Sara Lee. Am besten stellt man sich vor, man sei ein datengetriebener und faktenbasierter Investitionsmanager. Wenn die Prinzipien eines Investitionsmanagers angewandt werden, lassen sich daraus unmittelbar Aktivitäten ableiten. Man nenne quantifizierte Investitionsziele (z. B. Marktanteil um 15 Prozent steigern), manage das Risiko bei Werbeaktivitäten (z. B. mit einer 80:20-Regel für das Verhältnis klassisch-bewährter zu experimentellen Ausgaben), messe die Ergebnisse der Marketingaktivitäten „hart“ und berechne den Return on Marketing-Investment. Wichtig ist dabei, Marketingaktivitäten zu identifizieren, die gewinnbringend sind. Dies kann zum Beispiel durch Marketingmix-Modellierungen mithilfe anspruchsvoller ökonometrischer Modelle geschehen, die unterschiedliche finanzielle Effekte des Marketings offenbaren. Mithilfe dieser Modelle lassen sich auch Investitionen mit unterschiedlichen Größenordnungen und Zeithorizonten nach klaren Erfolgskriterien vergleichen. Wer sind die wichtigsten Player und was ist ihre Kernmotivation? Y Y

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Hauptplayer sind das gesamte Marketingteam und Sie selbst als Marketeer. Die Kernmotive des Marketingteams sind ein hohes Ansehen im Unternehmen, Macht, ein breites verantwortetes Marketingspektrum und ein entsprechendes Budget. Für Sie persönlich ist das Kernmotiv eine erfolgreiche Karriere.

| Suboptimale Positionierung im Unternehmen

Was sind die Schlüssel, das Marketingteam zu gewinnen? Y Y Y Y Y

Der Hauptschlüssel ist die eigene Positionierung als Marke im Unternehmen. Weitere Schlüssel sind analytische Kompetenz, die Quantifizierung der Ergebnisse und die Nutzung von Metriken. Eine Art interner Kundensegmentierung mit zielgruppenspezifischer Sprache. Systematisierte, als regelmäßig etablierte Prozesse, insbesondere strategische Aktivitäten. Echte Teamfähigkeit an den Tag zu legen, andere mit einzubeziehen und in spezifischen Projekten zu fördern. Welche Dos and Don’ts gelten für das Marketingteam?

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Dos: Zeigen, wie Marketing hilft, die Unternehmensziele zu erreichen, am besten mittels klarer Kausalzusammenhänge. Brücken zu den wichtigsten Funktionen, Geschäftsbereichen und Ländern bauen. Das eigene Markenversprechen jederzeit vorleben – und operationalisieren. Don’ts: Das eigene Markenversprechen brechen. Mit unverständlichen Marketingbegriffen beeindrucken wollen („wir haben den Kauftrichter optimiert“ anstelle von: „wir haben mehr ernsthaft am Kauf interessierte Kunden“); Innovationen um der Innovation willen, ohne Nutzen für den Kunden. Konkrete Themen- und Projektvorschläge

Y Y Y Y

Zunächst ein internes Marketingaudit durchführen. Eine eigene Markenidentität mit Markenwerten für die Marketingabteilung im Team erarbeiten und leben. Marketing-Outputs statt Marketingaktivitäten definieren (z. B. statt „wir bereiten Messen vor“ besser “wir generieren Kaufinteressenten“). Die eigene Sprache überarbeiten (z. B. von Marketinginvestitionen sprechen, nicht von Kosten).

Immer wieder stehen bei der Auswahl der Aktivitäten trotz quantitativer Kriterien schwierige, konfliktreiche Entscheidungen an. Das kann beispielsweise bei der Überarbeitung des Produktportfolios der Fall sein – Sie werden auf Widerstand stoßen. Entscheidungen, die kurzfristig für Unmut sorgen, aber langfristig notwendig erscheinen, sollten Sie möglichst ganz zu Anfang einer neuen Aufgabe treffen. Die gezeigte Konsequenz wird sich langfristig auszahlen – nicht nur, weil sie sich nach einiger Zeit als fruchtbar für die betreffenden Bereiche und das Unternehmen erweisen dürfte, sondern auch, weil Sie gegenüber Ihrem Team und dem Vorgesetzten bei einer künftigen Aufgabe auf den so erzielten Erfolg verweisen können. Achten Sie auf die frühzeitige Identifizierung und Einbeziehung aller Stakeholder.

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Schnittstelle 2: Der Vorstand Den Vorstand hinter das Marketing und spezielle Projekte zu bringen, ist für alle strategischen und großvolumigen Projekte essenziell. Für andere kann es ebenso hilfreich sein, sichert es doch die Aufmerksamkeit der gesamten Organisation und die nötige finanzielle und zeitliche Unterstützung. Innerhalb des Vorstands ist natürlich der CMO, sofern vorhanden, der direkte Ansprechpartner. Wer sind die wichtigsten Player im Vorstand außerhalb des CMOs, was ist ihre Kernmotivation und welches Interesse haben sie am Marketing? Y

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Der CEO respektive Geschäftsführer ist die Schnittstelle Nr. 1. Seine Kernmotivation ist meist profitables Wachstum; er ist mithin vor allem an Umsatzwachstum, Kostensenkung, Gewinn, Firmenwert und Unternehmensimage interessiert. Der CFO respektive Finanzchef ist besonders wichtig, weil er Budgets gestaltet und verwaltet und Kürzungen oder Erhöhungen gerechtfertigt sehen will. Ihn motivieren Messbarkeit und „harte“ Entscheidungen, weswegen er beim Marketing besonders kritisch ist. Der Vertriebschef ist als weiteres „Ohr am Markt“ sowohl natürlicher Verbündeter als auch, im Konfliktfall, größter Widersacher des Marketeers. Ein ausgewogenes Verhältnis von langfristiger Marketingorientierung und kurzfristigen Kundenwünschen herzustellen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Was sind die Schlüssel, den CEO und den CFO zu gewinnen?

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Für den CEO: Mit harten Zahlen analytisch Effekte des Marketings quantifizieren. Sinnvolle Metriken schaffen. Den Markenwert und die Unternehmensreputation steigern. Für den CFO ist das Aufzeigen einer ursächlichen Wirkung der Marketingprojekte hinsichtlich Gewinn, stetigem Umsatzwachstum, steigendem Börsen- und Markenwert hilfreich. Für die Investoren braucht er eine mit fundierten, realistischen und glaubwürdigen Annahmen begründete Wachstumsgeschichte. Welche Dos and Don’ts gelten gegenüber dem CEO?

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Dos: Seine Sprache der Finanzen/Börse sprechen. Ihn nach seinen Zielen und Prioritäten fragen. Zeigen, was an positiven Effekten auch ohne großen Kosteneinsatz möglich ist (z. B. entlang der Berührungspunkte der Marke in der Markenführung). Manchmal hilft es auch zu zeigen, welche Gefahren bei subkritischen Investments lauern. Don’ts: Darauf hoffen, dass der CEO den Wert des Marketings selbst erkennt (an seinem Werdegang lässt sich ablesen, wie marketingaffin er ist). Wenig | Suboptimale Positionierung im Unternehmen

hilfreich ist es, sich missverstanden zu fühlen und frustriert eine enge Definition von Marketing (z. B. nur Kommunikation) hinzunehmen. Welche Dos and Don’ts gelten gegenüber dem CFO? Y

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Dos: Analytisch aufzeigen, wie Marketing Wachstum und Gewinn generiert. Bei jedem Projektvorschlag oder Produktlaunch eine Investitionsrechnung aufstellen oder schätzen, was diese unterm Strich bringen. Der Aufbau und die Weiterentwicklung des Marketingcontrollings können ein schönes gemeinsames Projekt sein. In diesem Zusammenhang kann beim CFO das Verständnis reifen, warum manche Marketingausgaben wichtiger sind als andere, und warum in Krisenzeiten nicht das Marketing als erstes und nach dem Gießkannenprinzip seine Budgets reduzieren sollte. Don’ts: Kommunikation ohne Zahlen und Fakten, sondern auf der Grundlage von Bauchgefühl, Geschmack oder politischen Meinungen. Ein Friedhof aus zu vielen Metriken, die keinen Zusammenhang zu seinen Zielen aufweisen und in Marketing-Sprache verfasst sind, kommt ebenfalls nicht gut an. Konkrete Themen- und Projektvorschläge

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Für den CEO: Marken- und Positionierungsprojekte. Zeigen, wie Markenführung den Firmenwert steigert und dass starke Marken Preis- und Volumenprämien ermöglichen. Außerdem kann ein CEO als „Brand Shaper“ eingesetzt werden. Für den CFO: Besonderes Interesse wird er an Preisprojekten haben, weil diese am schnellsten auf die Ergebnissituation des Unternehmens durchschlagen. Konkrete Prognosen, welchen Umsatz Neuprodukte und Verkaufsförderungsmaßnahmen in welchem Zeitrahmen bringen werden. Ihm Argumente liefern, warum in welchen Ländern in welche Geschäftsbereiche investiert werden sollte, und ihn so bei der Priorisierung unterstützen.

i Stimmen erfolgreicher Marketeers: Thomas Haensch, CMO Chief Marketing Officer, Grohe AG Vor welchen Herausforderungen stehen Marketeers heute und was folgt daraus für das Anforderungsprofil des Marketeers? Der Spagat zwischen strategischen Zielen und langfristigen Komponenten einerseits und kurzfristigen wirtschaftlichen Notwendigkeiten andererseits wird immer schwieriger. Im Marketing wird es immer wichtiger, sich breiter aufzustellen und sich nicht nur auf die Marketingfunktion zu beschränken. Das heißt, es dreht sich um Resultate (Return on Invest), Finanzzahlen und Controlling. Nicht bunte Bilder sind das Ziel, sondern es geht darum, durch zielgerichtete Marketingprogramme den höchsten ROI zu erreichen.

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Schnittstelle 3: Die Glieder der Wertschöpfungskette Innerhalb der Wertschöpfungskette kommt es immer wieder zu Zielkonflikten. Zum Beispiel will der Einkauf günstige Ware aus Fernost beziehen, die Marketingund Qualitätsabteilungen streben jedoch Premium-Qualität und das Image eines Premium-Anspruchs an. Abteilungsegoismen kosten viel Energie und lenken von den eigentlichen Zielen des Marketings ab. Marketing kann aber zum wertvollen Klebstoff zwischen den Abteilungen werden. Denn für eine glaubwürdige und erfolgreiche Markenführung sollte ein nahtloses, konsistentes Markenerlebnis geschaffen werden und dies funktioniert nur, wenn die gesamte Organisation die Markenziele umsetzt. So wenig das Theaterpublikum von Animositäten hinter der Bühne wissen will, so wenig interessieren sich die Kunden für Ihre Abteilungskonflikte! Mit wem arbeitet Marketing am intensivsten zusammen? Egal, welche Studie man zitiert, der Vertrieb ist immer die wichtigste Schnittstelle, und dies gilt sowohl für Industrie- als auch für Konsumgüterunternehmen. Weit abgeschlagen wird danach die Forschungs- und Entwicklungsabteilung genannt. Am Ende der Skala rangiert meist die Personalabteilung. Vor allem die beiden letzten Positionen überraschen, ist doch Innovationsfähigkeit, wie wir in den Interviews mit erfolgreichen Marketeers im vierten Kapitel sehen werden, eine Kernfähigkeit des Marketeers und ein kompetentes, emotional intelligentes Marketingteam der Schlüssel zum Erfolg der Funktion. Die einzelnen Bereiche betrachten sich selbst, das Unternehmen und sein Umfeld aus unterschiedlichen Blickrichtungen. Während Marketing und Vertrieb von außen – vom Markt und vom Kunden aus – nach innen schauen, blicken Forschung & Entwicklung sowie Personal oft von innen nach außen. Die beste Partnerschaft mit diesen Funktionen ist eine Win-win-Beziehung, die beiden Seiten Vorteile bringt. Nicht „wir gegen die“, wie es gerade in Großkonzernen häufig anzutreffen ist, sondern „wir mit ihnen gemeinsam“ oder sogar „wir für sie“ sollte die Haltung sein. Wer sind die wichtigsten Player, was ist ihre Kernmotivation und welches Interesse haben sie am Marketing? Y

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Forschung & Entwicklung: Kernmotivation ist profitable Innovation, also langfristig hoher Gewinn durch Neuentwicklungen. Von daher besteht großes Interesse an Launch- und Vermarktungskonzepten. Vertrieb: Die wichtigste Motivation liegt hier im eigenen Verdienst, mithin in kurzfristigem Umsatz. Alle Maßnahmen, die helfen, im Kauftrichter effizient eine Stufe nach der anderen zu erklimmen, bis hin zum Kauf und Wiederkauf, sind für den Vertrieb interessant. Er schätzt deshalb Eroberungs- und Bin-

| Suboptimale Positionierung im Unternehmen

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dungsprogramme. Moderner Vertrieb wird nicht nur nach Umsatz gesteuert, sondern mindestens ebenso sehr nach Kriterien wie Kundenrentabilität etc.; insofern ist die Schnittstelle Trade Marketing so wichtig und gewinnt weiter an Bedeutung. Personal: Diese Funktion ist dadurch motiviert, kosteneffizient gute Mitarbeiter zu finden. Deshalb kommt es für sie besonders auf die Attraktivität der Arbeitgebermarke an. Was sind die Schlüssel, um die Funktionen der Wertschöpfungskette zu gewinnen?

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Der Hauptschlüssel heißt Brücken bauen. Dazu gilt es vor allem herauszufinden, was den einzelnen Funktionen schlaflose Nächte bereitet. F&E: Es bringt dem Unternehmen viel, Kundenorientierung in das Forschungsdenken zu integrieren, Pionier- und Marktchancen aus Kundensicht beizusteuern, die profitable Innovationen ermöglichen. Hilfe beim Priorisieren der Ressourcen schafft ebenfalls Wert und bringt Respekt und Anerkennung. Wenn die Konsumenten-Marktforschung beispielsweise bei der Entwicklung eines neuen Motors zeigen kann, dass der Spritverbrauch wichtiger ist als das Drehmoment oder die Zylinderzahl, können die einzelnen Entwicklungsprojekte besser priorisiert werden. Vertrieb: Den Vertrieb als wichtigsten Berührungspunkt neben dem Produkt herausstellen, denn gerade das Verkaufspersonal verkörpert die Marke in puncto Optik und Verhalten. Aktivitäten, die den Kauftrichter effizient durchlaufen lassen und Cold Calls „erwärmen“, können Türen öffnen. Personal: Kein „Closed-Shop“-Denken an den Tag legen, sondern in allen Personal- und Organisationsfragen „Cross-Border“-Denken demonstrieren. Den Nutzen von Employer Branding vertreten, zusammen eine Arbeitgebermarke ausarbeiten (ein schönes gemeinsames Projekt!) und so die Querverbindung zu Themen wie Unternehmenswerte/Markenwerte zeigen. Welche Dos und Don’ts gelten gegenüber Forschung & Entwicklung?

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Dos: (Wissenschaftlich) fundiert arbeiten, Zahlen sprechen lassen. Hilfreich ist, das aktuelle F&E-Portfolio mit den neuesten Forschungsprojekten und Innovationen zu kennen. Marktpotenzialschätzungen durchführen, Chancen quantifizieren, schwammige Begriffe operationalisieren (z. B. Qualität, Zuverlässigkeit, Innovation). Gut zuhören, wenn – vermeintliche – Besonderheiten herausgestellt werden, einige davon auch akzeptieren! Don’ts: Ingenieure als im Elfenbeinturm sitzende Träumer ansehen. Den Marketing-Pull als dem Forschungs-Push überlegen ansehen. Nur das „Big Picture“ sehen, Details ignorieren.

Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Welche Dos und Don’ts gelten gegenüber dem Vertrieb? Y

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Dos: Hilfreich ist, das Bezahlungs- und Incentivierungssystem der Kollegen zu kennen, um die Motivatoren im Detail zu durchschauen. Wird der (hohe) Stellenwert des Vertriebs in der Marktforschung quantifiziert, schafft das Freunde. Etwas heikler kann der Nachweis konkreter Leistungen im Rahmen einer solchen Studie sein. Werden kritische Ergebnisse gegebenenfalls jedoch diplomatisch kommuniziert und gleichzeitig operative Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt, sollte es keine Probleme geben. Grundsätzlich ist es hilfreich, Erfolgsfaktoren für die Kundeneroberung und Kundenbindung zu benennen, diese zu priorisieren und klare, operative Empfehlungen auszusprechen. Eine nutzenorientierte Positionierung, die das Verkaufsgespräch fokussiert und erleichtert, ist jederzeit willkommen. Das Gleiche gilt für klare Produktvorteile und die dazu gehörende Kommunikation. Sollte eine außendiensteigene Ausstattungslinie kreiert werden, kann das den Stolz der Kollegen erhöhen. Don’ts: Vertriebskanäle ohne Begründung ausschließen (z. B. weil sie als nicht markenkonform gelten) oder Uniformen oktroyieren. Außendienstmitarbeiter und Key Account Manager nicht ernst nehmen, wenn sie notorisch behaupten, die Preise seien zu hoch. Nur langfristig wirkende Maßnahmen vorschlagen – gerade in Krisenzeiten sollten auch ausreichend kurzfristig wirkende Maßnahmen ergriffen werden. Produktmanager müssen beispielsweise die Kundenführungssysteme im Handel kennen: Was ist für den Handelspartner wichtig? Wie wird die Supply Chain gesteuert? Welche Vorlaufzeiten sind zu beachten? Welche Dos and Don’ts gelten gegenüber der Personalabteilung?

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Dos: Die Marketingabteilung als Inkubator für junge Talente (Kaderschmiede) und Rotationsstufe für reifere Querwechsler anbieten. Systematisch Personalaustausch mit wichtigen Funktionen wie dem Vertrieb betreiben. Ein Arbeitgebermarken-Projekt als gemeinsames Vorhaben initiieren. Bei firmenweiten Personalprojekten mit handfester Kommunikations- und Präsentationsunterstützung mitarbeiten. Don’ts: Personal als rein administrative Unterstützungsfunktion ansehen. Personaltransfers in das oder aus dem Marketing generell ablehnen. Mit Personal über die interne Kommunikation der Markenidentität des Unternehmens streiten und als Corporate-Design-Polizist bei Personalanzeigen auftreten. Konkrete Themen- und Projektvorschläge

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Forschung & Entwicklung: Neue technische Konzepte bzw. Produktinnovationen frühzeitig mit Potenzialkunden testen und objektiven Input geben. In interdisziplinären Entwicklungsprojekten mitarbeiten. Überzeugende Nutzenkommunikation bei Neuprodukt-Launches.

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Vertrieb: Gemeinsame Kundenbesuche, Quick-Hits generieren. Dem Thema Preis auf den Grund gehen, klären, ob die Preise wirklich zu hoch sind. Wertargumentationen gemeinsam aufbauen und damit das Verkaufspersonal unterstützen. Aus der Marktforschung ableiten, von welchen Konkurrenten am einfachsten Kunden zu erobern sind. Personal: In einer Mitarbeiterbefragung ermitteln, wie bekannt die Markenwerte im Unternehmen sind und wie stark sie gelebt werden. Eventuell ein gemeinsames Produkt mit Personal (z. B. Marketing-Trainee-Programm) starten und durchführen.

Schnittstelle 4: Die Matrixorganisation In großen Konzernen wird meist eine Matrixorganisation eingesetzt. Länder sind Regionen zugeordnet und die Geschäftsbereiche sind als Profit-Center organisiert. Im Marketing werden Produkte und Dienstleistungen global vermarktet, und Dienstleistungen und Marken umfassen mehrere oder gar alle Geschäftsbereiche. Die Geschäftsbereiche erwarten einen möglichst maßgeschneiderten, professionellen und effektiven Support, und die Länder/Regionen möchten gehört und in ihrer Besonderheit verstanden werden. Wer sind die wichtigsten Player, was ist ihre Kernmotivation und welches Interesse haben sie am Marketing? Y

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Kernmotive der Geschäftsbereiche bzw. Business Units, die Marketingunterstützung suchen, sind die Anerkennung ihrer Bedeutung im Gesamtkonzern sowie Ergebnisse im Profit-Center. Ländern und Regionen geht es um die Erschließung neuer Budgets sowie um die Realisierung von regional passenden Produkten im Rahmen der Neuproduktentwicklung, das heißt um Co-Finanzierungen aus Zentralbudgets und Speziallösungen. Kernmotivation ist die Anerkennung ihrer Einzigartigkeit (was nicht immer möglich ist) und der Freiheit, landesspezifisch zu entscheiden und nichts von der Zentrale oktroyiert zu bekommen. Was sind die Schlüssel, diese Player zu gewinnen?

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Hauptschlüssel sind Geschäfts- und interkulturelles Verständnis. Geschäftsverständnis insbesondere in naturwissenschaftlich-technischen Branchen und interkulturelles Verständnis für deutsche Marketeers in einem nicht deutschen Unternehmen. Achtung: Schon zwischen Deutschland und Österreich oder der Schweiz gibt es mehr kulturelle Unterschiede – und Spannungen –, als man sich wegen des gemeinsamen Sprachraumes gemeinhin vorstellt. Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Geschäftsbereiche: Mit Produkten, Vorgaben, Wettbewerbssituation, Rentabilität der Geschäftsbereiche genau vertraut sein; relevanten Erfahrungs- und Wissenstransfer anbieten; sich die Ziele der Geschäftsbereiche zu eigen machen und überzeugend an deren Erreichung mitarbeiten; Zugang zu zentralen Mitteln und Budgets sicherstellen. Länder und Regionen: Ein maßgeschneiderter Marketingsupport steht auf der Wunschliste ganz oben. Hinzu kommt als wichtiger – emotionaler – Schlüssel, die Landessprache zu sprechen, und das möglichst fast wie ein Muttersprachler. Wo dies, wie bei vielen asiatischen Sprachen, nicht gelingt, sollte man zumindest Höflichkeitsfloskeln beherrschen und sich um einige Redewendungen bemühen. Besuche vor Ort zeugen von Interesse und Respekt, und Zuhören kommt besser an als Dozieren. Welche Dos and Don’ts gelten gegenüber den Geschäftsbereichen? Dos: Zeigen, wie die Geschäftsbereiche von einer starken Marke, Kampagne oder sonstigen Aktivitäten profitieren; gemeinsame Projekte und Erfolge ermöglichen; in der Zentrale positiv über die Leistungen und Erfolge der Geschäftsbereiche sprechen; effektives Best-Practice-Sharing, Kreuzbefruchtung von Ideen; über die Teilnahme an Pilotprojekten eine frühe Einbindung erreichen. Don’ts: Erklären, was die Geschäftsbereiche im Sinne der Markenführung alles nicht tun dürfen; Erfolge nicht teilen; Aktivitäten über Budgetkämpfe steuern. Welche Dos and Don’ts gelten gegenüber den Ländern und Regionen? Dos: Die aktuelle politische und wirtschaftliche Situation des jeweiligen Landes kennen, ebenso wie den aktuellen Geschäftsverlauf und die unternehmerischen Herausforderungen; jenseits von Klischees die Andersartigkeiten der jeweiligen Kultur oder des jeweiligen Marktes kennen; aktiv Projekte ankündigen, nach Länderinput fragen und diesen auch aufnehmen; gut zuhören und – vermeintliche – Besonderheiten, wenn sinnvoll, akzeptieren; internationale Studien für die Länder durchführen und dabei trotz Standardisierung einige landesspezifische Fragen zulassen. Don’ts: Headquarter-Arroganz und ethnozentrische Sicht; verlangen, dass in der Sprache der Zentrale diskutiert und präsentiert wird; in einer „Jetzt knallen wir denen einen vor’n Latz“-Mentalität Projekte ohne vorherige Kommunikation oktroyieren; schlechtes Englisch. Konkrete Themen- und Projektvorschläge Geschäftsbereiche: Kostenübernahme durch zentrale Budgets (bei großen, wachsenden, strategisch wichtigen Geschäftsbereichen wie auch bei Ländern sinnvoll); Zuständigkeiten für die einzelnen Geschäftsbereiche innerhalb des Marketingteams organisatorisch verankern; Kompetenzaustausch über Personalrotation; Best Practices konkretisieren und vermitteln.

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Länder und Regionen: Internationale Marktforschung, die länderspezifische Unterschiede aufzeigt, und Marketingmaßnahmen, die darauf eingehen. Bei globalen Werbekampagnen ist die Einbindung lokaler Agenturen sinnvoll und fördert die Akzeptanz einer Steuerung von der Zentrale aus. Semantische Differenzierung innerhalb eines Sprachraums (z. B. des angelsächsischen oder deutschsprachigen) zulassen; dies zeugt von kulturellem Verständnis und Weltoffenheit.

i Stimmen erfolgreicher Marketeers: Hans P. Vriens, Chief Innovation Officer, Barry Callebaut Für welche Aufgabenbereiche sind Sie selbst verantwortlich? Ich bin für die Bereiche R&D und Marketing verantwortlich und damit von vornherein an einer Schnittstelle tätig. Es geht hier um die Zukunft der Schokolade. Darum, die Technologie festzulegen, mit der wir unsere Pläne umsetzen können; und hinauszugehen zu den Kunden, um ihr Interesse zu wecken. Meine Philosophie ist simpel: Im Gegensatz zum Industriestandard warten wir nicht ab, sondern ergreifen die Initiative und entwickeln aktiv – viele Industrieunternehmen tun das erst, wenn sie gefragt werden. Aber wir wollen den anderen voraus sein, das zählt. Dafür müssen wir bei Barry Callebaut in hohem Maße vernetzt zusammenarbeiten: R&D, Produktion, Marketing, Vertrieb – auch wenn Marketing bei uns nicht per se die Leitfunktion ist. Vor welchen Herausforderungen stehen Marketeers heute und was folgt daraus für das Anforderungsprofil des Marketeers? Gute Marketeers nehmen das globale Konzept und nutzen die Kernthemen in ihrem lokalen Umfeld. Sie suchen nicht nach Unterschieden, sondern nach Ähnlichkeiten und Kernkonzepten. Red Bull war das beste Beispiel dafür, wie man es richtig machen sollte: Lokales Marketing wollte in jedem Land etwas ändern: Preise, Dosengrößen, Vertrieb, Verkaufskanäle – alles Blödsinn. Gute Marketeers arbeiten in Teams. Deshalb ist es nicht einfach, genau festzustellen, wer was beigetragen hat, und den individuellen Erfolg auszumachen. Das gilt auch für die Auswahl von Marketeers bei der Stellenbesetzung. Entscheidend ist die Anzahl der erfolgreich vermarkteten Produkte, an denen ein Marketeer nachhaltig beteiligt war: Das erkennen Sie sofort – und gewinnen eine interessante Einsicht: Gute Marketeers waren an vielen erfolgreichen Produkten beteiligt, zumindest am Rande. Sie haben auf die eine oder andere Weise dazu beigetragen und sich übergreifend engagiert. Die Besten im Marketing sind nicht diejenigen, die am besten kommunizieren, sondern die, die technologische Möglichkeiten mit Marketingfähigkeiten kombinieren können. Die über den Tellerrand schauen und tatsächlich mit anderen Funktionen zusammenarbeiten, wenn es um Fragen wie Positionierung, Preis, Verpackung oder Kommunikation geht. Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Schnittstelle 5: Externe Auch externe Schnittstellen sind wichtig, wobei der Grad der Wichtigkeit in gewissem Umfang von der Outsourcing-Philosophie des Unternehmens und vom Stellenwert des Marketings in der eigenen Organisation abhängt.

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Wer sind die wichtigsten Player – und Einflussgrößen –, was ist ihre Kernmotivation und welches Interesse haben sie am Marketing? Dienstleister; daneben auch Fachpublikationen (on- und offline) und Veranstaltungen (z. B. Konferenzen, Seminare) sowie fachfremde Inspirationen (z. B. Barack Obamas brillante Medienkampagne). Im Fall der Dienstleister geht es natürlich nicht primär darum, ihre Sprache zu sprechen, ihnen zu gefallen und sie erfolgreich zu machen, sondern vielmehr von ihnen zu lernen. Die Motivation der Dienstleister wiederum ist, sich durch neue Marketingansätze von der Konkurrenz abzuheben und tolle Kunden (Sie!) und ertragreiche Aufträge an Land zu ziehen. Was sind die Schlüssel, die Dienstleister zu gewinnen? Hier müssen Sie eher sich selbst gewinnen. Sie brauchen intellektuelle Neugier und Freude daran, Pionier zu sein und ständig zu lernen. Es ist bequem, anfragenden Dienstleistern sofort die rote Karte zu zeigen, weil man vermutet, sie wollten einem „nur etwas verkaufen“. Zielführend ist es dagegen, die Spreu vom Weizen zu trennen und zu sondieren, wann Ihnen eine neue Dienstleistung Nutzen stiften kann. Ihre Schlüssel dafür sind Offenheit für Neues und (Fach-)Fremdes, für das befruchtende Denken in Parallelen, Metaphern und Analogien (sei es z. B. aus der Physik, dem Bergsport oder der Welt der Finanzen). Es ist sinnvoll, einen gewissen Teil – zum Beispiel 20 Prozent – der Zeit oder des Budgets für strukturierte Experimente zu nutzen. Welche Dos and Don’ts gelten gegenüber Externen? Dos: Sich über Fachpublikationen und Veranstaltungen offline und online weiterbilden; regelmäßig neue Ansätze in verwandten Branchen verfolgen; aus Analogien lernen; Vorreiterländer identifizieren (z. B. Korea für mobiles Marketing), fremde Länder studieren, Inspirationstrips unternehmen und idealerweise Fachfremde ins Team rekrutieren. Don’ts: Nur auf bewährte Mittel setzen und in Ihrer Kohorte oder Dekade stehen bleiben; jeden Dienstleister blocken, weil er „nur verkaufen“ will. Besser: herausfinden, wieso der Dienstleister Sie kennenlernen will. Wenn er tatsächlich nur „das Leistungsspektrum vorstellen und die Unternehmensbroschüre zuschicken“ will, können Sie getrost auf ihn verzichten.

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| Suboptimale Positionierung im Unternehmen

Konkrete Themen- und Projektvorschläge Y Y Y Y

Fragen Sie Dienstleister vorab, welchen Vorteil Ihnen ihr Produkt im Wettbewerb bringt. Testen Sie neue Ideen mit einem Panel Ihrer Fans. Fragen Sie sich, welche Idee Sie als Konsument zuletzt begeistert hat und wie sich diese Idee auf Ihre Branche übertragen lässt. Betreiben Sie systematisierte Langfrist-Trendforschung Betrachten Sie Social Media als Markenaudit: Suchen Sie auf YouTube nach Ihrem Produkt, googeln Sie die eigene Marke.

Inwieweit diese theoretischen Überlegungen gemessen an der Praxis Bestand haben oder aber verworfen werden müssen, werden wir im folgenden Kapitel überprüfen. Anhand von anonymisiertem Datenmaterial, das Egon Zehnder International im Rahmen seiner Management-Bewertungen erhoben hat, haben wir für sie untersucht, was Marketing und Marketeers tatsächlich erfolgreich macht, und dies im Vergleich zu weniger erfolgreichen Kollegen wie auch zu anderen Funktionen.

Kapitel 2 – Warum Marketeers auf dem Weg nach oben scheitern |

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Kapitel 3 Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers In diesem Kapitel wenden wir uns aktuellen Untersuchungsergebnissen zu, anhand derer wir die aufgestellten Hypothesen überprüfen und weitere Erkenntnisse gewinnen wollen. Wir greifen dabei auf anonymisierte und umfangreiche Daten zurück, die Egon Zehnder International im Rahmen weltweit durchgeführter Managementbewertungen erhoben hat. Sie finden hier Antworten auf folgende Fragen: Y Was unterscheidet einen hervorragenden von einem weniger guten Marketeer auf mittleren Hierarchieebenen, was einen hervorragenden CMO (Chief Marketing Officer) von einem weniger guten? Y Was unterscheidet Marketeers unterschiedlicher hierarchischer Ebenen von ihren Kollegen anderer Funktionen? Welche Kompetenzen sind bei Marketeers stärker ausgeprägt, welche schwächer? Y Welche Kompetenzen muss ein Marketeer auf dem Weg vom mittleren Management zum CMO entwickeln? Y Was zeichnet den Marketeer soziodemografisch aus? Welche Bedeutung haben zum Beispiel Alter und Geschlecht? Doch zunächst einige Worte zum Hintergrund und zur Methodik. Exzellente Manager liefern im Vergleich zu durchschnittlichen Führungskräften deutlich bessere Ergebnisse ab. Diesen Zusammenhang belegen zahlreiche empirische Studien, darunter auch eine von Egon Zehnder International im Mai 2006 durchgeführte Untersuchung: In einem Großkonzern wurde die Qualität der Führungsteams verschiedener Geschäftsbereiche mit den Renditen (EBIT-Marge) dieser Bereiche verglichen. Das Ergebnis: Teams mit einer relativ hohen Managementqualität erzielen signifikant höhere Renditen als weniger kompetente Teams. Schon geringe Kompetenzunterschiede führten zu hohen Abweichungen beim Ergebnis. Die Fähigkeit, herausragende (Marketing-)Führungskräfte zu finden und an sich zu binden, ist somit ein Schlüssel für den unternehmerischen Erfolg sowohl im B2B-, B2C- als auch im Dienstleistungsbereich. Heute verändern sich Märkte, Wettbewerbsverhältnisse und Wertschöpfungsstrukturen in immer kürzeren Zyklen. Unternehmen, die unter diesen Bedingungen nicht nur bestehen wollen, sonKapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

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Kapitel 3 –

dern im Wettbewerb einen Vorsprung anstreben, sind mehr denn je auf exzellente Manager angewiesen – auch und gerade im Marketingbereich. Auf dem Weg zur Exzellenz kommen sie nicht umhin, ihre Managementteams systematisch zu bewerten. Hierbei hilft ihnen das Instrument des Management Appraisals.

Die Methodik des Management Appraisals Ein Management Appraisal analysiert die Kompetenz und das Potenzial der Führungskräfte eines Unternehmens anhand von übergreifend gültigen Kernkompetenzen sowie klar benennbaren Potenzialparametern. Dies geschieht nicht isoliert, sondern als integraler Bestandteil eines umfassenden Talentmanagement-Prozesses (siehe in Abbildung 27 Schritt 4 im Rahmen des Talentmanagement-Prozesses von Egon Zehnder International, an dessen Vorgehen sich die folgende Darstellung orientiert). Typische Fragestellungen, die im Rahmen eines Management Appraisals aufgeworfen und beantwortet werden, lauten: Y Welche Stärken und Schwächen zeichnen das Management im Vergleich zu einem externen Benchmark aus? Y Sind die vorhandenen Kompetenzen vereinbar mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens? Y Welche Fähigkeiten müssen gezielt gestärkt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern? Y Wer kann für Positionen im Top-Management aufgebaut werden? Y Wo ist Verstärkung von außen erforderlich? Die Ergebnisse des Appraisals zeigen auf, wie jeder einzelne Manager gefördert und die gesamte Führungsorganisation optimiert werden kann.

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| Die Methodik des Management Appraisals

Abbildung 27: Durch einen ganzheitlichen Ansatz kann das Potenzial Ihrer Führungskräfte optimal genutzt werden

2

Rekrutierung

3

6 Einarbeitung

1

Entwicklung eines einfachen und transparenten Kompetenzmodells (was „gut“ bedeutet)

2

Kompetenzbasierter Executive Search

3

Proaktives Risikomanagement bei Neubesetzungen durch 360-Grad-Integration / Einarbeitung

4

Team Effectiveness Review ƒ Analyse der Interaktion im Team Management Appraisal ƒ Beurteilung von Führungskompetenzen ƒ Externes Benchmarking ƒ Potenzialeinschätzung

5

Führungskräfteentwicklung Entwicklung von kompetenzbasierten Entwicklungsplänen

6

Definition von Anforderungsprofilen Kompetenzbasierte Kapazitäts- und Nachfolgeplanung

Nachfolgeplanung

1 Entwicklungsplanung 5

KompetenzManagement 4 Beurteilung

Copyright: Egon Zehnder International

Kernstück eines Management Appraisals ist ein mehrstündiges, strukturiertes Interview mit jedem Manager. Die Gespräche werden von zwei Beratern gleichzeitig geführt, um möglichst objektive und treffsichere Beurteilungen zu gewährleisten. Die Interviewer hinterfragen Verhaltensweisen und Einstellungen der Führungskraft, um so ein ganzheitliches Bild der Arbeitsweise zu erhalten. Gespräche mit einer Auswahl von Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern der zu bewertenden Manager runden die Beurteilungen ab. Die Berater bewerten die Ergebnisse aus der neutralen Perspektive des externen Beobachters. Um Entwicklungschancen zu erkennen und festzustellen, wer für bestimmte Aufgaben und Positionen am besten geeignet ist, identifizieren sie übergreifende Kompetenzen. Für eine bestimmte Marketingfunktion können dies je nach Unternehmensgröße, Positionsverantwortung und spezifischer Herausforderung durchaus unterschiedliche Kompetenzen sein.

Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

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Wie Kompetenzen definiert und operationalisiert werden Was genau versteht man nun im Zusammenhang eines Management Appraisals unter Kompetenz und wie wird sie für die Bewertung operationalisiert? Kompetenz umfasst jede Eigenschaft einer Person, die den Unterschied zwischen einer durchschnittlichen und einer hervorragenden Leistung in einer bestimmten Funktion erkennen lässt. Dazu können zum Beispiel Motivation, Charaktereigenschaften, Selbstverständnis, Wissen, Fähigkeiten und sogar der IQ zählen. Kompetenzen lassen sich am besten anhand von Verhaltensindikatoren identifizieren. Aus diesem Grund stellen verhaltensorientierte Interviews das zentrale Element des Management Appraisals dar. Grundlage des Bewertungsmodells ist die Tatsache, dass das Verhalten von Managern in geschäftlichen Situationen und die daraus resultierenden Erfolge in der Vergangenheit einen Gradmesser dafür darstellen, wie die Führungskräfte mit ähnlichen Situationen in der Zukunft umgehen werden. Egon Zehnder International hat auf Basis seiner langjährigen Analysepraxis ein proprietäres Kompetenzmodell entwickelt, das mithin auch unseren Untersuchungen zugrunde liegt. Dabei korrespondieren die Kompetenzebenen mit bestimmten Verhaltensweisen, die bei Konfrontation mit Herausforderungen im Unternehmen sichtbar werden. Daneben gibt es noch weitere Kompetenzen, die fallweise eruiert werden; so zum Beispiel die interkulturelle Kompetenz bei international ausgerichteten Funktionen und für Firmen mit großer Diversity, oder Kompetenzen wie kommerzielle Orientierung für Unternehmen bzw. Abteilungen, in denen Profitdenken und vertriebliche Ausrichtung bedeutsam sind. Alle diese Kompetenzen korrespondieren auf unterschiedliche Weise mit den theoretischen Dimensionen aus Kapitel 2, namentlich mit den fachlichen und persönlichen Erfolgsfaktoren und der Positionierung im Pentagon, und lassen sich in diese drei Dimensionen überführen. Jede Kompetenz ist über sieben Stufen hinweg anhand verhaltensorientierter Indikatoren definiert, die inhaltlich aufeinander aufbauen. Die Feinskalierung schränkt den Spielraum für Interpretationen seitens der Interviewer weitgehend ein und gewährleistet somit, dass Urteile objektiv und fair gefällt werden und miteinander vergleichbar sind. Zudem tragen unterschiedlich definierte Schwierigkeitsgrade der Tatsache Rechnung, dass an einen Top-Manager in der obersten Führungsebene eines Unternehmens andere Anforderungen gestellt werden als an Führungskräfte auf der unteren und mittleren Ebene. Erst im Verhältnis zu festgelegten Soll-Werten werden die Bewertungen einer Führungskraft aussagekräftig.

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| Die Methodik des Management Appraisals

Abbildung 28: Acht Kompetenzen decken über 90 Prozent des üblichen, angestrebten Verhaltens einer Führungskraft ab Personen, die diese Kompetenz zeigen … Ergebnisorientierung

… streben die nachhaltige Verbesserung unternehmerischer Ergebnisse an

Mitarbeiterführung

… sind fähig, schlagkräftige und erfolgreiche Teams aufzubauen und zu steuern

Teamorientierte Zusammenarbeit

… kooperieren erfolgreich mit Kollegen, Partnern und sonstigen Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen, um die Geschäftsergebnisse positiv zu beeinflussen

Strategische Orientierung

… denken über die Grenzen des eigenen Verantwortungsbereichs hinaus … besitzen die Fähigkeit, in komplexen Zusammenhängen zu denken und sowohl analytische als auch konzeptionelle Fähigkeiten zu vereinen

Organisationsentwicklung

… setzen sich gezielt für die Entwicklung der Fähigkeiten anderer ein … sind dadurch motiviert, andere in ihrer persönlichen Entwicklung oder Karriere zu fördern

Veränderungsmanagement

… akzeptieren und gestalten Veränderungsprozesse auf Mitarbeiterebene und gehen bei der Ausrichtung des Unternehmens neue und ungewöhnliche Wege

Kundenorientierung

… stellen die Bedürfnisse interner wie auch externer Kunden in den Fokus ihres Denkens und Handelns

Marktexpertise

… besitzen ein gutes Verständnis des unternehmensrelevanten Marktumfelds … kennen die Wettbewerber, Zulieferer und Kunden sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen

Abbildung 29: Die theoretischen Erfolgsdimensionen finden sich in der Empirie in den Kompetenzen wieder Empirische Kompetenzen

Theoretische Erfolgsdimensionen

Ergebnisorientierung

Fachlich

Mitarbeiterführung

Persönlich, Positionierung im Pentagon

Teamorientierte Zusammenarbeit

Positionierung im Pentagon

Strategische Orientierung

Fachlich

Veränderungsmanagement

Fachlich, persönlich, Pos. im Pentagon

Organisationsentwicklung

Persönlich

Kundenorientierung

Fachlich

Marktexpertise

Fachlich

Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

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Abbildung 30: Acht Kompetenzen werden auf einer siebenstufigen Skala bewertet Kernkompetenzen

Bewertung auf einer 7er Skala

Ergebnisorientierung Untere Ebene

Ob. Ebene

Mittlere Ebene

Mitarbeiterführung

7 6 5

Teamorientierte Zusammenarbeit

4 3 2

Strategische Orientierung Organisationsentwicklung Veränderungsmanagement Kundenorientierung Marktexpertise

ƒ ƒ ƒ ƒ

1

Verstehen Versuchen Mitmachen Anleiten lassen ƒ Fehler vermeiden ƒ Reagieren

ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Anwenden Erreichen Kooperieren Eigenständig agieren Verantwortung übernehmen ƒ Involviert sein

ƒ ƒ ƒ ƒ

Entwickeln Übertreffen Begeistern Andere bewegen ƒ Risiko eingehen ƒ Proaktiv handeln

Veranschaulichen wir dies am Beispiel Veränderungsmanagement: Personen, die über diese Kompetenz verfügen, akzeptieren und gestalten Veränderungsprozesse und sind in der Lage, bei der Ausrichtung des Unternehmens neue Wege zu gehen. Auf der unteren Ebene ist eine solche Person offen für marginale Veränderungen (Stufe 1) bzw. versteht und akzeptiert die Notwendigkeit von Veränderungen (Stufe 2). Auf der mittleren Ebene identifiziert und vertritt sie Veränderungen (Stufe 3), greift erforderliche Veränderungen aktiv auf (Stufe 4) und motiviert andere, sich aktiv in Veränderungen einzubringen (Stufe 5). Auf der oberen Ebene schafft die Person gruppenweites Momentum für den Wandel (Stufe 6) bzw. gestaltet eine auf Veränderung ausgerichtete Unternehmenskultur (Stufe 7).

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| Die Methodik des Management Appraisals

Abbildung 31: Jeder Kompetenz ist über sieben Stufen definiert, die inhaltlich aufeinander aufbauen Beis piel Beispiel: Veränderungsmanagement CEO

Personen, die diese Kompetenz zeigen, akzeptieren und gestalten Veränderungsprozesse und gehen bei der Ausrichtung des Unternehmens neue Wege

Bereichsleitung Bringt andere dazu, Veränderungen zu initiieren

Mittleres Management Abteilungsleiter

Neutral gegenüber Veränderungen

1

Akzeptiert die Notwendigkeit von Veränderung

Unterstützt Veränderungsprozesse

Vertritt Veränderungen

Verankert die VeränderungsSchafft gruppen- kultur weites Momentum für den Wandel 7

6

5

4

3

2 Untere Ebene

Mittlere Ebene

Obere Ebene

Nun erfordern verschiedene Aufgaben im Marketing unterschiedliche Ausprägungen von Kompetenzen. Für jede Kompetenz wird daher in einer frühen Phase des Appraisals gemeinsam mit Vertretern des Unternehmens ein Soll-Niveau definiert. Was heißt das konkret? Wir greifen wieder das Beispiel Veränderungsmanagement auf: Ein Senior Marketeer muss ein erheblich höheres Veränderungsbewusstsein erzeugen, um seine funktionsübergreifenden Ziele zu erreichen. Im Vergleich dazu wird eine Führungskraft in unterstützenden Funktionen, so genannten Support Functions, ihrer Aufgabe gerecht, indem sie Veränderungsbedarfe versteht und vertritt. Für einen Bereichsleiter Operations beispielsweise wäre es darüber hinaus erforderlich, Veränderungen aktiv aufzugreifen und gegebenenfalls sogar andere zu motivieren, sich aktiv in Veränderungen einzubringen. Bei einem CMO müsste die Kompetenz „Veränderungsmanagement“ hingegen auf der obersten Ebene ausgeprägt sein: Er muss nicht nur in der Lage sein, das eigene Team zu begeistern, sondern ein gruppenweites Momentum für den Wandel zu schaffen. Den verwendeten skalierten Kompetenzen (Bewertung entlang einer SiebenerSkala), liegen Verhaltensindikatoren zugrunde, die ein konkretes Verhalten pro Stufe beschreiben. Dadurch können bezüglich der spezifischen Anforderungen einer Position – oder auch absolut – unterschiedliche Leistungsniveaus unterschieden werden: Auf welcher Stufe befindet sich ein Manager? Welches Zielniveau ist für die Position angemessen? Wie groß ist das Delta? Acht Kompetenzen wurden Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

111

auf diese Weise definiert. Sie decken jeweils mehr als neunzig Prozent der Kompetenzmodelle ab und können mithin als repräsentativ gelten.

Leistungskategorien für die Bewertung im Marktvergleich und des Potenzials Nach welchen Maßstäben werden nun die befragten Manager eingestuft? Eine Führungskraft, die hinsichtlich jeder der untersuchten Kompetenzen den SollWert erreicht, erfüllt ihre Aufgabe solide, nicht mehr. Bei Abweichungen nach unten passen der Manager und seine gegenwärtige Aufgabe nicht zusammen. Als Potenzialträger empfiehlt sich dagegen, wer deutlich über dem Soll-Profil seiner derzeitigen Aufgabe liegt. Die systematische Analyse der Kompetenzen einzelner Führungskräfte wird ergänzt durch ein Benchmarking der Führungskräfte – und der Organisation – im Vergleich mit der „Best Practice“, das heißt mit den besten uns bekannten verfügbaren Kräften auf dem Markt. Der Marktvergleich im Rahmen des Management Appraisals geschieht nach vier Leistungskategorien. Hierbei wird die Leistung anhand des Passungsgrads des Managers im Vergleich zu möglichen externen Kandidaten bewertet. Es gelten vier Stufen: Y Hervorragend geeignet: Einer der besten Kandidaten im Markt, wenige, die gleich gut sind Y Gut geeignet: Starker Kandidat, erfolgreich im Markt Y Entwicklungsbedarf: Es bedarf signifikanter Anstrengungen, um den Marktschnitt zu erreichen Y Nur bedingt geeignet: Sehr viele bessere externe Kandidaten verfügbar. Ein weiteres Differenzierungswerkzeug ist das zu erwartende Potenzial der Führungskraft, das heißt die konkrete Fähigkeit, sich einerseits in der aktuellen Rolle weiterzuentwickeln als auch in weiterführende Positionen zu wachsen. Potenzial wird anhand der Lernbereitschaft und der persönlichen Ambition einerseits und dreier potenzialrelevanter Kompetenzen andererseits (Ergebnisorientierung, Veränderungsmanagement und strategische Orientierung) bestimmt. Es hat sich erwiesen, dass die Potenzialanalyse überdurchschnittlich häufig mit beruflichem Erfolg korreliert. Man könnte einwenden, es handle sich hierbei womöglich um eine Art sich selbst erfüllender Prophezeiung. Dass dies nicht so ist, zeigt die Tatsache, dass die Einschätzung in der Regel über die erste Beförderung hinaus zutrifft und der Bewertungserfolg auch quantitativ belegt ist.

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| Die Methodik des Management Appraisals

Abbildung 32: Die Beförderungsrate innerhalb von vier Jahren nach dem Appraisal zeigt die hohe Trefferquote der Potenzialbewertung Anzahl der Beförderungen innerhalb von vier Jahren 0 1 2+

6 Hoch Festgestelltes Potenzial

34 Mittel

42 Niedrig

1

5

83% der mit „hohem“ Potenzial bewerteten Manager wurden zweimal befördert

7

24

3

71% der mit „mittlerem“ Potenzial bewerteten Manager wurden einmal befördert

40

2

0

95% der mit „niedrigem“ Potenzial bewerteten Manager wurden nicht befördert

0 (Überschätzt)

(Unterschätzt)

Nach Auswertung der Ergebnisse wird zu jeder Führungskraft ein mehrseitiger Bericht verfasst. Dieser dient als Grundlage für ein individuelles Feedback, das die Führungskraft gezielt und effektiv bei der persönlichen Weiterentwicklung unterstützt. Dem Unternehmen wiederum ist es dadurch möglich, einen differenzierten Überblick über das Talentportfolio zu gewinnen und vorhandene Talente leichter über einen längeren Zeitraum zu fördern. Es lernt zudem die handelnden Mitarbeiter besser zu verstehen und kann nachvollziehen, wie und warum beruflicher Erfolg entsteht.

Die Marketeer-Stichprobe Die verwendete Datenbank enthält Berichte aus über 300 Firmen in aller Welt, darunter auch viele hundert Marketeers verschiedener Hierarchieebenen. Bei der Darstellung der Ergebnisse konzentrieren wir uns im Folgenden schwerpunktmäßig auf europäische Marketeers, die seit 2006 bewertet wurden. Ein Teil von ihnen befand sich im Bewertungszeitraum auf mittleren Managementebenen, ein anderer auf höchster CMO-Ebene (Top-Führungskräfte, Geschäftsführer, MarketingvorKapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

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stände). So lässt sich ableiten, welche Kernkompetenzen und Entwicklungswege einen Marketeer in die höchsten Positionen führen können. Insgesamt wurden 343 Marketeers auf mittlerem Managementlevel und 195 CMOs in die Untersuchung einbezogen. Das durchschnittliche Alter der Befragten lag bei 45 Jahren. 84 Prozent der Beteiligten waren keine deutschen Staatsangehörigen. 38 Prozent waren zum Zeitpunkt der Befragung zehn Jahre oder länger in ihrem damaligen Unternehmen beschäftigt. Im Allgemeinen ist die Mehrheit der Marketingverantwortlichen auch heute noch männlich. Vergleicht man die Stichprobe der Marketeers mit der Gesamtheit der über 12.000 übrigen Fälle in der Datenbank, so zeigt sich, dass sie mit einem Frauenanteil von 16 Prozent gegenüber 11 Prozent in der Restgruppe relativ weiblich geprägt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die von Egon Zehnder International bewerteten Personen tendenziell aus größeren Konzernen stammen, kleinere Unternehmen sind deutlich unterrepräsentiert.

Abbildung 33: Relativ betrachtet, ist Marketing eine weibliche Funktion CMOs

Marketeers

Gesamte Datenbank ohne Marketeers

Weiblich 16%

Weiblich 16%

Weiblich 11%

84% Männlich

84% Männlich

89% Männlich

Im Vergleich mit externen Benchmarks fällt auf, dass weniger Marketeers der Stichprobe als „hervorragend geeignet“ (12 Prozent gegenüber 18 Prozent) eingestuft wurden. Dafür finden sich aber mehr mit der Bewertung „gut geeignet“ (61 Prozent gegenüber 51 Prozent) und weniger mit der Einschätzung „Entwicklungsbedarf“ (20 Prozent gegenüber 26 Prozent). Der Anteil der Kandidaten, die als „nur bedingt geeignet“ eingestuft wurden, ist in beiden Vergleichsgruppen ungefähr gleich hoch. Fazit: Es gibt im Vergleich zu anderen Funktionen weniger hervorragend geeignete, also Top-Marketing-Führungskräfte auf dem obersten Level, doch ansonsten schneidet die Funktion recht gut ab.

114

| Die Marketeer-Stichprobe

Abbildung 34: Vielen guten Marketeers steht eine verhältnismäßig geringe Zahl hervorragender Marketeers gegenüber 100%

100%

12%

18%

Gut

61%

51%

Entwicklungsbedarf

20%

26%

Hervorragend

Bedingt geeignet

6%

5%

Marketeers

Datenbank ohne Marketing

Betrachtet man die Durchschnittsbewertung hinsichtlich der acht Kompetenzen, ergibt sich ein ähnliches Bild. Die Top-Marketeers stehen etwas schlechter da als die Spitzenkräfte anderer Funktionen. Bei allen anderen Bewertungsstufen jedoch lassen die Marketeers die übrigen Funktionen hinter sich. Die schlechtesten, „bedingt geeigneten“ Marketeers sind immer noch deutlich besser als der Schnitt der übrigen Funktionen. „Totalausfälle“ sind damit unter den Marketeers seltener zu finden.

Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

115

Abbildung 35: Marketingfunktion mit überdurchschnittlichen Kompetenzen ausgestattet – nur bei hervorragenden Marketeers nicht 5,0

Ø Kompetenzausprägung Marketeers

4,5

Ø Kompetenzausprägung Datenbank ohne Marketeers

4,10

4,18

4,0 3,60

3,57

3,5 3,20

3,08 2,90

3,0

2,53 2,5 2,0

Hervorragend

Y

Y

Y

Y

116

Gut

Entwicklungsbedarf

Bedingt geeignet

Einige Fragen zur Selbstreflexion: Wie wurden Sie bislang in Jahresgesprächen oder 360-Grad-Feedbacks eingeschätzt? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Auf welche Bereiche, in denen Sie noch besser werden können, wurden Sie hingewiesen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Wie schätzen Sie selbst Ihre Lern- und Leistungsbereitschaft ein? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Welche Maßnahmen haben Sie persönlich ergriffen, um sich zu steigern? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

| Die Marketeer-Stichprobe

Die Ergebnisse zeigen, dass die Marketingverantwortlichen durchaus über gutes Potenzial verfügen, doch muss sich jeder Marketeer individuell weiterentwickeln und seine Fähigkeiten nutzen. Diese Tendenz wird auch in der Matrix der Potenzial- und Aufgabenerfüllung deutlich. Im Rahmen jedes Management Appraisals wird der einzelne Manager anhand einer Neun-Felder-Matrix hinsichtlich des Erfüllungsgrads seiner aktuellen Aufgabe sowie des Potenzials für weiterführende Aufgaben bewertet.

Potenzial

Abbildung 36: Heutige Performance und Zukunftspotenzial Potenzielles Talent

Talent

Herausragendes Talent

Potenzieller Leistungsträger

Leistungsträger mit Potenzial

Starker Leistungsträger mit Potenzial

Falsche Besetzung

Leistungsträger

Starker Leistungsträger

Aufgabenerfüllung

Betrachtet man die Verteilung von heutiger Leistung und Zukunftspotenzial innerhalb dieser Matrix, so zeigt der Vergleich zwischen der Marketingstichprobe und der übrigen Datenbank, dass mehr Marketeers im guten bis sehr guten Benchmarkbereich liegen. Auch fällt auf, dass überdurchschnittlich viele (30 Prozent) der Marketingleistungsträger noch über weiteres Potenzial verfügen. Mit 28 Prozent zeigen zudem mehr als ein Viertel der starken Leistungsträger noch weiteres Potenzial nach oben. Dabei gibt es unter den Marketeers wie in der Vergleichsgruppe ebenso viele Leistungsträger (31 Prozent) – eine gute Ausgangslage, die für eine stabile Marketing-Grundkompetenz in Unternehmen sorgt.

Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

117

Mittel Niedrig

Potenzial

Hoch

Abbildung 37: Die Pipeline ist gut gefüllt, viele gute Leistungsträger streben nach Höherem 2%

4%

2%

1%

2%

2%

6%

16%

21%

5%

30%

6%

31%

1%

31% Niedrig

Mittel

26% 12% 2% Hoch

Leistung Datenbank ohne Marketing Marketeers

Zu denken gibt allerdings, dass es im Vergleich zur gesamten Datenbank (12 Prozent) unter den Marketeers deutlich weniger starke Leistungsträger gibt (2 Prozent), die lediglich ein begrenztes Potenzial für weiterführende Aufgaben besitzen. Dies ist insofern problematisch, als es in jedem Unternehmen und in jeder Funktion immer genug Manager geben muss, die in ihrer Funktion und Rolle sehr gut sind, sich aber nicht unbedingt weiterentwickeln können oder wollen (Stichwort Fachkarriere bzw. Exzellenz in der Funktion). Sind zu viele Marketeers ständig auf dem Sprung, wie das Ergebnis andeutet, ist wenig Konstanz gegeben und die Qualität der Gesamtfunktion leidet. Dabei ist gerade in der Markenführung Kontinuität sehr wichtig. Interessant sind die Ergebnisse zur Themengruppe Alter und Seniorität. Wenn von Personal- und auch Marketeerseite aus gern behauptet wird, Marketing sei eine junge Funktion, so zeigt sich hier, dass dieses Bild sich empirisch nicht begründen lässt – jedenfalls nach heutigem Erkenntnisstand nicht durch schlechtere Leistungen älterer Marketeers. Die über 40-Jährigen, die für manche Marketingfunktion schon als schwieriger zu vermitteln gelten, zeigen nämlich einen höheren Kompetenzdurchschnitt. Für alle über 35 Jahre alten Marketeers, die Sorge haben, in der Welt der neuen Medien nicht mehr mithalten zu können, ist dies eine sehr

118

| Die Marketeer-Stichprobe

gute Nachricht. Sofern man sich in eine Führungsfunktion weiterentwickelt, die nötigen Kompetenzen mitbringt und sich mit eher strategischen Themen befasst, besteht hinsichtlich des Lebensalters demnach kein Anlass zur Sorge – jedenfalls nicht aus heutiger Sicht. Es gilt nämlich zu beachten, dass diese Analyse eine Vergangenheitsbetrachtung ist und die Effekte der neuen Medien hier nur teilweise erfasst werden.

Abbildung 38: Ältere Marketeers sind etwas kompetenter, aber eine zu lange Verweildauer innerhalb der Marketingfunktion schadet 4,5

4,5 4,0

3,72

Ø Kompetenzen

3,54

4,0

3,5

3,5

3,0

3,0

2,5

2,5

2,0

2,0

1,5

1,5

1,0

1,0

0,5

0,5

3,70 3,43

0

0,0

unter 40

Über 40 Alter

10 Jahre

Seniorität in der Funktion

Kritisch werden kann hingegen ein anderer Faktor: die Verweildauer innerhalb einer Marketingfunktion. Kandidaten, die über zehn Jahre im Marketing bleiben, ohne ihre Expertise zum Beispiel durch eine Station im Vertrieb oder als General Manager einer Tochtergesellschaft erweitert zu haben, verlieren an Kompetenz. Von einer reinen Silo-Karriere im Marketing ist also abzuraten – was auch durch Aussagen der Marketingpraktiker (Kapitel 4) gestützt wird.

Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

119

Kompetenzen der Marketingmanager auf mittlerer Managementebene Widmen wir uns nun den Kompetenzen. Auf der siebenstufigen Skala liegen die Stärken hervorragender Marketeers absolut betrachtet vor allem in der Ergebnisorientierung sowie – nicht verwunderlich – der Kundenorientierung und der Marktexpertise. Am schwächsten sind sie demgegenüber in der Organisationsentwicklung. Letztere verlangt unter anderem eine gewisse Alterozentriertheit, etwa wenn es darum geht, auch anderen im Team oder der weiteren Organisation in ihrer Entwicklung zu helfen, was offensichtlich nicht zu den Stärken von Marketeers gehört. Die Untersuchungsergebnisse bestätigen hier die Einschätzung der Personalexpertin Ariane Kristof, dass Marketeers eher innengerichtet seien. Vergleicht man „hervorragend“, „gut“ und „bedingt geeignete“ Marketeers auf mittleren Managementebenen, so zeigen sich markante Unterschiede entlang aller Kompetenzen. Am größten ist der Leistungsunterschied bei den Kompetenzen Ergebnisorientierung und Veränderungsmanagement. Bei nur „bedingt geeigneten“ Marketeers ist allein die Kundenorientierung relativ stark ausgeprägt, während ihre Schwächen in einer eher operativ ausgerichteten Sichtweise und einer Ignoranz der Notwendigkeit, die Organisation weiterzuentwickeln, liegen.

Abbildung 39: „Hervorragend“ und „bedingt geeignete“ Marketeers auf mittlerer Managementebene unterscheiden sich bei zwei Kompetenzen Hervorragend geeignete Marketeers

Gute Marketeers

Bedingt geeignete Marketeers

5,5 7,0 5,0 4,5

4,5 4,3

4,4

4,4

3,9

3,8

4,1 3,8

4,0 3,5 3,0

3,8

3,7

3,9

3,5 3,6

3,3

3,4 3,0

3,4 3,1

3,1

1,0 2,5 TeamErgebnis- Mitarbeiterführung orientierte orienZusammentierung arbeit

3,7

3,2

3,5

2,9

2,8 Strategische Orientierung

Organisationsentwicklung

Veränderungsmanagement

Kundenorientierung

Kompetenzen

120

| Kompetenzen auf mittlerer Managementebene

Marktexpertise

Kundenorientierung ist die „Hygienevariable“, das Eintrittsticket des Marketeers. Damit allein kann sich ein ambitionierter Marketeer nicht von seiner PeerGruppe absetzen, sondern muss weitere Kompetenzen hinzugewinnen. Die Schlüsselherausforderung für den Marketeer auf mittlerer Managementebene ist die Organisationsentwicklung, sprich die Alterozentriertheit.

Y

Y

Y

Y

Einige Fragen zur Selbstreflexion: In welchen der genannten Kompetenzen glauben Sie, stark aufgestellt zu sein? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Welche Kompetenzen sind bei Ihnen noch entwicklungsfähig? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Wie wollen Sie Ihre Stärken ausbauen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Wie wollen Sie Ihre Schwächen abbauen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

Die Funktionen Marketing und Finanzen im Vergleich Marketeers wird immer wieder nachgesagt, sie seien nicht ergebnisorientiert. Deswegen haben wir eine „harte Währung“ als Maßstab für den Vergleich gewählt: die Finanzführungskräfte. Wie ausgeprägt sind also die Kompetenzen von Marketeers auf der mittleren Hierarchieebene im Vergleich zu ihren Kollegen in der Finanzfunktion? Betrachtet man die Spitzengruppe derer, die in den beiden Funktionen jeweils als hervorragend bewertet wurden, ist man überrascht: Ergebnisorientierung ist die am stärksten ausgeprägte Kompetenz sowohl bei den Finanz- als auch bei den Marketingführungskräften. Mag die inhaltliche Stoßrichtung funktionsbedingt unterschiedlich sein, so sind doch beide Funktionen gleichermaßen zielorientiert und umsetzungsstark.

Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

121

Abbildung 40: Marketeers auf mittlerer Managementebene punkten mit Kundenorientierung und Marktexpertise Hervorragend geeignete Finanzführungskräfte

Hervorragend geeignete Marketingführungskräfte

5,5 7,0 5,0 4,6 4,5 4,5

4,4

4,4

4,0

4,0 4,1 3,5

4,3

4,2

3,8

3,8 3,7

3,7

3,7

3,6 3,0 1,0 2,5 TeamErgebnis- Mitarbeiterführung orientierte orienZusammentierung arbeit

Strategische Orientierung

Organisationsentwicklung

Veränderungsmanagement

Kundenorientierung

Marktexpertise

Kompetenzen

Als deutlichste Schwäche der Marketingexperten auf mittleren Managementebenen erweist sich hingegen erneut die Organisationsentwicklung, dicht gefolgt von der wenig ausgeprägten strategischen Orientierung. Dagegen punkten die Marketeers vergleichsweise klar bei Kundenorientierung und Marktexpertise. Die Finanzkollegen bei Metriken zu diesen Themen zu unterstützen, könnte helfen, tragfähige Brücken im Unternehmen zu errichten und einander beim Ausgleich von Kompetenzlücken weiterzubringen.

Y

Y

Einige Fragen zur Selbstreflexion: Wie sehr versuchen Sie, Zielvorgaben zu übertreffen, und streben Sie täglich nach höheren „Best in Class“-Zielen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Haben Sie schon erste Konzepte entwickelt, um Ihren (Aufgaben-)Bereich grundlegend zu transformieren und deutlich verbesserte Ergebnisse zu erzielen? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

122

| Kompetenzen auf mittlerer Managementebene

Y

Y

Y

Y

Y

Haben Sie unternehmensweite Strategien in Ihrem Bereich umgesetzt? Und haben Sie schon größere Beiträge zur Erarbeitung übergreifender Strategien geleistet? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Welche strategischen Projekte planen Sie? Sind diese priorisiert? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Für welche Ergebnisse waren Sie im letzten Jahr verantwortlich? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Mit welchen Metriken messen Sie Ihre Ergebnisse? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Wie stark stimmen Sie sich mit dem Finanz-, Produktions- oder Vertriebsbereich ab? Haben Sie sich dessen Zielsetzungen und Vorgehensweise zu eigen gemacht? __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________

Unterschiede nach Branchen und Geschlecht In der vorliegenden Untersuchung haben wir, wie erwähnt, Marketeers aus den verschiedensten Branchen untersucht. Sie lassen sich in folgenden Branchensegmenten zusammenfassen: Y Konsumgüter Y Hochtechnologie und Telekommunikation Y Life Sciences (Pharma, Biotechnologie, Medizintechnik) Y Industriegüter Y Banken, Versicherungen und andere Dienstleistungen. Entlang dieser groben Aufteilung ergaben sich Einblicke in die unterschiedlichen Kompetenzniveaus der Manager aus unterschiedlichen Branchen. Marketing spielt in den verschiedenen Branchen unterschiedliche Rollen – wir haben das bereits bei den Definitionen und der Erläuterung der Frage, welche Branche man sich am besten als Marketeer aussucht, gesehen. Als Führungsfunktion oder Kernkompetenz der Unternehmen ist Marketing in der Konsumgüterbranche allgegenwärtig. Entsprechend hoch ist dort das Ausbildungs- und Kompetenzniveau der Manager. Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

123

Den Mythos, dass die Konsumgüterbranche bessere Marketeers anziehe, müssen wir allerdings widerlegen. Vor allem in Werbeagenturen ist die Auffassung verbreitet, dass das B2B-Umfeld für die besten Köpfe nicht attraktiv sei und dass dessen Kampagnen aus diesem Grund, wie auch wegen der vornehmlich technischen Produkte, dröge seien. Tatsächlich ist das nicht der Fall und hiermit – zumindest hinsichtlich der ersteren Annahme – auch empirisch widerlegt: Marketeers in Industrieunternehmen sind bezüglich der acht gemessenen Kompetenzen genauso gut wie ihre Kollegen aus der Konsumgüterbranche. Insgesamt liegen alle Branchen recht nah beieinander, allein die Life-Sciences-Branche fällt im Vergleich etwas ab. Dies mag vor allem für die Pharmabranche dadurch erklärt werden, dass das absatzpolitische Instrumentarium hier nur sehr eingeschränkt eingesetzt werden kann (kleinste Spielräume bei Preis, Produkt, Vertrieb und zusätzlich Restriktionen durch gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Kommunikation), sodass sich Kompetenzen nicht so gut entwickeln können wie in Branchen mit mehr Freiraum.

Abbildung 41: Konsumgüter- und Industriebranche haben die besseren Marketingführungskräfte Abweichungen vom Durchschnitt der acht Kompetenzwerte

0,11

Konsumgüter

High-Tech & Telekommunikation

Life Sciences

-0,07

-0,12

Industriegüter

Dienstleistungen

0,11

-0,03

Interessant ist das Bild der Leistungen der Geschlechter. Das Klischee der stärkeren Teamorientierung von Frauen findet sich nicht bestätigt. Frauen leben genauso in ihrem Marketingsilo wie Männer. Was sie allerdings signifikant besser können als ihre männlichen Kollegen, ist das Fördern der Organisationsentwicklung. Ihre Fähigkeit, andere bei ihrem Wachstum zu unterstützen, ihnen altruistisch zu Leistungsverbesserungen zu verhelfen, lässt sie im Vergleich mit den männlichen Marketeers glänzen.

124

| Kompetenzen auf mittlerer Managementebene

Abbildung 42: Weibliche Marketeers auf mittlerer Managementebene fördern die Organisationsentwicklung stärker als ihre männlichen Kollegen Männliche Marketeers

Weibliche Marketeers

5,5 7,0 5,0 4,5 4,0 4,0 3,5 3,0

3,7

3,7 3,4

4,0 3,6 3,9

3,4 3,6

3,3

4,0

3,3

3,3

3,5

3,5

1,0 2,5 TeamErgebnis- Mitarbeiterführung orientierte orienZusammentierung arbeit

Strategische Orientierung

Organisationsentwicklung

Veränderungsmanagement

Kundenorientierung

Marktexpertise

Kompetenzen

Kompetenzen der Chief Marketing Officers Worin unterscheiden sich die herausragenden CMOs von den weniger guten? Die Unterschiede zwischen den Leistungskategorien sind unter den CMOs deutlich größer als bei Marketeers auf mittlerer Managementebene.

Ergebnisorientierung und Veränderungsmanagement Die stärkste Abweichung zeigt sich bei der Ergebnisorientierung und beim Veränderungsmanagement – den Kompetenzen, in denen herausragende CMOs am deutlichsten brillieren. Am wenigsten beherrschen demgegenüber selbst exzel-

Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

125

lente CMOs die Organisationsentwicklung. Sie interessieren sich offensichtlich zu wenig dafür, das Leistungsniveau ihrer Teams entscheidend weiterzuentwickeln. Auch die strategische Orientierung könnte bei ihnen noch stärker ausgeprägt sein.

Abbildung 43: CMOs unterscheiden sich vor allem bei der Ergebnisorientierung und beim Veränderungsmanagement Hervorragende CMOs

Gute CMOs

Schlechte CMOs (Entwicklungsbedarf & bedingt geeignet)

5,5 7,0 5,0

4,8

4,9

4,6 4,5 4,0

4,2

4,1 3,7

3,9

3,4 3,2 3,3

4,4

4,0

3,9

3,5 3,0

4,4

3,6

3,1

3,3

3,2

3,8

3,4

3,7 3,5

1,0 2,5 TeamErgebnis- Mitarbeiterführung orientierte orienZusammentierung arbeit

Strategische Orientierung

Organisationsentwicklung

Veränderungsmanagement

Kundenorientierung

Marktexpertise

Kompetenzen

Vergleicht man die besten CMOs mit den besten CFOs (Chief Finance Officer) und den besten CEOs (Chief Executive Officer), erkennt man auf den ersten Blick, dass die Kompetenzen insgesamt relativ nah beieinander liegen. Die Kompetenzen des CMOs und des CEOs variieren in weiten Teilen kaum. Dies ist ein Indiz dafür, dass sich CMOs leichter zum CEO entwickeln können als etwa CFOs. Hinsichtlich der Ergebnisorientierung steht der CMO – ähnlich wie der Marketeer auf mittlerer Hierarchieebene – besser da, als es sein Ruf erwarten lässt. In der Leistungsbeurteilung schneiden die drei Funktionen hier fast gleich ab. Neben der Ergebnisorientierung ist das Veränderungsmanagement, absolut betrachtet, die am deutlichsten ausgeprägte Kompetenz des CMOs. Verglichen mit seinen Kollegen aus dem Vorstand verfügt er über die genaueste Marktkenntnis und beherrscht die teamorientierte Zusammenarbeit am besten. Letzteres zeigt, dass auch CFOs und CEOs Probleme mit dem Abteilungsdenken haben und in ihren Silos verharren. Bei beiden überrascht diese Beobachtung. Sie liefert jedoch einen

126

| Kompetenzen der Chief Marketing Officers

Hinweis auf den Hintergrund des verbreiteten Bilds vom „Elfenbeinturmdenken“ der Finanzmanager und verrät, womit es zusammenhängen könnte, dass manche CEOs ihre Organisation „abhängen“ und überfordern.

Abbildung 44: Herausragende CMOs bringen die Marktperspektive ins Unternehmen, sind aber nicht Nummer 1 bei der Kundenorientierung Hervorragende CMOs

5,5 7,0 5,0

4,0

Hervorragende CFOs

5,1 4,8

5,0 4,6

4,5

Hervorragende CEOs

4,9

4,4 4,2

4,5

4,4

4,3

4,1

4,1

4,0

4,0

4,6 4,4

4,3 4,1

4,9

4,3 4,1

3,8

3,5

3,9

3,0 1,0 2,5 TeamErgebnis- Mitarbeiterführung orientierte orienZusammentierung arbeit

Strategische Orientierung

Organisationsentwicklung

Veränderungsmanagement

Kundenorientierung

Marktexpertise

Kompetenzen

Der größte Unterschied zwischen den Vorstandsfunktionen liegt in der Ausprägung der Kundenorientierung. Anders als erwartet liegt hier der CEO vorn – bedenklich für den obersten Marketeer, zeichnet ihn doch seine Kernkompetenz offensichtlich nicht als einzigartig aus. Hier müssen CMOs von einem komfortablen Selbstbild Abschied nehmen und sich noch stärker in Sachen Kunden- bzw. Konsumentenorientierung engagieren. Ein Top-Marketeer stößt demnach beim Benchmarking innerhalb der Marketingfunktion an Grenzen und orientiert sich besser selektiv an der Funktion des CEOs.

Geschlechterspezifische Stärken und Profil des CMOs Wer erwartet, weibliche CMOs punkteten – ähnlich wie ihre Kolleginnen im mittleren Management – verglichen mit ihren männlichen Kollegen vor allem bei Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

127

der Organisationsentwicklung, der irrt. Betrachtet man die Gesamtheit aller CMOs gleich welcher Leistungskategorie, ist es interessanterweise die Marktexpertise, die die Frauen unter ihnen besonders auszeichnet. Und bezüglich der Mitarbeiterführung liegen die männlichen CMOs vorn. Anders als es das Vorurteil zu wissen glaubt, scheinen Männer ihre Marketingteams im Schnitt besser zu führen.

Abbildung 45: Weibliche CMOs punkten bei der Marktexpertise, führen aber weniger gut als ihre männlichen Kollegen Männliche Marketeers

Weibliche Marketeers

5,5 7,0 5,0 4,5 4,0

3,9

3,9 3,7

3,6 3,5

3,2

3,7

3,4

3,9

3,4 3,6 3,3

3,2

3,0

3,8

1,0 2,5 TeamErgebnis- Mitarbeiterführung orientierte orienZusammentierung arbeit

Strategische Orientierung

Organisationsentwicklung

Veränderungsmanagement

Kundenorientierung

Marktexpertise

Kompetenzen

Gibt es einen für CMOs typischen Ausbildungsweg? Derzeit offenbar nicht. Heutige CMOs kommen nicht bevorzugt aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich, sondern weisen vielfältige akademische Hintergründe auf. 46 Prozent haben zwei oder mehr universitäre Abschlüsse. Dabei reicht die Bandbreite der Abschlüsse von Marketing und Wirtschaftswissenschaften bis zu Politik- und Ingenieurwissenschaften. Marketing wurde früher eher als Kunst denn als Wissenschaft angesehen. Das erklärt, warum die unterschiedlichsten Wege in diese Funktion führen. Nur gut ein Viertel der heutigen CMOs hat im Ausland studiert, aber 38 Prozent haben im Ausland gearbeitet. 42 Prozent sammelten in zwei oder sogar mehr Industrien Erfahrungen – eine solide Basis, um kreative Ideen zu entwickeln und in puncto Innovation Maßstäbe zu setzen.

128

| Kompetenzen der Chief Marketing Officers

Abbildung 46: Vielseitigkeit ist der Schlüssel zum erfolgreichen CMO Ausbildung

Internationale Erfahrung

46% 28% Haben zwei oder mehr Abschlüsse

Haben im Ausland studiert

Industrieerfahrung 14%

… mehr als zwei Industrien

28%

… zwei verschiedenen Industrien

58%

… nur einer Industrie

38%

Haben im Ausland gearbeitet

Haben in … gearbeitet

Neben der Vielfalt akademischer Ausbildungswege ist ein weites Spektrum an Erfahrungen im Ausland oder in unterschiedlichen Branchen für die meisten TopMarketeers charakteristisch. 42 Prozent der CMOs hatten in ihrer Laufbahn bereits Positionen in multinationalen Firmen inne, mehr als die Hälfte war schon in kleineren oder mittelständischen Unternehmen tätig. 44 Prozent arbeiteten in Positionen außerhalb von Marketing und Vertrieb.

Der Premium-Marketeer©: Der Weg zum Chief Marketing Officer Viele Marketeers streben nach oben, doch erreichen nur wenige die Traumposition des CMOs. Welche Fähigkeiten gilt es zu entwickeln? Y Kundenorientierung ist eine Basiskompetenz, die Marketeers von vornherein mitbringen und kontinuierlich weiter intensivieren müssen. Y Der Schritt von der mittleren Hierarchiestufe, die noch keine Führungsverantwortung besitzt, auf eine obere Hierarchiestufe mit Führungsverantwortung

Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

129

Y

verlangt, vor allem die Kompetenzen der Mitarbeiterführung und der teamorientierten Zusammenarbeit weiterzuentwickeln. Aber auch die Marktexpertise muss hier weiter ausgebaut werden. Der Schritt von der Führungsfunktion in die oberste Leitungsfunktion des Marketeers erfordert zusätzlich eine deutliche Entwicklung der Kompetenzen der Ergebnisorientierung, der Organisationsentwicklung und, nicht zuletzt, des Veränderungsmanagements. Denn CMOs sind „Change Agents“, die nicht nur die eigene Abteilung, sondern ganze Unternehmensbereiche für den Weg zum kundenorientierten Unternehmen gewinnen und dorthin mitnehmen müssen, und dies nicht nur konzeptionell oder gar als Lippenbekenntnis, sondern umgesetzt bis in die letzten Winkel der Organisation.

Abbildung 47: Entwicklung der Kompetenzen entlang des Aufstiegs im Marketing Mittlere Hierarchiestufe

Obere Hierarchiestufe

CMO

5,5 7,0 5,0 4,5

4,2

4,0

3,8

3,5

3,7

4,0

4,0 3,8 3,7

4,1 3,9

3,6 3,8

3,5 3,0

3,7

3,7

4,1

3,5

3,3

3,2 3,0

3,0

3,0

Strategische Orientierung

Organisationsentwicklung

3,9 3,4

3,2

1,0 2,5 TeamErgebnis- Mitarbeiterführung orientierte orienZusammentierung arbeit

Veränderungsmanagement

Kundenorientierung

Marktexpertise

Kompetenzen

130

| Der Premium-Marketeer©: Der Weg zum Chief Marketing Officer

Die Kaderschmiede für High-Potentials Welche Kompetenzen kennzeichnen die besten Marketeers und wie entwickeln diese sich von einer mittleren Hierarchieebene zum CMO und schließlich sogar zum CEO? Überdurchschnittliche Marketeers im mittleren Management verfügen über hohe Kompetenz in Ergebnisorientierung, Kundenorientierung und Marktexpertise. Die Marktexpertise entwickelt sich im Lauf der Karriere nicht weiter, sie stagniert auf gutem Niveau. Die stärksten Entwicklungen auf dem Weg von der mittleren Managementebene auf die höchste CEO-Ebene finden bei der Mitarbeiterführung und der strategischen Orientierung statt – aus eben diesem Grund haben wir Ihnen in Kapitel 2 die Übernahme strategischer Projekte empfohlen. Am höchsten ausgebildet sind bei hervorragenden CEOs die Ergebnisorientierung und die Kundenorientierung. Bei Letzterer hat der Marketeer leichtes Spiel, ist sie doch sein Eintrittsticket in die Funktion.

Abbildung 48: Die Kaderschmiede des Marketings Hervorragende Marketeers im mittleren Management

Hervorragende CMOs

Hervorragende CEOs

5,5 7,0 5,0

4,8

5,0 4,9 4,5 4,5

4,6

4,3

4,0 3,5

4,4

4,2

4,1

4,1 3,8

4,6

4,4

4,3

4,4

4,3

Veränderungsmanagement

Kundenorientierung

Marktexpertise

4,5 4,1

4,9

4,0 3,8

3,7

3,0 1,0 2,5 TeamErgebnis- Mitarbeiterführung orientierte orienZusammentierung arbeit

Strategische Orientierung

Organisationsentwicklung

Kompetenzen

Wollen sich Marketeers auf mittlerer Managementebene also in Richtung General Management orientieren, sollten sie sich aktiv auf Führungsaufgaben in strategischen Projekten konzentrieren.

Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

131

Was auf dem Weg zum CMO zählt: Top-Marketeers gestern und heute Das Bild des Top-Marketeers hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Bis in die 90er Jahre hinein machten stetig wachsende Märkte und ein überschaubares Repertoire an Kommunikationsmaßnahmen in TV und Print den Marketeers das Leben noch recht einfach. Um erfolgreich zu sein, genügte es, sich – auf welchen Wegen auch immer – eine gewisse Kompetenz in Kommunikationstechniken angeeignet zu haben. Best-Practice-Anregungen holte man sich aus einem losen, meist regionalen Netzwerk von Agenturen und Dienstleistern. Wer sich früher bei seinen Marketingtools vor allem auf Kommunikation und Above-the-line-Maßnahmen konzentrierte, verfügte bereits über das nötige Handwerkszeug. PR oder Belowthe-line-Maßnahmen spielten eine eher untergeordnete Rolle. Überdies waren die Marketingabteilungen bis auf wenige Ausnahmen kaum auf messbare, quantitative Ergebnisse ausgerichtet. Der Fokus lag vielmehr auf der Umsetzung von Kommunikationsmaßnahmen. Ein gezieltes, an Kundenbedürfnissen orientiertes Innovationsmanagement war noch wenig verbreitet, ebenso eine kundengetriebene Produktentwicklung. Markenführung gestaltete sich außerhalb des Konsumgüterbereichs meist intuitiv und evolutionär und ergab sich eher ungeplant als Folge einzelner Kommunikationsmaßnahmen. Marketing verstand sich als Servicefunktion: In strategischer Hinsicht reagierte das Marketing eher, als dass es aktiv die Richtung vorgab. Mittlerweile hat ein radikaler Wandel eingesetzt. Die Zeit, in der die Wirtschaft auf stetiges Wachstum setzen konnte, scheint endgültig vorbei. Die Unternehmen agieren heute in weitestgehend gesättigten Märkten. Gleichzeitig bringt die rasante Entwicklung der neuen (Online-) Medien vielfältige Herausforderungen mit sich (siehe Kapitel 5). Die Rolle des Marketings wird damit immer komplexer und anspruchsvoller. Krisen erscheinen fast als Dauerzustand, und viele Marketingaktivitäten werden in den Unternehmen auf den Prüfstand gestellt: langfristige Investitionen in die Marke, kommunikative Maßnahmen, Handelsbeziehungen zu den verschiedensten Kanälen, Breite und Tiefe des Produktportfolios und weiteres mehr.

132

| Top-Marketeers gestern und heute

Abbildung 49: Das Profil des erfolgreichen Marketeers wandelt sich drastisch Wachsende Märkte und eine überschaubare Zahl von Kommunikationskanälen machten dem Marketeer das Leben leicht … Was einen Top-Marketeer FRÜHER kennzeichnete Kommunikationsexpertise, eher zufällig im Laufe der Karriere gesammelt und entwickelt Regionales Netzwerk mit Agenturen (Werbung, PR) und Medien

ALT

Solide Kenntnisse einfacher Marktforschungsmethoden, allerdings ohne breiten quantitativen Ansatz Hauptsächlich Vertriebsunterstützung für Produktinnovationen und -strategien Dritter, Implementierung von Marketing-Maßnahmen Strategische Markenführungskenntnisse nicht übermäßig relevant Solide Unterstützung anderer Funktionen, eher reaktiv bei übergeordneten strategischen Themen Überschaubares Vertriebs-Know-how, distanziertes Verhältnis zu vertrieblichen Themen

Es sieht so aus, als funktionierten die bisherigen Erfolgsmodelle nicht mehr. Fest steht: Die klassische Massenkommunikation verliert im Marketing weiter an Boden, je stärker die Konsumenten die Möglichkeiten interaktiver Medien nutzen und je anspruchsvoller sie damit werden. So informieren sich heute immer mehr Verbraucher vor dem Kauf eines Produkts im Internet: Sie prüfen, vergleichen, schreiben Produktrezensionen, vernetzen sich. Mit dem Einfluss, der den Konsumenten hier zuwächst, gilt es geschickt umzugehen. Gefragt sind neue, interaktive Wege wie die Einbeziehung von Blogs oder Aktivitäten auf Social-NetworkPlattformen für die junge Zielgruppe. Basis dafür ist ein profundes Verständnis der neuen Medien, das CMOs heute unabdingbar mitbringen müssen. Und mehr noch. Von Nutzern (mit-)gestaltete Medien wie Blogs, Twitter oder YouTube geben immer auch Individuen und Organisationen Einfluss, die dem Unternehmen und seinen Produkten gegenüber kritisch eingestellt sind. Auch mit möglichen hieraus erwachsenden Risiken muss der CMO umzugehen wissen.

Kapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

133

Abbildung 50: Marktveränderungen machen neue Kenntnisse und Kompetenzen erforderlich Gesättigte und gleichzeitig hochdynamische Märkte führen zu einem Wandel der Funktion mit völlig neuem, übergreifendem Wirkungskreis Was einen Top-Marketeer HEUTE kennzeichnet Marketing ist gleichsam eingebettet, treibt Produktmarketing in enger Abstimmung mit bzw. Führung von Vertrieb, F&E, Supply Chain und Produktion Marketingergebnisse werden umfassend gemessen und dienen als allgemein gültige Kenngrößen für den Unternehmenserfolg NEU

CMOs entwickeln die übergeordnete Unternehmensstrategie proaktiv (mit) und sind an der Umsetzung entscheidend, idealerweise führend beteiligt CMOs vereinen als einzige Funktion den internen und den externen Blickwinkel, sind die „Stimme des Konsumenten” im Vorstandskreis CMOs überbrücken isolierte Funktionen, verknüpfen getrennt voneinander agierende Bereiche, liefern den holistischen, mittel- bis langfristigen Blick Erfolgreiche CMOs können Marketing auch in vertriebs- oder technikorientierten Unternehmenskulturen zur führenden Rolle verhelfen

Doch die Evolution der Marketingfunktion endet nicht bei den klassischen Kommunikationsaufgaben. Insbesondere in Europa ist eine umfassende Neudefinition des Chief Marketing Officers oder jedes leitenden Marketeers zu beobachten, die das US-amerikanische Modell des „obersten Markenhüters“ weit hinter sich lässt. Nach diesem neuen Verständnis geht Marketing weit über oberflächliches Branding hinaus und wird als eine zentrale Funktion des Unternehmens in dessen DNS eingebettet. Es treibt ein umfassend verstandenes Produktmarketing voran: von der Idee über Forschung, Entwicklung und Produktion im Blick auf ein latentes Konsumentenbedürfnis bis hin zur Supply Chain und zum Vertrieb. Um die Ergebnisse messbar zu machen, werden dabei Marketing-Key-Performance-Indicators für das jeweilige Unternehmensumfeld festgelegt und zu einem wesentlichen Erfolgstreiber für das gesamte Management und das Unternehmen gemacht.

Ein Beispiel zur Konsumentenorientierung Die Koninklijke Philips Electronics N.V., kurz Philips genannt, ist einer der weltgrößten Elektronikkonzerne mit Sitz in Amsterdam (Niederlande) und beschäftigt rund 121.000 Mitarbeiter in über 60 Ländern. Im Jahr 2007 erzielte das

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| Top-Marketeers gestern und heute

Unternehmen einen Umsatz von 27 Milliarden Euro. Bis vor Kurzem nutzte Philips unternehmensweit im Wesentlichen drei Indikatoren, um den Geschäftserfolg zu messen: EBIT, Umsatz und Mitarbeiterengagement. Jüngst wurde der sogenannte Net Promoter Score (NPS) hinzugefügt, der für Philips die Schlüsselmessgröße auf dem Weg zu einer noch stärker an Konsumentenbedürfnissen orientierten Organisation darstellt. Er misst die Wahrscheinlichkeit, mit der Kunden ein Produkt, ein Unternehmen oder eine Dienstleistung weiterempfehlen. Die genannten Indikatoren werden unternehmensweit und in allen Divisionen angewandt, um die Fokussierung auf ein gemeinsames Ziel und eine kollektive Leistungsverbesserung zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Entwicklungen treten die in diesem Kapitel genannten Kernkompetenzen für Top-Marketeers noch deutlicher in den Blickpunkt. CMOs entwickeln und treiben künftig die gesamte Unternehmensstrategie aus einem entscheidenden Blickwinkel: dem des Kunden. Der Marketeer bringt damit die entscheidende Blickrichtung in die unternehmensinterne Diskussionen. Der Vertrieb orientiert sich häufig an kurzfristigen Zielen und an der Perspektive von Handelspartnern. Technik, Produktion, Forschung & Entwicklung handeln in erster Linie produktbezogen. Auch wenn jede dieser Funktionen auf ihre Relevanz für den Kunden hinweist, kann doch keine von ihnen eine langfristige und tiefgreifende Sicht auf den Markt und aus dem Markt heraus auf die Strategie des Unternehmens vorweisen. Es ist vielmehr die Marketingfunktion, die auf einmalige Weise die interne mit der externen Sicht verbindet und so zur Stimme des Kunden in der Geschäftsleitung oder Vorstandsetage wird. Hierin liegt letztlich ihr Mehrwert. Ein Mehrwert, der sich über das Produkt hinaus auch auf weitere Aspekte der Unternehmensverantwortung erstreckt – etwa, wenn ein Unternehmen im Sinne seiner Verantwortung als Good Corporate Citizen immer wieder nutzenstiftende Innovationen schafft. Als Treiber derartiger Innovationen sollten Marketeers allerdings ihr Verhältnis zu Agenturen, Dienstleistern und externen Partnern überdenken. Allzu oft sind diese es heute noch, die übergeordnete Produktthemen angehen, Paradigmenwechsel im Produktmarketing anregen und umsetzen und so die innovative Speerspitze bilden, die doch eigentlich im Unternehmen zu finden sein sollte. Um all diese – externen und internen – Herausforderungen anzugehen, brauchen CMOs den Blick aufs Ganze. Diesen holistischen Blick, in dessen Fokus immer der Konsument steht, müssen sie im Unternehmen zum Tragen bringen. Wie hoch die Hürden liegen, die sie dabei zu überwinden haben, ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. In marketinggetriebenen Unternehmen sind konsumentenorientierte Prozesse und Verhaltensweisen zweifellos leichter zu bewerkstelligen als in eher technik- oder serviceorientierten Branchen. Am schwierigsten dürfte sich die Aufgabe in vertriebs- oder technologiegetriebenen GeschäftskultuKapitel 3 – Die Karriere-Kompetenzen des Marketeers |

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ren darstellen, etwa bei Maschinenbauunternehmen oder in der Medizintechnik. Gerade in solchen nicht marketinggetriebenen Branchen besitzt die Funktion des CMO daher eine herausragende Bedeutung – wie man vor einigen Jahren am Beispiel der Etablierung der CMO-Funktionen bei Philips oder T-Mobile sehen konnte. In Zukunft werden es Top-Marketeers sein, die im Sinne einer umfassenden, strategisch verstandenen Kundenorientierung die Fäden im Unternehmen zusammenführen. Es wird ihre Aufgabe sein, die Abteilungen für einen neuen, gemeinsamen Kurs zu gewinnen, die Gräben zwischen ihnen zuzuschütten, Veränderungsprozesse anzustoßen und zu dirigieren. Nach innen wie vor allem nach außen, in der Interaktion mit den Konsumenten, wird es dabei darum gehen, ein umfangreiches Set von Kommunikationskanälen virtuos zu bespielen. Die Rolle des CMOs wird damit um vieles komplexer und umfassender. Als Stimme des Kunden, Brückenbauer und Motor des Wandels im Unternehmen steht er für ein neues, ganzheitliches Verständnis von Marketing und treibt dieses weiter voran.

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| Top-Marketeers gestern und heute

Kapitel 4 Zur richtigen Zeit die richtige Idee: Erfolgsgeschichten Die besten Erfolgsgeschichten schreibt immer noch das Leben selbst. Deshalb blicken wir nach den theoretischen und empirischen Einsichten der vergangenen Kapitel nun in die Praxis. Wir haben Top-Marketeers befragt, die „es geschafft“ haben. Sie geben Ihnen in den folgenden Interviews exklusive Einblicke in ihre persönlichen Karrierewege. Personalexperten und ein CEO ergänzen die Sicht von außen auf die Marketingfunktion. So finden Sie hier ganz individuelle Sichtweisen darüber, welche spezifischen Anforderungen an eine Marketingkarriere gestellt werden.

Die Interviews im Überblick Für die folgenden Interviews haben wir bewusst sowohl Top-Marketeers, Personalexperten und einen Experten aus einer Kommunikationsagentur befragt. Sie finden Interviews aus dem B2B- und dem B2C-Bereich, aus mittleren und großen, aus deutschen und anderen europäischen Unternehmen. Damit Sie sich orientieren und die für Sie besonders interessanten Interviews heraussuchen können, hier eine Übersicht.

Kapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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Kapitel 4 – Z

Folgende Senior Marketeer-Interviews haben wir geführt: Name

Funktion, Unternehmen

B2C oder B2B Unternehmens- Standort/ größe Verantwortungsbereich

Tina Müller

Corporate Senior Vice President Marketing, Henkel Chief Marketing Officer, Mammut

B2C: Kosmetikprodukte

Michael Gyssler Gerald Neumair

Veronika Rost Jürgen Lieberknecht Adriana Nuneva

Andreas Harting

Konzern

B2C: Bergsport- Mittelstand und OutdoorAusrüstung Vice President B2C: Nahrungs- Konzern und Area Director mittel DACHTREE, Kraft Foods Global Category B2C: diverse Konzern Director, Konsumgüter Reckitt Benckiser Vorstand Marke- B2C: FinanzKonzern ting und Produkt- dienstleistung management, Citibank Senior Vice Presi- B2B: DruckKonzern dent Marketing, maschinen Heidelberger Druckmaschinen Chief Marketing B2B: Isolations- Großer MittelOfficer, Von Roll produkte stand

Deutschland/ Global Schweiz/ Global Schweiz/ Europa

Großbritannien/ Global Deutschland

Deutschland/ Global

Schweiz/ Global

Die Fragestellungen behandeln folgende Themenblöcke, die von jedem Interviewpartner konkret auf sein Unternehmen bezogen beantwortet werden: Y Anforderungen an die Marketingfunktion allgemein Y Spezifische Ausprägung von Marketing Y Erforderliche Fähigkeiten und Kompetenzen Y Karriereempfehlungen Y Zukunftsaussichten des Marketeers.

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| Die Interviews im Überblick

Folgende Interviews wurden mit CEOs und Personalverantwortlichen geführt: Name

Funktion, B2C oder B2B Unternehmens- Standort/ Unternehmen größe Verantwortungsbereich

Frank-Michael CEO, Scholz & Schmidt Friends

Alle Unternehmensgrößen

Deutschland/ Global

Dr. Ariane Kristof

Konzern

Schweden/ Global

Konzern

Deutschland/ Global

Markus Bonsels

Kommunikationsgruppe, alle Branchen Vice President B2B: VerpaHuman Resour- ckungsces Development industrie & Engineering, Tetra Pak, Schweden Global RecruiB2C und B2B: ting, Johnson & Konsumgüter / Johnson EMEA Life Sciences

Es wurden drei Arten von Fragebögen benutzt: a) für Marketeers, b) für Personalexperten und c) für Kommunikationsagenturen mit dem Themenschwerpunkt: Unterschiede zwischen Marketeers in der Industrie und bei Marketingdienstleistern.

Top-Marketeers der Konsumgüterbranche „Marketing ist heute ein Multitasking-Job“ Tina Müller, Corporate Senior Vice President bei Henkel Karriereweg: Nach dem Abschluss eines Doppelstudiums der Betriebswirtschaftsund Volkswirtschaftslehre in Deutschland und Frankreich sammelte Tina Müller in den Kosmetikunternehmen L’Oréal Deutschland und Wella erste Berufserfahrungen in der Markenartikelindustrie. 1995 ging sie als Produktmanagerin im internationalen Marketing zur Henkel KGaA. Ende der 90er Jahre betreute sie als Marketingmanagerin das weltweite Henkel Haarpflege- und Haarfärbegeschäft unter der Dachmarke Schwarzkopf. 2002 wurde sie Marketingdirektorin des italienischen Henkel-Kosmetikgeschäfts. 2004 kehrte sie in die Zentrale in DeutschKapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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land zurück und verantwortete als Corporate Vice President das weltweite HenkelHaargeschäft. 2006 wurde sie Mitglied des Direktoriums. Zusätzlich zum globalen Haargeschäft führt sie seitdem als Corporate Senior Vice President auch das internationale Gesichts- und Mundpflegegeschäft des Konzerns. Damit trägt sie Verantwortung für die mit einem Umsatz von 1,7 Milliarden Euro größte Henkel-Einzelmarke Schwarzkopf, die Hautpflegemarke Diadermine und die Mundpflegemarke Theramed.

Welchen Stellenwert hat das Marketing in Ihrem Unternehmen und woran machen Sie dies fest? Marketing ist bei Henkel organisatorisch weit oben aufgehängt. Es gibt zum Beispiel ein Cosmetic Marketing Committee auf Executive-Ebene. Das zeigt den sehr hohen Stellenwert, der vor allem für die Geschäftsbereiche Kosmetik sowie Wasch- und Reinigungsmittel gilt. Denn im Markenartikelgeschäft stellen die Marke und ihre Innovationen den wichtigsten Umsatztreiber dar. Interessant ist, dass man bei Henkel Consumer- und Business-to-Business-Marketing gleichermaßen lernen und umsetzen kann. Diese Möglichkeit bietet kaum ein Unternehmen. Vor welchen Herausforderungen stehen Marketeers heute und was folgt daraus für das Anforderungsprofil des Marketeers? Marketing ist heute ein Multitasking-Job, der alle Disziplinen vereint. Zum Anforderungsprofil gehören unternehmerische Kompetenzen, analytische Fähigkeiten, strategisches und konzeptionelles Denken genauso wie Kreativität und eine Affinität zum Markt, zur Kategorie und zur Unternehmenskultur. Außerdem sind Überzeugungskraft, Durchsetzungsvermögen sowie Flexibilität sehr wichtig. Es ist schwierig, jemanden zu finden, der das komplette Profil abdeckt. Vielleicht ist es in einem Markt wie Kosmetik besonders schwer, weil hier zusätzlich ein gewisses Gefühl für die Kategorie benötigt wird: Der erfolgreiche Marketeer muss beurteilen können, was schöne Haare sind, ob ein Model modisch genug gestylt ist und Ähnliches mehr. Dies sind Dinge, die man nur schwer erlernen kann. Deshalb glaube ich, dass das Marketingprofil, nach dem wir hier alle suchen, einen Mix von Kompetenzen umfasst: die eines operativen General Managers und die eines ausgesprochenen Marketingspezialisten. Beides würde ich gerne immer zusammen sehen. Für die Ebene eines Internationalen Marketing-Direktors oder Vice President wäre jemand ideal, der heute schon General Manager sein könnte, der einen Sinn für das operative Geschäft, für die P&L und für Machbarkeit mitbringt. Gleichzeitig müsste er in der Lage sein, eine Vision für die Marke, einen Top Marketing-Mix, ein Top-Design, eine erstklassige Kommunikation zu entwickeln und

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das Ganze auch noch mit einem Händchen für „Beauty“ umzusetzen. Wenn ich mir jemanden backen könnte, wäre dies das Modell. Das Problem ist, dass ich häufig das eine oder das andere finde. Den Marketeers, die etwas vom operativen Geschäft verstehen, fehlen teilweise die Erfahrung im Aufbau der richtigen Markenstrategie sowie der Blick für gutes Design und das Gefühl für Trends. Andere, die konzeptionell sehr stark sind und Visionen für die Marke entwerfen können, haben eventuell Schwierigkeiten, wenn es etwa um Projektmanagement, Finanzkalkulation oder die Beurteilung von Absatzchancen geht. Nötig ist aber beides, die operative Orientierung und das strategische Gefühl für Marke und Marketing. Was macht Marketing im Unternehmen zu einer schwierigen, ja gefährlichen Funktion? Schwierig kann es werden, wenn man im Marketing zu eng aufgestellt ist und zu weit weg vom Geschäft – vor allem vom Vertrieb und den operativen Landesstrukturen – agiert. Eine Herausforderung liegt außerdem darin, dass das Marketing heute gerade auch in Krisenphasen gefordert ist. Kritisch kann es in einer Unternehmenskultur werden, die hauptsächlich auf Kostenreduktion setzt und die Media- und Marketingbudgets beschneidet, weil sie glaubt, damit langfristig erfolgreich zu sein. Und schließlich kann die Rekrutierung fähiger Leute zum Problem werden, wenn das Unternehmen für Marketeers keine Karrierewege bis ins Top-Management bietet. Für welche Aufgabenbereiche sind Sie selbst verantwortlich? Ich leite drei von vier strategischen Geschäftseinheiten im Endverbrauchergeschäft: die Haarkosmetik, unser größtes Geschäft mit der mit 1,7 Milliarden Euro Umsatz größten Henkel-Marke Schwarzkopf. Dann die kleineren, hochprofitablen Bereiche Gesichtspflege und Mundpflege. Darüber hinaus trage ich die gesamte internationale P&L-Verantwortung. In meinen Händen liegt auch die Beeinflussung des Länderportfolios mit Marketingaktivitäten und Media-Investments sowie die Entwicklung des weltweiten Marketingmix aller internationalen Henkel-Kosmetikmarken der drei Bereiche. Wie definieren Sie die Rolle des Marketings? Das Marketing ist für mich der Treiber des Geschäfts und des zukünftigen Wachstums eines Markenartiklers. Seine Aufgabe ist es, mithilfe einer geeigneten Marken- und Portfoliopolitik für eine nachhaltige Erwirtschaftung der Zielrendite zu sorgen. Außerdem treibt das Marketing die Internationalisierung des Geschäfts

Kapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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voran und trägt durch die Steigerung des Markenwerts dazu bei, den Unternehmenswert zu erhöhen. Wie lässt sich die Effektivität von Marketing messen? Welche Messgrößen benutzen Sie, um den Erfolg Ihrer Maßnahmen zu dokumentieren? Meine persönliche Leistung wird am organischen Umsatz – das heißt am Umsatz ohne Währungskurseffekte – gemessen, außerdem am Deckungsbeitrag 1 und 2 sowie an Kosteneinsparungen. Bei Letzteren ist der Maßstab allerdings nicht allein die Entwicklung der Herstellungskosten, sondern es sind auch die Zielvorgaben bestimmter Projekte zur Kosteneinsparung, an denen ich beteiligt bin. Auch Innovationskennzahlen werden als Messgrößen herangezogen. Wir messen natürlich, wie viel Umsatz wir innerhalb eines bestimmten Zeitraums mit neuen Produkten gemacht haben. Das allein reicht aber nicht aus, um zu beurteilen, ob die Innovationen sich auch erfolgreich am Markt durchgesetzt haben. Hier ist der Marktanteil die entscheidende Kennzahl. Wesentlich wichtiger ist jedoch für mich der Markenwert. Wir haben zum Beispiel kürzlich eine Schwarzkopf-Imagestudie in Deutschland, Frankreich und Russland durchgeführt, die wir regelmäßig wiederholen werden. An deren Ergebnissen werde ich ebenfalls gemessen: Hat sich das Image verbessert? Und in welchen Punkten soll es sich weiter verbessern? Das sind meine Key-Messgrößen für den Erfolg. Daneben berechnen wir auch den Wert der Innovations-Pipeline. Das ist allerdings keine Stellgröße, die in meine persönliche Beurteilung einfließt. Was tun Sie, um dem Marketing zu einer starken Stellung im Unternehmen zu verhelfen? Wir tun eine Menge, um Henkel zu einem Unternehmen zu machen, das für sein erfolgreiches Marketing bekannt ist. Deshalb ist jeder Award, jeder Vortrag doppelt wichtig: einmal für Henkels Image als Marketing-Company nach außen und zum Zweiten für den Stellenwert des Marketings im Unternehmen. Für die Marke Schwarzkopf wurden wir 2009 mit dem deutschen Marketingpreis ausgezeichnet. Diese Auszeichnung hat nicht zuletzt für die Rekrutierung auf dem Arbeitsmarkt und an Universitäten eine große Bedeutung. Je mehr Marketing wir auch intern für Erfolgsmarken wie zum Beispiel Schwarzkopf machen, desto mehr stärken wir die Position des Marketings im Unternehmen. Wenn man will, dass das Marketing einen hohen Stellenwert hat, muss man Erfolge nicht nur extern, sondern auch intern aktiv verkaufen.

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Ist das Marketing bei Henkel auf Vorstandsebene präsent? Gibt es einen CMO? Marketing ist im Consumer-Bereich extrem wichtig. Wir haben mit der Marke „Henkel“ und allem, was wir rund um die Marke an Marketing und Kommunikation betreiben, bereits eine starke Herstellerkompetenz zusätzlich zu den Dachmarken. Was konkret mein Geschäft, den Kosmetikbereich, betrifft: Wir haben bei Henkel insgesamt eine Spartenorganisation. Es gibt also zum Beispiel keinen Markenvorstand wie etwa bei anderen Unternehmen. Bei uns existieren Sparten wie Kosmetik und Waschmittel eigenständig nebeneinander. Aus diesem Grund ist unser Marketing nicht direkt auf Vorstandsebene, sondern eine Ebene darunter angesiedelt. In jedem Fall ist Marketing vom Entscheidungsprozess her Chefsache und deshalb – gewissermaßen als „gefühlte Verantwortung“ – sehr hoch beim Vorstand angesiedelt. Ausschlaggebend sind letztendlich die Entscheidungsmeetings. Dort entscheidet der Kosmetikvorstand zusammen mit den Leitern der strategischen Geschäftseinheiten und Regionen, dem Produktions- und Forschungsleiter sowie dem Finanzchef jede größere Einführung, jeden bedeutenden Relaunch und jede tiefgreifende Änderung im Sinne unseres Marketingportfolios oder unserer Gesamtstrategie. Aus welchen Branchen oder Unternehmen kommen Ihre besten Marketeers in der Regel? Die besten Marketeers für den Henkel Konsumgüterbereich kommen zum einen – nach entsprechender Ausbildung und Coaching – aus unserem eigenen Haus und zum anderen aus anderen Unternehmen im „Fast Moving Consumer Goods“Bereich. Wenn Sie einmal zurückschauen, was waren die Erfolgsfaktoren für Ihre Karriere? Es waren zunächst vor allem konzeptionelle Stärken, etwa Ideen, wie sich das Geschäft weiterentwickeln, der Marktanteil von Marken wie Schwarzkopf durch erfolgreiche Innovationen steigern und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen lässt. Um solche Ideen zu entwickeln, braucht man ein Gefühl für den Markt, die Kategorie und die Marke. Darüber hinaus lag meine Stärke immer in der Umsetzung des Marketing-Mixes hinsichtlich Design, Kommunikation und Beauty Appeal. Eine Marke wie Schwarzkopf braucht eine konsistente und weltweit definierte ästhetische Beauty-Kompetenz. Diese kann nicht an die Marktforschung delegiert oder demokratisch entschieden werden. Insofern ist Marketing für mich eine Kombination aus Analytik und unternehmerischem Gefühl. Die Wettbewerber haben natürlich oft ähnliche Ideen. Am Ende zählt dann das bessere Produkt, der bessere Support und Ähnliches mehr. Das muss man einfach jeden Tag von Neuem erreichen. Kapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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Ich habe nach dem Studium den Grundstock meiner Karriere im konzeptionellen und strategischen internationalen Marketing gelegt. Danach habe ich mir die unverzichtbaren operativen Kompetenzen sowie Finanz- und Controllingkenntnisse in der operativen Funktion in einer Auslandsfiliale aufgebaut. Natürlich geht es auch anders herum, aber ich halte den Weg aus dem operativen ins strategische Marketing für sinnvoller, und so praktizieren wir es auch aktuell bei Henkel. Ich glaube, dass der spätere Karriereweg sehr wohl vom Marketing ausgehend ins General Management führen kann, aber nur, wenn zuvor bereits operative Erfahrungen gemacht wurden. Generell würde ich sagen, dass konzeptionelle Stärke ein entscheidender Erfolgsfaktor im Marketing ist. Man braucht ein Gefühl für die Erfolgsrezepte von morgen, für die passenden Innovationen für einen Markt. Außerdem sollte man stark sein in der Marketingumsetzung. Ein guter Marketeer muss auch über ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten und über Ausdauer und Durchsetzungsvermögen verfügen. Nur so kann er neue Ansätze intern durchbringen. Da gilt es Stärke zu zeigen, dranzubleiben und immer wieder Druck zu machen. Wichtig sind auch Flexibilität und Mobilität. Wenn Sie global tätig werden wollen, müssen Sie auch mal im Ausland gewesen sein. Ich habe zum Beispiel eine Zeit lang das komplette Kosmetikmarketing in Italien verantwortet und operativ gearbeitet, habe Promotions entwickelt und mit dem Vertrieb diskutiert – so etwas gehört dazu, damit man weiß, wie es geht. Und schließlich muss man lernfähig sein. Jeder produziert auch mal einen Flop. Wichtig ist, daraus zu lernen und denselben Fehler nicht noch einmal zu machen. Man sollte annehmen, dass es eine starke Frauenmacht im Marketing gibt. Ist das so? Oder ist das Marketing eine Männerwelt, in der sich weibliche Führungskräfte anpassen müssen? Ich war auf meiner Ebene längere Zeit die einzige Frau. Wenn man so hoch aufsteigt, gelangt man tatsächlich in eine recht homogene Männerwelt, und dort ist es wichtig, sich ein wenig auf das Adaptieren eines Stils einzulassen, ohne seinen persönlichen Stil zu verlieren. Es hilft ja nichts, wenn andere über mich denken: Wie ist die denn? Und ich umgekehrt denke: Wie sind die denn? Man muss zusammenkommen und sich Akzeptanz verschaffen. In der Anfangsphase hat es mir gutgetan, mich eher rational zu geben und mich auf die Erfolge im Job zu konzentrieren. Denn die schaffen Akzeptanz, und daraus entsteht ein wesentlich größerer Handlungsspielraum und Gestaltungsfreiraum für neue Ideen, Sichtweisen und ein Verhalten, das vielleicht etwas von der Homogenität des männlich dominierten Kreises abweicht. Die verbreitete Annahme, dass Frauen doppelt so viel leisten müssen, kann ich aber nicht bestätigen.

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Auf meiner Ebene sind wir heute bei Henkel weltweit rund 30 Personen, darunter zwei Frauen. Damit ist kein Gegengewicht zu bilden. Die Männer haben durchaus eine härtere Art und Weise, sich zu behaupten und durchzusetzen. Es kann dazu kommen, dass Sie nach diesen Regeln auch mal zurückschlagen und riskieren müssen, dass Sie als für eine Frau zu „tough“ eingeschätzt werden. Wenn Sie sich aber nicht wehren, werden Sie nicht ernst genommen. Welche fachliche und persönliche Qualifikation bewerten Sie allgemein als besonders wichtig, um eine Marketingführungsposition einzunehmen? Neben den genannten Kompetenzen sind betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse unerlässlich, ebenso wie Kenntnisse angrenzender Wissenschaften. Eine wichtige persönliche Qualifikation ist für mich außerdem Weltoffenheit. Angenommen, Sie könnten die Fähigkeiten Ihres Marketingteams um eine Stufe erhöhen: Welches andere Verhalten, welche neuen Fähigkeiten würden Sie sich wünschen? Zuallererst würde ich mir wünschen, noch näher am Konsumenten zu sein, noch mehr über ihn zu wissen. Besonders wichtig scheint mir, dass wir in unserer sich rasant verändernden Welt mit der Entwicklung der Medien mithalten. Da wir alle nicht mehr 18 sind, befürchte ich, dass wir leicht den Draht zur Jugend und zu dem, was in dieser Zielgruppe mit neuen Medien passiert, verlieren könnten. Die jungen Leute gehen anders mit den Medien um, als wir das noch tun. Wir dürfen den Anschluss nicht verlieren, sonst sind wir dort ganz schnell mit unseren jung positionierten Marken draußen. Hier straucheln auch viele Agenturen. Gerade die beginnende digitale Entwicklung ist eine große Herausforderung für uns. Ich glaube, dass wir darauf noch nicht optimal vorbereitet sind. Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg? Bei diesem Thema bin ich ganz pragmatisch. Ich messe meinen Erfolg selbst auch an den Kennzahlen, an denen ich gemessen werde: Erfolgreich bin ich, wenn die Zahlen stimmen, die Marktanteile steigen und das Team einen guten Job gemacht hat. Ein schöner Moment ist auch, wenn ich samstags beim Einkaufen ins Regal schaue und feststelle, das die Produkte gut platziert sind und gut aussehen. Es macht mich stolz, meine Marken und Produkte in jedem Land im Handel zu finden und sie guten Gewissens empfehlen zu können. Ich brauche gewissermaßen etwas zum Anfassen – für eine Dienstleistung würde ich weniger gern Marketing machen. Erfolg bedeutet für mich außerdem, dass meine Mitarbeiter gut ausgebildet werden, sich weiterentwickeln und durch ihre Erfolge im Unternehmen Karriere machen. Zum Erfolg gehört auch, dass uns das, was wir als Team tun, jeden Tag Kapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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aufs Neue begeistert. Wir haben zum Beispiel gerade eine neue Haarpflegemarke in Friseurqualität eingeführt, die es auch im Supermarkt zu einem günstigen Preis gibt. Syoss ist die erste professionelle Haarpflege, die sich jeder leisten kann. Das Konzept kommt im Markt so gut an, dass wir schon nach kürzester Zeit einen sehr hohen Marktanteil generieren konnten und Henkel damit zum Marktführer im deutschen Haarpflegebereich gemacht haben. Wie unterscheidet sich die typische Karriere eines Marketeers von der anderer Funktionen im Unternehmen? Wer als Marketeer bei uns Karriere machen will, braucht ganz sicher viel Flexibilität und Mobilität und muss mit einer kürzeren Verweildauer im einzelnen Job rechnen. Hinzu kommt, dass Marketeers bei Henkel stark auf das allgemeine Geschäft ausgerichtet, also breit aufgestellt sein müssen. Bei mir im Team gibt es eine Reihe von Marketingdirektoren. Auf diesen Positionen haben Sie mehrere Möglichkeiten: Sie können die Marketingkarriere weiter verfolgen, als Vice President Marketing noch mehr Verantwortung übernehmen und schließlich in meinem Job als Corporate Senior Vice President ankommen. Oder aber Sie entscheiden sich für den Weg des General Managers. In dieser Position übernehmen Sie dann erst in einem kleinen, dann in einem großen Land Verantwortung und können am Ende als Corporate Senior Vice President verschiedene Regionen verantworten. Es gibt selten Leute, die vom Marketing in die Forschung oder in den Finanzbereich wechseln. Für die Position eines General Managers sind Marketeers dagegen gut geeignet, weil sie ein Gefühl für die Marken, das Portfolio und das Geschäft haben. In welcher Hinsicht finden Sie Marketeers im Vergleich zu anderen Funktionen stärker, in welcher schwächer? Marketeers haben meiner Meinung nach den Vorteil, dass sie breiter aufgestellt sind und dies – gerade wenn sie Talent für das General Management haben – weiter ausbauen können. Sie sind schnell, kreativ und stark in Konzeption und Strategie. Ich denke, sie sind auch flexibel und von ihrer Haltung her kommunikativ weltoffen und mobil. Das „Job-Hopping“ ist bei ihnen stärker ausgeprägt. Bei Henkel versuchen wir, die Verweildauer auf einer Marke signifikant auszudehnen, denn Erfahrung und Wissen über die Marke sind ein entscheidender Faktor für steigende Marktanteile. Nachteilig scheint mir, wenn Marketeers manchmal von allem etwas können, aber nichts richtig profund. Was kann einen Marketeer die Karriere kosten? Gibt es so etwas wie „Killerkriterien“?

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Ja. Hierzu gehört zum Beispiel mangelnde Lernfähigkeit, die sich zeigt, wenn Marketeers Fehler wiederholen und Flops in Serie produzieren. Auch fehlende Mobilität, also völlige Unbeweglichkeit, ist ein Killerkriterium, etwa wenn jemand nicht bereit ist, ins Ausland zu gehen oder in eine andere Funktion oder Abteilung zu wechseln. Außerdem können natürlich regelwidriges Verhalten und schlechte Ergebnisse eine Karriere beenden. Welche Marketingpositionen sind manchmal Abstellgleise, welche öffnen Wege zu Höherem? Bei uns macht die Position wirklich keinen Unterschied. Ob Sie Karriere auf einer kleinen oder einer großen Marke machen, auf einer wichtigen oder einer weniger wichtigen Marke, darauf kommt es eigentlich nicht an. Ihre Ziele werden ja immer adäquat gesteckt. In meiner Abteilung versuche ich, den Leuten ein Portfolio zu geben, das es ihnen erlaubt, alles zu zeigen, was sie können. Ich würde nie jemandem nur eine B-Marke geben, sondern immer eine gute Mischung. Bei Auslandseinsätzen machen wir einen Unterschied und folgen einer klaren Regel: Wir schicken nur die High Potentials in ein anderes Land. Solche Einsätze sind ein großes Investment, und die Mitarbeiter sollen davon für den weiteren Karriereweg auch profitieren. Im Unternehmensbereich Kosmetik beginnen Sie zum Beispiel immer im nationalen Marketing. So praktizieren wir das seit zwei Jahren. Wenn Sie bei mir im internationalen Bereich anfangen wollen, müssen Sie also erst einmal operativ gearbeitet haben. Erst dann steht Ihnen der Weg in die zentralen strategischen Business-Einheiten in den Headquarters offen. Einige Senior Marketeers entwickeln sich in die Rolle des General Managers oder des CEOs. Welche Karriereschritte sind aus Ihrer Sicht hierfür erforderlich? Sie brauchen auf jeden Fall strategische und operative Erfahrung, ob im Marketing oder in einer anderen Funktion. Viele unserer General Manager kommen aus dem Marketingbereich. Wir haben aber auch General Manager, die aus dem Vertrieb stammen. Welche nationalen oder internationalen Senior Marketeers bewundern Sie oder sehen Sie als Benchmark an und warum? Ich bewundere niemanden persönlich, zumal man selten genau weiß, ob nun tatsächlich diese oder jene Person für eine Leistung verantwortlich war. Aber es gibt schon einige Marketingleistungen, die mir imponieren. Dazu gehört zum Beispiel aktuell „Nespresso“: Das ist ein perfektes Beispiel dafür, wie gutes Marketing gemacht wird.

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Welche Fähigkeiten werden für Marketeers künftig wichtiger, auch im Blick auf die globale Wirtschaftskrise? Sie müssen gut aufgestellt sein, um den Bezug zu ihrer Zielgruppe nicht zu verlieren. Das bedeutet vor allem, dass sie über die Mediengewohnheiten der jungen Generation Bescheid wissen und sich mit den Medien von morgen auskennen. Was sie sicherlich auch brauchen, ist geistige Beweglichkeit und ein ganzheitliches Denken. Das Marketing wird sich zweifellos verändern. Aber auch in Zukunft gibt es zum Marketing keine Alternative. Ohne Marketing ist im Markenartikelgeschäft kein Erfolg zu erzielen. Die Menschen – das wissen wir aus der Hirnforschung – brauchen so etwas wie einen Anker, der ein Produkt automatisch mit bestimmten Informationen verbindet und sie bei der Produktwahl entlastet. Deswegen sind die Marken so stark – und werden es auch in Zukunft bleiben. Wie entwickelt sich die Marketingfunktion in Ihrem Unternehmen weiter? Die Marketingfunktion ist und bleibt der Wachstumstreiber für das Geschäft. Deshalb wird sich aus meiner Sicht an den Grundfesten nichts ändern. Verändern wird sich dagegen das Kompetenzfeld der Marketeers. Wir müssen uns auf ein neues Medienverhalten, auf eine weitere Erstarkung von Handelsmarken und auf wirtschaftlich angespannte Zeiten einstellen und entsprechend reagieren. Das Wichtigste ist, dass die Inhaber der Marketingfunktion sich schnell und aktiv an diese Realitäten anpassen und darin Wachstumschancen für das Unternehmen identifizieren.

„Marketing ist bei uns eine Art Primus inter Pares“ Michael Gyssler, CMO der Mammut Sports Group Karriereweg: Nach dem Studium in Basel und früher IT- und Finanzerfahrung kam Michael Gyssler als Produktmanager zu Beiersdorf und der Marke Nivea. Bei Beiersdorf in der Schweiz lernte er die ganze Breite des Marketings kennen, auch das internationale Konzerngefüge und erfuhr, was man bei einer Marke verändern darf und was nicht. Er betreute Pionierideen wie das Nachfüllkonzept und die Einführung von Produkten für die ältere Haut und vervollständigte sein Marketing- und Vertriebsportfolio mit einer Stelle im Key Account Management. Michael Gyssler wollte weiterhin für starke Marken arbeiten und wechselte zum Funktionswäschespezialisten Odlo, wo er den Bereich Produktentwicklung/Design übernahm und gleichzeitig wertvolle Führungserfahrung sammelte. Nach dem Wechsel zur Mammut Sports Group übernahm er zunächst den Export und seit 2006 als CMO die Marketingleitung des Unternehmens.

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Welchen Stellenwert hat das Marketing in Ihrem Unternehmen und woran machen Sie dies fest? Der Stellenwert des Marketings ist bei der Mammut Sports Group sehr hoch. Marketing ist das persönliche Steckenpferd des CEOs – das hilft. Ich mache den großen Stellenwert an der immensen Verantwortung fest, die mein Bereich trägt, und an der Art, wie Prozesse hier ablaufen. Marketing umfasst bei uns nebst der Kommunikation auch das Produktmanagement sowie die Entwicklung und ist dadurch schon am Anfang des Prozesses involviert. Vor welchen Herausforderungen stehen Marketeers heute und was folgt daraus für ihre Funktion? Ich sehe generell drei Herausforderungen, die man eben auch bei Mammut erkennen kann: 1. Die kommunikative Seite: Hier liegt die große Herausforderung im Paradigmenwechsel bei den Medien. Um am Ball zu bleiben, muss man sich komplett neu aufstellen. Dies beinhaltet die Frage, welche Kompetenzen man selbst braucht und welche man outsourcen kann. Es beinhaltet auch einen edukativen Aspekt – als Jüngster in der Geschäftsführung muss ich die Geschäftsführung zum Beispiel vom Medium der Brand Communities überzeugen und Beispiele für Flickr, Facebook etc. zeigen. 2. Die produktseitige Innovation: Fragen betreffen hier die Auswahl und die angebotene Breite der eingesetzten Technologien sowie das Innovationsmanagement. Wir haben hierfür zum Beispiel zwei Innovationsmanager eingestellt, die als Textilingenieur und Maschinenbauer unterschiedliche fachliche Hintergründe mitbringen. 3. Markenführung: Hier wird im Markt generell noch sehr viel Unfug getrieben. Ich erachte strategische Markenführung als meine wichtigste Aufgabe. Als Anbieter von Markenartikeln müssen wir den Vorsprung gegenüber Handelsmarken bewusst verteidigen und in den Markenaufbau investieren. Wir erhalten sehr viele Anfragen, wie wir die Markenführung betreiben, und versuchen diesem Thema mit ausgewählten Best-Practice-Veranstaltungen zu begegnen, zum Beispiel gemeinsam mit der ZfU (eine private Schweizer Management-Weiterbildungsinstitution; Anm. der Autoren) oder der Schweizer Management Gesellschaft. Was macht Marketing im Vergleich zu anderen Funktionen im Unternehmen zu einer „schwierigen“ und „gefährlichen“ Funktion?

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Grundsätzlich ist im Marketing die Messbarkeit schwierig. Selbst bei uns wird Marketing manchmal noch als die „Abteilung mit den schöngeistigen Projekten“ gesehen. Für welche Aufgabenbereiche sind Sie selbst verantwortlich? Bei mir im Marketing sind die Produktentwicklung, das Design, Marketing, Markenführung, Corporate Social Responsibility und alles rund um Intellectual Property, also Markenrechte, angesiedelt. Welche Zuständigkeiten hätten Sie gerne bei sich, die heute einem anderen Bereich zugeordnet ist? Es besteht kein Bedarf zur Erweiterung im Marketing. Gerne würden wir den Ausbau des Vertriebsteams pushen und überlegen uns derzeit den Aufbau eines Category Management, einer Vertriebsfunktion mit Produktausrichtung und Schnittstelle zum Marketing. Wie definieren Sie die Rolle des Marketings? Marketing ist die Drehscheibe der Firma – Produkt- und Dienstleistungsbegleiter von der Geburt bis zum Tod, das heißt von der Innovation bis zur Devestitionsentscheidung. Wie lässt sich die Effektivität von Marketing messen? Welche Messgrößen benutzen Sie, um den Erfolg Ihrer Maßnahmen zu dokumentieren? Bei den Online-Medien können wir das schon ganz gut, aber insgesamt sind wir zum Thema Messbarkeit des Marketings noch zu schwach aufgestellt. Grund ist, dass es kaum bestehende Marktzahlen gibt und wir sehr zurückhaltend sind bei Marktstudien, das ist aber ein Branchenphänomen. Wie zufrieden sind Sie damit? Noch gar nicht, siehe oben. Was tun Sie, um dem Marketing zu einer starken Stellung im Unternehmen zu verhelfen? Marketing ist bei uns die wichtigste Funktion im Unternehmen, von daher ist keine weitere Anstrengung mehr nötig. Wenn Sie einmal zurückschauen, was waren die fachlichen und persönlichen Erfolgsfaktoren für Ihre Karriere?

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Ein fachlicher Erfolgsfaktor war sicherlich die generalistische Ausbildung vor dieser Position. Also die operative Vertriebserfahrung, um nicht nur schöngeistige Konzepte zu entwerfen. Und auch die Erfahrung bei Odlo in der Produktentwicklung, denn das reine Adaptionsmarketing bei Beiersdorf hätte für Mammut sicher nicht gereicht. Hier muss man Kundenbedürfnisse erkennen, Technologien überwachen, Forschung & Entwicklung briefen – da ist ein generalistischer Hintergrund sehr hilfreich. Ein persönlicher Erfolgsfaktor ist eventuell mein Führungsansatz – dass ich auf mein Team baue und es aufbaue, die Teammitglieder zum Zuge kommen lasse und mich nicht in den Vordergrund dränge. Welche fachliche und persönliche Qualifikation, welchen Hintergrund bewerten Sie als besonders wichtig, um eine Marketingführungsposition einzunehmen? Fachlich brauchen Sie einen guten Rucksack. Konkret bedeutet das: trotz Jugend Berufserfahrung und beruflichen Hunger – Mammut ist ein Sprungbrett für eine spätere Karriere außerhalb der Firma. Auf welche Kernkompetenzen legen Sie besonderen Wert? Soziale Kompetenz. Angenommen, Sie könnten die Fähigkeiten Ihres Marketingteams um eine Stufe erhöhen: Welches andere Verhalten, welche neuen Fähigkeiten würden Sie sich wünschen? Ich würde mir wünschen, dass die Teammitglieder noch mehr Verantwortung übernehmen. Denn die Geschäftsführung ist noch zu operativ tätig. Wir haben diesen Kulturprozess schon vor anderthalb Jahren eingeleitet und er wird von oben nach unten in die Firma getragen. Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg? Für mich bedeutet Erfolg, dass ich Spaß an der Arbeit habe und mit Freude zur Arbeit gehe. Ich bin kein Machtmensch, der 50 Leute in seinem Team braucht, von daher könnte ich mir theoretisch auch eine andere Position vorstellen. Aber die, die ich derzeit bekleide, ist meine absolute Wunsch- und Traumposition. Wie unterscheidet sich die typische Karriere eines Marketeers von der anderer Funktionen im Unternehmen? Ich glaube im Marketing gibt es mehr Menschen mit extremen „Zickzack-Lebensläufen“ und immer noch viele Quereinsteiger, obwohl man sich ja theoretisch früh auf Marketing spezialisieren kann. Marketing braucht vergleichsweise längeKapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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re Zeit, um sich zu beweisen und messbare Erfolge hervorzubringen. Bei Vertrieblern und Finanzlern geht das schneller, von daher dürften diese auch häufiger den Job wechseln. Wo finden Sie Marketeers im Vergleich zu anderen Funktionen stärker und wo schwächer als Vertreter anderer Funktionen? Marketeers sind bei Präsentationen und der Kommunikation stärker, verkaufen ihre Ideen gut. In der Umsetzung sind sie deutlich schwächer, also zum Beispiel bei der Beantwortung der Frage, was eine Idee bewirkt und was sie kostet. Was kann einen Marketeer die Karriere kosten? Gibt es so etwas wie „Killerkriterien“? Kulturell muss es einen guten Fit geben, denn Mammut hat diesbezüglich schon einen „speziellen Groove“. Je näher man am Produkt arbeitet, desto mehr Ahnung sollte man vom Bergsport haben. Ein absoluter Killer ist zu blenden, wobei es mancher Blender dank brillanter Rhetorik eine ganze Weile verstecken kann. Welche Marketingpositionen sind manchmal Abstellgleise, welche öffnen Wege zu Höherem? Klassische Abstellgleise haben wir nicht, die können wir uns gar nicht leisten. Historisch gab es eine Funktion, die des Brand & Product Development, die einmal als Abstellgleis angedacht war und sich nun zur Kaderschmiede und höchst strategischen Funktion entwickelt hat. Einige Senior Marketeers entwickeln sich in die Rolle des General Managers. Welche Karriereschritte sind aus Ihrer Sicht hierfür erforderlich? Marketing- und Vertriebserfahrung sind dafür zwingend. Aber unsere Tochtergesellschaften sind noch klein und brauchen eher einen nationalen Chef. Welche nationalen oder internationalen Senior Marketeers bewundern Sie oder sehen Sie als „Benchmark“ an und warum? An einen bestimmten CMO denke ich nicht, eher an die gesamte Funktion des Marketings. Hier finde ich Apple, Nespresso und andere Premiummarken interessant. Des Weiteren die Frage, wie man die Marke erlebbar macht, zum Beispiel überlegen wir, eine eigene Bergschule zu gründen, haben schon einige Kletterhallen und -steige und machen uns Gedanken, wie wir mit unserer Online-Community weiter umgehen.

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Wie entwickelt sich die Marketingfunktion in Ihrem Unternehmen weiter? Wie bei den Herausforderungen skizziert, werden wir uns kommunikativ weiterentwickeln, die Marke erlebbar machen und noch stärker inszenieren. Außerdem prüfen wir neue Geschäftsmodelle wie zum Beispiel die Idee einer Bergschule. Welche Persönlichkeitsmerkmale werden für Marketeers künftig wichtiger, auch im Hinblick auf die globale Wirtschaftskrise? Flexibilität und Offenheit sind derzeit zwingend nötig, man darf nicht verkrampft an seinen alten Programmen festhalten. Kostenbewusstsein sollte da sein und Verständnis, dass Budgets gekürzt werden.

„Es ist wichtig, den Status quo permanent in Frage zu stellen.“ Gerald Neumair, Vice President Chocolate Category Kraft Europe, Kraft Foods Karriereweg: Nach dem 1988 abgeschlossenen betriebswirtschaftlichen Studium an der Universität Innsbruck arbeitete Gerald Neumair zunächst als Brand Manager (Pralinés etc.) für die Mirabell GmbH in Salzburg, bevor er in die Jacobs-Suchard/Kraft Foods-Gruppe wechselte. Dort war er ab 1991 als Key Account Manager, später dann als Marketingmanager Milka/Mirabell tätig. Ab 1995 übernahm Neumair verschiedenste Marketing- und Sales-Positionen; 2001 wurde er Geschäftsführer für Kraft Foods Österreich, danach Vice President für South East Europe und später Vice President & Area Director für Deutschland, Österreich, Schweiz und Travel Retail. 2009 wechselte er zunächst in die Position des Vice President Chocolate Category Kraft Europe; inzwischen ist er Vice President Business Expansion Europe.

Welchen Stellenwert hat das Marketing in Ihrem Unternehmen und woran machen Sie dies fest? Marketing spielt eine zentrale, entscheidende Rolle bei Kraft. Vor welchen Herausforderungen stehen Marketeers heute und was folgt daraus für das Anforderungsprofil des Marketeers? Gerade in der Krise muss der Marketeer die Zeichen erkennen und mit Konsumdellen zurechtkommen. Hier gilt es, den Produktnutzen noch deutlicher darzustellen, um die Preis-Wert-Gleichung ganz klar zu gestalten. Dies bedeutet, noch schärfer mit den Modellen zu arbeiten. Gerade jetzt ist der Wettbewerb der Ideen noch mehr gefragt. Hinzu kommt die komplexere Welt – die Aufgabe von Marketeers ist Kapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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es ja, einfache Lösungen zu präsentieren. Konzipiert werden diese mit den richtigen Analysen. Die Dynamik ist noch stärker, Lebenszyklen noch kürzer. Der Marketeer muss Nutzen stiften und diesen relevanten Nutzen emotional kommunizieren. Was macht Marketing im Vergleich zu anderen Funktionen im Unternehmen zu einer „schwierigen“ und „gefährlichen“ Funktion? Es wird erwartet, zur richtigen Zeit die richtige Idee zu haben und eine Durststrecke richtig einzuschätzen. Beispiel Nachhaltigkeit: Dies ist kein Modethema, sondern sollte dauerhaft im Unternehmen verankert sein. Beispiel Energy Drink: Pepsi und Coke bekommen die PS jetzt schwer auf die Straße. Die Floprate sollte nicht zu groß sein, vor allem muss man daraus lernen. Beispiel Finanzdienstleistungsbereich: Marketing ist hier gefährlich, weil viele Dinge versprochen und nicht eingehalten wurden; dito im Gesundheits- und Wellness-Bereich, wo es viele grenzwertige Produkte gibt. Für welche Aufgabenbereiche sind Sie selbst verantwortlich? Category-Führung Süßwaren in Europa mit Ergebnisverantwortung. Welche Zuständigkeiten, die heute in einem anderen Bereich zugeordnet sind, hätten Sie gerne bei sich? Keine. Wie definieren Sie selbst die Rolle des Marketings? Marketing ist der unternehmens- und kategoriestrategisch wichtigste Bereich, der alle Themen vorantreibt. Von hier geht die Dynamik aus, hier werden Möglichkeiten und Chancen entwickelt. Es ist sozusagen das Innen- und Außenministerium des Unternehmens. Wie kann die Effektivität von Marketing am besten gemessen werden und welche Messgrößen benutzen Sie, um den Erfolg Ihrer Maßnahmen zu dokumentieren? Simple Dinge wie Akzeptanz beim Konsumenten (Share of Stomach, Marktanteil) sowie Umsatz- und Ergebnisentwicklung. Kraft Foods ist dabei sehr zahlenaffin und gründet viele Entscheidungen auf einer guten, soliden Analyse mit reichhaltigem Zahlenmaterial. Wenn Sie einmal zurückschauen, was waren die fachlichen und persönlichen Erfolgsfaktoren für Ihre Karriere?

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Ich hatte die Chance, nicht nur im Marketing, sondern auch im Bereich Verkauf tätig zu sein und damit nicht allein die konzeptionelle Sicht kennenzulernen, sondern am Shopfloor Erfahrungen zu sammeln – der Lebensmitteleinzelhandel hat eine ganz zentrale Bedeutung für den Erfolg eines Produkts. Ein weiterer Erfolgsfaktor war die Tätigkeit in verschiedenen Märkten, vor allem die Möglichkeit, dabei in bereits entwickelten und in sich entwickelnden Märkten zu arbeiten, die Themen rund um Marken und Handelsmarken kennenzulernen und erfolgreich Marken lancieren zu können. Das hat mir gezeigt, wie Konzepte auch in jungfräulichen Märkten funktionieren können und sollten. Auch kulturelle Themen werden so transparenter und differenzierter in der eigenen Betrachtung. Welche fachliche und persönliche Qualifikation, welchen Hintergrund bewerten Sie allgemein als besonders wichtig, um eine Marketingführungsposition einzunehmen? Es ist wichtig, den Status quo permanent in Frage zu stellen. Man muss ein SelfStarter sein und eine konstruktive Unzufriedenheit besitzen, um sich und die Kategorie ständig weiterzuentwickeln. Beispiel ist der Stürmer im Fußball oder der Leichtathlet, der besser werden will. Man muss Sportsgeist haben. Angenommen, Sie könnten die Fähigkeiten Ihres Marketingteams um eine Stufe erhöhen: Welches andere Verhalten, welche neuen Fähigkeiten würden Sie sich wünschen? Ich hätte gerne eine hungrigere Mannschaft, die nie zufrieden ist. Das permanente Nach-vorne-Peitschen ist dabei vonnöten. Darüber hinaus wünsche ich mir die Offenheit, auch in anderen Bereichen aktiv nach Neuem zu streben. Was bedeutet für Sie persönlich „Erfolg“? Die Antworten sind in verschiedenen Phasen andere. Wichtig ist für mich der Gleichklang zwischen Privat- und Berufsleben, nicht zuletzt mit Kindern. Dazu gehören aber auch die persönlichen Interessen, Sport und Freizeit. Eine Balance in allen Bereichen, also nie völlig am Limit zu sein. Wie unterscheidet sich die typische Karriere eines Marketeers von der in anderen Funktionen im Unternehmen? Die Verweildauer auf dieser Position ist häufig zu kurz. Die Erfolge und Lernerfahrungen werden oft nicht ausreichend ausgekostet. Idealerweise hat man jede Funktion eine gewisse Zeit inne, um aus den Erfahrungen zu lernen.

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In welcher Hinsicht finden Sie Marketeers im Vergleich zu anderen Funktionen stärker, in welcher schwächer? Das konzeptionelle, strategische Denken hat im Marketing mehr Bedeutung, etwa die Fähigkeit des Abstrahierens. Dazu kommt eine gewisse Hartnäckigkeit, die notwendig ist, um eine Strategie und Linie durchzusetzen. Standhaftigkeit muss aber mit der Sensibilität gepaart sein, Signale wahrzunehmen und ein Konzept auch im richtigen Moment zu ändern oder zu stoppen. Den richtigen Leuten zuzuhören und darauf zu reagieren ist dabei wesentlich. Die Mischung von all dem stellt eine große Herausforderung dar. Was kann einen Marketeer die Karriere kosten? Gibt es so etwas wie „Killerkriterien“? In Matrixorganisationen muss man im Sinne von „manage the paradox“ besonders wachsam sein, um die richtigen Hebel zu erkennen und zu drücken. Welche Marketingpositionen sind manchmal Abstellgleise, welche öffnen Wege zu Höherem? Generell schwer zu sagen. Eine vermeintlich unwichtige Kategorie kann unverhofft wieder in den Mittelpunkt rücken. Es hängt wie immer vom Einzelnen ab, wie er in der Lage ist, unter schwierigen Voraussetzungen Erfolge zu landen. Einige Senior Marketeers entwickeln sich in die Rolle des General Managers oder CEOs. Welche Karriereschritte sind hierfür aus Ihrer Sicht erforderlich? Ich glaube, dass man unterschiedliche Ländererfahrung haben und in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet haben sollte; vor allem in Marketing und Vertrieb, eventuell auch in der Marktentwicklung in neuen Ländern. Als General Manager hat man dort viele Chancen, die es in reifen Märkten nicht gibt. Neues Geschäft von Null aufzubauen ist eine der schwierigsten, jedoch auch erfüllendsten Aufgaben, die es im Management und als Marketeer gibt. Welche nationalen oder internationalen Senior Marketeers bewundern Sie oder betrachten Sie als Benchmark? Steve Jobs von Apple oder Mateschitz von Red Bull. Und im Einzelhandel – obwohl sie nicht die klassischen Marketeers sind – die deutsche Albrecht-Gruppe (Aldi) und Schwarz (Lidl) mit ihren glasklaren Konzepten, welche die Simplizität zum Prinzip erhoben haben. Wie entwickelt sich die Marketingfunktion in Ihrem Unternehmen weiter?

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Entscheidend bleibt der stetige Blick auf den Konsumenten, das Produkt, die Leistung und den Produktnutzen und natürlich die entsprechende Inszenierung bzw. emotionale und relevante Kommunikation.

„Starke Marketeers sehen ihre Marke als ihr Unternehmen im Unternehmen“ Veronika F. Rost, Global Category Director bei Reckitt Benckiser Karriereweg: Nach erfolgreichem betriebswirtschaftlichem Studium in London und Reutlingen ging Veronika Rost 1993 in die USA, um dort ihren MBA an der Wharton Business School der University of Pennsylvania zu machen. Nach der Rückkehr nach Deutschland stieg sie 1995 bei Procter & Gamble ein, wo sie insgesamt elf Jahre, zunächst als Brand Manager und später als Associate Marketing Director für verschiedene Produkte in Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich und Großbritannien tätig war. 2006 wechselte sie zu Reckitt Benckiser. Dort trug sie zunächst drei Jahre als Marketing Director Frankreich Verantwortung, bevor sie im März 2009 die Position des Global Category Director Veet & Denture übernahm.

Welchen Stellenwert hat das Marketing in Ihrem Unternehmen und woran machen Sie dies fest? Marketing ist bei Reckitt Benckiser eine Kernfunktion des Unternehmens und wird als General (Brand) Management betrachtet. Wir legen dabei den Fokus nicht nur auf die reinen klassischen Marketingaufgaben, sondern verstehen Marketing zum einen stark finanzlastig mit P&L-Verantwortung im Brand Management und zum anderen als eine Zentralfunktion der HQ-Matrixorganisation im Category Management. Dies wird nicht zuletzt daran ersichtlich, dass General Manager, Regional Vice Presidents und der CEO zum großen Teil aus dem Marketing kommen. Vor welchen Herausforderungen stehen Marketeers heute und was folgt daraus für das Anforderungsprofil des Marketeers? Die Herausforderungen für Marketeers sind vielfältig. Die Abläufe und Zuständigkeiten werden immer komplexer. Das Wettbewerbsumfeld ist international und bedarf dabei der globalen wie der lokalen Differenzierung. Gleichzeitig diversifizieren sich sowohl der Wettbewerb als auch die Zielgruppen in diesem internationalen Kontext. Auch die Diversifizierung der Medienlandschaft – einschließlich des Internets – stellt ganz neue, bislang ungekannte Anforderungen. Damit ergibt sich eine nie da gewesene Informationsfülle für den Kunden von heute – Wissen ist Macht. Die wachsende Veränderungsgeschwindigkeit des Geschäftsumfelds muss Kapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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im Entscheidungsprozess des Unternehmens reflektiert sein. Die Notwendigkeit, Entscheidungen schnell und manchmal mit begrenzten Zahlen und Daten zu treffen, wächst; dabei gilt: „Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung“. Auf der Handelsseite muss sich Reckitt Benckiser nicht nur von anderen Markenprodukten, sondern auch noch stärker von den Handelsmarken abgrenzen, die im Blick auf Funktionalität und Markenauftritt tendenziell näher an die Markenartikel heranrücken. Wir reagieren darauf durch eine starke Innovationspipeline, die uns als börsennotiertem Unternehmen langfristiges Wachstum und kurzfristige Geschäftsergebnisse garantiert. Nicht zuletzt erfordern die genannten Herausforderungen neue Marketingtalente, die wir langfristig an unser Unternehmen binden wollen. Was macht Marketing im Vergleich zu anderen Funktionen im Unternehmen zu einer „schwierigen“ und „gefährlichen“ Funktion? Das ist stark unternehmensabhängig. Die Marketingfunktion ist nur dann „gefährlich“, wenn Unternehmen keine klaren, messbaren Ziele vorgeben; oder wenn Marketing als Funktion betrachtet wird, die hauptsächlich Soft Skills und Intuition verlangt, die also irgendwie jeder kann. „Gefährlich“ ist zudem, wenn Marketing als letztes Glied in der Kette gesehen wird – zum Beispiel um die Erfindungen von R&D oder Engineering zu vermarkten und zu bewerben – anstatt den Prozess von der originären Ideenkreation bis zum Produktstart in Abstimmung mit den anderen Abteilungen zu führen. Für welche Aufgabenbereiche sind Sie selbst verantwortlich? Ich trage die globale Verantwortung für Personal Beauty Care (Veet, Steradent/ Kukident); dazu gehört unter anderem die Definition der globalen Wachstumsstrategie einschließlich der Priorisierung von Produkten, Zielgruppen, Märkten etc. und der Definition und Abstimmung der globalen finanziellen Ziele. Zusammen mit meinem multifunktionalen Team definiere und entwickle ich die globale Product Pipeline und Geschäftsinitiativen. Hinzu kommen markenrelevante Maßnahmen wie Kommunikationsstrategie, Kampagnenentwicklung, Agenturmanagement, Medienauswahl, Design, Bildsprache etc., die alle auf den Markenwert einzahlen und natürlich auch den Umsatz steigern. Die Zusammenarbeit mit den Ländern zur Umsetzung unseres globalen Erfolgsmodells hat zum Ziel, unsere Erfahrungen auszutauschen und erfolgreiche lokale Ideen schnell auch in anderen Ländern umzusetzen. Ich entwickle mit meinen Länderkollegen auch weltweit Markteintrittsszenarien für die Produktexpansion. All dies geschieht vor dem Hintergrund ständiger Kostenoptimierung – von Produkt bis Mediaplan – und des Budgetmanagements.

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Organisatorisch leite und koordiniere ich das globale, multifunktionale Category-Team aus dem globalen Headquarter heraus – Marketing, Finance, R&D, Marktforschung und Recht sowie Produktion/Vertrieb. Zudem arbeite ich regelmäßig in Brand Team-Meetings mit Repräsentanten aller Ländergruppen und Regionen, die oft als „Lead Countries“ zusammen mit meinem Team globale Initiativen erarbeiten. In meinen Bereich fallen Training und Personalentwicklung, Recruiting sowie spezielle Arbeitsgruppen zur Organisationsentwicklung. Welche Zuständigkeiten, die heute einem anderen Bereich zugeordnet sind, hätten Sie gerne bei sich? Keine, ich habe in meiner jetzigen Position eine umfassende Verantwortung. Der nächste Schritt ist dann Länderverantwortung als General Manager. Wie definieren Sie selbst die Rolle des Marketings? Marketing ist eine Kernfunktion des Unternehmens, verantwortlich für profitables Umsatzwachstum und Markenentwicklung. Wie kann die Effektivität von Marketing gemessen werden? Welche Messgrößen benutzen Sie, um den Erfolg Ihrer Maßnahmen zu dokumentieren? Unsere Messgrößen variieren leicht je nach lokaler oder globaler Rolle. Unter anderem betrachten wir Umsatz, Profit, Gross Margin, Marktanteile, Return on Investment und die Innovationspipeline. All diese Größen werden regelmäßig gemessen und bestimmen zum Großteil den flexiblen Gehaltsanteil. Wie zufrieden sind Sie damit? Ich bin damit zufrieden. Was tun Sie, um dem Marketing zu einer starken Stellung im Unternehmen zu verhelfen? Dazu sind bei uns keine zusätzlichen Anstrengungen nötig, aber wir müssen jeden Tag unseren Wert beweisen. Wenn Sie einmal zurückschauen, was waren die fachlichen und persönlichen Erfolgsfaktoren für Ihre Karriere? Die Basis ist eine gute Ausbildung – vom Abi über das Studium mit Praktika bis zu den ersten Arbeitgebern. Der Lebenslauf ist für Marketeers das ganz persönliche Marketingwerkzeug, in dem jedes Detail zählt. Für mich war wichtig, in jeder Position schon wie in der nächsten Hierarchiestufe zu arbeiten, das heißt immer Kapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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neue Aufgaben zu übernehmen und mich insgesamt einfach stark zu engagieren. Glück ist dabei ein relativer Faktor, der zum Tragen kommt, wenn optimale Vorbereitung auf die passende Gelegenheit trifft. Neben den fachlichen Fähigkeiten muss ein erfolgreicher Marketeer sich international aufstellen und in diesem Kontext echte Teamfähigkeit unter Beweis stellen, da Erfolge nicht als Einzelkämpferleistungen zu erzielen sind. Im Verlauf der Karriere werden Führungsstärke und Entscheidungsfähigkeit gefordert, gepaart mit Risikobereitschaft. Für Marketeers – und nicht nur für sie – ist eine echte Passion für das, was man tut, erforderlich. Nicht zuletzt sind Mentoren und ein stabiles Netzwerk innerhalb und außerhalb der eigenen Firma von großem Vorteil. Welche fachliche und persönliche Qualifikation, welchen Hintergrund bewerten Sie als besonders wichtig, um eine Marketingführungsposition einzunehmen? Auf persönlicher Ebene ist „Commitment“, also eine Leidenschaft für die verantworteten Aufgaben essenziell. Im Sinne der Karriereentwicklung helfen Erfahrungen sowohl in Kategorie- als auch Länderverantwortung. Bei Länderverantwortung ist es von Vorteil, in einem „Leadmarket“ tätig zu sein, um sowohl operational als auch strategisch zu arbeiten und globale Projekte mit zu bestimmen und/oder in einem Market mit großer Selbstbestimmtheit zu arbeiten, in dem man eigene Initiativen eigenständig entwickeln und einführen kann und sie nicht nur „exekutiert“. Meine Arbeit als Marketing Director Frankreich gab mir die Möglichkeit, sowohl europäische und globale Projekte für bestimmte Kategorien zu führen, als auch vollkommen eigenständig für lokale Marken oder solche mit geringer Zentralisierung tätig zu sein und mein Markenportfolio zu managen. Hinzu kommt meine Erfahrung in multifunktionalen Teams. Nach langer Kategorie-Erfahrung bei P&G und jetzt auch wieder bei Reckitt Benckiser ist stets eine enge Zusammenarbeit mit der Marktforschung, R&D oder der Produktion nötig. Lokal arbeitet man multifunktional natürlich mit starkem Fokus auf dem Vertrieb und den Handelspartnern. Kooperation mit Finanz ist immer wichtig. Angenommen, Sie könnten die Fähigkeiten Ihres Marketingteams um eine Stufe erhöhen: Welches andere Verhalten, welche neuen Fähigkeiten würden Sie sich wünschen? Die besten Marketingteams legen ein großes persönliches Verantwortungsgefühl für ihre Produkte, die Konsumenten und schließlich die Geschäftsergebnisse an den Tag, und Leidenschaft lässt sich nicht antrainieren. Was bedeutet für Sie persönlich „Erfolg“?

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Erfolg bedeutet für mich, meine Ziele zu übertreffen; daher sollte beruflicher Erfolg auch messbar sein. Ich möchte in Unternehmen und Positionen arbeiten, in denen klare Messgrößen für Erfolg definiert sind. Wie unterscheidet sich die typische Karriere eines Marketeers von der in anderen Funktionen im Unternehmen? Internationale Mobilität ist ein Muss; eine lediglich national orientierte Karriere wird an Grenzen stoßen. Die jeweiligen Positionen werden üblicherweise nach zwei bis drei Jahren gewechselt, was eine große Flexibilität voraussetzt. Für mich persönlich sind der Wechsel in das Headquarter und eine globale Funktion praktisch zwingend, um innerhalb von Reckitt lokal in einer Linienfunktion und global in einer Matrixposition Erfolge und Ergebnisse zu zeigen. Vor allem in Letzterer habe ich engen Kontakt zum Top-Management und CEO, da Reckitt Benckiser eine starke „Hands-on“-Kultur hat. Es ist wichtig, ein Netzwerk aufzubauen und Entscheidungsprozesse zu verstehen, zum Beispiel um anschließend als GM schneller und besser Entscheidungen herbeiführen zu können. In welcher Hinsicht finden Sie Marketeers im Vergleich zu anderen Funktionen stärker, in welcher schwächer? Das ist sehr unternehmensabhängig. Starke Marketeers sehen ihre Marke als ihr Unternehmen im Unternehmen und haben eine sehr unternehmerische Herangehensweise. Marketing hat eine schwächere Stellung im Unternehmen, wenn sein Leistungsbeitrag und Mehrwert nicht identifizierbar sind und nicht entsprechend honoriert und kommuniziert werden. Was kann einen Marketeer die Karriere kosten? Gibt es so etwas wie „Killerkriterien“? Auch dies ist meiner Ansicht nach unternehmensabhängig. Grundsätzlich sind schlechte Geschäftsergebnisse wenig karrierefördernd. Als Marketeer sollte man aus meiner Sicht Unternehmen suchen, in denen man echte „Accountability“ hat. Die Reckitt Benckiser-Kultur hilft in diesem Zusammenhang, da Reckitt Benckiser sehr zahlen- und ergebnisorientiert ist, sowohl in der lokalen als auch der globalen Organisation. In der globalen Matrixorganisation ist Erfolg auch von der Überzeugungsarbeit bei den Ländern abhängig, um Unterstützung für Ideen, Initiativen und Modelle für die Kategorie zu erhalten. Das Ergebnis ist also nicht nur von der eigentlichen Kernarbeit abhängig. Langfristig gilt es zudem teamfähig zu sein – Erfolg allein gibt es nicht.

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Welche Marketingpositionen sind manchmal „Abstellgleise“, welche öffnen Wege zu „Höherem“? In jedem Unternehmen herrschen andere Verhältnisse. Wesentlich ist für mich die unmittelbare Verantwortung für das Geschäftsergebnis, das mit den Marketingmaßnahmen in der jeweiligen Produktgruppe beeinflusst werden kann. Einige Senior Marketeers entwickeln sich in die Rolle des General Managers oder CEOs. Welche Karriereschritte sind hierfür aus Ihrer Sicht erforderlich? Essenziell sind Erfahrungen in und mit allen Funktionen, innerhalb des Marketings und außerhalb. Ich rate zu einer sehr bewussten Wahl der Firma. Auch die Führungskultur ist entscheidend. Techniklastige oder konsumentenferne Industrien können kritisch sein, da Marketing dort keine Leitfunktion ist und die Unternehmenskultur Marketing manchmal als reine Supportfunktion oder als Werbeabteilung wahrnimmt. Welche nationalen oder internationalen Senior Marketeers bewundern Sie oder betrachten Sie als Benchmark? Mich beeindrucken Unternehmen und Unternehmer, die in einem CommodityMarkt eine Marke etablieren (z. B. Starbucks-Kaffee, iPod-MP3-Player) oder eine neue Kategorie erschaffen und Konsumentenbedarf wecken (z. B. Innocent Smoothies, Red Bull Energy Drink). Die Herausforderung ist dann das langfristige Überleben, wenn der Wettbewerb anzieht und/oder das erste Erfolgsmodell wirklich expandiert. Außerdem beeindrucken mich Unternehmen, die eine Marke komplett neu positionieren und ihr so zu neuem Glanz verhelfen (z. B. MINI, Axe). Wie entwickelt sich die Marketingfunktion in Ihrem Unternehmen weiter? Sie ist und bleibt eine Kernfunktion. Welche Fähigkeiten werden für Marketeers zukünftig wichtiger, auch im Hinblick auf die globale Wirtschaftskrise? Ich würde drei Aspekte nennen: Zunächst weltweite Mobilität, da in den meisten Unternehmen eine längere Erfahrung im Headquarter oder in einer Landesgesellschaft zwingend notwendig sind. Neben dem Marketingwerkzeug gehört auch ein Verständnis für Finanzen dazu, da sich Marketing mehr und mehr mit unternehmensweiten Bereichen vernetzt und die wesentlichen Steuerungsgrößen sehr zahlen- und finanzlastig sind. Wichtig wird darüber hinaus ein tiefes Verständnis für die Diversifizierung von Märkten, Zielgruppen, Kommunikation und (neuen) Medien.

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„Marketing wird im Bankbereich einer der wesentlichen internen Innovationsmotoren werden“ Jürgen Lieberknecht, Vorstand Marketing und Produktmanagement, Citibank Karriereweg: Nach abgeschlossenem betriebswirtschaftlichem Studium an der Universität Mannheim begann Jürgen Lieberknecht seine berufliche Karriere bei Procter & Gamble, wo er in 16 Jahren verschiedene Positionen im In- und Ausland (Manager Market Research, Brand Manager, Marketing Director) innehatte. Anfang 2001 wechselte er in den Financial Services-Bereich und war insgesamt fünfeinhalb Jahre als Managing Director Marketing Europe/CRM für die Deutsche Bank tätig. Seit 2008 ist Lieberknecht Vorstand Marketing und Produktmanagement bei der Citibank.

Welchen Stellenwert hat das Marketing in Ihrem Unternehmen und woran machen Sie dies fest? Marketing wird im Bankbereich oft als Best Practice aus dem FMCG-Bereich etabliert. Doch inzwischen wird es eine immer wichtigere Funktion, weil das Prinzip des Direktbanking weiter um sich greift. Es entsteht ein Verdrängungswettbewerb, der das Gewinnpotenzial aus dem klassischen Filialgeschäft abzieht. Wir brauchen eine differenzierende Go-to-Market-Strategie. Die Frage ist, wie das im Bankbereich umgesetzt werden kann. Die Go-to-Market-Strategie muss durch eine stringente Kundenerfahrung gestützt sein. Vor welchen Herausforderungen stehen Marketeers heute und was folgt daraus für das Anforderungsprofil des Marketeers? Die Grundherausforderung des Marketeers ist, den Impact auf die Bottom-Line nachhaltig zu steigern, und zwar mit einem angemessenen Return on Investment. Das heißt, er muss die gesamte Marketing-Wirkungskette – von Bekanntheit, Interesse, Kauf und Wiederkauf – so gestalten, dass sie eine nachhaltige Kundenerfahrung erzeugt. Jeder Marketing-Berührungspunkt muss im Blick auf Effektivität und Effizienz optimiert werden und es muss ein Mess-System etabliert werden, das den Impact des Marketing-Mix auf die Unternehmensziele offenlegt und den Maßnahmen-ROI transparent macht. Für das Anforderungsprofil bedeutet das eine neue Kombination aus Vision für die Marke, Kreativität und Gefühl für Exzellenz in Gestaltung und Umsetzung sowie Freude an Analysen. Was macht Marketing im Vergleich zu anderen Funktionen im Unternehmen zu einer „schwierigen“ und „gefährlichen“ Funktion?

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Bei Marketing ist es ähnlich wie beim Fußball – jeder glaubt mitreden zu können und tut es auch. Marketing in Dienstleistungsunternehmen kann nur erfolgreich sein, wenn das „Internal Branding“ gelingt, also die Marke in den Köpfen und Herzen der Mitarbeiter verankert wird – und natürlich in der Strategie und Steuerung des Gesamtunternehmens. Gefährlich ist Marketing, wenn es nicht integriert umgesetzt wird. Dann werden Ressourcen verschwendet, Kundenerwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden, und Unternehmensziele nicht erreicht. Die Stimmigkeit des Ganzen ist die Grundvoraussetzung für den Erfolg. Für welche Aufgabenbereiche sind Sie verantwortlich? Ich trage Gesamtverantwortung für Marketing und Produktmanagement. Das ist vergleichbar mit Procter & Gamble, aber im Financial-Services-Bereich noch die Ausnahme. Damit habe ich die komplette Wertschöpfungskette mit Ausnahme des Vertriebs (Mensch-zu-Mensch-Kontakt) unter meiner Verantwortung. Die Gesamtpositionierung des Unternehmens untermauern wir mit Produkten, die wir passgenau schaffen und direkt an den Kunden weitergeben. Aktuelles Beispiel: Wir sind mitten im Umbau der Bank. Das Unternehmen wird gerade neu positioniert. In dieser Phase stellen wir Produkte, die neue Kunden gewinnen sollen, als Leistungsnachweis heraus. Die Markenkommunikation muss das Gefühl für die Marke transportieren. Sie muss das innere, nicht verbalisierbare Bild der Marke in den Köpfen der Zielgruppe etablieren. Welche Zuständigkeiten, die heute in einem anderen Bereich zugeordnet sind, hätten Sie gerne bei sich? Die Kombination von Marketing- und Produktmanagement ist hervorragend geeignet, eine schlüssige Kundenerfahrung zu erzeugen. Wir haben im Produktmanagement auch die Verantwortung für Beratungsprozesse und Beratungstools verankert. So können wir die Qualität der Leistungserbringung auf höchstem Niveau darstellen. Möglich ist eine Kombination mit Vertriebsfunktionen. Aber das führt häufig dazu, dass durch die vertriebliche Perspektive kreative und innovative Ideen zu früh begraben werden. Ich halte die Kombination mit dem Vertrieb deshalb eher für einen Nachteil. Wie definieren Sie die Rolle des Marketings? Marketing muss in allen Geschäftsbereichen verankert sein. Das ist bei den Banken nicht immer der Fall (Produkt- oder Vertriebskultur). Die wenigsten Finanzdienstleister haben eine starke Marketingorientierung.

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Wie kann die Effektivität von Marketing am besten gemessen werden und welche Messgrößen benutzen Sie, um den Erfolg Ihrer Maßnahmen zu dokumentieren? Die Effektivität von Marketing kann nur differenziert gemessen werden. Auf der Unternehmensebene sind Markenbekanntheit, Markenreputation, Relevant Set respektive Net Promoter Score entscheidende Erfolgsgrößen rund um die Marke. Für das Wachstum nutzen wir Brutto-Neukundenwachstum, Kündigerquoten sowie Produktdurchdringung und natürlich auch die Volumenentwicklung. Wie zufrieden sind Sie damit? Das differenzierte Messen des ROI ist integraler Bestandteil unserer Go-to-Market-Strategie. Und die Erfolgskontrolle ist elementarer Kern unserer stetig wachsenden Wissensbasis. Sie zeigt unser Selbstverständnis als lernende Organisation. Was tun Sie, um dem Marketing zu einer starken Stellung im Unternehmen zu verhelfen? Die strategische Stoßrichtung der Bank muss klar im Vorstand verankert sein. Eine klare mittel- bis langfristige Vision ist zwingend erforderlich. Nur so kann Marketing die identifizierten Wachstumsfelder und Trends besetzen und weiter treiben. Zunächst wird die Neuausrichtung und deren Verankerung in der Geschäftsstrategie diskutiert und fundiert (Shaping the Vision). Der nächste Punkt ist die Umsetzung, also die glaubhafte Lieferung der Produkte und Kommunikation. All dies ist nichts ohne den Vertrieb, das Backoffice und das Callcenter. Die operative Exzellenz muss mit harter Arbeit erkämpft werden. Hier geht es ins Detail und man muss sich klar werden, was die Differenzierungspunkte gegenüber dem Wettbewerb sind. Wenn Sie einmal zurückschauen, was waren die fachlichen und persönlichen Erfolgsfaktoren für Ihre Karriere? 1. Das Handwerkszeug aus dem FMCG zu beherrschen. Für mich sind das vor allem die Consumer Insights. Auf dieser Basis läuft die gesamte Kommunikation. Der Vertrieb liefert nur Fallberichte, also „Anecdotal Evidence“. 2. Dann muss man eine integrierte Kontakt- und Kommunikationsstrategie entwickeln können: Wie kommunizieren die Berater, die Filialen etc.? 3. Der Vertrieb und alle Beteiligten müssen intensiv eingebunden werden, denn die Leistung erbringen die Menschen vor Ort. Die Vision und das Ziel müssen bei allen Beratern in den Köpfen verankert sein, und zwar dauerhaft.

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Erfolg im Financial-Services-Bereich ist nur im Team möglich, anders als bei FMCG. Dort kann ein einzelner Brand Manager oder Produktverantwortlicher sehr viel bewegen. Im Financial-Services-Bereich muss der gesamte Vertrieb von mir und meinem Team auf die von uns entwickelten Produkte eingestellt und trainiert werden. Welche fachliche und persönliche Qualifikation, welchen Hintergrund bewerten Sie als besonders wichtig, um eine Marketingführungsposition einzunehmen? Die wichtigste Qualifikation sehe ich im strategischen und analytischen Denkvermögen, in Initiative und Umsetzungsstärke, emotionaler Intelligenz und herausragenden Kommunikationsfähigkeiten. Wenn man dann noch Neugier und gesunden Menschenverstand mitbringt und mitten im Leben steht, kann man viel bewegen. Angenommen, Sie könnten die Fähigkeiten Ihres Marketingteams um eine Stufe erhöhen: Welches andere Verhalten, welche neuen Fähigkeiten würden Sie sich wünschen? Ich würde mir noch mehr Geschlossenheit und Teamorientierung wünschen. Es geht darum, den Schritt von der Workgroup zum Team zu machen: sich zu freuen, wenn die Aufgabe gelingt und sich etwas bewegt; stolz sein, seinen Beitrag geleistet zu haben, und sich weniger Gedanken darüber machen, wie die Abteilung oder der Bereich dasteht. Was bedeutet für Sie persönlich „Erfolg“? Erfolg heißt für mich, etwas zu bewegen, etwas besser zu machen. Es bedeutet, das Leben der Menschen zu bereichern und das so zu tun, dass die Menschen, mit denen man das zusammen anstrebt und vollbringt, erfüllt sind. Wie unterscheidet sich die typische Karriere eines Marketeers von der in anderen Funktionen im Unternehmen? Die typische Karriere – ich weiß nicht, ob es das gibt. Ich denke, als Marketeer braucht man einerseits Kontinuität, um wirklich gut zu sein. Es dauert, bis man in die grundlegenden Mechanismen von Märkten verstanden hat, die Consumer Insights entdeckt, die den Unterschied machen, und gelernt hat, wie man damit umgeht. Andererseits braucht man Abwechslung und neue Erfahrungen in anderen Kategorien oder Branchen, um sich weiterzuentwickeln. Der wesentliche Unterschied liegt vielleicht darin, dass man immer wieder Neues entdecken und gestalten kann.

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In welcher Hinsicht finden Sie Marketeers im Vergleich zu anderen Funktionen stärker, in welcher schwächer? Marketeers sind einerseits im Stereotyp kreativer, teamorientierter, neugieriger, mutiger und lauter. Und andererseits weniger zahlenorientiert, analytisch, verkaufsgetrieben oder klar. Aber diese Stereotype sind Quatsch. Ich kenne kreative, teamorienterte, mutige und laute Controller und zahlenorientierte, analytische, verkaufsfokussierte Marketingleute. Was kann einen Marketeer die Karriere kosten? Gibt es so etwas wie „Killerkriterien“? Fehlendes Nachdenken oder Visionslosigkeit, außerdem fehlende Leidenschaft für Exzellenz in der Umsetzung. Welche Marketingpositionen sind manchmal „Abstellgleise“ und welche öffnen Wege zu Höherem? Gute Fachleute sind in allen Marketingfunktionen wichtig und extrem wertvoll. Der Karriereweg kann über Markenstrategie, Below-the-line oder Above-the-line führen – entscheidend ist, dass man zeigt, dass man etwas bewegen kann. Einige Senior Marketeers entwickeln sich in die Rolle des General Managers oder CEOs. Welche Karriereschritte sind hierfür aus Ihrer Sicht erforderlich? Vision und Exzellenz in der Umsetzung. Das führt fast unausweichlich zum Markterfolg. Der Weg in die Führungsrolle führt über die klaren, anerkannten Erfolge im Markt. Welche nationalen oder internationalen Senior Marketeers bewundern Sie oder betrachten Sie als Benchmark? Rolf Kunisch wegen der ausgezeichneten Nivea Markenpflege und der ständigen Anpassung an den Zeitgeist und Steve Jobs wegen seiner Ikone, der Marke Apple. Wie entwickelt sich die Marketingfunktion in Ihrem Unternehmen weiter? Sie wird ihre Rolle, das Gesicht der Bank nach außen zu prägen, weiter ausbauen und einer der wesentlichen Innovationsmotoren von innen werden. Nachhaltiges, ausgewogenes Wachstum kann nur durch überlegenes Kunden- und Marktverständnis erzeugt werden: Man muss wissen, was kommt, und der Konkurrenz einen Schritt voraus sein.

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Welche Fähigkeiten werden für Marketeers zukünftig wichtiger, auch im Hinblick auf die globale Wirtschaftskrise? Wegen der Krise wird es noch wichtiger als bisher sein, nah dran zu sein an dem, was die Kunden brauchen. Es wird darauf ankommen, ihre Bedürfnisse zu antizipieren und neue Wege aufzuzeigen, denn den alten vertraut man nicht mehr so wie bisher. Man braucht Mut zur Veränderung und muss für den Unterschied sorgen, der den Vorteil gegenüber der Konkurrenz ausmacht.

Top-Marketeers aus anderen Branchen „Marketing sollte als eigenständige und übergeordnete Disziplin im Unternehmen positioniert sein“ Adriana M. Nuneva, Senior Vice President Global Marketing & Communications, Heidelberger Druckmaschinen AG Karriereweg: Nach erfolgreichem Abschluss des betriebswirtschaftlichen Studiums in Mannheim und Ludwigshafen war Adriana Nuneva zunächst für mehrere Jahre als Consultant Marketing Research & Strategy bei Management Consult tätig, bevor sie im November 1998 zur Heidelberger Druckmaschinen AG wechselte. Dort ist sie seit nunmehr über zehn Jahren in verschiedenen Marketingrollen aktiv, seit 2003 in der aktuellen Funktion als Senior VP Global Marketing.

Welchen Stellenwert hat das Marketing in Ihrem Unternehmen und woran machen Sie dies fest? Marketing ist bei Heidelberger Druckmaschinen über die Jahre gewachsen und wird umso wichtiger, als der Druckmaschinenmarkt sich vom Verkäufer- zum Käufermarkt gewandelt hat. Bei Heidelberger Druckmaschinen verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz, der einerseits vertriebsunterstützend ist, andererseits strategisches Marketing beinhaltet. Der Fokus liegt hierbei auf der Marken- und Produktkommunikation, insbesondere via Messen und Inhouse-Veranstaltungen sowie auf Weiterbildungsangeboten; Messen haben in unserer Branche noch immer einen hohen Stellenwert. Diese Bühnen nutzen wir, um die Dachmarke Heidelberg weiter zu schärfen und die Produkte zielgruppengerecht zu inszenieren.

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Hierbei ist vor allem wichtig, immer die richtige Kommunikationsebene zu finden und die eigene Sprache und Wortwahl an die Zielgruppe anzupassen. Als Erfolgsfaktor hat sich herausgestellt, immer gesamthaft von der Kundenseite aus zu argumentieren. Dass sich diese Sicht der Dinge in einer eher techniklastigen Branche durchgesetzt hat, ist für mich ein starkes Indiz für die wichtige Rolle des Marketings. Vor welchen Herausforderungen stehen Marketeers allgemein heute? Welche Konsequenz hat dies für das Anforderungsprofil des Marketeers? Ich kann aus dem B2B-Bereich sprechen, bei uns ist ein breites Know-how notwendig, um letztendlich erfolgreich zu sein. Dazu gehört die Affinität zur Technik und, wie gesagt, die Fähigkeit, kommunikativ in einem technisch geprägten Umfeld eigene Ideen voranzutreiben. Ich nenne beispielhaft die Charaktereigenschaften Beharrlichkeit und einen gewissen Gestaltungswillen. Ich befinde mich in einem Umfeld, das von völlig anderen Denkmustern geprägt ist als das normale Marketinggeschäft im Fast-Moving-Bereich. Die Machbarkeit der Technik steht bei Heidelberger Druckmaschinen vor allem im Vordergrund. Ich muss in einem Spannungsverhältnis zwischen Technik und Kunden die klaren Botschaften formulieren, durchsetzen und kommunizieren. Diese Fähigkeit wird umso entscheidender, je enger die Märkte werden. Was macht Marketing im Vergleich zu anderen Funktionen im Unternehmen zu einer „schwierigen“ und „gefährlichen“ Funktion? Wir leiden unter der mangelnden Beweisführung für zahlengetriebene Benchmarks. Für welche Aufgabenbereiche sind Sie selbst zuständig? Welche Verantwortlichkeiten liegen bei Ihnen? Zu meinem Verantwortungsbereich zählen alle klassischen Marketing-Kommunikationsfunktionen über alle Kanäle inklusive Messen und Events, der E-Commerce-Bereich, die strategische Marketingplanung, Markenführung, die Unternehmenskommunikation, die Weiterbildungszentren für Kunden und Mitarbeiter (Print Media Akademien) sowie die Kundendemonstrationszentren (Print Media Centers). All diese Funktionen haben wir in einem weltumspannenden Netzwerk zusammengefasst. Welche Bereiche/Zuständigkeiten hätten Sie gerne bei sich, die heute in einem anderen Bereich zugeordnet sind?

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Es wäre sinnvoll, wenn Marketing als eigenständige und übergeordnete Disziplin im Unternehmen positioniert wäre, dazu zähle ich auch eine direkte Verantwortung bis in die Vertriebs-/Landesgesellschaften hinein. Zudem gilt es zu überlegen, bislang parallele Kommunikationsfunktionen für Einzelbereiche (z. B. HR, IR etc.) zu integrieren. Ebenso könnte ich mir vorstellen, Schnittstellen zu angrenzenden Funktionen, wie z. B. das Produktmanagement, neu zu organisieren. Wie definieren Sie selbst die Rolle des Marketings? Ganz klassisch: marktorientierte Unternehmensführung von den Märkten auf die Märkte. Wie kann die Effektivität von Marketing am besten gesamthaft gemessen werden? Wir haben eine Fülle von Möglichkeiten, unsere Fähigkeiten zu belegen, die wir projektbezogen mit unterschiedlichen KPIs hinterlegen und in einer Balance Scorecard zusammenfassen. Allerdings bewegen wir uns insgesamt in einer starken Grauzone. Für Schulungen stellen wir Zeugnisse aus und können nachhalten, wer mit welchem Erfolg teilgenommen hat. Für die Messe gibt es klare Kriterien wie Footfall oder anschließende Verkaufsleads (hier beginnt die Grauzone). Für Online-Kampagnen verfolgen wir Klickraten, und wir sind auch für ein bestimmtes Verkaufssegment mit den Onlineshops für Verbrauchsmaterialien zuständig (zwölf Länder, 60 Millionen Euro Umsatz) und messen den Erfolg am generierten Umsatz. Zusätzlich führen wir alle drei bis vier Jahre eine Markenstudie durch, die uns hilft, langfristig die Marke Heidelberg zu entwickeln. Wie zufrieden sind Sie bzw. der CEO damit? Ich denke, wir können uns in der Effektivitätsmessung noch weiter verbessern, vor allem im internationalen Kontext und Benchmarking. Der CEO unterstützt die Weiterentwicklung. Was tun Sie, um dem Marketing zu einer starken Stellung im Unternehmen zu verhelfen? Gute Arbeit leisten und diese auch intern kommunizieren. Wenn Sie einmal zurückschauen: Was waren die wahren Erfolgsfaktoren für Ihren beruflichen Erfolg in fachlicher und persönlicher Hinsicht? Neben der guten Grundausbildung sind es ganz sicherlich die stetig wachsenden Anforderungen in der Personalführung und die von mir immer feiner diffe-

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renzierten Führungsmechanismen. Es geht darum, ein internationales, kulturell unterschiedliches Team an vielen Standorten zu führen und einen gemeinsamen Spirit und Vertrauen zu erzeugen. Wichtig ist auch, Verständnis für die Marketingthemen in schwierigen lokalen Verhältnissen hervorzubringen. Für mich besonders wichtig ist es, Gestaltungsspielraum zu haben, mich durch Beharrungsvermögen in einem schwierigen Umfeld durchzusetzen und dabei aber auch Spaß und Freude bei der Arbeit zu haben. Work hard play hard. Welche Qualifikation, welchen Hintergrund bewerten Sie allgemein als besonders wichtig, um eine Marketingführungsposition einzunehmen (fachlich und persönlich)? Fachlich: möglichst umfassender marketing-theoretischer Hintergrund, der mit einem guten Business Sense und Pragmatismus einhergeht. Persönlich: siehe oben. Angenommen, Sie könnten die Fähigkeiten Ihres Marketingteams um eine Stufe erhöhen: Welches andere Verhalten, welche neuen Fähigkeiten würden Sie sich wünschen? Inhaltlich würde ich gern mehr fachliches Marketing-Know-how etablieren; viele meiner Marketingleute sind studierte Ingenieure. Als weiterer Punkt wäre mir eine bessere Führungs- und Managementkompetenz wichtig. Insbesondere der Schritt von Ideen und Konzepten hin zur Umsetzung gegenüber Widerständen ist bei uns von elementarer Bedeutung. Es gilt für eine erfolgreiche Marketingführungskraft Allianzen zu schmieden und Unterstützung zu erlangen. Es geht aber auch darum, gegen Trägheit und Selbstgenügsamkeit zu arbeiten und alle Mitarbeiter zu inspirieren und zu motivieren, insbesondere in der Krise (massive Kurzarbeit). Intrinsische Motivation, 150-prozentiger Einsatz ist für mich entscheidend wichtig. Was bedeutet für Sie persönlich „Erfolg“? Erfolg bedeutet für mich, meine Ziele in die Realität umzusetzen – am besten im Team. Wie unterscheidet sich die typische Karriere eines Marketeers von anderen Funktionen im Unternehmen? Die typische Karriere von Marketingmanagern ist normalerweise von starken Wechseln gekennzeichnet. Meines Erachtens ist eine Konstanz und lange Verweildauer vorteilhafter. Man kann ein Netzwerk knüpfen im Unternehmen, Projekte komplett durchziehen und sich lange mit einer Marke auseinandersetzen. Ich würde mir wünschen, dass Marketingfachkräfte länger in einem Unternehmen blieben.

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Hinsichtlich welcher Aspekte finden Sie Marketeers im Vergleich zu anderen Funktionen stärker und wo schwächer? Vor allem im Bereich Kommunikation; Marketing ist im Wesentlichen Gremien- und Lobbyarbeit. Es geht darum, einen Buy-in zu erreichen. Daher muss ein guter Marketingmitarbeiter ein interner Vertreter seiner selbst sein, erklären und die richtige Sprache finden. Gibt es so etwas wie „Killerkriterien“, die einen Marketeer die Karriere kosten können? Es geht darum, realistisch zu bleiben und nicht zu hoch zu pokern. Vor allem wenn man Kampagnen verkauft, rate ich davon ab, Overselling zu betreiben. Es geht darum, mit guten Zahlen eine sinnvolle, realistische Perspektive zu setzen. Gerade in technischen Umfeldern wird die Mafo oft hinterfragt, und es zählt die „Anecdotal Evidence“. Hier gilt es immer wieder, eine professionelle Perspektive aufzuzeigen. Welche Marketingpositionen sind manchmal „Abstellgleise“ und welche berufen zu „Höherem“? Alle Bereiche ohne praktischen Bezug sind ganz klare „Abstellgleise“. Für mich ist wesentlich, dass Marketing nicht nur den Vertrieb befähigt, sondern selbst immer mehr Verantwortung übernimmt und Businessverantwortung anstrebt; so zum Beispiel bei mir mit dem Vertriebskanal E-Commerce, den ich nicht nur aufgebaut habe, sondern auch verantworte. Oft ist Marketing lediglich für den Aufbau, aber nicht die P&L-(Profit and Loss-)Verantwortung zuständig. Daher ist es meines Erachtens nach wichtig, in eine P&L-Verantwortung zu kommen bzw. diese vorzuschlagen. Es geht grundsätzlich darum, proaktiv Aufgaben für sich zu reklamieren und diese professionell und umsatz- und profitorientiert umzusetzen. Einige Senior Marketeers entwickeln sich in die GM- / CEO-Rolle. Welche Karriereschritte sind hierfür aus Ihrer Sicht erforderlich? Siehe oben. Welche nationalen oder internationalen Senior Marketeers bewundern Sie bzw. sind für Sie „Benchmark“ und warum? Seine eigentliche Funktion ist zwar CEO, aber im Grunde seines Herzens ist er wohl der Senior Marketeer seiner Firma: Steve Jobs. Was ich an seiner Arbeit bewundere, ist natürlich seine Markenpolitik, aber darüber hinaus auch die permanente Weiterentwicklung seiner Vision „Anwenderfreundlichkeit“ in einem von Technik dominierten Business.

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Wie entwickelt sich die Marketingfunktion in Ihrem Unternehmen weiter? Wir werden eine noch stärkere Vernetzung mit den Vertriebsaktivitäten anstreben und die absolute Kundenorientierung systematisch in allen Unternehmensbereichen vorantreiben. Welche Fähigkeiten werden für Marketeers zukünftig wichtiger, auch im Hinblick auf die Krisensituation? Fokussierung auf Businessorientierung, -verantwortung und Personalführung.

„Marketing ist in erster Linie eine interne Dienstleistung“ Andreas Harting, CMO, Von Roll AG, Schweiz Karriereweg: Andreas Harting besitzt einen Abschluss als Diplomkaufmann und ein Diplôme de Grande Ecole der ESCP-EAP European School of Management. Nach seinem Berufseinstieg als Management-Trainee bei der Beiersdorf AG im Jahr 1995 war er von 1996 bis 1997 als Berater für die Boston Consulting Group tätig. 1997 ging er als Product Manager zu Johnson & Johnson und wechselte im Jahr 2000 als Chief Marketing Officer zur United Screens Media AG. Zwischen 2003 und 2005 war er als Manager für die BBDO Consulting tätig. Von 2005 bis 2007 trug er als Senior Vice President der OC Oerlikon Management AG globale Verantwortung für das Marketing. Seit September 2007 ist Andreas Harting Mitglied der Konzernleitung und Chief Marketing Officer bei Von Roll, einem der traditionsreichsten Industrieunternehmen der Schweiz. Das Unternehmen konzentriert sich auf Erzeugnisse zur Energieerzeugung, -übertragung und -verteilung. Von Roll ist Weltmarktführer für Isolationsprodukte, -systeme und -services und an 32 Standorten in 19 Ländern mit insgesamt rund 3.400 Mitarbeitern vertreten.

Welchen Stellenwert hat das Marketing in Ihrem Unternehmen und woran machen Sie dies fest? Marketing hat bei Von Roll einen hohen Stellenwert und ist deshalb auf Vorstandsebene verankert. Vor welchen Herausforderungen stehen Marketeers heute und was folgt daraus für das Anforderungsprofil des Marketeers? Die größte Herausforderung ist der stetige Wandel. Die Marktparameter ändern sich ständig, auch regional. Wachstum schaffen bedeutet internationales Agieren. Dabei dürfen aber nicht die spezifischen lokalen Bedingungen vor Ort aus dem FoKapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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kus rücken. Man verändert sich gemeinsam mit dem Kunden, zum Beispiel in einem Niedriglohnland. Außerdem werden die Innovationszyklen immer kürzer. Dies bedeutet, dass die Organisation kontinuierlich optimiert wird, was enorme Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität der darin agierenden Mitarbeiter stellt. Jeder Einzelne muss den Wandel leben und weiter vorantreiben. Was macht Marketing im Vergleich zu anderen Funktionen im Unternehmen zu einer „schwierigen“ und „gefährlichen“ Funktion? Marketing hat sich wie jede andere Funktion im Unternehmen seiner Verantwortung zu stellen. Gerade in einem B2B-Unternehmen wie Von Roll gewinnt Marketing zunehmend an Bedeutung. Eine spezifische Herausforderung an das Marketing der Von Roll ist, dass unsere Wertschöpfungskette extrem breit ist. Die Aufgaben des Marketings tangieren verschiedene Unternehmensbereiche wie zum Beispiel den Vertrieb, für den man einen nachweislichen Beitrag zu leisten hat, ohne eine direkte Weisungsbefugnis zu haben. Das ist für das Marketing tagtäglich eine große Herausforderung, nicht nur in unserem Unternehmen. Für welche Aufgabenbereiche sind Sie verantwortlich? Das Marketing bei Von Roll ist im Wesentlichen für die Marktstrategie, Marktentwicklung, Marketing Intelligence, das technische Marketing und die Vertriebsstrategie zuständig. Unsere Aufgabenbereiche umfassen also alles Strategische, dazu gehören Ansätze wie Kundenportfolioentwicklung, Markenentwicklung, Preisgestaltung und die Vertriebskanalstrategie. Welche Zuständigkeiten, die heute einem anderen Bereich zugeordnet sind, hätten Sie gerne bei sich und warum? Bevor wir über eine Erweiterung meiner Zuständigkeit nachdenken, wollen wir zuerst einmal unsere Hausaufgaben machen. Wie definieren Sie selbst die Rolle des Marketings? Marketing ist in erster Linie eine interne Dienstleistung für andere Unternehmensbereiche. Mein Team und ich verstehen uns als „Enabler“, das heißt, wir sind mal Coach, mal Service Provider insbesondere in Richtung Vertrieb, um das Unternehmen markt- und kundenorientierter zu machen. Wie lässt sich die Effektivität von Marketing messen? Welche Messgrößen benutzen Sie, um den Erfolg Ihrer Maßnahmen zu dokumentieren?

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Wir nutzen klassische Kenngrößen wie zum Beispiel Marktanteilsentwicklung, Umsatzzielerreichung, Bruttomargen, das Image bei Kunden und Potenzialkunden, Veränderungen des Share of Wallet etc. Die Messbarkeit des eigenen Beitrags ist ein Muss. Wie zufrieden sind Sie damit? Damit sind wir noch nicht zufrieden. Historisch war Von Roll nicht sehr marktorientiert. Zudem heißt unser Credo „Good is not good enough“. Deswegen entwickeln wir uns kontinuierlich weiter und planen zukünftig solche Kenngrößen wie Kundenbindung und Abwanderungsbereitschaft sowie Markenstärke zu erfassen. Was tun Sie, um dem Marketing zu einer starken Stellung im Unternehmen zu verhelfen? Unsere Leistungen zielen nicht darauf ab, dem Marketing eine starke Stellung im Unternehmen zu verschaffen, sondern zum Unternehmenserfolg beizutragen. Daran werden wir gemessen. Wir verstehen uns intern als Dienstleister für andere Unternehmensbereiche. Extern ist unsere Haltung von einer besonderen Kundenorientierung geprägt. Wenn Sie einmal zurückschauen: Was waren die fachlichen und persönlichen Erfolgsfaktoren für Ihre Karriere? Der US-amerikanische Motivationsredner Earl Nightingale hat einmal etwas für mich Treffendes gesagt: „Luck is when preparedness meets opportunity.“ Fünf Dinge haben mir in meiner Karriere geholfen: 1. Zu wissen, was mich glücklich macht und was ich richtig gut kann. 2. Kommunikationsfähigkeit und die Erkenntnis, dass man nur gemeinsam mit anderen weiterkommt. 3. Messbarkeit und Quantifizierung der eigenen Ergebnisse, denn sonst wird man angreifbar. 4. Formelle und informelle Netzwerke und 5. Einsatzbereitschaft auch in angrenzenden Feldern, in denen die eigene Expertise einen besonders großen Beitrag zum Erfolg der Organisation leisten kann.

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Welche fachliche und persönliche Qualifikation, welchen Hintergrund bewerten Sie als besonders wichtig, um eine Marketingführungsposition einzunehmen? Eine ordentliche Ausbildung und vor allem umfangreiche praktische Erfahrung sind wichtig – das fundierte Beherrschen aller Facetten des Marketing-Mix. Bei uns im B2B-Bereich ist auch Technikverständnis vonnöten. Und persönlich: Kommunikationsbereitschaft, Neugierde, Netzwerkfähigkeit und der Wille, Neues dazuzulernen und sich permanent weiterzuentwickeln. Angenommen, Sie könnten die Fähigkeiten Ihres Marketingteams um eine Stufe erhöhen: Welches andere Verhalten, welche neuen Fähigkeiten würden sich wünschen? Um eines vorweg zu schicken: Ich bin mit den Leistungen meines Teams sehr zufrieden. Aber natürlich gibt es immer Luft nach oben. Wenn ich über Verbesserungspotenzial in einem international tätigen Unternehmen wie Von Roll nachdenke, dann betrifft das vor allem ein multikulturelles Verständnis, überdurchschnittlich ausgeprägte Sprachkenntnisse und die Bereitschaft, an Schnittstellen zu arbeiten. Hierzu bedarf es einer besonderen Motivation, in interdisziplinär zusammengesetzten Teams komplexe Projekte diszipliniert zu managen. Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg? Gemeinsam Ziele zu erreichen und dabei Spaß zu haben. Wie unterscheidet sich die typische Karriere eines Marketeers von der anderer Funktionen im Unternehmen? Ich denke, Karrieren sind so unterschiedlich wie die Menschen, die dahinterstecken. Eine wichtige Einsicht hat meine bisherige berufliche Laufbahn begleitet: Karrieren sind nur sehr bedingt planbar. Den typischen Werdegang eines Marketeers gibt es nicht. Jeder geht da seinen ganz eigenen Weg. Es hilft jedoch, wenn man innerhalb des Marketings in unterschiedlichen Bereichen Erfahrungen gesammelt hat. In welcher Hinsicht finden Sie Marketeers im Vergleich zu anderen Funktionen stärker, in welcher schwächer? Ein Vergleich mit anderen Funktionen bedeutet, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Jede Funktion hat ihre eigenen Anforderungen, auf die individuell reagiert werden muss. Im Marketing kommt es im Wesentlichen darauf an, fachlich breit aufgestellt zu sein, vernetzt denken und interdisziplinär arbeiten zu können, kommunikativ und flexibel zu sein.

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Was kann einen Marketeer die Karriere kosten? Gibt es so etwas wie „Killerkriterien“? Auch das! Wenn man nicht die Fähigkeit zum Überbrücken verschiedener Bereiche besitzt, macht man sich schnell unbeliebt bei anderen Unternehmensbereichen. Um sich Gehör zu verschaffen, muss man die Sprache anderer Disziplinen sprechen. Sonst wird man mit seinem eigenen Marketingjargon leicht mal überhört. Welche Marketingpositionen sind manchmal Abstellgleise, welche öffnen Wege zu Höherem? Auch wenn das nicht gerechtfertigt ist: Marktforschung wird häufig als Abstellgleis empfunden, weil sie nicht richtig genutzt wird. Brand Management hingegen wird oft als Sprungbrett für eine erfolgreiche Karriere gesehen, weil es eine ganzheitliche Aufgabe ist, die analytische wie kreative Anteile hat aber auch das Konzeptionelle, Anpackende beinhaltet. Welche nationalen oder internationalen Senior Marketeers bewundern Sie oder sehen Sie als Benchmark und warum? Steve Jobs – Apple ist Marketing pur. Wie entwickelt sich die Marketingfunktion in Ihrem Unternehmen weiter? Marketing wird bei uns einen noch stärkeren strategischen Fokus bekommen. Wir werden die Marketingdenke noch stärker in die operativen Einheiten hineintragen. Welche Fähigkeiten werden für Marketeers zukünftig wichtiger, auch im Blick auf die globale Wirtschaftskrise? Fokussierung aufs Wesentliche heißt das Zauberwort in der Krise: umsetzungsorientierter Pragmatismus, Entschlossenheit in der Entscheidung und Schnelligkeit in der Umsetzung.

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Die Marketingfunktion aus Personalbzw. CEO-Sicht „Wer nur etwas von Marketing versteht, versteht auch nichts davon.“ Frank-Michael Schmidt, CEO der Scholz & Friends Group Karriereweg: Bereits während seines Studiums der Publizistik, Philosophie und Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin arbeitete Frank-Michael Schmidt als freier Journalist und Texter. Nach dem Abschluss als „Magister Artium“ begann er 1989 als Assistent der Geschäftsführung bei Wilkens Ayer, heute FCB, in Hamburg. Ab 1991 war er als Strategy Consultant für den damaligen Marktführer Lintas tätig. In den Jahren 1995 bis 1998 führte er ein eigenes Beratungsunternehmen im Bereich strategische Markenführung. Von 1998 bis 2000 war er als Geschäftsführer für den Bereich Strategische Planung und Markenberatung von J. Walter Thompson in Deutschland verantwortlich. Anschließend übernahm er die Funktion des Chief Strategic Officer für die deutsche J. Walter Thompson Group. Im September 2003 wechselte Frank-Michael Schmidt zu Scholz & Friends und übernahm als Deutschlandchef die Gesamtverantwortung für die deutschen Agenturen der Scholz & Friends Group. Seit April 2008 ist er CEO der Scholz & Friends Group, der größten unabhängigen Agenturgruppe in Deutschland.

Aus welchen Branchen und Unternehmen kommen nach Ihrer Erfahrung die besten Marketingentscheider? Wer nur etwas von Marketing versteht, versteht auch nichts davon. Ein universeller Horizont ist gefordert, da Marketing an der Schnittstelle zwischen Welt und Unternehmen verortet ist. Weltwissen und spezifische Fachkenntnis bilden die Formel, die große Marketeers entstehen lässt. Die Rolle des Marketings im Unternehmen definiert den gestalterischen Spielraum des Marketeers. Das diesbezügliche Spektrum ist breit: Auf der einen Seite gibt es traditionell technologie- oder ingenieurgetriebene Untenehmen, in denen Marketing oft nur einen Appendix der Prozesskette darstellt. Am anderen Ende des Spektrums kommt dem Marketing eine zentrale Leitfunktion im Sinne einer markenzentrierten Unternehmensführung zu. Je stärker die Rolle des Marketings im Unternehmen ist, desto eher trägt der Marketeer das Empfehlungsschreiben für höhere Aufgaben in seinem Tornister. Historisch gesehen entwickelten sich die großen FMCG-Unternehmen zur zentralen Schule des Marketings. Aber in letzter Instanz geht es nicht um die stan-

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dardisierten Karrierewege, sondern um individuelle Persönlichkeitsmerkmale und Kompetenzen, die den erfolgreichen Marketeer definieren. Und bei Ihnen, bei Scholz & Friends? Als führender Marketing- und Kommunikationsdienstleister sehen wir interdisziplinäre Intelligenz als essenziell an. Denn was für das Marketing gilt, gilt auch für die Werbung: Wer nur etwas von Werbung versteht, versteht auch nichts davon. Wir brauchen keine homogenen, sondern heterogene Hintergründe und Bildungswege sowie Industriequalifikationen. Denn erfolgreiches Marketingmanagement ist als Schnittstellenmanagement auf ein Kaleidoskop von Perspektiven angewiesen. Welche Qualifikation, welchen Hintergrund erwarten Sie für Marketingführungspositionen in Ihrem Haus? Ein abgeschlossenes Hochschulstudium ist Standard. Dabei ist die Fachrichtung nicht entscheidend. Psychologen, Philosophen, Politologen, Sozial- und Geisteswissenschaftler jeder Couleur finden sich in den Führungsreihen unserer Agenturgruppe. Es müssen nicht zwangsläufig Betriebswirte sein. Als Führungskraft auf Agenturseite sind sie gefordert, etwas Neues zur Party mitzubringen und nicht den auf Kundenseite vorhandenen Background einfach zu verdoppeln. Dabei sind hervorragende Fachkenntnisse in Bezug auf Marketing und Markenführung natürlich unabdingbar. Neben den fachlichen Qualifikationen sind es aber vor allem die Haltung und die Persönlichkeitsmerkmale, die eine Führungskraft unserer Gruppe qualifizieren: die richtige Balance aus Diplomatie und Durchsetzungsvermögen, die Fähigkeit, mit den Augen des Kunden zu sehen und zugleich mit dem eigenen Kopf zu denken, die Offenheit gegenüber Neuem. Wir brauchen Persönlichkeiten, die dem Vorstand unserer Kunden auf Augenhöhe begegnen können. Wir müssen Lösungen entwickeln, die unser Kunde selbst nicht entwickeln kann, sodass die Agentur ein wichtiger Systempartner wird. Die führenden Mitarbeiter in unserer Agenturgruppe sollen für unsere Kunden zusätzliche Führungskräfte darstellen, die ihren Marketingerfolg steigern und vorantreiben. Welche fachlichen Kenntnisse sind für Marketingexperten im Agenturbetrieb besonders wichtig? Für die drei Hauptdisziplinen einer Agentur – Strategie, Kundenberatung und Kreation – ist es aus unterschiedlichen Perspektiven von gleichermaßen hoher Bedeutung, permanent auf Ballhöhe des Strukturwandels der Medienlandschaft zu Kapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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sein. Die Bedeutung der klassischen, buchbaren Medien beginnt sich zunehmend zu relativieren; dem gegenüber gewinnen Disziplinen und Instrumente wie Dialogmarketing, Online-Marketing, Mobile Marketing, Eventmarketing, PoS-Marketing, aber auch Public Relations und Social Media an Bedeutung. Sich von der Magie der Möglichkeiten nicht blenden zu lassen und im Dschungel der neuen Unübersichtlichkeit souverän zu navigieren, ist eine der größten Herausforderungen. Angesichts illoyaler werdender und soziodemografisch nicht fassbarer Zielgruppen gewinnen zudem alle Aspekte des „Consumer Insights“ signifikant an Relevanz. Nur wenn wir den Adressaten als subjektiven Produzenten der Botschaft verstehen, können wir Marketing-Kommunikation erfolgreich gestalten. Welche Persönlichkeitsmerkmale sind Ihnen besonders wichtig? Die Fähigkeit, die Qualität einer Idee zu beurteilen, unabhängig davon, wer sie hatte. Die Stärke zu besitzen, den inhaltlichen Kompass entscheiden zu lassen, nicht den politischen. Stark sein, andere stark machen und die Stärke anderer respektieren. Emotionale Intelligenz statt Eitelkeit. Substanz statt Sprechblasen. Gibt es so etwas wie „Killerkriterien“? Wem es an Intelligenz und Kunden-Kompatibilität fehlt, der wird sicher nicht zum Shooting-Star innerhalb unserer Gruppe. Dasselbe gilt aber auch für den, der permanent nur dribbelt und nicht in der Lage ist, den Doppelpass mit anderen Führungskräften zu spielen. Mehrwert wird durch orchestriertes Arbeiten ermöglicht. Das ist bei uns eine kulturelle Größe, die nicht zur Disposition steht. Wie unterscheidet sich das fachliche und persönliche Anforderungsprofil eines Senior Marketing-Experten in einer Werbeagentur von dem einer Führungskraft in einem Konzern? Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass eine Agentur in weitaus höherem Maß außengeleitet ist. Das Management der Schnittstelle zum Kunden erfordert die Fähigkeit zur Dienstleistung ohne Servilität, Durchsetzungsvermögen im Dienst der Qualität, Business-Intelligenz und Kreativität. Insbesondere die Dienstleisterrolle ist ein Punkt, den Manager, die aus der Industrie in eine Agentur wechseln, nur selten erfolgreich bewältigen. Wie kreativ und wie analytisch muss eine erfolgreiche Werbeagentur heute sein? Beide Größen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Strategie ohne Kreativität ist der langsamste Weg zum Ziel. Kreativität ohne Strategie ist der Lärm vor der Niederlage. Kreativität ohne Analyse ist wie Topfschlagen. Am Ende kommt bestenfalls ein Strohfeuer heraus. Strategie ohne Kreativität ist eunuchen-

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haft. Am Ende mündet sie nicht selten in blutleeren Formeln. Marketing-Kommunikation handelt von lebendiger, erlebbarer, relevanter Differenzierung. Um diese zu erreichen, sind analytische wie kreative Skills gleichermaßen erforderlich. Angenommen, Sie könnten die Fähigkeiten Ihres Teams um eine Stufe erhöhen: Welches andere Verhalten, welche neuen Fähigkeiten würden Sie sich wünschen? Wenn ich das Zusammenspiel aller Firmen unserer Gruppe betrachte, wäre das eine Nuance: die Fähigkeit, das eigene Ego manchmal ein Stück zurückzunehmen. Wir werden dann noch erfolgreicher sein, wenn jeder versteht: Den Erfolg zu teilen, heißt, den Erfolg zu multiplizieren. Das wird umso mehr gelingen, je stärker unsere Führungskräfte ihren Stolz und ihre Identität nicht primär durch ihren eigenen Fachbereich und die in diesem persönlich verantworteten Revenues und Headcounts definieren, sondern dadurch, Teil einer vernetzten Führungselite zu sein, die gemeinsam Großes bewegt. Wir sind auf diesem Weg weiter als andere, aber noch nicht am Ziel. Wann ist ein Marketingexperte bei Scholz & Friends „erfolgreich“? Kernpunkt der Karriere in unserem Unternehmen ist die Leistung für unsere Kunden. Wer Kunden begeistert, gewinnt und entwickelt, wer sie erfolgreich strategisch berät oder für sie einen wegweisenden kreativen Output generiert, wird bei uns erfolgreich sein. Hinzu kommt immer mehr die Fähigkeit zur Vernetzung unterschiedlicher Kommunikationsdisziplinen, die wir uns im Rahmen unserer Philosophie der orchestrierten Kommunikation auf die Fahnen geschrieben haben. Wie unterscheidet sich die typische Karriere eines Marketingentscheiders in einer Agentur von Karrieren in Industrieunternehmen? Es gibt zweifelsohne auf beiden Seiten eine Vielzahl unterschiedlichster Beispiele für individuelle Karrierewege. Dennoch lässt sich generalisierend sagen, dass Agenturen eine weniger standardisierte Laufbahnplanung vorsehen. Der Karriereweg nach oben ist prinzipiell unbürokratischer und durchlässiger. Der Unterschied zwischen Under-Performance und Top-Performance wird im Agenturgeschäft schneller spürbar. Wer bei uns Höchstleistung erbringt, kann sehr schnell Verantwortung übernehmen und seine Entwicklungspotenziale realisieren. Wir sind die größte unabhängige Agenturgruppe Deutschlands und stolz darauf, dass sich in unserer Führung Karrieren vom Praktikanten bis zum Geschäftsführer, vom Junior bis zum Vorstand abbilden. Was hat sich Ihrer Erfahrung nach als Stärke erfolgreicher Marketingexperten in einer Werbeagentur im Vergleich zu anderen Arbeitgebern herauskristallisiert? Kapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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Der wesentliche Vorteil der Tätigkeit in einer Kommunikationsagentur besteht – analog zur Stärke anderer Beratungsunternehmen – in der durch eine höhere Fallzahl bedingten Perspektiverweiterung. Die Agenturführungskraft ist mit einer höheren Anzahl von Marken, Märkten, Zielgruppen und Kanälen, um diese anzusprechen, konfrontiert. Wer auf Agenturseite in führender Position Unternehmen berät, kann in kürzerer Zeit einen breiteren Erfahrungshorizont in Bezug auf markenstrategische Herausforderungen gewinnen. Was sind die persönlichen und fachlichen Erfolgskriterien für einen erfolgreichen Wechsel von der Agentur- auf die Industrieseite und umgekehrt? Der Wechsel von Industrie- auf Agenturseite gelingt selten. Und in den wenigen Ausnahmen verfügt der Industriemanager zumeist über einen ursprünglichen Agentur-Background. Industriemanager ohne Agentur-Background pflegen oft ein romantisiertes Bild der Agenturarbeit. Da ist ein Realitätsschock vorprogrammiert. Das ist vergleichbar mit jemandem, der sich als Gast in einem Fünf-SterneRestaurant pudelwohl fühlt, und deshalb gerne dort in der Küche oder als Kellner arbeiten möchte. Gibt es in Werbeagenturen so etwas wie Abstellgleise, und gibt es Funktionen, die zu „Höherem“ berufen? Abstellgleise gibt es immer, aber sie sind nicht ausgeschildert. Es gibt keine Funktionen, sondern nur Leistungen, die zu Höherem berufen. Wie wird sich die Marketingfunktion in Werbeagenturen einerseits und Industriekonzernen andererseits weiter entwickeln? Sowohl die Agenturen als auch das Marketing in Industrieunternehmen stehen am Scheideweg. Für Agenturen lautet die Frage: Gelingt es ihnen, sich zum strategischen Businesspartner und organisatorischen Systempartner über alle Disziplinen hinweg zu entwickeln? Oder verpassen sie den Sprung zur medienneutralen, markenführenden Instanz und finden sich als Spezialagentur für die tendenziell schrumpfende klassische Werbung wieder? Für Unternehmen stellt sich die Frage anders: Gelingt es dem Marketing, zur markanten Steuerungsgröße mit Vorstandsbedeutung zu werden? Wird Markenführung nicht nur als Führung der Marke, sondern auch als Führung des Unternehmens durch die Marke verstanden? Oder wird Marketing zum Appendix der Organisation degradiert, am Ende der Prozesskette platziert und als Steigbügelhalter des Vertriebs positioniert? Welche fachlichen Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale werden für Marketingexperten zukünftig und gerade in Krisenzeiten wichtiger?

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Die Fähigkeit, das Steuer gerade zu halten, auch wenn die Straße glatter wird. Markenwerte dürfen nicht auf dem Altar kurzfristiger Notwendigkeiten geopfert werden. Der erfolgreiche Marketeer muss heute zwei Klaviaturen beherrschen und zusammenführen: die strategische Markenführung und alle Formen der taktischen Verkaufsförderung. Die Messbarkeit des Marketings gewinnt an Bedeutung. Die Orchestrierung aller relevanten Kommunikationsinstrumente wird zum Schlüssel für Effektivität und Effizienz. Bei alledem darf die Bedeutung des Neuen und Überraschenden, des Muts und der Innovation für künftige Marketingerfolge nie aus dem Auge verloren werden. Es geht darum, den Sinn für Pragmatismus zu schärfen, aber dabei die Fähigkeit zu träumen nicht zu verlieren. Nur so kann es uns gelingen, auch in Zukunft mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen und zugleich nach den Sternen zu greifen.

„Marketeers müssen gute Brückenbauer und Teamplayer sein“ Dr. Ariane Kristof, Vice President Human Resources Development & Engineering bei Tetra Pak in Malmö, Schweden Karriereweg: Nach dem Studium (MA in englischer und amerikanischer Literatur, Diplom VWL) und Promotion (Dr. rer. pol.) entschied sich Ariane Kristof 1993 zunächst für eine Tätigkeit in der Beratung und ging als Associate und Consultant zur Boston Consulting Group in München. 1998 wechselte sie in den Human-Resources-Bereich von SCA Hygiene Products, wo sie sieben Jahre tätig war. Es folgte der Wechsel zu Booz Allen & Hamilton in London, wo sie zunächst einige Monate als Director of Development Europe arbeitete, bevor sie 2005 die Position des Director of HR Europe übernahm. Seit 2008 ist Ariane Kristof Vice President Human Resources Development & Engineering bei Tetra Pak Packaging Solutions AB in Malmö, Schweden. In ihrer HR-Laufbahn hat Ariane Kristof bereits mit allen Unternehmensfunktionen zusammengearbeitet. Besonders umfangreiche Erfahrungen sammelte sie jedoch mit zentralen und lokalen Marketingbereichen, und dies stets im internationalen Umfeld. Sie ist mit den besonderen Herausforderungen dieser Funktionen sehr vertraut. Welchen Stellenwert hat das Marketing in Ihrem Unternehmen und woran machen Sie dies fest? Der Stellenwert des Marketings steigt bei uns an, weil Marketing strategische Planungsfunktionen im Produktmanagement übernimmt und damit die Wertschöpfungskette zusammenhält. Dies wird allseits begrüßt. Marketing übernimmt Verantwortung und hilft, sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Ein Beispiel dafür

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ist etwa die Priorisierung von langfristigen Produktentwicklungsmaßnahmen und kurzfristigen Entscheidungsbedarfen der Länder. Ist das Marketing auf Vorstandsebene präsent? Gibt es einen CMO? Nein, bei Tetra Pak gibt es keinen CMO. Die Marketingfunktion hängt unter dem Vorstandsressort Commercial Operations, das alle Landesgesellschaften und eben das Marketing umfasst. Aus welchen Branchen und Unternehmen kommen Ihre besten Marketeers in der Regel? Wir besetzen gar nicht viel von extern. Die meisten sind „interne Gewächse“, weil sie sehr konsequent intern entwickelt werden. Wenn wir Externe einstellen, dann nur, weil es ein internes Defizit gibt. Meist wird eine spezifische fachliche Kompetenz gesucht, die findet man in nahestehenden Branchen. Bei Tetra Pak gibt es zum Beispiel ein hochdiffiziles Engineering; da hilft es, in der Automobilindustrie oder in der Medizintechnik gearbeitet zu haben. Es muss einfach ein Verständnis für die Komplexität der Engineeringleistung da sein. Inwiefern spielt das Alter des Marketeers eine Rolle, und unterscheidet sich dies von anderen Funktionen im Unternehmen? Das Alter an sich spielt keine Rolle, häufig zählt allerdings Erfahrung. Das ist von der Aufgabenstellung abhängig. In der strategischen Planung sind zum Beispiel sehr erfahrene, seniore Leute über 40 beschäftigt. Technische Kompetenz und Verständnis von Zusammenhängen erfordert Erfahrung. In diese Funktion muss man hineinwachsen, sprich: verschiedene Stufen durchlaufen, Funktionen und Märkte gesehen und Technikverständnis entwickelt haben. Das operative Branding hingegen sitzt bei uns in der Kommunikationsabteilung und zieht Mitarbeiter aller Altersgruppen an. Welche Qualifikation, welchen Hintergrund erwarten Sie für Marketingführungspositionen? Das ist aufgabenabhängig. Leadership-Kriterien gelten für alle Funktionen gleich. Und hohe Fachkompetenz gleicht keine Führungsdefizite aus. Was für Marketing besonders wichtig ist: Man muss auch indirekt führen, das heißt, sich vernetzen können und konstruktiv teamfähig sein. Welche fachlichen Kenntnisse sind für Marketeers besonders wichtig?

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Das ist stark von den Erwartungen der Stakeholder geprägt. Entwickler schätzen beispielsweise ein technisches Grundverständnis, die Länder hingegen Kenntnisse des Konsumentenverhaltens in ihren Märkten. Welche Persönlichkeitsmerkmale sind Ihnen besonders wichtig? Marketeers müssen gute Brückenbauer und Teamplayer sein. Sie müssen nach allen Seiten gut zuhören, aber auch gute Fragen stellen können. Wenn sie Freude an der Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen wecken können, Spaß haben und über den Tellerrand hinausschauen, können sie Marketing zur Schlüsselstelle machen. Gibt es so etwas wie „Killerkriterien“? Ja. Wenn Kandidaten oder Funktionsinhaber offen gegen die Kultur- und Werteschemata verstoßen. Bei Tetra Pak könnte das zum Beispiel bedeuten, nicht konsensorientiert zu arbeiten, denn wir arbeiten hochgradig vernetzt und kooperationsorientiert. Angenommen, Sie könnten die Fähigkeiten Ihres Marketingteams um eine Stufe erhöhen: Welches andere Verhalten, welche neuen Fähigkeiten würden Sie sich wünschen? Vor allem den Sinn für Kontext und ein gutes Timing zu entwickeln. Ganz konkret: nicht zu schnell zu schießen, weil sie sich unter Druck gesetzt fühlen, Aussagen zu treffen. Wie unterscheidet sich das fachliche und persönliche Anforderungsprofil eines Senior Marketeers von dem einer Führungskraft in einer anderen Funktion? Bei senioren Führungskräften eigentlich gar nicht, da zählen die Führungsfähigkeiten. Wann ist ein Marketeer bei Ihnen erfolgreich? Eine Marketingführungskraft ist bei uns erfolgreich, wenn ihre Beiträge als wertsteigernd empfunden werden. Das heißt konkret, dass sie einen originären Beitrag mit dem erfolgreichen Abschluss eines Planungsergebnisses – zum Beispiel einem Marktanteil von x Prozent – verbindet. Wie unterscheidet sich die typische Karriere eines Marketeers von der in anderen Funktionen im Unternehmen?

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Marketingkräfte arbeiten in einer relativ jungen Funktion was ihre Kompetenzanerkennung anbelangt. Von den Entwicklungsstufen her gibt es im Marketing aber vielfältigere Karrieren: Verschiedene Funktionen werden auch außerhalb des Marketings durchlaufen und unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Es gibt also weniger Kaminaufstiege. Was hat sich Ihrer Erfahrung nach als Stärke erfolgreicher Marketeers im Vergleich zu anderen Funktionen herauskristallisiert? Die Fähigkeit, sich bewusst auf die Zielgruppen vor und nach ihnen in der Wertschöpfungskette einzustellen. Sie besitzen eine gewisse soziale Geschmeidigkeit, wenn zwei Welten aufeinander treffen. Sie sind keine „Schwätzer im Elfenbeinturm“, sondern stellen die richtigen Fragen und sind generell kommunikationsfähig. Gibt es auch Bereiche, wo Sie größere Schwächen sehen als bei Vertretern anderer Funktionen? Auch das. Man hat manchmal das Gefühl, die Marketeers setzen sich selbst sehr unter Druck, den eigenen Stellenwert zu betonen. Eventuell passiert das deshalb, weil sich Marketing in einem B2B-Unternehmen erst noch behaupten muss. Marketing weiß oft nicht, wofür es steht und verantwortlich ist. Ich denke, die Beiträge des Marketings sind nicht immer klar zu messen, und der Beitrag der Marketeers liegt zu einem nicht unerheblichen Teil in einer Art Verkupplerrolle. Was führt Ihrer Erfahrung nach zum Scheitern von Marketeers? Wie bei jeder anderen Funktion auch: Wenn sie unprofessionell arbeiten und deshalb nicht mehr ernst genommen werden, keinen Einfluss haben. Wie sieht ein erfolgreicher Karrierepfad für einen Marketeer in Ihrem Unternehmen aus? Die einzelnen Karrierepfade variieren, ein erfolgreicher Weg wird aber immer verschiedene Erfahrungsstufen beinhalten. Zum Beispiel die, entwicklungsnah und auch in den Märkten zu arbeiten; und er wird international geprägt sein. Ganz wichtig dabei ist, dass der Marketeer von den großen Entscheidungsträgern gestützt wird, dass man sich auf Vornamensbasis kennt. Und wenn es viele Johanns gibt, muss man eben der Johann sein. Gibt es bei Ihnen innerhalb der Marketingposition Abstellgleise und solche, die zu Höherem berufen?

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Ich mag das Wort Abstellgleise nicht. Aber es gibt in jeder Firma Bereiche, die unter weniger Druck arbeiten als andere. Im Marketing ist das bei uns weniger offensichtlich als in anderen Funktionen, finde ich. Umgekehrt kann Marketing durchaus als Kaderschmiede fungieren – in dem Sinne, dass es Technikern einen Einblick in kommerzielles Arbeiten ermöglicht und ausgeprägten Vertrieblern als Karrierestation in der Zentrale dienen kann. Wie messen Sie den Erfolg von Marketingmitarbeitern und des Marketings insgesamt? Das ist eine Frage des Performance-Managements. Wir versuchen ganz bewusst, bei Zielvereinbarungen eine Abstimmung der Ziele der Marketingmitarbeiter mit denen der Produktentwickler und – soweit möglich – der Vertriebler zu erreichen. Das klappt zwar nicht immer, aber zumindest sollte sichergestellt werden, dass sich die Zielvereinbarungen und Erfolgskennzahlen dieser Bereiche nicht widersprechen, sondern aufeinander aufbauen. Wie wird sich die Marketingfunktion in Ihrem Unternehmen weiter entwickeln? Die wird sich zunehmend dem Thema Verkupplung der Funktionen widmen, heraus aus dem Elfenbeinturm kommen und lernen, vermehrt erfolgreich Steuerungsaufgaben zu übernehmen. Welche fachlichen Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale werden für Marketeers zukünftig und gerade in Krisenzeiten wichtiger? In Zeiten wirtschaftlicher Not müssen Marketeers einen unmittelbaren Beitrag in der Wertschöpfungskette erbringen und auch zeigen. Marketeers haben in Krisenzeiten aber auch eine große Chance: Da sich Wettbewerbsverhältnisse rasch verschieben können, wird eine realistische Marktprognose und Szenarienentwicklung sehr geschätzt – und Marketeers haben ja das Ohr am Markt und am Kunden. Welche Persönlichkeiten benötigen Sie, um sich für diese Situation zu wappnen? Personen, die ruhig und besonnen sind, keine Hektiker und Spekulierer. Die sich umgekehrt jedoch auch nicht in falscher Sicherheit wiegen, weil man 30 Jahre Wachstum hinter sich hat.

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„Wir brauchen Marketeers mit einem klaren ethischen Anspruch und hoher Sensibilität und Kreativität“ Markus Bonsels, Regional Director Recruiting EMEA, Johnson & Johnson Karriereweg: Mit zwei akademischen Graden (Dipl.-Ing. Chemie und Dipl.-Wirtschaftsingenieur) ausgestattet, begann Markus Bonsels seine berufliche Karriere 1992 bei Johnson & Johnson Consumer als Teamleiter des Werks Rhöndorf. Dort stieg er nach zwei Jahren zum Production Manager auf. 1996 wechselte er in den Human-Resources-Bereich und war an verschiedenen Standorten als HR-Manager tätig, bevor er 2001 zum HR Director Consumer Deutschland, Österreich ernannt wurde. 2006 wechselte er als HR Director in den Medical Devices-Bereich. Seit 2008 ist Markus Bonsels Regional Director Recruiting EMEA für alle Sektoren von Johnson & Johnson (Pharma, Medical Devices & Diagnostics und Consumer).

Welchen Stellenwert hat das Marketing in Ihrem Unternehmen und woran machen Sie dies fest? Wir haben drei verschiedene Geschäftsbereiche: Pharmazeutika, Medical Devices & Diagnostics und Consumer. Historisch gesehen war und ist Marketing eine zentrale Funktion im Consumer- bzw. FMCG-Bereich, während es in den anderen beiden Geschäftsbereichen in den letzen Jahren massiv an Bedeutung gewonnen hat und weiter gewinnen wird. Ist Marketing im Vorstand präsent? Gibt es einen CMO? Auf weltweiter Ebene gibt es dies in der Geschäftsstruktur von Johnson & Johnson nicht, aber es gibt pro Business einen weltweit für Marketing verantwortlichen Kollegen, quasi einen CMO. Aus welchen Branchen und Unternehmen kommen Ihre besten Marketeers in der Regel? Die besten entwickeln wir selbst aus der Organisation heraus. Aus meiner persönlichen Sicht würde ich einen Marketeer aus einem FMCG-Unternehmen bevorzugen, der zusätzlich das Marketing von komplexen und stärker erklärungsbedürftigen Produkten gelernt hat. Inwiefern spielt das Alter des Marketeers eine Rolle, und unterscheidet sich dies von anderen Funktionen im Unternehmen? Grundsätzlich weist Johnson & Johnson eine gemischte Altersstruktur auf. Für unsere sehr jungen Marken wie „bebe young care“ haben wir sicherlich sehr jun-

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ge Marketeers, der Zielgruppe entsprechend. Da Marketing eine sehr häufige Einstiegsposition ist, werden sie in FMCG insgesamt mehr jüngere Mitarbeiter finden als in anderen Bereichen. Für die anderen Geschäftseinheiten mit zum Teil sehr komplexen, erklärungsbedürftigen Produkten haben wir eine gemischte Altersstruktur. Detaillierte Produktkenntnisse und eine gewisse „Historie“ auf einer Marke und einem Produktportfolio sind hier zwingend erforderlich. Welche Qualifikation, welchen Hintergrund erwarten Sie für Marketingführungspositionen? Für Marketingfunktionen haben wir ein Kompetenzmodell, das sowohl den fachlichen als auch den Führungsaspekt abdeckt. Prinzipiell halte ich eine solide Erfahrung im Sales-Bereich und ein tiefes Wissen über Consumer oder Customer Insights für unerlässlich. Welche fachlichen Kenntnisse sind für Marketeers besonders wichtig? Wie bei vielen FMCG-Unternehmen müssen Marketeers bei Johnson & Johnson analytisch sehr stark sein und sich mit Konsumentendaten und Wettbewerbsanalysen beschäftigen. Wir haben durchgängig sehr strukturierte Prozesse in der Geschäftsplanung und Produktentwicklung. Für Johnson & Johnson ist eine möglichst große Nähe zum Konsumenten wichtig, die sich durch den gesamten Prozess von der Idee über das Produkt bis zur Kommunikation zieht. Alle Einzelschritte weisen eine hohe Konsumentenrelevanz auf. Welche Persönlichkeitsmerkmale sind Ihnen besonders wichtig? Wir machen keinen Unterschied zwischen Marketing, Sales und General Management. Unser Kompetenzmodell beinhaltet zehn Dimensionen, in denen wir je nach Level eine besondere Ausprägung erwarten. Hierzu gehören Integrität, das heißt Selbsteinschätzung und Handlungsfähigkeit, was in unseren komplexen Märkten besonders wichtig ist. Weiter sind Teamarbeit, Ergebnis- und Leistungsorientierung, Kundenorientierung, aktives Risikomanagement und ein Gefühl für Dringlichkeit, also Handlungsbereitschaft, wichtig. Von besonderer Bedeutung sind zudem strategisches Denken, Change-Orientierung und zukunftsgerichtetes Handeln. Wir erwarten von unseren Führungskräften ein „Big-picture-thinking“, also eine Perspektive des Einzelnen, die über das Unternehmen hinausgeht. Wir erwarten insgesamt eine besonders hohe intellektuelle Neugier, die Bereitschaft zu experimentieren und die Fähigkeit, mit Unsicherheit umzugehen. Im Bereich Organisations- und Talententwicklung ist es uns als globalem Unternehmen wichtig, dass Führungskräfte – gerade auch im Marketing – die Bereitschaft mitbringen,

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Vielfalt in Teams zuzulassen und zu fördern. Für alle Führungskräfte ist uns eine starke Werteorientierung wichtig, die sich in unserem Credo widerspiegelt. Gibt es so etwas wie „Killerkriterien“? Wenige. Am ehesten noch Komplexitätsmanagement. Vor allem im Pharma- und Medizinbereich erhöht sich derzeit die Komplexität enorm. Ansonsten gilt es, im Marketing auf eine kulturelle Eigenheit von Johnson & Johnson zu achten: Wir erwarten eine große Flexibilität, unterschiedliche Realitäten zu analysieren, da wir eine sehr komplexe Matrixstruktur haben. Manche kommen auch mit dieser Matrixstruktur und den Abstimmungsprozessen und Beeinflussungsrunden nicht zurecht, die gerade im Marketing sehr komplex sind. Auf Dauer können manche Marketeers besser in einer reinen Linienfunktion agieren, die es in gewissem Maße bei uns auch gibt. Angenommen, Sie könnten die Fähigkeiten Ihres Marketingteams um eine Stufe erhöhen: Welches andere Verhalten, welche neuen Fähigkeiten würden Sie sich wünschen? Noch mehr Fokus auf den analytischen, wissenschaftlichen Teil von Marketing, weniger Copy-Begeisterung. Johnson & Johnson braucht insgesamt mehr Mitarbeiter mit einem echten, stark ausgeprägten Marketing-Background, die sich in unser technisches Umfeld (Medical Devices) gut einfinden. Wir sind in dieser Hinsicht derzeit erfolgreicher darin, externe Kandidaten zu uns zu holen, als interne Leute zu entwickeln, aber hier werden wir in Zukunft mehr Erfolg haben. Gute Erfahrungen haben wir mit Marketeers aus dem Getränke- beziehungsweise allgemein dem Food-Bereich gemacht; sie haben Erfahrung mit erklärungsbedürftigen Produkten und dem Einsatz vieler verschiedener Marketingwerkzeuge. Wie unterscheidet sich das fachliche und persönliche Anforderungsprofil eines Senior Marketeers von dem einer Führungskraft in einer anderen Funktion? Bei Johnson & Johnson erwarten wir ein gleichmäßiges Profil über die Kernfunktionen Sales, Marketing und General Management, siehe oben. Wann ist ein Marketeer bei Ihnen „erfolgreich“? Wir haben eine starke Matrix, bei uns müssen Sie ein echter Netzwerker sein. Johnson & Johnson ist durch eine starke Konsenskultur geprägt; dies geht einher mit sehr demokratischen Tendenzen. Mitarbeiter dürfen und sollen durchaus widersprechen und kritisch sein.

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Wie unterscheidet sich die typische Karriere eines Marketeers von anderen Funktionen im Unternehmen? Da gibt es keine starken Unterschiede. Marketeers wechseln häufiger die Marke oder die Produkte und wechseln auch zu Sales oder in sales-nahe Funktionen. Was hat sich Ihrer Erfahrung nach als Stärke erfolgreicher Marketeers im Vergleich zu anderen Funktionen herauskristallisiert? Hier kann ich keine besonderen Unterschiede herausarbeiten. Die meisten exzellenten Marketeers streben recht schnell in eine Generalmanagement-Verantwortung, deshalb wäre der Fokus auf Marketing allein sehr kurzsichtig. Gibt es auch Bereiche, wo Sie größere Schwächen sehen als bei Vertretern anderer Funktionen? Das wäre zu stereotypisch, wie zum Beispiel das übliche Vorurteil, Marketeers seien überdurchschnittlich kreativ, aber wenig datengetrieben. Für Johnson & Johnson kann ich das nicht bestätigen. Was führt, Ihrer Erfahrung nach, zum Scheitern von Marketeers? Scheitern im Beruf ist meist auf individuelle Fehler zurückzuführen und nicht auf eine „Grundtendenz“ innerhalb einer Funktion. Wie sieht ein erfolgreicher Karrierepfad für einen Marketeer in Ihrem Unternehmen aus? Marketeers werden sich bei uns über Marketing hinaus entwickeln. Sie gehen dabei stets in Richtung General Management. Auch der oberste Marketeer würde bei uns in Richtung Geschäftsleitung gehen wollen. Komplette P&L-Verantwortung ist auch etwas, wohin wir die Top-Leute entwickeln. Es gibt Mischformen, die Sales und Marketing gemeinsam beherrschen; zum Beispiel ein Marketeer, der sowohl die Produktstrategie „Baby weltweit“ verantwortet als auch die P&L-Verantwortung für Europa innehat. Vermutlich zählt bei uns im Endeffekt die P&L-Verantwortung mehr, auch wenn Marketing sichtbarer ist. Gibt es innerhalb der Marketingposition Abstellgleise und solche, die Wege zu „Höherem“ öffnen? Nein. Die Diversifizierung in mehreren Bereichen ist sicherlich ein Erfolgsfaktor und kein Abstellgleis. Unseres Erachtens kann ein Marketeer oder ein späterer GM gar nicht genug relevante Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen gemacht haben. Kapitel 4 – Zur richtigen Zeit die richtige Idee |

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Wie messen Sie den Erfolg Ihrer Marketingmitarbeiter und des Marketings insgesamt? Dies ist in den Geschäftsbereichen Pharmazeutika, Medical Devices & Diagnostics und Consumer unterschiedlich, aber insgesamt sind Marktanteil, Umsatz und EBIT auf der Zahlenseite und erfolgreiche Produkteinführungen auf der qualitativen Seite bei uns wichtige Messgrößen. Wie wird sich die Marketingfunktion in Ihrem Unternehmen weiter entwickeln? Die einzelnen Geschäftsbereiche werden stärker zusammenwachsen (Convergence), da sich die Bedarfe in allen drei Bereichen annähern. Deshalb werden wir mehr Marketeers zwischen Pharmazeutika, Medical Devices & Diagnostics und Consumer wechseln sehen. Eine hohe Integrationsfähigkeit, exzellente Kommunikationsfähigkeit und Change-Management-Kompetenzen werden sicher hilfreich sein. Welche fachlichen Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale werden für Marketeers zukünftig und gerade in Krisenzeiten wichtiger? Es wird wichtiger werden, Geschäfte in unterschiedlichen Geschäftszyklen zu begleiten. Der Marketeer wird – wie alle Führungskräfte – sehr viel stärker in der Lage sein, zwischen Turnaround, stabilen Phasen und Wachstumsphasen umschalten zu können. Die Fähigkeit, dies voneinander zu unterscheiden und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, wird ein starker Erfolgsfaktor sein. Welche Persönlichkeiten benötigen Sie, um sich für diese Situation zu wappnen? Im Bereich Pharmazeutika und Medical Devices & Diagnostics benötigen wir Persönlichkeiten, die in einem schnell getakteten Konsumgüterumfeld sozialisiert wurden und zusätzlich Johnson & Johnson-spezifische Besonderheiten mitbringen: Einerseits wollen wir Marketing in Richtung FMCG orientieren und die relevanten Tools professionell und umfassend nutzen. Andererseits spielen ethische Komponenten eine sehr große Rolle. Johnson & Johnson betreibt eine ethische Kommunikation, und dies nicht nur wegen der Einschränkungen durch die europäische Gesetzgebung. Das ist eine Herausforderung, die Marketeers mit einem sehr klaren ethischen Anspruch und gleichzeitig Sensibilität und Kreativität erfordert. Beispielsweise haben wir ein Produkt für die plastische Chirurgie kurz vor Markteinführung, das wir noch nicht einsetzen und aktiv bewerben, da wir eine große Verantwortung spüren, mehr als üblich zu testen und den Markt nicht mit einer werblichen, aggressiveren Konsumgüter-Herangehensweise zu bearbeiten. Diese Entscheidung zu treffen und in dieser Gemengelage richtig zu handeln, wird eine große Herausforderung für Marketeers bei uns.

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Kapitel 5 Die Zukunft der Marketeers zwischen Krise und Wachstum In diesem Kapitel finden Sie Antworten auf drei Fragen, die aus unserer Sicht besondere Beachtung verdienen: 1. Welche Fähigkeiten muss ein erfolgreicher Marketeer in Zeiten der Krise mitbringen? 2. Wie sollten Marketeers mit dem Thema neue Medien umgehen und welche Implikationen haben diese für die Karriere und persönliche Weiterentwicklung? 3. Was können Unternehmen top-down tun, um ihre Marketing-Talent-Pipeline zu füllen? Wie können Marketing und Sie sich selbst bottom-up helfen, noch effektiver und effizienter zu werden?

Erfolgreiches Marketing in schwierigen Zeiten: Tipps für souveränes Krisenmanagement In der Krise trennt sich die Spreu vom Weizen. Das gilt für eine hausgemachte Unternehmenskrise wie bei der Kaufhausmarke Karstadt genauso wie für eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise, wie wir sie seit dem Herbst 2008 erleben. Marketeers sind in solchen Zeiten mehr gefordert als Manager in anderen Funktionen. Gleichzeitig werden in der Krise auch Helden gemacht: Wer jetzt reüssiert, empfiehlt sich für einen Top-Job. Die meisten Marketingverantwortlichen respektive deren Chefs greifen in Krisenphasen auf eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen zurück: sofortige Budgeteinfrierungen bzw. massive Budgetkürzungen für das nächste Jahr, Umschichten auf kurzfristig wirksame Maßnahmen, Druck auf Lieferanten, die Kosten zu senken, Stopp aller externen und variablen Kosten, Einstellungsstopp oder

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sogar Entlassungen im Marketing. Viele orientieren sich dabei am Verhalten der pessimistisch denkenden Konkurrenz. Die Aktionen vermitteln den Anschein von Panikreaktionen. Doch Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber. Statt sich von ihr leiten zu lassen, sollte man einen kühlen Kopf bewahren und gerade jetzt seine Kräfte sammeln. Das gilt auch und besonders für Marketeers.

Ein kompletter Budgetstopp im Marketing führt zu sicheren Verlusten Am fatalsten ist der weit verbreitete komplette Budgetstopp. Auf den ersten Blick spricht in schwierigen Situationen alles dafür, Kosten zu senken und Budgets zu kürzen. Einsparungen oder Budgetstopps im Marketing erscheinen dabei oft in besonders attraktivem Licht. Aber sie bedeuten, die mühsam erreichte, langfristig aufgebaute und gepflegte Markenposition aufzugeben. Durch die Kürzung der Marketingausgaben wird die Marke nachhaltig geschwächt. Ihre Bekanntheit, ihre Attraktivität, das Vertrauen in sie und die Loyalität ihr gegenüber brechen dauerhaft ein. Ist sie erst einmal „abgestiegen“, bedarf es enormer Anstrengungen und viel Zeit, um die alte Position wieder zu erreichen. Das hat etwa die Marke Mercedes-Benz schmerzhaft zu spüren bekommen, nachdem Qualitätsmängel zu einer schweren hausgemachten Krise und beim Konsumenten zu Imageschäden geführt hatten. Krisen sind nichts Neues. Auch in der Vergangenheit hatte die Weltwirtschaft immer wieder mit größeren und kleineren Krisen zu kämpfen – von der großen Depression in den 1930er Jahren bis zum Platzen der Internetblase im Jahr 2000. So erlebt auch die Automobilindustrie nicht zum ersten Mal einen Einbruch des Branchenumsatzes. Bereits 1993 hatten die Autobauer nach Abflauen des deutschen Wiedervereinigungsbooms mit Umsatzeinbrüchen zu kämpfen. Schon zu dieser Zeit zeigte sich, dass man durchaus gestärkt aus einer Krise hervorgehen kann. Opel, eher defensiv in der Werbung, reduzierte seine Werbeausgaben im Krisenjahr noch weiter. Citroën dagegen verstärkte seine relativ zum Marktanteil ohnehin schon überdurchschnittliche Werbepräsenz noch einmal. Mit Erfolg: Der französische Autobauer konnte den Markanteil um 20 Prozent erhöhen, während Opel deutliche Einbußen hinnehmen musste. Jede Krise birgt immer auch eine Chance. Um sie wahrzunehmen, gilt es zunächst, die besten Mitarbeiter zu bestärken, damit sie in schweren Zeiten nicht von Bord gehen. Sodann müssen die finanziellen Ressourcen priorisiert werden. Dafür muss man im Vorfeld klären, welches die Erfolgsfaktoren der Marke sind,

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wo man am ehesten sparen kann und wo keinesfalls. Glücklich der Marketeer, der hier seine Hausaufgaben gemacht hat! Jetzt ist die Zeit, um mit den besten Köpfen exzellenter Marketingdienstleister, die sich stärker auch um kleinere Kunden bemühen müssen, günstige Konditionen für langfristige Partnerschaften auszuhandeln. Mit dem gleichen Kommunikationsbudget erzielt man so einen deutlich höheren Share-of-Voice und kann bei reduzierten Werbepreisen ungeniert Marktanteile ausbauen. Um Marken erfolgreich zu führen, muss man manchmal eingeschlagene Pfade verlassen. Man muss innehalten und sich auf das Wesentliche konzentrieren, auch und gerade in Krisenphasen. Was ist also zu tun (vgl. Wichert/Ruehl 2009)? 1. Reflektieren Vermeiden Sie hektische Reaktionen nach dem ersten Schock. Denken Sie sorgfältig nach, entwickeln Sie einen Krisenplan, handeln Sie dann schnell und entschlossen. Gerade im Marketing konnte man bisher das Gegenteil beobachten: Erst wird gehandelt (meist: Budgets eingefroren), dann wird gedacht. Die Psychologie der Krise fördert kollektives Jammern, verlangt aber den Blick nach vorn, in Richtung auf ein Ziel. Dabei sind zwei Entscheidungen zu treffen: Y Wählen Sie die Strategie. Will meine Marke angreifen oder verteidigen? Kaum ein Konkurrent lässt die Budgets jetzt unverändert. Ein Teil der Wettbewerber wird sie deutlich reduzieren, ein anderer wird die Zeit nutzen, um mit erhöhten Budgets massiv anzugreifen. Kürzen Sie Ihr Marketingbudget, nehmen Sie automatisch die defensive Rolle ein. Das muss Ihnen bewusst sein. Y Passen Sie die Markenführungsphilosophie an. Es ist jetzt unerlässlich, eine ganzheitliche, substanzielle Sicht der Marke zu pflegen und auch zu leben. Es zählt Substanz, nicht Oberfläche; es geht um Taten, nicht Worte. Und Premium heißt: konsequent Rabattschlachten vermeiden, auch und gerade jetzt. 2. Analysieren Y

Drei Analysen sind jetzt besonders wichtig: Initiieren Sie Markenforschung. Eine neue Markenforschung ist eine sinnvolle Investition. In reifen Branchen ohne Strukturbrüche gelten Markenforschungsergebnisse für rund zwei Jahre als stabil. Krisen wie die aktuelle Finanzkrise stellen Strukturbrüche dar und lassen Markenforschungsergebnisse schlagartig veralten. Unverständlicherweise neigen Firmen – und widerspruchslos auch viele Marketeers – gerade jetzt dazu, an Markenforschung zu sparen. Dabei verändern sich jetzt nicht nur die Stellenwerte bisheriger Erfolgsfaktoren; es treten auch neue Erfolgs- (z. B. Sicherheit) und Misserfolgsfaktoren auf (z. B. Überfunktionalität, da Konsumenten sich nun aufs Wesentliche konzentrieren). Grundsätzlich verschieben sich die KundenKapitel 5 – Die Zukunft der Marketeers |

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bedürfnisse, Finanzierung, Nutzen- und Kostenvorteile werden wichtiger, die Preiselastizität verändert sich. Durchforsten Sie Investitionen. Investitionen müssen sich jetzt noch mehr rentieren als zuvor. Welche Kommunikationsausgaben bringen den kostengünstigsten Zugang zur Zielgruppe, und wie interagieren die Medien? Was wirkt kurz-, mittel- und langfristig? Dass Sponsoring teurer ist als Online-Banner, ist klar. Aber wie verhält es sich mit Online-Bannern im Vergleich zum E-MailMarketing? Wo liegt der höchste Marken-Return on Investment? Versuchen Sie, die zwei bis drei wirklich relevanten Kernprozesse des Unternehmens herauszuschälen, zu analysieren und zu optimieren. Eine Fokussierung auf diese Top-Prozesse und deren Verbesserung sollte eine wesentliche Voraussetzung für den langfristigen Erfolg gerade in der Krise sein, denn in guten Zeiten hat man seltener Zeit und Anlass für solche schonungslosen Analysen und Optimierungen. Führen Sie Simulationen durch und klären Sie Effekte. Das hilft, realistische Szenarien zu entwickeln. Was geschieht zum Beispiel, wenn der Umsatz um x und das erzielte Preislevel um y Prozent einbrechen? 3. Repriorisieren

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Drei Faktoren sollten Sie in Krisenzeiten neu priorisieren: Länder: Die USA und Dubai zum Beispiel sind von der aktuellen Finanzkrise deutlich stärker betroffen als etwa Polen oder die Schweiz. Damit werden Änderungen in der Priorisierung für das Marketing wahrscheinlich. Branchen: Auch nicht jede Branche ist gleichermaßen betroffen. Gerade B2BMarken tun gut daran, hier zu differenzieren. Pharma und andere essenzielle Güter sind beispielsweise in der Finanzkrise top, Finanzdienstleistungen eher Flops, wobei hier die Privatbanken eine Ausnahme innerhalb der Branche darstellen. Kundengruppen: Während Investmentbankern 2009 nicht viel zu verkaufen war, erreichten die Attraktivitätswerte der bislang vernachlässigten Beamten und Rentner zuvor ungekannte Höhen. Auch hier verschieben sich die Gewichte. 4. Binden und sich trennen

Hat in Wachstumszeiten die Eroberung von Neukunden für die meisten Marketeers oberste Priorität, so verändert sich der Schwerpunkt jetzt: Y Binden: In ressourcenarmen Zeiten verschiebt sich der Fokus auf das Binden bestehender Kunden. Ähnlich müssen die stärksten Marken und Produkte des Unternehmens mit aller Energie gefördert werden. Y Sich trennen: Dies ist der späteste Zeitpunkt, sich von unprofitablen Kunden, Kanälen, Marken und Produkten zu trennen und das Portfolio zu bereinigen.

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Marken und Produkte, die schon während der Hochkonjunktur Schwächen zeigten, sollten jetzt ohne Wenn und Aber beerdigt werden. 5. Integrieren Integration ist im Marketing von enormer Bedeutung. Nur mit ihrer Hilfe verwertet man bestehendes Know-how optimal, vermeidet Fehler und spart Kosten, indem unnötige Investitionen unterlassen werden. Wir empfehlen folgende Maßnahmen: Y Marktforschungsstudien integrieren. Oft werden unkoordiniert Marktforschungsstudien im Bereich der Produkt- und Markenforschung in Angriff genommen. Gerade länderübergreifend existiert ein Patchwork von Studien, die man sinnvoll verzahnen oder daraufhin überprüfen sollte, ob und wie oft man sie überhaupt braucht. So ist die immer wieder untersuchte Kundenzufriedenheit zum Beispiel kein Garant für Loyalität. Markenwahlverhalten kann mit anderen Studien besser und preisgünstiger erklärt werden. Y Zentralisieren. Ob es um die Katalogproduktion oder den Auftritt an einzelnen Markenberührungspunkten geht: Eine Zentralisierung schafft Konsistenz und spart gleichzeitig Kosten. 6. Präsent bleiben Auch in Krisenzeiten sollte die Marke regelmäßig beworben werden, selbst wenn es keine veränderten Produkte oder Innovationen gibt. Wenn Werbemaßnahmen kosteneffizient eingesetzt werden, sind mit relativ geringen Kosten große Wirkungen bei Konsumenten und Mitarbeitern zu erzielen. Anzeigen in zielgruppenadäquaten Zeitschriften beispielsweise versprechen meist einen hohen Shareof-Voice und dienen als Lebenszeichen im Marketing und der Marke. Gerade dies weckt wieder Vertrauen und Zuversicht bei Konsumenten und Mitarbeitern. 7. Sich repositionieren und die Strategie anpassen Eine neue Strategie festzulegen ist vielleicht die wichtigste und schwierigste Aufgabe für die Marke und das Marketing. Achten Sie dabei auf Folgendes: Y Repositionieren Sie die Marke mit rationaleren Werten. In den zurückliegenden Jahren häuften sich emotionale Positionierungen. Heute, in Zeiten der Krise, besinnen sich die Menschen dagegen auf gute alte Tugenden wie Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit. All die „Liebes-Slogans“ der Marken können nun beweisen, wie ernst ihre „Liebesbeziehung“ zum Kunden wirklich ist, indem sie die rationalen Werte wieder aufleben lassen. Y

Bieten Sie Glaubwürdigkeit und Orientierung. Die Glaubwürdigkeit Ihres Markenversprechens ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg. Orientierung erreichen Kapitel 5 – Die Zukunft der Marketeers |

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Sie durch Konzentration auf die wesentliche Botschaft. Schaffen Sie operative Mehrwerte. Kundenzentriertes Marketing verlangt, echte Werte für den Kunden zu schaffen: Ein großformatiger Kalender für den Lieferanten erfüllt diesen Zweck nicht, auch nicht die modernere Verpackung. Wohl aber eine Verpackung, die sich leicht öffnen und wieder verschließen lässt, auch wenn dadurch beim Design Abstriche gemacht werden müssen. 8. Das Rüstzeug optimieren

Mindestens drei „Ausrüstungsgegenstände“ des Marketings sollten Sie jetzt optimieren: Y Markentreiber: Investieren Sie nur noch in die wichtigsten Treiber der Marke. Y Kommunikationskanäle: Investieren Sie vorzugsweise in die kosteneffektivsten Kanäle, vor allem in Online-Medien. Y Pricing: Gehen Sie innovative Wege bei der Preisbildung, um den Kunden in ihrer Not entgegenzukommen. 9. Innovativ sein und antizyklisch handeln Nicht immer lässt sich aus einer Krise Kapital schlagen. Daher trauen sich nur wenige Marken, antizyklisch zu handeln und ungewöhnliche Angebote zu unterbreiten. Doch gerade diese werden meist belohnt. Dafür sprechen vor allem drei Gründe: Y Günstige Deals. Langfristige Dienstleistungsverträge und sinnvolle Markenakquisitionen können jetzt so günstig wie nie abgeschlossen werden. Glücklich, wer über das nötige Kapital verfügt! Y Positive Presse und mehr Aufmerksamkeit. In Zeiten inflationärer Negativnachrichten fallen positive Nachrichten auf. Viele Marken machen vor, wie man dies nutzt; so etwa Wella, Henkel und Beiersdorf im Konsumgüterbereich und verschiedene Energieversorger sowie die FsG Automotive und Peter Wolters GmbH im Industriegüterbereich. Selbst Premiumhersteller wie Audi und Loewe haben im Dezember 2008 investiert – sie hatten den Finger am Puls des Kunden und setzten rechtzeitig auf neue Technologien. Y Pluspunkte für Kundenversteher. Ungewöhnliche Angebote empfehlen das Unternehmen als Kundenversteher: Wer sofort auf die veränderten Bedürfnisse der Kunden eingeht und ihre Ängste ernst nimmt, punktet. So zum Beispiel Firmen, die ungewöhnliche Garantien geben – etwa die, im Fall eines Jobverlusts ein Abo kündigen oder ein Produkt zurückgeben zu können. Andere akzeptieren Tauschgeschäfte ohne Cashflow oder bieten eine Art Probezeit für langlebige Gebrauchsgüter an.

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Alle diese Aktivitäten stärken die Marke für die Kunden und die Arbeitgebermarke für die Mitarbeiter und führen mittelfristig zu einem Zugewinn an Marktanteilen. 10. Sich für die nächste Krise rüsten Jeder kluge Manager lernt aus den Tücken einer Krise und wendet dieses Wissen in der nächsten Krise an. Vier konkrete Empfehlungen für die Marke: Y Dos and Don’ts für die nächste Krise notieren und immer wieder vor Augen halten. Y Die wichtigsten Analysen und Simulationen benennen. Y Einen „Jokerfonds“ für Unvorhergesehenes einrichten, um flexibel zu bleiben. Y Konsequent und kontinuierlich in eine strategische Markenführung investieren, um zukünftigen Krisen als starke Marke, die sich eisern und ehrlich an den Bedürfnissen der Kunden orientiert, entgegentreten zu können.

Herausforderung neue Medien: Wie Sie den Umbruch meistern

Herausforde

Unser Verständnis und Erleben von Kommunikation, Einkauf und Informationsbeschaffung befindet sich im Umbruch. Das Internet und damit verbundene, neue Mediendienste eröffnen völlig neue Marketingräume für die Unternehmen. Marketeers stehen vor vielen neuen Herausforderungen und müssen den Wandel im Kommunikationsverhalten der Kunden verstehen lernen, um ihn aktiv zu gestalten. In diesem Punkt verändert sich daher auch das Kompetenzprofil des Marketeers und, wie wir aus zahlreichen Interviews wissen, haben viele seniore Marketeers genau davor Angst.

Zunehmende Durchlässigkeit und Fragmentierung Weblogs, Podcasting und Peer-to-Peer-Netzwerke verändern nicht nur die virtuelle Welt, sondern sorgen auch für Umwälzungen in unserem „analogen“ Leben. Es vollzieht sich ein grundsätzlicher Wertewandel, der unseren Lebens- und Konsum-

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stil beeinflusst und tiefgreifende Auswirkungen auf das Marketing als Funktion hat. Die Mediennutzungsgewohnheiten der Konsumenten verändern sich dramatisch, vor allem in den jüngeren Zielgruppen. Das World Wide Web entwickelt sich mehr und mehr zu einem Leitmedium und sorgt für eine Umverteilung der Medienzeit. So bekommt das klassische Fernsehen Konkurrenz vor allem von Videoportalen wie etwa youtube.com oder auch rtlnow.de, die dem individualisierten Unterhaltungsbedarf der Rezipienten entgegenkommen. Das Radio konkurriert mit dem personalisierten Programm der Podcasts um die Zeit der Hörer. Das Internet wird als Nachschlagewerk und Bewertungshilfe bei Kaufentscheidungen sowie zum Auffinden von Schnäppchen genutzt. Durch die Vielzahl an Kommunikations- bzw. Content-Plattformen fragmentieren sich die Zielgruppen in immer größerem Ausmaß. Doch nicht nur, um sich zu informieren oder einzukaufen, verbringen die Verbraucher immer mehr Zeit online. Die Nutzung des Internets wird nicht so sehr von einem ursprünglich vorhandenen Kaufwunsch getrieben, sondern vielmehr von einem tieferen, emotionalen Beweggrund: dem individuellen Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, Interaktionsfähigkeit und sozialen Kontakten – was zum Boom von Web 2.0-Anwendungen wie Flickr, Facebook oder MySpace führt.

Auf der Suche nach Relevanz und Authentizität Die Zeit der Marketingmonologe, der Einwegskommunikation von Werbetreibenden in Richtung Konsument, geht mit wachsendem Tempo ihrem Ende entgegen. Konsumenten nutzen die Möglichkeiten zur Beeinflussung, Kontrolle und Mitwirkung immer stärker. Kundenkontakte werden individueller, Marketeers treffen vermehrt auf gut Informierte und Multiplikatoren. Vorgefertigte Verkaufsformeln haben ihre Wirkung verloren, stattdessen bewahrheitet sich der Leitspruch aus dem Cluetrain-Manifest des Jahres 1999: „Märkte sind Gespräche“. Im Umfeld neuer Medien zählen Interaktionen zwischen Konsumenten, in deren Kontext Werbung – etwa durch klassische Online-Marketing-Maßnahmen wie Bannerwerbung und Pop-ups – bestenfalls störend wirkt. Die große Herausforderung für Marketeers besteht darin, für Mediennutzer relevant zu werden und sich in die digitalen Kommunikationsströme einzufügen, ohne plump zu wirken. Mediennutzer und Konsumenten erwarten mehr Transparenz, Authentizität und Verlässlichkeit. Auf den ersten Blick und unter ökonomischen Aspekten erscheint es verführerisch, als Markenartikler oder auch B2B-Marke auf klassische Kommunikation – etwa eine Anzeige in der „Bunten“ oder in einem Fachmagazin – zu verzichten und stattdessen auf Websponsoring und Bannerwerbung zu setzen. Auch diese selek-

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tivere Platzierung fällt jedoch hinter Googles Erfolgsmodell zurück, Marken und Themen in den Kontext eines „echten“ Interesses, einer konkreten Suche des Konsumenten, zu platzieren. Sich authentisch und zielgruppenspezifisch mit den eigenen Themen und Produkten in diesem Umfeld zu bewegen, ist heute und in Zukunft eine der wesentlichen Herausforderungen für Marketeers. Marketeers werden in vielfältiger Weise tiefer und relevanter mit ihren Konsumenten in Kontakt stehen. So richtet sich das neue Marketing in der veränderten Kommunikationswelt nicht länger an einen repräsentativen Ausschnitt von Öffentlichkeit, sondern setzt auf Nähe und Vertrautheit, ist zielgenau und situationsgerecht. Neue Marketingansätze wie Endorsement- oder Search-Marketing schaffen die Möglichkeit, den Moment der Kaufentscheidung, der üblicherweise am Point-of-Sale, z. B. am Supermarktregal, stattfand, in der digitalen Welt in einer komplexen Art zu beeinflussen.

Horizontaler und vertikaler Zusammenschluss – raus aus dem Silo Gleichzeitig bieten digitale Medien eine früher undenkbare Fülle an Markt- und Konsumentendaten, und dies innerhalb von Sekunden. Die Reaktionsgeschwindigkeit des Marketeers beträgt – vom Produktlaunch über erste Konsumenten-Rückmeldungen bis zu Änderungen an Produkt und Kommunikation – nicht mehr Wochen oder Monate, wie dies in der analogen Welt der Fall war, sondern Tage oder Stunden. Das experimentelle Resultat von E-Mail-Kampagnen ist innerhalb kürzester Zeit verfügbar und ermöglicht die Verfeinerung von Elementen zur weiteren Schärfung der Kommunikation. Erste Tests mit individuellen TV-Spots für den einzelnen Konsumenten lassen ahnen, dass uns hier eine höchst differenzierte Kommunikationswelt erwartet. Durch Google Trends und Korrelationsanalysen sind sogar vorausschauende Untersuchungen möglich, die früher undenkbar waren. Segmentierung ist in höchster Granularität möglich. Die Auswirkungen auf Produktentwicklung, Kommunikation oder Consumer Insights machen eine völlig neue Art der Entscheidungsfindung in Unternehmen erforderlich, die wiederum flachere Organisationsstrukturen erfordert. Langwierige Abstimmungsrunden, hierarchische Stufen, die es zu überwinden gilt, werden in der digitalen Welt nicht nur obsolet, sondern gefährlich – man kommt einfach zu spät. Marketeers finden sich nicht nur verstärkt in externen Kooperationen und Partnerschaften mit anderen Unternehmen, Dienstleistern oder Institutionen wieder, um Zielgruppen neu und anders zu erreichen und sich entlang der Wertschöp-

Kapitel 5 – Die Zukunft der Marketeers |

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fungskette stärker aufzustellen. Digitales Marketing erfordert intern darüber hinaus eine deutlich stärkere, schnellere und zielgerichtetere Zusammenarbeit, beispielsweise mit Produktion (Änderung bestimmter Produkteigenschaften), Forschung & Entwicklung (Rückspiegelung von Marktforschungsergebnissen) oder innerhalb größerer Marketingabteilungen.

Auswirkungen auf das zukünftige Profil des Marketeers Die veränderten Kommunikationsverhältnisse stellen neue Anforderungen an das Marketing und die Kundenansprache. Die digitale Herausforderung übersteigt das bloße Verständnis der Technologie und der Werkzeuge und erfordert eine sowohl fachliche als auch persönliche Neuorientierung von Marketeers: 1. Müheloser Umgang mit komplexen Daten und Analyseverfahren Y Differenzierte Kundendaten sind nicht mehr nur „nice to have“, sondern notwendig für eine differenzierte, gesamthafte Marktbearbeitung. Y Dynamische Kundendaten, die intelligent analysiert werden können, sind verfügbar. Jedoch muss man der Gefahr entgehen, der Informationsflut nicht mehr Herr zu werden. Die Analyse soll sowohl zielgerecht als auch relevant sein und durchgeführt werden, weil die Daten vorliegen. Y Von den Besten lernen (z. B. Einzelhandel, E-Commerce-Unternehmen wie Amazon, Ebay, Google). 2. Kunden als Partner sehen – noch stärkere Kundenorientierung Y Wachsende Bedeutung von Customer Relationship Management, auf Basis der digitalen Nutzerdaten. Y Dialog mit dem Konsumenten auf Augenhöhe, Marken werden zu Plattformen für Konsumenten. Y Umfassende Einbeziehung der Kunden in Produktentwicklung (Stichwort: Open Innovation) und Kommunikation, Bildung und Beeinflussung von Online-Communities (z. B. MINI, Nespresso). Y Durchführen des Wandels vom Produkt- zum Konsumentenfokus in Industrieunternehmen – mentaler Paradigmenwechsel für alle Marketingorganisationen. 3. Schneller getaktete, experimentelle Arbeitsweise Y Hohe Reaktionsgeschwindigkeit für den Weg vom Konzept zur Umsetzung erforderlich. Ergebnisse werden sofort sichtbar, dies verlangt ein permanentes „Sich-in-Frage-Stellen“ und Veränderungsbereitschaft.

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| Herausforderung neue Medien: Wie Sie den Umbruch meistern

Y Y

Offenheit, kreatives Erproben von Konzepten, Kampagnen, Produkten und Botschaften mit rascher Anpassung an Feedbacks auf Basis von Metriken. Flache, offene und empfängliche Organisationsstrukturen sind notwendig, um neue Arbeitsweisen abzubilden

4. Neue Führungsmethoden und Teamkonstellationen Y Jüngere Mitarbeiter sind ein Muss im Marketingteam. Als Marketeer in den Dreißigern und älter muss man zum Beispiel nicht mehr selbst „twittern“, aber man sollte die neuen Plattformen kennen und zumindest als Beobachter teilnehmen, um den Reiz und die Möglichkeiten für die eigene Marke abschätzen zu können. Y Veränderungsbereitschaft wird zur Basisanforderung, impliziert eine ausgeprägte Lernbereitschaft und Agilität. Neues offen anzunehmen, heißt dabei aber nicht, klassische Kenntnisse und Methoden völlig aufzugeben. Y Gefragt sind eine höhere Risikobereitschaft, Experimentierfreude und Offenheit für unkonventionelle Wege. Es gilt, neue Anreiz- und Bonussysteme zu schaffen, die Risikobereitschaft honorieren und Fehlertoleranz zeigen. 5. Durch abteilungsübergreifende Zusammenarbeit hohe Ergebnisrelevanz erlangen Y Unternehmensintern arbeitet das Marketing noch vernetzter mit anderen Funktionen zusammen – das Silo wird gefährlich. Y Marketing und Vertrieb verschmelzen, die digitalen Marketingwerkzeuge haben direkten Einfluss auf den Saldo, etwa durch Konversionsrate, TrafficGenerierung etc. Y Vollständige Messbarkeit aller Maßnahmen, daher gewinnt die Ergebnisorientierung noch weiter an Bedeutung.

Nachwuchskräfte optimal entwickeln: Talentmanagement-Strategien für Chefs

Nachwuchsk

Wie in Kapitel 3 dargelegt, sind weder die hervorragenden CMOs noch die hervorragenden Marketeers auf den mittleren Hierarchieebenen besonders stark in der Entwicklung leistungsfähiger Marketingorganisationen. Gleichzeitig belegen eine Vielzahl von Studien (so zum Beispiel die Untersuchung „Making Talent a Strategic Priority“ der Unternehmensberatung McKinsey aus dem Jahr 2008), dass Kapitel 5 – Die Zukunft der Marketeers |

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die optimale Besetzung von Führungspositionen den stärksten positiven Einfluss auf die Rentabilität eines Unternehmens hat. Bei der Aufgabe, fähige Mitarbeiter zu gewinnen, werden die Unternehmen in den kommenden Jahren jedoch vor immer größeren Herausforderungen stehen. Die demographische Entwicklung lässt die Zahl der potenziell herausragenden Nachwuchsführungskräfte in absehbarer Zeit drastisch sinken. Auch wenn sich Marketing als Studienfach nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, werden die sinkenden Absolventenzahlen nicht ausreichen, um auch den künftigen, erhöhten Bedarf an Marketingführungskräften zu decken. Wie Magnus Graf Lambsdorff (2009) feststellt, erzwingen sowohl die Globalisierung als auch immer kürzere Wertschöpfungszyklen ein Höchstmaß an strategischer Flexibilität in den Unternehmen, und gerade hierfür sind herausragende Marketeers wichtig. Doch insbesondere Marketingnachwuchskräfte sind besonders mobil und international orientiert, daher schwierig zu gewinnen. Durch den globalen Wettbewerb um die raren Marketingtalente wird es in Zukunft schwieriger werden, ausreichend Kandidaten mit dem Potenzial für Marketingspitzenpositionen zu finden. Gleichzeitig gehört es nicht zu den Stärken der Marketingführungskräfte, eine starke Talentpipeline zu entwickeln. Ohne besonderen Fokus der Unternehmensspitze und der Personalfunktion auf die zielgerichtete Entwicklung aller Potenzialträger geraten Unternehmen in die Gefahr, sich nicht auf die „Besten der Besten“ für ihr jeweiligen Unternehmen stützen zu können. Es gilt daher, in einem strukturierten Prozess sowohl interne wie externe Kandidaten für die Marketingfunktion zu prüfen und im gegebenen Fall für das Unternehmen zu gewinnen bzw. dauerhaft zu binden. Hierfür sind klare Karriereperspektiven zwingend notwendig, auch über die Marketingfunktion hinaus. CEOs und CMOs von heute stehen vor der Frage, wie sie angesichts dieser Rahmenbedingungen sicherstellen können, dass ihr Unternehmen die besten Marketingtalente anzieht, entwickelt und an sich bindet. Die Verknüpfung der Unternehmensplanung mit den für die Umsetzung notwendigen Kompetenzen wird – wie in Kapitel 3 dargestellt – in der Regel nicht systematisch und schon gar nicht nachhaltig angegangen. In einer branchenübergreifenden Studie zur Qualität von Talentmanagement-Systemen hat Egon Zehnder International herausgefunden, dass die Qualität der Talentmanagement-Systeme in den verschiedenen Branchen sehr unterschiedlich ist. Die Ergebnisse beruhen auf einer Umfrage zum Thema, die im Jahr 2008 unter 40 Unternehmen durchgeführt wurde. Talentmanagement wird hier auf einer vierstufigen Skala gemessen.

204

| Nachwuchskräfte optimal entwickeln

Abbildung 51: Konsumgüter- und Industriegüterbranche bilden Marketingführungskräfte besser aus Durchschnittliche Talentmanagement-Werte pro Branche 1

2

3 2,54

Konsumgüter Dienstleistungen

2,36

Financial Services

2,33

Life Sciences

2,25

Industriegüter

2,24

High Tech

4

2,13

Dass der Konsumgüterbereich im Praxisgruppenvergleich das höchste Ergebnis erzielte, überrascht kaum. Das schlechte Abschneiden der TalentmanagementSysteme für Führungskräfte im Industriegüterbereich ist hingegen erstaunlich, da gerade die internationale Tätigkeit all dieser Unternehmen und internen Funktionen hier mehr erwarten ließe. Was sind nun die wesentlichen Ursachen für das gute Abschneiden der Konsumgüterbranche? Mithilfe persönlicher Klienteninterviews, telefonischer Umfragen und nicht zuletzt einer umfassenden Analyse der relevanten Fachliteratur wurden im Rahmen der Studie insgesamt sechs Treiber für ein effektives Talentmanagement identifiziert: 1. Die Talentmanagement-Agenda wird vom Linienmanagement – und nicht nur vom Vorstandsvorsitzenden – diszipliniert umgesetzt. 2. Talentmanagement ist in die Agenda der Geschäftsführung integriert und geht deutlich über die Führung von High Potentials hinaus. 3. Best-Practice-Unternehmen haben eine einfache, einheitliche Definition dessen, was einen guten Manager ausmacht, und machen diese durch den Einsatz eines abgestimmten Kompetenzmodells transparent.

Kapitel 5 – Die Zukunft der Marketeers |

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4. Best-Practice-Unternehmen gehen bei der Beurteilung und Entwicklung von Führungskräften rigoroser vor. Sie betrachten Leistung und Potenzial, wenden externes Benchmarking an und suchen unabhängigen Input bei wichtigen Besetzungen. 5. Das mit der externen und internen Besetzung von Führungspositionen verbundene Risiko wird in starkem Maße proaktiv minimiert. 6. Erfolgreiche Unternehmen hinterfragen und überprüfen umsichtig, wie gut ihr Talentmanagement tatsächlich ist. Nach unserer Einschätzung lassen sich Unternehmen hinsichtlich der Qualität ihres Talentmanagements in vier Gruppen einteilen: 1. „Unentschlossene“: Das Management agiert im Hinblick auf Talentmanagement eher skeptisch und abwartend auf allen Hierarchieebenen. 2. „Entschlossene“: Talentmanagement-Prozesse werden im Wesentlichen von HR getrieben, Linienmanager sind nur eingeschränkt engagiert. 3. „Engagierte“: Der CEO und einige Mitstreiter aus HR und Geschäftsbereichen entwickeln umfassendere Ansätze. 4. „Erprobte“: Das gesamte Führungsteam ist mit abgestimmten, vollständig integrierten Prozessen seit langem erfolgreich für das Talentmanagement tätig. Auch wenn die strategische Bedeutung des Talentmanagements dramatisch gestiegen ist und das Thema auf der Tagesordnung der CEOs und CMOs nach oben rückt, stecken die meisten Unternehmen im Blick auf professionelle Entwicklungsmaßnahmen für den Führungsnachwuchs noch in den Kinderschuhen, was im Wesentlichen auf einer skeptischen bis bestenfalls neutralen Haltung des Managements beruht. Für jeden der sechs Treiber guten Talentmanagements wurde eine Skalierung – ähnlich dem in Kapitel 3 präsentierten Kompetenzsystem – entwickelt, um Unternehmen die Selbsteinschätzung anhand der vier Gruppen zu erleichtern.

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| Nachwuchskräfte optimal entwickeln

Abbildung 52: Talentmanagement-Selbstdiagnose: Wo sehen Sie sich selbst im Hinblick auf die sechs Schlüsselfaktoren? (1/2) 2

1 Die Unentschlossenen

Die Entschlossenen CEO engagiert; kaum Rückhalt im Top-Team

3

Die Engagierten Top-down-Führung des Talentmanagements

1. Top-downFührung

Verbale Unterstützung; begrenztes Nachhalten

2. Integration in die Geschäftsführung

Nur finanzieller Finanzielle Betrach- Finanzielle Erfolg wird bewertet tung + jährliche Nach- Betrachtung + HR-Initiativen folgeplanung

3. Einheitliches Kompetenzmodell

Kein einheitliches Modell; individuelle Entscheidungen

Individuelle Bewertung von Schlüsselpositionen; Kompetenzmodell entwickelt

Komplexes Kompetenzmodell entwickelt, aber noch keine Ergebnisse

4

Die Erprobten Talentmanagement ist Priorität aller Führungskräfte

Ein Ziel, eine Sitzung, eine Entscheidung

Klares Kompetenzmodell; Führungsmodell aufgebaut

Will man herausragende Talente an das Unternehmen binden, müssen die Potenziale und Kompetenzen der Marketingführungsmannschaft kontinuierlich analysiert werden, wie in Kapitel 3 dargestellt. Dies dient nicht nur dazu, die Besetzung von Marketing- und anderen Schlüsselpositionen zu überprüfen, wenn sich die Unternehmensstrategie ändert. Eine solche kontinuierliche Analyse bildet auch die Grundlage für ein umfassendes System der Führungskräfteentwicklung insgesamt. Führungskräfteentwicklung bezieht sich nicht nur auf den einzelnen Marketingmanager, sondern auch auf das oberste Führungsteam als Gruppe, über alle Funktionen hinweg. Dessen Zusammensetzung und Agilität sind für das Unternehmen von zentraler Bedeutung. Gerade eine wirtschaftliche Krise lenkt den Blick aufs Wesentliche, so zeigt sich die Relevanz eines nachhaltigen Talentmanagements für den Unternehmenserfolg auch daran, dass im politischen Raum immer intensiver darüber diskutiert wird, kurzfristige Erfolgsfaktoren für die Bonitätsbewertung geringer zu bewerten und verstärkt die Qualität der Personalentwicklung eines Unternehmens in dessen Bonitätsbewertung einfließen zu lassen. Wegen der geschilderten Herausforderungen ist die langfristige und gezielte Führungskräfteentwicklung heute längst kein „weiches“ Thema mehr, sondern ein handfester und finanziell messbarer Faktor des Unternehmenserfolgs. So erzielen Unternehmen, die entsprechende Verfahren etabliert haben, eine um bis Kapitel 5 – Die Zukunft der Marketeers |

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zu 25 Prozent höhere Rendite als Unternehmen, die ungeeignete Ansätze verfolgen. Trotzdem scheuen sich immer noch viele, die Qualität ihrer Führungskräfte – einschließlich der obersten Führungsebene – zu bewerten und so Transparenz zu schaffen, die sowohl der Unternehmensentwicklung als auch den Interessen der Führungskräfte dient.

Abbildung 53: Talentmanagement-Selbstdiagnose: Wo sehen Sie sich selbst im Hinblick auf die sechs Schlüsselfaktoren? (2/2) 1 Die Unentschlossenen

Die Entschlossenen

4

3

2

Die Engagierten

Die Erprobten

Systematische Bewertung von Schlüsselpositionen + High Potentials

Rigorose Bewertung aller Führungskräfte (auch Top-Team), Talentmanagement u. Geschäftsziele haben gleiche Wertung

Externes Benchmarking für wichtige interne Beförderungen und Hirings

Aktives Risk Management wird ernst genommen (z.B. bei Einstellungen)

4. Rigorose Beurteilungen

Von Erfordernissen Bewertung ausgewählter bestimmt; nur Schlüsselpositionen Führungspersonen + High Potentials

5. Risikomanagement bei Ernennungen

Kultur des „Schwimmens oder Ertrinkens“

Interne Unterstützung für Schlüsselpersonen; sporadisch

6. Messungen der TM- Leistung

Keine speziellen TM-Maßnahmen

360°-Online-Tool, 360°-Online-Tool, Befragungen zur einige Messungen, aber Daten stückhaft Unternehmenskultur, z.T. Überwachung der TM-Leistung

Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen, die die TM-Leistung bottom-up messen (70 % pos. Rücklauf)

Talentmanagement für Marketingpositionen Will man eine professionelle, langfristige Lösung, dann bedarf es langfristigen Talentmanagements. Talentmanagement beruht auf einem klar definierten Kompetenzmodell, wie wir es z. B. in Kapitel 3 dargestellt haben. Mit dessen Hilfe wird die festgelegte Unternehmensstrategie in Anforderungsprofile übertragen und überprüft, welche Differenzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit bestehen. Diese Bewertungen münden in einer Reihe zielgerichteter Initiativen zur Entwicklung von Kompetenzen, die für die Wahrnehmung einer aktuellen Aufgabe kritisch oder zur Vorbereitung auf eine kommende notwendig sind. Solche Initiativen müssen

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| Nachwuchskräfte optimal entwickeln

die wirklich zugrunde liegenden Ursachen berücksichtigen und sind daher individuell für jede Führungskraft und nicht nach dem „Gießkannenprinzip“ gestaltet. Dies bedeutet aber auch, dass ein simples Executive Training in manchen Fällen nicht ausreicht, um unzureichend erscheinende Kompetenzen nachhaltig zu verbessern. Die Einsicht der Führungskraft in die Notwendigkeit von entwicklungsfördernden Maßnahmen und die strukturierte Unterstützung im Unternehmen sind hierbei erfolgskritisch.

Entwicklung durch gezielte Herausforderungen Es kann zum Beispiel durchaus sein, dass es punktuell außergewöhnlicher Maßnahmen bedarf, um einen Marketingmanager wirklich voranzubringen, etwa durch so genannte „Stretch Assignments“, die den Marketeer stark herausfordern, bisweilen sogar gezielt überfordern, um ihm ein realistisches Bild seines aktuellen Leistungsvermögens und Entwicklungspotenzials zu geben. Dies kann etwa durch eine komplexe Markt- oder Produktstrategie geschehen, die zusätzlich zum Tagesgeschäft zu erarbeiten ist. Häufig orientieren sich derartige Aufgaben auch stärker an der persönlichen Entwicklung des Marketingmanagers und erst in zweiter Linie an einem Abteilungs- oder Unternehmensziel. Der Ansatz deckt sich mit den Einschätzungen der Interviewpartner in Kapitel 4: Um ein vielfältiges, facettenreiches Profil entwickeln zu können, sollte ein Marketeer verschiedene Funktionen wahrgenommen haben sowie unterschiedliche Phasen einer Unternehmensentwicklung in verantwortlichen Positionen (Vertrieb, Finanzen, Supply Chain) erlebt und möglichst auch gestaltet haben.

Die eigene Einschätzungsfähigkeit trainieren Nahezu die Hälfte aller Besetzungsentscheidungen ist letztlich suboptimal, wie Claudio Fernández-Aráoz in seinem Buch Great People Decisions feststellt. Idealerweise werden jene Führungskräfte konsequent in alle wichtigen Personalentscheidungen einbezogen, die die höchste „Treffsicherheit“ in der Vergangenheit gezeigt haben. Die Fähigkeit, gute Personalentscheidungen zu treffen, wird zunehmend zum zentralen Bestandteil des Kompetenzportfolios von Vorständen und Geschäftsführern und wird künftig ein wichtiger Parameter der Karriere eines Marketeers sein.

Führungskräfteentwicklung als wichtigste Aufgabe sehen Führungskräfteentwicklung ist nicht nur ein Thema für das operativ verantwortliche Management, sondern auch für die Kontrollgremien wie Aufsichts- und Beiräte, nicht nur in rosigen wirtschaftlichen, sondern gerade auch in schwierigen Kapitel 5 – Die Zukunft der Marketeers |

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ökonomischen Zeiten. In deren Tätigkeitsfeld sind viele externe Faktoren, wie zum Beispiel die Konjunktur oder branchenspezifische Trends, die die Entwicklung des Unternehmenswertes beeinflussen, nur schwer zu kontrollieren. Worauf die Unternehmensleitung jedoch unmittelbar Einfluss hat, ist die Qualität ihrer Führungskräfteentwicklung und ihrer Personalentscheidungen. Märkte unterliegen derzeit einem rasanten Wandel, der zu Unsicherheit, Komplexität und teilweise völlig neuen Wettbewerbssituationen führt. In einem derart herausfordernd geprägten Marketingumfeld gehört es daher unabdingbar zu einer nachhaltigen Unternehmensführung, exzellente Personalentscheidungen – vor allem in der Marketingfunktion selbst – zu treffen. Und dies ist Chefaufgabe, denn erfolgreiche Führungskräfteentwicklung gelingt nur, wenn sich der Vorstandvorsitzende oder Geschäftsführer diesem Thema ernsthaft widmet – und so die personellen und strukturellen Voraussetzungen dafür herstellt, dass exzellente Marketeers die optimalen Ergebnisse für das Unternehmen schaffen.

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| Nachwuchskräfte optimal entwickeln

Kapitel 6 Zwölf Erfolgsrezepte für Marketeers In diesem Kapitel finden Sie die wesentlichen Erkenntnisse über persönliche und fachliche Erfolgsfaktoren sowie über den Brückenbau zwischen den Abteilungen des Unternehmens kompakt zusammengefasst. Außerdem bekommen Sie Tipps, wie Sie Ihre Führungsfähigkeiten verbessern. Unsere Erfolgsformel möchten wir in zwölf Erfolgsrezepte untergliedern. Diese bedürfen – wie Kochrezepte auch – gelegentlich der Improvisation und sind nicht als exakt einzuhaltende Vorschriften zu verstehen. Unter Umständen kann allerdings eine einzige falsche Zutat das Ergebnis verderben – und ein Marketeer bei einem Fehler aus der Karrierebahn geworfen werden. Es ist also Achtsamkeit geboten, denn wie beim Kochen sind die Zutaten auch hier zu etwa 70 Prozent für den Erfolg verantwortlich. Die zwölf Rezepte setzen sich aus folgenden Ingredienzien zusammen: Y Tipps für Phasen vor und während der Laufbahn Y Dos and Don’ts zu fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten Y Dos and Don’ts zu persönlichen und Führungsfähigkeiten Y Dos and Don’ts zum Brückenbau zwischen Abteilungen des Unternehmens Y Umgang mit Glück, Pech, Zufällen und politischen Einflüssen. Abschließend würzen wir das Ganze mit einigen Zitaten, Anekdoten und anderen Querverweisen und hoffen, dass Sie daraus einen zusätzlichen Nutzen für sich ziehen können.

Kapitel 6 – Zwölf Erfolgsrezepte für Marketeers |

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Kapitel 6 Marketee

olgsrezept 1

Erfolgsrezept 1: Erstellen Sie Ihre persönliche Erfolgsdefinition Bestimmen Sie für sich, was Erfolg ist In einem der beliebten Lebensfreude-Kalender findet sich der treffende Spruch: „Die wohl wichtigste Erfolgsregel lautet: Es gibt nur einen Boss in Deinem Leben: DU.“ Demnach gilt hier: Erfolg ist das, was Sie dafür halten. Die folgenden Fragen können Ihnen helfen, Ihrer individuellen Erfolgsdefinition auf die Spur zu kommen: Y Wie wichtig ist es für Ihr persönliches Erfolgsempfinden, beruflich Karriere zu machen? Y Was bedeutet beruflicher Erfolg für Sie? Sind Sie eher über finanzielle Anreize oder über Anerkennung zu motivieren? Y Woran machen Sie Erfolg und Karriere fest, wie operationalisieren Sie sie? Geht es Ihnen zum Beispiel darum, Ihre Neugier zu stillen und sich in immer wieder neuen Zusammenhängen zu erproben, dann werden Sie auch mit einer lateralen Karriere in schlecht bezahlten Einrichtungen glücklich. Ist Ihnen dagegen an ständigen Beförderungen und immer mehr Macht, Budget, Mitarbeitern und Geld gelegen, dann muss es die klassische vertikale Karriere in gewinnorientierten Unternehmen sein. Es gibt hier kein richtig und falsch, nur Ihre persönliche Definition, die es sich bewusst zu machen gilt. Aus dieser können Sie Ihren Weg, Ihre Wahl des Arbeitgebers und der Funktion ableiten, Ihre Karriere planen und versuchen, die Treiber Ihres Erfolgs zu definieren. Entwickeln Sie einen festen Vorsatz Ein fester Entschluss ist eine wichtige Voraussetzung für Ihren Erfolg. Schließlich ist jede auch noch so großartige Karriere mit Opfern verbunden. „There is no such thing as a free lunch“, sagte schon der große Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman. Fassen Sie also einen Entschluss und lassen Sie sich dabei von jenen Dingen lenken, die Sie persönlich glücklich machen: Ist es die innovative Produktentwicklung oder eher die strategische Durchdringung von Märkten und komplexen Themen? Ist es die erfolgreiche Führung einer Vertriebsmannschaft oder die Spezialistenrolle in der Pricing-Abteilung? Was auch immer: Sie kommen nicht umhin, eine Entscheidung zu treffen, die das eine ermöglicht und etwas anderes ausschließt. Sie wollten schon immer in Asien arbeiten, aber es ist dort gerade keine Position für Sie frei? Wenn das Ihr Entschluss ist, heißt es zu warten und vielleicht über einen Umweg zum Ziel zu kommen.

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| Erfolgsrezept 1

Erfolgsrezept 2: Bauen Sie sich selbst als Marke auf und trainieren Sie Ihre Stärken

Erfolgsrezep

Schärfen Sie Ihre Marke ICH Managen Sie sich selbst wie Ihre wichtigste Marke. Bestimmen Sie Ihren Standort, die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren nicht aus der Selbst-, sondern aus der Fremdsicht. 360-Grad-Feedbacks lassen das problemlos zu; Mentoren, Kollegen und Freunde helfen gerne. Warum stellen wir nur so selten Fragen nach unserem Standort und unseren Stärken und Schwächen – auch im Vergleich mit anderen? Solche Fragen können so fruchtbar sein. Werden Sie relevant und einzigartig Wenn Sie wissen, welchen Weg Sie einschlagen wollen und was dieser von Ihnen verlangt, können Sie darangehen, Ihre Fähigkeiten entsprechend zu formen und zu schleifen. Wie bei der Positionierung einer Marke sollten Sie hierbei den „Kundennutzen“ im Blick behalten. Um positiv aufzufallen, müssen Sie Ihre Einzigartigkeit herausstellen. Personalberater fragen oft in ihren Netzwerken nach Empfehlungen für eine offene Position. Sie suchen nicht den ordentlichen, verlässlichen Durchschnittsmarketeer. Gefragt ist vielmehr der „kreative Superstar“, der „hochanalytische Stratege“ oder die „überragende Führungspersönlichkeit“. Gut ist hier meist nicht gut genug. Wollen Sie als Marke in diesem Umfeld reüssieren, müssen Sie für etwas berühmt werden: für eine Fähigkeit, ein Projekt, ein Ergebnis. Damit Ihnen dies gelingt, müssen Sie trainieren: Sie müssen Ihre Stärken kontinuierlich ausbauen und dürfen sich nicht auf Erreichtem ausruhen. Auf diese Weise werden Sie zu einer begehrten Person, die immer wieder auch von extern nachgefragt wird. Seine Talente und Stärken auszubauen, ist ein natürlicher Prozess – und macht Spaß.

Erfolgsrezept 3: Erweitern Sie Ihre Kriterien für die Arbeitgeber- und Funktionswahl während der gesamten Laufbahn

Erfolgsrezep

„Der Erfolg ist eine Lawine: Es kommt auf den ersten Schneeball an“, bemerkte Clint Eastwood, angesprochen auf seine spektakuläre Karriere. Will sagen: Es zählen der erste Job und die ersten 100 Tage in jedem neuen Job in Ihrer Laufbahn. Kapitel 6 – Zwölf Erfolgsrezepte für Marketeers |

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Wählen Sie Funktion und Branche mit Bedacht Prüfen Sie schon beim Antritt einer ersten Funktion in Ihrer ersten Firma, beim Arbeitgeberwechsel, bei jeder aktiven Jobwahl die Größe der Fußstapfen, in die Sie treten. Ideal ist es, eine Funktion zu übernehmen, die wichtig und respektiert ist, bei der der Vorgänger aber keine übergroßen Erfolge hinterlassen hat. Vorgesetzte und Personaler ziehen Vergleiche, und die Erinnerung an Ihren direkten Vorgänger ist am präsentesten. Stellen Sie also sicher, dass Sie eine Chance haben zu beeindrucken. Viele weitere Kriterien gilt es zu bedenken, die fälschlicherweise oft ignoriert werden. Ziehen Sie zum Beispiel bewusst auch Hidden Champions als Arbeitgeber in Erwägung und nicht nur die großen, bekannten Firmen. Das schließt auch B2BUnternehmen ein, deren Marketingaktivitäten nicht per se schlechter, sondern lediglich in anderer Weise herausfordernd sind. Achten Sie auf die Geschlechterdominanz in der Branche und den Stellenwert des Marketings im Geschäftsmodell. Schauen Sie sich das Arbeitgeberimage des Unternehmens an und prüfen Sie, ob die vermittelten Markenwerte dort auch gelebt werden. Achten Sie besonders in Branchen mit tendenziell schwächeren Personalentwicklungsprozessen auf die internen Entwicklungsprozesse und darauf, wie diese gelebt werden. Suchen Sie eine Ihnen entsprechende Eigentümerstruktur aus und eine Marketingfunktion, die Sie auf Höheres vorbereitet. Fragen Sie sich, ob Sie lieber in einer Landesgesellschaft oder der Zentrale arbeiten und welche Nationalität – mit ihren impliziten Auswirkungen auf die Führungskultur und den Managementalltag – Sie bevorzugen. Mehr Verantwortung mit jedem Wechsel Was sollten Sie berücksichtigen, um Ihren Verantwortungsradius mit jedem Wechsel in Ihrer Laufbahn zu erweitern und sich Ihrem Erfolgsziel Schritt für Schritt zu nähern? Achten Sie zunächst darauf, möglichst vielfältige Erfahrungen zu sammeln, vor allem auch außerhalb der Marketingfunktion. Engagieren Sie sich in Vertriebs- oder Supply-Chain-Projekten; lernen Sie insbesondere die Feinheiten und Denkweisen der Finanzfunktion kennen. Nähren Sie Ihr Interesse an Menschen und ihren Bedürfnissen, entwickeln Sie Empathie und lernen Sie Veränderungsprozesse zu führen. Arbeiten Sie in Wachstums- und Sanierungsprojekten, lernen Sie Herausforderungen unterschiedlicher Kulturkreise kennen. Stellen Sie sich auch darauf ein, dass sich die Karriereschritte im Marketing künftig verlangsamen. Heutige Produktkonzepte sind viel komplexer als frühere. Produkteinführungen beschränken sich nicht auf die Veränderung einzelner Features, sondern verlangen völlig neue Ansätze, die – zum Beispiel um im Food-Bereich Wellness-Trends aufzugreifen – zwei bis drei Jahre Entwicklungszeit benötigen. Auf Märkten, die heute mit Neuerungen buchstäblich überschwemmt werden, müssen sich Unternehmen mit wirklich interessanten Innovationen positionieren

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| Erfolgsrezept 3

– wie dies etwa Unilever Foodsolutions im Bereich Suppen auch für B2B-Kunden gelingt – oder mit völlig neuen Anwendungsoptionen Kunden gewinnen. Entwickeln Sie Kernkompetenzen auf dem Weg zum CMO: als Premium-Marketeer© Marketeers streben nach oben, doch nur wenigen gelingt es, den Traumposten des CMOs zu erreichen. Welche Fähigkeiten gilt es zu entwickeln? Y Kundenorientierung ist eine Basiskompetenz, die Marketeers von vornherein mitbringen müssen und kontinuierlich weiter intensivieren müssen. Y Der Schritt von der mittleren Hierarchiestufe, die noch keine Führungsverantwortung besitzt, auf eine obere Hierarchiestufe mit Führungsverantwortung verlangt, vor allem die Kompetenzen der Mitarbeiterführung und der teamorientierten Zusammenarbeit weiterzuentwickeln. Aber auch die Marktexpertise muss hier weiter ausgebaut werden. Y Der Schritt von der Führungsfunktion in die oberste Leitungsfunktion des Marketeers erfordert zusätzlich eine deutliche Entwicklung der Kompetenzen der Ergebnisorientierung, der Organisationsentwicklung und, nicht zuletzt, des Veränderungsmanagements. Bearbeiten Sie daher Projekte mit unterschiedlichen Schnittstellenschwerpunkten. Wechseln Sie in rascher Abfolge aus strategisch-konzeptionellen Stabsstellen in die operative Geschäftsverantwortung, aus der Zentrale ins Land und umgekehrt. Hierfür ist auch höchste persönliche Flexibilität erforderlich. Setzen Sie sich so der ganzen Bandbreite von Marketingherausforderungen aus.

Erfolgsrezept 4: Werden Sie fachlich ein Ass und erzielen Sie messbare Ergebnisse

Erfolgsrezep

Fachliche Kompetenz ist die Eintrittskarte zur Marketingkarriere; deshalb gilt es, „Hygienefaktoren“ wie zum Beispiel das Interpretieren von Marktforschungsdaten oder die Kenntnis der Abläufe eines Produktlaunches zu pflegen. Vernachlässigt man dies, kann es ähnlich wie bei Marken zu einem schleichenden, schwer zu revidierenden Aufweichungsprozess kommen – denken wir beispielsweise an den Qualitätsniedergang bei AEG. Erliegen Sie nicht dem Irrtum, die höhere Kundenorientierung von Marketeers sei an sich schon eine hinreichende Kompetenz. Sie stellen sich mit dieser bestenfalls gegenüber anderen Funktionen heraus, nicht aber gegenüber Ihren Marketingkollegen.

Kapitel 6 – Zwölf Erfolgsrezepte für Marketeers |

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Denken Sie visionär, strategisch und in großen Zusammenhängen Befreien Sie sich vom operativen Alltagsgeschäft. Zwar kann und sollte nicht jede Strategie das Geschäftsmodell auf den Kopf stellen. Doch wenn Sie zu wirklich neuen Lösungen gelangen wollen, müssen Sie sich in Ihrem Denken und Planen aus der „Komfortzone“ herauswagen. Es gehört Mut dazu, das scheinbar Unmögliche zu denken. Und es lohnt sich. Davon zeugen Irrtümer renommierter Experten wie Thomas J. Watson, der 1943 postulierte: „Der Weltmarkt hat Raum für fünf Computer, nicht mehr“. Watsons Annahme trat 1975 Bill Gates mit seiner Vision entgegen, in jedem amerikanischen Haushalt stehe einmal ein Computer – damals als Utopie diskreditiert, heute Realität. Gefragt ist mithin ein zukunftsoffenes Denken, also das Vorausdenken verschiedener möglicher Zukünfte. Dazu muss man Denkblockaden überwinden und sich von der Idee der einzig möglichen und richtigen Erfolgsstrategie verabschieden, die kaum anders vorstellbar ist denn als Fortschreibung der Gegenwart. Doch Marketeers müssen nicht nur visionär und zukunftsoffen denken. Märkte und Branchen sind ständigen Veränderungen unterworfen, sie wachsen zusammen und formieren sich immer wieder neu. Als Marketeer müssen Sie die komplexen Wirkzusammenhänge verstehen, die diese Veränderungen antreiben. Dazu brauchen Sie ein übergreifendes, vernetztes Denken und den Blick auf das große Ganze. Legen Sie Ihr Marketingrepertoire fest und entscheiden Sie sich für die richtigen Projekte Die Weigerung, Unwichtiges zu tun, ist eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg, so der schottische Komponist Sir Alexander Campbell MacKenzie. Was ist also wichtig? Was müssen Sie selbst können und tun und was nicht? Das Folgende sollte auf jeden Fall zu Ihrem Repertoire gehören: Y Eine klare Vision und operationalisierte Marketingziele erstellen und kommunizieren. Y Die gesamte Organisation hinter diese Vision und deren Ziele bringen. Dazu brauchen Sie Change Management- und Leadership-Kompetenzen (siehe auch die folgenden Erfolgsregeln). Y Die richtigen Projekte aussuchen und leiten, vor allem solche, die strategisch und auf Wertschöpfung ausgerichtet sind, den Vorstand interessieren, einen substanziellen Beitrag zum Unternehmensergebnis leisten und zu messbaren Ergebnissen führen. Sie sollten ihnen Sichtbarkeit ermöglichen und rechenschaftspflichtig sein. Y Vom Kunden aus auf das Produkt rückschließen statt umgekehrt, also „retropolieren“ statt extrapolieren. Dazu brauchen Sie ein wirkliches tiefes Kundenverständnis und eine echte Kundenorientierung sowie durchaus auch Intuition (Bauchgefühl) im Blick auf die emotionale Seite der Beziehung Kunde-Marke.

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| Erfolgsrezept 4

Setzen Sie Ihre Ideen um und erzielen Sie messbare Ergebnisse Kreieren ist einfach, umsetzen schwer. Deshalb ist die Umsetzungsfähigkeit eine so gesuchte Fähigkeit! Perfekte Powerpoint-Folien werden erst mit der Umsetzung der dargestellten Inhalte wertvoll, nicht schon beim Applaus nach der gelungenen Präsentation. Erstellen Sie also umsetzbare Konzepte und krempeln Sie danach die Ärmel hoch. Napoleon wurde einst gefragt, was er an seinen Generälen am meisten schätze. Seine Antwort war simpel: „Sie gewinnen“. Letztlich zählen in jeder Position nur Resultate. Nicht immer entsprechen diese den Fähigkeiten des Marketeers, die vielleicht ein anderes, besseres Ergebnis hätten erwarten lassen. Doch Beförderungen werden auf Basis von Ergebnissen getroffen, nicht von Versprechungen und Talenten. Am Ende zählen im Marketing vor allem Marktanteil, Umsatzwachstum, Markenwert und Rentabilität. Erzeugen Sie Kontinuität Stetigkeit ist ein wesentlicher Treiber guter Ergebnisse. Sie ermöglicht tiefe Einsichten in Produktkategorien und Länderbesonderheiten und lässt deutlich werden, was nachhaltig funktioniert und warum. Durch Stetigkeit erfährt man die Folgen der eigenen Entscheidungen, sowohl der guten, als auch der weniger guten. Nur wenn Sie Stetigkeit zeigen, können Sie Projekte implementieren und Ihre Umsetzungsfähigkeit demonstrieren. Strategische Vorhaben wie etwa ein Team zusammenzustellen, Vertrauen aufzubauen oder eine Marke zum Erfolg zu führen erfordern Zeit und Geduld. Es braucht viel Zeit, bis man konkrete, messbare Ergebnisse vorweisen und sich bei den Vorgesetzten und dem Vorstand einen Namen machen kann. So sehr Veränderungen zu einer erfolgreichen Marketingkarriere gehören, ist doch auch Stetigkeit ein wesentliches Element der Karriere-Entwicklung. Aufgrund komplexer Produktentwicklungsprozesse und verlangsamter Karrierepfade müssen Marketeers heute mehr Geduld aufbringen. Gleichzeitig haben sie mehr Zeit, ihren Erfolg zu beweisen. Bleiben Sie also am Ball, bis Sie echte Erfolge vorzeigen können.

Erfolgsrezept 5: Werden Sie Vorreiter bei digitalen Medien

Erfolgsrezep

Lernen Sie die Technologie verstehen Das Tempo der Entwicklung ist hoch, die Vielfalt und Unübersichtlichkeit groß: Manche Marketeers mögen davor zurückscheuen, sich mit digitalen Medien zu be-

Kapitel 6 – Zwölf Erfolgsrezepte für Marketeers |

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olgsrezept 6

schäftigen. Doch hier entsteht zurzeit eine völlig neue Kommunikationswelt, die vom Marketing Stück für Stück experimentell erobert werden muss. Werden Sie zum Anwender, lassen Sie sich vom rasanten Fortschritt begeistern, sprechen Sie mit Experten, mit Nutzern und vor allem: Probieren Sie alles aus: Facebook, Twitter, Mobile Web etc., lernen Sie die Begeisterung der Anwender zumindest verstehen. Aber das allein genügt noch nicht. Die digitale Herausforderung geht weit über technisches Verstehen hinaus; sie erfordert letztlich eine Veränderung der gesamten Marketingkultur. Experimentieren Sie mit und integrieren die digitalen Medien in Ihr Marketing In der digitalen Marketingwelt stehen Marketeers vor der Herausforderung, eine völlig neue Marketingkultur zu schaffen, die auf Analysefähigkeit, hoher Arbeits- bzw. Entscheidungsgeschwindigkeit und Risikobereitschaft basiert. Dazu müssen sie sowohl ein tiefes Verständnis digitaler Medien und Kommunikation mitbringen, als auch das vollständige Repertoire des klassischen Konsumgütermarketings beherrschen. Experimentieren Sie, scheitern und lernen Sie, was funktioniert. Wer hier reüssiert, kann sich in die noch sehr kleine Gruppe von Marketeers einreihen, die an den entscheidenden Stellhebeln einen Paradigmenwechsel herbeiführen werden.

Erfolgsrezept 6: Beginnen Sie frühzeitig, Ihre persönliche Macht aufzubauen Nutzen Sie Ihre Positionsmacht, aber bauen Sie auf persönliche Macht Positionsmacht ist die formale Autorität, die an eine Stelle gebunden ist. Sie wird häufig in der Stellenbeschreibung definiert. Persönliche Macht ist dagegen ein Attribut einer Person, gleich welche Stelle sie bekleidet. Persönliche Macht fängt also dort an, wo Positionsmacht aufhört und ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für den Marketeer. Sie können gar nicht früh genug beginnen, persönliche Macht aufzubauen. Wie groß Ihre persönliche Macht ist, lässt sich beispielsweise daran erkennen, wie häufig Sie in funktionsübergreifende Steering Committees oder Strategieworkshops berufen werden. Werden Sie vom Vertrieb zu wichtigen Kundenterminen auf Entscheiderebene eingeladen? Wie häufig haben Sie in den vergangenen Wochen mit Personen außerhalb Ihres üblichen Kollegenkreises zu Mittag gegessen – und zwar auf deren Einladung?

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Stärken Sie die Determinanten Ihrer persönlichen Macht Persönliche Macht ruht auf vier Säulen: Sichtbarkeit, Autonomie, Relevanz und Beziehungen. Diese vier Aspekte bestimmen den Umfang Ihres persönlichen Einflussvermögens und damit Ihre Erfolgschancen als Marketeer. Im komplexen sozialen Gefüge eines Unternehmens verlangen vor allem die Beziehungen intensive Aufmerksamkeit. Sie strahlen in alle Richtungen aus: horizontal, nach unten, nach oben und nach außen. Emotionale Intelligenz und Fähigkeiten wie Selbsterkenntnis, Selbstbeherrschung und Empathie helfen Ihnen, dieses wirkungsvolle Netzwerk zu pflegen.

Erfolgsrezept 7: Entwickeln und führen Sie ein Marketing-Star-Team

Erfolgsrezep

Reflektieren Sie Ihr Verständnis eines Teams Es gibt heute wohl kein Unternehmen, das nicht auf Teamgeist setzt. Die Vorzüge der Zusammenarbeit im Team werden allseits propagiert, im Arbeitsalltag jedoch oft dem Streben nach Macht und dem Vorankommen auf der Karriereleiter geopfert. Nach wie vor wird nicht das Team, sondern der Einzelne befördert. Doch Ihr Erfolg als Marketeer hängt entscheidend vom Geist und der Qualität Ihres Teams ab. Marketeers, die sich in einem Team zusammenfinden, machen daraus nicht automatisch ein funktionierendes und schon gar kein Spitzenteam. Das erfolgreiche Team ist meist Ergebnis eines Entwicklungsprozesses. Unterschiedliche Persönlichkeiten – der typische Anführer, der Selbstdarsteller, der Außenseiter, der Extrooder Introvertierte, der Beliebteste – müssen im Team ihren Platz finden und ihre Rollen übernehmen. Erst wenn dies geschehen ist, können sich Kreativität entfalten und Synergien fruchtbar werden. Dann fließen Kraft, Wissen und Fähigkeiten der Teammitglieder so zusammen, dass das Ergebnis der Gruppe besser ausfällt als das der gleichen Zahl von Einzelpersonen. Entwickeln Sie Ihre Führungsqualitäten Marketeers glänzen nicht durch überdurchschnittliche Kompetenzen hinsichtlich Mitarbeiterführung und Organisationsentwicklung. Sie müssen aber auf dem Weg nach oben fähig sein, schlagkräftige und erfolgreiche Teams aufzubauen und zu steuern. Die Führungsfähigkeit schließt funktions- und bereichsübergreifende Teams und unterschiedliche zusammengefasste projektbezogene Führungsaufgaben ein. Sie werden Analytiker und Kreative gleichermaßen führen müssen, ins-

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besondere im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung der digitalen Medien. Wecken Sie Begeisterung durch persönliche Integrität und Vertrauen und bewirken Sie damit höchste Eigenmotivation im Team. Bauen Sie Hindernisse ab und stellen Sie die notwendigen Ressourcen zur Verfügung, um Erfolge für das Team sicherzustellen. Gehen Sie dabei persönliche Risiken ein, stellen Sie sich bei Misserfolg vor die Mitarbeiter und übernehmen die Verantwortung. Setzen Sie sich gezielt für die Entwicklung der Fähigkeiten anderer ein und fördern Sie Ihre Stars in deren persönlicher Entwicklung und Karriere. Setzen Sie auf Vielfalt Diversity mag ein Modewort des Personalmarketings sein, im Marketingteam ist sie in jeder Hinsicht wichtig. Ein internationaler Hintergrund hilft, einer ethnozentrischen Sicht zu entgehen und die kulturellen Besonderheiten der Nationen zu antizipieren. Diversity heißt auch, Unterschiedlichkeit als Wert anzuerkennen – und zu nutzen. Ein Beispiel: Nach einer US-amerikanischen Studie werden 80 Prozent aller privaten Konsumgüter von Frauen gekauft. Auch bei Kaufentscheidungen für Produkte, die Paare gemeinsam benutzen – etwa den neuen Wagen – gibt hauptsächlich das weibliche Geschlecht den Ton an. Das Thema Geschlecht ist somit zum wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden und die weibliche Sicht der Produkte spielt eine entscheidende Rolle. Diversität spiegelt sich auch in der Zusammensetzung des Marketingteams. Gerade dieses profitiert von der Unterschiedlichkeit seiner Mitglieder, die verschiedenste Disziplinen, Denk- und Herangehensweisen mitbringen. Während jeder Controller sämtliche Facetten seines Handwerks beherrschen sollte, lassen sich die vielfältigen Anforderungen des Marketings nur in einem Team abdecken. Marketeers müssen kreativ und analytisch-strukturiert, stark in Konzeption und Umsetzung, psychologisch versiert und dramaturgisch raffiniert sein: Ein ehemaliger Werber, ein Unternehmensberater und Physiker, ein Sozialpsychologe, ein Bestsellerautor und ein Regisseur gäben ein Dream-Team ab. Bringen Sie Team- und Einzelleistung in Einklang Wenn Ihr Team Spitzenergebnisse erreichen soll, braucht es eine offene Kommunikation, die Wertschätzung der Teammitglieder untereinander und den festen Willen, das gemeinsame Ziel zu erreichen. Gerade im Marketing lassen sich Ergebnisse selten durch Einzelkämpferaktionen erzielen. Wegen der starken Orientierung am Konsumenten, die viele – harte wie weiche – externe Faktoren berücksichtigt, sind Analytik und Kreativität, Empathie und Stringenz gleichermaßen notwendig. Dabei sind die Beteiligten im Team mit einem Widerspruch konfrontiert, der sich nur mit emotionaler Intelligenz bewältigen lässt: Einerseits können – und sollen – sie ihre Aufgabe am besten gemeinsam lösen. Andererseits sind Kar-

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rieren im Marketing nur bei individueller Profilierung möglich. Diese Tatsache müssen die Teammitglieder mit dem gemeinsamen Engagement für das gesetzte Ziel in Einklang bringen. Wenn Sie Ihr Team führen, seien Sie sich darüber im Klaren, dass Ihr Wille und Mut, andere zu führen, nicht bedeutet, sich selbst ins Rampenlicht zu stellen. Letzteres mag Ihnen zwar schmeicheln, doch langfristig werden die Ergebnisse besser ausfallen, wenn Ihr Team erfolgreich ist und dies auf Ihre persönliche Karriere abstrahlt.

Erfolgsrezept 8: Ermöglichen Sie Veränderung, indem Sie tragfähige Brücken bauen

Erfolgsrezep

Priorisieren Sie Schnittstellen Nicht jede Schnittstelle ist gleich wichtig für das Unternehmen, für die Marketingfunktion und für Sie persönlich. Je nach Geschäftsmodell spielen verschiedene Funktionen im Unternehmen die Rolle der Kernfunktion und zentralen Schnittstelle. Zu Letzterer – welche Abteilung es auch sei – gilt es tragfähige Brücken zu bauen. Die wichtigste Schnittstelle bilden jedoch in jedem Fall die Vorstandsmitglieder, allen voran der CEO, denn sie verfügen über die Macht, Projekte zu fördern oder zu beerdigen. Geschäftsbereiche sowie Länder und Regionen haben je nach Unternehmen ebenfalls eine unterschiedliche Bedeutung, ebenso wie externe Dienstleister. Auch diese beiden sollten Zielgruppen Ihrer Brückenbauaktivitäten sein. Bauen Sie Brücken Abteilungen sind keine Silos und Marketing ist keine Insel. Sein Platz ist im Gegenteil mitten in der Wertschöpfungskette. Es ist für alle Geschäftsbereiche und Nationen tätig, gewinnt für alle neue Kunden und bindet sie. Als Drehscheibenfunktion kann Marketing wie die Spinne im Netz agieren, tragfähige Fäden spannen und Verbindungen zwischen verschiedenen – auch verfeindeten – Abteilungen herstellen. Hierzu muss es unvoreingenommen auf andere zugehen, auch wenn sie einen anderen fachlichen Hintergrund und andere Interessen haben. Und es muss seine Marketingsprache als Fachjargon relativieren, zurückhaltend mit Anglizismen und Akronymen wie Brand Equity oder Gross Rating Points (GRP) umgehen und sie so übersetzen, dass sie auch für Marketinglaien verständlich sind. Und mehr noch: Marketing muss in der Lage sein, sich in die andere Funktion hineinzuversetzen, deren Ziele zu verstehen und Wege zu suchen, dem anderen bei dessen Zielerreichung zu helfen. Lassen Sie also die so häufig anzutreffende SiloMentalität hinter sich – der Erfolg der anderen wird Ihr Erfolg sein. Kapitel 6 – Zwölf Erfolgsrezepte für Marketeers |

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Verändern Sie die Organisation Wir haben gesehen, dass die Fähigkeit und der Wille, übergreifende Veränderungen herbeizuführen, zu den herausragenden Merkmalen von Top-Marketeers gehören. Dabei ist nicht Veränderung um der Veränderung willen gemeint. Das Ziel jedes Marketeers ist vielmehr, das Marketing und die Konsumentenperspektive als zentrales Steuerungselement in die Unternehmensführung einzubetten, so dass alle unternehmerischen Entscheidungen mit der ungeschminkten und langfristig orientierten Marktsicht angereichert werden. Damit wird Marketing zu mehr als nur einer ergebnisorientierten Funktion, die auf Augenhöhe mit Entwicklung und Vertrieb diskutiert. Es übernimmt vielmehr die Leitfunktion hinsichtlich der Konsumentenperspektive. Angesichts der vielfältigen Einflüsse, auf die sich Unternehmen in der heutigen Zeit rasanter Marktveränderungen einstellen müssen, wird damit der CMO zur Stimme des Kunden. Seien Sie großzügig Großzügigkeit führt fast unweigerlich zu Glück und Erfolg, zumindest dann, wenn sie ehrlich ist und nicht instrumentell eingesetzt wird. So fand der Psychologe Alfred Adler heraus, dass erfolgreiche Menschen sich ernsthaft und uneigennützig mit den Interessen der anderen beschäftigen, während der „gewöhnliche“ Mensch vorwiegend mit seinen eigenen Interessen befasst ist.

Erfolgsrezept 9: Lernen Sie leidenschaftlich gern und freuen Sie sich über Fehler Saugen Sie von allen Seiten Wissen auf Dass Wissen und Erfahrung essenziell sind, muss nicht noch einmal erklärt werden. Dennoch einige Tipps, wie Sie gezielt Wissen und Erfahrungen akkumulieren können – hilfreich gerade für den Marketeer, der interdisziplinär arbeitet, Brücken bauen muss und bahnbrechende Ideen entwickeln will: Y Lesen, lesen, lesen: Erweitern Sie Ihr Interesse über alle Wissensgebiete hinweg, aber streben Sie vor allem nach einem besseren Verständnis menschlicher Handlungen. Lesen Sie die großen Romane (Thomas Mann, Tolstoi, Balzac etc.) ebenso wie Fachliteratur aus Psychologie, Neuro-Linguistik, Philosophie, Sozialpsychologie etc. Reduzieren Sie Ihr Interesse nicht nur auf das Lesen von Absatzwirtschaft und Werben & Verkaufen.

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Wissen weitergeben: Dozieren und unterrichten Sie. So haben Sie nicht nur die Gelegenheit und die Freude, andere bei ihrer Entwicklung zu unterstützen, sondern sind auch gezwungen, Ihr Wissen immer auf den neuesten Stand zu bringen – wenn Sie das versäumen, lernen Sie in der Rolle des Lehrers vielleicht mehr über sich selbst. Gehalt und Geld auf den zweiten Rang verweisen: Streben Sie danach, sich permanent weiterzuentwickeln. Nur so erreichen Sie Spitzenpositionen. Gehalt ist schließlich die Konsequenz, nicht das Ziel des beruflichen Erfolgs, den Sie sich erarbeiten. Fokussieren Sie sich mit Beharrlichkeit

Was macht Genies erfolgreich? Auch die ganz Großen werden nicht als Wunderkinder geboren, sondern kommen durch ein Zusammenspiel von Fähigkeiten, Möglichkeiten und zufälligen Vorteilen nach oben. Ohne Arbeit hat es keiner von ihnen geschafft. Auch dies ist also nötig: 10.000 harte Stunden, bestehend aus Fleiß, Disziplin, Ausdauer. Diese These jedenfalls vertritt Malcolm Gladwell. Gladwell, Autor von Tipping Point, folgt dem US-Neurologen Daniel Levitin, der die so genannte 10.000-Stunden-Regel aufstellte. Diese besagt, dass sich jeder mit einer Sache mindestens 10.000 Stunden beschäftigen müsse, bevor er über die nötigen Kenntnisse verfüge, um in seinem Bereich überhaupt zur Weltspitze gehören zu können. Ein herausragender Profipianist hat mit 20 Jahren etwa 10.000 Übungsstunden hinter sich, ein Amateur dagegen nur etwa 2.000. Wenn es so vieler Stunden bedarf, um ein Geiger, Basketballspieler oder Schachspieler von Weltrang zu werden, gilt Ähnliches auch für einen wirklich exzellenten Marketeer und eine wirklich herausragende Führungskraft. Es geht um fokussierte, hingebungsvolle Beschäftigung. Legt man ein durchschnittliches Arbeitsjahr mit 200 Arbeitstagen zugrunde, benötigt man über sechs Jahre, um 10.000 Stunden zu absolvieren – ohne Ablenkung, immer nur fokussiert auf eines: die Tätigkeit, in der man wirklich herausragend sein möchte. Die meisten werden die erforderliche Disziplin nicht aufbringen. Weil ihre Lebenssituation es nicht ermöglicht, oder weil sie auf halber Strecke schlapp machen. Doch nur mit überdurchschnittlicher Fokussierung wird man ein Spitzen-Geiger und eben auch ein Spitzen-Marketeer. Wie viele Stunden haben Sie schon? Verdoppeln Sie Ihre Versagensrate Angst zu versagen ist das größte Erfolgshindernis im Leben, Mut zu handeln das Gegenmittel. Nun bringt Risikofreude meist Niederlagen mit sich. Das Schöne an diesen Niederlagen und Misserfolgen ist, dass man aus ihnen schneller lernt als aus den Erfolgen. Außerdem zeigt sich, welche Persönlichkeit Sie sind: Stecken Sie zurück oder geben Sie gar auf? Oder wollen Sie es jetzt gerade wissen? LeistungsKapitel 6 – Zwölf Erfolgsrezepte für Marketeers |

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sportler kennen Sie es: Wer vom Pferd geworfen wird, muss sofort wieder hinauf, damit keine Angst entsteht. Wer heute die Olympiaqualifikation verpasst, weiß, dass er in vier Jahren wieder eine Chance hat – und fängt morgen an zu trainieren. „Erfolg ist ein Gesetz der Serie, und Misserfolge sind Zwischenergebnisse. Wer weitermacht, kann gar nicht verhindern, dass er irgendwann auch Erfolg hat“, sagte Thomas Edison und mahnte so, Geduld mit sich selbst zu haben. Er empfahl sogar, die persönliche Versagensrate zu verdoppeln, weil Versagen nicht der Feind, sondern der Vorläufer des Erfolgs sei. Übertragen wir dies auf den Marketeer lautet die Erfolgsformel bei Herausforderungen wie den neuen Medien: Experimentieren, Auswerten, Lernen. Probieren Sie so viel, wie der allokierte Budgetanteil für Experimente zulässt – wenn es einen solchen nicht gibt, setzen Sie sich dafür ein, dass er geschaffen wird! Erfolgsgeschichten, die Ihnen Recht geben, gibt es zuhauf. Basketball-Legende Michael Jordan bestätigt: „Ich habe in meiner Karriere 9.000 Würfe danebengeworfen. Ich habe fast 300 Spiele verloren. 26-mal wurde mir der alles entscheidende Wurf anvertraut – und ich habe ihn verfehlt. Ich habe immer und immer wieder versagt in meinem Leben, und daher war ich so erfolgreich.“ Orientieren Sie sich an innovativen Benchmarks Orientieren Sie sich an den Besten und nehmen Sie sich innovative Benchmarks zum Vorbild – auch solche außerhalb Ihrer eigenen Branche und Funktion und sogar außerhalb der Wirtschaft. Das können etwa Marken sein, die Sie bewundern, zum Beispiel Google als wertvollste Marke und eine der attraktivsten Arbeitgebermarken der Welt. Oder Firmen, die Paradigmenwechsel herbeigeführt und Regeln gebrochen haben, wie beispielsweise Ikea. Es können auch einzelne Personen sein, die Sie wegen ihres ungewöhnlichen Denkens faszinieren; so zum Beispiel Steve Jobs mit seiner Denkhaltung, statt von der Gegenwart vorwärts von einer vorgestellten künftigen Ideallösung aus rückwärts zu denken und alles wegzulassen, was nicht zu dieser Ideallösung beiträgt; so entstanden etwa iPod und iPhone. Es können Geschäftsmodelle aus anderen Branchen sein, die Sie in Ihre Branche transponieren wollen. So könnten Sie etwa das Flottengeschäft aus der Automobilbranche auf den Bau oder die Medizintechnik übertragen. Selbst von Ländern, die sich neu erfunden haben, können Sie lernen.

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Erfolgsrezept 10: Erkennen und vermeiden Sie Stolpersteine

Erfolgsrezep

Übernehmen Sie keine Marketing-Killerprojekte Vermeiden Sie Aufgaben und Projekte, bei denen Sie nicht gewinnen können. Dazu müssen Sie sich bewusst machen, welche Wege sich als Abstellgleise erweisen könnten, und diese meiden, wie nett die Kollegen auch sein und wie spannend die Projekte auch klingen mögen. Projekte, die schon lange herumgeschoben werden, weil sie politisch brisant sind, sollten auch Sie nicht anfassen, es sei denn, Sie sind ein Brückenbauer par excellence und ein diplomatisches Genie oder aber mit sehr viel persönlicher Macht ausgestattet. Auch persönliche „Pet Projects“ sollten Sie nicht akzeptieren, ebenso wenig wie weiche, nach innen gerichtete, vergangenheitsorientierte Projekte, die Ihnen keine Sichtbarkeit verschaffen. All diese Projekte sollten Sie ablehnen und überzeugende Gründe kommunizieren, weshalb sie nicht von Ihnen erledigt werden müssen. Werden Sie konkret Marketing steht im Ruf, keine exakte und wissenschaftlich fundierte Funktion zu sein. Auch wenn dies nicht der Realität in Ihrem Unternehmen entspricht, gilt es, dem Eindruck stets entgegenzuwirken. Hierzu müssen Sie fähig sein, Probleme klar zu strukturieren, effektiv zu lösen und die Ergebnisse zu belegen. Erfolgreiche Marketeers arbeiten an ihrem strategischen Verständnis und der Fähigkeit, in Analyse und Umsetzung zu brillieren. Das beste Konzept nützt nichts ohne Anbindung an die betriebliche Realität, gleichzeitig ist strukturiertes, analytisches Denken gerade für kreativ tätige Marketeers ein Muss. Nicht ohne Grund sind ehemalige Agenturmitarbeiter häufig nicht unbedingt die besten CMOs. Treten Sie unmoralischen Angeboten energisch entgegen Ethisch bedenkliche Praktiken müssen Sie nicht unbedingt persönlich betreffen – nicht jeder Mitarbeiter in die Schlagzeilen geratener Unternehmen wie etwa der World Bank ist korrupt. Sollten Sie jedoch von ethisch bedenklichen Praktiken in Ihrem Unternehmen wissen oder sollte versucht werden, Sie in diese zu involvieren, dann ziehen Sie schnell und entschlossen die Reißleine. Sie bezweifeln, ob Ihnen ein Personalberater oder Personalchef den Wechsel aus einem solchen moralischen Grund glauben würde? Der Zweifel ist berechtigt. Doch was ist die Alternative? Eine Mitwisserschaft eingehen oder sich selbst schuldig machen? Sicher nicht. Manche Unternehmen werden Sie gerade wegen Ihrer strikten ethischen Haltung einstellen wollen. Bei den anderen dürfen Sie getrost davon ausge-

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hen, dass sie eine Unternehmenskultur pflegen, in der Sie sich nicht wohl fühlen würden. Und sollte tatsächlich alles schief gehen, halten Sie es mit Sophokles: „Gerades Scheitern steht höher als ein krummer Sieg“.

Erfolgsrezept 11: Gehen Sie souverän mit Glück, Pech, Zufällen und Politik um Glück und Zufall Auch in einer so kreativen, vielschichtigen und schnell getakteten Funktion wie Marketing brauchen Sie manchmal einfach Glück: Glück, ein gutes Team zu haben, dessen Erfolg auf Sie abstrahlt; Glück einen Förderer zu finden, der Ihre Fähigkeiten wertschätzt und Ihnen Türen öffnet. Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Glück – und die Abwesenheit von Pech. Doch immer gilt: „Luck is what you have left over after you give 100 percent“. Rolf Dobelli, der Schweizer Buchautor und Geschäftsführer von Get Abstract, schreibt in seinem Buch Turbulenzen: „Ohne Zufall hätte ich es zu nichts gebracht“. Dies bedeutet keineswegs, dass Erfolg die Folge einer Kette von Zufällen ist, sondern vielmehr, dass man zufällig auftauchenden Chancen positiv begegnen und sie aktiv nutzen sollte. Pech 1: Schwierigkeiten mit dem Vorgesetzten Auf jeder Marketing-Karrierestufe kann es dazu kommen: Sie erhalten einen neuen Vorgesetzten, mit dem Sie nicht zurechtkommen. Die eiserne Regel: Lassen Sie nie zu, dass persönliche oder fachliche Diskrepanzen mit Ihrem Chef Ihre Leistung beeinflussen. Falls dies geschieht, schaufeln Sie Ihre eigene Grube. Zeigen Sie stattdessen durch Ihre Erfolge, dass Sie hervorragende Arbeit leisten. Beweisen Sie Rückgrat: Sprechen Sie mit Ihrem Chef, und falls das nichts nützt, sprechen Sie mit dessen Chef. Wenn alles nichts hilft: Trösten Sie sich damit, dass Vorgesetzte kommen und auch wieder gehen. Solange Sie nicht persönlich leiden und Ihre berufliche Leidenschaft noch lebendig ist, können Sie jede derartige Situation aussitzen – oder aber aktiv in eine attraktivere Position wechseln. Pech 2: Scheinbar aussichtslose Situationen Sie kennen die Anekdote: Zwei Schuhvertreter reisen in ein Land, wo fast alle Leute barfuss laufen. Jeder schickt ein Telegramm. Der erste: Keine Absatzchancen, niemand trägt hier Schuhe. Der zweite: Riesige Absatzchancen, jeder braucht hier Schuhe – es kommt eben auf die Perspektive an. Sie sollten für die wichtigsten

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Marken des Unternehmens arbeiten und als Marketeer an allen wesentlichen Projekten beteiligt sein. Wenn man Sie dennoch auf ein Nischenprojekt setzt, machen Sie das Beste daraus. Die Erwartungshaltung ist in so einem Fall niedrig und Sie können nur gewinnen. Suchen Sie aktiv nach einem Strukturbruch, nach einem Paradigmenwechsel und überraschen Sie mit unmöglich geglaubtem Erfolg. Politik und Intrigen ... ... sind eine unvermeidliche Folge des Kampfs um rare Ressourcen, namentlich Positionen, Titel, Privilegien, Macht. Intrigen sind Teil des beruflichen Lebens, und man muss frühzeitig lernen, damit umzugehen. Eine Firma zu suchen, in der es sie nicht gibt, ist blauäugig – nur die Quote variiert. Wie kann man den Einfluss von „Politik“ minimieren? Handeln und argumentieren Sie kunden- und konsumentenorientiert. Wählen Sie einen faktenbasierten Ansatz: Auch wenn Intuition und Bauchgefühl eine Rolle spielen, sind für Diskussionen und Entscheidungen zu geschäftlichen und personellen Aspekten harte Fakten notwendig. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran: Halten Sie sich von Intrigen fern und sanktionieren Sie diese, wenn sie in Ihrem eigenen Bereich vorkommen. Haben Sie Geduld und Vertrauen An einem bestimmten Punkt Ihrer Karriere müssen Sie Ihrem Unternehmen einfach vertrauen. Natürlich nicht blind, nicht jedes Unternehmen rechtfertigt Vertrauen. Manchmal werden Sie ausgebeutet, an der Nase herumgeführt oder Ihre Arbeitskraft und Ihr Enthusiasmus werden für andere Zwecke missbraucht. Doch in den „richtigen“ Unternehmen sollten Sie Ihre Kraft auf Inhalte und gute Beziehungen zu Kollegen, Kunden und anderen Stakeholdern konzentrieren. Wenn Ihnen gesagt wird, Sie seien auf dem richtigen Karriereweg, akzeptieren Sie die Aussage. Wenn Sie für die nächste Beförderung vorgesehen sind, freuen Sie sich. Sobald allerdings Versprechen und Ankündigungen offensichtlich nicht gehalten werden, sollten Sie sich schleunigst Gedanken machen, ob man Sie wirklich wertschätzt. Und in jedem Fall ist eine kritische Selbstreflexion angezeigt: Wo liegt der Fehler? In der Unzuverlässigkeit von Unternehmenszusagen? Oder passt vielleicht Ihr Profil nicht zu den internen Erfolgskriterien für eine langfristige Karriere in einem spezifischen Umfeld?

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Erfolgsrezept 12: Genießen Sie Ihren Erfolg wie das Gipfelglück nach einem gelungenen Aufstieg Versagen und Erfolg sind immer relativ und niemals final. Triumph und Tragödie liegen eng beieinander: „Nothing fails like success”, sagt Robin Sharma. Das sieht man nirgends besser als beim Leistungssport und insbesondere beim Bergsteigen. Die meisten Unfälle passieren nach dem gelungenen Aufstieg zum Gipfel. Von daher raten wir Ihnen, es zu machen wie erfahrene Bergsteiger: Genießen Sie den Erfolg auf Ihrem persönlichen Gipfel, sei es ein Karriereschritt auf dem Weg oder das Ankommen am Ziel der ersehnten Position. Lassen Sie sich feiern, seien Sie stolz und freuen Sie sich – aber nur kurz! Extrembergsteiger bleiben am Gipfel eines 8.000ers nur wenige Minuten. Denn auch auf den Top-Marketeer trifft zu, was als Regel für das Unternehmen gilt: Es ist einfacher, die Nummer eins zu werden als die Nummer eins zu bleiben. Richten Sie also den Blick nach vorn. Und am besten beginnen Sie gleich morgen mit den Vorbereitungen für den nächsten Aufstieg. Für dieses Unternehmen wünschen wir Ihnen viel Freude, Ausdauer und natürlich Erfolg!

Abbildung 54: Die Marketeer-Erfolgsformel im Detail Erfolg

Erreichen eines selbst gesteckten persönlichen Ziels im Marketing Æ Für sich selbst bestimmen und operationalisieren, Vorsatz fassen, Erfolg nur kurz genießen

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=

f (x1, x2, x3, x4, x5, x6)

x1: Allgemeine Erfolgsfaktoren x2: Auswahl des Arbeitgebers und der Funktion Æ nach neuen Kriterien, mehr und neue Verantwortung auf jeder Stelle x3: Fachliche Fähigkeiten Æ Visionär, Ergebnis- und strateg. Orientierung, richtige Projekte richtig durchführen, Metriken, Kontinuität x4: Persönliche Fähigkeiten Æ Persönliche Macht aufbauen, Lernen & Fehler schätzen, relevante Marke ICH aufbauen x5: Positionierung im Pentagon Æ Alterozentriertheit, Brücken bauen, interdisziplinäre Teamzusammensetzung x6: Glück – Pech Æ Miteinkalkulieren, tolerieren

Literaturverzeichnis Artikel und Bücher Aaker, David: Spanning Silos: The new CMO imperative, Boston 2008 Barsch, Paul: Lessons from Warren Buffet: Getting the CEO to (willingly) write checks for marketing, marketingprofs.com, 2007 Davis, Scott: Only the strongest CMOs will survive, in Advertising Age, 29.01.2007 Dobelli, Rolf: Turbulenzen: 777 bodenlose Gedanken, Zürich 2007 Ensser, Michael / Sack, Norbert: Wertorientiertes Talent-Management mittels Management-Appraisal, in: Jahrbuch Personalentwicklung 2008, S. 433-441 Fernández-Aráoz, Claudio: Great People Decisions, Hoboken, New Jersey 2008 Gladwell, Malcolm: Überflieger – Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht, Frankfurt am Main 2009 Golemann, Daniel: Working with emotional Intelligence, New York 1998 Graf Lambsdorff, Magnus / Stephenson, Ashley: Die Pipeline füllen, in: Focus 01/2007, S. 70-72 Graf Lambsdorf, Magnus: Aus Potenzial wird Performance, in: BBUG-Zeitschrift Palais Biron Nr. 8, Winter 2009, S. 21-23 Meier, Michael M.: Geduld und Vertrauen, in: Harvard Business Manager 7/2009, S. 6-9 Mintzberg, Henry: Power In and Around Organisations, Englewood Cliffs, New Jersey 1983 Patterson, Laura: How marketing can go beyond the “make it pretty” syndrome, Marketingprofs.com, 2008 Rawlinson, Richard: in Strategy + Business (publiziert von Booz Allen & Hamilton (heute Booz & Company), Beyond Brand Management, Reprint No. 06205, Issue 43, Summer 2006, S. 52-59 Sack, Norbert / Wieczorek, Bernd: Manager müssen zur Strategie passen, in: FAZ, 23.10.2006, S. 22 Sharma, Robin: The Greatness Guide, New York, New York 2006 Simon, Hermann: 33 Sofortmaßnahmen gegen die Krise, Frankfurt am Main 2009 Simon, Hermann: Hidden Champions des 21. Jahrhunderts: Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, Frankfurt am Main 2007 Literaturverzeichnis |

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Wichert, Christine: Die Logik der Marke, Wiesbaden 2005 Wichert, Christine / Ruehl, Vanessa: „Als gestärkte Marke aus der Krise hervorgehen“, in: KMU Magazin, Dezember 2008, S. 46-49 Wichert, Christine / Ruehl, Vanessa: „Gut ist, wer sich in der Krise bewährt“– das Marken-Survival-Kit, in: KMU Magazin Februar 2009, S. 54-59 Wikipedia: Online-Enzyklopädie zu den Begriffen „Marketing“, „Erfolg“ und „Fachkompetenz“ Young, Roy et al.: Marketing Champions: Practical Strategies for Improving Marketing›s Power, Influence and Business Impact, Hoboken, New Jersey 2006

Privatwirtschaftliche Studien Booz, Allen & Hamilton (heute Booz & Company): CMO thought leaders: the rise of the strategic marketer, 2007 McKinsey & Company: Boosting returns on marketing investment, Teil der McKinsey Marketing & Sales Practise Reihe, 2005 McKinsey & Company: Making Talent a Strategic Priority, McKinsey Quarterly, Januar 2008 Spencer Stuart: The changing influence of the Chief Marketing Officer, 2006 Spencer Stuart: CMO tenure: Slowing down the revolving door, 2007

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| Literaturverzeichnis

Namensverzeichnis A Aaker, David 89 Adler, Alfred 222

B Bonsels, Markus 188

C Camus, Albert 89 Carls, André 59

D Dalai Lama 31 Dobelli, Rolf 226 Drucker, Peter 38, 64 Dunaway, Cammie 72

E Eastwood, Clint 213 Edison, Thomas 224

F Fenton, Simon 92 Ferstl, Ernst 31 Flanighan, Mark 61 Friedman, Milton 212

G Gates, Bill 216 Gladwell, Malcolm 223 Goleman, Daniel 63, 83 Gyssler, Michael 148

H Haines, David 32, 72 Harting, Andreas 173 Horn, Steve 67

J Jobs, Steve 156, 167, 172, 177, 224 Jordan, Michael 224 Jung, Carl 87

K King, Martin Luther 31 Klinsmann, Jürgen 59 Kristof, Ariane 76, 120, 183 Kunisch, Rolf 167

L Lambsdorff, Magnus Graf 204 Lay, Rupert 30 Lee, Sara 92 Levitin, Daniel 223 Lieberknecht, Jürgen 163

M MacKenzie, Sir Alexander Campbell 216 Mandel, Michael 59 Mateschitz, Dietrich 156 Müller, Tina 139

N Napoleon 217 Neumair, Gerald 153 Nightingale, Earl 175 Nota, Pieter A. J. 61 Nuneva, Adriana M. 168

O Obama, Barack 38

R Rost, Veronika F. 157

Namensverzeichnis |

231

S Sarin, Arun 58 Schmidt, Frank-Michael 178 Schwarzenegger, Arnold 69 Sharma, Robin 228 Stengel, Jim 72 Süskind, Patrick 42

V Vriens, Hans P. 101

W Watson, Thomas J. 216

Z Zehnder, Andreas 89

232

| Namensverzeichnis

Stichwortverzeichnis A Abteilungsegoismus 96 Alterozentriertheit 120, 228 Amazon.com 53 Arbeitgeberauswahl 43, 46, 213 Arbeitgeberimage 48, 52 Arbeitgebermarken-Projekt 98 Ausbildungsweg 128

B B2B-Bereich 28 Benchmark 112, 224 Bewerbungsprozess 43 Beziehungspflege 86 Biotechnologie 123 Bottom Line 66 Branchenwahl 48 Brückenbauen 48, 68 Budgetierung 67 Budgetstopp 194 Budgetverantwortung 81 Business-to-Government-Geschäft (B2G) 49

C Change-Agent 66 Chief Executive Officer (CEO) 94, 111, 126, 131, 178, 206 Chief Finance Officer (CFO) 94, 126 Chief Marketing Officer (CMO) 129, 132, 143 – Kompetenzen 125 – weibliche CMOs 128 Country-Manager-Position 61

D

Dienstleistungsmarketing 26 Direktvertrieb 51 Diversity 220

E Eigentümerstruktur 48, 53, 214 Einbettung, organisatorische 48 Einkauf 51 Einwegskommunikation 200 Entscheidungsverantwortung 81 Erfolgsdefinition, persönliche 32, 212 Erfolgserreichungsplan 77 Erfolgsfaktor 35 – der Marke 76 – fachlicher 62 – persönlicher 76 Erfolgskennziffer 68 Erfolgsrezept 211 Ergebnisorientierung 66, 109, 125

F Facebook 72, 149 Fachkarriere 118 Flickr 149 FMCG-Unternehmen 23 Forschung & Entwicklung 97 Führungskräfteentwicklung 62, 107, 203, 207, 209 Funktion – dezentrale 48 – operative 57 – strategische 57 – „weiche“ 41 – zentrale 48, 60

Dienstleister 102

Stichwortverzeichnis |

233

G Geschäftsführung 50 Geschäftsmodell 50 Geschlechterdominanz 48 Gewinn 65 Glück 36, 226 Google 51, 201 Governance-Struktur 82 Größe, vorstandsrelevante 65

H Hidden Champion 53, 214 High-Potential 51, 131 Hochtechnologie 123

I Incentivierungssystem 98 Ingredient Brand 53 Innovationsbereitschaft 72 Investitionsgütermarketing 27 IT 51

K Karrierestrategie 59 Karriereweg 55 Key Account Manager 98 Kommunikation, interne 67 Kommunikationsmandat 81 Kompetenz 105, 120, 125 Konfliktpotenzial 68, 69 Konsumenten-Lebenswert, Berechnung 67 Konsumgütermarketing 25 Kostenverantwortung 81 Krisenmanagement 193 Kundenorientierung 109 Kundensegmentierung 93 Kundenzufriedenheitsanalyse 67

L Lernbereitschaft 63, 222 Life Science 123 Luxusfirma 51

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| Stichwortverzeichnis

M Macht, persönliche 218 Management Appraisal 106 Managementebene, mittlere 120 Markenaudit 75 Markenerlebnis, konsistentes 96 Markenführungsphilosophie 195 Marken-Tracking 67 Markenversprechen 93 Markenwert 52 Marketeer – Einsatzorte im Marketing 24 – Rollen und Arten 23 – zukünftiges Profil 202 Marketing 21 – Definition 21 – für öffentliche Betriebe 28 – gemeinnütziges 29 – im Handel 27 – Marketingaktivität, finanzielles Ergebnis 67 – Marketingcontrolling 68 – Marketingdienstleister 29 – Marketing-Element 62 – Marketingfunktion 90 – Marketing-Killerprojekt 225 – Marketingmonolog 200 – Marketing-P 62 – Marketingplan 67 – Marketingsilo 124 – Marketing-Talent-Pipeline 193 – Marketingteam 91 – organisatorische Einbettung 59 Marktexpertise 109 Marktforschung 67 Marktsegmentierung 67 Matrixorganisation 90, 99 Medien, neue 193, 199, 217 Medizintechnik 123 Metrik 93 Mitarbeiterführung 109 Mittelstand 54 Multiplikator 200 Multitasking 39

Multitasking-Job 140

N Nachwuchskräfteentwicklung 203 Nationalität 48, 54 Net Promoter Score (NPS) 135 Netzwerken 87

O Organisationsentwicklung 109 Orientierung, strategische 66, 109

P Pech 36, 226 Pentagon der Kräfte 90 Personalabteilung 98 Personalexperte 137 Personal Power 79, 80, 83, 218 Pet Project 69, 225 Pharma 123 Planung, strategische 67 Positionierung 67 Positionierung im Unternehmen 89 Position Power 79, 80, 218 Positionsmacht 79, 218 Potenzial 106, 107, 112 Potenzialanalyse 112 Preisfindung 65 Preisoptimierungsprojekt 67 Premium-Marketeer 129 Pretests 68 Produktmarkenimage 52 Projekt, – kunden- und marktorientiertes 68 – richtiges 64, 67 – schlecht getimtes 69 – vergangenheitsorientiertes 69 – zukunftsgerichtetes 68

R Ranking 52 Restriktion 78 Return on Investment (ROI) 95

S Schnittstelle 48 Slow Food 53 Stärke 78 – geschlechterspezifische 127 Statusaspekt 33 Stellenbeschreibung 81

T Talentmanagement 203 Teamentwicklung 219 Teamfähigkeit 93 Top-Marketeer 132 Trendforschung 68 Twitter 72

U Umsatz 65 Umsatzprognose 67 Unternehmensgröße 48, 54 Unternehmenskultur 110, 208 „Up-or-out“-Prinzip 23

V Veränderungsmanagement 109, 125, 221 Verhaltensindikator 108 Versagen 224 Versicherung 123 Vertrieb 51, 96, 98 Verweildauer innerhalb einer Marketingfunktion 119 Vorstand 90, 94 Vorurteile 40

W Weiterbildungsbereitschaft 72 Werbung 22 Wertesystem 30 Wertschöpfung 64 Wertschöpfungskette 90, 96 Wettbewerbsradar 67 Win-win-Beziehung 96 Wunschunternehmen 43

Stichwortverzeichnis |

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Y Yahoo 72

236

| Stichwortverzeichnis

Z Ziel 78 – persönliches 35 Zusammenarbeit, teamorientierte 109 Zusammensetzung des Marketingteams 220

Die Autoren Dr. Michael M. Meier leitet die globale Consumer Electronics & Durables Practice bei Egon Zehnder International. Er gehört der Personalberatung seit 2007 an und unterstützt mittelständische Unternehmen und Großkonzerne insbesondere der Konsumgüterindustrie bei der Besetzung und Evaluierung von Top-Führungskräften. Außerdem gründete er bei Egon Zehnder International die Chief Marketing Officer Practice, die weltweit führende Marketing-Positionen besetzt. Zuvor arbeitete er bei Hilti, Bertelsmann und BBDO. Kontakt: [email protected]

Dr. Christine Wichert ist geschäftsführende Gesellschafterin der auf strategische Markenführung spezialisierten Beratung Logibrand GmbH. Nach dem Betriebswirtschaftsstudium in Frankfurt und dem Erwerb des M.B.A. in den USA promovierte sie in Ökonometrie. Sie war Top-Management-Beraterin bei der Boston Consulting Group in München und Seoul, hat die Markt- und Trendforschung der BMW Group geleitet, für Airbus S.A.S. in Toulouse als Vice President und Hilti in Liechtenstein als Senior Vice President das Brand Management gesteuert. Sie ist international gefragte Referentin, u.a. bei den Baden-Badener Unternehmergesprächen, Verfasserin zahlreicher Fachartikel und Autorin des Fachbuchs „Die Logik der Marke“ (Gabler Verlag 2005). Christine Wichert doziert an Hochschulen in Basel, Liechtenstein, Luzern und St. Gallen. Kontakt: [email protected]

Die Autoren |

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