202 124 24MB
German Pages 246 [260] Year 1974
Erdgeschichte von Klaus Schmidt
mit 94 Abbildungen und 16 Tabellen
2. unveränderte Auflage
w DE
G Sammlung Göschen Band 7021
Walter de Gruyter Berlin • N e w York • 1974
Prof. Dr. Klaus Schmidt Geologisches Institut der Universität München
ISBN 3 11004596 6 © Copyright
1 9 7 4 by
Walter
de Gruyter
&
J. Gurtentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Alle
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Karl J.
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der
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ÜberMikro-
reproduziert verbreitet
30.
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Inhaltsverzeichnis I. Aufgaben und Ziele der Erdgeschichte II. Erdgeschichtliche Dokumente
6 7
III. Erdgeschichtliche Zeittafel
12
IV. Erdgeschichtliche Zustandsbilder
16
V. Die Perioden der Erdgeschichte
21
A. Die vorgeologische Ära
21
B. Das Präkambrium (3600-570 Mio. J.) 1. Altpräkambrium 2. Mittelpräkambrium 3. Jungpräkambrium 4. Die präkambrische Lebewelt 5. Bodenschätze
23 26 27 29 32 33
C. Das Paläozoikum (570-225 Mio. J.)
36
1. Kambrium (570-500 Mio. J.) a) Pflanzen- und Tierwelt b) Paläogeographie c) Klima d) Krustenbewegungen
36 36 40 44 45
2. Ordovizium (500-440 Mio. J.) a) Pflanzen- und Tierwelt b) Paläogeographie c) Klima d) Krustenbewegungen
45 46 48 55 55
3. Silur (440-405 Mio. J.) a) Pflanzen- und Tierwelt b) Paläogeographie c) Klima d) Krustenbewegungen
57 57 60 63 63
4. Die kaledonische Gebirgsbildung
64
5. Devon (405-350 Mio. J.) a) Pflanzen- und Tierwelt b) Paläogeographie c) Klima d) Krustenbewegungen
66 66 71 77 77
4
Inhaltsverzeichnis 6. Karbon (350-285 Mio. J.) a) Pflanzen- und Tierwelt b) Paläogeographie c) Klima d) Krustenbewegungen
78 78 83 90 91
7. Perm (285-225 Mio. J.) a) Pflanzen- und Tierwelt b) Paläogeographie c) Klima d) Krustenbewegungen
91 91 96 106 106
8. Die variszische (herzynische) Gebirgsbildung
107
D. Das Mesozoikum (225-67 Mio. J.)
112
1. Trias a) Pflanzen- und Tierwelt b) Paläogeographie c) Klima d) Krustenbewegungen
112 112 115 124 124
2. Jura (195-137 Mio. J.) a) Pflanzen- und Tierwelt b) Paläogeographie c) Klima d) Krustenbewegungen
124 125 130 140 141
3. Kreide (137-67 Mio. J.) a) Pflanzen- und Tierwelt b) Paläogeographie c) Klima d) Krustenbewegungen
142 142 149 159 160
E. Das Känozoikum (Beginn vor 67 Mio. J.)
161
1. Tertiär (67-2 Mio. J.) a) Pflanzen- und Tierwelt b) Paläogeographie c) Klima d) Krustenbewegungen
161 161 166 173 174
2. Quartär (Beginn vor 2-1,5 Mio. J.) a) Lebewelt b) Das Erdbild des Quartärs
175 175 179
Inhaltsverzeichnis
5
c) Krustenbewegungen und Schwankungen des Meeresspiegels 188 d) Ursachen der quartären Klimaentwicklung 190 3. Die alpidische Gebirgsbildung
VI. Probleme der Erdgeschichte Die Die Die Die Die Der
191
194
Lithosphäre Hydrosphäre Atmosphäre Sedimenthülle der Erde Entwicklung des Lebens Mensch als geologischer Faktor
194 201 204 206 209 217
Verzeichnis weiterführender und zitierter Literatur Namen- und Sachregister
219 221
I. Aufgaben und Ziele der Erdgeschichte Innerhalb der Erdwissenschaften 1 strebt die erdgeschichtliche Forschung nach einer Gesamtschau des Werdeganges unseres Planeten. Sie versucht, die Prozesse und Kausalketten zu ergründen, die zum gegenwärtigen Erdzustand führten und ihn auch in Zukunft bestimmen und verändern werden. Die Betrachtungsweisen des Erdgeschichtlers und des Historikers haben manches gemeinsam. Beide suchen die geborgenen Dokumente zu entziffern, bewerten ihren Informationsinhalt und bilden daraus ein Datenmosaik, in dem sich das Zustandsbild einer Epoche um so deutlicher abzeichnet, je näher es der Gegenwart steht. Für beide Wissenschaften ergibt sich gleichermaßen das Problem, Überlieferungslücken zu überbrücken, gleichgültig, ob geschichtliche Ereignisse und Gestalten spurlos in der Vergangenheit versanken oder hinterlassene Dokumente zerstört wurden. Beide haben sich auch gelegentlich durch allzu starres „Stammbaum-Denken" den Blick für die Vielschichtigkeit des historischen Geschehens verstellt. Naturgemäß ist die Erdgeschichte vorrangig Geschichte der Lithosphäre, Hydrosphäre und Biosphäre. Ihr Blickfeld weitet sich aber, sowie es gelingt, die Tiefen der Ozeane, das Erdinnere, den erdnahen Raum und die benachbarten Himmelskörper weiter zu erforschen. Erdgeschichtliche Dokumente sind die G e s t e i n e der Erdkruste und die in ihnen enthaltenen Reste vergangenen Lebens - die F o s s i l i e n . Sie lassen sich nach den Regeln der Gesteinsfolge (Lithostratigraphie) und Lebensfolge (Biostratigraphie) z e i t l i c h e i n s t u f e n und, gegebenenfalls mit Hilfe tektonischer und paläogeographischer Methoden, einander räumlich zuordnen. So ergeben sich erdgeschichtliche Z u s t a n d s b i l d e r wie die Verteilung von Land und Meer (Paläo1 Geologie, Paläontologie, Geographie, Ozeanographie, Petrologie, a Mineralogie, Geochemie, Bodenkunde, Astrophysik, Geophysik, Meteorologie, Hydrologie u. a.
Erdgeschichtliche Dokumente
7
geographie), die Klimate der Vorzeit (Paläoklimatologie), frühere Pflanzen- und Tiergesellschaften (Paläobiologie) und ihre Lebensbedingungen (Palökologie) sowie die Strukturen und das Verhalten der Erdkruste (Geotektonik). In der mehr oder weniger raschen Folge veränderter Erdbilder und Lebensformen erschließen sich Grundzüge und kausale Zusammenhänge in der Entwicklung der Erde und des Lebens. Wir begreifen die G e g e n w a r t als erdgeschichtl i c h e n M o m e n t und den Menschen als Teil eines komplexen Systems kosmischer, planetarer und biologischer Komponenten. Aus der faszinierenden Geschichte unseres Planeten und seiner Biosphäre erwächst uns schließlich das Selbstbewußtsein und die Verantwortung, unsere Umwelt planend zu erschließen, sinnvoll zu nutzen und ihre Lebensquellen zu schützen.
II. Erdgeschichtliche Dokumente Der Schlüssel zum Verständnis der in den Gesteinen gespeicherten Informationen ist im geologischen Geschehen der Gegenwart zu suchen. Wir müssen also annehmen, daß sich die Vorgänge der Gesteinsbildung und -Zerstörung in der Vergangenheit nach den gleichen Regeln vollzogen wie in der Gegenwart. Obwohl dieses a k t u a l i s t i s c h e P r i n z i p den grundlegenden Ansatz zur Erklärung erdgeschichtlicher Daten bietet, bedarf es für die einzelnen Erdepochen einer abgestuften Modifizierung. Bei seiner Anwendung ist zu berücksichtigen, daß die gegenwärtigen geologischen Prozesse noch vom Eiszeitalter des Quartärs, vor allem aber durch den Eingriff des Menschen beeinflußt werden, also einen erdgeschichtlichen Sonderfäll darstellen. Die S u b s t a n z und das G e f ü g e der Gesteine, ihre L a g e r u n g und V e r b r e i t u n g sind wichtige erdgeschichtliche Parameter. Sie kennzeichnen ehemalige Ablagerungsräume, Zonen der Gesteinszerstörung und geben Hinweise auf die Verschiebungen von Küstenlinien, Klimaänderungen, Bewegungen der Erdkruste und damit verbundene magmatische Ereignisse.
8
Erdgeschichtliche Dokumente
Es gibt s e d i m e n t ä r e , m a g m a t i s c h e und m e t a m o r p h e G e s t e i n e . Die geologischen Vorgänge auf der Erdoberfläche spiegeln sich vor allem in den Sedimentg e s t e i n e n wider. Man unterscheidet: K l a s t i s c h e S e d i m e n t e (Trümmergesteine) Aus den zerkleinerten Trümmern älterer Gesteine aufgebaut. Brekzien, Konglomerate (Korn-0 > 2 mm) Sandsteine, z.B. Arkosen, Grauwacken (Korn-0 2-0,02 mm) Siltsteine, Tonsteine, Schiefer (Korn-0 < 0,02 mm). Chemische Sedimente Durch chemische Ausfällung oder Auslaugung entstanden. Ausfällungsgesteine Aus übersättigten Lösungen ausgefällt: Kalke, Dolomite, Eisensedimente, Sulfate (Gips, Anhydrit), Chloride (Steinsalz, Kalisalz). Rückstandsgesteine Unlösliche Rückstände der chemischen Verwitterung z. B. Roterden. Organische Sedimente Aus den Hart- und Weichteilen von Organismen aufgebaut. K a l k i g e Ablagerungen: Foraminiferenkalk, Korallenkalk, Algenkalk, Bonebed (Knochenbrekzie). K i e s e 1 i g e Ablagerungen: Radiolarit (Radiolarien), Kieselschiefer, Kieselgur (Diatomeen). B i t u m i n ö s e Ablagerungen (Kaustobiolithe): Torf, Kohle, Ölschiefer, Erdöl und Erdgas. Die Korngröße und die Kornform klastischer Sedimente geben Auskunft über die Transportweiten, während ihre stoffliche Zusammensetzung (Gerolle, Schwermineralien) vom Gesteinsbestand des Liefergebietes abhängt. Die Sedimentgefüge (Schrägschichtung, Fließmarken, Kornregelung) lassen Schlüsse auf die Strömungsrichtung der transportierenden Medien (Wasser, Wind) zu. Die m a g m a t i s c h e n G e s t e i n e kristallisierten aus silikatischen Schmelzen, die dem oberen Erdmantel oder der Erdkruste entstammen. Ihre Gefüge zeigen, ob sie in der Tiefe erstarrten (Tiefengesteine) oder als flüssige Laven die Erdoberfläche
Erdgeschichtliche Dokumente
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erreichten (vulkanische Gesteine). Die chemische Zusammensetzung wird vom Bildungsort, vom Chemismus der Förderwege und auch davon beeinflußt, ob die Schmelzen während einer Gebirgsbildung oder in Zeiten relativer tektonischer Ruhe aufdrangen. M e t a m o r p h e G e s t e i n e entstanden dann, wenn Sedimente oder magmatische Gesteine beim Absinken in die Tiefe Umprägungen und Umkristallisationen erlitten. Die ursprünglichen Minerale und Gefüge können sich dabei völlig verändert haben. Steigerte sich die Metamorphose bis zur partiellen oder vollständigen Aufschmelzung, so bildeten sich Migmatite oder anatektische Granite. Obwohl diese Prozesse der unmittelbaren Beobachtung unzugänglich sind, lassen sich anhand petrologischer Experimente die Druck- und Temperaturbedingungen bei der Gesteinsmetamorphose abschätzen. Man gewinnt auch eine Vorstellung von der Krustentiefe, in der sich die Gesteinsumbildungen vollzogen. Alle bei der Gesteinsbildung wirksamen physikalischen, chemischen, geographischen und biologischen Faktoren werden im Begriff F a z i e s 2 zusammengefaßt. Ablagerungen der k o n t i n e n t a l e n F a z i e s sind beispielsweise: Terrestrische Sedimente Böden, Gletscherablagerungen (Moränen, Tillite), Windabsätze (Dünensand, Löß). Aquatische Sedimente Flußablagerungen (Schotter, Arkosen), Lagunen- und Seeablagerungen (Kalk, Ton, Gyttja, Torf, Salz). Die Ablagerungen der m a r i n e n F a z i e s lassen sich nach der Wassertiefe und der Entfernung vom Festland wie folgt gliedern: Flachseesedimente Festlandsnah in geringer Tiefe entstanden. Litorale Sedimente: Strandablagerungen (Geröll, Sand). Neritische Sedimente: Absätze auf dem seichten Schelf, mit ' Lateinisch facics = Gesidit, Aussehen.
10
Erdgeschichtliche Dokumente Wasserbewegung bis zum Grunde (Sand, Schlick, Kalke, Oolithe, Riffe). Bathyale Sedimente: Absätze auf dem tieferen Schelf (Sand, Schlick, Sapropel).
T i e f s e e s e d i m e n t e oder pelagische Sedimente. Fern vom Festland in großer Wassertiefe gebildet (Schlick, Globigerinenschlamm, Diatomeenschlamm, Radiolarienschlamm, roter Ton). Magmatische Gesteine gehören je nach ihrem Entstehungsort zur v u l k a n i s c h e n , s u b v u l k a n i s c h e n oder p 1 u t o n i s c h e n F a z i e s . Die M i n e r a l f a z i e s metamorpher Gesteine gestattet Rückschlüsse auf die Druck- und Temperaturbedingungen bei der Metamorphose. F o s s i l i e n sind Tier- und Pflanzenreste vergangener Lebensgemeinschaften. Zu ihnen gehören auch L e b e n s s p u r e n wie Trittsiegel, Kriechspuren, Wurm- und Freßbauten. Obgleich manche Schichten eine Fülle fossiler Reste enthalten, ist auch in ihnen nur ein schmaler Ausschnitt der ehemaligen Lebewelt erhalten geblieben. Der Einbettungsraum entspricht nicht immer dem ehemaligen Lebensraum der Organismen. Manche Fossillagerstätten entstanden in ausgesprochen lebensfeindlichen Zonen, da keine Bodenfauna existierte, die die organischen Reste zerstörte (S. 130). Nicht selten werden auch Landtiere und Pflanzen in randliche Meeresteile verschwemmt, während marine Faunen mit der salzhaltigen Unterströmung in den Flußläufen weit landeinwärts gelangen. Ausgehend von den Lebensgewohnheiten heutiger Pflanzen- und Tiergruppen, sind Analogieschlüsse auf die Umweltbedingungen vergangener Lebensgemeinschaften zu ziehen. Als F a z i e s f o s s i l i e n dienen fossile Reste dann zur ökologischen Kennzeichnung bestimmter Lebensräume. Rein marine Organismen sind z. B. Radiolarien, Brachiopoden, Bryozoen, Cephalopoden und kalkabscheidende Rotalgen. Die euhalinen Meeresbereiche (40-30 °/00 Salzgehalt) beherbergen die größte Lebensfülle. Gewässer mit höherem oder niedrigerem Salzgehalt enthalten artenarme, aber oft individuenreiche Faunen. Die Tiere sind hier meist kleinwüchsiger, ihre Schalen leichter und weniger verziert.
Erdgeschichtliche Dokumente
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Unterschiede bestehen auch zwischen den Faunen warmer und kalter Meere. Die polaren Meere beherbergen zwar eine reiche Lebewelt, die Anzahl der Arten, das Gewicht und der Aragonitgehalt der Kalkgehäuse ist aber geringer als in den niederen Breiten. Höhere Wassertemperaturen erleichtern die Bildung von Kalkgehäusen. Riffkorallen und Dasycladaceen sind fast ganz auf tropische Gewässer beschränkt. Mit Hilfe von I 8 0/ 1 6 0-Bestimmungen an fossilen Aragonitschalern lassen sich heute die Wassertemperaturen im ehemaligen Lebensraum der betreffenden Organismen genauer bestimmen. Tiere mit gedrungenem Wuchs und schweren, versteiften Gehäusen waren in Bereichen starker Wasserbewegung, etwa in der Brandungszone, beheimatet. Zartere und verzweigte Skelette zeugen dagegen vom Leben in ruhigerem Wasser. Aussagen über die ursprünglichen Wassertiefen sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Für diese bathymetrischen Abschätzungen eignen sich Lebensspuren und Organismen wie Kalkalgen, Kalkschwämme und die mit Algen in Symbiose lebenden Korallen. Riffkorallen entwickeln sich z. B. optimal in Wassertiefen bis zu 30 m. Die Häufigkeit, Regelung und Orientierung der Fossilien in den Gesteinen hängt von den Einbettungsumständen wie der Beschaffenheit des Meeresbodens und der Wasserbewegung ab (Biostratonomie). Besondere Bedeutung als biologische „Zeitmarken" haben die L e i t f o s s i l i e n . Hierfür eignen sich vor allem Tier- und Pflanzengruppen mit raschem Artenwandel, weiter Verbreitung und erhaltungsfähigen Skelett- und Gewebeteilen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, lassen sich auch Formen, deren systematische Stellung noch unklar ist (z. B. Conodonten), vorzüglich als Leitfossilien verwenden. Hohen Leitwert haben auch Mikrofossilien: Protozoen, pflanzliche Einzeller, Ostrakoden, Sporen und Pollen. Sie sind in den Gesteinen massenhaft enthalten und können daher aus relativ kleinen Proben (Bohrkerne) in großer Zahl gewonnen werden. Den Entwicklungsreihen der Leitfossilien stehen D a u e r f o s s i l i e n gegenüber, die über viele Jahrmillionen keine nennenswerten Änderungen ihres Bauplanes zeigen (Lingula 560 Mio. J., Litnulus 200 Mio. J.).
12
Erdgeschichtliche Zeittafel
III. Die erdgeschichtliche Zeittafel Die, unsere Vorstellungskraft weit übersteigenden, Jahrmilliarden der Erdgeschichte sind nur meßbar, wenn die in der Zeit abgelaufenen Ereignisse in den Gesteinen ihren Niederschlag fanden. Bei der Sedimentation legte sich eine Gesteinsschicht über die andere, so daß die jeweils jüngere Schicht die ältere überdeckt. Dieses s t r a t i g r a p h i s c h e Grundgesetz (E. STENO 1764) ermöglicht eine relative zeitliche Gliederung sedimentärer Schichtfolgen. Als S c h i c h t bezeichnen wir eine Gesteinsplatte begrenzter Dicke, aber großer, flächenhafter Ausdehnung. Besitzen einzelne Schichten besondere Merkmale (Färbung, Mineralbestand, Gefüge), so lassen sie sich von Aufschluß zu Aufschluß verfolgen und gestatten die Parallelisierung von Sedimenten auseinanderliegender Gebiete. Für Schichtvergleiche könGomma Widerstand 0 5 0_ fjgRÖAqij/tL
Hm250
50m
Abb. 1. Schiditparallelisierung in Braunkohlebohrungen mit Hilfe physikalischer Methoden (n. RÜLKE 1956). Die Widerstandswerte ( S m) geben nadl Berücksichtigung anderer Einflüsse Auskunft über die Leitfähigkeit der Gesteine. Daraus lassen sich Porosität {Sand, Ton, Kalk) und Porenfüllung (Öl, Wasser, Gas) einer Schicht abschätzen. Die Gammastrahlung (/ig Ra Aqu/t) stammt überwiegend aus dem Zerfall des Isotops " K , das vor allem in Tonmineralien angereichert ist. Die Strahlung weist daher in Tonen und Mergeln hohe, in Sanden mittlere und in Kohlen geringe Werte auf.
Erdgeschichtliche Zeittafel
13
nen auch chemische und physikalische Gesteinseigenschaften herangezogen werden. Sie sind vor allem bei der Parallelisierung von Bohrprofilen unentbehrlich (Abb. 1). Diese l i t h o s t r a t i g r a p h i s c h e M e t h o d e ist aber nur bedingt anwendbar, denn g l e i c h a r t i g e Gesteine brauchen nicht g 1 e i c h a 11 zu sein. Der englische Ingenieur W. SMITH (1817) erkannte, daß die Fossilien in den Sedimentgesteinen r e g e l m ä ß i g aufeinanderfolgen, und begründete damit die Biostratigraphie. Schichten mit gleichen Leitfossilien gelten demnach als a l t e r s g l e i c h und können auch über die Weltmeere hinweg parallelisiert werden. Diese Bewertung der Fossilien als geologische Zeitmarken stützt sich auf die Erkenntnis, daß die biologische Artbildung irreversibel verläuft und für die weltweite Ausbreitung neuer Faunen Zeitspannen erforderlich sind, die, geologisch gesehen, als synchron gelten können. Für die erdgeschichtliche Gliederung werden folgende Einheiten in absteigender Rangfolge verwendet: Einheiten für die in der Zeit gebildeten Steine
Zeiteinheiten
Systemgruppe Formation (System) Abteilung (Serie) Stufe Zone
Ära Periode Epoche Alter Phase (Chron)
Die Z o n e ist biostratigraphisch durch eine leitende Fossil-Art gekennzeichnet und endet mit dem Einsetzen einer neuen Art. Der erdgeschichtlichen Zeitmessung liegt das heutige Erdjahr zugrunde. Man darf aber annehmen, daß sich die Jahreslänge im Laufe der Zeit änderte, da die Rotations- und Umlaufgeschwindigkeiten der Erde nicht konstant blieben. Über das Ausmaß solcher Änderungen besteht keine Einigkeit. Nach Schätzungen RUNCORNS dauerte ein Jahr im Kambrium noch 425 Tage. Eine Z e i t m e s s u n g mit g e o l o g i s c h e n Mitteln ist möglich, wenn sich in den Gesteinen der jahreszeitliche Witterungswechsel abbildete, wie in den quartären Bändertonen mit sandigen Sommer- und tonigen Winterlagen (Warven). Anhand der Warvenzählung konnte G. DE GEER (1905) zeigen, daß seit
14
Erdgeschichtliche Zeittafel
dem Ende der Weichseleiszeit etwa 10 000 Jahre vergangen sind. Rhythmische Schichtung oder Anwachszonen (z. B. bei Korallen) sind keine Seltenheit, es ist jedoch sehr schwer, sie mit Sicherheit einem bestimmten Zeitintervall (Tag, Jahr) zuzuordnen. Für manche Datierungen eignen sich auch die wechselnde Polarität des magnetischen Erdfeldes, die Dendrochronologie (Jahresringzählung) oder astronomische Methoden (Strahlungskurven). Die moderne G e o c h r o n o l o g i e verwendet r a d i o m e t r i s c h e M e t h o d e n . Diese gehen von den Mengenverhältnissen radioaktiver und radiogener Isotope in Gesteinen aus und gründen auf folgende Reaktionen (Tab. 1): Tabelle 1 Daten geochronologisch wichtiger Isotope MutterIsotop
Zerfall
'"U J"Th • 7 Rb
7 a, Aß~ 6 a, 4 ßß-
"K "°Th
"C
o-
P
a a ß-
TochterIsotop
Halbwertzeit (Jahre)
Pb "Pb ,7Sr
7,13 • 10« 1,39 • 10 1 0 5,0 • 10 1 0
4» Ar
1,3
• 10'
2,5 8,0 5,7
• 10 • 10 4 • 10 3
J07 20
"°Th "Ra ,4N
J
s
Uran-Blei-Methode Thorium-Blei-Methode Rubidium-StrontiumMethode Kalium-Argon-Methode Uran»4-Methode Ionium-Methode Radio-KohlenstoffMethode
Radiogene Isotope mit langen Halbwertzeiten sind naturgemäß für die Bestimmung geringer Alter ungeeignet, da sich zur Zeit der Messung noch keine ausreichenden Tochterkonzentrationen gebildet haben. Methoden mit kurzen Halbwertzeiten versagen bei alten Gesteinen, da dann die Muttersubstanz bereits weitgehend verschwunden ist. Grundsätzlich bezeichnen radiometrische Gesteins- oder Mineralalter den Zeitpunkt, von dem an die Speicherung radiogener Tochterprodukte begann (Abb. 2). Das gemessene „Alter" weicht aber vom tatsächlichen Gesteins- oder Mineralalter ab, wenn in der Zwischenzeit, etwa durch Wärmeeinwirkung, Verluste an radiogenen Tochterprodukten eintraten. Dann wird unter Umständen das Alter dieses t h e r m i s c h e n E r e i g n i s s e s datiert.
15
Erdgeschichtliche Zeittafel Tabelle 2 Erdgeschichtliche Zeittafel
s s
Periode
Epoche
Quartär
Holozän Pleistozän
Neogen o e «
e s 0 N
o
fa sy
Miozän Oligozän
Paläogen
Eozän Paleozän
Kreide
Obere Untere Malm
o Jura
Dogger
N
Lias
M
Obere
û>
10 000 m mächtig. Die Belt-Serie (13 000 m) des Kordilleren-Troges besteht aus Konglomeraten, Sandsteinen und Tonschiefern, die in den östlichen Randzonen von einer Kalkfazies abgelöst werden. Die Gesteine enthalten Algenkalke und Fossilreste (S. 33). Auch auf den S ü d k o n t i n e n t e n einschließlich der Antarktis hinterließen jungpräkambrische Gebirgsbildungen und Metamorphosen ihre Spuren. Tafelsedimente sind hier ebenfalls weit verbreitet.
32
Die Perioden der Erdgeschichte
Am Südostrand des Kongo-Beckens bildete sich nach Abschluß der Kibara-Urundi-Faltung (1200-900 Mio. J.) die Katanga-Geosynklinale mit bedeutenden Kupfer-, Uran- und Kobalterzen. Die mächtigen Schichtfolgen der Adelaide-Geosynklinale Australiens reichen bis in das Kambrium. Jungpräkambrisch ist vermutlich auch ein großer Teil der Ablagerungen des zentralindischen Vindhyan-Beckens. An der Wende Proterozoikum/Kambrium waren die Leitlinien für die weitere tektonische Geschichte der Erdkruste festgelegt. Es existierten ausgedehnte kristalline Plattformen (Spaltenvulkanismus, Alkaligesteine) und ein System geosynklinaler Senkungszonen, das teils noch während des Proterozoikums, teils erst im Paläozoikum gefaltet wurde. Auswirkungen der a s s y n t i s c h e n bzw. b a i k a l i s c h e n F a l t u n g am Ende des Proterozoikums sind in der Normandie, in Böhmen, im Timan, im Ural und im Baikal-Gebiet zu erkennen (Abb. 49). Infolge der ausgedehnten vegetationslosen Kontinentalflächen erhöhte sich der Anteil gut sortierter Ablagerungen (Quarzite, Tonschiefer) im Jungpräkambrium merklich. Die auf allen Kontinenten verbreiteten Rotsedimente (Jotnium, Torridonium, Keweenawan, Vindhyan) sprechen für einen zunehmenden Sauerstoffgehalt der Atmosphäre. Gleichzeitig scheint sich der C0 2 -Gehalt durch den wachsenden C0 2 -Bedarf der Algenvegetation verringert zu haben, obwohl in Zeiten vulkanischer Aktivität der Atmosphäre große C0 2 -Mengen zugeführt wurden (Abb. 90). Der Wasserinhalt und der Salzgehalt der Meere entsprachen etwa dem der heutigen Ozeane. In weiten Teilen der Welt häufen sich in den jungpräkambrischen Schichten die Anzeichen einer K l i m a d i f f e r e n z i e r u n g . Salinare Abfolgen sprechen für aride Zonen (Abb. 8). Die Verbreitung biogener Kalke setzt warme Meeresbecken voraus. Auf allen Kontinenten bestanden auch ausgedehnte Vereisungsgebiete. Die Kälteperioden erreichten offenbar an der Wende Proterozoikum/Kambrium einen Höhepunkt. 4. Die präkambrische Lebewelt Die ältesten Spuren pflanzlichen Lebens (Archaeosphaeroides) stammen aus der 3 Mrd. J. alten Fig-Tree-Serie Südafrikas. Vermutlich handelt es sich dabei um B a k t e r i e n und K u g e l -
Die präkambrische Lebewelt
33
a 1 g e n. Reliktische Mikrofossilien (organized structures) finden sich auch in vielen präkambrischen Eisenlagerstätten. Die anthrazitischen Kohlen der Michigamme-Schiefer (2,5 bis 1,7 M r d . J.) Nordamerikas entstammen einer Algenvegetation. In der Gunflint-Formation (1,6 M r d . J.) des Hurons wurden Zysten von Blau- u n d Grünalgen sowie Pilz- und Flagellatenreste entdeckt. Am häufigsten sind S t r o m a t o l i t h e n . Diese biogenen Sedimentstrukturen entstanden durch die Lebenstätigkeit verschiedener Algengruppen, Bakterien und Pilze und reichen bis in das Altpräkambrium (2,7 Mrd. J.) zurück (Abb. 9). Da tierische Weichkörper kaum erhaltungsfähig sind, ist das Erscheinen der ersten M e t a z o e n nicht bestimmbar. Vermutlich tauchten sie im Jungproterozoikum auf. Es finden sich Coelenteraten, Anneliden und heute unbekannte Formen, die phylogenetischen Seitenzweigen angehörten und noch im Kambrium ausstarben. Metazoen sind aus Nordamerika, Australien (Ediacara), Afrika, England, Nordsibirien und Westrußland bekannt. Ein Teil der Fundschichten gehört aber vielleicht schon ins frühe Kambrium. Hornschalige Brachiopoden (Lingulella montana) wurden in der Belt-Serie gefunden und sind neuerdings auch aus Gesteinen (720 Mill. J.) der kanadischen Insel Victoria bekannt geworden. Präkambrische L e i t f o s s i l i e n gibt es bisher nicht. Stromatolithen-Gruppen eignen sich aber zur Korrelation jungpräkambrischer Schichtfolgen. Auch Algenstrukturen (Onkolithe, Cathagraphia) scheinen dafür verwendbar. 5. Bodenschätze Die polyzyklischen geochemischen Prozesse während der fortschreitenden Entwicklung der Lithosphäre führten im Präkambrium zu großen Erzanreicherungen. Die präkambrischen Schilde sind daher im wahrsten Sinne des Wortes „Schatzkammern" der Erde. Das Mittelpräkambrium kann als „Eisenzeit" der Erdgeschichte bezeichnet werden, denn Eisenlagerstätten vom Ausmaß der mittelpräkambrischen wurden später nie wieder gebildet. Erstrangige Bedeutung haben Eisenquarzite und 3
Schmidt, Erdgeschichte
Abb. 9. Fossilien des P r ä k a m b r i u s . F u n g i (Pilzsporen?): 1. Polycellaria bonnerensis PFLUG, X 900, Belt-Serie, Kanada. A 1 g a e: 2. Filamentella plurima PFLUG, X 900, Belt-Serie, Kanada. S t r o m a t o l i t h e n (Algenkalk): 3. Collenia symmetrica F E N T . & F E N T . , verkl., Belt-Serie, N-Amerika, 4. C o n o p h y t o n garganicus K O R . , 1 : 4,5, Unt. R i p h ä i k u m , Ural, Sibirien, 5. Kussiella kussiensis (MASL.), 1 : 4,5, Unt. R i p h ä i k u m , Ural, Sibirien, 6. Tungussia nodosa SEMIKH., 1 : 4,5, Mittel-Riphäikum, Sibirien.
Bodenschätze
35
- g l i m m e r s c h i e f e r (Itabirite). Sie finden sich u. a. in N o r wegen (Sydvaranger), Schweden, in der UdSSR (Kriwoi Rog, Kursk), in der Mandschurei, in Brasilien (Minas Gérais), in Venezuela, Indien, Nigeria, Südafrika und in Australien. Allein die Vorräte der brasilianischen Erze (60 °/o Fe) belaufen sich auf 13 M r d . t. Große Vorkommen chemisch sedimentierter J a s p i 1i t e („Banded iron stones") sind vom Lake Superior (Michigan-Minnesota) und aus allen Südkontinenten bekannt. Das Eisen stammt zusammen mit dem Silizium und M a n g a n aus submarinen vulkanischen Exhalationen oder wurde bei der chemischen Verwitterung weiter Kontinentalflächen frei. Die besonderen Bedingungen: eine reduzierende Atmosphäre sowie steigende p H - und Eh-Werte des Meerwassers ermöglichten weitere Transporte und die Eisenerzbildung in küstenfernen Meeresteilen. Metamorphe Manganerze (Gondite) haben ähnlich weite Verbreitung. Die G o l d - U r a n -Vorkommen Südafrikas (Witwatersrand), Kanadas (Blind River) und Brasiliens (Jacobina) entstanden als fluviatile Gold-Uran-Pyrit-Sande wie die gebänderten Eisenerze unter den besonderen Bedingungen der U r a t m o späre. Wichtig sind ferner: p o l y m e t a m o r p h e Eisen-, Kupfer-, Blei-, Zink-, Silber-, Golderze (Dannemora, Norrberg, Boliden und Falun in Schweden; Outokumpu, Finnland; R o u y n - N o r a n d a und Flin-Flon. in K a n a d a ; Bröken Hill, Australien), m e t a m o r p h e E i s e n e r z e (Kiruna, Schweden), m a g m a t i s c h e Chromit(Bushveld,
7. Baicalia baicalica KRYL., 1 : 7, Mittel-Riphäikum, Ural, Sibirien, Australien, 8. Insería tjomttsi KRYL., 1 : 7, Ober-Riphäikum, Sibirien, 9. Gymtiosolen ramsayi STEINM., 1 : 7, Ober-Riphäikum, Ural, Spitzbergen, Australien, 10. Miniaría íiralíca KRYL., 1 : 7, Wendium, Sibirien, Spitzbergen, Australien, 11. Boxonia grumulosa KOM., 1 : 7, Wendium, Sibirien, Spitzbergen, Australien, 12. Jurusania sibirica (YAK.), 1 : 7, Wendium, Sibirien. A n n e 1 i d a: 13. Spriggina floundersi GLAESSN., 1 : 1, Australien (Ediacara), 14. Dickinsonia minima SPRIGG, Australien (Ediacara). C o e l e n t e r a t a ( O c t o c o r a l l i a ) : 15. Rangea longa GLAESSN. &c WADE, 1 : 4 , 5 (rekonstr.), Australien (Edicara); (S c y p h o z o a ?): 16. Mawsonites spriggi GLAESSN. Sc WADE, Australien (Ediacara). B r a c h i o p o d a: 17. Lingulella montana FENT. Se F E N T . , 1 : 1,7, Bclt-Seric, Nordamerika. U n b e k a n n t e s y s t e m a t i s c h e S t e l l u n g : 18. Tribrachidium beraldicum GLAESSN., 1 : 1,5, Australien (Ediacara). Falls nicht anders angegeben, sind die Fossilien, auch die der folgenden Tafeln, auf ca. 1 : 2 verkleinert. 3*
36
Das Paläozoikum
Südafrika) und N i c k e l e r z e (Sudbury, Kanada), k a t a thermale Uranerze (Chingolobwe, Katanga) sowie Golderze (Kalgoorlie, Australien; Kirkland-Lake, Kanada; Guayana) und K u p f e r e r z e (Michigan; Katanga). Die Granite des Präkambriums sind im Gegensatz zu denen jüngerer Epochen wegen ihres tiefen Anschnittes meist erzarm.
C. Das Paläozoikum ( 5 7 0 - 2 2 5 M i o . J.) 1. Kambrium ( 5 7 0 - 5 0 0 M i o . J.) Der Formationsname stammt von A. S E D G W I C K ( 1 8 3 5 ) ; bria" römische Bezeichnung für Nordwales (Tab. 4). a) Pflanzen- und
„Cam-
Tierwelt
In den Schichten des Kambriums tritt uns e r s t m a l s eine r e i c h e f o s s i l e L e b e w e l t entgegen. Darunter sind alle wichtigen Tierstämme, wenn auch mit einfacheren Bauformen, bis auf die Wirbeltiere vertreten. Den Hauptanteil der ausschließlich marinen Fauna bildeten die Trilobiten (60 °/o) und die Brachiopoden (30%>). Das Kambrium ist daher die erste Formation, in der eine biostratigraphische Gliederung durchzuführen ist. Hinweise auf terrestrisches Leben fehlen noch. Die kalkabscheidenden Cyanophyceen (Cryptozoon) waren wichtige Gesteinsbildner. Es traten P r o t o z o e n (Foraminiferen, Radiolarien), K i e s e l - und K a l k s c h w ä m m e auf. Als Riffbildner erschienen die den Schwämmen nahe stehenden Archaeocyathiden. Medusenartige S c y p h o z o e n (Medusites) findet man als Abdrücke in Sandsteinen. Der gleichen Tierklasse gehörten vermutlich auch zartwandige Chitinhohlkegel (Conularia) an.
Abb. 10. Fossilien des Kambriums. T r i 1 o b i t a : 1. Fallotaspis tazemtnourtensis HUPE, U.-Kambrium, 2. Olenellus thompsoni (HALL) 1 : 3,5, U.-Kambrium, 3. Paradoxides bobemicus BARR., 1 : 4,5, M.-Kambrium; 4. Olenus truncatus BRÜNNICH, Ob.-Kambrium; 5. Agnostus pisiformis LINNÉ, X 1,5, Ob.-Kambrium. P r o t a r t h r o p o d a : 6. Aysheaia pedunculata W A L C O T T (rekonstr.), M.-Kambrium. M a l a c o s t r a c a : 7. Hymenocaris vermicauda SALT., Ob.-Kambrium. Archaeocyatha: 8. Thalamocyathus tracbealis (TAYLOR), U./M.-Kambrium;
37
Kambrium
6
9. Syringocnema favus TAYLOR, U./M.-Kambrium. C e p h a l o p o d a : 10. Volborthella tenuis FR. SCHMIDT, U.-Kambrium. G a s t r o p o d a : 11. Scenetta discinoides FR. SCHMIDT, U.-Kambrium. P t e r o p o d a (?): 12. Hyolitbes parens BARR., M.-Kambrium. L a m e l l i b r a n c h i a t a : 13. Lamellodonta simplex VOGEL, M.-Kambrium. B r a c h i o p o d a : 14. Lingulella davisi M'COY, Ob.-Kambrium, 15. Orusia lenticularis (WAHLENBG-), X 2, Ob.-Kambrium. Pelmatozoa (Carpoidea): 16. Trocbocystites bohemicus BARR., M.-Kambrium. H y d r o z o a (Medusae inc. sed.): 17. Spatangopsis costata TORELL, U.-Kambrium.
38
Das Paläozoikum
Die B r a c h i o p o d e n bildeten schloßlose (Inarticulata), hornschalige Formen (Lingulella), aber auch schloßtragende (Articulata), kalkschalige Formen (Orusia). Die Kalkschaler wurden im Oberkambrium häufiger und erlangten im Ordovizium die Vorherrschaft. Die Lebensspuren von G r a b w ü r m e r n craterion) sind in Sandsteinen weit verbreitet.
(Skolitbos,
Diplo-
Während M u s c h e l n noch kaum zu finden sind, bildeten die G a s t r o p o d e n bereits eine formenreiche Gruppe. Neben den Napfschnecken (Scenella) waren planspiralig gewundene Gehäuse und im Oberkambrium auch trochospiralige (Pleurotomaria) vorhanden. Die nur wenige Millimeter lange Volborthella aus dem Unterkambrium bildet vielleicht eine primitive Form der C e p h a 1 o p o d e n. Sichere Nautiloideen waren die Plectronoceratiden (Plectronoceras) des Oberkambriums mit größeren u n d schwach gekrümmten Gehäusen. Die Arthropoden stellten mit den T r i 1 o b i t e n die größten Lebensformen (Paradoxides harlani 45 cm). Zwei Drittel der Triboliten-Familien starben am Ende des Kambriums wieder aus. Es lebten bereits echte C h e l i c e r a t e n (Aglaspis) und C r u s t a c e e n (Hymenocaris). Von den Echinodermen erlangten die Pelmatozoen (Trochocystites) Bedeutung. Im Oberkambrium waren auch bereits die ersten Graptolithina vorhanden. Die wichtigsten L e i t f o s s i l i e n Trilobiten (Abb. 10).
des Kambriums sind die
Die Entwicklung dieser hoch differenzierten Lebewelt m u ß weit in das Präkambrium zurückreichen. Ihre Uberlieferung w u r d e erst durch die im Kambrium einsetzende Bildung von Phosphat- und Kalkschalen möglich. Vielleicht bildet die Abnahme des C 0 2 - G e haltes (Ansteigen des pH-Wertes) im Meerwasser eine der Ursachen f ü r die Produktion organischer Hartteile.
Tabelle 4.
Gliederung des Kambriums.
Abt
Stufe
Zone
forchhammeri
Olenus
oelandicus
1-3
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va ,3 Holmia Fallotaspis (?)
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Quartär
185
S ü d a 1 p e n -Gletscher hinterließen enggeraffte, bis 4 0 0 m hohe Endmoränenbögen. Die größte Ausdehnung erreichte das Mindel- und Riß-Eis. Im Mindel-Riß-Interglazial schmolzen die Gletscher so weit zurück, daß der paläolithische Mensch bis in die Höhen von 2 4 0 0 m siedeln konnte. Zwischen dem nordischen Inlandeis und den Alpen blieben weite Teile M i t t e l e u r o p a s , abgesehen von der Eigenvergletscherung der Mittelgebirge, eisfrei. In den trockenen, vegetationsarmen Tundren der Kaltzeiten lagerten die Winde aus den Inlandeisgebieten mächtige Lößdecken ab, über denen sich während der warm-feuchten Zwischeneiszeiten der Wald ausbreitete. Durch die Aufschotterung der Flüße in den Kaltzeiten und die Erosion in den wärmeren Klimaperioden entstanden Terrassensysteme, die den Klimawechsel deutlich widerspiegeln. Die p e r i g l a z i a l e n B i l d u n g e n und die fossile Lebewelt der unvereisten Gebiete bieten besonders günstige Voraussetzungen für die Erforschung der Umweltbedingungen im Pleistozän. An die Stelle der wärmeliebenden Wald- und Savanneritiere (Tapir, Antilope, Mastodon, Affe) des Tertiärs traten mit zunehmender Klimaverschlechterung Steppenbewohner (Pferd, Wisent, Riesenhirsch), später auch das Rentier und das Mammut. Die Primigenius-Fauna der Eiszeiten (Mammut, Pferd, Wisent, Ren, wollhaariges Nashorn) wechselte mehrfach mit der interglazialen Antiquus-Fauna (Waldelefant, glatthaariges Nashorn, Hirsch). Am Ende des Pleistozäns starb ein großer Teil der kälteliebenden Säugetiere aus, ein anderer wich nach Norden zurück. Vielleicht hat der prähistorische Mensch durch die Jagd das Erlöschen mancher Tiergruppen beschleunigt. In den freiwerdenden Lebensräumen entfaltete sich die heutige Waldfauna. Die Pollenspektren der nacheiszeitlichen Moore ergeben für das Holozän folgende Klimaentwicklung: arktisch, boreal, atlantisch, subboreal und subatlantisch (Tab. 16). Das Klimaoptimum stellte sich in der atlantischen Periode ein. Infolge der ver-
Tabelle 16.
Gliederung des Holozäns.
186
Das Känozoikum
A b b . 82. Verschiebungen der Baumgrenze im Spätpleistozän u n d H o l o z ä n (n. FIRBAS 1947). A Alleröd-Interstadial, J T jüngere T u n d r e n (Dryas)-Zeit, W postglaziale Wärmezeit (Atlantikum).
stärkten Eisschmelze stieg der Meerespiegel in kurzer Zeit um 12 m an. Die Baumgrenze lag über der heutigen (Abb. 82). Im nachfolgenden Subatlantikum wurde das Klima wieder kühler und feuchter. Die Frage, ob wir tatsächlich in der N a c h e i s z e i t oder in einem I n t e r g l a z i a l leben, ist heute noch nicht zu beantworten. Während der Vereisungen des Nordens verlagerten sich die Klimazonen insgesamt nach Süden, so daß die M i t t e l m e e r l ä n d e r dem nördlichen Westwindgürtel abgeschlossen wurden und reichere Niederschläge erhielten. Den Kaltzeiten entsprechen daher feuchte, den Interglazialen trockenere Perioden. Diese rhythmischen Klimaänderungen bewirkten u. a. charakteristische Bodenbildungen. In der altpleistozänen Kalabrischen Stufe des Mittelmeer-
187
Quartär
gebietes erschienen erstmals nordische Mollusken. Die terrestrischen Villafranca-Ablagerungen zeigen, daß die subtropischen Wälder des Tertiärs allmählich durch Nadel- und Laubholzbestände verdrängt wurden. Die Transgressionen der Zwischenzeiten und die eiszeitlichen Meeresrückzüge führten zu erheblichen Strandverschiebungen. Küstenterrassen liegen heute bis 2 0 0 m über und mehr als 100 m unter dem Meerespiegel (Abb. 83). Holstein Warmzeit
Saale Kaltzeit
Eem Warmzeit Weichsel l/n I I4
- 20 m
- 0
- 20 - 40 - 60 - 80 -100 .120 Abb. 83. Eustatische W O L D S T E D T 1969).
Meeresspiegelschwankungen
im
Pleistozän
und
Holozän
(n.
Die Milazzium-Transgression entspricht der Cromer-Warmzeit (Terrassen 5 0 - 6 0 m ü. d. M.), die Tyrrhenium I-Transgression der Holstein-Warmzeit (Terrassen etwa 30 m ü. d. M.), die Tyrrhenium II-Transgression der Eem-Warmzeit (Terrassen 8 - 2 0 m ü. d. M.). Während der Würm-Eiszeit lag der Spiegel des Mittelmeeres etwa 100 m tiefer als heute. Das Schwarze Meer wurde ausgesüßt und gab seinen Wasserüberschuß durch einen BosporusDardanellen-Fluß in das Mittelmeer ab. Erst der allgemeine Meeresanstieg während des Holozäns schuf das heutige geographische Bild. In den Wüsten und Steppen N o r d a f r i k a s sind trockene Talsysteme und Salzpfannen als Reste ehemaliger großer Binnenseen zu finden. Sie sprechen dafür, daß auch Nordafrika während der Kaltzeiten stärkere Niederschläge erhielt. Das nordische Inlandeis stieß auch in N o r d a m e r i k a mindestens viermal (Nebraska-, Kansas-, Illinois-, Wisconsin-Vereisung) nach Süden vor. Die großen Seen Nordamerikas sind Reste
188
Das Känozoikum
eines Eisstausees, der sich vor den Endmoränen ausbreitete. Im grönländischen Inlandeis sind heute noch Eishorizonte der letzten Vereisung enthalten. Sie lassen nach 1 8 0/ 1 8 0-Bestimmungen eine deutliche Klimagliederung erkennen. Im Westen Nordamerikas erfolgte eine ausgedehnte Gebirgsvergletscherung. Zwischen den Gebirgsketten bestanden Seen, wie der Lake Bonneville, deren Sedimente und Strandterrassen den eiszeitlichen Klimawechsel abbilden. Die Schneegrenze in den Gebirgen der S ü d k o n t i n e n t e lag teilweise 1000 m tiefer als heute. Im südlichen Chile und im angrenzenden Patagonien bestanden in den Kaltzeiten vermutlich mächtige Inlandeisdecken. Die A n t a r k t i s , in der noch im frühen Tertiär Coniferen gediehen, trug bereits im Pliozän eine Eiskappe. Das Anwachsen und Schwinden der Eismassen erfolgte im gleichen Rhythmus wie die Vereisungen der Nordhalbkugel (HOLLIN). Die Klimaänderung am Ende des Pleistozäns reichte, wie auch in Grönland, nicht aus, die Eiskalotte aufzulösen. Die Ablagerungen der T i e f s e e bieten eine lückenlose Aufzeichnung der quartären Klimageschichte. 1 8 0/ 1 6 0-Bestimmungen an Kalkschalen ergeben Temperaturkurven, die durch radiometrische Altersbestimmungen ( 1 4 C-, 2 3 1 Pa/ 2 3 0 Th-Methode) chronologisch geeicht werden können. Auf diese Weise ist eine Parallelisierung von Tiefsee-Sedimenten mindestens bis zum Saale-Weichsel-Interglazial möglich. EMILIANI konnte zeigen, daß die ozeanischen Bodenwasser-Temperaturen in niederen Breiten durch Zuflüsse aus der Arktis und Antarktis von der Oberkreide bis zum Oberpliozän etwa um 12° abnahmen. Sie lagen zu Beginn des Quartärs nur geringfügig über dem gegenwärtigen Stand (Abb. 79). c) Krustenbewegungen
und Schwankungen
des
Meeresspiegels
Bei der Entstehung der polaren Eiskappen wurden große Wassermassen aus den Ozeanen gebunden, die während der Warmzeiten den Weltmeeren wieder zuflössen. Die Folge waren e u s t a t i s c h e M e e r e s s p i e g e l s c h w a n k u n g e n . Für die Würm-Eiszeit und die vorangegangenen Kaltzeiten ergeben sich aus der Höhenlage mediterraner Terrassensysteme und dem Aufbau pazifischer Korallenriffe (DALY) Absenkungen von 90 bis
Quartär
189
120 m (Abb. 83). Diese Schwankungen sind weltweit nachzuweisen und überlagern sich in den ehemaligen Vereisungsgebieten mit i s o s t a t i s c h e n K r u s t e n b e w e g u n g e n . Die Eiskalotten drückten die unterlagernde Erdkruste um etwa ein Drittel der Eismächtigkeit nieder, so daß sich die Gebiete größter Eisbelastung heute durch hohe Werte isostatischer Hebung auszeichnen. "Die zentralen Teile des Baltischen Schildes sind, wie aus der Höhenlage alter Strandlinien hervorgeht, etwa 500 m aufgestiegen." die gegenwärtige Hebung beträgt bis 10 mm im Jahr. Die O-Isobase verläuft durch die südliche Ostsee zum Ladoga-See. Im Kanadischen Schild hob sich das Gebiet um die Hudson Bai um etwa 300 m. Neben den durch die Eisbelastung ausgelösten Krustenbewegungen ereigneten sich auch t e k t o n i s c h e Hebungen und Senkungen. Ihr Ausmaß ist in Mitteleuropa an der Höhenlage pliozäner Verebnungsflächen und der Verbiegung quartärer Flußterrassen zu bestimmen. Die Quartärbasis liegt heute in Holland bis zu 600 m unter dem Meeresspiegel. Die deutsche Nordseeküste sinkt streckenweise um etwa 1 mm pro Jahr, so daß umfangreiche Küstenschutzmaßnahmen erforderlich sind. Der Rheintal-Graben ist seit Ende des Tertiärs um etwa 100 m abgesunken. Erdbeben zeigen, daß die Bewegungen noch nicht abgeschlossen sind. Die O s t a 1 p e n , die im Tertiär nicht über ein Mittelgebirgsrelief hinausgelangten, stiegen erst an der Wende Pliozän/Quartär zum Hochgebirge auf. Die Verebnungen des jungtertiären Hügellandes (Rax-Landschaft) liegen heute im Gebirgsinneren mehr als 2500 m hoch. Die würmeiszeitlichen Terrassen sind aber nirgends mehr verstellt. In der P o - E b e n e wurde die Quartär-Basis teilweise um 3000 m abgesenkt. O r o g e n e Bewegungen ereigneten sich während des Pleistozäns in Neuseeland, in Kalifornien und in Tunis. Die südlichen Randketten des Himalajas schoben sich streckenweise über die Alluvionen des Brahmaputra-Tales in Nordbengalen. Insgesamt befindet sich die Erde seit dem Känozoikum in einer Periode der L a n d v o r h e r r s c h a f t . Ihr Relief verstärkte sich im Laufe des Känozoikums so, daß das mittlere Niveau der
190
Das Känozoikum
Festländer von 300 m ii. d. M . auf 800 m gehoben wurde (FLINT). Der pleistozäne Vulkanismus konzentrierte sich im wesentlichen auf die heute noch aktiven Vulkanzonen (Abb. 87). Die BasaltVulkane der Eifel sind mindestens 5 7 0 - 1 4 0 X 10 3 Jahre alt. Ihre Tuffe gestatten eine chronologische Einstufung der Rheinterrassen. Die Ausbrüche der Maare erfolgten bis ins Alleröd (Tab. 15). d) Die Ursachen der quartären
Klimaentwicklung
Nach der Vereisung des Jungpräkambriums und Jungpaläozoikums trat im Quartär die dritte große Eiszeit der Erdgeschichte ein (Abb. 84). Die Menschheit ist Augenzeuge dieses einschneidenden Klimaereignisses geworden und erlebte weitreichende, klimabedingte Umweltveränderungen. Gegenwärtig nehmen Gletscher-
A b b . 84. Ausdehnung der quartären Vereisung auf der Nordhalbkugel (n. P U T N A M 1969).
eis und Permafrost 37 Mio. km 2 , also nahezu ein Viertel des gesamten Festlandes der Erde, ein. Von den 31 Mio. km 3 Eis liegen 90 °/o in der Antarktis, 9 °/o in Grönland. Die kosmischen und terrestrischen Ursachen der Vereisungen sind außerordentlich komplex und in ihrer Wechselwirkung noch kaum überschaubar. Es fällt auf, daß die großen Eiszeitalter etwa 270 Mio. J. auseinanderliegen. Diese Periode könnte nach STEINERS Auffassung mit der Rotation des Milchstraßen-Systems zusammenhängen. MILANKOVITCH gab unter den denkbaren Ursachen Änderungen der Sonneneinstrahlung den Vor-
Die alpidische Gebirgsbildung
191
rang. E W I N G &C D O N N messen dagegen topographischen Veränderungen im nördlichen Atlantik und dem wechselnden Einfluß des Golfstroms besondere Bedeutung zu. W I L S O N und H O L L I N glauben ebenfalls auf extraterrestrische Faktoren verzichten zu können, solange der Südpol auf dem antarktischen Kontinent liegt. Das ist seit dem Tertiär der Fall. Rhythmische Ausdehnungen des antarktischen Eisschelfes reichen ihrer Meinung nach aus, die Temperaturen auf der Erde so weit zu senken, daß eine Vereisung der Nordhalbkugel einsetzen kann. Da das antarktische Inlandeis heute anscheinend einen positiven Massenhaushalt hat, wäre der Ausgangszustand für einen erneuten Eisvorstoß in etwa 70 000 Jahren wieder erreicht. Wie man die genannten Faktoren auch miteinander kombiniert, es bleibt zu berücksichtigen, daß die quartären Vereisungen und Interglaziale auf der ganzen Erde mehr oder weniger synchron verliefen und das Eis selbst komplizierte Rückwirkungen (Albedo) auf die Klimaentwicklung hatte. 3. Die alpidische Gebirgsbildung Die alpidische Faltung führte zu grundlegenden paläogeographischen Veränderungen der Erdoberfläche und bestimmte ihr gegenwärtiges Relief. Die Bewegungen begannen in der Unterkreide und hielten bis ins Altquartär an. Dabei verlagerten sich die Zonen der stärksten Deformation längs und quer zu den Hauptachsen der Geosynklinalen. Die Hauptfaltung erfolgte in den Ostalpen während der Kreide, in den Westalpen während des Alt-Tertiärs, im Himalaja erst im Pliozän/Altquartär. Am Nord- und Westrand des Mittelmeeres entstanden auf diese Weise komplizierte Gebirgsgirlanden (Abb. 85). Der Alpenbogen setzt ostwärts in die Karpaten und den Balkan fort. Die Bergketten der Krim und des Kaukasus entstammen einer eigenen Geosynklinalzone. An die Westalpen schließt sich nach S der Apennin an, dessen Innenteile im Tyrrhenischen Meer versanken. Die Befischen Kordilleren Südspaniens und die Atlas-Ketten Nordafrikas umsäumen das westliche Mittelmeer. Die Dinarischen
Die alpidische Gebirgsbildung
193
Ketten Jugoslawiens ziehen über Griechenland und Kreta nach Kleinasien. Weiter östlich folgen die gewaltigen Gebirgsbögen Mittel- und Siidostasiens. Die Entwicklung der aus der Tethys entstandenen Faltengebirge ist heute bereits weit fortgeschritten. Erdbeben, Vulkanismus und die Schwereverteilung lassen aber vermuten, daß noch aktive Gebirgsabschnitte vorhanden sind. Z u ihnen gehört u. a. der Inselbogen von Kreta (Abb. 85). Da die zirkumpazifischen Geosynklinalen bereits durch die kimmerische Orogenese gefaltet worden waren, erreichte hier die alpidische Gebirgsbildung nicht mehr die Intensität wie in der Tethys. Faltungen ereigneten sich auf Kamtschatka, Sachalin, Japan und den Philippinen, auf Neukaledonien und in der Antarktis. In Nordamerika entstanden die Rocky Mountains. Die Anden Südamerikas erlebten Perioden verstärkter Bruchfaltung. Der begleitende Vulkanismus hielt noch im Quartär an und ist bis heute nicht erloschen. Die alpidischen Gebirge der Erde bieten erstmals die Gelegenheit zum Studium eines noch „lebenden" Orogens. Seine Krustenstrukturen wie auch die Schwereverteilung und der Wärmestrom aus dem Erdinnern stehen in erkennbarer Beziehung zum tektonischen Geschehen und gestatten Schlüsse auf die orogene Dynamik. Außerdem lassen sich die Prozesse der Gebirgszerstörung (Molasse-Stadium) messend verfolgen. Seismisch und vulkanisch aktive ozeanische Strukturen reichen in manchen Teilen der Erde in die Gebirgssysteme der Kontinente hinein und sind so als orogene Erscheinungen der Gegenwart zu erkennen. Ihre weitere geologische, ozeanographische und geo-
Abb. 85. Alpidische Faltungszonen im M i t t e l m e e r r a u m (n. W U N D E R L I C H 1969). Z o n e n mit überwiegend voralpidischer (variszischer) Faltung (schwarz). Faltung vorwiegend w ä h r e n d der Kreide (kreuzschraffiert), w ä h r e n d des Alttertiärs (einfach schraffiert) u n d w ä h r e n d des Jungtertiärs (punktiert). Die Z o n e n a n h a l t e n d e r orogener Aktivität sind grau angelegt. Die mediterranen Gebirgsgirlanden bestehen aus einem komplexen System alter Tiefseerinnen (Subduktionszonen), die am N o r d r a n d der Tethys mit kontinentalen Restschollen, vulkanischen Inselbögen u n d Teilen ozeanischer Kruste zusammengeschoben w u r d e n (DEWEY u. BIRD 1970). Vermutlich verringert sich der Abstand zwischen der Europäischen u n d der Afrikanischen P l a t t f o r m , bei gleichzeitiger Krustenresorption, noch immer. 13
Schmidt, Erdgeschichte
194
Probleme der Erdgeschichte
physikalische Erforschung verspricht daher die Lösung mancher Rätsel, die uns die alten Gebirge der Erde noch aufgeben.
VI. Probleme der Erdgeschichte Die
Lithosphäre
Als Erdkruste oder L i t h o s p h ä r e bezeichnen wir die äußere Gesteinshülle der Erde, die durch die Moho-Diskontinuität vom tieferliegenden Erdmantel getrennt wird. Sie ist in den Kontinenten 4 0 - 6 0 km mächtig und dünnt unter den Ozeanen bis auf wenige Kilometer aus. M i t einer Gesamtmasse von 2,5 • 1 0 1 9 1 bildet sie nicht mehr als 0,4 °/o der Erdmasse. Die Gliederung der Lithosphäre in K o n t i n e n t e und O z e a n e wirft eine Reihe grundlegender Fragen auf: Ist die Erdkruste das Ergebnis einer säkularen Differentiation des oberen Erdmantels oder entstand sie durch Transformation kosmischen Materials? Bedeckt die kontinentale Kruste ursprünglich die gesamte Erdoberfläche oder wuchsen die Kontinentalschollen von Kristallisationszentren zu ihrem heutigen Volumen an? Erweiterten sich die Kontinente allein durch orogene Prozesse oder wurden auch die Plattformen des Präkambriums durch Bruchbildungen und Schollenkollisionen umgruppiert? Die Beantwortung dieser Fragen hängt weitgehend von kosmologischen Auffassungen (S. 21) und von der Deutung geotektonischer Erscheinungsformen, wie der Faltengebirge und der mittelozeanischen Rücken, ab. Die F a l t e n g e b i r g e sind seit dem Präkambrium typische Erscheinungsformen der Kontinente. Sie gingen aus geosynklinalen Mobilzonen hervor und erweiterten als „Anwachssäume" die kontinentalen Plattformen. Im Verlauf der Gebirgsbildungen gelangten Sedimentmassen der oberen Lithosphäre in die Tiefe und wurden, durch Metamorphosen transformiert, dem älteren Plattform-Kristallin angegliedert. Die tektonische Stabilisierung orogener Räume trat aber oft erst nach wiederholter (polyzyklischer) Faltung ein.
Probleme der Erdgeschichte
195
Die Entstehung der heute bekannten m i t t e l o z e a n i s c h e n R ü c k e n reicht bis in das Mesozoikum zurück. Die Rücken erheben sich mehrere 1000 m hoch über die umgebenden Ozeanböden und folgen erdumspannenden B r u c h s y s t e m e n , an denen die ozeanische Kruste bis zu 10 c m / J a h r auseinanderweicht und durch vulkanische Zuflüsse aus dem oberen Erdmantel ergänzt wird (Abb. 86, 87). Den k o n t i n e n t b i l d e n d e n Orogenesen kann man also ozeanbildende Taphrogenesen (Spaltenbildungen) gegenüberstellen. Die Theorie vom W a c h s e n d e r O z e a n b ö d e n (seafloor spreading) wird heute weithin anerkannt. BELOUSOV (1968) macht dagegen geltend, daß kontinentale Krustenteile auch durch flächenhafte Resorption ihrer Basis in ozeanische Kruste überführt werden können. Die Ozeane der Gegenwart sind nicht gleichalt und zeigen auch erhebliche strukturelle Unterschiede. Noch ist aber nicht zu entscheiden, ob ihre Besonderheiten verschiedenen Bildungsprozessen oder primären Inhomogenitäten des oberen Erdmantels zuzuschreiben sind. Durch die rasch fortschreitende geowissenschaftliche Erforschung der Ozeane hat sich in den letzten Jahren erstmals ein v o l l s t ä n d i g e s Bild vom tektonischen Bau der Lithosphäre ergeben. In ihm spielen neben den Faltengebirgen und den mittelozeanischen Rücken die Kontinentalränder, Tiefseegräben und vulkanischen Inselbögen eine besondere Rolle (Abb. 87). Während seismisch und vulkanisch inaktive Brüche die zirkumatlantischen Kontinentalränder bilden, säumen Erdbeben- und Vulkanzonen den Pazifischen Ozean. V o r dem pazifischen Rand Süd- und Mittelamerikas liegen Tiefseerinnen. Der Westabbruch Nordamerikas wird vom Ostpazifischen Rücken beeinflußt. Im westlichen Pazifik sind dagegen zahlreiche, von vulkanischen Inselbögen begleitete Tiefseerinnen und ozeanische Randbecken entwickelt. Die Erdbeben- und Vulkangürtel lassen sich geophysikalisch als globale tektonische Grenzflächen (BENIOFF-Zonen) deuten, die die Lithosphäre in mehrere, 1 0 0 - 1 5 0 km dicke P l a t t e n zerlegen. Geomechanisch betrachtet ist der obere Erdmantel daher der Lithosphäre zuzurechnen. 13*
196
Probleme der Erdgeschichte
Probleme der Erdgeschichte
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Abb. 86. Die Verteilung der Kontinente in der jüngeren Erdgeschichte (n. D I E T Z u. H O L D E N 1970). A. gegen Ende des Paläozoikums (vor etwa 230 Mio. J . ) , B. gegen Ende der Trias (vor etwa 180 Mio. J.), C. gegen Ende der Kreide (vor etwa 65 Mio. J.). Die Pfeile geben Bewegungsrichtungen an. Die ozeanischen Bruchsysteme sind durch schwarze Linien, der Tethys-Graben» ist durch eine schraffierte Zone gekennzeichnet.
Nordamerika, Südamerika und der westliche Atlantik gehören einer solchen Platte an, eine andere reicht vom Südabschnitt des Mittelatlantischen Rückens über Afrika bis zum zentralen Rücken des Indischen Ozeans (BULLARD 1969). Die in sich starren Schollen werden durch die Asthenosphäre, eine Zone verringerter Viskosität, vom unteren Erdmantel getrennt und bewegen sich gegeneinander. Sie weichen an den mittelozeanischen Rücken unter gleichzeitiger Substanzanlagerung auseinander und tauchen an den stabilen Rändern benachbarter Platten ab. Das erklärt, warum bisher nur relativ junge Sedimente (Jura-Quartär) vom Ozeanboden zutage gefördert wurden. Die
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Probleme der Erdgeschichte
älteren Ablagerungen versanken entweder in den Subduktionszonen oder wurden an den Kontinenten und in vulkanischen Inselbögen zusammengeschoben (Geosynklinalen). Damit erscheint auch das Problem der O r o g e n e s e unter einem neuen Blickwinkel. Taucht eine ozeanische Platte am Rande einer Kontinentalmasse ab, so entstehen Gebirge wie die nordamerikanischen Kordilleren und die Anden. Kollidieren kontinentale Schollen miteinander, so werden Gebirge wie der Himalaja oder der Ural aufgefaltet. Schiebt sich eine ozeanische Platte unter ozeanische Kruste, so entstehen vulkanische Inselbögen, deren andesitische Laven als Aufschmelzungsprodukte ozeanischen Substrats gelten. In vielen Inselbögen der Gegenwart begann der Vulkanismus im späten Pliozän und frühen Pleistozän. Man hat damit einen zeitlichen Anhaltspunkt für die beginnende tektonische Aktivität dieser Bereiche. Das Konzept der P l a t t e n t e k t o n i k erlaubt es, die Strukturen der Lithosphäre, einschließlich der Erdbeben- und Vulkanzonen, die Kontinentaldrift und die angenommenen Bewegungen der Meeresböden (sea-floor spreading) mit einer Theorie „globaler Geomechanik" zu erklären. Dieses geotektonische Modell ist heute erst umrissen und wird sicher noch mancher Verbesserungen bedürfen. Dessen ungeachtet ist die geotektonische Forschung damit in ein neues Stadium getreten, in dem manche bisher geläufige Begriffe und Vorstellungen neu zu überdenken sind. Die Bewegungen und Strukturen der Lithosphäre sind außerordentlich komplex und nur nach weitgehender Abstraktion in eine Systematik zu zwängen. So lassen sich die Geosynklinalen verschiedener Erdepochen nicht ohne weiteres miteinander vergleichen. Es gibt Anzeichen dafür, daß sie sich in ihrer Form, in ihrer Lebensdauer und im Gesteinsinhalt unterschieden. Ebenso wahrscheinlich ist, daß auch die Orogenesen mit der fortschreitenden Entwicklung der Lithosphäre ihren Charakter änderten.
A b b . 87.
Känozoische Strukturen der Erdkruste.
•^Zonen /
mesozoisch-könozoischer
Mittelozeanische
••V.Zonen
starker
Rücken
mit
seismischer
Gebirgsbitdung,
Zentralgräben und
Ozeanische
Rücken
\Tiefseegräben,^'Bruchlinien
vulkanischer
Aktivität
200
Probleme der Erdgeschichte
Vielleicht bestanden im Präkambrium globale Felder orogener Aktivität, denen mit zunehmender Abkühlung der Erde schärfer umrissene und ausgeprägtere Mobilzonen folgten. Es ist nicht auszuschließen, daß die Bildung lithosphärischer Platten bereits im jüngeren Präkambrium begann und die Bewegungen der Kruste ähnlich verliefen wie heute. Auch die Grenzen der tektonischmagmatischen Provinzen in den alten Schilden könnten als Kollisionsränder kontinentaler Schollen gedeutet werden. Stichhaltige Beweise für eine erdweite Kontinentaldrift und die Öffnung ozeanischer Becken lassen sich bisher aber nur für die jüngere Erdgeschichte, etwa vom Jungpaläozoikum an, führen. Weitere Fragen erheben sich im Hinblick auf die tektonisch-magmatischer Ereignisse:
Zeitfolge
Gibt es einen rhythmischen Wechsel orogener und anorogener Perioden? Ist eine Beschleunigung in der Folge orogener Zyklen zu erkennen? Die Abgrenzung orogener und anorogener Perioden gelingt am ehesten, wenn man kleinere Bereiche der Erdoberfläche betrachtet. M i t der Erweiterung des Blickfeldes wird diese Unterscheidung immer problematischer, da sich auch während der atektonischen Zeiten in manchen Teilen der Erde Faltungen und Schollenbewegungen abspielten. Die Orogenesen zogen sich, wie die erdgeschichtliche Überlieferung zeigt, über Zeiträume von 2 0 0 bis 8 0 0 M i o . J . hin. In den langlebigen Orogenen wurden Deformationen, Metamorphosen und Intrusionsphasen mehrfach von Zeiten der Sedimentation, der Abtragung und vulkanischer Förderungen unterbrochen. D a die Histogramme physikalischer Altersbestimmungen ( T a b . 3) vorwiegend Abkühlungsalter enthalten, kennzeichnen sie in erster Linie spätorogene Perioden, in denen hochtemperierte Gesteinskomplexe in die Nähe der Erdoberfläche gelangten und ihren Wärmeinhalt verloren. Bisher bieten sich für eine Beschleunigung orogener Prozesse noch keine sicheren Hinweise. Die Gesamttendenz der Erdkrustenentwicklung ist noch unklar, da das quantitative Verhältnis von tektonischer Einengung zu tektonischer Dehnung wie auch von neugebildeter kontinentaler und neuentstandener ozeanischer Kruste kaum abzuschätzen ist.
201
Probleme der Erdgeschichte
Geophysikalische Gründe sprechen dafür, daß in den letzten 600 Mio. J. der Erdradius nicht mehr als 5 °/o zunahm. Die ozeanischen Krustensegmente besitzen offenbar eine geringere Lebensdauer als kontinentale Blöcke, deren Struktur- und Gesteinsvielfalt auf eine lange und wechselhafte Geschichte hindeutet. Durch den Mechanismus der Plattentektonik können die Kontinente vielfach zerlegt und zu neuen Einheiten zusammengefügt worden sein, während die dazwischenliegenden ozeanischen Bereiche verschwanden.
VAN BEMMELEN
(1966)
hat
ein
Entwicklungsschema
der
Lithosphäre entworfen (Abb. 88), das beispielhaft für den Versuch steht, erdgeschichtliche Uberlieferungslücken und die Mehrdeutigkeit des vorliegenden Datenmaterials durch Modelle und Hypothesen zu überbrücken. Fortschritte in der Erforschung der Lithosphäre bringen nicht nur Licht in die planetarische Entwicklung der Erde sondern sind darüberhinaus von hoher praktischer Bedeutung. Der tektonische Werdegang und die Strukturen eines Erdkrustenteils bestimmen nämlich dessen Magmatismus wie auch seine Sedimente und Bodenschätze. Die Kenntnis erdgeschichtlicher Zusammenhänge bildet daher eine wesentliche Voraussetzung für die Entdeckung neuer Lagerstätten und enthüllt die Verteilungsgesetze mineralischer Rohstoffe. Die
Hydrosphäre
Die Hydrosphäre der Erde (1,4 • 10 18 t Wasser) gilt als Kondensationsprodukt der Uratmosphäre und primärmagmatischer Gase. Der gleiche Ursprung wird auch für die in den Urmeeren gelösten Bestandteile (HCl, C O a , N H „ H 2 S, H 3 B 0 3 , N 2 , C H 4 ) angenommen
(RUBEY 1955).
Die
im M e e r w a s s e r
vorhandenen
Kationen N a + , K + , C a + + , M g + + , bei reduzierender Atmosphäre auch F e + + , entstammen dagegen der Gesteinsverwitterung. Man darf annehmen, daß zunächst die Verwitterungslösungen vulkanischer und magmatischer Gesteine den Chemismus der Flußwässer bestimmten. Mit der Ausbreitung sedimentärer Gesteinsdecken führten die Flüsse dann, bei insgesamt erhöhter Lösungsfracht, den Meeren weniger N a + aber mehr C a + + zu. Infolge der Veränderungen in der Atmosphäre (Abb. 90) stiegen auch der pH- und Eh-Wert des Meerwassers. Dadurch verringerte sich die geochemische Beweglichkeit des Eisens, Mangans, und
Probleme der Erdgeschichte
202
Planetarische
Agglomeration
Niederschlag kosmischen Urvulkanismus Pneumatosphäre
Materie j3
•Hydrosphäre
V
• Ent - stehung des " " ^ s L e b e n s ,
Kaiedon. Variszische Alpidische
Orogenese
pu,u)jaA
Probleme der Erdgeschichte
203
Aluminiums und die zentralen Meeresteile verarmten allmählich an entsprechenden Erzen. Die Bildung der in den heutigen Ozeanen, vor allem im Pazifik, weit verbreiteten Mangan-Eisenknollen hat anscheinend erst im Tertiär eingesetzt. Herkunft und Verfrachtung beider Elemente sind noch umstritten. Die Zunahme des Meerwassers und die Anreicherung gelöster Substanzen liefen vermutlich parallel. Seit dem jüngeren Präkambrium jedenfalls blieb, trotz der Bildung großer Salzlagerstätten, die in den Meeren gelöste Salzmenge (5,1 • 101® t) anscheinend annähernd konstant. Das Auftreten der Hartschaler im Kambrium bewirkte vielleicht eine Verschiebung der Ionen-Häufigkeit, da die Organismen in steigendem Maße S i 0 2 , C a C 0 3 , M g C O s , Phosphate und Sulfate in ihren Stoffwechsel einbezogen. Geochemische Daten sprechen dafür, daß Stoffkreisläufe zwischen der Lithosphäre und Hydrosphäre ein dynamisch-chemisches Gleichgewicht herstellten. Dem Meerwasser werden jährlich schätzungsweise 1,4 • 1 0 8 1 C a + + zugeführt, im gleichen Zeitraum lagern sich ca. 3,5 • 10® t C a C 0 3 am Meeresboden ab. Die jährliche Natrium-Zufuhr wird auf 2,9 • 109 t geschätzt. Natrium-Verluste treten durch die Verstäubung in die Atmosphäre, durch das in den Sedimenten verbleibende Porenwasser und die Bildung ozeanischer Salzlagerstätten ein (Abb. 89). Das Meerwasser bietet durch die Vielzahl der in ihm gelösten Metalle eine wichtige Quelle mineralischer Stoffe für die Zukunft.
Abb. 88. V A N B E M M E L E N (1966) unterscheidet 3 Absdinitte in der Entwicklung der Erdkruste. Während der Phase I lagerten sich mächtige (65 km) kosmische Staubmassen auf der Protoerde ab. Radioaktive Prozesse, exothermische chemische Reaktionen und die frei werdende Gravitationsenergie führten zu einer partiellen Aufschmelzung, so d a ß ausgedehnte Vulkanzonen (Urvulkanismus) entstanden, deren Fördermassen weite Teile der Erdoberfläche bedeckten. Es entstand die Uratmosphäre (Pneumatosphäre), aus der bei fortschreitender Abkühlung die Hydrosphäre kondensierte. Während der Phase II begannen Erosion und Sedimentation. Geodynamisch-thermische Prozesse führten zur zyklischen Umwandlung des Krustensubstrats. Infolge umfassender Gesteinsmetamorphosen, Aufschmelzungen (Granitisierung) und tektonischer Prozesse entstand eine stoffliche und strukturell inhomogene Kruste, deren nichttransformierte Bereiche basaltische Zusammensetzungen bewahrten. Während der Phase III traten Änderungen im Verhältnis Kruste - Mantel ein. Teile der Erdkruste wurden vom Mantel resorbiert (Kurve A) und kontinentale Krustensegmente in ozeanische umgewandelt (Ozeanisierung). Vom Mesozoikum an sind Relativverschiebungen der Kontinentalmassen zu erkennen (Kurve B).
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Probleme der Erdgeschichte
Magnesium, Vanadium und Brom werden heute bereits in beachtlichem Umfang aus dem Meer gewonnen. Die A t m o s p h ä r e Die Besonderheiten mancher präkambrischer Sedimente und astrophysikalische Vergleiche lassen Rückschlüsse auf die Entwicklung der irdischen Atmosphäre zu. Die Uratmosphäre bestand nach der Kondensation des Wassers zu einem großen Teil aus C 0 2 und bewirkte daher eine starke Wärmespeicherung. Nach R U B B E Y (1951) betrug der Druck an der Erdoberfläche etwa 14 atm. Diese Bedingungen und der niedrige pH-Wert der Gewässer müssen eine sehr intensive Silikatverwitterung in Gang gesetzt haben. Im Verlauf der weiteren Entwicklung verminderte sich der Partialdruck des C 0 2 erheblich, während der des 0 2 episodisch anstieg (Abb. 90). 1 1 1 1 1 S a l z e
Au!11 L K' o ii i Kombr.
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Ordov.
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Oev.
Karb. P Tr. J. Kreide
Tertior
Abb. 89. Perioden der Salz- und Kohlebildung in der Erdgeschichte (n. L O T Z E 1957 u. TEICHMÜLLER 1962).
Zwischen der Atmosphäre, den Ozeanen, der Litho- und Biosphäre besteht seit langem ein komplexer C0 2 -Austausch. Die Ozeane können ein Vielfaches des in der Atmosphäre vorhandenen C 0 2 (heute 2,3 • 10121) aufnehmen und geben bei abfallendem C0 2 -Partialdruck in der Atmosphäre entsprechende C0 2 -Mengen ab.
Probleme der Erdgeschichte
205
Seit dem Vorhandensein der Landvegetation bewirkte die Z u n a h m e des atmosphärischen C O a einen beschleunigten Pflanzenwuchs. W a r e n die Bedingungen f ü r die Kohlenbildung günstig, k o n n t e in verstärktem M a ß e Kohlenstoff über den Biokreislauf in den Sedimenten gespeichert werden. So entzogen die Kohlen des K a r b o n s dem System A t m o s p h ä r e — Ozean schätzungsweise 10u t co2. Der in der A t m o s p h ä r e enthaltene C 0 2 - A n t e i l h a t wegen der Absorption infraroter Strahlung Rückwirkungen auf den Klimaverlauf. Eine Verminderung u m 50 °/o w ü r d e einen T e m p e r a t u r abfall von ca. 3,8 ° C nach sich ziehen. In den letzten 100 J a h r e n ist durch die beschleunigte Verbrennung von Kohlen, Erdöl und Erdgas der atmosphärische C 0 2 - G e h a l t u m etwa 13 °/o angestiegen. Die entsprechende T e m p e r a t u r e r h ö h u n g beträgt etwa 0,5 ° C ( P L A S S 1956). D e r Sauerstoffunterschuß im Substrat des Erdmantels u n d der Lithosphäre spricht d a f ü r , d a ß der Sauerstoff der A t m o s p h ä r e kein endogenes E n t g a s u n g s p r o d u k t ist. Als Quelle k o m m e n vielmehr anorganische u n d organische photochemische Prozesse in Betracht, unter denen die biologische Photosynthese den ersten Platz einnimmt. R U T T E N (1967) vermutet, d a ß i m P r ä k a m b r i u m , und zwar nach Ablagerung der jüngsten Pyritsande u n d gebänderten Eisenerze, die Pasteur-Schwelle (0 2 -Partialdruck etwa 1 °/o des heutigen Wertes) überschritten w u r d e u n d die M i k r o o r g a n i s m e n z u m oxydativen Stoffwechsel übergingen. Durch den A u f b a u der Ozonschicht erfolgte d a n e b e n eine allmähliche Abschirmung der kurzwelligen Sonnenstrahlung. Die erdgeschichtliche K l i m a e n t w i c k l u n g ist vorerst n u r in Ansätzen erkennbar. Z u den klimasteuernden Faktoren gehören neben der Z u s a m m e n s e t z u n g der A t m o s p h ä r e u n d Schwankungen der Sonneneinstrahlung vor allem paläogeographische P a r a m e ter wie die atmosphärische u n d ozeanische Zirkulation sowie Veränderungen des Erdreliefs. Episodische Klimaschwankungen sind bereits f ü r das f r ü h e P r ä k a m b r i u m nachzuweisen. Kaltzeiten traten im M i t t e l p r ä k a m b r i u m (Witwatersrand-Tillite 2,5 M r d . J., Gowganda-Tillite 2,1 M r d . J., Tillite des Transvaal-Systems 2 M r d . J.) u n d im Jungp r ä k a m b r i u m zwischen 8 2 0 - 5 5 0 M i o . J. ein. Jüngere Vereisungen
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Probleme der Erdgeschichte
sind aus dem Ordovizium, dem Oberkarbon - Perm und aus dem Quartär bekannt. Da die jungpräkambrische (eokambrische) Vereisung (Abb. 8) ihre Spuren auf allen Kontinenten hinterließ, muß sie neben einer starken Absenkung des Meeresspiegels einschneidende globale Klimaänderungen bewirkt haben. Ihr Einfluß auf die organische Entwicklung ist umstritten. Auf die Kaltzeiten folgten stets Perioden, in denen ein geringeres meridionales Temperaturgefälle die Gegensätze zwischen den irdischen Klimazonen abschwächte. Für das Kambrium kann eine zunehmende Erwärmung angenommen werden. Das Silur war für große Gebiete eine Epoche verringerter ozeanischer Zirkulation. In der Trias glichen sich die Temperaturgegensätze nach dem Abklingen der jungpaläozoischen Vereisung allmählich aus. Im Lias und Dogger bestanden, soweit zu erkennen, breitere humide Zonen als heute. Während der Kreide trat eine allgemeine Temperaturerhöhung ein, der im Tertiär eine erneute Abkühlung folgte. Seit dem Präkambrium ist aber weder eine zunehmende Erwärmung noch Abkühlung festzustellen. Die Erde befindet sich vielmehr seit langem im Zustand einer optimalen Wärmekompensation (endogener Wärmestrom/Sonneneinstrahlung), durch den der biologisch günstige Temperaturbereich um 2 0 ° C über Jahrmilliarden erhalten blieb und so die Entwicklung hochorganisierten Lebens möglich wurde. Die S e d i m e n t h ü l l e der Erde Die Erde verdankt vor allem der Hydrosphäre ihre besondere Stellung unter den Planeten des Sonnensystems. Nur auf der Erde gibt es Regen, Flüsse und Meere. Nur auf ihr konnte durch den vielfachen Wechsel von Erosion und Ablagerung eine gegliederte Sedimenthülle entstehen. Die Sedimente sind empfindliche Indikatoren im Wechselspiel erdgestaltender Kräfte. Das jeweilige tektonische Verhalten der Erdkruste, der Zustand der Atmosphäre und der Hydrosphäre sowie die Wirksamkeit biologischer Faktoren prägten sich deutlich in der Gesteinsfazies aus. Erdgeschichtliche Ereignisse fanden daher vor allem in den Sedimentgesteinen ihren Niederschlag. In den frühen, noch wasserlosen Stadien der Erde wurde das Erdrelief allein durch endogene Prozesse und Meteoreinschläge
Probleme der Erdgeschichte
207
gestaltet. Die klastischen Gesteine altpräkambrischer Formationen zeugen aber bereits von der Tätigkeit fließenden Wassers. Ein besonderes Merkmal des älteren Präkambriums ist neben der Häufigkeit grauwackenartiger und vulkanischer Gesteine, die weltweite Verbreitung reicher Eisenerzlager (Itabirite, Jaspilite), bei deren Entstehung vermutlich vulkanische Förderungen, die chemische Verwitterung ausgedehnter Landflächen, eine sauerstoffarme Atmosphäre und der Stoffwechsel von Mikroorganismen zusammenwirkten. Eisenerze dieses Typs spielten im jüngeren Präkambrium k a u m mehr eine Rolle und verschwanden im Altpaläozoikum ganz. An ihre Stelle traten in der jüngeren Erdgeschichte vorwiegend Eisenoxide. Mit dem Anwachsen kontinentaler Plattformen erlangte auch das Klima stärkeren Einfluß auf die Sedimentbildung. Außerdem führten die verlängerten Transportwege und die Umlagerung in den Flachmeeren zu einer stärkeren Differenzierung und Sortierung der Ablagerungen. Neben chemisch gefällten Kalken entstanden im jüngeren Präkambrium mehr und mehr organogene Kalksteine (Stromatolithe). O b der höhere Mg-Gehalt älterer Kalke einem ursprünglich größeren Mg/Ca-Verhältnis im Meerwasser oder späteren Metasomatosen zugeschrieben werden muß, ist noch ungewiß. Der allmählich ansteigende pH-Wert des Meerwassers begünstigte auch die Ablagerung von Phosphaten. Salzabscheidungen sind erstmals aus dem Kambrium überliefert (Abb. 89). Mit der Expansion der Biosphäre begann die Anreicherung organischer Komponenten in marinen und kontinentalen Sedimenten. k n Proterozoikum führte das örtliche Aufblühen planktonischer Organismen hin und wieder zur Bildung bituminöser Gesteine (Schungite). Von da an nahm die Biomasse in marinen Ablagerungen ständig zu und bildete unter anderem die Muttergesteine der Erdöl- und Erdgaslagerstätten. Die Kohlenablagerung auf den Kontinenten setzte mit dem Erscheinen der Landfloren im Devon ein und erreichte im Karbon und Tertiär Höhepunkte (Abb. 89). Die Entwicklung der Lebewelt beeinflußte den Stoffbestand und die Gefüge organogener Sedimente nachhaltig.
Probleme der Erdgeschichte
208 _p-.
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Probleme der Erdgeschichte
209
Tertiäre Kohlen unterscheiden sich z. B. in botanischer u n d chemischer Hinsicht viel stärker voneinander als die älteren Kohlen des Karbons, da sich die Vegetation sehr verschiedenen ökologischen Bedingungen angepaßt hatte. Seit Beginn des Q u a r t ä r s n e h m e n auch a n t h r o p o g e n e Ablagerungen rasch an Masse u n d Vielfalt zu. Zahlreiche Fragen sind noch u n b e a n t w o r t e t : Erlangten die Sedimente im Verlauf der Erdgeschichte zunehm e n d e „Reife" (Sortierung, Differenzierung)? Änderte sich die Sedimentationsrate systematisch oder episodisch? H a t t e die D y n a m i k des Systems Erde - M o n d einen Einfluß auf die Sedimentbildung? Welche physikalisch-chemische Bedeutung k o m m t einer einzelnen Schichtfuge zu? Von h o h e m W e r t wäre auch eine umfassende Stoffbilanz. Ihr steht jedoch der Kreislauf der Stoffe entgegen. Die
Entwicklung
des
Lebens
Die heutige Lebewelt der Erde ist eingebettet in einen jahrmilliardenlangen Strom biologischer Erscheinungen. Die ersten a u t o t r o p h e n Organismen (Ernährung ohne Z u f u h r organischer Substanz) waren zellkernlose Blaualgen u n d Bakterien (Prokaryoten). W a n n die ersten M i k r o o r g a n i s m e n mit Zellkernen (Eukaryoten) erschienen, ist ungewiß. Die ältesten F u n d e werden aus 1,2-1,4 M r d . J. alten Gesteinen Ostkaliforniens beschrieben (T. E. CLOUD 1970).
Die Algen bildeten die H a u p t m a s s e des präkambrischen Lebens. Sie durchliefen zahlreiche Entwicklungsstufen u n d brachten im D e v o n sogar F o r m e n mit baumähnlichem Aussehen (Prototaxites)
Abb. 90. Die Entwicklung des O r und C0 2 -GehaItes der Atmosphäre (n. R U T T E N 1967). Die Partialdrucke p sind auf den heutigen Wert = 1 bezogen. Ot-Kurve: Der Abschnitt a - b entspricht dem Beginn der organischen Photosynthese. Der 0 2 -Verbrauch fakultativ aerober Mikroorganismen verhinderte u. U. zunächst (b-c) den weiteren Anstieg des O.-Druckes. Zwischen c und d wurde die Bildung von Rotsedimenten möglich. Da die Orogenesen große Massen oxydierbaren Substrats an die Erdoberfläche brachten, kann zeitweilig eine Druckverminderung (d-e, g-h, i-k) eingetreten sein. COt-Kurvt: "Während der Perioden vulkanischer Tätigkeit (1-2, 2—4, 5-6 usw.) erfolgte vermutlich ein vorübergehender Anstieg des insgesamt abfallenden CO a -Druckes. A älteste sialische Gesteine, B Funde hochorganisierter Metazoen, C erste Landpflanzen, Ph Phanerozoikum. 14
Schmidt, Erdgeschichte
Probleme der Erdgeschichte
210 Eophytikum
Paläophytikum
Mesophyt. ro
D
X" fD CX
Tertiär
3
Neophyt.
er C
Oberkreide
"O TO
Trias
Oberkarbon
Devon
c= ->
Unterkarbon
Ordovizium
Kambrium
CO
t=> c o O:
tD
Algen Pilze Moose