127 79 58MB
German Pages 1394 [1395] Year 1971
Ulrich von Lübtow I Erbrecht I. Halbhand
Ulrich von Lühtow
ERBRECHT Eine systematische Darstellung
1. Halbband
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berl!n 41 Gedruckt 1971 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany
© 1971 Duncker
ISBN 3 428 02529 6
Ilse von Lübtow geborenen Corswandt
coniugi carissimae meae
Vorwort Dieses Buch ist aus meinen langjährigen erbrechtliehen Vorlesungen entstanden. Es richtet sich daher vornehmlich an die Lernenden. Mein Wunsch ging dahin, den Studenten zum erbrechtliehen Denken anzuleiten und ihn bei wichtigen Streitfragen zu eigener Prüfung und Entscheidung zu befähigen. Denn nur dann wird er in Wahrheit studieren und bleibende Früchte seiner Arbeit davontragen, wenn er über unfruchtbares mechanisches Lernen hinaus zum wissenschaftlichen Verstehen gelangt. Notwendig ist ein fortgesetzesEindringen in den inneren Zusammenhang des Normensystems, der alle Einzelheiten zu einem Ganzen verbindet und über Grund und Zweck der jeweiligen Bestimmung des Gesetzes zuverlässige Antwort gibt. Notwendig ist eine Beschäftigung mit vielen Einzelproblemen, da anders das große Ganze nicht erfaßt werden kann. Um die erbrechtliehen Normen zu verstehen, sind wir genötigt, denselben Weg zu bewältigen, den der Gesetzgeber zurückgelegt hat. Minuziöse Detailarbeit läßt sich nicht durch die Betrachtung der Dinge von "großen Gesichtspunkten" aus ersetzen. Nur die sorgfältige Untersuchung der Einzelfragen ermöglicht erst das Gesamtbild. Darum muß ein Lehrbuch mehr als ein bloßes Einpaukinstrumentsein wollen, muß selbst forschen und ringen nach der Wahrheit, und deshalb ist ein oberflächlicher Grundriß ein völlig ungeeignetes BildungsmitteL Auf begriffliche Klarheit und Prägnanz, auf die Darstellung der inneren Zusammenhänge der Rechtssätze und Rechtsinstitute, auf übersichtliche Gliederung des gesamten Stoffgebiets wurde besonderes Gewicht gelegt. Die angeführten Beispiele sollen die rechtliche Gestaltung verdeutlichen und das Mit- und Nachdenken erleichtern. Die eingehende Heranziehung von Schrifttum und Rechtsprechung hilft vielleicht auch dem bereits in der Praxis tätigen Juristen, sich in dem schwierigen Gebiet des Erbrechts zurechtzufinden. Es ist auch die ältere Literatur berücksichtigt worden, die in den heutigen Erbrechtslehrbüchern meist zu kurz kommt. Bei Streitfragen sind in der Regel Meinung und Gegenmeinung gegenübergestellt, und es wird dargelegt, welche Gründe für die Lösung des betreffenden Problems entscheidend sind. Natürlich treten die Eigenart eines Schriftstellers und seine Neigungen stets an dem zu Tage, was er darbietet und wie er es schildert. So wird voraussichtlich mancher diese oder jene Lücke beklagen. Aber das
VIII
Vorwort
muß ich in Kauf nehmen. Es handelt sich ja nicht um ein Handbuch, das Vollständigkeit anstrebt. Von einer Heranziehung des Erbschaftssteuerrechts ist Abstand genommen, da es als ein Stück des öffentlichen Rechts nicht in die Darstellung eines Teils der Privatrechtsordnung gehört. Ebenso mußte auf eine rechtsvergleichende Schilderung des Erbrechts leider verzichtet werden. Sie würde den Rahmen des Lehrbuchs sprengen. Die übliche äußerst knappe Anführung von erbrechtliehen Regelungen, die sich in den Gesetzgebungen fremder Länder finden, ist bei weitem keine Rechtsvergleichung. Eine solche bedeutet nämlich nicht mechanisches Nebeneinanderstellen fremder und einheimischer Rechtssätze, sondern zeigt den möglichen Vorrat von Lösungen menschlicher Rechtsprobleme, zeigt, welche Erwägungen in den einzelnen Rechtsordnungen zu der einen oder anderen Gestaltung geführt haben. Eine Quellensammlung mit systematischen Darstellungen des materiellen Erbrechts und des Kollisionsrechts der wichtigsten Staaten geben FeridFirsching in ihrem Werk "Internationales Erbrecht", Band I bis IV, 1969. Wichtiger als die vergleichende Heranziehung fremden Rechts ist in einem Lehrbuch die historische Erfassung und Beherrschung des eigenen Rechts. Deshalb wurde im Rahmen des Möglichen an den geschichtlichen Werdegang angeknüpft. Das BGB bildet den vorläufigen Abschluß der Entwicklung des bürgerlichen Rechts in den Jahrhunderten, die vor uns gewesen sind. Es kann nur im Zusammenhang mit dieser Entwicklung tiefer erfaßt und verstanden werden. Gerade die Gegenüberstellung des früheren Rechtszustandes mit dem heutigen läßt uns die eingetretenen Wandlungen besser erkennen und richtiger einschätzen. Die starke Untergliederung des Textes dient dazu, den Rechtsstoff überschaubar zu machen. Ich habe mich vor einer allzu komprimierten Formulierung des Textes in acht genommen, da sie das Verständnis und die Lesbarkeit erschwert. Mir erschien eine etwas breitere Textgestaltung geboten. Für die Benutzung des Buches ist es notwendig, daß der Leser die angeführten Paragraphen des Gesetzes immer wieder nachliest. Sonst ist das Studium wertlos. Herzlich danke ich dem Akademischen Oberrat Herrn Dr. Thielmann und dem Assistenzprofessor Herrn Dr. Rarder für ihre Mitarbeit. Wir haben eine große Zahl von Problemen miteinander besprochen. Außerdem hat Herr Dr. Thielmann das Sachregister, Herr Dr. Rarder das Verzeichnis der Quellenstellen angefertigt. Beide Herren waren, ebenso wie Herr Referendar Welfgang Steins, auch am Korrekturlesen beteiligt. Meiner Sekretärin, Frau Ursula Wilberg, danke ich sehr für die gewissenhafte und sorgfältige Anfertigung des Maschinenmanuskripts.
Vorwort
IX
Mein besonderer Dank gilt schließlich Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Broermann, der sich ohne Zögern bereit erklärte, das Werk trotz des großen Umfangs und der zu erwartenden technischen Schwierigkeiten in sein Verlagsprogramm aufzunehmen. Berlin, im Dezember 1968
UZrich von Lübtow
Das Manuskript wurde im Juni 1969 abgeschlossen. Später eingetretene Gesetzesänderungen sowie wichtige Literatur und Judikatur sind berücksichtigt worden.
Inhalt Erster Halbband Einleitung
Allgemeine Grundlagen der Erbfolge I. Begriff, Geschichte, Zweck und Rechtfertigung des Erbrechts . . . . . . . .
1
li. Die Gesetze des deutschen Erbrechts und ihr Geltungsbereich . . . . . . a) Die Gesetzesquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der zeitliche Geltungsbereich des Erbrechts des BGB . . . . . . . . . . . . c) Das räumliche Anwendungsgebiet des Erbrechts des BGB (internationales Privaterbrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 22 24
111. Grundbegriffe und Grundlinien des Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
IV. Die Stoffgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
24
1. Hauptteil
Die Berufung zur Erbschaft 1. Abschnitt. Berufung kraft Gesetzes (gesetzliche Erbfolge)
39
1. Kapitel. Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten (Parentelenordnung)
39
§ 1.
Die Parentelenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
§ 2.
Die einzelnen Ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
§ 3.
Die erbrechtliche Stellung des nichtehelichen Kindes . . . . . . . . . .
55
2. Kapitel. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
§ 1.
Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
§ 2.
Der Umfang des Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Erbquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der gesetzliche "Voraus" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63 63 80
3. Kapitel. Ausschluß der Verwandten und des Ehegatten von der gesetzlichen Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
§ 1.
Enterbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
§ 2.
Der Verzicht auf die Erbschaft, ihre Ausschlagung und die Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
Inhalt
XII
87
4. Kapitel. Das gesetzliche Erbrecht des Staates § 1.
Geschichtliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
§ 2.
Die Regelung des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
5. Kapitel: Änderung der erbrechtliehen Lage durch Wegfall eines kraft Gesetzes als Miterben Berufenen vor oder nach dem Tode des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 § 1.
Ersatzberufung (Eintrittsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
§ 2.
Erhöhung des gesetzlichen Erbteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
2. Abschnitt. Rechtsgeschäftliche Anordnungen von Todes wegen . . . . . . . .
97
1. Kapitel. Begriff und Arten der Verfügungen von Todes wegen . . . . . .
97
§ 1.
Die Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
§ 2.
Die Zuwendungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
2. Kapitel. Die Testierfreiheit und ihr Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 § 1.
Der Umfang der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
§ 2.
Der Schutz der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
3. Kapitel. Überblick über den möglichen Inhalt der Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 § 1.
Der Normalinhalt
107
§ 2.
Die verschiedenen inhaltlichen Gestaltungsarten .............. A. Letztwillige Verfügungen mit erbrechtlichem Inhalt ...... B. Letztwillige Verfügungen mit familienrechtlichem Inhalt .. C. Verfügungen aus dem Gebiet des Allgemeinen Teils ...... D. Verfügungen aus dem Schuldrecht ........................ E. Schiedsgerichtsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107 107 111 112 112 113
§ 3.
Die Auswahl der zulässigen letztwilligen Anordnungen durch den Erblasser .............................................. 115
4. Kapitel. Die Form der Verfügungen von Todes wegen .............. 116 § 1.
Der Zweck der Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
§ 2.
Geschichtliche Entwicklung der Testamentsformen ............ A. Das römische Recht .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. . B. Das Gemeine Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Partikularrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Testamentsformen des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117 117 123 124 126
5. Kapitel. Das Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 § 1.
Begriffsbestimmung
§ 2.
Einzeltestament und gemeinschaftliches Testament
........................................ 134 . . . . . . . . . . 135
Inhalt: 1. Halbband § 3.
§ 4.
§ 5. § 6.
§ 7.
§ 8.
§ 9.
XIII
Die Errichtung des Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die persönliche Errichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Unzulässigkeit der Entscheidung durch einen Dritten . . . . . . C. Die Fähigkeit zur Errichtung eines Testaments ............ D. Die Formen der Errichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. überblick ............................................ II. Vergleich des öffentlichen Testaments und des Privattestaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedeutung und Auslegung der Formvorschriften . . . . . . IV. Die ordentlichen Testamentsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das eigenhändige Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das öffentliche Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die außerordentlichen Testamentsformen (Nottestamente) .............................................. a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Nottestament vor dem Bürgermeister . . . . . . . . . . c) Nottestament bei Absperrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Dreizeugentestament bei naher Todesgefahr . . . . e) Das Seetestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gültigkeitsdauer der außerordentlichen Testamente Die Aufhebung des Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Aufhebung durch Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Aufhebung durch späteres widersprechendes Testament Eröffnung des Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Auslegung des Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Allgemeine Auslegungsvorschriften B. Besondere gesetzliche Auslegungsvorschriften für Zuwendungen .................................................. C. Die Ergänzungsregel des § 2077 bei Nichtigkeit der Ehe und bei Auflösung der Ehe oder des Verlöbnisses .............. Ergänzung und Korrektur des Testaments durch den Richter .. A. Das Ziel der Testamentsergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Rechtsgrundlagen der Testamentsergänzung . . . . . . . . . . C. Testamentsergänzung und Formbedürftigkeit letztwilliger Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Das Verhältnis der richterlichen Testamentsergänzung zu den gesetzlichen Ergänzungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Korrektur letztwilliger Verfügungen beim Motivirrtum .... Nichtigkeit und Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen .... A. Die Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Unwirksamkeit ...................................... Die Anfechtbarkeit letztwilliger Verfügungen ................ A. Vergleich der erbrechtliehen Bestimmungen mit den allgemeinen Vorschriften über die Anfechtung von Willenserklärungen .............................................. B. Anfechtung, Auslegung und Korrektur des Testaments ....
135 135 138 147 156 156 156 157 159 159 170 219 219 220 225 226 230 231 233 233 255 255 264 264 282 292 294 294 296 299 301 302 305 305 316 318 318 319
Inhalt
XIV C. D. E. F. G.
Die Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Anfechtungsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Anfechtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Fristen für die Anfechtung ............................ Leistungsverweigerungsrecht nach Versäumung der Anfechtungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Die Bestätigung der anfechtbaren Verfügung .............. I. Wirkung der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
319 328 330 332 336 336 338
6. Kapiiel. Besonders wichtige Anordnungen des Erblassers . . . . . . . . . . 340 § 1.
Bedingungen und Befristungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
§ 2.
Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Begriff und Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erbeinsetzung im Gegensatz zum Vermächtnis ............ C. Einsetzung mehrerer Erben zu Bruchteilen . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der Ersatzerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Der Nacherbe ............................................
353 353 353 356 362 366
§ 3.
Das Vermächtnis ............................................ A. Der Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Gegenstand des Vermächtnisses ...................... C. Die am Vermächtnis beteiligten Personen ................ D. Schranken der Wirksamkeit der Vermächtnisse ............ E. Der Erwerb des Vermächtnisses ..........................
366 366 368 375 380 383
§ 4.
Die Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
7. Kapitel. Der Erbvertrag .......................... . ............... 397 § 1.
Begriff, Inhalt und Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
§ 2.
Verbindung des Erbvertrags mit einem Verpfründungsvertrag 404
§ 3.
Abschluß des Erbvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410
§ 4.
Auslegung des Erbvertrags .................................. 416
§ 5.
Wirkungen des Erbvertrags .................................. A. Bindung des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wirkung auf frühere oder spätere Verfügungen von Todes wegen des Vertragserblassers ............................ C. Wirkung auf Verfügungen unter Lebenden ................
417 417 418 429
§ 6.
Nichtigkeit und Unwirksamkeit eines Erbvertrags ............ 443
§ 7.
Die Beseitigung eines Erbvertrags ............................ A. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Einverständliche Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rücktritt des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
444 444 450 458
§ 8.
Gemeinschaftlicher Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468
§ 9.
Verbindung letztwilliger Verfügungen mit einem Erbvertrag .. 473
Inhalt: 1. Halbband
XV
8. Kapitel. Das gemeinschaftliche Testament .......................... 476 § 1.
Begriff, Entstehungsgeschichte und Stufen .................... 476
§ 2.
Unterschied von gemeinschaftlichem Testament und Erbvertrag 482
§ 3.
Die Zulässigkeit des gemeinschaftlichen Testaments . . . . . . . . . . 482
§ 4.
Die Formen der Errichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
§ 5.
Korrespektive Verfügungen .................................. 490
§ 6.
Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
§ 7.
Anfechtung ................................................. A. Zu Lebzeiten beider Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Nach dem Tode eines Ehegatten .......................... C. Anfechtung nach dem Tode des überlebenden Ehegatten . .
§ 8.
Verfügungen des überlebenden Ehegatten inter vivos ........ 518
§ 9.
Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments
512 512 512 516 519
3. Abschnitt. Erbverzichtsvertrag ...................................... 523 § 1.
Begriff, Struktur und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523
§ 2.
Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528
§ 3.
Der Umfang des Erbverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529
§ 4.
Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
§ 5.
Erbverzicht und Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532
§ 6.
Erweitertes Anwendungsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
§ 7.
Aufhebung .................................................. 542
4. Abschnitt. Das Pflichtteilsrecht ...................................... 545 § 1.
Begriff und Struktur des Pflichtteilsrechts; sein Unterschied zum Pflichtteilsanspruch sowie sein Zweck, historisch und rechtspolitisch betrachtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545
§ 2.
Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten und ihre Reihenfolge .. 556
§ 3.
Die Berechnung des Pflichtteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Feststellung des Erbteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Abschätzung des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Berücksichtigung von Vorausempfängen bei der Pflichtteilsberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 4.
Der Pflichtteilsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57{)
§ 5.
Der Träger der Pflichtteilslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588
§ 6.
Der Anspruch auf rechnerische Ergänzung des Pflichtteils wegen Schenkungen des Erblassers unter Lebenden (sogenannter außerordentlicher Pflichtteil) ................................ 591
§ 7.
Entziehung und Beschränkung des Pflichtteils ................ 603
561 561 562 563
XVI
Inhalt
§ 8.
Das Pflichtteilsrecht des Ehegatten nach §§ 2303 II S. 2, 1371 . . 612
§ 9.
Der Pflichtteil der Abkömmlinge und der Eltern, wenn der überlebende Ehegatte zum Alleinerben eingesetzt ist . . . . . . . . . . 616
Zweiter Halbband 2. Hauptteil
Die Rechtsstellung des künftigen Erben und des künftigen Vermächtnisnehmers vor dem Erbfall (Anwartschaften). Anwartschaften und Anwartschaftsrechte n a c h dem Erbfall 1. Kapitel. Die erbrechtliche Anwartschaft und ihre Stufen . . . . . . . . . . . . 617
2. Kapitel. Anwartschaften vor dem Erbfall .......................... 618 § 1.
Die Anwartschaft auf die Rechtsstellung eines gesetzlichen Erben ...................................................... 618
§ 2.
Die Anwartschaft auf die Rechtsstellung eines testamentarischen Erben und eines Vermächtnisnehmers .................. 620
§ 3.
Die Anwartschaft des sogenannten Vertragserben und des Schlußerben des Deutschen gemeinschaftlichen Testaments (§ 2269 I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622
§ 4.
Die Anwartschaft des Vertragsvermächtnisnehmers .......... 625
3. Kapitel. Anwartschaften und Anwartschaftsrechte nach dem Erbfall 628 § 1. Die rechtlich gesicherte Anwartschaft des Ersatzerben ........ 628 § 2.
Das Anwartschaftsrecht des Nacherben ...................... 629
§ 3.
Die rechtlich gesicherte Anwartschaft des Ersatznacherben .... 634 3. Hauptteil
Der Erwerb der Erbschaft 1. Kapitel. Die Voraussetzungen ...................................... 637 § 1.
Der Tod eines Menschen
§ 2.
Die Berufung zum Erben
637
§ 3.
639 Die Erbfähigkeit des Berufenen .............................. 640
§ 4.
Das Erfordernis der Koexistenz des Erben mit dem Erblasser. . 643
2. Kapitel. Der Vermögensübergang bei der Erbfolge ................ 647 § 1.
Die Gestaltung des Erbschaftserwerbs ........................ 647
§ 2.
Die erbrechtliche Gesamtnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663
§ 3.
Der Nachlaß und sein Umfang .............................. 667
Inhalt: 2. Halbband
XVII
3. Kapitel. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
675
§ 1.
Struktur von Annahme und Ausschlagung .................. 675
§ 2.
Die Annahme im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675
§ 3.
Die Ausschlagung im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679
§ 4.
Sonstige Voraussetzungen der Gültigkeit von Annahme und Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693
§ 5.
Die Anfechtung der Annahme und Ausschlagung wegen Willensmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705
4. Kapitel. Anfechtung des Erbschaftserwerbs bei Erbunwürdigkeit .... 716 § 1.
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716
§ 2.
Die Erbunwürdigkeitsgründe im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 720
§ 3.
Der Wegfall der Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727
§ 4.
Geltendmachung und Wirkung der Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . 729
§ 5.
Versagung des Anfechtungsrechts ............................ 741
§ 6.
Die Unwürdigkeit des Vermächtnisnehmers und des Pflichtteilsberechtigten ............................................ 743 4. Hauptteil
Die Rechtsstellung der Erbschaft und des Berufenen
im Zwischenstadium bis zur Annahme der Erbschaft 1. Kapitel. Die Rechtsstellung des Berufenen ........................ 747 § 1.
Die Verwaltungshandlungen des Berufenen .................. 748
§ 2.
Einseitige, dem Erben gegenüber vorzunehmende Rechtsgeschäfte ................................................... 751
§ 3.
Schutz vor gerichtlichem Vorgehen der Nachlaßgläubiger . . . . 752
§ 4.
Aktivprozesse des Berufenen ................................ 752
2. Kapitel. Fürsorge des Nachlaßgerichts ....................... - ..... 753 § 1.
Die Voraussetzungen ........................................ 753
§ 2.
Die einzelnen Maßnahmen des Nachlaßgerichts . . . . . . . . . . . . . . A. Sicherstellung der Nachlaßgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anordnung einer Nachlaßpflegschaft ...................... C. Fürsorge für den noch ungeborenen, aber schon erzeugten und für den noch nicht erzeugten Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . .
753 754 754 760
5. Hauptteil Die Rechtsstellung der Erbschaft und des Erben nach der Annahme 1. Kapitel. Das sogenannte subjektive Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765
XVIII
Inhalt
2. Kapitel. Die rechtliche Vereinigung des Nachlasses mit dem Privatvermögen des Erben (confusio bonorum) und ihre Wirkungen . . . . . . 770 § 1.
Die Vereinigung ............................................ 770
§ 2.
Die Wirkungen der Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770
§ 3.
Die Frage der Vereinigung bei Eintritt der Erbengemeinschaft 792
3. Kapitel. Konvaleszenz gemäß § 185 II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 793 § 1.
Wirksamwerden von Verfügungen des Erben ................ 793
§ 2.
Wirksamwerden von Verfügungen des Erblassers . . . . . . . . . . . . 793
4. Kapitel. Die Miterbengemeinschaft ................................ 795 § 1.
Die Miterbengemeinschaft als Gemeinschaft zur gesamten Hand ........................................................ 795
§ 2.
Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800
§ 3.
Der Grundsatz der dinglichen Ersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800
§ 4.
Die Verwaltung des Nachlasses .............................. 801
§ 5.
Die Verfügung des Miterben über seinen Anteil am Nachlaßganzen und über seinen Anteil an den einzelnen Nachlaßgegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813
§ 6.
Die Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 827
§ 7.
Die Ausgleichung von Vorempfängen ........................ 843
§ 8.
Erbengemeinschaft und Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859
5. Kapitel. Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 868 § 1.
Begriff, Zweck und geschichtliche Entwicklung der Nacherbfolge ........................................................ 868
§ 2.
Die Anordnung der Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871
§ 3.
Die Bestimmung des Nacherben und des Zeitpunkts der Nacherbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878
§ 4.
Die Anwartschaftsrechte des Nacherben ...................... 880
§ 5.
Annahme und Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885
§ 6.
Die Rechtsstellung des nicht befreiten Vorerben bis zum Eintritt der Nacherbfolge ....................................... 886
§ 7.
Die Rechtsstellung des befreiten Vorerben bis zum Eintritt der Nacherbfolge ................................................ 902
§ 8.
Die Rechtsstellung des Ersatznacherben ...................... 906
§ 9.
Der Nacherbfall und seine Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 907
§ 10.
Die beiden typischen Gestaltungen des gemeinschaftlichen Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das echte "Berliner Testament" .......................... B. Das "Deutsche gemeinschaftliche Testament" . . . . . . . . . . . . . . C. Die Auslegungsregel des § 2269 I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
913 913 914 914
Inhalt: 20 Halbband
XIX
Do Die Auslegungsregel des § 2269 II ooooooooo0ooooooooooooo0 917 Eo Wiederverheiratungsklausel 00oo000oooooooooo0o0ooo0o0o0oo 918 6o Kapitel. Die Vollziehung der Verfügungen von Todes wegen o00o0ooo 922 § 1. Regelmäßiger Vollzug o o0ooo00oooooooooooooooooo00ooo00o0oooo 922 § 2o
Die Testamentsvollstreckung 00ooooo00oooooooooo0000000000000 922 Ao Zweck und Begriff des Testamentsvollstreckers 000000000000 922 Bo Rechtliche Struktur der Testamentsvollstreckung 000000000o 923 Co Begründung der Testamentsvollstreckung 0000000000000000 932 Do Regelmäßiger Wirkungskreis des Testamentsvollstreckers oo 940 Eo Erweiterter und beschränkter Aufgabenkreis des Testamentsvollstreckers o 00oo0o000 o0oo00ooooooooo00oooo0000oooo 970 Fo Das Testamentsvollstreckerzeugnis 000000000000000000000000 975 Go Die Rechtsstellung des Erben o 00o00000000o00000000000o0ooo 979 Ho Mehrheit von Testamentsvollstreckern oooooo00oooooooooo•• 991 I. Testamentsvollstreckung und Handelsrecht ••. 0• . • . . . . • . . • . 992 J. Ende des Amtes ... 00.•. o.• 0••. 0••.. 0•....•.. 0. 0. 000.. 00. . 994
7. Kapitel. Der Erbschein ••.••.. 0.•• 0..• 0.•• 0•. 000. 0...... 00•.. 00. 00.1001 § 1. Begriff und Zweck des Erbscheins 00000000000. 00000000000000001001 § 20
Form, Inhalt und Arten des Erbscheins 0000. 000000000000000•. 1003
§ 3o
Die Erteilung des Erbscheins 00000000000000. 0000•... 0000000001012
§ 4. Die Wirkungen des Erbscheins 000000000• 000000000000000000001020 § 5o
Die Unrichtigkeit des Erbscheins 0000000000000000.. 0000.. 000ol032
8o Kapitel. Der Erbschaftsanspruch • 00. 00000000000000000000000000000001037 § 1.
Geschichtliches und Rechtsvergleichendes . 000000. 00000000000o1037
§ 20
Zur Redaktionsgeschichte 0. 0000o00000000• 00o• 00000000000000001041
§ 3.
Die rechtliche Struktur des Erbschaftsanspruchs .. 0000000000001042
§ 4o Die Parteien der Erbschaftsklage 000. 00.. 000. 00000000. 00000. 01047 § 5o Der Gegenstand der Erbschaftsklage • 0000000000. 00000000000001053 § 6o
Die Verwendungen des Erbschaftsbesitzers 00000000000000000001060
§ 7o Die Singulareinreden des Erbschaftsbesitzers oo000oo000ooooo01063 § So Die Auskunftsansprüche des Erben 000... 000000000000000. 000o1063 § 9o Verjährung und Ersitzung 0 . 0. 00000000000000000000. 00000000001065 § 10o
Prozessuales 0. 000. 00000000000000000000. 000000000... 00000000o1067
§11.
Erschaftsanspruch und gewöhnliche Verkehrsansprüche (Einzelklagen) • 00000000000000000000000000. 0000000.• 000000000000.. oo1070
§ 12o Der Herausgabeanspruch des für tot Erklärten • 00000o0000o0ool073
XX
Inhalt
9. Kapitel. Die Veräußerung der Erbschaft als eines Ganzen .......... 1075 § 1.
Der Erbschaftskauf .......................................... 1075 A. Begriff und Bedeutung ................................... 1075 B. Der Unterschied zwischen dem Kauf der ganzen Erbschaft und demjenigen eines Anteils am Nachlaß sowie dem eines Bruchteils davon .......................................... 1076 C. Die Form des Vertrages .................................. 1077 D. Die Regelung des Rechtsverhältnisses unter den Parteien im allgemeinen ........................................... 1078 E. Die Pflichten der Parteien ................................ 1080 F. Die Haftung der Parteien gegenüber den Nachlaßgläubigern ..................................................... 1085
§ 2.
Andere auf Veräußerung einer Erbschaft gerichtete Verträge ....................................................... 1085
10. Kapitel. Die Haftung des Alleinerben und der Miterben für die Nachlaßverbindlichkeiten ............................................... 1088 § 1.
Das Erbenhaftungsproblem .................................. 1088
§ 2.
Der Begriff der Nachlaßverbindlichkeiten .................... 1095
§ 3.
Die Haftung des Alleinerben ................................ 1100 A. Das Haftungsprinzip des BGB ............................ 1100 B. Die Ausgestaltung der Erbenhaftung im einzelnen ........ 1104 I. Die Haftung bis zur Annahme der Erbschaft .......... 1104 II. Die Haftung nach der Annahme der Erbschaft .......... 1104 a) Die aufschiebenden Einreden der Schonungsfristen .. 1104 b) Die Errichtung eines Nachlaßinventars und die unbeschränkbare Haftung des Erben .................... 1106 c) Die Mittel der Haftungsbeschränkung auf den Nachlaß ................................................ 1117 1. Die Mittel der Haftungsbeschränkung einzelnen Nachlaßgläubigern gegenüber bei Ausschließung im Aufgebotsverfahren und bei Verschweigung: Erhebung der Erschöpfungseinrede oder der Einrede der Haftung nur mit dem Überschuß, der nach Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger verblieben ist ................................... 1117 2. Die Haftungsbeschränkung des Erben auf den Nachlaß allen Nachlaßgläubigern gegenüber durch Nachlaßverwaltung oder Nachlaßkonkurs ........ 1128 ~) Gemeinsame Regeln .......................... 1128 ß) Die Nachlaßverwaltung ...................... 1134 r) Der Nachlaßkonkurs .......................... 1151 3. Die Einreden der Haftungsbeschränkung bei erschöpftem oder bei dürftigem Nachlaß ............ 1165 4. Die Haftungsbeschränkung des Erben bei Überschuldung des Nachlasses durch Vermächtnisse und Auflagen ........................................ 1175
Inhalt: 2. Halbband § 4.
XXI
Die Haftung der Miterben .................................. 1178 A. Die Problemstellung ...................................... 1179
B. Der Begriff der Teilung des Nachlasses .................... 1179 C. Die Haftung bis zur Nachlaßteilung ...................... 1180 D. Die Haftung nach der Teilung des Nachlasses .............. 1187 E. Lastenausgleich im Verhältnis der Miterben untereinander .. 1198 F. Die Frage der Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit sowie von Recht und Belastung bei Eintritt der Erbengemeinschaft. Der Miterbe als Nachlaßgläubiger und als Nachlaßschuldner ............................................. 1199 § 5.
Haftung bei Veräußerung der Erbschaft ...................... 1207
§ 6.
Haftung bei der Übertragung von Anteilen am Nachlaß ...... 1209
§ 7.
Schuldenhaftung bei Nacherbfolge ............................ 1212 A. Vor dem Nacherbfall ...................................... 1212 B. Nach dem Nacherbfall .................................... 1212
§ 8.
Das Verhältnis der Testamentsvollstreckung zu den Vorschriften über die Haftung des Erben für die Nachlaßschulden ...... 1216 6. Hauptteil
Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf den Todesfall 1. Kapitel. Die Schenkung von Todes wegen .......................... 1221 § 1.
Überblick ................................................... 1221
§ 2.
Das Schenkungsversprechen ................................. 1224
§ 3.
Die vollzogene Schenkung ................................... 1227
2. Kapitel. Entgeltliche Geschäfte unter Lebenden auf den Todesfall .. 1230 3. Kapitel. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall ................ 1232 4. Kapitel. Auftrag und Vollmacht über den Tod hinaus und auf den Todesfall ......................................................... 1239 § 1.
Auftrag mit voller Wirkung schon zu Lebzeiten des Auftraggebers ...................................................... 1239
§ 2.
Vollmacht auf den Todesfall aufgrund des sogenannten mandaturn post mortem ......................................... 1240
Quellenregister für beide Halbbände .................................. 1251 Sachregister für beide Halbbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1277
Schrifttum I. Lehrbücher und Grundrisse 1. Strohal, Das deutsche Erbrecht, 3. Aufi., 2 Bde., 1903/04 (= Strohal I, II). 2. Strohal, Grundriß des deutschen Erbrechts, 1914 (= Strohal, Grundriß). 3. Windscheid-Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. III, 9. Aufi., 1906, mit vergleichender Darstellung des Erbrechts des BGB (= WindscheidKipp III). 4. Dernburg-Engelmann, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens, Bd. V, Deutsches Erbrecht, 3. Auf!.., 1911 (= Demburg-Engelmann V). 5. Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. V, Erbrecht, 1912 (= CromeV). 6. Kretzschmar, Das Erbrecht des Deutschen BGB, 2. Aufi., 1913 (= Kretzschmar). 7. Meyer, Paul, Das Erbrecht des BGB, 1.-7. Lieferung, 1904/21; 1.-3. Lieferung in 2. Aufi., ( = P. Meyer). 8. von Blume, Erbrecht, 2 Bde., 1913 (Sammlung Göschen)(= von Blume I, II). 9. Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. III, Erbrecht, 1. und 2. Hälfte, 8. und 9. Aufi., 1919/20 (= Endemann III 1, III 2). 10. Endemann, Erbrecht des BGB, 1923 ( = Endemann, Grundriß). 11. Cosack-Mitteis, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, 2. Abteilung, 7. und 8. Auf!.., 1924 (die §§ 112-187 behandeln das Erbrecht, bearbeitet von Cosack) (= Cosack). 12. Siber, Erbrecht, 1928 (= Siber, Grundriß). 13. Kipp, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. V, Das Erbrecht, 8. Bearbeitung, 1930 (= Kipp). 14. Binder, Erbrecht, 2. Aufi., 1930 (=Binder, Grundriß). 15. Jung, Bürgerliches Recht in: Das gesamte Deutsche Recht, Bd. I, 1931, hrsg. von R. Stammler (die§§ 304-345 behandeln das Erbrecht)(= Jung). 16. Isele, Familie und Familienerbe, 1938. 17. Dietz, Erbrecht, 1949 (= Dietz). 18. Schmidt, Rudolf, Bürgerliches Recht, Bd. V, Erbrecht, 2. Aufi., 1955 (= R. Schmidt). 19. Lange, Heinrich, Lehrbuch des Erbrechts, 1962 (=Lange). 20. Kipp-Coing, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. V, Erbrecht, 12. Bearbeitung, 1965 (= Kipp-Coing). 21. Brox, Erbrecht, 1966 ( = Brox). 22. Bartholomeyczik, Erbrecht, 8. Auf!.., 1968 (= Bartholomeyczik).
XXIV
Schrifttum
11. Kommentare 1. Kommentar zum BGB von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern, Bd. V, 1. und 2. Teil, Erbrecht, 11. Aufl., 1960/61, bearbeitet von Johannsen und
Kregel. 2. Leonhard, Franz, Erbrecht, 2. Aufl., 1912. 3. Plancks Kommentar zum BGB, Bd. V, Erbrecht, 4. Aufl., 1930, bearbeitet von Flad, Ebbecke, Strecker und Greiff. 4. von Staudingers Kommentar zum BGB, Bd. V, 1. Teil, 11. Aufl., 1954, bearbeitet von Boehmer, Lehmann und Seybold; 2. Teil 10./11. Aufl., 1960, bearbeitet von Dittmann, Ferid, Firsching und Lehmann. 5. Soergel-Siebert, Kommentar zum BGB, 9. Aufl., 1961, Erbrecht, bearbeitet von Ehard und Eder. 6. Erman, BGB Handkommentar, 4. Aufl., 1967, Erbrecht, bearbeitet von Bartholomeyczik und Hense. 7. Palandt, BGB Kurzkommentar, 28. Aufl., 1969, Erbrecht, bearbeitet von Keidel. 8. Vogels-Seybold, Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen, 4. Aufl., 1949.
111. Häufiger zitierte erbrechtliche Monographien 1. Meischeider, Die letztwilligen Verfügungen nach dem BGB, 1900. 2. Binder, Die Rechtsstellung des Erben nach dem deutschen BGB, I. Teil, 1901; II. Teil, 1903, Ill. Teil, 1906 (= Binder I, II, Ill). 3. Kreß, Die Erbengemeinschaft nach dem BGB, 1903. 4. Riesenfeld, Erbenhaftung I und II, 1916. 5. Boehmer, Erbfolge und Erbenhaftung, 1927. 6. Leopold, Testamentsrecht, 1939 ( = Leopold). 7. von Lübtow, Probleme des Erbrechts, 1967. 8. Eine Art Monographie ist auch die umfangreiche "Einleitung" Boehmers in das Erbrecht bei Staudinger V 11 , 1954, 1 ff.
IV. Rechtspolitische Darstellungen 1. 5 Denkschriften der Akademie für Deutsches Recht 1937-1942 ( = 1., 2. usw. Denkschrift). 2. Siber, Haftung für Nachlaßschulden nach geltendem und künftigem Recht (mit einem Gesetzentwurf), 1937. 3. Derselbe, Vorschläge zur Neuordnung der gesetzlichen Erbfolge (BGB §§ 1924-1936). Mit einem Gesetzentwurf, 1938. 4. Boehmer, Die Vermögensverfassung des deutschen "Hauses", 1943.
V. Für die Praxis Firsching, Nachlaßrecht, 4. Aufl., 1971. Die in Klammern gesetzten Namen stellen die in den Zitaten verwendete Kurzform dar.-§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des BGB.
Einleitung
Allgemeine Grundlagen der Erbfolge I. Begriff, Geschichte, Zweck und Rechtfertigung des Erbrechts
Erbrecht bedeutet die Gesamtheit der Normen, welche die Rechtsnachfolge in den Nachlaß eines Verstorbenen regeln. Eine solche Regelung ist notwendig; denn "Rasch tritt der Tod den Menschen an, Es ist ihm keine Frist gegeben, Es stürzt ihn mitten in der Bahn, Es reißt ihn fort vom vollen Leben" 1 • Daher soll nach römischer Auffassung ein gewissenhafter pater familias keinen Tag verstreichen lassen, ohne durch ein Testament sein Haus für seinen Todesfall zu bestellen1 • Dies ist auch heute noch wünschenswert, weil die gesetzlichen Bestimmungen bei der unendlichen Mannigfaltigkeit der Lebensverhältnisse nicht jedem Einzelfall so Rechnung tragen können, daß das Ergebnis immer der Zweckmäßigkeit und Billigkeit entspricht3 • Liegt kein Testament vor, so hat die Rechtsordnung fürsorglich durch Gesetz geregelt, was mit dem Nachlaß des Verstorbenen geschehen, wer ihn erben soll. Zwischen Familienrecht und Erbrecht besteht eine enge Verbindung. Der natürliche Erbe ist die Familie. Alte deutsche Rechtssprichwörter lauten: "Wer will wohl und selig sterben, der lasse sein Gut den rechten Erben"; denn "Gott, nicht der Mensch macht die Erben". Hieran reiht Schiller, Wilbelm Tell IV, 3 am Schluß. Der alte Cato rechnete zu den drei Dingen, die er sich in seinem Leben zum Vorwurf machte, auch, daß er einmal einen Tag ohne Testament gelebt habe (Plutarch, Cato maior 9, 6). Diese Anekdote, mag sie wahr oder falsch sein, beweist die Testierhäufigkeit bei den Römern (F. Schulz, Prinzipien des römischen Rechts, 1934, 106). Näheres bei von Woeß, Das römische Erbrecht und die Erbanwärter, 1911, 29 ff. 8 Demburg-Engelmann V, 59 f.; Bernhöft, Das Erbrecht, ohne Jahr, 11; Lange, § 9 I, S. 97 f. 1
2
1 v. Lübtow, Erbrecht
2
Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
sich: "Der Nächste im Blut, der Nächste im Gut" 4 • Damit wird die große Bedeutung der Blutsverwandtschaft für das Erbrecht anerkannt. Trotzdem ist es natürlich nicht richtig, das gesetzliche Erbrecht nur auf die biologische Tatsache der Blutsverbundenheit zu gründen und den Erblasser, wenn er kein Testament macht, von den entferntesten Seitenverwandten beerben zu lassen, mit denen er im Leben nicht in den geringsten Beziehungen stand, die ihm sogar völlig unbekannt waren5 • Jedoch entspricht es dem natürlichen Empfinden, daß der Erblasser in erster Linie seine Frau und seine Kinder testamentarisch berücksichtigt und sie nicht ohne Gründe enterbt. "Dem festgewurzelten Rechtssinn des Volkes gelten sie alsdie rechten Anwärter auf den Nachlaß" 8 • Die Stellung des Einzelnen zur Familie und die Stellung der Familie zum Eigentum hat sich geändert. Im Laufe einer langen Entwicklung löste sich nämlich der einzelne mehr und mehr von der Familie los; er betrachtete besonders das von ihm erarbeitete Gut nicht mehr als Eigentum der Familie, sondern als sein Eigentum, über das er unter Lebenden und von Tudes wegen frei verfügen könne 7 • Diese Loslösung des Eigentums aus familienrechtlichen Bindungen mußte notwendig eintreten, je mehr die Volkswirtschaft nicht mehr vorwiegend auf ererbtem Grundbesitz, sondern auf der Entwicklung von Handel und Gewerbe, auf dem Geldwesen beruhte8 • Solange aber das Vermögen hauptsächlich aus ererbtem Landbesitz bestand und das Wirtschaften in der Bestellung des Ackers, solange erschien die Bindung des Vermögens an die Familie naturgegeben9 • Es gehörte ursprünglich nicht dem Familienoberhaupt allein, sondern den jeweiligen Mitgliedern der Familie gemeinsam. Starb das Familienoberhaupt, so trat keine Rechtsnachfolge in das Vermögen ein, es änderte sich nur der Kreis der Gemeinder und die Leitung dieses Kreises 10• Für ein Erbrecht in dem Sinn, daß eine Gesamtnachfolge in das Vermögen des Verstorbenen stattfindet, war damals noch kein Raum. 4 Hillebrand, Deutsche Rechtssprichwörter, 1858, 143 ff.; Graf und Dietherr, Deutsche Rechtssprichwörter, 1869, 200, 204, 206; Osenbrüggen, Die deutschen Rechtssprichwörter, 1876, 12 f. 5 P. Meyer, 115 A. 19; von Blume I, 9 f.; Endemann 111 1, 108, 171 f.; Grundriß, 20; Isele, Familie und Familienerbe, 1938, 98; Kipp-Coing, § 4 V, S. 23; Staudinger-Boehmer, Erbrecht, Einleitung § 4, Randnr. 10; § 5, Randnr. 7; § 7 Randnrn. 7-10, 21; Boehmer, Einführung in das bürgerliche Recht, 1954, 135 ff.; derselbe bei Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte II, 1954, 411 f.; Staudinger-Lehmann, Vorbemerkungen zu§§ 1924--1936, Randnr. 20. s Endemann, a. a. 0., 137. 7 Jung, 1027. 8 Jung a. a. 0. 9 Jung, a. a. 0. to Jung 1097; Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts,
1967, 117.
I. Begriff, Geschichte, Zweck und Rechtfertigung
3
Der Gedanke einer Rechtsnachfolge konnte erst entstehen, als sich Vermögen entwickelte, das dem Familienoberhaupt allein gehört. Der Begriff des Erbrechts setzt also das Sondereigentum des einzelnen zwingend voraus. Der Gedanke des Sondereigentums entsteht zuerst an den Dingen, die dem persönlichen Gebrauch des Rechtsinhabers dienen, wie beispielsweise an Kleidungsstücken, Waffen und Schmuck. Sie sind der Ertrag der individuellen Arbeit des Herstellers. Er ist befugt, sie allein zu benutzen. Nach seinem Tode fallen sie nicht notwendig der Gesamtheit der übrigen Familienglieder zu, sondern demjenigen, den er dafür ausersehen hat11 • Dies ist die erste Form einer echten Erbfolge als eines Nacheinander. Grund und Boden dagegen, die vom einzelnen nicht erarbeitet, sondern ihm überkommen sind, bleiben Länger familiensozial gebunden als die bewegliche Habe12 • Diese geschichtliche Entwicklung spiegelt sich sowohl im römischen wie im germanischen Familien- und Erbrecht wieder, auf deren Grundlagen das heutige deutsche Erbrecht beruht. In den Anfängen weisen römisches und germanisches Erbrecht eine große Ähnlichkeit auf. Das Erbrecht wurzelt in beiden Rechten in der bäuerlichen Hausgemeinschaft, die aus dem Hausherrn, der Hausfrau und den Kindern und Kindeskindern bestand13 • Familia bedeutet bei den Römern ursprünlich das bäuerliche Haus mit seinen freien und unfreien Mitgliedern, also einen Personenverband (persönliche familia), und einen sachlichen Güterkreis (sächliche familia). Das zum Hause gehörige Hab und Gut war gemeinsames Eigentum aller Hausgenossen14 und stand mit dem Tode des Hausherren den Überlebenden zu. Solange das Familienoberhaupt lebt, gilt das henschaftliche Ordnungsprinzip des menschlichen Zusammenlebens. Er hat die Befehlsgewalt über die Seinigen. Sie sind ihm untergeordnet. Nach seinem Tode beruht der Familienverband auf dem genossenschaftlichen Ordnungsprinzip. Es wird vom Gedanken der Nebenordnung getragen. Die Überlebenden stehen gleichberechtigt nebeneinander, ohne herrschaftliche Spitze. Sie setzen einfach die Wirtschaft fort. Die Hausgenossenschaft war "unsterblich" 15 • Nicht das Vermögen des Vaters geht auf die Hausgenossen über; es fällt nur seine Oberleitung weg; ihr bis dahin latentes Recht verwandelt sich in ein aktuelles16 , ein Gedanke, der noch bei den Klassikern nachklingt17 • M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft I\ 1956,226. Jung, 1098. 1a Zum Folgenden siehe von Lübtow, Die entwicklungsgeschichtlichen Grundlagen des römischen Erbrechts in Studi de Francisci I, 1954, 409 ff.; Kaser, Das römische Privatrecht I, 1955, 81 ff., beide mit Quellen und Literatur. 14 Ehrlich, Die Rechtsfähigkeit, 1909, 8; Grundlegung der Soziologie des Rechts, 1913, Neudruck 1929, 90 f. 15 Ehrlich, Grundlegung, 91; M. Weber, a. a. 0., 214. 16 Rabel, Grundzüge des römischen Privatrechts 2 , 1955, 205. 11 Gai. II, 157; Faul. D. 28, 2, 11. Dazu von Lübtow, a. a. 0., 427 ff. 11
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
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Eine Erbfolge in dem technischen Sinn eines Nacheinander gab es noch nicht. Man kann die Herrschaft über das Hausgut Gesamteigentum nennen. Da jedoch in der damaligen Zeit das Schwergewicht auf der äußeren Form der Herrschaft liegt und sich die Vorstellung eines in ihr zum Ausdruck kommenden, sinnlich nicht erfaßbaren Rechts erst allmählich bildet, spricht man richtiger nur von Herrschaft18• Für diese Herrschaft verwendete man bei den Germanen ursprünglich das Wort gewere, die erst im 13. Jahrhundert in Deutschland als Besitz bezeichnet wurde18• Die Gewere hieß im Norden "Haben" (dänisch, schwedisch haefd) 20 , bei den Römern 'habere'. Die XII Tafeln (tab. V, 4 und 5) setzten eine bestimmte Folgeordnung fest, wenn der paterfamiliasgestorben war: Si [intestato] moritur, cui suus heres nec escit, adgnatus proximus familiam habeto. Si adgnatus nec escit, gentiles familiam habento. Diese Erbfolgeordnung beruht auf der adgnatischen Verwandtschaft. Das ius civile erkannte nur eine solche Art der Verwandschaft an. Erst der Prätor hat daneben der Blutsverwandtschaft (cognatio), besonders auf dem Gebiet des Erbrechts, eine beschränkte Bedeutung beigelegt, die in der Kaiserzeit verstärkt wurde. Schließlich erklärte der Kaiser Justinian die Kognation für die alleinige Grundlage des Erbrechts. Adgnati sind diejenigen römischen Bürger, die unter der patria potestas eines gemeinsamen paterfamiliasstehen oder ihr unterworfen sein würden, wenn dieser noch lebte. Cognatio ist weder ausreichend noch notwendig. Der filius familias scheidet durch Emanzipation aus seinem Adgnatenverband aus, ebenso die Tochter, die eine Manusehe eingeht. Zur Adgnatin des Mannes wird die Frau, die mit ihm in Manusehe lebt, gerechnet (quia filiae loco est). Die Adgnation kann auch künstlich geschaffen werden durch Arrogation (Annahme eines gewaltfreien Bürgers, homo sui iuris) und Adoption (Annahme eines gewaltunterworfenen Bürgers, homo alieni iuris)21 • Die erste Erbklasse bilden die freien Hausangehörigen, sui (domestici) heredes, die bis zum Tode des Hausvaters in dessen Gewalt stehen, nebst der uxor in manu (filiae loco). Sui nannte man seine Söhne und Töchter, ferner die von einem Sohn abstammenden Enkel und UrenkeP 2 • Sie von Schwerin, Germanische Rechtsgeschichte, 1936, 12. von Schwerin, a. a. 0., 12, 183. 20 von Schwerin, a. a. 0., 183. n Auch die sui und die gentiles sind Adgnaten. Die XII Tafeln sprechen aber nur vom adgnatus proximus. 22 Die ehelichen Kinder der Tochter, gleichviel ob sie eine Manus-Ehe oder eine manus-freie Ehe eingeht, fallen unter die patria potestas ihres Mannes. Das uneheliche Kind steht nicht unter patria potestas; es ist auch mit der Mutter und deren Familie nicht adgnatisch verwandt (Inst. 3, 5, 4). Vgl. Kaser 18 19
I, 57.
I. Begriff, Geschichte, Zweck und Rechtfertigung
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alle sind schon zu Lebzeiten des pater familias Mitherren des Bauernhofes (heredes), wenngleich ihr Mitrecht latent ist. Die Worte 'cui suus heres nec escit' bedeuten also: "Wenn kein suus und damit kein als Herr (heres) am Familieneigentum Beteiligter vorhanden ist". Stirbt der Haussohn A vor dem Vater oder wird er emanzipiert, so beträgt im Verfahren der actio familiae herciscundae die Teilungsquote zwischen seinen Brüdern B und C je 1/s, das restliche Drittel teilen sich seine Kinder D und E. Die Größe der Erbquote von B und C soll nämlich nicht durch den Zufall vermindert werden, daß A Kinder hat. Seitdem der pater familias Alleineigentümer des Vermögens war, sind in erster Linie seine gewaltunterworfenen Söhne und Töchter die Erben. Die Kinder eines Sohnes (Enkel des Erblassers) werden durch ihren Vater von der Erbfolge ausgeschlossen; denn die gradnächsten Söhne des Erblassers standen ihm typischerweise näher als seine Enkel. Diese sind zwar sui ihres Großvaters, aber sie gehören doch nicht mehr zu den sui heredes. Ist jedoch der Sohn vorverstorben oder emanzipiert, so erschien es billig, daß seine Kinder den Platz ihres Vaters einnahmen und zu gleichen Teilen dessen Erbportion erhielten23 • Denn die Geschwister des Vaters sollen dadurch keinen Vorteil haben, daß einer von ihnen vorher wegfällt, der Kinder hat. Normalerweise würden die Geschwister B und C neben ihrem Bruder A zu je 1/a geerbt haben. Die Kinder dürfen nicht darunter leiden, da.C. ihr Vater, den sie sonst später selbst beerbt hätten, vorverstirbt. In diesem Zusammenhang sollte deshalb keine Erbfolge nach Graden eintreten, das heißt die Kinder des A wurden nicht durch dessen gradnäheren Geschwister ausgeschlossen24 • Trotzdem findet zwischen den überlebenden Geschwistern und den Kindern des Vorverstorbenen A keine Kopfteilung statt. Dadurch, daß die Kinder bevorzugt in die erste Generation, in den Rang ihres Vaters einrücken, sollen nämlich dessen Geschwister nicht benachteiligt werden. Deshalb hielt man es für angemessen, daß die Kinder zusammen die Portion erhalten, die auf ihren Parens entfallen wäre (Erbfolge in stirpes, Gai. III, 8). Die Kinder sind iure proprio und nicht etwa ex iure praedefuncti parentis als Erben berufen. Hier liegen die Wurzeln des später sogenannten Repräsentationsrechts25• Die sui heredes brauchen die Herrschaft nicht erst anzutreten (adire), weil sie sich ja schon im tatsächlichen Besitz von Haus und Hof befanden. Sie waren heredes necessarii und konnten die heres-Position nicht ausschlagen. Erst der Prätor gewährte ihnen später das beneficium abstinendi. u Gai. 111, 7: Aequum videbatur nepotes neptesve in patris sui locum portionemque succedere. Ulp. 26, 2; D. 38, 16, 1, 4; 6. 24 Gai. 111, 7. u Endemann 111 1, 158. Dazu unten S. 43 ff.
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
Das Recht der Hausgemeinschaft schloß in seiner Blütezeit die Eigenschaft als suus heres der aus der patria potestas entlassenen selbständig gewordenen Söhne (filii emancipati) aus, ebenso die der durch ManusEhe in ein anderes Haus eingetretenen Tochter. Die Rücksichtnahme auf die ausgeschiedenen Hausangehörigen führte allmählich zur Ausbildung des auf der Blutsverwandtschaft beruhenden (kognatischen) Erbrechts durch den Prätor, das im Gegensatz steht zu dem Erbrecht der adgnatischen Familie, die durch die hausväterliche Gewalt (patria potestas oder manus) zusammengehalten wird.
A
X
0
F
G
H
K
Im vorstehenden Beispiel ist X der Erblasser 26 • A lebte mit ihm in Manusehe, steht also filiae loco und ist daher sua. F und G werden durch ihren Vater B ausgeschlossen. H ist nicht suus des Erblassers, sondern suus des Gatten der C. E gehört als Emanzipatus nicht mehr zu den sui heredes. Infolgedessen sind heredes legitimi A, B, J und K, und zwar A und B zu je 1/a, J und K zu je 1 /s 27 • Die Enkel J und K erhalten nur den Teil, den ihr vorverstorbener Vater bekommen haben würde. Diese Teilung nach Stämmen (in stirpes) beruht auf einer Interpretation der XII Tafeln (Gai. III, 15). Waren keine sui vorhanden, so durfte sich der dem Grade nach nächste adgnatische Seitenverwandte des Erblassers der Herrschaft über die familiae bemächtigen (Gai. III, 9 ff.). Das sind dessen adgnatische Brüder und Schwestern28 • War der Adgnat des zweiten Grades vorverstorben, 26 In diesem und allen folgenden Beispielen auch aus dem modernen Recht - bedeuten die Kreise Männer, die Dreiecke Frauen. Der Erblasser wird stets mit einem gefüllten Kreis bezeichnet. Ein Strich durch einen Kreis oder ein Dreieck bedeutet, daß die betreffende Person vor dem Erblasser verstorben ist. Die Verbindung eines Kreises und eines Dreiecks durch eine Bogenlinie bedeutet, daß die betreffenden Personen Ehegatten sind oder waren. Die geraden Linie zeigen die Abstammung an. 27 Siehe F. Schulz, Classical Roman Law, 1951, 221. 28 Im Fall der Manusehe auch die Mutter des Erblassers, da sie diesem gegenüber sororis loco est.
I. Begriff, Geschichte, Zweck und Rechtfertigung
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so traten die des dritten Grades, also die Neffen und Nichten des Erblassers, an seine Stelle29 • Mehrere gleichnahe Adgnaten werden wie die Sippegenossen (gentiles) in einem Konsortium gestanden haben30 • A
D
B
X
H
E
F
G
Im vorstehenden Beispiel hat der Erblasser X hinterlassen: E, den Sohn seines vorverstorbenen Bruders B, die Söhne F und G seines vorverstorbenen Bruders C, seinen Großneffen J. Sie sind nämlich Adgnaten; denn sie würden unter der patria potestas ihres gemeinsamen Stammvaters A stehen, wenn dieser noch lebte. E, Fund G sind die Erben (dritten Grades) zu je 1/a. Sie teilen also nicht wie die sui der ersten Klasse in stirpes, sondern in capita (Gai. 111, 16). Die bevorzugte Position des proximus adgnatus findet darin ihre Rechtfertigung, daß die Geschwister des Erblassers mit ihm in der gleichen Hausgemeinschaft gestanden haben, als ihr Vater noch lebte 31 , und von diesem zugunsten ihres jetzt verstorbenen Bruders enterbt waren32 • Fehlt es an einem gradnächsten Adgnaten oder kann er die familia nicht erwerben, weil er vor Antritt der Erbschaft gestorben ist oder sie ausgeschlagen hat33, so fällt sie nicht an die dem Grade nach entfernteren Adgnaten; denn sie sind ja nicht proximi. Es findet also keine suc29 Das Erbrecht der weiblichen Adgnaten wurde wahrscheinlich durch die lex Voconia vom Jahre 169 v. Chr. auf die Schwestern des Erblassers (consanguineae) einschließlich der Mutter des Erblassers im Fall der Manusehe beschränkt (Gai. III, 14; Paul. sent. 4, 8, 20). Vgl. F. Schulz, a. a. 0., 223. 30 Anders Kaser I, 90 mit Literatur A. 6 und 7. 31 Giffard, Revue historique 1932, 386 f.; Precis de droit romain I4, 1953, 457; E. Weiß, Institutionen des römischen Privatrechts 2 , 1949, 528. 32 von Lübtow, a. a. 0., 418. 33 Karlowa, Römische Rechtsgeschichte 11, 1901, 882 f.; Beseler, Festschrift F. Schulz I, 1951, 44 f.; von Lübtow, a. a. 0., 419 ff.; Kaser, Römisches Privatrecht I, 1955, 581; F. Schulz, a. a. 0., 224.
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
cessio graduum statt (Gai. III, 12; Ulp. 26, 5). Vielmehr sind jetzt die Sippegenossen (gentiles) ohne Gradunterschied berufen. Zu ihnen gehörten auch die entfernteren Adgnaten. Gentiles sind diejenigen Personen, die lediglich durch die Gemeinsamkeit ihres Geschlechtsnamens verbunden sind und ihre Adgnation auf einen wirklichen oder vermeintlichen Stammvater zurückführen. Die Sippe bildete eine Gesamtgemeinschaft34 • Sie konnte die Bewirtschaftung des Hofes einem ihrer Mitglieder übertragen oder ihn veräußern und den Erlös unter sich verteilen35 • Der adgnatus proximus und die gentiles waren nicht von selbst heredes, sondern mußten die Erbschaft erst antreten (adire = ursprünglich den Bauernhof betreten); denn sie standen als extranei außerhalb des verwaisten Hauses. Zwischen ihrer Berufung und dem Erbschaftserwerb lag also ein leerer Zwischenraum, während dessen die Erbschaft ruhte (hereditas iacens). In der nachklassischen Zeit ist das gentilizische Erbrecht abgestorben. Die Nachklassiker behandeln es als nicht mehr im Gebrauch38 • Die adgnatische Erbfolge des ius civile wurde vom Prätor durch Berücksichtigung der Kognaten reformiert. Zwar konnte er niemanden zum Erben machen 37, wohl aber konnte er Personen, die nach Zivilrecht nicht Erben waren, in den Erbschaftsbesitz (bonorum possessio) einweisen und sie darin gleich Erben schützen. So entstand ein prätorisches Erbrecht. Es berief nacheinander folgende ordines zur Erbfolge. In der ersten Klasse: unde liberi 38 die sui heredes des Erblassers, und zwar auch die emancipati (Gai. III, 26), in der zweiten: unde legitimi die Erben des Zivilrechts, in der dritten: unde cognati die Blutsverwandten des Erblassers bis zum 6. Grad, vom 7. Grad noch die Kinder von Geschwisterenkeln (sobrino nati), in der vierten: unde vir et uxor den überlebenden Ehegatten. Eine neue Verwandtenerbfolge hat später der Kaiser Justinian geschaffen39 • Früher war die Meinung weit verbreitet und wurde vor allem von Bonfante40 vertreten, das römische Recht habe auch in der Frühzeit 3 4 Beseler, Juristische Miniaturen, 1929, 135; ZSSt. 45, 189; F. Schulz, a. a. 0., 224; von Lübtow, a. a. 0., 423; Kaser I, 90 A. 3. 35 von Lübtow, a. a. 0. 38 F. Schulz, a. a. 0., 224 f.- Gai. 111, 17: et cum illic admonuerimus totum gentilicium ius in desuetudinem abisse rell. stammt wahrscheinlich von einem nachklassischen Bearbeiter: Beseler, Scritti Ferrini 111, 1948, 269; ZSSt. 66, 381 f.; F. Schulz, a. a. 0. In dem nachklassischen, Ulpian zugeschriebenen liber singularis regularum heißt es ebenfalls, das gentilizische Erbrecht sei antiquiert (Coll. 16, 4, 2: nunc ... nec gentilicia iura in usu sunt). Dies ergibt sich auch aus den nachklassischen Paul. sent. 4, 8, 3. 37 Gai. 111, 32: praetor heredem facere non potest. 38 = ex ea parte edicti, unde liberi ad bonorum possessionem vocantur. 3u Dazu unten S. 42 ff. 40 Scritti giuridici I, 1926, 101 f.; Corso VI, 1930, insbesondere 61 f. Dazu Kaser I, 48 ff.; 82 f.
I. Begriff,
Geschichte, Zweck und Rechtfertigung
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einen Hausverband der 'familia' als Träger des Familienguts nicht gekannt, vielmehr habe seit jeher dem pater familias das unbeschränkte Alleineigentum am Familienvermögen und als dessen Konsequenz die unbeschränkte Testierfreiheit zugestanden. Diese Lehre läßt sich indessen nicht halten. Sie steht im Widerspruch zu den Ergebnissen der Rechtsvergleichung. Danach ist der indogermanischen Rechtsanschauung der Gedanke der Testierfreiheit durchaus fremd. Allerdings ist in Rom verhältnismäßig früh, und zwar wohl schon vor der XII-Tafelzeit, für den Familienvater die rechtliche Möglichkeit geschaffen worden, einen heres abweichend von der herkömmlichen und dann durch die XII Tafeln festgelegten Erbfolge zu bestimmen. Diese Abweichung erfolgte jeweils durch Gesetz (lex) der Kuriatkomitien. Es handelte sich dabei also nicht um ein Testament, obwohl man später von einem testamenturn calatis comitiis sprach41 • Der durch Gesetz Ernannte wird suus heres des Erblassers, wenn er nicht schon als Anerbe zu den sui gehörte. Den Anlaß zu dem Komitialgesetz bot zunächst der Mangel an Leibeserben, später der Wunsch, das bäuerliche Erbgut in einer Hand zusammenzuhalten (Anerbenrecht). Dieser Wunsch mußte zur Ausschließung sonst kraft Gesetzes berufener Erben führen. Das testamenturn calatis comitiis wurde durch die mancipatio familiae verdrängt42 • Der Familienvater übertrug das Familiengut einem Treuhänder (familiae emptor) mit dem Auftrag, es nach seinem - des Erblassers - Tode an einen oder mehrere Empfänger weiter zu übertragen. Diese Manzipation war handlicher als das Komitialgesetz, weil sie weder auf zwei Tage im Jahr (24. März und 24. Mai) noch auf Rom beschränkt war. Als Vorbild hatte die fiducia cum amico contracta gedient43. Die mancipatio familiae stellte in ihrer ursprünglichen Gestalt einen sachenrechtliehen Vertrag unter Lebenden dar, auch fehlte die Einsetzung eines heres, weshalb gar kein Testament vorlag44 • Die Veräußerung der familia an den Treuhänder schloß praktisch die Iotestaterbfolge aus45 • Zum Testament und damit zum einseitigen Rechtsgeschäft wurde die mancipatio familiae erst, als sie später zur bloßen Form herabsank und das Schwergewicht von dem Vollzug der Eigentumsübertragung auf die mündliche Erklärung des Erblassers (nuncupatio) verlegt wurde. In der Nunkupation ernannte der Testator den heres und konnte ihm auch Vermächtnisse auferlegen. Um diese Zeit wurde das Wort intestato oder besser intestatus in tab. V, 4 aufgenommmen. Gai. II, 101. Gai. II, 102, 103. 43 Siber, Römisches Recht li, 340; E. F. Bruck, über römisches Recht im Rahmen der Kulturgeschichte, 1954, 35, 73 ff. 44 von Lübtow, a. a. 0., 451. es Kunkel, Römisches Privatrecht3 , 1949, 318 A. 6. 41
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Eine Verfügungsfreiheit von Todes wegen durch einseitiges Rechtsgeschäft erkennen die XII Tafeln (tab. V, 3) nur in beschränktem Umfang an: (Cum testamenturn faciet super pecunia,) uti legassit [super pecunia tutelave] suae rei, ita ius esto 46 • Nur die letztwillige Verfügung über die sua res, die pecunia, das heißt über das nicht familiengebundene Vermögen des Hausvaters, insbesondere das in Herden gehaltene Kleinvieh, war zulässig. Legare bedeutete damals noch nicht "vermachen", sondern legem dare; es bezieht sich auf suae rei (Dativ). Der Satz hat folglich den Sinn: "seiner Sache eine Bestimmung geben". Als das Erbeinsetzungstestament, also die spätere Form der mancipatio familiae (das sogenannte Manzipationstestament), entstand und deshalb die nachdezemviralen Interpreten das Wort intestatus in tab. V, 4 eingeschoben, wurde der Anfangssatz von tab. V, 3 als überflüssig gestrichen. Legare bedeutete jetzt "vermachen" 47 • Ein Vermächtnis aber konnte nur in dem Erbeinsetzungstestament errichtet werden. Durch das Einfügen der Worte super pecunia wollte man das Mißverständnis ausschließen, als sei ein legare auch der familia als Gesamtheit gestattet. Hier gab es nur die Erbeinsetzung. Außerdem wurde das Wort tutela eingeschaltet, um dem Gewalthaber die Möglichkeit zu geben, letztwillig einen Vormund zu ernennen. Hinterließ der Erblasser mehrere sui heredes, so setzten sie in der Regel die Hausgemeinschaft fort. Sie waren gemeinsam Träger des Hausvermögens, und zwar bestand nicht wie im späteren römischen Recht eine Bruchteilsgemeinschaft, sondern eine Gesamtgemeinschaft (consortium). Sie hieß 'societas ercto non cito' 48 • Die Gemeinder standen sich gleichberechtigt gegenüber. Von der germanischen Gesamthand unterschied sich das römische Konsortium in markanter Weise: Jedem einzelnen Miterben war die Macht verliehen, allein über Erbschaftsgegenstände zu verfügen49 • Vielleicht aber konnte dem Grundsatz der Gleichberechtigung entsprechend jeder andere Miterbe durch sein Veto die Ausführung der Verfügung verhindern 50 • Dagegen mußten nach germanischem Recht alle Gesamthandgenossen zusammenwirken, con46 Dazu eingehend von Lübtow, a. a. 0., 436 ff. Die in eckige Klammern eingeschlossenen Worte stehen in der von Ulpian 11, 14 und Paulus D. 50, 16, 53 pr. überlieferten Fassung. Gaius II, 224 und Pomponius D. 50, 16, 120 sagen einfach 'uti legassit suae rei'. 47 Dies wird auch von Ulpian 19, 17 bezeugt. 48 Gai. III, 154 a. 49 Gai. III, 154 b. so Levy, ZSSt. 54, 281 ff.; von Lübtow, a. a. 0., 430. Gegen ein ius prohibendi Wieacker, Societas I, 1936, 196; Hausgenossenschaft und Erbeinsetzung, 1940, 14 A. 40; Kaser, Römisches Privatrecht I, 88 mit A. 19. Gaius III, 154 b schweigt zu dieser Frage.
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iuncta manu, mit gesamenter hand, mit samder hand handeln, gemeinsam dem Erwerber zum Vertragsschluß die Hand reichen 51 • Zur Zeit der XII Tafeln ist das Prinzip der fortgesetzten Hausgemeinschaft schon insoweit gelockert, daß die Erben mit der actio familiae erciscundae die Aufhebung der Gemeinschaft und die Auseinandersetzung verlangen konnten 52 • Zu seinen Lebzeiten war der römische pater familias befugt, über die -ursprünglich unveräußerliche- Familienhabe durch Rechtsgeschäfte inter vivos allein zu verfügen. Der Zustimmung der erbberechtigten Hausgenossen bedurfte es nicht. Ein solches Zustimmungsrecht hätte der herrschaftlichen Stellung des pater familias widersprochen. Trotzdem waren die beherrschten Hausgenossen nicht schutzlos. Der pater familias durfte den Bauernhof nebst totem und lebendem Inventar (Sklaven, Zug- und Lasttiere) nur in der feierlichen und öffentlichen Form der mancipatio veräußern. An der mancipatio mußten der Waagehalter (libripens) und fünf römische Bürger als Zeugen teilnehmen. Auf diese Weise konnte die Öffentlichkeit eine Kontrolle über die Veräußerung von Familiengut ausüben und individuellen Mißbrauch verhindern. Etwa in der ersten Hälfte des dritten vorchristlichen Jahrhunderts erstarkte das freie Verfügungsrecht des pater familias zum Alleineigentum. Der Unterschied zwischen Hausgut (familia) und Eigengut (pecunia) verschwand. Wohl zur gleichen Zeit verwandelte sich die Gesamtgemeinschaft der Miterben in eine Gemeinschaft nach Bruchteilen. Außerdem kam es allmählich so weit, daß zur Veräußerung des Hofes unter Lebenden die umständliche Form der mancipatio nicht mehr für notwendig erachtet wurde. Die formfreie Übergabe (traditio) genügte. Der Erwerber wurde als bloßer Besitzer vom Prätor in seinem Besitz geschützt53 und erwarb nach Ablauf der Ersitzungsfrist zivilrechtliches Eigentum. Das Manzipationstestament gestattete dem Erblasser, einen wildfremden Menschen als Erben zu berufen, seitdem nicht nur die pecunia, sondern auch die familia in seinem Alleineigentum standen. Das Vermögen hieß jetzt pecunia, sie hatte die familia in sächlichem Sinn in sich aufgenommen. Die alte Wortbildung familia pecuniaque erschien jetzt als reiner Pleonasmus. Die völlige Testierfreiheit ist nicht im Wege der Gesetzgebung eingeführt worden, sondern ein Produkt der sich an den Zwölftafeltext tab. V, 3 anschließenden interpretatio der Jurisprudenz. Gaius54 läßt, gedeckt durch die Autorität des Q. Mucius und die Praxis von Schwerin, Grundzüge des deutschen Privatrechts 2, 1928, 57. Gai. IV, 17 a; D. 10, 2, 1 pr. (tab. V, 10). 53 exceptio rei venditae et traditae gegenüber der rei vindicatio des Veräußerers, actio Publiciana zum Schutz des Erwerbers vor Vollendung der zivilrechtliehen Ersitzungsirist (Gai. IV, 36). 54 II, 224. 51
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von etlichen Jahrhunderten, die Verfasser des Legatsatzes ganz unbefangen das Prinzip der uneingeschränkten Testierfreiheit verkünkünden55. Sie war erträglich, solange sie ihre Beschränkung fand in dem Bewußtsein der Pflichten, die für den pater familias seinen Angehörigen gegenüber bestanden. Als auf die freiwillige Selbstbeschränkung nicht mehr vertraut werden konnte, mußte das Recht dem Mißbrauch der Verfügungsfreiheit steuern. Über diese Entwicklung berichtet der Klassiker Pomponius56 folgendermaßen: Verbis legum duodecim tabularum his: 'uti legassit suae rei, ita ius esto' (auctoritate iura constituentium) latissima potestas tributa videtur et heredis instituendi et legata et libertates dandi, tutelas quoque constituendi. sed id [interpretatione] coangustatum est vel [legum] (praeceptis legis Falcidiae) vel auctoritate [iura constituentium] (centumviralis iudicii). Aus dem in tab. V, 4 eingeschalteten Wort intestatus konnte man nur indirekt folgern, daß die XII Tafeln eine heredis institutio anerkannt hatten. Deshalb lehnte man sich lieber an den Legatsatz an. Gestattete er doch, wie es schien, die Anordnung von "Vermächtnissen", und da jedes Vermächtnis kein selbständiges Rechtsgeschäft war, sondern in ein Erbeinsetzungstestament aufgenommen werden mußte, ergab sich nach Meinung der Interpreten mit Sicherheit, daß eine heredis institutio durch Testament zulässig war und der Legatsatz sämtliche letztwillige Verfügungen umfaßte. Wenn nun also nach Ansicht der späteren Jurisprudenz die völlige Dispositionsfreiheit bereits von den XII Tafeln sanktioniert war, erschienen die lex Falcidia vom Jahre 40 v. Chr., die das Maß der Vermächtnisse beschränkte, und die Entwicklung des sogenannten materiellen Noterbrechts durch die Praxis des Zentumviralgerichts unter dem maßgebenden Einfluß der Jurisprudenz als einschränkende Eingriffe in die gesetzliche Testierfreiheit des Erblassers57 . Die Defensivmaßnahmen zum Schutz des Erbrechts der Familie faßt man unter dem Begriff des formellen und des materiellen Noterbrechts zusammen58• Dem formellen Noterbrecht liegt der Gedanke zugrunde: Der Erblasser darf im Testament seine freien Hausangehörigen nicht einfach stillschweigend übergehen. Deshalb muß er sie entweder zu Erben einsetzen oder ausdrücklich enterben. Es handelte sich dabei nicht um die rechtliche Sicherung eines Mindestanteils am Erbgut, sondern um den Schutz der tatsächlichen, auf sittlichen Anschauungen beruhenden u Wlassak, Studien zum altrömischen Erb- und Vermächtnisrecht I, 1933, 34. 5e
D. 50, 16, 120.
57 von Lübtow, a. a. 0., 104. 5s Dazu von Lübtow, a. a. 0., 512 ff.
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Anwartschaft der sui. War ein Haussohn übergangen, so war das Testament nichtig. Die Übergehung anderer sui dagegen führte dazu, daß sie neben den Testamentserben zur Erbfolge kamen. Einen Eingriff in die Testierfreiheit des Erblassers, das gefeierte Palladium bürgerlicher SelbstbestimmungSg, enthielt das formelle Noterbrecht nicht. Diesen Schritt wagte unter dem maßgebenden Einfluß der Jurisprudenz erst die Praxis des für Erbschaftsprozesse zuständigen, hochangesehenen Zentumviralgerichts. Es schuf das sogenannte materielle Noterbrecht oder Pflichtteilsrecht. Es beruht auf dem Gedanken, daß den nächsten Familienangehörigen ein materieller Anspruch auf einen Anteil an der Substanz des Nachlasses zustehen müsse. Die Rechtsprechung des Hundertmännergerichts ging von folgender Erwägung aus: Pflichtvergessen und lieblos handelt, wer seine nächsten Familienangehörigen ohne vernünftigen Grund enterbt. Als Rechtsbehelf diente die querella inofficiosi testamenti. Sie wurde von den rhetorisch geschulten Sachwaltern der Parteien, nicht aber von der Fachjurisprudenz, damit begründet, daß eine solche Lieblosigkeit gewissermaßen nur mit geistiger Umnachtung des Testators zu erklären sei (sub colore insaniae, quasi non sanae mentis). War die Querel von Erfolg, so verlor das für lieblos erklärte Testament ipso iure seine Wirkung, und der siegreiche Kläger war zur Intestaterbfolge zugelassen. Jedoch konnte das Gericht das Testament nach seinem Ermessen ganz oder teilweise aufrechterhalten. Allmählich bildeten sich bestimmte Schranken der Querel heraus. So ließ man bereits seit dem späten 1. Jahrhundert nach Chr. in analoger Anwendung der lex Falcidia die Querel nicht mehr zu, wenn dem Beschwerdeführer wenigstens ein Viertel des Intestaterbteils hinterlassen war. Dieser geringe Betrag zeigt, mit welcher Zurückhaltung Rom bei Eingriffen in die Testierfreiheit vorging. Nach germanischem Recht konnte der Hausherr weder unter Lebenden noch von Todes wegen über das Hausgut allein verfügen. Vielmehr bedurfte er dazu des Beispruchs der Kinder, und zwar stets, wenn es sich um Grundbesitz handelte, bei beweglicher Habe dann, wenn er krank und schwach war oder im Siechbett lag. Die Beobachtung des Tacitus (Germania c. 20): 'Heredes ... successoresque sui cuique liberi; et nullum testamentum' wird durch die deutschen Rechtsquellen bestätigt. "Gott, nicht der Mensch, macht den Erben." Ein Verfügungsrecht eines einzelnen Mitgliedes der Erbengemeinschaft wie bei der römischen societas ercto non cito besteht nicht, alle Erben müssen coniunctis manibus mitwirken. In dieser Zeit der deutschen Volksrechte (z. B. lex Salica, lex Ripuaria, lex Burgundionum) entwickelte sich die "Vergabung von Todes wegen". 5g Rabel, a. a. 0., 220.
Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
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Sie geschah nicht durch letztwillige Verfügung, sondern durch Rechtsgeschäft unter Lebenden. Der Beschenkte erhielt sofort Eigentum, während sich der Schenker den Nießbrauch auf Lebenszeit vorbehielt. Doch kam es auch vor, daß der Beschenkte zunächst nur ein Wartrecht bekam, während die Schenkung selbst erst mit dem Tod des Vergebenden wirksam wurde. Es handelt sich dabei um einen Freiteil des Hausvermögens, der einen Bruchteil dieses Vermögens ausmachte, z. B. einen SohneskopfteiL Das Institut des Freiteils ging auf Einflüsse der christlichen Kirche zurück. Der große afrikanische Kirchenvater Augustinus (354-430) lehrte, jeder solle Christus in den Kreis seiner Söhne aufnehmen, ihm einen Sohneskopfteil hinterlassen und so um das eigene Seelenheil bemüht sein60 • Neben den Vergabungen an die Kirche (Seelgerätstiftung) wurde die Vergabung an Verwandte oder an den Ehegatten üblich. Solche sachenrechtliehen Vergabungen von Todes wegen blieben während des ganzen Mittelalters in Gebrauch. Im Mittelalterbürgern sich auch Verträge ein, durch die ein Erbrecht begründet oder beseitigt wird (Erbeinsetzungsverträge, Erbverträge). Sie kommen zuerst wohl unter Ehegatten vor. Die Warterechte der gesetzlichen Erben werden durch ein Widerspruchsrecht geschützt, das binnen Jahr und Tag auszuüben ist. Der Verfügende kann sich ein Widerrufsrecht vorbehalten. Allmählich dringt aber die Anerkennung einer einseitigen, von der Zustimmung der nächsten Erben und auch der Obrigkeit unabhängigen Testierfreiheit durch. Sicherlich spielte der Einfluß der römischen Kirche dabei eine Rolle. Die Kirche trat für die Testierfreiheit ihrer Angehörigen ein. Sie berief sich dabei auf den Satz: ecclesia vivit semper lege Romana. Im 13. und 14. Jahrhundert werden dann Testamente auch in der Laienbevölkerung zugelassen. Das Hausvermögen hatte sich aufgelöst; der einzelne konnte nunmehr über sein Vermögen verfügen. Dazu kam die Rezeption des römischen Privattestaments. Der Einfluß des rezipierten römischen Rechts wurde überhaupt so stark, daß es den Naturrechtsphilosophen als das naturgemäße, als das allein richtige Recht erschien. Vor allem wurde der Gedanke, daß alles Erbrecht auf den Willen des Erblassers zurückgehe, auch die Grundlage des Idealerbrechts dieser Philosophie. Das Erbrecht wurzelt nun aber weder allein im Willen des Verstorbenen, wie die naturrechtliche Philosophie annahm, noch allein im Zusam60
Alfred Schultze, Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts,
1928; R. Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts5 , 1930, 329 f.; E. F. Bruck, Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956 (dazu von Lübtow, JZ 1960, 764 f.). Siehe auch Brucks Buch, Totenteil und Seelgerät im griechischen Recht, 1926.
I. Begriff, Geschichte, Zweck und Rechtfertigung
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menhang der Familie, wie die historisch-romantische Rechtsphilosophie glaubt 61 • Damit hängt die Streitfrage zusammen, ob das gesetzliche Erbrecht auf einem vermuteten, "vom Gesetz supplierten Willen des Erblassers" beruht62 oder nicht 63 • Die Römer sprachen von der gesetzlichen Erbfolge als der hereditas ab intestato, weil bei ihnen die testamentarische Erbfolge im Vordergrund stand; jedoch muß man bedenken, daß feste Sitte die Ausübung der absoluten Testierfreiheit in den Grenzen pflichtgebundener Fürsorge für die nächsten Familienangehörigen hielt und es erst im Laufe der Zeiten notwendig wurde, der Testierfreiheit auch rechtliche Schranken zu ziehen. Im Grunde handelt es sich darum, welcher Erbfolge idealtypisch der Vorrang gebührt. Der Entwurf I des BGB schloß sich der auf römischer Auffassung beruhenden Systematik der Pandektenlehrbücher an und stellte die gesetzliche Erbfolge hinter die Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen. Die Motive64 bemerken dazu, damit solle noch kein "grundsätzlicher Vorzug des einen oder anderen Delationsgrundes" zum Ausdruck kommen. Entsprechend der Ansicht, nach der die gesetzliche Erbfolge die Regel, die gewillkürte die Besonderheit bildet, ist im BGB die gesetzliche Erbfolge systematisch vorangestellt. Ihr gebührt idealtypisch der Vorrang. Damit ist aber nicht angeordnet, daß die gesetzlichen Erben vor den im Testament eingesetzten rechtlich den Vorzug haben. Vielmehr folgen die Berufungsgründe nach ihrer Stärke so, daß die Vertragserben den Testamentserben vorgehen und diese - unbeschadet des Pflichtteilsrechts- die gesetzlichen Erben ausschließen55 • Einmal ist das Erbrecht natürlich seinem Zweck nach stets mit dem Familienrecht aufs engste verbunden: Überkommenes wie gewonnenes Gut soll denen zuteil werden, die mit dem Erblasser durch nahe verwandtschaftliche Beziehungen verbunden sind. Zum anderen aber beruht der Erwerb sozialer Werte oft genug auf der persönlichen Tüchtigkeit des Erblassers, gehört zu seinem Lebenswerk. Deshalb gibt die Rechtsordnung dem Erblasser durch Testament die Möglichkeit, verantwortungsbewußt zu bestimmen, wer ambestengeeignet ist, dieses Werk fortzuführen. Der Gedanke der Testierfreiheit ist vom BGB übernommen. Der Erblasser kann, wenn er will, sein Vermögen einem Fremden zuwenden Staudinger-Boehmer, Erbrecht, Einleitung, § 4, Randnr. 10. Vgl. dazu die Angaben bei Boehmer, AcP 144, 40 f.; Staudinger-Boehmer, a. a. 0., § 17 Randnr. 2. 63 So 0. von Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht, 1889, 506 ff.; derselbe bei Holtzendorff-Kohler, Enzyklopädie der Rechtswissenschaft F, 1913, 289; Kretzschmar, § 8 I, S. 35; R. Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts5, 1930, 737; Boehmer, a. a. 0. 61
62
64 65
V, 2.
Binder I, 62 ff.
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
(§ 1937). Jedoch haben dann der Ehegatte, die Abkömmlinge und die Eltern wenigstens obligatorische Geldansprüche auf die Hälfte des Wertes ihres gesetzlichen Erbteils (Pflichtteil: §§ 2303 ff.). Dieses Pflichtteilsrecht ist nur aus schwerwiegenden Gründen ausnahmsweise entziehbar (§§ 2333-2338). Der absolut gefaßte Rechtssatz des § 1937 erscheint erträglich, solange er seine Beschränkung in dem Bewußtsein der Pflichten findet, die für den Erblasser seinen nächsten Familienangehörigen gegenüber bestehen. Diese Rechtslage wurde durch das Testamentsgesetz vom 31. Juli 1938 geändert.§ 48 II dieses Gesetzes bestimmte: "Eine Verfügung von Todes wegen ist nichtig, soweit sie in einer gesundem Volksempfinden gröblich widersprechenden Weise gegen die Rücksichten verstößt, die ein verantwortungsbewußter Erblasser gegen Familie und Volksgemeinschaft zu nehmen hat" 88• Damit sollte dem Gedanken der familienrechtlichen Gebundenheit des Sondereigentums gegenüber der unbeschränkten und willkürlichen Verfügungsfreiheit des Erblassers zur Herrschaft verholfen werden. In der amtlicl.en Begründung zu der Vorschrift hieß es: "Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nach § 138 BGB nichtig. § 48 II sagt inhaltlich im wesentlichen dasselbe; er drückt den Gedanken jedoch in einer Form aus, die der besonderen Sachlage bei Testamenten und Erbverträgen angepaßt ist. Die Vorschrift soll z. B. folgende Fälle erfassen: eine die Familie benachteiligende Zuwendung an eine Mätresse; die sachlich nicht gerechtfertigte Zuwendung von Familienschmuck, altem Tafelsilber, Familienerinnerungsstücken und dgl. an Fremde; die Zuwendung von irgendwelchen Werten an eine staatsfeindliche Organisation; Einsetzung eines Juden zum Erben eines Ariers unter Übergehung naher arischer Verwandter." Der Unterschied gegenüber § 138 bestand in einer Verschärfung des Maßstabes und dem Fortfall der subjektiven Elemente (Beweggrund des Erblassers, seine Gesinnung, der mit dem Testament von ihm verfolgte Zweck) 67 • 88 Dazu Boehmer, Einführung, 125. § 48 II gilt nicht mehr. Er wurde bereits durch das Kontrollratsgesetz Nr. 37 vom 30. 10. 1946 (Art. I a) aufgehoben, während später das gesamte TestG mit Ausnahme des § 51 durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit vom 5. 3. 1953 (Art. 1 Ziff. 6 des zweiten Teils) außer Kraft gesetzt worden ist. Über die umfangreiche Rechtsprechung zu§ 48 II berichten Vogels-Seybold, Randnrn. 6-8 zu§ 48 TestG. n Erman-Hense, A 4 c vor§ 2064; vgl. auch Staudinger-Seybold, Randnr. 2 zu §§ 2078, 2079.
I. Begriff, Geschichte,
Zweck und Rechtfertigung
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Jetzt gilt wieder ausschließlich § 138 BGB68 , über dessen Norm das TestG hinausging. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt nicht schon dann vor, wenn ein näherer Verwandter zugunsten eines entfernteren übergangen oder eine Zuwendung an einen Familienfremden erfolgt ist. Im Hinblick auf Art. 3 III des Grundgesetzes, der ein maßgebendes Auslegungsprinzip auch für § 138 ist, darf eine erbrechtliche Verfügung nicht etwa wegen des Geschlechtes, der Abstammung, der Rasse, der Sprache, der Heimat und Herkunft, des Glaubens sowie wegen der religiösen oder politischen Anschauungen des Bedachten für nichtig erklärt werden. Wenn eine Verfügung jemanden aus den angegebenen Gründen benachteiligt oder bevorzugt, so ist sie nichtig69 • Was nun die rechtspolitische Wertung der Testierfreiheit anlangt, so erscheint es auch de lege ferenda nicht richtig, die Testierfreiheit überhaupt zu beseitigen. Denn eine pfiicht- und verantwortungsbewußt geübte Testierfreiheit kann sehr wohl dazu dienen, "ererbtes oder selbsterarbeitetes Gut geeigneteren Händen als den nächsten Familienangehörigen zuzuführen oder vor der Gefahr der Zersplitterung durch Aufteilung unter die gesetzlichen Erben zu bewahren•no. Wenn die gesetzliche Erbfolge als normaler Typus der Erbfolge gilt'\ so ist die Testierfreiheit als Mittel gedacht, die gesetzliche Regel der konkreten Sachlage anzupassen oder besonderer Umstände wegen durch eine geeignetere Anordnung zu ersetzen72 • Sie dient einmal der Korrektur, zum anderen der Ergänzung der gesetzlichen Erbfolge 73 : Der Korrektur, wenn die gesetzlichen Erben ungeeignet sind, die Lebensarbeit des Erblassers fortzusetzen, oder wenn der gesetzliche Verteilungsmaßstab zu ungerechten oder unzweckmäßigen Ergebnissen führt oder die NachlaBaufteilung unter eine mehr oder weniger große Zahl von Erben wirtschaftlich oder kulturell wertvolle Vermögenseinheiten in allzu viele Teile zersplittert74 ; der Ergänzung, um dem Erblasser die Möglichkeit zu geben, einerseits im Interesse der Familienerben Fürsorgemaßregeln für die Zukunft zu treffen (Teilungs- und Verwaltungsanordnungen, Ernennung eines Testamentsvollstreckers), andererseits Familienfremden gegenüber Pflichten der Dankbarkeit und Treue, der Liebe und Freundschaft zu erfüllen sowie soziale oder kulturelle Wohlfahrtsein68 69
422.
Dazu unten S. 308 ff. Boehmer bei Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte II, 1954,
70
Boehmer, Vorschläge zur Neuordnung der gesetzlichen Erbfolge (BGB
74
Boehmer, a. a. 0.
§§ 1924-1936), 11; Larenz, Allgemeiner Teil, 119. 11 Endemann III 1, 137 ff. ' 2 0. von Gierke, Entwurf, 507. 73 Boehmer, Einführung, 123 f. 2 v. Lübtow, ETbrecht
Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
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richtungenins Leben zu rufen oder zu fördern (Vermächtnisse, Auflagen und Stiftungenr5 •
Rechtlich hat das BGB der gewiHkürten Erbfolge den unbedingten Vorrang eingeräumt76 • Die gesetzliche Erbfolge tritt nur ergänzend ein, wenn keine gültige Verfügung von Todes wegen vorhanden oder wegen Willensmängel oder Erbunwürdigkeit (§§ 2087 ff., 2281 ff.; 2344) angefochten oder aber als letztwillige widerrufen (§§ 2253 ff.) oder durch Tod oder Erbverzicht des eingesetzten Erben hinfällig geworden ist (§§ 1923, 2352) oder wenn die zu einem Erwerb von Todes wegen durch juristische Personen notwendige staatliche Genehmigung nicht erfolgt (Art. 86 EG BGB). Deshalb hätte die gewillkürte Erbfolge dogmatisch als erste geregelt werden müssen. Wenn das Gesetz gleichwohl die gesetzliche Erbfolge an die Spitze stellt, so ist dieser Aufbau aus mehreren GrünJen gerechtfertigt77 • Einmal genügten für die gesetzliche Erbfolge nur wenige einfache Vorschriften, während die testamentarische viel eingehender und verwickelter zu regeln war. Es ist ein systematischer Grundsatz, mit dem Einfachen zu beginnen. Zum anderen ist die gesetzlic..,_e Erbfolge im Rechtsleben die praktische Regel, in weitem Abstand folgt das Testament, und der Erbvertrag kommt nur verhältnismäßig selten vor. Drittens soll die gesetzliche Erbfolge für den Erblasser das gerechte Vorbild sein und er von ihr nur abweichen, wenn es die Umstände des Einzelfalls rechtfertigen. Das Erbrecht ist eine Fortsetzung des Eigentumsrechts78 • Das Eigentum beruht auf dem Gedanken, daß jeder die Früchte seiner Arbeit ernten, daß er darin ein Mittel sehen soll, seine Kräfte und Anlagen weiterzuentwickeln. Es dient so dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das in Art. 2 I des Bonner Grundgesetzes festgelegt ist. Danach "hat jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt". Jeder arbeitet nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch darum, seine Nachkommen zu unterhalten und zu fördern. Das Ergebnis seiner Arbeit soll den künftigen Generationen erhalten bleiben. So dient das Eigentum wie das Erbrecht der Familienbildung und damit zugleich dem Staat als einer Gemeinschaft aller Staatsbürger, dessen Keimzelle eben die Familie ist. Boehmer, a. a. 0. Lange,§ 9 II 1, S. 98. 11 Lange, § 9 II 2, S. 99. 78 Staudinger-Boehmer, Einleitung § 23, Randnr. 1; Lange, § 2 IV 2 a, S. 19; Mikat, Staatslexikon Il 6 , 1958, Art. Erbrecht Sp. 1213 f., 1218 f. (Zur Haltung der katholischen und evangelischen Soziallehre sowie zur Stellungnahme des Kommunismus-Marxismus Mikat a. a. 0., Sp.1214-1218; Larenz, Allgemeiner Teil, 1967, 119 ff.; Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, 1970, 53 ff., 73 ff. Dieser Gedanke tritt auch in Art. 60 I der Verfassung von Rheinland-Pfalz hervor. 1s
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Aus den angegebenen Gründen stellt das Bonner Grundgesetz Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung (Art. 6) und gewährleistet das Eigentum und das Erbrecht (Art.14 I S.1r9 • Inhalt und Schranken beider Institute werden durch die Gesetze bestimmt (Art. 14 I S. 2). "In keinem Fall darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden" (Art. 19 II). Deshalb ist es unzulässig, die in den §§ 1937-1941 BGB festgelegte Testierfreiheit abzuschaffen80 • Dagegen ist im Hinblick auf Art. 6 I anzunehmen, daß die nähere Ausgestaltung des Erbrechts nach dem Grundsatz der Testierfreiheit oder dem Familienprinzip dem einfachen Gesetzgeber überlassen wird81 • Es wäre daher keine Antastung des Erbrechts in seiner Kernsubstanz, wenn der Gesetzgeber zugunsten der nächsten Angehörigen des Erblassers dessen Testierfreiheit in der Weise beschränken würde, daß er ein materielles Noterbrecht einführt, kraft dessen die Pflichterben eine dingliche Nachlaßbeteiligung als Miterben erlangen. In diesem Fall wäre es aber geboten, dem Nachlaßrichter die Befugnis zu gewähren, die Nachlaßeinheit dem eingesetzten Erben zuzuteilen und diesen zu ermächtigen, die Pflichterben in Geld abzufinden 82 • Auf solche Weise läßt sich dann eine unerwünschte Vermögenszersplitterung vermeiden, und es wird möglich, Einheiten des Nachlasses wie Landgüter, Fabriken, geschäftliche Unternehmungen u.s.w. ihrem Zweck zu erhalten. De lege lata sind der Testierfreiheit durch die Vorschriften der §§ 134 und 138 Schranken gesetzt, zu deren Interpretation Art. 2 I S. 2 (vgl. auch Art.18) und Art. 3 III des Grundgesetzes heranzuziehen sind. Wer die Testierfreiheit mißbraucht, um gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu verstoßen - er macht zum Beispiel einer Person oder Organisation Zuwendungen zu dem Zweck, sie zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder für unsittliche Zwecke zu verwenden -, handelt gesetz- oder sittenwidrig83 • Daneben gibt es auch sozialethische Grenzen der Testierfreiheit. Der Erblasser soll in seinen letztwilligen Anordnungen auf seine Familie Rücksicht nehmen. Die Familie ist der "rechte" Erbe. Allerdings führen Verstöße gegen diesen Grundgedanken nur im Rahmen des § 138 BGB zur Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung. De lege ferenda ist es notwendig, das gesetzliche Erbrecht zu begrenzen. Rechtspolitisch ist es nur insoweit begründet, als 79 Dazu Staudinger-Boehmer, Erbrecht, a. a. 0.; Boehmer bei NeumannNipperdey-Scheuner, Die Grundrechte II, 1954, 401 ff.; Lange,§ 2 IV 26, S. 19 f. 80 Boehmer, Einleitung§ 23, Randnrn. 18-22; Boehmer bei Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte II, 418 ff.; Lange,§ 2 IV 2 b, S. 19; 3 c, S. 21; Leisner, a. a. 0., 50 f.; Brox, Randnr. 47. 81 Lange, § 2 IV 3 b, S. 21; Larenz, Allgemeiner Teil, 120. 82 Vgl. die französischen Gesetze vom 7. 2. und 17.6.1938 betreffend Landgüter und wirtschaftliche Unternehmungen. 83 Vgl. Staudinger-Boehmer, Erbrecht, Einleitung § 23, Randnr. 22; Boehmer bei Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte II, 421 f.
2*
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
unter den Verwandten noch soziale Bande bestehen. Es ist deshalb auf einen Kreis von näheren Angehörigen zu beschränken. Wo die Grenze gezogen werden muß, ist eine Frage des positiven Rechts. Das Erbrecht der weiteren Verwandten ist durch ein Heimfallrecht des Staates zu ersetzen. Denn wo trotz der Verwandschaft soziale Bande nicht mehr bestehen und der Verwandte die Erbschaft empfängt wie ein Glückslos, das ihm das Spiel des Zufalls in den Schoß wirft, ist eine Anwartschaft auf den Nachlaß rechtspolitisch nicht mehr gerechtfertigt84 . Daher muß entfernten Verwandten die Allgemeinheit vorgehen. Die in ihr lebenden Kräfte haben den Nachlaß mitgebildet. Auf dem Gebiet des Erziehungswesens, der Gesundheitsfürsorge, ja sogar der Fürsorge für die Existenz des einzelnen, hat der Staat in weitgehendem Maße die Aufgaben übernommen, die früher der Familie oder dem einzelnen selbst oblagen85 . Das BGB hat dem gesetzlichen Erbrecht der Verwandten keine Grenze gesetzt. Diese uferlose Ausdehnung beruhte vor allem auf der Abneigung gegen das Erbrecht des Staates. Eine künftige Erbrechtsreform wird wohl die Verwandtenerbfolge entsprechend beschränken. Eine solche Begrenzung des Verwandtenerbrechts, etwa auf die ersten drei Parentelen, würde den "Wesensgehalt" des Erbrechts nicht tangieren86 . Sie wäre, da der engere Zusammenhang zwischen Eigen und Erbe bei ganz entfernter Verwandschaft eben fehlt, noch keineswegs eine Verneinung des Privateigentums oder ein Zugeständnis an den Sozialismus87. Nur darf das gesetzliche Erbrecht nicht zugunsten des allein erbberechtigten Staates gänzlich abgeschafft werden. Aber auch dort, wo der Staat selbst nicht erbt, mag er seinen Anteil an der Erbschaft in der Form einer Abgabe, einer Erbschaftssteuer 88 , mit gutem Rechte nehmen. Die oft gehörte Behauptung, eine solche Steuer stehe mit dem Familiensinn im Widerspruch, setzt sich selbst in Widerspruch zu einem richtig orientierten Gemeinsinn89 . Nur eine so rigorose Besteuerung des erbrechtliehen Erwerbs, daß von einer privaten Erbfolge im überlieferten geschichtlichen Sinn nicht mehr gesprochen werden könnte, würde eine Wesensantastung bedeuten90 • 84 Dazu oben S. 2. 85 von Blume I, 10 f. 86 Staudinger-Boehmer, a. a. 0., § 23 Randnr. 9; vgl. auch§ 7, insbesondere Randnrn. 23, 24; Boehmer, a. a. 0., 410 ff.; von Mangoldt-Klein2 , A. III 2 zu Art 14 GG; Lange,§ 2 IV 3 b, S. 21 mit A. 1; Leisner, a. a. 0., 49; Mikat, a. a. 0., Sp.1219; Brox, Randnr. 48. 87 Jung, 1108. 88 Jetzt gilt das Erbschaftssteuergesetz in der Fassung vom 1. 4. 1959. 89 von Blume I, 11. 90 Staudinger-Boehmer, a. a. 0., § 23, Randnr. 9; Boehmer bei NeumannNipperdey-Scheuner, Die Grundrechte II, 410; von Mangoldt-Klein, a. a. 0.; Kipp-Coing, § 1 I 1, S. 2; Larenz, Allgemeiner Teil, 120. Nähere Ausführungen bringt jetzt die schon zitierte Monographie von Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, 1970. Über die hier jetzt drohenden Gefahren siehe Mitte1steiner in "Die Welt" vom 27. 4. 70, S. 11.
I. Begriff,
Geschichte, Zweck und Rechtfertigung
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Das Pflichtteilsrecht des Ehegatten, der Abkömmlinge und der Eltern gehört zum "Wesensgehalt" des Erbrechts 01 • Denn es gewährt den nächsten Familienangehörigen ein nur aus schwerwiegenden Gründen ausnahmsweise entziehbares Anrecht am Vermögen des Erblassers und beruht auf dem notwendigen Ausgleich zwischen der Testierfreiheit des Erblassers und dem Familienschutzgedanken. Es ist im BGB nicht- wie in vielen Auslandsrechten, besonders des romanischen und nordischen Kreises, aber auch im schweizerischen Recht - in die Rechtsform einer dinglichen Vermögensgemeinschaft mit den Testamentserben gekleidet (materielles Noterbrecht), sondern gewährt nur einen schuldrechtlichen Geldanspruch auf die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils 92 • Es handelt sich dabei nicht nur um eine rechtstechnische Formung. Der Noterbe ist am Nachlaß dinglich als Miterbe beteiligt, während dem Pflichtteilsberechtigten, dem nur ein obligatorischer Anspruch zusteht, die Sicherung fehlt, die ihm die Erbeneigenschaft gewährt93 • Außerdem wird der Erblasser durch den schuldrechtlichen Geldanspruch gegen seine Erben nicht in seiner Testierfreiheit beschränkt, wohl aber durch das Noterbrecht. Trotzdem würde, wie schon bemerkt, die Kernsubstanz des Erbrechts nicht angetastet, wenn der Gesetzgeber ein materielles Noterbrecht einführte oder das Pflichtteilsrecht auf weitere Aszendenten oder auf Geschwister des Erblassers ausdehnte. Dagegen verstieße es gegen den Wesensgehalt des Erbrechts, dem Erblasser eine grundlose Entziehung oder Beschränkung des Pflichtteilsrechts gegenüber dem Ehegatten, den Abkömmlingen und den Eltern zu gestatten94 • Zum Wesenskern des Erbrechts gehört auch der Grundsatz der Universalsukzession94", der Erwerb der Erbschaft als einer qualitativen Einheit von Vermögensgegenständen, so wie sie dem Erblasser zustand. Es wäre daher zum Beispiel verfassungswidrig, den Grundbesitz von der Vererbung auszuschließen und ihn dem Staat anheimfallen zu lassen. Art. 19 II des Grundgesetzes wendet sich nicht an den verfassungsändernden Gesetzgeber 95 • Nach Art. 79 III ist unter anderem eine Ver91 Staudinger-Boehmer, a. a. 0., § 23, Randnrn. 14-16; Boehmer, a. a. 0., 415 ff.; Leisner, a. a. 0., 49; Mikat, a. a. 0.; Brox, Randnr. 49.
92 Über die Vorzüge und Nachteile der einen oder der anderen Regelung Staudinger-Boehmer, a. a. 0., § 13, § 17, Randnrn. 4-27. Siehe ferner Boehmer, AcP 144, 32 ff., 249 ff.; Einführung in das bürgerliche Recht, 1954, 125 ff.; Lange, AcP 144, 188 ff.; 2. Denkschrift des Erbrechtsausschusses, 207 ff.; Braga, AcP 153, 144 ff.; Lange, § 39 II, 428 ff. 93 Motive V, 386. 94 Boehmer bei Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte Il, 417.Auch die Haftung des Erben für die Nachlaßschulden gehört zum Wesensgehalt der Erbrechtsordnung (Lange, § 2 IV 3 d, S. 21; Brox, Randnr. 50). 94• Mikat, Sp. 1219; Leisner, a. a. 0., 51 ff. 95 von Mangoldt-Klein P, 1957, A. V 7 b, S. 565.
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
fassungsänderung unzulässig, welche die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt. Damit sind die überstaatlichen Grundund Freiheitsrechte als unverletzlich und unveräußerlich anerkannt (Art. 1 II). Diese Geltung folgt aus der überpositiven Struktur der genannten Rechte 96 • Sie sind der positiven Gesetzgebung übergeordnet und setzen dem Staat eine unübersteigbare und unaufhebbare Grenze seiner Gewalt. Daher ist nicht nur eine Totalvernichtung der Grundund Freiheitsrechte ausgeschlossen, sondern schon die bloße Beeinträchtigung der Kernsubstanz untersagt; denn sonst würden die überstaatlichen Grundrechte gerade in der Gestalt beseitigt, wie sie der abendländischen Kulturwelt überliefert ist. Zu diesen Rechten zählen auch Eigentum und Erbrecht. li. Die Gesetze des deutschen Erbrechts und ihr Geltungsbereich
a) Die Gesetzesquellen Die Hauptquelle des geltenden Erbrechts ist das 5. Buch des BGB. Außerdem finden sich erbrechtliche oder erbrechtlich bedeutsame Normen außerhalb des 5. Buches im Allgemeinen Teil, im Schuldrecht, im Sachenrecht und noch mehr im Familienrecht sowie in vielen einzelnen Gesetzen (HGB, ZPO, KO, VerglO, FGG u.s.w-)1. Kürzlich sind bedeutsame Änderungen des Erbrechts des BGB durch folgende Gesetze eingetreten: 1. Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom
19. 8.1969, 2. Beurkundungsgesetz vom 28. 8.1969.
Das Einführungsgesetz zum BGB (EG) hatte auch für das Erbrecht eine Anzahl von Vorbehalten zugunsten landesgesetzlicher Regelung gemacht. Wo diese eingreifen, gilt das frühere Landesrecht weiter und können die Länder auch für die Zukunft gesetzliche Regelungen treffen. Diese Vorbehalte bezogen sich auf 1. die Hausverfassungen der landesherrlichen und vormals reichs-
ständischen Häuser (Art. 57, 58 EG), jetzt gegenstandslos,
96 Vgl. zu der Frage Wernicke im Bonner Kommentar, A. 3 b, 5 b zu Art. 1; Zippelius, ebendort, Randnrn. 43, 44 mit weiteren Nachweisen; Boehmer, a. a. 0., 406 f.; Hamann, Grundgesetz2 , 1961, A. 9 zu Art. 79; Maunz-Dürig, Randnr. 42 zu Art. 79; Mikat, a. a. 0., Sp. 1220. 1 Ausführliche Übersicht RGRK-Kregel, Erbrecht, Einleitung, A. 2; Palandt-Keidel, Einleitung vor § 1922, 2-4; Bartholomeyczik, § 2 III, S. 3 ff.; Brox, Randnrn. 65-89.
II. Die Gesetze des deutschen Erbrechts
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2. die Familienfideikommisse, Lehen und Stammgüter (Art. 59 EG), 3. das Erbpachtrecht, Büdner- und Häuslerrecht (Art. 63 EG), 4. das bäuerliche Anerbenrecht (Art. 64 EG). Nach Art. 155 II S. 2 WeimRV waren die Familienfideikommisse durch die Landesgesetzgebung aufzulösen. Aufgrund der §§ 1, 30 des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 6. 7. 1938 (RGBL I, 825) sind mit Beginn des 1. 1. 1939 alle in diesem Zeitpunkt noch bestehenden Familienfideikommisse und sonstigen gebundenen Vermögen erloschen. Sie wurden dadurch freies Vermögen des letzten Inhabers. Erbpacht-, Büdner- und Häuslerrecht sind dingliche Nutzungsrechte an ländlichen Grundstücken. Das Kontrollratsgesetz (KRG) Nr. 45 vom 20.2.1947 Art. X Abs. 2 hat den Art. 63 EG aufgehoben, soweit diese Vorschrift im Widerspruch zu Art. III steht. Das Reichserbhofgesetz (RErbhofG) vom 29. 9. 1933 hatte den Art. 64 EG und die landesrechtliehen Vorschriften über das Anerbenrecht mit einer Ausnahme außer Kraft gesetzt. Anerbenrecht bedeutet, daß der Hof nebst Bestandteilen und Zubehör im Wege der Sondererbfolge immer nur an einen Hoferben, den Anerben, fällt. Es bezweckt, den Hof ungeteilt zu erhalten. Das RErbhofG, das das Anerbenrecht im ganzen Reic.~sgebiet durchsetzte, wurde einschließlich aller Ergänzungsvorschriften durch das KRG Nr. 45 aufgehoben. Gleichzeitig hat dieses Gesetz die am 1. 1. 1933 über die Erbfolge in Höfe bestehenden Landesgesetze wieder in Kraft gesetzt und die Zonenbefehlshaber ermächtigt, Änderungs- und Durchführungsbestimmungen zu erlassen. Aufgrund dieser Ermächtigung erließ die britische Militärregierung die Höfeordnung vom 24.4.1947 (MilRegVO Nr. 84). Gemäß Art. 64 I, 218 EG können auch weiterhin neue, die Erbfolge abweichend vom BGB regelnde Landesgesetze erlassen werden, soweit nicht sonstiges Bundesrecht entgegensteht. Nach Art. 64 II EG muß aber dem Erblasser das Recht erhalten bleiben, einen anderen als den gesetzlichen Anwärter zum Hoferben zu bestimmen2 • Aufgehoben sind nicht nur die gesamte Reichserbhofgesetzgebung, sondern unter anderen auch folgende Gesetze: 1. das Gesetz über erbrechtliche Beschränkungen wegen gemeinschaftswidrigen Verhaltens vom 5. 11. 1937 (RGBL I, 1161) durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts vom 5. 3. 1953 (BGBl. I, 41); 2
überblick über die zur Zeit geltenden Anerbengesetze Palandt-Keidel28,
A. 2 zu Art. 64EGBGB.
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
2. das Testamentsgesetz vom 31. 7. 1938 (RGBl. I, 973) mit Ausnahme der Übergangsvorscilriften des § 51 ebenfalls durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit. Seine Vorschriften sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in das Erbrecht des BGB eingefügt worden.
b) Der zeitliche Geltungsbereich des Erbrechts des BGB Ist der Erblasser vor Inkrafttreten des BGB verstorben, so bleibt für die Ordnung der erbrechtliehen Verhältnisse das bisherige Recht maßgebend (Art. 213 S. 1 EG). Das Vertrauen des Erblassers darauf, daß sich seine Beerbung nach den bei seinem Tode in Kraft befindlichen Vorschriften vollziehen werde, soll nicht enttäuscht werden. Dagegen untersteht die Ordnung des nach dem Inkrafttreten des BGB erfolgten Erbfalls in aller Regel dem neuen Recht. Dies ergibt der Gegenschluß aus Art. 213. Hiervon gelten aber mehrere Ausnahmen. Ist vor dem 1. 1. 1900 ein Testament oder ein Erbvertrag errichtet worden, so wird seine Gültigkeit nach dem zur Zeit der Errichtung geltenden Recht beurteilt; jedoch bestimmen sich die Wirkungen (Rechtsfolgen) nach dem neuen Recht, wenn der Erblasser nach dem 1.1. 1900 verstirbt. Damit muß er eben rechnen. Das alte Recht ist auch für die Frage der Bindung des Erblassers bei einem vor dem 1. 1. 1900 errichteten Erbvertrag oder gemeinschaftlichen Testament maßgebend, mithin dafür, unter welchen Voraussetzungen er nach Inkrafttreten des BGB seine Verfügung aufheben oder ändern darf (Art. 214 EG). Art. 215 EG läßt die einmal erlangte Testierfähigkeit auch unter der Geltung des BGB fortbestehen. Daher konnte jemand, der im Geltungsbereich des Preuß.ALR vor dem 1.1.1900 das 14. Lebensjahr vollendet hatte, auch nach Inkrafttreten des BGB ein neues Testament errichten oder sein früheres ändern oder aufheben. Eine zurückhaltende und schonende Übergangsnorm enthält Art. 217 EG. Die unter der Herrschaft des alten Rechts vollzogene Errichtung oder Aufhebung eines Erbverzichtsvertrags untersteht im Gegensatz zu dem Prinzip des Art. 213 auch hinsichtlich seiner Wirkungen dem bisherigen Recht, selbst wenn der Erblasser erst nach dem 1. 1. 1900 gestorben ist.
c) Das räumliche Anwendungsgebiet des Erbrechts des BGB (internationales Privaterbrecht) Es bleibt noch die Frage zu erörtern, welche erbrechtliehen Normen anzuwenden sind, wenn ein Deutscher im Ausland oder umgekehrt ein Ausländer im Inland stirbt.
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Beispiel: Der Erblasser ist ein Deutscher, zuletzt wohnhaft in Rom. Es kollidieren also die deutsche und die italienische Rechtsordnung. Diese Kollision schlichtet eine Norm, die daher Kollisionsnorm genannt wird. Solcher Normen bedarf jeder Staat. Den Gegensatz zu ihnen bilden die Sachnormen, das heißt die Vorschriften des materiellen Privatrechts, zum Beispiel die §§ 2303 ff. über das Pflichtteilsrecht. Die Summe der Kollisionsnormen eines Staates nennt man sein Internationales Privatrecht (IPR). Es gibt also ein deutsches, ein französisches, ein schweizerisches u.s.w. IPR. Es ist nicht etwa ein überstaatliches Recht wie das Völkerrecht, sondern staatliches Recht, so wie die Sachnormen. Das Wort international will nur besagen, daß sich diese Art des Privatrechts auf Fälle mit internationalem Einschlag bezieht, eben auf jene Fälle, die nicht nur mit dem eigenen Land verknüpft sind. Das deutsche IPR ist in den Art. 7-31 EG geregelt, wenngleich keineswegs erschöpfend. Als Anknüpfung gilt bei uns das Staatsangehörigkeitsprinzip und nicht etwa das Wohnsitz- oder Domizilprinzip. Der Grundsatz der Staatsangehörigkeit ist bei uns ganz allgemein für das Personen-, Familien- und Erbrecht maßgebend. Auch Italien befolgt wie die meisten europäischen Staaten des Staatsangehörigkeitsprinzip. Eine Ausnahme machen Dänemark und Norwegen, die am Domizilprinzip festhalten, und ferner die Länder des Common Law (Großbritannien und die Vereinigten Staaten). Der italienische Richter wendet daher wie der deutsche in dem Fall, daß der Erblasser ein Deutscher mit letztem Wohnsitz in Rom ist, deutsches, in dem Fall, daß er Italiener mit letztem Wohnsitz in Harnburg ist, italienisches Erbrecht an. Dagegen wendet der dänische Richter im Fall eines deutschen Erblassers mit letztem Wohnsitz in Kopenhagen gemäß dem dänischen Domizilprinzip dänisches Erbrecht an. Die Rechtsordnung des Staates, mit dem eine Person durch Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz verbunden ist, nennt man ihr Personal-
statut.
1. Die Regel Die Regel für den deutschen Richter lautet nach dem Gesagten also: Entscheidend ist das Heimatrecht, die lex patriae, des Erblassers zur Zeit des Erbfalls, nicht das Wohnsitzrecht, die lex domicilii. Ein Deutscher wird mithin nach deutschem Recht beerbt, auch wenn er seinen Wohnsitz im Ausland, zum Beispiel in Rom hatte (Art. 24 I EG). Ein Ausländer wird nach dem Recht seines Staates beerbt, auch wenn er seinen Wohnsitz in Deutschland hat (Art. 25 S. 1 EG). Beispiel: Ein in Harnburg wohnhafter verwitweter Schweizer hinterläßt ein einziges Kind. Als Alleinerbin setzt er seine Verlobte ein. Nach schweizerischem Recht hat das Kind ein Pflichtteilsrecht in Höhe von
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
drei Vierteilen des Nachlasses (Art. 471 Nr. 1 in Verbindung mit Art.
457 I Schweizer. ZGB). Dieses Recht wird als Noterbrecht bezeichnet. Der
Erblasser kann nur in Höhe von einem Viertel des Nachlasses verfügen (Art. 470 I). Das Kind ist berechtigt, Herabsetzung der Verfügung auf dieses Viertel zu verlangen (Art. 522 I), und zwar im Wege der rechtsgestaltenden "Herabsetzungsklage" (Art. 478 I, 524 I, 533 I). Erst das rechtskräftige Herabsetzungsurteil macht den Pflichtteilsberechtigten mit rückwirkender Kraft zum Erben 3 , während das deutsche Recht kein solches Noterbrecht kennt und dem Kind einen bloßen Pflichtteilsanspruch, das heißt einen reinen Geldanspruch, gewähren würde (§ 2303 I). Im Erbschein ist also nach Rechtskraft des Herabsetzungsurteils entgegen dem Testament auch das Kind als Erbe anzugeben. Daß das deutsche Nachlaßgericht einen Erbschein ausstellen kann, allerdings nur hinsichtlich des im Inland befindlichen Vermögens, beruht auf§ 2369. Solange die Herabsetzungsklage nicht erhoben ist, bleibt die Gültigkeit des Testaments unberührt und muß der Erbschein ihm entsprechend ausgestellt werden4. 2. Ausnahmen
a) bei Verfügungen von Todes wegen Befindet sich ein Deutscher im Ausland, so kann er sein Testament in deutscher Form oder in der Form des Aufenthaltsortes machen (Art. 11 I EG). Beispiel: Ein Deutscher errichtet in London ein privatschriftliches Testament gemäß § 2247. Das Testament ist gültig; denn für die Beerbung des Erblassers ist nach Art. 24 I EG deutsches Recht maßgebend und deshalb greifen nach Art. 11 I S. 1 EG die deutschen Formvorschriften Platz. Angenommen das Testament wurde von fremder Hand geschrieben und von zwei Zeugen sowie dem Erblasser unterschrieben. Auch dieses Zweizeugentestament ist gültig (Art. 11 I S. 2 EG); denn es entspricht den englischen Formvorschriften5 •
Die Formvorschrift des Art. 11 I EG wird für letztwillige Verfügungen, aber nicht für Erbverträge ergänzt durch Art. 1 des Raager Testamentsabkommens vom 5. 10. 1961 (BGBl. 1965 II, 1145)G. Es gilt das Recht des Staates, dem der Erblasser zur Zeit der Testamentserrichtung oder seines Todes angehört hat (Buchstabe b), ferner das Recht des Wohnsitzes s Boehmer, AcP 144, 50; Staudinger-Ferid, Vorbemerkungen vor § 2303, Randnr.16. 4 Raape, Internationales Privatrecht5, 1961, 450 A. 37. - Rechtspolitisch: Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Erbrechts, vorgelegt von W. Lauterbach, 1969. 5 Pringsheim in Die Zivilgesetze der Gegenwart II, 1931, 648 ff.; W. G. Beck.er, RvglHWB VI 1938, 533 f., Art. Testament. 6 Es ist auszugsweise abgedruckt bei Palandt-Lauterbach28 und ErmanMarquordt4, Anhang zu Art. 24, 25 (26) EG BGB.
Il. Die Gesetze des deutschen Erbrechts
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oder des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung oder seines Todes (Buchstaben c und d) sowie - bei unbeweglichem Vermögen - das Ortsrecht dieses Vermögens (Buchstabe e). Art. 5 erstreckt den Formbegriff auf die TestierfähigkeW. Erwirbt ein Ausländer mit letztem inländischen Wohnsitz die deutsche Staatsangehörigkeit, nachdem er eine Verfügung von Todes wegen errichtet hat, so bleibt sie gültig, sofern sie nach den Gesetzen des Staates, dem er zur Zeit der Errichtung angehörte, gültig errichtet ist (Art. 24 III S. 1 EG). Hinsichtlich der Form genügt es aber auch, wenn sie nur den deutschen Formvorschriften entspricht (Art. 24 III S. 2, 11 I S. 2 EG). Soweit es sich um Testamente handelt, gilt, was die Form anlangt, ebenfalls das Raager Testamentsabkommen.
ß)
bei Schuldenhaftung Wohnte ein Deutscher zur Zeit seines Todes im Ausland, so können sich die Erben gegenüber den Nachlaßgläubigern nach freier Wahl auf das ausländische oder das deutsche Recht berufen (Art. 24 II EG). y) bei Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche
Art. 25 S. 2 EG bestimmt, daß ein Deutscher auf den Nachlaß eines mit deutschem Wohnsitz verstorbenen Ausländers auch dann Ansprüc..1.e erheben kann, wenn sie nur nach deutschem Recht begründet sind. Doch gilt dies nicht, wenn nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser angehört, ein dort wohnhafter Deutscher nur nach den deutschen Gesetzen, also nach seinem Heimatrecht, beerbt wird. Erkennt also der fremde Staat die in Art. 24 I EG geregelte Beerbung nach Heimatrecht vorbehaltlos an, so läßt auch der deutsche Gesetzgeber sie ganz gelten. b) bei Rückverweisung
Art. 27 EG handelt von der Rückverweisung (auf das deutsche Recht) oder, wie man auch sagt, von dem Renvoi. Stirbt ein Däne mit letztem Wohnsitz in Hamburg, so ist nach Art. 25 S. 1 EG dänisches Erbrecht anzuwenden. Die deutsche Kollisionsnorm "verweist" auf die das Erbrecht betreffende Sachnorm des dänischen Rechts. Das dänische internationale Privatrecht folgt dem Wohnsitzprinzip (Domizilprinzip). Danach ist deutsches Erbrecht anzuwenden. Die dänische Kollisionsnorm verweist also, von Deutschland aus gesehen, auf das deutsche Erbrecht zurück. Art. 27 EG ordnet nun an, diese Rückverweisung zu beachten. Daher muß, entgegen dem Prinzip des Art. 25 S. 1 EG, kraft des Art. 27 EG deutsches Erbrecht angewendet werden. Folgerichtig ist auch eine W eite?"verweisung (auf ein drittes Recht) zu berücksichtigen. Sie liegt zum Beispiel vor, wenn der dänische Erblasser 7
Dazu Palandt-Danckelmann28 , A. 1 zu Art. 5.
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
mit letztem Wohnsitz in Rom starb. Der dänische Richter wendet hier italienisches Erbrecht an. Daher hat es auch der deutsche Richter zu tun, zum Beispiel wenn der Erblasser ein Guthaben bei einer deutschen Bank hinterließ, und nun die Frage auftaucht, wer jetzt Gläubiger der Bank ist. e) bei Nachlaßgegenständen, die sich im Ausland befinden und dort einer besonderen Erbfolgeordnung unterstehen Nach Art. 28 EG gilt das Sachstatut, die lex rei sitae, für diejenigen Nachlaßgegenstände, die sich in einem ausländischen Staat befinden, nach dessen Satzungen von der Nachlaßgesamtheit ausgesondert und besonderen Vorschriften unterworfen werden. Art. 28 EG spielt gerade im Erbrecht eine besondere Rolle. Ein deutscher Erblasser mit letztem Wohnsitz in Paris hinterläßt ein französisches Grundstück. Gemäß Art. 24 I EG ist deutsches Erbrecht auch hinsichtlich des in Frankreich gelegenen Vermögens anzuwenden. Denn das Erbstatut, nämlich die auf das Erbrecht bezogenen Sachnormen, ist ein Gesamt- oder Vermögensstatut. Es bezieht sich nicht auf einzelne Gegenstände, sondern auf eine Gesamtheit von solchen. Die Anknüpfung an eine einzige Rechtsordnung beruht in einem solchen Fall auf einem praktischen Bedürfnis und entspricht dem Prinzip der Universalsukzession, wie es die Mehrzahl der Staaten hat. Daher wird nicht an die Rechtsordnung aller der Staaten angeknüpft, in denen Nachlaßgegenstände vorhanden sind, sondern an eine einzige Rechtsordnung, und zwar an diejenige des Staates, mit dem der Erblasser durch seine Staatsangehörigkeit zuletzt verbunden war, also an sein Heimatrecht. Diesen Grundsatz schränkt nun Art. 28 EG ein. Frankreich wendet nämlich auf die ein französisches Grundstück betreffenden Rechtsverhältnisse ohne Ausnahme französisches Recht an. Dieses Belegenheitsstatut (lex rei sitae) gilt auch für die erbrechtliche Behandlung. So lautet Frankreichs Kollisionsnorm, eine "besondere Vorschrift", wie Art. 28 EG allzu farblos formuliert. Vor ihr weicht das deutsche Recht zurück, weil es den entgegengesetzten Standpunkt praktisch nicht durchsetzen könnte 8• Die Folge ist, daß der deutsche Erblasser in dem angeführten Beispiel nach zwei Rechtsordnungen beerbt wird, im allgemeinen nach der deutschen, im Hinblick auf das französische Grundstück nach der französischen. s Man drückt das dahin aus: Sach-(Einzel-)Statut bricht hier Vermögens(Gesamt-)Statut. Das Wort Statut bedeutet Rechtsordnung.
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"Besondere Vorschriften" des Gebietsstaates können Sachnormen wie auch Kollisionsnormen sein9 • Die Sachnormen beziehen sich auf sogenannte gebundene Güter oder Sondervermögen wie Familienfideikommisse, Lehen, Anerbengüter usw. und treffen für diese Gegenstände eine besondere erbrechtliche Regelung. Die Kollisionsnormen unterstellen die Erbfolge in bestimmte Gegenstände, vor allem in Grundstücke, einem anderen Recht als die übrige Erbfolge. Die meisten Staaten nehmen den französischen Standpunkt ein. Eine Ausnahme bilden unter anderen Holland und Italien. Hinterläßt der deutsche Erblasser außer einem französischen Grundstück Grundbesitz in Österreich, England und den USA, so ist auch insoweit österreichisches, englisches und amerikanisches Erbrecht anzuwenden. Dagegen werden sein gesamtes Mobiliarvermögen sowie die deutschen und italienischne Liegenschaften nach deutschem materiellen Recht vererbt, weil auch Italien deutsches Erbrecht anwendet. Hier bleibt es also bei dem Grundsatz: Gesamtstatut geht vor Einzelstatut Entgegen der im materiellen Erbrecht fast überall verwirklichten Universalsukzession tritt folglich eine Nachlaßspaltung ein. Jede der genannten Vermögensmassen hat mithin ihr eigenes rechtliches SchicksaP 0 und wird- auch vor dem deutschen Richter- so behandelt, wie wenn es sich um verschiedene Nachlässe handelte. Die Grundstücke bilden Sondernachlässe für sich, die aus dem allgemeinen inländischen Nachlaß ganz ausscheiden. 3. Staatenlose Die Staatenlosen haben kein Heimatrecht. Art. 29 EG sorgt für Ersatz. Er bestimmt, daß die Rechtsverhältnisse einer staatenlosen Person nach den Gesetzen des Staates beurteilt werden, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder mangels eines solchen ihren Aufenthalt hat oder zu der maßgebenden Zeit gehabt hat. Es gilt also die lex domicilii mit der Maßgabe, daß es nicht auf den Wohnsitz (§ 7), sondern auf den gewöhnlichen oder auf den einfachen (schlichten) Aufenthalt ankommt. Überall da, wo an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, ist der Anknüpfungspunkt für Staatenlose das an ihrem Aufenthaltsort geltende Recht. Ein ehemaliger Franzose mit letztem Wohnsitz oder Aufenthalt in München wird also nach deutschem Recht beerbt. 4. Mehrstaater Häufig gehört jemand mehreren Staaten an, ist ein Doppel- oder Mehrstaater (sujet mixte). Ein Deutscher oder Franzose wurde zum Beispiel in Argentinien geboren. Kraft des Abstammungsprinzips, ius o
to
BGHZ 50, 63 (64 ff.) mit Literatur und Rechtsprechung. Erman-Arndt4, A. 2 b zu Art. 28.
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
sangmms, ist er Deutscher (Franzose), da er von deutschen (französischen) Eltern abstammt. Kraft des Bodenprinzips, ius soli, das durchweg in Lateinamerika gilt, ist er außerdem Argentinier, da auf argentinischem Boden geboren. Das EG läßt die Frage, nach welchem Recht der Betreffende beerbt wird, ungeregelt. Die Meinungen gehen auseinander11. Besitzt der Mehrstaater auch die deutsche Staatsangehörigkeit, so hat nach herrschender Ansicht12 das deutsche Rechts stets den Vorzug13. Die dafür gegebene Begründung, das eigene Recht sei dem deutschen Richter besser vertraut1\ überzeugt nicht. Vielmehr kommt es wie bei Mehrstaatern ohne deutsche Staatsangehörigkeit15 - darauf an, zu welchem Staat der Mehrstaater die engeren Beziehungen hat16• Hat der betreffende Deutsche, also der Mehrstaater von Geburt, seinen letzten Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt in Argentinien, so wird er nach argentinischem Recht beerbt. Hat er in keinem der beteiligten Länder gewohnt oder sich aufgehalten, so entscheidet die Staatsangehörigkeit, die auf der Abstammung (ius sanguinis) und nicht auf dem Geburtsort (ius soli) beruht17• Es findet also deutsches Erbrecht Anwendung. III. Grundbegriffe und Grundlinien des Erbrechts § 1922 I bestimmt: "Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über."
Der Verstorbene wird "Erblasser" genannt (z. B. § 1924)1 • Jeder Todesfall schafft einen "Erbfall" (§ 1922 I). Mit jedem Erbfall verbindet sich ein "Erbanfall" (§ 1942 I) als Rechtsfolge, weil das Vermögen keinen Augenblick ohne Rechtsträger sein soll. Das Vermögen des Verstorbenen bezeichnet das Gesetz bald als "Erbschaft" (z. B. § 1922) bald als "Nachlaß" (z. B. § 1975). "Erbfolge" bedeutet 11 Vgl. Palandt-Lauterbach28 , Vorbemerkung 7 a vor Art. 7 EG BGB; ErmanArndt4, A. 8 zu Art. 29 EG BGB; Kegel in Soergel-Siebert9 , Randnrn. 28, 29 zu Art. 29 EG BGB mit ausführlichen Nachweisen in Anm. 1-11. 1 2 Angaben bei Kegel, a. a. 0., A. 7. ta Dagegen Ferid, RabelsZ 23, 498 ff.; Kegel, a. a. 0., Randnr. 29; ErmanArndt, a. a. 0. 14 Raape, a. a. 0., 56 A. 54. 15 M. Wolff, Das internationale Privatrecht Deutschlands!, 1949, 38; Kegel, a. a. 0., Randnr. 28 mit Nachweisen A. 2. 16 Kegel, a. a. 0., Randnr. 29. 11 Kegel, a. a. 0., Vgl. M. Wolff, a. a. 0., 38. 1 In der englischen, französischen, italienischen und spanischen Rechtssprache heißt der Erblasser de cuius, eine Abkürzung von is, de cuius hereditate quaeritur oder agitur.
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die Rechtsnachfolge in den Nachlaß als Ganzes. Der Rechtsnachfolger heißt "Erbe" (§ 1922 I). Der Erwerb der Erbschaft durch den oder die Erben erfolgt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession), und zwar ohne Rücksicht auf seinen Willen. Sein Wille ist jedoch insofern von Bedeutung, als ihm die Erbschaft nicht unwiderruflich aufgedrängt, sondern ihm das Recht gegeben wird, sie auszuschlagen (§ 1942 I). In Wahrheit tritt mit dem Tode des Erblassers ein subjektloser Zwischenzustand ein. Es entsteht ein Recht des zum Erben Berufenen auf Annahme der Erbschaft. Erbe wird er durch Ausübung oder durch Nichtausschlagung des angefallenen Rechts. Der Erbe erwirbt nicht nur die Rechte, sondern auch die Schulden(§ 1967). Die dem römischen Recht entstammende Gesamtrechtsnachfolge bedeutet: das Vermögen des Erblassers geht als Einheit, nicht als Summe von Einzelgegenständen, sowie durch einen einzigen Erwerbsvorgang auf den Erben über. Das Vermögen fällt also an, ohne daß die beweglichen Sachen übereignet, die Grundstücke aufgelassen, die Forderungen abgetreten, die Wechsel indossiert werden müßten. Der Erbe wird mithin ipso iure Eigentümer eines Nachlaßgrundstücks. Das Grundbuch ist unrichtig geworden. Der Erbe kann die Umschreibung auf seinen Namen verlangen (§§ 22, 35 I GBO). Im praktischen Rechtsleben bildet die Regel, daß die Erbschaft auf mehrere Erben übergeht, deren Rechtsverhältnis in den §§ 2032-2063 näher geordnet ist. Der oberste Grundsatz wird jedoch schon im § 1922 II gegeben. Jedem Miterben steht ein "Anteil" an der Erbschaft (Erbteil) zu, für den die gleichen Vorschriften wie für die Erbschaft gelten. Unter dem Anteil muß die Mitgliedschaft des Miterben in der Erbengemeinschaft verstanden werden, mit der die Gesamthandträgerschaft bezüglich der einzelnen zum Nachlaß gehörenden Rechte und Pflichten verbunden ist. Jeder Miterbe kann über seinen "Anteil am Nachlaß" verfügen (§ 2033 I). Ein selbständiges Teilrecht an den einzelnen Nachlaßgegenständen, z. B. einem Grundstück, einem Wertpapier, hat der Miterbe nicht. Daher kann er darüber nicht verfügen (§ 2033 II). Das Erbrecht des BGB behandelt den Nachlaß als eine Einheit, ohne Rücksicht darauf, ob unbewegliches oder bewegliches Vermögen vererbt wird. Das Gesetz kennt keine Sondererbfolge, keine Zerlegung des Nachlasses in verschiedene Massen; wohl aber ergibt sich eine solche auf Grund außerhalb des BGB erlassener besonderer Gesetze 2 • 2 Eine Sondererbfolge tritt ein 1. kraft der HöfeO in der britischen Zone, 2. kraft Heimstättenrechts nach § 24 des Reichsheimstättengesetzes vom 25. 11. 1937, §§ 25 ff. AV vom 19. 7. 1940, 3. nach § 19 des Mieterschutzgesetzes, jetzt § 569 a BGB, 4. nach§ 139 HGB.
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
Die Berufung zur Gesamtrechtsnachfolge erfolgt nach dem BGB entweder kraft Gesetzes oder kraft Verfügung von Todes wegen. Wenn jemand stirbt, ohne eine rechtsgültige Verfügung von Todes wegen errichtet zu haben, so fällt sein Nachlaß kraft Gesetzes an die in den§§ 1924-1936 bestimmten gesetzlichen Erben. Wer zu Lebzeiten bestimmen will, was nach seinem Tode mit seinem Vermögen geschehen soll, muß eine Verfügung von Todes wegen errichten. Die beiden Arten dieser Verfügung sind: Testament und Erbvertrag. Testament ist diejenige letztwillige Verfügung von Todes wegen, die jemand einseitig errichtet, ohne sich schon bei Lebzeiten zu binden (§ 1937). Das Testament ist daher frei widerruflich (§ 2253 I). In ordentlicher Form kann das Testament entweder vor einem Notar errichtet werden (öffentliches Testament) oder durch eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung (privates Testament). Daneben gibt es außerordentliche Testamentsformen. Ein gemeinschaftliches Testament können nur Eheleute errichten. Nähere Regelung erfolgt im 3. Abschnitt(§§ 2064-2273). Erbvertrag ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, durch das der Erblasser den Vertragsgegner oder einen Dritten als Erben oder Vermächtnisnehmer einsetzt oder durch das er Auflagen anordnet und durch das er an die darin getroffenen letztwilligen Verfügungen gebunden ist(§ 1941). Die nähere Regelung bringt der 4. Abschnitt(§§ 2274-2302). Der Erblasser kann einen Alleinerben oder mehrere Erben ernennen. Den Miterben steht, bis die Teilung erfolgt ist, die Erbschaft zu gesamter Hand zu (§§ 2032-2057). Auch kraft Gesetzes können mehrere Erben berufen werden. Für den Fall, daß der zunächst eingesetzte Erbe vor oder nach dem Erbfall wegfällt - er ist vor dem Erbfall verstorben, hat auf sein Erbrecht verzichtet (§ 2352) oder nach Eintritt des Erbfalls die Erbschaft ausgeschlagen (§§ 1942, 1953) oder ist für erbunwürdig erklärt worden (§§ 2339-2345) -, darf der Erblasser einen anderen einsetzen. Dies ist der Ersatzerbe (§§ 2096-2099). Das Gesetz gestattet auch die Ernennung eines Vor- und eines Nacherben(§§ 2100-2146). Der zum Nacherben Berufene wird erst Erbe, nachdem bereits ein anderer, der Vorerbe, Erbe gewesen ist (§ 2100). Mit dem Eintritt der Nacherbfolge -im Zweifel mit dem Tode des Vorerben(§ 2106 I)- wird der Berufene Erbe des Erblassers, der ihn eingesetzt hat (§ 2139). Bis dahin hat er ein in der Regel veräußerliches und vererbliches (§ 2108 II) Anwartschaftsrecht auf den Nachlaß. Dem Vorerben gehört zwar der Nachlaß, er ist aber in der Vornahme von Verfügungen über ihn im Interesse des Nacherben stark beschränkt(§§ 2112-2115). Auch bestehen in mancherlei Hinsicht schuldrechtliche Verpflichtungen (§§ 2116-2134). Dem Vorerben gebühren daher im wesentlichen nur die Nutzungen des Nachlasses. Der Erblasser
Ill. Grundbegriffe und Grundlinien des Erbrechts
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darf ihn allerdings von diesen Beschränkungen und Verpflichtungen großenteils befreien {"befreite Vorerbschaft",§§ 2136-2138). Durch Testament kann der Erblasser einen oder mehrere Testamentsvollstrecker ernennen (§§ 2197-2228). Die wichtigste regelmäßige Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist es, die letztwilligen Anordnungen des Erblassers zu vollziehen. Er hat den Nachlaß zu verwalten und die Auseinandersetzung unter den Miterben zu bewirken. Der Erbe ist oftmals genötigt, sein Recht nachzuweisen. Dazu dient ein Zeugnis des Nachlaßgerichts über sein Erbrecht: der Erbschein {§§ 2353-2370). Er ist für den rechtsgeschäftliehen Verkehr mit öffentlichem Glauben ausgestattet. Das Bedürfnis des Erben nach einem gesteigerten Rechtsschutz wird durch den "Erbschaftsanspruch" anerkannt. Er ist der hereditatis petitio des römischen und Gemeinen Rechts nachgebildet. Er richtet sich nur gegen einen "Erbschaftsbesitzer" (§ 2018), das heißt gegen jemanden, der aufgrund eines - gutgläubig oder schlechtgläubig - angemaßten Erbrechts etwas aus dem Nachlaß erlangt hat. Der Inhalt einer Verfügung von Todes wegen braucht nicht stets eine Erbeinsetzung zu enthalten oder sich auf sie zu beschränken. Es können vielmehr nur oder auch Vermächtnisse und Auflagen angeordnet werden. Das Vermächtnis ist die Zuwendung eines Vermögensvorteils, z. B. eines Hauses oder eines Gemäldes, ohne daß der Vermächtnisnehmer zum Erben eingesetzt wird(§ 1939; §§ 2147-2191). Der Vermächtnisnehmer ist niemals Universalsukzessor, sondern Einzelerwerber. Deshalb haftet er niemals den Nachlaßgläubigern, er ist selbst Nachlaßgläubiger. Er hat nur einen obligatorischen Anspruch auf den vermachten Gegenstand gegen den Erben (§ 2174). Er wird nicht etwa bereits mit dem Erbfall Eigentümer der ihm vermachten Sachen, Inhaber der ihm zugewendeten Forderungen. Dies wird der Erbe. Durch die Auflage wird der Erbe oder ein Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichtet, ohne daß jemand ein Recht auf die Leistung erlangt(§§ 1940; 2192-2196). Der Inhalt der Auflage kann sehr verschieden sein. Der Erblasser trifft beispielsweise Anordnungen über seine Bestattung und die Pflege seines Grabes; er wendet sein Vermögen einem Mediziner zu mit der Bestimmung, es ganz oder teilweise für Zwecke der Krebsforschung zu verwenden. Das Pflichtteilsrecht (§§ 2303-2338) ist als Schutzmittel gegen den Mißbrauch der Testierfreiheit gedacht. Bestimmte dem Erblasser nahestehende Personen (Abkömmlinge, Eltern und Ehegatte), die durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind, haben 3 v. Lübtow, Erbrecht
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
kraft Gesetzes einen schuldrechtlichen Geldanspruch gegen den Erben in Höhe des halben Wertes des gesetzlichen Erbteils(§ 2303). Der Erbe ist Träger der "Nachlaßverbindlichkeiten" (§ 1967 I). Zu ihnen gehören die vererbten Schulden ("Erblasserschulden", § 1967 II), die bereits vor dem Erbfall gegen den Erblasser, z. B. aus einem Kaufoder Darlehensvertrag, begründet waren. Dazu treten die "Erbfallschulden". Dies sind solche, die infolge des Erbfalls aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen sowie aufgrund des § 1968 (Beerdigunggskosten) entstehen. Den Vermächtnissen werden gleichbehandelt die gesetzlichen Ansprüche des überlebenden Ehegatten auf den Voraus (§ 1932) und das Recht des Dreißigsten (§ 1969). Eine weitere Gruppe bilden die Schulden, die nach dem Erbfall im Zusammenhang mit der Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses erwachsen ("Erbschaftsverwaltungs- und Abwicklungsschulden"). Das Gesetz unterscheidet Erblasserschulden und solche Verbindlichkeiten, "die den Erben als solchen treffen" (§ 1967 II). Diese Bezeichnung ist mißverständlich; denn auch die Erblasserschulden treffen den Erben als solchen. Dagegen sind die "Eigenschulden" des Erben keine Nachlaßschulden. Dazu gehören vor allem seine vor dem Tode des Erblassers begründeten Verpflichtungen. Die "Nachlaß-Erbenschulden" oder "Nachlaß-Eigenschulden" stellen eine Mischung von Nachlaß- und Eigenschulden dar. Dazu rechnen die Schuld aus einem Vertrag, der mit einem Bestattungsunternehmen zwecks Beerdigung des Erblassers geschlossen ist, ferner die Schulden, die aus einer schuldhaften Verletzung einer Nachlaßverbindlichkeit entstehen: Der Erbe gerät mit der Erfüllung einer ererbten Schuld in Verzug oder er vereitelt die Erfüllung eines Vermächtnisses, indem er den vermachten Gegenstand schuldhaft zerstört oder veräußert. Fällt die Erbschaft an einen Alleinerben, so bilden sein eigenes Vermögen und der Nachlaß eine einheitliche Vermögensmasse. Die Nachlaßgläubiger können daher ihre Befriedigung sowohl aus dem Eigenvermögen des Erben wie aus dem Nachlaß suchen. Jedoch kann vor Annahme der Erbschaft eine Nachlaßschuld nicht gegen den Erben geltend gemacht werden (§ 1958). Die Haftung des Erben für die Nachlaßschulden ist aber auf die Nachlaßgegenstände beschränkbar. Die Beschränkung wird herbeigeführt durch amtliche Nachlaßsonderung, nämlich durch Anordnung der Nachlaßverwaltung oder Eröffnung des Nachlaßkonkurses (§ 1975). Der Erbe haftet dann gegenständlich beschränkt (cum viribus hereditatis), also nur mit den Gegenständen des Nachlasses, nicht rechnerisch beschränkt in der Höhe des Nachlaßwertes (pro viribus hereditatis). Reicht der Nachlaß nicht einmal zur Bestreitung der Kosten für die Nachlaßverwaltung oder den Nachlaßkonkurs aus, so kann der Erbe
III. Grundbegriffe und Grundlinien des Erbrechts
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den Nachlaßgläubigern ohne amtliche Nachlaßsonderung durch Einrede den Zugriff auf sein Eigenvermögen verwehren (§ 1990). Beruht die Überschuldung des Nachlasses auf Vermächtnissen und Auflagen, so darf der Erbe stets diese Einrede geltend machen(§ 1992). Es ist möglich, daß dem Erben nicht alle Nachlaßgläubiger bekannt sind. Er kann hier ein Gläubigeraufgebot durch das Amtsgericht beantragen (§§ 989 ff. ZPO). Meldet sich ein Gläubiger daraufhin nicht, so haftet der Erbe diesem gegenüber nur beschränkt mit dem Überschuß aus dem Nachlaß nach Maßgabe der Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 1973). Ebenso verhält es sich, wenn ein unbekannt gebliebener Nachlaßgläubiger seine Forderung später als fünf Jahre nach dem Erbfall geltend macht(§ 1974). Hinzukommen noch zwei wichtige prozessuale Vorschriften(§§ 780, 781, ZPO). Der von einem Nachlaßgläubiger verklagte Erbe kann die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, "wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist" (§ 780 I ZPO). Er muß die Aufnahme des Vorbehalts beantragen. Von Amts wegen erfolgt sie nicht.§ 781 ZPO fügt hinzu, daß, selbst wenn der Erbe die Aufnahme des Vorbehalts in das Urteil erreicht hat, die beschränkte Haftung in der Zwangsvollstreckung nur dann berücksichtigt wird, wenn der Erbe von sich aus die Vollstrekkungsabwehrklage erhebt(§§ 785, 767 ZPO). Trotz des Vorbehalts bleibt es also dem Gläubiger unbenommen, in das Eigenvermögen des Erben zu vollstrecken. Der Erbe mag sich wehren und muß im Klagewege (§ 767 ZPO) die Unzulässigkeit der Vollstreckung in sein Eigenvermögen geltend machen. Das Recht der Haftungsbeschränkung kann dem Erben auch sonst verloren gehen. Er haftet dann unbeschränkt = unbeschränkbar mit seinem Eigenvermögen. Allen Nachlaßgläubigern haftet er unbeschränkbar in folgenden Fällen: 1. Er versäumt die ihm gesetzte Inventarfrist (§ 1994 I S. 2). 2. Er führt absichtlich eine erhebliche Unvollständigkeit der im Inventar enthaltenen Angabe der Nachlaßgegenstände herbei (§ 2005 I 8.1). 3. Er nimmt, um die Nachlaßgläubiger zu benachteiligen, in das Inventar erdichtete Nachlaßschulden auf (§ 2005 I S. 1). 4. Er verweigert bei Errichtung des Inventars durch das Nachlaßgericht Auskünfte oder verzögert sie absichtlich in erheblichem Maß (§ 2005 I S. 2). Einzelnen Nachlaßgläubigern gegenüber verwirkt der Erbe sein Recht der Haftungsbeschränkung, wenn er 1. auf dieses Recht verzichtet hat, 2. entgegen ihrem Verlangen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit des Inventars verweigert (§ 2006 III), 3. ohne Vorbehalt der Haftung verurteilt worden ist(§§ 780 I, 781, 784 I ZPO). Sind mehrere Erben vorhanden, so haften sie als Gesamtschuldner (§ 2058). Der einzelne Miterbe kann daher in voller Höhe der Nachlaß-
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Einleitung: Allgemeine Grundlagen der Erbfolge
schuld verklagt und verurteilt werden. Das Gesetz trägt jedoch dem Umstand Rechnung, daß der Nachlaß, solange die Erbengemeinschaft besteht, eine gegenüber dem Eigenvermögen der einzelnen Erben gesonderte Vermögensmasse bildet. Dementsprechend brauchen die Miterben, ohne eine amtliche Nachlaßsonderung herbeiführen zu müssen, bis zur Erbteilung den Zugriff der Nachlaßgläubiger in ihr Eigenvermögen nicht zu dulden (§ 2059 I S. 1). Vor der Erbteilung können sich die Gläubiger nur an den Anteil des einzelnen Miterben am Nachlaß(§ 2059 I S.1 BGB, § 859 ZPO) oder-aufgrundeines Urteils gegen sämtliche Erben (§ 747 ZPO)- an den ungeteiltenNachlaß halten(§ 2059 II). Wohl aber ist bereits vor der Erbteilung möglich, daß auch ein Miterbe durch sein Verhalten mit seinem Eigenvermögen für die Nachlaßschulden endgültig unbeschränkt haftbar wird. Verstößt er gegen die Vorschriften über die Inventarerrichtung oder läßt er ein Urteil ohne Vorbehalt der Haftungsbeschränkung gegen sich ergehen, so kann er den Zugriff der Nachlaßgläubiger auf sein Eigenvermögen nicht mehr abwehren. Freilich gilt dann die unbeschränkte Haftung nur in Höhe des seiner Erbquote entsprechenden Teils der Schuld (§ 2059 I S. 2.). Beträgt der Erbteil eines Miterben z. B. 1/s und hat der Nachlaßgläubiger eine Forderung von 5000 DM, so schuldet der Miterbe nur 1000 DM. Nur in dieser Höhe kann der Gläubiger ihn verklagen und in sein Eigenvermögen vollstrecken. Auch nach der Teilung des Nachlasses wird die Schuld des einzelnen Miterben in den Fällen der §§ 2060 Nr. 1-3, 2061 quotenmäßig begrenzt. In dieser Höhe haftet er mit seinem Eigenvermögen. IV. Die Stoffgliederung Die Systematik des fünften Buches des BGB ist ebensowenig übersichtlich wie glücklich 1• Im 1. Abschnitt "Erbfolge" regelt das BGB im wesentlichen die gesetzliche Erbfolge (§§ 1924-1936), außerdem gibt es lediglich einen begriffsbestimmenden Überblick über die sonstigen Berufungsgründe (nämlich Testament, Erbvertrag) und über Vermächtnis und Auflage (§§ 1937 bis 1941). Daran schließt sich der 2. Abschnitt über die "Rechtliche Stellung des Erben"(§§ 1942-2063). Dann erst folgt im 3. und 4. Abschnitt die Darstellung der testamentarischen und vertraglichen Berufungsgründe (§§ 2064-2302), also Testa1 Jung, 1099; Isele, Familie und Familienerbe, 1938, 115; Staudinger-Boehmer, Erbrecht, Einleitung,§ 28, Randnrn. 1-16.
IV. Die Stoffgliederung
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ment (3. Abschnitt: §§ 2064-2273) und Erbvertrag (4. Abschnitt: §§ 2274 bis 2302). Die Bestimmungen des 2. Abschnitts über die "rechtliche Stellung des Erben" gelten ebensowohl für Testament und Erbvertrag (3. und 4. Abschnitt) wie für die gesetzliche Erbfolge (1. Abschnitt). Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn der Gesetzgeber den Stoff in drei große Abschnitte gegliedert hätte, nämlich 1. wer wird Erbe, 2. wie erwirbt er die Erbschaft, 3. wie ist die Rechtsstellung des Erben. In der ersten Gruppe ist die Berufung zur Erbschaft nebst den Berufungsgründen zu regeln, also die gesetzliche und die gewillkürte Erbfolge aufgrund eines Testaments oder eines Erbvertrages. Bestimmte nahe gesetzliche Erbanwärter können durch Verfügung von Todes wegen nicht gänzlich vom Genuß des hinterlassenen Vermögens ausgeschlossen werden. Daher gehören in diese Gruppe auch das Pfiichtteilsrecht (5. Abschnitt). Ferner müßte der Erbverzicht (7. Abschnitt) als Ausschließungsgrund der Erbfolge hier seinen Platz finden. Die zweite Gruppe bilden die Rechtssätze über den Erwerb der Erbschaft, vor allem die Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922) und die Annahme und Ausschlagung der Erbschaft(§§ 1942-1957). Hierher gehört auch die Erbunwürdigkeit (6. Abschnitt) als Aufhebungsgrund eines schon erfolgten erbrechtliehen Erwerbs. Die dritte Gruppe betrifft die rechtliche Stellung des Erben vor und nach der Annahme der Erbschaft. Hier müßten die §§ 1958-1966 ihren Platz finden, außerdem der Erbschein (8. Abschnitt), und zwar vor dem Erbschaftsanspruch (§§ 2018 ff.), der seinerseits hinter den Titel: Mehrheit von Erben (§§ 2032-2063) gehört, da er als Schutzmittel auch für die Miterben von Bedeutung ist. Der Erbschein dient dazu, den oder die Erben zu legitimieren und es ihnen damit zu ermöglichen, ihre rechtliche Stellung auszuüben. Der Erbschaftskauf steht einsam im letzten (9.) Abschnitt des Systems. Am besten ist es, ihn im Anschluß an den Erbschaftsanspruch zu bringen. Die Vollziehung der Verfügungen von Todes wegen bildet in erster Linie die Aufgabe des oder der Erben. Sie kann jedoch auch einem Testamentsvollstrecker übertragen werden. Seine Stellung wird daher zweckmäßig als nächster Punkt hinter der Miterbengemeinschaft geregelt.
1. Hauptteil
Die Berufung zur Erbschaft Das BGB kennt drei Berufungsgründe zur Erbschaft, nämlich die gesetzliche Erbfolge, das Testament und den Erbvertrag. Wenn man Testament und Erbvertrag als Rechtsgeschäfte zusammenfaßt, so beruht unser Erbrecht entweder auf unmittelbarer gesetzlicher Bestimmung oder auf rechtsgeschäftlicher Verfügung des Erblassers von Todes wegen. I. Abschnitt
Berufung krah Gesetzes (gesetzliche Erbfolge) Die Regelung der gesetzlichen Erbfolge enthält nachgiebiges Recht (ius dispositivum). Die Verfügung von Todes wegen kann also die gesetzliche Erbfolge ausschließen(§§ 1937, 1938, 1941).
Die gesetzliche Erbfolge beruht a) auf Verwandtschaft, b) aufEhe, c) beim Fehlen von Verwandten und eines überlebenden Ehegatten tritt der Fiskus als gesetzlicher Erbe ein. 1. Kapitel
Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten (Parentelenordnung) § 1. Die Parentelenordnung Das BGB gründet die Verwandtenerbfolge ebenso wie die Gesetzgebung des Kaisers Justinian, das Gemeine Recht und alleneueren Gesetze ausschLießLich auf die Blutsverwandtschaft. Eine adgnatische Erbfolge ist dem BGB unbekannt.
40
1.
Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
Wer als Blutsverwandter des Erblassers zur Erbfolge in Betracht kommt, sagt das Familienrecht (§§ 1589 ff.). Die Verwandtschaft beruht auf der Abstammung. Die Annahme an Kindes Statt (Adoption, Wahlkindschaft, §§ 1741-1772) begründet nicht Verwandtschaft, wohl aber in gewissen Beziehungen die Rechte einer solchen. Ein nichteheliches Kind kann durch nachfolgende Ehe oder durch Ehelichkeitserklärung legitimiert werden (§§ 1719 ff.; 1723 ff.). Im ersten Fall wird es auch erbrechtlich wie ein eheliches Kind gestellt (§ 1719). Im zweiten Fall wurde es bis zum 1. 7.1970 nur mit dem Vater verwandt, nicht aber mit dessen Angehörigen (§ 1737). Diese einschränkende Vorschrift fällt mit dem genannten Datum fort. Das nichteheliche Kind erbt teils wie ein eheliches, teils erhält es lediglich einen sogenannten Erbersatzanspruch1 • Die Adoption läßt das erbrechtliche Verhältnis des Kindes zu seinen Blutsverwandten unberührt (§ 1764). Dem Adoptivkind verschafft es ein Erbrecht gegenüber den Adoptiveltern (§ 1757), aber nicht gegenüber ihren Verwandten (§ 1763). Die Adoptiveltern werden nicht erbberechtigt (§ 1759). Blutsverwandtschaft ist das Verhältnis zweier Personen, deren eine von der anderen unmittelbar oder mittelbar abstammt, oder die von derselben dritten Person abstammen(§ 1589 I S.1 und 2), z. B. Vater und Sohn, Großvater und Enkel. Personen, deren eine von der anderen abstammt, sind in gerader Linie (linea recta) verwandt. Sie ist eine absteigende (linea descendens) und eine aufsteigende (linea ascendens). Daher heißen die in gerader absteigender Linie Verwandten: Deszendenten, die in gerader aufsteigender Linie Verwandten dagegen: Aszendenten.
A ist Aszendent von B, C, D, die seine Deszendenten sind. B hat A als Aszendenten, C und D als Deszendenten. Personen, die von derselben dritten Person abstammen, sind unter sich in der Seitenlinie (linea transversa) verwandt. 1
Näheres dazu im folgenden§ 3.
1. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten D
A
c
8
41
G
~() F
H
So sind im vorstehenden Beispiel Seitenverwandte (Kollateralen) die GeschwisterBund C, weil sie vom Vater A, derOnkelE und der Neffe F, weil sie von D, die Geschwisterkinder H und J, weil sie beide von G abstammen. Geschwister, die beide Eltern gemeinsam haben, heißen voUbürtige, diejenigen, die nur einen Elternteil gemeinsam haben, halbbürtige.
c
B
A
D
A ist zu B und C ein halbbürtiger Bruder, ebenso D zu B und C. A, B und C haben den Vater, D, B, C die Mutter gemeinsam; B zu C ist dagegen ein vollbürtiger Bruder, während A und D in keinem Verwandtschaftsverhältnis stehen. Die Nähe oder der Grad der Verwandtschaft (gradus cognationum) bestimmt sich sowohl in grader Linie wie in der Seitenlinie nach der Zahl der Geburten, welche zwischen den beiden Personen liegen, deren Verwandtschaft miteinander bestimmt werden soll (§ 1589 I S. 3) 2•
C
E
2 Bei den Römern nach der Zahl der Zeugungen: tot gradus, quot generationes, was auf dasselbe hinauskommt.
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
42
A ist daher mit jedem seiner Kinder B und D im ersten Grad, mit jedem Enkel C, E und F im zweiten Grad, und zwar in grader Linie, verwandt. Bist mit seiner Schwester D im zweiten, mit seinen Neffen E und F im dritten Grad der Seitenlinie verwandt. In demselben Grad der Verwandtschaft stehen D und C. C ist mit E und F im vierten Grad verwandt, die zueinander wieder im zweiten Grad der Verwandtschaft stehen. Von der auf der Blutsgemeinschaft beruhenden Verwandtschaft ist die Schwägerschaft (affinitas, § 1590) verschieden. Diese basiert nicht auf Zeugung oder Geburt, sondern auf der Ehe. Sie ist das Verhältnis des einen Ehegatten zu den Verwandten des anderen Ehegatten. Sie begründet überhaupt kein Erbrecht, demgemäß auch nicht die sogenannte "Stiefverwandtschaft." Die Hauptfrage bei der Erbfolgeordnung der Verwandten ist stets, ob nach Stämmen geerbt werden soll (Stammesfolge) oder der dem Grade nach nähere Verwandte den entfernteren Verwandten ausschließt (Gradualfolge). Das Stammsystem geht vom natürlichen Bau der Familie aus. Stammhäupter sind der Erblasser und seine Vorfahren: die beiden Eltern, die vier Großeltern, die acht Urgroßeltern usw. Der Erblasser mit seinen Nachkommen bildet den ersten Stamm, der zweite sind die beiden Eltern mit ihren Nachkommen usw. In erster Linie ist hier also nicht der Grad der Verwandtschaft mit dem Erblasser entscheidend- andernfalls würde der Vater des Erblassers neben dessen Kindern erben-, sondern es werden Verwandtengruppen gebildet. Die erste Gruppe sind die Deszendenten des Erblassers. Entferntere Deszendenten werden nur berufen, wenn kein näherer vorhanden ist. Demententsprechend schließt das Erbrecht des Sohnes das seiner Kinder aus. Anders ist es nur, wenn er, z. B. durch Tod vor dem Erbfall, weggefallen ist. Die auf dem römischen Recht beruhenden Erbfolgeordnungen gehen vom Gradualsystem aus. Sie durchbrechen es jedoch durch ein Klassensystem, nach dem, wer zu einer vorhergehenden Klasse gehört, die Verwandten der folgenden Klasse als Erben ausschließt 3 • Der Kaiser Justinian hat durch die Novelle 118 vom Jahre 543, ergänzt durch Novelle 127 vom Jahre 548, das gesetzliche Erbrecht der Blutsverwandten (Kognaten) durchgeführt und folgende Klassen geschaffen: In der ersten Klasse wurden alle Deszendenten des Erblassers berufen. Unter den Abkömmlingen ersten Grades galt gleiche Erbteilung (successio in capita). Deszendenten von Deszendenten wurden durch ihren noch lebenden parens ausgeschlossen. Sie traten aber, falls er vor1
Crome V, 303.
1. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten
43
verstorben ist oder als Erbe sonst nicht in Betracht kommt, an seine Stelle. Man nannte dies später Repräsentationsrecht. Es darf aber nicht dahin aufgefaßt werden, daß sie ex iure parentis erben. Vielmehr erben sie iure proprio\ und zwar zusammen den Teil, den ihr parens praedefunctus erhalten hätte (successio in stirpes). X
A
I
B
0
1
E
F
c
G
A und B erben je 1/a. Das auf den vorverstorbenen SohnCentfallende /a teilen sich die EnkelFund G; jeder erhält 1/6.
In der zweiten Klasse erben alle Aszendenten je nach der Nähe des Grades (der Vater schließt alle weiteren Vorfahren aus usw.) und neben ihnen die vollbürtigen Geschwister und Geschwisterkinder. Es sind Gradual- und Stammesfolge miteinander verbunden. Der Ausschluß der Geschwisterenkel beruht auf dem Prinzip der Gradesnähe. Waren nur gleichnahe Aszendenten berufen, so wurde unter ihnen nach Linien geteilt, so daß die eine Hälfte den väterlichen, die andere den mütterlichen Großeltern, Urgroßeltern usw. zufiel. Bei Berufung von Aszendenten und Geschwistern zusammen wurde die Erbschaft unter allen nach Köpfen verteilt. B
A
c
I E
4
Endemann III 1, 159 mit Literatur A. 11.
F
44
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
Die Eltern A und B sowie der Bruder Cerben je 1/4. An die Stelle des vorverstorbenen Bruders D treten dessen Söhne E und F (Repräsentationsrecht). Sie erben je 1 /s (successio in stirpes). Die dritte Klasse bilden die halbbürtigen Geschwister und die Kinder von vorverstorbenen halbbürtigen Geschwistern. Unter halbbürtigen Geschwistern findet gleiche Erbteilung statt (successio in capita). Die Kinder vorverstorbener halbbürtiger Geschwister treten an die Stelle ihres parens (Repräsentationsrecht). Sie erben zusammen den Teil, der ihrem parens zugekommen wäre (successio in stirpes). Die vierte Klasse besteht aus allen übrigen Seitenverwandten. Sie werden nach Gradesnähe berufen. Das betrifft zuerst den Onkel wie die Tante als Verwandte dritten Grades; dann die Geschwisterenkel als Verwandte vierten Grades. Im Verhältnis der einzelnen Klassen gilt die successio ordinum: Wird von der erstberufenen Klasse niemand Erbe, sei es infolge Todes vor dem Erbschaftsantritt oder Ausschlagung, so wird die Erbschaft der nächsten Klasse angetragen. Innerhalb der einzelnen Klassen gilt die successio graduum: Wird von dem erstberufenen Grad niemand Erbe, so wird die Erbschaft dem nächstfolgenden Grad angetragen. Das Erbrecht der XII Tafeln hatte nur die Adgnaten berücksichtigt. Dieses Prinzip wurde dann, insbesondere durch den Prätor, dahin ergänzt, daß eine Reihe von Kognaten zu Erben berufen wurden. Seit der - in das Gemeine Recht übernommenen - Gesetzgebung Justinians bildete die Kognation die einzige Grundlage des Erbrechts. Die Berufung der Verwandten zur Erbschaft vollzieht sich nach dem BGB in einer Reihenfolge, die von dem natürlichen Bau der Familie bestimmt wird. Man nennt diese Stammesfolge auch Parentelenordnung. Parentel ist die Verwandtengruppe, die von demselben Vorfahren (parens) abstammt, diesen selbst miteingeschlossen. Das BGB spricht statt von Parentel von "Ordnungen"(§§ 1924 -1932). Die Parentelenordnung hat vor der Gradualfolge den Vorzug, daß sie das Vermögen möglichst abwärts leitet, also in die jüngere Generation, dorthin, wo es nötiger gebraucht wird als in der aufsteigenden Linie der Vorfahren, die meist bereits eine gesicherte wirtschaftliche Stellung haben. Jedoch bringt dieses System infolge des mit ihm verbundenen Repräsentationsrechts - jedenfalls in den entfernteren Parentelen die Gefahr einer zu großen Zersplitterung der Erbschaft mit sich. Deshalb läßt das BGB - anders als das Österreichische Recht - von der vierten Ordnung an die Gradesnähe entscheiden(§§ 1928 I, III, 1929 I, II).
1. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten
45
IV. Parentel: Die Ur· großeitern und ihre Abkömmlinge
Großonkel
111. Parentel: Die Groß· eitern und ihre Ab· kömmlinge
Onkel
II. Parentel: Die Eitern und ihre Abkömmlinge
Onkel 2. Grades
Vetter 2. Grades
Vetter
Bruder
I. Parentel: Der Erb· lasser und seine Abkömmlinge
Neffe 2. Grades
NeffP.
Sohn
Großneffe 2. Grades
Groß· neffe
Enkel
Die Parentelenordnung scheint auf den ersten Blick von der des justinianischen und Gemeinen Rechts sehr verschieden zu sein, und doch ist sie nur ihre naturrechtliche Fortentwicklung 5 • Festgehalten wurde an der römischen Nachkommenerbfolge, festgehalten auch daran, daß die näheren Ordnungen die entfernteren ausschließen, auf die Seitenverwandten aber- als Nachkommen der Vorfahren- sind die Grundsätze der Nachkommenerbfolge übertragen. So entstand eine klare und durchsichtige Regelung, die das ganze Verwandtenerbrecht umschließt. Diese Ordnung findet sich zuerst bei dem Naturrechtslehrer Darjes (1740). Ihm schließt sich Martini 1782 an. Horten hat sie ausgearbeitet. Auf seinem Entwurf beruht das Österreichische Erbfolgepatent Josephs li. von 1786. 5 Ehrenzweig, System des Österreichischen allgemeinen Privatrechts II 22 , 1937, 382 mit Literatur A. 1; Klang-Weiß, Kommentar zum ABGB IIF, 1952, Vorbemerkungen A. vor § 727, S. 732 f. mit Literatur; Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht I, 1967, Österreich, Grundzüge, Randnr. 57. Der deutschrechtliche Ursprung der Parentelenordnung ist umstritten. Geschichtlicher und rechtsvergleichender überblick bei Boehmer, Vorschläge zur Neuordnung der gesetzlichen Erbfolge (BGB §§ 1924-1936), 1938, 19 ff.
46
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
Ihm schloß sich das ABGB von 1811 an. Von hier aus ist die DarjesHortensche Erbfolgeordnung, wenn auch mit Abweichungen, in das deutsche BGB6 und das schweizerische ZGB übergegangen. Die Motive 7 erblicken die Vorzüge des Systems darin, daß es einmal einfach, leicht verständlich und folgerichtig sei und sodann durch Bevorzugung der Eltern, von denen das Vermögen zumeist herstamme, vor den Geschwistern (Schoßfallrecht) zu befriedigenden Ergebnissen führe. In der Kritik hat damals die Wahl des Parentelensystems überwiegend Beifall gefunden. Die Parentelenordnung beruht auf dem Grundsatz: die nähere Ordnung schließt die entfernteren Ordnungen aus. Angehörige einer späte-
ren Ordnung können also niemals zur Erbfolge gelangen, solange noch Angehörige einer vorangehenden Ordnung vorhanden sind(§ 1930). Dies gilt nach der am 1. 7.1970 in Kraft getretenen Fassung des § 1930 auch dann, wenn dem Verwandten der vorhergehenden Ordnung kein gesetzliches Erbrecht, sondern nur ein Erbersatzanspruch gemäß § 1934 a zusteht. Die Nähe des Verwandtschaftsgrades spielt für den Ausschluß niemals eine Rolle. Zum Beispiel: Der Enkel des Erblassers gehört zur I. Ordnung und schließt deshalb dessen Vater, der in der II. Ordnung steht, aus, obwohl der Enkel im zweiten, der Vater im ersten Grade mit dem Erblasser verwandt ist. Der Neffe des Erblassers ist mit ihm im dritten Grad verwandt. Er gehört jedoch der II. Ordnung an und schließt daher den Großvater aus. Dieser ist zwar im zweiten Grad mit dem Erblasser verwandt, gehört aber zur 111. Ordnung. Das Eintrittsrecht (Repräsentationsrecht) wird vom ABGB auf alle Parentelen ausgedehnt, während das BGB es auf die ersten drei Ordnungen (Erblasser und dessen Abkömmlinge, Eltern und deren Abkömmlinge, Großeltern und deren Abkömmlinge) beschränkt. In ihnen allen wird nach Stämmen, in der zweiten und dritten Ordnung auch nach Linien geteilt8 • In der vierten (Urgroßeltern und deren Abkömmlinge) und den folgenden alle entfernteren Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge umfassenden Ordnungen wird dagegen nur nach Gradesnähe geerbt. Eine Begrenzung des Erbrechts auf bestimmte nähere Ordnungen oder Verwandtschaftsgrade kennt das BGB nicht9 • Das österreis Motive V, 353 ff. V, 356, 357, 362. 8 Das Wort "Linie" ist doppeldeutig: In dem hier gebrauchten Sinn bedeutet es Teilung der Erbschaft nach der väterlichen und der mütterlichen Seite. Dagegen ist der Ausdruck "Linealfolge", "Linealordnung" gleichbedeutend mit Parentel. Das AGBG nennt Parentel "Linie". 9 Die zweite Kommission hatte beschlossen, noch die IV. Parentel beizubehalten, über diese hinaus aber ausschließlich den Voreltern und nicht den Seitenverwandten ein Erbrecht zu gewähren (Protokolle V, 470 f.). Dieser Be7
1. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten
47
chisehe Recht hat seit einer Novelle von 1914 die Verwandtenerbfolge auf die ersten drei Parentelen und die Urgroßeltern beschränkt (§§ 730 - 741 ABGB). Das Schweizer ZGB beruft die ersten drei Parentelen; die Urgroßeltern und deren Kinder haben noch eine Nutznießung; danach erbt der Staat (Art. 457-460,466 ZGB) 10• Das BGB hat mit der Parentelenordnung das aus dem römischen Recht stammende Eintrittsrecht verbunden. Es ist das Recht eines Kindeskindes usw. sowie eines Seitenverwandten der II. oder III. Ordnung (Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge; Onkel und Tanten sowie deren Abkömmlinge: §§ 1924 III; 1925 III, 1926 III), an Stelle eines nicht erbenden Vorfahren dessen Erbportion zu erben. Der Eintretende ist also gesetzlicher Ersatzerbe. Seit alters nennt man das Eintrittsrecht auch "Repräsentationsrecht". Dieser Ausdruck ist unverfänglich, wenn man darunter nur versteht, daß der Repräsentierende erhält, was sein Parens ererbt hätte, falls er zur Erbfolge gelangt wäre. Eine ältere Lehre dagegen faßte das Eintrittsrecht irrtümlich als Erbfolge ex alieno iure kraft Repräsentation auf: der Repräsentierende trete also nur als Erbe oder doch aus dessen Recht (ex iure praedefuncti parentis) ein. Eine Folgerung daraus war, daß ein Lebender nicht repräsentiert werden könne (viventis nulla repraesentatio). In Wahrheit aber erben die Nachkommen kraft eigenen Rechts (ex proprio iure), falls ihr die Verwandtschaft mit dem Erblasser vermittelnder Vorfahr nicht Erbe wird11 • Es schadet ihnen also nichts, wenn der Vorfahr z. B. erbunwürdig ist, und es nützt ihnen nichts, wenn er erbwürdig, sie selbst aber erbunwürdig sind. Zur Formulierung des Eintrittsrechts bedient sich das BGB des Ausdrucks: Die entfernteren Abkömmlinge "treten an die Stelle 12 " des dem Grade nach vorberechtigten, aber nicht mehr lebenden Vorfahren (§§ 1924 III, 1925 III, 1926 III, V). Damit soll eine gesetzliche Definition der "Erbfolge nach Stämmen" gegeben werden. Man muß jedoch unterschluß fand jedoch nicht den Beifall der Reichstagskommission (Mugdan V,
879). Man meinte, daß "den auflösenden Tendenzen gegenüber, welche sich
in heutiger Zeit gegen den Familienverband richteten, gar nicht genug von der Gesetzgebung zur Befestigung und Erhaltung desselben geschehen könne". 10 Das französische Recht beruft die Seitenverwandten in der Regel nicht über den sechsten Grad hinaus (Art. 755 C. c.), das italienische macht davon keine Ausnahme mehr (Art. 572 11 C. c. it.). Nach englischem Recht besitzt die vierte Parentel kein gesetzliches Erbrecht mehr. 11 Motive V, 367, 375, 481, 705; Protokolle V, 607; Strohal I, 48 A. 7; Dernburg-Engelmann V, 39 f.; F. Leonhard, A. I C 2 d zu§ 1924; Kretzschmar, § 10 I 3 S. 43 f.; Crome V, 305 A. 16; P. Meyer, 101 f.; Endemann I11 1, 160 f.; Grundriß, 17 f.; Binder, Grundriß, 50 A. 1 und 5; Planck-Flad, A. 2 zu§ 1924; Jung, 1106; Dietz, 31; Kipp-Coing, § 4 11 1, S. 18 A. 8; Staudinger-Lehmann, Vorbemerkungen zu§§ 1924-1936, Randnr. 5; Randnr. 7 zu§ 1924; Bartholomeyczik, § 9 I 4 c, S. 46; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 6 zu§ 1924. 12 Übersetzung von 'in patris locum', 'in proprii parentis loco succedere': Gai. I11, 7; Nov. 118, c. 1.
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
48
scheiden zwischen dem Eintritt und seinen Wirkungen: Der Eintritt bildet die Voraussetzung für die Erbberechtigung. Die Erbfolge nach Stämmen kennzeichnet die Wirkung des Eintritts und seine Begrenzung durch das Ausmaß der Erbteile13 • Einen Stamm bildet ein einzelner Verwandter innerhalb einer der drei ersten Parentelen mit seinen Abkömmlingen, so ein Sohn des Erblassers mit seinen Nachkommen. Dieser Stamm ist gewissermaßen eine Unter-Parentel. Er erhält zusammen seinen ErbteiP 4 • Es wird für das Eintrittsrecht darauf abgestellt, daß der zu ersetzende Vorfahr "nicht mehr lebt" (§§ 1924 III, 1925 III, 1926 III). Diese Worte sind kritiklos der Novelle 11815 entnommen 18• Sie heben nur den nächstliegenden Fall hervor und sind zu eng17 • In den Fällen der Ausschlagung der Erbschaft oder der Erbunwürdigkeit eines Erben gilt nach den §§ 1953 I, 2344 I der Anfall an den Ausschlagenden oder Erbunwürdigen als nicht erfolgt. Es erhält die Erbschaft, wer berufen sein würde, wenn jener zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§§ 1953 II, 2344 II). Der noch lebende Abkömmling schließt also in diesem Fall seine Nachkommen nicht von der Erbschaft aus. Doch macht § 2349 eine Ausnahme. Er erstreckt den Erbverzicht eines Abkömmlings oder Seitenverwandten des Erblassers auch auf seine Abkömmlinge, sofern nicht ein anderes bestimmt wird. Diese Ausnahme ist aus dem Grunde gemacht, weil der Erbverzicht hier regelmäßig die Gegenleistung für eine vorweggenommene Erbfolge bildet. Für den durch Testament von der gesetzlichen Erbfolge Ausgeschlossenen spricht das Gesetz nicht die Fiktion aus, daß er als vor dem Erbfall verstorben gilt (vgl. § 1938). Trotzdem muß die Fiktion auch hier Platz greifen. § 1938 erstreckt die Ausschlußwirkung im Gegensatz zu § 2349 nicht auf die Abkömmlinge des Ausgeschlossenen, und § 2309 erkennt ein bedingtes Pflichtteilsrecht der entfernteren Abkömmlinge an, setzt also ihr gesetzliches Erbrecht voraus 18 • Ein noch lebender Parens schließt also nur dann seine Abkömmlinge von der Erbfolge aus·, wenn er zur Erbfolge gelangt. Endemann III 1,160 f.; Grundriß, 17. F. Leonhard, A. I C 2. c. 1 und 3; 'si viveret'; c. 1: 'ex praemortuo filio aut filia nepotes'; c. 3: 'praemortuus frater, cuius filii vivunt'. 16 Endemann III 1, 161. 1 7 Endemann, a. a. 0. 1 8 Strohal, I, 47 mit A. 6; Demburg-Engelmann V, 39 mit A. 3; P. Meyer, 103 f.; RGZ 61, 14 (16 f.); 93, 193 (194); F. Leonhard, A. li B zu § 1924; Kretzschmar, § 9 IV 4, S. 42; Crome V, 314 A. 3; Endemann III 1, 162 f.; Planck-Flad, A. 2 zu§ 1924; Binder, Grundriß, 49 f.; Palandt-Keidel, A. 5 zu§ 1924; ErmanBartholomeyczik, A. 2 zu§ 1924; Bartholomeyczik, § 9 I 4 b; Kipp-Coing, § 4, 1, S. 18 A. 7; § 7, 1 und 2, S. 33; RGRK-Kregel, A. 8 zu§ 1924; Staudinger-Lehmann, Randnr. 9 zu § 1924; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 5 zu 13
14 15
§ 1924.
1. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten
49
§ 2. Die einzelnen Ordnungen A. Die erste Ordnung
Erben der I. Ordnung sind wie im Gemeinen Recht die Abkömmlinge des Erblassers (§ 1924 I), also die Kinder und die entfernteren Deszendenten des Erblassers. Es erben sämtliche Abkömmlinge ohne Rücksicht auf die Gradesnähe. Jedoch werden dem Grade nach entferntere Abkömmlinge (Enkel, Urenkel usw.) durch den noch lebenden und zur gesetzlichen Erbfolge gelangenden näheren Abkömmling, durch den sie mit dem Erblasser verwandt sind, ausgeschlossen (§ 1924 II). Sie kommen kraft Eintrittsrechts (Repräsentationsrechts) nur dann zur Erbfolge, wenn der Abkömmling, der ihre Verwandtschaft mit dem Erblasser vermittelt, vor diesem verstorben ist (§ 1923 I) oder wenn er nicht Erbe wird, weil er ausgeschlagen hat oder für erbunwürdig erklärt worden ist oder weil er durch einen auf seine Person beschränkten Erbverzicht (§§ 2346 I, 2349) oder durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Abkömmlinge ersten Grades (Kinder des Erblassers) erben zu gleichen Teilen (in capita, § 1924 IV). Die entfernteren Abkömmlinge treten kraft eigenen Rechts (Eintrittsoder Repräsentationsrechts) an die Stelle ihres weggefallenen Vorfahren, so daß ihr Erbrecht nicht davon abhängt; ob sie Erben des Weggefallenen geworden sind (§ 1924 III). Sie haben also den Vorzug, in die Reihe der ersten Generation einzurücken. Dadurch dürfen aber die anderen, überlebenden Kinder des Erblassers nicht benachteiligt werden. Deshalb findet zwischen ihnen und den Eintretenden keine Kopfteilung statt. Vielmehr erhalten die entfernteren Abkömmlinge, mögen sie nun mit Abkömmlingen desselben oder verschiedenen Grades konkurrieren, zusammen die Erbportion, die auf ihren Parens entfallen wäre, und zwar zu gleichen Teilen; denn auch hierauf bezieht sich § 1924 IV. In diesem Sinn spricht das Gesetz von "Erbfolge nach Stämmen"(§ 1924 III). Innerhalb der Parentel bildet ein Abkömmling mit seinen Nachkommen einen Stamm. Für jeden Stamm wird ein eigener Erbteil gebildet und dieser ihm ausschließlich vorbehalten1• Scheidet der Erstberufene (z. B. der Sohn des Erblassers) aus, so werden seine jeweils gradnächsten Abkömmlinge auf den Stammeserbteil berufen. Stirbt ein Abkömmling nach dem Erbfall, bevor er die ihm angefallene Erbschaft angenommen hat, so geht die Erbschaft, zugleich mit dem Recht, sie auszuschlagen (§ 1952 I), auf seine Erben über. Seine Abkömm1
Endemann III 1, 161.
4 v. Lübtow, Erbrecht
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
50
Iinge erwerben sie dann nur, wenn und soweit sie seine Erben sind. Das Entsprechende gilt von der angenommenen Erbschaft.
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B. Die zweite Ordnung
Gesetzliche Erben der li. Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1925 1), seien es gemeinschaftliche oder einseitige. Die Eltern erben, wenn sie zur Zeit des Erbfalls beide noch leben, allein und zu gleichen Teilen (§ 1925 li). Es gilt insoweit das sogenannte Schoßfallrecht ("das Kind fällt in der Eltern Schoß"). Die Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge werden also von den noch lebenden Eltern ausgeschlossen. Ist der Vater oder die Mutter bereits verstorben oder aus irgendeinem anderen Grunde nicht zur Erbfolge gelangt, so treten an die Stelle des Weggefallenen seine Abkömmlinge nach den für die Erbfolge erster Ordnung geltenden Vorschriften (§ 1925 III S. 1). Abkömmlinge sind die Geschwister des Erblassers oder deren Nachkommen. Sie erhalten neben dem überlebenden Elternteil die Hälfte der Erbschaft. Fehlt es an Abkömmlingen des verstorbenen Elternteils, so erbt der überlebende Elternteil allein (§ 1925 III S. 3).
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1. Kapitel: Das gesetzli.che Erbrecht der Verwandten
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Die Abkömmlinge des Vaters und der Mutter (Geschwister und Geschwisterabkömmlinge) erben nach Stämmen, so daß an die Stelle eines weggefallenen Geschwisters dessen Abkömmlinge treten. Sind beide Elternteile bereits verstorben oder aus anderem Grunde weggefallen, so fällt die eine Hälfte der Erbschaft an die Abkömmlinge des Vaters, die andere an die Abkömmlinge der Mutter (Teilung nach Linien). Sind Abkömmlinge eines weggefallenen Elternteils nicht vorhanden, so fällt die ganze Erbschaft an die Abkömmlinge des anderen Teils2 •
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Der Unterschied, den Vollbürtigkeit und Halbbürtigkeit der Geschwister (Geschwisterabkömmlinge) begründen, besteht nicht darin, daß halbbürtige Geschwister in einer späteren Ordnung als die vollbürtigen erben, sondern allein darin, daß vollbürtige in den Erbteil des Vaters und der Mutter einrücken, während halbbürtige nur an einer dieser Hälften teilnehmen. Die Vollgeschwister erben also in der väterlichen und der mütterlichen Linie. Sie erhalten folglich mehr als die Halbgeschwister. Die eine Hälfte des Nachlasses steht ausschließlich den vollbürtigen Geschwistern zu, die andere dagegen wird unter ihnen und den halbbürtigen Geschwistern geteilt. 2 Von der zweiten Klasse der gemeinrechtlichen Erbfolgeordnung unterscheiden sich die Bestimmungen für die zweite Parentel in folgenden Punkten: a) Von den Vorfahren des Erblassers erben nur die Eltern, nicht auch die weiteren Vorfahren. b) Wenn beide Eltern leben, so schließen sie die Geschwister aus. c) An Stelle des Vaters oder der Mutter des Erblassers treten deren Abkömmlinge ohne Unterschied, ob sie mit dem Erblasser vollbürtig oder nur halbbürtig verwandt sind. Wenn beide Eltern verstorben sind, so erhalten die Abkömmlinge des Vaters die eine, die Abkömmlinge der Mutter die andere Hälfte der Erbschaft. Die vollbürtigen Geschwister nehmen daher an beiden Hälften, die halbbürtigen nur an der einen Hälfte teil. d) In dieser Ordnung erben nicht allein die Geschwister und Geschwisterkinder, sondern auch die weiteren Abkömmlinge der Eltern des Erblassers (vgl. Motive V, 362; Denkschrift, 243, 244).
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1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
52
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Halbgeschwister des Erblassers schließen, wenn andere Erben der II. Ordnung nicht vorhanden sind, gemäß § 1930 die Erben der 111. Ordnung aus. Sie erhalten demgemäß die ganze Erbschaft. Im vorstehenden Beispiel ist C Alleinerbe, wenn A und B weggefallen sind. C. Die dritte Ordnung
Die 111. Ordnung umfaßt die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1926 1). Leben zur Zeit des Erbfalls die beiden Großelternpaare noch, so erben sie allein und zu gleichen Teilen (§ 1926 II). Sie schließen also die Onkel und Tanten des Erblassers sowie deren Abkömmlinge entsprechend dem für die II. Ordnung aufgestellten Grundsatz aus. Jeder einzelne Großelternteil erbt ein Viertel. Ist ein Großelternteil bereits verstorben oder aus einem anderen Grund weggefallen, so wird sein Viertel nach den Regeln des Eintrittsrechts auf seine Abkömmlinge übertragen (§ 1926 111 S. 1). Fehlt es an Abkömmlingen, werden auf das Viertel der andere Teil des Großelternpaares, und wenn dieser erbrechtlich ausfällt, seine Abkömmlinge beru-
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1. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten
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fen (§ 1926 III S. 2). Nur dann, wenn auf einer Seite weder Großeltern noch Abkömmlinge von solchen vorhanden sind, fällt der Nachlaß dem anderen Großelternpaar oder dessen Abkömmlingen zu (§ 1926 IV). Der Nachlaß wird also in zwei Linien und vier Stammteile zerlegt. Jedes Großelternpaar mit seinen Abkömmlingen bildet eine Linie, und jede Linie wird so behandelt wie die zweite Parentel. Die Abkömmlinge aber erben in jeder Linie wie die Abkömmlinge in der ersten Parentel (§ 1926 V) 3 • D. Mehrfache Berufung
Ein Verwandter kann gleichzeitig verschiedenen Stämmen angehören und daher in den drei ersten Ordnungen mehrfach als Erbe berufen sein. Er erhält dann den in jedem dieser Stämme zufallenden Anteil (§ 1927 S.1). E
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Im vorstehenden Beispiel haben Cousin (D) und Cousine (F) geheiratet. Ihr Sohn H ist nach ihrem Tode als Erbe seines Urgroßvaters doppelt berufen. Jeder dieser Anteile gilt als besonderer Erbteil (§ 1927 S. 2). Daraus folgt z. B., daß der Erbe Vermächtnisse und Auflagen, die auf einem der Anteile ruhen, nur mit diesem Anteil zu decken hat (§§ 2161, 2187). Auch 3 Das auch in der dritten Ordnung noch durchgeführte Parentelensystem beruft also neben Großeltern, welche gemeinrechtlich in der zweiten Klasse erben, die Abkömmlinge vorverstorbener Großeltern, welche gemeinrechtlich in der vierten Klasse erben, und zwar auch hier gleichfalls dann, wenn sie mit dem Erblasser nur halbbürtig verwandt sind.
1.
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Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
die Frage, ob der Erbe für die Nachlaßschulden beschränkt oder unbeschränkbar haftet, ist für jeden Anteil gesondert zu entscheiden (§ 2007). Ferner kann jeder Anteil für sich angenommen und ausgeschlagen werden. E. Die vierte Ordnung
Gesetzliche Erben der IV. Ordnung sind die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1928 1). Es findet weder eine Teilung nach Linien noch nach Stämmen mehr statt. Es erben nur die dem Grade nach nächsten Verwandten, ohne daß an die Stelle eines weggefallenen Verwandten dessen Abkömmlinge treten. Leben zur Zeit des Erbfalls Urgroßeltern, so erben sie allein und zu gleichen Teilen ohne Berücksichtigung der Linien (§ 1928 II). Ein zur Erbfolge gelangender Urgroßelternteil schließt daher nicht nur seine eigenen, sondern auch die Abkömmlinge der nicht zur Erbfolge gelangenden Urgroßelternteile aus. Sind nur Abkömmlinge vorhanden, so entscheidet unter ihnen die Gradesnähe zum Erblasser (§ 1928111 1. Halbsatz). Gleich nahe Verwandte teilen nach Köpfen (§ 1928 111 2. Halbsatz) 4 •
A
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B
4 In dieser Ordnung wird also das gemeinrechtliche Gradualsystem angewandt (Denkschrift zum BGB, 244).
1. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten
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Die drei noch vorhandenen Urgroßeltern des Erblassers U\ U\ U 8 erhalten je ein Drittel, die Abkömmlinge der Urgroßeltern A und B erhalten nichts. Wären auch Ul, U 4 und U 8 vorverstorben, würde A (Verwandter 5. Grades) allein erben, B (Verwandter 6. Grades) würde leer ausgehen, weil er in der Verwandtschaft dem Erblasser um einen Grad ferner steht als A. F. Die fünfte Ordnung und die ferneren Ordnungen
Die V. und die weiteren Ordnungen werden gebildet durch die über den Urgroßeltern stehenden jedesmal nächsten Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Die Erbfolge innerhalb jeder Ordnung gestaltet sich wie in der vierten Ordnung(§ 1929).
§ 3. Die erbreclltliehe Stellung des nichtehelicllen Kindes A. Allgemeines
Nach Artikel 6 V des Grundgesetzes sind den unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. In Ausführung dieses Verfassungsauftrags ist das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. 8. 1969 (BGBI. I, 1243) erlassen worden (NEG). Es trat am 1. Juli 1970 in Kraft. Das Erbrecht des nichtehelichen Kindes wird bei den erbrechtliehen Vorschriften des BGB geregelt, und zwar sind nach § 1934 die §§ 1934 a-e eingefügt1 • Eine Sonderbestimmung über das Pflichtteils· 1 Dazu die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder vom 7. 12. 1967, Drucksache V/2370 des Deutschen Bundestages, S. 88 ff.; ferner der schriftliche Bericht des Rechtsausschusses vom 9. 5. 1969, Drucksache V/4179, und zwar A. Bericht des Abgeordneten Stammherger vom 10. 5. 1969, zu Drucksache V/4179, S. 5 f., B. Antrag des Ausschusses, S. 29 ff. Literaturangaben und andere Hinweise bei Scholler, Die InterPretation des Gleichheitssatzes als Willkürverbot oder als Gebot der Chancengleichheit, 1969, 36 A. 1. Siehe auch Jansen-Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, und Lutter, NJW 1968, 1801 ff., mit weiterer Literatur. Einführungen in das Nichtehelichenrecht geben Bosch, FamRZ 1969, 505 ff., und Hermann Lange, NJW 1970, 297 ff. Zur Neuregelung des Erbrechts im NEG Damrau, FamRZ 1969, 129 ff., 579 ff. Während der Drucklegung des vorliegenden Werkes erschienen Odersky, Kommentar zum Nichtehelichengesetz, 1970; Lutter, Das Erbrecht des nichtehelichen Kindes, 1971.- Über die nichteheliche Geburt in der gesellschaftlichen Wertung vgl. Winter, Sozialer Wandel durch Rechtsnormen, 1969, 46 ff. Falls das nichteheliche Kind am 1. 7. 1970 schon 21 Jahre ist, also vor dem 1. Juli 1949 geboren wurde, bleiben "für die
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1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufung kraft Gesetzes
recht des nichtehelichen Kindes findet sich im§ 2338 a. Neugefaßt wurde § 1930 und dem § 1931 ein Absatz IV angefügt. Die Bezeichnung der nichtehelichen Kinder als "unehelich" wurde fallen gelassen; denn man meinte, dieses Wort mit seiner stark negativen Vorsilbe "un" betone einen Makel und wirke diskriminierend. § 1589 II entfällt (Art. 1 Nr. 3 NEG). Er bestimmte, daß ein uneheliches Kind und dessen Vater nicht als verwandt gelten. Die Streichung des § 1589 II hat zur Folge, daß die erbrechtliche Stellung des nichtehelichen Kindes gegenüber seinem Vater und dessen Verwandten, sofern sie vom Gesetz nicht besonders geregelt wird, dieselbe wie die eines ehelichen Kindes ist. Das nichteheliche Kind und seine Abkömmlinge würden mangels abweichender Vorschriften vor allem den Vater und dessen Verwandte im Fall der gesetzlichen Erbfolge auch neben den nächsten Angehörigen des Erblassers wie eheliche Abkömmlinge beerben und mit den nächsten Angehörigen eine Erbengemeinschaft bilden. Beim Tode des Kindes und seiner Abkömmlinge wären umgekehrt auch der Vater und seine Verwandten uneingeschränkt zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Diese Konsequenzen hielt der Gesetzgeber für zu weitgehend. Er hat deshalb eine Sonderregelung für die Fälle angeordnet, in denen das nichteheliche Kind und seine Abkömmlinge beim Tode des Vaters sowie beim Tode von väterlichen Verwandten mit den nächsten Angehörigen des Erblassers zusammentreffen. Hier gibt ihm § 1934 a I an Stelle seines gesetzlichen Erbteils einen Erbersatzanspruch in Höhe des Wertes des Erbteils. Entsprechendes gilt für den Fall des Todes eines nichtebeliehen Kindes, wenn der Vater und seine Abkömmlinge mit der Mutter und ihren ehelichen Abkömmlingen oder wenn er und seine Verwandten mit dem überlebenden Ehegatten des Erblassers zusammentreffen (§ 1934 a II und III). Diese Bestimmungen stehen mit Art. 6 V des Grundgesetzes im Einklang. Er verlangt nämlich nicht, die Vorschriften für eheliche Kinder ohne Abweichung auf nichteheliche Kinder zu erstrekken2. Es genügt, den nichtehelichen Kindern eine der erbrechtliehen Stellung ehelicher Kinder gleichwertige Position einzuräumen. Die Personen, denen ein Erbersatzanspruch gewährt wird, bilden mit den Erben erbrechtliehen Verhältnisse" dieses Kindes und seiner Abkömmlinge im Verhältnis zum nichtehelichen Vater und dessen Verwandten die bisher geltenden Vorschriften maßgebend. Diese älteren Kinder beerben also den Vater und dessen Verwandte nicht, sie haben auch keinen Erbersatz- oder Erbausgleichsanspruch (dazu die Erwägungen im Bericht Stammbergers, zu Drucksache V/4179, S. 9).- Flessner, JuS 1969, 558, untersucht die Frage, welches Recht in der Zeit vom 19. 10. 1969 bis zum 1. 7. 1970 für die Rechtsverhältnisse der nichtehelichen Kinder Anwendung zu finden hat. - Zum französischen Recht die ausführliche Darstellung von Madlener, Das französische Unehelichenrecht, 1969. 2 Drucksache V/2370, S. 89.
1. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten
57
keine Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff.). Denn der Gesetzgeber befürchtet, daß eine Erbengemeinschaft zwischen dem nichtehelichen Kind und seinen Angehörigen einerseits sowie dem Vater und seinen ehelichen Angehörigen andererseits leicht zu übermäßigen Schwierigkeiten führen kann, weil zwischen den beiden Personenkreisen nicht selten starke persönliche Spannungen bestehen3 • Soweit die dargestellte Sonderregelung nicht eingreift, gelten die allgemeinen Vorschriften über die gesetzliche Erbfolge (§§ 1924 ff.) auch im Verhältnis des nichtehelichen Kindes zu seinem Vater unbeschränkt4 • Das nichteheliche Kind wird also gesetzlicher Erbe der ersten Ordnung (§ 1924 I), falls sein Vater weder eheliche Kinder noch eine Ehefrau hinterläßt. Es schließt die Erben der zweiten und weiterer Ordnungen sogar dann von der Erbfolge aus, wenn ihm nur ein Erbersatzanspruch zusteht (§ 1930). An die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls bereits verstorbenen nichtehelichen Kindes treten seine Abkömmlinge (§ 1924 III). Die Anwendung der allgemeinen Vorschriften hat ferner zur Folge, daß das nichteheliche Kind auch beim Tode von Verwandten des Vaters kraft Gesetzes wie ein eheliches Kind erbt und daß umgekehrt der Vater und seine Verwandten gesetzliche Erben des unehelichen Kindes und seiner Abkömmlinge sein können5 • Durch die für den Fall der gesetzlichen Erbfolge getroffene Regelung bleibt die Testierfreiheit des Erblassers unberührt5• Der Vater des nichtehelichen Kindes hat daher die Möglichkeit, durch Verfügung von Todes wegen einen anderen als Erben einzusetzen oder den Erbersatzanspruch des Kindes zu entziehen5 • Dem Kind gebührt dann ein Pflichtteilsrecht (§ 2338 a).
B. Einzelheiten
Gemäß § 1934 a I steht dem nichtehelichen Kind und seinen Abkömmlingen beim Tode des Vaters oder väterlicher Verwandter an Stelle des gesetzlichen Erbteils ein schuldrechtlicher Geldanspruch in Höhe des Wertes des Erbteils gegen den (die) Erben zu, wenn der Erblasser eine Ehefrau oder eheliche Abkömmlinge hinterläßt. Dieser Anspruch geht auf Ersatz des Erbteils und wird deshalb als Erbersatzanspruch bezeichnet. 3 Drucksache V/2370, S. 93.- Über Fälle, in denen die in Rede stehenden Personenkreise doch in einer Erbengemeinschaft zusammentreffen würden, Dieckmann, JZ 1970, 344 ff. 4 Drucksache V/2370, S. 92. 5 Drucksache V/2370, S. 92.
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1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
§ 1934 a II regelt den Fall, daß beim Tode eines nichtehelichen Kindes als gesetzliche Erben der zweiten Ordnung der Vater oder seine Abkömmlinge mit der Mutter des Kindes oder ihren ehelichen Abkömmlingen zusammentreffen würden. Steht dem nichtehelichen Kind beim Tode seines Vaters ein Erbersatzanspruch zu, so erscheint es geboten, beim Tode des Kindes auch dem Vater und seinen Abkömmlingen nur einen Erbersatzanspruch zuzubilligen, wenn er mit der Mutter oder den an ihre Stelle tretenden Abkömmlingen zusammentriffts.
Soweit es nach den Absätzen I und II für die Entstehung des Erbersatzanspruchs auf das Vorhandensein ehelicher Abkömmlinge ankommt, steht gemäß Absatz IV ein nichteheliches Kind im Verhältnis zu seiner Mutter einem ehelichen gleich. Beispiel für Absatz IV in Verbindung mit Absatz I: Der Erblasser hat einen nichtehelichen Sohn A. Dann heiratet er, aber nicht die Kindesmutter. Aus dieser Ehe geht eine Tochter hervor. Diese hat wiederum einen nichtehelichen Sohn B. Ehefrau und Tochter des Erblassers sind vorverstorben. B gilt gemäß Absatz IV als ehelicher Abkömmling seiner Mutter und damit auch des Erblassers. B wird deshalb Erbe, und A hat einen Erbersatzanspruch. Dem steht folgender Fall gegenüber: Der Erblasser hat wieder einen nichtehelichen Sohn A. Dann heiratet er. Aus der Ehe geht ein Sohn hervor. Dieser hat einen nichtehelichen Sohn B. B gilt nicht als ehelicher Abkömmling seines Vaters und damit auch nicht des Erblassers. A und B werden Miterben. Beispiel für Absatz IV in Verbindung mit Absatz II: Das nichteheliche Kind X stirbt. Seine Mutter ist vorverstorben. Sie hinterläßt einen nichtehelichen Sohn Y. Der Vater Z des Erblassers X lebt noch. Y wird Alleinerbe; denn er gilt gemäß Absatz IV als ehelicher Abkömmling seiner und des Erblassers Mutter. Z hat einen Erbersatzanspruch. Im Gegensatz dazu steht folgender Fall: Die nichteheliche Mutter des Erblassers X lebt noch. Sein Vater ist vorverstorben und hat einen weiteren nichtehelichen Sohn Y hinterlassen. Dieser gilt nicht als eheliches Kind seines Vaters. Die Mutter und Y sind daher Miterben.
Beim Tode eines nichtehelichen Kindes können der Vater des nichtehelichen Kindes und dessen Abkömmlinge als gesetzliche Erben der zweiten Ordnung sowie die Eltern des Vaters als Erben der dritten Ordnung mit dem überlebenden Ehegatten des Erblassers zusammentreffen (§ 1931). Falls das nichteheliche Kind vorverstorben ist, kann sein Vater auch beim Tode eines Kindes des nichtehelichen Kindes als Großvater
1. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht derVerwandten
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neben dem überlebenden Ehegatten als gesetzlicher Erbe in Frage kommen. Die Erwägungen, die dazu führen, das nichteheliche Kind beim Tode seines Vaters und beim Tode von väterlichen Verwandten von einer Erbengemeinschaft mit dem überlebenden Ehegatten oder mit ehelichen Abkömmlingen auszuschließen, gelten auch in den beiden vorgenannten Fällen8• Deshalb wird dem Vater und seinen Verwandten im Absatz III des § 1934 a ebenfalls nur ein Erbersatzanspruch zuerkannt. § 1934 b enthält die nähere Ausgestaltung des Erbersatzanspruchs. Nach Absatz I werden der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt. Soweit erforderlich, ist der Wert durch Schätzung zu ermitteln. § 2049, der die Bewertung eines zum Nachlaß gehörenden Landguts betrifft, soll entsprechend gelten. Gemäß Absatz II S. 1 des§ 1934 b sind auf den Erbersatzanspruch die für den Pflichtteil geltenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 2303 bis 2312, 2315, 2316, 2318, 2322 bis 2331, 2332-2338 a sinngemäß anzuwenden7. Diese allgemeine Verweisung stellt insbesondere klar, daß der Erbersatzanspruch eine Nachlaßverbindlichkeit ist(§ 1967 II) und beim Aufgebot der Nachlaßgläubiger die Vorschriften der §§ 1972-1974 gelten. Ferner sind auf den Erbersatzanspruch beispielsweise auch die Vorschriften über Erbunwürdigkeit (§ 2345 Il), den Erbverzicht (§ 2346) und die Stundung des Pflichtteilsanspruchs (§ 2331 a) entsprechend anzuwenden. Außerdem finden diejenigen Bestimmungen sinngemäße Anwendung, welche die Annahme und Ausschlagung eines Vermächtnisses regeln, vor allem § 2180 (§ 1934 b II S. 1). Der Erbersatzanspruch verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Berechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und den Umständen, aus denen sich das Bestehen des Anspruchs ergibt, Kenntnis erlangt, spätestens in dreißig Jahren nach dem Erbfall(§ 1934 b II S. 2). Falls der Erbersatzanspruch eines Abkömmlings des Erblassers gegenüber dessen anderen Abkömmlingen zusteht, sollen nach§ 1934 b III die Vorschriften über die Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen, die als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen, entsprechend angewendet werden.
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1
Drucksache V/2370, S. 94. Näheres darüber Drucksache V/2370, S. 95.
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1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
Die Beteiligung des nichtehelichen Kindesam Nachlaß des Vaters und dessen Verwandten setzt wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung billigerweise ein Vaterschaftsanerkenntnis oder eine auf sicherer Grundlage beruhende Feststellung der blutmäßigen Abstammung voraus8. Nach dem Tode des als Vater in Anspruch genommenen Mannes werden seine Erben der Aussage der Kindesmutter, sie habe mit dem Erblasser in der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt und er sei der Vater des Kindes, kaum wirksam entgegentreten können8 • Auch besteht die Gefahr, daß die Kindesmutter nach dem Erbfall mit Hilfe falscher Angaben ein Feststellungsverfahren in die Wege leitet (§ 1600 n li), um dem Kind unredlich eine Beteiligung am Nachlaß zu verschaffen8. Deshalb gewährt § 1934 c I S. 1 dem nichtehelichen Kind ein gesetzliches Erbrecht oder einen Erbersatzanspruch in der Regel bloß dann, wenn die Vaterschaft des Erblassers von ihm vor seinem Tode anerkannt(§§ 1600 a ff.) oder wenn sie rechtskräftig festgestellt wurde. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, daß die Klage auf Feststellung der Vaterschaft des Erblassers (§ 1600 n I) bereits zu dessen Lebzeiten abhängig war. Dann ist nämlich die Beweislage nicht so aussichtslos wie längere Zeit nach dem Erbfall. Vielleicht sind schon die erforderlichen medizinischen Untersuchungen durchgeführt. Jedenfalls haben die Erben des Vaters in der Regel bereits vom Rechtsstreit und damit vom Vorhandensein des nichtehelichen Kindes Kenntnis und können der Behauptung, ihr Erblasser sei Vater des Kindes, wirksam entgegentreteri9 • Zwar ist der Feststellungsprozeß durch den Tod des Beklagten in der Hauptsache erledigt (§§ 641 I, 628 ZPO). Jedoch kann nunmehr ein neuer Feststellungsantrag vor dem Vormundschaftsgericht gestellt werden(§ 1600 n) 9 • Ein streitiges Verfahren läßt sich nicht mehr durchführen, da jetzt zwei einander gegenüberstehende Parteien fehlen und die Erben nur die vermögensrechtliche Stellung des Erblassers übernehmen. Die Entstehung erbrechtlicher Ansprüche des nichtehelichen Kindes kann auch nicht von einer vor dem Erbfall erfolgten Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft abhängig gemacht werden, wenn das Kind erst kurz vor dem Tode des Vaters oder sogar erst nach dem Erbfall geboren ist. Andernfalls würde für diese Fälle ein Erbrecht des Kindes selbst dann ausgeschlossen sein, wenn die Vaterschaft des Erblassers von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt wird und eine rechtswirksame Anerkennung nur zufällig unterblieben ist9 • Deshalb erscheint es dem 8 Drucksache V/2370, S. 96. Über die Feststellungsklagen nach dem neuen Nichtehelichenrecht Reinsheimer, FamRZ 1970, 122 ff.; Göppinger, ebenda, 125 ff.; Gravenhorst, ebenda, 127 ff. 0 Drucksache V/2370, S. 97.
1. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten
61
Gesetzgeber angemessen, einen nachträglichen Antrag auf Feststellung der Vaterschaft(§ 1600 n) mit erbrechtlicher Wirkung noch zuzulassen. wenn das Kind innerhalb von sechs Monaten vor dem Erbfall geboren ist (§ 1934 c I S. 2). Die Frist, innerhalb welcher der Antrag gestellt werden muß, beträgt ebenfalls sechs Monate. Sie beginnt mit dem Erbfall, jedoch nicht vor der Geburt des Kindes (§ 1934 c I S. 2). Im Fall des Todes eines Verwandten des Vaters gilt, was das gesetzliche Erbrecht oder den Erbersatzanspruch des nichtehelichen Kindes anlangt, Absatz I S. 1 entsprechend (§ 1934 c II). Für den Fall, daß das nichteheliche Kind vor der Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft stirbt, hält der Gesetzgeber eine besondere Regelung nicht für erforderlich10• Die Anerkennung ist nicht mehr möglich, da sie die Zustimmung des Kindes verlangt (§ 1600 c). Den Antrag auf nachträgliche Feststellung der Vaterschaft kann nur die Mutter stellen (§ 1600 II). Richtet sie einen solchen Antrag an das Vormundschaftsgericht, so muß sie mit dem Erbersatzanspruch des Vaters oder eines väterlichen Abkömmlings (§ 1934 a II) rechnen. Das nichteheliche Kind kann schon vor dem Tode des Vaters vom 21. bis zum 27. Lebensjahr von seinem Vater, auch wenn dieser nicht dazu bereit ist, einen vorzeitigen Erbausgleich in Geld beanspruchen (§ 1934 d I). Der Gesetzgeber ging von der Erwägung aus, es sei für das Kind oft wertvoller und auch sicherer, schon in der Zeit, in der es sein Berufsleben beginne oder eine Ehe gründe, eine Starthilfe zu bekommen11 • Die Bevorzugung der nichtehelichen vor den ehelichen Kindern, die zu Lebzeiten ihres Vaters keinen Erbausgleichsanspruch haben, rechtfertigt sich dadurch, daß die nichtehelichen Kinder in der väterlichen Familie regelmäßig nicht den Rückhalt haben, der den ehelichen Kindern in der Regel zukommt11 • Die Höhe des Erbausgleichs richtet sich nicht danach, welche Ansprüche das Kind im Fall des Todes des Vaters hätte. Das wäre ein zu starker Eingriff in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vaters. Vielmehr beträgt der Erbausgleich im Regelfall das Dreifache eines jährlichen Unterhalts (§ 1934 d I S. 2). In dem Maß der Unterhaltsleistungen findet die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vaters bereits einen gewissen Ausdruck11 • Näheres über die Höhe des Anspruchs, seine Verjährungsfrist (drei Jahre}, die Vereinbarungen zwischen Vater und Kind über den Erbausgleich sowie über die Stundung des Anspruchs in Härtefällen enthalten die Absätze I bis V des § 1934 d. Wirksame Vereinbarungen über den Erbausgleich oder dessen Zuerkennung durch rechtskräftiges Drucksache V/2370, S. 98. Bericht Stammhergers zu Drucksache V/4179, S. 6. Zum Erbausgleich jetzt eingehend Damrau, a. a. 0., 586 11. to
11
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1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
Urteil schließen beim Tode des Vaters oder väterlicher Verwandter das gesetzliche Erbrecht und Pflichtteilsansprüche des Kindes und seiner Abkömmlinge aus. Entsprechendes gilt beim Tode des Kindes für den Vater und seine Verwandten(§ 1934 e).
2. Kapitel
Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten § 1. Voraussetzungen
Ehegattenerbfolge setzt voraus, daß die Ehe bis zum Tode des Erblassers bestanden hat. Im Fall der Nichtehe (§ 11 EheG), der rechtskräftigen Nichtigerklärung (§§ 16-24 EheG}, der rechtskräftigen Scheidung oder Aufhebung der Ehe, ihrer Auflösung durch Schließung einer neuen Ehe nach Todeserklärung vor dem Tode des Erblassers (§§ 41, 28, 29, 38 II S. 1 EheG) besteht kein gesetzliches Ehegattenerbrecht. Es wird schon dadurch ausgeschlossen, daß ein Scheidungs- oder Aufhebungsgrund bestand und vom Erblasser vor seinem Tode durch Klage geltend gemacht war. Es muß sich allerdings um ein schuldhaftes Verhalten des Überlebenden handeln (§ 1933). Die Scheidung wegen Geisteskrankheit(§ 45 EheG) kommt also nicht in Betracht. Dagegen wird das Erbrecht nicht ausgeschlossen durch tatsächliches Getrenntleben. § 2. Der Umfang des Erbrechts A. Die Erbquote
I. Die Erbquote bei einem anderen Güterstand als dem der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft
Nach § 1931 I und II erhält der überlebende Ehegatte neben Nachkommen des Erblassers ein Viertel, neben Eltern und deren Nachkommen die Hälfte, ebenso neben Großeltern (§ 1931 I S.1). Ferner bekommt er alle von den Großeltern selbst nicht erworbenen Erbteile (§ 1931 I S. 2), aber nur, wenn sie andernfalls an die Nachkommen des Ausgeschiedenen fallen würden.
Alle weiteren gesetzlichen Erben, also vor allem auch die Onkel und Tanten des Verstorbenen, schließt der Ehegatte aus(§ 1931 II). Ist der Ehegatte mit dem Erblasser verwandt, so erhält er zugleich seinen etwaigen Verwandtenerbteil, und zwar als besonderen Erbteil. (§ 1934).
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
64 Beispiele:
1. Fall
Die Ehefrau F erhält 1/4 der Erbschaft, während die beiden Kinder A und B zusammen 3 /4, also je 3/a erben. 2. Fall Die Ehefrau F bekommt die Hälfte der Erbschaft, während sich in die andere Hälfte ihr Schwiegervater A und ihr Schwager C teilen.
A
B
ATB E~F
3. Fall Die Ehefrau F erbt die Hälfte. Die andere Hälfte fällt an die beiden noch lebenden Großeltern mütterlicherseits A und B. Würde in der großelterlichen Parentel nur noch A leben, so erhält er allein die Hälfte. Lebte aber außer ihm noch sein Sohn C, so erhält A nur 1/4. Dagegen fällt das eigentlich dem C gebührende Viertel nicht ihm, sondern F zu, die dann also 3/4 des Nachlasses erbt. 4. Fall Der Erblasser hat seine Nichte geheiratet. Aufgrund der Verwandtschaft ist diese zur Hälfte als Erbe berufen. Die andere Hälfte erhält sie als Ehefrau. Sie wird also Alleinerbin. Jedoch gelten ihre beiden Anteile als besonderer Erbteil. Dies ist vor allem wegen der Möglichkeit der Ausschlagung (§ 1951) und der Haftung für die N achlaßverbindlichkeiten (§ 2007) bedeutsam.
B
A
E
F
2. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
65
Wie sogleich im folgenden Abschnitt II dargelegt wird, stellt § 1371 den überlebenden Ehegatten erheblich günstiger als § 1931 I und II, wenn die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Auch wenn Gütergemeinschaft bestand, ergibt sich eine Besserstellung des Überlebenden, nämlich durch die güterrechtliche Beteiligung am Gesamtgut (§ 1416). War Gütertrennung vereinbart (§ 1414), so verbleibt dem Ehegatten indessen neben den Kindern des Erblassers gemäß § 1931 I S. 1 nur ein Viertel des Nachlasses, das heißt beim Vorhandensein von einem Kind oder zwei Kindern weniger als jedem von diesen. Hier glaubte der Gesetzgeber Abhilfe schaffen zu müssen, da auch im Falle der Gütertrennung der Überlebende durch seine unentgeltliche Mitarbeit oft zur Bildung des Vermögens des Erblassers beigetragen hat1 • Der seit dem 1. 7. 1970 geltende, neu eingefügte Absatz IV des § 1931 bestimmt daher, daß die Kinder des Erblassers und sein überlebender Ehegatte zu gleichen Teilen erben, wenn beim Erbfall Gütertrennung bestand und nicht mehr als zwei Kinder vorhanden waren. § 1931 IV spricht nur von den Kindern, die neben dem überlebenden Ehegatten gesetzliche Erben werden. Dies sind hier lediglich die ehelichen Kinder. Die nichtehelichen haben dagegen bloß einen Erbersatzanspruch (§ 1934 a). Es ist aber kein Grund ersichtlich, aus dem die nichtehelichen Kinder auf diese Weise bevorzugt werden sollten. Man muß daher annehmen, daß ein Redaktionsversehen vorliegt und auch die nichtehelichen Kinder unter den§ 1931 IV fallen sollten1•.
II. Gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß das Wort "Zugewinngemeinschaft" als Bezeichnung des jetzigen gesetzlichen Güterstandes irreführend ist; denn während des Bestehens der Ehe gilt die Trennung der beiderseitigen Vermögen, erst nach Beendigung der Ehe ist der Ausgleich des Zugewinns vorzunehmen (§§ 1364, 1372 ff.). Die Bezeichnung müßte deshalb richtig heißen: "Gütertrennung mit Zugewinnausgleich" 1b. Nach§ 1931 III bleiben die Vorschriften des§ 1371 unberührt. 1 Schriftlicher Bericht des Abgeordneten Stammherger zu Drucksache V/ 4179 des Deutschen Bundestages, 5. Wahlperiode, S. 5 f. 10 Ebenso im Ergebnis Odersky, Nichtehelichengesetz, 1970, A. IV 3 zu Art. 1 Nr. 87 (§ 1931 BGB). In dem Bericht Stammhergers wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch ein nichteheliches Kind des Erblassers erwähnt, obwohl doch-genau genommen-einKindnicht "als gesetzlicher Erbe berufen" ist, wenn ihm nur ein Erbersatzanspruch zusteht. 1b OLG Frankfurt NJW 1960, 2003.
5 v. Lübtow, Erbrecht
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1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
a) Die erbrechtliche Lösung: Erhöhung des gesetzlichen Ehegattenerbteils zum Zweck des Zugewinnausgleichs Nach§ 1371 I verwirklicht sich der Ausgleich des Zugewinns, wenn der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet wird, dadurch, daß sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht. Hierbei ist es unerheblich, ob die Ehegatten im Einzelfall einen Zugewinn erzielt haben. Damit ist für die große Mehrzahl aller Fälle die sogenannte erbrechtliche Lösung vorgesehen. Der Gesetzgeber wollte den Ausgleich des Zugewinns in schematischer und pauschalierender Weise erbrechtlich regeln, damit der schwierigen Frage des tatsächlichen Bestehens einer Ausgleichsforderung im Einzelfall nicht nachgegangen werden muß, die Rechtslage also vereinfacht wird und unerfreuliche Streitigkeiten zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Kindern über die Höhe des tatsächlich erzielten Zugewinns gar nicht erst entstehen können2 • Die Erhöhung des Erbteils durch § 1371 I bedeutet keinen güterrechtlichen, sondern einen erbrechtliehen Erwerb3 • Dies ergibt sich einmal daraus, daß die Erhöhung auch dann eintritt, wenn die Ehegatten überhaupt keinen Zugewinn gemacht haben. Zum anderen sind die Bestimmungen des § 1371, soweit sie das Erbrecht betreffen, dieser Materie durch § 1931 III auch systematisch eingeordnet worden4 • Die Formulierung des Gesetzes, "der Ausgleich des Zugewinns" werde durch die Erhöhung "verwirklicht", ist nur die Angabe des Motivs mit dem Charakter einer "versteckten Präambel" 5 und führt bei der Anwendung der Vorschrift leicht in die Irre 6 • Außerdem gehört eine Präambel nicht in den normierenden Text des Gesetzes. Ferner ist die Formulierung falsch, weil der Ausgleich eben nicht "verwirklicht" wird; denn der erhöhte Erbteil wird auch dann gewährt, wenn im Einzelfall gar kein Zugewinn erzielt worden ist7 • 2 Erman-Finke, Gleichberechtigungsgesetz, 1958, A. 1 zu § 1371; Bartholomeyczik, § 10, V 7 a, S. 61; Erman-Bartholomeyczik4 , A. 3 zu§ 1371; RGRKScheffler11, A. 7 zu § 1371; Palandt-Lauterbach28, A. 1 zu § 1371; Kipp-Coing, § 5 I 3, S. 26; Dölle, Familienrecht I, 1964, §54 I, S. 774, 779; BGHZ 37, 58 (65, 67). Vgl. auch Staudinger-Lehmann, Nachtrag, Randnm. 2, 24 zu§ 1371. 3 Bartholomeyczik, § 10 V 5 c, S. 59 f.; Erman-Bartholomeyczik, A. 9 zu § 1931; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 5 zu§ 1931. 4 Ehard-Eder, a. a. 0., mit weiteren Nachweisen; Staudinger-Lehmann, Nachtrag, Randnr. 2 zu§ 1371; Erman-Bartholomeyczik, A. 5 e zu§ 1371. 5 Bartholomeyczik, a. a. 0. 6 Die Regelung des § 1371 ist scharf kritisiert worden: Siehe Bartholomeyczik, § 10 V 7, S. 61 ff.; Erman-Bartholomeyczik4 , A. 5 a zu§ 1371; Dölle, a. a. 0., §54 II, S. 775 f., mit weiteren Nachweisen A. 6; Beitzke, Familienrecht14, 1968, § 13 111, s. 84 ff. 7 Erman-Bartholomeyczik, A. 5 a zu § 1371; 9 b zu § 1931; Staudinger-Lehmann, Nachtrag, Randnr. 9 zu§ 1931.
2. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
67
b) Voraussetzungen, Höhe und Struktur der Erbteilserhöhung im einzelnen 1. Gesetzlicher Güterstand zur Zeit des Todes
Die Ehegatten müssen beim Tode des einen Teils im Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363-1390) gelebt haben. Die Erhöhung bezweckt, wie schon erwähnt, einen Pauschalausgleich des Zugewinns. Galt zur fraglichen Zeit ein anderer Güterstand, so entfällt der Grund für die Erbteilserhöhung. In diesem Fall bleibt es bei der unveränderten Anwendung des§ 1371 I und II. Der Güterstand ist also auch für die Regelung der gesetzlichen Erbfolge bedeutsam. Der Nachlaßrichter muß daher bei Erteilung des Erbscheins wegen der §§ 1931 III, 1371 prüfen, in welchem Güterstand die Ehegatten gelebt haben, sofern nicht die Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen geordnet ist. Denn vom Güterstand hängt die Höhe des gesetzlichen Ehegattenerbteils ab, die durch den Erbschein nachzuweisen ist8 • Das Bestehen des gesetzlichen Güterstandes kann in der Regel nicht durch Urkunden belegt werden. Deshalb genügt zum Nachweis eine eidesstattliche Versicherung (§ 2356 II S. 1). Haben die Ehegatten aber in einem anderen Güterstand gelebt, so kann und muß der Nachweis hierüber regelmäßig durch Urkunden geführt werden. Darauf, wie lange Ehe und Zugewinngemeinschaft gedauert haben, kommt es nicht an. Die Ehegatten leben beim Erbfall nicht im gesetzlichen Güterstand, wenn sie durch Ehevertrag Gütergemeinschaft vereinbart (§ 1415) oder den gesetzlichen Güterstand ausgeschlossen oder ihn später aufgehoben haben(§ 1408); außerdem wenn ein Urteil auf vorzeitigen Ausschluß des Zugewinns vor dem Tode eines Gatten rechtskräftig geworden und damit Gütertrennung eingetreten ist. 2. Keine Prüfung der Zugewinnfrage Mit Rücksicht auf den rechtspolitischen Zweck des Pauschalausgleichs erfolgt die Erhöhung des Erbteils ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall ein Zugewinn erzielt ist oder nicht (§ 1371 I Halbsatz 2). 3. Erbteilserhöhung nur bei gesetzlicher Erbfolge Voraussetzung bei der Erbteilserhöhung ist, daß der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe des verstorbenen wird. 8 Erman-Bartholomeyczik, A. 11 zu§ 1931; Staudinger-Lehmann, Nachtrag, Randnr. 13 zu § 1931.
5"'
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
68
Hat der Erblasser die Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen geregelt, so sind seine Anordnungen für die Höhe des Erbeils maßgebend. Die testamentarische Zuwendung wird nicht erhöht, mag sie auch unter dem erhöhten gesetzlichen Erbteil bleiben9 • Ist dem überlebenden Ehegatten vom Erblasser weniger zugewendet, als er kraft Gesetzes erhalten würde, so kann er die Erbschaft ausschlagen und neben dem tatsächlich festzustellenden Zugewinnausgleich den nicht erhöhten (kleinen) Pflichtteil verlangen (§ 1371 III). Ein Recht auf Zugewinnausgleich steht dem überlebenden Ehegatten nicht zu, wenn er die ihm hinterlassene Erbschaft, sei sie auch noch so gering, annimmt. Dasselbe gilt, wenn der Überlebende Vermächtnisnehmer ist (Umkehrschluß aus § 1371 II und III) 10 • Ist ihm letztwillig weniger zugewendet, als ihm nach § 1371 I als gesetzlicher Erbteil zukommt, so steht ihm nicht das Recht zu, eine Ergänzung bis zur Höhe dieses Erbteils zu verlangen. Es kommt auch nicht darauf an, welche Beschränkungen oder Beschwerungen (Einsetzung eines Nacherben, Ernennung eines Testamentsvollstreckers, Teilungsanordnung, Vermächntis, Auflage) den Überlebenden treffen sowie ob und in welchem Umfang diese den Wert des Hinterlassenen mindern. Der Gesetzgeber hat die Zulassung einer solchen Ergänzung vor allem aus dem Grunde abgelehnt, weil damit der Hauptvorteil der erbrechtliehen Lösung, die Einfachheit und Klarheit, aufgegeben würde 11 • 4. Keine Anrechnung von Zuwendungen während der Ehe Der Erbteil des Ehegatten erhöht sich in jedem Fall der gesetzlichen Erbfolge um ein Viertel der Erbschaft. Nach § 1380 sind auf die Ausgleichsforderung unter gewissen Voraussetzungen Zuwendungen anzurechnen, die der Ehegatte während der Ehe erhalten hat. Der Gesetzgeber hat jedoch von einer Anrechnung von Zuwendungen auf den erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehegatten abgesehen, weil andernfalls der Hauptvorteil der erbrechtliehen Lösung, zu klaren und eindeutigen Ergebnissen zu führen, wegen der mit der Anrechnung verbundenen Schwierigkeiten erheblich beeinträchtigt würde 12• Liegen jedoch die Voraussetzungen des§ 1371 II und III vor und macht der Ehegatte seine Ausgleichsforderung geltend, so werden Zuwendungen des Erblassers auf diese angerechnet. RGRK-Scheffler11 , A. 10 zu§ 1371. RGRK-Scheffler, a. a. 0.; Dölle, Familienrecht I,§ 56 II 2, S. 787. 11 RGRK-Scheffler, A. 13-15 zu§ 1371; Dölle, a. a. 0., 787 f. mit A. 2. 12 Erman-Finke, a. a. 0., A. 3d zu § 1371; RGRK-Scheffler, A. 20-22 zu § 1371; Erman-Bartholomeyczik, A. 6 zu§ 1371; RGRK-Kregel, A. 10 zu§ 1931; Palandt-Lauterbach, A. 2 zu§ 1371; Dölle, Familienrecht I,§ 55 II 1, S. 780. 9
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2. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
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5. Die Höhe des Ehegattenerbteils
Neben Verwandten der ersten Ordnung, also neben Abkömmlingen, vor allem neben Kindern, erhöht sich der gesetzliche Erbteil des Ehegatten auf die Hälfte (1/4 + 1/4), neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern auf drei Viertel (1/2 + 1/4) der Erbschaft. Die Erbteile der übrigen gesetzlichen Erben vermindern sich entsprechend. Erbt der Ehegatte gemäß § 1931 I S. 2 drei Viertel des Nachlasses 13 , so wird er Alleinerbe. 6. Die Struktur des erhöhten Ehegattenerbteils Der gesetzliche Grunderbteil und die Erhöhung bilden einen rechtlich einheitlichen Erbteil, der nur als ganzer angenommen und ausgeschlagen werden kann (§ 1950, 1922 II) 14 • Eine Teilausschlagung wäre unwirksam. Im Wege des Erbverzichts (§ 2346 I) kann der Ehegatte auf die Erhöhung, die ja ein Bruchteil des einheitlichen Erbteils ist, verzichten15. Der Ehegatte wird hinsichtlich des weiteren Viertels Vollerbe, nicht etwa ganz oder zum Teil nur Vorerbe16 • Eine Stellung teils als Voll"'erbe, teils als Vorerbe hätte keinen Sinn. Außerdem wäre den Belangen des überlebenden Ehegatten durch die Einräumung der Stellung eines Vorerben nicht genügend Rechnung getragen; denn er dürfte nicht selten den Stamm der Erbschaft für seinen Unterhalt benötigen. Er wird durch die gesetzliche Regelung an der Substanz des Nachlasses "dinglich" beteiligt, nicht nur am Wert, wie es bei einer tatsächlich zu errechnenden Ausgleichsforderung (§§ 1372, 1378) der Fall wäre; die dingliche Beteiligung bietet ihm eine größere Sicherheit als ein bloß obligatorischer Anspruch17•
Vgl. oben S. 64, 3. Fall. Erman-Finke, a. a. 0., A. 3 e zu '§ 1371; Bartholomeyczik, § 13 Il 3, S. 76; RGRK-Kregel, A. 10 zu § 1931; Dölle, Familienrecht I, § 55 Il 1, S. 780. Auch Staudinger-Lehmann, Nachtrag, Randnrn. 5, 10 zu § 1371, betrachten den erhöhten Erbteil als einen einheitlichen; sie wollen aber wegen der großen Verschiedenheit der Berufungsgründe und der im weiten Umfang zufallsbedingten Wirkungen des zur Ausgleichung des Zugewinns dienenden Erbteils eine Teilausschlagung zulassen. 15 Staudinger-Lehmann, a. a. 0., Randnr.ll zu§ 1371. 16 Erman-Finke, a. a. 0.; RGRK-Scheffler, A. 12 zu§ 1371; Dölle, Familienrecht I, § 55 II 1, S. 780. 17 Erman-Finke, a. a. 0., Erman-Bartholomeyczik, A. 9 b zu § 1931; RGRKScheffler, A. 2, 3 zu § 1371; Palandt-Lauterbach, A. 1, 2 zu § 1371; StaudingerLehmann, Nachtrag, Randnr. 9 zu§ 1931; Dölle, Familienrecht I,§ 54 I, S. 775. 13
14
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
70
c) Die güte1·rechtliche Lösung: Ausgleichsforderung statt Erbrecht 1. Zweck der Regelung
Jedem im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Erblasser steht es frei, die erweiterte Ehegattenerbfolge des § 1371 I durch Verfügung von Todes wegen zu ändern, also auch den anderen Ehegatten ganz oder teilweise von der Erbfolge auszuschließen. In einem solchen Fall darf der Überlebende zwar erbrechtliche Ansprüche nur nach Maßgabe des letzten Willens des Erblassers geltend machen. Im übrigen aber kann er an Stelle der erbrechtliehen Beteiligung die Ausgleichsforderung erheben, die ihm zustehen würde, wenn die Beendigung der Zugewinngemeinschaft auf andere Weise als durch den Tod des Ehegatten erfolgt wäre (§ 1371 II). Denn die Erhöhung des gesetzlichen Ehegattenerbteils soll nur den Zugewinnausgleich abgelten; für sie ist daher eine andere Regelung geboten, wenn der überlebende Ehegatte nicht Erbe wird; sonst würde er ja ersatzlos von einer Beteiligung am Nachlaß ausgeschlossen oder auf dasjenige beschränkt sein, was der Erblasser ihm zugedacht hat18 • In den Fällen, in denen dem überlebenden Ehegatten gemäß § 1371 II und III eine tatsächlich zu errechnende Ausgleichsforderung zusteht, spricht man von güterrechtlicher Lösung. 2. Voraussetzungen Der überlebende Ehegatte kann seine Ausgleichsforderung geltend machen, wenn er nicht Erbe - kraft Gesetzes oder Verfügung von Todes wegen - wird und ihm auch kein Vermächtnis zusteht (§ 1371 II Halbsatz 1); denn dann fehlt der Grund dafür, ihn wie nach Abs. I des§ 1371 vom tatsächlichen Ausgleich des Zugewinns auszuschließen. Daß der überlebende Ehegatte nicht Vermächtnisnehmer ist, läßt sich unschwer feststellen, wenn entweder kein Testament oder Erbvertrag vorliegt oder in ihnen kein Vermächtnis angeordnet oder wenn er für vermächtnisunwürdig erklärt worden ist (§ 2345 I) oder das Vermächtnis ausgeschlagen (§ 2180), gegebenenfalls darauf verzichtet hat (§ 2352). Den Fall, daß er durch eine Auflage (§ 1940) oder durch die Ernennung zum Testamentsvollstrecker begünstigt wird, läßt das Gesetz unerwähnt. Daraus ergibt sich, daß er als Enterbter wie als Ausschlagender den Zugewinnausgleich fordern sowie in den Genuß der Auflage oder der Stellung des Testamentsvollstreckers gelangen kann19 • 18 Erman-Finke, a. a. 0., A. 4 a zu § 1371; RGRK-Kregel, A. 11 zu § 1931; Vogel in Soergel-Siebert9 , Randnr. 17 zu§ 1371; Dölle, Familienrecht I,§ 56 I,
s. 786.
10 Vogel in Soergel-Siebert 8 , Randnr. 18 zu § 1371; Dölle, Familienrecht I, § 56 II 3 a, S. 791; Staudinger-Lehmann, Nachtrag, Randnr. 7 zu§ 1371 mit Stellungnahme zu Lange, NJW 1957, 1382 A. 16.
2. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
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Der Fall, daß der Überlebende nicht Erbe ist, kann sich aus verschiedenen Gründen ergeben: Der Erblasser hat ihn durch letztwillige Verfügung von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen (§ 1938). Der Überlebende hat die Erbschaft ausgeschlagen (§ 1953) oder auf sein Erbrecht verzichtet (§ 2346). Gegen ihn ist mit Recht die Klage auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe wegen Verschuldens erhoben (§ 1933). Seine Erbunwürdigkeit wird festgestellt (§§ 2339, 2344); dann gilt der Anfall als an ihn nicht erfolgt. Durch die Ausschlagung der Erbschaft oder eines ihm zugewandten Vermächtnisses oder beider zusammen führt der überlebende Ehegatte selbst die in § 1371 II bezeichnete Rechtslage herbei, daß er nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer wird. 3. Die Ausschlagung von Erbschaft und Vermächtnis insbesondere Die Ausschlagung der Erbschaft hat das Gesetz (§ 1371 III) als Unterfall des Abs. II geregelt20 • Regelmäßig hat der Ausschlagende keinen Pflichtteilsanspruch; eine Ausnahme bildet§ 2306 I S. 2. Von dieser Regelung weicht nun Abs. III ab. Er gewährt dem überlebenden Ehegatten einen Pflichtteilsanspruch auch dann, wenn er die Erbschaft ausschlägt. Dieser Anspruch steht nach§ 1371 III Halbsatz 1 dem Verwitweten neben dem auf Ausgleich des Zugewinns gerichteten zu. Für das Vermächtnis gibt Abs. III mit Recht keine besondere Regelung21. Wird das Vermächtnis angenommen, so greift Abs. I ein. Erfolgt die Ausschlagung, so gilt Abs. II. In diesem Fall besteht gemäß § 2307 I S. 1 stets ein Pflichtteilsanspruch. Abs. III Halbsatz 1 gewährt dem überlebenden Ehegatten ein Wahlrecht: Er kann zwischen der Erbschaft (Vermächtnis) ohne güterrechtliche Ausgleichsforderung und der Ausgleichsforderung ohne Erbschaft (Vermächtnis), aber mit Pflichtteil in der normalen Höhe nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil (sogenannter kleiner Pflichtteil) wählen22 • Er übt dieses Wahlrecht durch Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft oder des Vermächtnisses aus. Im allgemeinen schlägt ein Erbe die Erbschaft aus, wenn der Nachlaß überschuldet ist oder wenn er die ihm zugedachte erbrechtliche Beteili20 RGRK-Scheffler, A. 26; Erman-Bartholomeyczik, A. 5 d zu § 1371; Palandt-Lauterbach, A. 5 zu § 1371; Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 24 zu § 1371; Lange,§ 39, 3, S. 442; Dölle, Familienrecht, I,§ 56 II 3d, S. 792. A. 24. 21 Dölle, Familienrecht I, § 56 II 3 d, S. 793 A. 26. 22 Erman-Finke, a. a. 0., A. 7 zu § 1371; Bartholomeyczik, § 10 V 6, S. 60; Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 25 zu § 1371; RGRK-Scheffler, A. 34 zu § 1371; RGRK-Johannsen, A.ll zu§ 1931; Palandt-Lauterbach, A. 5 zu§ 1371.
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1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
gung für unzureichend hält. Der überlebende Ehegatte kann sich jedoch auch deshalb zur Ausschlagung veranlaßt sehen, weil er die wirklich zu errechnende Ausgleichfsorderung geltend machen will. In der Regel hat er Grund dazu nur dann, wenn er vom Erblasser schlecht bedacht oder wenn der erhöhte Erbteil durch § 1371 IV belastet ist. Bei seiner Entschließung wird es eine Rolle spielen, ob der verstorbene Ehegatte den größeren Zugewinn gemacht und die Ausgleichsforderung einen höheren Wert besitzt als das dem Verwitweten Hinterlassene. Die Entscheidung kann schwierig sein, insbesondere wenn die Höhe der Ausgleichsforderung noch nicht übersehbar oder die Erbschaft mit Beschränkungen oder Beschwerungen nach Maßgabe des § 2306 I und II belastet ist, deren wirtschaftliche Abschätzung nicht einfach sein wird 23 • Seine Entscheidung muß der Überlebende innerhalb der verhältnismäßig kurzen Ausschlagungsfrist von regelmäßig sechs Wochen (§ 1944) treffen. Dabei hat er auch zu beachten, daß ihm nach der Ausschlagung keine unmittelbare "dingliche" Beteiligung am Nachlaß mehr zusteht, sondern nur noch ein auf Geldzahlung gerichtetes Forderungsrecht. Andererseits entzieht er sich aber den innerhalb einer Erbengemeinschaft bestehenden Bindungen und der Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten. 4. Die Geltendmachung der Ausgleichsforderung Die Ausgleichsforderung richtet sich gegen die Erben des Verstorbenen. Es herrscht Streit darüber, ob es sich um eine vom Erblasser herrührende Schuld (Erblasserschuldr 4 oder eine den Erben als solchen treffende Verbindlichkeit (Erbfallschuld) 25 handelt. Die Ansicht, daß die Ausgleichsforderung zwar erst mit der Ausübung des Wahlrechts durch den Überlebenden entsteht, ihr maßgebendes Fundament (Mitarbeit des überlebenden Ehegatten während der Ehe) schon vor dem Erbfall liegt, verdient den Vorzug. Aber selbst wenn sie eine Erbfallschuld darstellen würde, so wäre daraus nicht zu folgern, daß sie mit dem Pflichtteilsanspruch gleichrangig sei und erst vom schuldenfreien Nachlaß verlangt werden könne 26 • Vielmehr gehört die Ausgleichsforderung zu den gewöhnlichen Nachlaßverbindlichkeiten. Sie wird nicht durch die Rangminderungen betroffen, die für Pflichtteilsansprüche (§ 226 II Nr. 4 KO}, Vermächtnisse(§§ 1992 BGB, 226 II Nr. 5 KO) und unentgeltliche Zuwen23 Vgl. zum Vorstehenden Erman-Finke, a. a. 0., A. 4 c zu § 1371; ErmanBartholomeyczik, A. 7 zu§ 1371; Palandt-Lauterbach, A. 5 zu§ 1371; RGRKScheffler, A. 34 zu§ 1371; Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 27 zu§ 1371; Dölle, Familienrecht I, § 56 II 2 b, S. 789. 24 So Erman-Bartholomeyczik, A. 4 zu § 1378: Der maßgebende Teil des Entstehungstatbestandes des Ausgleichsanspruchs - der Miterwerb des überlebenden während der Ehe - liege schon vor dem Erbfall. 25 So RGRK-Scheffler, A. 17 zu§ 1378; Dölle, Familienrecht I,§ 61 III, S. 816. 26 Dölle, a. a. 0., Anderer Ansicht RGRK-Scheffler, A. 18-20 zu§ 1378.
2. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
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dungen des Erblassers unter Lebenden (§ 226 II Nr. 3 KO) gelten27. Vielmehr stehen Vermächtnisse und Auflagen ebenso wie die Pflichtteilsansprüche28 der Ausgleichsforderung im Range nach29 . Im übrigen gelten die §§ 1373-1383, 1390. Die Ausgleichsforderung verjährt in drei Jahren (§ 1378 IV Halbsatz 1). Ihre Verjährung wird nicht dadurch gehemmt, daß sie erst nach Ausschlagung der Erbschaft oder des Vermächtnisses geltend gemacht werden kann (§§ 1378 IV S. 3, 2332 III). Was das Recht und die Pflicht aus § 1379 (Auskunft über den Bestand des Endvermögens) anlangt, so treten die Erben an die Stelle des verstorbenen Ehegatten. Den Erben kommt auch das Recht zu zu verlangen, daß Zuwendungen des Erblassers an seinen Ehegatten diesem auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden (§ 1380). Sie dürfen auch das Leistungsverweigerungsrecht wegen grober Unbilligkeit geltend machen (§ 1381), ferner Stundung beantragen (§ 1382). Der überlebende Ehegatte kann den Erben gegenüber den Antrag stellen, daß die Ausgleichsforderung statt durch Geldzahlung durch Übertragung anderer Vermögensgegenstände getilgt wird(§ 1383). Auch§ 1390, der Rechte gegenüber Dritten bei unentgeltlichen Zuwendungen an diese gewährt, ist anwendbar. Dem Schutz der übrigen Gläubiger dient § 1378 II. Die §§ 1384-1389 sind im § 1371 II als gegenstandslos nicht mit aufgeführt. Das Gesetz sagt im § 1371 II: Der überlebende Ehegatte "kann Ausgleich des Zugewinns verlangen". Dies bedeutet aber keineswegs, daß er stets etwas erhalten muß 30 • Die Verwirklichung des Ausgleichs hängt davon ab, ob der Verstorbene den größeren Zugewinn erzielt hat und ob nicht§ 1381 Anwendung findet 31 • Da die Mitarbeit des Überlebenden im Beruf oder im Hause die Grundlage des Ausgleichs bildet, besteht der Ausgleichsanspruch auch dann, wenn der Verstorbene gegen den Überlebenden eine begründete Scheidungsklage erhoben hatte 32 • Es kommt nur darauf an, ob die Voraussetzungen des§ 1378 I gegeben sind. § 1933 gilt nicht für den Ausgleichsanspruch. Die Ausgleichsforderung kann dem überlebenden Ehegatten aus denselben Gründen auch dann zustehen, wenn er für erbunwürdig oder 27 Palandt-Lauterbach, A. 1 zu § 1378; Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 5 zu§ 1378; Dölle, a. a. 0.; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 1964, § 37 III
6,
s. 369.
28 RGRK-Johannsen, A. 5 zu § 2311; Staudinger-Ferid, Randnr. 53 i zu § 2311; Palandt-Keidel, A. 2 zu§ 2311. 29 Erman-Finke, a. a. 0., A. 5 zu § 1371; Erman-Bartholomeyczik, A. 4 zu § 1378; 8 zu§ 1371; Palandt-Lauterbach, A. 4 II A zu§ 1371; Staudinger-Lehmann, Nachtrag, Randnr. 18 zu§ 1371. 30 RGRK-Scheffler, A. 29 zu§ 1371. 3 1 RGRK-Scheffler, a. a. 0. 32 RGRK-Scheffler, A. 29 zu § 1371; Palandt-Lauterbach, A. 4 II A zu § 1371.
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1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
vermächtnisunwürdig erklärt worden ist (§§ 2339 I, 2344 I, 2345 I). Es ist
aber möglich, daß den Erben gemäß § 1381 ein Leistungsverweigerungs-
recht wegen grober Unbilligkeit zuerkannt wird, die regelmäßig bei Erbunwürdigkeit vorliegen dürfte 33 • d) Der Ausbildungshilfeanspruch der Stiefkinder 1. Der Zweck der Vorschrift
Abs. IV des § 1371 gibt eine Sonderregelung zugunsten von Stiefkindern, also den Abkömmlingen des Erblassers, die nicht zugleich auch solche des überlebenden Ehegatten sind. Sie gehören nicht zu den gesetzlichen Erben des Überlebenden, ihnen kommt also bei dessen Tode nicht das zugute, was der Überlebende zum pauschalen Ausgleich des Zugewinns als gesetzlicher Erbe vom Erblasser erhalten hat. Ihnen steht gegen den Überlebenden auch kein Unterhaltsanspruch zu. Darüber hinaus wird ihr Erbteil infolge der Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des Stiefvaters oder der Stiefmutter vermindert. Deshalb wird der überlebende Gatte durch § 1371 IV verpflichtet, den Stiefkindern und ihren Abkömmlingen, wenn und soweit sie dessen bedürfen, die Mittel zur angemessenen Ausbildung aus dem erhöhten Erbteil zu gewähren. 2. Gläubiger des Anspruchs Gläubiger des Ausbildungsanspruchs sind die Abkömmlinge des erstverstorbenen Ehegatten, die nicht aus der durch den Tod aufgelösten Ehe stammen. Dazu zählen nicht nur die Stiefkinder des Überlebenden, sondern auch die Stiefenkel und weitere Generationen. Denn der Begriff "Abkömmlinge" ist ein rechtstechnischer und umfaßt sämtliche Verwandte absteigender Linie 34 • Die Abkömmlinge müssen gegenüber dem erstverstorbenen Ehegatten "erbberechtigt", das heißt, dessen gesetzliche oder testamentarische Erben sein35• Jedoch ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, ob, wenn der Erblasser die Abkömmlinge als Erben eingesetzt hat, er ihnen 33 RGRK-Scheffler, A. 27, 28 zu § 1371; Palandt-Lauterbach, A. 4 II A zu § 1371; Dölle, Familienrecht I,§ 56 II 3 b, S. 791 A. 18. 34 RGRK-Scheffler, A. 40 zu § 1371; Erman-Bartholomeyczik, All b zu § 1371; Vogel in Soergel-Siebert, Randnrn. 32, 33 zu § 1371; Dölle, Familienrecht I, § 55, II 2, S. 782. 35 Erman-Bartholomeyczik, A. 11 b zu § 1371; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, § 37 IV 2, S. 370; RGRK-Scheffler, A. 41 zu § 1371. Abweichend (Erben nur kraft Gesetzes): Erman-Finke, a. a. 0., A. 8 b zu § 1371; Vogel in Soergel-Siebert, Randnrn. 34, 35 zu § 1371; Dölle, Familienrecht I, § 55 II 2, s. 782.
2. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
75
daneben noch den Ausbildungsanspruch zubilligen will36 • Der Erblasser hat das Recht, einen Abkömmling durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge (§ 1938) und somit vom Anspruch aus§ 1371 IV auszuschließen. Daher kann er sich darauf beschränken, den Ausbildungsanspruch abzuerkennen37 • Erbberechtigt sind diejenigen Abkömmlinge nicht, die nach § 1924 II durch das Repräsentationsrecht der Voreltern, ferner durch Enterbung (§ 1938) oder Erbverzicht (§ 2346), durch Erbunwürdigkeit (§ 2339) oder durch Ausschlagung der Erbschaft (§ 1953) von der Erbfolge ausgeschlossen sind. 3. Bedürftigkeit des Abkömmlings Der Ausbildungshilfeanspruch kann nur geltend gemacht werden, wenn und soweit die Abkömmlinge der Mittel zur angemessenen Ausbildung bedürfen. Er entfällt, wenn sich der Abkömmling in der Lage befindet, die Kosten aus eigenen Einkünften selbst zu bezahlen. Ob dem Stiefkind zuzumuten ist, auch den Stamm seines Vermögens anzugreifen, hängt von den Umständen des Einzelfalls, vor allem von der Größe des Vermögens, der Höhe des dem Überlebenden nach § 1371 I zugefallenen Erbes und von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ab 38• Der Überlebende kann das Stiefkind nur insoweit darauf verweisen, durch eigene Arbeit die Ausbildungskosten selbst zu verdienen, als sie dem Ausbildungszweck nicht zuwiderläuft 39 • Der Ausbildungshilfeanspruch geht den Unterhaltsansprüchen des Stiefkindes gegen Verwandte vor, da er eine Korrektur der erbrechtliehen Begünstigung des überlebenden Ehegatten darstellt und demgemäß aus dem nach Abs. I zusätzlich gewährten Viertel zu leisten ist40 • Aus demselben Grunde ist dem Überlebenden der Einwand zu versagen, sein standesgemäßer Unterhalt sei bei Erfüllung des Ausbildungsanspruchs gefährdet(§ 1603 I) 41 • 38 Erman-Bartholomeyczik, a. a. 0.; Gernhuber, a. a. 0.; Beitzke, Familienrecht14, 1968, § 13 III, 5, S. 88. 37 Erman-Bartholomeyczik, a. a. 0.; Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 37 mit weiteren Nachweisen; Gernhuber, a. a. 0., § 37 IV 8, S. 372; Dölle, a. a. 0., §57 IV 3, S. 795. Abweichend Palandt-Lauterbach, A. 3 zu § 1371; RGRKScheffler, A. 18 zu§ 1408. 38 RGRK-Scheffler, A. 45 zu § 1371; Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 38 zu § 1371; Dölle, a. a. 0., '§ 55 II 2, S. 783 A. 28. 39 Gernhuber, a. a. 0., § 37 IV 5, S. 371. 40 Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 38 zu § 1371; Beitzke, a. a. 0.; Gernhuber, a. a. 0., Abweichend Erman-Finke, a. a. 0., A. 8 b zu § 1371; ErmanBartholomeyczik, A. 11 g zu§ 1371. 41 Erman-Bartholomeyczik, A. 11 h zu§ 1371; Gernhuber, a. a. 0., § 37 IV 7, S. 372. Anders Erman-Finke, a. a. 0., A. 8 b zu § 1371; RGRK-Scheffler, A. 46 zu § 1371; Dölle, a. a. 0., § 55 II 2, S. 784 mit A. 34.
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
76
4. Schuldner des Anspruchs Der überlebende Ehegatte hat die Ausbildungshilfe nur "aus dem nach Abs. I zusätzlich gewährten Viertel" zu leisten. Daher muß er dieses Viertel im Wege gesetzlicher Erbfolge erhalten haben. Der Überlebende beerbt hier den Verstorbenen in jedem Fall neben dessen Abkömmlingen. Sein gesetzlicher Erbteil beträgt also die Hälfte des Nachlasses. Ist der Überlebende durch Verfügung von Todes wegen zum Erben eingesetzt, so erhält er das zusätzliche Viertel aus § 1371 I nicht. Demgemäß entfällt die Verpflichtung aus § 1371 IV. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Überlebende zur Hälfte des Nachlasses eingesetzt oder ihm ein noch höherer Erbteil zugewandt ist; denn hier erhält er das zusätzliche Viertel nicht kraft Gesetzes, sondern durch Verfügung von Todes wegen 42 • Das Recht aus § 1371 IV entsteht aber im Fall testamentarischer Verfügung dann, wenn der Erblasser seine gesetzlichen Erben, also auch seinen überlebenden Ehegatten, ohne nähere Bestimmung bedacht hat(§ 2066) 43 • Hat der überlebende Ehegatte durch Vertrag mit dem Erblasser auf die Erbschaft verzichtet (§§ 2346, 2352), schlägt er die Erbschaft aus und macht statt dessen seine Ausgleichsforderung geltend (§ 1371 III) oder wird er für erbunwürdig erklärt (§ 2344 I), so liegt die Voraussetzung für den Ausbildungskostenanspruch ebenfalls nicht vor. 5. Struktur des Anspruchs Es ist streitig, ob der Ausbildungshilfeanspruch dem Familienrecht (Unterhaltsanspruch) angehört 44 oder eine erbrechtliche Beschwerung des überlebenden Ehegatten in Höhe des Wertes des zusätzlichen Viertels darstellt45 oder eine Mischung aus güterrechtlichen, unterhalts- und erbrechtliehen Gedanken und damit ein juristisches Novum, ein Recht sui generis bildet 46 • Für die Einordnung in das Erbrecht sprechen folgende Argumente47 :
1. Die Pflicht aus § 1371 IV trifft den überlebenden Stiefelternteil nur,
wenn er auf das zusätzliche Viertel als gesetzlicher Erbe berufen ist und die Erbschaft angenommen hat. 2. Der Anspruch der Stiefkinder hängt Erman-Finke, a. a. 0., A. 8 b zu§ 1371; RGRK-Scheffler, A. 43 zu§ 1371. Erman-Bartholomeyczik, A. 11 c zu § 1371; Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 35 zu§ 1371. 44 So Dölle, a. a. 0., § 55 li 2, S. 783. 45 So Erman-Bartholomeyczik, A. 11 d zu § 1371 unter Bezugnahme auf Boehmer. 46 So Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 30 zu § 1371 mit weiteren Nachweisen. Siehe auch Gernhuber, a. a. 0., § 37 IV 4. 47 Erman-Bartholomeyczik, A. 11 d unter Bezugnahme auf Boehmer. 42 43
2. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
77
von ihrem Erbrecht ab. 3. Der Anspruch ist auf ausbildungsfähige und ausbildungsbedürftige Abkömmlinge beschränkt. 4. Die Abkömmlinge können im Gegensatz zu § 1614 auf ihren Anspruch aus § 1371 IV entsprechend den §§ 2346, 2352 verzichten. 5. Der Erblasser kann ihnen den Anspruch durch letztwillige Verfügung entziehen. Die Ausbildungshilfe ist aus dem nach Abs. I zusätzlich gewährten Viertel zu leisten. Damit kann keine gegenständliche Haftungsbeschränkung cum viribus hereditatis gemeint sein, da keine Möglichkeit einer gegenständlichen Abgrenzung besteht 48 • Vielmehr haftet der Überlebende nicht gegenständlich beschränkt, sondern mit allen Gegenständen seines gegenwärtigen und künftigen Vermögens, jedoch rechnerisch beschränkt auf den Wert seines zusätzlichen Viertels, also pro viribus hereditatis' 9 , das heißt: in Wahrheit ist nicht die Haftung, sondern die Schuld begrenzt50 • Es geht nicht an, dem überlebenden Ehegatten zusätzlich zur Schuldbegrenzung noch die Möglichkeit zu geben, seine Haftung auf die Gegenstände des Nachlasses zu beschränken (§§ 1975, 1990). Es handelt sich also um eine Nachlaßverbindlichkeit (§ 1967II), die im Augenblick des Erbfalls entsteht ("Erbfallschuld") und für die der überlebende Ehegatte kraft der Sonderregelung des § 1371 IV unbeschränkbar auch mit seinem Eigenvermögen haftet. Das Gesetz sagt nichts darüber, nach welchem Zeitpunkt der Wert des zusätzlichen Viertels und damit die Höhe der Schuld zu berechnen sind. Man wird sich für den Zeitpunkt des Erbfalls entscheiden müssen5 \ da eine andere Berechnungsart zu Streitigkeiten über das Ausmaß der seit dem Erbfall eingetretenen Wertsteigerungen oder Wertminderungen des Nachlasses führen würde. Es empfiehlt sich daher, daß der Überlebende schon bei Anfall der Erbschaft ein Inventar errichtet, das über den Wert des gesamten Nachlasses Aufschluß gibt 52 • 6. Inhalt des Anspruchs Geschuldet werden "die Mittel zu einer angemessenen Ausbildung". Darüber, wie diese Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, schweigt das Gesetz. Sie sind, wenn die Parteien keine abweichende Gernhuber, a. a. 0., § 37 IV 7, S. 371. Erman-Bartholomeyczik, A. 11 h zu § 1371 mit weiteren Nachweisen; Beitzke, a. a. 0., § 13 III 5, S. 88, 89. Für eine gegenständlich beschränkte Haftung mit dem zusätzlichen Viertel tritt Dölle, a. a. 0., § 55 II 2, S. 784 f. mit A. 38-41, ein. so Gernhuber, a. a. 0. 51 Erman-Bartholomeyczik, A. 11 h zu § 1371; Palandt-Lauterbach, A. 4 zu § 1371; Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 42: Ausnahme für Fälle grober Unbilligkeit; Gernhuber, a. a. 0., mit weiteren Nachweisen A. 5. Anders RGRKScheffler, A. 47 zu§ 1371: Entscheidung nach Lage des Falles. 52 Vogel, a. a. 0. 48
49
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
78
Regelung treffen, entsprechend ihrem Zweck in Gestalt einer monatlich im voraus zahlbaren Geldrente oder- nach Wahl des überlebenden Ehegatten- eines Kapitals zu gewähren53 • § 1612 ist weder direkt noch analog anwendbar, da es sich nicht um eine unterhaltsrechtliche Regelung handelt. Welche Art der Ausbildung angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei spielen Stand der Eltern, Begabung und Leistungsfähigkeit des Abkömmlings sowie die zur Verfügung stehenden Mittel, insbesondere auch die Höhe des Erbschaftsviertels, eine Rolle54 • Der Anspruch umfaßt die laufenden Ausbildungskosten einschließlich der notwendigen Ausgaben für den Lebensunterhalt während der Ausbildungszeit55 • 7. Konkurrierende Abkömmlinge bei nicht ausreichendem Zusatzerbteil Das Gesetz hat die Frage, wie es zu halten ist, wenn mehrere Abkömmlinge mit Ausbildungsansprüchen gegen den überlebenden Ehegatten konkurrieren, nicht geregelt. Es bleibt nichts anderes übrig, als eine angemessene Verteilung stattfinden zu lassen, und zwar auch dann, wenn die Ausbildungsbedürfnisse nicht gleichzeitig gegeben sind. Denn es würde zu einem untragbaren Ergebnis führen, nur die Ansprüche der älteren Stiefkinder zu befriedigen, deren Ausbildung bereits begonnen hat, die jüngeren dagegen hintanzusetzen. Deshalb ist den älteren Geschwistern nur ein Teil der Ausbildungskosten zu gewähren, für die jüngeren dagegen ein weiterer Betrag einzubehalten56• Bei der Verteilung können sich im Einzelfall natürlich große Schwierigkeiten ergeben. Läßt sich der Ausbildungsbedarf der Jüngeren nicht vorausberechnen, so empfiehlt es sich, das Zusatzviertel im gleichen Verhältnis aufzuteilen, in dem die Stiefabkömmlinge ohne§ 1371 I geerbt hätten56•.
e) Rechtsgeschäftliche Änderungen der Vorschriften des§ 1371 1. Verfügung von Todes wegen Der Grundsatz der Testierfreiheit wird durch § 1371 I nicht berührt. Der Erblasser kann die erbrechtliche Beteiligung seines überlebenden 53 Vgl. Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 41 zu § 1371; Gernhuber, a. a. 0., § 37 IV 6, S. 371 mit Nachweisen A. 3. 54 RGRK-Scheffler, A. 44; Vogel, a. a. 0. 5 5 Gernhuber, a. a. 0., mit Nachweisen A. 4. 56 Erman-Bartholomeyczik, A. 11 i zu § 1371; RGRK-Scheffler, A. 40 zu § 1371; Vogel, a. a. 0., Randnr. 39 zu § 1371; Palandt-Lauterbach, A. 3 zu§ 1371; Beitzke, a. a. 0.; Gernhuber, a. a. 0., § 37 IV 7, S. 372 mit A. 4; Dölle, a. a. 0.,
783.
56•
Vgl. Hermann Lange, JZ 1965, 432.
2. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
79
Ehegatten am Nachlaß anders regeln, also die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils ausschließen und den Ehegatten mit einer anderen Erbportion bedenken oder ihn sogar ganz enterben57 • Eine Änderung des § 1371 I durch Ehevertrag(§ 1408) scheidet dagegen aus, da diese Vorschrift nicht "güterrechtliche Verhältnisse" betrifft58• 2. Verzicht Ein Ehegatte kann durch Vertrag mit seinem Ehepartner (Erblasser) gemäß § 2346 I auf sein gesetzliches Erbrecht verzichten. Damit entfällt auch der erhöhte gesetzliche Erbteil. Der Verzicht kann anders als die Annahme und Ausschlagung (§ 1950) auf einen Bruchteil des Erbrechts 59, also auch auf den erhöhten gesetzlichen Erbteil beschränkt werden. Der Verzicht auf das gesamte gesetzliche Erbrecht berührt aber nicht den Anspruch auf den Zugewinnausgleich nach§ 1371 1160 • Durch Erbverzichtsvertrag kann er nicht aufgehoben werden, da er das eheliche Güterrecht betrifft. 3. Ehevertrag Die Ausgleichsforderung in den Fällen des Abs. II und 111 kann, wie sich aus § 1414 S. 2 ergibt, durch Ehevertrag (§ 1408) ausgeschlossen oder eingeschränkt werden61 • Denn sie beruht auf dem ehelichen Güterrecht. 4. Änderung des Ausbildungshilfeanspruchs Der Ausbildungshilfeanspruch wird dadurch ausgeschlossen, daß der Erblasser seinen überlebenden Ehegatten enterbt; denn der Anspruch setzt voraus, daß ein zusätzliches Erbviertel gewährt wird (§ 1371 IV). Außerdem kann der Erblasser den Anspruch durch letztwillige Verfügung beseitigen62 • 57 Erman-Finke, a. a. 0., A. 4 a und 9 zu § 1371; Erman-Bartholomeyczik, A. 7 a ee zu§ 1931; RGRK-Scheffler, A. 48 zu§ 1371; Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 3 zu § 1371; Gernhuber, a. a. 0., § 37 I 9, S. 367; Dölle, a. a. 0., § 57 I s. 793. 58 RGRK-Scheffler, a. a. 0.; Vogel, a. a. 0., Abweichend Palandt-Lauterbach, A. 4 zu§ 1408; Gernhuber, a. a. 0. 59 Erman-Bartholomeyczik, A. 3 zu § 2346; Palandt-Keidel, A. 1 zu § 2346; RGRK-Johannsen, A.17 zu § 2346; Staudinger-Ferid, Randnr. 41 zu § 2346; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 4 zu§ 2346. 60 Staudinger-Ferid, Randnr. 26 zu§ 2346. 61 RGRK-Scheffler, a. a. 0.; Erman-Finke, a. a. 0., A. 9 zu § 1371; PalandtLauterbach, A. 4 zu§ 1408; Gernhuber, a. a. 0.; Dölle, a. a. 0., §57 IV, S. 794. 62 Oben S. 75.
80
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
Dagegen steht einer erbvertragliehen Entziehung § 2278 II entgegen, wonach andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen vertragsmäßig nicht getroffen werden können 63 • Eine weitere Frage ist es, ob die Ehegatten den Anspruch durch Ehevertrag ausschließen können. Sie ist zu verneinen 64 • Denn er beruht auf dem erhöhten gesetzlichen Erbteil des überlebenden Ehegatten und gehört deshalb nicht dem Bereich des ehelichen Güterrechts an. B. Der gesetzliche ,.Voraus"
I. Begriff und Zweck
Außer dem Erbteil gewährt das Gesetz (§ 1932) dem überlebenden Ehegatten einen Anspruch auf die zum Haushalt gehörenden Gegenstände sowie die Hochzeitsgeschenke als Voraus. Der gesetzgeberische Grund für dieses aus dem älteren deutschen Recht übernommene Institut ist, dem überlebenden Ehegatten zu ermöglichen, den bisherigen häuslichen Lebenszuschnitt wirtschaftlich und kulturell aufrecht zu erhalten65 • II. V o r a u s s e t z u n g e n Der Voraus gebührt dem überlebenden Ehegatten nur als gesetzlichem Erben, nicht dagegen, wenn er als eingesetzter Erbe erbt66 , es sei denn, daß er als eingesetzter Erbe ausschlägt, um als gesetzlicher zu erben(§ 1948). Infolgedessen entfällt das Recht auf den Voraus, wenn der Ehegatte enterbt ist (§ 1938) oder die Erbschaft ausgeschlagen hat (§ 1953 I) oder für erbunwürdig erklärt worden ist(§§ 2342 I, 2344 I). Deshalb setzt auch der Anspruch aus § 1932 voraus, daß die Ehe bis zum Erbfall gültig bestanden hat. Außerdem steht er dem überlebenden Ehegatten dann nicht zu, wenn der Tatbestand des§ 1933 vorliegt. Das Recht auf den Voraus gilt in vollem Umfang nur gegenüber den Verwandten der zweiten Ordnung und den Großeltern. Die entfernteren Verwandten werden durch den Ehegatten ohnehin von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen (§ 1931 II); insoweit braucht ihm daher kein Voraus eingeräumt zu werden. RGRK-Scheffler, A. 18 zu§ 1408. RGRK-Scheffler, A. 48 zu § 1371; A. 18 zu § 1408; Palandt-Lauterbach, A. 4 zu'§ 1408; Gernhuber, a. a. 0., § 37 IV 8 mit A. 5; Vogel in Soergel-Siebert, Randnr. 3 zu § 1371; Beitzke, a. a. 0., § 13 111, S. 82. Abweichend Erman-Finke, A. 9 zu§ 1371; Dölle, a. a. 0., §57 IV 2, S. 794 f. mit A. 5. 65 Bartholomeyczik, § 10 VI 1, S. 64. 66 Vgl. RGZ 62, 109 (110). 63 61
2. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
81
Gegenüber den Verwandten der ersten Ordnung (Abkömmlingen) erhält der Überlebende den Voraus nur insoweit, als er zur Führung eines angemessenen Haushalts notwendig ist(§ 1932 I S. 2). Dies wird der Fall sein, wenn der Ehegatte weder genügend Gegenstände dieser Art besitzt noch ihm zugemutet werden kann, sie sich, wenn sie ihm fehlen, mit eigenen Geldmitteln zu beschaffen67 • Diese Regelung gilt unabhängig davon, in welchem Güterstand die Ehegatten gelebt haben. III. Struktur; entsprechende Anwendung des Vermächtnisrechts Der Voraus wird allgemein als "gesetzUches Vermächtnis" bezeichnet, und zwar als Vorausvermächtnis (§ 2150), weil das Gesetz (§ 1932 II) die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften für anwendbar erklärt hat 68 • Diese Konstruktion wird jedoch besser vermieden 69 • Das Vermächtnis ist nun einmal nach seinem Inhalt und Zweck die vom Erblasser durch Verfügung von Todes wegen aus freien Stücken bestimmte Bedenkung eines andern. Es kann daher nur eine entsprechende Anwendung der Vermächtnisvorschriften in Betracht kommen70 • Während der mit einem Vorausvermächtnis bedachte Erbe (§ 2150) die Erbschaft ausschlagen und das Vermächtnis annehmen kann, gilt nicht dasselbe für den Voraus; vielmehr schließt die Ausschlagung des Erbteils den Erwerb des Anspruchs auf den Voraus notwendig aus, weil der Voraus nur ein Anhängsel des gesetzZiehen Erbrechts des überlebenden Ehegatten bildet71 und sich gerade dadurch von einem Vermächtnis unterscheidet72 • Aus der entsprechenden Anwendung des Vermächtnisrechts ergibt sich: 73 1. Für die Annahme oder AusschZagung desVoraus gilt§2180.Der Überlebende kann also die Erbschaft annehmen, den Voraus jedoch ausschlagen. 67 RGRK-Kregel, A. 8 zu § 1932; Palandt-Keidel, A. 3 b zu § 1932; ErmanBartholomeyczik, A. 5 zu § 1932; Bartholomeyczik, § 10 VI 3 b, S. 64. 68 Crome V, 425 ff.; Siber, Grundriß, 19; Staudinger-Lehmann, Randnr. 8 zu § 1932; RGRK-Kregel, A. 9 zu § 1932; Erman-Bartholomeyczik, A. 6 zu § 1932; Bartholomeyczik, § 10 VI 2, S. 64; Palandt-Keidel, A. 4 zu§ 1932; Lange, § 12 IV 1, 4 a, S. 123, 125. 69 Endemann 111 1, 180 A. 39; 678 ff. 70 Staudinger-Lehmann, a. a. 0. 11 Planck-Flad, A. 4 zu § 1932; RGRK-Kregel, A. 2 zu § 1932; StaudingerLehmann, a. a. 0.; Lange, § 12 IV 4 a, S. 125 mit A. 8; Palandt-Keidel, A. 2 zu § 1932. Abweichend Strohal I, 79. 72 Nach § 2311 I S. 2 bleibt der Voraus bei der Berechnung des Pflichtteils eines Abkömmlings und der Eltern des Erblassers außer Ansatz. 73 Einzelheiten bei Planck-Flad, a. a. 0.
6 v. Lübtow, Erbrecht
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1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
2. Der überlebende Ehegatte wird nicht schon mit dem Erbfall Eigentümer der zum Voraus gehörenden Gegenstände, sondern erwirbt nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben auf Verschaffung des Eigentums oder eines sonstigen Rechts (§ 2174), der mit dem Erbfall entsteht(§ 2176). Das BGB wollte auch hier keine Spezialerbfolge in eine besondere Vermögensmasse zulassen, vielmehr sollte der Grundsatz der Universalsukzession in den gesamten Nachlaß gewahrt bleiben74 • Deshalb kam als juristische Gestalt des Voraus nur eine Forderung auf ihn in Frage. 3. Der Voraus begründet eine Nachlaßverbindlichkeit (§ 1967 II), und zwar eine Erbfallschuld. Der Anspruch unterliegt den Beschränkungen des Rechts eines Vermächtnisnehmers, vor allem den §§ 2318,2322. Der Erbe hat ihn so zu erfüllen, wie er im Falle des Nachlaßkonkurses erfüllt werden müßte (§ 1991 IV), also nach rlen nicht aus Vermächtnissen und Auflagen herrührenden Verbindlichkeiten (§ 226 II Nr. 5 KO). Der Voraus hat kein Vorzugsrecht gegenüber den vom Erblasser angeordneten Vermächtnissen und Auflagen. Miterben haften als Gesamtschuldner (§ 2058). IV. Umfang Den Voraus bilden- neben den Hochzeitsgeschenken- die zum konkreten Haushalt gehörenden Einrichtungsgegenstände, also insbesondere die dem gemeinsamen Haushalt dienenden Möbel, Gläser, Teppiche, Haushalts- und Bettwäsche, Gemälde, eine schöngeistige Bibliothek, Rundfunk- und Fernsehapparat, Familienauto usw., mag ihr Wert im einzelnen auch recht erheblich sein. Dagegen kommen Gegenstände des persönlichen Bedarfs (Schmuck, Kleider) sowie solche, die zu Erwerbs-, Dienst- oder Studienzwecken dienten, nicht in Betracht. Ausdrücklich ausgenommen werden vom Gesetz auch die Sachen, die Zubehör eines Grundstücks (§§ 97, 98) sind, und zwar mit Rücksicht auf ihre sachenrechtliche Unterordnung unter die Liegenschaftsrechte. Der Begriff "Gegenstand" umfaßt auch Rechte, so namentlich Ansprüche aus Lieferungsverträgen für den Haushalt, aus Abzahlungsverträgen für Möbel, Wäsche usw., ferner das Mietrecht auf die eheliche Wohnung75 • Diese weite Auslegung ist deshalb geboten, weil nach Sinn 74 Planck-Flad, A. 1 zu § 1932; Staudinger-Lehmann, Randnr. 2 zu § 1932. Vgl. unten S. 663 ff. 1s Planck-Flad, A. 2 zu § 1932; Kipp-Coing, § 5 V, S. 29 mit A. 11; Staudinger-Lehmann, Randnr. 5 zu§ 1932; RGRK-Kregel, A. 4 zu§ 1932; Palandt-Keidel, A. 3 a zu§ 1932; Erman-Bartholomeyczik, A. 4 zu§ 1932; Bartholomeyczik, § 10 VI 4, S. 65; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 3 zu § 1932; Lange, § 12 IV 2 c, S. 124. Abweichend Endemann III 1, 179 f.
2. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
83
und Zweck des§ 1932 dem überlebenden Ehegatten die Fortführung des Haushalts im bisherigen Umfang und Zuschnitt ermöglicht werden soll. Der Voraus setzt sich nur aus den zum Nachlaß des Erblassers gehöhörigen Gegenständen und den Anteilen an solchen zusammen. Die dem Überlebenden gehörigen stehen ihm ohnehin zu 76 • Am gemeinsamen "ehelichen Haushalt" fehlt es, wenn die Ehegatten von Anfang an getrennt gewohnt haben. Dann gibt es keinen Voraus. Bei späterer Trennung umfaßt der Voraus die zum früheren gemeinsamen Haushalt gehörigen Gegenstände und die im Wege der dinglichen Ersetzung (Surrogation) an ihre Stelle getretenen 77 • Hat sich nach der Trennung einer der Ehegatten eine Wohnung neu eingerichtet, so fallen die dafür angeschafften Gegenstände nicht unter den Voraus 78 • Als Gegenstand des Voraus bezeichnet das Gesetz auch die Hochzeitsgeschenke. Sie sind unentgeltliche Zuwendungen an die Braut- oder Eheleute anläßlich der Hochzeit. Sie werden Miteigentum der Eheleute nach Bruchteilen, falls der Schenker sie nicht ausdrücklich oder durch schlüssige Handlungen79 nur für einen der Ehegatten bestimmt hat80 • Sind die Hochzeitsgeschenke allein dem Erblasser zugewandt, so gebühren sie als solche, sind sie beiden Ehegatten gemeinsam geschenkt, so gebührt der Miteigentumsanteil dem Überlebenden81 • Das BGB geht davon aus, daß die Hochzeitsgeschenke in der Regel beiden Ehegatten zustatten kommen sollen und es dem Willen der Geber mehr entspricht, wenn der überlebende Ehegatte die Geschenke erhält und nicht auch die Verwandten der zweiten Ordnung oder die Großeltern 82 • Ferner sollte die ausdrückliche Erwähnung der Hochzeitsgeschenke den Zweifel beseitigen, ob sie im Einzelfall zu den Haushaltsgegenständen gehören oder nicht 83 • Jetzt spielt aber diese Frage insofern eine Rolle, als es nach der Neufassung des § 1932 neben Verwandten der ersten Ordnung darauf ankommt, ob die Hochzeitsgeschenke zur Führung eines angemessenen Haushalts notwendig sind. Soweit dies nicht der Fall ist, stehen sie oder der Anteil des Verstorbenen daran dem überlebenden Ehegatten und den Abkömmlingen als Miterben gemeinschaftlich zu. 7 6 Planck-Flad, A. 2 a. E. zu§ 1932; Kipp-Coing, ·§ 5 V, S. 29; RGRK-Kregel, A. 4 zu§ 1932; Staudinger-Lehmann, Randnr. 4 a. E. zu§ 1932. 77 KG OLG 24,80; Planck-Flad, A. 2 zu§ 1932; RGRK-Kregel, A. 5 zu§ 1932; Palandt-Keidel, A. 3 a zu§ 1932; Erman-Bartholomeyczik, A. 4 zu§ 1932; Bartholomeyczik, § 10 VI 4, S. 65; Kipp-Coing, § 5 V, S. 29 A. 10; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu § 1932. Teilweise abweichend Lange, § 12 IV 3, s. 124 A. 8.
RGRK-Kregel, a. a. 0. Beispiel: eine Perlenkette für die Frau. 80 Planck-Flad, A. 2 zu § 1932; RGRK-Kregel, A. 7 zu § 1932; Kipp-Coing, a. a. 0., S. 29 mit A. 12; Palandt-Keidel, A. 3 a zu§ 1932; Staudinger-Lehmann, Randnr. 6 zu§ 1932; Erman-Bartholomeyczik, A. 5 zu§ 1932. 81 Lange, § 12 IV 2 c, S. 124. 82 Motive V, 373. 83 Motive, a. a. 0. 78
79
84
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
V. Entziehung Der gesetzliche Voraus hat nicht den Charakter eines Pflichtteils. Der Erblasser ist daher befugt, durch letztwillige Verfügung den Anspruch seines Ehegatten auf den Voraus einzuschränken oder zu entziehen8\ ebenso wie es ihm ja möglich ist, ein von ihm ausgesetztes Vermächtnis zu widerrufen. Die Entziehung oder Einschränkung kann durch ausdrückliche Bestimmung geschehen oder durch anderweitige Verfügung von Todes wegen über die zum Voraus gehörenden Gegenstände oder durch Ausschluß von der gesetzlichen Erbfolge.
84 Motive V, 375; Strohal I, 79; Endemann 111 1, 180; Planck-Flad, A. 4 zu § 1932; RGRK-Kregel, A. 3 zu § 1932; Staudinger-Lehmann, Randnr.10 zu § 1932; Erman-Bartholomeyczik, A. 7 zu§ 1932; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 1 zu § 1932.
3. Kapitel
Ausschluß der Verwandten und des Ehegatten von der gesetzlichen Erbfolge § 1. Enterbung Der Ausschluß der Verwandten und des Ehegatten von der gesetzlichen Erbfolge geschieht durch letztwillige Verfügung des Erblassers. Er ist die Enterbung und erfolgt durch Testament, kann aber auch in einem Erbvertrag als einseitige Verfügung (§ 2299 I) vorgenommen werden, aber nicht durch vertragsmäßige Verfügung (§ 2278 II). Die Enterbung ist wie alle letztwilligen Verfügungen widerruflich1 • Eine Enterbung kann ganz oder teilweise erfolgen, ohne daß ein anderer als Erbe eingesetzt wird (§ 1938, negatives Testament). Sie ist auch in der Weise möglich, daß der Erblasser jemanden positiv zum Erben bestimmt. Eine solche Verfügung schließt dann die gesetzliche Erbfolge mittelbar aus. Die Enterbung bedarf keiner Rechtfertigung; der Erblasser braucht keine Gründe anzugeben. Ist die Verfügung wirksam, so scheidet der Enterbte für die Erbfolge aus. Die Erbschaft fällt ihm also nicht an. An seine Stelle treten in den ersten drei Ordnungen seine Abkömmlinge, falls nicht die Auslegung des Testaments dazu führt, daß auch diese ausgeschlossen sind2 • Im Zweifel erstreckt sich der Ausschuß nicht auf die Abkömmlinge 3 • Sind solche nicht vorhanden, so tritt die Erbfolge der in derselben Ordnung zunächst Berufenen und, wenn diese fehlen, der Verwandten der nächsten Ordnung ein'. Der Fiskus (§ 1936) kann nur durch Einsetzung eines anderen Erben ausgeschlossen werden, da sonst der Nachlaß erblos werden würde. Der Ausschluß der Abkömmlinge, der Eltern oder des Ehegatten berechtigt zur Forderung des Pflichtteils (§ 2303}5, falls nicht auch dieser wirksam entzogen ist. Hier müssen die gesetzlichen Entziehungsgründe vorliegen (§§ 2333 ff.). Diese Pflichtteilentziehung (§ 2336) darf nicht mit 1
4 5
Vgl. unten S. 233 ff. RGRK-Kregel, A. 3 zu§ 1938 mit Nachweisen. RGRK-Kregel, a. a. 0. RGRK-Kregel, a. a. 0. Näheres unten S. 545 ff.
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
86
der Enterbung verwechselt werden. Regelmäßig wird sie so zu deuten sein, daß damit auch der Ausschluß von der gesetzlichen Erbfolge gemeint sein soll8 • § 2. Der Verzicht auf die Erbschaft, ihre Ausschlagung und die Erbunwürdigkeit Ebenso wird von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wer vertraglich auf sein "gesetzliches Erbrecht" verzichtet hat (§ 2346V oder die Erbschaft ausschlägt (§§ 1942, 1953)8 oder für erbunwürdig erklärt wor-
den ist(§§ 2339, 2342, 2344) 9 •
8 7 8 9
Crome V, 175 A. 26. Näheres unten S. 523 ff. Näheres unten S. 679 ff. Näheres unten S. 716 ff.
4. Kapitel
Das gesetzliche Erbrecht des Staates § 1. Geschichtliches
Im frühen römischen Recht stand, wenn auch keine Gentilen vorhanden waren, der erblose Nachlaß (bona vacantia) beliebiger Aneignung frei. Später konnte der Okkupant durch usucapio pro herede ersitzen (Gai. II, 52 ff.); der als Erbe Berufene hatte dann sein Recht verwirkt. Schon in republikanischer Zeit bestimmte das prätorisehe Edikt\ daß die Gläubiger des Erblassers durch den Magistrat die Einweisung in den Nachlaß erlangen und sich im Wege des Nachlaßkonkurses (bonorum venditio) befriedigen durften. Unter Augustus wies die lex Iulia de maritandis ordinibus (18 v. Chr.) den Nachlaß als 'caducum' ("verfallenes" Gut) dem republikanischen Staatsschatz (aerarium populi Romani) zu (Gai. II, 150; Iul. D. 30, 96, 1; Ulp. 28, 7), der allmählich durch den fiscus Caesaris verdrängt wurde. Der Staat war Gesamtnachfolger an Erben Statt (heredis loco} 2• Er mußte also die Gläubiger befriedigen und die Vermächtnisse erfüllen. Der Prätor konnte jedoch anordnen, daß die Erbschaft im Fall einer Überschuldung den Gläubigern zwecks venditio bonorum zuzuweisen sei (Call. D. 49, 14, 1, 1} 3• Auf diese Weise wurde die Haftung des Fiskus beschränkt. Der Grund ist einleuchtend: Der Fiskus hat keinen Anlaß, für die Schulden des einzelnen Bürgers mit seinem Vermögen einzustehen und damit den Gläubigern eine Art Generalversicherung für ihre Forderungen zu bieten4 • Juristisch begründete Iavolenus die Haftungsbeschränkung damit, daß zu den bona nur die Aktiva gehörten (D. 49, 14, 11). Also nur der Überschuß nach Abzug der Schulden fällt an den Fiskus. Vor allem im Hinblick auf diese Konstruktion haben einige Schriftsteller des Gemeinen Rechts die Ansicht vertreten, der Fiskus sei nicht Universalsukzessor, ihm stehe nur ein privilegiertes Okkupationsrecht zu5 • Im späteren römischen Recht traten an die Stelle 1 Edictum Cui heres non extabit: Lenel, Edictum perpetuum3 1927, 416 f. Vgl. Kaser, Das römische Privatrecht I, 586. 2 Weiß, ZSSt. 53, 268; Erdmann, RE VII A 2, 2027, Art. Bona vacantia. 3 Dazu Pringsheim, Symbolae Lenel, 1935, 23 ff. 4 Endemann III 1, 182. 5 Darüber Windscheid-Kipp III, 571 f. mit A. 1, 3; Dernburg-Sokolowski, System des Römischen Rechts II 8, 1912, 1020 A. 6.
88
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
des Fiskus in zunehmendem Maße andere Berechtigte, so bei einem Soldaten die Legion oder Truppenkörper, bei einem Geistlichen die Kirche, bei der er angestellt gewesen war. Im älteren deutschen Recht gebührte die Erbschaft kraft HeimfaUrechts dem Volk, in der fränkischen Zeit dem König. Im Mittelalter traten neben den König als obersten Gerichtsherrn auch die niederen Richter (Graf, Schultheiß). Im späteren Mittelalter ging das Heimfallrecht auf den Landesherrn oder auf die Stadtobrigkeit über, nach manchen Rechten wurde in den Städten der Nachlaß geteilt. Z. B. fiel ein Drittel an die Stadt, ein Drittel an die Kirche oder die Armen, ein Drittel an den Stadtherrn. Die neueren Kodifikationen (Preuß. ALR, Code civil, österreichisches ABGB, Sächsisches BGB) haben in Übereinstimmung mit dem Gemeinen Recht dem Fiskus das Recht auf den erblosen Nachlaß zugesprochen und ihn als Erben behandeW. § 2. Die Regelung des BGB
Das BGB hat sich dem Gemeinen Recht und den neuen Kodifikationen mit der Maßgabe angeschlossen, daß der Fiskus nicht nur als Erbe behandelt wird, sondern es wirklich ist. Wenn weder Verwandte noch ein überlebender Ehegatte des Erblassers vorhanden sind, ist der Fiskus des Bundestaats, dem der Erblasser zur Zeit des Todes angehört hat, gesetzlicher Erbe (§ 1936 I). Dieses Erbrecht ist privatrechtlich, kein öffentlichrechtliches Heimfall- oder Aneignungsreche. Wäre das staatliche Erbrecht als politisches Hoheitsrecht ausgestaltet worden, würde der Fiskus auf das in seinem Staatsgebiet vorhandene Vermögen beschränkt sein, was der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte 8 • Der rechtspolitische Hauptgrund des § 1936 ist aber, die Erbenlosigkeit des Nachlasses zu verhüten. Selbstverständlich kann der Fiskus auch als Erbe eingesetzt werden. Die Eigenstaatlichkeit der Länder wurde im Jahre 1933 aufgehoben. Eine Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit vom 5. 2.1934 (RGBL I, 85) bestimmte, in allen Fragen, in denen es bisher auf die Landesangehörigkeit angekommen sei, solle maßgebend sein, in welchem Lande der Reichsangehörige seine Niederlassung habe. Nach 1945 haben die neuen Bundesländer keine eigenen Staatsangehörigkeitsgesetze er6 Zu der geschichtlichen Entwicklung Endemann III 1, 181 ff.; von Schwerin, Grundzüge des deutschen Privatrechts2 , 1928, 309 ff.; Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts5 , 1930, 777 ff.; Planitz, Grundzüge des deutschen Privatrechtss, 1949, 224 f.; Lange,§ 13 II 1, S. 127 f. 7 Motive V, 378 f.; Denkschrift, 247. 8 Motive a. a. 0.
4.
Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Staates
89
lassen. Daher wird die Verordnung von 1934 weiter anzuwenden sein. Mithin fällt die Erbschaft dem Land zu, in dem der Erblasser beim Tode seine Niederlassung hatte 9 • Fehlt es an einer solchen Niederlassung, so ist die Bundesrepublik Erbe(§ 1936 II). Von§ 1936 gibt es zwei Ausnahmen: Nach Art. 138 EG BGB kann der Landesgesetzgeber an Stelle des Fiskus Körperschaften, Stiftungen oder Anstalten des öffentlichen Rechts als Erben bestimmen. Unberührt bleiben ferner gemäß Art. 139 EG BGB die landesgesetzlichen Vorschriften, nach denen dem Fiskus oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen wie des privaten Rechts in Ansehung des Nachlasses einer verpflegten oder unterstützten Person ein Erbrecht, ein Pflichtteilsanspruch oder ein Recht auf bestimmte Sachen zusteht. Hierbei treten der Fiskus oder die anderen juristischen Personen nicht deshalb ein, weil keine anderen Erben vorhanden sind, sondern sie erben, soweit die Landesgesetze es bestimmen, auch vor sowie neben den gesetzlichen und gewillkürten Erben. Seinem Umfang nach ergreift das Erbrecht des Fiskus regelmäßig den ganzen Nachlaß und erstreckt sich daher auch auf die im Ausland befindlichen Nachlaßgegenstände. § 28 des UrheberrechtsG vom 9. 9. 1965 bestimmt zum Schutz der Nachlaßgläubiger, daß auch die Urheberrechte an den Staat als Erben fallen 10 • Die entsprechende Regelung findet sich im§ 9 des PatG in der Fassung vom 9. 5.1961. Soll bei einer Kapitalversicherung die Leistung nach dem Tode des Versicherungsnehmers ohne nähere Bestimmung an die Erben erfolgen, so kommt das Bezugsrecht hierauf dem als Erben berufenen Fiskus nicht zu (§ 167 III VVG i. d. F. vom 19. 12. 1939). In den Fällen des § 2105 tritt der Fiskus als Vorerbe ein, wenn es bis zum Eintritt des Nacherben an einem sonstigen Erben fehlt. Dagegen kann der Fiskus als gesetzlicher Erbe nicht Nacherbe werden. Denn hat der Vorerbe die Erbschaft mit Ablauf einer bestimmten Frist oder bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses, z. B. im Fall der Auswanderung, herauszugeben, ohne daß ein sonstiger Erbe ernannt ist, so sind als Nacherben nur die Verwandten und der Ehegatte des Erblassers berufen, nicht der Fiskus (§ 2104) 11 • Fehlen solche gesetzlichen Erben, so wird der Vorerbe Vollerbe. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß der Erblasser die Erbschaft vermutlich dem Vorerben belassen hätte, wenn er gewußt 9 Palandt-Keidel, A. 1 zu§ 1936; Staudinger-Lehmann, Randnr. 5 zu§ 1936; RGRK-Kregel, A. 2, 3 zu§ 1936; Kipp-Coing, § 6 I 1, S. 31; Lange,§ 13 III 4 a, S. 131; Bartholomeyczik, § 11 II, S. 67; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu§ 1936; Brox, Randnr. 280. to § 8 II LitUrhG vom 9. 6. 1901 und § 10 KunstUrhG vom 9. 1. 1908 ordneten das Erlöschen des Urheberrechts an. 11 Dazu Protokolle V, 79 f.; Endemann III 1, 187 f.
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
90
hätte, daß der Fiskus Nacherbe würde 12 • Entsprechendes gilt nach§ 2149 S. 2, wenn der Erblasser dem eingesetzten Erben einen bestimmten Gegenstand entzieht. Hier behält dieser Erbe den Gegenstand. Der Fiskus wird nicht Vermächtnisnehmer. Solllaut Gesellschaftsvertrag die oHG mit den Erben fortgesetzt werden (§ 139 HGB), so läßt sich nicht die Auslegung rechtfertigen, daß die Beteiligten darunter auch den Fiskus verstanden wissen wollten13 • Die Beteiligten denken dabei nur an den Ehegatten und die Verwandten des Erblassers. Der Fiskus steht ihrer Erwägung durchaus fernu. Daraus, daß der Staat, um erblose Nachlässe zu verhüten, auf jeden Fall Zwangserbe werden soll, ergeben sich nachstehende Folgen: 1. Der Fiskus kann die Erbschaft nicht ausschlagen (§ 1942 II). 2. Der Fiskus kann nicht auf sein gesetzliches Erbrecht verzichten (arg. § 2346 I S. 1), auch nicht für erbunwürdig erklärt werden(§ 2344 I) 15• 3. Der Erblasser kann ihn nicht von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen (arg. § 1938). Ein entgegenstehendes Testament ist daher nichtig, wenn der Erblasser keinen anderen Erben einsetzt. 4. Dem Fiskus steht ein in aller Regel unverlierbares Recht zu, seine Haftung auf den Nachlaß zu beschränken. Er muß allerdings die Beschränkung wie jeder andere Erbe herbeiführen, indem er Nachlaßverwaltung, Nachlaßvergleichsverfahren oder Nachlaßkonkurs beantragt oder die Einrede der beschränkten Haftung (§ 1990) erhebt. Bei der Zwangsvollstreckung in sein sonstiges Vermögen muß sich der Fiskus auf die Haftungsbeschränkung berufen (§§ 781, 785, 767 ZPO). Er darf dies jedoch mit Erfolg tun, auch wenn ihm in dem gegen ihn ergangenen Urteil diese Beschränkung nicht vorbehalten ist (§ 780 II ZPO). Eine Inventarfrist darf dem Fiskus nicht bestimmt werden (§ 2011 S.1), wohl aber hat er den Nachlaßgläubigern über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen(§ 2011 S. 2). Allerdings setzt er sich einer unbeschränkbaren Haftung aus, wenn er freiwillig ein absichtlich ungetreues Inventar errichtet (§ 2005 I), was praktisch schwerlich vorkommen dürfte. Dagegen könnte durch Verweigerung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über ein freiwillig eingereichtes Inventar die unbeschränkbare Haftung des Fiskus eintreten (§ 2006)18•
Brox, Randnr. 281. Kipp-Coing, § 6 II 1, S. 32; Staudinger-Lehmann, Randnr. 5 zu § 1936; Lange, § 13 IV 1 e ö, S. 134 mit A. 5; Bartholomeyczik, § 11 I, S. 67; Brox, Randnr. 281. 14 Vgl. Endemann III 1, 188. 1s Lange, § 13 IV 2 d, S. 135. 16 RGRK-Johannsen, A.1 zu §2011; abweichend Planck-Flad, A.1 zu § 2011; Staudinger-Lehmann, Randnr. 1 zu § 2011; Erman-Bartholomeyczik, A. 1 zu§ 2011; Bartholomeyczik, § 11 I, S. 67; Lange§ 13 IV 2e, S.135; EhardEder in Soergel-Siebert, Randnr. 1 zu § 2011. Der Hinweis auf § 2011 S. 1 überzeugt nicht. 12 13
4. Kapitel: Das gesetzliche Erbrecht des Staates
91
Der Fiskus soll den Nachlaß erst ergreifen, wenn ein anderer Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist ermittelt wird und das Nachlaßgericht, zu dessen Pflichten die Ermittlung gehört, deshalb feststellt, daß ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist (§ 1964 I). Die nötigen Ermittlungen sind von Amts wegen vorzunehmen (§ 1964 I). Gewöhnlich besteht eine Nachlaßpflegschaft (§ 1960 II). Dann ist die Ermittlung des Erben vor allem Sache des Nachlaßpflegers. Der Feststellung hat nach § 1965 eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte unter Bestimmung einer Aufgebotsfrist von mindestens sechs Wochen vorauszugehen(§ 1965 I S. 1, §§ 948-950 ZPO). Die Aufforderung darf unterbleiben, wenn die Kosten dem Bestand des Nachlasses gegenüber unverhältismäßig groß sind(§ 1965 I S. 2). Meldet sich innerhalb der Aufgebotsfrist ein Erbanwärter, so ist es seine Sache, binnen drei Monaten nach dem Ablauf der Frist dem Nachlaßgericht nachzuweisen: entweder daß sein behauptetes Erbrecht besteht oder daß es gegen den Fiskus im Wege der Klage geltend gemacht ist(§ 1965 II S. 1). Geschieht dies nicht, so bleibt sein Erbrecht unberücksichtigt. Folglich trifft das Nachlaßgericht jetzt die Feststellung, daß ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist. Wenn jedoch die Feststellungsklage innerhalb der Frist erhoben ist, hat das Nachlaßgericht ihren Erfolg abzuwarten. Erst die rechtskräftige Abweisung des Klägers rechtfertigt die Feststellung. Der Feststellungsbeschluß schließt unbekannt gebliebene Verwandte mit ihrem Erbrecht nicht aus, er macht den Fiskus nicht zum Erben, sondern begründet nur die Vermutung, daß der Fiskus gesetzlicher Erbe ist (§ 1964 II). Der Beschluß hat nicht die Wirkungen des Erbscheins. Er rechtfertigt aber den Antrag des Fiskus auf Erteilung eines solchen. Damit gewinnt der Fiskus Dritten gegenüber die Stellung eines vollberechtigten Erben(§§ 2353, 2366, 2367). Vor dem Feststellungsbeschluß ist der Fiskus weder aktiv legitimiert, die Nachlaßrechte geltend zu machen, noch passiv legitimiert für die von den Nachlaßgläubigern zu erhebenden Ansprüche(§ 1966). Die Vermutung für das Erbrecht des Fiskus kann wie jede Rechtsvermutung durch Gegenbeweis widerlegt werden (§ 292 ZPO). Wer aufgrund einer Verfügung von Todes wegen oder als Verwandter oder als Ehegatte des Erblassers sein Erbrecht nachzuweisen vermag, kann noch binnen dreißig Jahren, gerechnet vom Erbfall an, den Erbschaftsanspruch gegen den Fiskus geltend machen(§§ 2018, 195).
5. Kapitel
Änderung der erbrechtliehen Lage durch Wegfall eines kraft Gesetzes als Miterben Berufenen vor oder nach dem Tod des Erblassers § 1. Ersatzberufung (Eintrittsrecht)
Einer der kraft Gesetzes als Miterben Berufenen kann vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls (dem Tode des Erblassers) wegfallen, vor dem Erbfall durch Tod (§ 1923 I), durch Ausschluß von der gesetzlichen Erbfolge (§§ 1933, 1938) oder durch Erbverzicht (§ 2346), nach dem Erbfall durch Ausschlagung (§ 1953), Erbunwürdigkeit (§ 2344) oder Totgeburt der Leibesfrucht (§ 1923 II). Stirbt der Berufene nach dem Erbfall, so geht das Ausschlagungsrecht auf seine Erben über (§ 1952 I). Dieser Fall gehört daher nicht hierher.
Zuerst kommt das Eintrittsrecht für die Abkömmlinge zur Geltung 1924 III, 1925 III, 1926 III S. 1)1 • Was die Vorgänge nach dem Erbfall anlangt, so sagt das Gesetz: "Der Anfall gilt als nicht erfolgt" (§§ 1953 I, 2344 I). Die weitere Folge ist, daß die Erbschaft "demjenigen anfällt, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende (Erbunwürdige) zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt" (§§ 1953 II, 2344 II). Bei Totgeburt der Leibesfrucht fällt die Erbschaft an den zur Zeit des Erbfalls Nächstberufenen. (§§
§ 2. Erhöhung des gesetzlichen Erbteils
Soweit das Eintrittsrecht besteht, scheidet eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils aus (§ 1935 " ... und erhöht sich infolgedessen der Erbteil ... "). Fällt das Eintrittsrecht fort, weil keine Abkömmlinge vorhanden sind, so wird der ledige Erbteil auf die den Nachlaß erwerbenden Miterben übergeleitet. Diesen Vorgang nennt das Gesetz "Erhöhung" (§ 1935). 1 Endemann III 1, 193 f.; Grundriß, 18; Staudinger-Lehmann, Randnr. 2 zu § 1935; Erman-Bartholomeyczik, A. 6 zu§ 1935.
5. Kapitel: Änderung durch Wegfall
93
Beispiele: 1. Fall
A~ 2
B ~ 2
Der kinderlose Sohn A schlägt die Erbschaft aus. Der Erbteil der Tochter B erhöht sich um 112. Sie bekommt also die ganze Erbschaft, da sie die Großeltern G1 und G2 ausschließt (§§ 1925 I, 1930). Die Tochter B hätte, wenn A vor Eintritt des Erbfalls weggefallen wäre, von Anfang an die ganze Erbschaft erhalten. 2. Fall E
FI
2
A I
I
6
6
E und F lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. A und D schlagen aus. Der Anteil des G (1/ 12 ) erhöht sich um den Anteil des D (1/ 12) =
1/6.
Der Anteil des A (1/6) erhöht die Anteile des B und G. B hat 1/a, er bekommt dazu 1/ 12 = 114. G hat 1/12 + 1/12, er bekommt dazu ein weiteres Zwölftel = 1/4. Der Erbteil der F (1/2) bleibt unverändert (§ 1931 I). Der feste Erbteil, der dem überlebenden Ehegatten neben Verwandten der ersten und
94
1. Hauptteil. 1. Abschnitt: Berufungkraft Gesetzes
zweiten Ordnung gebührt, wird durch den Wegfall eines von ihnen nicht erhöht, solange überhaupt noch ein Verwandter dieser Ordnungen vorhandenise. Es befremdet, wenn das Gesetz beim Wegfall eines gesetzlichen Miterben vor dem Erbfall von Erhöhung des Erbteils spricht. Denn vor dem Erbfall gibt es keine gesetzlichen Erben und daher auch keine Erbteile3 • Vielmehr geht die Erbschaft einfach auf diejenigen Personen über, die nach den Regeln der Intestaterbfolge beim Erbfall kraft Gesetzes als Erben berufen sind4 • Nur muß gemäß § 1935 festgestellt werden, was sie erhalten haben würden, wenn der Weggefallene mit ihnen konkurrierte, und was sie nunmehr ohne dessen Konkurrenz erhalten. Die Differenz soll für die in Rede stehenden Beschwerungen (Vermächtnisse, Auflagen, Ausgleichungspflicht) als besonderer Erbteil gelten, obwohl er es nicht ist5 • Aber auch nachher handelt es sich nicht um den Anfall eines besonderen zweiten Erbteils, sondern um eine kraft Gesetzes eintretende Erweiterung der ursprünglichen Berufung6 • Die Berufung umfaßt einen einzigen einheitlichen Erbteil und beruht auf einem einheitlichen Grunde. Der Berufene kann ihn nur als ganzen annehmen oder ausschlagen(§ 1951
ur.
Wenn das Gesetz den Zuwachs trotzdem als selbständigen Erbteil behandelt (§ 1935), obwohl er als solcher gar nicht existiert, so geschieht dies im Hinblick auf Vermächtnisse(§§ 2147 ff.), Auflagen(§§ 2192 ff.) und die Ausgleichungspflicht (§§ 2050 ff.). Beispiel: Gesetzliche Erben des E sind je zur Hälfte sein Bruder A und seine Schwester B. E hat nur A mit einem Vermächtnis von 35.000 DM beschwert. Der Nachlaß beträgt 50.000 DM. A schlägt daher die Erbschaft aus. B ist jetzt Alleinerbin. Sie kann den "erhöhten" Erbteil, auf dem das Vermächtnis lastete, nicht ausschlagen. Deshalb ist es ungerechtfertigt, wenn sie das ganze Vermächtnis auszahlen müßte. Sie braucht daher das Vermächtnis gemäß § 1935 nur insoweit zu erfüllen, als es ihr Bruder A hätte tun müssen, also mit 25.000 DM. Denn das Vermächtnis ruht wie die Auflagen und die Ausgleichungspflicht auf der Erbportion des Weggefallenen und ist aus ihr zu decken8 • Müßte die Tochter B in vollem Umfang für das Vermächtnis einstehen, so hätte sie sogar noch Binder, Grundriß, 52. Endemann III 1, 195; Grundriß, 18; Binder, a. a. 0., 52; Staudinger-Lehmann, Randnr. 3 zu§ 1935; Erman-Bartholomeyczik, A. 2 zu§ 1935. 4 Crome V, 310 A. 48. s Crome, a. a. 0. 6 Endemann III 1, 195 f.; Grundriß, a. a. 0.; Planck-Flad, A. 1 zu§ 1935. Staudinger-Lehmann, Randnrn. 4 und 9 zu§ 1935. Crome V, 309 A. 43, 44; 326 mit A. 50; 661 f. 2
3
5. Kapitel: Änderung durch Wegfall
95
10.000 DM mehr zu entrichten als ihr weggefallener Bruder. Es entspricht aber dem Willen des Erblassers, daß der für die Tochter B ursprünglich angesetzte Nachlaßanteil von 25.000 DM von der Vermächtnisschuld überhaupt frei bleiben soll9 • Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, hat das Gesetz die Fiktion eines "erhöhten besonderen Erbteils" erdacht. § 1935 ist entsprechend 10 anzuwenden, wenn eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils dadurch eintritt, daß der auf eine bestimmte Quote eingesetzte Testamentserbe vor oder nach Eintritt des Erbfalls wegfälW'. Beispiel: DerErblasserE hat seine Freunde A undB zu je einem Viertel des Nachlasses als Erben eingesetzt und A mit einem Vermächtnis von 1.000 DM beschwert. A ist vor dem Erbfall gestorben. Eine Anwachsung zwischen A und B tritt nicht ein (§ 2094 II). Der einzige gesetzliche Erbe desEist sein Sohn C. Auf ihn entfällt die Hälfte des Nachlasses, und dieser Erbteil erhöht sich um das Viertel des A. Es gilt im Hinblick auf das Vermächtnis als besonderer Erbteil. Bei der testamentarischen Erbfolge spricht das Gesetz nicht von "Erhöhung", sondern von "Anwachsung" (§§ 2094,2095 und§§ 2158, 2159) 12•
Vgl. Endemann !111, 197; Grundriß, 19. Entsprechend, weil § 1935 nur von wegfallenden gesetzLichen Erben spricht. 11 Strohal I, 61 mit A. 4; Crome V, 348 A. 44; Planck-Flad, A. 3 zu § 1935; Endemann III 1, 195 mit A. 14; Palandt-Keidel, A. 5 zu § 1935; RGRK-Kregel, A. 1 zu § 1935; Staudinger-Lehmann, Randnr. 14 zu § 1935; Erman-Bartholomeyczik, A. 3 zu§ 1935; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu§ 1935. 12 Vgl. unten S. 359 ff. 9
10
2. Abschnitt
Rechtsgeschäftliche Anordnungen von Todes wegen 1. Kapitel
Begriff und Arten der Verfügungen von Todes wegen § 1. Die Verfügungen von Todes wegen
Der Erblasser kann die Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen abweichend von der gesetzlichen Erbfolge regeln. Man spricht dann auch von gewillkürter Erbfolge. Aber der Inhalt der Verfügungen ist, wie sich zeigen wird, viel zu mannigfaltig, als daß man sie unter dem Gesichtspunkt "gewillkürte Erbfolge" einfach dem gesetzlichen Erbrecht anreihen könnte. Das hatte einen Sinn bei den römischen Testamenten, die eine Erbeinsetzung enthalten mußten. Heutzutage dagegen, wo Testamente und Erbverträge die verschiedensten Anordnungen enthalten können, paßt diese Betrachtungsweise nicht mehr1 • Verfügungen von Todes wegen (mortis causa) sind Rechtsgeschäfte, durch die jemand bestimmt, was nach seinem Tode mit seinem Nachlaß geschehen soll, oder durch die er auch im Hinblick auf Rechtsverhältnisse, die nicht zum Nachlaß gehören, nach einzelnen im Verlauf der Darstellung genau zu bezeichnenden Richtungen Anordnungen trifft!. Der Begriff dieser Verfügung von Todes wegen hat mit dem einer Verfügung im technischen Sinn, das heißt eines Rechtsgeschäfts, durch das unmittelbar ein Recht übertragen, belastet, geändert oder aufgehoben wird, nichts zu tun 3 • Verfügung heißt hier einfach Anordnung oder Bestimmung. Beispiel: Ein Minderjähriger darf über sein Vermögen unter Lebenden nur mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters verfügen (§§ 107, 108); dagegen darf er selbständig ein öffentliches Testament errichten (§§ 2233 I, 2247 IV) und darin ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters über seinen Nachlaß verfügen, wenn er das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat (§ 2229 I, II). Crome V, 48 A. 1. Strohal I, 82 f.; Grundriß, 19; Binder, Grundriß, 14. 3 Strohal I, 82 A. 2; Demburg-Engelmann V, 63; P. Meyer, 136 A. 2; Endemann III 1, 206 f.; Grundriß 22 f.; RGZ 111, 247 (250 f.); Siber, Grundriß, 20; Binder, Grundriß, 14 A. 2; Planck-Flad, Vorbemerkung 1 vor §§ 1937-1941; Staudinger-Lehmann, Randnr.1 zu§ 1937; Dietz, 41; Bartholomeyczik, § 14 II 2, S. 78; Erman-Bartholomeyczik, A. 3 zu§ 1937. 1 2
7 v. Lübtow, Erbrecht
1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
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Unter Verfügung von Todes wegen versteht man zwei ganz verschiedene Dinge: bald das ganze Rechtsgeschäft (Testament, Erbvertrag), bald die einzelnen erbrechtliehen Bestimmungen, die in ihm enthalten sind. Das Rechtsgeschäft kann erbrechtliche Verfügungen (Beispiele: Erbeinsetzung, Anordnung eines Vermächtnisses), aber auch andere Bestimmungen (Beispiel: Benennung eines Vormundes, § 1777) treffen. Schon daraus folgt, daß es mit der erbrechtliehen Verfügung nicht immer identifiziert werden darf 4 • Es gibt nur zwei Arten der Verfügungen von Todes wegen: Testament und Erbvertrag. Testament ist die einseitige, jederzeit frei widerrufliche Verfügung von Todes wegen (§§ 1937, 2253-2258). Erbvertrag ist die in die Form eines Vertrages gekleidete, bindende und daher regelmäßig nur durch Vereinbarung mit dem Vertragsgegner aufhebbare Verfügung von Todes wegen (§ 1941). Als den normalen Inhalt beider Verfügungsarten bezeichnet das Gesetz die Erbeinsetzung, die Anordnung von Vermächtnissen oder Auflagen (§§ 1937-1941). "Verfügung von Todes wegen" ist also der Oberbegriff. Das Gesetz nennt das Testament auch eine "letztwillige Verfügung" (§ 1937), weil es vom Erblasser jederzeit widerrufen werden kann (§§ 2253 ff.) und deshalb, wenn es bis zu seinem Tode unwiderrufen bleibt, in der Tat den letzten Willen enthält, den er in der gesetzlich vorgeschriebenen Form über die Rechtsbeziehungen nach seinem Tode erklärt hat 5 • Diesem Gedanken verleiht Ulpian D. 24, 1, 32, 3; 34, 4, 4 folgendermaßen Ausdruck: Ambulatoria est voluntas defuncti usque ad vitae supremum exitum6 • Keine letztwillige Verfügung ist der Erbvertrag, weil der Erblasser durch ihn in aller Regel unwiderruflich gebunden ist, mag auch das darin vertragsmäßig Verfügte seinem später in einem Testament geäußerten letzten Willen nicht entsprechen 7 • Bindung bedeutet hier, daß eine den vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigende spätere Verfügung von Todes wegen unwirksam ist(§ 2289 I S. 2). Eine Mittelstellung zwischen Einzeltestament und Erbvertrag nimmt das gemeinschaftliche Testament der Ehegatten (§§ 2265 ff.) ein. Es kann als letztwillige Verfügung von jedem Ehegatten zu Lebzeiten beider widerrufen werden (§ 2271 I). Dagegen ist der überlebende Ehegatte nach dem Tode des zuerst Verstorbenen an seine wechselbezüglichen Anordnungen regelmäßig gebunden (§ 2271 II). F. Leonhard, A. I zu§ 1937. Strohal I, 82; Grundriß, 19; Crome V, 46 A. 9; Kretzschmar, § 14 III 3, S. 64; P. Meyer, 137 f.; Planck-Flad, A. 2 zu § 1937; RGRK-Kregel, A. 2 zu § 1937; Staudinger-Lehmann, Randnr. 2 zu§ 1937. 6 Vielleicht rhetorischen Ursprungs, dem Gedanken nach aber gut römisch: Kaser, Römisches Privatrecht I, 578 A. 9. 1 Strohal I, 83; Grundriß, 19. 4
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1. Kapitel: Begriff und Arten der Verfügungen
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Die Ausdrücke Testament und letztwillige Verfügung sind übrigens nicht schlechthin gleichbedeutend; denn der Ausdruck "letztwillige Verfügung" wird auch zur Bezeichnung jeder einzelnen in einem Testament enthaltenen Anordnung gebraucht 8 • Testament ist somit das Rechtsgeschäft, das eine oder mehrere einseitige Verfügungen enthalten kann. Unter Testament versteht man ferner wie in Rom nicht nur das Rechtsgeschäft selbst, sondern auch die Schrifturkunde, in der es niedergelegt ist9 • Letztwillige Verfügungen können auch in einem Erbvertrag getroffen werden (§ 2299). Testament und Erbvertrag stehen als Verfügungen von Todes wegen (mortis causa) im Gegensatz zu den Rechtsgeschäften unter Lebenden (inter vivos). Denn sie besitzen zu Lebzeiten des Erblassers für dessen Vermögen weder eine Verpflichtungs- noch eine Verfügungswirkung10 • Auch beim Testament und Erbvertrag wird zwar der rechtsgeschäftliehe Tatbestand noch unter Lebenden hergestellt, aber die spezifisch erbrechtliehen Wirkungen treten erst mit dem Tode des Erblassers ein. Man muß also unterscheiden zwischen dem Testament als Rechtsgeschäft11, das nach dem Willen des Erblassers erst mit seinem Tode wirksam werden soll 12 , und dem Eintritt seiner Wirkungen. Der rechtsgeschäftliche Tatbestand ist gültig vollendet mit der formgerechten Errichtung des Testaments, wenn auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Zu seiner Perfektion bedarf es weder des Eintritts des Erbfalls noch des Überlebens des Bedachten13 • Die Wirkun8 Strohal I, 82 A. 6; P. Meyer, 138; Endemann III 1, 245; Planck-Flad, A. 2 zu § 1937; Siber, Grundriß, 21; Erman-Bartholomeyczik, A. 2 zu§ 1937; Staudinger-Lehmann, Randnr. 1 zu§ 1937; Leopold, 3 f. 8 Demburg-Engelmann V, 61 A. 6; P. Meyer, a. a. 0.; Planck-Flad, Vorbemerkung 2 zum dritten Abschnitt: Testament. 10 Endemann III 1, 506; Grundriß, 22; Planck-Flad, Vorbemerkung 1 vor §§ 1937-1941; Staudinger-Lehmann, Vorbemerkungen zu §§ 1937-1941, Randnr. 12; Lange,§ 1 VI 3, S. 9; § 16 II a, S. 148; § 32 I 1, S. 346. 11 Dazu Endemann III 1, 247, 506. 12 von Tuhr, Allgemeiner Teil II 2, 1918, 75 f. Vgl. auch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 1965, 145 ff. 13 Endemann, a. a. 0. Im Widerspruch dazu heißt es III 1, 204, 205; Grundriß, 22, die Verfügung gelange als Rechtsgeschäft erst zur Entstehung durch den Todesfall. Ebenso Bartholomeyczik, Festschrift zum 150jährigen Bestehen des OLG Zweibrücken, 1969, 59, 63: Erst mit dem Tode des Erblassers wird die Willenserklärung zum Rechtsgeschäft. von Tuhr, Allgemeiner Teil II 1, 1914, 274, und Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil II 15, § 202 I 3, S. 1210, sprechen von einem unvollendeten oder unfertigen Rechtsgeschäft. Man muß jedoch bedenken, daß viele Normen, die man als Geschäftsnormen bezeichnen kann, anwendbar sind, bevor die Wirkung des Testaments eintritt. Dazu gehören die Vorschriften über Testierfähigkeit, die Unzulässigkeit der Stellvertretung, die Testamentsformen usw. Wohl aus diesem Grunde charakterisieren Staudinger-Coing11 , Einleitung vor§ 104, Randnr. 17, die letzwillige Verfügung auch dann als Rechtsgeschäft, wenn der Erblasser noch lebt. Lange, § 32 I 3, S. 347, sondert die Verfügung von Todes wegen, die bereits im Zeitpunkt ihrer Errichtung ein förmliches Rechtsgeschäft sei, von den einzelnen Anordnungen
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
gen des Testaments beginnen erst mit dem Tode des Erblassers (§§ 1922, 2176) und dem Überleben des Bedachten (§§ 1923, 2160) 14 • Diese beiden Erfordernisse gehören nicht dem rechtsgeschäftliehen Tatbestand an15 • Man kann sie als Wirksamkeitserfordernisse oder Wirksamkeitsvoraussetzungen bezeichnen16 , die zu dem rechtsgültig vollendeten rechtsgeschäftliehen Tatbestand hinzutreten müssen, damit er seine spezifisch erbrechtliehen Wirkungen entfaltet. Das Rechtsgeschäft unter Lebenden begründet dagegen regelmäßig schon zu Lebzeiten der Vertragspartner Rechte und Pflichten. Ein solches Rechtsgeschäft kann auf den Todesfall eines Vertragsteils abgestellt werden, ohne daß damit eine Verfügung von Todes wegen vorliegt17•
§ 2. Die Zuwendungen von Todes wegen
Enger als der Begriff der Verfügung von Todes wegen ist der Begriff der Zuwendung von Todes wegen, insbesondere der letztwilligen Zuwendung. Als solche stellen sich nur dar die Einsetzung eines Erben (Ersatzerben, Nacherben), die Anordnung eines Vermächtnisses und das Schenkungsversprechen unter der Bedingung, daß der Beschenkte den Schenk er überlebt (§ 2301 1)18 • des Erblassers, die Rechtsgeschäft erst mit seinem Tode, dem Eintritt der Rechtswirkung, würden. Dies ist unzutreffend. Denn das Testament bildet ein einheitliches Rechtsgeschäft, mag es auch mehrere Verfügungen enthalten. Diese sind nur Teile des Rechtsgeschäfts (von Tuhr li 1, 191). 14 Strohal I, 82; P. Meyer, 137; F. Leonhard, A.II A zu§ 1937; Kretzschmar, § 14 I 1, S. 61; von Tuhr li 1, 150 f.; 177; 274; Planck-Flad 14 , 1913, 231 VII 1; Planck-Flad V, 41; Cosack li 2, 303; RGRK-Kregel, Vorbemerkungen vor §§ 1937-1941, A. 2; Palandt-Keidel, A. 2 zu § 1937; Erman-Bartholomeyczik, A. 2 zu § 1937; Bartholomeyczik, § 14 li 2, S. 78; Staudinger-Lehmann, Vorbemerkungen zu§§ 1937-1941, Randnr. 12; Dietz, 41; JR 1950, 86; Kipp-Coing, § 81 I 2, S. 347; Brox, Randnr. 22; Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil 1115 , 1960, § 147 I 1, S. 912; Lehmann-Hübner, Allgemeiner Teil 16, 1966, 156; Lange, Allgemeiner Teil 11 , 1966, § 41 II 3, S. 254; Flume, a. a. 0., 27; Finger, JuS 1969, 312. Hereditas viventis non datur (Paul. D. 18, 4, 1; Pomp. D. 29, 2, 27). 15 Zutreffend Flume, a. a. 0. 16 Zu diesem Begriff Oertmann, Die Rechtsbedingung, 1924, 14 ff.; Manigk, HdR V, Artikel "Tatsachen", 855 f.; Das rechtswirksame Verhalten, 1939, 118 ff.; Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1967, 318. 17 Näheres unten S. 1221 ff. 18 Strohal I, 130 f.; Grundriß, 26; Demburg-Engelmann V, 63; P. Meyer, 174; Kretzschmar, § 141112 a a, S. 64 A. 3; § 24 I, S.131; IV, S.133; F. Leonhard, A. li zu§ 2066; Planck-Flad, Vorbemerkung 2 vor§§ 2064-2087; A. 1 zu§ 2192; Leopold, 4; Staudinger-Seybold, Vorbemerkungen vor § 2064, Randnr. 2; Lange, § 1 VI 2, S. 8. Diese Literatur ist auch zum Folgenden heranzuziehen. Nach Endemann 111 1, 674 mit A. 2, sind unter "Zuwendungen" alle Fälle zu verstehen, in denen der Erblasser durch Erbeinsetzung oder durch Anordnung von Vermächtnissen oder Auflagen den rechtlichen Übergang der Nachlaßgüter anordnet. Endemann hält aber diesen Sprachgebrauch vor allem in Hinblick auf§ 2279 I selbst für nicht ganz sicher.
1. Kapitel: Begriff und Arten der Verfügungen
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Mit "Zuwendung" wird auch ihr Gegenstand bezeichnet. Der Begriff der Zuwendung umfaßt jedoch nicht die Auflage und das nur zur Erfüllung einer Bedingung Gegebene. Die Zuwendung begründet nach dem Erbfall ein Recht des Bedachten. Hierdurch unterscheidet sie sich von der Auflage, deren Eigenart gerade darin besteht, daß der Erblasser den Erben oder einen Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichtet, ohne einem anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden (§ 1940). Im Zusammenhang mit der Zuwendung wird der Ausdruck "bedenken" gebraucht; er bezeichnet die Tätigkeit des Zuwendens. "Bedachter" ist allein derjenige, dem eine Zuwendung gemacht wird, also nicht der Empfänger des zur Vollziehung einer Auflage Geleisteten. Bedachte sind also nur der Erbe (Nacherbe), der Vermächtnisnehmerund der Beschenkte bei einer nach § 2301 I zu beurteilenden Schenkung. DerErsatzerbe ist nurdann bedacht, wenn der Ersatzfall tatsächlich eintritt.
2. Kapitel
Die Teetierfreiheit und ihr Schutz § 1. Der Umfang der Testierfreiheit
Der Erblasser hat volle Testierfreiheit. Ihm steht das autonome, durch Sitte und Pflichtbewußtsein ethisch (nicht rechtlich) gebundene Recht zu, durch Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge zu beseitigen oder zu modifizieren und durch Widerruf dieser Verfügung sie aufzuheben oder zu ändern. Der Erblasser kann also Erben nach Belieben auswählen und einsetzen. Kein gesetzlicher Erbe wird gegen willkürliche und grundlose Enterbung geschützt 1• Das notwendige Gegengewicht bildet das Pflichtteilsrecht der nächsten Familienangehörigen: Abkömmlinge, Eltern, Ehegatte (§§ 2303 ff.). Es schränkt aber die Testierfreiheit nicht erbrechtlich ein, gewährt vielmehr nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben. Die Pflichtteilsberechtigten haben lediglich die Stellung von Nachlaßgläubigern; sie werden mit einer Geldsumme abgefunden. Der Erblasser kann ihnen das Pflichtteilsrecht nur aus schwerwiegenden, selten vorliegenden Gründen entziehen oder beschränken (§§ 2333 ff.). Nach Bundesrecht setzt nur § 138 der Testierfreiheit eine Schranke. Eine Verfügung von Todes wegen verstößt aber nicht schon aus dem Grunde gegen die guten Sitten, weil der Erblasser die nächsten Angehörigen ohne jeden Grund enterbt hat2 • § 2. Der Schutz der Testierfreiheit
Die Testierfreiheit bedeutet ein unverzichtbares Persönlichkeitsrecht, dessen Ausübung bis zum Tode nur der freien Selbstbestimmung unterliegen darf 3 • Eine Einschränkung findet es nur insofern, als nach Abschluß eines Erbvertrages spätere Verfügungen von Todes wegen insoweit unwirksam sind, als sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen Endemann III 1, 230. OGHZ 3, 161; Bartholomeyczik, § 14 III, S. 80; BGH NJW 1969, 1343 (1347). Näheres unten S. 308 ff. 3 Endemann III 1, 231; Grundriß, 25. 1
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2. Kapitel: Die Testierfreiheit und ihr Schutz
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würden (§ 2289 I S. 2). Beim gemeinschaftlichen Testament kann der überlebende Ehegatte seine korrespektiven Verfügungen nicht mehr widerrufen, wenn er das ihm Zugewandte angenommen hat (§ 2271 II S.1).
Darin liegt aber keineswegs eine obligatorische Verpflichtung des Erblassers, solche widersprechenden Verfügungen zu unterlassen4• Vielmehr erscheint jede Fesselung der Handlungsfreiheit, welche die freie Entschließung über künftig vorzunehmende Verfügungen von Todes wegen bindet, als unzulässig, weil dies eine Selbstvernichtung der Testierfreiheit bedeuten würde 5 • Daher ist nach § 2302 ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, nichtig. Zum Beispiel: A verspricht seiner Braut, sie zur Alleinerbin einzusetzen. X, der Y im Testament zum Erben eingesetzt hat, erhält von Y ein Darlehen mit der Abrede, die Erbeinsetzung solle unwiderruflich sein. Bereits das römische Recht erklärte jede stipulatio de successione futura interposita für unsittlich 8 • Die Nichtigkeit des Vertrages hat zur Folge, daß seine Verletzung nicht durch eine Vertragsstrafe geahndet werden kann(§ 344) und auch keine Schadensersatzpflicht begründet7 • Diese Auffassung begegnet schon bei Julian D. 45, 1, 65: Stipulatio hoc modo concepta: 'si heredem me non feceris, tantum dare spondes?' inutilis est, quia contra bonos mores est haec stipulatio. Gemeinrechtlich hatte man Vertragsstrafen, die eine Erbeinsetzung erzwingen oder deren Widerruf verhindern sollten, mit Rücksicht auf die Zulässigkeit der Erbverträge überwiegend für wirksam erklärt8 • Dabei wurde jedoch übersehen, daß die Erbverträge dem Erblasser keine schuldrechtliche Verpflichtung auferlegten 9 • § 2302 hat seine Grundlage nicht etwa in der allgemeinen Vorschrift des§ 137, wie man oft annimmt10 • Nach§ 137 S. 1 kann die Befugnis zur Verfügung über ein "veräußerliches" Recht nicht durC'.h Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden. Aber 1. ist die freie Testierbefugnis kein veräußerliches oder noch ein irgendwie übertragbares Recht11 und 2. hat§ 137 S. 1 nur Verfügungen unter Lebenden im Auge 12• F. Leonhard, A. li B zu§ 2302; Kipp,§ 42, S. 147. Endemann III 1, 232, 233; Grundriß, 25. Diocl. C. 8, 38, 4 (293). 7 Strohal I, 83 A. 11; Demburg-Engelmann V, 62; P. Meyer, 137 A. 8; F. Leonhard, A. III zu§ 2302; Crome V, 50 A. 11; Kretzschmar, § 14 IV, S. 65; Endemann III 1, 233; Planck-Greiff, A. 1 zu § 2302; RGRK-Kregel, A. 1 zu § 2302; Palandt-Keidel, A. 1 zu § 2302; Erman-Hense, A. zu § 2302; Staudinger-Ditmann, Randnr. 6 zu§ 2302; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, a. a. 0.; Bartholomeyczik, § 14 III 1, S. 80. 8 RGZ 19, 232 (233). v Crome V, 50 A. 11. 10 So Motive V, 8; RGZ 75, 34 (35); Kretzschmar, § 14 IV, S. 65; F. Leonhard, A. I zu§ 2302; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 1 zu§ 2302. 6
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
Der Erbvertrag wird durch § 2302 nicht berührt, weil er nicht auf die Begründung einer obligatorischen Verpflichtung gerichtet ist, sondern eine Verfügung von Todes wegen zum unmittelbaren Gegenstand hat13 • Die Bindung, die im § 2289 ihren Ausdruck gefunden hat, ist keine schuldrechtliche, sondern eine erbrechtliche 14 • Im übrigen findet § 2302 auch dann Anwendung, wenn eine solche Verpflichtung in einen Erbvertrag aufgenommen wird. Deshalb kann der Erblasser nicht wirksam auf das Recht zur Aufhebung (§§ 2290-2292) oder zum Rücktritt (§ 2294, 2295) verzichten15 •
Verzichtet der Erblasser in einem Erbvertrag auf das Recht, eine bereits errichtete letztwillige Verfügung zu widerrufen, so muß diese inhaltlich oder in überreichter Urschrift (§§ 2276, 2232) zum Bestandteil des Vertrages gemacht werden; denn die bloße Bezugnahme auf eine ältere Verfügung genügt nicht 16 • Erfolgt die Aufnahme in den Erbvertrag, so verwandelt sich die letztwillige Verfügung in eine vertragsmäßige17. Andernfalls bleibt die letztwillige Verfügungtrotz des Widerrufsverzichtsfrei widerruflich18• Ein Vertrag, in dem der Erblasser seinen gesetzlichen Erben verspricht, an der gesetzlichen Erbfolge nichts ändern zu wollen, kann als Erbvertrag (sogenannter konservativer Erbvertrag) ausgelegt oder nach § 140 in einen solchen umgedeutet werden, wenn die Form des Erbvertrages(§ 2276) gewahrt ist19 • Haben sich Ehegatten in einem Erbvertrag gegenseitig zu Erben eingesetzt und ferner bestimmt, der Überlebende solle verpflichtet sein, das bei seinem Tode vorhandene Vermögen auf die gemeinsamen Kinder zu übertragen, so läßt sich diese Erklärung als Erbeinsetzung der Kinder deuten20 • Endemann III 1, 232. Staudinger-Dittmann, Randnr. 2 zu § 2302. Deshalb enthält § 2302 keine Ausnahme von § 137 S. 2, der die schuldrechUiche Verpflichtung, über ein veräußerliches Recht nicht zu verfügen, für gültig erklärt. 13 Strohal I, 83 A. 10; P. Meyer, 137 A. 6; Kretzschmar, a. a. 0. 14 F. Leonhard, A. II B zu § 2302; Staudinger-Dittmann, Vorbemerkungen vor§ 2274, Randnr. 11. 15 RGRK-Kregel, A. 2 zu§ 2302; Erman-Hense, A. zu§ 2302; Bartholomeyczik, a. a. 0.; Staudinger-Dittmann, Randnr. 2 zu§ 2302. 16 Motive V, 313, 314; Kretzschmar, a. a. 0.; P. Meyer, 299 A. 4; Crome V, 50 A. 13; Planck-Greiff, A. 2 zu§ 2302; RGRK-Kregel, A. 2 zu§ 2302; Staudinger-Dittmann, Randnr. 2 zu§ 2302. 17 Strohal I, 310. 1s Strohal, a. a. 0. 19 Motive, a. a. 0.; BayObLG BayZ 1906, 105; Kretzschmar, a. a. 0.; F. Leonhard, A. II B zu§ 2302; Planck-Greiff, a. a. 0.; RGRK-Kregel, a. a. 0.; ErmanHense, a. a. 0.; Staudinger-Dittmann, a. a. 0.; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu § 2302. 20 OLG Hamm, JMBlNRW 1960, 125. 11
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2. Kapitel: Die Testierfreiheit und ihr Schutz
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Einseitige Verpflichtungen der im § 2302 genannten Art, die sich der Erblasser im Testament auferlegt, sind erst recht nichtig, da niemand sich selbst gegenüber eine bindende Verpflichtung eingehen kann. Dementsprechend heißt es bereits bei Hermogenian D. 32,22 pr.: Nemo eam sibi potest legem dicere, ut a priore (voluntate) ei recedere non liceat21 • Nichtig ist insbesondere die sogenannte derogatorische Klausel, eine vom Erblasser später errichtete Verfügung von Todes wegen solle schlechthin ungültig oder doch nur gültig sein, wenn sie in bestimmter Form errichtet werde 22 • Trifft der Erblasser später eine Verfügung von Todes wegen in einer anderen als der bestimmten Form, so ist es eine Frage der Auslegung seines Willens, ob diese Verfügung auch wirklich als neues Testament die ältere derogieren oder ob sie nur der Entwurf eines solchen sein sollte23 • Hat der Erblasser jemandem versprochen, ihn als Entgelt für seine Dienstleistungen letztwillig zu bedenken, so ist das Versprechen zwar nach§ 2302 nichtig, dem Dienstverpflichteten steht aber als Nachlaßgläubiger ein Anspruch auf Vergütung gemäߧ 612 II zu 24 • Ebensowenig wie der Erblasser sich selbst zu binden vermag, kann er die Testierfreiheit des von ihm eingesetzten Erben oder Vermächtnisnehmers für die Zukunft einschränken25 • Der Erblasser darf allerdings den Erben zum Beispiel in der willkürlichen Veräußerung des Familienunternehmens oder des Familiengutes dadurch beschränken, daß er eine Testamentsvollstreckung anordnet oder den Erben durch eine Auflage verpflichtet, das Unternehmen oder das Gut innerhalb der nächsten fünfzig Jahre nicht zu veräußern (§§ 1940, 137 S. 2). Er ist jedoch außerstande, dem Erben durch eine Auflage die Verpflichtung aufzuerlegen, er solle seinerseits ein Testament errichten des Inhalts, daß er unter derselben Auflage wiederum einen Familienangehörigen zum Erben einsetzt26 • Unzulässig ist es auch, durch eine auflösende Bedingung indirekt einen Zwang auf die erbrechtliche Verfügungsfreiheit des ErbDazu P. Meyer, 299 A. 6. Motive V, 8; Strohal I, 310; Demburg-Engelmann V, 62; P. Meyer, 299; F. Leonhard, A. II A zu § 2253, IV zu § 2302; Crome V, 50 mit A. 14; Kretzschmar, § 14 IV, S. 66; § 21 I 1, S. 101 RGRK-Kregel, A. 2 zu§ 2253 und zu § 2302; Planck-Greifi, A. 3 zu§ 2302; Planck-Strecker, A. 2 zu§ 2253; Endemann III 1, 544; Vogels-Seybold, Randnr. 2 zu § 32 TestG; Erman-Hense, a. a. 0.; A.1 zu § 2253; Staudinger-Dittmann, Randnr. 9 zu § 2302; Staudinger-Firsching, Randnr. 6 zu § 2253. 23 Motive V, 8; Demburg-Engelmann V, 62 A. 2; P. Meyer, a. a. 0., 299 A. 7; Crome V, 50; Planck-Greifi, A. 3 zu§ 2302; RGRK-Kregel, A. 2 a. E. zu§ 2302. 24 Palandt-Keidel, A. 1 zu § 2302. Vgl. auch Planck-Greifi, A. 1 a. E. zu § 2302; RGRK-Kregel, A. 3 zu § 2302; Erman-Hense, A. zu § 2302; StaudingerDittmann, Randnr. 8 zu § 2302. 2 5 Endemann III 1, 233. 26 Endemann, a. a. 0. 21
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
lassers auszuüben: A soll alle Familienbilder als Vermächtnis erhalten. Dieses Vermächtnis gilt jedoch als hinfällig, falls A nicht ein Vermächtnis gleichen Inhalts zugunsten des jüngsten männlichen Familienmitglieds in seinem Testament errichtet27 •
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Endemann, a. a. 0., 234.
3. Kapitel
Uherhlick über den möglichen Inhalt der Verfügungen von Todes wegen § 1. Der Normalinhalt
Den normalen Inhalt aller Verfügungen von Todes wegen bildet die Einsetzung eines Erben sowie die Anordnung von Vermächtnissen und Auflagen (§§ 1937, 1939, 1940, 1941). Dieser Inhalt ist in den programmatischen Sätzen der genannten Bestimmungen jedoch nicht abschließend bestimmt1 • Das Anwendungsgebiet des Erbvertrages beschränkt sich auf die Erbeinsetzung und die Anordnung von Vermächtnissen oder Auflagen. Nur insoweit kann vertragsmäßig verfügt werden (§§ 1941, 2278 II). Dagegen kann die einseitige oder letztwillige Verfügung darüber hinaus jede zulässige Bestimmung von Todes wegen aufnehmen. Der Grund für die enge Begrenzung vertragsmäßiger Verfügungen liegt in der dadurch geschaffenen Bindung und regelmäßigen UnwiderruflichkeW. Aber auch in einem Erbvertrag dürfen außer einer notwendigen vertragsmäßigen alle letztwilligen Verfügungen getroffen werden, die der Gegenstand eines Testaments sein können (§ 2299). Es gehört nicht zum Begriff des Testaments, daß darin eine Erbeinsetzung, ein Vermächtnis oder eine Auflage verfügt wird. Vielmehr gibt es auch Verfügungen ohne erbrechtliehen Inhalt. § 2. Die verschiedenen inhaltlichen Gestaltungsarten
A. Letztwillige Verfügungen mit erbrechtlichem Inhalt Die erbrechtliehen Verfügungen ordnen entweder die Verteilung des Nachlasses des Erblassers materiell mit positivem oder negativem Inhalt oder sie enthalten Bestimmungen über die Verwaltung des Nachlasses und über das Verfahren zur Herbeiführung der Nachlaßteilung 3•
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Planck-Flad, Vorbemerkungen 2 b vor§§ 1937-1941; RGZ 170, 380 (383). Endemann III 1, 231. Kretzschmar, § 14 III 2 a, S. 63.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
I. Verteilungsanordnungen
a) Mit positivem Inhalt 1. Erbeinsetzung Den Hauptfall der letztwilligen Verfügung bilden die Einsetzung eines
Erben, dem der Erblasser sein- ganzes- Vermögen oder einen Bruchteil davon zuwendet, wobei es belanglos ist, ob der Bedachte als Erbe bezeichnet wird(§§ 1937, 2087 I). Statt eines Alleinerben können mehrere
Erben (Miterben) eingesetzt werden. Das Gesetz läßt auch die Ernenn.ung eines Erben in der Weise zu, daß dieser erst Erbe wird, nachdem zuvor ein anderer Erbe geworden ist. Ein solcher Erbe heißt Nacherbe (§ 2100). Für den Fall, daß der zunächst als Erbe Berufene nicht zur Erbfolge gelangt, kann ein Ersatzerbe ernannt werden (§ 2096 ff.). 2. Vermächtnis Die zweite Art der Zuwendung bildet das Vermächtnis. Es steht insofern in einem begrifflichen Gegensatz zur Erbeinsetzung, als dem Bedachten im Wege der Begründung eines Forderungsrechts ein bestimmter Vermögensvorteil zugewendet wird, der nicht das- ganze- Vermögen des Erblassers oder einen Bruchteil davon umfaßt (§§ 1939, 2147, 2174). Anders als die Erbeinsetzung hat das Vermächtnis nicht den unmittelbaren Obergang des zugewandten Gegenstandes auf den Bedachten zur Folge. Vielmehr begründet es nur das obligatorische Recht, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern(§ 2174). Dies gilt selbst dann, wenn der vermachte Gegenstand zum Nachlaß gehört. Das Vindikationslegat des römisch-gemeinen Rechts ist durch die Vorschrift des§ 2174 beseitigt. 3. Auflage Die Auflage verpflichtet den Erben oder einen Vermächtnisnehmer zu einer Leistung (Tun oder Unterlassen). Während aber das Vermächtnis für den Bedachten einen klagbaren Anspruch begründet, erlangt derjenige, den die Auflage begünstigt, einen solchen Anspruch nicht (§ 1940). Außerdem braucht eine Person, zu deren Gunsten die Leistung erfolgen soll, nicht immer vorhanden zu sein. Zum Beispiel kann der Erblasser durch eine Auflage über die Art seiner Bestattung entscheiden4 • 4 Kretzschmar, § 24 IV, S. 133 A. 3; Endemann III 1, 226; Kipp-Coing, § 64 I 2, S. 282; Planck-Flad, A. 4 zu § 1968; Vorbemerkung 2 b vor § 2192 mit wei-
3. Kapitel: Inhalt der Verfügungen
109
Die Vollziehung der Auflage können der Erbe, der Miterbe und derjenige verlangen, dem der Wegfall des mit der Auflage Beschwerten zustatten kommen würde (§ 2194 8.1). Liegt die Vollziehung im öffentlichen Interesse, so kann sie auch die zuständige Behörde verlangen (§ 2194 S. 2). Die Vollziehung kann im Prozeßweg erzwungen werden. Ist ein Testamentsvollstrecker eingesetzt, so hat dieser die Auflage zur Ausführung zu bringen oder ihre Vollziehung zu verlangen (§§ 2203, 2208 II, 2223). 4. Anordnungen betreffend den Vorrang von Vermächtnissen und Auflagen vor anderen Verfügungen solcher Art Der Erblasser kann für den Fall, daß die dem Erben oder einem Vermächtnisnehmer auferlegten Vermächtnisse und Auflagen aufgrund der Beschränkung der Haftung des Erben, wegen eines Pflichtteilsanspruchs oder gemäß den§§ 2187, 2188 gekürzt werden, durch Verfügung von Todes wegen anordnen, daß ein Vermächtnis oder eine Auflage den Vorrang vor den übrigen Beschwerungen haben soll(§ 2189).
b) Mit negativem Inhalt 1. Ausschließung von der Erbfolge
Der Erblasser kann sich nach § 1938 darauf beschränken, durch Testament einen Verwandten oder den Ehegatten- ausdrücklich- von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen, ohne einen Erben einzusetzen. Hier findet die gesetzliche Erbfolge statt, nur daß der ausgeschlossene Verwandte oder Ehegatte nicht daran teilnimmt. Die Ausschließung wirkt nicht gegen Abkömmlinge des Ausgeschlossenen und läßt sein etwaiges Pflichtteilsrecht unberührt. Die Ausschließung ist - einseitig - auch in einem Erbvertrag zulässig (§ 2299). 2. Entziehung des Pflichtteils Abkömmlinge, Eltern und Ehegatte des Erblassers dürfen, wenn sie der Erblasser von der Erbfolge ausschließt, den Pflichtteil beanspruchen (§ 2303). Der Pflichtteil kann ihnen vom Erblasser nur aus bestimmten Gründen entzogen werden (§§ 2333-2335). Die Entziehung hat durch letztwillige Verfügung zu erfolgen (§ 2336). terer Literatur; RGRK-Kregel, A. 3, 5 zu § 1940; Staudinger-Seybold, Vorbemerkungen vor§ 2192, Randnr. 2; Staudinger-Lehmann, Randnr. 6 zu§ 1940; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 1 zu§ 1940.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
Dasselbe gilt, wenn der Erblasser von der im§ 2338 bestimmten Befugnis Gebrauch machen und das Pflichtteilsrecht des Abkömmlings durch eine der dort bezeichneten Anordnungen beschränken will. 3. Ausschließung der Anwachsung Der Erblasser kann die Anwachsung gemäß § 2094 III und § 2158 II ausschließen. 4. Widerruf des Testaments und einzelner letztwilliger Verfügungen Im Gegensatz zum Erbvertrag, durch den der Erblasser, wenn er sich nicht den Rücktritt vorbehalten hat (§ 2293}, an die darin vertragsmäßig getroffenen Verfügungen von Todes wegen gebunden ist, hat das Testament keine Bindung des Erblassers zur Folge. Vielmehr kann das Testament sowie eine jede einzelne darin enthaltene Verfügung vom Erblasser jederzeit widerrufen werden (§ 2253 I). Dasselbe gilt gemäß § 2299 II von den in einem Erbvertrag getroffenen letztwilligen Verfügungen. II. V e r w a lt u n g s - u n d T e i l u n g s a n o r d n u n g e n Der Erblasser kann durch letztwillige Verfügung Teilungsanordnungen, das heißt Anordnungen für die Auseinandersetzung unter den Miterben, treffen (§ 2048) und zu diesem Zweck sowie zur Verwaltung des Nachlasses einen Testamentsvollstrecker ernennen (§§ 2197, 2204, 2205, 2209). III. G e s e t z l i c h e B e g r e n z u n g d e r e r b r e c h t l i c h e n Anordnungen Zahl, Inhalt und Wirkungen der erbrechtliehen Anordnungen sind durch das Gesetz fest begrenzt. Es herrscht nicht der Grundsatz der Bestimmungsfreiheit wie im Schuldrecht'. Zum Beispiel kann die generelle Universalsukzession vom Erblasser nicht ausgeschlossen werden 6 • Der Erblasser vermag also nicht wirksam zu testieren: X soll meine unbewegliche, Y meine bewegliche Habe erben. Diese Verfügung ist gemäߧ 140 als Teilungsanordnung des Erblassers (§ 2048 S. 1) aufrecht zu erhalten. 5 F. Leonhard, A. II D zu § 1937; Planck-Flad, Vorbemerkung 2 a zu §§ 1937-1941; Kipp-Coing, § 20 I, III, S. 94, 95; Staudinger-Lehmann, Vorbemerkungen zu§§ 1937-1941, Randnr. 1. 0 Der Entwurf I § 1749 sprach dies ausdrücklich aus: "Der Übergang des Vermögens als eines Ganzen (Erbfolge) kann von dem Erblasser nicht ausgeschlossen werden". Bei der späteren Beratung strich man den Satz, aber nur, weil er als selbstverständlich galt (Protokolle V, 2).
3. Kapitel: Inhalt der Verfügungen
111
Ferner ist eine Verfügung, durch die der Erblasser den unmittelbaren Übergang einer Erbschaftssache (beispielsweise eines Kraftfahrzeugs) auf einen anderen als den Erben anordnet, unwirksam; denn das Gesetz gestattet die Anordnung eines Vermächtnisses nur in der Art, daß für den Bedachten ein obligatorischer Anspruch gegen den Erben oder einen Vermächtnisnehmer entsteht(§ 2174). Auch kann der Erblasser die Haftung des von ihm zum Erben Berufenen nicht im Gegensatz zum Gesetz auf den Nachlaß beschränken. Ebensowenig sind die Erben in der Lage, die Unabhängigkeit des Testamentsvollstreckers dadurch aus der Welt zu schaffen, daß sie ihn verpflichten, nur mit ihrer Zustimmung zu handeln und sein Amt jederzeit auf Verlangen eines Miterben niederzulegen 7 • Der rechtspolitische Grund für den erbrechtliehen Typenzwang liegt darin, daß die Verfügung von Todes wegen nicht nur obligatorische Wirkungen inter partes schafft, sondern die Rechtslage mit unmittelbarer Wirkung inter omnes gestaltet. Der Erblasser entscheidet darüber, wer als eingesetzter Erbe Träger des hinterlassenen Vermögens wird und den Nachlaßgläubigern haftet. Der Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlasses obliegt, hat weitgehende Befugnisse, welche die Rechtssphäre Dritter berühren.
B. Letztwillige Verfügungen mit familienrechtlichem Inhalt
I. Die Gütergemeinschaft
Jeder Ehegatte kann für den Fall, daß die Ehe durch seinen Tod aufgelöst wird, die Fortsetzung der Gütergemeinschaft durch letztwillige Verfügung ausschließen, wenn er berechtigt ist, dem anderen Ehegatten den Pflichtteil zu entziehen oder auf Aufhebung der Gütergemeinschaft zu klagen(§ 1509). Ebenso kann jeder Ehegatte für den Fall, daß die Gütergemeinschaft nach seinem Tode fortgesetzt wird, mit Zustimmung des anderen Ehegatten durch letztwillige Verfügung gewisse Anordnungen über die Anteilrechte der gemeinschaftlichen Abkömmlinge treffen, auch einen Abkömmling von der Gütergemeinschaft ausschließen(§§ 1511-1516). Es handelt sich nicht um Verfügungen, die den Nachlaß betreffen. Denn nach § 1483 I S. 2 gehört der Anteil des verstorbenen Ehegatten nicht zum Nachlaß 8 • BGHZ 25, 275 (280 f.).
Strohal I, 128; Endemann III 1, 208.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
II. Anordnungen über die Behandlung des Erwerbs von Todes wegen für das eheliche Güterrecht und das Kindesvermögensrecht Zum Vorbehaltsgut gehören unter anderen die Gegenstände, die der Ehegatte von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bei der Zuwendung bestimmt hat, daß der Erwerb Vorbehaltsgut sein solle(§ 1418 II Nr. 2). Der Erblasser darf anordnen, daß der Erwerb von Todes wegen, der einem unter elterlicher Gewalt stehenden Kinde zufällt, der elterZiehen Verwaltung entzogen sein soll(§ 1638 I). III. Rein personenrechtliche Verfügungen Der Erblasser kannkraftelterlicher Gewalt und nicht als jemand, der über Nachlaßrechte verfügt, bestimmte rein personenrechtliche Verfügungen treffen. Dazu gehören die Benennung eines Vormunds oder Pflegers(§§ 1777 III, 1917 I}, Anordnungen über eine befreite Vormundschaft oder Pflegschaft (§§ 1856, 1917 II), ferner Anordnungen über die Einsetzung und Besetzung des Familienrats (§ 1868). C. Verfügungen aus dem Gebiet des Allgemeinen Teils
Eine Stiftung kann gemäß § 83 in einer Verfügung von Todes wegen errichtet werden. D. Verfügungen aus dem Schuldrecht
Hat sich der Versprechensempfänger bei einem Vertrag zugunsten Dritter die Befugnis vorbehalten, ohne Zustimmung des Versprechenden an die Stelle des im Vertrage bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen, so kann dies nach§ 332 im Zweifel auch in einer Verfügung von Todes wegen geschehen. Ein solcher Vorbehalt kommt besonders bei Lebensversicherungsverträgen häufig vor und ist nach§ 166 S. 2 VVG im Zweifel in jeder Kapitalversicherung enthalten. Der Form ungeachtet liegt in dieser Bezeichnung des neuen Bezugsberechtigten im Zweifel keine Vermächtnisverfügung; denn auch hier erwirbt der Dritte den Anspruch nicht aus dem Nachlaß, sondern unmittelbar aus dem Vertrag9 • 9 Strohal I, 128 f.; Planck-Flad, A. 7 zu§ 1939; Planck-Siebert, A. 2 zu§ 332; Erman-Westermann4, A. zu § 332; Palandt-Danckelmann28 , A. 2 zu § 332; Reimer Schmidt in Soergel-Siebert 10, Randnr. 3 zu§ 332. Vgl. dazu neuestens Bartholomeyczik, Festgabe von Lübtow, 1970, 729 ff.
3. Kapitel: Inhalt der Verfügungen
113
Der Schenker kann den Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks (§§ 530 I, 531 I) nicht auch in einem Testament erklären10 • Denn die vom Erblasser zu seinen Lebzeiten in der Urkunde abgegebene Willenserklärung kann und soll dem Beschenkten erst nach dem Tode des Erblassers zugehen. Dies steht der Anwendung des§ 130 II entgegen. Er hat nämlich nicht den Zweck, ein von vornherein beabsichtigtes postmortales Zugehen wirksam zu machen11 • "Abgabe" der Willenserklärung bedeutet, der Erklärende muß alles getan haben, was von seiner Seite zu geschehen hatte, damit die Erklärung dem Empfänger noch zu seinen (des Erklärenden) Lebzeiten zugeht. Dann soll es unschädlich sein, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt12• Hiervon abgesehen würde der in einem Testament erklärte Schenkungswiderruf, der erst nach dem Tode des Erklärenden und nach Eröffnung des Testaments wirksam werden kann, wegen der einjährigen Ausschlußfrist des § 532 häufig verspätet sein12•. E. Schiedsgerichtsklausel
Über den Inhalt eines Testaments kann unter den Beteiligten ein
Streit entstehen. Der Streit ist regelmäßig im Prozeßweg auszutragen.
Vor allem ist es unzulässig, daß der Erblasser einen Dritten ermächtigt, seine letztwilligen Verfügungen, soweit sie unklar sein sollten, auszulegen (authentische Interpretation) 13 • Dagegen kann der Erblasser, wie der § 1048 ZPO voraussetzt, durch letztwillige Verfügung eine schiedsgerichtliche Entscheidung darüber anordnen. Eine besondere Vorschrift, die eine solche Verfügung für zulässig erklärt, enthält das BGB allerdings nicht. Die Befugnis des Erblassers dazu wurde als selbstverständlich angesehen14 • Abweichend RGZ 170, 380 (383). u Kipp-Coing, § 81 IV 3 b, S. 357; Lange,§ 31 III 1 b, S. 332; Bärmann, NJW 1964, 53; J. Maier, Der Fortbestand von Willenserklärungen über den Tod hinaus, Diss. München 1966, 104, 116, 121 f.; jetzt wohl auch BGH NJW 1968, 496 (498); Finger, JuS 1969, 311. Anderer Ansicht RGZ a. a. 0., 384. Danach setzt § 130 II nicht voraus, daß der Erklärende gehofft hat, das Zugehen zu erleben, und sein Tod ungewollt und unerwartet dazwischen trat. Dem RG zustimmend Staudinger-Coing11 , Randnr. 18 zu § 130; RGRK-Krüger-Nieland11 , A. 20 zu § 130; Palandt-Danckelmann28, A. 4 zu § 130; Hefermehl in Soergel-Siebert 10, Randnrn. 6, 27 zu § 130. Offen gelassen wird die Frage von BGHZ 9, 233 (235). Vgl. auch Wieacker, Festschrift für H. Lehmann I, 1956,282. 12 RGZ 65,270 (274); BGHZ 48,374 (380f.); Planck-Flad', A. 8 zu§ 130; von Tuhr, Allgemeiner Teil II 1, 1914, 430 f. mit A. 170. 1 2 " RGZ 170, 380 (384). 1s Dazu unten S. 142. u Protokolle V, 20; Kretzschmar, § 23 V 1 f., S. 134; Siber, Grundriß, 75; RGZ 100, 76 (77); 170, 380 (383). Es bestehen schwerwiegende Bedenken dagegen, die Schiedsgerichtsklausel dem Gesichtspunkt der Auflage zu unterstellen, da deren Regeln hier in keiner Weise passen: Strohal I, 123 A. 4; Planck-Flad, A. 3 zu§ 1940. 10
8 v. Lübtow, Erbrecht
114
1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
Eine solche Klauseis ist insoweit für zulässig zu erachten, als der Erblasser nach Belieben zu verfügen und die Erbbeteiligten zu binden vermag, zum Beispiel bezüglich des durch Auslegung zu ermittelnden Inhalts des Testaments, etwaiger Einzelheiten der Auseinandersetzung oder der Ausgleichspfiicht15 . Dagegen steht die Entscheidung, ob das Testament gültig ist, dem Schiedsrichter nicht zu. Denn mit dem Ausspruch darüber, das Testament sei nichtig, würde der Schiedsrichter seine eigene Legitimation verneinen, es sei denn, daß sich die Schiedsgerichtsklausel in einem besonderen Testament findet 16 • Kipp 17 und F. Leonhard18 wollen eine Schiedsgerichtsklausel auch insoweit nicht gelten lassen, als der Erblasser die Bestimmung einem Dritten nach § 2065 überhaupt nicht oder nach §§ 2048, 2155 in Verbindung mit § 317 und nach § 2156 nur seinem billigen Ermessen überlassen kann, das richterlicher Nachprüfung unterliegt (§ 2048 S. 3, § 319 in Verbindung mit§ 317 I und§ 2155, § 2156 S. 2 in Verbindung mit§ 315 III). Die Vorschrift des§ 2065 steht jedoch nicht entgegen; aus ihr läßt sich vielinehr per argurnenturn e contrario die Befugnis des Erblassers folgern, weil der Schiedsrichter nicht willkürlich etwas zu bestimmen, sondern richterlich zu entscheiden hat19 . Bei Übereinstimmung aller Beteiligten kann die letztwillig angeordnete Schiedsgerichtsklausel gleich einem Schiedsvertrag außer Kraft gesetzt und der Rechtsstreit vor das Gericht gebracht werden 20 . Zum Schiedsrichter kann auch der Testamentsvollstrecker bestellt werden21. Über Fragen, die den Bestand seines Amtes selbst oder Beanstandungen seiner Geschäftsführung durch die Erben betreffen, oder über Ansprüche, die gegen ihn oder von ihm geltend gemacht werden, darf der Testamentsvollstrecker nicht entscheiden, da niemand Richter in eigener Sache sein kann 22 • Die Entscheidung in den Fällen der §§ 2048, 2155 mit §§ 317, 319 und § 2156 mit § 315 kann allerdings einem Schiedsrichter nicht übertragen werden. In den genannten Vorschriften ist dem Erblasser nicht mehr 15 Planck-Flad, Vorbemerkung 2 c zu§§ 1937-1941. 16 Endemann III 1, 543; Kipp-Coing, § 78 III 1, S. 335 f.; Staudinger-Lehmann, Vorbemerkungen zu §§ 1937-1941, Randnr. 4; RGRK-Kregel, Vorbemerkungen zu§§ 1937-1941, A. 6; Lange,§ 30 II 4, S. 321. 17
§ 128,
s. 454 f.
18 A. IV zu § 2065. 19 Strohal I, 123 A. 4; Kretzschmar, a. a. 0.; Planck-Flad, a. a. 0.; RGZ 100, 76 (77); Staudinger-Seybold, Randnr. 8 zu § 2065. 20 Strohal, a. a. 0.; Kretzschmar, a. a. 0.; Endemann III 1, 543 f.; KippCoing, § 78 II, S. 335. 21 RGZ 100, 76 (78 f.); abweichend Kipp-Coing, § 78 III 5, S. 336. 22 Kretzschmar, § 14 IV 3, S. 68 A.14; RGZ 100,76 (79); BGHZ 41,23 (25 f.).
3. Kapitel: Inhalt der Verfügungen
115
gestattet, als die Bestimmung dem billigen Ermessen des Dritten zu überlassen; vorsorglich wird hinzugefügt, die getroffene Bestimmung sei für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspreche; andernfalls erfolge sie durch Urteil. Hier will das Gesetz eben jede bindende Entscheidung Dritter ausschließen 23 • § 3. Die Auswahl der zulässigen letztwilligen Anordnungen durch den Erblasser
Der Erblasser kann in seinem Testament unter den zulässigen erbrechtlichen Anordnungen eine oder mehrere auswählen. Er darf sich auch darauf beschränken, eine oder mehrere von den nicht erbrechtliehen Bestimmungen zu treffen. So kann zum Beispiel die Anordnung eines Vermächtnisses oder die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers oder die Benennung eines Vormunds oder die Bezeichnung des Bezugsberechtigten(§ 332) den einzigen Inhalt des Testaments bilden24 •
23 F. Leonhard, A. IV zu§ 2065; RGRK-Kregel, Vorbemerkungen zu§§ 1937 bis 1941, A. 6; Planck-Flad, a. a. 0.; Kipp-Coing, § 78 III 3, S. 336; StaudingerLehmann, a. a. 0. Abweichend Siber, a. a. 0. 24 Strohal I, 127; F. Leonhard, A. III D zu § 1937; Endemann III 1, 230; Planck-Flad, Vorbemerkung 2 b zu§§ 1937-1941; Leopold, 101.
8''
4. Kapitel
Die Form der Verfügungen von Todes wegen § 1. Der Zweck der Form
Auf früher Kulturstufe gilt für die Rechtsgeschäfte ein typischer Formalismus. Die rechtlichen Beziehungen müssen, da die Fähigkeit abstrakten Denkens noch fehlt, in bestimmter Weise nach außen in Erscheinung treten. Deshalb waren Verfügungen von Todes wegen seit jeher formgebunden. Sie blieben es auch, als die Rechtsbildung rational determiniert wurde. Mit Rücksicht darauf, daß diese Verfügungen erst nach dem Tode des Erblassers in Kraft treten, wenn der Testator keine Auskunft über das von ihm Gewollte mehr geben kann, sowie in Anbetracht ihrer menschlichen und wirtschaftlichen Tragweite ist es geboten, sie einem Formzwang zu unterstellen1• Unter diesem Gesichtspunkt verfolgt die erbrechtliche Form einen dreifachen Zweck2 : 1. Die Formgebundenheit soll als juristische Willenshemmung voreiligen und unüberlegten Entschlüssen entgegentreten. 2. Sie soll das Testament als fertiges Rechtsgeschäft abheben von den vorbereitenden Erwägungen oder Erklärungen über beabsichtigte Handlungen. 3. Sie soll die Echtheit des Testaments gewährleisten und es gegen Fälschungen schützen.
Den sich daraus ergebenden Vorteilen gegenüber muß der Nachteil in Kauf genommen werden, daß der letzte Wille einmal nicht rechtlich wirksam wird, weil der Erblasser in seiner Todesstunde nicht mehr in der Lage war, der Form zu genügen, oder weil er aus Ungeschicklichkeit oder aus Unkenntnis gegen eine Formvorschrift verstoßen hat 3 • Das Gesetz darf daher die Formvorschriften nicht zu streng und zu schwierig gestalten, damit sie in allen Situationen beobachtet werden können und nicht zu einem Fallstrick für die Testatoren werden4 • Die richtige BeLange,§ 16 IV 6, S. 157. Vgl. Strohal I, 88; Demburg-Engelmann V, 66; Crome V, 55; Endemann III 1, 239 f.; Grundriß, 25 f.; Binder, Grundriß, 15; Lange, § 16 IV 3, 8.154; Staudinger-Firsching, Randnr. 9 zu § 2231. Siehe auch Kipp-Coing, § 19 II, s. 87 f. s Crome V, 55 f. 4 Strohal I, 89; Crome V, 56. 1
2
4. Kapitel: Form der Verfügungen
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stimmung der Testamentsformen ist daher ein Problem der Gesetzgebungskunst, und in der Rechtsgeschichte haben diese Formen stark gewechselt. § 2. Geschichtliche Entwicklung der Testamentsformen A. Das römische Recht
Die Entwicklung der Testamentsformen führt auf das römische Recht zurück, während der Erbvertrag deutschen Ursprungs ist. Das römische Recht hat zwei Grundgestaltungen der letztwilligen Verfügung hervorgebracht: einmal das streng formalisierte Testament der republikanischen Epoche, zum andern das formfreie Fideikommiß der PrinzipatszeW. I. Die republikanische Epoche und die Zeit des Prinzipats
a) Das öffentliche Testament vor der Volksversammlung Das älteste Friedenstestament wurde vor der Volksversammlung errichtet (testamentum calatis comitiis) 8 • Ein Spezialbeschluß des Volkes war notwendig, weil die Einsetzung eines gewillkürten Erben die Änderung der allgemeingültigen, später in die XII Tafeln (tab. V, 4; 5) übernommenen Erbfolgeordnung bewirken sollte. Dem Familienvater wurde durch die XII Tafeln (tab. V, 3) die Befugnis zuerkannt, über seine nicht familiengebundene Habe durch Testament aus eigener Machtvollkommenheit zu verfügen7 • Das Kriegstestament konnte von dem Bürger vor Kameraden des bereits zur Schlacht angetretenen Heeres über das Eigengut des Erblassers mündlich errichtet werden (testamentum in procinctu) 8 •
b) Das Privattestament Das Komitialtestament wurde verdrängt durch das testamenturn per aes et libram9 • Es bildete sich eine ältere und eine jüngere Form heraus. s Kipp-Coing, § 25 I, S. 131. 8 Gellius 15, 27, 3; Gai. II, 101; Ulp. fragm. 20, 2, Vgl. Kunkel, Römisches Privatrecht3 , 316 f.; Kaser, Römisches Privatrecht I, 58 f.; von Lübtow, Studi in onore di Pietro de Francisci I, 1954, 432 ff. 7 von Lübtow, a. a. 0., 436 ff. 8 Gellius 15, 27, 3; Gai, II, 101; Ulp. fragm. 20, 2. Vgl. Kunkel, a. a. 0., 320 f.; Kaser, a. a. 0., 59 f.; von Lübtow, a. a. 0., 445. 9 Gai. II, 102-108. Vgl. Kunkel, a. a. 0., 317 ff.; Kaser, a. a. 0., 93 ff., 567 f.; von Lübtow, a. a. 0., 450 ff., 485 ff.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
Ursprünglich übertrug der Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden im Wege der Manzipation sein Vermögen auf einen Treuhänder (familiae emptor). Dieser wiederum händigte es nach dem Tode des Erblassers an die Person (Anerben) aus, die der Testator in der die Manzipation begleitenden mündlichen Bestimmung (nuncupatio) genannt hatte. In seiner jüngeren Gestalt wurde der Manzipationsvorgang eine reine Formalität. Die den letzten Willen des Erblassers verkündende Nunkupation trat jetzt in den Vordergrund. Es wurde schon frühzeitig üblich, sie schriftlich festzulegen, einmal im Interesse der besseren Sicherung des Beweises, zum andern um den Inhalt bei Lebzeiten des Erblassers geheimzuhalten. Die mündliche Rede des Testators beschränkte sich in diesem Fall auf die Erklärung, daß die Urkunde, die er in der Hand hatte, seinen letzten Willen enthalte. Die tabulae testamenti (drei mit Wachs überzogene und durch Bänder zusammengehaltene Holztafeln) wurden von den fünf Manzipationszeugen, dem Waagehalter (libripens) und dem familiae emptor mit ihren Siegeln verschlossen und jedem Siegel der Name hinzugefügt. Libripens und familiae emptor gewannen ebenfalls die Funktion von Zeugen. Zur zivilrechtliehen Gültigkeit des Testaments war jedoch nach wie vor die mündliche Form notwendig. Der Prätor verhieß nun in seinem Edikt, er werde die Einweisung in den Nachlaß, die bonorum possessio secundum tabulas, demjenigen erteilen, der ihm zum Beweise seiner Berufung eine solche Testamentsurkunde vorlege 10 • Diese bonorum possessio hielt ursprünglich gegenüber der Erbschaftsklage des nach Zivilrecht berufenen gesetzlichen Erben nicht stand, wenn die zivilrechtliche Manzipationsform nicht gewahrt war (bonorum possessio sine re). Durch Reskript des Kaisers Antoninus Pius wurde aber dem bonorum possessor die exceptio doli mali gegen den Herausgabeanspruch des zivilrechtliehen Erben gewährt und damit dem Erbschaftsbesitzer ein praktisch unangreifbares Recht verliehen (bonorum possessio cum re) 11 • Damit war neben das zweiseitige Manzipationstestament des ius civile ein einseitiges schriftliches Testament des ius praetorium getreten (testamentum iure praetorio factum) 12 • Das römische Testament zeichnete sich durch Klarheit und eine damit verbundene Formstrenge aus. Es mußte stets eine Erbeneinsetzung enthalten: sie war das caput et fundamenturn totius testamentP 3• Gehen ihr andere Anordnungen voran wie zum Beispiel Freilassungen und 10 Gai. II, 119; 147; Ulp. fragm. 23, 6; 28, 6. Vgl. Siber, Römisches Recht II, 1928, 341; Kunkel, a. a. 0., 319; Kaser, a. a. 0., 569 f. 11 Gai. II, 120. 12 Paul. sent. 4, 8, 2; Ulp. D. 28, 1, 23; D. 28, 6, 20 pr. 13 Gai. II, 229. Vgl. von Lübtow, a. a. 0., 507.
4. Kapitel: Form der Verfügungen
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Vermächtnisse, so gelten sie als nicht geschrieben. Seit Justinian14 braucht diese Reihenfolge nicht mehr eingehalten zu werden. Ein Haussohn mußte bei der Enterbung einzeln genannt werden (nominatim exheredare)15. Bei den übrigen sui heredes (die gewaltunterworfene Ehefrau, Töchter und Enkel) genügte gemeinsame Enterbung (ceteri omnes exheredes sunto) 16 • Die Einsetzung des Erben auf einen bestimmten Gegenstand (heredis institutio ex re certa) widerspricht dem Gedanken der Universalsukzession. Das Testament wird zwar nicht ungültig, aber die Beschränkung gestrichen17 • In nachklassischer Zeit deutet man diese Erbeinsetzung in ein Vermächtnis des Gegenstandes zu Lasten der übrigen eingesetzten Erben um18 • Ist der ex re certa Eingesetzte dagegen Alleinerbe, so bleibt es bei der klassischen RegeP 9 • Die gesetzliche Berufung in den Nachlaß und die gewillkürte durch Verfügung von Todes wegen waren nebeneinander nicht möglich: nemo pro parte testatus, pro parte intestatus decedere potest20 • Auf diese Weise wurde eine klare Abgrenzung zwischen gesetzlicher und testamentarischer Erbfolge erreicht. Neben der Erbeinsetzung kamen als angelehnte Verfügungen in Betracht: Freilassungen von Sklaven, Ernennung eines Vormundes, Schenkungen auf den Todesfall und insbesondere die Vergabung einzelner Nachlaßgegenstände an Nichterben. Sie geschah in den streng geordneten Formen von Vermächtnissen (legata), die nur in einem Testament errichtet werden konnten. Es gab keine Nacherbschaft (semel heres, semper heres) 21 • Eine zeitlich gestaffelte Doppelbeerbung widersprach dem römischen Eigentumsgedanken. Der Erbe sollte unbeschränkter Herr des Nachlasses werden22 • Einen Ausweg bot das Universalfideikommiß. Jede einzelne erbrechtliche Verfügung erforderte den Gebrauch bestimmter, überkommener Formelworte, denen eine objektiv festgestellte Bedeutung ohne Rücksicht auf den Willen des Erklärenden beigelegt wurde und die daher jeder Auslegung entzogen waren. Das Wort 'heres' war ein solches eindeutiges Formelwort und bedeutete zwingend den Universalsukzessor. Heute dagegen ist aus dem Inhalt der Verfügung zu ermitteln, ob der Erblasser unter dem Wort "Erben" einen Gesamtnachfolger oder einen Vermächtnisnehmer verstanden wissen wollte (§2087). Sagt der Testator, der ein Vermächtnis anordnet, 'Titio hominem Stichum do lego', so wirkt das Vermächtnis dinglich: der Sklave wird sogleich 14 15 16 17 18 19 20 21 22
Inst. 2, 40, 34; vgl. auch C. 6, 23, 24 (528). Gai. li, 127; Ulp. fragm. 22, 16. Gai. li, 128; Ulp. fragm. 22, 22. Kaser, a. a. 0., 572 mit Literatur A. 11. Kaser, Römisches Privatrecht li, 351 f. Kaser, a. a. 0., 352 A. 19. Inst. 2, 14, 5. Dazu von Lübtow, a. a. 0., 507 f. Gai. D. 28, 5, 89. Kaser, Römisches Privatrecht I, 572 f.; von Lübtow, a. a. 0., 510.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
Eigentum des Bedachten. Sagt er aber: 'Titius heres meus Stichum servum meum dare damnas esto', so entsteht nur ein Forderungsrecht23 • Die Erbeinsetzung bedurfte der Formel 'heres esto' oder 'heredem esse iubeo'. Nicht genügten die Formeln: 'heredem esse volo, instituo, facio' 24 . Erst ein Gesetz Konstantins des Großen aus dem Jahre 320 erklärte jede deutliche Kundgabe des Erbeinsetzungswillens für ausreichend und gab eine entsprechende Bestimmung auch für die Vermächtnisse25. Wo sich die Auslegung nicht durch den typischen Erklärungswert der gebrauchten Worte gebunden fühlt, wird der wahre Wille des Erblassers zur Geltung gebracht20 . Hat sich der Erblasser zum Beispiel nur im Namen des vermachten Grundstücks vergriffen, so gilt das gewollte Grundstück als vermacht 27. Schon früh wurde es üblich, daß der Erblasser ohne jede Rechtsform den gesetzlichen oder testamentarischen Erben bat 28 , bestimmte Wünsche zu vollziehen, insbesondere Zuwendungen vorzunehmen (Fideikommisse). Die Erfüllung wurde der Treue, der Pietät des Gebetenen anvertraut (fidei tuae committo}29 . Daher kommt die Bezeichnung fideicommissum30. Es ermöglichte dem Erblasser Zuwendungen, die er nicht als Legate bestellen kann, zum Beispiel entgegen den leges Furia oder Voconia oder an Peregrine31 . Der Bedachte hieß fideicommissarius 32, der Beschwerte (heres) fiduciarius 33 . Zu Zeiten der Republik sah man im Fideikommiß nur eine ethische Verpflichtung des Beschwerten, der Bitte des Erblasser nachzukommen. Es ist begreiflich, daß der Erblasser seinen Wunsch in einem- zumeist als Brief stilisierten- Schriftstück (codicilli) 34 niederlegte. Den Ausgangsfall der rechtlichen Verbindlichkeit von Fideikommissen und Kodizillen sieht die Überlieferung in der Bitte des Lucius Lentulus an Kaiser Augustus, bestimmte letztwillige Verfügungen durchzuführen, die in einem im Testament angekündigten 23 Gai. II, 193; 201. 24 Gai. II, 117. 25 c. 6, 23, 15 + C. 6, 9, 8 + C. 6, 37, 21. Dazu Kunkel, a. a. 0., 322 mit A. 3; Kaser, Römisches Privatrecht II, 350 mit A. 1. zu Vgl. Kunkel, a. a. 0., 83 A. 4; Kaser, Römisches Privatrecht I, 209 f. 27 Ulp. D. 30, 4 pr. 28 precativo modo: Ulp. fragm. 24, 1; 25, 1. 2u Gai. II, 249; Ulp. fragm. 25, 2. so Inst. 2, 23, 1: et ideo fideicommissa appellata sunt, quia nullo vinculo iuris, sed tantum pudore eorum, qui rogabantur, continebantur. 31 Gai. II, 285. Vgl. F. Schulz, Classical Roman Law, 1951, 312; Kaser, Römisches Privatrecht I, 630. s2 Ulp. D. 36, 1, 11, 2. sa Iav. D. 36, 1. 48. Zur Terminologie F. Schulz, a. a. 0., 313. 3 4 Kunkel, Römisches Privatrecht3, 326; F. Schulz, a. a. 0., 311; Kaser, Römisches Privatrecht I, 579. Kodizill steht technisch immer im Plural (Gai. D. 50, 16, 148).
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Kodizill enthalten waren35• Augustus erfüllte die Bitte, und die anderen Fideikommissare, darunter die Tochter des Lentulus, folgten seinem Vorbild. Im Anschluß daran setzte sich der Rechtsschutz für Fideikommisse durch, allerdings nicht im ordentlichen Rechtsweg vor dem Prätor, sondern im Wege der extraordinaria cognitio vor den Konsuln. Kaiser Claudius schuf daneben einen besonderen praetor fideicommissarius 38 • Fideikommisse können nicht nur in Testamenten auch vor der Erbeinsetzung37 oder in allen Kodizillen 38 , sondern auch ohne jede Form mündUch39 errichtet werden. Gegenstand des Fideikomisses dürfen wie beim Damnationslegat alle Leistungen sein, die den Inhalt einer Obligation bilden können40 , neben der Zuwendung einzelner Sachen und Rechte auch die Freilassung eines Sklaven, die Herausgabe der ganzen Erbschaft oder einer Quote davon. Da der Grundsatz galt semel heres, semper heres, war es ausgeschlossen, mehrere Erben in der Weise nacheinander zu ernennen, daß der zuerst Eintretende die Erbschaft von einem gewissen Zeitpunkt an oder beim Eintritt eines bestimmten Ereignisses an den Nacherben herausgeben sollte. Aus wirtschaftlichen Gründen war jedoch die Anordnung einer solchen Nacherbfolge unentbehrlich. So wollte zum Beispiel der kinderlose Erblasser seinen Nachlaß seiner Frau für deren Lebenszeit zuwenden, ihn aber bei deren Tode seiner eigenen Familie zukommen lassen. Man half sich mit der Zulassung eines sog. Universalfideikommisses41. Der Erbe erhielt als heres fiduciarius die Erbschaft, aber mit der seit Augustus im Wege der extraordinaria cognitio erzwingbaren Verpflichtung, sie beim Eintritt eines bestimmten Zeitpunktes oder Ereignisses dem Fideikommissar herauszugeben42 • Neben dem Testament gab es noch eine zweite, weniger förmliche Art der letztwilligen Verfügung, das Kodizill (codicilli). Es stand ursprünglich in engstem Zusammenhang mit dem Fideikommiß und ging auf den schon erwähnten, von Augustus geschaffenen Präzedenzfall zurück43. Es war ein formloses, oft als Brief an den Beschwerten stilisiertes Schriftstück. In hochklassischer Zeit traf die Jurisprudenz folgende Unterscheidungen: War das Kodizill durch ein späteres Testament be35 Inst. 2, 25 pr. 36 Gai. II, 278; Ulp. fragm. 25, 12; Pomp. D. 1, 2, 2, 32; Suet. Claud. 23. 37 Ulp. fragm. 25, 8. as Gai. II, 281; Ulp. fragm. 25, 8. 39 Iul. D. 40, 5, 47, 4. 40 Gai. II, 260-262; Ulp. fragm. 25, 5. 41 fideicommissum hereditatis: Gai. II, 184,277. 42 Näheres bei Windscheid-Kipp 111, 700 ff.; Siber, Römisches Recht II, 1928, 361 ff.; Kunkel, Römisches Privatrecht3, 357 ff.; Kaser, Römisches Privatrecht I, 633 ff. 43 Inst. 2, 25 pr.
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stätigt oder hatte sich der Testator seine Errichtung in einem voraufgehenden Testament vorbehalten (codicilli testamento confirmati) 44 , so galten seine Anordnungen als im Testament selbst getroffen (sog. kodizillarrechtliche Fiktion) 45 • Infolgedessen war das Kodizill von der Gültigkeit der testamentarischen Erbeinsetzung abhängig. Es konnte auch zivilrechtliche letztwillige Verfügungen aller Art, vornehmlich Legate, aufnehmen mit Ausnahme von Erbeinsetzungen und Enterbungen, die stets dem Testament selbst vorbehalten blieben 46 • Das testamentarisch nicht bestätigte Kodizill (codicilli testamento non confirmati) dagegensei es neben einem Testament, sei es neben der Intestaterbfolge durfte nur Fideikommisse enthalten 47 • Der Erblasser konnte seinem Testament die Klausel anfügen, es solle wenigstens die Wirkungen eines Kodizills haben, wenn es als Testament nicht gültig sei (sog. Kodizillarklausel). Dann wurden die Erbeinsetzungen in Universalfideikommisse, die übrigen Verfügungen, zum Beispiel Vermächtnisse und Auflagen, in Fideikommisse umgedeutet48 • Die formlose, durch direkten mündlichen zeugenlosen Auftrag an den Beschwerten errichtete Verfügung, das sogenannte Oralfideikommiß, wurde später von Justinian erneut anerkannt49 • Bestritt der Beklagte den Fideikommiß, so konnte ihm der Bedachte den Eid darüber zuschieben, daß ihm der Erblasser dergleichen nicht aufgetragen habe (quod nihil tale a testatore audivit). Vorher mußte sich aber der Bedachte bereiterklären, einen Eid dahin zu leisten, daß er nicht aus bloßer Schikane klage, sondern von der Rechtmäßigkeit seines Anspruchs überzeugt sei (ius iurandum calumniae, Gefährdeeid). Das römische Recht kannte - abgesehen von dem alten testamenturn in procinctu, das am Ende der Republik außer Gebrauch kam - ein besonderes Militärtestament. Der Soldat sollte in jeder beliebigen Form und mit jedem beliebigen Inhalt letztwillig verfügen können, und zwar nicht bloß vor der Schlacht, sondern auch im Frieden50 • Erst Justinian beschränkte dieses Privileg wieder auf die Zeit des Feldzugs, erlaubte aber die formlose Testamentserrichtung auch nichtkämpfenden Feldzugsteilnehmern51. Paul. D. 29, 7, 8 pr. Iul. D. 29, 7, 2, 2. Vgl. Kunkel, Römisches Privatrecht3 , 326 A. 3; Kaser, Römisches Privatrecht I, 579 A. 5. 46 Gai. II, 273; Ulp. fragm. 25, 11; Inst. 2, 25, 2. 47 Gai. II, 270 a; Ulp. fragm. 25, 8; Paul. sent. 4, 1, 10; Inst. 2, 25, 1. 48 Iul. D. 29, 7, 2, 4; Scaev. D. 31, 88, 17; 36, 1, 78; Ulp. D. 28, 3, 12. 49 C. 6, 42, 32 pr. (531); Inst. 2, 23, 12. 50 Siber, Römisches Recht II, 342; Kunkel, Römisches Privatrecht 3, 320 f.; Kaser, Römisches Privatrecht I, 569. 44
45
51 C. 6, 21, 17.
4. Kapitel: Form der Verfügungen
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II. D i e Z e i t d e r S p ä t a n t i k e
a) Das Privattestament Das spätere Kaiserrecht hat das altzivile (Zeugen) mit dem prätorischen Testamentsrecht (Siegel) verschmolzen und als neues Erfordernis aufgrund späterer Kaiserverordnungen (Unterschrift) hinzugefügt, daß die Testamentsurkunde von dem Erblasser und den sieben Zeugen außer der Versiegelung noch unterschrieben werden mußte. Wegen dieser dreifachen Wurzel sprach man von dem testamenturn tripertitum52. Neben diesem schriftlichen Testament wurde auch die Errichtung durch mündliche Erklärung vor sieben Zeugen anerkannt53 . Justinian hat Legate und Fideikommisse gleichgestellt54 und angeornet, jedes Legat solle die Rechte eines Fideikommisses, jedes Fideikommiß die Rechte eines Legats geben; bei Unvereinbarkeit der beiderseitigen Regeln sollte das Fideikommißrecht als das mildere den Vorzug haben55. Justinian bestimmte ferner, daß Kodizille schriftlich oder mündlich vor fünf Zeugen errichtet werden müssen 56 • Eine einfache Niederschrift genügt, wenn der Erblasser nur zugunsten von Abkömmlingen testiert (testamentum parentum inter liberos, sogenanntes Aszendententestament) 57 . Justinian verlangt auch hierfür bebestimmte Formen58 •
b) Das öffentliche Testament Als neuere Form trat die Einreichung des Testaments zu den Akten des Gerichts hinzu 59 , der Vorläufer des heutigen öffentlichen Testaments60. Ihm stand das Testament gleich, das dem Kaiser überreicht wurde (sog. testamenturn principi oblatum) 61 • B. Das Gemeine Recht
In Deutschland wurde das justinianische (mündliche oder schriftliche) Privattestament vor sieben Zeugen rezipiert62 und in der Notariatsord52 Inst. 2, 10, 3. Dazu Kaser, Römisches Privatrecht II, 343 A. 11. 53 Inst. 2, 10, 14; C. 6, 23, 21, 4 (439); 6, 23, 26 (528). Dazu Kaser, a. a. 0., 344 mit A. 26-28. 54 Ulp. D. 30, 1; per omnia exaequata sunt legata fideicommissis. Itpl.: F. Schulz, Classical Roman Law, 315. 55 c. 6, 43, 2 (531). 56 C. 6, 36, 8, 3 itpl.; 6, 23, 28, 6 a. E. 57 Const. C. 3, 36, 26 (321); Theod. C. 6, 23, 21, 3; 3 a (439). 58
Nov. 107, 1 (541).
59 (sog. testamenturn apud acta conditum). Seine geschichtliche Ableitung ist umstritten: Kaser, Römisches Privatrecht II, 345 A. 29. so Honor. C. 6, 23, 19, 1 (413). at C.l. c. 62 Windscheid-Kipp III, 220 ff.
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nung Kaiser Maximilians I. zum Gebrauch näher erläutert. Seine praktische Anwendung war jedoch gering. Größere Verbreitung in den Städten und auf dem Lande gewann dagegen seinerzeit die vom kanonischen Recht anerkannte Errichtung vor dem Pfarrer und mindestens zwei Zeugen83 • Seit dem 15. Jahrhundert wurde dieses Testament von der weltlichen Gesetzgebung bekämpft und hielt sich nur noch in wenigen Gebieten. Am gebräuchlichsten wurde im Gebiet des Gemeinen Rechts das öffentliche, vor dem Richter errichtete Testament 64 • Man unterschied: 1. das testamenturn apud acta conditum; der Erblasser erklärte persönlich und mündlich seinen letzten Willen zu Protokoll; Datierung und Unterschrift waren keine notwendigen Erfordernisse65 ; 2. das testamenturn iudici oblatum; der Erblasser überreichte dem Gericht die Testamentsurkunde und erklärte sie für sein Testament. Hierüber wurde ein gerichtliches Protokoll aufgenommen und das Testament regelmäßig bei den Akten aufbewahrt. Wie durch eine vor Gericht, so kam ein Testament auch durch eine vor dem Landesherrn abgegebene Erklärung zustande (testamentum principi oblatum)68 • Der Unterschied von Testament und Kodizill ging ebenfalls in das Gemeine Recht über. Aber in der Laienwelt fand er kaum Eingang. In der Laiensprache nannte man daher jede einseitige letztwillige Anordnung Testament, mochte sie eine Erbeinsetzung enthalten oder nicht67 • Der Ausdruck "Kodizill" wurde vorwiegend für Nachträge, Ergänzungen und Änderungen eines Testaments verwendet. Daher bürgerte sich für Kodizille auch die Bezeichnung "Nachzettel" ein68 • Die beiden Formen des Legats und des Fideikommisses hat man in Deutschland nicht unterschieden. Man nannte sie Vermächtnisse, aber auch Legate89 • C. Die Partikularrecllte
I. D a s ö ff e n t 1 i c h e T e s t a m e n t Die Partikularrechte haben sich dem Gemeinen Recht angeschlossen. Sie verlangten als regelmäßige Form die Errichtung vor dem Gericht und vor dem Notar 10• Das Preußische Landrecht verwarf das gemein63 c. 10, X, 3, 26: coram presbytero et tribus vel duobus aliis personis idoneis. 8 4 Windscheid-Kipp III, 229 ff. 65 RGZ 9, 201. 86 Windscheid-Kipp III, 231 mit A. 9. 67 Demburg-Engelmann V, 61. 68 Dernburg-Engelmann, a. a. 0. 89 Dernburg-Engelmann V, 188. 10 Näheres Motive V, 259 f.
4. Kapitel: Form der Verfügungen
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rechtliche Privattestament ganz und ließ nur das gerichtliche Testament als ausschließliche ordentliche Testamentsform zu 71 , während zum Beispiel Bayern nur das notarielle Testament anerkannte 72 • li.
Das eigenhändige Privattestament
In den ehemals französischen Rheinlanden und im Großherzogtum Baden bestand neben dem öffentlichen Testament das eigenhändig geschriebene und unterschriebene Privattestament. Es entstammt dem französischen Recht und hat eine alte Geschichte. Das römische Recht kannte zwar, wie dargestellt, das Privattestament, nicht jedoch eine Testamentsform, bei der die Errichtung durch den Erblasser für sich allein ausgereicht hätte73 • Ein testamenturn holographum war erst durch eine Novelle des Kaisers Valentinian III. im Jahre 446 für das weströmische Reich- für Ostrom galt die Verordnung nichtkurz vor dessen Zusammenbruch eingeführt worden74 • Es wurde durch eigenhändige Niederschrift und Unterschrift des Erblassers vollendet, ohne daß es der Mitwirkung eines Beamten oder von Zeugen bedurfte. Diese Testamentsform hatte jedoch im Gesetzgebungswerk Justinians keine Aufnahme gefunden und ist deshalb auch nicht in das Gemeine Recht übergegangen. Nach justinianischem Recht genügte die eigenhändige Niederschrift nur für das bereits erwähnte Aszendententestament. Indessen wurde die Novelle Valentinians in das westgotische Gesetzbuch (breviarium Alaricianum) vom Jahre 506 und in die leges Visigothorum übernommen75 • Aufgrund diesesbreviariumhat sich das holographische Testament in Südfrankreich erhalten und weiter entwickelt. Mit der Rezeption des römischen Rechts verschwand es dort und tauchte dann im Norden Frankreichs gewohnheitsrechtlich auf1 6 • Der Code civil (art. 970) verlieh ihm Geltung für ganz Frankreich. Es ging in die Tochterrechte des Code civil, namentlich in die Gesetzgebungen Italiens und Spaniens, über. Auch in Österreich (§ 578 ABGB) genügt das eigenhändig geschriebene und unterschriebene Testament, und zwar selbst ohne Datierung. Es heißt daselbst (Satz 2), daß die Beisetzung des Tages und des Ortes, wo der letzte Wille errichtet wird, zwar nicht notwendig, aber zur Vermeidung von Streitigkeiten rätlich sei. Neben den ordentlichen Formen gab es sowohl im Gemeinen Recht als auch in den neueren Partikularrechten für bestimmte Fälle außerordentliche Formen77 • 71 72
ALR I 12 §§ 66 f., 104 f.
Bayerisches Notariatsgesetz vom 10. 11. 1861. 73 Endemann III 1, 280. 74 Novellae Valentiniani 21, 2, 1: si holografa manu testamenta condantur, testes necessarios non putamus. 75 Crome V, 56 A. 6; Endemann III 1, 281 mit A. 4. 76 Endemann, a. a. 0. 77 Windscheid-Kipp III, 225 ff.
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D. Die 'festamentsformen des BGB
!.Ihre Vorgeschichte Bei den gesetzgeberischenVorarbeiten für das BGB hatte man es für richtig gehalten, nach dem Vorbild des preußischen Rechts als ordentliche Testamentsform nur das öffentliche Testament zuzulassen, indessen - im Gegensatz zum preußischen Recht - nicht bloß das gerichtliche, sondern, der Tendenz der neueren Rechtsentwicklung entsprechend, auch das notarielle. Diesen Standpunkt vertraten der Entwurf I (§§ 1914 ff.), der Entwurf II (§§ 2099 ff.) und die Reichstagsvorlage (§§ 2205 ff.). Die erste Kommission 78 war der Meinung, die gegen das privatschriftliche Zeugentestament erhobenen Bedenken79 müßten in noch verstärktem Maße gegen das eigenhändig, ohne Hinzuziehung von Zeugen errichtete Privattestament geltend gemacht werden. Zwar gewähre diese Form den Vorzug, daß das Geheimnis des Testatorsam besten gewahrt werde. Allein es fehle jedes sichere Kennzeichen, um einen vorläufigen Entwurf von dem endgültigen Verfügungsakt zu unterscheiden. Auch sei die Gefahr der Unterschiebung falscher sowie der Fälschung und Unterdrückung wirklicher echter Testamente keineswegs gering. Die Mehrheit der zweiten Kommission 80 kam zu demselben Ergebnis und hielt die mit dem holographischen Testament verbundenen Nachteile für überwiegend. Vielfach werde man nicht mit Sicherheit entscheiden können, ob ein Schriftstück wirklich eine letztwillige Verfügung darstelle oder ob nur der Entwurf einer solchen vorliege. Die Selbständigkeit des Willens des Erblassers sei keineswegs verbürgt. Bei der bequemen Form des Testierens bestehe vielmehr leicht die Möglichkeit, den Erblasser in irgendeiner Richtung zu beeinflussen. Freilich sei es nicht ausgeschlossen, daß der Erblasser später, wenn die Einflußnahme aufgehört habe, anders testiere, doch sei dies eine recht mißliche Aushilfe. Endlich müßten häufig auch Zweifel über die Echtheit des Testaments entstehen. Seine Fälschung oder Unterdrückung sei jedenfalls in vielen Fällen ohne Schwierigkeit möglich. Ein Bedürfnis, die Errichtung letztwilliger Verfügungen, soweit es gehe, zu erleichtern, könne nicht anerkannt werden. Die große Zahl der Testamente im römischen Rechtsleben erkläre sich daraus, daß das Intestaterbrecht den Lebensverhältnissen wenig entsprochen habe. Das gesetzliche Erbrecht des Entwurfs sei aber so gestaltet, daß die Verteilung des Nachlasses nach billigen und vernünftigen Grundsätzen erfolge. Der Gesetzgeber habe keinen Anlaß, Durchbrechungen dieses Erbrechts besonders zu begünstigen. Die gerichtliche oder notarielle Form biete eine Gewähr dafür, daß die letzt1s Motive V, 258. 79
so
Dazu unten S. 132. Protokolle V, 328 f.
4. Kapitel: Form der Verfügungen
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willige Verfügung wohlerwogen sei und der Erblasser bei der Errichtung des Testaments nicht einer flüchtigen Laune folge. In der Reichstagskommission wurde nachdrücklich die Forderung der Zulassung des eigenhändigen Privattestaments erhoben81 • Die Antragsteller führten zur Begründung aus: Diese Form gelte bereits in den romanischen Ländern, in Österreich, Baden und in der bayerischen Pfalz sowie im Gebiet des rheinischen Rechts. Es liege kein Grund vor, die Wohltat des sich durch Bequemlichkeit und Leichtigkeit auszeichnenden eigenhändigen Privattestaments der Bevölkerung in denjenigen Teilen Deutschlands zu entziehen, wo es bereits seit 90 Jahren eingebürgert sei. Es solle ja auch niemandem aufgedrängt werden, sondern nur neben die strengeren Formen des Entwurfs treten. Diese wirkten auf den Entschluß, letztwillig zu verfügen, hemmend ein und ließen ihn oft überhaupt nicht zur Reife kommen. Ebenso hinderten die schwereren Formen, die in ihnen errichteten Testamente unter veränderten Umständen dem gewandelten Willen des Testators entsprechend zu ändern, so daß vielfach der Erbgang nach veralteten testamentarischen Dispositionen eintreten müsse, welche auf die Verhältnisse zur Zeit des Todes des Erblassers nicht mehr paßten und von ihm zu dieser Zeit deshalb gar nicht mehr gewollt seien. Die Vertreter der Regierungen - mit Ausnahme der bayerischen und der badischen - beantragten, es bei den strengeren Formen des Entwurfs, die dem im größten Teil Deutschlands geltenden Recht entsprächen, bewenden zu lassen. Die Errichtung des Testaments vor Gericht oder vor einem Notar gewährt, so wurde ausgeführt, unbestreitbar größere Garantien gegen die Gefahr der Beeinflussung durch Dritte, gegen eine Unterdrückung, Unterschiebung oder Fälschung der Urkunde. Vor allem verbürge sie eine größere Reife des Entschlusses des Testators, dem sie zugleich die Gelegenheit eröffne, sich in der Besprechung mit Rechtsverständigen über den Inhalt seines letzten Willens klarer zu werden. Dies führe insbesondere dazu, daß sich die Erblasser ernstlicher auch darüber schlüssig würden, ob und inwieweit es wirklich in ihrer Absicht liege, von der in der deutschen Rechtssitte wurzelnden gesetzlichen Erbfolgeordnung abzuweichen oder nicht. Die unbestreitbaren Eigenschaften der leichteren Form des eigenhändigen Privattestaments-Bequemlichkeit und Billigkeit - seien demgegenüber keineswegs immer Vorzüge. Die Vorschläge des Entwurfs fanden auch in der Kommission selbst lebhafte Verteidigung. Es wurde im Interesse der Rechtsordnung für notwendig gehalten, daß für so bedeutsame, in die Zukunft hinausreichende, oft tief in das Recht und die Verhältnisse der Familie eingrei81
Kommissionsbericht bei Mugdan V, 886 ff.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
fende Anordnungen der Wille des Testators mit allen Garantien der Wohlüberlegtheit, der Sicherheit und der Klarstellung umgeben werde. Es gelte, den Testator nicht nur gegen Dritte, sondern gewissermaßen auch gegen sich selbst, das heißt, gegen auf ihn eindringende zeitweilige Eindrücke und Stimmungen sicherzustellen. Dazu diene es aber, wenn er durch gesetzliche Formen, in denen er seinen Willen niederzulegen habe, auf rechtsverständigen Rat hingewiesen sei, und sich für seine Willenserklärung vorbereiten müsse. Wer im Gegensatz zur gesetzlichen Erbfolgeordnung, die in der allgemeinen deutschen Rechtssitte begründet sei, nach seinem Belieben über sein Vermögen von Todes wegen verfügen wolle, dem dürfe dies im Interesse der Allgemeinheit nicht erleichtert werden. Die Reichstagskommission entschied sich jedoch in erster wie in zweiter Lesung82 für das eigenhändige Privattestament. In der denkwürdigen Sitzung des Reichstags vom 27. 6.1896 setzte sich der Vertreter des Reichsjustizamts für den Entwurf des Bundesrats ein, während der badische Bevollmächtigte zum Bundesrat, von Jagemann, die Zulassung des eigenhändigen Privattestaments verteidigte. Der Antrag der Reichstagskommission wurde mit großer Mehrheit angenommen. Entsprechend den Beschlüssen des Reichstags konnte ein Testament ip ordentlicher Form errichtet werden entweder 1. vor einem Richter oder Notar(§ 2231 Nr. 1) oder
2. durch eine vom Erblasser unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung (§ 2231 Nr. 2 alter Fassung). Nach § 2231 Nr. 1 in der Fassung des Beurkundungsgesetz vom 28. 8. 1969 (§57 III Nr. 5) ist für ein öffentliches Testament nicht mehr die Zuständigkeit des Richters, sondern nur noch die des Notars begründet. Daneben finden sich für besondere Fälle außerordentliche Testamentsformen, die Erleichterungen gegenüber dem gerichtlichen oder notariellen Testament gewähren (§§ 2249-2252) 83 • in erster mit 12 Stimmen gegen 8. Zum Recht der früheren Militärtestamente Kipp-Coing, § 30, S. 153 f.; Bartholomeyczik, § 20, S. 98 f.; Lange, § 21, S. 194 f. Für die deutsche Bundeswehr gilt das Recht der Wehrmachttestamente nicht, vielmehr kommt das allgemeine Recht der Verfügungen von Todes wegen und damit auch das der Nottestamente zur Anwendung: Lange, a. a. 0., II 3, S.196; Bartholomeyczik, a. a. 0.; Palandt-Keidel, Einführung I vor§ 2229; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Vorbemerkungen vor § 2229 Randnr. 6. Zweifelnd Kipp-Coing, a. a. 0., II 3, S.154. 82 83
4. Kapitel: Form der Verfügungen
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Trotz mancher Widerstände und Bedenken hat sich der Erbrechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht 8! für die Beibehaltung des handgeschriebenen Testaments ausgesprochen. Diesem Vorschlag ist das Testamentsgesetz vom 31. 8. 1938 (§ 21) gefolgt 85 • Es lassen sich gegen die fragliche Testamentsform gewiß manche Bedenken erheben86 • Das privatschriftliche Testament ist der Gefahr der Fälschungen, der Unterschiebung einer falschen Urkunde und Unterdrückung der echten ausgesetzt. Sie läßt sich allerdings durch die amtliche Verwahrung des Testaments (§ 2248) beseitigen. Aber in aller Regel hebt der Erblasser sein Testament zu Hause auf. Dort kann es nach seinem Tode durch Enttäuschte leicht vernichtet werden, während das Erfordernis der Eigenhändigkeit weitgehend vor Fälschung und fälschlieher Anfertigung sichert87 • Ferner mag es oft zweifelhaft sein, ob das aufgefundene Schriftstück einen bloßen Entwurf oder ein vollzogenes Testament darstellt oder ob nur eine briefliche Ankündigung vorliegt, ein solches errichten zu wollen. Die Zulässigkeit des Inhalts sowie die Klarheit der Ausdrucksweise bleiben unkontrolliert. Die Folge sind häufig ungültige und unklare Anordnungen. Die Leichtigkeit der Form ermöglicht es, launenhaft überstürzte, von jeweiligen Stimmungen abhängige Verfügungen niederzulegen, die der Erblasser bei ruhiger pflichtgemäßer Überlegung nicht getroffen hätte 88 • Es gibt auch nicht wenige Fälle, in denen ein vor langer Zeit in Briefform oder im Tagebuch aufgesetztes Testament vom Erblasser längst vergessen ist, nach seinem Tode aber entgegen seinem wahren "letzten" Willen eröffnet und vollzogen werden muß 89 • Alles dies sind gewiß Schattenseiten. Sie müssen indessen zugunsten der Vorzüge in Kauf genommen werden. Die Vorteile bestehen darin, daß der Erblasser zu jeder Zeit und an jedem Ort, ohne Gebühren und Kosten und ohne auf den schwerfälligen Apparat des öffentlichen Testaments angewiesen zu sein, nach reiflicher, pflichtgemäßer Überlegung eine sachgemäße Verfügung von Todes wegen errichten und veränder84 85
1. Denkschrift, 1937, 53. Staudinger-Firsching, Randnr. 4 zu § 2247; Bartholomeyczik, § 16 II 1 b
2, 8.86.
86 F. Leonhard, A. III A zu § 2231; Siber, Grundriß, 27 f.; Endemann III 1, 281 f.; Staudinger-Firsching, a. a. 0., Randnr. 5; Bartholomeyczik, § 16 II 1 a, s. 86. 87 Lange, § 16 IV 4 b, S. 156. 8B Endemann, a. a. 0., 282; Lange, a. a. 0. 89 Endemann, a. a. 0., 281; Lange, a. a. 0.
9 v. Lübtow, Erbrecht
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
ten Verhältnissen anpassen kann° 0 • Außerdem braucht der Erblasser seine Familien- und Vermögensverhältnisse nicht vor fremden Personen offenzulegen. Deshalb darf man doch wohl mit Dernburg91 die Zulässigkeit der eigenhändigen Testamente "als eine der kostbarsten Gaben" bezeichnen, "welche das BGB dem deutschen Volke gebracht hat". Einmal eingeführt, fand diese Testamentsart weite Verbreitung und erfreut sich großer Beliebtheit. Eine Abschaffung würde mit Recht als "juristische Entmündigung" betrachtet werden 92 • Allerdings stellte sich bald heraus, daß die Formvorschrift des § 2231 Nr. 2 (alter Fassung) für eine von juristischen Laien zu errichtende Urkunde zu schwer war. Auch bei öffentlichen Testamenten kamen Verstöße gegen zwingende Formvorschriften vor. Infolgedessen mußten Testamente von den Gerichten immer wieder wegen Formverletzung auch in solchen Fällen für nichtig erklärt werden, wo das Testament den Willen des Erblassers einwandfrei zum Ausdruck brachte und auch seinem Inhalt nach zulässig war93 • Der Erbrechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht hatte sich daher für eine weitgehende Milderung der Formenstrenge ausgesprochen 94 • Dementsprechend sind die zwingenden Formvorschriften durch das Testamentsgesetz v. 31. 7. 1938 auf ein unerläßlich erscheinendes Mindestmaß zurückgeführt worden, die 1953 durch das Gesetzeseinheitsgesetz in das BGB übernommen wurden. II. Beseitigung von Gestaltungsformen des römisch-gemeinen Rechts
a) Das testamenturn mysticum Das sogenannte testamenturn mysticum des römisch-gemeinen Rechts ist dem BGB fremd 95 • Seine Eigenart bestand darin, daß der Erblasser sich in einem formgerechten, die Erklärung der Erbeinsetzung enthaltenden Testament die Bezeichnung der Person des Erben und seines Erbteils einer formlosen Nachschrift vorbehalten durfte 96 • Da das TestaBartholomeyczik, § 16 II 1 b, S. 86. Dernburg-Engelmann V, 69. 92 Lange, a. a. 0. oa Amtliche Begründung zum Testamentsgesetz v. 31. 7. 1938, zitiert nach der Beck'schen Textausgabe des TestG, 1938, 5. 94 1. Denkschrift, 54 ff. 95 Motive V, 32, 294; Strohal I, 91; Demburg-Engelmann V, 118; F. Leonhard, A. I C 4 zu§ 2231; A. II C zu§ 2238; Kretzschmar, § 16 III, S. 75; P. Meyer, 177; RG JW 1918, 173; Warn.1915 Nr. 210; RGRK-Johannsen, A. 5 zu § 2086; Staudinger-Seybold, Randnr. 10 zu§ 2065; Staudinger-Firsching, Randnr. 24 zu § 2238; Randnr. 32 zu§ 2247. 96 Pap. D. 28, 5, 78: Asse totonon distributo ita scripturn est: 'quem heredem codicillis fecero, heres esto': Titium codicillis heredem instituit. eius quidem institutio valet ideo, quod, licet codicillis dari hereditas non possit, tarnen 90
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4. Kapitel: Form der Verfügungen
131
ment selbst den Namen des Erben verbarg und auf den ergänzenden Nachzettel verwies, galt es im Gemeinen Recht als mystisches97 • Nach dem BGB muß die Verfügung von Todes wegen eine in sich abgeschlossene, erschöpfende rechtsgeschäftliche Erklärung enthalten. Eine Blankoerbeinsetzung, die darauf verweist, daß der Name des Erben in einer früher oder später errichteten Urkunde genannt werde, ist nichtig98. Wer ein Testament errichten will, muß wissen, welche Personen er bedenken und was er ihnen zuwenden will. Ist der Erblasser noch nicht zu einem Entschluß gekommen, so mag er einstweilen noch mit der Errichtung eines Testaments warten. Man kann dies schon deshalb eher fordern als in Rom, weil das dort übliche sehr umständliche Privattestament der so bequemen Form des eigenhändig geschriebenen Privattestaments hat weichen müssen 90 • Entspricht das instrumenturn relatum nach Form und Inhalt den Vorschriften des BGB über Testamente oder Erbverträge, so ist diese Urkunde das gültige Testament und nicht das testamenturn referens 100 • Dagegen liegt kein testamenturn mysticum vor, wenn der Erblasser bei Errichtung des Testaments auf eine von ihm selbst geschriebene, wenngleich nicht unterschriebene Anlage Bezug nimmt101 • Beispiel: Der Erblasser setzt A im Testament zum Alleinerben ein und bestimmt, die in der Anlage bezeichneten Personen B, C und D sollen ein Vermächtnis von je 1000 DM erhalten. Hier deckt die Unterschrift des Testaments nach der Verkehrssitte auch die Anlage. Testament und Anlage bilden haec ex testamento data videtur. Das Kodizill kann zwar den Erben nicht ernennen, wohl aber ihn benennen. Deshalb beruht die Erbfolge des später Benannten, wie Papinian betont, auf dem Testament. Ulp. D. 28, 7, 10 pr.: Institutio talis: 'si codicillis Seium heredem scripsero, heres esto' non est inutilis [in quovis herede instituto praeter filium: est enim condicionalis institutio]. nec (enim) videtur hereditas codicillis data [quod interdieturn est], verum [condicionalis est haec institutio] (perinde habetur, ac si) [quae] testamento data esset. proinde et si ita scripserit: 'cuius nomen codicillis scripsero, ille mihi heres esto' pari ratione dicendum erit institutionem valere [nullo iure impediente]. Dazu Beseler, Beiträge II, 58 f.; V, 47; ZSSt. 43, 437. Auf diese Weise konnte der Erblasser für alle Fälle sein Testament formgerecht errichten und hatte es doch in der Hand, in einem nicht an Förmlichkeiten gebundenen Kodizill später die Person des Erben zu bezeichnen. Es war ihm mit Leichtigkeit auch möglich, das alte Kodizill zu vernichten und durch ein neues zu ersetzen, wenn er seinen letzten Willen ändern wollte (Oertmann, Das Testamenturn mysticum, Diss. Berlin 1887, 9 f.). 97 Windscheid-Kipp III, 240 A. 10; Dernburg-Sokolowski, System II, 945; Endemann III 1, 228. 98 Windscheid-Kipp III, 240; von Tuhr, Allgemeiner Teil II 1, 506 mit A. 71; Endemann III 1, 229. Dies übersehen Staudinger-Seybold, Randnr. 10 zu § 2065.
Vgl. Oertmann, a. a. 0., 59. Windscheid-Kipp, a. a. 0. Vogels-Seybold, Randnr. 4 zu § 21 TestG; Leopold, 47; Palandt-Keidel, A. 2 c bb zu § 2247; Staudinger-Firsching, Randnrn. 57, 58 zu § 2247; EhardEder in Soergel-Siebert, Randnr. 13 zu§ 2247. 99
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
zusammen die letztwillige Verfügung. Es ist nicht notwendig, daß sich die Anlage auf demselben Blatt befindet. Ist das Blatt der Anlage mit der Testamentsurkunde nicht äußerlich verbunden, so muß die Zusammengehörigkeit der Blätter nötigenfalls bewiesen werden102 •
b) Das Privattestament vor sieben Zeugen Nicht beibehalten wurde das gemeinrechtliche Privattestament vor sieben Zeugen103 • Dafür waren folgende Gründe maßgebend104 : Die mündliche Erklärung des Verfügenden entbehrt mangels Niederschrift nicht selten der nötigen Präzision. Die Auffassung der Zeugen von dem, was der Erblasser erklärt hat, kann sehr verschieden sein. Seine Aufbewahrung im Gedächtnis ist allen Gefahren ausgesetzt, denen der Mensch, sein Dasein und seine Erinnerung unterliegt. Beim schriftlichen Privattestament fehlt es an jeder Sicherheit für die Aufbewahrung der Urkunde. Für die Beobachtung der Förmlichkeiten wird eine größere Rechtskenntnis und Geschäftsgewandtheit erfordert, als sich zumeist vorfindet. Völlig ermangelt schließlich der Schutz, daß der Wille frei und unbeeinflußt erklärt ist.
c) Das Oralfideikommiß Das sogenannte Oralfideikommiß des römisch-gemeinen Rechts war eine Vermächtnisverfügung, die auf bloßer mündlicher, an den Beschwerten persönlich gerichteter Willenserklärung beruhte 105 • Das ALR I 12 § 172 begrenzte die Zulässigkeit eines dem Erben mündlich aufgetragenen Vermächtnisses auf den zwanzigsten Teil seiner Erbportion. Nach Einführung der ZPO (1879) entstand Streit darüber, ob das Oralfideikommiß noch gelte, da die ZPO keinen Gefährdeeid kannte. Das Reichsgericht100 hat die weitere Geltung anerkannt, indem es die hier in Betracht kommenden Eide als materiellrechtliche Voraussetzungen für den Anspruch aus dem Oralfideikommiß erklärte. Das BGB dagegen erkennt formlose mündliche Verfügungen des Erblassers gegenüber seinen Erben nicht mehr an107 • Die erste Kommis1o2 KG JFG 21, 36 (38); Staudinger-Firsching, a. a. 0. 1oa Dazu Windscheid-Kipp III, 220 ff.; Dernburg-Sokolowski,
936 ff. 104
Motive V, 257 f.
System Il,
590 f.; Dernburg-Sokolowski, System II, 941 f. Siehe oben S. 122. 106 RGZ 32, 159 (161 f.). 1 07 Motive V, 293; Strohal I, 91 A. 7; Dernburg-Engelmann, V, 69; Kretzschmar, a. a. 0. Demburg bezweifelt die Richtigkeit dieser Lösung, weil das Oral1os Windscheid-Kipp III,
4. Kapitel: Form der Verfügungen
133
sion hielt es nicht für notwendig, von der Form ganz abzusehen. Sie war der Ansicht, bei Verfügungen des Erblassers in den letzten Lebenstagen bleibe es oft zweifelhaft, ob es sich nicht bloß um einen Wunsch oder einen guten Rat des Erblassers handele. Dem Gewissen des Erben zu überlassen, die Unterscheidung zwischen einem Wunsch und einer ihn verpflichtenden Anordnung zu treffen, sei für eine Rechtsvorschrift nicht empfehlenswert.
d) Legate und Fideikommisse Der römische Unterschied zwischen formgebundenen Legaten und formlos durch bloße Bitte auferlegten Zuwendungen (Fideikommissen), der schon dem früheren Recht fremd war, ist vom BGB ebensowenig übernommen worden wie das Universalfideikommiß, an dessen Stelle die Einrichtung der Nacherbschaft (§§ 2100 ff.) getreten ist. Bitten des Erblassers sind heute nicht mehr rechtsverbindlich, wenn sie bloß einen Wunsch ausdrücken sollen, dessen Erfüllung in das freiwillige Ermessen des Erben gestellt wird108 • Der Grundsatz 'semel heres semper heres' ließ bei den Römern ein Nacheinander mehrerer Erben nicht zu. Als Ersatz diente das Universalfideikommiß, durch das dem Erben die Herausgabe der ganzen Erbschaft oder einer Quote an einen anderen, den Fideikommissar, aufgegeben wurde. Ein solches Fideikommiß wird jetzt als Nacherbfolge behandelt(§ 2103).
e) Das Kodizill Das BGB läßt ferner formfreie Ergänzungen des Testaments durch Kodizille, wie sie auch dem sächsischen und in gewissen Formen dem preußischen Recht bekannt waren, nicht mehr zu109 • Erstens brauchen die Testamente keine Erbeinsetzung mehr zu enthalten- sie umfassen also auch die Kodizille des römischen Rechts - und zweitens sind alle Ergänzungen an die Formen der letztwilligen Verfügung gebunden110 • Mit dem Unterschied zwischen Testamenten und Kodizillen entfällt auch die Kodizillarklausel. fideikommiß für Verfügungen in der Todesstunde des Erblassers, in der er nicht mehr imstande ist, die ordentlichen Formen zu wahren, wichtig und human gewesen sei. tos Dernburg-Engelmann, V, 122. 109 Motive V, 292 ff. 110 Windscheid-Kipp III, 587; Strohal I, 91 A. 8; Demburg-Engelmann V, 61; P. Meyer, 138 mit A.19; Crome V, 50 A.15; Kretzschmar, § 16 III, S. 75; Siber, Grundriß, 21; Binder, Grundriß, 13; Endemanniii 1, 228, 510, 678; Grundriß, 25; Planck-Flad, A.1 zu § 1937; Vorbemerkung 2 zum dritten Abschnitt; RGRK-Kregel, A. 3 zu§ 1937; Erman-Bartholomeyczik, A. 2 zu§ 1937; Staudinger-Lehmann, Vorbemerkungen zu§ 1937-1941; Randnr. 3 zu§ 1937; Staudinger-Seybold, Vorbemerkungen vor§ 2147, Randnr. 1.
5. Kapitel
Das Testament § 1. Begriffsbestimmung
Das Testament ist jede einseitige Verfügung von Todes wegen(§ 1937) ohne Rücksicht auf ihren Inhalt, also insbesondere auch diejenige, welche keine Erbeinsetzung enthäW. Es beruht auf dem einseitigen Willen des Erblassers und unterscheidet sich durch dieses Merkmal vom Erbvertrag, der eine zweiseitige - vertragsmäßige - Verfügung von Todes wegen ist (§ 1941). Solange der Erblasser lebt, ist das Testament frei widerruflich. Dies gilt sowohl für das Testament als ganzes als auch für jede einzelne darin enthaltene Verfügung. Die Möglichkeit jederzeitigen Widerrufs gehört zum Begriff des Testaments (§§ 2254-2258). Der Erbvertrag dagegen ist in aller Regel unwiderruflich. Die Testamente sind nicht wie die meisten anderen einseitigen Rechtsgeschäfte empfangsbedürftig im Sinn des § 130 2 • Denn es ist kein bestimmter Empfänger vorgeschrieben. Sie betreffen vielmehr einen unbestimmten Kreis von Personen und sind als Rechtsgeschäfte vollendet, sobald ihre Errichtungserfordernisse vorliegen. Es ist also auch nicht notwendig, daß sie zu Lebzeiten des Erblassers irgend jemandem bekannt werden. Vielmehr kann das Testament, möglicherweise solange der Erblasser lebt, völlig geheim bleiben3 • Geheimhaltung nach dem Erbfall ist dagegen untersagt. Der Erblasser kann nicht wirksam verbieten, das Testament alsbald nach seinem Tode zu öffnen (§ 2263). Um die Unterdrückung von Testamenten zu verhindern, muß jeder, der ein Testament im Besitz hat, es dem Gericht abliefern, wenn er vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt (§ 2259). Ein entgegenstehendes Verbot des Erblassers ist unbeachtlich. 1 Rechtsvergleichende Darstellung bei W. G. Becker, Rvgl. Hdwb. li, 513 ff., Art. Testament. 2 Demburg-Engelmann V, 61; F. Leonhard, A. I A zu § 2231; Endemann III 1, 247; Kipp, § 11 I, S. 37 A. 2; Binder, Grundriß, 27; Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil II 15, 1960, 974, 975 A. 8; Lehmann-Hübner, Allgemeiner Teil16, 1966, 151, 228; RGRK-Krüger-Nieland11 , übersieht vor§ 116, A. 3; Henle, Allgemeiner Teil, 1926, 90; von Tuhr, Allgemeiner Teil li 1, 1914, 454; KG JFG 1, 170 (171); Flume, Allgemeiner Teil II,1965,140. Anderer Ansicht Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, 1939, 331 ff. Er sieht das Testament als empfangsbedürftig an. Aber man kann nur so viel sagen, daß sich das Testament beim
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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Nach herrschender Meinung kommen von den Nichtigkeitsgründen der§§ 116-118 diejenigen des§ 116 S. 2 und des§ 117 (Scheingeschäft) bei letztwilligen Verfügungen nicht in Betracht, da sie nur für empfangsbedürftige Willenserklärungen gelten'. Dagegen bewirkt der Mangel der Ernstlichkeit (§ 118) die Nichtigkeit der Verfügung, während ein geheimer Vorbehalt(§ 116 S. 1) ihre Gültigkeit nicht berührt. Dieser Ansicht ist insoweit zuzustimmen, als es sich um die Anwendung des § 118 handelt (Scherztestament). Dagegen macht ein geheimer Vorbehalt und eine nur zum Schein getroffene Anordnung des Erblassers letztwillige Verfügungen nichtig; denn die §§ 116 S. 1, 117 stellen auf den Schutz des Vertrauens Dritter ab, während beim Testament allein der Wille des Erblassers entscheidet und schutzwürdige Belange anderer Personen nicht in Betracht kommen5 •
§ 2. Einzeltestament und gemeinschaftliches Testament Man muß unterscheiden zwischen dem Einzeltestament und dem gemeinschaftlichen Testament. Beim Einzeltestament verfügt ein Erblasser, beim gemeinschaftlichen Testament verfügen zwei Erblasser
gemeinsam. Nur Eheleute können gültig ein gemeinschaftliches Testament errichten (§ 2265).
§ 3. Die Errichtung des Testaments A. Die persönliche Errichtung
Der Erblasser kann ein Testament nur persönlich errichten (§ 2064, Grundsatz der Selbsttätigkeit). Die Testamentserrichtung ist also wie schon nach Gemeinem Recht1 so auch nach allen neueren Gesetzbüchern2 Tode des Erblassers für die Wahrnehmung des als Interessenten in Betracht kommenden Personenkreises bestimmt und zugänglich darstellen muß (Henle, a. a. 0.). Deshalb liegt kein Testament vor, wenn ein Erblasser die Urkunde in einem eisernen Kasten eingeschlossen ins Meer versenkt (Manigk, a. a. 0., 336; Kipp, a. a. 0.). RGZ 170, 380 (383) läßt unentschieden, ob das Testament eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt. 3 Dernburg-Engelmann, a. a. 0. 4 RGZ 104,320 (322); Flanck-Flad, Vorbemerkung 2 a vor§§ 2078-2083; Binder, Grundriß, 27, der aber auch§ 118 hierher zieht; RGRK-Johannsen, A. 2 zu § 2078; Siber, Grundriß, 32; Kipp-Coing, § 24 VIII, S. 130; Staudinger-Seybold, Randnr. 3 zu §§ 2078-2079. 5 Lange, § 34 II 1 b, S. 370 f.; Bartholomeyczik, § 23 I 4 a, S. 118; Brox, Randnm. 198-200, Vgl. unten S. 306. 1 Windscheid-Kipp III, 230. 2 Preuß. ALR I, 12, § 66; Code civil art. 972 ff.; Sächs. BGB §§ 2064, 2097; österr. ABGB § 564.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft. Jede Stellvertretung - sowohl die gesetzliche wie die gewillkürte - ist ausgeschlossen. Dies gilt in gleicher Weise für den Erbvertrag (§ 2274) wie auch für den Erbverzicht (§ 2347 II). Auch eine genaue Vollmacht bietet keine ausreichende Gewähr dafür, daß die Erklärung des Vertreters mit dem wirklichen Willen des Erblassers übereinstimmt3 • Die Zulässigkeit einer allgemeinen Vollmacht könnte auch zu erheblichen Mißbräuchen führen, weil es sich um ein Geschäft von großer Tragweite handelt und der Inhalt des Testaments in der Regel erst nach dem Tode des Erblassers bekannt wird, also zu einer Zeit, wo es für den Widerruf zu spät wäre4 • Der Ausschluß der Stellvertretung gilt auch für nicht geschäftsfähige Personen(§ 2229 III, IV). Die Verfügung kann also nicht etwa vom Vater oder Vormund des geschäftsunfähigen Erblassers getroffen werden5 • Darin liegt zugleich die Beseitigung der Pupillarsubstitution und Quasipupillarsubstitution des römisch-gemeinen Rechts und des Preuß. ALR II 2 §§ 521 ff. 6 , die auf Testamentserrichtung für einen anderen hinauslieEndemann III 1, 265; Kipp-Coing, § 18 II, S. 84. F. Leonhard, A. II zu § 2064. 5 Endemann III 1, 264; Staudinger-Seybold, Randnr. 4 zu§ 2064. 6 Zu diesen Instituten vgl. Karlowa, Römische Rechtsgeschichte II 1, 1901, 875 ff.; Windscheid-Kipp III, 279-290; Dernburg-Sokolowski, System des Römischen Rechts II8 , 1912, 961 ff.; Siber, Römisches Recht II, 1928, 350; Sohm-Mitteis-Wenger, Institutionen17, 1949, 599; Rabel, Grundzüge des römischen Privatrechts2, 1955, 217 f.; Kunkel, Römisches Privatrecht3, 1949, 322 f.; E. Weiß, Institutionen des römischen Privatrechts2, 1949, 549 f.; F. Schulz, Classical Roman Law, 1951, 263 f.; Kaser, Römisches Privatrecht I, 573 f. mit weiterer Literatur A. 25. Der pater familias darf sein Hauskind zum Erben einsetzen und ihm, wenn es vor Erlangung der Mündigkeit und eigenen Testierfähigkeit sterben sollte, einen Erben ernennen. Gaius II, 179 gibt folgendes Beispiel: 'Titius filius meus mihi heres esto. si filius meus mihi heres non erit, sive heres mihi erit et hic prius moriatur quam in suam tutelam venerit, tune Seius heres esto'. Den Ausgangspunkt der Entwicklung bildet wohl der Fall, daß der Sohn zum Erben des bäuerlichen Hofes eingesetzt wurde und außer diesem selbst nichts zu vererben hatte. Nach urtümlicher Anschauung wurde er heres ("Herr") erst mit seiner Mündigkeit. Bis dahin blieb seine heres-Stellung in der Schwebe. Starb er vorher, so konnte der Pupillarsubstitut inzwischen noch Erbe des Vaters werden. Diese Anschauung ließ sich auf die Dauer nicht halten. Wenn der Sohn vom Vater enterbt war (Gai. II, 182; Ulp. D. 28, 6, 10, 5; Mod. D. 28, 6, 1, 2) oder nach des Vaters Tode aus anderer Quelle, zum Beispiel von seiner Mutter, Vermögen erworben hatte (Gai., Ulp. 1 c.), konnte der Pupillarsubstitut nur in dieses Vermögen sukzedieren, wurde also heres des Sohnes. Daher kam man in der klassischen Zeit zu der Ansicht, bei der Kombination von Vulgar- und Pupillarsubstitution handele es sich in Wahrheit um zwei Testamente, ein des Vaters und ein des Sohnes, oder doch wenigstens um ein einziges Testament über zwei Erbschaften, die des Vaters und die des Sohnes (Gai. II, 180; Ulp. D. 28, 6, 2, 4). Immerhin wirkte die alte Auffassung nach: Die Pupillarsubstitution ist nichts als ein Bestandteil und ein Anhang (sequela) zum Testament des Vaters. Dieser mußte daher einen Erben ernennen, entweder den Sohn oder einen anderen (Ulp. D. 28, 6, 2, 1; 4; Mod. D. 28, 6, 1, 3; Inst. 2, 16, 5). Hätte man den Pupillarsubstituten seit jeher als einen vom pater familias ernannten Erben des Sohnes betrachtet, so würde kein Grund vorliegen, warum der Vater diesen Sohneserben nicht in einem besonderen, von seinem ganz unab3 4
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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fen 7 • Soweit es sich um das auf das Kind zu vererbende Vermögen der Eltern handelt, haben diese in der Anordnung einer Nacherbfolge ein ausreichendes Mittel, um über das spätere Schicksal ihres Nachlasses für den Fall zu bestimmen, daß das Kind vor erreichter Testierfähigkeit versterben oder aus anderen Gründen zur Errichtung eines Testaments rechtlich außerstande sein sollte (§§ 2229, 2230) 8 • Wenn A den B zum Erben einsetzt und ihm einen Erben bestimmt, so kann dies gemäß § 140 möglicherweise in Ansehung des vom Erblasser herrührenden Vermögens als Nacherbeinsetzung aufrechtzuerhalten sein°. Was das eigene Vermögen des Pupillen oder Quasipupillen anlangt, liegt kein zwingender Grund vor, eine Ausnahme von dem Erfordernis der persönlichen Errichtung des Testaments zu machen10 • Sollten den Kindern, solange sie testierunfähig sind, Gefahren von den gesetzlichen Erben drohen, eine Befürchtung, die nur in seltenen Fällen begründet sein kann, so ist dafür Sorge zu tragen, daß habsüchtigen und gewissenlosen Verwandten achtsame und energische Vormünder gegenüberstehen. Im übrigen gehört es nicht zu den Aufgaben des Erbrechts, für den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Testierunfähigen zu sorgen. Soweit man in dem Institut ein Mittel erblickt, den Nachlaß unwürdigen gesetzlichen Erben zu entziehen, reichen die Vorschriften über die Erbunwürdigkeit aus (§§ 2339-2345). Darüber hinaus obliegt es nicht dem bürgerlichen Recht, Vorkehrungen zu treffen, daß der Nachlaß nur in würdige Hände gelangt. Andererseits bietet das Institut keine Gewähr hängigen Testament sollte berufen können (Karlowa, a. a. 0., 878). Ist der Pupillarsubstitut dem Vater gegenüber notwendiger Erbe, so gilt dies auch dem Kind gegenüber (Ulp. D. 28, 6, 2, 4; D. 28, 6, 10, 1). Daß der Pupillarsubstitut ursprünglich zum Erben des Vaters eingesetzt wurde, deutet auch die Fassung der Wortformel noch an: Cic. de inv. 2, 42, 122: si filius ante moritur, quam in tutelam suam venerit, turn mihi ille heres esto; Iul. D. 37, 11, 8, 1; Mod. D. 28, 6, 1, 1. Bei Gai. II, 179 fehlt mihi. So wurde das Institut der Pupillarsubstitution sowohl von der alten wie von der neuen Auffassung beeinfl.ußt und hat deshalb immer etwas Zwitterhaftes behalten (Karlowa, a. a. 0., 878; Siber, a. a. 0.). Durch eine für den Einzelfall gewährte Vergünstigung des Kaisers wurde dem Vater gestattet, seinem wegen Stummheit testierunfähigen mündigen Sohn einen Erben zu bestimmen (Faul. D. 28, 6, 43 pr.; dazu Beseler, Beiträge III, 51 f.; Studi Riccobono I, 304). Justinian hat dies verallgemeinert und durch ein Gesetz vom Jahre 528 (C. 6, 26, 9) ad exemplum pupillaris substitutionis (Inst. 2, 16, 1) angeordnet, jeder Aszendent könne seinem geisteskranken Deszendenten, falls er ihm den Pflichtteil hinterläßt, einen Substituten für den Fall bestimmen, daß der Deszendent, ohne gesund und damit testierfähig geworden zu sein, versterben sollte (Quasipupillarsubstitution). 7 Motive V, 132 f.; Strohal I, 83 A. 9; Crome V, 49 A. 7; P. Meyer, 172 f.; Kretzschmar, § 14 V 1, S. 66; Endemann III 1, 117, 121; Planck-Flad, A. 2 zu § 2064; RGZ 88,152 (156); 106,392 (393 f.); RGRK-Johannsen, A. 3 zu§ 2064. 8 Motive V, 132; Planck-Flad, A. 2 zu§ 2064. 9 Windscheid-Kipp III, 290; Planck-Flad, A. 2 zu§ 2103. 10 Motive V, 132 f.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
dafür, daß die Befugnis, für das Kind letztwillig zu verfügen, nicht mißbraucht wird11 • Der Ausschluß der Stellvertretung gilt einmal für das öffentliche Testament(§§ 2231 Nr. 1, 2232 neuer Fassung:§ 57 III Nrn. 5, 6 des Beurkundungsgesetzes vom 28. 8. 1969). Beim privatschriftlichen Testament ergibt er sich schon daraus, daß es eigenhändig geschrieben sein muß. Auch die Mitwirkung eines Boten ist ausgeschlossen12• Denn der Erblasser selbst hat dem Notar seinen letzten Willen entweder mündlich zu erklären oder ihm eine Schrift mit der Erklärung zu übergeben, daß sie seinen letzten Willen enthalte (§ 2232 neuer Fassung). Dagegen ist es zulässig, daß das eigenhändige Testament, sobald es formgerecht errichtet ist (§ 224 7), durch einen Boten an das für die Verwahrung zuständige Amtsgericht(§§ 2248, 2258 a) befördert wird13 • Im übrigen darf sich der Erblasser bei den vorbereitenden Handlungen jeder Hilfe bedienen. Es ist sehr empfehlenswert, daß er den Rat eines erfahrenen Juristen einholt. Der Erblasser kann sogar das von ihm zu errichtende Testament von einem Dritten entwerfen lassen und eine von fremder Hand herrührende Schrift übergeben (§ 2232 S. 2, Halbsatz 2 neuer Fassung) 14 • Denn er verfügt hier nicht durch die Herstellung einer Schrift, sondern dadurch, daß er sie übergibt und dabei mündlich erklärt, sie enthalte seinen letzten Willen. B. Unzulässigkeit der Entscheidung durch einen Dritten I. Allgemeines Der Durchführung des Grundsatzes, daß letztwillige Verfügungen ausschließlich auf dem eigenen Willen des Erblassers beruhen müssen, dient auch § 2065 1 • Sein Abs. I verbietet, die Bestimmung der Geltung oder Nichtgeltung einer vom Erblasser getroffenen- vollständigen- Verfügung einem Dritten zu überlassen, während Abs. II die Ergänzung einer unvollständigen Verfügung durch einen Dritten ausschließt 2 • In dem einen wie dem anderen Fall macht es keinen Unterschied, ob der bloße Wille (mera voluntas) des anderen oder die Vornahme einer in
u Motive, a. a. 0. 12 Motive V, 247; F. Leonhard, a. a. 0.; Crome, a. a. 0., 49; Planck-Flad, A.1 zu§ 2064; Kipp,§ 11 I, S. 37; Vogels-Seybold, Randnr. 1 zu§ 1 TestG; Bartholomeyczik, § 14 IV 1, S. 83; Staudinger-Seybold, Randnr. 4 zu § 2064; RGRKJohannsen, A. 1 zu§ 2064; BGHZ 15, 199 (200); Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu § 2064. 13 Kretzschmar, a. a. 0., 66 A. 8; Vogels-Seybold, a. a. 0.; Staudinger-Seybold, a. a. 0. 14 Dernburg-Engelmann V, 116; F. Leonhard, a. a. 0.; Kretzschmar, a. a. 0., 66; Endemann III 1, 265; Planck-Flad, A. 1 zu§ 2064; Vogels-Seybold, Randnr. 2 zu § 1 TestG; Dietz, 43; Bartholomeyczik, § 14 IV 2, S. 83; Staudinger-Seybold, Randnr. 5 zu § 2064. 1 Eine dogmengeschichtliche Untersuchung zu § 2065 bietet Immel, Die höchstpersönliche Willensentscheidung des Erblassers, 1965. 2 RGRK-Johannsen, A.1 zu§ 2065.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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seinem freien Belieben stehenden Handlung oder sein vernünftiges (billiges) Ermessen entscheiden solP. § 2192 überträgt die Vorschrift des § 2065 auch auf die Auflage. Auf dem Boden des Gemeinen Rechts wurde vielfach angenommen, daß die Geltung einer letztwilligen Verfügung von dem vernünftigen Ermessen (boni viri arbitrium) eines anderen abhängig gemacht werden könne 4 • Der entgegengesetzte Standpunkt des BGB ist sachgemäßer; denn es läßt sich kein objektiver Maßstab finden, nach dem zu bemessen wäre, wann das Ermessen ein vernünftiges ist 5 • Neben den Grundsatz der Selbsttätigkeit (§ 2064) tritt somit im § 2065 der Grundsatz der auf dem Gebiet der Erbeinsetzung schlechthin geltenden Selbständigkeit der Verfügung 6 • Der Erblasser muß das, was nach seinem Tode sein soll, selbst bestimmen; er darf es nicht von der Entscheidung anderer abhängig machen. Die Vorschrift des § 2065 beruht auch auf einem ethischen Gedanken: Ein Erblasser, der zu keinem eigenen festen Entschluß darüber kommt, ob und was er anordnen will, braucht die gesetzliche Ordnung der Erbfolge nicht außer Kraft setzen zu können7 • Die Protokolle8 bezeichnen es als eine Überspannung der Testierfreiheit, wollte man dem Erblasser die Befugnis geben, das Schicksal seines Vermögens nach seinem Tode nicht von seinem, sondern von dem Willen eines anderen abhängig zu machen. Genaugenammen wird aber die Testierfreiheit durch § 2065 gar nicht beschränkt. Eine Verfügung, die in der angedeuteten Richtung einem Dritten freie Hand ließe, würde nämlich in Wahrheit den Dritten zum Testator machender Erblasser selbst hätte materiell nichts verfügt9 • Bereits das römische Recht erklärte es für schlechthin unzulässig, einem Dritten die Befugnis zu erteilen, durch seine Entscheidung die des Erblassers zu ersetzen. So heißt es bei Ulpian fragm. 22,4: ... certurn consilium debet esse testantis. Dementsprechend entschied schon Gaius D.28, 5, 32 pr.: illa institutio 'quos Titius voluerit' ideo vitiosa est, quod alieno arbitrio permissa est; nam satis constanter veteres decreverunt 3 Strohal I, 129 mit A.11; Windscheid-Kipp III, 243; Demburg-Engelmann V, 116; P. Meyer, 175; Crome V, 89 A. 9; F. Leonhard, A. II A zu § 2065; Kretzschmar, § 14 VI, S. 67; Planck-Flad, A.1 a, 2 zu §2065; Kipp-Coing, § 18 III, S. 84 mit A. 4; Staudinger-Seybold, Randnr. 5 zu § 2065; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 1 zu§ 2065. 4 Windscheid-Kipp III, 242, 603; Demburg-Sokolowski, System II, 943; Demburg-Engelmann V, 116; Strohal I, 129 A. 11; P. Meyer, 175 A. 9. 5 P. Meyer, 175 A. 9; Endemann III 1, 249. Vgl. auch Motive V, 35; Protokolle V, 19 f. 8 F. Leonhard, A. I zu§ 2065; Staudinger-Seybold, Randnr. 4 zu§ 2065. F. Leonhard, A. I zu§ 2065; Binder, Grundriß, 22. V, 18 ff. 9 Crome V, 88.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
testamentorum iura ipsa per se firma esse oportere, non ex alieno arbitrio pendere10• II. B e s t i m m u n g e i n e s a n d e r e n ü b e r d i e Geltung der letztwilligen Verfügung
a) Bedingungen Anordnungen, welche die Gültigkeit einer Verfügung von dem Handeln oder Unterlassen eines Dritten abhängig machen, auch wenn sie in dessen Willkür gestellt sind (Potestativbedingungen) werden durch § 2065 nicht ausgeschlossen11 •
Beispiel: Der Erblasser wendet seiner Nichte ein Vermächtnis für den Fall zu, daß sie heiraten sollte. Die Nichte hat zwar die Entscheidung über die Verfügung in der Hand, aber doch nicht schlechthin. Will sie das Vermächtnis gegenstandslos machen, so muß sie die Heirat unterlassen. Es ist also nicht unmittelbar von ihrem Belieben abhängig, ob die Verfügung gilt, sondern entscheidend ist eine Handlung der Nichte, die eine eigene selbständige Bedeutung hat. Dagegen fällt unter die Vorschrift des § 2065 I die Bedingung, die lediglich eine Umkleidung der Entscheidungserklärung enthäW 2 • Beispiel: Der Erblasser setzt seine Nichte zur Erbin ein, falls seine Frau damit einverstanden ist. Hier liegt eine "nackte Wollensbedingung" vor. Die herrschende Meinung erachtet es für zulässig, einen Nacherbenauch in einem gemeinschaftlichen Testament - unter der aufschiebenden oder auflösenden Bedingung einzusetzen, daß der Vorerbe nicht 10 Ein Dekretale Innozenz' III. (c. 13, X, 3, 26) bestimmte: In secunda quaestione dicimus, quod, qui extremam voluntatem in alterius dispositionem committit, non videtur decedere intestatus. Die Bedeutung dieses Satzes war zur Zeit des Gemeinen Rechts streitig. Man vertrat einmal die Ansicht, es werde, abweichend vom römischen Recht, dem Testator gestattet, einem Testamentsvollstrecker freie Hand zu geben, über das Schicksal des Nachlasses beliebig zu bestimmen (Dernburg, Pandekten IIF, 1903, 143 A. 4). Zum andern wurde behauptet, Innozenz habe nur ein besonderes Gewohnheitsrecht der GeistLichen anerkennen wollen (Windscheid-Kipp III, 243 A. 3). Die herrschende Theorie und Praxis hat den Satz jedenfalls nicht als allgemein gültigen anerkannt, sondern an den entgegenstehenden Bestimmungen des römischen Rechts festgehalten. 11 Kretzschmar, § 14 VI 1, S. 67; F. Leonhard, A. II B zu§ 2065; Crome V, 89 A. 9; RGRK-Johannsen, A. 7 zu§ 2065; Erman-Hense, A. 2 zu§ 2065; Staudinger-Seybold, Randnr. 6 zu§ 2065; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 4 zu§ 2065; BGHZ 15,199 (202); OLG Hamm OLGZ 1968,80 (84). 12 Motive V, 30; Protokolle V, 19; Strohal I, 130 A. 12; Kretzschmar, a. a. 0.; F. Leonhard, a. a. 0.; Crome V, 89 mit A. 9; Planck-Flad, A. 1 a zu§ 2065; Dietz, 43; Kipp-Coing, § 18 III 3, S. 84 f.; RGRK-Johannsen, a. a. 0.; Palandt-Keidel, A. 2 a zu§ 2065; Staudinger-Seybold, a. a. 0.; BG HZ, a. a. 0., 201.
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anders über den Nachlaß von Todes wegen verfüge13• Diese Ansicht ist jedoch unzutreffend. Beispiel: Die Eheleute Petersen haben sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Vorerben und ihre beiden Kinder zu Nacherben eingesetzt unter der Bedingung, daß der Überlebende keine andere Bestimmung trifft. Die Kinder sind bezüglich des Nachlasses des Vorverstorbenen dessen Nacherben. Die Klausel ermächtigt den Überlebenden zu bestimmen, ob die Nacherbeinsetzung durch den zuerst Verstorbenen gelten soll oder nicht. Dies verstößt gegen § 2065, der sich auch auf die Entziehung einer Zuwendung erstreckt14 • Die Klausel enthält hier ebenfalls nur eine Umkleidung der Entscheidungserklärung, die von dem bloßen Willen des Überlebenden abhängt. Der Testator kann nicht die Erbennachfolge in das Belieben des Vorerben stellen, weil sonst dieser und nicht der Erblasser die Erbennachfolge gestaltet15 • Der vielberufene Gedanke, daß der Vorerbe, wenn er anders testiert, nicht über das Vermögen des Erblassers, sondern über sein eigenes Vermögen testiere, in dem das des Erblassers bereits enthalten sei, geht fehP 6 • Der Vorerbe hat zwar den Nachlaß als ein ihm gehöriges Vermögen, aber als ein durch die angeordnete Nacherbfolge abgeschichtet bleibendes Sondergut. Eine Verfügung über den Nachlaß unter Lebenden ist dem Vorerben in bestimmtem Umfang gestattet. Jedoch steht auch einem befreiten Vorerben selbst mit Ermächtigung des Erblassers- nicht das Recht zu, hierüber von Todes wegen zu verfügen17 • Die Folge des Verstoßes gegen die Vorschrift des § 2065 ist die Nichtigkeit der Klausel. Die Nichtigkeit hat jedoch die Nichtigkeit des ganzen Testaments nur unter den Voraussetzungen des§ 2085 zur Folge 18• Nach RGZ 79,32 kann der überlebende Ehegatte im gemeinschaftlichen Testament nicht wirksam ermächtigt werden, letztwillige Anordnungen des zuerst Verstorbenen, die sich auf dessen Nachlaß beziehen, zu ändern oder zu widerrufen. Diese Entscheidung ist richtig, wenn der Überlebende zum Vorerben, ein Dritter zum Nacherben eingesetzt ist. Denn es kann keinen Unterschied begründen, ob eine Ermächtigung direkt ausgesprochen oder in die Form einer Bedingung gekleidet ist. 1a RGZ 95, 278; BGHZ 2, 35 (36); 15, 199 (204); KG JFG 20, 139; RGRKJohannsen, A. 10 zu § 2065 mit weiteren Nachweisen; Palandt-Keidel, A. 4 zu § 2065; Erman-Hense, A. 2 zu§ 2065; Staudinger-Seybold, Randnr. 7 zu § 2065; Kipp-Coing, § 35 III 4 d, 8.173 mit weiteren Nachweisen in A. 35; Dietz, 44; Bartholomeyczik, § 14 III 2, S. 80 f.; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 3 zu§ 2065. Anderer Ansicht Kretzschmar, a. a. 0.; Maenner, LZ 1925, 572-574. 14 Demburg-Engelmann V, 117; F. Leonhard, A. III A zu§ 2065. 1s Endemann, JW 1933, 1350. 1 6 Endemann, a. a. 0. 11 Endemann, a. a. 0. 18 KG JR 1953, 422; Staudinger-Seybold, Randnr.14 zu§ 2065.
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Dagegen ist es zulässig, im Fall des Deutschen gemeinschaftlichen Testaments (§ 2269) dem Überlebenden das Recht einzuräumen, die für den Fall seines Todes getroffenen Verfügungen zu widerrufen und über den Nachlaß anderweit zu verfügen. Diese Bestimmung verstößt nicht gegen § 2065, da der Überlebende, wenn er von der Befugnis Gebrauch macht, nicht über den Nachlaß des zuerst Verstorbenen, sondern nur über seinen eigenen Nachlaß verfügt 10 • Bei bedingter Zuwendung kann der Erblasser die Entscheidung darüber, ob die Bedingung erfüllt ist, dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen; denn in diesem Fall hat der zur Entscheidung Berufene nicht den Willen des Erblassers zu ergänzen, sondern nach Art eines Schiedsrichters zu entscheiden20 . Beispiel: Der Ehemann Schneider hat seinen Sohn Wilhelm unter der Bedingung zum Erben eingesetzt, daß er sich ihm und seiner, des Erblassers, Frau gegenüber wohlverhält. Über den Eintritt der Bedingung sollte die Ehefrau Schneider entscheiden. Der Erblasser verstirbt. Die Ehefrau erklärt ihrem Sohn, er habe sich nicht wohlverhalten. Damit ist die auflösende Bedingung (§ 2075) eingetreten. Es kommt zur gesetzlichen Erbfolge.
b) Authentische Interpretation Der Erblasser kann weder dem Testamentsvollstrecker noch einer anderen Vertrauensperson das Recht zur authentischen, für den Beteiligten und den Richter maßgebenden Interpretation des Testaments einräumen21. Es ist dabei aber stets zu prüfen, ob der Testamensvollstrekker aufgrund einer solchen Ermächtigung nicht für den Erblasser dessen unvollständigen Willen ergänzen, sondern ihn ermitteln und als Schiedsrichter fungieren soll22 . 19 Vgl. dazu RGRK-Johannsen, A. 16 Abs. 2 zu§ 2064, und unten S. 510. Zu Unrecht behandelt BGHZ 2, 35 (36) den Fall des Berliner Testaments (Vorund Nacherbschaft) und den Fall des Deutschen gemeinschaftlichen Testaments (§ 2269) gleich. 20 Protokolle V, 20; Strohal I, 130 A.12; P. Meyer, 175 A. 8; Crome V, 89 A. 9; KG OLG 43, 394; Endemann III 1, 248; Planck-Flad, Al a zu § 2065; RGRK-Johannsen, A. 2 zu§ 2065; Palandt-Keidel, A. 2 b cc zu§ 2065; Dietz, 44; Erman-Hense, A. 2 zu § 2065; Staudinger-Seybold, Randnr. 8 zu § 2065; KippCoing, § 18 III 6, S. 85; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 3 zu§ 2065 a. E. 21 RGZ 66, 103 (105 f.); 100, 76 (77); F. Leonhard, A. III B zu§ 2065; Crome V, 88 mit A. 6; Kretzschmar, § 14 VI 3, S. 68; Siber, Grundriß, 22; Endemann III 1, 338; Planck-Flad, A. 11 zu§ 2203; Dietz, 44; Kipp,§ 11 II, S. 38 A. 4; § 18 I, S. 67; RGRK-Johannsen, A. 5 zu § 2065; Palandt-Keidel, A. 2 b aa zu § 2065; Einführung 2 a vor§ 2197; Erman-Hense, A. 2 zu § 2065; StaudingerDittmann, Vorbemerkungen vor§ 2197, Randnr. 6 mit Nachweisen; Randnr. 22 zu § 2203; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu § 2065. Zweifelnd BGHZ 41, 23 (25). 22 Dazu RGZ 100, 76 (78); oben S. 113.
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III. Bestimmung der Person des Bedachten und des Gegenstandes der Zuwendung durch Dritte Der Erblasser kann gemäß § 2065 II die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll sowie die Bestimmung des Gegenstandes der Zuwendung nicht einem anderen überlassen23 .
a) Die Bestimmung der Person des Bedachten Die Person des Bedachten braucht nicht namentlich bezeichnet zu sein, vielmehr genügt es, wenn sie überhaupt erkennbar ist 24 • Es genügt jede Bezeichnung durch den Erblasser, die mit genügender Deutlichkeit erkennen läßt, wen er gemeint hat. Deshalb ist auch eine Umschreibung ausreichend25 . Der Erblasser verfügt zum Beispiel: "Der älteste Sohn meiner Tochter soll mein Erbe sein" 26 • Auch kann man Personen, die erst durch den Eintritt gewisser Umstände bestimmt werden sollen, die Kinder der Tochter, wenn sie sich verheiratet, der Sohn, der aus der Ehe des Erblassers hervorgehen wird, die beim Tode vorhandenen Dienstboten, die künftige Schwiegertochter - gültig bedenken (vgl. §§ 2101, 2105 II, 2162 II) 27 . Deshalb ist auch eine Anordnung möglich, daß derjenige Erbe werden soll, den ein anderer zu seinem Erben einsetzen wird 28. Viel weitergehende Folgerungen zog das klassische römische Recht aus dem bereits erwähnten Grundsatz certurn consilium debet esse testantis29. Vor allem konnte nur eine certa persona, das heißt, eine konkrete Person, die sich der Erblasser individuell vorstellte, bedacht werden. Daher waren personae incertae nicht einsetzungsfähig. Dazu gehören die Personenverbände wie die Gemeinden (municipia), weil sie Gesamtverbände mit wechselnder Mehrheit sind, ferner die postumi alieni, also die nach dem Tode des Erblassers oder nach der Testamentserrichtung Geborenen, die nicht zu seinen gesetzlichen Hauserben gehören, außerdem solche Personen, die erst durch ein künftiges Ereignis bestimmt 23 Dazu jetzt Grossfeld, JZ 1968, 113 ff. 24 Crome V, 89; P. Meyer, 176; Planck-Flad, A. 2 zu § 2065; StaudingerSeybold, Randnr. 9 zu§ 2065; Erman-Hense, A. 3 zu§ 2065; BGHZ 15, 199 (201). 2• Vgl. Motive V, 40; Protokolle V, 34. 26 P. Meyer, a. a. 0.; Erman-Hense, a. a. 0.; Staudinger-Seybold, a. a. 0. 27 Dernburg-Engelmann V, 118; Crome V, 89 A. 10; Kretzschmar, a. a. 0.; Endemann III 1, 248; Planck-Flad, a. a. 0.; Binder, Grundriß, 22 A. 4; Dietz, 44; RGRK-Johannsen, A.15 zu§ 2065. 28 Binder, BayrZ 1908, 193 ff.; Grundriß, 22 A. 2; F. Leonhard, A. II B zu § 2065; Kipp,§ 11 III, S. 38 A. 8; Palandt-Keidel, A. 2 b cc zu§ 2065; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 1 zu § 2065. Anderer Ansicht Kretzschmar, § 14 VI,
s. 67 A. 12.
29 P. Meyer, 175 A. 9.
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wurden, zum Beispiel der künftige Schwiegervater des Sohnes. Nicht als persona incerta galt aber eine einem bestimmten Kreise, zum Beispiel den "jetzigen Verwandten", zu entnehmende Person, wenngleich sie noch nicht individuell bezeichnet werden konnte 30 • Das justinianische Recht31 ließ die Bedenkung der civitates, der mannigfachen öffentlichen und privaten corpora, der "Armen" usw. sowie aller postumi zu. Ihm folgt das Gemeine Recht 32 und das BGB. Zu ungenau und daher unzulässig ist jedoch folgende Bestimmung: "Nach dem Tode des Überlebenden soll diejenige Person oder Familie, welche uns im Alter unterstützt hat und verpflegt, bis zum letzten Ende alles erben, was wir haben" 33 • Unzulässig ist im Gegensatz zum Alternativvermächtnis (§ 2152) eine alternative Erbeinsetzung34 • Die vom Entwurf I (§ 1769 I) im Anschluß an das römisch-gemeine Recht 35 vorgesehene Bestimmung, daß die mehreren Personen als zu Miterben eingesetzt gelten sollten, ist von der zweiten Kommission gestrichen worden, weil diese Art der Erbeinsetzung verschieden gedeutet werden könne und die Auslegung völlige Freiheit haben müsse 36• Es muß also die Auslegung im Einzelfall entscheiden, wie die alternative Erbeinsetzung gemeint ist, ob in ihr die Berufung zu Miterben oder zu Haupt- und Ersatzerben zu erblicken ist37 • Versagt jede Auslegung, so bleibt es bei der Nichtigkeit der Verfügung. Dagegen widerspricht es der Vorschrift des§ 2065 nicht, wenn der Erblasser letztwillig verfügt, daß unter mehreren genau bezeichneten Personen das Los darüber entscheiden soll, wer Erbe wird 38 • Er hat nicht die Bestimmung der Person des Bedachten in das subjektive Ermessen eines Dritten gestellt, sondern er hat selbst das Zufallsergebnis des 30 Gai. II, 238-242, 287; Ulp. fragm. 22, 4-6, 19; 24, 18. Dazu Kaser, Römisches Privatrecht I, 575 f. 31 Inst. 2, 20, 25; C. 1, 3. 24; C. 6, 24, 12; C. 6, 48, 1; 10; 27 (528/529). Dazu Kaser II, 348. 32 Windscheid-Kipp III, 242 A. 2, 602 A. 16. 33 OLG Dresden NJW 1949, 346. 34 Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 1 zu§ 2073; Kipp-Coing, § 18 III 2, S. 84. Palandt-Keidel, A. 2 zu§ 2073, wollen§ 2073 entsprechend anwenden. 35 Iust. C. 6, 38, 4 (531). Dort war bestimmt, daß in der Anordnung 'ille vel ille heres mihi esto' oder 'illi aut illi do lego' das 'aut' als 'et' aufgefaßt werden sollte. Vgl. Windscheid-Kipp III, 244. Dernburg, Pandekten IIF, 150 A. 12, hielt Justinians Entscheidung auf das Gemeine Recht nicht für anwendbar, weil sie "dem Geist der deutschen Sprache" widerspreche. 3s Protokolle V, 24. 37 P. Meyer, 178 A. 24; Kipp-Coing, a. a. 0., 84 A. 5 b. Vgl. auch StaudingerSeybold, Randnr. 12 zu § 2065. 38 RG SeuffA 91 Nr. 106; OLG Kiel SchlHolstAnz. 1935, 222; 1937, 106; RGRK-Johannsen, A. 15 zu § 2065; Palandt-Keidel, A. 2 b cc zu § 2065; Staudinger-Seybold, Randnr. 8 zu § 2065.
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Losens durch eigene Entschließung zur Bedingung der Erbeinsetzung gemacht. Selbstverständlich kann aber jeder der Berufenen auf die ihm eröffnete Gewinnchance verzichten mit der Wirkung, daß dann der andere ohne Losung Erbe wird39 • Bis zur Entscheidung durch das Los sind die gesetzlichen Erben gemäߧ 2105 II Vorerben. Gegen das Verbot des§ 2065 verstößt auch eine Verfügung, worin der Erblasser die Auswahl unter mehreren von ihm bezeichneten Personen dem freien oder pflichtgemäßen Ermessen eines Dritten überläßt40 • Das Reichsgericht41 hat es aber für zulässig erklärt, daß sich der Erblasser damit begnügt, einen begrenzten Kreis von Personen anzugeben, aus dem der Erbe nach bestimmten sachlichen Gesichtspunkten, zum Beispiel seiner Eignung für die Übernahme eines Gutes oder eines Geschäfts, durch einen Dritten bindend ausgewählt werden soll. Allerdings muß der Personenkreis so eng begrenzt und die Gesichtspunkte für die Auswahl müssen so genau festgelegt sein, daß für eine Willkür des Dritten kein Raum bleibt, sondern die Entscheidung auf sein Urteil über das Vorliegen der Voraussetzungen abgestellt ist 42 • Johannsen43 hat die Ausführungen des Reichsgericht mit Recht einer einschränkenden Korrektur unterworfen: Die sachlichen Gesichtspunkte, nach denen der Bedachte auszuwählen ist, haben so klar und eindeutig zu sein, daß weder dem subjektiven Wollen noch dem Ermessen desjenigen, der die Wahl vorzunehmen hat, Raum bleibt. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn die Auswahl von jeder Person, welche die erforderliche Sachkunde besitzt, in derselben Weise getroffen würde 44 •
b) Die Bestimmung des Gegenstandes der Zuwendung Die Bestimmung des Gegenstandes der Zuwendung kann gemäß § 2065 II ebenfalls nicht einem anderen überlassen werden. Hierunter OLG Kiel SchlHolstAnz. 1937, 109. Staudinger-Seybold, Randnr. 9 zu § 2065. Die Protokolle V, 29 f., bezeichnen die Zulässigkeit der Auswahl der Erben durch einen Dritten und die Bestimmung der Erbteile durch ihn einerseits als unnötig, andererseits als bedenklich, besonders weil sich die Erbschaftsgläubiger und Erbschaftsschuldner häufig nicht in der Lage befänden, mit Sicherheit und rechtzeitig zu erfahren, wer und wann gewählt worden und wer mithin als Erbe zu betrachten sei. Deshalb soll eine solche Verfügung schlechthin nichtig sein. Der Entwurf I §§ 1770 S. 2, 1777 S. 2 wollte solche Erbeinsetzungen in der Weise aufrechterhalten, daß die mehreren Bezeichneten Miterben zu gleichen Anteilen sein sollten. 4t RGZ 159, 296 (299). 42 Bedenken gegen dieses Urteil bei Kipp-Coing, § 18 III 4, S. 85. 43 RGRK, A. 16 zu § 2065. Ihm zustimmend Palandt-Keidel, A. 2 b aa zu 39
40
§ 2065. 44
Ebenso bereits Dietz, 44; vgl. ferner BGHZ 15, 199 (203).
10 v. Lübtow, Erbrecht
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fällt zum Beispiel eine Verfügung, die den X zum Vermächtnisnehmer einsetzt, die Bestimmung der Höhe der vermachten Summe jedoch dem Y überläßt. Gegen die Vorschrift des§ 2065 II verstößt es auch, wenn der Erblasser A, B und C zu Erben beruft, die Festsetzung der Erbquoten jedoch einem Dritten überträgt45 • Ist Vor- und Nacherbschaft angeordnet, dann gehören zu den Bestimmungen über den Gegenstand der Zuwendung auch diejenigen über den Zeitpunkt, in dem die Nacherbfolge eintreten soll 46 • Denn die Zuwendung besteht hier darin, daß der Vorerbe Eigentümer des ihm zugewandten Vermögens für einen bestimmten Zeitraum wird. Die Dauer seiner Berechtigung bildet einen Bestandteil des Gegenstandes der Zuwendung47 • Ebenso ist der Umfang der dem Nacherben gemachten Zuwendung von dem Zeitpunkt abhängig, in dem der Nacherbfall eintriW8 • Deshalb kann der Erblasser es nicht dem Willen dritter Personen, auch nicht einem Testamentsvollstrecker, überlassen, diesen Zeitpunkt zu bestimmen49 • IV. Aus n ahmen Für die Erbeinsetzung gelten die Vorschriften des § 2065 schlechthin. Ausnahmen sind dagegen vorgesehen für das Vermächtnis und die Auflage sowie für die Testamentsvollstreckung.
a) Bestimmungsrecht des Beschwerten oder eines Dritten 1. Mehrere Bedachte
Der Erblasser kann mehrere Personen mit einem Vermächtnis in der Weise bedenken, daß der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, wer von ihnen das Vermächtnis erhalten soll(§ 2151). 2. Alternativ Bedachte
Hat der Erblasser mehrere Personen alternativ mit einem Vermächtnis bedacht, so ist nach § 2152 anzunehmen, daß der Beschwerte bestimmen soll, wer von ihnen das Vermächtnis erhält. 45 BGHZ 15, 199 (200). Nach dem Entwurf I § 1777 S. 2 sollte der Erblasser die Bestimmung der Erbanteile einem Dritten überlassen dürfen. Diese Vorschrift ist indessen von der zweiten Kommission abgelehnt worden (Protokolle V, 29, 30). 46 BGHZ 15, 199 (200 f.). 47 BGHZ, a. a. 0. 48 BGHZ, a. a. 0. 49 BGHZ, a. a. 0., 203 f.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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b) Verteilung eines vermachten Gegenstandes Der Erblasser kann mehrere Personen in der Weise mit einem Vermächtnis bedenken, daß der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, was jeder von dem vermachten Gegenstand erhalten soll (§ 2153).
c) Bestimmung nach billigem Ermessen Der Erblasser kann bei Anordnung von Vermächtnissen und Auflagen, deren Zweck er bestimmt hat, die Bestimmung der Leistung dem billigen Ermessen des Beschwerten oder eines Dritten überlassen (§ 2156, 2192).
d) Bestimmung des Begünstigten Bei Auflagen, deren Zweck bestimmt ist, kann auch die Bestimmung der Person, an welche die Leistung erfolgen soll, dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen werden(§ 2193 I).
e) Bestimmung des Testamentsvollstreckers Der Erblasser darf die Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers einem Dritten oder dem von ihm um die Ernennung ersuchten Nachlaßgericht überlassen(§§ 2198, 2200). C. Die Fähigkeit zur Errichtung eines Testaments
Die Fähigkeit, ein Testament zu errichten, es zu ändern oder zu widerrufen, - die sogenannte Testierfähigkeit - deckt sich nicht mit der allgemeinen Fähigkeit zur Vornahme von Rechtsgeschäften. Wer ein Testament errichtet, bindet sich weder zu seinen Lebzeiten noch erlebt er die Wirkung seiner Verfügung. Es hat daher einerseits keinen Sinn, hier die Folgen der sogenannten beschränkten Geschäftsfähigkeit eintreten zu lassen, da diese den beschränkt Geschäftsfähigen vor einer Schädigung durch eigene Handlungen schützen solP. Andererseits kann die Rechtsordnung unmöglich einem unreifen oder nicht im Vollbesitz seiner Sinne befindlichen Menschen eine so wichtige Befugnis anvertrauen, wie es die der Testamentserrichtung ist. Der Erblasser muß in der Lage sein, sich über die Tragweite seiner Anordnungen, vor allem auch über ihre Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für und gegen die sittliche Berechtigung seiner Verfügungen sprechen, ein klares Bild zu machen und nach dieser Erkenntnis frei von Einflüssen etwaiger in1
10"
Binder, Grundriß, 14.
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1. Hauptteil.
2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
teressierter Dritter zu handeln 2 • Daraus ergibt sich die Eigenart der einschlägigen Bestimmungen des BGB. Das Gesetz kennt keine beschränkte Testierfähigkeit und schließt eine Vertretung des Testierunfähigen schlechthin aus (§ 2064). Dies sind Folgerungen aus dem personenrechtlichen Grundsatz der freien Selbstbestimmung des Testators: ein Erblasser soll entweder aus seinem eigenen freien Willensentschluß oder gar nicht testieren können3 • Beim Erbvertrag verlangt das Gesetz ebenfalls den persönlichen Abschluß (§ 2274), aber darüber hinaus die volle Geschäftsfähigkeit (§ 2275 I), einmal weil die Handlung des Erblassers eine freie, selbstbestimmte sein soll, zum andern weil ein bindender Rechtszustand geschaffen wird. I. Beginn der Testierfähigkeit
a) Vollendung des sechzehnten Lebensjahres Die Testierfähigkeit beginnt mit der Vollendung des sechzehnten Lebensjahres(§ 2229 I) 4 • Für die Bestimmung dieser Altersgrenze war rein äußerlich maßgebend der Beginn der Eidesmündigkeit (§ 393 Nr. 1 ZPO; § 60 Nr.1 StPO) und der Ehemündigkeit der Frau (§ 1303 BGB alter Fassung, § 1 I EheG) 5 • Beides hat zwar mit der Fähigkeit, erbrechtliche Geschäfte vorzunehmen, nichts zu tun6 , aber irgendeine Grenze mußte notwendig bestimmt werden, wobei es ohne eine gewisse Willkürlichkeit nicht abgeht. Deshalb lag es nahe, an den Beginn der Eidesmündigkeit und der Ehemündigkeit anzuknüpfen7 • Als innerer Grund für die vorzeitige Zuerkennung der Testierfähigkeit galt, daß die minderjährigen Waisen in allzu starker Abhängigkeit von ihren Verwandten ständen, wenn diesen eine unentziehbare gesetzliche Erbhoffnung zukäme 8 , eine Motivierung, die nicht sehr überzeugend wirkt. Es läßt sich bezweifeln, ob es rechtspolitisch empfehlenswert ist, die Testierfähigkeit vor Erreichung der Volljährigkeit beginnen zu lassen. Erst vom Volljährigen kann man allenfalls erwarten, daß er genügende Einsicht in seine Pfiich2
BGH FamRZ 1958, 127; BayObLGZ 1962, 224; Palandt-Keidel, A. 6 c bb zu
§ 2229.
Binder, a. a. 0., 14 f. Dies stimmt mit Art. 903 des Code civil überein. Nach dem Preuß. ALR I, 12, § 16, dem Sächsischen BGB § 2066 und dem Österreichischen ABGB §§ 21, 569 beginnt die Testierfähigkeit mit dem vollendeten 14. Lebensjahr, nach Gemeinem Recht mit vollendetem 12. Jahr bei Mädchen und mit vollendetem 14. Jahrbei Knaben. s Motive V, 248. 6 Endemann III 1, 267. 7 Auf die Ehemündigkeit verweist auch die amtliche Begründung zum TestG, Beck'sche Textausgabe, S. 8. 8 Motive, a. a. 0. Dazu Endemann, a. a. 0. 3
4
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
149
ten, hinreichende Erfahrung in Vermögensangelegenheiten besitzt, um für die Zukunft besonnene und gewissenhafte Dispositionen treffen zu können9 • Wer noch nicht sechzehn Jahre alt ist, kann kein Testament errichten, und zwar weder persönlich noch durch einen Vertreter (§ 2064). Er ist testierunfähig. Ein von ihm errichtetes Testament ist nichtig und bleibt es, auch wenn der Minderjährige das sechzehnte Lebensjahr überlebt.
b) Das Testament des über sechzehnJahrealten Minderjährigen 1. Keine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters Ein Minderjähriger bedarf bis zu seiner Volljährigkeit zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (§ 107). Diese Schutzvorschrift greift bei der Errichtung eines Testaments aus dem bereits angeführten Grunde nicht ein10 • Um jeden Zweifel abzuschneiden, ordnet § 2229 li an, daß hier die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht notwendig ist. 2. Formerschwerungen Doch stehen einem Minderjährigen nicht sämtliche Testamentsformen zu Gebote. Ein privatschriftliches Testament kann der Minderjährige überhaupt nicht errichten (§ 2247 IV), ein öffentliches Testament nur mündlich oder durch Übergabe einer offenen Schrift (früher § 2238 III; jetzt§ 2233 I neuer Fassung:§ 57 III Nr. 7 BeurkG). II. Testament eines unter vorläufige Vormundschaft gestellten Erblassers Wer unter vorläufige Vormundschaft gestellt ist, steht in der Geschäftsfähigkeit einem Minderjährigen gleich (§ 114). Er würde also zu 8 Endemann III 1, 268. Daher ist es verwunderlich, wenn die Motive, a. a. 0., den Sechzehnjährigen für reif genug hielten, eine "selbständige und überlegte Willenserklärung" abzugeben. Der Erbrechtsausschuß der Akademie fürDeutsches Recht schlug deshalb in seiner 1. Denkschrift 1937, 29, 33, eine Erhöhung der Altersgrenze auf das vollendete achtzehnte Lebensjahr vor, um eine stärkere Sicherung gegen unreife Verfügungen zu schaffen. Aber weder das TestG noch das Gesetz vom 5. 3. 1953 sind dieser Anregung gefolgt. Bereits die Motive, a. a. 0., haben die Altersgrenze von achtzehn Jahren abgelehnt, weil sie sich nur in wenigen geltenden Rechten finde, auch nicht folgerichtig gegenüber den Prozeßgesetzen erscheine und eine neue Unterscheidung in Ansehung des Lebensalters im Reichsrecht herbeiführen würde. Auch die zweite Kommission hat schließlich an der Regelung des Entwurfs I festgehalten (Protokolle V, 317 ff.). to Vgl. oben S. 147.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
einem ihm nicht lediglich einen Vorteil bringenden Rechtsgeschäft der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedürfen. Abweichend hiervon erklärt Abs. II auch die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des unter vorläufige Vormundschaft gestellten Volljährigen für nicht erforderlich. Kommt es zur Entmündigung, so ist das nach Stellung des Entmündigungsantrages errichtete Testament nichtig (§ 2229 III S. 2). Wird der Antrag auf Entmündigung zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen oder wird der die Entmündigung aussprechende Beschluß infolge einer Anfechtungsklage aufgehoben, so ist das Testament nach § 115 II wirksam. Praktische Bedeutung hat also § 2229 II nur dann, wenn der unter vorläufige Vormundschaft Gestellte nach dem Entmündigungsantrag testiert und stirbt, bevor über den Antrag entschieden ist11 • III. T e s t i e r u n f ä h i g k e i t d e s E n t m ü n d i g t e n
a) Die Entmündigung Entmündigt kann werden: 1. wer infolge von Geisteskrankheit oder Geistesschwäche seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag; 2. wer durch Verschwendung sich oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt; 3. wer infolge von Trunksucht seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder sich oder seine Familie der Gefahr des Notstands aussetzt oder die Sicherheit anderer gefährdet (§ 6 1). Der wegen Geisteskrankheit Entmündigte ist geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 3); seine Willenserklärungen sind nichtig (§ 105 1). Wer wegen Geistesschwäche, wegen Verschwendung oder Trunksucht entmündigt ist, steht zwar einem Minderjährigen gleich, so daß er beschränkt geschäftsfähig ist (§ 114). Einem Entmündigten fehlt aber gemäß § 2229 III S. 1 die Testierfähigkeit ganz, gleichviel aus welchem Grunde die Entmündigung erfolgt ist; es gibt keine beschränkte Testierfähigkeit12• Ein von ihm errichtetes Testament ist nichtig, und zwar auch dann, wenn er trotz der Entmündigung zur Zeit der Errichtung des Testaments geistig gesund war. Lichte Zwischenräume (lucida intervalla) bleiben also unberücksichtigt.
b) Beginn der Testierunfähigkeit mit Stellung des Entmündigungsantrags Die Testierunfähigkeit tritt gemäß § 2229 III S. 2 bereits mit der Stellung des Antrags ein, aufgrund dessen die Entmündigung später erfolgt. Diese Vorschrift beruht darauf, daß man dem zu Entmündigenden 11 12
Leopold, 14; Vogels-Seybold, Randnr. 6 zu§ 1 TestG. Binder, Grundriß, 14; Lange,§ 17 II 1, S.161; Siber, Grundriß, 25.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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die Möglichkeit entziehen wollte, zu Ungunsten des in der Regel dem nächsten Verwandtenkreis angehörenden Antragstellers zu verfügen13 •
c) Tod des Entmündigten vor Rechtskraft des Entmündigungsbeschlusses Solange der die Entmündigung aussprechende Beschluß noch nicht unanfechtbar geworden ist- die Anfechtungsfrist läuft noch oder über die fristgerecht erhobene Anfechtungsklage (§§ 664, 684 ZPO) ist noch nicht rechtskräftig entschieden - kann man den Entmündigungsbeschluß nicht als unbedingt richtig behandeln14 • Vielmehr bleibt seine Rechtmäßigkeit im ungewissen 15 • Daher bestimmt § 2230 I, daß die Entmündigung der Gültigkeit des Testaments nicht entgegensteht, wenn der Entmündigte vor Eintritt der Unanfechtbarkeit stirbt. Wird allerdings nachgewiesen, daß der Entmündigte zur Zeit des Testaments willensunfrei war, so ist das Testament nach§ 2229 IV nichtig.
d) Testamentserrichtung nach dem Antrag, die Entmündigung wieder aufzuheben 1. Wiederherstellung der Testierfähigkeit
Die Entmündigung ist wieder aufzuheben, wenn der Grund der Entmündigung wegfällt (§ 6 II). Die Wiederaufhebung erfolgt nur auf Antrag (§ 675 ZPO). Wird die Entmündigung wieder aufgehoben, so ist die aus § 2229 II folgende Testierunfähigkeit des Entmündigten beseitigt. Die Wiederherstellung der Testierfähigkeit verlegt § 2230 II auf den Zeitpunkt der erfolgreichen Antragstellung zurück. Dies geschieht, weil die Besserung in dem Geisteszustand oder in dem Verhalten des Entmündigten in der Regel schon zur Zeit des Antrags vorhanden gewesen sein wird16• Trotzdem ist das Testament keineswegs nunmehr schlechthin gültig. Vielmehr steht der Beweis offen, daß zur Zeit der Testamentserrichtung, also nach Stellung des Antrags auf Wiederaufhebung der Entmündigung, die Voraussetzungen des§ 2229 IV vorgelegen haben17• Protokolle V, 324. Protokolle V, 326. Palandt-Keidel, A. 1 zu§ 2230. 18 Protokolle V, 326; Planck-Strecker, A. 3 zu § 2230; Vogels-Seybold, Randnr. 2 zu § 3 TestG, der dem bisherigen § 2230 entspricht; Palandt-Keidel, A. 2 zu § 2230; Staudinger-Firsching, Randnr. 3 zu § 2230. Den im Text angegebenen Grund der Vorschrift hält F. Leonhard, A. II zu§ 2230, nicht für überzeugend. 17 P. Meyer, 144; Endemann III 1, 274; Planck-Strecker, A. 3 zu § 2230; Palandt-Keidel, A. 2 zu § 2230; RGRK-Kregel, A. 2 zu § 2230; Staudinger-Firsching, Randnr. 3 zu § 2230. 13
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
2. Tod des Entmündigten vor Entscheidung über den Wiederaufhebungsantrag Die Anwendung des Abs. II des § 2230 setzt voraus, daß die Entmündigung wieder aufgehoben wird. Stirbt der Entmündigte, bevor über den Wiederaufhebungsantrag entschieden wird, so ist sein Testament auch dann nichtig, wenn es erst nach Stellung des Aufhebungsantrags errichtet worden ist, mochte dieser auch aussichtsreich sein. Der Antrag wird in diesem Fall gegenstandslos; es bleibt bei der Ungültigkeit des Testaments18 •
e) Widerruf eines vor der Entmündigung errichteten Testaments Ein wegen Geisteskrankheit Entmündigter kann ein vor der Entmündigung errichtetes Testament nicht widerrufen (§ 2229 III). Die Entmündigung des Erblassers wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht steht jedoch dem Widerruf eines vor der Entmündigung errichteten Testaments nicht entgegen (§ 2253 Il), sofern nicht einer der Tatbestände des § 2229 IV zutrifft. IV. Test i er unfähig k e i t wegen Geistesund Bewußtseinsstörung Nach § 2 II TestG war testierunfähig auch, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewußtseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Diese Vorschrift ist in § 2229 IV übernommen worden. Sie unterscheidet sich von den §§ 104 Nr. 2, 105 II zunächst dadurch, daß neben der "krankhaften Störung der Geistestätigkeit" die "Geistesschwäche" besonders genannt wird. Außerdem ist das Tatbestandsmerkmal des "Ausschlusses der freien Willensbestimmung" entsprechend dem §51 StGB gemeinverständlich umschrieben worden. Eine sachliche Änderung gegenüber den früher geltenden Vorschriften der §§ 104 Nr. 2, 105 II war nicht beabsichtigt. 18 RGRK-Kregel, A. 3 zu § 2230; Palandt-Keidel, A. 2 zu § 2230; ErmanHense, A. 2 zu§ 2230; Bartholomeyczik, § 15 III, S. 84; Ehard-Eder in SoergelSiebert, Randnr. 2 zu§ 2230; Vogels-Seybold, Randnr. 3 zu§ 3 TestG, schlagen, dem AG Breslau DJ 1937, 945, folgend, eine Fortführung des Aufhebungsverfahrens vor und halten einen Beschluß für zulässig, der feststellt, daß vor dem Tode des Entmündigten die Voraussetzungen für die Wiederaufhebung der Entmündigung gegeben waren. Ihnen zustimmend Staudinger-Firsching, Randnr. 5 zu§ 2230; RGRK-Denecke 11 , A. 9 zu§ 6; Kipp-Coing, § 17 I 3 b, S. 81 A. 10. Aber die ZPO kennt kein objektiviertes Verfahren. Lange, § 17 II 3 c, S. 163, will deshalb eine Feststellungsklage durchführen.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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Der Begriff der "krankhaften Störung der Geistestätigkeit" umfaßte bereits nach § 104 Nr. 2 die Geistesschwäche, unter der lediglich ein geringerer Grad von Geisteskrankheit zu verstehen ist 19 • Zwischen einer dauernden oder nur vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit wird nicht unterschieden20 • Die Nichtigkeit aufgrund des § 2229 IV tritt nicht ein, wenn sich der Erblasser bei Errichtung des Testaments in einem "lichten Zwischenraum" (lucidum intervallum) befand 21 • Denn in diesem Fall ist die freie Willensbestimmung des Erblassers nicht ausgeschlossen. Dagegen bleiben gemäß § 2229 III lichte Augenblicke im Fall der Entmündigung unberücksichtigt. Es gibt keine abgestufte Testierfähigkeit in dem Sinn, daß der Erblasser zwar nicht mehr zur Errichtung eines schwierigen Testaments, wohl aber zur Errichtung eines einfachen Testaments rechtlich fähig wäre 22 • Vielmehr muß er nur in der Lage sein, sich über die Tragweite seiner letztwilligen Anordnungen, insbesondere auch über ihre Auswirkung auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen und über die Gründe, die für und gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, ein klares Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln 23 • In § 2229 IV ist außer Geisteskrankheit und Geistesschwäche auch die Bewußtseinsstörung aufgeführt, die an die Stelle der "Bewußtlosigkeit" (§ 105 II) getreten ist. § 2 II TestG nannte als Hauptbeispiel die Trunkenheit. Auch die Bewußtseinsstörung kommt als Nichtigkeitsgrund nur dann in Betracht, wenn sie so schwer war, daß sie die freie Willensbestimmung des Erblassers ausschloß. V. D i e faktische T es t i er unfähig k e i t Eine tatsächliche Unmöglichkeit zur Errichtung eines Testaments kann sich bei bestehender Testierfähigkeit daraus ergeben, daß der Erblasser die zur Verfügung stehenden Testamentsformen nicht zu erfüllen vermag24 • So kann ein Minderjähriger oder jemand, der Geschriebenes nicht zu lesen instande ist, kein privatschriftliches Testa19 Vogels-Seybold, Randnr. 5 zu § 2 TestG; RGRK-Kregel, A. 12 zu § 2229; Staudinger-Firsching, Randnr. 15 zu § 2229; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 5 zu § 2229. 20 Vogels-Seybold, a. a. 0.; RGRK-Kregel, a. a. 0.; Staudinger-Firsching, Randnrn. 14, 15 zu§ 2229; Ehard-Eder, a. a. 0.; Bartholomeyczik, § 16 IV, S. 84. 21 Vogels-Seybold, Randnr. 6 zu § 2 TestG; RGRK-Kregel, a. a. 0.; Staudinger-Firsching, Randnr. 19 zu § 2229; Palandt-Keidel, A. 6 c bb zu § 2229, Erman-Hense, A. 3 zu§ 2229; Ehard-Eder, a. a. 0.; Kipp-Coing, § 17 I 1, S. 80; Bartholomeyczik, a. a. 0., 84 f. 22 OGHZ 2, 45 (53).
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
ment errichten (§ 224 7 IV), sondern nur ein öffentliches Testament, und zwar der Minderjährige nur durch mündliche Erklärung oder Übergaqe einer offenen Schrift (früher § 2238 III, jetzt § 2233 I neuer Fassung: § 57 III Nr. 7 BeurkG), wer nicht imstande ist, Geschriebenes zu lesen, nur durch mündliche Erklärung (früher § 2238 IV, jetzt § 2233 II neuer Fassung). Überhaupt nicht zur Errichtung eines Testaments imstande sind stumme Schreibensunkundige und -unfähige (früher § 2243 I, jetzt § 2233 III}, da ihnen sowohl die schriftliche Erklärung beim öffentlichen Testament (früher § 2243 I S. 2, jetzt § 31 S. 1 BeurkG) als auch die Niederschrift beim eigenhändigen Testament (§ 2247 I) nicht möglich ist; ebenso stumme Lesensunkundige (früher § 2238 IV, jetzt § 2233 II neuer Fassung; § 2247 IV), stumme Blinde, welche die Blindenschrift nicht beherrschen25. VI. Ergänzende Bemerkungen
a) Der für die Testierfähigkeit maßgebende Zeitpunkt Die Testierfähigkeit muß beim Abschluß des Errichtungsvorganges vorhanden sein. Der Umstand, daß der Erblasser zur Zeit der Niederschrift eines Teiles der Testamentsurkunde testierunfähig war, steht der Gültigkeit des ganzen Testaments nicht entgegen 26 • Das Gesetz erfordert keine Einheit der Errichtungshandlung. Erlangt der Erblasser später die Testierfähigkeit, so wird das Testament dadurch nicht gültig 27 , wohl aber, wenn er es formgerecht bestätigt (§ 141 I} 28 • Erleidet der Erblasser, nachdem er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte dem Notar die Einzelheiten eines zu errichtenden Testaments angegeben hatte, einen Schlaganfall mit der Folge der Bewußtseinstrübung, so ist die in diesem Zustand vorgenommene Errichtung des Testaments durch mündliche Genehmigung des vom Notar nach den Angaben des Erblassers verfaßten Testaments wirksam, wenn der Erblasser die Bedeutung des verlesenen Testaments noch erkennen und sich frei entschließen konnte, ob 2a BGH FamRZ 1958, 127 (128);RGRK-Kregel, Randnr. 14 zu§ 2229; PalandtKeidel, A. 6 c bb zu § 2229; Erman-Hense, A. 3 zu§ 2229; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 5 zu§ 2229. 24 Motive V, 251 f.; Strohal I, 86 f.; Kretzschmar, § 15 VII, S. 73 f.; P. Meyer, 144; Planck-Strecker, A. 3 b zu § 2229; A. 5 zu § 2238; A. 1 zu § 2243; A. 2 zu § 2247; Bartholomeyczik, § 16 IV, S. 84. 25 Palandt-Keidel, A. 6 c dd zu§ 2229. 2 & Demburg-Engelmann V, 74 A. 1; Planck-Strecker, A. 4 zu § 2229; A. 5 zu § 2231; RGRK-Kregel, A.18 zu§ 2247; RGZ 111,247 (252); 115,111 (114); Staudinger-Firsching, Randnr. 28 zu § 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 6 zu § 2229. 27 RGZ 111, 252. 2B F. Leonhard, A. IV zu § 2229; Kretzschmar, § 15 VI, S. 73; P. Meyer, 143 A.16; Endemann 1111, 271; Planck-Strecker, A. 4 zu § 2229; Staudinger-Firsching, Randnr. 26 zu § 2229.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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er zustimmen oder ablehnen wolle. Die Bejahung der Testierfähigkeit setzt hier nicht voraus, daß der Erblasser bei Verlesung und Genehmigung des Testaments noch in der Lage war, den Inhalt des Testaments von sich aus zu bestimmen und zum Ausdruck zu bringen29 •
b) Prüfung der Testierfähigkeit vor Errichtung eines öffentlichen Testaments Nach § 2241 a III (früher § 14 III TestG) sollte der Richter oder Notar vor der Aufnahme eines öffentlichen Testaments die Testierfähigkeit von Amts wegen prüfen und seine Wahrnehmung über die Testierfähigkeit in der Niederschrift angeben. Diese Verpflichtung galt auch für den Bürgermeister bei der Aufnahme eines Nottestaments (§ 2249 I). Nach§ 11 I S. 1 des Beurkundungsgesetzes vom 28. 8. 1968 (BeurkG), in Kraft seit dem 1. 1. 1970, soll die Beurkundung abgelehnt werden, wenn einem Beteiligten- hier also dem Erblasser (§ 6 II BeurkG) - die erforderliche Geschäftsfähigkeit, wozu auch die Testierfähigkeit gehört, fehlt. Zweifel an der erforderlichen Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten soll der Notar in der Niederschrift feststellen (§ 11 I S. 2 BeurkG). Gemäß § 28 BeurkG soll der Notar in jedem Fall seine Wahrnehmungen über die Geschäftsfähigkeit des Erblassers in der Niederschrift vermerken. Ist ein Beteiligter schwer krank, so soll dies in der Niederschrift angegeben und gesagt werden, welche Feststellungen der Notar über die Geschäftsfähigkeit getroffen hat. Die§§ 11 I S. 2, II und 28 finden auch auf das Nottestament vor dem Bürgermeister Anwendung (§ 2249 I neuer Fassung).
c) Beweislast Wer einem ordnungsmäßig errichteten Testament gegenüber die Testierunfähigkeit des Erblassers zur Zeit der Errichtung behauptet, ist dafür beweispfiichtig, da sie eine Ausnahme von der Regel bildet30 • Diese Beweislast ist dann umgekehrt, wenn beim eigenhändigen Testament der Tag der Errichtung nicht angegeben ist(§ 2247 V). War der Erblasser zeitweise testierunfähig, so muß derjenige, der sich auf das Testament beruft, nachweisen, daß es zu einer Zeit errichtet ist, als der Erblasser nicht geistesgestört war 31 • 29 BGHZ 30, 294 ff. Zustimmend RGRK-Kregel, a. a. 0.; Palandt-Keidel, a. a. 0.; Erman-Hense, a. a. 0.; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 6 zu
§ 2229.
30 Planck-Strecker, A. 5 zu § 2229 mit Nachweisen; Vogels-Seybold, Randnr. 9 zu § 2 TestG; RGRK-Kregel, A.l6 zu § 2229; Palandt-Keidel, A. 7 zu § 2229; Erman-Hense, A. 3 zu § 2229; Staudinger-Firsching, Randnr. 28 zu § 2229; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 7 zu § 2229; Randnr. 6 zu § 2078; Kipp-Coing, § 17 I 4, S. 82. 31 Vogels-Seybold, a. a. 0.; Palandt-Keidel, A. 7 zu § 2229; A. 4 b zu § 2247; RGRK-Kregel, a. a. 0.; Ehard-Eder, a. a. 0.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
Im Erbscheinsverfahren prüft das Gericht von Amts wegen die Frage der Testierfähigkeit (§ 2358 BGB, § 12 FGG). Auch für diese Prüfung gilt jedoch der Grundsatz, daß eine Störung der Geistestätigkeit des Erblassers die Ausnahme darstellt und in der Regel Testierfähigkeit anzunehmen ist mit der Folge, daß der Erblasser solange als testierfähig betrachtet werden muß, als die angestellten Ermittlungen nicht das Gegenteil ergeben32 • D. Die Formen der Errichtung
I. Überblick Das BGB unterscheidet zwei ordentliche Testamentsformen: das öffentliche Testament und das handgeschriebene (holographische) Privattestament (§ 2231). Daneben gibt es als außerordentliche Errichtungsformen die Nottestamente (§§ 2249-2252). Nach§ 2231 Nr. 1 alter Fassung konnte das öffentliche Testament auch vor einem Richter errichtet werden. Seit dem BeurkG vom 28. 8. 1969 (§57 III Nr. 5) ist wie in der Mehrzahl aller Beurkundungsfälle der Notar ausschließlich zuständig(§ 2231 Nr. 1 neuer Fassung). Der Richter soll weitgehend von allen Aufgaben befreit werden, die keine Rechtsprechung sind. Alle Formen haben untereinander denselben Rang. Jedes Testament kann durch ein in einer anderen Form errichtetes ergänzt, geändert oder widerrufen werden1 • II. Vergleich des öffentlichen Testaments und des Privattestaments 2 Das öffentliche Testament hat den Vorzug, daß es immer in amtliche Verwahrung genommen wird (früher § 2246, jetzt § 34 BeurkG) und im Grundbuchverkehr den Erbschein zum Nachweis der Erbfolge erspart (§ 35 GBO). Das Privattestament dagegen wird nur auf besonderen Antrag des Erblassers amtlich aufbewahrt (§ 2248). Natürlich kann sich der Testator bei Abfassung eines Privattestaments von einer rechtskundigen Person beraten lassen. Bei Errichtung eines öffentlichen Testaments dagegen sollte der Richter oder Notar den Erblasser auf Bedenken gegen den Inhalt seiner mündlichen Erklärung oder der offen übergebenen Schrift und auf Zweifel an der Gültigkeit des Testaments hinweisen (§ 2241 b). Jetzt gilt § 17 in Verbindung mit § 30 S. 4 BeurkG. Will der 32 1 2
Staudinger-Firsching, Randnr. 29 zu§ 2229; Ehard-Eder, a. a. 0. Bartholomeyczik, § 16 III, S. 84. Näheres bei Vogels-Seybold, Randnrn. 6, 7 zu§ 4 TestG.
5. Kapitel: Das Testament- § 3. Errichtung
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Erblasser heimlich testieren, dann muß er eine verschlossene Schrift übergeben (früher § 2238 II, jetzt § 2232 S. 2 neuer Fassung) oder sich der privaten Testamentsform bedienen. III. Bedeutung und Auslegung der Formvorschriften
a) Der Unterschied zwischen Muß- und Sollvorschriften Das BGB und das BeurkG unterscheiden zwischen zwei Arten von Formvorschriften, nämlich zwingenden Vorschriften (Mußvorschriften) und bloßen Ordnungsvorschriften (Sollvorschriften). 1. Zwingende Formvorschriften
Verletzung einer zwingenden Formvorschrift hat nach§ 125 S. 1 Nichtigkeit des Testaments zur Folge. Wenn eine zwingende Regel aufgestellt werden soll, bedienen sich das BGB und das BeurkG meistens des Wortes "muß" oder der Worte "kann nur" (Beispiele:§ 2233 I BGB n. F.; §§ 8, 9, 13, 23, 24, 24 I S. 2, 30 S. 1, 31 S. 1, 32 BeurkG). Es gibt aber eine Reihe von Mußvorschriften, deren Nichtbeachtung die Gültigkeit des Testaments nicht berührt (§§ 2249 VI, 2250 III). 2. Ordnungsvorschriften Ordnungsvorschriften sind nicht zwingend. Ihre Nichtbeachtung läßt die Gültigkeit des Testaments unberührt. Der Richter oder Notar ist jedoch verpflichtet, auch Ordnungsvorschriften einzuhalten. Läßt er sie außer acht, so begeht er eine Amtspfiichtverletzung3 • Will das Gesetz ausdrücken, daß es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt, so verwendet es das Wort "soll" (Beispiele: früher §§ 2233 II S. 1, 2; 2237, 2241 II, 2241 a II, III, 2241 b, 2246; jetzt §§ 9 II, 10, 11, 13 I S. 2, 4, § 16 I, II S. 2, 3, 4, §§ 17, 22, 24 I, 26, 28, 29, 30 S. 2-5, 31 S. 2, 34 BeurkG). 3. Richtpunkte für die Abgrenzung von Muß- und Sollvorschriften Das TestG wollte, wie sein Vorspruch ergibt, die Anforderungen an die Errichtung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen so gestalten, daß einerseits unnötige Formstrenge vermieden, andererseits eine zuverlässige Wiedergabe des Willens des Erblassers sichergestellt wird. Dieser Grundeinstellung entsprechend hat das TestG die Zahl der 3 Vogels-Seybold, Randnr. 2 zu§ 9 TestG; Einleitung III Nr. 1 der Begründung zum BeurkG, S. 24 (Bundestags-Drucksache V, 3282); Bericht des Rechtsausschusses II a, S. 1 (Bundestags-Drucksache V/4014).
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1. Hauptteil.
2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
Mußvorschriften im Vergleich zum BGB in seiner bisherigen Fassung erheblich vermindert und sich, soweit nur möglich, mit bloßen Sollvorschriften begnügt. Die Milderungen sind durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts vom 5. 3. 1953 (BGBl. I, 33) in das BGB übernommen worden. Das BeurkG hat die Zahl der bisherigen Mußvorschriften weiter eingeschränkt. Dies gilt etwa von den Vorschriften, nach denen der Tag der Verhandlung in der Niederschrift angegeben werden muß (§ 2241 I Nr. 1 BGB, jetzt§ 9 II BeurkG), ferner für die Zuziehung von Zeugen (bisher § 2233 BGB, jetzt § 22 BeurkG), mit Ausnahme des Schreibzeugen, wenn ein Beteiligter seinen Namen nicht schreiben kann(§ 25 BeurkG). Der Gesetzgeber steht auf dem Standpunkt, es widerspreche den Belangen des Bürgers, der auf die Beachtung der Verfahrensregel meist keinen Einfluß habe, daß ein Versehen der Urkundsperson die Unwirksamkeit des Beurkundungsaktes und in der Regel(§ 125 S. 1) auch die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge habe 3•. Deshalb sind nur noch bestimmte MindesterfordeTnisse an das Beurkundungsverfahren gestellt worden.
b) Auslegung der Formvorschriften Auch in Zukunft wird es vorkommen, daß selbst die auf ein Mindestmaß herabgesetzten Formgebote unbeachtet bleiben. In solchen Fällen ist das Testament nichtig (§ 125 S. 1). Man muß nicht die dann eintretende gesetzliche Erbfolge immer als Unglück betrachten• und juristische Drahtseilkunststücke vollführen, um Formvorschriften praktisch unwirksam zu machen. Die Gerichte sind nicht befugt, die Nichtigkeitsfolge auszuschalten, weil das Ergebnis den Umständen nach unbillig sei oder weil die Vorschrift im allgemeinen oder im besonderen Fall zwecklos sei oder ihr Zweck auf andere Weise erreicht werde 5 • Soweit der Gesetzgeber nicht selbst Ausnahmen von der Nichtigkeitsfolge zuläßt, dürfen die Gerichte nicht ihre eigene Meinung von dem, was Recht sein sollte, über den zweifelsfrei ausgedrückten Willen des Gesetzes stellen6 • Ein solches Vorgehen würde über dem Vorteil des einzelnen das allgemeine Interesse an der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit vergessen7. Auf keinen Fall geht es an, daß der Richter im Hinblick auf die Formanforderungen verschieden entscheidet, je nachdem er die Wirksamkeit des Testaments für wünschenswert ansieht oder nicht8 • Dann würde die Rechtsprechnug in gesetzlose Willkür ausarten. Nur wenn sich a•
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Einleitung III Nr. 2 der Begründung zum BeurkG, S. 24. Dagegen auch Windscheid-Kipp III, 234. RGRK-Kregel, A. 3, 4 zu§ 2247. Vgl. KG JFG 17,274. KG, a. a. 0., 274. KG,a.a.O. Unzutreffend Vogels-Seybold3 , 1943, Randnr. 7, S.177 f.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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Zweifel über den Umfang eines Formgebots ergeben, kann man der Tendenz des Gesetzes, die Formstrenge möglichst abzumildern, in der Weise Rechnung tragen, daß derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben ist, bei der eine unnötige Formstrenge vermieden wird9 • IV. Die o r den t li c h e n Testamentsformen
a) Das eigenhändige Testament Das eigenhändige (handgeschriebene) Testament (Privattestament) ist, obgleich im § 2231 erst an zweiter Stelle genannt, tatsächlich die häufigste und wichtigste Testamentsform. Deshalb soll mit ihr begonnen werden. 1. Die eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung
Das Privattestament besteht in einer "eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Erklärung"(§ 2247 I). a) Eigenhändiges Niederschreiben
Der Begriff der Eigenhändigkeit in § 2247 I ist mehrdeutig. Bei seiner Auslegung sind die vom Gesetzgeber mit der Formvorschrift verfolgten Ziele zu berücksichtigen9". Die mit dem eigenhändigen Testament verbundenen Gefahren der Verfälschung und der Unterschiebung falscher letztwilliger Verfügungen sollen nach Möglichkeit gering gehalten werden. Deshalb ist der Begriff der Eigenhändigkeit eng auszulegen9 ". Daher muß der Erblasser die schriftliche Erklärung durch eigene Schreibtätigkeit herstellen, welche die Nachprüfung der Echtheit des Testaments aufgrund der individuellen Züge gestattet, welche die Handschrift eines jeden Menschen aufweist9". Regelmäßig wird der Erblasser mit der Hand schreiben. Es ist jedoch denkbar, daß er, zum Beispiel wenn seine Hände verkrüppelt sind, die Schreibtätigkeit mit dem Mund oder dem Fuße ausführt10 • Ist das Testament von einem anderen geschrieben, so ist es nach § 125 S. 1 nichtig. Die Benutzung der Schreibmaschine oder von Stempeln hat ebenfalls stets die Nichtigkeit des Testaments zur Folge, auch wenn der Erblasser die Schreibmaschine selbst bedient oder den Stempel selbst handhabt und die Erklärung eigenhändig unterschreibt. Denn aus der so niedergelegten Erklärung ergibt sich nicht die individuelle Gestalt der SchriftRGRK-Kregel, a. a. 0. BGHZ 47, 68 (90 f.). 1° Crome V, 58 A. 2; Planck-Strecker, A. II 2 a zu § 2231; Vogels-Seybold, Randnr. 4 zu§ 21 TestG; Leopold, 46; Palandt-Keidel, A. 2 a zu§ 2247; RGRKKregel, A. 7 zu§ 2247; Staudinger-Firsching, Randnr.14 zu§ 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu§ 2247; Kipp-Coing, § 26 II 1, S. 134. 9
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züge des Erblassers, die eine Nachprüfung der Echtheit gestattet11 • § 21 TestG, dem § 2247 neuer Fassung entspricht, hat bewußt davon abgesehen, die Benutzung der Schreibmaschine zu gestatten, vielmehr an der Handschriftlichkeit festgehalten. Ein Aufgeben dieses Erfordernisses würde die Gefahr der Fälschung oder Verfälschung so erheblich vergrößern, daß der Nachteil den Nutzen weit überwiegt 12. Zulässig ist, daß ein anderer den Erblasser bei Anfertigung der handschriftlichen Erklärung unterstützt, etwa indem er dem Erblasser hilft, den Arm oder das Handgelenk zu bewegen13 . Der Erblasser darf jedoch nicht die von einem anderen geschriebene Erklärung nachmalen oder durchpausen14 • Dem Erfordernis des eigenhändigen Niederschreibens ist auch dann nicht genügt, wenn sich der Erblasser auf eine von einem anderen geschriebene Erklärung bezieht. Dagegen kann er auf eine Anlage, die er selbst geschrieben, wenn auch nicht unterschrieben hat, Bezug nehmen15. Beispiel: Der Erblasser hat in einem eigenhändigen Testament angeordnet, sein Nachlaß solle an die in der Anlage genannten Personen fallen. Hat der Erblasser die Anlage bei Niederlegung seines letzten Willens oder später selbst geschrieben, so ist die Erbeinsetzung wirksam; denn das eigenhändige Testament kann aus mehreren Blättern bestehen und die Unterschrift unter dem Testament deckt auch die darin erwähnte Anlage 16 . Die Anlage muß in einem räumlichen Verhältnis zur Testamentsurkunde stehen. Nimmt der Erblasser auf ein Schriftstück Bezug, das mit diesem Erfordernis nicht in Einklang steht, so muß es den Formvorschriften des§ 2247 entsprechen17• 11 Strohal I, 105; Dernburg-Engelmann V, 72; Crome V, 58 A. 5, 6; F. Leonhard, A. III B 2 zu § 2231; Planck-Strecker, A. II 2 a zu § 2231; Kretzschmar, § 18 II 1 a, S. 90; Binder, Grundriß, 19; Leopold, 46; Dietz, 48; Palandt-Keidel, A. 2 a aa zu § 2247; Erman-Hense, A. 2 a zu § 2247; RGRK-Kregel, A. 8 zu § 2247; Staudinger-Firsching, Randnr. 36 zu§ 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu § 2247; Kipp-Coing, § 26 II 1, S. 134; Bartholomeyczik, § 18 I 1, S. 95; BGHZ 47, 68 (70). 12 Amtliche Begründung zu§ 21 TestG. 13 Demburg-Engelmann V, 74; Crome V, 58 A. 4; F. Leonhard, A. III B 1 zu § 2231; Planck-Strecker, A. II 2 a zu § 2231; Vogels-Seybold, a. a. 0.; Leopold, 47; RGRK-Kregel, A. 8 zu§ 2247; Palandt-Keidel, A. 2 a aa zu §§ 2247; Dietz, 48; Erman-Hense, A. 2 a zu § 2247; Staudinger-Firsching, Randnrn. 14, 15 zu § 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu§ 2247; Kipp-Coing, a. a. 0., mit A. 9. Nur darf die Hand des Testators nicht so geführt werden, daß die Schriftzüge in Wirklichkeit von dem Dritten geformt sind: BGHZ, a. a. 0., 71. 14 OLG München, DNotZ 1937, 68; Planck-Strecker, A. 2 a zu§ 2231; KippCoing, § 26 II 1, S. 134; BGHZ, a. a. 0. Dagegen kann ein vom Erblasser mittels Blaupause errichtetes Schriftstück ein formgültiges Testament sein (BGHZ, a. a. 0., 71 ff.). 1s Vogels-Seybold, a. a. 0. 16 Vogels-Seybold, a. a. 0.; Näheres bei Staudinger-Firsching, Randnrn. 57
-60. 17
KG OLG 42, 140 A. 1 b.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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Sind in einer eigenhändig geschriebenen Erklärung einzelne Stellen vorgedruckt oder mit der Schreibmaschine oder auf Geheiß des Erblassers von fremder Hand geschrieben, so ist nicht notwendig das ganze Testament nach § 125 nichtig. Denn gemäß § 139 kann ein gültiger Teil eines Rechtsgeschäfts aufrechterhalten werden. An die Stelle des § 139 tritt im Erbrecht § 2085. Danach hat die Unwirksamkeit einer von mehreren in einem Testament enthaltenen Verfügungen die Unwirksamkeit der übrigen nur dann zur Folge, wenn anzunehmen ist, daß der Erblasser diese ohne die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde18 • Beispiel: Der Erblasser hat in einem eigenhändigen Testament X als Erben eingesetzt und ihn mit einem Vermächtnis beschwert, die Vermächtnisanordnung aber von fremder Hand schreiben lassen. Angenommen der Wert des Nachlasses beträgt 300.000 DM, das Vermächtnis 3.000 DM. In Anbetracht der Geringfügigkeit des Vermächtnisses im Vergleich zu dem Wert des Gesamtnachlasses kann man nicht annehmen, daß der Erblasser die Rechtsbeständigkeit der Erbeinsetzung von der Wirksamkeit des Vermächtnisses abhängig machen wollte.
ß) Äußere Form und Stoff der Urkunde Das Gesetz enthält keine Vorschriften darüber, welche äußere Form das eigenhändige Testament haben und aus welchem Stoff es hergestellt werden soll. Das Testament kann auch in Briefform abgefaßt sein. Hierbei muß jedoch geprüft werden, ob der Erblasser in dem Brief nicht lediglich mitteilen wollte, er habe an anderer Stelle ein Testament errichtet oder er beabsichtige, demnächst ein Testament zu errichten18 • Es ist auch möglich, daß sich der Erblasser zur Errichtung des Testaments einer Postkarte bedient 20 • Hat der Erblasser auf einem Fragebogen, den ihm die Erbschaftssteuerbehörde anläßlich des Todes seiner Frau zugesandt hatte, Bestimmungen über seinen eigenen Nachlaß niedergeschrieben, so kommt es darauf an, ob sich einwandfrei feststellen läßt, 1s RGZ 63, 23 ff.; F. Leonhard, A. III B 1 zu § 2231; Demburg-Engelmann V, 71; Crome V, 58 f.; Planck-Strecker, A. II 2 b zu§ 2231; RGRK-Kregel, A.ll zu § 2247; Palandt-Keidel, A 2 a aa zu§ 2247; Staudinger-Firsching, Randnrn. 88 -91 zu§ 2247; Kipp-Coing, § 26 IV, S. 138 mit A. 31. Abweichend P. Meyer, 161 f.; Endemann III 1, 285 f. Beide bestreiten die Gültigkeit des Testaments nicht für den Fall, daß die von fremder Hand geschriebenen Bestandteile ohne Wissen und Willen des Erblassers eingefügt sind. 19 RGZ 87,109, 110; Demburg-Engelmann V, 70 f.; F. Leonhard, A. III B 3 c zu§ 2231; Kretzschmar, § 18 II 1 g, S. 91 mit A.12; Endemann III 1, 283 f.; Staudinger-Firsching, Randnr. 12 zu § 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 5 zu § 2247; Kipp-Coing, § 26 II 2 a, S. 135; III, S. 137; Bartholomeyczik, § 18 I 2, S. 95; Vogels-Seybold, Randnr. 5 zu§ 21 TestG; RGRK-Kregel, Randnm. 5, 12 zu § 2247; Palandt-Keidel, A. 2 a zu § 2247; Erman-Hense, A. 2 a zu
§ 2247.
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KG JFG 16, 91, sowie die Literatur in der vorigen Anm.
11 v. Lübtow, Erbrecht
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daß der Erblasser gerade auf diese~ ungewöhnlichen Wege seinen letzten Willen aussprechen wollte 21 • Ob das Schriftstück ausdrücklich als "Testament", als "letzter Wille", als "letztwillige Verfügung" oder ähnlich bezeichnet wird, spielt keine Rolle. Einer solchen Bezeichnung bedarf es überhaupt nicht. Dem Inhalt und den sonstigen Umständen muß entnommen werden können, daß die Schrift die Erklärung des letzten Willens des Erblassers enthält und demgemäß ein Testament darstellt 22 • Gleichgültig ist ferner, auf welchem Stoff (Papier, Holz, Metall, Schiefertafel) und mit welchen Schreibmitteln (Tinte, Tusche, Bleistift, Buntstift, Kugelschreiber, Schieferstift, Farbe und Pinsel, Kreide) das Testament geschrieben wird23 • y) Sprache und Schriftzeichen
Der Erblasser kann sich bei Errichtung des eigenhändigen Testaments jeder Sprache bedienen, die er versteht, der deutschen oder einer fremden. Zulässig ist es deshalb auch, das Testament in lateinischer oder einer sonstigen toten Sprache abzufassen 24 • Nicht ausgeschlossen ist ferner, daß die Erklärung in griechischen oder hebräischen Schriftzeichen niedergeschrieben wird. Der Testator muß allerdings diese Schriftzeichen selbst lesen können, wie sich aus§ 2247 IV ergibt 25 • Die herrschende Meinung läßt auch die Verwendung der Stenographie zu, falls es sich um ein bekanntes System handelt26 • Aber die stenographische Niederschrift genügt dem Hauptzweck der Eigenhändigkeit nicht, durch den individuellen Charakter der Schrift die Echtheit der Privaturkunde zu sichern27 • Aus diesem Grunde ist auch die Verwendung der Blindenschrift nicht zulässig 28 • RGZ 169, 254 {256). Planck-Strecker, A. II 2 f zu § 2231; Leopold, 48; Staudinger-Firsching, Randnr. 13 zu§ 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 4 zu§ 2247. 23 Planck-Strecker, A. II 2 e zu § 2231; Vogels-Seybold, a. a. 0.; Leopold, a. a. 0., 47; Palandt-Keidel, A. 2 a zu § 2247; RGRK-Kregel, A. 9 zu § 2247; Erman-Hense, A. 2 a zu § 2247; Staudinger-Firsching, Randnr. 33; EhardEder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu§ 2247. 24 Planck-Strecker, A. II 2 c zu § 2231; Vogels-Seybold, Randnr. 6 zu § 21 TestG; Staudinger-Firsching, Randnrn. 16, 37 zu§ 2247; RGRK-Kregel, A. 10 zu § 2247; Lange,§ 19 III 1, S. 179 mit A. 6; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu§ 2247. 25 Strohal I, 106 mit A. 9; Planck-Strecker, A. II 2 d zu § 2231; Vogels-Seybold, a. a. 0.; Staudinger-Firsching, Randnr. 37 zu§ 2247; RGRK-Kregel, A.10 zu§ 2247. 26 Strohal I, 106; Planck-Strecker, A. II 2 d zu§ 2231; Engelmann bei Dernburg V, 71 A. 9; F. Leonhard, A. 111 B 3 b zu§ 2231; P. Meyer, 161 A. 7; Kretzschmar, § 18 II 1 e, S. 91; Vogels-Seybold, a. a. 0.; RGRK-Kregel, A.10 zu§ 2247; Palandt-Keidel, A. 2 a zu § 2247; Staudinger-Firsching, Randnr. 36 zu § 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu § 2247; Kipp-Coing, § 26 II 1, S. 134; Bartholomeyczik, § 18 I 1, S. 94; Lange,§ 191111,8.179. 21 Endemann 111 1, 283. 28 Schulze, DNotZ 1955, 629; OLG Koblenz NJW 1958, 1784; Erman-Hense, A. 2 a zu § 2247; Bartholomeyczik, a. a. 0. Abweichend Strohal I, 104 A. 2; 21 22
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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1\) Orts- und Zeitangaben
Nach § 2231 Nr. 2 alter Fassung konnte ein Testament errichtet werden "durch eine vom Erblasser unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung". Die Orts- und Zeitangabe bildete ein zwingendes Erfordernis des Testaments. Fehlte sie oder war sie nicht eigenhändig geschrieben oder war sie unrichtig, so verfiel das Testament der Nichtigkeit. Beispiel: Der Erblasser, ein Kaufmann, hatte einen Geschäftsbriefbogen mit vorgedruckter Ortsangabe verwendet, ohne diese Ortsangabe handschriftlich zu wiederholen29. Um solche Fälle künftig auszuschließen, bestimmte § 21 II TestG im Anschluß an§ 578 ABGB, daß die Orts- und Zeitangabe nicht mehr notwendig, sondern nur noch rätlich ist. Die neue Fassung des § 2247 II hat diesen Rechtssatztrotz der Änderung des Wortlauts dem Sinne nach aufrechterhalten. Die Gültigkeit des Testaments hängt daher nicht wie früher davon ab, daß die Orts- und Zeitangabe eigenhändig geschrieben, daß sie richtig oder überhaupt vorhanden ist. Dadurch wird eine der Hauptursachen für die Nichtigkeit eigenhändiger Testamente beseitigt. Jedoch kann das völlige Fehlen der Angaben unter besonderen Umständen dazu führen, daß das Testament als ungültig zu behandeln ist(§ 2247 V).
E) Die Unterschrift des Erblassers
Das Erfordernis der Unterschrift des Erblassers wurde im§ 2231 Nr. 2 alter Fassung nicht näher erläutert. Es herrschte Streit darüber, ob die Unterzeichnung allein mit dem Vornamen oder durch Angabe der Familienstellung als Unterschrift ausreichte 30 • Im allgemeinen wurde die Unterzeichnung mit "Euer Vater", "Dein Bruder" und dergleichen auch in Brieftestamenten nicht für ausreichend angesehen, um das in den §§ 2231 Nr. 2, 126 I aufgestellte Unterschriftserfordernis zu erfüllen, weil solche Wendungen keine Namensangabe enthalten31 • § 126 I schreibt nicht die Unterschrift mit dem Familiennamen vor. Da das eigenhändige Testament auch in Briefform errichtet werden kann, entsprach die Unterschrift mit dem bloßen Vornamen wohl doch dem Erfordernis des§ 2231 Nr. 2 alter Fassung, wenn sich die Erklärung an nahe Angehörige und gute Bekannte richtete 32 • Um aber dem Streit ein Ende zu machen, ließ Demburg-Engelmann V, 70; P. Meyer, 164 A. 25; Crome V, 58 A. 3; Kretzschmar, a. a. 0.; Planck-Strecker, A. II 2 d zu § 2231; Vogels-Seybold, Randnr. 11 zu § 21 TestG; Randnr. 10 zu § 11 TestG; RGRK-Kregel, A. 30 zu § 2247; Palandt-Keidel, A. 2 a aa zu§ 2247; Staudinger-Firsching, Randnr. 36 zu§ 2247. 29 KG JFG 17,102 ff. 30 Näheres bei Planck-Strecker, A. 3 a zu § 2231; Staudinger-Firsching, Randnrn. 41--48 zu§ 2247. 31 RGZ 134, 308 (310); OLG München JFG 18, 66 (68). 32 Planck-Strecker, a. a. 0., Anderer Ansicht Endemann III 1, 287.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
§ 21 III S. 2 TestG entsprechend dem Vorschlag des Erbrechtsausschusses (1. Denkschrift, 57) eine andere Art der Unterschrift als mit dem Vorund Familiennamen des Erblassers zu, zum Beispiel nur mit dem Vornamen oder durch Angabe der Familienstellung, wenn sie im Einzelfall eine einwandfreie Feststellung der Urheberschrift des Erblassers und der Ernstlichkeit seiner Erklärung gestattet. Jedoch wurde die Unterschrift mit dem Vor- und Familiennamen als Sollvorschrift ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen(§ 21 III S. 1), um so auf die wünschenswerte Regelung hinzuweisen. Dem TestG folgt§ 2247 III neuer Fassung. An dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift wird festgehalten (§ 2247!), da sie die Echtheit des Schriftstücks gewährleisten soll. Eine Unterzeichnung mittels Handzeichens genügt nicht, mag dieses auch gemäß § 126 I gerichtlich oder notariell beglaubigt sein33 , ebensowenig eine im Wege mechanischer Vervielfältigung hergestellte Namensunterschrift. Leserlichkeit der Unterschrift ist nicht erforderlich, wohl aber eine die Identität kennzeichnender individueller Schriftzug34 • Selbst eine Unterzeichnung mit den bloßen Anfangsbuchstaben (Initialen) des Vor- und Zunamens muß nicht notwendig zur Nichtigkeit des Testaments führen35 • Sie genügt dann, wenn sie keinen Zweifel an der Identität des Erblassers, an der Ernstlichkeit und Endgültigkeit seiner Erklärung aufkommen läßt. Unter dieser Voraussetzung reichen auch Kosenamen ("Deine kleine Maus") und der Vorname, gegebenenfalls verbunden mit der Familienstellung ("Eure Tante Grete"), aus. Ebenso können dann ein Pseudonym, ein Bühnenname, eine Firma zur Unterzeichnung des Testaments verwandt werden, wenn der Erblasser sie im bürgerlichen privaten Leben ebenfalls führt und dritten Personen als Träger dieses Namens bekannt ist 36•
Die Unterschrift muß räumlich so zu der Erklärung stehen, daß diese von ihr gedeckt wird. Sie gehört also in der Regel an den Schluß der Erklärung. Es kann aber unter Umständen auch genügen, wenn sie quer 33 RGZ 110, 166 (168); 134, 308 (310). § 2247 I, III verlangt eine unterschriebene Erklärung. § 126 I unterscheidet deutlich zwischen der Namensunterschrift und einer Unterzeichnung mittels Handzeichens. Ebenso§ 416 ZPO.
34 Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 14 zu § 2247; Palandt-Keidel, A. 2 c zu § 2247; Staudinger-Firsching, Randnr. 39 zu § 2247; OLG Koblenz NJW 1969, 1784. 35 Erman-Hense, A. 2 b zu § 2247; Palandt-Keidel, A. 2 c aa zu § 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 12 zu§ 2247; Lange,§ 19 III 3 a, S. 180; Brox, Randnr. 319. Abweichend Strohal I, 108 A. 17; Amtliche Begründung zu § 21 TestG; Vogels-Seybold, Randnr. 8 zu§ 21 TestG; RGRK-Kregel, A. 17 zu § 2247; Staudinger-Firsching, Randnr. 52 zu§ 2247; Dietz, 48; Kipp-Coing, § 26 II 2 a, S.135; Bartholomeyczik, § 18 I 2, S. 95. 36 Strohal I, 107 mit A.15; Crome V, 63 mit A. 51; P. Meyer, 163 A.13; Kretzschmar, § 18 II 3 a, S. 93; Endemann III 1, 287; Planck-Strecker, A. II 3 a zu§ 2231; RGRK-Kregel, A.16 zu§ 2247; Staudinger-Firsching, Randnr. 42 zu § 2247. Abweichend F. Leonhard, A. C 1 a zu§ 2231.
5. Kapitel: Das Testament - § 3. Errichtung
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über eine voll beschriebene Seite oder neben die Erklärung gesetzt oder im letzten Satz niedergelegt ist 37 • Besteht das Testament aus mehreren Bogen, so genügt die Unterschrift unter dem letzten, auch wenn die Bogen nicht miteinander verbunden sind38 • Eine bloße Selbstbenennung des Erblassers im Text des Testaments vermag die Erfüllung des Formerfordernisses der abschließenden Unterschrift nicht zu ersetzen39 • Die Namensangabe auf dem Briefumschlag, in dem sich das Testament befindet, genügt ebensowenig, da sie den Inhalt der Erklärung der äußeren Erscheinung nach nicht deckt. Eine solche Deckung kann nur angenommen werden, wenn sich die Namensangabe auf dem Umschlag nach ihrem urkundlichen Inhalt als eine Fortsetzung des eingeschlossenen Schriftstücks - der Umschlag wurde zur Niederschrift mitbenutzt - und damit als Abschluß der Testamentserrichtung darstelW0. Das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof stellen also auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ab. Ein Absendervermerk auf dem Briefumschlag stellt keine den Brief abschließende Unterschrift dar, weil er sich auf einem anderen Schriftstück befindet, dessen Zugehörigkeit zum Brief nicht aus diesem hervorgeht41. Dies verhält sich bei dem Absendervermerk des auf einer Postkarte niedergeschriebenen Testaments anders. Hier handelt es sich um ein 37 Planck-Strecker, A. II 3 c zu § 2231; F. Leonhard, A. III C 3 a zu § 2231; RGRK-Kregel, A.13 zu § 2247; Staudinger-Firsching, Randnrn. 53-55 zu § 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 8 zu § 2247; KG JFG 5, 171 (173). 38 F. Leonhard, A. III V 3 a zu § 2231; Kretzschmar, § 18 II 3 b, S. 94; PlanckStrecker, a. a. 0.; Crome V, 63 A. 56; Endemann III 1, 288; Ehard-Eder, a. a. 0.; Staudinger-Firsching, Randnr. 57 zu§ 2247. 39 Planck-Strecker, a. a. 0.; RGRK-Kregel, A. 15 zu§ 2247; Vogels-Seybold, Randnr. 8 zu § 21 TestG; Staudinger-Firsching, Randnr. 54 zu § 2247; KippCoing, § 26 II 2 b, S. 136; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 10 zu § 2247; Palandt-Keidel, A. 2 c bb zu§ 2247; Erman-Hense, A. 2 b zu§ 2247; BayObLG NJW 1969,797. 40 RGZ 61, 7 (9); 110, 166 (168); BGH BWNotZ 1961, 230 mit Anm. von Mattem; F. Leonhard, A. III C 3 a zu§ 2231; Planck-Strecker, a. a. 0.; Endemann III 1, 288; RGRK-Kregel, Randnr. 14 zu § 2247; Staudinger-Firsching, Randnr. 56 zu§ 2247; Kipp-Coing, a. a. 0.; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 9 zu§ 2247. Dagegen hat das KG JFG 21, 36 für ein Testament in Briefform angenommen, die im Brief selbst fehlende Unterschrift des Erblassers werde durch seine Namensschrift auf dem Briefumschlag mindestens dann ersetzt, wenn das einliegende Schriftstück keinen Zweifel an der Ernstlichkeit und Endgültigkeit seines Inhalts aufkommen lasse. 41 OLG München JFG 18, 66; RGRK-Kregel, A.15 zu§ 2247; Planck-Strekker, a. a. 0.; Staudinger-Firsching, Randnr. 56 zu § 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 9 zu§ 2247.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
einheitliches Schriftstück, dessen Abschluß in dem Absendervermerk erblickt werden kann42 • Ein Brief dagegen ist mit der Unterschrift abgeschlossen; der Absendervermerk auf dem Briefumschlag tritt zu dem Brief selbständig hinzu 43 • Nachträgliche Zusätze und Einschaltungen brauchen nicht besonders unterschrieben zu werden, wenn sie nach dem aus der Urkunde erkennbaren Willen des Erblassers und der äußeren Erscheinung nach durch die alte Unterschrift mit gedeckt werden44 • Beispiel: A hat dem B ein Vermächtnis von 10.000 DM ausgesetzt. Später ändert er die Zahl in 5.000DM. Das Gesetz verlangt keine Einheit der Errichtungshandlung (unitas actus et temporis). Es ist deshalb ohne Bedeutung, in welcher Reihenfolge die einzelnen Bestandteile niedergeschrieben werden. Daher braucht die Unterschrift nicht zuletzt zu erfolgen, kann vielmehr auch den später darüber gesetzten Text decken45 • Dagegen muß ein Nachtrag, der auf einem besonderen Blatt oder unter der alten Unterschrift erfolgt, vom Erblasser eigenhändig unterzeichnet werden46 • 2. Ausschluß des Minderjährigen und des Leseunkundigen Nach § 2247 IV kann, wer minderjährig ist oder Geschriebenes nicht zu lesen vermag, kein eigenhändiges Testament errichten. Minderjährig ist, wer das 21. Lebensjahr nicht vollendet hat (§ 2). Wer für volljährig erklärt wurde, ist nicht minderjährig (§§ 3-5). Eine für volljährig erklärte Person wird also vom Verbot des Abs. IV nicht betroffen. Das von einem Minderjährigen errichtete Testament ist nichtig und bleibt es auch dann, wenn der Minderjährige das 21. Lebensjahr erreicht. Jemand, der überhaupt nicht schreiben und lesen gelernt hat oder infolge einer dauernden oder vorübergehenden Störung des Sehvermögens Buchstaben nicht zu erkennen vermag, kann kein eigenhändiges Testament errichten. KG JFG 16, 91. OLG München, a. a. 0. F. Leonhard, A. E 3 zu § 2231; P. Meyer, 163; Planck-Strecker, A. II 5 zu § 2231; Vogels-Seybold, Randnr. 9 zu§ 21 TestG, Randnr. 2 zu§ 36 TestG; Leopold, 49; Dietz, 49; RGRK-Kregel, A. 19 zu§ 2247; Staudinger-Firsching, Randnrn.19, 31 zu § 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 13 zu § 2247. Etwas anders Kipp-Coing, § 26 li 4 mit A. 25; Bartholomeyczik, § 18 I 2, S. 95. RGZ 71, 293 (302 f.); 111, 261 (262) verlangten stets eine neue Unterschrift. Ebenso Endemann III 1, 293 f., und Dernburg-Engelmann V, 75, es sei denn, der Erblasser durchstreicht einzelne Bestimmungen. Dies ist gemäß § 2255 zulässig und für den Widerruf ausreichend. Lange, § 19 III 4, S. 182, meint, die herrschende Ansicht verstoße gegen das Gesetz, schließt sich ihr aber trotzdem an. 45 Planck-Strecker, a. a. 0.; Staudinger-Firsching, a. a. 0. 46 Siehe die Literatur in der vorvorigen Anm. 42
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5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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3. Beweislast a) Der Beweiswert des eigenhändigen Testaments Das eigenhändige Testament ist eine Privaturkunde. Gemäߧ 416 ZPO begründen solche Urkunden, sofern sie vom Aussteller unterschrieben sind, vollen Beweis dafür, daß die in ihnen enthaltenen Erklärungen vom Aussteller abgegeben sind. Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung (§ 419 ZP0} 47 • Wird die Echtheit der Unterschrift bestritten, so hat derjenige die Echtheit zu beweisen, der sich auf die Unterschrift beruft (§ 440 I ZPO). Wird nicht die Echtheit der Unterschrift bestritten, wohl aber die Echtheit der darüber stehenden Erklärung, so trifft die Beweislast ebenfalls denjenigen, der sich auf das Testament beruft. Die Echtheitsvermutung des § 440 II ZPO gilt für das eigenhändige Testament nicht, weil es hier auf die Eigenhändigkeit der ganzen Erklärung, nicht bloß der Unterschrift ankommt48 • Wer sich auf die Urkunde beruft, hat auch zu beweisen, daß die Urkunde eine letztwillige Verfügung darstellt und nicht etwa nur einen Entwurf oder eine bloße Mitteilung eines beabsichtigten oder an anderer Stelle bereits errichteten Testaments 49 • Auch aus einem nicht mehr auffindbaren oder von fremder Hand vernichteten Testament können Rechte hergeleitet werden, wenn der Beweis der formgültigen Errichtung und des genauen Inhalts erbracht wird50• Das Entstehen des Testaments ist zwar an das Entstehen der Urkunde geknüpft, aber nicht sein Bestehen an das Bestehen der Urkunde. (3) Beweis von Zeit und Ort
aa) Das Testament ist datiert Die Richtigkeit der Orts- und Zeitangabe durch den Erblasser entspricht der Regel des Lebens. Daher ist sie - wie die Testierfähigkeit 47 Zum Begriff der Einschaltungen im Sinne des § 419 ZPO BGH NJW 1966, 1657 f. 48 P. Meyer, 164; F. Leonhard, A. VB 2 a zu § 2018; Kretzschmar, § 18 IV, S. 95; Crome V, 64 mit A. 60; Endemann III 1, 292; Planck-Strecker, A. II 6 zu § 2231; Vogels-Seybold, Randnr.12 zu§ 21 TestG; RGRK-Johannsen, A. 20 zu § 2247; Palandt-Keidel, A. 4 a zu § 2247; Staudinger-Firsching, Randnr. 92 zu § 2247; Lange, § 19 III 5, S. 182. Abweichend Demburg-Engelmann V, 76 mit A. 7. 49 Siehe die Literatur in der vorigen Anm. so Motive V, 308; RGZ 101, 197; Kretzschmar, § 21 II 2 d, S. 105; Endemann III 1, 294, 321; Vogels-Seybold, Randnr. 12 zu § 21 TestG; Randnr. 5 zu § 33 TestG; Planck-Strecker, A. 5 zu § 2255; RGRK-Kregel, A. 4, 12 zu § 2255; Palandt-Keidel, A. 4 zu § 2255; Erman-Hense, A. 1 c, d zu § 2255; StaudingerFirsching, Randnrn. 15, 16 zu§ 2255.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
zu vermuten. Die Beweislast obliegt demjenigen, der die Richtigkeit dieser Angaben oder die Testierfähigkeit bestreitet51 •
ßß)
Das Testament ist undB:tiert Nach § 2247 II ist die Angabe über die Zeit der Errichtung zwar kein zwingendes Erfordernis. Fehlt aber die Zeitangabe, so können sich Zweifel über die Gültigkeit des Testaments ergeben. War der Erblasser zum Beispiel52 während eines bestimmten Zeitraums testierunfähig, etwa infolge zeitweiliger Entmündigung, so muß nachgewiesen werden, daß das Testament in einem Zeitpunkt errichtet ist, wo der Erblasser die Testierfähigkeit besaß. Die Beweislast trägt derjenige, der sich auf die Gültigkeit des Testaments beruft53• Mißbilligt ihm dieser Beweis, so ist das Testament als ungültig anzusehen(§ 2247 V). Als weiteres Beispiel war im § 21 V TestG angeführt, daß der Erblasser mehrerer einander widersprechende Testamente hinterlassen hat, von denen eines oder mehrere nicht mit Datum versehen sind. Angenommen der Erblasser hat in einem datierten Testament A zum Alleinerben, in einem undatierten B ebenfalls zum Alleinerben eingesetzt. Dann kommt es nach § 2258 I darauf an, welches von beiden Testamenten das jüngere ist. Kann nun B nicht beweisen, daß das undatierte Testament später errichtet ist als das datierte, so bleibt seine Erbeinsetzung außer Betracht(§ 2247 V). Mehrere Testamente gleichen Datums, deren Errichtungsstunde nicht festgestellt werden kann, stehen einander gleich, heben sich also, soweit sie sich widersprechen, gegenseitig auf, und es tritt die gesetzliche Erbfolge ein54 • Dasselbe gilt von mehreren undatierten Testamenten, deren Zeitfolge ungeklärt bleibt55 • § 2247 V gilt nicht für den Fall, daß die Zeitangabe nachträglich unleserlich geworden ist. Läßt sich nicht feststellen, wie die Zeitangabe ursprünglich gelautet hat, so heben sich die Testamente, soweit sie sich widersprechen, ebenfalls gegenseitig auf58• Beispiel: Der Erblasser hat 51 Planck-Strecker, A. 5 zu § 2229 mit Nachweisen; Vogels-Seybold, Randnm. 12, 13 zu§ 21 TestG; RGRK-Johannsen, A. 20 zu§ 2247; Staudinger-Firsching, Randnr. 83 zu§ 2247. 52 Dieses Beispiel brachte§ 21 V TestG. 53 Vogels-Seybold, Randnr. 13 zu § 21 TestG; Palandt-Keidel, A. 4 b zu § 2247; Erman-Hense, A. 3 zu§ 2247; RGRK-Kregel, A. 26 zu§ 2247; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 15 zu§ 2247. 54 Crome V, 116 A. 27; Kipp, § 21 II 1 b, S. 78; Planck-Strecker, A. 4 zu § 2258; Vogels-Seybold, a. a. 0.; RGRK-Kregel, A. 5 zu § 2258; Palandt-Keidel, A. 4 zu § 2258. s5 Kipp, a. a. 0.; Planck-Strecker, a. a. 0.; Palandt-Keidel, a. a. 0., ErmanHense, A. 2 zu § 2258; Staudinger-Firsching, Randnr. 13 zu § 2258. 58 Vogels-Seybold, a. a. 0. Anders RGRK-Kregel, A. 28 zu § 1147; Staudinger-Firsching, Randnr. 85 zu§ 2247. Unlesbarkeit der Zeitangabe schon bei Errichtung wirkt wie ihr Fehlen: Staudinger-Firsching, a. a. 0. und Randnr. 38 zu§ 2247.
5. Kapitel: Das Testament- § 3. Errichtung
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in einem Testament vom 21. 3. 1965 A zum Alleinerben, in einem anderen Testament, dessen Datum nicht mehr zu entziffern ist, B ebenfalls zum Alleinerben eingesetzt. y) Fehlen der Ortsangabe
Das Fehlen der Ortsangabe läßt die Gültigkeit des Testaments unberührt(§ 2247 II). Jedoch kann es Fälle geben, wo die Wirksamkeit zweifelhaft wird. Beispiel: Der Erblasser ist Deutscher und hat möglicherweise sein Testament im Ausland errichtet; die Form des Testaments entspricht nicht dem deutschen, wohl aber dem ausländischen Recht. Dann kommt es auf den Beweis an, ob das Testament im Ausland errichtet ist (Art. 11 I S. 2 EG BGB) 57• Gelingt der Beweis nicht, so ist das Testament als ungültig anzusehen(§ 2247 V S. 2). 4. Verwahrung des Testaments Der Erblasser braucht das von ihm errichtete Testament nicht an das Amtsgericht zur Aufbewahrung abzuliefern. Er kann es selbst aufbewahren oder durch eine andere Person aufbewahren lassen. Dem Verwahrer obliegt die Verpflichtung, das Testament unverzüglich nach erlangter Kenntnis vom Tode des Erblassers an das Nachlaßgericht abzuliefern (§ 2259 I). Die eigene Aufbewahrung des Testaments durch den Erblasser bietet ihm ebensowenig wie die Aufbewahrung durch eine andere Privatperson die volle Gewähr dagegen, daß es verfälscht, unterdrückt oder infolge Unachtsamkeit beschädigt wird oder abhanden kommt. Um dem Erblasser ein ihn gegen diese Gefahren schützendes Mittel an die Hand zu geben, ist nach § 2248 S. 1 das von ihm errichtete Testament auf sein Verlangen in besondere amtliche Verwahrung zu nehmen. Dadurch wird auch sichergestellt, daß alsbald nach dem Tode des Erblassers die :Eröffnung erfolgt (§ 2260). Für das Verlangen ist keine besondere Form vorgeschrieben. Es kann schriftlich oder mündlich geschehen. Eine Prüfung des offen überreichten Testaments auf seine Gültigkeit findet nicht statt. Für die besondere amtliche Verwahrung ist jedes Amtsgericht zuständig(§ 2258 a I, II Nr. 3). Die Annahme zur Verwahrung ist vom Richter anzuordnen und von ihm und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gemeinschaftlich zu bewirken (§ 2258 b I). Die Verwahrung erfolgt unter gemeinschaftlichem Verschluß des Richters und des Urkundsbeamten (§ 2258 b II S. 1). Durch diese Sicherungen unterscheidet sich die besons1
Staudinger-Firsching, Randnr. 82 zu§ 2247.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
dere amtliche Verwahrung von der gewöhnlichen Urkundenverwahrung. Dem Erblasser soll ein Hinterlegungsschein erteilt werden (§ 2258 b III S. 1), der vom Richter und Urkundsbeamten zu unterschreiben und mit dem Dienstsiegel zu versehen ist(§ 2258 b III S. 2; §57 III Nr. 13 a BeurkG). Der Erblasser kann jederzeit die Rückgabe verlangen, die nur an ihn persönlich erfolgen darf(§ 2256 III 1. Halbsatz in Verbindung mit Abs. II). Die Rückgabe ist auf die Wirksamkeit des Testaments ohne Einfluß (§ 2256 III 2. Halbsatz). b) Das öffentliche Testament 1. Seine Bedeutung Die Form des öffentlichen, das heißt früher vor einem Richter oder Notar errichteten Testaments- seit dem Beurkundungsgesetz (BeurkG) vom 28. 8. 1969 (§57 III Nr. 5) ist der Notar allein zuständig (§ 2231 Nr. 1 BGB neuer Fassung)- bietet dem Erblasser aus folgenden Gründen eine besonders sichere Gewähr dafür, daß seine letztwilligen Verfügungen zur Durchführung gelangen. Einmal ist die Gefahr von Formfehlern verhältnismäßig gering. Zum andern wird für die Aufbewahrung des Testaments von Amts wegen gesorgt (früher § 2246 II BGB, jetzt § 34 I S. 3 BeurkG). Ferner steht dem Erblasser in der Person des Notars eine unparteiische und sachkundige Person für die Fassung seiner Verfügungen zu Gebote. Der Richter oder Notar sollte den Erblasser auf Bedenken gegen den Inhalt der mündlichen Erklärung oder der offen übergebenen Schrift sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht aufmerksam machen (§ 2241 b I). Zu diesem Zweck hatte er von dem Inhalt der Schrift Kenntnis zu nehmen (§ 2238 II S. 1). Zweifel an der Gültigkeit des beabsichtigten Testaments sollte er dem Testator bekannt geben. Dies und die darauf abgegebene Erklärung des Erblassers waren in der Niederschrift festzulegen(§ 2241 b). Die zitierten Vorschriften sind durch die §§ 30 S. 4, 17 BeurkG ersetzt worden. Weiter kommt in Betracht, daß das öffentliche Testament eine öffentliche Urkunde ist und im Grundbuchverkehr zum Nachweis der in ihm angeordneten Erbfolge dient. Entsprechendes gilt bei der Ernennung eines Testamentsvollstreckers (§ 35 GBO), gegenüber dem Registergericht (§ 41 SchiffsRegO) und bei Geltendmachung von Reichsschuldbuchforderungen (§ 16 des Gesetzes vom 31. 5. 1910). Auf diese Weise wird ein Erbschein oder ein Testamentsvollstrekkerzeugnis erspart. 2. Zuständigkeit a) Sachliche Zuständigkeit Das öffentliche Testament war nach§ 2231 Nr.1 alter Fassung vor einem Richter oder Notar zu errichten. Für die Beurkundung der gerichtlichen
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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Errichtung eines Testaments waren, da das Testament ein Rechtsgeschäft ist, gemäß § 167 I FGG ausschließlich die Amtsgerichte zuständig, und zwar ein ihnen angehörender Einzelrichter (§ 22 GVG). Doch konnte das Landesrecht (Art. 141 EG BGB) den Gerichten oder den Notaren die Zuständigkeit entziehen. Solche landesgesetzlichen Vorschriften waren, soweit sie nur die Notare für zuständig erklärten, nicht auch soweit sie allgemein die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Beurkundungen anordneten(§ 20 BNotO), nach dem Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts vom 5. 3. 1953 Teil II Art. 4 Nr. 1 bis auf weiteres in Geltung geblieben. Nur die Notare waren zuständig: in Baden-Württemberg, RegBez. Nord- und Südbaden, Bayern, Bremen, Harnburg und Rheinland-Pfalz58• Dann war die Beurkundung durch einen Richter unheilbar nichtig 59 • Mit dem Inkrafttreten des BeurkG (1. 1. 1970) ist die Zuständigkeit der Amtsgerichte entfallen und die ausschließliche Zuständigkeit der Notare begründet(§ 2231 Nr. 1 BGB neuer Fassung) 50".
ß)
Örtliche Zuständigkeit
Eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit bestand weder für die Errichtung des gerichtlichen Testaments noch bestand oder besteht sie für die des notariellen Testaments60 • Die Testamentserrichtung konnte nicht bloß vor dem Amtsgericht oder Notar des Wohnsitzes oder des Aufenthaltsorts des Erblassers, sondern vor jedem beliebigen Amtsgericht oder Notar erfolgen, und zwar auch außerhalb der Amtsräumes1 • Dasselbe gilt jetzt weiterhin für den Notar. Allerdings darf der Richter nach § 2 FGG in Verbindung mit § 166 GVG außerhalb seines Bezirks ohne Zustimmung des Amtsgerichts des Ortes Amtshandlungen nur bei Gefahr im Verzuge vornehmen. Lagen diese Voraussetzungen nicht vor, und traf das Landesrecht keine Sonderbestimmungen, so war die Beurkundung außerhalb des Amtsbezirks nichtig. § 7 FGG griff nicht ein, da einem Gericht außerhalb seines Bezirks die Gerichtsbarkeit fehlt, also nicht nur die örtliche Zuständigkeit mangeUS2 • 58
Gesetzesfundstellen bei Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 1 zu
§ 2231.
Kretzschmar, § 17 II 1, S. 76; Crome V, 66; Planck-Strecker, A. 4 zu§ 2231; Lange,§ 18 II 2, S. 165; Palandt-Keidel, A. 2 zu§ 2232. 59• Einen Überblick über das Beurkundungsgesetz vom 28. 8. 1969 gibt Haegele, Rpfteger 1969, 365 ff., 414 ff. Den Entwurf der Bundesregierung behandelt eingehend Meck, DNotZ 1968, 584 ff. 6° Crome V, 67. 61 Crome V, 67 A. 11. 62 RGRK-Kregel, A. 2 zu § 2231 mit Nachweisen; Staudinger-Firsching, Randnr. 23 zu § 2231; Palandt-Keidel, A. 3 zu § 2232; Erman-Hense, A. 1 zu § 2232; Lange, § 18 II 2, S. 166 A. 1. Anderer Ansicht Strohal I, 93; DemburgEngelmann V, 80; Kretzschmar, § 17 II 2, S. 76; Endemann III 1, 297; Crome V, 67; Planck-Strecker, A. 3 a zu§ 2231; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu§ 2231. 59
172
1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
Die örtliche Zuständigkeit des Notars bestimmt sich nach§ 11 BNotO. Danach ist der Amtsbereich des Notars auf den OLG-Bezirk beschränkt, in dem sich sein Amtssitz befindet. Außerhalb dieses Bezirks darf er Amtshandlungen nur vornehmen, wenn Gefahr im Verzuge ist oder die Aufsichtsbehörde es genehmigt. Jedoch berührt ein Verstoß hiergegen nicht die Gültigkeit der Amtshandlungen(§ 11 BNotO; jetzt§ 2 BeurkG). 3. Verfahrensvorschriften Für die Errichtung eines Testaments vor einem Richter oder Notar galten nach § 2232 alter Fassung in erster Linie die Vorschriften der §§2233-2246. Ergänzend griffen gemäߧ 168 S.1 FGG dessen§§ 169-182 über die gerichtliche und notarielle Beurkundung ein83• Jedoch blieb praktisch nur für die Anwendung des § 182 FGG (Ausfertigung des gerichtlichen Protokolls über die Beurkundung) Raum, da der Inhalt der §§ 169-180 FGG fast lückenlos durch die §§ 2233-2246 ersetzt worden war. Der Notar mußte auch die Vorschriften der BNotO und die von den Landesjustizverwaltungen am 6. 3. 1961 bundeseinheitlich beschlossene Dienstordnung für Notare beachten. Für die richterliche Beurkundungstätigkeit galten auch die allgemeinen Vorschriften des FGG, insbesondere § 6 II, wonach sich ein Richter der Ausübung seines Amtes wegen Befangenheit enthalten kann, jedoch eine Ablehnung ausgeschlossen ist. Nach Art. 151 EG BGB und § 200 FGG kamen ergänzend auch etwaige Landesgesetze über die Errichtung gerichtlicher oder notarieller Urkunden zur Anwendung. Diese Vorschriften galten weiter (Gesetz vom 5. 3. 1953, Teil II Art. 4 Nr.1). Ein Verstoß gegen solches Landesurkundsrecht war ohne Einfluß auf Gültigkeit der Verfügung von Todes wegen; nur eine Verletzung der Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit konnte nach Maßgabe der Landesgesetze die Verfügung nichtig machen (Art. 151 S. 2 EG BGB; § 200 II FGG)84 • Das BeurkG vom 28. 8. 1969 hat die §§ 2234-2246 aufgehoben (§ 57 III Nr. 8 und den§§ 2231, 2232 eine Fassung gegeben(§ 57 III Nrn. 5 und 6). Das Verfahren der Beurkundung selbst ist nicht mehr im BGB, sondern im BeurkG geregelt. 4. Haftung für Versehen a) des Richters Für die Haftung des Richters für Versehen bei Aufnahme von Testamenten galt § 839. Nach außen haftete nicht der Richter selbst, sondern 63 F. Leonhard, A. li zu§ 2232; Kretzschmar, § 17 III, S. 77; Planck-Strecker, A. 1 zu§ 2232; RGRK-Kregel, A. 1, 2 zu§ 2232; Vogels-Seybold, Randnr. 23 zu § 5 TestG; Staudinger-Firsching, Randnrn. 2-4 zu§ 2232; Ehard-Eder in Soer-
gel-Siebert, Randnr. 1 zu§ 2232. 64 RGRK-Kregel, A. 3 zu § 2232; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 1 zu§ 2232; Staudinger-Firsching, Randnr. 6 zu§ 2232.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
173
das betreffende Land (Art. 34 des Grundgesetzes, früher Art. 131 Weim RV).
ß)
des Notars
Die Haftung des Notars und Notarsvertreters ist in den §§ 19, 39, 46 BNotO, § 839 BGB geregelt, die des Notariatsverwesers und der Notarkammer in den §§57, 61 BNotO. Trotz des Art. 34 des Grundgesetzes besteht keine Haftung des Staates für Notare, da diese Bestimmung keine erschöpfende Regelung enthält und deshalb auch§ 5 Nr. 1 des Gesetzes über die Haftung des Reichs für seine Beamten vom 22. 5. 1910 noch in Kraft geblieben ist65 • Eine Sonderregelung gilt für die badischen Notare und württembergischen Bezirksnotare (§§ 114, 115 BNotO). Eine Haftung früher des Richters und jetzt allein des Notars besteht einmal dem Erblasser gegenüber, der durch die Nichtigkeit des Testaments zur Errichtung eines neuen veranlaßt wurde und so neue Kosten hatte. Sie besteht aber auch gegenüber denjenigen Personen, zu deren Gunsten das ungültige Testament errichtet wurde66 • Denn "Dritte" im Sinne des § 839 sind alle Personen, deren Interessen nach der besonderen Eigenart des Amtsgeschäfts berührt werden und die früher oder später aufgrund des beurkundeten Rechtsgeschäfts eine Rechtsposition erwerben sollen67 • 5. Mitwirkende Personen Zu den mitwirkenden Personen gehörten außer dem Richter oder Notar als Urkundsperson die Überwachungs- oder Kontrollpersonen (§ 2233), die Vertrauensperson (§ 2242 II), und die nach § 2242 111 hinzuzuziehenden Zeugen. Der Erblasser selbst ist an dem Vorgang zwar als Hauptperson beteiligt; an dem Beurkundungsakt aber wirkt er nicht mit, da niemand ein Selbstzeugnis für die eigenen Handlungen ablegen kann68 • Daß das BGB unter den mitwirkenden Personen nicht auch den Erblasser verstand, ergab sich aus der Gegenüberstellung in §§ 2241 I Nr. 2, 2242 I, IV, 2245, 2246 169 • Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu § 2232. RGZ 58,296 (298 f.); 74,421 (426); 75, 374; 95,214, (219); 97, 295; BGHZ 27, 274 (275); 31, 5 (10). Vgl. auch RGZ 138, 309 (313); BGHZ 19, 5 (9); 20, 53 (56). 67 So die Begründung in den aufgeführten Urteilen. Endemann III 1, 324 f., hält sie nicht für stichhaltig. Er betrachtet die Schadensersatzpflicht als Rejlexwirkung aus der schuldhaften Verletzung der dem Staat gegenüber obliegenden Amtspflicht. aa Endemann III 1, 297. 69 Strohal I, 96 A. 25; Demburg-Engelmann V, 85; F. Leonhard, A. I zu § 2239; Crome V, 71 A. 47; Kretzschmar, § 17 IV 4, S. 79; Endemann, a. a. 0., 301; Planck-Strecker, A. 4 zu § 2233; Dietz, 53; RGRK-Kregel, A. 2 zu § 2239; Palandt-Keidel, A. 1 zu § 2239; Erman-Hense, A. 1 zu § 2233; A. 2 zu § 2239; Vogels-Seybold, Randnr. 4 zu§ 12 TestG; Bartholomeyczik, § 17 I, S. 88; Stau65
68
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
Der Dolmetscher rechnete ebenfalls nicht zu den mitwirkenden Personen70. Ebensowenig zählten dazu die zur Feststellung der Identität des Erblassers oder eines Mitwirkenden herangezogenen sogenannten Rekognitionszeugen71 . Das BeurkG kennt zwar hier und da noch den Begriff der Mitwirkung (§§ 5 I, 26 Überschrift), legt ihm aber - im Gegensatz zum BGB - keine besondere Bedeutung bei, sondern spricht regelmäßig nur von dem oder den Beteiligten71 ". Darunter versteht es die Erschienenen, deren im
eigenen oder fremden Namen abgegebene Erklärungen beurkundet werden sollen (§ 6 II). Im vorliegenden Zusammenhang ist der Erblasser
allein die beteiligte Person.
a) Zuziehung der Überwachungspersonen Nach § 2233 alter Fassung mußte der Richter zur Errichtung eines Testaments einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder zwei Zeugen, der Notar einen zweiten Notar oder zwei Zeugen hinzuziehen. Dieser Zeugenzwang hatte sich in manchen Fällen als nachteilig erwiesen. Es kam vor, daß der Erblasser der Verschwiegenheit der Zeugen mißtraute und es deshalb vorzog, sein Testament eigenhändig oder durch Überreichung einer verschlossenen Schrift zu errichten. In der Regel war es jedoch erwünscht, daß sich der Erblasser mit dem Richter oder Notar über die Verfügung von Todes wegen offen aussprach. Die Urkundsperson konnte dann den Testator auf Unklarheiten oder Mängel seiner Erklärung aufmerksam machen. § 6 TestG hatte daher den Zwang, Zeugen zuzuziehen, erheblich abgeschwächt. Diese Vorschrift ist in das BGB übernommen worden. Gemäߧ 2233 I neuer Fassung bestand eine unbedingte Pflicht zur Zuziehung der genannten Personen nur noch dann, wenn der Erblasser nach der pflichtgemäßen Überzeugung des Richters oder Notars taub, blind, stumm oder sonst am Sprechen verhindert war. Für diese Fälle bestand Zeugenzwang allgemein bei der Beurkundung eines jeden beliebigen Rechtsgeschäfts (§ 169 FGG). Insoweit war er daher auch für Testamente bestehengeblieben. Lagen aber solche besonderen Umstände in der Person des Erblassers nicht vor, so gab es keinen Zeugenzwang. Es stand dem Richter oder Notar vielmehr frei, ob er jene weiteren Personen zuziehen wollte oder nicht (§ 2233 II). Er hat von sich aus Zeugen zugezogen, wenn er etwa dinger-Firsching, Randnr. 3 zu § 2239; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu§ 2239; Lange,§ 18 II 1, S. 165. 10 Siehe unten S. 215 f. 11 Planck-Strecker, A. 1 a zu § 2239; Staudinger-Firsching, Randnr. 7 zu § 2239.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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befürchtete, die Erben könnten später den Einwand erheben, der Wille des Erblassers sei nicht richtig wiedergegeben oder der Erblasser infolge geistiger oder körperlicher Schwäche bei der Beurkundung nicht mehr verfügungsfähig gewesen. Das BGB hielt es für angemessen, daß der Erblasser selbst auf die Frage der Zuziehung von Zeugen einen gewissen Einfluß ausüben durfte. Wünschte er die Zuziehung, so sollte seinem Verlangen entsprochen werden (§ 2233 II S. 2). Legte er dagegen besonderen Wert auf die Geheimhaltung seines Testaments, so wird er der Zuziehung der Zeugen widersprochen haben. Darauf sollte der Richter oder Notar Rücksicht nehmen (§ 2233 II S. 3). Jetzt bestimmt§ 29 BeurkG, daß der Notar auf Verlangen des Erblassers bis zu zwei Zeugen oder einen zweiten Notar zuziehen und dies in der Niederschrift vermerken soll. Die Niederschrift soll auch von diesen Personen unterschrieben werden. Der Zuziehungszwang bestand, wenn der Erblasser nach der pflichtgemäßen Oberzeugung des beurkundenden Richters oder Notars an einem Gebrechen der im § 2233 I bezeichneten Art litt. Die Gültigkeit des Testaments wurde nicht dadurch berührt, daß sich der Richter oder Notar bei der Bildung der Überzeugung geirrt hatte. Hatte also der Richter zum Beispiel angenommen, der Erblasser besitze ein noch ausreichendes Sehvermögen, so konnte das Testament nicht mit der Begründung angegriffen werden, der Erblasser sei in Wahrheit blind gewesen 72 • Nur wenn die Zuziehung trotz vorhandener Oberzeugung unterblieb, trat Nichtigkeit des Testaments ein(§ 125 S. 1). Auch für die nach § 2233 II zugezogenen Personen galten die Ausschließungsgründe der §§ 2234-2237. Ferner hätten sie, da sie bei der Testamentserrichtung mitwirkten, während der ganzen Verhandlung zugegen (§ 2239}, in der Niederschrift bezeichnet sein (§ 2241 I Nr. 2) und sie unterschreiben (§ 2242 IV) müssen. Da aber § 2233 II bloße Ordnungsvorschriften enthielt, wurde durch eine Verletzung der vorher genannten Bestimmungen die Gültigkeit des Testaments nicht berührt. Die Rechtslage war dann so zu beurteilen, als hätten die Kontrollpersonen überhaupt nicht mitgewirkt73 • Nunmehr gilt§ 22 BeurkG. Vermag ein Beteiligter, hier also der Erblasser, nach seinen Angaben oder nach der Überzeugung des Notars nicht 71 " Vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines BeurkG, Bundestagsdrucksache V/3282, S. 30/33. 7 2 Vogels-Seybold, Randnr. 6 zu § 6 TestG; RGRK-Kregel, A. 3 zu § 2233; Palandt-Keidel, A. 2 zu § 2233; Staudinger-Firsching, Randnr. 9 zu § 2233; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 1 zu§ 2233. 73 Vogels-Seybold, Randnr. 13 zu § 6 TestG; Palandt-Keidel, A. 4 zu§ 2233; Erman-Hense, A. 4 zu § 2233; RGRK-Kregel, A. 4 zu § 2233; Staudinger-Firsching, Randnr. 15 zu § 2233; Kipp-Coing, § 27 V, S. 144; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu § 2233. Bedenken bei Lange, § 18 li 4 g, S. 168 mit
A. 2, 3.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
hinreichend zu hören, zu sprechen oder zu sehen, so soll zu der Beurkundung ein Zeuge oder ein zweiter Notar hinzugezogen werden, es sei denn, daß alle Beteiligten darauf verzichten. Diese Tatsachen solLen in der Niederschrift festgestellt werden (Abs. I). Die Niederschrift solL auch von dem Zeugen oder dem zweiten Notar unterschrieben werden (Abs. II). Die notwendigen Überwachungspersonen müssen vom Leiter der Verhandlung zugezogen, das heißt zur Mitwirkung in dieser Eigenschaft veranlaßt werden; eine rein zufällige Anwesenheit genügt nicht74 •
ß) Ausschließungsgründe Der Notar hat zu prüfen, ob hinsichtlich eines Mitwirkenden etwa ein Ausschließungsgrund vorliegt. Als Richter, Notar, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle oder Zeuge konnten wegen des Verhältnisses zum Erblasser bei der Testamentserrichtung nicht mitwirken der Ehegatte des Erblassers, auch wenn die Ehe nicht mehr bestand, und die Personen, die mit dem Erblasser in gerader Linie oder im zweiten Grad der Seitenlinie verwandt oder verschwägert waren (§ 2234). Wer in einem engen Verwandschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis stand, bot nach Ansicht des Gesetzes keine Gewähr für Unbefangenheit und Unparteilichkeit. Die Vorschrift war zwingend, soweit es sich um den Richter oder Notar und die notwendig hinzugezogenen Kontrollpersonen (§ 2233 I) handelt. Ein Verstoß bewirkte die Nichtigkeit des Testaments(§ 125)75 • § 2234 war neben § 170 FGG das Vorbild für § 6 BeurkG. § 6 hebt aus den im § 3 (Sollvorschrift) genannten Mitwirkungsverboten einzelne heraus und bestimmt, daß ein Verstoß die Unwirksamkeit der Beurkundung zur Folge hat. Ausgeschlossen sind folgende Personen, wenn sie an der Beurkundung beteiligt sind (§ 6 II): 1. der Notar selbst, 2. sein Ehegatte, 3. ein mit ihm in gerader Linie Verwandter, 4. ein Vertreter, der für eine der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Personen handelt. Im § 6 I sind die Ausschließungsgründe im Vergleich zum früheren Recht eingeschränkt. Dafür war einmal der Gedanke maßgebend, den Kreis der Unwirksamkeitsgründe möglichst klein zu halten. Zum anderen sind die Ausschließungsgründe aus der Urkunde allein oft nicht ersichtlich, weil die genannten Personen andere Namen als der Notar tragen75". Im In74 Dernburg-Engelmann, V. 79; Kretzschmar, § 17 IV 1, S. 77; F. Leonhard, A 111 zu§ 2233; Endemann 111 1, 299; Planck-Strecker, A 4 zu§ 2233; VogelsSeybold, Randnr. 7 zu§ 6 TestG; Palandt-Keidel, A 3 zu§ 2233; Erman-Hense, A 3 zu§ 2233; RGRK-Kregel, A12 zu§ 2234; Staudinger-Firsching, Randnr. 13 zu§ 2233; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 6 zu§ 2233. 75 Planck-Strecker, Al zu §§ 2234--2237; Vogels-Seybold, Randnr. 1 zu § 7 TestG; RGRK-Strecker, A 2 zu § 2234; Palandt-Keidel, A 1 zu § 2234; Erman-Hense, Al zu § 2234; Staudinger-Firsching, Randnr. 3 zu § 2234; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu§ 2234.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
177
teresse der Rechtssicherheit soll ein Mangel jedoch möglichst nur dann zur Unwirksamkeit führen, wenn wenigstens der Kundige ihn der Urkunde selbst entnehmen kann75•. Als am Inhalt der Verfügung interessierte, darum objektiv nicht unparteiische Personen waren von der Mitwirkung ausgeschlossen, wer selbst im Testament materiell bedacht wurde oder zu einem Bedachten in einem Verhältnis der im § 2234 bezeichneten Art (Ehe, Verwandtschaft, Schwägerschaft) stand(§ 2235 I). Nicht mitwirken konnte nach Abs. I des§ 2235 ferner, wer im Testament zum Testamentsvollstrecker ernannt war, oder zur dem Ernannten in einem Verhältnis der erwähnten Art stand. Das BGB kannte diesen Ausschließungsgrund nicht. Die Erweiterung auf den Testamentsvollstrecker ist durch § 8 I TestG erfolgt, dem die Neufassung des § 2235 entsprach. Die Änderung war sachlich gerechtfertigt, da die Ernennung zum Testamentsvollstrecker in der Regel mit erheblichen Vorteilen verbunden ist, so daß sie mit Recht einer Zuwendung im Sinne des BGB gleichgestellt wurde 7'6• Im Testament konnte demnach nicht mehr der beurkundende Notar oder ein naher Verwandter des Notars zum Testamentsvollstrecker ernannt werden. Der Notar war damit nicht mehr dem Vorwurf ausgesetzt, daß er den Erblasser bewogen habe, ohne ausreichenden Grund einen Testamentsvollstrecker zu bestellen oder die Vergütung für dessen Tätigkeit unangemessen hoch festzusetzen 77 • Wenn es im Abs. II des § 2235 hieß, daß die Mitwirkung einer nach Abs. I ausgeschlossenen Person "nur" die Nichtigkeit der Zuwendung an den betreffenden Bedachten zur Folge habe, so wurde damit der Gegensatz zur Nichtigkeit des ganzen Testaments ausgedrückt, die im Fall des § 2234 eintrat. Ob die Nichtigkeit der Zuwendung an den Bedachten oder die Ernennung zum Testamentsvollstrecker die Unwirksamkeit anderer Verfügungen des Testaments nach sich zog, war nach § 2085 zu beurteilen78. Hat der Erblasser eine verschlossene Schrift überreicht (früher § 2238 II, jetzt § 2232 S. 2, Halbsatz 1) und darin ohne Wissen der Mitwirkenden einem von ihnen etwas zugewandt, so war die Zuwendung trotzdem nichtig79 . 75• Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines BeurkG, Bundestags-Drucksache V/3282, S. 29. 78 Amtliche Begründung zu § 8 TestG. 77 Amtliche Begründung, a. a. 0. 78 Demburg-Engelmann V, 82; Strohal I, 94 A. 17; Kretzschmar, 152 A. 8; F. Leonhard, A. V zu § 2235; Crome V, 69 mit A. 31; Endemann 111 1, 299 mit A.17; Planck-Strecker, A. 3 zu§ 2235; Vogels-Seybold, Randnr. 5 zu§ 8 TestG; RGRK-Kregel, A. 5 zu § 2235; Palandt-Keidel, A. 3 zu § 2235; Erman-Hense, A. 3 zu§ 2235; Staudinger-Firsching, Randnr. 4 zu§ 2235; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 5 zu§ 2235. 79 Demburg-Engelmann V, 82; Crome V, 68 A. 26; RGRK-Kregel, A. 3 zu § 2235; Palandt-Keidel, A. 2 zu § 2235; Staudinger-Firsching, Randnr. 3 zu 12 v. Lübtow, Erbrecht
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
Jetzt gilt§ 27 in Verbindung mit§ 7 BeurkG. Bei einem Verstoß gegen § 6 ist die Beurkundung in vollem Umfang unwirksam. Im Fall der§§ 27, 7 tritt diese Folge nur insoweit ein, als durch das Testament der Notar oder nahe Angehörige bedacht oder zum Testamentsvollstrecker ernannt werden. Als solche Angehörige nennt das Gesetz: 1. den Ehegatten oder früheren Ehegatten des Notars, 2. eine Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist. Für den Fall, daß die Testamentserrichtung durch Übergabe einer Schrift erfolgt, die von einem anderen als dem Erblasser geschrieben ist (früher § 2238 II S. 2, jetzt § 2232 S. 2, Halbsatz 2), enthalten das BGB und das BeurkG nicht die Vorschrift, daß eine Zuwendung an den Schreiber der Testamentsurkunde unwirksam sei. Die entsprechenden Bestimmungen des S. C. Libonianum, die der hier naheliegenden Fälschungsgefahr begegnen wollten, sind vom Gesetz nicht aufgenommen worden80 • Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, der zweite Notar oder die Zeugen wurden bei der Beurkundung des Testaments zugezogen, damit sie den Hergang der Verhandlung überwachten und durch ihre Unterschrift bestätigten, daß die Niederschrift den Hergang richtig wiedergab. Für diese Aufgabe erschienen sie ungeeignet, wenn sie zu dem Richter oder dem Notar in einem nahen Verwandschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis der im § 2234 bezeichneten Art standen81 • Nach § 2236 alter Fassung hatte die Mitwirkung einer hiernach ausgeschlossenen Person die Nichtigkeit des Testaments zur Folge. Diese Vorschrift bedeutete eine unnötige Härte, und zwar um so mehr, als der Erblasser oft nicht in der Lage ist, den Verwandschaftsverhältnissen des Richters oder des Notars nachzuspüren82 • § 9 TestG begnügte sich deshalb mit einer Sollvorschrift. Ihm schloß sich § 2236 späterer Fassung an. Ein Verstoß berührte also die Gültigkeit des Testaments nicht, konnte aber der Aufsichtsbehörde Anlaß geben, Maßnahmen im Dienstaufsichtswege gegen den Richter oder den Notar zu ergreifen. Nach§ 26 I BeurkG soll als Zeuge oder zweiter Notar bei der Beurkundung nicht zugezogen werden, wer 1. selbst beteiligt ist oder durch einen § 2235; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 5 zu § 2235; Lange, § 18 II 4 c, S.167. 80 Motive V, 275; Strohal I, 97 A. 28; Demburg-Engelmann V, 81 A. 13; Crome V, 69 A. 28; F. Leonhard, A. VI zu§ 2235; Endemann III 1, 298 f., 304; Kretzschmar, § 17 IV 2 e, S. 78 A. 13; Planck-Strecker, A. 4 zu § 2235; VogelsSeybold, Randnr. 4 zu§ 8 TestG; RGRK-Kregel, A. 7 zu§ 2235; Palandt-Keidel, A. 2 zu § 2235; Staudinger-Firsching, Randnr. 8 zu § 2235; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 4 zu § 2235; Lange, § 18 II 4 c, S. 167 A. 8. Anderer Ansicht wohl Kipp-Coing, § 27 III 1 c, S. 142 A.16. 81 F. Leonhard, A. I zu § 2236; Crome V, 69 A. 33; Planck-Strecker, A. 1 zu § 2236; RGRK-Kregel, A. 1 zu § 2236; amtliche Begründung zu § 9 TestG; Vogels-Seybold, Randnr. 1 zu§ 9 TestG. 82 Dernburg-Engelmann V, 81.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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Beteiligten vertreten wird, 2. in einer Verfügung von Todes wegen bedacht oder zum Testamentsvollstrecker ernannt wird, 3. mit dem Notar verheiratet ist oder 4. mit ihm in gerader Linie verwandt ist. Die Zeugen werden bei der Testamentserrichtung zur Überwachung des Hergangs der Beurkundung zugezogen. Sie werden zwar nicht vereidigt. Wenn aber später Streitigkeiten über die Errichtung entstehen, sollen sie als Zeugen vernommen werden können, und zwar nötigenfalls auch eidlich. § 2237 bestimmte daher, daß Personen, die hiernach für die ihnen zugedachte Aufgabe ungeeignet sind, nicht zugezogen werden sollen83. Als Zeuge sollte deshalb nicht mitwirken, wer durch strafgerichtliches Urteil dauernd die Fähigkeit verloren hat, als Zeuge eidlich vernommen zu werden(§ 2237 Nr. 3), und wegen der Solennität des Aktes auch nicht, wer der bürgerlichen Ehrenrechte für verlustig erklärt ist, für die im Urteil bestimmte Zeit (§ 2237 Nr. 2). Außerdem sollte als Zeuge nicht zugezogen werden, wer als Hausangestellter oder Gehilfe im Dienst des Richters oder des Notars stand(§ 2237 Nr. 6), weil zwischen ihnen und dem Verhandlungsleiter ein Abhängigkeitsverhältnis vorlag84 • Die Aufgabe des Testamentszeugen bedingt, daß er zur Wahrnehmung des Hergangs bei der Testamentserrichtung und zur Mitteilung seiner Wahrnehmungen geistig und körperlich befähigt ist85 . Er muß daher die nötige Verstandesreife besitzen, mithin ein entsprechendes Lebensalter erreicht haben. Mit Rücksicht darauf und im Hinblick auf die wegen der Wichtigkeit des Aktes zu wahrende Feierlichkeit86 verlangte das BGB die Volljährigkeit des Zeugen (§ 2237 Nr. 1). Geisteskranke und geistesschwache Personen waren als Zeugen ungeeignet, ebenso Taube, Blinde und Stumme (§ 2237 Nr. 4). Der Zeuge mußte auch der deutschen oder fremden Sprache, in der verhandelt oder das Protokoll aufgenommen wurde, mächtig sein (§§ 2237 Nr. 5, 2245). Aus der Notwendigkeit der Unterzeichnung des Protokolls durch die mitwirkenden Personen(§ 2242 IV) ergab sich, daß der Zeuge wenigstens seinen Namen mußte schreiben können (§ 2237 Nr. 4). Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des§ 2237 beeinträchtigte die Gültigkeit des Testaments nicht, da es sich nur um eine Ordnungsvorschrift handelte 87 • Man hatte allerdings die Nichtigkeit des Testaments anzu83 Vogels-Seybold, Randnr. 1 zu§ 10 TestG; Erman-Hense, A. 1 zu§ 2237. 84 Motive V, 267 f. 85 Protokolle V, 335; Kretzschmar, § 17 IV 3, S. 78; P.Meyer, 152f.; Endemann III 1, 300; Binder, Grundriß, 16 A. 3; Planck-Strecker, A. 3 zu§ 2237; RGRKKregel, A. 1 zu§ 2237; Staudinger-Firsching, Randnr. 11 zu§ 2237. 86 Motive V, 266. 87 Vogels-Seybold, Randnrn. 1-5 zu § 10 TestG; Palandt-Keidel, A.1 zu § 2237; Erman-Hense, A. 1 zu § 2237; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 1 zu § 2237. Einschränkend RGRK-Kregel, A.l zu § 2237, und Staudinger-Fir12*
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
nehmen, wenn die Urkundsperson bewußt einen Zeugen hinzuzog, der infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen oder aus sonstigen Gründen, zum Beispiel Unkenntnis der Sprache, gar nicht imstande war, den zu beurkundenden Vorgang, insbesondere die dabei abgegebenen Willenserklärungen, zu verstehen. Blieb dagegen die Wahrnehmungsunfähigkeit verborgen, dann war das Testament gültig 88 • Soweit die Zuziehung der Zeugen nur auf einer Ordnungsvorschrift beruhte, konnten Mängel der Wahrnehmungsfähigkeit die Gültigkeit des Rechtsakts nicht beeinträchtigen8n. Die Vorschriften des BGB in ihrer letzten Fassung litten an einem Widerspruch. Einerseits war die Zuziehung eines schreibunfähigen Zeugen nur durch eine Sollvorschrift untersagt (§ 2237 Nr. 4). Andererseits trat trotzdem Nichtigkeit des Testaments ein, wenn in den Fällen, in denen die Zuziehung von Zeugen durch Mußvorschrift geboten war (§§ 2233 I, 2242 III) der Zeuge infolge Schreibunfähigkeit die notwendige Namensunterschrift nicht leisten konnte(§ 2242 IV) 90 • § 2237 wird jetzt durch§ 26 II BeurkG ersetzt, dessen Nrn. 1 bis 6 sachlich mit den Nrn. 1, 4 bis 6 des§ 2237 übereinstimmen.§ 32 StGB (Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte) und§ 161 StGB (dauernde Unfähigkeit des Verurteilten, als Zeuge eidlich vernommen zu werden) sind durch das erste Gesetz zur Reform des Strafrechts (1. StrRG) aufgehoben. Deshalb mußten im § 26 II des Entwurfs eines BeurkG die Nrn. 3 und 4 gestrichen werden. Nicht notwendig ist, daß der Zeuge aufgemerkt hat oder tatsächlich alles, was bei der Testamentserrichtung gesprochen wird, versteht, auch nicht, daß er nach seinem Bildungsgrad überhaupt imstande ist, den Inhalt des Erklärten im einzelnen geistig zu erfassen 91 • y) Fortdauernde Anwesenheit der mitwirkenden Personen
Bei der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung eines gewöhnlichen Rechtsgeschäfts brauchten nach§ 174 FGG die mitwirkenden Personen nur bei der Vorlesung, Genehmigung und Unterzeichnung der Urkunde zugegen zu sein. Im Gegensatz hierzu mußten nach § 2239 bei sching, Randnr. 11 zu § 2237: Die Zeugen müssen in der Lage sein, den fraglichen Vorgang wahrzunehmen. Die Nrn. 4 und 5 sind erst aufgrund des § 10 TestG eingefügt worden. Zur früheren Rechtslage vgl. Planck-Strecker, A. 3 zu § 2237 mit Literatur. 88 Vgl. Windscheid-Kipp III, 232; Kipp,§ 16 III 1 a, S. 51. 89 Planck-Strecker, a. a. 0. 90 RGRK-Kregel, A. 5 zu§ 2237; Staudinger-Firsching, Randnr. 28 zu§ 2242; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 5 zu§ 2237. 91 F. Leonhard, A. C zu § 2237; Kretzschmar, § 17 IV 3, 4, S. 79; PlanckStrecker, A. 3 zu§ 2237; 4 c zu§ 2339; RGRK-Kregel, A. 1 zu§ 2237, 4 zu§ 2239; Palandt-Keidel, A. 2 zu § 2239; Erman-Hense, A. 1 zu § 2239; Staudinger-Firsching, Randnr. 9 zu § 2239; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnrn. 8 zu § 2237, 4 zu§ 2239.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
181
Errichtung eines Testaments diese Personen während der ganzen Verhandlung zugegen sein, soweit sich aus § 2242 II, III nichts anderes ergab.§ 2239 war eine zwingende Vorschrift. Ein Verstoß machte das Testament nichtig (§ 125 S. 1) 92 • Die Verhandlung umfaßte nicht nur die Abgabe der Erklärung des Erblassers (§ 2238), sondern auch die Vorlesung, Genehmigung und Unterzeichnung der Niederschrift durch den Erblasser und die mitwirkenden Personen (§ 2242). Hinzukam gegebenenfalls die Tätigkeit des Dolmetschers (§ 2244). Ergab sich, daß einer der Mitwirkenden auch nur bei einem dieser Vorgänge nicht zugegen war, so entbehrte das Testament der Wirksamkeit. Beispiel: Ein Zeuge erschien erst während der Vorlesung der Niederschrift, hatte also die Erklärung des Erblassers (§ 2238) nicht selbst gehört, oder der Zeuge entfernte sich, bevor auch die anderen Mitwirkenden unterschrieben hatten. Die Entfernung eines Mitwirkenden war zulässig; nur mußte die Verhandlung solange unterbrochen werden93 • § 2239 bezog sich nicht auf die vorbereitenden Handlungen des § 2241 a und die abschließenden Handlungen des § 2246 94 • Beide Bestimmungen waren im Gegensatz zu§ 2239 nur Sollvorschriften. Auch bei der Vorbesprechung und der Anfertigung der Niederschrift brauchten die mitwirkenden Personen nicht anwesend zu sein95 • Die gemäß § 2242 II zugezogene Vertrauensperson sowie der im § 2242 III genannte Schreib- oder besser Genehmigungszeuge zählten zwar, wie aus § 2239 folgte, zu den mitwirkenden Personen, brauchten aber nach ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes nur bei dem Vorlesen, der Genehmigung und der Unterschrift zugegen zu sein. Die Einheit der Verhandlung nach Ort und Zeit (unitas actus im Sinne des Gemeinen Rechts) wurde vom Gesetz nicht gefordert96 • Die Verhand92 Planck-Strecker, A. 1 d zu § 2239; Crome V, 71 A. 50; Kretzschmar, § 17 IV 4, S. 79; Endemann III 1, 301; Vogels-Seybold, Randnr.l zu § 12 TestG; RGRK-Strecker, A. 1 zu § 2239; Palandt-Keidel, A. 3 zu § 2239; Erman-Hense, A. 1 zu§ 2239; Staudinger-Firsching, Randnr. 2 zu§ 2239. 93 F. Leonhard, A. IV zu§ 2239; Planck-Strecker, A. 1 b zu § 2239; PalandtKeidel, A. 3 zu § 2239; Erman-Hense, A.l zu § 2239; RGRK-Kregel, A. 5 zu § 2239; Staudinger-Firsching, Randnr. 11 zu§ 2239; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 4 zu § 2239. 94 F. Leonhard, A. III B; er sieht allerdings auch die VersiegeJung des Testaments als Teil der Verhandlung an (A. III C); Planck-Strecker, A. 1 b zu § 2239; Vogels-Seybold, Randnr. 1 zu § 12 TestG; RGRK-Kregel, A. 4 zu § 2239; Palandt-Keidel, A. 3 zu § 2239; Erman-Hense, A. 1 zu § 2239; Staudinger-Firsching, Randnr. 10 zu§ 2239; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 3 zu§ 2239. 95 Crome V, 71 A. 49; F. Leonhard, A. III B zu § 2239; Endemann III 1, 301; Planck-Strecker, A.l b zu § 2239; KG OLG 32, 64; RGRK-Kregel, A. 4 zu 2239; Palandt-Keidel, A. 3 zu§ 2239; Erman-Hense, A. 1 zu§ 2239; StaudingerFirsching, Randnr. 12 zu § 2239; Bartholomeyczik, § 17 I 2, S. 89. 98 Strohal I, 96 A. 26; Kretzschmar, § 17 IV 4, S. 79; Demburg-Engelmann V, 84; Crome V, 71 A. 51; Endemann III 1, 301; Planck-Strecker, A. 4 zu
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
lung durfte unterbrochen werden, und zwar auch auf längere Zeit. Bei ihrer Wiederaufnahme genügte die einfache Fortsetzung. Sie war aber dann unzulässig, wenn die Unterbrechung so lange gedauert hatte, daß der Erblasser und die mitwirkenden Personen keine klare Erinnerung an das früher Verhandelte mehr hatten; die Erinnerung mußte dann durch Rekapitulation des früher Geschehenen aufgefrischt werden97 • Ein Wechsel in den Personen der Mitwirkenden war unzulässig, da § 2239 verlangte, daß sie während der ganzen Verhandlung anwesend sein mußten98 • War ein Wechsel notwendig, zum Beispiel weil ein Mitwirkender durch Ohnmacht, Krankheit oder Tod ausfiel, so hatte die Verhandlung also von neuem zu beginnen. Die Vorschrift des § 2239 bezog sich nur auf die mitwirkenden Personen. Zu ihnen gehörte, wie schon gesagt, der Erblasser nicht. Wieweit es seiner Anwesenheit bei der Verhandlung bedurfte, ergab sich aus den einzelnen Bestimmungen der §§ 2238, 2242-2245 von selbst 99 • Er mußte also bis zu seiner Unterschrift (§ 2242 I) zugegen sein. Dies folgte aus der Beurkundungsform. Gemäß § 2239 mußten die Mitwirkenden anwesend sein, wenn der Erblasser die mündliche Erklärung abgab oder die Schrift überreichte (§ 2238), wenn ihm das Protokoll vorgelesen wurde, er es genehmigte und unterzeichnete (§ 2242 I S. 1)'00 • Die herrschende Meinung nahm an, bei der Verhandlung zugegen sein bedeute, daß die Mitwirkenden den Erblasser sehen und hören müßten101 : Ein in einem Brunnen Verschütteter oder in einem Bergwe11k Eingeschlossener könne daher ein öffentliches § 2239; RGRK-Kregel, A. 5 zu § 2239; Staudinger-Firsching, Randnrn. 3 zu § 2239, 5 zu § 2240. Anders die Auffassung F. Leonhards, A. IV zu § 2239. Das Erfordernis der unitas actus des Gemeinen Rechts bedeutete, daß die Verhandlung ohne Unterbrechung durch einen ihr fremden Akt zu Ende geführt werden mußte. Nur eine durch die Notwendigkeit der Befriedigung eines leiblichen Bedürfnisses bei dem Erblasser oder bei einem der Zeugen herbeigeführte Unterbrechung schadete nicht (Windscheid-Kipp III, 222; DernburgSokolowski, System des Römischen Rechts II 8, 1912, 937 mit A. 12). 97 Strohal, a. a. 0.; Planck-Strecker, a. a. 0.; Crome, a. a. 0.; StaudingerFirsching, a. a. 0. 98 Strohal, a. a. 0.; Engelmann bei Demburg-Engelmann V, 85 mit A. 11; F. Leonhard, A. III zu § 2239; Kretzschmar, a. a. 0.; Planck-Strecker, A. 1 e zu § 2239; Palandt-Keidel, A. 3 zu § 2239; Erman-Hense, A. 1 zu § 2239; RGRKKregel, A. 5 zu§ 2239; Staudinger-Firsching, Randnr. 13 zu§ 2239; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 4 zu § 2239. 99 F. Leonhard, A. I zu§ 2239; Planck-Strecker, A. 3 zu§ 2239; RGRK-Kregel, A. 2 zu§ 2239; Palandt-Keidel, A. 1 zu§ 2239; Erman-Hense, A. 2 zu§ 2239; Staudinger-Firsching, Randnr. 3 zu§ 2239. 100 Planck-Strecker, A. 3 zu § 2239; RGRK-Kregel, A. 3 zu § 2239; Bartholomeyczik, § 17 III 4 f, S. 93; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 3 zu § 2239; Staudinger-Firsching, Randnr. 10 zu§ 2239. 101 So bereits Diocl. C. 6, 23, 9 (290): Si ... testes non in conspectu testatoris testimoniorum officio functi sunt, nullo iure testamenturn valet.
5. Kapitel: Das Testament-§ 3. Errichtung
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Testament nicht errichten102 • Aus dem Gesetz ergab sich indessen nicht, daß die Mitwirkenden den Erblasser unbedingt sehen mußten. Vielmehr reicht es aus, wenn sie sich mit dem Erblasser mittels einer Sprechverbindung verständigen konnten103 und die zweifelsfreie Gewißheit erlangten, daß die mündlich abgegebene Erklärung von ihm herrührte104 • Jedoch scheiterte die Testamentserrichtung daran, daß der Erblasser das Protokoll nicht unterschreiben konnte. § 2242 III kam nämlich nicht zur Anwendung. Er setzte ein subjektives Unvermögen voraus, objektive Hinderungsgründe kamen nicht in Betracht105• Die Testamentserrichtung war also überhaupt unmöglich, wenn der Erblasser nicht eigenhändig testieren (§ 2247) 106 oder ein Dreizeugentestament nach § 2250 I, II errichten konnte. Die Errichtung des zuletzt genannten Testaments setzte voraus, daß sich die Zeugen beim Erblasser befinden und Schreibmaterial hatten (§ 2250 III). Ob die bei der Errichtung des öffentlichen Testaments zugezogenen Zeugen der Verhandlung aufmerksam gefolgt waren, ist, wie schon bemerkt, nicht entscheidend; sonst hätte jede Unachtsamkeit der Zeugen die Nichtigkeit des Testaments bewirkt, was zu unhaltbaren Zuständen geführt haben würde. Im BeurkG ist§ 2239 ersatzlos weggefallen. 6. Die Arten der Testamentserrichtung a) Wahl zwischen der mündlichen und der schriftlichen Erklärung Die Errichtung des Testaments vor einem Richter oder Notar konnte nach § 2238 I in einer doppelten Form erfolgen, nämlich entweder durch mündliche Erklärung oder durch die Überreichung einer offenen oder verschlossenen Schrift mit der mündlichen Erklärung, daß sie den letzten Willen des Testators enthalte. Diese Wahlläßt dem Erblasser auch § 2232 neuer Fassung. Die mündliche Errichtung oder die Übergabe einer offenen Schrift bietet den Vorteil, daß der beurkundende Notar den Erblasser auf Bedenken gegen den Inhalt des Testaments aufmerksam machen kann, wozu er kraft Gesetzes sogar verpflichtet ist (früher§ 2241 b I BGB, jetzt § 17 BeurkG). Damit er diese Pflicht erfüllen kann, soll er vom Inhalt der offen übergebenen Schrift Kenntnis nehmen (früher § 2238 II S. 2 BGB, jetzt § 17 BeurkG). Bei der Übergabe einer verschlos102 Demburg-Engelmann V, 83; Crome V, 71 A. 48; KG OLG 32, 64; Planck-Strecker, A. 1 c, 3 zu § 2239; Kipp-Coing, § 27 V, S. 144; StaudingerFirsching, Randnr. 9 zu § 2239; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 4 zu § 2239; Brox, Randnr. 308. 103 F. Leonhard, A. I zu § 2239; Kretzschmar, § 17 IV 4, S. 79; Palandt-Keidel, A. 2 zu § 2239; RGRK-Kregel, A. 4 zu § 2239, für den im Text erwähnten Sonderfall. 104 Boschan, DJZ 1901,477. 1os Siehe unten S. 206. 106 De facto wohl meist ausgeschlossen: Weyl, DJZ 1901,501.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
senen Schrift wird zwar der Inhalt auch vor der Urkundsperson geheim gehalten107 • Aber sie bietet keine Gewähr dafür, daß die betroffenen Bestimmungen gesetzlich zulässig und mit der erforderlichen Klarheit formuliert sind108•
ß)
Mündliche Errichtung
Der Erblasser muß seinen letzten Willen mündlich kundtun, das heißt durch lautliche, den mitwirkenden Personen verständliche Wortbildung erklären. Eine Erklärung durch Zeichen oder Gebärden, insbesondere bloßes Kopfnicken als Bejahung auf vorgelegte Fragen, ist nicht ausreichend109 • Das Gesetz verlangt eine mündliche Erklärung, das heißt eine Mitteilung mit dem Munde. Es hatte im § 2243 für den Fall, daß der Testator nach der Überzeugung der Urkundsperson stumm oder sonst am Sprechen verhindert ist, das mündliche Verlautbarungsverfahren ausgeschlossen. Es kam also nicht darauf an, ob sich der Erblasser durch Zeichen mit dem Richter oder Notar zu verständigen vermochte. Die Vorschrift beruhte auf der rechtspolitischen Erwägung, daß bloße Zeichen als Ausdrucksmittel dem gesprochenen oder geschriebenen Wort nicht gleichwertig sind und den Willen des Erblassers nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit ermitteln lassen110 • In demselben Maße unzuverlässig ist aber die Willenskundgebung des Erblassers auch dann, wenn er zwar sprechen kann, sich aber trotzdem nur durch lautlose Gebärden äußert. Es wäre ein widersinniges Ergebnis, dem am Sprechen verhinderten Erblasser die Erklärung durch Gebärden zu versagen, sie aber demjenigen zu gestatten, der die Fähigkeit des Sprechens besitzt. Nunmehr sieht § 2232 neuer Fassung ebenfalls eine mündliche Erklärung des Erblassers vor. Sie muß also auch jetzt durch lautliche Wortbildung abgegeben werden. Dies bestätigt § 2233 III neuer Fassung in Verbindung mit § 31 BeurkG, wonach für eine am Sprechen verhinderte Person eine besondere Form der Testamentserrichtung aufgestellt wird. Dagegen braucht die Erklärung des letzten Willens nicht in zusammenhängender Rede zu erfolgen, kann vielmehr auch in Form von Frage 101 In den romanischen Ländern nennt man ein solches Testament ein mystisches, wohl zu unterscheiden von dem römischen testamenturn mysticum (Crome V, 72 A. 61; Kipp-Coing, § 27 IV 2, S. 143 A. 24). Vgl. oben S. 130 ff. tos Vogels-Seybold, Randnr. 2 zu§ 11 TestG. to9 Demburg-Engelmann V, 86; Kretzschmar, § 17 V 2 S. 80; P. Meyer, 154 A. 28; Crome V, 72 mit A. 54; RGZ 85, 120 (125 f.); 108, 397 (400); Endemann 111 1, 303; Planck-Strecker, A. 2 zu§ 2238; Vogels-Seybold, Randnr. 4 zu§ 11 TestG; Leopold, 25; Dietz, 51; Palandt-Keidel, A. 3 zu§ 2238; Erman-Hense, A. 2 zu § 2238; RGRK-Kregel, A. 3 zu 2238; BGHZ 2, 172 ff.; Kipp-Coing, § 27 IV I, S. 143; Bartholomeyczik, § 171113 a, S. 91; Staudinger-Firsching, Randnr. 10 zu § 2238; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 3 zu § 2238. Anderer Ansicht F. Leonhard, A. II B zu§ 2238. Zweifelnd RGZ 161, 378 (382). uo Motive V, 251, 276.
5. Kapitel: Das Testament- § 3. Errichtung
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und Antwort zwischen der Urkundsperson und dem Erblasser geschehen, und es darf dabei eine bereits vorbereitete Niederschrift benutzt werden111. Der Gebrauch einer fremden Sprache durch den Erblasser war auch ohne Zuziehung eines Dolmetschers zulässig, wenn der Erblasser und alle mitwirkenden Personen sowohl die fremde als auch die deutsche Sprache beherrschten; denn das Protokoll war in deutscher Sprache aufzunehmen(§ 2240) 112 • Zwar ist die Gerichtssprache deutsch (§§ 8 FGG, 184 GVG). Damit wird jedoch kein jede Ausnahme ausschließender Grundsatz aufgestellt. Dies ergibt sich aus §§ 185 I und II, 187 II GVG, §§ 8, 9 FGG. Außerdem enthielt§ 2238 keine Vorschrift über die zu gebrauchende Sprache. War der Erblasser nach der Überzeugung der Urkundsperson der deutschen Sprache nicht mächtig, so mußte nach§§ 2244, 2245 verfahren werden. Über die Sprache der Verhandlung wird auch im BeurkG nichts bestimmt. Wie sich der Notar mit den Erschienenen verständigt, bleibt ihm überlassen112n. Der Notar kann die Niederschrift in deutscher, auf Verlangen aber auch in einer anderen Sprache abfassen(§ 5 BeurkG). Ist der Erblasser, der dem Notar seinen letzten Willen mündlich erklärt, der Sprache, in der die Niederschrift aufgenommen wird, nicht hinreichend kundig, so muß in der Regel eine schriftliche Übersetzung angefertigt werden (§ 32 BeurkG). Die Genehmigung des vorgelesenen Protokolls durch den Erblasser (§ 2242 I) ersetzte nach der früher herrschenden Meinung die mündliche Erklärung des letzten Willens nicht. Es wurde geltend gemacht, daß diese neben jener vorgeschrieben und es begriffsmäßig ausgeschlossen sei, daß derselbe Vorgang die Bedeutung der Abgabe der Erklärung und gleichzeitig die der Genehmigung einer bereits abgegebenen Erklärung haben könne113 • Das Reichsgericht114 hat jedoch diese Ansicht aufgegeben und folgende Auffassung vertreten: Die beiden Akte 1. die mündliche Erklä111 Dernburg-Engelmann V, 85; Kretzschmar, a. a. 0.; Planck-Strecker, a. a. 0.; Vogels-Seybold, a. a. 0.; RGZ 161, 378 (382); Leopold, 25; Palandt-Keidel, A. 3 c zu§ 2238; Erman-Hense, A. 2 zu § 2238; RGRK-Kregel, A. 5 zu § 2238; Kipp-Coing, a. a. 0., 142; Bartholomeyczik, a. a. 0.; Staudinger-Firsching, Randnr. 8 zu § 2238; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 2 zu § 2238. 112 RGZ 85, 308 (310 f.); Endemann III 1, 302 A. 11; Kipp-Coing, § 27 IV 1, S. 142 A. 19; RGRK-Kregel, A. 3 zu § 2238; Staudinger-Firsching, Randnrn. 14 zu§ 2238; 6 zu§ 2244. Abweichend Crome V, 72 mit A. 58. 112 " Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines BeurkG, Bundestagsdrucksache V /3282, S. 28. 113 RGZ 85, 120 (127 f.); 86, 385 (391); Planck:-Strecker, A. 2 zu§ 2238. 114 RGZ 161, 378 (380 f.). Ihm zustimmend Vogels-Seybold, Randnr. 1 zu § 12 TestG; OGHZ 2, 45 (51); 3, 383 (387); Dietz, 52; Palandt-Keidel, A. 3 c zu § 2238; Erman-Hense, A. 2 zu§ 2238; BGHZ 37, 79 (84); Bartholomeyczik, § 17 III 3 a, S. 91; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnrn. 2 zu § 2238; 3 zu § 2239; Staudinger-Firsching, Randnr. 13 zu§ 2238.
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1. Hauptteil. 2. Abschnitt: Rechtsgeschäftliche Anordnungen
rung des letzten Willens, 2. die Verlesung und Genehmigung des Protokolls können, wenn die Urkundsperson einen vorher fertiggestellten Testamentsentwurf benutzt, dergestalt zusammengefaßt werden, daß nur einmal verlesen und das Verlesene durch Jasagen sowohl als letzter Wille erklärt als auch als richtig protokolliert genehmigt wird. Dem ist zu folgen. Allerdings behandelt das BGB ebenso wie § 13 BeurkG die Erklärung des letzten Willens und die Genehmigung des Protokolls als getrennte Vorgänge. Dabei gehen die Gesetze jedoch vom Regelfall aus. Der Zweck der Formvorschriften, eine zuverlässige Wiedergabe des Erblasserwillens zu sichern, wird auch durch einmalige Verlesung erreicht. y) Schriftliche Errichtung
Die schriftliche Errichtung des Testaments erfolgt in der Weise, daß der Erblasser eine offene oder verschlossene Schrift mit der Erklärung überreicht, die Schrift enthalte seinen letzten Willen (§ 2232 neuer Fassung). § 2238 I verlangte, daß die Schrift mit der mündlichen Erklärung überreicht werden sollte, die Schrift enthalte den letzten Willen des Erblassers. Wird die Schrift verschlossen überreicht, so ist es nicht notwendig, wenn auch zweckmäßig, daß der Umschlag eine Aufschrift trägt oder damit versehen wird; denn die Identität wird durch das früher in § 2246, jetzt in § 34 I S. 3 BeurkG angeordnete Verfahren gesichert115• Jedenfalls soll der Notar gemäߧ 30 S. 2 BeurkG die Schrift derart kennzeichnen - etwa durch genaue Beschreibung oder durch Anbringung eines Merkmals, auf das später in der Niederschrift hingewiesen wird -, daß bei der Verschließung des Testaments (§ 34 I BeurkG) eine Verwechslung mit einem anderen Schriftstück ausgeschlossen ist. Das verschlossen übergebene Schriftstück darf die Urkundsperson nicht gegen den Willen des Erblassers öffnen. Dagegen soll sie von dem Inhalt einer offen überreichten Schrift Kenntnis nehmen (früher § 2238 II S. 3 BGB, jetzt § 30 S. 4 BeurkG), um den Erblasser gemäߧ 17 BeurkG (früher§ 2241 b) auf etwaige Zweifel an der Gültigkeit oder auf Bedenken gegen den Inhalt hinweisen zu können. Die Schrift muß selbst den letzten Willen enthalten. Sie darf also nicht ihrerseits wieder auf eine andere, nicht beigefügte Urkunde verweisen, in der etwa der Name des Erben angegeben sei 118• Denn weder das BGB noch das BeurkG kennen ein testamenturn mysticum117 • Die Schrift kann vom Erblasser oder von einer anderen Person geschrieben sein (früher § 2238 II S. 2, jetzt § 2232 S. 2, Halbsatz 2 neuer Fassung). Sie darf mit der Schreibmaschine oder unter Verwendung eines gedruckten Formulars oder in Kurzschrift hergestellt werden, wenn Demburg-Engelmann V, 86 A. 5; Kretzschmar, § 17 V 3 a, S. 81. Crome V, 74 A. 73; Endemann III 1, 305. m Siehe oben S. 130 ff. 115
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das benutzte System auch Dritten verständlich ist118 • Der Erblasser kann sich auch einer fremden lebenden oder toten Sprache oder fremder Schriftzeichen bedienen, vorausgesetzt, daß er sie versteht; denn er muß wenigstens die Möglichkeit haben, sich über den Inhalt des übergebenen Schriftstücks zu vergewissern. Dies folgte auch aus § 2238 IV, jetzt ergibt es sich aus § 2233 II neuer Fassung. Mehr verlangt das Gesetz nicht119 • Deshalb braucht der Erblasser die Schrift nicht tatsächlich gelesen zu haben, ihren Inhalt nicht zu kennen 120• Ortsangabe, Datum und Unterschrift sind nicht erforderlich. Es kann vorkommen, daß der Erblasser eine Urkunde überreicht, die allen Erfordernissen eines eigenhändigen Testaments (§ 2247) entspricht. Dann liegen nicht etwa zwei Testamente vor; denn als Anlage zum Protokoll (§ 2246 I S. 1, jetzt § 30 S. 5 BeurkG) nimmt die Schrift an dessen Eigenschaft als einer öffentlichen Urkunde teil. Ist das Protokoll wegen eines Formfehlers nichtig, so läßt sich das Testament, falls es bis zur Übergabe an die Urkundsperson nur ein unverbindlicher Entwurf sein sollte, gemäß § 140 als privatschriftliches aufrechterhalten, weil regelmäßig angenommen werden darf, daß der Erblasser das Schriftstück notfalls auch als Privattestament gelten lassen wollte121 • Hat der Erblasser das Schriftstück dagegen als Privattestament hergestellt und sodann als öffentliches Testament verwandt, liegt eine Konversion nicht vor. Vielmehr hat das Schriftstück durch die ungültige Verhandlung vor dem Richter oder Notar seine Eigenschaft als Privattestament keineswegs eingebüßt122. 118 Strohal I, 97; Demburg-Engelmann V, 86; Crome V, 73 mit A. 67; 68; Endemann III 1, 304 f.; F. Leonhard, A. III D zu§ 2238; Kretzschmar, § 17 V 3 a, S. 81; P. Meyer, 155 A. 30; Planck-Strecker, A. 3 b, c zu§ 2238; Vogels-Seybold, Randnr. 5 zu§ 11 TestG; Palandt-Keidel, A. 4 zu§ 2238; Erman-Hense, A. 3-5 zu § 2238; RGRK-Kregel, A. 6 zu § 2238; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Randnr. 6 zu§ 2238; Lange, § 18 III 3 a y, S. 170. 119 RGZ 76, 94 (95); Motive V, 277; Strohal I, 97 A. 29; Crome V, 73; Kretzschmar, § 17 V 1, S. 80; Endemann III 1, 269, 304; Planck-Strecker, A. 5 a