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German Pages 250 [256] Year 1963
DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN SCHRIFTEN DER SEKTION FÜR
ZU
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EPIGRAPHISCHE BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE HISTRIAS IN HELLENISTISCHER UND RÖMISCHER ZEIT VON
D.M. PIPPIDI Mit 18 Tafeln
A K A D E M I E - V E R L A G 1962
BERLIN
ALTERTUMSWISSENSCHAFT
• B E R L I N
Gutachter dieses Bandes: Johannes Irmscher und Günther Klaffenbach
Redaktor der Reihe: Johannes Irmscher Redaktoren dieses Bandes: Roland Gründel und Klaus Wachtel
Erschienen im Akademie-Verlag G m b H , Berlin W 8 , Leipziger Straße 3—4 Copyright 1962 b y Akademie-Verlag G m b H , Berlin Lizenz-Nr. 202 • 100/100/62 Kartengenehmigung: M d l der D D R Nr. 6727 Gesamtherstellung: Druckhaus „Maxim Gorki", Altenburg Bestellnummer: 2067/34 . E S 7 M • Preis: DM 4 4 , -
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Inhalt
Vorwort Siglenverzeiehnis Literaturverzeichnis I. II. III. IV.
Griechische und lateinische Epigraphik in Rumänien Histria und Kallatis im 3. und 2. Jh. v. u. Z Neue Nachrichten über die Verfassung Histrias in vorrömischer Zeit . . . Die Herkunft des Beschlusses zu Ehren des Epikrates, Sohn des Nikobulos (Syll.3 707) V. Die Agrarverhältnisse in den griechischen Städten der Dobrudscha in vorrömischer Zeit VI. Die Beziehungen Histrias zu den Geten im 3. Jh. v. u. Z VII. Das Datum des Ehrendekrets für Aristagoras, Sohn des Apaturios (Syll.® 708) VIII. Ein Augustus-Tempel in der Dobrudscha IX. Tib. Plautius Silvanus Aelianus und die römische Politik in Moesien unter Neros Regierung X. Das Stadtgebiet von Histria in römischer Zeit auf Grund der 'ÖQa&Eoia des Laberius Maximus (SEG I 329) XI. Dionysische Inschriften aus Histria aus dem 2. und 3. Jh. u. Z XII. Ein Hymnoden-Verein aus der ersten Hälfte des 3. Jh. u. Z XIII. Zum Datum der Zerstörung Histrias durch die Goten im 3. Jh. u. Z. . . . Indices Verzeichnis der Abbildungen Tafeln I - X V I I I
VII IX XI 1 11 35 51 60 75 89 101 106 133 154 178 192 202 217
Vorwort Die in diesem Band enthaltenen Arbeiten stellen keineswegs eine fortlaufende Geschichte Histrias von seinen Anfängen (Mitte des 7. J h . v. u. Z.) bis zu seinem endgültigen Untergang (Anfang des 7. Jh. u. Z.) dar. Denn eine solche Geschichte zu schreiben stößt auch bei dem heutigen Stand des Quellenmaterials noch auf gewisse Schwierigkeiten, da zu viele Momente dieser mehr als tausendjährigen Entwicklung ungeklärt oder heftig umstritten sind. In jedem Fall kann aber gesagt werden, daß die bisherigen Versuche, Histrias Geschichte zusammenfassend darzustellen — erstmalig 1898 Behrendt Pick, zuletzt 1954 Emil Condurachi —, durch das rasche Anwachsen der archäologischen und epigraphischen Funde überholt sind. Die umfangreichen Ausgrabungen, die 1914 von Vasile Pärvan begonnen und mit kurzen Unterbrechungen bis zum heutigen Tag in immer größerem Ausmaß fortgeführt wurden, haben ein überaus reiches Material ans Licht gebracht. Dadurch wird unser Bild von der Vergangenheit Histrias immer genauer und vollständiger, so daß es in nicht zu ferner Zukunft möglich werden dürfte, eine eingehende Darstellung der Geschichte dieser Stadt zu geben. Bis dahin wird es gut sein, sich auf einzelne Beiträge zu beschränken, die sich entweder mit der Auswertung neuer Urkunden befassen oder geschichtliche Abschnitte aufhellen, die noch weitgehend im Dunkeln liegen. Aus solchen Beiträgen, die in den letzten Jahren in verschiedenen Zeitschriften Rumäniens und des Auslands erschienen, entstand das Buch „Contributii la istoria veche a Rominiei", Bucure^ti 1958. Die hier vorgelegte deutsche Übersetzung weist nur sehr geringfügige Unterschiede gegenüber der rumänischen Ausgabe auf. Durch kleine Erweiterungen, die an einigen wenigen Stellen vorgenommen wurden, soll der Leser den Stand der Forschung möglichst vollständig überblicken können. Außerdem enthält der Band einige neue Beiträge, die ihre Entstehung Funden der jüngsten Zeit verdanken, und schließlich soll das Einleitungskapitel dazu beitragen, die Arbeit von Wissenschaftlern bekannt zu machen, deren Namen mit der planmäßigen Erforschung Dakiens und ,Kleinskythiens' verbunden sind. Die günstige Aufnahme, die die rumänische Auflage bei den Fachleuten fand, ermutigte mich, diese für einen breiten Leserkreis bestimmte deutsche Ausgabe vorzubereiten. Es ist für mich eine angenehme Pflicht, allen zu danken, die mir die Veröffentlichung dieser deutschen Ausgabe ermöglicht haben. Ich nenne an erster Stelle die
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Vorwort
Leitung des Instituts für griechisch-römische Altertumskunde der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, von wo die Anregung zur Herausgabe dieser Beiträge kam. Ich danke dem wissenschaftlichen Arbeitsleiter dieses Instituts Herrn Dr. phil. habil. Wolfgang Seyfarth für die Übersetzung zweier Aufsätze und den Mitarbeitern der dortigen Arbeitsgruppe Corpus Inscriptionum Latinarum, vor allem den Assistenten Dr. Roland Gründel und Klaus Wachtel, für die Durchsicht der Beiträge und für ihre Bemühungen um die Drucklegung des Bandes. Ein besonderes Wort dankbarer Anerkennung gebührt den technischen Assistentinnen Ursula Lehmann und Margot Blankenburg. I m einzelnen ist zu bemerken, daß die Beiträge zwar in einem Buch zusammengefaßt sind, dennoch aber in ihrem Charakter als Einzelveröffentlichung nicht verändert wurden. Allerdings wurde durch häufige Querverweise die Einheit des Ganzen betont. Beiträge, die bereits in deutscher Sprache erschienen, wurden im wesentlichen in der Originalfassung übernommen. I m übrigen konnte eine gewisse Uneinheitlichkeit, die durch das Wirken mehrerer Übersetzer und Bearbeiter bedingt ist, nicht ganz vermieden werden. Für die Transkription kyrillischer Buchstaben wurde das bibliothekarische System verwandt, sofern nicht — wie bei Rostovtzeff — die im Deutschen eingebürgerte Umschrift gebraucht wurde. Buchtitel wurden in der Originalfassung geboten, Zeitschriftenaufsätze im allgemeinen in deutscher, englischer oder französischer Sprache. Für die Kürzung von Zeitschriftentiteln wurde nach den Internationalen Regeln (DIN 1502, Beibl. 1) verfahren, die darüber hinaus gebrauchten Siglen beziehen sich auf spezifisch epigraphische Werke oder für Rumänien wichtige Zeitschriften. Forscher, deren Werke in allen Beiträgen häufig genannt werden, sind als Sigle behandelt worden, für alle anderen wurde in jedem Beitrag an der ersten Stelle der volle Titel geboten, später mit a. 0 . darauf verwiesen, wobei zur Erleichterung für den Leser der angegebene Ort, sofern er weiter abliegt, noch näher bezeichnet wurde. Bucure^ti, Nov. 1960
D. M. Pippidi
Siglenverzeichnis
Sammlungen, Zeitschriften AAR, MSI AEM CAH CIG CIL Contribu^ii. . . Delphinion Milet FGrHist Histria 4, 1916 Histria 7, 1923 Histria 1, 1954 IBrM IG IGB IGR ILS Insehr. Magnesia Inschr. Pergamon Insohr. Priene IPE Michel OGI ÖJh. PIR RE SCIV SEG SHA Syll.»
Analele Academiei Romane, Memoriile Sec^iunii Istorice Archaeologisch-epigraphische Mittheilungen aus Österreich-Ungarn The Cambridge Ancient History Corpus Inscriptionum Graecarum Corpus Inscriptionum Latinarum Pippidi, D. M.: Contribufii la istoria veche a Rominiei, Bucure^ti 1958 Das Delphinion in Milet (Milet. Die Ergebnisse der Ausgrabungen III), hrsg. von A. Rehm u. G. Kawerau, Berlin 1914 Die Fragmente der griechischen Historiker, hrsg. v. F. Jacoby Histria IV. Inscrip^ii gäsite in 1914 ? i 1915, AAR, MSI 38,1916,533-732 Histria VII. Inscrip^ii gäsite in 1916, 1921 ?i 1922, Bucure?ti 1923 ( = AAR, MSI ser. IH-a, t. II, mem. 1) Histria. Monografie arheologicä. Vol. I (Cercetäri privind istoria veche a R. P. R.), Bucure$ti 1954 The Collection of Ancient Greek Inscriptions in the British Museum Inscriptiones Graecae Inscriptiones Graecae in Bulgaria repertae I. I I ed. G. Mihailov, Serdicae 1956-1959 Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes, edd. R. Cagnat, J . Toutain, G. Lafaye, Paris 1906-1927 Inscriptiones Latinae selectae, ed. H. Dessau, Berlin 1892—1916 Die Inschriften von Magnesia am Maeander, hrsg. von 0. Kern, Berlin 1900 Die Inschriften von Pergamon. Unter Mitwirkung von E. Fabricius u. K. Schuchhardt hrsg. von Max Frankel, Berlin 1890—1895 Inschriften von Priene, hrsg. von Fr. Hiller von Gaertringen, Berlin 1906 Inscriptiones antiquae orae septentrionalis Ponti Euxini, Graecae et Latinae I—IV, ed. B. Latyschev, Petropoli 1885—1901 (I 2 : Petropoli 1916) Recueil d'inscriptions grecques, ed. Ch. Michel, Bruxelles 1900 (Ergänzungsbände 1912 u. 1927) Orientis Graeci inscriptiones selectae. Supplementum Sylloges inscriptionum Graecarum, ed. G. Dittenberger, Lipsiae 1903 Jahreshefte des österreichischen archäologischen Institutes in Wien Prosopographia Imperii Romani saec. I. II. I I I Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Studii ?i Cercetäri de Istorie veche Supplementum Epigraphicum Graecum Scriptores Historiae Augustae Sylloge inscriptionum Graecarum a G. Dittenbergero condita et aucta. 'Leipzig 1915-1924
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Siglenverzeichnis Monographien
Blavatskaja
Blavatskaja, T. V. : Zapadnopontijskie goroda v VII—I v. d. n. é., Moskva 1952 Danov Danov, Chr. M. : Zapadnijat brjag na Cerno More v drevnostta, Sofija 1947 de Laet de Laet, S. J . : De Samenstelling van den romeinschen Senaat gedurende de eerste eeuw van het Principaat (28 vôôr Chr. — 69 na Chr.), Antwerpen — 'S-Gravenhage 1941 de Laet, Portorium ders. : Portorium, Étude sur l'organisation douanière chez les Romains, surtout à l'époque du Haut-Empire, Brügge 1949 Newskaja Newskaja, W. P. : Byzanz in der klassischen und hellenistischen Epoche (übers, von H. Braschwitz), Leipzig 1955 Pârvan, Getica . . . Pârvan, V. : Getica. O protoistorie a Daciei, Bucureçti 1926 ( = AAR, MSI ser. Ill-a, t. III, mem. 2) Pârvan, Dacia . . . ders.: Dacia. An Outline of the Early Civilizations of the CarpathoDanubian Countries, Cambridge 1928 Patsch, Beiträge Patsch, C. : Beiträge zur Völkerkunde von Südosteuropa V. Aus 500Jahren vorrömischer und römischer Geschichte Südosteuropas. 1. Teil: Bis zur Festsetzung der Römer in Transdanuvien, 2. Teil : Der Kampf um den Donauraum unter Domitian und Trajan, Sitz.-Ber. Akad. Wiss. Wien 214, 1932 und 217, 1937 Pick Pick, B. u. Regling, K. : Die antiken Münzen von Dacien und Moesien, Berlin 1898—1910 (Die antiken Münzen Nord-Griechenlands I 1—2) Rostovtzeff Rostovtzeff, M. : Gesellschaft»- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt 1—3 (übers, von G. u. E. Bayer), Darmstadt 1955—1956 Stein Stein, A.: Die Legaten von Moesien, Budapest 1940 ( = Dissertationes Pannonicae I 11) Vulpe Vulpe, R. : Histoire ancienne de la Dobroudja, Bucarest 1938 ( = Académie Roumaine. Connaissance de la Terre et de la Pensée roumaines IV. La Dobroudja, 35-454)
Literaturverzeichnis (vgl. auch das Siglenverzeichnis der Monographien)
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Literaturverzeichnis
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I. Griechische und lateinische Epigraphik in Rumänien An Stelle einer Einleitung
Im Unterschied zu den eigentlich .klassischen' Ländern Griechenland und Italien, im Unterschied aber auch zu den Ländern West- und Mitteleuropas, wo seit der Renaissance eine starke humanistische Tradition dazu beigetragen hat, das Interesse an den Denkmälern des Altertums wachzuhalten, erfreuen sich die Studien der griechischen und lateinischen Epigraphik in Rumänien erst junger Gunst. Sie gehen nicht weiter zurück als bis zur Mitte des 19. Jh. und sind verbunden mit der Gründung eines archäologischen Museums in Bukarest, der Hauptstadt der Vereinigten Fürstentümer. Als heutiges Archäologisches Nationalmuseum wird es in einigen Jahren seine Hundertjahrfeier begehen. Entstanden durch die Vereinigung mehrerer Privatsammlungen, unter denen die bedeutendste die des Generals Mavros1 war, eines begeisterten Liebhabers von Altertümern jeglicher Art einschließlich der Inschriften, an deren Sammlung und Erhaltung vor ihm in Rumänien niemand gedacht hatte, hat das Museum seitdem nicht aufgehört, sein Lapidarium zu vergrößern. Es zählt heute ungefähr 2000 Stücke und stellt die größte Sammlung griechischer und lateinischer Inschriften dar, die es in Rumänien gibt 2 . Ihrem Fundort nach gehört der größte Teil dieser Denkmäler in die Dobrudscha, besonders in das Gebiet des antiken Tomis. Andere stammen aus Kallatis, dem Gebiet von Histria, aus Troesmis, Tropaeum Traiani und aus der Kleinen Walachei. Einige wenige schließlich kommen von den römischen Siedlungen des rechten Donauufers, das jetzt zum Staatsgebiet Bulgariens gehört. So ist die Bukarester Sammlung nicht nur durch ihre Größe eindrucksvoll, sondern auch durch die Unterschiedlichkeit des Materials interessant, umfaßt sie 1
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Vgl. L. Robert, Annuaire Coll. France 59, 1959, 449. Für das Interesse, das Mavros für Altertümer zeigte, und für seine Tätigkeit als Sammler während der Jahre 1844—1847 verfügen wir über wertvolle Nachrichten in den Briefen eines seiner Schwiegersöhne, des Schriftstellers Ion Ghica. Über die griechischen und lateinischen Inschriften, die in der Bukarester Wohnung des Generals und in der Villa in Moara Domneascä gesammelt waren, wo man sie prüfen und sogar abschreiben konnte, vgl. die Reisenotizen von E. Desjardins, Lettre à M. Henzen sur quelques inscriptions inédites de Valachie et de Bulgarie..., Annales Inst. Corresp. arehéol. 40, 1868, 6 - 1 9 . 28—41. Andere, zum Teil recht bedeutende Lapidarien findet man in mehreren Museen Transsylvaniens (Cluj, Alba Iulia, Deva, um nur die größeren zu nennen) und ebenso in Konstanza, Histria, Mangalia und Vasile Roaitä an der Schwarzmeerküste. Pippidi
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
doch neben zahlreichen Grabsteinen Stücke von großer wissenschaftlicher Bedeutung und mindestens ein Unikum, die lateinische Fassung des foedus, das etwa 70 v. u. Z. zwischen Rom und Kallatis geschlossen wurde3. Unter diesen Umständen und bei dem starken Interesse für epigraphische Studien, das durch die Herausgabe der Berliner Inschriftencorpora in ganz Europa geweckt wurde, wird der wertvolle Beitrag verständlich, den die Betreuer eines solchen Schatzes für die Wissenschaft leisteten, indem sie die Hauptstücke publizierten und darauf achteten, daß auch die unbedeutendsten Fragmente inventarisiert und unter Schutz gestellt wurden. Der erste, der sich bleibende Verdienste in dieser Richtung erworben hat, war Gbigore Tocilesctt, Professor an der Universität Bukarest, bekannt als Erforscher des Denkmals von Adamklissi. Als Epigraphiker hat Tocilescu eine beachtliche Anzahl von griechischen und lateinischen Inschriften aus der Dobrudscha und der Kleinen Walachei der gelehrten Welt zur Kenntnis gebracht. Er hat entweder Abschriften und Abklatsche an Mommsen und seine Mitarbeiter für den III. Band des CIL geschickt oder die Inschriften selbst veröffentlicht4. Dabei bot Tocilescu in den beiden letztgenannten Arbeiten dem Leser zugleich mit den Texten einen Kommentar, der mehr oder weniger aus den bearbeiteten Dokumenten selbst gewonnen war. Wenn sich auch diese Untersuchungen noch zu sehr auf allgemeine Tatsachen richten und das vernachlässigen, was den besonderen Wert der einzelnen Urkunde in ihrer historischen Situation und Umgebung ausmacht, so haben sie doch das Verdienst, jenem den Weg gebahnt zu haben, der der wahre Begründer der rumänischen Epigraphikerschule werden sollte: V a s i l e PÍBVAN. Das Wirken Párvans an der Universität, in der Direktion des Nationalmuseums, an der Akademie und im Rumänischen Archäologischen Institut in Rom, das er gegründet und bis zu seinem vorzeitigen Tod geleitet hat, ist auch außerhalb Rumäniens zu bekannt, als daß es nötig wäre, länger dabei zu verweilen. So wird die Feststellung genügen, daß Pärvan für jeden Zweig der rumänischen Altertumswissenschaft der xTÍozr¡g gewesen ist und daß er unsere Kenntnis der Vergangenheit der Donauländer erheblich erweitert hat durch die Ausgrabungen, die er veranlaßt oder selbst zwischen 1911 und 1926 geleitet hat, und daß er schließlich der erste gewesen ist, der versucht hat, diese Entdeckungen auszuTh. Sauciuc-Säveanu, Dacia 3/4, 1927/32, 456; vgl. S. Lambrino, Comptes-Rendus Acad. Inscr. 1933, 278—288; A. Passerini, Athenaeum 13, 1935, 57—72; Dem. St. Marin, Epigraphica 10, 1948, 104—130. « AEM 1,1877, 73; 3,1879,40-46; 6,1882,1-52; 8 , 1 8 8 4 , 1 - 3 4 ; 11,1887, 19-70; 14,1891, 1 0 - 3 7 ; 17, 1894, 81-113. 224-226; 19, 1896, 79-111. 213-229; weitere Dokumente sind von Tocilescu in Monumentele epigrafice çi sculpturali ale Muzeului National de Antidataci, Bucureçti 1881 —1908 und in dem Buch Fouilles et recherches archéologiques en Roumanie. Communications faites à l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres de Paris 1892 — 1899, Bucureçti 1900 publiziert worden. 3
Griechische und lateinische Epigraphik in Rumänien
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werten, zunächst in vorläufigen Grabungsberichten, dann aber in zusammenfassenden Werken®. Für seine epigraphischen Studien wird der Hinweis genügen, daß sein Interesse dafür aus der Zeit herrührt, als er, Schüler von Hirschfeld in Berlin und von Cichorius in Breslau, die Materialien für seine Dissertation 6 sammelte. Diese umfangreiche Untersuchung, die sich auf Inschriften des gesamten Orbis Romanus erstreckte, war aber doch Studierstubenepigraphik geblieben. Pärvan hatte sich nur mit publizierten Stücken befaßt und war noch nicht dazu gekommen, etwas über die vielfältigen Probleme zu sagen, die mit der Kritik und der Edition von Inschriften zusammenhängen. Das gilt auch noch von seinen „Epigraphischen Beiträgen zur Geschichte des dakisch-römischen Christentums" 7 . Doch die Zeit der praktischen Epigraphik sollte bald mit den Ausgrabungen beginnen, die Pärvan in dem an Geschichte so reichen Gebiet der Dobrudscha unternahm, deren Schätze von seinen Vorgängern Tocilescu und Murnu kaum berührt worden waren. Tocilescu hatte, wie schon erwähnt, viele Jahre lang das Monument von Adamklissi studiert und zusammen mit 0 . Benndorf und G. Niemann eine umfangreiche Monographie 8 darüber veröffentlicht. Danach hatte er sich der Erforschung der benachbarten Stadt Tropaeum Traiani zugewandt 9 . Er hatte zunächst den Mauerverlauf aufgefunden, dann einige Gebäude ans Tageslicht gebracht und eine Anzahl von Inschriften, zum großen Teil fragmentarische, ausgegraben. Diese Arbeiten, die von G E O K G E M U R N U 1 0 fortgesetzt wurden, führten trotz ihrer Nützlichkeit kaum zu einer Gesamtschau der Entwicklung der Stadt, die übrigens auch heute noch nicht systematisch ausgegraben ist 11 . Es blieb Pärvan vorbehalten, den ersten Entwurf ihrer bewegten Geschichte in einem kleinen Buch 1 2 zu zeichnen, in dem er unter Verwertung sowohl der archäologischen Funde wie der durch die Inschriften vermittelten Nachrichten die Etappen von der Gründung der Stadt unter Trajan bis zu ihrer Zerstörung durch die Awaren in den letzten Jahren des 6. Jh. schildert. 5 6 7 8 9
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Getica. O protoistorie a Daciei, Bucure§ti 1926; Dacia. An Outline of the Early Civilizations of the Carpatho-Danubian Countries, Cambridge 1928. Die Nationalität der Kaufleute im römischen Kaiserreiche, Breslau 1909. Contribujii epigrafice la istoria cre^tinismului daco-roman, Bucurejti 1911. Monumentul de la Adamklissi (Tropaeum Traiani). Es gibt von diesem Werk eine rumänische und eine deutsche Ausgabe, beide erschienen 1895 in Wien. Vgl. besonders Castrul Tropaeum Traianum de la Adam Klissi, Bucure^ti 1892. Der Anhang enthält mehrere wichtige lateinische Inschriften, darunter ein Militärdiplom (jetzt CIL XVI 58). Buletinul Comis. Monument. Istor. 3, 1910, 155—161; 5, 1912, 79—82; ders. zusammenfassend: De la cetatea Tropaeum Adam Klissi. Basilica cisterna. Studiu arheologic, Bucure?ti 1913. In jüngerer Vergangenheit haben dort P. Nicorescu und G. Stefan zeitweilig Ausgrabungen vorgenommen, bevor sie ihr Interesse auf die Erforschung anderer Orte richteten. Cetatea Tropaeum. Considera^ii istorice, Bucure?ti 1912 (Nachdruck aus Buletinul Comis. Monument. Istor. 4, 1911, 1 — 12. 163—191).
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
Daß dieser erste größere Beitrag zur Geschichte der Dobrudscha gleich so vorzüglich ausfiel, war darin begründet, daß Pârvan bereits seit Jahren die alten Denkmäler dieser Provinz studiert hatte. Seit 1906, seit der Auffindung einer wichtigen lateinischen Inschrift in Mahmudia am St.-Georgs-Arm, hatte er es unternommen, die Topographie und Militärgeschichte von Scythia Minor genauer zu durchforschen13. Gleich nach seiner Ernennung zum Direktor des Museums für die Altertümer (1911) begann Pârvan mit jener Serie von Ausgrabungen, durch die er das Kastell von Ulmetum identifizieren und ans Licht bringen konnte. Drei von vier Abhandlungen über die Ausgrabungen von Ulmetum 14 machen mit den Inschriften bekannt. Diese etwa 50 griechischen und lateinischen Texte — darunter mehrere von besonderer Bedeutung für die Verwaltungs- und Kulturgeschichte — ermöglichten es ihm, die erste archäologische Karte der römischen Dobrudscha, namentlich ihrer Verbindungswege, zu zeichnen und das Fortleben des thrakischen Bevölkerungselementes nachzuweisen, das dort noch lange nach der Eroberung und trotz des doppelten, jahrhundertelangen Prozesses der Hellenisierung und Romanisierung erhalten blieb. Gleich nach den Ausgrabungen in Ulmetum begann Pârvan mit der Freilegung der Ruinen von Histria 15 , der ältesten von Milet an der Westküste des Schwarzen Meeres gegründeten Kolonie. Dabei wandte er erfolgreich eine Methode an, die er als erster bei den Ausgrabungen von Ulmetum erprobt hatte. Bis zu seinem Tode (1927) widmete er sich dieser Aufgabe mit großem Eifer und unermüdlicher Energie. Er entwarf sofort ein Programm der langwierigen Arbeiten und ging ohne Verzug an die Veröffentlichung der epigraphischen Dokumente, von denen durch einen glücklichen Zufall die bedeutendsten im Verlauf der ersten Grabung gefunden wurden. Den langen Abhandlungen unter dem Titel „Histria 4 " 1 6 und „Histria 7" 1 7 konnte er 1925 als Ausbeute der Jahre 1923/24 eine dritte Reihe von Texten folgen lassen 18 . Sie war zugleich die letzte Edition, die Pârvan beschieden war. Er hat seine Aufgabe bis zu seinem unerwarteten Dahinscheiden so umfassend gelöst, daß von den epigraphischen Denkmälern, die in Histria im Verlauf von 10 Grabungskampagnen gefunden worden waren, nur sehr wenige Stücke unediert 19 in den Magazinen verblieben waren. 13 14
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Salsovia, Bucureçti 1906. Cetatea Ulmetum. Descoperirile primei campanii de säpäturi din vara anului 1911, AAR, MSI 34, 1912, 497—607; Cetatea Ulmetum. Descoperirile campaniei a doua çi a treia de säpäturi din anii 1912 çi 1913, AAR, MSI 36, 1914, 2 4 5 - 3 2 8 . 3 2 9 - 4 2 0 ; Cetatea Ulmetum. Descoperirile ultimei campanii de säpäturi din vara anului 1914, AAR, MSI 37, 1915, 265-304. Einen Gesamtüberblick über diese Ausgrabungen und über ihre Hauptergebnisse bis heute gibt D. M. Pippidi, Bull. Corresp. Hell. 82, 1958, 3 3 5 - 3 5 0 . AAR, MSI 38, 1916, 5 3 3 - 7 3 2 . AAR, MSI ser. Ill-a, t. II, mem. 1, Bucureçti 1923. Fouilles d'Histria. Inscriptions. Troisième série: 1923-1925, Dacia 2,1925, 198—248. Sie wurden nach seinem Tode veröffentlicht von S. Lambrino, Fouilles d'Histria. Deuxième article, Dacia 3/4, 1927/32, 3 7 8 - 4 1 0 .
Griechische und lateinische Epigraphik in Rumänien
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Den Inschriften, die Pârvan herausgegeben hat, verdankt Histria vor allem, daß es die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt auf sich gezogen hat, daß es sich gleichsam aus seiner Asche wiedererhoben hat, nachdem es mehr als 1000 Jahre vergessen und sogar die Erinnerung an seine Lage verlorengegangen war. Aber was hier besonders hervorgehoben werden muß, ist die Rolle, die Pârvans Schriften für die Entwicklung der epigraphischen Studien in Rumänien gespielt haben, ist ihr Einfluß auf mehrere Generationen von Historikern, von denen zwar nur einige seine direkten Schüler sind, die aber alle seine Arbeiten mehrfach gelesen haben, bevor sie selbst an die Publikation von Texten gingen. Sicher sind Pârvans Arbeiten nicht alle beispielhaft, sie sind nicht einmal alle von Fehlern frei. Seine Kenntnis des Griechischen war nicht vollkommen, und viele seiner Textherstellungen beruhen mehr auf einfachen Textvergleichen als auf einem wirklichen Erfassen der Sprache und des Stils der behandelten Dokumente. Indessen, wenn seine Arbeiten durch eine wirklich ,gestaltende K r a f t ' ausgezeichnet sind, wenn ihre Lektüre so anregend ist, daß durch sie junge Menschen zur Berufswahl veranlaßt wurden und noch werden, so liegt der Grund dafür in der Tatsache, daß Pârvan — besser als die Mehrzahl seiner Zeitgenossen — erkannt hatte, daß, wie es ein Meister unseres Faches jüngst formulierte 20 , „die Epigraphik kein Sport ist, in dem vornehme Reisende Jagd auf unveröffentlichte Inschriften machen, Abklatsche von ihnen anfertigen oder sie photographieren, sie schließlich publizieren und so mit der Zeit ,Epigraphiker' werden, wie man ein Jäger ist, wenn man ein paar arme Tiere erlegt hat". Pârvan wie Robert, dessen Worte ich eben zitierte, verstehen unter einem Epigraphiker „einen Historiker, der die hervorragende Bedeutung der Inschriften unter seinem Urkundenmaterial erkannt h a t " 21. Dabei hat Pârvan niemals einen Unterschied zwischen historischen und nichthistorischen Inschriften gemacht, vielmehr hat er sich stets bemüht, die von ihm ausgegrabenen Steine selbst sprechen zu lassen. Er ließ sie ihre Nachrichten geben, mochten sie nun sensationell oder bloß nützlich sein — und das waren sie in jedem Falle. Deshalb ist unter den vielen von Pârvan publizierten Texten keiner ohne Kommentar veröffentlicht worden. Kein Fragment, so unscheinbar es auch war, ist der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, ohne daß der Herausgeber es in eine bestimmte Situation der Stadt oder der Provinz, aus der es stammte, einordnete. I n dieser Hinsicht ist die Lehre Pârvans fruchtbar gewesen, in dieser Hinsicht kann man von ihm sagen, daß er Schule gemacht habe. Alle, die sich in Rumänien dem Studium der Inschriften widmen und sich dabei auf sein Beispiel berufen, wissen, daß die Epigraphik kein Selbstzweck ist, sondern nur ein besonderer Zweig der Alten Geschichte, wobei man Geschichte in ihrem weitestmöglichen Sinn zu verstehen hat. Übrigens hat Pârvan über seinen Bemühungen, Histria vor unseren Augen wieder auferstehen zu lassen, die Geschichte der übrigen griechischen Kolonien in der 20 21
L. Robert, Actes du deuxième Congrès d'épigraphie grecque et latine, Paris 1953, 9. Ebd. 10.
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
Dobrudscha keineswegs vernachlässigt. Denn auch anderen Funden hat er sofort gründliche Untersuchungen gewidmet und so für die Geschichte von Tomis und Kallatis wesentliche Beiträge geliefert, die für unsere Kenntnis der Vergangenheit dieser Städte eine sichere Grundlage bilden22. In der gleichen Weise hat er die nördlich der Donau in der Walachei und in der Kleinen Walachei gefundenen Inschriften behandelt, so daß die ihnen gewidmeten Arbeiten 23 für die Geschichte dieser Landschaften in römischer Zeit auch heute noch eine Bedeutung haben, die man nicht unterschätzen sollte. Etwa gleichzeitig mit Pârvan haben zwei andere Gelehrte die griechischrömische Dobrudscha erforscht: Obest T a f r a l i und Theophil SattcittcSaveanu. Anfangs auf dem Gebiet der byzantinischen Geschichte tätig, hat sich Tafrali relativ spät der klassischen Epigraphik und Archäologie zugewandt, als er sein Augenmerk auf die Städte Kallatis und Dionysopolis richtete. Jeder dieser beiden Kolonien hat er eine kleine Monographie24 gewidmet, in denen er auch die wichtigen Inschriften gesammelt hat, ohne daß man von diesen Arbeiten mit irgendwelchem Recht als echten Corpora sprechen könnte. Sauciuc-Säveanu hat sich als Mitglied des österreichischen Archäologischen Instituts in Athen von seinen ersten Arbeiten an der Epigraphik gewidmet. Nach verschiedenen anderen Beiträgen 25 hat er sich auf die archäologische Erforschung von Kallatis und die Veröffentlichung der dortigen Monumente konzentriert26. 31
Zidul cetätii Tomi, AAR, MSI 37, 1915, 4 1 5 - 4 5 0 ; Gerusia din Callatis, AAR, MSI 39, 1920, 51—90; Une nouvelle inscription de Tomi, Dacia 1, 1924, 273—279; A propos du „basileus" Cotys de Callatis, ebd. 363—367; vgl. außerdem Descoperiri nouä In Scythia Minor, AAR, MSI 35, 1913, 467-550. 23 Çtiri nouä din Dacia Malvensis, AAR, MSI 36,1914, 39—68 ; Castrul de la Poiana çi drumul roman prin Moldova de Jos, ebd. 94—130. 24 La cité pontique de Callatis, Rev. archéol. 21,1925, 238—292 ( = Arta çi Arheologia 1,1927, 17—55); La cité pontique de Dionysopolis, Paris 1927. 25 Zum Ehrendekret von Andros (IG XII5,714), Mitt. Dt. Archäol. Inst. Athen. Abt. 36,1911, 1—20; Eine Stephanephoreninschrift aus Syros, ebd. 37, 1912, 157—162; Ein Hadriansbrief und das Hadriansgymnasium in Athen, ebd. 183—189; Zu IG I I 5,85 b, ebd. 190—197; Weihepigramm eines Epheben in Athen, ebd. 38,1913, 285—288; Zum Weihepigramm eines Epheben in Athen, ebd. 39, 1914, 236, und schließlich: Andros. Ein Beitrag zur Geschichte und Topographie der Insel (Sonderschriften Österr. Archäol. Inst. VIII), Wien 1914. 2 « Neben seinen Grabungsberichten in Dacia 1, 1924, 108-165. 317—324; 2, 1925, 104—137; 3/4,1927/32,411-481 ; 5/6,1935/36,248-319; 7/8,1937/40,223-281 ; 9/10,1941/44,243 bis 347 sei auf den Beitrag Kallatis in L'Archéologie en Roumanie, Bucureçti 1938, 1—24 und auf die folgenden Beiträge hingewiesen: Ein Denkmal des Mithraskultus auf Andros in Griechenland, Mitt. Dt. Archäol. Inst. Rom. Abt. 25, 1911, 263—272; Neue attische Grenzund Hypothekensteine, ÖJh. 14,1911, Beibl. 81—96; Le décret en l'honneur du Macédonien Corrhagos, Rev. Et. Grecq. 36, 1923, 197—216; Vibius Severus, speculator pontic, SCIV 8, 1957,205—213; Ariston, AristonsSohn, ausKallatis, Dacia 2, 1958, 207—225. Vornehmlich auf epigraphischen Zeugnissen basiert sein Buch über die Lebensmittel im griechischen Altertum: Cultura cerealelor rnGrecia anticä çi politica cerealistä a Atenienilor. Contribuée la istoria aprovizionärii eu cereale în cuprinsul elenismului antic (Academia Romänä, Studii çi Cercet. 10), Bucureçti.1925.
Griechische und lateinische Epigraphik in Rumänien
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Der Nachfolger Pârvans auf dem Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Universität Bukarest, SCARLAT LAMBBINO, wurde ebenfalls zum Leiter der Ausgrabungen in Histria bestellt. Als ausgebildeter Epigraphiker und Schüler von Haussoullier an der École des Hautes Études zu Paris 27, war er besonders geeignet für diese Aufgabe, die er jedoch nur unbefriedigend löste. Von den zahlreichen Inschriften, die zwischen 1927 und 1943 gefunden wurden, hat er nur eine geringe Zahl veröffentlicht28. Eine Urkunde beispielsweise, die Lambrino schon 1933 in der Académie des Inscriptions angezeigt hatte29, wartet noch jetzt auf ihre Veröffentlichung (vgl. jedoch den Korrekturzusatz S. 201 unten). Im übrigen bemühten sich in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen andere Schüler Pârvans, das Beispiel ihres Meisters fruchtbar werden zu lassen. Neben dem Wirken von P A U L NICORESCU 3 0 an der Universität Jassy muß man hier die Bedeutung der epigraphischen Studien an der Universität Cluj hervorheben, wohin seit deren Gründung im Jahre 1919 drei frühere Schüler Pârvans berufen worden waren : DUMITRTT TEODORESCU, E M I L PANAITESCU und GEORGE G . MATEESCU.
Der erste von ihnen hatte sich ursprünglich für die pontischen Altertümer interessiert und eine umfangreiche Sammlung griechischer und lateinischer Inschriften von Tomis veröffentlicht31. Nachdem er Professor in der Hauptstadt Transsylvaniens geworden war, richtete sich natürlich sein Interesse auf die Denkmäler dieses Gebietes und besonders auf die dakischen Burgen in den Bergen von Orästie, deren systematische Erforschung jetzt von Constantin Daicoviciu mit aufsehenerregenden Erfolgen fortgesetzt wird. Ebenso wie Teodorescu hat Panaitescu die Mehrzahl seiner Arbeiten dem römischen Dakien 27
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Hieraus erklärt sich die Tatsache, daß seine ersten Arbeiten sich fast ausnahmslos auf Texte aus Kleinasien beziehen: Contribuai epigrafice privitoare la Asia Micä, Bucureçti 1928; Correction à une loi sacrée de Milet, Rev. Hist. Relig. 97, 1928, 278—281; Inscription de Priène, Bull. Corresp. Hell. 52,1928,399—406 ; Lettre du roi Eumène I I et décret de IasoB relatifs aux Nicéphoria de Pergame, Rev. archéol. 29, 1929, 107 — 120. Außer dem oben (Anm. 19) genannten Bericht (vgl. auch Deux types monétaires d'Histria, Aréthuse 1930, 101 — 108) kann man noch erwähnen: Histria romaine à la lumière des fouilles, Rev. Et. Lat. 9, 1931, 77—83; La destruction d'Histria et sa reconstruction au I l l - e siècle ap. J.-C., ebd. 11, 1933, 457—463; Note sur les fouilles d'Histria et sur une inscription grecque de Dragomirna, Bull. Soc. Nat. Antiq. France 1933, 80; Les tribus ioniennes d'Histria, Istros 1, 1934, 117—126; L a famille d'Apollon à Histria, 'Eqnjfiegiç 'AgxaioXoyix^ 1937, 352. 362; Le vicus Quintionis et Je vicus Secundini de la Scythie mineure, Mélanges de Philologie, de Littérature et d'Histoire anciennes offerts à J. Marouzeau, Paris 1948, 319ÉF. ; Le décret en l'honneur de l'architecte Epicratès, Miscelánea de filologia, literatura e historia cultural à memoria de Francisco Adolfo Coelho 2, Lisboa 1950, 169-177. Comptes-Rendus Acad. Inscr. 1933, 124, vgl. L. Robert, Rev. Philol. 33, 1959, 179. Liber-Dionysos. Doua inedite, Buletinul Comis. Monument. Istor. 8, 1915, 41—45; Monumente nouä din teritoriul oraçului Tomi, ebd. 9, 1916, 71—81. Monumente inedite din Tomi, Bucureçti 1918 (Nachdruck aus Buletinul Comis. Monument. Istor. 7, 1914, 180-192; 8, 1915, 6 - 2 0 . 7 4 - 8 7 . 186-189).
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
gewidmet 32 . Mateescu hat sich einen wohlverdienten Ruf als Spezialist für thrakische Namen erworben, die er vor allem an den Inschriften der Stadt Rom, aber auch an denen der griechischen Städte an der Nordküste des Schwarzen Meeres untersucht hat 3 3 . Der eigentliche Aufschwung der epigraphischen Studien an der Universität Cluj ist indessen verbunden mit dem Werk und der Lehrtätigkeit von C o n s t a n t i n Daicovicitt, den wir schon als Erforscher der dakischen Burgen im Hatzegtal nannten. Bevor er aber sein Interesse auf diese Aufgabe richtete, hat er sich lange Jahre hindurch den römischen Altertümern Transsylvaniens gewidmet und die Ergebnisse seiner Forschungen in einer bedeutenden Monographie veröffentlicht34. Gleichzeitig wurde damit die Arbeitsrichtung mehrerer seiner Schüler, unter ihnen Ion Iosif Russu, festgelegt 35 . In Bukarest wirkten neben Lambrino mehrere Pärvanschüler, unter denen die bedeutendsten G r i g o r e Floresctt, G h e o r g h e Ç t e f a n und R a d u V u l p e sind. Alle drei haben sich einen guten Namen als Archäologen verschafft, vor allem der letzte, der sich zugleich so unterschiedlichen Forschungen widmete wie der Vorgeschichtsarchäologie und der Geschichte der griechisch-römischen Dobrudscha und dabei einige Inschriften veröffentlichte. Die beiden anderen, die ihre Bemühungen teils auf die Untersuchung der Provinzialkunst von Dakien oder Scythia Minor, teils auf die Erforschimg so bedeutender Orte wie Drobeta, Dinogetia oder Capidava richteten, haben zahlreiche epigraphische Dokumente aus der Walachei und der Kleinen Walachei sowie aus den Städten der Dobrudscha publiziert. Neben ihnen möchte ich noch die Tätigkeit von D u m i t r u T t j d o r erwähnen, dessen Beiträge sich meistens mit Texten aus Sucidava in der Kleinen Walachei befassen, aber auch mit unveröffentlichten Inschriften aus den Sammlungen des Archäologischen Nationalmuseums. Die erwähnten Gelehrten setzen heute zum großen Teil eine Tätigkeit fort, die sie schon vor dem letzten Weltkrieg begonnen hatten. Indessen, auch für die Älteren bedeutet nach den politischen und sozialen Veränderungen in Rumänien 32
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Le limes dacique. Nouvelles fouilles et nouveaux résultats, Bull. Sect. Hist. Acad. Roum. 15,1929, 73—82 ; Castrul roman de la Câçei din cercetarile noua, Anuarul Comis. Monument. Istor. 1929, Cluj 1930, 321—342; Monumente inedite din Largiana, ebd. 1930/31, Cluj 1932, 81-116. Tomi-Oescus. O inscrip^ie inedità, Buletinul Comis. Monument. Istor. 8, 1915, 36—40; Cercetâri eu privire la traci. Emenda^iuni la CIL, ebd. 9, 1916, 29—40; I Traci nelle epigrafi di Roma, Ephemeris Dacoromana 1, 1923, 57—290; Nomi traci nel territorio scitosarmatico, ebd. 2, 1924, 223—237 ; Grantya de apus a tracilor, Anuarul Inst. Istor. Na$. Cluj 3, 1924/25, 377—492; vgl. auch Epigrafia sau çtiin}a inscrip^iilor, Cluj 1926. La Transylvanie dans l'Antiquité, Bucureçti 1938, 21945, dt. und ital. Ausgabe Bukarest 1943; über die zahlreichen Publikationen von Inschriften aus Sarmizegethusa, Apulum, Porolissum und vielen anderen Orten vgl. die Bibliographie in Omagiu lui Constantin Daicoviciu, Bucureçti 1960, XV—XIX. Vgl. die Bibliographien für die Jahre 1920—1957 in Anuarul Inst. Stud. clasice Cluj 2, 1933/35, 2 5 9 - 2 8 3 ; 5, 1944/48, 353 - 4 1 3 ; Dacia 2, 1958, 499-511.
Griechische und lateinische Epigraphik in Rumänien
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das Jahr 1949, in dem die archäologischen Forschungen wieder aufgenommen wurden, einen Wendepunkt, dessen Bedeutung nicht genug unterstrichen werden kann. Die Umorganisierung des archäologischen Heimatdienstes, die die Betreuung unseres künstlerischen Erbes und die Leitung der archäologischen Grabungen der Klasse für Geschichte der Akademie anvertraute, hat zum ersten Male den Fachleuten erlaubt, ein gewaltiges Forschungsprogramm zu entwerfen und zur Ausführung zu bringen, das vom Paläolithikum bis zur Völkerwanderung vor allem die wenig bekannten Seiten der Nationalgeschichte umfaßt. Beim Entwurf dieses Arbeitsplanes konnte man natürlich die klassischen Stätten nicht vergessen, so daß nach einer Unterbrechung von etwa 10 Jahren die Grabungen von Histria und Dinogetia — kurz nach denen von Sucidava und Capidava — mit einer Energie und unter Bedingungen wieder aufgenommen wurden, wie man sie nicht einmal zur Zeit Pärvans gekannt hatte. Die direkte Folge davon war ein beträchtliches Anwachsen der Funde und damit die Verpflichtung für die Ausgräber, an deren systematische Publikation heranzugehen. So veröffentlichten beispielsweise die Arbeitsgruppen von Histria und Capidava außer den vorläufigen Berichten, die jährlich erscheinen36, die ersten Bände von Reihen, durch die alle Funde seit Beginn der Grabungen bekannt gemacht werden sollen 37 . Die verstärkten archäologischen Forschungen machten die Bildung einer besonderen Arbeitsgruppe für epigraphische Studien nötig, zu der neben ,älteren' wie IOKGU STOTAN und I O N B A R N E A junge Forscher wie E M I L I A N POPESCTT und VICTORIA E F T I M I E gehören. Während sich Popescu mit einzelnen Inschriften von Histria und anderen Orten beschäftigt, hat Victoria Eftimie die Vorbereitung eines Corpus der in Rumänien gefundenen Amphorenstempel übernommen. Nach EinzelVeröffentlichungen, unter denen die von V A S I L E C A N A R A C H E 3 8 die neueste ist, wird die völlige Sammlung, die schon gut vorangekommen ist, wertvolle Dienste leisten. Ehe ich meine Skizze über die Entwicklung der epigraphischen Studien in Rumänien während der letzten hundert Jahre beende, möchte ich noch ein Wort über ein Projekt sagen, das zur Zeit die Aufmerksamkeit der Fachleute auf sich vereinigt: die Herstellung eines Corpus der griechischen und lateinischen Inschriften, die in Dakien und in dem zwischen Donau und dem Schwarzen Meer gelegenen Teil von Moesia Inferior gefunden wurden39. Es ist kaum nötig, die Gründe, die zu diesem Plan geführt haben, darzulegen. Es ist allgemein bekannt, daß von der großen Masse dieser Materialien ein bedeutender Teil von Mommsen :6
' In SCIV und Materiale Cercet. arheol. Histria. Monografie arheologicä 1, Bucure^ti 1954; Capidava. Monografie arheologicä 1, Bucure^ti 1958. 38 Importili amforelor $tampilate la Istria, Bucure^ti 1957. 39 Über diesen Plan berichtet D. M. Pippidi, Klio 37, 1959, 285f.; vgl. J. u. L. Robert, Rev. Et. Grecq. 71, 1958, 280, Nr. 334.
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
und seinen Mitarbeitern gesammelt und im III. Band des CIL veröffentlicht wurde. Aber es ist ebenso allgemein bekannt, daß das letzte Supplement dieses Bandes 1902 erschienen ist. Das bedeutet, daß die später gefundenen Urkunden auch heute entweder noch gar nicht ediert oder gleichsam vergraben sind in den Blättern der verschiedensten Zeitschriften, in denen sie zum ersten Male veröffentlicht wurden40. Noch mehr gilt das für die griechischen Inschriften von Scythia Minor; denn diese sind bisher weder in einer Spezialsammlung noch in der großen Sammlung der IG gesammelt worden. Es ist sozusagen noch alles zu tun, um die Menge der Inschriften bekanntzumachen, die in der Dobrudscha und besonders im Bereich der alten Küstenkolonien ans Tageslicht gekommen sind, in Histria, Tomis und Kallatis. Wie alle modernen Sammelwerke dieser Art ist das Inschriftencorpus von Rumänien nach topographischen Gesichtspunkten angelegt: Das ganze Land ist aufgeteilt in Bezirke, die zumeist den alten römischen ,territoria' entsprechen und deren griechische und lateinische Inschriften zusammen in jeweils einem Bande veröffentlicht werden sollen. Auf diese Weise sollen den Forschern die Materialien vollständig dargeboten und zugleich der komplexe Charakter der Zivilisation vor Augen geführt werden, die sich in jenem Teil der antiken Welt entfaltet hat, wo sich griechischer und römischer Einfluß in einer besonders eindrucksvollen Weise verschmolzen haben. Überall, wo es möglich ist, haben es sich die Herausgeber des neuen Corpus zur Pflicht gemacht, die schon publizierten Texte auf Grund der Originale zu überprüfen. Außerdem ist vorgesehen, von jeder griechischen und lateinischen Inschrift eine Photographie oder wenigstens eine Zeichnung zu geben. Schließlich sollen alle (oder wenigstens alle verständlichen) Texte von einer Übersetzung und einem Kommentar in rumänischer Sprache begleitet sein. Die neue Sammlung wird sich also dadurch von früheren Publikationen unterscheiden, daß sie sich bemüht, dem Leser nicht nur die sorgfältig erarbeiteten Texte vorzuführen, sondern auch ihre Bedeutung, vor allem ihren historischen Wert klarzumachen. Die Vorbereitung des ersten Bandes, der die Inschriften von Histria enthalten wird, ist schon so weit gediehen, daß man seine Veröffentlichung in naher Zukunft erwarten kann. 40
Dies ist der Grund dafür, daß die Akademie der Rumänischen Volksrepublik sich ohne Zögern bereit erklärt hat, auf den Vorschlag der Deutschen Akademie der Wissenschaften einzugehen und die Mitarbeit der rumänischen Fachkollegen für die geplante Neubearbeitung des III. Bandes des CIL zuzusagen. Die vorbereitenden Arbeiten für diese Aufgabe sind am Bukarester Archäologischen Institut und am Institut für Geschichte in Cluj bereits angelaufen. Der Direktor des Clujer Instituts, Constantin Daicoviciu, der inzwischen zum Präsidenten der Klasse für Geschichte gewählt wurde, wird die Arbeiten aller rumänischen Epigraphiker leiten, die an diesem internationalen Gemeinschaftsunternehmen mitwirken.
II. Histria und Kallatis im 3. und 2. Jh. v. u. Z. 1
Es ist eine bekannte Tatsache, daß in der Geschichte Histrias das 3. J h . v. u. Z. noch viele Unklarheiten birgt. Schuld daran trägt der Mangel an Inschriften, über die wir für andere Epochen reichlicher verfügen. Dazu sind die wenigen uns überkommenen Urkunden nicht mit völliger Sicherheit zu datieren. So erklärt es sich, daß sich unsere Kenntnis der Zeit vom Tode des Lysimachos bis zur Zerstörung des Königreiches von Tylis — beides Ereignisse von einschneidender Bedeutung für die Entwicklung der Kolonien des westlichen Pontus — im wesentlichen beschränkt: 1. auf die mögliche Beteiligung der Einwohner von Histria am organisierten Widerstand Apollonias gegen die thrakischen Kelten 2 , 2. auf die Angaben Memnons 3 über den Krieg zwischen Histria/Kallatis und Byzanz um die Kontrolle des Hafens von Tomis (Mitte des 3. J h . v. u. Z.), 3. auf den bis jetzt unveröffentlichten Beschluß zu Ehren des Agathokles, Sohn des Antiphilos 4 , von dem wir nur durch einen leider recht summarischen Bericht wissen. Wenn auf Grund der Widmung des Kallikrates die Annahme richtig ist, daß Histria den Einwohnern von Apollonia in einer Notlage Hilfe leisten konnte — und zwar in der ersten Hälfte des 3. J h . v. u. Z. s —, könnte sie zum Beweis dafür dienen, daß das Seßhaftwerden der Kelten auf der Balkanhalbinsel für die Stadt am Sinoe-See keine so ernsten Folgen nach sich zog, wie man sonst zu glauben geneigt ist. Wenn sie der Schwesterstadt im Süden militärische Hilfe schicken 1
2
3 4 5
Zuerst veröffentlicht SCIV 4, 1953, 4 8 7 - 5 1 2 ; wieder abgedruckt Contribuai. . . 13—44; gekürzte Fassung Klio 37, 1959, 119—134. So Ch. M. Danov, Zur antiken Wirtschaftsgeschichte der westlichen Pontusküste bis zur Niederlassung der Römer, Bull. Inst. Archéol. Bulg. 12,1938, 248—258 auf Grund der Widmung des Kallikrates, vgl. V. Pârvan, Histria 4, 1916, 546, Nr. 6. Über das keltische Königreich auf dem Balkan vgl. G. Kacarow, Die Kelten im alten Thrakien und Makedonien, Spisanie Bälg. Akad. Nauk 18, 1919, 137ff.; C. Jullian, Histoire de la Gaule 1, «Paris 1926, 303, Anm. 2; 366; H. Hubert, Les Celtes depuis l'époque de La Tène et la civilisation celtique, Paris 1932, 52. Fragm. 21 (FGrHist 3 B, 434, fr. 13). Vgl. unten Anm. 50ff. Vgl. Danov a. O. Während Pârvan die Inschrift ins 2. Jh. v. a. Z. datiert hatte, entscheidet sich Danov auf Grund der Buchstabenformen für die erste Hälfte des 3. Jh., für das auch die historischen Umstände sprechen, vgl. D. M. Pippidi u. E . Popescu, Les relations d'Istros et d'Apollonie du Pont à l'époque hellénistique. A propos d'une inscription inédite, Dacia 3, 1959, 2 3 5 - 2 5 8 .
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
konnte, wenn der günstige Ausgang des Feldzuges später in einem Relief festgehalten wurde, das der Führer des Expeditionskorps, Kallikrates, Sohn des Kallikrates, den Dioskuren weihte, müssen wir mit Notwendigkeit daraus schließen, daß Histria wenigstens eine Zeitlang außerhalb des Plünderungsbereiches von Komontorios' Kriegern blieb und daß es seine geographische Lage vor den Schicksalsschlägen bewahrte, denen die Städte am thrakischen Ufer infolge der Gründung des Königreiches von Tylis in ihrer unmittelbaren Nähe ausgesetzt waren 6 . Zum gleichen Schluß führt auch der Bericht Memnons, daß zwei Jahrzehnte nach dem Seßhaftwerden der Kelten in Thrakien (um das Jahr 260 v. u. Z. 7 ) Histria und Kallatis gemeinsam Krieg gegen die mit Tomis verbündeten Byzantiner geführt haben. Sein Verlauf ist nicht bekannt, aber seine Ursache 8 geht aus Memnons Angaben deutlich hervor. Es handelte sich um den Interessenkonflikt einiger Handelsstädte um die Kontrolle des Hafens von Tomis, dessen Nutznießung sich Kallatis gern ausschließlich vorbehalten hätte: . . . TIEQI Tojueojg TOV
EFIJIOQLOV
. . . fiovoTiojhov
TOVTO
diavoovfievojv
xaraaxevdaai
TOJV
KaXXmiavmv.
Die Byzantiner, denen daran gelegen war, diesen Hafen .offen' zu halten, widersetzten sich; und welchen Verlauf auch immer dieser Krieg nahm (der wahrscheinlich nur zur See geführt wurde 9 ), letzten Endes blieben sie Sieger und führten in den Beziehungen der griechischen Kolonien auf dem heutigen rumänischen Boden Änderungen herbei, auf die ich noch zurückkommen werde. Unter den neueren Erforschern der Dobrudscha im Altertum hat allein Pick 1 0 Histrias Schwäche zur Zeit des Krieges mit Byzanz hervorgehoben. Bei richtiger Auslegung zeigt die zuvor erwähnte Stelle des Memnon tatsächlich, daß die Bosporusstadt ihren Hauptgegner in Kallatis sah, indes Histria sich darauf beschränkte, seinen Verbündeten mehr oder weniger nachhaltig zu unterstützen. Diese Situation ist durchaus nicht neu: auch am Befreiungskampf der pontischen Städte gegen die Gewaltherrschaft des Lysimachos hatte Kallatis stärkeren Anteil als alle Griechen der Westküste des Schwarzen Meeres zusammengenommen 11 . 6
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Als Beispiel vgl. weiter unten S. 21 und Anm. 49 die Nachrichten des Polybios über die Beziehungen zwischen den Kelten und Byzantinern, deren günstige materielle Lage es ihnen erlaubte, dem gefährlichen Nachbarn nachhaltigeren Widerstand entgegenzusetzen als andere verarmte griechische Städte. Zum Datum vgl. B. Niese, Geschichte der griech. und maked. Staaten seit der Schlacht bei Chaeronea 2, Gotha 1899, 137 und — mit mehr Vorbehalten — Newskaja 150. Vulpe 85 f. schreibt die Schuld am Ausbruch der Feindseligkeiten den Byzantinern zu, denen an der Eroberung einer Stadt gelegen sein mußte, durch deren Besitz ihnen die Kontrolle über den gesamten Handel des westlichen Pontus zugefallen wäre. Unter diesen Bedingungen bleibt unerklärlich, warum sie als Sieger diesen Annexionsplan fallengelassen haben. Über den Konflikt im ganzen vgl. RostovtzefF 1, 463. Durchaus unkontrollierbar scheint die Annahme Niesesa. 0.137, Anm. 1, daß sich die Byzantiner keltischer Truppeneinheiten bedient hätten, um die Gegner auf dem Festland anzugreifen. S. 144. Für die einzelnen Phasen des Krieges, der im Jahre 313 seinen Anfang nahm und in dessen Verlauf die pontischen Städte von Antigonos wirksam unterstützt wurden, ist die
Histria und Kallatis im 3. und 2. Jh. v. u. Z.
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Was jedoch die Beziehungen der beiden Städte während des Krieges gegen Byzanz — und, wie wir sogleich sehen werden, mindestens noch ein Jahrhundert danach — kennzeichnet, ist die Tatsache, daß die untergeordnete Stellung Histrias auf wirtschaftlicher und militärischer Unterlegenheit beruhte, die im Laufe der Zeit unangenehme Folgen nach sich zog. Die weit zurückliegenden Anfänge dieses Zustandes entziehen sich unserer Kenntnis; seine Ursachen werden erst in den folgenden Jahrzehnten greifbar und verdienen um so mehr unsere Aufmerksamkeit, als die ältere Forschung zur Beurteilung der Lage Histrias in dem fraglichen Zeitraum die gegensätzlichsten Meinungen geäußert hat 1 2 . Zunächst wird man untersuchen müssen, auf welche Ursachen die geschwächte Stellung des ehemals so festgegründeten Histria in der zweiten Hälfte des 3. J h . und in der ersten Hälfte des 2. Jh. v. u. Z. zurückzuführen ist. Sind sie wirtschaftlicher oder politischer, allgemeiner oder lokaler Natur? Um mit den letzteren zu beginnen, sei daran erinnert, daß die Versandung des Hafens, die nach und nach die milesische Kolonie aus einer maritimen Siedlung zum Hauptort eines landwirtschaftlichen Distriktes machte und die von jeher als die Hauptursache ihres stufenweisen wirtschaftlichen Verfalls angesehen wird, nicht erst, wie man gemeinhin annimmt, in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung begonnen hat 1 3 . Denn die Sandbank — heute Kituk genannt — wird schon von Polybios im 41. Kapitel des IV. Buches erwähnt. Der Geschichtsschreiber von Megalopolis spricht über die Gefahr einer Versandung des Schwarzen Meeres infolge der Ablagerungen der dort mündenden Ströme und erinnert an die von der Donau gebildete Sandbank mit nachstehenden Worten: Tov yäo "Iaxoov nkeioai axöfiaaiv djio xrjg Evodmr/g eig rov IIövxov eloß&XXovxog av/xßaivei nqög xovxov a/ßdov im %L/M arädia avveaxdvai xaiviav, rj/iegag dq6[iov anexovaav xfjg yrjg- rjxtg vvv awearr/xer ex xfjg xolg axöfiaaiv eiacpeQOfievrjg IXvogiQav äAAot ßaovregot òvvàarai. Kaì FIRJV ovò' ett-avreg xal avyxaxaßavxEQ slg (póqovg xal ovv&tfxag ovòèv noiovoi nkéov äv yàg évi jiQÒwvxai r i , TiEvranXaaiovq ói avrò TOVTO noAs/xiovg evgiaxovai. . .
Was unter den erwähnten Umständen die Lage der Byzantiner erschwerte und sie zwang, Opfer auf sich zu nehmen, ohne die ihr gesamtes Wirken auf das Stadtgebiet eingeengt gewesen wäre, war — es braucht wohl kaum wiederholt zu werden — der Besitz eines ländlichen Gebietes 48 , dessen Nutzung nur mit Zustimmung der mächtigen Häuptlinge der benachbarten Stämme möglich war. Darüber schreibt der griechische Historiker 49 : è%ovTsg yàg %cógav yewaioTdrrjv, orar òianovìjawai Tavrrjv xal yévrjrai TÒ TWV xagnwv nArfòog TW xdAAei òiacpégov, xanena TiaQayevrj&évTeg ol ßagßaQoi TOVQ ¡lèv xaTacp&sigwai, Tovg òè avva&Qoiaavreg ànoqiégotai, TOTE òri ywglg TWV eoycuv xal Tfjg öanavrjg, xal Ttjv xaTaip&ogàv &ea)/isvoi óià TÒ xàAAog TWV xagnwv a%ETAia£ovai xal ßageojg cpégovai TÒ avjußalvov.
Das Beispiel der Beziehungen zwischen Byzanz und Thrakien in der Darstellung des Polybios, übertragen auf die Wirren im Balkangebiet nach dem Sturz der Keltenherrschaft, läßt auf die Lebensbedingungen der griechischen Kolonien in der Dobrudscha am Ende des 3. »Jh. v. u. Z. schließen. Für diese Zeitspanne besitzen wir durch einen glücklichen Zufall eine Reihe epigraphischer Urkunden, 47
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Vgl. weiter unten S. 6 0 . 7 5 ff. Ich bin überzeugt, daß diese Territorien spätestens seit der Epoche der makedonischen Herrschaft, wenn nicht schon seit der Zeit Philipps und Alexanders, jedenfalls seit der Zeit des Lysimachos bestanden haben müssen. Dieser terminus post quem schließt die Möglichkeit nicht aus, daß in einzelnen, noch festzustellenden Fällen Dobrudschastädte schon vor dieser Zeit über mehr oder weniger ausgedehnte, durch Gewalt oder Übereinkommen erworbene -/ßioai verfügt haben. (Anderer Meinung hinsichtlich der Bildung des Landbesitzes der Städte Histria und Kallatis sind E. Condurachi, Buletin Stiin$. 4, 1952, 5 9 - 6 9 ; I. Stoian, SCIV 8, 1957, 183—201). Über dessen Ausmaß und Beschaffenheit vgl. Newskaja 142 und besonders J. u. L. Robert a. O. (Anm. 44) 274f. IV 45, 7f. Eine gleiche Lage schildert das aus den Jahren 133—120 stammende Dekret aus Sestos zu Ehren des Menas, O G I 3 3 9 , 5 3 — 5 8 : ro TE ÒEVTEQOV NAOA-XXRJ&ÄQ yvpvaoum%ijaat vnèfiEivEV év xaiQolg òvaxóAoig, rE&AEI/LI/AÉVWV r/FILÖIV] ¿f èròìv TiXetóvwv ÈIÀ TE Tag &gaixiovg èTUÒQOfiàg xai Tovg TiEQiaxàvxw; rrjv nóAiv noXé/iovg, èv olg änrjx&T] [lèv rd àjtò Ttòv àygójv Jtdvra, äoTiogog Sé f j nXeiarr] yAoa èyévero, air' èmyevófiEvai xaxà TÒ avveyèg àipogiai TOV oixov EÌg ànoQÌav xaTÒ xotvóv TE TÒV Òfj/xov rjyayov xa&' idiav TE ÈxaoTov TCÓV noAizihv.
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
die in Histria während der letzten dreißig Jahre gefunden wurden. Deren bedeutsamste ist der Beschluß zu Ehren des Agathokles, Sohn des Antiphilos 50, aus der Zeit um das Jahr 200 v. u. Z.51, der uns die Umstände getreu vor Augen führt, unter denen sich die Tätigkeit des Gefeierten abspielte. Ähnliches gilt auch für die Inschrift zu Ehren des Aristagoras und für die Inschrift aus Olbia zu Ehren des Protogenes. Die Agathokles-Inschrift gibt ein besonders düsteres Bild von der Lage der Stadt, die, gegen Ende des 3. Jh. v. u. Z. von inneren Wirren gespalten, später von außen her durch einen nicht näher bezeichneten Feind angegriffen wird52. Dabei hat Agathokles zum erstenmal Gelegenheit, sich im Dienste der Stadt hervorzutun : er leitet den Widerstand, und es gelingt ihm, die Gefahr zu beseitigen 53. Ein andermal, angesichts der Bedrohung durch Zoltes, einen thrakischen Führer, dessen Scharen Bizone eingenommen und verwüstet hatten 54 , findet derselbe Agathokles Mittel und Wege zur Errettung der Vaterstadt und bittet einen ßaaiXevQ Rhemaxos von jenseits der Donau um sein Einschreiten, um einem neuerlichen Angriff vorzubeugen. Wie mit Recht hervorgehoben wurde, ist die Inschrift außerordentlich bedeutsam durch die Erwähnung des transdanubischen ßaaiXevg, dessen gute Beziehungen zu der griechischen Stadt möglicherweise mehr als ein nur gelegentliches Bündnis anzeigen85. Durch diese Inschrift gewinnen wir genauere Kenntnis über das politische Leben der Geten in derZeit zwischen Dromichaites und Burebista 56 50
51 52
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S. Lambrino, Boabe de Griu 1, 1930, 591; Vulpe 87—90 ( = Gîndirea 11, 1931, 3 6 2 - 3 6 4 ) . Vgl. Rostovtzeff 2, 604; ders., Skythien u. der Bosporus 1, Berlin 1931, 493, Anm. 1; L. Robert, Rev. Philol. 33, 1959, 179. S. Lambrino, Comptes-Rendus Acad. Inscr., 1933, 124 datiert die Inschrift in geringer Abwandlung seiner ursprünglichen Anschauung auf etwa 180 v. u. Z. Wenn die Datierung des Beschlusses — vor allem auf Grund paläographischer Erwägungen — als gesichert angesehen werden könnte, so wäre die plausibelste Hypothese, daß es sich bei diesem Feind um einen der ersten Zusammenstöße Histrias mit den seit kurzem im Delta wohnenden Bastarnen handelt. . . . Aaßwv
T[COV TE 7Z]OÂITÙJV
¿[fteXjovràç aroaTioiraç
xai rwv avfi xai BiÇwvriv fièv nohoQXOVvrœv rrjv re xwgav TiOQ&oévtœv,
vgl. Robert a. O. (Anm. 50). In den soeben (Anm. 50) erwähnten Arbeiten sprechen sowohl Lambrino als auch Vulpe von einem .Protektorat', das Rhemaxos nicht nur über Histria, sondern über sämtliche griechischen Städte der rumänischen Küste ausgeübt haben soll. Bis zur vollständigen Veröffentlichung der Inschrift möchte ich noch kein Urteil über die Beziehungen abgeben, die in der Darstellung beider Autoren mehr der Lage der Dobrudscha zur Zeit Burebistas entsprechen. Das gilt mit der Einschränkung, daß sich für Rhemaxos getische Abstammung nachweisen läßt, was beim gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse nicht der Fall ist. I m übrigen verweise ich darauf, daß R . Vulpe, Istros 1,1934, 370 einige Zeit später die Meinving vertrat, das Dekret für Agathokles informiere nur über die Beziehungen Histrias zu den benachbarten thrakischen Häuptlingen.
Histria und Kallatis im 3. und 2. Jh. v. u. Z.
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ebenso wie für die Geschichte der süddanubischen Thraker in der Zeit vor der Wiedererrichtung des Odrysenstaates, die bisher in Dunkel gehüllt war. In jedem Falle war die Lage von Histria sehr schwierig, und es ist nicht verwunderlich, daß die Stadt zur Wahrung ihrer Existenz das eine Mal zu den Waffen greifen, ein andermal sich loskaufen und schließlich unter außerordentlichen Umständen den Schutz eines mehr oder minder mächtigen ßaadevg suchen mußte, dessen Eingreifen ihr eine Zeitlang den Frieden zu sichern vermochte. Unter solchen Verhältnissen mangelte es den Einwohnern der Stadt nicht an Gelegenheit, ihre diplomatischen Talente zu bekunden, und in den Ehrendekreten für die Wohltäter der Stadt werden immer häufiger Abordnungen erwähnt, die zu den ßaaiXelg des Donauraumes oder jenseits des Stromes entsandt wurden 67 . Kurze Zeit nach Agathokles — wenn nicht gar zur selben Zeit — erlangt ein anderer eveßysrrjg Histrias, dessen Tätigkeit uns nur teilweise bekannt ist, durch ähnliche Verdienste die Anerkennung seiner Mitbürger. Der betreffende Beschluß ist nur äußerst fragmentarisch erhalten 58 , und selbst der Name des Gefeierten wird in Dunkel gehüllt bleiben, wenn nicht ein besonderer Glücksfall ein zweites Exemplar der Inschrift zutage fördert. Doch selbst aus den vorliegenden, verstümmelten Zeilen gewinnen wir einen Eindruck von der für Histria so bewegten Zeit, da der Unbekannte im Dienste der Stadt eine sicherlich bedeutungsvolle Mission irgendwo an der Donau — von den Griechen kurzweg o norafioQ genannt — zu gutem Ende führte 59. Mehr läßt sich aus dem Text nicht herauslesen, aber selbst dies wenige sowie die fast völlig gesicherte Datierung der Urkunde erlauben uns, mit Bestimmtheit anzunehmen, daß Histrias schwierige Lage vom Ende des 3. J h . auch in der ersten Hälfte des 2. J h . v. u. Z. angedauert hat und daß der bestimmende Faktor für diese Tatsache in der politischen Unbeständigkeit der thrakogetischen Welt zu suchen ist. Stünden uns epigraphische Dokumente aus dieser Epoche etwas reichlicher zur Verfügung, so würde das Bild der wechselvollen Lage Histrias zu Beginn des 2. J h . v. u. Z. sich gewiß in abgestufterer Weise darbieten. Obwohl uns also nur spärliche und fragmentarische Aufschlüsse, noch dazu durch jahrzehntelange 57
58 59
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Fund hinweisen, der während der Grabungen des Jahres 1959 gemacht wurde: ein vollständig erhaltenes Dekret aus dem 3. Jh. v. u. Z. (vgl. unten S. 75—88). Es ist zu Ehren von drei jigeaßsn; abgefaßt, die zu einem feindlichen Häuptling geschickt waren, um von ihm die Freilassung einer großen Zahl von Geiseln (VTIEQ rän> ¿firjQiov) zu erwirken. Außerdem sollten sie über die Rückgabe gewisser Einkünfte (jigoaoSoi) an die Stadt verhandeln, die jener sich anzueignen begonnen hatte. Nach seinem Namen (ZaXfiodeyixög) muß jener Häuptling ein Gete gewesen sein. In welchem Teil der Dobrudscha sein Machtgebiet lag und welcher Art seine Beziehungen zur Bevölkerung Histrias waren, kann man, da der Text darüber keine näheren Angaben macht, nur mutmaßen. Histria 1, 1954, 523, Nr. 14, der Schrift nach aus der ersten Hälfte des 2. Jh. v. u. Z. Vgl. die charakteristischen Begriffe [x]ivdvvoi (Z. 3), [ne]nQeaßevxe (Z. 7), [negav] rov 7iora/j.o\v] (Z. 6); zu ihrer Interpretation vgl. die Beschlüsse zu Ehren des Aristagoras von Histria (Syll. 3 708, 44—46) und Akornion von Dionysopolis (Syll. 3 762, 2 2 - 2 4 ) .
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
Intervalle voneinander getrennt, zur Verfügung stehen, können wir doch ihre enge Übereinstimmimg mit den Nachrichten über die anderen Kolonien des westlichen Pontus hervorheben, die gleichen Gefahren ausgesetzt waren und gleichen Schwierigkeiten Trotz bieten mußten. Bezeichnend in dieser Hinsicht ist die Verschlechterung der Lebensmittellage in den pontischen Städten, die ehemals als Kornspeicher Griechenlands gegolten hatten. In einem besonders wichtigen Abschnitt bezeugt Polybios60 deren zeitweilige Getreideknappheit, die von den örtlichen Urkunden durchaus bestätigt wird. Um uns auf ein Beispiel zu beschränken, das uns direkt angeht, beweist ein Beschluß aus der zweiten Hälfte des 3. Jh. v. u. Z. den Mangel an Getreide in Histria; denn in dem Beschluß 61 wird ein großherziger Bürger, Diogenes, Sohn des Diogenes, unter anderem auch dafür gelobt, daß er der Stadt eine bedeutende Summe zum Ankauf von Getreide geliehen habe. Später, zwischen den Jahren 201 und 146, liefert uns ein anderer, leider nur fragmentarischer Beschluß6* die ebenso interessante wie überraschende Nachricht, daß die Archonten von Histria sich an einen karthagischen Getreidehändler gewandt und von diesem eine Kornlieferung an die Stadt unter günstigen Bedingungen erwirkt hätten. Diese beiden sich ergänzenden Nachrichten lassen darauf schließen, daß die Getreideknappheit der Stadt auch im 2. Jh. v. u. Z. angedauert hat 63 . Wie sich zur selben Zeit die Verhältnisse in Kallatis gestalteten, ist schwerer zu bestimmen. Die wenigen uns überlieferten Nachrichten, welche die Symptome der Krise im ganzen westlichen Pontusgebiet widerspiegeln, besagen nicht unbedingt, daß sich die griechischen Kolonien gleichzeitig oder in allen Punkten einheitlich entwickelten. Vielmehr spielten rein örtliche Umstände eine entscheidende Rolle, so daß beispielsweise in dieser Zeit Kallatis besser gestellt war als Histria. Denn die speziell für Histria geltenden Ursachen der Schwäche — die Versandung des Hafens und die dem Fischfang im Donaudelta hinderliche Nachbarschaft der Bastarnen — beeinflußte keineswegs die Lebensbedingungen von Kallatis, das, am offenen Meer gelegen, seinen Wohlstand der landwirtschaftlichen 60
IV 38, 5 ahm S' ä/xeißovrai (seil, oi xarà ròv Ilóvrov rónoì), norè (lèv evxaiqwg äiöovreg TioTB 6è Xafißdvovteg . . ., vgl. Rostovtzeff 2, 534; 3, 1227, Anm. 20.
« Histria 1, 1954, 476, Nr. 1, 5f., vgl. J. u. L. Robert, Rev. Et. Grecq. 68, 1955, 239: 62
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XQVOovi; nevraxoaiovg . . . oniog anoyvrj&fj ro)[i òrj/uoji]. S. Lambrino, Dacia 3/4, 1927/32, 400, Nr. 3: [. . . ó Selva AiocjxovqQSov Kagxr]òóv[iog airov fierdfiev]o nókiv, n[aQaxhjùeu; vnò rwv ÒQ]-/óvrojv xal rov [Stf/uov . . .].
Für unsere Frage ist es unwesentlich, ob das Getreide, das der Sohn des Dioskurides beschaffte, wirklich von Karthago kam, wie Rostovtzeff 3, 1227, Anm. 20 und neuerdings J. Sifman, Vestnik drevn. Istor. 66, 1958, 118—121 glauben. Das wird auch von einer noch unveröffentlichten Inschrift (Mus. Histria, Inv.-Nr. 325) bestätigt, einem Dekret — allem Anschein nach aus der ersten Hälfte des 2. Jh. v. u. Z. —,
wo ich die Zeilen 3—7 vorläufig lese: wvl re /geiav i/ovariQ r[fjg nóAecug XSWÌ^TC0V Ó7ccog V7idg£?]i aiz[ov naQd&eaig etg rQoqprßv x[ai] acorrjQÌav rov Sij/iov, ¿nelX&àni ini rr/y] ßovXrp xal rtjv èx(x)[X]rjot[a]v \_e\nriy\yeiXev XQ\va°v[s\ %Movq eig èvtavróv . . .
Histria und Kallatis im 3. und 2. Jh. v. u. Z.
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Ausnützung seines Hinterlandes und einer allem Anschein nach bemerkenswerten handwerklichen Tüchtigkeit seiner Bewohner verdankte. Unter diesen Bedingungen dauerte die Blüte von Kallatis zu einer Zeit an, in der sich für Histria die Schwierigkeiten häuften, zumal wahrscheinlich die reichlichen Geldmittel und festen Verteidigungsanlagen es Kallatis erlaubten, mit den thrakischen Führern oder skythischen Häuptlingen in völliger Ebenbürtigkeit zu verhandeln 64. Bezeichnend finde ich, daß im Dekret für Agathokles unter den Unternehmen des Zoltes, dessen Operationsgebiet die südöstliche Dobrudscha gewesen sein muß, ein Konflikt mit Kallatis nicht erwähnt wird, obgleich er — wie schon gesagt 65 — vor seinem Zug gegen Histria Bizone überfallen hatte. Wie immer die Dinge in dieser Hinsicht liegen mögen, sicher ist eins: Entgegen der Mitteilung des Memnon, daß Kallatis sich nach der von den Byzantinern zugefügten Niederlage nicht mehr erholt habe, deuten alle Merkmale auf eine anhaltende Betriebsamkeit in der vorübergehend besiegten Stadt und auf eine Fortführung ihrer weit ausgedehnten auswärtigen Beziehungen; denn die Schiffe liefen weiter alle Häfen an, wo Aussicht auf Gewinn winkte. Kaum ein Jahrzehnt nach der Katastrophe, als die der Krieg um Tomis angesehen wird — nach der überzeugendsten Hypothese um 252/51 — wird ein Bürger von Kallatis, ein gewisser Hieron, Sohn des Apollodoros, in Delphi für die Dienste geehrt, die er dem Heiligtum geleistet hatte, als dessen Sendboten ausgezogen waren, um den pontischen Städten das Nahen der Pythischen Spiele oder der Soterien zu künden 66 . Eine ähnliche Ehrung ist gegen Ende des 3. Jh. v. u. Z. für zwei andere Bürger der Stadt, Herakleides und Sostratos 67 , nachzuweisen. Diese beiden an sich unwichtigen Nachrichten sind für uns bedeutsam als Hinweise auf die Stellung, die Kallatis in der zweiten Hälfte des 3. Jh. v. u. Z. unter den griechischen Schwarzmeerkolonien einnahm. Hervorgehoben sei, daß nach der delphischen Inschrift von 252/51 die Abgesandten des Tempels im Verlauf ihrer Reise in keiner anderen Stadt des westlichen Pontus als in Kallatis verweilt zu haben scheinen. Und dies ereignete sich zu einer Zeit, da wir uns nach den literarischen Quellen eine Stadt vorstellen müssen, auf der tiefe Trauer über einen nicht wiedergutzumachenden Verlust lastete. 64
Ein aufschlußreiches Beispiel für die Beziehungen zwischen einer griechischen Kolonie und einem benachbarten thrakischen Stammesoberhaupt im 3. Jh. v. u. Z. findet sich in einer Inschrift aus Apollonia (IGB I 389), wo wir einem ßaaiXevg Kotys (wahrscheinlich aus dem odrysischen Königshaus) begegnen, der zur Sicherung eines Abkommens seinen Sohn Rhaiskuporis als Bürgen nach Apollonia schickt (. . . ¿¡aji[o]araXeig vno rov narridg xa&' 6/irjQEiav), vgl. auch die wichtige Inschrift von Mesambria (IGB I 307) — gleichfalls aus dem 3. Jh. v. u. Z. —, die'uns Bruchstücke eines von der Stadt zu Ehren des Königs Sadalas gefaßten Beschlusses und den Anfang eines leider verlorenen Bündnisabkommens mit ihm überliefert. 5 " S. 22. 66 R. Flaceliere, Les Aitoliens ä Delphes, Paris 1937, 459, Nr. 46 ( = G. Daux, Fouilles de Delphes III 3, Paris 1932, Nr. 207). « Flaceliere a. O. 447, Nr. 32; vgl. jedoch ebd. Anm. 3.
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
Weitere da und dort in Inschriften enthaltene Hinweise ergänzen das Bild von Kallatis, was seine Beziehungen zu den griechischen Städten in der zweiten Hälfte des 3. und ersten Hälfte des 2. J h . v . u . Z . anbelangt: in Olbia der Proxeniebeschluß für Nautimos, Sohn des Pasiadas, aus Kallatis 6 8 ; in Kallatis die Beschlüsse zu Ehren von Pasiadas, Sohn des Herodotos, aus Chersonesos 69 , und Philon, Sohn des Hekataios, aus Apollonia 70 ; endlich, ebenfalls in Kallatis, der Beschluß für Heronax und Bakchios aus Mytilene 71 . Alle diese Zeugnisse guten Einvernehmens zwischen Kallatis und den genannten Städten stellen zugleich Beweise beständiger Betriebsamkeit und ungewöhnlicher kommerzieller Geschicklichkeit dar. Es ist darum nicht verwunderlich, daß Kallatis seine wirtschaftliche Stellung anscheinend noch zu einer Zeit behauptete, in der sich an anderen Orten die Anzeichen der Krise mehrten, und daß sich sein Wohlstand auch noch in einer Liste von ¿mdöoeig für die Errichtung eines Dionysostempels um das Jahr 200 v. u. Z. widerspiegelt 72 . Aus der gleichen Zeit, soweit man das beurteilen kann, stammt eine Inschrift aus Histria, ein Ehrenbeschluß, oben, unten und am rechten Rand verstümmelt, außerdem bei der Auffindung in zwei ungleiche Stücke zerbrochen. Der Text, von mir veröffentlicht 73 und danach von J . u. L. Robert in manchem wesentlichen Punkt verbessert 74 , lautet (Abb 1):
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"ESo^E TTJI ßouXrji xai T Ö I 8[R)(X(OI'] ETUfiTjvieüovTo? A[io]vuai[ou TOÜ] ['IJIptovo«; oi ap^ovrefi; eljrav] ETCS (.§•/] 'Hcpaicmcov M[otTptov42 sowie eines Monats Tavgecov43 in den Kalender von Histria; letzterer wird glaubwürdig als der erste des Jahres angesehen 44 . Wenn jedoch heute feststeht, daß in Histria der milesische Kalender Geltung hatte, kann auch hier ein Monat 0aoyrj?ucbv nicht mehr bezweifelt werden. So darf man ohne Zögern die Thargelien zu den Feiertagen Histrias rechnen, und ihre Erwähnung im Beschluß zu Ehren des Epikrates hindert uns nicht mehr, dieses Dokument aus Histria stammen zu lassen 45 . Für diese Annahme spricht auch eine Reihe von Berührungspunkten zwischen der inneren Organisation der Stadt, in deren Diensten Epikrates stand, und der Verwaltung Histrias, wie sie sich uns im Lichte der jüngst aufgefundenen Inschriften darstellt 46 . Es sei vorweggenommen, daß sich jeder der für die Inschrift von Dragomirna bezeichnenden Züge in den Urkunden Histrias findet und daß zumindest einer, noch dazu ein sehr charakteristischer, sich ausschließlich in Inschriften Histrias nachweisen läßt. Zur ersten Kategorie gehört im Beschluß zu Ehren des Epikrates die Erwähnung eines Kollegiums von äg%ovTeg (Z. 38), dessen Vorhandensein in Histria jetzt durch mindestens drei Inschriften 4 7 bezeugt ist; eines Kollegiums von avveögoi (Z. 2), dessen Vorkommen in einem Beschluß aus dem 1. J h . v. u. Z. ich bereits erwähnt habe 4 8 ; endlich die Nachricht, daß im Herkunftsort des Beschlusses für Epikrates ebenso wie in Histria anscheinend der zehnte Tag jedes Monats für eine der ordent39 40 41 42 43
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a. O. (Anm. 23) 71. Syll. 8 708, vgl. Histria 1, 1954, 499, Nr. 4, 23; 556, Nr. 31, 2. Vgl. oben S. 54. Vgl. Istros 1, 1934, 123, 16 sowie den Namen 'Av&eazrjgiog, Histria 1,1954,553, Nr. 30, 4. Der Monatsname Tavgewv erscheint in Histria zum erstenmal in einem Beschluß aus dem 2. Jh. v. u. Z.: [in] iegeco 'Eariaiov rov Mixxakiovog, firjvdg Tavgeüyvog, eSo^e rrji ßovAfji xai Tojt örjßcoc imfirjviEvovrog Evnotefiov rov Kfeofiiöovzog oi ägxovreg sbiav . . . (SCIV 7, 1956, 347). Büabel a. O. (Anm. 23) 79f. Eine andere Frage ist, ob in Histria die Sitte bestand, die gefeierten Personen anläßlich der Thargelien zu bekränzen oder nicht (J. u. L. Robert, Rev. Et. Grecq. 68, 1955, 241; 72, 1959, 212). Ehe nicht neue Inschriften gefunden werden, müssen wir uns in dieser Beziehung auf Vermutungen beschränken. Vgl. weiter oben S. 35 ff. In der chronologischen Ordnung ihrer Publikation: CIL III 12489; Dacia 3/4, 1927/32, 400, Nr. 3; Histria 1, 1954,487, Nr. 2. Hinzu kommt das oben (Anm. 43) angeführte Bruchstück. Histria 1, 1954, 508, Nr. 8.
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
liehen Sitzungen der Volksversammlung bestimmt war 49 . Noch bezeichnender erscheint der Umstand, daß bis jetzt in keiner wo immer am Schwarzen Meer gelegenen griechischen Stadt Finanzbeamte unter dem Namen oíxovófioi bekannt sind, Histria ausgenommen, wo in einem Beschluß aus dem 3. Jh. v. u. Z. 50 und in einem von Pärvan edierten Bruchstück 5 1 von diesen Verwaltern der Staatskasse in gleichlautender Weise wie in der Inschrift von Dragomirna die Rede ist: T[Ó dé a\váXw[Aa . . . d[ovvai r\oviX(dVO? 'IvjTpO'J, . . . E7tE§C0XeV SOOJTÖV
XTA.36
Für das uns interessierende Problem ist demnach vor allem festzuhalten, daß Histria in der ersten Hälfte des 1. Jh. v. u. Z. über ein Territorium (%f e7üijX7)viEÜOVTOQ © s o x p i T o u IIUO-OTEXT)?
ei7TEV ITTELST) 13 14 15
'Apyßko-
AioScopo? öpaauxXe-
Ebd. 498, Nr. 4, 18. Weiter oben S. 74. Über die Ursachen dieser Veränderung in der wirtschaftlichen Struktur Histrias gegen Ende des hellenistischen Zeitalters vgl. weiter oben S. 13 ff.
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
'MC,, IIpoxpiTO? OspsxXsou?, KAeap/o? 5
'ApiaTOfiaxcm, Ta^&svTE? 7rps? avSpa?' avaypatjjai Se toix; TjyEjjiova? t o Tivä, Tolg fiev 'Aaiavolg ev IleQydfiq) rolg de Bi&vvolg ev Nixofirjdeiq, Te/ieviaai ensTQeye. 6
Da er schon zu Lebzeiten weit mehr als alle seine Nachfolger als &SOQ verehrt wurde, so hätte nach seinem Tode und seiner offiziellen Erhebung zum Gott eine Inschrift wie diese den Begriff divus unbedingt anführen müssen. 6 Daß es auch außerhalb der Grenzen des römischen Reiches Kultstätten des Augustus gab, beweist neben unserer Inschrift die Tabula Peutingeriana, die im indischen Hafen Muziris an der Malabarküste im 1. Jh. u. Z. einen Augustus-Tempel angibt, der ohne Zweifel von Händlern und Seeleuten errichtet wurde, die aus dem Osten des römischen Reiches dahin gelangt waren (M. P. Charlesworth, Les routes et le trafic commercial dans l'Empire romain, Paris 1939, 85). Über die Gefühle der Asiaten und Ägypter dem Manne gegenüber, von dessen Wirken nach ihrer Meinung die eigene Wohlfahrt abhing, vgl. die von Suet., Aug. 98, 2 erzählte Episode: forte Puteolanum sinum praetervehenti vectores nautaeque de navi Alexandrina, quae tantum quod appulerat, candidati coronatique et tura libantes fausta omina et eximias laudes congesserant: „per illum se vivere, per illum navigare, libertate atque fortunis per illum frui." ' Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Heiligtümer folgender Gottheiten für Histria bezeugt: Apollo Iatros (Histria 4, 1916, 533, Nr. 1, vgl. Dacia 3/4, 1927/32, 391—398 und zahlreiche andere Texte); Zeus Polieus (Syll.3 708, 19 und oben S. 87); Dionysos Karpophoros (AEM 17, 1894, 87, Nr. 11 = CIL I I I 12489, vgl. Histria 1, 1954, 524, Nr. 15; 546, Nr. 22 und weiter unten S. 154ff.); die Götter von Samothrake (Histria 4, 1916, 543, Nr. 4; Istros 1, 1934, 123); die Musen (Histria 7, 1923, 9, Nr. 5, vgl. Histria 1, 1954, 476, Nr. 1,15); Mithras (Dacia 2, 1925, 218, Nr. 21). Dazu kommt der in jüngster Zeit freigelegte Tempel, der allgemein als ein Heiligtum der Aphrodite angesehen wird (Histria 1, 1954, 231—266; Ethnogr.-Archäol. Forschungen 6, 1959, 72—83), sowie ein Tempel, den die Griechen der unter dem Namen Meyag 0e6g angebeteten thrakischen Gottheit weihten (Materiale §i Cercet. arheol. 5, 1959, 287; Bull. Corresp. Hell. 83, 1959, 455-465). 8 Suet., Aug. 52. » LI 20, 6 f.
Ein Augustus-Tempel in der Dobrudscha
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Wir könnten noch immer Zweifel an der Glaubwürdigkeit beider Autoren hegen, besäßen wir nicht das sichere Zeugnis der epigraphischen Urkunden, deren Fülle und Genauigkeit uns dazu verhilft, alle Zweifel zu zerstreuen und in voller Kenntnis der Tatsachen zu dem Problem Stellung zu nehmen 10 . Durch diese Urkunden ist nachweisbar, daß die Ehrfurcht der Untertanen vor dem Kaiser sich in den griechischen Städten Kleinasiens durch Errichtung von Tempeln oder durch Weihung von Altären kundgetan hat 11 . Dabei scheinen zunächst einmal die Altäre in der Minderzahl gewesen zu sein; denn sicher bezeugt sind nur zwei, in Gangra (Paphlagonien)12 und in Herakleia am Latmos 13 . Es ist aber anzunehmen, daß die Zahl der Orte, deren Bewohner dem Augustus Altäre weihten, größer war als die Zahl der reichen Städte, die ihm größere Heiligtümer errichten konnten. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, daß die epigraphischen Urkunden von Priestern des Kaisers in mindestens acht Städten berichten14, ohne daß aus den Inschriften hervorgeht, ob die Priester ihren Dienst nur vor einem Altar oder im Tempel versehen haben. Dienst am Altar kann wenigstens an einigen der genannten Orte der Fall gewesen sein, womit sich die Zahl der Städte erhöhen würde, die nur über einen ßwfiög zum Opferdienst für den Herrscher verfügten. Der Kult fand entweder monatlich oder auch nur zur Feier des kaiserlichen Geburtstages und seines Regierungsantritts statt. Um jedoch auf die Tempel zurückzukommen, so waren neben beiden von Dio genannten und von Tacitus 15 teilweise bestätigten im hellenischen Osten fünf 10
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Eine ausführliche Liste der Inschriften im Hinblick auf den Kult der Roma, auf den der Borna und des Augustus sowie des Augustus allein findet man bei D. Magie, Roman Rule in Asia Minor to the End of the third Century after Christ 2, Princeton 1950, 1613f. Ebenso in Ägypten, wo Oktavian nach der Schlacht von Aktium in Alexandria als 'Emßarrjgiog verehrt wird, und zwar in dem von Kleopatra zu Ehren des Antonius begonnenen Tempel, der dann dem Eroberer geweiht wird (Suda s. v. ^filegyov I I 570 ed. Adler). I m Jahre 13/12 errichtete ihm der Präfekt P. Rubrius einen neuen Tempel auf der Insel Philae (Ephem. Epigr. 5, 1884, 2, Nr. 8; CIL I I I 6588). Über andere Heiligtümer in Arsinoe, Oxyrhynchos, Hermupolis und Elephantine vgl. F. Blumenthal, Archiv Pap.Forsch. 5, 1913, 318ff. Fr. Cumont, Rev. Et. Grecq. 14, 1901, 26ff. ( = I G R I I I 137 = OGI 532, 36ff.): xarä rä avrä w/ioaav Hai oi e[v rfji ^cugeu] ndvxeg . . . nagä zotg ßioftoi[g rov Ssßamov] . . . Marmoraltar (heute im Louvre, Inv.-Nr. 2818) mit der Inschrift: AvToxgdrogi Ka.ioa.Qi fteov vccöc Ueßaatmi (B. Haussoullier, Rev. Philol. 23, 1899, 287). Nach den Angaben O. Rayets, der das Denkmal entdeckte, ist es an der gleichen Stelle gefunden worden, für die es einstmals bestimmt war, nämlich auf der dyogd. Damit wäre eine Andeutung der paphlagonischen Inschrift erklärt (vgl. vorige Anmerkung), in der es anfangs heißt, daß der Treueschwur dem Augustus gegenüber Tayygoig & \r~\ä\yoQäi\ geleistet wurde (nach Dittenbergers Lesung, die der von Cumont \7i\a\yr)yvQei\ vorzuziehen ist). Antiochia Caes.: CIL I I I 6848; Assos: IGR IV 256. 257; Kos: IGR IV 1087; Ilion: IGR IV 220; Sebaste: IGR IV 691; Sinope: CIL I I I 6980; Termessus: IGR I I I 447; Thyateira: L. Robert, Hellenica 6, 1948, 71, Nr. 23. Ann. IV 55, 2: Pergamenos (eo ipso nitebantur) aede Augusto ibi sita satis adeptos creditum; vgl. jedoch IV 37, 3, woraus hervorgeht, daß der Tempel dem Augustus und der Roma geweiht war: cum divus Augustus sibi atque urbi Romae templum apvd Pergamum sisti non
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
Heiligtümer mit Sicherheit bezeugt, und zwar in Ephesos 16 , Eresos17, Hypaipa 18 , Milet19 und Sardes20, ehe die Inschrift von Histria gefunden wurde. Alle scheinen dem Augustus noch zu Lebzeiten errichtet worden zu sein und auch nach dem Senatsbeschluß vom 17. September des Jahres 14, durch den er vom Imp. Caesar divi filius Augustus offiziell zum divus Augustus erhöht worden war, seinem Andenken gedient zu haben 21 . Er galt als Schutzgott des gesamten Reiches, dem in der Folge nicht nur die Hauptstadt Italiens, sondern auch die westlichen Provinzen eigene Kultstätten errichteten22. Bei dem gegenwärtigen Stand der Forschung sind leider von keinem der oben angeführten Tempel Einzelheiten bekannt. Die Ruinen der meisten von ihnen wurden bis jetzt nicht identifiziert, und es ist uns kaum möglich, über ihre Wichtigkeit als Denkmäler im Weichbild der genannten Städte Mutmaßungen anzustellen. In den meisten Fällen ist selbst die Stelle, an der sie standen, unbekannt 23 , und mit der Stiftung des Papas verhält es sich ebenso. Wir können lediglich vermuten, daß der Tempel sich an einer verkehrsreichen Stelle befand, höchstwahrscheinlich auf der Agora 24. Daher ist auch die Frage nach seinem Aussehen und seinen Ausmaßen zwecklos. Vom historischen Standpunkt aus ist viel eher erwähnenswert, daß ein templum oder vielleicht auch nur eine aedicula des Augustus in Histria in den letzten Jahren v. u. Z. oder den ersten Jahren u. Z. den Einfluß bezeugt, den Rom schon vor Gründung der Provinz Moesia und der Errichtung einer praefectura orae maritimae prohibuisset . . . Über diesen Text und ganz allgemein über die Tendenz der Tiberiusrede bei Tacitus vgl. D. M. Pippidi, Autour de Tibère, Bucureçti 1944, Í49ff. 16 CIL I I I 6070 = 7118. » I G X I I Suppl. 124. 18 J . Keil u. A. von Premerstein, Denkschr. Akad. Wiss. Wien 57, 1914, 107. 19 H . Knackfuß / C. Friedrich / Th. Wiegand / Th. Winnefeld, Das Rathaus von Milet. Milet, Ergebnisse der Ausgrabungen 1, Berlin 1908, 108, Nr. 7 b, 19; vgl. ebd. 111. 20 I G R IV 1756, 13ff. 21 Das D a t u m der Weihe des Augustus zum divus ist bewahrt in den Fasti Amiternini, Antiates, Oppiani, wo unter dem 17. September vermerkt ist: . . . feriae ex s. c. [quo]d eo die honores caelestes divo Augusto [a senjatu decreti sunt . . . (CIL VI 32493; vgl. Tac., Ann. I 10, 8 : . . . templum et caelestes religiones decernuntur). Über die Vorbereitungen zur Apotheose, deren Ritus damals zum erstenmal festgelegt wurde, vgl. D. M. Pippidi, Recherches sur le culte impérial, Bucureçti 1939, 167ff. und Studi e Mater. Storia relig. 21, 1947/48, 94ff. 22 G. Herzog-Hauser, R E Suppl. 4, 1924, 825ff.; L. R. Taylor, The Divinity of the R o m a n Emperor (Phil. monographs publ. b y the Amer. Philol. Assoc., 1), Middletown Conn., 1931. 23 In Ephesos dem Anschein nach in unmittelbarer Nähe des Diana-Tempels, da die in Anm. 16 angeführte Inschrift besagt . . . ex reditu Dianae fanurn et Augusteum muro muniendum curavit... ; in Milet nördlich des Buleuterions, wie die seit 1899 von Th. Wiegand und seinen Mitarbeitern (vgl. Anm. 19) unternommenen Grabungen ergeben haben (Sitz.-Ber. Akad. Wiss. Berlin 1901, 908; 1906, 253). 24 Vgl. oben Anm. 13. Leider ist in Histria das wirtschaftliche und religiöse Zentrum der Stadt, wie es nach mehrfacher Zerstörung und Wiederaufbau zu Beginn u. Z. bestand, durch die Grabungen bis jetzt nicht freigelegt worden.
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auf die Städte des westlichen Pontus ausgeübt hat 25 . Wir können nur hoffen, daß noch weitere Urkunden gefunden werden, durch die unsere Kenntnis über eine Epoche der Geschichte Histrias bereichert wird, die ebenso in Dunkel gehüllt wie interessant ist. Denn wenn zur gleichen Zeit im benachbarten Tomis Ovid 26 sich rühmt, seine bescheidene Wohnung zu einem Sanktuarium der kaiserlichen Familie gemacht zu haben, dann tat er das ja wohl zum eigenen Nutzen und in der vergeblichen Hoffnung, dadurch die ersehnte Verzeihung zu erlangen. Jedenfalls ist damit über einen offiziellen Kult für Augustus in dieser Gegend nichts gesagt 27 . Erst unsere Inschrift, so beschädigt und unklar sie auch im einzelnen sein mag, enthält in dieser Hinsicht einige Aufschlüsse28. 25 26
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Dazu vgl. weiter unten S. 150 ff. E x Ponto I I 8, besonders die Verse 7 —10 : Non mihi divitiaa dando maiora dedisses, / Caelitibus missis nostra sub ora tribus. / Est aliquid spedare deos et adesse putare, / Et quasi cum, vero numine posse loqui . . . Über das D a t u m des Gedichtes (Ende 12, Anfang 13 u. Z.) vgl. Pippidi a. O. (Anm. 21) 189—192. Die Behauptung S. Lambrinos, Ovidiana, Paris 1958, 385f., Ovid habe durch die öffentliche Vorlesung seines Gedichtes zu Ehren des vergöttlichten Augustus (Ex Ponto IV 13, 23—32) beinahe „une sorte de première manifestation du culte impérial à Tomis, un témoignage de loyauté . . . précédant ou accompagnant u n éventuel serment de fidélité" herbeigeführt, scheint mir übertrieben. Wenn der Dichter wirklich dies Ziel verfolgt hätte, wäre es vernünftiger gewesen, sich an die griechischen Einwohner des Ortes zu wenden; dabei h ä t t e er sich dann die Mühe sparen können, ein Getico . . . sermone libellum zu schreiben. I m übrigen läßt der Dichter selbst keinen Zweifel am Zweck seines Gedichtes: atque aliquis ,scribas haec cum de Caesare', dixit, j ßaesaris imperio restituendus eras' . . . (V. 37f.). Abschließend sei der Umstand hervorgehoben, daß — mit Ausnahme des hier besprochenen Bruchstücks — keine einzige Inschrift aus dem 1.—3. J h . u. Z. in direktem Zusammenhang mit dem Kaiserkult steht (natürlich mit Ausnahme der Weihinschriften, in denen die wenigen aus der Stadt stammenden Pontarchen erwähnt werden, die gleichzeitig die Funktion der dg/jegeig der Kaiser f ü r die Versammlung des pontischen xoivóv ausübten). Hingegen ist in Kallatis schon im 1. J h . u. Z. der in einer zeitgenössischen U r k u n d e Keaageia genannte Feiertag bezeugt (V. P â r v a n , A A R , MSI 39, 1920, 51ff. = S E G I 327, 14), von dem sich schwer sagen läßt, zu E h r e n welches Kaisers u n d in welchem R a h m e n er gefeiert wurde. Die Erwähnung des gleichen Festtages findet sich neuerdings auch im Beschluß zu E h r e n des Isagoras, vgl. 1.1. Russu, Dacia 1, 1957, 179ff.
I X . Tib. Plautius Silvanus Aelianus und die römische Politik in Moesien unter Neros Regierung1
Der Mann, dessen Tätigkeit als Statthalter Moesiens hier behandelt werden soll, ist den Epigraphikern und Althistorikern keineswegs unbekannt. Seit der im J a h r e 1916 von Pärvan besorgten Veröffentlichung der 'Ogo&eoia des Laberius Maximus 2 , an die sich bekanntlich die Abschriften mehrerer Briefe von kaiserlichen Beamten im unteren Donauraum über die Beziehungen Histrias zum römischen Reich anschließen, hat Tiberius M. f. Plautius Silvanus Aelianus dank seiner Waffentaten und dank seiner Tüchtigkeit bei der Durchführung verschiedener Aufgaben mehrfach die Aufmerksamkeit der Historiker auf sich gelenkt. Über seine Tätigkeit in Moesien sind die Quellen, zum größten Teil epigraphische Texte, so wenig zuverlässig, daß wir nicht wissen, in welchem J a h r Plautius Aelianus mit der Würde des legatus Augusti pro praetore der Provinz Moesien betraut wurde und wie lange er dieses Amt bekleidete. Es gibt auch immer noch lebhafte Auseinandersetzungen über seine militärischen Expeditionen und über die Frage, ob diese Unternehmen Gebietsannexionen zur Folge hatten. Alle diese Fragen können endgültig erst dann beantwortet werden, wenn neue Funde vorhegen. Doch schon heute, über vierzig Jahre nach der von Pärvan angeregten Diskussion, scheint mir eine neuerliche Bestandsaufnahme nicht unnütz. Versuchen wir also festzuhalten, was die Quellen über die Zeit berichten, in der Plautius Aelianus die Würde des Statthalters von Moesien bekleidete. Vor allem aber, welche Quellen gibt es? Sicher standen im 17. Buch der Annalen des Tacitus wertvolle Einzelheiten über die Geschehnisse an der Donaugrenze in den Jahren der Verwaltung des Aelianus, so daß wir den Verlust dieses Buches nicht genug bedauern können 8 . So bleibt für uns als wichtigste Informationsquelle für die Laufbahn des Plautius Aelianus die Marmorplatte aus dem Mausoleum der Plautier in Ponte Lucano bei Tibur. Zwischen 74 und 79 verfaßt, seit dem 15. J h . mehrfach veröffentlicht und erläutert, bevor sie ihren Platz im C I L fand 4 , bietet die Inschrift in knapper, aber klarer Form eine Zusammenfassung der von Aelianus bekleideten Ämter, wobei 1 2 3
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Zuerst veröffentlicht SCIV 6, 1955, 355—383; wieder abgedruckt Contribu$ii . . . 137 — 170. Histria 4, 1916, 556ff. ( = weiter unten S. 133ff.). Ph. Fabia, Sur une page perdue et sur les livres XVI, XVII, XVIII des Annales de Tacite, Rev. Et. ancien. 34, 1932, 139—158. CIL XIV 3608 = Inscr. Italiae IV 1, 125 = ILS 986.
Tib. Plautius Silvanus Aelianus und Moesien unter Neros Regierung
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sie — und dies ist der Punkt, der uns besonders interessiert — auch einige Einzelheiten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Legat von Moesien enthält. Das nächstwichtige Dokument über die Laufbahn des Plautius Aelianus ist die ' Ogo&eaia des Laberius Maximus. Wie bereits erwähnt, enthält diese Schrift mehrere Beilagen, darunter auch einen Brief des Aelianus an die Einwohner Histrias. Schließlich sei noch erwähnt, daß in einer Widmung aus Tralles 5 die Ernennung des Aelianus zum Statthalter von Asien erwähnt wird. Das Jahr selbst ist nicht angeführt, es fällt jedoch in die Regierungszeit Neros. Drei weitere Inschriften® von kleinerem Umfang, jedoch größerer Präzision liefern die Daten der beiden Konsulate: das erste unter der Regierung des Claudius im Jahre 45, das zweite unter Vespasian in der ehrenvollen Gemeinschaft mit Titus Caesar im Jahre 74. Besteht nun auf Grund der uns vorliegenden Quellen die Möglichkeit, in die überlieferten Daten größere Ordnung zu bringen und wenigstens annähernd den Zeitpunkt der Statthalterschaft in Moesien festzustellen? Zunächst ist zu bemerken, daß man in der Inschrift von Tibur die Richtigkeit der Reihenfolge der von Aelianus in den verschiedenen Abschnitten seines Lebens bekleideten Ämter nicht in Zweifel ziehen kann. Der Text der Zeilen 1—8 der Grabschrift lautet: Ti(berio) Plautio, M(arci) f(ilio), Ani(ensi tribu), Silvano Aeliano, pontif(ici), sodali Aug(ustali), III vir(o) a(ere) a(rgento) a(uro) f(lando) f(eriundo), q(uaestori) Ti(berii) Caesaris, 5 legat(o) leg(ionis) V in Germania, pr(aetori) urb(ano), legat(o) et comiti Claud(ii) Caesaris in Brittannia, consuli, proco(n)s(uli) Asiae, legat(o) pro praet(ore) Moesiae etc. Die von Pärvan 7 ausgesprochene Vermutung, Aelianus sei erst Statthalter Moesiens und danach Prokonsul Asiens gewesen, stellt einen Versuch dar, die an sich wenig wahrscheinliche und durch die Inschrift von Tibur entschieden widerlegte Meinung zu untermauern, daß Aelianus sein Amt an der Donau unter Claudius bekleidet habe. Bekanntlich legt die Inschrift von Tralles das Prokonsulat des Aelianus in Asien ohne jeden Zweifel in die Regierungszeit Neros. Wenn man also auf Grund der Inschrift von Tibur annehmen muß, daß die Ernennung zum Legaten Moesiens n a c h dem Prokonsulat erfolgte, ergibt sich die notwendige Konsequenz, daß die Erfolge an der Donau ebenfalls aus der Zeit Neros — höchstens Vespasians — herrühren müssen. Die Möglichkeit, die moesische Statthalterschaft mit Pärvan in die Regierungszeit des Claudius zu verlegen, scheidet damit aus. 5
Le Bas-Waddington 3, 600 a = CIG 2942 d. • CIL X 825 ( = ILS 6385); CIL X I V 4126; CIL I 774 ( = ILS 5161 i). 7 a. O. (Anm. 2) 567 f.
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
Wie Pärvan zu der Annahme gelangte, daß Aelianus sein Amt in Moesien nur in den Jahren 52—53 angetreten haben kann, werden wir weiter unten sehen. Im Augenblick wollen wir noch einmal die Reihenfolge der Ämter betrachten, die die Inschrift angibt und die mir absolut richtig erscheint. Üblicherweise stehen an erster Stelle die priesterlichen Ämter, es folgen — dem Rang nach — die öffentlichen Ämter vom triumvir monetalis bis zu den Würden des Konsuls, Prokonsuls und kaiserlichen Legaten. Wenn Pärvan 8 von einem ,zwangsläufigen' cursus honorum spricht, in dem jeder ehemalige Konsul verpflichtet war, das Amt eines Legaten auszuüben, bevor er seine Laufbahn mit dem Prokonsulat krönte, so ist das keine verbindliche und erst recht keine unabänderliche Regel. Nach dem Konsulat wurde die Reihenfolge der honores publici ausschließlich vom Kaiser bestimmt. Zahlreiche Inschriften aus der uns interessierenden Zeit bieten überzeugende Beispiele, in denen Senatoren von einem Legatenamt zum Prokonsulat oder vom Prokonsulat zu einer oder mehreren nacheinander in den verschiedensten Teilen der römischen Welt ausgeübten Statthalterschaften gelangten 9 . Nicht überzeugender als das Argument der zwangsläufigen Reihenfolge' ist auch der zweite Grund, durch den Pärvan 1 0 den Vorrang der moesischen Mission vor dem Prokonsulat Asiens zu beweisen versucht. „Wenn man bedenkt, daß Aelianus unter Claudius bis zum Jahre 45 eine so steil ansteigende und glänzende Laufbahn hatte, kann man nicht annehmen, daß er mit einem Male für die restliche Regierungszeit dieses Kaisers kaltgestellt worden sei und erst Nero nach elf Jahren kommen mußte, um ihn wieder in die Leitung der Reichsangelegenheiten zurückzuberufen." Bekanntlich galten zur Zeit des Augustus und seiner Nachfolger die schon im Jahre 52 v. u. Z. für die Zuweisung von Senatsprovinzen durch die lex Pompeia de provinciis festgesetzten Regeln. Danach mußte zwischen dem letzten stadtrömischen Amt (Prätur oder Konsulat) und der Übernahme einer Provinzialverwaltung eine Zeit von mindestens fünf Jahren liegen. Die große Zahl der consules suffecti brachte es jedoch mit sich, daß die Wartezeit in allen Fällen länger dauerte. Daher wird man im 1. J h . u. Z. fast überall in den epigraphischen Dokumenten zwischen dem Konsulat und dem Prokonsulat zehn oder gar fünfzehn Jahre finden statt der fünf, die in der lex Pompeia vorgesehen waren 11 . 8 9
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Ebd. 568. Um nur einige Fälle zu nennen: L. Minicius Natalis Quadronius Verus, Konsul 133/134, Statthalter Moesiens 137/138, wird 150 Prokonsul Afrikas (Stein 68); P. Cluvius Maximus Paulimus, 138 Konsul, unmittelbar nach 140 Statthalter von Moesia superior, war vermutlich 153/154 Prokonsul Asiens (A. Degrassi, Epigraphica 1,1939, 307ff.). Dagegen wird — ebenso wie Aelianus — C. Fontems Agrippa im Jahre 58 Konsul und erst 69 Statthalter Moesiens, nachdem er 68/69 das Prokonsulat Asiens ausgeübt hatte (Tac.,Hist. III46; Stein 32 f.). a. 0 . 568. R. Cagnat, Cours d'epigraphie latine, 4 Paris 1914,96, Anm. 1; de Laet 322; für die Lage in der Provinz Asien vgl. R. Syme, J. Roman Stud. 45, 1955, 22 f., für die Legaten beider Moesien vgl. Stein 117 f.
Tib. Plautius Silvanus Aelianus und Moesien unter Neros Regierung
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Es schien mir zweckmäßig, bei der Prüfung der Reihenfolge der Ehrenstellen länger zu verweilen, weil dieses anscheinend unwichtige Moment für uns von richtungweisender Bedeutung ist. Denn da Aelianus mit Sicherheit unter Nero zum Prokonsulat Asiens gelangte, muß der Zeitpunkt der moesischen Mission sich ebenfalls klären lassen, und sei es bloß, daß ein sicherer terminus post quem gefunden wird. Daraus lassen sich weitere Feststellungen ableiten, und eben das will ich in den folgenden Ausführungen versuchen. Es wurde bereits gesagt, daß die Inschrift von Tralles das Prokonsulat des Aelianus in die Regierungszeit Neros verlegt, also in die Zeit vom 13. Oktober 54 bis zum 9. Juni 68. Als Nero den Thron bestieg, war mit der Verwaltung Asiens M. Junius Silanus betraut, in dessen Händen sie aller Wahrscheinlichkeit nach bis zum 1. Juli 55 verblieb 12 . Andererseits liegen, wie ich zeigen werde13., gewichtige Gründe dafür vor, daß Aelianus schon Anfang 62 zur Leitung Moesiens eingesetzt war. Damit kommen für das Prokonsulat nicht die Jahre 54 bis 68, sondern nur 54 bis 61 in Betracht, eine Zeitspanne, in der die fasti der Provinz Asien keinen Namen eines sicher bekannten Prokonsuls überliefern. Übrigens neigen fast alle, die sich mit dem uns interessierenden Problem befaßten, zu gleichen Schlußfolgerungen. Die Mehrzahl der Forscher geht davon aus, daß unter den Julio-Claudiern die Wartezeit für die Erlangung einer Provinzialverwaltung im Durchschnitt rund zehn Jahre betragen haben dürfte, und setzt als Prokonsulatsjahr des Aelianus 55/56, eventuell 56/57 an 14 . Dabei dürfte die erste Zeitangabe die richtigere sein, wenn man sich eine Beobachtung Halkins 1 5 zu eigen macht. Halkin hebt nämlich mit Recht hervor, daß der Anlaß für das Einmeißeln der Widmung von Tralles ein Beschluß des Senats vom Jahre 54 sein konnte. Angesichts des günstigen Verlaufes der militärischen Operationen an der Euphratgrenze habe man den Beschluß gefaßt, einen Munizipalkult zu Ehren Neros einzuführen und eine Statue des jungen Kaisers im Tempel des Mars Ultor aufzustellen 16 . Diese Annahme erscheint einleuchtend. Doch wie immer es auch sein mag, wichtig für uns ist die Erkenntnis, daß der Zeitpunkt des Prokonsulats des Aelianus bis auf 12
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Besser gesagt, hätte verbleiben müssen. Kurz nach der Thronbesteigung Neros, wohl gegen Ende 54, wurde nämlich Silanus im Auftrag der Agrippina ermordet (Plin., N. h. VII 58; Tae., Ann. XIII 1 und 33). Nach dem üblichen Brauch hatte selbst in außergewöhnlichen Fällen dieser Art die Ernennung eines Nachfolgers bis zum Ablauf der Amtsperiode des Verstorbenen zu unterbleiben, vgl. C. Haigan, Essai sur l'administration des provinces sénatoriales sous l'Empire romain, Paris 1898, 231f. Weiter unten S. 121 und Anm. 75. Vgl. zuletzt J. Keil, ÖJh. 29, 1935, 85. Eine Ausnahme bildet D. Magie, Roman Rule in Asia Minor . . . 2, Princeton 1950,1582, der das Prokonsulat des Aelianus ins Jahr 54 setzt. Tiberius Plautius Aelianus, légat du Mésie sous Néron, L'Antiquité Classique 3, 1934, 121 bis 161. Tac., Ann. XIII 8: Sed apud senatum omnia in maius celebrata sunt sententiis eorum, qui supplications et diebus supplicationum vestem principi triumphalem, utque ovans urbem iniret, effigiemque pari magnitudine ac Martis TJltoris, eodem in templo censuere. Vgl. Halkin a. O. 139; J. G. C. Anderson, CAH 10, 1934, 758ff.
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eine mögliche Abweichung von ein oder zwei Jahren feststellbar ist. Darf man hoffen, auch hinsichtlich der moesischen Statthalterschaft zu einem gleichen Ergebnis zu gelangen? Auf den ersten Blick scheint es sich um ein viel schwierigeres Problem zu handeln. Denn hier steht uns — im Gegensatz zur Frage des Prokonsulats — keine Inschrift zur Verfügung, die uns mitteilen könnte, unter welchem Kaiser das Amt angetreten wurde. Es kommt hinzu, daß eine Urkunde, von der man des Rätsels Lösung erhoffen konnte, infolge ihrer sich widersprechenden Angaben unsere Aufgabe nur erschwert. Es handelt sich um die oft genannte 'Ogo&eaia des Laberius Maximus, die als Anhang Briefe mehrerer Statthalter Moesiens an die Einwohner Histrias enthält. Nachteilig ist, daß für keinen dieser Legaten eine genaue Chronologie vorliegt. Auch stimmt die Reihenfolge, in der sie genannt sind, nicht mit ihrer Aufeinanderfolge in der Verwaltung Moesiens überein. Schließlich — und das ist für denjenigen, der das Problem zu erforschen sucht, ein fast unüberbrückbares Hindernis — wird der in Zeile 13 als Nachfolger des Flavius Sabinus genannte Aemilianus (Ai/iiAtavög) in keiner anderen Quelle der Zeit als kaiserlicher Legat oder wenigstens als Person senatorischen Ranges erwähnt 17 . Wir müssen daher zunächst Klarheit schaffen, an welcher Stelle in der Reihe der anderen Legaten sich Aemilianus befand. Danach ist ungefähr das Jahr zu bestimmen, in dem er die Verwaltung Moesiens antrat. Daraufhin ist schließlich zu entscheiden, ob und in welchem Maße dem Dokument von Histria Glauben zu schenken ist. Von diesen drei Fragen kann zumindest die erste rasch beantwortet werden. Der erste Brief des Flavius Sabinus an die Bewohner von Histria enthält dessen Versprechen, sich für sie bei seinem Nachfolger Aemilianus zu verwenden: lahqam de xai Aifiihavü) diaöo%m ¡uov xal ... avvarrjaü) v/udg16. Nur wenig später 1 9 erwähnt auch der Brief des Pomponius Pius unter seinen Vorgängern außer Flavius Sabinus einen . . . ANOC. Ist der Unbekannte, dessen Name auf ANOC ausgeht, identisch mit dem nicht minder unbekannten Aemilianus (was wahrscheinlich ist und Pärvan von Anfang an annahm)? Dann wäre mit ziemlicher Sicherheit eine Reihe von drei Legaten wiederhergestellt: erster — Flavius Sabinus, dritter — Pomponius Pius; zwischen ihnen ein Unbekannter, dessen Name das eine Mal vollständig als Aemilianus erscheint, das andere Mal nur mit der Endung ANOC. Abgesehen von den Briefen dieser drei Legaten, gibt die Inschrift von Histria einen Brief des Plautius Aelianus wieder, in dem das Lob für Flavius Sabinus deutlich macht, daß dieser v o r Plautius Aelianus Statthalter Moesiens war 2 0 . Im letzten Teil der Urkunde schließlich enthält der Brief des Tullius Geminus ausreichende Hinweise, daß seine Mission unter Claudius stattgefunden haben " de Laet 172, Nr. 1177. 18 Z. 13f. des weiter unten S. 134 neuerdings herausgegebenen Textes. 19 Z. 31. 20 Z. 43.
Tib. Plautius Silvanus Aelianus und Moesien unter Neros Regierung
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muß 2 1 , obwohl der Brief selbst keinen Namen erwähnt, durch den Geminus unter die bekannten Legaten eingereiht werden könnte. Mithin kennen wir aus der 'Oqo&eaia des Laberius Maximus einen Statthalter aus der Zeit des Claudius, drei Statthalter, deren Amtsperioden wir nicht zu bestimmen vermögen, die jedoch vermutlich unmittelbar aufeinander folgen, und schließlich einen Plautius Aelianus, von dem wir nur wissen, daß er die Verwaltung Moesiens n a c h Flavius Sabinus führte. Auf dieser Grundlage wollen wir nun die zweite Frage erörtern, welche zeitlichen Grenzen wir für die moesische Statthalterschaft des geheimnisvollen Aemilianus ansetzen können. Wir beginnen mit Tullius Geminus, den die 'Ogo&eaia als TiQEaßevrr/g xal ävricfTQaTTjyoi Tißegiov KXavdiov Kaioapoc, Eeßaorov bezeichnet. Tullius Geminus ist uns außerdem durch Tacitus 22 und eine Inschrift 2 3 bekannt, aus der wir den Zeitpunkt seines Konsulats kennen: vom 1. Oktober bis 30. Dezember 46. Danach könnte Tullius Geminus Moesien in der Zeit zwischen 1. Januar 47 und 13. Oktober 54 verwaltet haben. Pärvan hat das J a h r 54 angenommen, um die vorangehenden zehn Jahre für die Amtsperioden der vier Statthalter frei zu haben, die in der 'OQO&EOIA genannt sind. Der Irrtum Pärvans liegt auf der Hand, denn ein — von ihm anscheinend übersehenes — epigraphisches Dokument 2 4 nennt Flavius Sabinus leg(atus) divi Claudi pro pr(aetore) provinc(iae) Moesiae, was beweist, sofern der Herausgeber richtig liest, daß Sabinus spätestens im Jahre 54 in das Amt eingesetzt wurde, das er sieben Jahre bekleidete. Mithin konnte Tullius Geminus Moesien nur zwischen 47 und 53 verwalten, und mit dieser Feststellung müssen wir uns vorerst begnügen. Man könnte einwenden, daß Pärvan die Statthalterschaft des Sabinus unter Kaiser Claudius in die Jahre 43 bis 49 legte, ohne freilich dafür Gründe anzugeben. Der Hinweis auf Kappelmacher, der in seinem Artikel in der R E „die Verwaltungsperiode des Sabinus in Moesien durchaus überzeugend und exakt unmittelbar nach dem Jahre 43" ansetzt, erweist sich als unzulänglich, weil eine klare Notiz bei Dio 26 besagt, daß Sabinus im Jahre 43, in dem er zum Statthalter Moesiens ernannt worden sein soll, als vjioargaTrjyog seines Bruders Vespasian, des damaligen legatus legionisll Augustae 26 , an der Eroberung Britanniens mitwirkte. Auch in 21 22 23
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Z. 50 f. Ann. X I V 50. Es handelt sich um ein Fragment der von J. C. Egbert, Amer. J. Archaeol. 9,1905, 67 f. veröffentlichten und nun auch in CIL VI 36850 erschienenen fasti aus Teanum Sidicinum; vgl. C. Cichorius, Römische Studien, Leipzig/Berlin 1922, 398—402; A. Degrassi, I fasti consolari dell'impero romano, Roma 1952, 13; Pärvan a. O. (Anm. 2) 570, der diese Inschrift nicht kannte, schöpfte seine Nachrichten über Geminus aus der ersten Auflage der PIR und hielt das Jahr des Konsulats für unbestimmbar; vgl. ders., Ausonia 10,1921,193: „un tale Tullio Gemino, fino allora sconosciuto . . ." CIL VI 31293. LX 20, 3. Tac., Hist. III 44.
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Epigraphische Beiträge zur Geschichte Histrias
den Jahren 44 oder 45 kommt Sabinus als Statthalter Moesiens schwerlich in Betracht, weil zu dieser Zeit Statthalter Moesiens und Befehlshaber des Expeditionskorps Aulus Didius Gallus gewesen zu sein scheint, der nach den Angaben des Tacitus 27 in den ersten Jahren der Regierung des Claudius den bosporanischen König Mithridates besiegte und anstelle des bezwungenen Königs dessen Bruder Kotys einsetzte 2S . Wahr ist, daß weder bei Tacitus noch in irgendeinem anderen unanfechtbaren Dokument jener Zeit Gallus der Titel eines Legaten von Moesien beigelegt wird29. Dennoch ist als sicher anzunehmen30, daß eine solche Aufgabe niemand anderem als dem Statthalter der nächstgelegenen Provinz übertragen werden konnte. Auch der Umstand, daß Gallus für seinen Erfolg die ornamenta triumphalia erhielt31, schließt die Möglichkeit aus, er habe in jenem Feldzug unter dem Kommando eines anderen Befehlshabers gestanden. So ist nach wie vor die Annahme gerechtfertigt, daß die Ereignisse im Bosporanischen Königreich mit dem moesischen Legatenamt des Gallus zusammenfallen. Durch die Münzen des Kotys sind diese Ereignisse ziemlich sicher in die Jahre 45—46 zu datieren, so daß Gallus seine Mission an der Donau frühestens im Jahre 44 begonnen haben kann. Dies läßt die Hypothese durchaus einleuchtend erscheinen, daß man in ihm den ersten Statthalter der Provinz Moesia zu sehen hat 32 , die vom zeitweiligen Oberkommando der Provinzen Moesia, Macedonia und Achaia gelöst war. Mithin kann Flavius Sabinus in den fasti der Provinz Moesien keinesfalls den Platz einnehmen, den ihm Pärvan zuweist. Denn die sieben Jahre seiner Amtszeit — 43 bis 49 — sind von Aulus Didius Gallus und Terentius Tullius Geminus ausgefüllt (auch wenn es uns die Quellen nicht ermöglichen, die Dauer der Amtsperiode jedes einzelnen einwandfrei zu bestimmen). Die Ankunft des Flavius Sabinus an der Donau muß daher anders angesetzt werden, und zwar an das Ende der Regierungszeit des Claudius, die ein sicherer terminus ante quem bleibt. Dieses Ergebnis muß mit den Daten anderer Quellen über die Tätigkeit des Flavius Sabinus verglichen werden, und das erfordert eine kurze Untersuchung seiner politischen und militärischen Laufbahn. In seinem Bericht über das Ende des Sabinus, der vor den Augen des machtlosen Vitellius ermordet wurde, zeichnet Tacitus 33 für die Nachwelt ein Bild des Mannes, der quinque et triginta stipendia in re publica fecerat, dorni militiaeque clarus. 27 28
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81 32 ss
Ann. XII15. Über dieses militärische Unternehmen wie im allgemeinen über die Schwarzmeerpolitik des Claudius vgl. V. M. Scramuzza, The Emperor Claudius, Cambridge Mass. 1940, 179ff.
Vgl. aber CIL III 7247 (= ILS 970), wo die Ergänzung [leg(atus) pro pr(aetore) Moe]aiae
einen großen Grad an Wahrscheinlichkeit besitzt. In diesem Sinn vgl. Groag, RE 5, 1903, 411 und PIR I I P 14, Nr. 70. Vgl. Stein 25.
CIL III 7247,2f. [. . .ornjatus ex [auctforitate) Ti.] Claudi Caes\aris] Aug(usii) Ger[mani]ci tr\i\umphal\ibus o\rnamen\tis]. Vgl. Stein 25; Ritterling, RE 12, 1925, 1648. Hist. III 75.
Tib. Plautius Silvanus Aelianus und Moesien unter Neros Regierung
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Im gleichen Kapitel findet sich auch die Feststellung, daß Sabinus sieben Jahre Legat Moesiens und zwölf Jahre praefectus urbi war, so daß wir daraus das Leben dieses bedeutenden Mannes einigermaßen rekonstruieren können. Da wir den Zeitpunkt seines Todes und die Gesamtzahl seiner Dienstjahre wissen, kennen wir nicht nur das wahrscheinliche Geburtsdatum, sondern auch die Hauptphasen seines so ausgefüllten Lebens. Wenn Sabinus im ,Vierkaiserjahr' eine fünfunddreißigjähr ige öffentliche Tätigkeit beendete, so muß er diese im Jahre 34 begonnen haben. Da er, der älter war als sein Bruder Vespasian, kaum vor dem Jahre 8 u. Z. geboren wurde 34, muß er bei seinem Eintritt in den öffentlichen Dienst etwa 25 Jahre alt gewesen sein, also nach den Rechtsnormen jener Zeit die quaestoria aetas gehabt haben. Für die Zwischenphasen seines Werdeganges bis zur Ernennung zum Präfekten Roms fehlen chronologische Anhaltspunkte, wenn man von der Angabe Dios 35 absieht, daß Sabinus das Jahr 43 als Stellvertreter seines Bruders in Britannien verbracht habe. Welchen Rang Sabinus dabei innehatte, ist bei der unklaren Ausdrucksweise des griechischen Historikers schwer zu bestimmen. Einen höheren Rang als die Prätur dürfte er zu diesem Zeitpunkt nicht erreicht haben, so daß er sich überhaupt nicht um die Verwaltung Moesiens bewerben konnte, die ausnahmslos ehemaligen Konsuln vorbehalten war 36 . Schon aus diesem Grunde kann man der von Pärvan geteilten Annahme Kappelmachers nicht beipflichten, daß Sabinus unmittelbar nach dem Jahre 43 in Moesien eingetroffen sei 37 . Wie können wir nun das richtige Jahr ermitteln? Wir wissen 38 , daß Sabinus bei seiner Ermordung durch die Anhänger des Vitellius Stadtpräfekt von Rom war, welches Amt er — vermutlich mit kleinen Unterbrechungen 39 — nach Tacitus 84 86
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Suet., Vesp. 2, vgl. Kappelmacher, R E 6, 1909, 2611. L X 20, 3: Emdienefiyie (seil. Aulus Plautius) rov TE Oveanaatavdv rov o] Gabrano ad capud eiusdem, inde [ ? iuxta rivum] [,S]anpaeum, inde ad rivum Turgicu[lum ] a rivo Calabaeo, millia possum circi\ter D X? F / ] 'EmaToX-i) Saßetvou io Hl A N Ä i T A + A l / ' - V f 0 W | < A IF
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Abb. 4. Ehrenbeschluß für drei Gesandte vgl. S. 77 f .
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Abb. 5. Beschluß zu Ehren des Aristagoras vgl. S. 8 9 - 1 0 0
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Abb. 7. Bruchstück einer Inschrift mit Erwähnung eines Augustus-Tempels vgl. S. 101
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Abb. 8. Horothesie des Laberius Maximus, Exemplar B vgl. S. 1 3 4 - 1 3 6 (Retuschefehler Z. 41)
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