Erdgeschichte und Bodenaufbau Schleswig-Holsteins: Unter Berücksichtigung des nordhannoverschen Nachbargebietes [2., verb. Aufl. Reprint 2019] 9783111653167, 9783111269276


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German Pages 166 [192] Year 1922

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Die äußere Gestaltung des Landes
Erdgeschichte
Landesbeschreibung in drei Fahrten
Das Nachbarland jenseits der Elbe
Der Ackerboden
Nutzbare Bodenschätze Schleswig-Holsteins
Das Grundwasser
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Erdgeschichte und Bodenaufbau Schleswig-Holsteins: Unter Berücksichtigung des nordhannoverschen Nachbargebietes [2., verb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111653167, 9783111269276

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Erdgeschichte und Bodenausbau Schleswig-Holsteins unter Berücksichtigung des nordhannoverschen Nachbargebietes Von

Prof. Dr. Wilh. Wolff Landesgeologe Zweite verbesserte Auflage Mit 6 Abbildungen und 2 Karten

Larnburg L. Friederichsen LCo. 1922

Alle Rechte Vorbehalten

Vorwort. Die zweite Auflage dieses Büchleins erscheint wiederum in zwei Ausgaben: in einer vereinfachten ohne Karte, die nur die eigentliche Erdgeschichte ent­ hält und ausschließlich vom Altonaer Museum für dessen Bestlcher als Einführung in das Verständnis der geologischen Abteilung verkauft wird, und in einer mit Anterstützung des Museums gedruckten größeren Ausgabe, die der Verlag von L. Friederichsen & Co. in Lamburg herausgebracht hat. Diese größere Aus­ gabe enthält als ersten Abschnitt die Erdgeschichte, als ztveiten eine geologische Landesbeschreibung in drei, bis Tondern und Flensburg reichenden Fahrten*), als dritten eine Beschreibung des Nachbargebietes von Nordhannover, insbesondere der geologisch so reichen Gebirgsinsel von Lüneburg, und als vierten eine Darstellung des schleswig-holsteinischen Acker­ bodens sowie der nutzbaren Bodenschätze und der Grundwasj erverhältnisse des Landes. Eine geologische Übersichtskarte von Schleswig-Holstein und ein Son­

derkärtchen von Lüneburg sollen im Verein mit einigen charakteristischenLands chaftsbildcrn dieAusführungen im Text erläutern. Das ganze Buch ist so gehalten, daß es auch für den ungelehrten Naturfreund, der keine geologischen Sonderkenntnisse besitzt, verständlich sein möge. Es wendet sich an jeden, der Äeimatliebe *) Infolge der Verlegung der Grenze nach Süden sind die früheren nördlichen GebietedemAusfiüalerjetztschwer zugänglich. Unsere nordschleswtgschen Volksgenossen finden aber im erd­ geschichtlichen und bodenkundlichen Teil dieses Buches alle- Be­ merkenswerte ihrer Gegenden beschrieben.

und Freude an der Natur betätigen und vertiefen will; vor allen aber will es denjenigen nützlich sein, die durch ihren Bemf mit dem Boden und dessen Eigenschaften in besondere Beziehung kommen: den Landwirten, den Brunnenbauern, den Tiefbauunter­ nehmern, den Lehrern in Stadt und Land, den Schülern der Landwirtschaftsschulen und den naturwissenschaft­ lichen Studenten. Die neu eingeführten Abschnitte sollen den Wander­ lustigen, nicht zum wenigsten den Bewohnem GroßÄamburgs, die auch über die Elbe hinüberschweifen, Ziele weisen und erläutern. Da nun aber gerade die Bodenaufschlüsse sehr wechseln und in den letzten Jahren infolge der Verödung der Bodenindustrieen (Ziegelei, Zementfabrikation, Kalkbrennerei usw.) leider vielfach verfallen sind, so konnten nicht in der Art, wie es früher in geologischen Führem üblich war, feste Ausflugsvorschläge mit Aufzählung aller vorhandenen Sehenswürdigkeiten aufgestellt werden. Dies bleibt Sache der mit den Veränderungen im Lande dauemd vertrauten Lehrer, insbesondere der Aniversitätslehrer in Lamburg und Kiel und der Lehrer an den landwirtschaftlichen Schulen und Volks­ hochschulen. Aber jeder Leser des Buches wird leicht erkennen, wo und wie er zu suchen und sich umzu­ schauen hat, um sich selbst zu helfen. Er kommt nicht an einem gedeckten Tisch, aber er soll alles Nötige finden, um sich die wissenschaftliche Speise eigenhändig zuzubereiten. Frohnau b. Berlin im September 1921.

Wilhelm Wolff.

Inhaltsverzeichnis Die äußere Gestattung deS Landes...................... S. Die Erdgeschichte: I. Der versunkene Gebirgsuntergrund........ ,, 1. Die Zechsteinformation (Salz- und Gips­ gebirge; Erdöl)....................................... ,, 2. Formationen des Buntsandsteins, Mu­ schelkalkes und Jura.............................. „ 3. Die Kreideformation.............................. „ 4. Die Tertiärformation............................ „ II. Die oberen Bodenformationen................ „ 1. Die Eiszeit oder das Diluvium............ „ 2. Die Neuzeit oder daS Alluvium.......... „ Landesbeschreibung in drei Fahrten.................. „ 1. Von Hamburg auf der Marschbahn über Itzehoe, Leide, Husum nach Tondern.. „ 2. Von Hamburg durch die Landesmitte über Elmshorn—Neumünster—Schles­ wig nach Flensburg................................ „ 3. Von Flensburg durch das östliche Mo­ ränenland über Eckernförde, Kiel, Lübeck

Das Nachbarland jenseits der Elbe.................. 1. Die Gebirgsinsel von Lüneburg.......... 2. Die Gebirgsinseln von Stade und Hemmoor... Der Ackerboden................................................... 1. Geschiebelehmboden................................ 2. Sandboden............................................. 3. Marschboden........................................... 4. Moorboden............................................. Nutzbare Bodenschätze Schleswig-Holsteins ... Da- Grundwaffer...............................................

1 5 5 16 20 25 33 33 67 81

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„ 117 „ 124 „ 126 „131 „ 136 „ 138 „ 142 „ 149

Die äußere Gestaltung des Landes. ernt man vor die große Reliefkarte im Altonaer Museum tritt, so ist man immer wieder überrascht über die geringe Erhebung SchlesWig-Holsteins aus den umgebenden Meeresflächen. Obwohl diese Karte in 1:50000 der natürlichen Landesgröße hergestellt wurde, so war doch noch eine fünffache Übertreibung der Höhen nötig, um die­ selben dem Beschauer mit all ihrer zwerghaften Mannigfaltigkeit deutlich erkennbar zu machen. Diese Übertreibung ist aber auch deshalb gerecht­

Relief des Landes

fertigt, weil der Mensch in der wirklichen Natur von seiner winzigen Augenhöhe aus stets gewaltig übertriebene Eindrücke von den Höhen und Tälern empfängt, die ihn umgeben. Schrumpfen diese Höhen und Täler auf einmal zur Reliefkarte zu­ sammen, über die er nun gleichsam als ungeheurer Riese frei hinwegblickt, so würden die Unterschiede ohne das Hilfsmittel der Übertreibung jegliche Eigentümlichkeit verlieren. Noch mehr würde der Beschauer staunen, wenn er von den umgebenden Meeren nicht den ebenen Wasserspiegel, sondern den unebenen Boden erblicken könnte?) Dann aber würde die Achtung vor den *)Vergl. O. Krümmel, Die deutschen Meere. Veröffent­ lichungen des Instituts für Meereskunde und des geographischen Instituts an der Universität Berlin, tieft 6, 1904. Berlin, Mittler & Sohn.

Relief des Meeres­ bodens

Landhöhen und ihrer Mannigfaltigkeit steigen. Denn die ganze gewaltige Nordsee zwischen Nordschleswig und dem südlichen Schottland, mehr als zwölftnal so breit wie das Land, ist fast überall nur 40 bis 60 Meter und nirgends über 80 Meter tief. Der 164 Meter hohe Bungsberg in Ostholstein mißt also in die Löhe mehr als doppelt soviel wie die mittlere Nordsee in die Tiefe. Dazu kommt die ebenere Form des Meeresgrundes, dem die zahllosen steilen Buckel und liefen Mulden des Landreliefs vollkommen fehlen, obwohl auch er gewisse Ab­ stufungen erkennen läßt. Die Nordsee ist in der Tat eine große flache Pfütze, die vom tieferen Ozean her über das Festland hinwegleckt. Flacher noch als die Nordsee ist die Ostsee zwischen unseren und den dänisch-schwedischen Küsten. Große Teile der dortigen Gewässer messen weniger als 20 Meter Tiefe, und im allgemeinen wird die 40 Meter-Grenze nicht überschritten. Wie aber das schleswig-holsteinische Ostsee-Küstengebiet weit formenreicher ist, als die Marsch und die sanft geböschte Geest an der Nord­ see, so ist auch der Ostseeboden unruhiger und weniger ausgeglichen als der Nordseeboden. Namentlich kommen darin deutliche talförmige Rinnen vor, z.B. im Kleinen Belt, Großen Belt und Langeland-Belt, und man gewinnt bei näherer Betrachtung den Eindmck, daß das ganze Ostseegebiet zwischen SchleswigLolstein, den dänischen Inseln und Schonen nur ein überschwemmter Teil des Festlandes ist, der seine ursprünglichen Bodenformen noch ziemlich gut bewahrt hat. Die geologische Antersuchung hat ge­ zeigt, daß tatsächlich vor etwa 15000 Jahren hier

Überall Festland war, in dem die Belte tiefe Fluß­ täler darstellten.*) Seither sind die Fluren dieses alten Landes samt Flußläufen und Seebecken unter den Meeresspiegel getaucht oder zu Buchten, Sunden und Förden geworden, während die größeren Höhenlandschasten als Inseln und Küstenzone noch hervor­ ragen. Im Großen und Ganzen erstreckt sich unsere hei­ matliche Halbinsel als leicht gekrümmtes Gelände parallel zu der fernen südwestlichen Küste von Schweden. Die dänischen Inseln liegen als unregel­ mäßig begrenzte Flächen dazwischen. Das Rückgrat Schleswig-Holsteins verläuft verhältnismäßig nahe der Ostsee um die Binnenzipfel unserer Förden. Daran schließt sich als breite, etwas niedrigere Mittelzone des Landes eine große, sandige Ebene, die viele Moore trägt und ehemals zum größten Teil armselige Leide war. Dann tauchen im Westen wieder Höhengelände empor, die von breiten Tal­ ebenen umzogen sind, so z. B. die Höhen von Lügumkloster, Bredstedt, Stapelholm, Norder- und Süderdithmarschen, die buckelige Gegend von Itzehoe und Hohenwestedt und die Blankeneser Berge. Auch die Mittelkörper der Inseln Sylt und Amrum ge­ hören zu diesem westlichen Löhengebiet. Zu seinen Füßen breiten sich dann die jungen Marschen der Nordsee und der Niederelbe aus. Die friesische Inselwelt ist der gegenwärtige Landbestand eines Gebietes, in dem Land, Meer und Menschenkraft seit 1000 Jahren um die Herrschaft ringen, nachdem *)Vergl. „5)te Entstehung der Nord- und Ostsee". FreieBildung-wesen der Stadt Altona, Fahrg. 1920, Lest 12/13.

Zonen der Landschaft

zwei oder drei Jahrtausende die Naturkräfte dort allein gestritten hatten. Alle diese Formen sind der Ausdruck der geologischen Geschichte unseres Landes. Schleswig-Äolstein ist ein jugendliches Land, dem erst die allerjüngsten Perioden der Erdgeschichte, nämlich die Eiszeit und die Nacheiszeit, das Gepräge gegeben haben. Es würde zusammen mit einem großen Teile Norddeutschlands und fast ganz Däne­ mark Meeresboden sein, wenn nicht diese neuzeitlichen Perioden seinen Ausbau zu sehr erhöht hätten. Unter dem jungen Boden liegt aber ein älterer Untergrund ganz anderer Art verborgen, ein Untergrund fester Gesteine und versunkener Gebirge, der die Brücke bildet von den mitteldeutschen Gebirgsländern zu den Felshöhen Skandinaviens. Der Segeberger Gips­ berg erhebt sich mitten im Lande als Wahrzeichen dieses Untergrundes, den unscheinbare Vorkommnisse auch an anderen Stellen verkünden; außerdem sind verschiedene über das Land verteilte Tiefbohrungen in den festen Gebirgskern eingedrungen. Endlich ragt als einsame, von den Meereswogen herausgeschälte Gebirgsinsel das steilwandige Helgoland aus der Nordsee, das wir als Vorposten unserer engeren Leimat betrachten dürfen. Es stellt zugleich die Verbindung zwischen den deutschen und den englischen Gesteinen her. Von diesem alten Untergründe wird also zunächst zu reden sein.

Erdgeschichte.

I.DerversunkeneGebkgsurrtergrund. 1. Die Zechsteinformation (Salz- und Gipsgebirge; Erdöl). Über Millionen von Jahren blickt die Erdge­

schichte zurück, ohne einen Anfang zu finden. Soweit wir das Buch der Gesteinsschichten durchblättern, gewahren wir auf unserem Planeten nur Dinge und Vorgänge ähnlicher Art wie in der Gegenwart. Kühles und warmes Klima, Vulkanausbrüche, Ge­ birgserhebung, Bodensenkung und Meeresüber­ flutung, Flußanschwemmung, Küstenzertrümmerung, Verwitterung der Gesteine, Wüstenbildung im Innern der Kontinente, Korallenbauten im Ozean, Wanderungen und Umgestaltungen der Tier- und Pflanzenwelt, all die tausend Dinge, die heutzutage das Antlitz der Erde bewegen, hat es schon in uralten Zeiten gegeben. Ja selbst jene harten krystallinen Gesteine, die Gneiße, Glimmerschiefer, Granite usw., die man stüher für die Erstarrungskruste eines anfangs feuerflüssigen Erdballs hielt, haben sich unter dem Mikrostop des Forschers als Umformungen alter Fluß- und Meeresanschwemmungen oder vorwelt­ licher Vulkanlaven enthüllt, die einmal den gegen­ wärtigen geglichen haben. Ein Anfang der Erdge­ schichte ist noch nicht gefunden, sondern nur eine Zeitgrenze, über welche unsere Forschungsmittel nicht hinausreichen.

Der deutsche Boden besitzt größere Mannigfaltig­ keit als der vieler anderer Länder. Er ist aus Ge­ bilden aller bekannten erdgeschichtlichen Zeitalter zusammengesetzt. Aus dem Altertum der Erde stammen die kambrischen, filmischen und devonischen Gesteine des Lärzes, des rheinischen Schiefergebirges und der thüringisch-sächsifch-schlesischen Gebirge, die Stein­ kohlenformationen Westfalens und Schlesiens und die permischen Gesteine mit ihren Kupferschiefem in Mansfeld und ihren Gips- und Salzlagern in Hannover und Thüringen. Im Mittelalter der Erd­ geschichte entstanden die Buntsandsteinberge und der Muschelkalk Mitteldeutschlands, der Keuperletten im Lippischen, die Juraformation der schwäbischen Alb und des Harzvorlandes, und endlich die weit ver­ breitete Kreideformation von Südschweden bis zum Harz, von Ostpreußen bis tief nach Frankreich hin­ ein und zu den Kreidegestaden von Calais und Dover. Der Neuzeit gehören die nord- und mitteldeutschen Braunkohlenlager sowie das Diluvium mit seinen vorweltlichen Gletschermoränen an, von dem eine Kette geringerer geologischer Gebilde bis in die Gegenwart führt. Die Ablagerungen der Neuzeit sind im großen und ganzen noch nicht zu Gesteinen verhärtet, während Mittelalter und Altertum der Erd­ geschichte uns stark verfestigte, zusammengepreßte und in Gebirge gedrängte Bodenarten vor Augen stellen. Von den Formationen des Altertums kennt man in Schleswig-Holstein*) bisher nur die permische; *) Tine neuere, gute fachwissenschaftliche Darstellung der älteren und jüngeren Formationen in SchleSwig-Lolstein erschien in der Festschrift zum XVII. deutschen Geograpyentage zu Lübeck, 1909, aus der Feder von R. Struck (»Übersicht über die geolo-

alle älteren liegen so tief, daß noch keine Bohrung sie erreicht hat. So ist denn auch die Frage nod) ungelöst, ob es Steinkohlen nnter unserer Provinz gibt. Die Permformation aber, die wir haben, ist zugleich eine ganz außerordentlich interessante Formation, denn ihr gehören die großen Steinund Kalisalzlager Norddeutschlands an. Die damalige Zeit sah höchst seltsam aus. Nord- und Mitteldeutschland waren von einem weiten, ziemlich tiefen Meere eingenommen, das inmitten dürrer Steppen- und Wüstenländer lag. Das Meer war warm und anfangs reich an Tierleben, wie die fossilen Korallenriffe aus jener Zeit im Thüringer Walde bezeugen. Allmählich aber trat infolge der starken Verdunstung eine Anreicherung seines Salzgehaltes ein, welche die Korallen, Muscheln, Fische und andere Meeresbewohner verkümmern und aussterben machte. Irgendwo, man weiß nicht recht in welcher Gegend, hatte das „Zechsteinmeer", wie wir es nach seinerbekanntesten Gesteinsablagerung nennen wollen, über eine seichte Barre hinweg Verbindung mit einem offenen Ozean. Auf diesem Wege erhielt es immer neuen Salzwasserersatz, und wirkte so Jahr­ tausende hindurch als ungeheure natürliche Siede­ pfanne, genau wie in unserer Gegenwart die salzgischen Verhältnisse Schleswig-Lolsteins"). — Das veraltete Buch von L. Laas, die geologische Bodenbeschaffenheit SchleSwtgLolsteins, Kiel 1889, LipstuS & Fischer, enthält gute Literatur­ nachweise. Diese sind fortgesetzt von Chr. Lein, „Die Literatur zur Geologie SchleSwiä-Lolfteins seit 1889*. (Schriften ^Natur­ wissenschaftlichen Vereins für Schleswig-Lolftein, Band 15, Leftl, Kiel 1910.) Vorzügliche Belehrung in weiterem Rahmen bietet F. Wahnsthaffe'S, «durch Fr«^Schuch.^neu ^bearbeitete, ausführliche ^lachlan^eS^(Stuttgart 1921 Cugelhorn Nachf.)

Entstehung der Salzlager.

geschwängerteKarabugas-BuchtamkaspischenMecrc wirkt. Nach chemischen Gesetzen schied sich am Meeres­ boden eine bestimmte Reihenfolge von Salzen aus. Zuerst diejenigen Salze, die viel Wasser gebrauchen, um in Lösung zu bleiben, nämlich kohlensaurer Kalk (Kalkstein) und schwefelsaurer Kalk (Anhydrit und — wenn chemisch wasserhaltig — Gips). Daher finden wir als älteste Absätze des deutschen Zechsteinmeeres den mächtigen Zechsteinkalk und die großen Gipslager. 1 Teil Gips löst sich in etwa 400 Teilen, 1 Teil kohlensaurer Kalk in etwa 1200 Teilen Wasser. Dann folgten die leichtlöslichen Salze, nämlich das ge­ wöhnliche Steinsalz (Chlornatrium), das sich bereits in 2 bis 7 Teilen Wasser auflöst, und die Kali- und Magnesiasalze, die zum Teil säum das Anderthalb­ fache ihrer Menge an Wasser gebrauchen, um flüssig zu bleiben. Über dem Anhydrit des Zechsteinmeeres bildete sich also zunächst ein Steinsalzlager von mehreren Hundert Metern Dicke und endlich ein Lager von Kali- und Magnesiasalzen. Als dies vollendet war, war auch der letzte Meeresrest ver­ dunstet, wahrscheinlich, weil eine Hebung der Barren­ gegend den Zustrom frischen Meerwassers unmöglich gemacht hatte, so daß das Zechsteinmcer zu einer Reihe vonLagunen und Salzseen eingeschrumpft war. Übrigens scheintsichdieserVorgangim mitteldeutschen Salzgebiet zweimal, ja stellenweise sogar dreimal nach­ einander abgespielt zu haben, und es sind auch die Vorgänge der Salzbildung selbst viel verwickelter ge­ wesen, als hier dargestellt werden kann. Die Tempera­ tur des Meerwassers zu verschiedenen Perioden und Jahreszeiten, der in der Tiefe herrschende Wasserdruck

und viele andere Arsachen brachten es mit sich, daß nicht einfache Salze, sondern vorwiegend Salzgemenge entstanden. Die für uns so wertvollen Kalisalze sind infolgedessen alle mit gewöhnlichem Steinsalz innig gemischt und nur teilweise gehaltvoll genug, um im rohen Zustand als Düngesalz dienen zu können. Ein großer Teil muß in den, zu den Bergwerken gehörigen Fabriken aufgelöst, gereinigt und angereichert werden, ehe er verkaufsfähig ist.*)

An der Stätte des verschwundenen Meeres breiteten sich nun Dünen und Flußanschwemmungen aus; eine neue Formation, der Buntsandstein, bedeckte die Salzlager. In späteren Zeitaltern haben die Salz­ lager im Innern der Erde mannigfaltige Auflösungen und Umbildungen erfahren, die noch immer andauern. Davon zeugen die Salzquellen, die es auch in unserer engeren Leimat gibt, z. B. in den Bade­ orten Bramstedt und Oldesloe.**) Die merkwürdigsten Umgestaltungen aber sind durch Bodenbewegungen *) Die wichtigsten natürlichen Kalisalze find der Carnallit (Chlorkalium + Chlormagneftum), der Sylvinit (Sylvin fChlortaUum] -4- Steinsalz (ChlornatriunM, das Lartsalz (Gemenge von Sylvin, Steinsalz und Kieserit Magnesiumsulfah) und das Kainit (Chlorkalium + Magnesiumsulsat). Das wichtige Gemenge Car­ nallit 4- Steinsalz + Kieserit wird auch als „Lauptsalz" bezeichnet. Das Kalisyndikat stuft die Preise der natürlichen und künstlichen Salze nach folgenden Kaligehalten ab: 1. Carnallit mit 9,10 oder 11 °/o Kali. 2. Kainit-Lartsalz und Sylvinit mit 12,13,14, 15" o Kali. 3. Kali-Düngesalz mit 20, 21, 22, 31, 32, 40, 41, 42 "/o Kali. 4. Chlorkalium mit 50 bis 53o,o Kali; abgestuft nach ZehntelProzenten. 5. Schwefelsaures Kali mit 48 bis 54 "/o Kali, abgestuft nach Zehntel-Prozenten. 6. Schwefelsaure Kalimagnesia mit 26 bis 29°,o Kali; abgestuft nach Zehntel-Prozenten. **) Vergl. M.W.F a ck, das Vorkommen vonSalz in derProvtnz SchleSwtg-Lolftein. Schriften des NaturwiffenschaftlichenVereins für SchleSwig-Lolstein, Band 6, Lest 2.

Aufstieg gebtrge»'

hervorgebracht, und es gibt nichts Komplizierteres, als die Form solcher Salzlagerstätten, wie wir sie in neuester Zeit durch den Kalibergbau unserer

Altona" sangenfe e‘

Nachbarprovinz Hannover kennen gelernt haben. Die spezifisch ziemlich leichten Salzschichten entwickeln nämlich, wenn sie dem Druck gebirgsbildender Kräfte ausgesetztwerden, ähnlicheEigenschaftenwieGletschereis. Sie nehmen eine gewisse innere Beweglichkeit und Schmiegsamkeit an, lassen sich in entstehende Hohlformen aller Art hineinpressen und steigen, die durch Verwerfungen geschwächten Stellen der Erd­ rinde beinahe lavaartig durchdringend, oft aus grossen Tiefen bis nahe an die Oberfläche. Dort werden sie dann vom Grundwasser abgelaugt, und die in ihnen enthaltenen dünnen Gipsschnüre, die dem Wasser besser widerstehen, schließen sich zu einem unterirdischen „Gipshut" zusammen, während die dicken Anhydritmassen ansehnliche, emporragende Gipsstöcke bilden. Ein solcher „Gipshut" war aller Wahrscheinlichkeit nach der klotzige Gips am Grunde der jetzt leider zugefüllten Kallmorgen'schen Tongmbe zu Langenfelde bei Altona, und ein Gipsstock, in dessen Innerem noch frischer, härterer Anhydrit sitzt, ist der SegebergerGipsberg. Der Gips von Langenfelde fällt allseitig steil in die Tiefe ab" Brunnenbohrungen im benachbarten Eidelstedt haben nichts von ihm er­ reicht, ja sogar die 376 Meter tiefe Wasserbohrung, die das Altonaer Stadtbauamt an der Ecke der Langen­ felder Straße und Paulinenallee, kaum 1300 Meter von der Tongrube entfernt, hat niederbringen lassen, steht ganz und gar in jungen, losen Bodenarten des Diluviums und Tertiärs; nur in der Richtung nach

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Ottensen ist auf dem Gelände der Wachsbleiche, etwa 1 km von der Grube, der Gips erbohrt, und zwar in 88 Meter Tiefe. Sicherlich befindet sich unter dem Gips ein Salzstock, aber es ist danach noch nicht genügend gebohrt. Anter Segeberg und seiner östlichen Umgebung bis zum Kagelsberge sind mächtige Salzlager in Tiefen von 100 bis 150 Meter erreicht worden und man hat dabei auch Spuren von Kali- und Magnesiasalzen festgestellt. Der hochragende Gips von Segeberg ist durch das in alle Klüfte und Risse einsickernde Regen­ wasser bis hinab zu dem ungefähr die Löhe der benach­ barten Seen einhaltenden Grundwasserspiegel inner­ lich arg zerfressen. Man hat in ihm ein ganzes Gewirr von Gängen und Löhlen aufgefunden, dessen äußerste Verzweigungen niemand kennt.*) Noch viel größere Lohlräume an den Seiten des Berges und unter der Stipsdorfer Feldmark sind in geschichtlicher und vorgeschichtlicherZeiteingestürztundhabensogenannte Erdfälle erzeugt, d. h. trichterförmige Einsenkungen der Erdoberfläche. Vielleicht ist der Kleine Segeberger See nichts anderes als ein sehr alter, mit Grundwasser erfüllter Erdfall. Zum permischen Salzgebirge gehören auch die an der Eisenbahn südlich von Elmshorn gelegenen auffallend roten Tonlager bei Li et h, die zur Ziegelei verwertet werden. Sie sind von bituminösen Kalk­ stein begleitet und enthalten Gipsschnüre. Die Re­ gierung hat dort im vorigen Jahrhundert in der *) Vergl. KarlGripp,Äberden Gipsberg in Segeberg und die in ihm vorhandene Löhle. Jahrbuch der Lamburgischen Wissen­ schaftlichen Anstalten XXX, 1912, 6. Beiheft. Lamburg 1913, LucaS Träfe & Lillem.

Segeberg.

Lieth bei Elmshorn.

Loffnung, unter der Permformation die Steinkohlen­ formation zu erreichen, zwei Tiefbohrungen unter­ nommen. Aber bis zur Endtiefe von 1330 Metern fand man nichts als festen roten Letten (Ton) mit Gips- und Steinsalzbrocken. Es ist nicht wahr­ scheinlich, daß diese Schichten, die denjenigen von Stade gleichen, in natürlicher Lage so dick sind. Wahrscheinlich sind sie ein steil aufgerichteter Gebirgs­ teil, den das Bohrloch in sehr schräger Richtung durchstoßen mußte.

Entstehung des Erdöls.

Noch tiefer als bei Lieth ist in der Gegend von Lemmingstedt in Dithmarschen gebohrt worden. Das 1664.5 Meter tiefe Bohrloch Lolsatia I, das zur Erforschung des Erdöl- und Salzgebirges bei Äölle nördlich von Lemmingstedt abge­ teuft wurde, ist zur Zeit das tiefste in unserer Provinz. Wir kommen damit auf einen nicht seltenen und wirtschaftlich höchst wertvollen Begleiter des Salzes, das Erdöl, zu sprechen, der auch unserm Lande in bescheidenem Maße gewährt ist.*) Die Frage, warum das Erdöl nur in gewissen Ländern zu finden ist, und woraus und auf welche Art es entstanden ist, bildet noch immer eins der dunkelsten Kapitel in der Geologie, cg^axx ^arf sich die Sache vielleicht folgendermaßen vorstellen: Unter gewissen Umständen können die Fette sowohl der Fische und sonstigen großen Meeres­ tiere, wie auch des allerfeinsten tierischen und pflanz­ lichen Planktons teilweise in Öle umgewandelt und

im Bodenschlamm des Meeres erhalten werden. •) Vergl. G. Gürich, Das Erdöl in Nordwestdeutschland. Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen "Vereins LaMdurg, Band XX, Lest 3,1917.

An Korallenriffen des Roten Meeres sind solche Bildungen wirklich beobachtet worden. Angeheure Mengen toter Organismen sind grade in der heißen Salzpfanne unseres Zechsteinmeeres zugegen gewesen und haben verschiedenen darin gebildeten Gesteinen, z. B. den Stinkschiefem, Dolomiten und Anhydriten flüssige und gasförmige Kohlenwasserstoffe bei­ gemischt. Diese sind dann bei den späteren Gebirgs­ bewegungen in poröse Nebengesteine und Gesteins­ spalten ausgequetfcht worden und haben dort Ol- und Gasansammlungen erzeugt. Überdies scheint die von dm unterirdischen Salzgebirgspfeilern ausgehende Soole lösend und umbildend aufjüngereFaulschlammlager eingewirkt zu haben, die sich in gewissen Formationen, z. B. dem unteren Iura (Lias) und der unteren Kreide (bituminöse Schiefer im Skitgatt bei Helgoland) befinden. Hieraus mag dann auch ein Teil unserer Olvorräte hervorgegangen sein.

In Hemmingstedt wurde das Erdöl im Jahre 1856 bei der Grabung eines Brunnens entdeckt. Man stieß in 7 Meter Tiefe auf schwarzen, erdpechhaltigen Sand. Die dadurch veranlaßten Bohrungen und Schürfe ergaben, daß unter lockeren, mehr oder minder ölhaltigen Bodenarten in etwa 30 bis 50 Metern Tiefe die Kreideformation lagert. Die Kreide war bis zur Mächtigkeit von mehr als 30 Metern derart mit Erdöl getränkt, daß sie statt der weißen eine braune Farbe zeigte. Der Verstorbene Geologe Dr. Ludwig Meyn bestimmte den Olgehalt auf 16.64 Prozent.*) »VBeral. R. A. Meyn: Die ölkrewe bei Lewe In Lolslein. AlS Manmtrtpt gedruckt, Lambura. — Dr. L. Meyn: Die hol­ steinische Olgrube bei Leide in Dithmarschen. Als Manuskript gedruckt, Itzehoe 1876.

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3n größerer Tiefe nimmt der ölgehalt ab, ist aber noch bis 290, ja 300 Meter Bohrtiefe deutlich erkennbar. Die Tiefbohrung Lolsatia hat unter der Kreide bei 504 Metern das Zechsteingebirge erreicht, das bis zur Endtiefe von 1664.5 Metern aus rotem Ton, Steinsalz und Gips besteht. Von großem Interesse ist es nun, daß zwei im Westen und im Osten von diesem Gebiet angesetzte Tiefbohrungen, nämlich am Dorfe Wöhrden mit 888 Metern und bei Fiel mit 756 Metern nicht die Oberfläche der Kreide erreicht haben, vom Salzgebirge ganz zu schweigen. Der unterirdische Kreiderücken von Lemmingstedt und Leide mit seinem Salzgebirgs­ kern senkt sich also beiderseits in große Tiefe. Könnte man ihn bloßlegen, so würde er einen Berg von mehr als 800 Metern Löhe darstellen, höher und kaum weniger steil als der Larz bei Goslar. Es müssen gewaltige Verbiegungen oder gar Brüche der Erd­ rinde sein, die diese Löhe begrenzen, und so ist es nicht zu verwundern, daß dort ungewöhnliche Bil­ dungen, wie das Erdöl, auftreten. Dieses hat von den Spalten aus dieporösen Sand-und Kreideschichten durchtränkt. Das rohe Erdöl ist eine ziemlich dicke, braune Flüssigkeit, welche durch Destillation in eine Reihe verschieden schwerer Produkte — Asphalt, Schmier­ öl, Leuchtöl und Benzin — zerlegt werden kann.*) In Lölle bei Leide entstand in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein kleiner, aber erfolgreicher Ölgewinnungsbetrieb, indem man die Ölsande über *) Vergl. R. Kißling: DaS Erdöl, f ine Verarbeitung und Verwendung. Lalle 1908, W. Knapp.

der Kreide ausgrub und erhitzte. Ein Versuch, das öl aus der Kreide selbst durch Austropfenlassen in Bohrlöchern zu gewinnen, niißlang, weil es von der feinporigen Kreide wie von einem Schwamm festge­ halten wurde. Als dann das billige amerikanische Petroleum auf den deutschen Markt kam, ging der Betrieb ein. Auch die großen Bohrversuche zu An­ fang dieses Jahrhunderts haben ihm keine neueLebenskraft einzuflößen vermocht, obwohl dabei wiederum einige Tausend Faß produziert sind. Gegenwärtig versucht man es mit bergmännischem Abbau von einem Schachte aus. Mit einen» noch unbekannten Erdölvorkommen steht vielleicht auch die berühmte Gasquelle in Zusammenhang, die am 3. November 1910 aus der staatlichen Wasserbohrung XV bei Neuengamme im Lamburgischen ausbrach, als man eine Tiefe von 247 Metern erreicht hatte.*) Das unter etwa 25 Atmosphären Druck ausströmende Gas, im wesent­ lichen Methan (Sumpfgas), war von schwacher Salzsoole (Vi %) begleitet; es war im Erdinnern vielleicht flüssig und erfüllte anscheinend den Kopf einer Auf­ wölbung von feinem, durch ein mächtiges Tonlager vollkommen abgedichtetein Sand (Anteroligozän), in den es vielleicht durch Bruchspalten aus dem tieferen festen Gebirge gelangt war. Dieses Muttergebirge mag sich dann irgendwo an einen verborgenen Salz­ gesteinshorst mit Erdöl-Mantelschichtei» anschließen. Bisher ist es aber noch nicht gelungen, diese zu er•) Vergl. W. Koert, Geologische und paläontologische Mit­ teilungen über die Gasbohrung von Neuengamme. Jahrbuch der preußischen geologischen Landesanstalt 1911, Teil 1, Lest 1,

Gasquelle von Neuen­ gamme.

künden. Die Schicht, in der das Gas angetroffen wurde, ist eine mächtige Tonschicht tertiären Alters. Gegenwärtig (1921) ist die Quelle am Versiegen, nachdem sie dem Hamburger Staat viele Millionen eingetragen hat.

2. Formationen des Buntsandsteins, Muschel­ kalkes «nd Jura in Schleswig-Holstein. Klima der BuntsandfteinPeriode.

Das Zeitalter, in welchem die Zechsteinformation mit ihren Salz- und Gipslagern entstand, verknüpfte Altertum und Mittelalter der Erdgeschichte in unserm Land. Zwischen beiden ist keine scharfe Trennung. Nach dem Verschwinden des Zechsteinmeeres dauerten vielmehr die klimatischen Verhältnisse an, und der Charakter der Flora und Fauna änderte sich nur wenig und langsam. Norddeutschland blieb ein Steppenland mit Lagunen und Salztümpeln, vergleich­ bar etwa dem Innern des heutigen Kleinasien. Von Süden und Norden trugen die Flüsse roten, sandigen und tonigen Verwitterungsboden in ungeheuren Mengen von den kahlen, zerfurchten Gebirgshöhen herab, und in der heißen Sommerszeit trieben die Winde ihr Spiel mit dem Sande. So entstanden die gewaltigen Ablagerungen von Buntsandstein, die in Mitteldeutschland die jetzigen Gebirge des Solling, des Spessart und des nördlichen Thüringen und in unserer engeren Heimat den bunten Felsen von Helgo­ land zusammensehen.

Bunt­ sandstein von Lelgoland.

Lelgoland ist eine schräge gegen Südwesten emporgerichtete Gesteinstafel, die von großen Ver­ werfungsbrüchen allseitig umgrenzt ist und wahr-

scheinlich von einer Erhebung des Salzgebirges ge­ tragen wird. Ursprünglich war es ein flach, schild­ förmig gestalteter Berg inmitten einer wellenförmigen Landschaft. Als dann vor drei oder vier Jahr­ tausenden die Ebene infolge langsamer Senkung von der nahen Nordsee überflutet wurde, begann die Brandung den Berg zu benagen und sein Gestein bis unter den Niedrigwasserspiegel fortzuschälen. So haben wir denn jetzt nur noch einen steilwandigen Überrest vor Augen, der sich auf einer breiten Klippen-

Schälplatte erhebt. Der Küstenrückgang ist auf 5 Meter im Jahrhundert geschätzt; wenn nach diesem Maß die Insel ihrem natürlichen Ende auch noch sehr fern ist, so hat man sie doch durch gewaltige Mauern aus Granit und Basalt gegen den Brandungsfraß zu schirmen begonnen, um so wenig wie möglich von ihrem wertvollen Boden zu verlieren.*) Das Gestein ist ein milder, toniger Sandstein, dessen an der Westküste hervortretende tiefste Schichten nur von einigen Lagen weißen, festen Sandes („Kater­ sand") durchzogen sind, während die oberen Schichten mit zahllosen Bänken von graugrünem, dolomitischen (-magnesiahaltigem) Mergelkalk abwechseln. Eigen­ tümlich sind ihm an manchen Stellen kleine Knoten von grünem Kupfererz (Malachit, Kieselkupfer) und zahlreiche, mit hübschenKalkspatkristallen ausgekleidete Drusen.**) Bei verschiedenen Gelegenheiten hat man im Felsgestein des Unterlandes und Lafens auch •) Vergl. das schöne Buch von Major Brohm: Lelgoland tn Geschichte und Sage. Cuxhaven 1906, Rauschenplat. *•) Ursprünglich saßen an deren Stelle Gipsknollen, die dann durch das Grundwasser ausgelaugt wurden. Die Kalkspatkristalle sind neue Ausscheidungen aus dem kalkhaltigen Grundwasser.

Ein Saurier­ schädel von Lelgoland.

Muschel­ kalk der Weißen Klippe.

Einlagerungen von Gips beobachtet. Von besonderem Interesse ist der Fund einer versteinerten Rippe und eines Schädels von einem Saurier (Capitosaurus Helgolandiae).*) Der Schädel, der im Gestein einer kleinen Klippe an der Westküste, des sogenannten Predigtstuhles, saß, ist zirka 50 Zentimeter lang, 30 Zentimeter breit und ähnlich geformt wie ein Krokodilschädel. Der Unterkiefer fehlt leider; der Oberkiefer enthält ringsum eine Doppelreihe spitzer Zähne und außerdem 4 starke Fangzähne. Das Tier, dem er angehörte, muß in Größe, Aussehen und Lebensweise einem kleineren Krokodil sehr ähnlich gewesen sein. Im Osten und Nordosten wird die Insel in ge­ wisser Entfernung von einem Muschelkalkriff begleitet, das sich auch unter einem Teil der „Düne" erstreckt, auf der man viele von der Brandung ausgeworfene Muschelkalkstücke finden kann. Anter „Muschelkalk" versteht man im geologischen Sinne eine, über dem Buntsandstein ausgebreitete Kalksteinformation, die am Ende der oben geschilderten Steppenperiode in einem Meere gebildet wurde, das noch einmal große Teile Deutschlands überflutete. Er enthält daher in einzelnen Lagen zahlreiche versteinerte Muschelschalen, Armfüßer, Ammoniten und Seelilien. Im Lelgoländer Muschelkalk kommen auch nicht selten braune Knochenstücke von den Keinen Sauriern vor, die in jenem Meere auf Beute gingen. Das Gestein selbst ist grau und fest; es bildet die sogenannte Weiße *)L. Schröder, Ein Stegocephalenschädel von Lelgoland. Jahrbuch der Preußischen geologischen Landesanftatt 1912, Teil 2, Lest 2.

BunLsand stein. Lelgoland, Lummenfelsen.

Klippe (witt Kliff) und kommt bei tiefer Ebbe als tangbewachsener Kamm eben aus dem Wasser zum Vorschein. Auch das Muschelkalkmeer war seicht und zur Bildung von Salzlagunen geneigt. Infolge­ dessen kommen im deutschen Muschelkalk Gipslager und zuweilen auch echte Salzlager vor. Am Süd­ ende der Weißen Klippe soll in der Vorzeit Gips gebrochen sein. Die Sturmfluten zu Anfang des 18. Jahrhunderts haben den letzten Rest des Kalk­ oder Gipsberges dortselbst zertrümmert. In den mittel- und süddeutschen Gebirgen lagern über dem Muschelkalk die mächtigen Schichten des Keupers und die Juraformation. Es ist sehr wahr­ scheinlich, daß auch diese sich in den schleswigholsteinischen Untergrund erstrecken. Aber sie liegen nirgends zu Tage und sind auch bisher nicht erbohrt worden. Dabei ist übrigens zu bedenken, daß nicht an jeder Stelle alle Formationen übereinander er­ wartet werden dürfen, denn es haben sich in allen vergangenen Zeitaltern Bewegungen in der Erdkruste geltend gemacht — Lebungen und Senkungen, die bald die eine, bald die andere Gegend aus dem Meere oder dem Schwemmland der Flüsse hervorhoben, so daß sie nicht von den Ablagerungen jener Zeit be­ deckt werden konnte, ja vielleicht sogar ihrer früheren Schichtdecken wieder beraubt wurde. Aber wir haben doch einige Anzeichen von der Anwesenheit der Juraformation unter gewissen Teilen Schleswig-Lolsteins. Im östlichen Stormarn und in angrenzenden Teilen von Lauenburg, genauer gesagt in dem Landstrich zwischen Loisbüttel— Ahrensburg und Nüsse, findet man zwischen den

Jura­ geschiebe bet Ahrens­ burg.

zahllosen Findlingen des Diluviums auffallend viele Iuragesteine. Besonders häufig sind in Vierbergen, Groß Lansdorf und Ötjenborf bei Ahrensburg

faust- bis kopfgroße harte Sandsteinkugeln*) ge­ funden worden, die wundervoll zarte Gehäuse von Ammoniten umschließen. Diese ausgebreiteten Funde in einem bestimmten Landstrich führen zu der Ver­ mutung, daß das Gletschereis, welches die Findlinge herbeibrachte, irgendwo über eine Fläche von Iuraboden hinweggeglitten ist. Vielleicht steckt dieser Boden im Untergrund des östlichen Holstein.

3. Die Kreideformation. Untere Kreide.

Die letzte unter den so fremdartigen Formationen aus dem Mittelalter der Erdgeschichte ist die Kreide­ formation. Sie ist in unserm Lande am voll­ ständigsten bei Helgoland entwickelt, am schönsten aber bei Lägerdorf, südlich von Itzehoe. Ihren Namen hat sie von ihrem reinsten und großartigsten Gebilde, der Kreide. Dieses ist aber keineswegs die einzige Ablagerung aus der Kreidezeit. Vielmehr bestehen die ältesten Schichten aus dieser Zeit (Neokom, Cenoman) bei uns zu Lande aus fettem dunklen Ton, bituminösem Schiefer und gelbgrauem oder rötlichem Mergelkalk. Solche Schichten schließen sich an der Nordseite der Helgoländer Düne unmittelbar an den Muschelkalk der Weißen Klippe an und nehmen den flachen Meeresboden des söge*) Offenbar Konkretionen aus einem Tonlager. Näheres über die Geschiebe bei V. Meyn, Über Iura-Geschiebe SchleswigLolfteins. Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft, Band 26, Seite 355.

nannten Skitgatts zwischen dieser Klippe und den aus weißer Kreide bestehenden Seehundsklippen ein. Auch sind sie bei den Buhnenbauten unter einem Teil der Düne gefunden. Leider sind sie nur unter Wasser zugänglich. Aus ihnen sind allerhand ver­ steinerte Muscheln, Ammoniten Belemniten („Donnerkeile"), Fische und verkohlte Äolzreste ge­ sammelt worden. Die Lolzreste muß man sich als fossiles Treibholz vorstellen, das im Schlamm des Kreidemeeres eingebettet ist. Im südlichen Hannover war zu jener Zeit Land und bildeten sich aus den Arwaldsümpfen Torfschichten, die uns als abbau­ würdige Steinkohlenflöze im Deister und Osterwald erhalten sind Aus jener Gegend mag das Treibholz gekommen sein. Die weiße Kreide, welche die mittleren und oberen Ablagerungen (Cenomon, Turon, und Senon) der Kreideformation zusammensetzt, ist ein sehr reiner Meeres-Kalkschlamm, derüberall im nordeuropäischen Kreidemeere, von Ostpreußen bis nach England und von Schonen bis nach Südhannover angehäuft wurde, während der damalige Strand sandig war (Sandstein amHarzrandebei Blankenburg, Elbsandsteingebirge). Ihre Mächtigkeit beträgt oft mehrere Hundert Meter (mehr als 400 Meter im Bohrloch Lolsatia I bei Hemmingstedt). In der Kreide stecken zahlreiche, wundervoll zart erhaltene Versteinerungen von Meerestieren*). •) Tinaebende Darstellung gibt E. Stolley, Die Kreide SchleSwig-LolstemS. Mitteilungen aus dem mineralogischen Institut der Untversttät Kiel, Band l, Lest 4. Ferner E. Stolley, Über die Gliederung des norddeutschen und baltischen Senon. Archiv ^ür Anthropologie und Geologie Schleswig-LolsteinS, Kiel,

Obere Kreide.

Entstehung der Kreide.

Neben austernartigen Muscheln (Gryphaea vesicu* laris, Inocerainu8-Arten) findet man Armfüßer (Terebratula carnea), Seeigel (Cidaris, Anaiv chytes, Micraster, Galerites usw.) Korallen, Bryozoen (verwandt mit dem „Seemoos" unserer Nord­ see) und Schwämme in den mannigfaltigsten Formen. Besonders massenhaft kommen die fingerförmigen, sehr harten und spitzen Belemniten vor, die im Volks­ munde Donnerkeile genannt werden. Sie sind ein tierischer Skelettbestandteil, nämlich verhärtete, spitze Enden des Schülps von vorweltlichen Tintenfischen. Natürlich fehlen auch Überreste von Fischen nicht,

Kreide von ZtzehoeLägerdorf.

soweit solche erhaltungsfähig waren (Wirbel, Gehör­ steine, Zähne, Schuppen), und als Seltenheit sind in Lägerdorf auch Skelettstücke jener großen Meercchsen (Saurier — Mosasaurus) gefunden, die als letzte Nachkommen der Angeheuer der Iurazeit das Kreide­ meer unsicher machten. Prüft man ein Stück Kreide unter dem Mikroskop, so erblickt man eine Menge zierlicher Kalkschälchen von Infosurien ähnlicher Art, wie sie auch in den heutigen Meeren umherschwimmen (Globigerinen usw.); die poröse, erdige Beschaffenheit der Kreide beruht darauf, daß sie kein aus Kristallkörperchen gebildeter Kalkstein ist, sondern vielmehr ein feiner kalkiger Schlamm-Niederschlag, vermischt mit Infusorienschälchen, winzigen Schwammnadeln und Schwammteilchen. Ganz rein ist die Kreide nicht. Neben einer stärkeren odergelingerenBeimischungvonTonteilchen enthält sie auch Kieselsubstanz, Schwefeleisen und andere Verunreinigungen. Die Kieselsubstanz tritt uns in Gestalt von Flint (Feuerstein) in ganz

Kreide. Lägerdorf bei Itzehoe, alteAlsen'sche Grube. Die von Diluvium bedeckte schneeweiße Kreide (Senon) ist durch Feuersteinlagen in einzelne Bänke abgeteilt. Aus den Fugen zwischen diesen Bänken sickert Grundwafser, das auf der Kreidewand braunen Eisenocker absetzt

erheblichen Mengen entgegen. Besonder- schön konnte man das früher in den Wänden der alten Alsen'schen Kreidegrube zu Lägerdorf betrachten. Die blendend weißen Wände waren in ungefähr Lalbmeter-Abständen von lagenweisen aneinander ge­ reihten dunklen Flintsteinen durchzogen, die der schwachen Schichtenneigung einen deutlichen Aus­ druckgaben. Flintsteine haben oft die abenteuerlichsten knollen- und wurzelähnlichen Formen. Sie enthalten auch manchmal Äohlräume, deren Wandungen mit glitzernden kleinen Kieselkristallen (Quarz) bekleidet sind, haben aber selbst nicht ein kristallenes, sondern ein dichtes Gefüge. Unzweifelhaft sind sie aus gallert­ artiger, allmählich eingetrockneter Kieselerde ent­ standen, die sich zugleich mit dem frischen Kreide­ schlamm am Meeresgrunde um Schwämme und andre Bodenkörper lagerte. In gewissen Kreide­ schichten, z. B. in der obersten Kreide bei Kronsmoor, fehlen übrigens die Flintknollen; dort hat also keine Konzentration der Kieselsubstanz stattgefunden, weil irgend etwas an den chemischen Bedingungen fehlte. Auf ähnliche Weise wie die Feuersteine scheinen auch die im Innern strahlenförmig beschaffenen Knollen und Kugeln von Schwefelkies durch Ver­ einigung der im frischen Meeresschlamm fein verteilten Schwefeleisensubstanz entstanden zu sein. Wie in Dänemark, so bildet auch in Schleswig-Lolstein die Kreide fast überall den festen Sockel des Landes in der Tiefe; nur an wenigen Stellen fehlt sie. Aber die Tiefe, in der sie erreicht wird, ist sehr wechselvoll. Nahe der Erd­ oberfläche, bezw. in geringer Tiefe, kennt man sie bei

Feuerstein» btldung.

färttatton

Helgoland, Lägerdorf, Kronsmoor, Hardebeck, Hem­ mingstedt, Pahlhude, Struckum-in Nordfriesland, Osterby bei Eckernförde und angeblich auf dem Riff „Kalkgrund" an der Nordspitze Angelns. Kreide dient hauptsächlich zur Bereitung von Mauer- und Düngekalk und Zement. Die Zement­ industrie ist im westlichen Holstein sehr bedeutend und beruht auf dem Vorkommen von reichen Lagern der nötigen Rohstoffe. Der Portlandzement ist ein gebranntes, inniges Gemisch von Kalk und Ton (kieselsaurer Tonerde), das beim Löschen mit Wasser abbindet und zu einem steinartigen Kalk-TonerdeSilikat erhärtet. Als Rohmaterialien dienen zu seiner Herstellung die Kreide von Lägerdorf-Kronsmoor und die sehr reinen tertiären und diluvialen Tone von Wacken bei Itzehoe, Kellinghusen und Ütersen. In

den Alsen'schen Zementwerken wird die Kreide mit dem Ton in bestimmtem Verhältnis äußerst fein ge­ mischt; diese Masse wird dann in Drehöfen durch eine heiße Stichflamme von Kohlenstaub unter langsamer Drehung so stark geglüht, daß sie zu Klinkerstückchen zusammensintert. Wenn diese dann erkaltet und in Kugelmühlen zu Staub zermahlen sind, ist der Zement fertig. In Dänemark lagert über der weißen Schreibkreide noch eine jüngste Schichtenfolge der Kreideformation, zu welcher der feste weiße Saltholmskalk und der korallenreiche Faxe kalk gehört, der früher viel zu Schiff an unsere Ostküste gebracht und in Kalköfen gebrannt wurde. Es scheint, nach spärlichen Tief­ bohrergebnissen, daß diese jüngsten Kreidegesteine in geringer Mächtigkeit hie und da auch unter unserer

Halbinsel bis über die Elbe hinaus vorkommen, aber es lohnt sich nicht, näher darauf einzugehen.

4. Die Tertiärformation. Nach der Kreideformation brach die Neuzeit der Erdgeschichte an, die drei verschieden lange und äußerst wesensverschiedene Zeitalter umfaßt, nämlich die Tertiärzeit, die Eiszeit und die Nacheiszeit. Die Eiszeit war eine Periode gewaltiger klimatischer Störungen inmitten einer fast unabsehbar langen, stetigen Fortentwickelung aller Dinge auf Erden. Schon am Ende der Tertiärzeit waren im Tierund Pflanzenleben und sogar im geographischen Weltbilde fast die gegenwärtigen Zustände erreicht, mit der Einschränkung, daß der Mensch noch keinen bestimmenden Einfluß auf dieselben gewonnen hatte. Da trat die große Störung ein, die uns die nordischen Vergletscherungen mit all ihren Folgen ins Land führte. Die verhältnismäßig kurze Zeitspanne, kaum zwanzig Jahrtausende, die seitdem vergangen ist, brachte auf dem neu bereiteten Boden zunächst eine Wiederkehr mancher spättertiärer Zustände und dann den ungeheuren Aufschwung des Menschentums über das ganze Naturleben. Während des langen, ältesten Abschnittes der Tertiärzeit, der Perioden des Eocäns und des Oligoeäns, herrschte an der Stelle, wo jetzt Schleswig-Holstein liegt, fast ununterbrochen das Meer. Die umliegenden Länder hatten sich im Ver­ gleich zu den Verhältnissen der Kreidezeit beträchtlich verändert, und anders waren darum auch die Vor-

EocLn und Oligoeän.

gänge im Meer. Statt der Kreide lagerten sich an seinem Grunde Tonmassen, wohl auch feine Sand» schichten ab, die im Lauf der Zeiten zu gewaltiger Dicke anschwollen. Lunderte von Metern äußerst fetten, an Versteinerungen armen Tones finden wir in unserm Untergründe zunächst über der Kreide. Noch sind diese Schichten erst wenig erforscht und gegliedert, und sie bieten für den Laien kaum Interesse. Ob dieser oder jener Ton ins Paleocän, Eocän, untere oder mittlere Oligoeän zu rechnen ist, darüber nachzuforschen reizt nur den Fachmann. Wenig ist auch in diesen alten Tonschichten zu sammeln: ein paar spärliche Meeresschnecken, Nautilusgehäuse und Krebsschalen, kaum sichtbare Foraminiferen und mikroskopische Diatomeen. Nur die jüngste Schicht, der mitteloligocäne Ton, der durch eigentümlich zellenförmig mit Kalk durchwachsene Knollen, soge­ nannte Septarien, ausgezeichnet ist, hat in einzelnen Tagesaufschlüssen, z. B. bei Innien und Itzehoe (alte Tongruben am Ochsenkamp und bei Freuden­ tal) eine reichere Schneckenausbeute geliefert?) Das Eocän war das Zeitalter des Bernsteins, eines fossilen Äarzes, daß massenhaft in den Fichtenwäldern der unserm Meere benachbarten Festländer aus den Baumwunden quoll und sich zuweilen auch in jenem alten Meereston Schleswig-Lolsteins eingeschwemmt vorfindet. Es war in seinem Beginn zugleich eine Zeit vulkanischer Revolutionen in Südschweden und im Skagerrak. Die Ausbrüche der dortigen *) Vergl. Reinhard, Untersuchungen über die Mollusken« fauna des Rupeltons zu Itzehoe. Archiv für Anthropologie und Geologie Schleswig-Lolfteins, Kiel 1896, Band 2, Heft 1.

Basaltlaven waren von ungeheuren Aschenfällen be­ gleitet, die bis nach Hannover, der Altmark und Pommern reichten und zahlreiche dünne Tuffschichten im eocänen Ton unserer Heimat hinterlassen haben. Solche Schichten findet man z. B. bei Havighorst und Schwarzenbek östlich von Hamburg, zu Hemmoor bei Stade und im Tongrund bei Fehmarn. Außerdem knüpft sich an diese alttertiären Ton­ massen ein zweifaches praktisches Interesse. Einmal betreffs ihrer Verwertung zur Zementfabrikation, zur Ziegelbrennerei und zur Verstellung von Steingut — die alten Kellinghuser Kacheln und Steingutwaren verdankten ihren Ruf den vorzüglichen Eigenschaften des Tones. Einzelne Vorkommen, z. B. in der Gegend von Blumental zwischen Kiel und Nortorf, werden auch als Walkerde in den Tuchfabriken von Neumünster verwendet. Zweitens aber betreffs ihrerBedeutungen fürWasserbohrungen. Diese Bedeutung ist leider eine sehr üble: noch niemals hat man in oder unter dem mächtigen alt­ tertiären Ton ergiebige Grundwasserströme getroffen. Das ist dort, wo sie große Ausdehnung in geringer Erdliefe haben, recht verhängnisvoll. Manche ver­ gebliche Bohrung auf Fehmarn, Alfen und im öst­ lichen Angeln hat ihren Grund in dieser Bodeneigentümlichkeit, und Tausende von Mark sind nutz­ los ausgegeben, weil unerfahrene Brunnenbohrer die Tücken des eocänen Tones nicht kannten, oder weil die Auftraggeber dem Trug der Wünschelrute in solchen Gegenden folgten. Der mittlere Abschnitt der Tertiärperiode (oberes Oligoeän und unteres Miocän) war eine Zeit, in

Braun­ kohlen.

der das Meer sich allmählich zurückzog und zeitweilig unsere ganze Provinz verließ. Das emportauchende niedrige Land wurde von üppigen SumpfzypressenWäldern besiedelt, aus derem Moder sich Braun­ kohlenflöze bildeten. Das Klima war außer­ ordentlich viel milder als heutzutage und gestattete an den trockeneren Orten zahlreichen immergrünen Laubbäumen, z. B. Lorbeeren, Magnolien und Feigenbäumen das Gedeihen; auch uns vertrautere Gattungen, wie Eichen, Walnußbäume, Weinreben, Pappeln, Ahorn, Buchen, Weiden und Almen, mischten sich dazwischen. Endlose Schichten von feinem Glimmersand, Letten und einzelnen Braun­ kohlenflözen im schleswig-holsteinischen Antergrund sind die Linierlassenschaft jenes Zeitalters. Leider sind die Braunkohlenflöze nur selten mächtiger als

Die Arnordsee.

1 bis 2 Meter und liegen fast stets so tief im wasser­ reichen Erdenschoß, daß an Abbau nicht zu denken ist. An der Tagesoberfläche sind nur in der Sylter Küste zwischen Keitum und Morsum zwei, jetzt ver­ schüttete, kleine Flöze bekannt geworden, von denen es noch nicht gewiß ist, ob sie dieser oder einer etwas jüngeren Epoche der Tertiärzeit angehören. Der Zeiger der Weltuhr rückte weiter und das schöne Land wurde vom Meere verschlungen. Eine Nordsee, die durch die Gegend des englischen Kanals mit dem warmen Südatlantik in Verbindung stand, nahm mit ihrer damals ganz mittelländisch bunten Tierwelt unsere Gegenden bis mindestens zur Landesmitte ein. Sie lagerte Sandschichten voller Schneckenschalen ab. Eisenschüssige und kalkige Konkretionen in diesem Sande, die bis zu einem

halben Kubikmeter Größe erreichen und unter dem

Namen „Äolsteiner Gestein" bei den Sammlern be­ kannt sind, enthalten ost Lunderte von feingliedrigen Schneckengehäusen und Muschelschalen.*) Das Meer der mittleren Miocänzeit dauerte im oberen Miocän an und gewann noch an Ausdehnung und Tiefe, verlor aber seine südwestliche Verbindung zum Atlantik und wurde kälter, so daß seine Fauna sich beträchtlich änderte. Es reichte nun fast überall bis zur jetzigen Ostgrenze unseres Landes, ja stellen­ weise noch darüber hinaus. Eine bis 120 Meter mächtige Schicht von grauem oder braunem Ton, der nach seinem Gehalt an feinen Glimmerflitterchen „Glimmerton" genannt wird, lagerte sich ab. Der Glimmerton tritt an vielen Orten der Provinz unter den jüngeren Gebilden zu Tage und liefert reiche Ausbeute an Schnecken, Muscheln, Fischzähnen und Gehörsteinen, Delphin- und Walknochen, und als Seltenheiten: Meerschildkröten und Vogelknochen. Bekannte Fundorte sind: Langenfelde bei Altona, Reinbek bei Äamburg, Morsumkliff auf Sylt und Gram. Gegen Ende der Miocänzeit begann das Meer sich nach Nordosten zurückzuziehen. Seine Ab­ lagerungen wurden gröber, so daß man z. B. in der Gegend von Metersen und Altona als oberste Schicht keinen Ton, sondem Glimmersand findet. Fern unseren Küsten hat es sich auf der englischen Seite ') Näheres bei K. Grtvp, Über das marine Altmioeän im Noroseebecken. Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, Beilagevand XLl, Sette 1 bis 59. Stuttgart 1915, E. Schweizerbart. — Darin auch eine Karte der mioeänen Meeresgrenzen.

Mtocän vom Morsum­ kliff.

Ein skan­ dinavischer Fluß auf Sylt.

sowie in einem Seil von Holland und Belgien noch lange Zeiträume hindurch mit schwankenden Grenzen gehalten. Unser Leimatboden aber wurde landfest und von Flüssen durchzogen, die weither aus Nordosten Sand und Kies herbeitrugen. Es scheint, daß sich ein letzter kleiner Meeresbezirk in der Gegend von Sylt bis in dieses Zeitalter hinein erhielt. Am Morsumkliff lagern auf dem Glimmerton Schichten eines zu eisenschüssigem Sandstein („Limonitsandstein") verkitteten Sandes mit den letzten Muschel- und Fischversteinerungen. Darüber stellen sich mächtige Massen von weißem Flußsand ein, der ziemlich viel tonige Porzellanerde (Kaolin) ent­ hält und darum Kaolinsand genannt wird. Ge­ wisse versteinerungshaltige Kieselgerölle in ihm ver­ raten, daß er weit von Nordosten, aus dem schwedischen Ostseegebiet herbeigeschwemmt ist, und der Kaolin stammt offenbar von verwitterten skandinavischen Gra­ nitgesteinen.*) Bohrungen in Tönning, Leide und Fiel bei Leide haben ganz ähnliche Sandschichten angetroffen; auch in Jütland, z. B. im Greisdal bei Veile kommen dieselben vor. Doch kann man den Lauf jenes alten Ostseeflusses aus diesen wenigen Anhaltspunkten noch nicht genau feststellen. In neuester Zeit hat man solche Sande auch in der Ge­ gend von Schenefeld bei Pinneberg gefunden.**) Dadurch ist ein Schritt weiter getan zu den mächtigen Anschwemmungen des pliozänen Rheines und an•) Vergl. die gemeinverständliche Darstellung M. W o lff: Die Entstehung der Insel Sylt. 2. Aufl. Lamburg 1920, Friederichsen & Co. *♦) E. Koch und K. Gripp: Zur Stratigraphie des Jung­ tertiärs in Nordweftdeutschland. Jahrbuch der Lamburgischen Wiffenschaftlichen Anstalten XXXVI, 1918, Beiheft.

derer Flüsse, die wir im Boden von Lolland, Oft« ftiesland und sogar noch unter Wilhelmshaven kennen. So enthüllt sich allmählich ein interessantes Stück vorweltlicher Geographie. Die Tertiärzeit verlief, wie wir gesehen haben, recht wechselvoll, und es ist nicht leicht, sich alle Phasen derselben einzuprägen. Darauf kommt es zunächst auch nicht an. Wer aber in seiner engeren Leimat so glücklich ist, einen guten Aufschluß in einer der zahlreichen tertiären Schichten betrachten und näher untersuchen zu können, dem wird allmählich das Bild der Zeit, in welcher sie entstanden ist, lebendig werden. And wenn ihm dieses Bild deutlich vor Augen steht, so werden seine Blicke weiter dringen in die benachbarten Zeit- und Formationsabschnitte, Ähnlichkeiten und Unterschiede, Grenzen und Zu­ sammenhänge suchen, und er wird schließlich inne werden, daß der Werdegang der Natur und ihrer Reiche den menschlichen Geist mit ebenso starken und innigen Beziehungen fesselt, wie die Menschheits­ geschichte. Wir können die Gebilde der Tertiärformation mit einem gewissen Recht noch zum versunkenen Gebirgs­ untergrunde des Landes rechnen, denn sie sind von den Bewegungen der Erdkruste, welche die älteren Formationen verschoben und versenkt haben, noch in ziemlich starkem Grade mitbetroffen. Je älter sie sind, um so stärker sind sie bewegt. Der alttertiäre Ton z. B., der unter den östlichsten Landesteilen nicht selten bis zur Löhe des Meeresspiegels und sogar darüber emporragt, ist im Westen oft erst in Tiefen von 400 bis 500 Metern zu finden. Dagegen hat

31

Boden­ bewegun­ gen.

der viel jüngere Glimmerton seine Lage um kaum mehr als 200 Meter verändert. Die Bodenver­ schiebungen sind also äußerst langsam von statten gegangen, so langsam, daß ein Menschenalter nicht ausreichen würde, um eine sichtbare Veränderung festzustellen. Erst die ungeheure Größe der geolo­ gischen Zeiträume bringt die Wirkungen zur Er­ scheinung.

II. Die oberen Bodenformationen. 1. Die Eiszeit oder das Diluvium. Das äußere Gepräge unserer Leimat hat sich erst nach der Tertiärzeit unter dem Einfluß der umge­ staltenden Kräfte der Eiszeit entwickelt und dann in der Nacheiszeit seine gegenwärtige Reife erlangt. Wir haben gesehen, daß während des größeren Teiles der Tertiärzeit an Stelle unseres Landes das Meer flutete. Als dieses im letzten Abschnitt derselben, in der Pliocänperiode, gewichen war, hatte das neue Land ganz andere Grenzen und anderes Aussehen als jetzt. Es war keine Lalbinsel, denn auch an Stelle der Ostsee lag Festland. Skandinavien war mit Deutschland verbunden und die Nordseeküste lag fern im Westen, zeitweilig sogar erst jenseits der Linie von Skagen nach Schottland. Es gab keine Marschen, sondern unsere Leimat war samt den angrenzenden Landstrichen ein 200 bis 300 Meter erhabenes, von tief eingekerbten und reich verzweigten Flußtälern durchzogenes Tafelland, eingekleidet in dichte Nadelund Mischwälder. Da kam die Eiszeit. Nicht ur­ plötzlich, sondern langsam, im Schrittmaß von Jahr­ tausenden. Ihre wahren Ursachen kennen wir nicht; es gibt darüber nur mehr oder minder wohlbe­ gründete Vermutungen, auf die wir hier nicht ein-

Klima und Inlandeis.

gehen wollen. Wir wollen lediglich die Erscheinungen verfolgen, so wie die geologische Forschung sie enthüllt hat. Es genügt eine trockene Darstellung, denn die Dinge reden ihre eigene Sprache für die Phantasie des Lesers. Das Klima unserer Leimat wurde rauh; in ganz Nordeuropa muß es um mindestens 4 Grad unter den gegenwärtigen Jahresdurchschnitt gesunken sein. Es fiel mehr Schnee und weniger Regen, und die Schneemassen der Gebirge wuchsen zu gewaltigen Firnfeldern an. Die vorhandenen Gletscher ver­ größerten sich, und in vielen hochgelegenen Gegenden, in denen es vordem keine gegeben hatte, entstanden neueGletscher.DieBergevonSchottland,dieVogesen, der Schwarzwald und das Riesengebirge begannen zu vereisen, von den Alpen und Pyrenäen reckten sich riesige Gletscher durch die Täler bis in die Ebenen herab, und in Skandinavien und Finnland bildete sich eine Decke von Inlandeis, das dem heutigen grönländischen Inlandeis glich. Dieses Eis erstreckte sich schließlich bis ins Äerz von Rußland, bis an die galizischen Karpathen und den Fuß der schlesischen Gebirge, umspannte den Äarz im Norden, Osten und Westen, staute sich hoch an den Weserbergen empor, um über die Päsie bis ins westfälische Tief­ land zu quellen, erreichte den Niederrhein, bog defien Mündungslauf nach Westen um, blockierte die eng­ lische Ostküste und verschmolz dort mit dem Inlandeis der britischen Löhen. Ein Schneeschuhläufer hätte damals quer über das Nord- und Ostseegebiet von Norwich bis Petersburg und von Stockholm bis weit hinter Moskau auf 1000 Meter dickem, verschneitem 3J

Gletschereise laufen können. Linker dieser kristallenen Decke hat Schleswig-Lolstein Zehntausende von Jahren hindurch den Simmet nicht gesehen. Langsam, wie es gekommen war, zog das Inland­ eis sich wieder zurück, als ein wärmer gewordenes Klima es in unzählige Schmelzgewässer auflöste. Zweimal scheinen Wärmeperioden die Eiszeit unterbrochen und einen völligen oder doch hoch nach Norden reichenden Schwund des Inlandeises bewirkt zu haben, und dreimal scheint das Eis nach SchleswigLolstein vorgerückt zu sein. Äber die erste Vereisung herrscht allerdings noch große Llnklarheit. Die zweite war die größte und erreichte die oben geschilderten Grenzen, die dritte hingegen kam entlang unserer Landesmitte zum Stehen und ließ den Westen und Süden frei. Die Wärmeperioden dazwischen, die sogenannten Zwischeneiszeilen oderInterglazialzeiten, waren sicherlich ebenso mild wieunsereGegenwart, von der wir nicht wissen, ob sie nicht vielleicht eine dritte Zwischeneiszeit ist, der in künftigen Jahrtausenden eine neue, vierte Vereisung folgen wird. Wenn wir also die gesamte Wechselfolge der Begebenheiten überblicken, so erkennen wir, daß es richtiger ist, sie nicht die Eiszeit, sondern das Eiszeitalter, oder mit einem Fachausdruck die Diluvialperiode zu nennen. Sie zerfällt in Eiszeiten und Interglazialzeilen; die Ablagerungen, die in diesem gesamten Zeitraum ent­ standen sind, nennen wir das Diluvium. Das Diluvium besteht sowohl aus Gletscherschutt (Moränen usw.), wie aus Bodenabsätzen in den Meeren, Seen und Moorbecken, die in den Interglazialzeiten in unserm Lande existiert haben.

Wärmere Zwischen­ zeiten.

Erste EtSzett.

Von der ersten Vereisung haben wir wenig sichere Anzeichen. Während sie in der Mark Branden­ burg mächtige Moränen hinterlassen hat, sind ihre Ablagerungen in Schleswig-Lolstein so gering, ja fragwürdig, daß man ihr dort keine große Rolle zu­ weisen kann. Allerdings muß man bedenken, daß die zerstörenden Kräfte der gewaltigen zweiten oder Laupt-Vereisung vielleicht die Moränen der ersten bis auf schwache Überreste abgeräumt haben. Da ferner die Ablagerungen der zweiten und dritten Vereisung den älteren Antergrund unsern Blicken fast völlig entziehen, so kann man Moränen der ersten nur in tiefen Bodenaufschlüssen, wie Bohrlöchern, hohen Aferrändern, großen Gruben usw. antreffen. Zn Schleswig-Lolstein sind bisher nur zwei Gebiete bekannt geworden, die entsprechende Aufschlüsse bieten.

Alt­ diluviale Täler unter Lamburg.

Das erste Gebiet ist die Gegend von LamburgAltona, in der eine besonders große Zahl tiefer Wasserbohrungen das gesamte Diluvium durch­ drungen hat, so daß wir seinen Aufbau recht genau durchschauen*). Dabei sind tiefe unterirdische Täler gefunden, die in die tertiäre Landoberfläche bis etwa 300 Meter unter dem Meeresspiegel eingesenkt sind. Diese Täler sind vollkommen mit Diluvium aus­ gefüllt; sie sind an der Erdoberfläche nicht sichtbar und haben nichts mit dem heutigen Elb- oder Alster*) Alles Nähere findet man in den geologischen Spezialkarten dieser Gegend nebst Erläuterungsheften, die ebenso wie die übrigen amtlichen Veröffentlichungen von der Vertrievsftelle der geologi­ schen Landesanstalt in Berlin N 4, Invalidenstrahe 44, zu beziehen find. Genannt seien besonders die Kartenblärter Lamburg, Wands­ bek, Wedel, Niendorf und Ahrensburg. Ferner W. Wolff, das Diluvium der Gegend von Lamburg Jahrbuch der preuß. geol. Landesanftalt, Band XXXVI, Teil 11, Lest 2, Berlin 1915.

tal zu tun, sondern nehmen einen ganz andem Ver­ lauf. Eines derselben zieht z. B. aus dem Untergrund von Billwärder durch Lammerbrook, Borgfelde, Lohenfelde, Larvestehude und Eppendorf nach Lok­ stedt. Ein anderes scheint unter Othmarschen, Nien­ stedten, Lochkamp, Dockenhuden, Sülldorfund Etz die Richtung auf Moorrege bei Ätersen zu nehmen. Spuren solcher Täler kennt man auch durchBohrungen in Bmnsbüttel und wenigen anderen Orten. Als tieffte Ausfüllungsschicht enthalten sie einen groben Sand oder Kies mit Steingeröllen sowohl ein­ heimischen wie skandinavischen Arsprungs. Außerdem aber kommt auch steiniger Lehm vor, der z. B. in einem Lokstedter Tiefbohrprofil durchaus das An­ sehen eines Moränenlehms, also einer Gletscherablagemng besitzt. Allerdings haben diese alten Ablagerungen eine auffallend geringe Mächtigkeit, und es ist der Verdacht aufgekommen, daß sie in Wirklichkeit dort unten in der Erdentiefe gar nicht die Beschaffenheit haben, in der sie in den heraufgeholten Bohrproben erscheinen. Es lag die Vermutung nahe, daß bei dem Spülbohrverfahren, mittels dessen solche tiefen Bohrlöcher hergestellt werden, Kies und Stein­ gerölle aus höheren Erdschichten nicht vollzählig zu­ tage gespült wären, sondern sich zum Teil an der Sohle des Bohrloches so lange angesammelt hätten, bis sie eine förmliche Steinschicht vorgetäuscht hätten, die dann durch besondere Vorkehrungen entfernt werden mußte. Derartige Fälle sind in der Tat öfters beobachtet. Aber nach Prüfung aller Bedenken scheint sich doch eine Bestätigung der Moränen und Kiesschichten zu ergeben, und damit wäre eine älteste

Erste warme Zwischen­ zeit.

Vereisung unseres Landes bewiesen. Die skandina­ vischen Gesteinsarten, die sie mit herbeigeführt hat, sind ähnlicher Art wie diejenigen der späteren Äauptvereisung und stammen aus dem ganzen Gebiet von Christiania bis zur nördlichen Ostsee. Das zweite Vorkommen von Moränen, die der ersten Vereisung zugeschrieben werden, befindet sich in der Sylter Westküste bei Wenningstedt. Es handelt sich um gewisse Moränenpartien im Fuß dieses Kliffs, die reich an ostnorwegischen Geschieben sind. Auch dieses Vorkommen ist fragwürdig, und zwar in noch höherem Grade als die erbohrten Moränen der Hamburger Gegend. Lieber den alten Kies- und Lehmlagen am Grunde der unterirdischen Täler von Hamburg findet man als weitere Ausfüllung zunächst mächtige Schichten von sehr feinem Sand und Ton; derartige Schichten sind am Schluß der ersten Vereisung im Nordsee­ küstengebiet in großer Ausdehnung abgeseht. Sie sind fossilleer und vielleicht von den trüben, sand- und schlammbeladenen Schmelzwasserströmen des zurück­ weichenden Gletschers angeschwemmt; doch ist das höchst ungewiß. Klare Verhältnisse bieten erst die nächst höheren Schichten, nämlich Torf, Süß- und Brackwasserablagerungen und muschelreicher Meeres­ ton. An ihnen werden wir mit einem Male gewahr, daß nach der ersten Vereisung eine Interglazial­ zeit eingetreten ist, in der auf dem eisbefreiten Lande Wald und Moor sich ausbreiteten. Bald, d. h. vielleicht 1000 oder mehr Jahre später, führte eine langsame Senkung das Meer herbei. Dies Meer war die Nordsee, die wirklich älteste Nordsee, nicht

mehr bevölkert mit fremdartigen südlichen Meeres­ tieren wiezurZeit des Miozäns, sondern mit Muscheln und Fischen genau solcher Art, wie sie noch jetzt in der Nordsee und im Atlantik leben. Da finden wir Miesmuscheln, Lerzmuscheln, Austern und Wellhornschnecken, und selbst die mikroskopische Lebewelt der Foraminiferen ist mit den heutigen Formen ver­ treten. Wo die Schichtenfolge vollständig ist, lagern über dem Meereston zuweilen wieder Brackwasser­ schichten und als oberste Decke Moorbildungen, die uns lehren, daß das Meer sich schließlich zurückgezogen hat und daß sein Boden zu einem versumpften Flachland wurde; wir können sogar an gut erhaltenen Torflagern jener Zeit nachweisen, daß die Moor­ bildung lange genug andauerte, um die üppigen Wald- und Wiesenmoore schließlich in öde, baum­ lose Lochmoore ausarten zu lassen, die unter dem Eise der zweiten Vergletscherung ihr Ende fanden. Besonders deutliche Einblicke in diese erste Inter­ glazialzeit, die von langer Dauer gewesen sein muß, haben die großen Zement- und Ziegeleitongruben zwischen Aetersen und Glinde und die Ziegeleigruben von Prisdorf, Lummelsbüttel und Lauenburg ge­ bracht. Ältere, jetzt verschüttete Aufschlüsse gab es an

mehreren Stellen in Blankenese. DasMeer beschränkte sich wahrscheinlich nicht auf die engen Talräume, die ja übrigens bereits fast ganz zugeschwemmt waren, sondern griff mit Weitungen, Buchten und Sunden erheblich darüber hinaus. Von der Hamburger Gegend reichte eine Bucht aufwärts bis über Boizenburg, wo das Wasser immer brackischer wurde. Vielleicht lag hier eine Flußmündung, aber dieser

Ältere diluviale Nordsee.

Zweite Eiszeit; Tätigkeit des Inland­ eises.

Fluß braucht nicht die Elbe gewesen zu sein, die damals von den mitteldeutschen Gebirgsgrenzen an­ scheinend nach dem westlichen Pommern oder Mecklen­ burg, vielleicht sogar in die Gegend von Kopen­ hagen geströmt ist. Die freieste Ausdehnung hatte das Meer der ersten Interglazialzeit im westlichen Holstein und Dithmarschen bis etwa zur Eider­ gegend. Dort kann man seinen Muschelton in Ziegeleigruben bei Rensing, Wacken, Beringstedt, Innien und vielen andern Orten beobachten. Die dortige Fauna hat aber teilweise ein etwas nörd­ licheres Gepräge als bei Lamburg. Vielleicht machte sich bereits das Lerannahen der zweiten Vereisung geltend. Mit der zweiten Vereisung kam die tiefste klimatische Erniedrigung und das höchste Maß von Gletscherwirkung. Eine gewaltige Grundmoräne die bis zu 50, ja 90 Meter Dicke anschwellen kann (Geschiebemergel von Schulau bei Lamburg), wurde über das Land gedeckt. Am dies zu verstehen, muß man folgende Eigenschaften des Eises in Betracht ziehen: 1. Gletschereis ist nicht absolut starr, sondem bewegt sich. Alle heutigen Gletscher in den Alpen usw. gleiten aus den Fimgebieten, wo sie durch zu­ sammensinternde Schneemassen gespeist werden, un­ aufhörlich talabwärts und schmelzen in den wärmeren Regionen ab. Das Eis folgt dem Bodengefälle mit einer Geschwindigkeit, die im günstigsten Fall fast 1 Meter in der Stunde erreichen kann. Auch die 1000 Meter dicke Inlandeiskappe von Grönland ist nicht völlig starr, sondern entsendet zahllose Eis-

ströme in die Küstengewässer, wo die berstenden Gletscherenden als Eisberge zu schwimmen anfangen. In Norddeutschland war das Gefall der Eissohle von Skandinavien herab schließlich gleich Null. Dennoch kam das Inlandeis nicht zum Stehen, sondern schob sich noch mehrere hundert Meter ins mittel­ deutsche Lügelland hinauf. Zunächst staute es sich nur; dann aber glitten die oberen, überragenden Eis­ massen, getragen von den ruhenden unteren, über das Lindernis hinweg. Dies war solange möglich, als die Dicke des Eises und also die Löhe seiner Oberfläche das vorliegende Bergland übertraf. Außerdem mußte der Nachschub den Schmelzverlust übertreffen. Die äußerste Eisgrenze befand sich dort, wo infolge klimatischer Wärme der Schmelzverlust den Nachschub völlig aufwog. 2. Die tiefsten Teile des Gletschereises sind erdfarbig von Schmutz und gespickt mit Steinen und Schutt. Bei den Verschiebungen des Gletschers oder Inlandeises kommen immer neue Teile mit dem Erd- oder Felsboden in Berührung, über den die Reise geht. Dabei setzen sich Steine und Erde in ihnen fest wie in einer schlechten, rissigen Schuhsohle. Die eingefrorenen Granitstücke usw. zerkratzen beim Fortschleifen den Untergrund. So wirkt die steinige Gletschersohle unter dem unaufhalt­ samen Zwang der Fortbewegung und dem gewaltigen Druck der Eislast, einem Druck der dreimal so stark ist wie der Dampfdruck einer Lokomotive, gleichsam als riesige Rauhfeile auf den Untergrund; im Lauf der Jahrtausende werden dicke Schichten von ihm abgeschabt. Auch Schmelzgewässer, die sich

durch Spalten und Löcher auf den Boden hinab­ stürzen, wirken dabei mit. Sie erzeugen tiefe Strudel­ löcher (sog. „Gletschertöpfe"), indem sie mittelst bewegter Steine und scharfen Sandes den Grund ausbohren. Wenn einmal der Gesteinsuntergrund des Diluviums bloßgelegt wird, wie z. B. in den Kreidegruben bei Itzehoe, so sieht man oft zahlreiche Gletschertöpfe, in denen noch die abgeschliffenen Steine liegen, die einst im Wasserwirbel getanzt haben. Alles unterwegs aufgenommene Material schleppt das Eis in die Ferne und läßt es beim Schmelzen dort liegen. Geht die Schmelzung ruhig von statten, so lösen sich die Eisteilchen zwischen den Fremd­ körpern einfach auf, und die letzteren schließen sich zu einer dichten, ungeschichteten Masse, der Grundmoräne, zusammen. Abgeschliffene Steine aller Größen, Kies-, Sand- und Tonteilchen bilden dann ein ziemlich fettes, steiniges Lehmgemenge, das wir, wenn es kalkhaltig ist, Geschiebemergel, sonst aber Geschiebelehm nennen. In Schleswig-Äolstein ist die Grundmoräne infolge ihres Gehalts an zer­ malmter Kreide und Kalksteinen ursprünglich stets Geschiebemergel gewesen. Erst durch spätere Ver­ witterung ist ihr Kalkgehalt teilweise verschwunden und der Mergel oberflächlich zu Lehm geworden. 3. Können die Schmelzwässer sich auf der Eis­ böschung, in Einschnitten oder in Wölbungen unter dem Eise frei bewegen, so spülen sie von dem aus­ tauenden Moränenschutt alle feinen Bestandteile fort und lassen nur die großen Blöcke (Findlinge) liegen. Indem sich die Gewässer im Vorlande ver­ laufen, lagern sie dort große Mengen von Stein-

geröll und Sand ab. Der feine Tonschlamm wird entweder bis fern zum Meere fortgetragen oder in den ruhigen Seen niedergeschlagen, die sich nicht selten zwischen dem Eisrande und benachbarten Anhöhen bilden (sog. Stauseen). So entstehen ost sehr ausgedehnte und mächtige Ton lag er. Als Ablagerungen der Lauptvereisung treffen wir also in unserm Lande sehr verschiedenartige Bildungen: Geschiebemergel, Kies, Sand und Ton in allen Graden der Feinheit. Das Eis hat aber nicht nur aufbauend, sondern auch stark zerstörend gewirkt. Es hat gewaltige Massen des älteren Diluvialbodens und sogar des Tertiär-- und Kreide­ grundes abgeschabt. Nicht selten hat es Boden­ massen, die seinem Andrang Widerstand leisteten, von ihrer Unterlage abgequetscht und unter gewaltigen Verdrückungen und Zusammenfaltungen kilometerweit fortbewegt. Besonders oft verfiel tertiärer oder diluvialer Ton diesem Schicksal. Lügeldurchstiche, die man in neuerer Zeit im westlichen Schleswig-Holstein bei Bahnbauten ausgeführt hat, z. B. bei Bredstedt, Norderstapel, Burg und Itzehoe zeigten ein ganz unberechenbares Bodenprofil. Riesige Tonschollen lagen in mehrfacher Wiederkehr schräg auf zusammengestauchte Sandschichten aufgeschoben, unterbrochen von harten Massen graublauer, mit Kreidestückchen gespickter Grundmoräne; als letzter Schmelzschutt lag darüber eine Rinde von sandigem Geschiebelehm oder Spülsand, und die sanften Außen­ formen der Hügel verrieten nichts von dem ver­ worrenen Innern. Durch diese Vorgänge haben natürlich diejenigen Ablagerungen, die unmittelbar

CiSdruck und Eisschub.

vor derÄauptvereisung entstanden sind, am schwerste« gelitten, also die Interglazialgebilde, insbesondere der Meereston. Seine ursprüngliche, ebene Lage hat er nur an wenigen Orten bewahrt (z. B. in der Tiefe unter Billwärder, Nienstedten, Farmsen und Volksdorf). Auf große Erstreckung ist er gänzlich zerstört, und an fast allen Orten, wo er jetzt in Ziegeleigruben sichtbar ist, ist er entweder aus der Tiefe emporgepreßt oder in ungeheure, verschobene Schollen (manchmal 10 bis 20 Meter dick und 50 oder 100 und mehr Meter lang) zerstückelt, zwischen denen Sandmaffen oder Grundmoränen eingekeilt sitzen (so bei Lauenburg, Äummelsbüttel, Aetersen, Blankenese, Prisdorf, Wacken, Rensing, Burg, Beringstedt). Sehr schön und gut sichtbar sind die Verschiebungen des Tertiärs auf der Insel Sylt. Während an der Wescküste, in dem lang ausgedehnten Westerländer und Roten Kliff, die Moränen der Eiszeit ganz eben und fast ohne Störung auf den horizontalen tertiären Kaolinsandschichten lagern, sieht man an der Ostküste, im Morsumkliff, alles verschoben. Dreimal kehrt dort der gleiche Glimmer­ ton in großen, schräg auf Kaolinsand geschobenen Schuppen wieder. Bei genauer Prüfung kann man deutlich erkennen, daß die Verschiebungen von Nordosten nach Südwesten gerichtet sind, und diese selbe Richtung herrscht im ganzen Westen unserer Provinz, wo die Moränen der Äauptvereisung fast überall frei zu Tage liegen. Das Inlandeis bewegte sich von Nordoslen gegen Süd­ westen. Diese Beobachtung der Bodenlagerung ist wichtig für die Beurteilung aller größeren Erdarbeiten

und auch der Wasserbohrungen. Regelmäßige Lagerungsformen wechseln in den einzelnen Land­ schaften mit unregelmäßigen. Kenntnis, Erfahrung und sorgfältige Untersuchung sind unbedingt nötig, wenn man schwere Enttäuschungen vermeiden will. Der Äauptvereisung folgte die zweite, milde Interglazialzeit. Der wüste Moränenboden gewann ein freundliches Aussehen durch grüne Wälder und Wiesen, zwischen denen Flüsse und Seen blinkten. Lange, friedliche Jahrtausende ge­ statteten die Bildung von Torfmooren und allerhand Ablagerungen im Wasser. Berühmt sind die beiden Torflager vom Kuhgrund bei^Lauenburg und vom Elbufer bei Tinsdahl zwischen Schulau und Witten­ bergen*) Die dritte Vergletscherung hat sie beide nicht erreicht, aber sie verraten ihr hohes Alter doch durch die Menge von zusammengeschwemmtem, steinigen Sand, der auf ihnen lastet und durch die Reste einiger eigentümlicher Pflanzenarten. So findet man z. B. in ihnen Fichtenzapfen. Die Fichte ist in unserm Lande nur während der Diluvialzeit heimisch gewesen; nach der Eiszeit war sie verschwunden und hat sich in Nordwestdeutschland urwüchsig nur bis zur Elbe ausgedehnt. Nach Schleswig-Lolstein, dessen einziger urwüchsiger Nadelbaum seitdem die Föhre war, ist sie erst durch Menschenhand verpflanzt ♦) Vergl. v. Fischer-Benzon, Die Moore der Provinz Schleswig-Lolstein, Lamburgl891, L.Friederichsen LCo., ferner: 3 ©tonet, Beiträge zur Kenntnis der diluvialen Flora Norddeutschlands. I. (Motzen, Werlte, Ohlsdorf) tm Jahrbuch der Preußischen geoloqischen Landesanstalt 1908, Teil l, Lest 1, IL (Lauenburg) ebenda 1911, Teil 1, Lest 1. Schröder und Stoller, Diluviale marine und Süßwafserfchichten bei Uetersen —Schulau, ebenda 1906, Left 3.

Zweite warme ZwischeneiSzeit.

worden. Einige der ältesten Fichten stehen bei Ros­ dorf nördlich von Kellinghusen. Infolgedessen findet man Fichten und Fichtenzapfen niemals in unsern nacheiszeitlichen Torflagern, sowohl der ersten wie der zweiten Interglazialzeit, z. B. im sogenannten Tuul, einem Torf, der vor dem Strande von Wester­ land auf Sylt in der flachen See ansteht.

Aus der zweiten Interglazialzeit stammen auch die alten Süßwasser-Seeablagerungen, die bei der Anlage des Stadtparkes zu Winterhude bei Lamburg aufgegraben sind*), sowie verschiedene ähnliche in der Gegend von Beldorf und Lütjen-Bornholt, die derNordostseekanaldurchschneidet.**)EssindSchichten von Faulschlamm (Mudde), Süßwasserkalk, Torf und Sand voller Schnecken- und Muschelschalen, nur bedeckt von Kies und Sand und über diesem von jüngerem Torf. Anders sind die Verhältnisse im Osten des Landes. Auch dort kommen Torflager aus der jüngeren Interglazialzeit vor, aber sie sind später zum Teil recht dick mit Moräne bedeckt, welche die dritte Vereisung dort niedergelegt hat. Solche mo­ ränenbedeckte Torfschichten kennt man von Äoltenau bei Kiel, Kollund bei Flensburg und von Loopstedt bei Schleswig. Der Loopstedter Interglazialtorf ist im hohen Ostufer des Laddebyer Noors, wo er eben *) Bergt. G. Lorn, Die geologischen Aufschlüsse des Stadt­ parkes in Winterhude und des Elbtunnels. Zeitschrift der deut­ schen geologischen Gesellschaft, Band 64, 1912, Monatsbericht Nr. 3, ferner: M. Veyle, Über einige Ablagerungen fossiler Pflanzen der Lamburger Gegend, Jahrbuch der Lamburgischen wissenschaftlichen Anstalten XXX, 1912, 6. Beiheft. **) C. Weber, Über zwei Torflager im Bette des NordostseekanalS bei Grünenthal. Neues Jahrbuch für Mineralogie 1891, Teil 11, Seite 62-85 und 228 ff

Diluvium. Eibufer bei Schulau. Der untere Teil des Abhangs besteht aus Unterem Geschiebemerqel. Darüber liegt eine schwarze Torfbank aus der zweiten Interglazialzeit, über dieser jungdiluvialer Geröllsand und zu oberst steinfreier Dünensand.

über dem Wasserspiegel und tief unter Geschiebesand und Lehm entblößt ist, gut zu studieren. Als alter Nachbar nahm auch in dieser Zeit die Nordsee von einigen Teilen unseres Landes Besitz. Es gibt in der Gegend von Sonderburg, Kekenis und Mummark (Alsen), ferner bei Steensigmoos Halbinsel Broacker), bei Labernis an der Geltinger Bucht und bei Elisenlund an der Apenrader Förde große Schollen von Meereston und Meeressand in der Moräne der dritten Vergletscherung, die durch eine eigentümliche Konchyliensaunä gekennzeichnet sind.*) Massenhaft findet man in ihnen die große Muschel Cyprina islandica, die im Nordatlantik und in der Nordsee vorkommt, in der nördlichen Ostsee (z.B. in der Apenrader Förde) aber nur in kleineren, toten Exemplaren mit dünneren Schalen angetroffen wird. Nach ihr wird der Ton „Cyprinenton" ge­ nannt. Ferner findet man die Miesmuschel (Myc tilus edulis), mehrere Lerzmuschelarten (Cardium edule und echinatum), Austern, verschiedene Schnecken (Litorina litorea und besonders Nassa reticulata und Bittium reticulatum) und im Sande eine besonders große, gegenwärtig nicht mehr exi­ stierende Verwandte von Tapes aureus, den Tapes senescens. Den schönsten Aufschluß dieser Art stellt das Gottsche-Kliff nördlich des Dörfchens Steensig•) Das Beste hierüber findet man in der dänischen Arbeit (mit französischem Resunr«) von Madsen, Nordmann & Lartz: Cem-Zonerne. Studier over Cyprinaleret og andre Eem-Aflejringer i Danmark, Nordtystland og Lolland Danmarks geologiske Ändersögelse, NRaetteNummerl 7. Kopenhagen 1918, C. A. Reihet. 6 Kronen. Bergt, ferner: C. G o t tsch e, Die Endmoränen und das marine Diluvium Schleswig-Lolfteins. Mitteilungen der Geo­ graphischen Gesellschaft in Lamburg, Band Xlll, 1897. L. Friedrichsen & Co.

Jüngere diluviale Nord-OftSee.

moos auf Broacker dar.*)-Im Fuß des Kliffs steckt eine dünne Torfschicht mit Eichenresten. Darüber folgt Brackwafferton mit Miesmuscheln und dann der reine Meereston mit Cyprinen. Lieber diesem liegt ein sehr muschelreicher Sand mit Tapes senes* eens, Teilina, Lucina divaricata, Nassa, Bittium usw., und zu Oberst Geschiebemergel. Bohrungen im Westen von Schleswig haben gezeigt, daß Ton mit Cyprinen und den Arten, die diese in den östlichen Aufschlüssen begleiten, besonders der charakteristischen Tapes senescens, stellenweise auch dort vorkommt, z. B. zu Tondern, Rodenäs, Korsbüll,**) Niebüll und auf der Lallig Langeneß. Aber dort ist er nur von Sand und Kies, nicht von Geschiebe­ mergel bedeckt. Dasselbe ist der Fall im Llntergrunde des Reitmoores südwestlich von Rendsburg, das der Nordostsee-Kanal durchschnitten hat. Dort brachte der Bagger auf weite Erstreckung tonigen TapesSand mit der ganzen charakteristischen Muschelgesell­ schaft zutage. Derselbe lag in etwa 10 Meter Tiefe, war von Sand und Moor bedeckt und hatte Geschiebemergel-Llntergrund. Wir finden also den Cyprinenton im Osten von Moräne, im Westen nur von Sand bedeckt, und dafür ist vorderhand wohl die richtige Erklärung die, daß er in der zweiten Interglazialzeit gebildet ist, nach welcher die dritte Vereisung erfolgte, die von Osten bis zur Mitte des Landes gelangte und daher dort Grundmoränen *) Vergl. C. Gottsche, Der Tapes-Sand von Steenfigmoos. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 1904, Band 56. **) V. Nordmann, Boringer gennem marint Diluvium i det sydvestligeIylland og nordvestligeSlesvig. MitdeutschemResume. Meddelelser rra dansk geologiskForening, Band 4, Lest 2, Kopen­ hagen 1913, G. E. L. Gad.

hinterlassen hat, während der Westen nur von ihren sandbeladenenSchmelzwasserströmen überspültwurde. Jedenfalls ist es gewiß, daß sich die im Cyprinenton eingebettete Muschelgesellschaft auffallend von der Artengemeinschaft unterscheidet, die man aus den Meeresschichten der ersten Interglazialzeit kennt. ~ brigens war das Cyprinenmeer weit nach Osten aus­ gedehnt; es ist das erste neuzeitliche Meer im Ostseegebiete gewesen und stellte gewisser­ maßen eine ungeteilte, aber buchtige und inselreiche Nord-Ostsee dar. Man kennt seine Ablagerungen von einzelnen Orten der dänischen Inseln, Rügens,*) Linterpommerns, West- und Ostpreußens; ja, es hat sogar das nördliche Posen in der Gegend von Lohensalza mit seinen milden Ge­ wässern bespült.

Die dritte und letzte Vereisung hatte einen durchaus anderen Charakter als die Lauptvereisung. Während nämlich die Lauptvereisung eine solche Mächtigkeit und Gewalt besessen hatte, das Nord­ deutschland ihr gar kein Hindernis bot und das Eis seinen Weg ziemlich grade von Norden und Nord­ osten gegen Mittel- und Westdeutschland verfolgen konnte, war die dritte Vereisung bedeutend schwächer und in so hohem Maße von den geringeren Boden­ formen abhängig, daß sie sich schließlich zu einem reinen Ostseegletscher entwickelte. Das Eis folgte der weiten, flachen Ostseemulde, die, wie wir eben gesehen haben, sich damals neu gebildet hatte,**) schabte *) Es scheint auch Teile von Ostholstein überflutet zu haben, B. die Gegend von Lübeck. **) Wahrscheinlich durch langsame Einsentung der Erdkruste.

Dritte Eiszeit.

Grenze des Eises.

sie tiefer aus und endete auf den Landhöhen im Süden und Westen des Meeres. Bei uns bewegte es sich also im Großen und Ganzen von Osten nach Westen, und im Gebiet von Fünen und Seeland strömte es sogar nach Nordwesten. Es kam von Schweden und den bottnisch-finnischen Äöhen und beschrieb schließlich einenvollen Äalbkreis. Man kann seine Endmoränen*) vom westlichen Ausgang des Liimfjords durch Mittel­ jütland in die Gegend von Woyens verfolgen; von dort ziehen sie über Notenkrug, Bau, Flensburg, Meding, Idstedt, Lürschau, Dannewerk, Iagel, Bre­ kendorf, Duvenstedt, Audorf, Nortorf, Einfeld, Kummerfeld, Fahrenkrug, Leezen, Sülfeld, Äoisbüttel, Volksdorf, Meiendorf, Rausdorf, Grande und Segrahn durch Schleswig-Kolstein nach Meck­ lenburg und dann weiter durch die Mark, das nörd­ liche Posen, Nordpolen und Litauen, immer durch Lügel und Seen gekennzeichnet, nach dem nordwest­ lichen Rußland bis zur Eismeerküste von Kanin. Ein großer Teil dessen, was man früher als uralisch­ baltischen Pöhenzug bezeichnete, ist Moränenan­ häufung der dritten Vereisung. Es war also immerhin noch ein sehr ansehnlicher Raum, den dies Inlandeis während seiner größten Ausbreitung einnahm, und wir müssen daraus wiederum auf eine recht erhebliche Klima-Verschlechterung schließen. Die Ablagerungen, die beim Tauen dieser Eis­ massen in unserem Lande entstanden, waren die ge•) Bergs. C. Gottsche's klassische Darstellung „Die Endmoränen Schleswtg-Lolsteins" (mit Übersichtskarte) in den Mitteilungen der geographischen Gesellschaft inLamburg, Band Xlll,1897. Ferner E. Struck, Der baltische Löhenrücken in Lolstein. Mitteilungen der geographischen Gesellschaft Lübeck 1904.

wohnlichen: Geschiebemergel, Stein-, Geröll- und Kieslager, Sand und Ton. Sie bieten an und für sich kein besonderes Interesse. Wichtig und höchst mannig­ faltig ist aber die Art, wie sie an der Gestaltung der schleswig-holsteinischen Landschaft beteiligt sind.*) Die gesamte heutige landschaftliche Gliederung, die Beschaffenheit des Bodens, seine Fruchtbarkeit, Nutzung und Besiedelung, alles dieses hängt aufs Innigste mit der letzten Vereisung zusammen. Der Osten des Landes ist eine einheitliche Grundmoränenlandschaft. Sier, in einiger Entfernung vom freien Vorland, taute das Inlandeis langsam und ziemlich gleichförmig ab, und die Tauwässer fanden nur mühsam Auswege zum Sammeln und Abfließen. Je dünner das Eis wurde, um so mehr ver­ lor es seine Beweglichkeit und lag schließlich, wie man sagt: „tot". Die mitgeschleppten Steine, der feinere Schutt und der Lehm, der die unteren Partieen durch­ setzte, sammelten sich auf der zusammensinkenden Ober­ fläche an, und diese bekam ein zerfressenes, hügeliges Aussehen. Das Bild mag ähnlich dem gewesen sein, das die toten Außenzonen der großen Gletscherfelder am Fuß der Gebirge von Alaska, z. B. der Malaspina­ gletscher, dem Besucher darbieten, ein Gletscher, der größer ist als das Land Braunschweig. Er ist meilenweit mit einer dicken Lehmkruste bedeckt, aus der hoher Fichtenwald mit dichtem Llnterholz gedeiht. So günstig mögen freilich die Vegetationsverhältnisse

an unserem Ostseegletscher nicht gewesen sein, denn wir finden keine Baumreste in seiner Moräne. Als •) Vergl.u. a. Paul Moldftedt, BeiträgezurMorphologte von Nvrdschleswig. Diff. Göttingen 1913.

Junge ^Grund­ moränenlandschaft" des Ostens

schließlich alles Eis geschmolzen war, bildete der Ge­ schiebemergel unzählige unregelmäßige Lügelhaufen, die hie und da von schlichterem Gelände oder auch von Ebenen aus zusammengeschwemmten Sand unter­ brochen waren. Die Lügellandschaft des östlichen Lolstein, von Schwansen, Angeln, dem Sundewitt, Alsen, Loit, dem Neß und der Gegend zwischen Äadersleben und Kolbing bietet überall die gleichen Formen und Eigentümlichkeiten. Den Lügeln ent­ sprechen ebenso viele kleine und große Bodenmulden; darin sammelten sich später die Gewässer zu zahllosen Teichen und Seen, die alle denkbaren Amrisse und Tiefenverhältnisse haben. In gewissen Gebieten ver­ schafften sich aber dieS chmelz wässer einen geregelten Ablauf. Auch kamen aus weiter Ferne vom hohen, reinenEise gewaltige sommerlicheSchmelzfluten herbei­ geströmt; durch Spalten und Löcher fielen sie bis auf den Grund des Gletschers und nahmen hier in erweiter­ ten Klüften und Tunnelwölbungen ihren Weg nach Westen. Es bildete sich ein tiefgreifendes, verborgenes Entwässerungsnetz, nicht unähnlich den unterirdischen Flüssen der Karstgegenden von Istrien; nur muß man sich an Stelle des Kalkgesteines höhlenreiches Eis vorstellen und muß bedenken, daß das Wasser in unablässigem Kampf gegen die inneren Ver­ schiebungen stand, durch die das Eis alle Lohlräume zu schließen trachtete. Im Randgebiete nun quollen aus den Tunnelöffnungen gewaltige Ströme hervor, die sich über die Mitte unseres Landes ergossen. Meilenweit stürzten auch wohl die Tunnelwölbungen ein und die Ströme spülten sich breite Eistäler aus, an deren Grunde sie sich noch tief in den Erdboden

eingruben.. So sind die langen Talrinnen unserer Förden, z. B. der Laderslebener, Flensburger, Fördentäler und Rinnen­ Kieler Förde und Schlei sowie des Alsensundes und seen. vieler flußförmiger Seen, z. B. des Langsees bei Schleswig, des Wardersees, des Ratzeburger Sees, des großen Sees bei Trittau und des Lütauer und Drüsener Sees bei Mölln entstanden. Zuweilen verstopften sich die Eistunnel durch eingeschwemmten Sand und Kies; wenn dann das Eis ringsherum verschwand, blieben diese Tunnelfüllungen als wall­ förmige Lüge! liegen. Derartige Lügel, die in Skandinavien sehr häufig sind und dort Oser genannt Wallberge (.Oser"). werden (äs, der First), gibt es bei uns nur an wenigen Stellen. Einer der schönsten Oser verläuft entlang der Talung des Neuenkirchener Sees an der Grenze von Lauenburg und Mecklenburg.*) In der Nähe von Hamburg findet man Teilstücke eines Os in der Niederung südlich von Ahrensburg und östlich von Meiendorf. Bekannt ist ferner der leider zur Kiesgewinnung stark abgegrabene Os bei GroßKummerfeld südöstlich von Neumünster, die soge­ nannten Klinkenberge, sowie der Os von Riesjarup zwischen Rotenkrug und Gjenner. Ein kleiner Os findet sich bei Norby in Schwansen, und ein sehr deut­ lich ausgeprägter bei Süderbrarup in Angeln. Der letztere, der mit einigen Kieshügeln bei der KreisbahnStation Norderbrarup beginnt und als modellschöner Waüberg an der Flensburger Eisenbahn nördlich von Süderbrarup endigt, liegt gerade an der Stelle, wo nach unregelmäßigen Anfängen sich das Tal der *) Vergl. N. Bärtling, Der Äs am Neuenkirchener See. Jahrbuch der preußischen geologischen Landesanftalt 1905, Lest 1.

EndMoränen.

Oxbek in vollendeter Form entwickelt, jenes der Schlei parallele Tal, das fast ganz Angeln durchschneidet, dem Langsee zum Bett dient und bei Lürschau die Endmoräne des Ostseegletschers durchbricht. Wenn man auf dem Wallberg bei Süderbrarup steht, so glaubt man im Geiste den einstigen mächtigen Strom aus der Eiswölbung hervorquellen und zwischen steilen Kristallwänden westwärts dem fernen, offenen Lande entgegenbrausen zu sehen. Am stärksten war die Spülwirkung der Schmelz­ gewässer natürlich an der Eisgrenze. Lier ist nur verhältnismäßig wenig Geschiebemergel abgelagert, weil aller feine Schutt, der aus dem Eis hervortaute, sofort weggeschwemmt wurde. Man findet deshalb niedrige Lügel^ die größtenteils aus grobem, steinigem Sand bestehen, oder auch förmliche Steinlager enthalten. In den Steinlagern ist Block auf Block geschichtet und dazwischen sitzt eine Füllmasse von lehmigem Grus. Zuweilen erreicht die Blockpackung 10 Meter Dicke und mehrere hundert Meter Länge. Diese Steinlager sind für unser Land, dem Felsberge und Steinbrüche fehlen, außerordentlich wertvoll. Lunderttausende von Kubikmetern sind daraus zum Straßenbau, zur Böschung des Nordostsee-Kanals und zu anderen Bauzwecken gewonnen. Schöne Aufschlüsse in ihnen gibt es gegenwärtig (1914) bei Norder-Schmedeby, am Flensburger Mühlenteich, am Königshügel bei Schleswig, bei Laßmoor, an mehreren Stellen südlich von Kiel, in Vierbergen, bei Ahrensburg und mancherorten in Ostholstein. Auch die Blockpackungen, die hie und da in den Lügeln von Bahrenfeld, Eidelstedt und Schenefeld

Diluvium Geschiebe- und Geröll-Lager der Endmoräne, Flensburg.

zum Vorschein gekommen sind, haben gleiche Ent­ stehung, gehören aber nicht der dritten, sondern der zweiten Vereisung an.

Es ist hier der Ort, eine kurze Musterung unter den vom Eise zusammengeschleppten Geschieben zu halten.*) Ein Teil derselben entstammt unserem ein­ heimischen und dem benachbarten dänischen und ost­ baltischen Boden. Dazu gehören in erster Linie die zahllosen, der aufgeriebenen Kreide entrissenen Feuer­ steine, die unseren Wegebaumeistern als schlechtes, scharfes und sprödes Material so lästig sind, während sie von unseren steinzeitlichen Vorfahren als Stoff für Äxte, Schneide- und Schabewerkzeuge, Dolche, Sägen, Sicheln, Speer- und Pfeilspitzen hoch geschätzt wurden; ferner die gelblichen Faserkalksteine aus dem •) Eine ausführliche, allerdings für die Gegenwart nicht mehr ganz vollzählige Lifte vernicht kristallinen bietet C. Gortsche. Die Sedimentärgeschiebe der Provinz Schleswig-tiolstein. Yoko­ hama 1883. Genannt sei ferner: I. Petersen, Geschiebestudien 1 und II, 1889 und 1890. Mitteilungen der geographischem Gesellschaft in tiamburg, XV und XVI. — Derselbe: Die kristallinen Geschiebe der Insel Sylt. Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, 1901, 1. - Derselbe: Untersuchungen über die kristallinen Geschiebe von Sylt, Amrum und Helgoland. Zentral­ blatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, 1903, 1. — Derselbe: Die kristallinen Geschiebe deö ältesten Diluviums auf Sylt. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft, 1905. Monatsbericht Nr. 8. E. Stolley, Die kambrischen und stlurischen Geschiebe Schleswig-tiolsteins und ihre Brachiopodenfauna. Archiv für Anthropologie und GeologieSchleswig-tiolfteins, Band 1, Lest 1, Kiel 1895. — Derselbe: Über trtasstsche Diluvialgeschiebe in Schleswig-tiolstein und benachbarten Gebieten. Schriften des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schleswig-tiolstein, Band 11, Lest 1, 1897. — Derselbe: Einige neue Sedimentärgeschtebe aus Schleswig-Holstein und benachbarten Gebieten. Ebenda. — Derselbe Über Eocängeschiebe des Londonclay und ihre Be­ ziehungen zur jütischen Moler ormation. Schriften des Natur­ wissenschaftlichen Vereins für Schleswig-tiolstein, Band 12,1901, tieft 1.

Geschiebe.

Altteriiär und die oft muschelreichen Sandsteine und Eisenerzschalen aus dem Miocän. Aus dem nord­ östlichen Teil der Ostsee und ihrer Küsten (Gotland, Öland, Esthland usw.) sind zahlreiche Kalksteine der Silurformation herangeschoben, die oberflächlich fast spiegelglatt geschliffen und mit liefen Gletscher­ schrammen gezeichnet sind. In ihnen ist eine reiche Versteinerungswelt von Korallen, Armfüßern, Krebsen, (Trilobiten) und Kopffüßern (Orthoeeren usw.) eingeschlossen, an denen man alle Altersstufen dieser ostbaltischen Kalksteinformation nachweisen kann. Noch älter sind die aus Ostschweden gekom­ menen braunen, violetten und grauen harten Sand­ steine der kambrischen Formation. Überaus mannig­ faltig ist die Zahl der kristallinen, also altvulkanischen Gesteine des Nordens und Ostens. Manche derselben kommen nur in ganz bestimmten Bezirken der dortigen Länder vor, sonst nirgends auf der Erde. Sie dienen uns deshalb als „Leitgeschiebe", an deren Ver­ breitung bei uns man die Richtung der Gletscher­ bewegung feststellen kann. Dazu gehören z.B. gewisse, im Westen unserer Provinz häufige, im Osten seltene Gesteine aus derAmgegend vonChristiania(Rhombenporphyr,) ferner Diabas vom Kinnekulle am Wenersee, Basalt aus Schonen, gewisse Porphyrarten aus Dalarne, andere Porphyrarten aus dem Grenzgebiet zwischen der eigentlichen Ostsee und dem bottnischen Meerbusen sowie Granitsorten (Rapakiwi^pon den Älandsinseln und aus Westfinnland. Zahllose andere Granite, Gneiße, Diorite,Källeflintgesteine und andere Geschiebe haben dagegen einen weniger ausgespro­ chenen Lokalcharakter.

Man bezeichnet den steinigen Landstrich am Außenrand der Grundmoränenlandschast als die „Endmoräne", und er muß in der Tat längere Zeit die Schmelzgrenze des Elses gewesen sein. Indessen gibt es, besonders in Ostholstein, noch andere EndMoränen. Der Eisrand hat dort stärkere periodische Schwankungen erlitten und sich staffelweise ostwärts zurückgezogen. Deshalb liegen dort verschiedene, mehr oder minder deutliche Züge von Stein- und Sandhügeln in gewissen Abständen hintereinander, z. B. bei Lübeck—Oldesloe und Raheburg—Mölln. Einige unserer östlichen Buchten fallen durch ihre Weite und ihren großzügigen Amriß auf, z. B. die Eckernförder und Neustädter Bucht. Sie können schwerlich ehemalige Schmelzstrombetten sein; dafür sind sie zu geräumig. Wahrscheinlich sind sie „Zungenbecken", d. h. Äohlformen, die durch be­ sonders bewegliche Zungen des Inlandeises ausge­ schliffen sind. Vor der Eckernförder Bucht (mit dem Windebyer Noor) liegt, gleichsam als Aushub aus ihren Tresen, die gewaltige Endmoränenlandschaft der Äüttener Berge, die teils aus Grundmoräne, teils aus Kies und an der Außenseite auch aus Blockpackungen besteht. An die große Endmoränenzone SchleswigLolsteins schließen sich westwärts zunächst Geröll­ fluren an, die von den Schmelzwässern aufgeschüttet find. Die großen Kieslager von Ak und Rotenkrug bei Apenrade, Nordschleswigsche Weiche bei Flens­ burg, Owschlag usw. befinden sich in diesen Geröll­ fluren. Weiter hinaus folgt eine unabsehbare Sandebene, der verlassene Spielraum der tausend

Zungen­ becken deS Inland­ eises.

Die große DorsandEbene (schleswig. holstet. Nische Mirtelheide); Llrftröme.

Wasseradern, die hier in immer wechselnden Win­ dungen die Freiheit genossen. Aus der überspülten Sandebene sammelten sich die Gewässer am Rande der vorliegenden älteren Moränenhöhen und bildeten, in breite Talungen gefaßt, eine Reihe von Strömen (Arströmen) zur Nordsee hinaus. Wo die Nord­ see damals begann, wissen wir noch nicht. Ein großer Teil ihres Gebietes war trockene Ebene, und es ist sehr wohl denkbar, daß die Elbe in verlängertem nordwestlichen Lauf eine Menge Nebenflüsse aus dem westlichen Schleswig-Holstein auffing. Anter den gegenwärtigen Verhältnissen ist wohl die Wiedau im Herzogtum Schleswig unser kürzester „Arstrom", denn sie verzweigt sich bereits bei Tondern ostwärts zu einem breiten Fächer von Bachläufen, die aus dem großen Vorsand-Gebiet der Endmoräne zwischen der Gjenner Bucht und Norderschmedeby zusammen­ strömen. Dort, bei der Gjenner Bucht befindet sich die einzige Stelle, wo die Sandflur mit einem Zipfel bis an die Ostsee reicht und unsere Halbinsel durch­ teilt. Ansehnlicher ist die Treene, welche die großen Sandgebiete bei Schleswig entwässert. Die Eider ist dagegen eine widersinnige Flußbildung. Sie durchläuft das alte, von Kiel nach Südwesten ge­ richtete Eisstromtal, das einst seine Gewässer über die Neumünstersche Leide ausstieß, in umgekehrter Richtung, schlängelt sich aber dann, durch den „Lornheimer Riegel" von ihrer mütterlichen Förde abgewehrt, durch die Grundmoränenlandschaft nach Rendsburg, und eilt nun, den Stapelholm scharf bespülend, an der alten Geest Norderdithmarschens vorüber zur Nordsee. Schön und klar entwickelte

Urstromtäler findet man in Holstein. Da ist das Tal der Stör, die sich bei Kellinghusen mit der Bramau vereinigt und zwischen den Höhen von Ztzehoe und der Münsterdorfer Geestinsel ins Marschland ein­ tritt. Die obere Stör entwässert mit einem Fächer von Quelläufen den großen Gletschervorsand zwischen Nortorf und Rickling, und die Bramau reicht mit ihren Anfängen hinauf bis in die Sandebenen im Westen und Südwesten von Segeberg. Die Täler beider Flüßchen sind überaus weiträumig und erfüllt von niederen Sandterrassen. Man sieht es ihnen noch an, daß sie einst in der Schmelzzeit riesige Wassermengen befördert haben. Auch die Alster, deren malerisches Tal abgestufte Sandbänke über der heutigen Flußaue zeigt, war damals ein kalter, wasser­ reicher Strom. In Ostholstein ist übrigens die Grundmoränenlandschaft so breit, daß sich dort mehrere selbständige Flüßchen entwickelt haben, die nicht zur Nordsee, sondern zur Ostsee laufen, z. B. die Schwentine und die Trave. Die Trave durcheilt ein Tal, das teilweise wohl ein altes Gletscherstrom­ tal mit ursprünglich gegen Südwesten gerichteter Mündung ist. Die Untertrave ist eine richtige Förde und besitzt den unebenen Boden aller Förden, der erst durch neuere Schlammablagerungen ausgeglichen ist. Die Gegend um Lübeck, das der Mittelpunkt eines großen Bogens der Eisgrenze von der hol­ steinischen Südsüdostrichtung in die mecklenburgische Ostrichtung war, scheint der Schauplatz besonders starker Schmelzströme gewesen zu sein. Der Rahe­ burger See bezeichnet eine Stelle, wo die aus dem Eise hervorbrechenden Gewässer den Boden tief aus-

Der ElbLlrstrom.

Der Lübecker Ctssee.

gewühlt haben, und eine ganze Anzahl ähnlicher kleinerer Furchen, teils noch mit Wasser gefüllt, teils im Lauf der Zeit versumpft und verlorst, zeugt von den alten Gletschertoren in diesem Winkel. Das breite, mit Kies und Sand erfüllte Stecknitztal führte schließlich die unbändigen Fluten in das allumfassende Elbtal hinaus. Dieses riesige Randtal, das mit einer Anzahl großer Arme (Spree- und LavelNiederung, Teile des Odertales, Warte-, Netze- und Bugtal) bis weit nach Rußland ausholte, nahm zur Löhezeit der dritten Vereisung alle Schmelzwässer von Norden und alle von Süden entgegenkommenden Flüsse, denen das Eis die Ostsee verschloß, in seinen Schoß auf und führte sie hinaus zur Nordsee. Dutzende von breiten Sanddeltas der jetzt ent­ schwundenen Eisströme reihen sich am Elbtalrande entlang. Das große Relief von Schleswig-Lolstein im Altonaer Museum zeigt in wundervoller Klar­ heit solch ein Delta in der Stecknitzgegend, im Norden von den jungen Moränen begrenzt, im Süden ein­ geengt durch die älteren, schon von der Lauptvereisung geschaffenen Löhengelände bei Lauenburg und Boizenburg. Als das Eis sich aus der Ratzeburger Gegend bis hinter Lübeck zurückgezogen hatte, war durch die frisch entstandene Moränenlandschaft den Gewässern der Ablauf zur Elbe erschwert. Sie sammelten sich in der weiten Lübecker Niederung, die eigentlich eine Fortsetzung der Neustädter Bucht über der Wasserlinie darstellt, zu einem großen Stausee an; dieser stieg so hoch, bis er einen Aus­ fluß nach der Stecknitz erlangte. Alte, hohe Wasser­ standsmarken in den Gestaden des Ratzeburger Sees

bezeichnen seine Spiegelhöhe. Am Boden des Stau­ sees bildeten sich aus Gletscherschlamm mächtige Ton lag er. Wenn man diese in den Ziegeleigruben heute betrachtet, so sieht man, daß der Ton durch zahlreiche feine Sandschichten ganz regelmäßig ge­ bändert ist. Man hat nun die Vermutung ausge­ sprochen, daß jede dieser Sandschichten in einem Sommer abgesetzt sei, wo die Eisschmelze stärker und die Wasserbewegung lebhafter war, und jede Ton­ schicht in der stillen Winterszeit. Eine Sandschicht und eine Tonschicht zusammen würden dann ein Schmelzjahr bedeuten, und danach ist allein die obere Abteilung des Lübecker „Beckentones" auf 90 Jahre Ablagerungszeit geschätzt worden. Der See hat wahrscheinlich gegen dreihundert Jahre bestanden.*) In dieser langen Zeit hat er sich denn auch mit einem zwar klimatisch anspruchslosen, aber doch ganz kräftigen Pflanzen- und Tierleben bereichert, von dem an verschiedenen Stellen, z. B. bei Schlutup, Über­ reste im Ton und Seesand gefunden sind. Äechte, Teichmuscheln, Laichkraut, Froschlöffelkraul usw. fanden damals schon ihr Gedeihen. Renntiere weideten an den Ufern, und primitive Menschenhorden, be­ waffnet mit Knochenspeeren und rohen Steinäxten, jagten das Wild.**) *) Vielleicht mit einer Unterbrechung, in der er ablief und teilweise sandiger Flußooden wurde. •*) Vergl. die von der Preußischen geologischen Landesanstalt veröffentlichten geologischen Spezialkarren der Lübecker Gegend (B'ärrer Lübeck,