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German Pages 400 [404] Year 1952
Entscheidungen
des Reichsgerichts in Zivilsachen Sammlung der noch wichtigen Entscheidungen nach Fachgebieten geordnet Herausgegeben von Professor Dr. L. Auerbach, Berlin, Präsident des Reichspatentamteg a. D., München Dr. Johannes Eylau, Rechtsanwältin Charlotte Graf, Berlin, Ministerialdirektor z . W v . Senatspräsident Dr. Ernst Knoll, Berlin, Rechtsanwalt Erich Kummerow, Berlin, Rechtsanwalt Hermann Reusa, Berlin, Rechtsanwalt Dr. Walter Schmidt, Düsseldorf, Landgerichtsdirektor Alexander Swarzenski, Berlin, Rechtsanwalt Dr. Werner Vahldiek, Berlin Gruppe I Bürgerliches
Recht
Recht der Schuldverhältnisse Teil 7
Berlin
1952
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung / J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung I Georg Reimer / Karl J . Trübner / Veit & Comp.
Recht der Schuldverhältnisse
Herausgegeben von
Dr. Ernst Knoll Ministerialdirektor z. W v .
Senatspräsident
Teil 7
Berlin
1952
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Göschen'ache Verlagshandlung / J . Gattentag, Verlagsbuchhandlung / Geore Reimer / Karl J . Trübner / Veit & Comp.
Archiv-Nr. 2817 52 Satz und D r o c k :
A. W. H a y o ' » E r b e n , B e r i l o SO 36
V
Inhaltsverzeichnis Seile
Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen
VII
Recht der Schuldverhältnisse TeU 7
Besonderer Teil Leihe und Darlehn
1
(Fortsetzung)
Dienstvertrag
. . . .
18
Werkvertrag
120
Mäklervertrag
208
Anftrag u n d Geschäftsführung ohne A u f t r a g
220
Verwahrung und Einbringung von Sachen bei Gastwirten .
285
Spiel und W e t t e
321
Bürgschaft
338
VII
Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen aus der alten Sammlung Seile
1
81 254 403 392 190 207 153 157 119 11 280 294 332 365 1 173 415 138 177 146 262 197 386 303 345 354 361 336 408 432 29 439 70 285 427 32 279 342 401 72 185 363 365 305
18
120 321 338 220 224 340 323 344 122 347 226 122 350 123 326 124 353 354 126 127 358 129 285 360 233 208 210 294 20 22 26 132 362 27 29 213 134 364 365 371 298 374 137 139
Seite
RGZ.
88 223
;
88 88 90 90 90 90 92 92 92 92 94 94 95 95 96 97 99 99 100 101 102 103 103 104 104 104 105 105 105 106 107 110 110 111 112 112 113 115 118 122 123 127 127 130
410 412 18 129 177 415 121 158 197 201 29 166 2 51 266 4 35 70 46 348 110 9 263 15 45 93 202 392 416 293 339 297 404 22 34 58 425 266 365 38 216 14 313 101
140 375 376 143 237 376 376 379 32 242 246 144 34 145 248 147 37 38 302 149 304 40 306 309 151 311 154 314 248 41 43 155 44 161 48 49 317 318 216 251 53 56 165 170 61
Vili RGZ.
130, 132, 133, 134, 137, 138, 139, 139, 142, 146, 146, 147, 148, 148, 149, 149, 150, 151,
284 218 84 181 83 37 255 358 268 116 190 390 148 354 205 401 81 259
Seite
RC.Z.
63 330 251 173 68 74 77 84 1 88 334 176 180 216 257 183 264 88
152, 152, 157, 158, 159, 159, 159. 160, 160, 161, 161, 163, 165, 165, 167. 168, 171,
Seite
111 159 243 130 65 268 283 52 122 68 280 377 41 336 83 206 292
186 10 219 93 16 188 99 264 265 270 277 277 191 108 279 114 202
Die Entscheidungen sind grundsätzlich — von unwesentlichen Streichungen abgesehen — ungekürzt gebracht worden. Ausnahmsweise gekürzte Entscheidungen sind mit einem f gekennzeichnet. Soweit eine Entscheidung mehrere Fachgebiete betrifft, ist sie nur in einem Fachgebiet aufgenommen worden. Die anderen Gebiete enthalten nur den Leitsatz der betreffenden Entscheidung mit einem Hinweis, wo der vollständige Abdruck erfolgt ist. Um das Auffinden der Entscheidungen zu erleichtern, wird am Schluß der Sammlung ein Gesamt-Fundstellenregister erscheinen, in dem alle Entscheidungen der amtlichen Sammlung verzeichnet sind. Die in der Sammlung abgedruckten Entscheidungen sind nach der Fundstelle der alten und der neuen Sammlung zitiert; bei den nicht aufgenommenen findet sich ein Hinweis über den Grund des Ausscheidens.
Besonderer Teil Leihe und Darlehn (Fortsetzung)
RGZ. 142, 268 1. Dürfen die in der Rechtsprechung zu § 626 BGB. und § 70 HGB. entwickelten Grundsätze über die Zulässigkeit der Nachschiebung eines wichtigen Kündigungsgrundes in einem Fall angewendet werden, wo die vorzeitige Fälligkeit eines Darlehns wegen eines im Vertrag vorgesehenen Umstandes geltend gemacht wird? 2. Bezieht sich die Vorschriit des § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO. auch ani einzelne Posten eines einheitlichen Schadensersatzanspruchs? 3. Kann ein bei der Entscheidung übergangener Anspruch in der Berufungsinstanz erneut geltend gemacht werden? BGB. §§ 360, 609, 626. ZPO. §§ 268, 313, 321, 523, 529 VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Frankfurt
Urt. v. 20. November 1933. a. M.
II. Oberlandfgericht
daselbst.
Auf Grund der Bedingungen einer bereits am 23. November 1927 errichteten notariellen Urkunde nahm die Klägerin zu Anfang des Jahres 1928 von der Beklagten ein Darlehen von 60 000 GM. auf, das mit 7 °/0 zu verzinsen und bis zum 1. April 1931 unkündbar war, aber unter den im Vertrag näher angegebenen Bedingungen auch vorzeitig zurückgefordert werden konnte. Die Klägerin unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Zugleich war zur Sicherstellung des Darlehns eine erststellige Hypothek auf einem der Klägerin gehörigen Hausgrundstück in N. und die selbstschuldnerische Bürgschaft des Geschäftsführers W. der Klägerin vereinbart; W. mußte sich auch zur Eingehung einer Lebensversicherung über 40000 RM. verpflichten. Als das Darlehen im Frühjahr 1928 unter Kürzung von 6°/0 und unter Abzug der Lebensversicherungsprämie für das erste Versicherungsjahr zur Auszahlung gelangte, wurde auch die vorgesehene Hypothek bestellt. Die Klägerin blieb auf die am 1. Juni 1929 fälligen Maizinsen zunächst einen Betrag von 311,45 RM. schuldig, übersandte dann aber der Beklagten durch Eilbrief einen Scheck über diesen Betrag, der dort am 8. Juni 1929 einging, von der Beklagten mit Brief vom 10. Juni 1929 (der 9. Juni war ein Sonntag) bestätigt und am 17, Juni 1929 eingelöst wurde. Die Beklagte behauptete, daß die Zahlung verspätet erfolgt sei, und verlangte mit Brief vom 12. Juni 1929 Zivili. Sdinldredit 7
1
2
Schuldrecht, Besonderer Teil
von der Klägerin gemäß einer Vertragsbestimmung 150 RM. Zuschlagszinsen mit Frist bis zum 17. Juni 1929. Als die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachkam, stellte die Beklagte wegen des Rückstandes von 150 RM. den Antrag auf Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung des Grundstücks. Diesem Antrag wurde entsprochen. Darauf machte die Beklagte von der Bestimmung unter Nr. 6 c der Vertragsbestimmungen Gebrauch, wonach sie das Recht hatte, die sofortige Rückzahlung des ganzen Kapitals zu verlangen, wenn die Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung der Pfandgrundstücke oder eines Teils dieser Grundstücke eingeleitet wurde, und kündigte mit Schreiben vom 27. Juni 1929 das ganze Kapital von 60 000 RM. Sie ließ sich jedoch am 11. Juli 1929 eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde vom 23. November 1927 nur in Höhe von 10 000 RM. geben und trat wegen dieses 'Betrags dem Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren bei. Versteigerungstermin wurde auf den 25. September 1929 anberaumt. Kurze Zeit vor dem Termin zahlte die Klägerin die rückständigen Zinsen, den Kapitalbetrag von 10000 RM. und die Kosten des Verfahrens. Die Fälligkeit des Restkapitals hielt die Beklagte aufrecht. Durch Beschluß vom 21. Oktober 1929 ordnete das Amtsgericht die Zwangsversteigerung des Grundstücks auf den Antrag der R. Z.Fabrik wegen einer Restforderung von 1152,04 RM. an, von der 825,43 RM. durch Eintragung einer Sicherungshypothek dinglich gesichert waren. Mit dem Antrag vom 23. Oktober 1929 beantragte die Beklagte die Zwangsversteigerung des Grundstücks wegen des Kapitalbetrags von 50 000 RM. nebst 10°/ n Zinsen seit dem 1. Oktober 1929 und eines Restzinsbetrags von 98,19 RM. für September 1929. Ohne Erwähnung des Antrags der R. Z.-Fabrik legte sie in dem Antrag eingehend dar, daß das Restkapital von 50 000 RM. mit dem 29. Juni 1929 zur Rückzahlung fällig sei. Durch Beschluß des Amtsgerichts vom 25. Oktober 1929 wurde der Beitritt der Beklagten zu dem bereits angeordneten Zwangsversteigerungsverfahren zugelassen. An demselben Tage wurde auf den Antrag der Beklagten auch die Zwangsverwaltung des Grundstücks angeordnet. Der Versteigerungstermin vom 15. Januar 1930 führte zu einem Meistgebot von 66 770 RM. Rechte am Grundstück blieben nicht bestehen. Der Zuschlag wurde am 22. Januar 1930 erteilt. Die Klägerin hatte im vorliegenden Rechtsstreit gegen die Beklagte anfänglich Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung erhoben. Demnächst hat sie statt dieses Antrags Schadensersatzansprüche geltend gemacht auf Grund der Behauptung, daß die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung zu betreiben. Sie hat zunächst einen Teilbetrag von 6500 RM. nebst Zinsen verlangt. Durch Urteil des Berufungs-
Leihe und Dar lehn
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gerichts vom 8. Oktober 1930 wurde der Schadensersatzanspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Revision wurde durch Urteil des Reichsgerichts vom 25. April 1931 (IX 573/30) zurückgewiesen. In dem Verfahren vor dem Landgericht verlangte die Klägerin nunmehr Zahlung von 50 000 DM. nebst Zinsen. Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 200 R M . nebst Zinsen und wies im übrigen die Klage ab. Die Berufung der Klägerin wies das Berufungsgericht durch Teilurteil insoweit zurück, a l s die Klägerin mehr als 6700 R M . verlangt. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Berufungsurteil und zur Zurückverweisung der S a c h e an das Berufungsgericht. Gründe: Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Grund des Klaganspruchs von neuem geprüft werden müsse, soweit der jetzt geltend gemachte Anspruch seiner Höhe nach den Betrag übersteige, über den dem Grunde nach bereits rechtskräftig entschieden worden sei. E s prüft also erneut, ob der Grund des Anspruchs, soweit er 6 5 0 0 + 200 R M . übersteigt, gegeben ist. Die Revision bittet um Nachprüfung, ob dies zutrifft. Nach feststehender Rechtsprechung (RGZ. Bd. 120 S. 319 und Nachweisungen) reicht die Rechtskraft des Urteils, das über einen Teilanspruch erlassen ist, gemäß § 322 Z P O . nicht über diesen Teilanspruch hinaus. Der Anspruch ist also auch dem Grunde nach zu prüfen, soweit er hinausgeht über den Betrag von 6500 R M . , auf dessen Grund sich das Reichsgerichtsurteil bezieht, und 200 R M . , die der Klägerin vom Landgericht zugesprochen worden sind, ohne daß die B e k l a g t e ein Rechtsmittel eingelegt hat. Die sachliche Begründung der Abweisung des Anspruchs durch das Berufungsgericht wird jedoch von der Revision mit Recht beanstandet. Das Berufungsgericht nimmt auch jetzt — wie in dem früheren Verfahren über den Grund des Teilanspruchs — an, daß die mit dem Schreiben der Beklagten vom 27. J u n i 1929 ausgesprochene Kündigung des Darlehns von 60 000 R M . wegen Nichtzahlung des Zinszuschlags von 150 R M . unbegründet gewesen sei, da die Klägerin die Zahlung noch innerhalb der in Nr. 6ba der Vertragsbestimmungen vorgesehenen Normalfrist geleistet habe. Das steht im Einklang mit dem für den Teilanspruch erlassenen Urteil des Reichsgerichts und ist rechtlich auch jetzt nicht zu beanstanden. Das B e rufungsgericht stellt aber fest, daß die Beklagte in dem letzten V e r handlungstermin vor dem jetzt angefochtenen Urteil — am 1. F e b r u a r 1933 — die Kündigung ferner darauf gestützt hat, daß sie nach § 6 c der Vertragsbestimmungen zur Rückforderung des K a p i t a l s auch deshalb berechtigt gewesen sei, weil am 21. Oktober 1929 die Zwangsversteigerung des Grundstücks auf Antrag der R . Z.-Fabrik angeI
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Schuldrecht, Besonderer Teil
ordnet worden sei. Das Berufungsgericht meint, daß diese Auffassung zutreffe. Die Beklagte bei berechtigt gewesen, aus diesem Grunde die sofortige Rückzahlung des Darlehns zu verlangen. Sie habe das Verlangen a b e r nicht gestellt. Dabei sei zu prüfen, ob sie sich jetzt im Rechtsstreit noch auf diesen Grund berufen dürfe, der zur Zeit der Kündigung — 27. J u n i 1929 — noch nicht vorhanden gewesen sei. E i n Zwang zur Begründung der Kündigung bestehe nicht. Wenn die Kündigung vom Vorhandensein bestimmter Tatsachen abhänge, so komme es nur darauf an, ob diese Tatsachen zur Zeit der Urteilsfällung vorlägen, nicht aber darauf, ob sie als Grund in der Kündigungserklärung angeführt seien. Deshalb sei in ständiger Rechtsprechung angenommen worden, daß eine außerordentliche, durch die bisherigen Gründe nicht gerechtfertigte Kündigung im Rechtsstreit durch nachträglich entstandene andere Gründe gerechtfertigt werden könne. Dies gelte, da es im Wesen der Kündigung begründet sei, für alle F ä l l e der Kündigung, also auch für die Darlehnskündigung. Zu prüfen sei aber, ob es nicht den Grundsätzen von Treu und Glauben widerspreche, wenn die Beklagte erst nach 3 1 /» J a h r e n die Kündigung auf Tatsachen stütze, die sie damals ohne weiteres zur Rückforderung des Darlehns berechtigt hätten. Das sei zu verneinen angesichts der objektiven Sachlage und der in ständiger Rechtsprechung über die Begründung der Kündigung entwickelten Grundsätze. E s komme hinzu, daß die Gründe fast die gleichen seien, da es sich beide Male um die Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens gehandelt habe. Die Klägerin habe deshalb nicht der Ansicht sein können, daß die Beklagte ihre Kündigung auf diesen neuen Kündigungsgrund nicht habe stützen wollen. Richtig ist an diesen Ausführungen, daß nach der Rechtsprechung im Rahmen des § 6 2 6 B G B . auch solche Umstände als wichtige Gründe gelten können, die zwar erst nach der einseitigen Entlassung des Dienstverpflichteten eingetreten sind, die aber die Kündigung nachträglich als gerechtfertigt erscheinen lassen. Das ist zunächst vor der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das preußische R e c h t ausgesprochen worden in einem F a l l , in dem der Dienstberechtigte zur Zeit der Kündigung den Dienstverpflichteten mit Unrecht für dienstunfähig gehalten hatte, während zur Zeit des Urteils die Unfähigkeit zur Dienstleistung festgestellt wurde. Dies war in der R G Z . B d . 32 S. 249 abgedruckten Entscheidung, auf die später fast immer zurückgegriffen worden ist, im Anschluß an die Erwägung ausgeführt worden, es w ä r e sehr töricht, wenn der Kläger für eine Zeit, in welcher er Dienste nicht hätte leisten können, Ersatz eines Schadens fordern wollte, für dessen E i n t r i t t die Entlassung nicht ursächlich sei. Mochte hier schon der Umstand, daß die Entlassung ifür den entstandenen Schaden nicht ursächlich war, den Schadensersatzanspruch ausschließen (so auch G u t m a n n in den Blättern für Rechtspflege in
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Thüringen B d . 64 S . 128), so ist doch an dem wiedergegebenen Grundsatz in der Rechtsprechung und ebenso überwiegend im Schrifttum auch für das Gebiet des § 6 2 6 B G B . und des § 70 H G B . festgehalten worden (RGZ. ß d . 88 S. 128, B d . 122 S. 39; W a r n R s p r . 1911 Nr. 176; LZ. 1910 Sp. 700; P l a n c k B G B . Bern. 2 a zu § 626; S t a u b B o n d i H G B . Anm. 7 zu § 70; D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g H G B . Anm. 7 zu § 70). W i e anzuerkennen ist, kann die Sachlage so sein, daß zur Rechtfertigung einer Entlassung ein ursprünglich nicht geltend gemachter, ja sogar ein später eingetretener Umstand verwertet werden darf. Die objektive Betrachtung kann ergeben, daß in solchem F a l l dem Dienstverpflichteten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann, möglicherweise nicht einmal für die Dauer der in Betracht kommenden Kündigungsfrist. Dann kann ein nach der Entlassung eingetretener Grund unter Umständen schon vom Zeitpunkt seines Eintritts an die Kündigung rechtfertigen und im Rechtsstreit verwertet werden (vgl. P l a n c k und D ü r i n g e r H a c h e n b u r g a. a. O.). In dem vom Berufungsgericht herangezogenen F a l l (RGZ. B d . 122 S. 38) war zunächst die ordentliche Kündigung eines Dienstvertrags ausgesprochen, aber im Rechtsstreit als durch eine Vertragsbestimmung ausgeschlossen erachtet worden; der Dienstberechtigte berief sich nunmehr unter dem Gesichtspunkt des wichtigen Grundes auf einen kurze Zeit nach der Kündigung eingetretenen Umstand; zur Zeit der Geltendmachung dieses Umstandes war bereits ein Zeitraum von zwei J ä h r e n seit seinem Eintritt verstrichen. Das Reichsgericht führte damals aus, der Dienstberechtigte müsse dem anderen Teil gegenüber unzweideutig zum Ausdruck bringen, daß er von der Möglichkeit der Entlassung wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes Gebrauch mache, und das sei aus der fristgerechten Kündigung nicht zu entnehmen. E i n e Rückwirkung der Verwertung des nachträglich entstandenen wichtigen Kündigungsgrundes auf den Zeitpunkt des Entstehens wurde in diesem F a l l abgelehnt; es wurde vielmehr dargelegt, daß, soweit eine Erklärung über die Geltendmachung dieses Grundes in einem bestimmten Schriftsatz enthalten sei, sie bestenfalls für die Zeit nach ihrem Zugehen an den Beklagten wirksam sei. E s kommt aber hier nicht entscheidend darauf an, ob unter dem Gesichtspunkt des § 626 B G B . ein Kündigungsgrund — möglicherweise mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Entstehens dieses Grundes — nachgeschoben werden kann. Denn die Verwertung eines nachträglich eingetretenen Grundes für die Kündigung eines Dienstverlrags hängt nicht sowohl mit der Eigenart des Rechtsgeschäfts der Kündigung als vielmehr mit der Bedeutung des „wichtigen Grundes" und der daraus sich ergebenden Zumutbarkeit der F o r t setzung des Dienstverhältnisses für den Vertragsgegner zusammen. Sie ist also keineswegs, wie das Berufungsgericht meint, zu verall-
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gemeinem und ist nicht ohne weiteres auf alle F ä l l e zu erstrecken, in denen ein Rechtsgeschäft durch die Erklärung eines Beteiligten sein E n d e erreicht. Schon in der Entscheidung in R G Z . Bd. 123 S. 240 ist darauf hingewiesen worden, daß die in Rede stehende Rechtsprechung zu § 626 B G B . nicht für die Beurteilung der Frage verwendet werden kann, ob im F a l l eines auf schuldhafte Nichterfüllung eines Vertrags .gestützten Schadensersatzanspruchs die in der Vergangenheit liegende Nichterfüllung eines Vertrags nachträglich mit Tatsachen gerechtfertigt werden darf, die in Wirklichkeit nicht der Grund der Nichterfüllung gewesen sind. Auch im F a l l des Rücktritts von einem Vertrag wegen sog. positiver Vertragsverletzung des Gegners muß aus der Rücktrittserklärung erkennbar sein, in welchem Verhalten des Gegners die Vertragswidrigkeit erblickt wird. Wenn eine Partei das tatsächlich vorhandene vertragswidrige Verhalten ihres Gegners zur Zeit der Abgabe der Rücktrittserklärung nicht als Vertragsverletzung empfunden hat, sondern ihre Weigerung der Vertragserfüllung auf einen anderen Vorgang stützt, so kann jene Rücktrittserklärung nicht die Auflösung des Vertrags herbeiführen (RG. im Recht 1927 Nr. 891). Dabei soll aber nicht verkannt werden, daß im F a l l einer Kündigung die Rechtslage auch insofern anders ist, als die Kündigung als solche nicht erfordert, daß zugleich mit ihr der Grund der Kündigung angegeben wird. Eine andere Frage aber ist, ob die Angabe des Grundes auch weiterhin bei Beachtung der 'Belange des Vertragsgegners entbehrt werden kann. Diese Frage ist nicht für alle Rechtsgeschäfte gleichmäßig zu beantworten. Im vorliegenden F a l l handelt es sich zunächst um die Frage, ob das Verlangen nach Rückzahlung eines Darlehns, welches nach dem Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen ohne Innehaltung einer Kündigungsfrist zurückgefordert werden kann, auf einen im Vertrag näher bestimmten Vorgang — Einleitung einer Zwangsversteigerung — nachträglich gestützt werden kann, nachdem die Kündigung zunächst wegen eines anderen Vorgangs — angeblich nichtpünktliche Zinszahlung im Zusammenhang mit einer Zwangsversteigerung — erk l ä r t worden ist, in dieser Hinsicht aber als unbegründet zu erachten ist. Der Berufung auf einen solchen anderen Vorgang steht mit der Maßgabe nichts entgegen, daß seine Wirkung auf den Zeitpunkt zu verlegen ist, in dem die entsprechende Erklärung dem Gegner gegenüber abgegeben wird. Zu irgendwelcher Rückbeziehung ihrer Rechtswirkung auf den Zeitpunkt, in dem sich der Vorgang selbst ereignet hat, wie dies bei der Kündigung eines Dienstvertrags wegen eines wichtigen Grundes unter Umständen möglich ist, bietet die Rechtslage hier keinen Anhalt. Der Tatbestand der Fälligkeit, der deshalb eintreten soll, weil der Gläubiger von einer sich auf einen bestimmten Vorgang gründenden Vertragsbefugnis Gebrauch gemacht hat, kann nicht deshalb nachträglich auf einen früheren Zeitpunkt verlegt werden,
Leihe und Darlehn
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weil sich der Gläubiger damals zu Unrecht auf einen ganz anderen Tatbestand berufen hat. Das Reichsgericht hat in der bei Gruch. B d . 48 S. 817 und in SeuffArch. Bd. 59 Nr. 55 abgedruckten Entscheidung die F r a g e zu beantworten gehabt, ob eine auf nichtpünktliche Zahlung eines Zinsbetrags gestützte, aber als unbegründet zu unterstellende Kündigung einer Darlehnshypothek dadurch rechtswirksam werden kann, daß der Schuldner einen später fällig werdenden Zinsbetrag nicht pünktlich zahlt. Das wurde verneint. Mit Recht wurde angenommen, eine andere Auffassung müßte dazu führen, daß eine Kündigung schon im voraus für den F a l l wirksam erklärt werden könnte, daß in Zukunft ein Zinsbetrag nicht pünktlich gezahlt werden sollte, eine Folgerung, die mit dem Inhalt der die Grundlage der Kündigung bildenden Vertragsbestimmung unvereinbar wäre. Die Auffassung des Berufungsgerichts würde im vorliegenden F a l l auch mit dem Rechtsgedanken nicht vereinbar sein, welcher der Verwirkungsklausel des § 360 B G B . zugrunde liegt, die einer Klausel des hier in R e d e stehenden Inhalts sehr ähnelt. Die Verwirkung tritt im F a l l des § 360 aber regelmäßig nicht ein, wenn den Schuldner an der Nichterfüllung der Verbindlichkeit kein Verschulden trifft ( R G . in J W . 1919 S . 570 Nr. 4; R G R K o m m . zu § 360 B G B . ; P l a n c k B G B . Bern. 2 c zu § 609). Die F r a g e eines solchen Verschuldens des Schuldners kann aber bei den einzelnen Voraussetzungen der Befugnis, das Kapital ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zurückzufordern, verschieden zu beantworten sein, so daß von einer Auswechselbarkeit der einzelnen Tatbestände nicht gesprochen werden kann. Hiernach ist davon auszugehen, daß die erst am 1. Februar 1933 erfolgte Berufung auf die im Oktober 1929 auf Antrag eines anderen Gläubigers angeordnete Zwangsversteigerung erst im Februar 1933 Rechtswirkung erlangt hat. Die Auslegung einer Vorschrift, die dem Berechtigten unter einer bestimmten Voraussetzung das Recht zur fristlosen Kündigung eines Kapitals einräumt, ist unter dem Gesichtspunkt der § § 133, 157 B G B . vorzunehmen. Die Rechtsprechung hat deshalb mit Recht gefordert, daß von einer solchen Befugnis, wenn sie auch nicht sofort beim Eintritt der Säumnis ausgeübt zu werden braucht ( P l a n c k B G B . Bern. 2 c zu § 609), doch innerhalb eines angemessenen Zeitraums Gebrauch gemacht werden muß (RG. in J W . 1908 S . 550 Nr. 11 und im Recht 1924 Nr. 625; R G R K o m m . Anm. 3 zu § 609 B G B . ; vgl. ferner R A G . Bd. 1 S. 225; R G Z . Bd. 122 S. 41, Bd. 94 S. 166). Im gegenwärtigen F a l l liegt nun zwischen dem Entstehen des vom B e rufungsgericht als berechtigt erachteten Kündigungsgrundes und seiner Geltendmachung ein Zeitraum von 3 1 /» J a h r e n . In dieser Zeit ist von den Parteien ein Rechtsstreit über einen anderen Kündigungsgrund in drei Rechtszügen geführt worden, und nach der der Klägerin günstigen Beendigung des dritten Rechtszugs ist dann fast zwei J a h r e
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Schuldrecht, Besonderer Teil
hindurch vor dem Landgericht und dem Berufungsgericht über die Höhe des Schadens gestritten worden, der durch die als unbegründet erachtete Kündigung entstanden sein soll. E r s t im letzten Verhandlungstermin hat sich dann die Beklagte auf den anderen Kündigungsgrund berufen. Damals war der unter dem Gesichtspunkt der §§ 133, 157 B G B . zu bemessende Zeitraum für die Ausübung des Rechts entgegen der Annahme des Berufungsgerichts längst abgelaufen. Dieses führt für seine Annahme die objektive Sachlage und die ständige Rechtsprechung über die Begründung der Kündigung an. Daß diese Begründung fehlgeht, ergibt sich aus den bereits dargelegten Gründen. Auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, daß die Kündigungsgründe fast die gleichen seien, weil es sich in beiden F ä l l e n um die Einleitung der Zwangsversteigerung gehandelt habe, trifft nicht den Kern der Sache. Die erste Kündigung stützte sich nur äußerlich auf die von der Beklagten selbst veranlaßte Zwangsversteigerung; sie konnte nur deshalb angeordnet werden, weil der Beklagten eine Urkunde mit der Unterwerfung der Klägerin unter die sofortige Zwangsvollstreckung zur Verfügung stand und sie von dieser Gebrauch machte, da nach ihrer Darstellung, die sich dann als unbegründet herausstellte, die Klägerin Zahlungen nicht rechtzeitig geleistet hatte. Diese konnte nach dem Verlauf des Rechtsstreits schlechterdings nicht damit rechnen, daß die Beklagte noch auf einen anderen Kündigungsgrund zurückgreifen würde. Hierbei mag noch darauf hingewiesen werden, daß die Beklagte den Antrag auf Zwangsversteigerung wegen eines Betrags von 50 000 R M . ausweislich ihres Antrags unabhängig von dem Antrag der R.Z.-Fabrik gestellt hat, die eine Forderung von 1152,04 R M . geltend machte. Beide Anträge gingen in kurzem Zeitabstand bei Gericht ein. Daß auf den Antrag der Beklagten der Beitritt zu dem auf Antrag der genannten F i r m a eben angeordneten Zwangsversteigerungsverfahren zugelassen wurde, beruhte auf der Vorschrift des § 27 ZVG. Ob es die Klägerin wegen der Forderung jener Firma zur Durchführung der Zwangsversteigerung h ä t t e kommen lassen, nachdem sie erst kurze Zeit vorher der B e klagten den Kapitalbetrag von 10 000 R M . zurückgezahlt hatte, mag dahinstehen. Die von der Beklagten nachgeschobene Kündigung greift hiernach nicht durch. . . . Die Klägerin hat ihren Schadensersatzanspruch in erster Linie darauf gestützt, daß ihr durch die unzulässige Zwangsversteigerung das Eigentum am Grundstück entzogen worden sei und ihr Schaden darin bestehe, daß das Grundstück einen viel höheren W e r t gehabt habe, als der Versteigerungserlös betragen habe. Sie hat aber sodann auch behauptet, daß ihr durch die wiederholten Zwangsvollstreckungen ein Schaden entstanden sei, und zwar nicht b l o ß durch das zweite V e r fahren, das mit der Versteigerung endete, sondern schon durch das erste, von der Beklagten nach der rechtlich einwandfreien Annahme
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des Berufungsgerichts zu Unrecht veranlaßte Verfahren, das sich durch die Zahlung von 10 000 R M . und durch die damit zusammenhängenden Zahlungen der Klägerin erledigte. Diese nimmt offenbar den Standpunkt ein, daß die verschiedenen Maßnahmen der Beklagten im Zusammenhang stehen und aus dieser einheitlich zu betrachtenden Quelle verschiedene Schadensansprüche hervorgetreten seien. Dieser Zusammenhang liegt nahe und ist jedenfalls in der Revisionsinstanz zu unterstellen. Daraus folgt, daß bei der erneuten Verhandlung vor dem Berufungsgericht der gesamte für die Schadenshöhe in Betracht kommende Streitstoff geprüft werden muß. Im einzelnen ist zu den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts noch folgendes zu sagen: 1. Soweit der W e r t des Grundstücks in Betracht kommt, wird zu beachten sein, daß die Klägerin behauptet, sie habe das Grundstück als Vermögensobjekt für die Dauer in ihrem Eigentum erhalten wollen. Dann würde eine Wertminderung des Grundstücks, mit deren Vorübergehen gerechnet werden könnte, unter dem Gesichtspunkt des § 249 B G B . nicht zu Lasten der Klägerin gehen. . . . 2. Das Berufungsgericht lehnt ferner die Prüfung mehrerer Ansprüche mit der Begründung ab, daß diese Ansprüche in dem Urteil des Landgerichts übergangen seien, dessen Berichtigung aber nicht beantragt worden sei. Gemäß § 313 Abs. 1 und 2 ZPO. müßten sämtliche erhobenen Ansprüche im Tatbestand selbst genügend gekennzeichnet sein. Die allgemeine Bezugnahme auf den vorgetragenen Akteninhalt am Schluß des Tatbestandes genüge hierzu nicht. Diese Ansprüche müßten infolgedessen als nicht rechtshängig gelten. Mit Recht rügt die Revision Verletzung des § 313 Z P O . E s mag dahinstehen, wie von dem vom Berufungsgericht aufgestellten Grundsatz aus der Tatbestand des Berufungsurteils selbst, der außer den Anträgen der Parteien nur die Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil, die Bezeichnung von 15 Schriftsätzen der Parteien und die Behauptung der Beklagten über den neuen Kündigungsgrund enthält, den .gesetzlichen Erfordernissen des § 313 ZPO. entspricht; § 543 ZPO., nach welchem bei der Darstellung des Tatbestandes im Urteil eine Bezugnahme auf das Urteil der vorigen Instanz nicht ausgeschlossen ist, könnte nur Anwendung finden, wenn der Tatbestand des ersten Urteils selbst den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl. S y d o w - B u s c h - K r a n t z ZPO. zu § 543). Maßgebend ist folgendes: Wenn § 313 ZPO. die genügende Kennzeichnung der erhobenen Ansprüche im Tatbestand fordert, so kann sich das nur auf selbständige Ansprüche beziehen, nicht aber auf einen einheitlichen Schadensersatzanspruch, der aus einer Anzahl von Schadensposten besteht. Hier kann im Einzelfall gerade eine Wiedergabe von vielen Einzelheiten die Uebersicht über den Streitstoff gefährden, die durch die Vorschrift erreicht werden soll. Sodann ist aber die Stellungnahme des Berufungsgerichts auch aus einem anderen Grunde verfehlt. W o l l t e
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man mit ihm die auf den Einzelposten des Schadens bezüglichen Behauptungen als nicht vorgetragen ansehen, so würde doch in der Berufungsinstanz nichts im Wege stehen, neue, den einheitlichen Schaden begründende Behauptungen aufzustellen und entweder diese im Rahmen des früheren Antrags zu verwerten oder den Antrag entsprechend zu erweitern; die gesetzliche Schranke bietet lediglich § 268 ZPO. Die Einzelansprüche sind in der Berufungsinstanz geltend gemacht worden. Uebrigens kann auch dann, wenn ein — geltend gemachter — Anspruch bei der Entscheidung übergangen ist, der übergangene Anspruch in der Berufungsinstanz im Rahmen des § 268 ZPO. erneut geltend gemacht werden (RGZ. Bd. 59 S. 128), wenn auch nicht die Berufung selbst ohne Beschreitung des in § 321 das. vorgeschriebenen Weges auf die Uebergehung gestützt werden kann (RGZ. Bd. 75 S. 293 mit Nachweisungen; RG in JurRdsch. 1928 Rspr. Nr. 1516).
RGZ. 152, 159 Kann der Kreditgeber, der eine Grundschuld als Sicherstellung iSr die Gläubiger eines andern zur Verfügung stellt, mit diesem vereinbaren, daß bis zur Rückgewähr der Grundschuld ein hinter deren Nennbetrag zurückbleibender Betrag als Darlehen geschuldet werden solle? BGB. § 607 Abs. 2. Vf. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Stuttgart.
Urt. v. 7. September 1936. II. Oberlandesgericht daselbst.
Die Klägerin stand in verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen zu dem Kaufmann Fritz Hä., der in St. ein Kraftwagen-Ein- und Verkaufs-Geschäft betrieb. In diesem Geschäft war als Prokurist angestellt und geldlich beteiligt der frühere Offizier v. Ha., der mit dem Beklagten befreundet ist. Durch Vermittlung des v. Ha. hat der Beklagte in einer Reihe von Fällen der Firma Hä. durch Ausstellung von Bürgschaften Kredithilfe geleistet. Die Klägerin hat im Jahre 1924 auf ihrem Anwesen in St. eine Briefgrundschuld über 5000 g Feingold (das ist ein Wert von 13 950 RM.) eintragen lassen, die seitdem in verschiedener Weise gleichfalls dazu gedient hat, dem Hä. Kredit zu verschaffen. Die Klägerin nimmt den Beklagten als Bürgen in Anspruch aus einer Urkunde, deren unausgefüllten Vordruck der Beklagte im September 1927 als Bürge unterzeichnet und damals nebst anderen gleichartigen Urkunden in blanco an v. Ha. gegeben hat. Die Urkunde hat jetzt in ihren beiden Absätzen den folgenden Wortlaut:
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Schuld- und Bürgschein. Ich, Fritz Hä., beurkunde hiermit kraft meiner eigenhändigen Namensunterschrift, daß ich von Frau Lise K. (Klägerin) als bares Darlehen aufgenommen und erhalten habe die Summe von 30 000 Reichsmark. Ich verspreche diese Schuld mit jährlichen 12 v. H., erstmals mit RM. zu verzinsen und nach einvierteljährlicher — jedem Teil zustehender — Aufkündigung kostenfrei heimzuzahlen. Ich verpflichte mich, das mir gewährte Darlehen in Reichsmark zurückzubezahlen und außerdem die vom Tage der Geldentnahme bis zum Verfalltag des Darlehns e t w a eintretende Entwertung der Reichsmark zu v e r g ü t e n . . . [Folgen weitere vorgedruckte Entwertungsklauseln]. Gefertigt zu St., den 1. Febr. 1928. gez. Hä. - „ i Unterzeichnete mache n l ' C ' 1 zu weiterer Sicherheit des GläuWir uns bigers für obiges Anlehen, Zinsen und Kosten, unter Verzichtleistung auf die Einrede der Vorausklage und der Teilung als Bürge und Selbstschuldner solidarisch verbindlich, so daß dem Gläubiger freisteht, . ™'CJ1 für d a s Ganze zu belangen, jeden von uns (§§ 769, 773 BGB.) Die Bürgschaft dauert so lange, als die Hauptschuld besteht. Ferner gilt diese Bürgschaft unter allen Umständen auch für jeden nach obigem Schuldschein sich berechnenden Geldentwertungszuschlag. Unter dem letzten Teil dieses Textes hat der Beklagte im J a h r e 1927 seine Unterschrift geleistet. Auf der Rückseite dieser Urkunde steht handschriftlich: Von oben angeführten Darlehen in Höhe von M. 30 000 sind nur M. 12 000 — mit Worten Mark Zwölftausend — gegeben worden, was hiermit bestätigt wird. St., den 1. Februar 1928 Der Darlehnsnehmer Die Darlehnsgeberin gez. Hä gez. Frau Lise K. (Klägerin) Danach folgt ein weiterer handschriftlicher, ebenso gezeichneter Vermerk vom 20. Juli 1929, inhalts dessen durch Hergabe eines weiteren Darlehns in Höhe van 18 000 RM. „die Bürgschaft voll ausgenutzt ist". Nachdem die Firma Hä. in geldliche Bedrängnis geraten war, hat die Klägerin den Beklagten aus der vorbezeichneten Bürgschaft auf Zahlung von 30 000 RM. nebst 12 v. H. Zinsen seit dem 1. J a n u a r
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1931 in Anspruch genommen. Nach diesem Antrag hat das Landgericht erkannt. Das Oberlandesgericht verurteilte unter Abweisung aller weitergehenden Ansprüche den Beklagten nur zur Zahlung von 2000 RM. nebst 7 v. H. Zinsen seit dem 1. J a n u a r 1931 als Teilbetrag der unter dem 1. Februar 1928 verbrieften Schuld. Mit der Revision verlangt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von weiter noch 10 000 RM. nebst Zinsen. Diesem Antrag wurde unter entsprechender Aufhebung des Berufungsurteils stattgegeben. Gründe: Der Berufungsrichter geht ohne Rechtsirrtum von der Annahme aus, Fritz Hä. habe in Vollmacht des v. Ha. und w e i t e r des Beklagten im Zusammenhang mit der Begründung der Schuld des Hä. an die Klägerin laut Erklärung vom 1. Februar 1928 den Bürgschaftsvertrag abgeschlossen, während er einen solchen Vertrag verneint für die in der Revisionsinstanz nicht mehr im Streit befangene Verpflichtung in Höhe von 18 000 RM., über die sich die letzte Erklärung vom 20. Juli 1929 verhält. Den Anspruch auch aus der ersten Verpflichtung und Verbürgung läßt der Berufungsrichter trotzdem zum größten Teil scheitern, weil die verbürgte Hauptschuld des Hä. an die Klägerin nicht über den in dem Berufungsurteil zugesprochenen Betrag von 2000 RM. hinaus zur Entstehung gelangt sei. Entgegen dem ursprünglichen Vorbringen der Klägerin k a m nach der Feststellung des Berufungsrichters für die Hauptschuld von 12 000 RM. nicht mehr in Frage, daß die Klägerin um den 1. Februar 1928 ein bares Darlehen gegeben hat. Vielmehr diente der Schuldschein vom 1. Februar 1928 zur Grundlage der Kredithilfe, die Hä. von der Klägerin dadurch erfahren hat, daß sie Gläubigern des Hä. die auf ihrem Anwesen eingetragene Briefgrundschuld über 5000 g Feingold als Sicherheit stellte. Der Berufungsrichter hat den ganzen Gang der Verwendung dieser Grundschuld seit ihrer Eintragung im März 1924 verfolgt, w i e sie an die einander ablösenden Gläubiger von der Klägerin zur Sicherheit gestellt, nach der Abfindung jedes von ihnen wieder an die Klägerin oder an Hä. zurückübertragen und dem neuen Gläubiger wieder gestellt worden ist, und zwar schließlich im Februar 1928 dem Geldgeber des Hä., B., mit der Abrede, daß die Grundschuld nach Befriedigung des Gläubigers an Hä. zurückfalle. Der Berufungsrichter meint, für dieses Eintreten der Klägerin habe Hä. in Kenntnis und mit dem Willen des v- Ha. der Klägerin durch Bürgschaft des Beklagten Sicherheit gewähren wollen für den Fall, daß der Kreditgeber die Grundschuld in Anspruch nehme. Es sei nicht so, daß etwa die Klägerin die Grundschuld an Hä. um den Betrag von 12 000 RM. „endgültig" überlassen hätte mit der Vereinbarung, dies«r Betrag solle der Klägerin nunmehr als Darlehen ge-
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schuldet werden. Eine solche Veräußerung der Grundschuld mit der Maßgabe, daß der Erwerbspreis als Darlehen geschuldet werde, sei wohl möglich. Aber die Klägerin habe sich, wie der ganze Verlauf der Sicherstellungen zeige, der Grundschuld nie endgültig begeben. Dessen habe es auch für die Zwecke beider Teile, dem Hä. Kredit zu verschaffen, nie bedurft. Somit habe die Bürgschaft des Beklagten den Anspruch der Klägerin sichern sollen, den sie, sei es infolge der Zwangsversteigerung des belasteten Anwesens, sei es durch eigene Zahlung, als Rückgriffsanspruch gegen Hä. erwerbe. Ein solcher Rückgriffsanspruch sei aber nur in Höhe von 2000 RM. für die Klägerin entstanden, und zwar durch deren Zahlung an die Firma Sch. & Co., welche die Schuld des Hä. bei B. im Betrag von 12 000 GM. abgedeckt und zu ihrer Sicherheit die Grundschuld auf dem Anwesen der Klägerin abgetreten erhalten habe. Bei der von Sch. & Co. vorgenommenen Hypothekenregelung habe die Klägerin an diese Firma zwar 3950 RM. auf die Post gezahlt und entsprechende Löschung herbeigeführt. Sie habe auch durch diesen Vorgang einen Rückgriffsanspruch gegen Hä. in Höhe von 3950 RM. erworben. Die Verbürgung gehe aber nur bis zu einer Inanspruchnahme der Grundschuld im Betrage von 12 000 RM. Deshalb könne die Klägerin den Beklagten nur zum Betrag von 2000 R M belangen, zu einem höheren Betrag aber erst dann, wenn weitere Leistungen wegen dieser Grundschuld von Seiten der Klägerin noch erfolgen sollten. Diese Erwägungen halten der Revision nicht stand. Von dem Standpunkt des Berufungsrichters aus ist zunächst der Gedanke nicht klar, aus dem heraus er die Haftung des Rückgriffsbürgen auf einen Teil des gesamten, nach Auffassung des Berufungsrichters entstandenen Rückgriffsanspruchs beschränkt. Die Bürgschaft geht freilich nur bis zum Betrage von 12 000 RM. der Grundschuld. Würde die Grundschuld zu ihrem vollen Wert von 13 950 RM. in Anspruch genommen und entstände der entsprechende Rückgriffsanspruch, so wäre er im Betrage von 1950 RM. sicherlich durch Bürgschaft des Beklagten nicht gedeckt. Aber die von dem Berufungsrichter festgestellte Ablösung der Grundschuld durch Zahlung von 3950 RM., durch die ihr Bestand von einem Wert von 13 950 RM. auf einen solchen von 10000 RM. gesenkt worden ist, bleibt weit hinter dem bürgschaftlich gedeckten Betrage zurück, und es ist nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund der Berufungsrichter den Mangel der Volldeckung schon bei dem ersten Ausfall für den Rückgriff veranschlagen will, obwohl die Bürgschaftsgrenze weitaus nicht erreicht wird. Die Revision meint ferner, angesichts des zum Teil aus dem 'Berufungsurteil, zum Teil aus dem Akteninhalt ersichtlichen Vermögensverfalls des Hä. und der deshalb unmittelbar bevorstehenden Inan-
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spruchnahme der Grundschuld (Einforderung der Grundschuldzinsen unter Androhen der Zwangsversteigerung; Einleitung der Zwangsverwaltung im M ä r z 1932) hätte, auch vom S t a n d p u n k t d e s B e rufungsrichters aus, der Fall der Verbürgung als eingetreten gelten müssen. Damit wird indes nicht die Auffassung von dem G e g e n s t a n d der Bürgschaft unterstellt, die der Berufungsrichter hat. Ist die verbürgte Hauptforderung der Rückgriffsanspruch der Klägerin, wie er durch Befriedigung des Gläubigers aus der Grundschuld oder deren Bezahlung durch die Klägerin entsteht, so ist d a s nicht ohne w e i t e r e s gleichbedeutend mit dem von der Revision angeführten Fall der Gefährdung der Grundschuld oder des belasteten A n w e s e n s . Die A u s legung der Bürgschaft durch den Berufungsrichter kann nur b e k ä m p f t werden, wenn sie unter Verletzung von Rechtsregeln gewonnen ist. A u s diesem Gesichtspunkt aber muß die Revision Erfolg haben. Die rechtliche Kennzeichnung der Verbürgung als einer solchen, die namens des Beklagten zur Sicherung d e s der Klägerin erwachsenden Rückgriffsanspruchs übernommen sei, fußt darauf, daß die Klägerin im F e b r u a r 1928 ihre Grundschuld nicht „endgültig" mit der M a ß g a b e überlassen habe, der Wert der Grundschuld solle als Darlehen geschuldet werden. Der Berufungsrichter hat aus der in den J a h r e n 1924 bis 1928 fortgesetzten und ständigen Handhabung der Kredithilfe an Hä. durch die Klägerin die Ueberzeugung gewonnen, daß eine solche endgültige Ueberlassung auch im F e b r u a r 1928 nicht in F r a g e komme. Die Revision rügt hier zu Unrecht einen Verstoß des Berufungsrichters gegen § 286 ZPO. . . (Wird ausgeführt.) Die Ausgangserwägung des Berufungsrichters ist aber sachlichrechtlich zu beanstanden. D a s der Bürgschaft unterstellte Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und Hä. muß nach Meinung d e s B e rufungsrichters als eine Rückgriffsschuld erklärt werden, weil es als Darlehen nur aufgefaßt werden könne, wenn die Grundschuld endgültig mit der A b r e d e überlassen worden wäre, daß der B e t r a g von 12 000 RM. den Ueberlassungspreis der Grundschuld bilden und a l s Darlehen geschuldet werden solle. Der Berufungsricher sieht es a l s o als rechtlich unmöglich an, zwischen Hä. und der Klägerin könne ein Darlehnsverhältnis so vereinbart sein, daß ersterer ihr Darlehnsschuldner zum Betrage von 12 000 RM. sei, s o l a n g e sie ihm die höherwertige Grundschuld als Sicherstellung seiner K r e d i t g e b e r zur Verfügung stelle. Mit dieser A u f f a s s u n g verkennt der Berufungsrichter die rechtliche Freiheit der Vertragsgestaltung auf dem Gebiet d e s Schuldrechts und insbesondere des Darlehns. E r läßt gleichzeitig außer acht, daß die rechtliche Würdigung nicht nur die tatsächliche Kredithilfe der Klägerin für Hä. u m f a s s e n muß, sondern auch die A b r e d e zwischen beiden über die rechtliche
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Folgerung aus dieser Hilfe. Dafür mußte aber entscheidend der Inhalt des Schuldbekenntnisses vom 1. Februar 1928 sein, in dem Hä. ,,als Darlehnsnehmer" der Klägerin als „Darlehnsgeberin" bestätigt, daß von oben angeführtem „Darlehen", das in dem Schuldschein ausdrücklich als solches, in dem Bürgschaftsschein als „Anlehen" bezeichnet wird, 12 000 RM. gegeben worden sind. Wenn diese 12 000 RM. damals tatsächlich nicht „gegeben" worden waren, so blieb doch der Vertragswille auszuwerten, der eine solche Hingabe als erfolgt unterstellt (fingiert). Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts kann einem solchen Unterstellen der Hingabe eines baren Darlehns die Bedeutung eines abstrakten Schuldversprechens im Sinne von § 781 B G B . zukommen (JW. 1906 S. 550 Nr. 19 und 1910 S. 704 Nr. 3). Es steht aber auch der für den vorliegenden Fall näher liegenden Annahme nichts im Wege, ein Vereinbarungsdarlehen im Sinne von § 607 Abs. 2 B G B . so abzuschließen, daß für eine gleichzeitig erst begründete, rechtlich andere Schuld vereinbart wird, der dem einen Teil überlassene Wert solle von ihm als Darlehen geschuldet sein (RG. in Gruch. Bd. 49 S. 913/917; J W . 1911 S. 151 Nr. 6; WarnRspr. 1914 Nr. 150 und 1919 Nr. 59; RGUrt. vom 3. Januar 1931 V 107/30), wie auch sogar für erst künftig zu begründende Forderungen ein Darlehnsverhältnis nach § 607 Abs. 2 BGB. geschaffen werden kann (vgl. RGRKomm. z. BGB. § 607 Anm. 7 a. E. und die dort angef. Entsch.). Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich die Klägerin, die an Hä. einen 12 000 RM. übersteigenden Wert als Kreditunterlage hingab, die dem Zugriff ausgesetzt blieb, nicht bis zur etwaigen Rückgewähr wirksam hätte versprechen lassen können, dieser Betrag solle ihr als Darlehen geschuldet werden. Da keine Behauptung des Beklagten ersichtlich ist, jene Erklärung vom 1. Februar 1928 sei nicht ernstlich oder sonst rechtlich fehlerhaft abgegeben, so ist diese der Erklärung eindeutig zu entnehmende Auffassung sogar zwingend. Es muß deshalb im Gegensatz zum Berufungsrichter angenommen werden, daß die in Vollmacht des Beklagten verbürgte Hauptschuld des Hä. laut Erklärung vom 1. Februar 1928 eine Darlehnsschuld des Hä. an die Klägerin war. Die Folge ist zwar, daß der Bürge Zahlung leisten muß für einen Betrag, der als Darlehnsvaluta gar nicht in bar hingegeben worden ist. Dieses Ergebnis ist aber nicht von der Hand zu weisen, weil der Sinn der Darlehnsvereinbarung nach § 607 Abs. 2 B G B eben dahin geht, die Hingabe des anderweit — möglicherweise erst künftig — geschuldeten Betrags als Darlehen solle als geschehen unterstellt werden. Da der Beklagte auch gegen die Fälligkeit dieser Schuld keine Bedenken erhoben hat, muß unter Aufhebung des Berufungsurteils dem Revisionsantrag der Klägerin entsprochen werden.
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RGZ. 159, 65 Inwieweit ist beim Fehlen besonderer Vereinbarungen ein Bierverleger der Brauerei, von der er für den Betrieb seines Flaschenbiergeschäfts leihweise Bierflaschen und Flaschenträger erhalten hat, ersatzpflichtig, wenn er nach Ablauf der für die Leihe bestimmten Zeit das Geliehene nicht zurückgeben kann, weil es teils zu Bruch gegangen, teils von seinen Abnehmern nicht zurückgeliefert worden ist? BGB. §§ 602, 604. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht München I.
Urt. v. 11. November 1938. II. Oberlandesgericht daselbst.
Der Brauereibesitzer Z. in A., der Erblasser der Klägerinnen, hatte im Rahmen eines Bierlieferungsvertrages neben der Gastwirtschaft, welche die Eltern des Beklagten und nach deren Tod der Beklagte persönlich in M. betrieb, auch deren dortiges Bierlager mit (Bier beliefert. Das Bier wurde in Fässern angefahren, im Geschäft des Beklagten auf Flaschen abgezogen und sodann unter Verwendung von Holz- und Eisenträgern den Kunden — nach Behauptung des Beklagten vorwiegend Wiederverkäufern — zugeführt. Die Flaschen und die Flaschenträger hatte Z. für den Betrieb des Beklagten zur Verfügung gestellt. Nach der Auflösung der Vertragsbeziehungen verlangte Z. u. a. die Herausgabe oder den Ersatz von angeblich nicht zurückgelieferten Bierflaschen und Flaschenträgern im Werte von 7200 RM. Er klagte, als der Beklagte das verweigerte, diesen Betrag ein. Die Klägerinnen sind nach seinem Tode als seine gesetzlichen Erben in den Rechtsstreit eingetreten. Der 'Beklagte bestritt zwar nicht die Zahl der angeblich nicht zurückgelieferten Flaschen und Träger, wohl aber seine Entschädigungspflicht, und machte insbesondere geltend, ihm sei zum mindesten der übliche Satz von 15°/ 0 des Jahresumsatzes für Verluste von Flaschen durch Bruch bei dem Umsatz und bei den Kunden zuzubilligen, wonach ihm mehr Flaschen gutgeschrieben werden müßten, als von ihm herausverlangt würden. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 4129,40 RM. verurteilt, indem es angenommen hat, daß er von seinen Abnehmern das in M. seit Jahren übliche Flaschenpfand von 10 Rpf. hätte fordern und als Ersatz für verlorene Flaschen an Z. abführen müssen. Das Oberlandesgericht hat die Urteilssumme auf 1587,17 RM. herabgesetzt. Es läßt den Beklagten zwar für die von den Kunden nicht zurückgelieferten Flaschen, nicht aber für den bei der Abfüllung und bei der Kundschaft entstandenen Flaschenbruch haften, den es auf lV2°/ 0 des Jahresumsatzes bemißt. Die Revision der Klägerinnen führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
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Aus den G r ü n d e n : Den Anspruch auf Ersatz der nicht zurückgelieferten Bierflaschen und Flaschenträger leitet das Berufungsgericht nicht aus einem einheitlichen Bierlieferungsvertrag her, in dem die Brauerei die Gestellung der Flaschen und Flaschenträger zur Benutzung durch den Bierverleger und seine Abnehmer als Nebenverpflichtung übernommen hat, sondern aus einem selbständigen Leihvertrag. Da es von dem Willen der Parteien abhängt, ob sie beide Verpflichtungen in einem rechtlich einheitlichen oder in zwei selbständigen, nur wirtschaftlich miteinander zusammenhängenden Verträgen regeln wollen, ist die Annahme des Berufungsgerichts, das letzteres gewollt sei, rechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht unterscheidet zwischen den nicht zurückgelieferten und den zerbrochenen Flaschen, läßt für die ersten wie für die Flaschenträger den Beklagten auf Grund des § 604 BGB. haften, lehnt aber eine Haftung für die zerbrochenen Flaschen ab, da mangels einer besonderen Vereinbarung für den Beklagten keine vertragliche Verpflichtung bestanden habe, den durch Flaschenbruch bei der Kundschaft verursachten Verlust durch Erhebung eines Flaschenpfandes zu verringern. Es stützt seine Entscheidung über den Flaschenbruch offenbar auf den von ihm vorher angeführten § 602 BGB., betrachtet also, ebenso wie die Partelen und auch die Revision, den Flaschenbruch als eine durch vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführte Verschlechterung der Leihsache. Dies ist jedoch rechtsirrig. Schon dem Sprachgebrauch nach kann die Zerstörung oder Vernichtung der geliehenen Sache nicht als Veränderung oder Verschlechterung angesehen werden. Der Gebrauch, der die Leihsache vernichtet, ist kein Gebrauch mehr, sondern ein Verbrauch. Aber auch Sinn und Zweck des § 602 BGB. sprechen gegen diese Auslegung. Denn § 602 BGB. soll — ebenso wie § 548 BGB. für die Miete — die Obhutpflicht des Entleihers bei der Benutzung der Sache begrenzen, ihn von der Verpflichtung entbinden, die durch den vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführten Veränderungen und Verschlechterungen vor Rückgabe der Sachen wieder ru beseitigen, also den bei Beginn der Leihe bestehenden Zustand wiederherzustellen. Es fehlt aber jeder Anhalt dafür, daß die im § 604 BGB. bestimmte Pflicht zur Rückgabe der geliehenen Sache selbst durch § 602 eingeschränkt werden, d. h. entfallen soll, wenn die geliehene Sache beim vertragsmäßigen Gebrauch zerstört wird. § 602 BGB. setzt immer voraus, daß die geliehene Sache trotz des natürlichen Verschleißes noch vorhanden ist und zurückgegeben werden kann. Zu wessen Lasten der Verlust der geliehenen Sache, also beim Leihen von Flaschen und Gläsern der Bruch geht, entscheidet sich sonach mangels einer besonderen Vereinbarung nach den allgemeinen Zivil».
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Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, d. h, gemäß § 275 B G B . danach, ob der Entleiher die Unmöglichkeit der R ü c k g a b e der S a c h e zu vertreten hat. Danach kann allerdings eine Haftung des B i e r verlegers für Flaschenbruch entfallen. Denn da, wie das Berufungsgericht mit R e c h t ausführt, die Leihe der F l a s c h e n gerade zum Abfüllen des B i e r e s und zur Weitergabe der gefüllten Flaschen an die Kundschaft dient, so hat der Bierverleger den B r u c h nicht zu vertreten, der bei dieser A r t der Benutzung trotz Anwendung aller von ihm zu erfordernden Sorgfalt entsteht. E i n B r u c h ist nun nicht nur beim Abfüllen unvermeidbar, d. h. beim Reinigen und Füllen der Flaschen, sondern kann auch bei der Beförderung der Flaschen zur Kundschaft, sei es zu den Zwischenhändlern, sei es zu den Verbrauchern, vorkommen, wenn nämlich die F l a s c h e n im W a g e n nicht so fest verstaut werden können, daß nicht die eine oder die andere durch die Erschütterung beim Fahren, namentlich auf schlechtem Wege oder beim Wenden und plötzlichen Halten im Straßenverkehr, insbesondere wenn Kraftwagen benutzt werden, zerbricht. Ein solcher unvermeidbarer Flaschenbruch beim Flaschenbierhandel wird möglicherweise überall ungefähr derselbe sein, und es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, ihn, falls dafür ein üblicher Satz festgestellt wird, bei R ü c k g a b e der Flaschen in Ansatz zu bringen, ohne daß der B i e r verleger weiteren Beweis für den unverschuldeten Bruch zu führen brauchte. E i n e andere Frage, die der T a t r i c h t e r zu prüfen hat, ist es, ob zu solchem im Flaschenbierhandel unvermeidbaren Bruch auch d e r bei den Zwischenhändlern oder gar der bei den Verbrauchern entstehende B r u c h gehört. Denn obwohl hier die Gefahr eines solchen Bruches viel geringer ist, und in der Regel, abgesehen von besonderen Vorfällen, durch sorgfältige Behandlung der F l a s c h e n jeder B r u c h vermieden werden kann, kann doch auf Grund einer allgemeinen Verkehrssitte auch ein gewisser Teil dieses B r u c h e s zu Lasten der Brauerei gehen, also der übliche Satz diesen mitumfassen. Dafür bedarf es aber einer besonderen Feststellung, zumal bei den vom V e r braucher nicht zurückgegebenen Flaschen nur selten unterschieden werden kann, ob diese Flaschen wegen Bruches oder aus sonstigen Gründen, vor allem aus Gleichgültigkeit nicht zurückgegeben werden. E i n e solche besondere Feststellung läßt aber das Berufungsurteil vermissen. ( W i r d näher ausgeführt.)
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RGZ. 34, 1 Haitang des Meisters iür Verletzungen, welche sich der Lehrling iniolge seiner Unkunde bei der Arbeit zugezogen hat, wenn der Lehrling einem Gesellen zur Beschäftigung beigegeben war, ohne daß dieser
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einen besonderen Auftrag erhalten hatte, ihm die erforderlichen Anweisungen zu erteilen. Gcw.O. § 126*). VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 12. J u l i 1894. I. Landgericht Hamburg. II. Oberlandesgericht daselbst. A u s den G r ü n d e n : „Der Sohn des Klägers trat um Pfingsten 1892 bei dem Beklagten und dem Schlossermeister R., welche gemeinschaftlich ein Schmiede- und Schlossergeschäft betrieben, in die Lehre. Am 21. J u l i desselben J a h r e s half er dem Gesellen bei dem Abschlagen eines Stückes Eisen oder Stahl. Der Geselle hielt den Meißel, und der Lehrling schlug auf das Eisen. Dabei sprang ein Stück ab und flog ihm in das Auge. Dieses lief infolgedessen aus. Der Kläger hat den Beklagten und den R. auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Verfahren gegen den letzteren ruht. Soweit die Klage gegen den Beklagten gerichtet ist, ist sie in erster Instanz abgewiesen, und die klägerischerseits hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. . . . Der Kläger hat . . . vorgebracht: vor der Uebertragung der Arbeit sei eine Unterweisung des Lehrlings nötig gewesen; jedenfalls hätte es bei der Arbeit einer Anweisung bedurft; der Schlagende müsse bei einer solchen Arbeit dem Meißel gegenüberstehen, da ihn dann ein abgemeißeltes Stück Eisen nicht treffen könne; sein, des Klägers, Sohn habe nun nicht dem Meißel, sondern dem Eisen gegenübergestanden; dadurch sei der Unfall herbeigeführt; für eine entsprechende Anweisung hätte der Beklagte sorgen müssen. Der Sohn des Klägers hat bei einer Vernehmung erklärt, daß ihm für die fragliche Arbeit eine Anweisung nicht erteilt sei; es sei ihm nur gesagt worden, daß er forsch zuzuschlagen habe. Das Berufungsgericht führt hierüber folgendes aus: für eine allgemeine Anweisung an den klägerischen Sohn, wie er sich bei A r beiten der fraglichen Art zu verhalten habe, sei umsoweniger Veranlassung vorhanden gewesen, als der Sohn des Klägers dem Gesellen, mit dem er zusammen arbeitete, für alle vorkommenden Arbeiten zugewiesen gewesen sei; der Beklagte habe daher annehmen dürfen, daß die Anweisung in jedem einzelnen Falle von dem direkten Vorgesetzten des klägerischen Sohnes erfolgen werde; wenn den Gesellen ein Vorwurf treffen sollte, weil er den Sohn des Klägers nicht gehörig instruiert habe, so hafte der Beklagte hierfür nur insoweit, als ihm eine culpa in eligendo zur Last falle; eine solche sei nicht behauptet. Die Ausführung wird mit Recht von der Revision angegriffen; sie verletzt insbesondere den § 126 Gew.O. Nach diesem muß der *) Jetzt § 127 i. d. F. d. Ges. v. 26. 7. 97. — RGBl. S. 663.
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Lehrherr entweder selbst oder durch einen geeigneten, a u s d r ü c k l i c h dazu bestimmten Vertreter die Ausbildung des Lehrlings leiten. Der Meister muß daher, wenn er allgemein oder in einzelnen Fällen die Anweisung des Lehrlings einem geeigneten Gesellen überlassen will, diesen a u s d r ü c k l i c h hierzu bestimmen und a u s d r ü c k l i c h beauftragen, den Lehrling, soweit erforderlich, anzuweisen. Die Vorschrift lautet allgemein. Man darf daher weder für einfache Arbeiten, noch für den Fall, daß der Meister nur e i n e m Gesellen hält, hiervon eine Ausnahme machen. Der Beklagte würde danach in dem vorliegenden Falle seine Pflicht nur dann erfüllt haben, wenn er den Gesellen, mit welchem der Sohn des Klägers bei dem Unfälle zusammen gearbeitet hat, a u s d r ü c k l i c h beauftragt haben sollte, dem Lehrlinge die nötigen Anweisungen zu erteilen, vorausgesetzt, daß der Geselle seiner Persönlichkeit nach überhaupt zur Vertretung des Meisters bei der Ausbildung des Lehrlings geeignet gewesen ist. Ein solcher a u s d r ü c k l i c h e r Auftrag ist nicht behauptet und nicht festgestellt; vielmehr ist es nicht aufgeklärt, in welcher Weise der Sohn des Klägers dem Gesellen für die Arbeit, bei welcher der Unfall sich ereignet hat, beigegeben worden ist. In dem angefochtenen Urteile ist allerdings bemerkt, daß der Lehrling für alle vorkommenden Arbeiten dem Gesellen zugewiesen gewesen sei; allein abgesehen davon, daß es nicht ersichtlich ist, worauf diese Feststellung beruht, ist auch hierin nicht ausgesprochen, daß dem Gesellen ein a u s d r ü c k l i c h e r Auftrag zur Anweisung und Unterweisung des Lehrlings gegeben worden sei." . . . RGZ. 77, 408 f 1. Haltet bei einem Dienstvertrage der Dienstberechtigte wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs and des Handelsgesetzbuchs zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit des Dienstverpflichteten (§ 618 Abs. 1, 2 BGB., § 62 Abs. 1, 2, § 76 Abs. 1 HGB.) auch den ersatzberechtigten Dritten für Verschulden eines Erfüllungsgehilfen? 2. . . . * ) BGB. § 278. VI. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 20. November 1911. I. Landgericht Koblenz.
II. Oberlandesgericht Köln.
Am 3. Juli 1908 verunglückte der bei dem Beklagten K. als Handlungslehrling in Dienst stehende Friedrich Kn. dadurch, daß er, den Anweisungen des ihm damals vorgesetzten zweiten Beklagten M., eines Handlungsgehilfen des K., folgend, zu Zwecken des Geschäftsbetriebes in einem Kahn hin und zurück über die Mosel setzte und dabei in*) Geringere Bedeutung.
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folge Umschlägen^ des Kahnes im Fluß ertrank. Seine Mutter, die Wwe. Kn., klagte gegen K . und M. auf Schadensersatz. Nachdem das Berufungsgericht, wie auch schon d a s Landgericht, diesen Anspruch im wesentlichen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hatte, legten die Beklagten Revision ein; diese ist aber zurückgewiesen worden. A u s den G r ü n d e n : . . . „Zunächst war ganz unbedenklich die Annahme des Berufungsgerichts, daß der Geklagte zu 2 der Klägerin für den ihr durch den T o d ihres Sohnes entstandenen Vermögensschaden zu haften habe. Denn es hat in prozessual unangreifbarer Weise festgestellt, daß dem verunglückten Kn. von M. als seinem Vorgesetzten durch Zuruf befohlen worden war, an einer bestimmten Stelle in gerader Richtung auf die dort befindliche Buhne zu über die Mosel zu setzen und nicht erst a m Ufer entlang eine Strecke aufwärts zu fahren, und daß die Ueberfahrt an jener Stelle wegen des damaligen ziemlich hohen Wasserstandes und starken Stromganges der Mosel für Kn. gefährlich war und die Ursache dafür geworden ist, daß dieser dabei verunglückte und im Fluß ertrank. Auch hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, daß Kn. selbst bei diesem Vorgange kein Verschulden zur L a s t falle; in dem Verhalten des Beklagten M. hat es aber nach § 823 Abs. 1 B G B . eine fahrlässige unerlaubte Handlung erblickt, für deren Folgen er nach §§ 844, 845 B G B . der Klägerin aufkommen müsse." (Es folgt die Zurückweisung eines vom IBeklagten M. hiergegen erhobenen Angriffs.) „Auch im übrigen läßt sich ein rechtliches Bedenken gegen die Beurteilung des Verhaltens M.'s a l s eines fahrlässigen nicht erheben. Die Haftung des 'Beklagten zu 1 ist vom Oberlandesgericht aus § 278 B G B . hergeleitet worden, weil Kn. als dessen Kaufmannslehrling in seinem Geschäftsbetrieb den Unfall erlitten habe, und zwar infolge der Vernachlässigung der dem Dienstherrn durch § 76 verbunden mit § 62 Abs. 1 HOB. bzw. durch § 618 Abs. 1 B G B . noch besonders auferlegten Vertragspflichten, für die M. hier als Erfüllungsgehilfe in Betracht komme. Daß M. hier ein Erfüllungsgehilfe des K. sein würde, kann jedenfalls nicht bezweifelt werden. Andrerseits hat der Beklagte zu 1 mit Reaht bemerkt, daß zwar der verunglüakte Kn. mit ihm in einem Vertragsverhältnisse stand, aber nicht dessen Mutter, die Klägerin. Verfehlt war jedoch die Revisionsausführung, daß deswegen diese ihren Anspruch n u r auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über u n e r l a u b t e H a n d l u n g e n stützen könne. Denn § 618 Abs. 3 B G B . und § 62 Abs. 3 H G ß . enthalten die singulare Bestimmung, daß auf diese Vertragspflichten die §§ 842 bis 846, a l s o auch die §§ 844 und 845, entsprechende Anwendung finden.
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Vgl. hierzu die Urteile des III. Zivilsenates des Reichsgerichts in den Sachen Rep. III. 146/07 und Rep. III. 493 07; Jur. Wochenschr. 1908 S. 9 Nr. 9 und S. 449 flg. Nr. 14. Allerdings ist in jenen Gesetzen nichts darüber gesagt, ob auch § 278 B G B . dabei entsprechende Anwendung finden solle, und man könnte daher auf den Gedanken kommen, diese Frage zu verneinen, weil eben nur im Umfange der Bestimmungen des Titels über unerlaubte Handlungen hier ein Schadensersatzanspruch für die betreffenden dritten Personen eingeführt sei. Indessen ist es doch folgerichtiger, die fraglichen Vorschriften des § 618 Abs. 3 B G B . und des § 62 Abs. 3 HGB. dahin zu verstehen, daß jene dritten Personen innerhalb der Grenzen der §§ 844, 845 B G B . ganz so gestellt sein sollen, als wenn auch sie in einem Vertragsverhältnisse mit dem Dienstherrn gestanden hätten. Daraus ergibt sich dann, daß auch die Anwendung des § 278 B G B . durch das Oberlandesgericht zu billigen ist.
RGZ. 78, 432 1. Ist der Arzt verpflichtet, den Kranken au! die nachteiligen Folgen aufmerksam zu machen, die möglicherweise bei einer beabsichtigten Operation entstehen können? 2. Zur Frage der Beweislast beim Eintritte schädlicher Folgen einer Operation. III. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t II B e r l i n .
Urt. v. 1. März 1912. II. K a m m e r g e r i c h t
daselbst.
Der Beklagte litt infolge von Knochenwucherungen (Exostosen) im rechten Gehörgange an Störungen der Hörfähigkeit. Er begab sich, nachdem ihm bereits von einem anderen Arzte geraten worden war, diese Wucherungen wegmeißeln zu lassen, in die Behandlung des Klägers. Dieser entfernte zunächst die an der hinteren Gehörwand befindliche Wucherung; dabei fiel ein abgemeißelter Knochensplitter vor das Trommelfell, dessen Entfernung auch nach der zweiten Operation, bei der die Wucherung an der vorderen Gehörwand entfernt wurde, nicht gelang. Der Kläger empfahl nunmehr dem Beklagten, sich wegen der Gefahr, die das Belassen des Knochensplitters im inneren Gehörgange bringen könne, einer größeren, in der Narkose zu vollziehenden Operation zwecks Entfernung dieses Knochensplitters zu unterwerfen, und nahm diese Operation mit Einwilligung des Beklagten vor. Infolge dieser letzten Operation stellte sich beim Beklagten eine Lähmung des Gesichts- und des Gehörnerven der rechten Kopfseite ein; jene ging allmählich zurück, während diese die dauernde Taubheit des Beklagten auf dem rechten Ohre zur
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Folge hatte. Diese Lähmungserscheinungen waren, wie das Berufungsgericht für erwiesen erachtete, durch eine ihrer Art nach nicht näher zu bestimmende innere Verletzung des Ohres bei der letzten Operation verursacht. Der Kläger forderte die Vergütung für seine ärztlichen Dienstleistungen. Der Beklagte bestritt die Berechtigung dieser Forderung wegen des ungünstigen Endergebnisses und forderte mit der Widerklage den Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Das Landgericht verurteilte den Beklagten nach dem Klagantrage und wies die Widerklage ab. Das Berufungsgericht wies dagegen die Klage a b und sprach auf die Widerklage die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Klägers aus. Die Revision ist für begründet erachtet und die erstrichterliche Entscheidung wiederhergestellt worden. Aus den G r ü n d e n : Die Entscheidung des Berufungsgerichts . . .beruht auf der Annahme, daß der Kläger den Schaden, der dem Beklagten durch die Lähmung des Gesichts- und Gehörnerven entstanden ist, schuldhaft verursacht habe. Ein Verschulden des Klägers erblickt das Berufungsgericht 1. darin, daß er den Beklagten nicht vorher auf die Gefahren, die mit der Vornahme der Operationen möglicherweise verbunden sein konnten, insbesondere auf die Gefahr, das Gehör auf dem rechten Ohre zu verlieren, aufmerksam gemacht habe, 2. in einem Kunstfehler, der dem Kläger bei der ersten Operation zur Last falle. In beiden Punkten ist die Annahme des Berufungsgerichts unhaltbar. Zu 1: Eine Verpflichtung des Arztes, den Kranken auf alle nachteiligen Folgen aufmerksam zu machen, die möglicherweise bei einer dem Kranken angeratenen Operation entstehen können, kann nicht anerkannt werden. Die Annahme einer derartigen Verpflichtung läßt sich weder aus der Uebung der pflichtgetreuen und sorgfältigen Vertreter des ärztlichen Berufes, noch aus inneren Gründen herleiten. Eine umfassende Belehrung -des Kranken über alle möglichen nachteiligen Folgen der Operation würde nicht selten sogar falsch sein, sei es, daß der Kranke dadurch abgeschreckt wird, sich der Operation zu unterwerfen, obwohl sie trotz der damit verbundenen Gefahren geboten oder doch zweckmäßig ist, sei es, daß der Kranke durch die Vorstellung der mit der Operation verbundenen Gefahren in Angst und Erregung versetzt und so der günstige Verlauf der Operation und der Heilung gefährdet wird. Auch die besondere Lage des vorliegenden Falles rechtfertigt nicht die Annahme einer solchen Verpflichtung des Klägers. . . . Die
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Gefahr, daß die Operation zu dem eingetretenen Mißerfolge führte, lag nach den Gutachten der Sachverständigen . . . fern. Im allgemeinen verlaufen solche Operationen — davon geht auch das ¡Berufungsgericht selbst aus bei der Darlegung, daß der Kläger einen Kunstfehler begangen habe, — ohne jede Schädigung. Das ungünstige Ergebnis ist hier durch das Zusammentreffen zweier unglücklicher Ereignisse herbeigeführt worden, durch das Hineinfallen eines Knochensplitters vor das Trommelfell bei der ersten Operation und durch die Verletzung des inneren Gehörganges bei der dritten Operation. Selbst bei dieser Operation, die nur dadurch veranlaßt wurde, daß bei der ersten der Knochensplitter in das innere Ohr fiel, war die Gefahr einer Verletzung, wie sie hier eingetreten ist, nicht in erheblichem Maße vorhanden, wenn auch diese letzte Operation eine wesentlich schwierigere war, als die beiden vorhergehenden. Unter diesen Umständen kann es dem Kläger nicht zum Verschulden angerechnet werden, daß er den Beklagten auf diese Gefahren nicht aufmerksam machte, ganz abgesehen davon, daß es dem Beklagten bei seinem Bildungsgrade nicht unbekannt gewesen sein kann, daß bei einer in der Narkose vorzunehmenden, in den Gehörgang eindringenden Operation eine gewisse Gefahr, die Möglichkeit eines unglücklichen Verlaufes, nicht völlig auszuschließen ist. Zu 2: Zu der Annahme eines Kunstfehlers des Klägers gelangt das Berufungsgericht durch eine rechtsirrtümliche Verteilung der Beweislast. Es unterstellt zwar, daß dem Beklagten an sich der Beweis obliege, daß dem Kläger ein ursächliches Verschulden zur Last falle. Dieser Beweispflicht aber, so führt es aus, genüge der Beklagte durch die Darlegung, daß Operationen der hier in Rede stehenden Art regelmäßig ohne jeden Schaden verlaufen. Es würde unbillig sein und den Lebensverhältnissen nicht entsprechen, wenn man von dem Operierten in einem Falle, wie dem vorliegenden, wo er von der Operation nichts sieht, sich sogar, wie bei der dritten Operation, in bewußtlosem Zustande befindet, den Nachweis verlangen wollte, daß der Arzt eine Fahrlässigkeit begangen habe. Diese Erwägungen gehen fehl. Wie man auch grundsätzlich die Beweislast in Fällen wie dem vorliegenden regeln mag, keinesfalls kann die Unmöglichkeit, die Ursache einer Verletzung des Kranken bei der Operation sicher festzustellen, zu Lasten des Arztes gehen. Auch der operierende Arzt wird unter Umständen nicht bestimmt angeben können, wodurch die Verletzung herbeigeführt ist, und wenn er auch selbst eine bestimmte Meinung hierüber hat, so wird er vielfach außerstande sein, die Richtigkeit dieser Meinung im Streitfalle zu beweisen. Denn oft vermögen auch die von ihm zur Hilfeleistung oder sonst herbeigezogenen Aerzte und sonstigen Personen nicht jede Bewegung des Arztes so genau zu verfolgen, daß sie ein Urteil
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hierüber abgeben können. Mit Recht führt die Revision aus, daß auch der geschickteste Arzt nicht mit der Sicherheit einer Maschine arbeitet, daß trotz aller Fähigkeit und Sorgfalt des Operateurs ein Griff, ein Schnitt oder Stich mißlingen kann, der regelmäßig auch dem betreffenden Arzte selbst gelingt. Alle nachteiligen Folgen, die im allgemeinen nicht eintreten, sich im einzelnen Falle aber ohne jedes Verschulden des Arztes an die Operation knüpften, würden, wenn man der Auffassung des Berufungsgerichts beiträte, vom Arzte zu verantworten sein, wenn ihm nicht der positive Beweis seines Nichtverschuldens gelingt, ein Beweis, der vielfach schlechterdings nicht zu führen ist. Daß aber eine solche Verantwortung dem Arzte nicht aufgebürdet werden kann, ist selbstverständlich. Die Rücksichtnahme auf den Kranken und eine vermeintliche Unbilligkeit, von ihm den Beweis des Verschuldens zu fordern, kann die Auffassung des Berufungsgerichts nicht rechtfertigen. Bei schwereren Operationen sind regelmäßig sachverständige Zeugen zugegen, durch deren Vernehmung die Sachlage, soweit es überhaupt möglich ist, aufgeklärt v/erden kann. Vielfach wird der Sachverständige auch aus dem objektiven Befunde auf ein Verschulden des Operateurs schließen können. Endlich wird das Unterlassen einer genügenden Aufklärung der Ursachen der Verletzung bei freier Beweiswürdigung unter Umständen zuungunsten des Arztes verwertet werden können. Der Kranke ist also, auch wenn er selbst die Handlungen des operierenden Arztes nicht wahrnehmen kann, keineswegs schutzlos. Nimmt man an, daß dem Arzte der Nachweis obliegt, daß er bei Vornahme der Operation mit aller Sorgfalt und den Erfahrungen der Wissenschaft gemäß gehandelt hat, so hat er dieser Pflicht doch genügt, wenn er dartut, daß ein eingetretener ungünstiger Erfolg auch ohne sein Verschulden eingetreten sein kann, daß nach dem, soweit möglich, klar gelegten Sachverhalt ein positiver Anhalt für ein Verschulden des Arztes nicht gegeben ist. Die Entlastungspflicht des Arztes würde, wenn sie überhaupt grundsätzlich anzunehmen ist, in ähnlicher Weise zu begrenzen sein, wie dies in dem Urteile des erkennenden Senats, Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 74 S. 342, hinsichtlich eines Beamten geschehen ist, aus dessen Gewahrsam eine ihm anvertraute Sache abhanden gekommen ist. Das Berufungsgericht beruft sich für seine Auffassung auf dieses Urteil völlig zu Unrecht. Auch die übrigen von ihm angeführten Urteile des Reichsgerichts, Entsch. in Zivils. Bd. 20 S. 269, Bd. 41 S. 223, Bd. 64 S. 256, stehen der Auffassung des Berufungsgerichts keineswegs zur Seite." . . .
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RGZ. 80, 29 Ist aus der Vereinbarung einer bestimmten Dienstzeit von längerer Dauer regelmäßig zu folgern, daß die Parteien das Kündigungsrecht des § 627 BGB. ausschließen wollen? III. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t
Hildesheim.
Urt. v. 2. Juli 1912. II. O b e r l a n d e s g e r i c h t
Celle.
Aus den G r ü n d e n : Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Zunächst macht sie geltend, daß die Anwendung des § 627 BGB. deshalb habe unterbleiben müssen, weil der Kläger in einem „dauernden" Dienstverhältnisse zu der Beklagten gestanden habe, da er gemäß § 21 der Statuten auf fünf Jahre in den Vorstand der beklagten Gewerkschaft gewählt gewesen sei. Nach § 627 B G B . ist die Kündigung auch ohne wichtigen Grund zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnisse mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß diese positiven Voraussetzungen bei dem Kläger vorliegen. Die Entscheidung hängt also davon ab, wie der im § 627 B G B . enthaltene Ausnahmetatbestand aufzufassen ist. Der Revision kann nun nicht darin beigetreten werden, daß der Ausnahmetatbestand schon dann zutreffe, wenn ein dauerndes Dienstverhältnis bestehe; vielmehr müssen beide Erfordernisse, dauerndes Dienstverhältnis und feste Bezüge, erfüllt sein. Im vorliegenden Falle fehlt es aber nach der zutreffenden Annahme des Berufungsgerichts für die Zeit nach Beendigung des Schachtbaues an dem letzteren Erfordernisse, Die gegen diese Annahme gerichteten Angriffe der Revision sind nicht begründet. Die Revision macht unter Bezugnahme auf das Urteil des I. Zivilsenats des Reichsgerichts vom 24. Oktober 1908 (Entsch. des RG.'s in Zivils. iBd. 69 S. 365) ferner geltend, daß der § 627 BGB. dispositiver Natur sei, und daß die Parteien, indem sie eine fünfjährige Dauer des Vertrags verabredeten, zum Ausdruck gebracht hätten, der Rechtssatz des § 627 B G B . solle für ihr Verhältnis nicht gelten. Das Berufungsgericht hat einen solchen Ausschluß in der Abrede der fünfjährigen Vertragsdauer nicht gesehen, weil der § 627 ein dauerndes Dienstverhältnis voraussetze, so daß der Abschluß, eines solchen die Anwendung des § 627 überhaupt erst ermögliche. Diese Begründung trifft nicht zu, da der § 627, wie sich aus seinem Inhalt und aus dem Zusammenhange mit den vorausgehenden Bestimmungen (§§ 620 flg.) ergibt, nicht nur auf dauernde, sondern auch auf nicht dauernde Dienstverhältnisse Anwendung findet. Im Ergebnis ist aber dem Berufungs-
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gerichte beizutreten; denn da die im § 627 als Regel ausgesprochene Kündigungsbefugnis auch bei dauernden Dienstverhältnissen Platz greift, so kann nicht lediglich aus der Vereinbarung einer bestimmten Dienstzeit von längerer Dauer gefolgert werden, die Parteien hätten damit den Willen zum Ausdruck gebracht, das Kündigungsrecht des § 627 auszuschließen. Damit würde man für jedes derartige Dienstverhältnis von bestimmter längerer Dauer die Anwendung des § 627 ausschließen, während nach dem Ausnahmetatbestand und dem daraus zu entnehmenden Willen des Gesetzgebers gerade solche Fälle der Regel des § 627 unterworfen sein sollen. Zur Ausschließung der dispositiven Bestimmung des § 627 bedarf es des klaren und bestimmten Ausdrucks des auf die Ausschließung bewußt gerichteten Parteiwillens, Wenn in der von der Revision angeführten Entscheidung des I. Zivilsenats Bd. 69 S. 365 aus der Verabredung einer fünfjährigen Dauer des Vertrags die Folgerung gezogen ist, daß die Parteien den Rechtssatz des § 627 BGB. für ihr Verhältnis nicht gelten lassen wollten, so liegt kein Grund vor, jetzt gemäß § 137 GVG. eine Entscheidung der vereinigten Zivilsenate herbeizuführen, weil dort nicht ausgesprochen ist, daß überall, wo eine längere Vertragsdauer verabredet ist, die im § 627 gegebene Kündigungsbefugnis als ausgeschlossen gelten müßte, die Entscheidung vielmehr nur eine im einzelnen Falle angenommene besondere Vereinbarung zum Gegenstand hat." . . . RGZ. 82, 285 Ist das Dienstverhältnis des bauleitenden Architekten der Kündigung nach § 627 BGB. unterworfen? III. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 20. Mai 1913.
I. Landgericht München I. II. Oberlandesgericht
daselbst.
Der Beklagte hatte der Klägerin, einer Architektenfirma, die Anfertigung der Entwürfe für den Bau einer Villa sowie die Oberleitung der Ausführung dieses Baues einschließlich der Innenausstattung gegen eine Vergütung nach den sog. Hamburger Normen übertragen. Er entzog demnächst der Klägerin die Leitung der Ausführung des Innenbaues. Die Befugnis zu dieser Kündigung des Vertrags leitete er u. a. auch aus § 627 BGB. her. Das Landgericht und das Berufungsgericht erachteten diese Bestiimmutag auf das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis für unanwendbar. Das Reichsgericht ist dieser Auffassung beigetreten. Aus den G r ü n d e n : „Das freie, von der Voraussetzung des § 626 BGB. unabhängige, Kündigungsrecht des § 627 ist nur bei solchen Dienstverhältnissen gegeben, welche Dienste höherer Art zum Gegenstande haben, die auf
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Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Es genügt also nicht, daß -die Dienste eine besondere Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftliche 'Bildung voraussetzen, und daß sie regelmäßig nur solchen Personen übertragen zu werden pflegen, die im Besitze dieser Eigenschaften sind oder bei denen doch diese Eigenschaften erwartet werden. Denn dies würde für alle Dienste höherer Art gelten. Es muß vielmehr hinzukommen, daß die Dienste im allgemeinen, ihrer Art nach, nur zufolge besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen; ob im Einzelfalle die Uebertragung der Dienste auf Grund eines solchen besonderen Vertrauens erfolgt, ist dagegen unerheblich. Mit diesem Erfordernis der Uebertragung auf Grund besonderen Vertrauens ist auf ein persönliches Verhältnis zwischen dem Dienstberechtigten und dem Dienstverpflichteten hingewiesen. Dies ergeben die Verhandlungen der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, von der die Bestimmung dem Entwürfe eingefügt wurde, mit voller Bestimmtheit. Der Antragsteller des Antrags 1 zu § 566 Entwurf I, dessen Ausführungen die Mehrheit der Kommission beitrat, sagte u. a.: „Ein solches Kündigungsrecht soll jedoch nur in Frage kommen, wenn eine genau bestimmte Leistung den Gegenstand des Vertrags bildet, deren Ausführung eine besondere persönliche Beziehung zwischen dem Dienstnehmer und dem Dienstgeber voraussetzt. Dagegen soll das Kündigungsrecht ausgeschlossen sein, wenn die Ausführung des Dienstes nicht auf einem besonderen persönlichen Verhältnis der Parteien beruht oder wenn es sich um ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen handelt (Leibarzt Hofmeister, Syndikus)." Protokolle (Guttentag'sche Ausgabe) Bd. 2 S. 302'303. Ein in der Kommission gestellter Antrag ( l b ) , das freie Kündigungsrecht da zu geben, wo die Leistung von Diensten übernommen ist, die eine besondere Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftliche Bildung voraussetzen oder auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, stieß auf Widerspruch und wurde zurückgezogen (Protok. a. a. 0 . S. 301, 302, 304). Auch die dem Reichstage vorgelegte Denkschrift zum Entwürfe des Bürgerlichen Gesetzbuchs begründet das außerordentliche Kündigungsrecht dieses Paragraphen mit der Erwägung, daß nach der Natur solcher Vertragsverhältnisse keinem der beiden Teile die Fortsetzung des Verhältnisses zugemutet werden könne, wenn das persönliche Vertrauen zwischen ihnen erschüttert sei. Ein solches persönliches Vertrauensverhältnis aber ist im allgemeinen für die Wahl des Architekten auch dann nicht bestimmend, wenn es sich um einen künstlerisch auszuführenden Bau einschließlich des inneren Ausbaues handelt. Der Bauherr wird die technische und künstlerische Befähigung des Architekten und dessen geschäft-
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liehen Ruf prüfen, sowohl wenn er ihm nur die Anfertigung der E n t würfe und die Bauleitung durch einen Dienstvertrag, als wenn er ihm die Gesamtausführung des Baues durch einen Werkvertrag überträgt. In besondere persönliche Beziehungen aber, wie sie sich regelmäßig zwischen dem Arzt, dem Lehrer und dem Rechtsanwalt, deren Dienste bei den Beratungen der Kommission — Protok. a. a. O. S. 302 — besonders genannt sind, und ihren Auftraggebern zu entwickeln pflegen, tritt der Bauherr unter heutigen Verhältnissen zu dem bauleitenden Architekten im allgemeinen ebensowenig, wie zu dem bauausführenden. Regelmäßig bedienen sich heute die namhaften Architekten, auch solche, die sich mit der Bauausführung nicht befassen, technisch und künstlerisch geschulter Gehilfen, so daß die Regel des § 613 Satz 1 B G B . , daß der Verpflichtete die Dienste in Person zu leisten hat, für sie vielfach nicht zutreffen wird. So hat auch im vorliegenden F a l l e die Klägerin, eine im Handelsregister eingetragene Architektenfirma, unter Zustimmung des Beklagten die Dienste, soweit sie sie überhaupt geleistet hat, im wesentlichen durch einen ihrer Angestellten ausführen lassen. Danach ist die Bestimmung des § 627 B G B . auf das Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem bauleitenden Architekten für unanwendbar zu erachten. Ihre Anwendung würde auch zu schweren wirtschaftlichen Nachteilen für den Vertragsteil führen, dem gekündigt wird. Der Architekt, der regelmäßig zur dauernden Annahme von Hilfskräften genötigt ist, würde durch die Zulassung einer willkürlichen Kündigung des Bauherrn leicht in die Lage kommen, diese Hilfskräfte bezahlen zu müssen, ohne eine Verwendung für sie zu haben. Der Bauherr anderseits würde zwar durch § 627 Abs. 2 B G B . gegen eine unzeitige willkürliche Kündigung geschützt sein; aber auch eine Kündigung, die so erfolgt, daß sich der Bauherr die Dienste anderweit beschaffen kann, würde ihm durch den Eintritt eines neuen Bauleiters während des Laufes des Baues erhebliche Schwierigkeiten bereiten und regelmäßig Mehrkosten verursachen. Es liegt also die Anerkennung des freien Kündigungsrechts auch keineswegs im allgemeinen Interesse des Bauherrn. Eine sachgemäße Handhabung des § 626 B G B . wird die Interessen beider Teile in ausreichender Weise wahren " . . . RGZ. 82, 4 2 7 1
1. Haftung beim Dienstverschaffungsvertrage.
2. Unechtes GesamtschuldYerhältnis. I. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 18. Juni 1913.
I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst.
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Die B e k l a g t e mietete von der Klägerin im J u l i 1907 eine eiserne K a s t e n s c h u t e mit Schiffer auf unbestimmte Zeit. Das Entgelt betrug 15 M. für jeden Werktag. Der Schiffer C. wurde von der Klägerin bezahlt, abgesehen von den Ueberstunden, die von der Beklagten beglichen wurden. Die B e k l a g t e übernahm in einem mit der F i r m a 0 . A. & H. Nachf. geschlossenen F r a c h t v e r t r a g e die Beförderung einer Anzahl J u t e b a l l e n im Hamburger Hafen. Die Beförderung eines T e i l e s dieser B a l l e n s o l l t e am 12. J u l i 1907 mittels jener Kastenschute und durch den genannten Schiffer erfolgen. Die Schute ist jedoch, nachdem ein Teil der B a l l e n eingeladen war, infolge Verschuldens des Schiffers C. gekentert. Der E r s a t z des hierdurch entstandenen Schadens ist in einem Vorprozesse von der Versicherungsgesellschaft, als Rechtsnachfolgerin der F i r m a O. A . & H., verfolgt worden. In diesem Prozesse wurden die gegenwärtigen Parteien rechtskräftig verurteilt, als Gesamtschuldner an den damaligen K l ä g e r 4194,61 M. nebst Zinsen, die jetzige K l ä g e r i n allein weitere 405,39 M. nebst Zinsen zu zahlen. Auf Grund des Urteils haben bezahlt die Klägerin 455,39 M „ die B e k l a g t e 4994,10 M. Jede P a r t e i verlangte jetzt von der anderen die Erstattung der von ihr gezahlten B e t r ä g e mit Zinsen, die Klägerin verlangte ferner 67,50 M. Schutenmiete nebst Zinsen. . . . Die K a m m e r für Handelssachen des Landgerichts verurteilte die Beklagte, der Klägerin 67,50 M. (Schutenmiete) nebst Zinsen zu zahlen, und wies im übrigen sowohl die Klage als die W i d e r k l a g e ab. Gegen dieses Urteil legte die B e k l a g t e Berufung ein; sie beantragte, die K l a g e abzuweisen und der Widerklage stattzugeben. . . . Das Oberlandesgericht . . . änderte auf die Berufung der B e k l a g t e n das Urteil des Landgerichts dahin ab, daß die Klägerin verurteilt wurde, der B e klagten 4926,60 M. nebst Zinsen zu zahlen. Die Klägerin hat gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Revision eingelegt, mit der sie die Abweisung der Widerklage erreichte. Aus
den
Gründen:
„ W ä h r e n d die Kammer für Handelssachen den unter den Parteien abgeschlossenen Vertrag als Sachmiete, verbunden mit einer Dienstverschaffung, ansieht, vertritt das Oberlandesgericht eine andere rechtliche Auffassung. Das Oberlandesgericht nimmt an, es handele sich um einen „Zeitfrachtvertrag mit der rechtlichen Folgerung, daß bei ihm, als einem Werkvertrage, die einzelnen T r a n s p o r t e sich als die von der Klägerin zu leistenden Erfolge darstellen, für die sie im Rahmen der einem Verfrachter oder Frachtführer obliegenden V e r pflichtungen einzustehen habe". Die Klägerin, nicht die B e k l a g t e , habe mittels der Schute die einzelnen Transporte ausgeführt. Dabei sei der Schiffer C. als Erfüllungsgehilfe der Klägerin in ihrem V e r tragsverhältnisse zur B e k l a g t e n anzusehen. Da C. unstreitig den
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der B e k l a g t e n aus dem Kentern der Schute erwachsenen Schaden schuldhaft verursacht habe, so ergebe sich die Haftung der Klägerin aus § 5 8 des Binnenschiffahrtsgesetzes. D i e Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht haltbar. Die K l ä g e r i n hatte der B e k l a g t e n gemäß dem Vertrage eine Schute mit Schiffer zu stellen. Mit den einzelnen von der Beklagten unternommenen Güterbeförderungen war die Klägerin nicht befaßt. Die B e k l a g t e allein war es, welche die Ladungen und Fahrten der S c h u t e anzuordnen hatte. Die Klägerin hatte nicht irgendwelche B e s t i m m u n gen für die einzelnen T r a n s p o r t e zu treffen, von denen sie im regelmäßigem L a u f e der Dinge überhaupt nichts erfuhr. Nachdem die K l ä g e r i n den S c h i f f e r C. mit der Schute der Beklagten überwiesen hatte, unterstand C. nur den Anweisungen der Beklagten. D a ß ein so geartetes Rechtsverhältnis als Sachmiete in Verbindung mit einem Dienstverschafiungsvertrage, (beurteilt werden muß, ist bereits in Entsch. des R G . ' s in Zivils. B d . 56 S. 361 ausgesprochen worden. Nicht entschieden wurde in dem angeführten Erkenntnisse des Reichsgerichts die F r a g e , ob der Schutenvermieter auf Grund des Dienstverschaffungsvertrags dem Vertragsgegner für Nachlässigkeit des überlassenen Schiffers bei Leistung der versprochenen Dienste nach § 278 B G B . einzustehen habe. In Uebereinstimmung mit der von der Revision vertretenen Ansicht ist die F r a g e zu verneinen. E s ist nicht mehr von der Beklagten bestritten, daß C. die Eigenschaften eines ordentlichen Schiffers hatte. Die Stellung eines solchen Schiffers gehörte nach dem Dienstverschaffungsvertrage zur Erfüllung der der Klägerin obliegenden Verpflichtungen. W a s C. aber nunmehr, den Anordnungen der Beklagten unterworfen, für diese ausführte, stellte nicht die Erfüllung einer Verbindlichkeit der K l ä g e r i n gegenüber der B e k l a g t e n dar. Mit der Gestellung des Schiffers waren zwar die Verbindlichkeiten der Klägerin noch nicht vollständig und endgültig erfüllt, sie erschöpften sich aber darin, daß die K l ä g e r i n den Schiffer C. — der nach wie vor in ihrem Dienste stand — dauernd veranlaßte, der B e k l a g t e n seine Arbeitskraft bereitzuhalten und ihren Anweisungen F o l g e zu leisten. Die einzelnen Dienstleistungen des C., für sich betrachtet, lagen nicht innerhalb des durch den Dienstverschaffungsvertrag umgrenzten Pflichtenkreises der Klägerin. Insoweit bediente sich die Klägerin also nicht des C. zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit (§ 278 B G B . ) . Dafür, daß die Klägerin etwa die Gewähr übernommen hätte, C. werde bei jeder einzelnen Gelegenheit seine Dienste ordnungsmäßig leisten, fehlt aller Anhalt. (Wird ausgeführt.) . . . K a n n hiernach der von der B e k l a g t e n widerklagend geltend gemachte Anspruch auf § 58 BinnenSchG., § 2 7 8 B G B . nicht gestützt werden, so ist noch zu prüfen, ob der Beklagten, die mit der K l ä g e r i n
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im Vorprozesse als Gesamtschuldnerin zur Zahlung von 4194,61 M. nebst Zinsen rechtskräftig verurteilt worden ist, auf Grund des § 426 BGB. gegen die Klägerin ein Ausgleichungsanspruch zusteht. Dies ist indessen nicht der Fall, weil es an einem echten Gesamtschuldverhältnisse fehlt. Im Vorprozesse ist die Klägerin auf Grund von § 7 Abs. 2, §§ 3, 4, 114 Abs. 1 BinnenSchG., die Beklagte auf Grund des mit 0 . A. & H. abgeschlossenen Frachtvertrags (§§ 58, 59, 61 BinnenSchG., § 278 BGB.) verurteilt worden. Eine Zweckgemeinschaft, wie sie für das echte Gesamtschuldverhältnis erforderlich ist (vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 77 S. 323), anzunehmen, läßt sich bei einer solchen Sachlage nicht rechtfertigen. Aus vorstehendem ergibt sich, daß der von der Beklagten gegen die Klägerin geltend gemachte Anspruch unbegründet, somit das Urteil des Oberlandesgerichts insoweit aufzuheben ist, als es die Widerklage zugesprochen hat. . . .
RGZ. 92, 158 Steht bei einem Dienstvertrag im Falle des Verzugs des einen Teiles dem anderen ein Rucktrittsrecht nach Maßgabe des § 326 BGB. zu? III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 5. Februar 1918. I. Landgericht Hamburg. II. Oberlandesgericht daselbst.
Durch Vertrag vom 21. Mai 1912 übertrug der Kläger dem H. und dem K. den Alleinverkauf seiner sämtlichen Werkstatterzeugnisse für B. und gewährte ihnen zugleich ein Kommissionslager bis zur Höhe von 30 000 M. Bis zum 15. eines jeden Monats sollte das, was in dem vorhergegangenen Monate verkauft war, abgerechnet und bar bezahlt werden. Für alle aus dem genannten Bezirk eingehenden und von Hamburg aus unmittelbar erledigten Aufträge war H. und K. eine Provision zugesagt worden. Da H. und K. mit der Erfüllung ihrer Abrechnungs- und Zahlungsverpflichtung in Rückstand gerieten, stellte der Kläger ihnen am 7. Dezember 1914 eine Frist zur Nachholung des Versäumten bis zum 12. des genannten Monats mit der Androhung, daß er nach deren fruchtlosem Ablauf unter Ablehnung weiterer Leistungen vom Vertrage zurücktreten werde. Nachdem alsdann am 19. Dezember die Rücktrittserklärung erfolgt war, verlangte der Kläger im vorliegenden Rechtsstreite die Feststellung, daß er hinsichtlich der von B. aus eingehenden Aufträge den Beklagten H. und K. nicht mehr provisionspflichtig sei. Das Landgericht gab der Klage statt, und das Oberlandesgericht wies die Berufung des H. zurück. Seine Revision hatte Erfolg.
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A u s den G r ü n d e n : . . . „Der Revisionsangriff, mit welchem die A n w e n d u n g des § 326 BGB. auf den vorliegenden Fall gerügt wird, ist begründet. H. und K., welchen die ausschließliche Befugnis übertragen war, die Werkstatterzeugnisse des Klägers innerhalb eines bestimmten örtlich begrenzten Bezirkes zu vertreiben, hatten das ihnen zu diesem Zwecke anvertraute Kommissionslager im Interesse des L i e f e r a n t e n zu verwerten. E s k a n n dahingestellt bleiben, ob sie bei d e m V e r k a u f e der einzelnen W a r e n die ihnen von dem Erzeuger berechneten Preise beliebig überschreiten und den Mehrerlös f ü r sich behalten durften, denn die W a h r n e h m u n g der eigenen wirtschaftlichen Interessen nach dieser Richtung hinderte nicht, d a ß sie bei der V e r ä u ß e r u n g des Kommissionsgutes zugleich für die des Klägers tätig zu sein hatten und ihrer Vertragspflicht entsprechend tätig waren. Der streitige Vertrag stellt sich daher als ein Dienstvertrag dar, der eine G e s c h ä f t s besorgung zum Gegenstande hat (§ 675 BGB.). Die A r t der Vergütungsbemessung hat auf seine rechtliche N a t u r keinen E i n f l u ß . Bei Dienstverträgen gibt aber § 626 BGB. jedem Teile das Recht, das Dienstverhältnis einseitig und vor Eintritt des vertragsmäßigen E n d termins zu lösen, wenn ein wichtiger G r u n d dazu vorliegt. Daneben ist f ü r die Ausübung eines Rücktrittsrechts nach M a ß g a b e des § 326 BGB. kein Raum. Nach dem W o r t l a u t e dieser Vorschrift scheint sie zwar bei allen gegenseitigen Verträgen Platz greifen zu sollen, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen m u ß sie aber überall da z u r ü c k t r e t e n u n d k a n n überall da nicht geltend gemacht werden, wo besondere Vorschriften die Möglichkeit der vorzeitigen Aufhebung eines bestimmten Vertragsverhältnisses in anderer Weise endgültig u n d erschöpfend regeln. Das ist f ü r Dienstverträge in den §§ 626 bis 628 BGB. u n d für ihre Unterart, die Agenturverträge im § 92 Abs. 2 HGB. geschehen, wie der erkennende Senat bereits in dem Urteile vom 10. November 1911 ( J u r . Wochenschr. 1912 S. 73 Nr. 12) ausgesprochen hat. Auch ein Bedürfnis des Verkehrs, neben der Befugnis zur fristlosen Kündigung das in Ansehung seiner Voraussetzungen u n d Folgen ganz anders geartete allgemeine Rücktrittsrecht aus § 326 BGB. zuzulassen, ist nicht anzuerkennen. Ob der Vertrag der P a r t e i e n u n t e r den Begriff des Kommissionsagenturvertrags fällt, u n d ob auf einen solchen, wie der I. Zivilsenat im Urteile vom 24. O k t o b e r 1908 (RGZ. Bd. 69 S. 363iflg.) ausgesprochen hat, § 92 Abs. 2 HGB. in entsprechender Weise anzuwenden ist, bedarf hier keiner Entscheidung, denn § 92 Abs. 2 a . a . O . stimmt mit dem sonst allein in Betracht k o m m e n d e n § 626 BGB. dem W o r t l a u t und der rechtlichen Bedeutung nach völlig überein. Durch die Rücktrittserklärung vom 19. Dezember 1914 hat der Kläger seinen Willen, den Vertrag nicht weiter fortzusetzen, unZirili. SAnldreAt 7
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zweideutig zum Ausdrucke gebracht. Die Veranlassung dazu, der angebliche Verzug der Vertragsgegner und seine Rechtsfolgen, waren daher nicht von den Gesichtspunkten des § 326 BGB. aus zu beurteilen, es war vielmehr zu prüfen, ob das Verhalten des H. im gegebenen Falle unter Berücksichtigung seiner Gesamtumstände für den Kläger einen wichtigen Grund zur sofortigen einseitigen Aufhebung des Dienstverhältnisses abgab. Diese Prüfung liegt auf tatsächlichem Gebiet und muß vom Berufungsgerichte nachgeholt werden."... RGZ. 94, 166 Sind bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung nach § 626 BGB., § 92 HGB. auch die vermögensrechtlichen Folgen der Auflösung des Vertragsverhältnisses zu berücksichtigen? III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 26. November 1918. I. Landgericht I Berlin.
II. Kammergericht daselbst.
Der Kläger war seit dem November 1911 als Agent zur Beschaffung von Reklameaufträgen für die Beklagte tätig; der Vertrag lief bis zum 15. April 1917. Am 3. Mai 1916 kündigte er fristlos wegen einer ihm an diesem Tage von dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten, dem Nebenintervenienten K. widerfahrenen ehrverletzenden (Behandlung. Er fordert den Ersatz des ihm durch die Lösung des Vertragsverhältnisses entstandenen Schadens. Das Landgericht erklärte unter Abweisung der Klage im übrigen den Schadensersatzanspruch zum Teil, das Berufungsgericht erklärte ihn im vollen Umfange dem Grunde nach für gerechtfertigt. Auf die Revision der Beklagten wurde die Klage abgewiesen. Aus den G r ü n d e n : „Ob eine Tatsache als ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung eines Agenturverhältnisses nach § 92 HOB. oder eines sonstigen Dienstverhältnisses nach § 626 BGB. angesehen werden kann, ist nach ihrer Bedeutung an und für sich und im Verhältnis zu den vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien in ihrer Gesamtheit zu entscheiden. Dabei können auch die vermögensrechtlichen Folgen der fristlosen Kündigung nicht außer Betracht bleiben. Nach § 628 BGB. wird schadensersatzpflichtig, wer durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teiles veranlaßt. Die Schadensersatzpflicht erscheint hiernach, sofern ein vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles die Kündigung veranlaßt hat, als die selbstverständliche Folge der Kündigung, und es wird daher im allgemeinen der Erwägung dieser Folge bei der Prüfung der Berechtigung zur Kündigung nicht bedürfen. Anders aber ist die Sachlage
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zu beurteilen, wenn mit der Lösung des Vertragsverhältnisses Schadensersatzansprüche von ganz ungewöhnlicher Höhe geltend gemacht werden, wie dies hier der Fall ist. Selbstverständlich kann dem Dienstverpflichteten, welcher Art auch das Dienstverhältnis sei, nicht zugemutet werden, sich grobe Ehrenkränkungen oder ein sonstiges verletzendes Verhalten gefallen zu lassen, weil seine Kündigung empfindliche Nachteile für den Vertragsgegner zur Folge haben würde, und ebensowenig kann die Höhe seiner Schadensersatzforderung einen Grund bilden, ihm diese Forderung zu versagen. Wohl aber ist zu fordern, daß zwischen der Ursache der Kündigung und ihren vermögensrechtlichen Folgen noch ein gewisses Maß des Verhältnisses besteht. Es ist mit Treu und Glauben, welche bei der Beurteilung der Berechtigung zur fristlosen Kündigung entscheiden müssen, nicht vereinbar, daß ein verhältnismäßig geringfügiger Vorfall, ein in Erregung gesprochenes oder sonst entschuldbares scharfes Wort, das vielleicht bei losen Vertragsbeziehungen und beim Fehlen schwerwiegender Folgen hinreichen könnte, die Kündigung zu rechtfertigen, zum Anlaß oder wohl gar zum Vorwande genommen wird, ein Vertragsverhältnis, dessen Bruch die schwerste Schädigung des anderen zur Folge haben muß, zu lösen und einen ungewöhnlichen Gewinn ohne jede Gegenleistung zu fordern. Die hier gegebene Sachlage gebot zwingend, die Berechtigung der Kündigung des Klägers auch von diesem Gesichtspunkte aus zu prüfen. Denn der Kläger fordert für einen Zeitraum von noch nicht einem J a h r einen Schadensersatz, und zwar den Ersatz entgangenen Gewinnes, von 150 000 M., einen Betrag, der selbst für diejenigen Erwerbskreise, in denen hohe Gewinne mit geringer Mühe erzielt zu werden pflegen, als ein außergewöhnlich hoher erachtet werden muß. Das Berufungsgericht hat diese Prüfung nicht vorgenommen, sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Bei der nunmehr dem Revisionsgerichte nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. zustehenden freien rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhältnisses ist ein ausreichender Grund für die Kündigung des Klägers nicht als vorliegend anzuerkennen. Der Geschäftsführer der Beklagten, K., hat den Kläger am 3. Mai 1916 allerdings in unziemlicher Weise behandelt; er hat ihn angeschrieen, ,4ch schmeiße Sie raus" und ihn an den Arm gefaßt. Aber es handelte sich um einen Ausfluß starker Erregung, nicht um eine vorbedachte Ehrenkränkung. K. befand sich von vornherein in einem Zustande der Ungeduld und Erregung. Diese Erregung wurde dadurch gesteigert, daß ihm der Kläger im Laufe der Unterredung den Vorwurf unrichtiger Buchführung machte. Mochte dieser Vorwurf auch nicht in dem Sinne gemeint sein, daß der Kläger den K. einer absichtlich unrichtigen Führung der Bücher bezichtigen wollte, und mochte der Vorwurf der lediglich objektiv unrichtigen Buchführung berechtigt sein, so 3 '
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war der Vorwurf doch durchaus geeignet, als ein solcher der absichtlich falschen Buchführung und also als chrenkränkend verstanden zu werden und die Erregung des K. zu steigern. Auch die Aeußerung des Klägers, „ich bin doch nicht Ihr Hausknecht" war nach den Umständen wohl geeignet, den K. noch mehr zu reizen. Steht es nun auch außer Zweifel, daß K. sich in schuldhafter und strafbarer Weise einer wörtlichen und tätlichen Beleidigung des Klägers schuldig gemacht hat, so hat er doch unmittelbar nach dem Vorfall alles getan, was er tun konnte, um sein Unrecht wieder gut zu machen. E r hat sofort den Kläger brieflich um Entschuldigung gebeten, ihm mitgeteilt, daß er durch eine ihn bedrückende, sehr unangenehme Sache in einen außerordentlich erregten Zustand versetzt gewesen sei, und daß er sich in dieser Verfassung dem Kläger gegenüber ,,zu einem häßlichen Genehmen" habe hinreißen lassen, das er „aufrichtig bedauere". E r hat ferner den Zeugen Th. veranlaßt, zum Kläger zu gehen und zu versuchen, die S a c h e wieder in Ordnung zu bringen. Nach der Art des Vorganges und den dem K . zur Seite stehenden Milderungsgründen seines Verhaltens war diese förmliche Abbitte wohl geeignet, auch einen Mann von empfindlichem Ehrgefühle zufrieden zu stellen. Genügte sie dem Kläger nicht, weil noch andere Personen von dem Vorfalle Kenntnis erlangt hatten, so hätte er das Verlangen äußern können, daß auch nach dieser Richtung hin seiner Ehre und seinem Ansehen Genugtuung geleistet werde. Hierzu kommt, daß K . nicht derjenige war, mit dem er im Vertragsverhältnis stand, sondern nur der gesetzliche Vertreter seines Vertragsgegners. Haftet die beklagte Gesellschaft auch für das Verschulden ihres Vertreters, so ist es doch für die Frage der Kündigungsberechtigung des Klägers nicht gleichgültig, daß er eben nur von einem Vertreter der Beklagten eine Unbill erlitten hatte, die schweren Folgen seiner Kündigung aber die Beklagte treffen mußten. Dies war um so bedeutungsvoller, als Th. ihm am Tage nach dem Vorfalle mitteilte, daß bei der Beklagten in wenigen Tagen einschneidende Aenderungen bevorstünden, nach denen er mit K. überhaupt nichts mehr zu tun haben würde. T r a t dieses Ereignis ein, das der Kläger billig hätte abwarten sollen, ehe er kündigte, so verlor damit das Verhalten des K. hinsichtlich seiner Wertung als Kündigungsgrund vollends an Bedeutung. Nach alledem erscheint die Kündigung des Klägers als ein Ausfluß übermäßiger Empfindlichkeit und Unversöhnlichkeit, der nach Treu und Glauben da, wo so außergewöhnliche wirtschaftliche Interessen in F r a g e kommen wie hier, und wo aus der erlittenen Kränkung der Anlaß zu einer außer allem Verhältnis stehenden Schadensersatzforderung hergeleitet wird, eine Schranke gezogen werden m u ß . " . . .
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Dienstvertrag RGZ. 97, 4
Ist das Zurücklassen von Fremdkörpern in der Operationswunde stets als yod dem operierenden Arzte verschuldet anzusehen? III. Z i v i l s e n a t . I.
Landgericht
Urt. v. 17. Oktober
Flensburg.
1919.
II. Oberlandesgericht
Kiel.
Bei der am 3. März 1910 vom Beklagten an der Klägerin vorgenommenen Ovariotomie war eine Gazeserviette in der Bauchhöhle der Klägerin zurückgeblieben und hatte Nachoperationen und Gesundheitsschädigung verursacht. Die Klägerin führt das Zurückbleiben auf ein Verschulden des Beklagten zurück und fordert Schadensersatz. Die Instanzen haben ein Verschulden des Beklagten verneint und die Klage abgewiesen. Die Revision, welche rügte, daß das Berufungsgericht die Beweislast verkannt, die Gutachten der Sachverständigen kritisch zu würdigen unterlassen und zu Unrecht den Antrag auf Einholung eines Obergutachtens abgelehnt habe, hatte keinen Erfolg. Aus den G r ü n d e n : „Der Berufungsrichter geht zutreffend davon aus, daß es besonderer Fachkunde und Facherfahrung bedürfe, um zu beurteilen, wie weit die Sorgfalt eines gewissenhaften Chirurgen und Operateurs bei einer derart komplizierten Operation zu gehen habe und gehen könne. Sodann legt er unter Erwähnung der mehreren von den Sachverständigen erörterten, von ihnen und sonst gehandhabten Maßnahmen deren Auffassung zugrunde, daß auch bei Anwendung dieser Maßnahmen und trotz aller Sorgfalt ein Zurückbleiben von Servietten, Tupfern u. dgl. in der Bauchhöhle versehentlich möglich sei. Nur gegenüber dieser, die Anwendung aller Sorgfalt voraussetzenden Auffassung fragt der Berufungsrichter, ob besondere Umstände auf ein Verschulden des Beklagten schließen lassen. Er prüft also, ob wirklich der Beklagte alle Sorgfalt angewendet hat, und bejaht dies, ohne die Beweislast irgend zu berühren, weil der immer sonst gewissenhafte und sorgfältige Beklagte die von ihm verwendeten Servietten, um deren Uebersehen beim Schluß der Operation tunlichst unmöglich zu machen, mit einem Zipfel heraushängen ließ oder mit einem Instrumente festklemmte. Diese Maßnahme hält er in Uebereinstimmung mit den drei Sachverständigen für genügend, so daß der Beklagte alles getan habe, was auch vom Maßstab einer gesteigerten Sorgfalt aus irgend von ihm zu verlangen war. Die von der Revision betonte, vom Beklagten nicht getroffene Maßnahme einer vorherigen Abzählung der in einer Kassette bereit zu haltenden Servietten bietet nach dem Gutachten keine größere Sicherheit, als das Heraushängenlassen von Zipfeln oder eingeklemmten Instru-
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menten, — im Gegenteil: war nämlich etwa das Abzählen der in der Kassette zurückgebliebenen Servietten erst nach der Wiederschließung der Bauchhöhle möglich, so konnte das Suchen nach den fehlenden Servietten nur mittels nochmaliger Oeffnung der Bauchhöhle erfolgen, also mit einer oft noch größeren Gesundheits- und Lebensgefahr für den Patienten, als das Verbleiben der Serviette in der Bauchhöhle bildete. — Eine solche nochmalige Eröffnung der Bauchhöhle wegen einer Fehlzahl in dem vorher abgezählten Serviettenbestande hatte in anderen Fällen stattgefunden, war jedoch vergeblich geblieben, weil in Wirklichkeit nichts in der Bauchhöhle zurückgeblieben war; diese Fälle kennzeichnen die Unzuverlässigkeit auch des vorherigen Abzählens als schlagende Beispiele. Die Revision würdigt nicht genügend, daß — und gerade hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem RGZ. Bd. 83 S. 75 behandelten — während der Operation eine dreifache, nicht voraussehbare und nicht vorausgesehene Komplikation edntrat." (Folgen nähere Angaben.) „Wenn bei diesen so plötzlich auftauchenden und so schnell zu erledigenden Operationsaufgaben die Serviette vollständig, auch mit dem zum Heraushängen bestimmten Zipfel, in die Bauchhöhle geriet und darum übersehen wurde, so war das einer der nach der übereinstimmenden, vom Berufungsrichter für richtig erachteten Meinung der drei Sachverständigen unvermeidlichen, auch durch die größte Sorgfalt nicht auszuschließenden Zufälle. Mit Recht bemerkt der Sachverständige S. in fast wörtlicher Uebereinstimmung mit der Darlegung des erkennenden Senats in RGZ. Bd. 78 S. 435, daß auch die gewissenhaftesten Menschen nicht immer mit der Präzision einer Maschine arbeiten. Ein Obergutachten abzulehnen, war endlich der Berufungsrichter gerade im Rahmen des § 287 ZPO. befugt. Auch von Seiten der Obermedizinalbehörde könnte ein Obergutachten nicht durch der Praxis fern stehende Mitglieder erstattet werden, sondern nur durch Männer, welche die Notwendigkeiten, Möglichkeiten und Gefahren einer komplizierten Bauchhöhlenoperation in eigener Praxis auf das genaueste erfahren haben und andauernd erfahren. Wenn bei dieser Sachlage der 'Berufungsrichter erklärt, seine aus den drei übereinstimmenden Gutachten von in der Praxis stehenden Autoritäten gewonnene Ueberzeugung könne durch ein etwa abweichendes Obergutachten nicht erschüttert werden, so unterliegt dies auch sachlich keinem Bedenken." RGZ. 99, 35 Haltet der Arzt iür die im Vorräume seiner Wohnung von einem Patienten abgelegten Kleidungsstücke? BGB. §§ 611, 688, 157.
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VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 27. April 1920. I. Landgericht III Berlin.
II. Kammergericht daselbst.
Dem Kläger, der in der ärztlichen Behandlung des Beklagten stand, ist am 15. Januar 1919 während eines Besuchs der Sprechstunde des Beklagten aus dessen Garderobenraum ein Pelz nebst Kragenschoner und Handschuhen gestohlen worden. Er nimmt den Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch. Beide Vorinstanzen haben auf Klagabweisung erkannt. Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen. Gründe: „Die Revision hat zunächst zur Nachprüfung gestellt, ob nicht zwischen den Parteien ein Verwahrungsvertrag im Sinne des § 688 BGB. zustande gekommen ist. In dieser Hinsicht ist der Berufungsrichter den Ausführungen des Landgerichts beigetreten, er hat mit diesem die Sachlage dahin beurteilt, daß weder die Zurverfügungstellung der Vorrichtungen zur Kleiderablage in dem Vorräume der Wohnung des Beklagten noch die Bereithaltung des Hausmädchens zur Unterstützung der Patienten bei dem Ablegen der Kleidungsstücke die Annahme rechtfertigen, daß der Beklagte damit seinen Willen zu erkennen gegeben habe, die von den Patienten im Vorraum abgelegten Kleidungsstücke in seine Obhut und Verwahrung zu nehmen, mit den Patienten bezüglich dieser Sachen einen besonderen Vertrag abzuschließen. Diese Beurteilung der Sachlage läßt einen Rechtsirrtum, insbesondere eine Verletzung der Auslegungsgrundsätze nicht erkennen. Sie rechtfertigt die von beiden Vorinstanzen ausgesprochene Verneinung des Vorliegens eines selbständigen Verwahrungsvertrags und einer aus einem solchen hergeleiteten Haftung des Beklagten für den dem Kläger durch das Abhandenkommen des Pelzes entstandenen Schaden. Dem Berufungsrichter ist aber auch darin zuzustimmen, daß auch aus dem zwischen den Streitteilen bestehenden, auf ärztliche Behandlung gerichteten Dienstvertrag eine Nebenverpflichtung zu einer besonderen Obhut und Bewachung der bei dem Betreten der Wohnung des Beklagten in deren Vorraum abgelegten Kleidungsstücke nicht zu entnehmen ist. Dahingestellt kann bleiben, ob der behandelnde Arzt dann eine Obhutspflicht übernimmt, wenn er seinerseits zum Zwecke der Ermöglichung oder Erleichterung der ärztlichen Behandlung die Ablegung von Kleidungsstücken anordnet und eine Beaufsichtigung dieser Kleidungsstücke seitens des Patienten während der Behandlung tatsächlich ausgeschlossen ist. Denn ein solcher Fall liegt, wie der Berufungsrichter feststellt, hier nicht vor. Kläger selbst hat in der Vorinstanz vorgetragen, daß er den Pelz gleich bei dem Betreten der Wohnung des (Beklagten abgelegt hat, um die Gefahr
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einer Erkältung zu vermeiden, die ihm für den Fall, daß er mit dem Pelz bekleidet im Wartezimmer die Zeit seiner ärztlichen Behandlung hätte abwarten wollen, gedroht habe. Jeder Besucher einer ärztlichen Sprechstunde muß darauf rechnen können, daß der Vorraum, in dem der Arzt ihm Vorrichtungen zum Ablegen der Ueberkleider zur Verfügung hält, verschlossen gehalten und dadurch den dort abgelegten Kleidungsstücken der Schutz einer verschlossenen Wohnung zuteil wird. Dagegen ist er nicht zu der Annahme berechtigt, daß derjenige, der sich durch Abhalten von Sprechstunden dem Publikum zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit bereit erklärt, dadurch die Verpflichtung zu einer weitergehenden Bewachung der im Vorräume der Wohnung abgelegten Gegenstände übernehmen will. Zutreffend führt der Berufungsrichter aus, daß der Sprechstunden abhaltende Arzt nicht dafür haftbar gemacht werden kann, daß sich nicht unter den ihn aufsuchenden Personen auch solche befinden, die sich nicht scheuen, sich an fremdem Eigentum zu vergreifen. Ist aber hiernach der Berufungsrichter ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß ein Arzt im allgemeinen zur Vornahme besonderer Vorkehrungen zwecks Bewachung der in dem geschlossen gehaltenen Vorräume von seinen Besuchern abgelegten Kleidungsstücke nicht verpflichtet ist, so ist auch die weitere Annahme des Berufungsrichters rechtlich nicht zu beanstanden, daß der Umstand, daß bei dem seinen Beruf in einer Weltstadt ausübenden Beklagten bereits dreimal Kleidungsstücke aus dem Vorraum abhanden gekommen waren, nicht geeignet war, eine Verpflichtung des Beklagten zu besonderen Schutzmaßregeln zu begründen." . ., RGZ. 102, 110 Kann der Dienstberechtigte gegenüber dem Ansprüche des Dienstverpflichteten auf Rechnungslegung wegen eines ihm aus dem Dienstverhältnis gegen den Dienstverpflichteten zustehenden Schadensersatzanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen? III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht I Berlin.
Urt. v. 19. April 1921. II. Kammergericht daselbst.
Der Kläger war von der Beklagten zur Leitung und Ueberwachung eines ihrer Geschäftszweige gegen festes Gehalt und eine Vergütung von 2 vom Tausend bestimmter Aufträge angestellt worden. Nach dem Scheiden aus dem Dienste der Beklagten verlangte der Kläger mit Rücksicht auf die ihm zugesagte Provision die Rechnungslegung über die betreffenden Aufträge. Die Beklagte machte gegenüber dem Klaganspruch u. a. auch geltend, daß ihr wegen einer aus dem Dienstverhältnis gegen den Kläger erwachsenen Schadens-
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ersatzforderung ein Zurückbehaltungsrecht zustehe. Das Landgericht entsprach dem Klagantrage, soweit es sich um die bis zum Ausscheiden des Klägers erledigten Aufträge handelte. Die Berufung der Beklagten hiergegen wurde mit der, dem veränderten Antrage des Klägers entsprechenden Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte zur Erteilung eines ßuchauszugs verurteilt wurde. Die Revision hatte keinen Erfolg. Aus den G r ü n d e n : . . . Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß der Beklagten gegenüber dem Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs ein Zurückbehaltungsrecht wegen ihres angeblichen Schadensersatzanspruchs nicht zugestanden werden kann. Ist bei einem gegenseitigen Vertrage die Bezifferung und der Nachweis des dem einen Teile zustehenden Anspruchs von der dem anderen Teile obliegenden Verpflichtung zur Rechnungslegung oder Erteilung von Buchauszügen usw. abhängig, so erfordern Treu und Glauben grundsätzlich, vorbehaltlich abweichender Beurteilung bei besonderer Sachlage, die Erfüllung dieser Verpflichtung ohne Rücksicht auf etwaige Gegenansprüche des Verpflichteten. Wie die Verpflichtung des Beauftragten und des Geschäftsführers zur Rechnungslegung als eine Vorleistungspflicht anerkannt ist — JW. 1907 S. 479 Nr. 11, RGUrt. v. 10. Dezember 1918 III 247 17 —, so ist aus dem Sinn und Zweck solcher den materiellen Anspruch vorbereitenden Leistungen die Unzulässigkeit der Zurückbehaltung dieser Leistungen auch gegenüber dem Dienstverpflichteten zu folgern. RGZ. 105, 416 Bedarf es zur Ausschließung des Kündigungsrechtes des § 627 BGB. einer ausdrücklich darauf gerichteten Vereinbarung? III. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 5. Dezember 1922.
I. Landgericht III Berlin.
II. Kammergericht
Berlin.
Der Beklagte sollte nach schriftlichem Vertrag vom Januar 1919 für die Zeit bis zum 31. Dezember 1923 als Kassenarzt der Klägerin tätig sein und für jede ärztliche Behandlung eines Kassenmitglieds bestimmte Einzelvergütungen erhalten. Im Dezember 1919 kündigte er das Vertragsverhältnis zum 1. Januar 1920. Die Klägerin bestritt die Wirksamkeit der Kündigung und verlangte im Rechtsstreite Vertragserfüllung durch ärztliche Behandlung der Kassenmitglieder und Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Der Beklagte berief sich zur Rechtfertigung der Kündigung u. a. auf das Kündigungsrecht des § 627 BGB. Das Berufungsgericht gab jedoch der Klage statt. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen.
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Aus den G r ü n d e n : . . . Die Berufung des Beklagten auf das Kündigungsrecht des § 627 B G B . weist das Berufungsgericht aus einem doppelten Grunde zurück: einmal handle es sich um ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen, so daß die Vorschrift des § 627 nach ihrem eigenen Inhalt nicht anzuwenden sei; in zweiter Reihe sei aber auch anzunehmen, daß die Vertragsteile die Anwendbarkeit jener Vorschrift vertraglich ausgeschlossen hätten. E s kann dahingestellt bleiben, ob dem ersten Grunde zuzustimmen wäre, namentlich ob bei der hier vorgesehenen Regelung der Vergütung nach einzelnen Leistungen von einem Dienstverhältnis mit festen Bezügen gesprochen werden könnte. Der zweite Grund trägt in jedem Falle die Entscheidung. Das Berufungsgericht führt aus: Der Vertrag mit dem Beklagten habe für fünf Jahre gelten sollen. Die Klägerin habe mit etwa dreißig Aerzten gleichlautende, ebenfalls für mehrere Jahre laufende Verträge abgeschlossen, um sich dadurch, wie dem Beklagten bekannt gewesen sei, einen festen Bestand von Aerzten für längere Zeit zu verpflichten und so die ärztliche Versorgung ihrer Mitglieder sicherzustellen. Unter diesen Umständen könne angenommen werden, daß beide Vertragsteile durch den Abschluß des fünfjährigen Vertrags zum Ausdruck bringen wollten, daß der Rechtssatz des § 627 für ihr Verhältnis nicht gelten solle. Diese Vertragsauslegung entspricht der Sachlage und gibt zu rechtlichen Bedenken keinen Anlaß. Sie steht auch nicht im Widerspruch mit dem Urteil des erkennenden Senats in RGZ. Bd. 80 S. 29. Die gegenteilige Meinung des Berufungsgerichts, das seinerseits dem Urteil des I. Zivilsenats in RGZ. ß d . 69 S. 363 folgen zu wollen erklärt, beruht auf einem Mißverständnis der ersteren Entscheidung. In dieser wird es für unzulässig erklärt, aus der Vereinbarung einer bestimmten Dienstzeit von längerer Dauer für sich allein zu folgern, daß die Vertragsteile das Kündigungsrecht des § 627 ausschließen wollen, und es wird weiter gesagt, zur Ausschließung der Vorschrift des § 627 bedürfe es eines klaren und bestimmten Ausdrucks des auf die Ausschließung dieser Bestimmung bewußt gerichteten Parteiwillens. Damit wurde aber nicht, wie das Berufungsgericht meint, eine ausdrückliche Vereinbarung des Inhalts für erforderlich erklärt, daß das Kündigungsrecht des § 627 ausgeschlossen sein solle. Es sollte nur nicht genügen, daß aüs irgendwelchen allgemeinen Umständen jene Ausschließung als im Sinne des Vertrags liegend angesehen werde, vielmehr die Feststellung notwendig sein, daß die Vertragsteile beim Abschlüsse des Vertrags das Kündigungsrecht des § 627 bewußt ausschließen wollten. Gerade dies stellt aber das Berufungsgericht mit seinen Ausführungen fest. Die Nichtanwendung des § 627 ist damit gerechtfertigt.
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RGZ. 106, 293 Kann eine Reinmachefrau wegen einer bei der Arbeit dnrch Verschulden einer mit ihr zusammen arbeitenden anderen Frau erlittenen Verletzung gegen den Arbeitgeber Schadensersatzansprüche aus §§ 618, 278 BGB. erheben? III. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 13. Februar 1923.
I. Landgericht III Berlin.
II. Kammergericht Berlin.
Am 12. Januar 1920 erlitt die Klägerin, die als Reinmachefrau bei der Beklagten beschäftigt war, beim Fensterreinigen in den Räumen der Beklagten einen Unfall. Eine andere Arbeiterin, Frau Bei., war daran, das Oberlichtfenster, das nicht mit Scharnieren, sondern nur mittels zweier Riegel im Fensterrahmen befestigt war, auszuhängen. Sie hatte bereits die beiden Riegel geöffnet, brachte aber die Arbeit nicht fertig und rief die Klägerin zu Hilfe, und verließ, ohne die Riegel wieder vorzuschieben, die Leiter. Wie nun die Klägerin sich anschickte, die Leiter zu besteigen, stürzte das Fenster herab und traf die Klägerin auf den Kopf. Wegen der vermögensrechtlichen Folge des Unfalls nimmt die Klägerin auf Grund der §§ 618, 278, 831 BGB. die Beklagte in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage ab; das Kammergericht erklärte den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Revision hatte Erfolg. Gründe: Der Berufungsrichter erachtet den Klaganspruch auf Grund der §§ 618, 278, nicht des § 831 iBGB. für begründet. Er nimmt an, daß die Beklagte selbst, d. h. ihre verfassungsmäßig berufenen Vertreter, es an der Erfüllung der ihr nach § 618 obliegenden Pflichten nicht haben fehlen lassen. Insbesondere rechnet es der Berufungsrichter nicht etwa der Beklagten zum Verschulden an, daß sich das Oberlichtfenster überhaupt in einem solchen Zustand befand, daß hierdurch der Unfall ermöglicht wurde. Dagegen stellt er fest, daß Frau Bei. durch ein schuldhaftes Versehen den Unfall der Klägerin herbeigeführt habe. Diese Feststellung läßt, möchte auch das Verschulden der Bei. nach den Umständen nicht eben hoch anzuschlagen sein, doch einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Für das Verschulden der Bei. erachtet nun der Berufungsrichter die Beklagte gemäß § 278 BGB. für haftbar, weil die Beklagte sich der Bei. als Gehilfin in Erfüllung der Pflicht aus § 618 BGB. bedient habe. In dieser Annahme kann dem Berufungsrichter rechtsgrundsätzlich nicht beigetreten werden. Die Pflicht, ihre Räume in gefahrlosem Zustand zu unterhalten, lag zwar der Beklagten allen in ihrem Dienst stehenden Personen, auch den Reinmachefrauen, gegenüber ob.
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Aber dieser Pflicht ist die Beklagte nach der Feststellung des Berufungsrichters, soviel an ihr lag, nachgekommen. Insoweit hatte die Bei. die Beklagte nicht in der Erfüllung einer dieser obliegenden Vertragspflicht zu vertreten. W e n n die Bei. bei ihrer Arbeit ein Versehen sich beigehen ließ und dadurch die Klägerin schädigte, so entstand hierdurch eine neue, selbständige Gefährdung, die die Bei. nicht mehr als Erfüllungsgehilfin der Beklagten gesetzt hat. Es kann nicht als im Sinn des Gesetzes gelegen angenommen werden, daß die Beklagte auf Grund des § 278 BGB. auch für solche Versehen einer Reinmachefrau haften sollte, die diese bei Gelegenheit ihrer Arbeit einer anderen Reinmachefrau zufügt. Dazu tritt folgende Erwägung: Nach der A r t und Weise, wie die Oberlichtfenster angebracht waren, war bei deren Herabnahme eine Gefährdung in der Richtung, daß ein Fenster, mit oder ohne Verschulden der arbeitenden Personen, herausfallen könnte, schlechterdings nicht vollständig zu vermeiden. Die Beklagte als Dienstberechtigte war zum Schutz ihrer Arbeitsleute nur soweit verpflichtet, als die Natur der Dienstleistung es gestattete. Die Beklagte hätte daher nicht gehaftet, wenn der Unfall die Bei. selbst betroffen hätte. Nach Lage des Falles kann es aber keinen Unterschied begründen, daß nicht die Bei., sondern die Klägerin von dem Unfall betroffen worden ist. Auch die Klägerin war, mochte sie auch unmittelbar Vor dem Unfall mit einer anderen Arbeit befaßt gewesen sein und nur zur Unterstützung der Bei. eingegriffen haben, doch zu Verrichtungen der in Rede stehenden Art angestellt und hat daher gleichfalls die dieser Dienstleistung eigentümlichen Gefahren selbst zu tragen. Anders verhielte es sich, wenn ein sonstiger Arbeitnehmer der Beklagten, der mit den Reinigungsarbeiten nichts zu tun hatte, bei gelegentlichem Vorbeigehen von dem Unfall betroffen worden wäre; dieses vom Berufungsrichter herlangezogene Beispiel paßt daher nicht. RGZ. 110, 297 Ist die Verheiratung einer wichtiger Grund zur Kündigung?
weiblichen
RV. Art. 128. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht H a n n o v e r .
Dauerangestellten
ein
BGB. § 626.
Urt. v. 17. März 1925. II. Oberlandesgericht
Celle
Die Klägerin ist seit 1. Mai 1913 im Betriebe des städtischen Elektrizitätswerks in H. als sogenannte Dauerangestellte im Bürodienst beschäftigt gewesen. Die vertragliche Kündigungsfrist war auf einen Monat festgesetzt, jedoch hat die städtische Finanzkommission
Dienstvertrag
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am 25. November 1919 beschlossen, „den dauernd Angestellten einen rechtlichen Anspruch auf Ruhegeld, Witwen- und Waisenversorgung zuzugestehen und für die Kündigung vorzuschreiben, daß sie nur geschehen darf, wenn ein wichtiger Grund vorliegt". Die Klägerin hat sich am 9. September 1922 verheiratet. Daraufhin ist ihr am 1. Dezember 1923 zum 1. Januar 1924 gekündigt worden. Unter Bezugnahme auf Art. 128 der Reichsverfassung bestreitet sie die Rechtswirksamkeit der Kündigung und fordert Zahlung des Gehalts für das J a h r 1923 mit 300 000 M. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision konnte keinen Erfolg haben aus folgenden Gründen: Die Revision wendet sich in erster Linie gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis ein rein privatrechtliches gewesen sei. Sie weist auf das preußische Gesetz vom 8. J u l i 1920 und den Beschluß der städtischen Finanzkommission vom 25. November 1919 hin, durch welche die Dauerangestellten in wesentlichen Punkten den Beamten gleichgestellt worden seien, und meint, bei der Grundeinstellung der Gesetzgebung und des Volksempfindens für die völlige Gleichstellung von Mann und Frau, die auch bei den Behörden der Beklagten geherrscht habe, müsse angenommen werden, daß auch im Sinne der Parteien die weiblichen Dauerangestellten auch bezüglich der Verheiratung den Beamten und jedenfalls den männlichen Dauerangestellten hätten gleichgestellt werden sollen; die Verheiratung sei danach als wichtiger Grund zur Kündigung nicht anzusehen. Dem kann nicht beigetreten werden. Die Revision geht anscheinend selbst davon aus, daß ursprünglich nur ein privatrechtliches Dienstverhältnis geschlossen gewesen sei, meint aber, es sei durch die späteren, die Gleichstellung der Dauerangestellten mit den Beamten in wesentlichen Punkten herbeiführenden Vorschriften in seiner Rechtsnatur geändert worden. Dabei verkennt sie aber, daß Ansprüche auf Ruhegehalt, Witwen- und Waisenversorgung, Bemessung des Lohnes nach den Sätzen der Staatsbeamten mit Privatdienstverträgen ohne weiteres vereinbar und in ihnen häufig festgelegt sind, daß aber auch die Stellung und die Rechte eines Beamten nur durch ausdrückliche Verleihung erworben werden. Gerade hiervon ist aber im vorliegenden Falle keine Rede. Der Beschluß der Finanzkommission gibt zwar den Dauerangestellten Rechte auf Ruhegehalt usw., wie sie auch den Beamten zustehen, läßt aber im übrigen ihre Stellung unverändert und macht nach wie vor zu 6 einen Unterschied zwischen ihnen und Beamten. Und das Gesetz betreffend vorläufige Regelung verschiedener Punkte des Gemeindebeamtenrechts vom 8. J u l i 1920 (GS.
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Schuldrecht, Besonderer Teil
S. 383) regelt im Anschluß an das preußische Besoldungsgesetz vom 7. Mai 1920 (GS. S. 191) nur die Angleichung der Bezüge der Gemeindebeamten, ständig Angestellten und Anwärter an die der Staatsbeamten und findet nach § 1 Abs. 4 nur auf die nach Gemeindebeschluß den Beamten gleichzuachtenden ständig Angestellten und Anwärter Anwendung, aber auch nur unter Ausschluß von Ruhegehalt und Witwen- und Waisenversorgung. Ob die Klägerin unter diese nach Gemeindebeschluß den Beamten gleichzuachtenden ständig Angestellten zu zählen ist, und ob das Gesetz überhaupt die Stellung von Gemeindebeamten zu ändern in der Lage war, kann dahingestellt bleiben, jedenfalls hat es darin nichts geändert. Nun versucht die Revision, aus dem Beschlüsse der Finanzkommission in Verbindung mit dem Volksempfinden und der poltischen Einstellung der Behörde der Beklagten einen Sinn, d. h. einen Willen der Parteien nach der Richtung herzuleiten, daß die Verheiratung einer weiblichen Dauerangestellten nicht als wichtiger Grund zur Kündigung habe angesehen werden sollen. Selbst wenn man annehmen wollte, daß im Falle einer einseitigen, die Verhältnisse der Angestellten regelnden Anordnung einer Behörde von einem Willen der Parteien überhaupt die Rede sein kann, so fehlt es doch an jedem Anhalte dafür, daß er auf Seiten der Beklagten vorhanden war. Die Behauptung der Revision, daß ihre Behörden sich politisch und organisatorisch für die volle Gleichstellung der Frau mit dem Manne eingesetzt hätten, ist tatsächlich und neu, also in der Revisionsinstanz nicht zu beachten. Aus dem Beschlüsse selbst ergibt sich ein dahingehender Wille der Beklagten nicht, obwohl es selbstverständlich gewesen wäre, ihn zu Absatz c, der den wichtigen Grund als Voraussetzung der Kündigung vorschreibt, zum Ausdruck zu bringen, wenn er vorhanden gewesen wäre. Und zum Ueberfluß stellt das Berufungsurteil noch fest, er sei nur gefaßt worden, um eine Befreiung von der Angestelltenversdcherung herbeizuführen. Hieraus ergibt sich einmal, daß zwischen den Parteien nur ein privatrechtliches Dienstverhältnis besteht, das der Klägerin kein Recht gibt, sich auf Art. 128 RV. zu berufen, dann aber auch, daß von einem die Verheiratung einer weiblichen Dauerangestellten als wichtigen Grund zur Kündigung ausschließenden Parteiwillen nicht die Rede sein kann. Mit Recht hat also das Berufungsgericht die Entscheidung darauf abgestellt, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB. vorliegt, m. a. W. ob der Beklagten nach verständigem Ermessen unter den obwaltenden Umständen die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann (RGK. § 626 Anm. 1). Die Frage hat es bejaht. Durch die Verheiratung habe die Klägerin sich in eine Lage versetzt, die sie nach dem sittlichen Zweck der Ehe und dem gewöhnlichen Verlitufe der Natur bei Schwanger-
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Schaft und nach der Geburt ganz oder teilweise an der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit hindern werde. Auch ohne dies werde ihre Arbeitskraft für die täglich 8 bis 10 Stunden dauernde berufliche Tätigkeit durch die hinzutretende Inanspruchnahme als Hausfrau beeinträchtigt. Die Beklagte müsse auf eine Erzielung gewisser Durchschnittsleistungen ihrer Angestellten halten, eine Herabsetzung aus Entgegenkommen gegen einzelne Angestellte stelle die notwendige Gesamtleistung in Frage. Daß im einzelnen Falle vielleicht die Behinderung nicht eintrete, sei belanglos. Bei etwa 2000 weiblichen Dauerangestellten müsse die Beklagte gerade in der Zeit der Herabsetzung der Gehälter mit einer Häufung der Verheiratungen rechnen. Damit werde die Prüfimg, ob und wann die Tätigkeit einer Verheirateten nachlasse, derart erschwert und fast unmöglich gemacht, daß sie jedenfalls bei einer Tätigkeit, wie sie die Klägerin ausübe, die Verheiratung als solche als wichtigen Grund zur Kündigung benutzen dürfe, weil sie eben die Herabsetzung der Leistungsfähigkeit wahrscheinlich mache. Dazu träten bevölkerungs- und sozialpolitische Erwägungen. Die 8- ¡bis lOstündige Arbeitszeit müsse bei etwaiger Schwangerschaft den Gesundheitszustand der Klägerin und des Kindes ungünstig beeinflussen. Bei der augenblicklich herrschenden Arbeitslosigkeit sei es aber auch angebracht, verheiratete Frauen, die ihre Männer nicht zu unterhalten brauchten, zu entlassen, um für Arbeitslose Platz zu schaffen. (Folgen Ausführungen betreffs der Zahl der weiblichen Dauerangestellten der Beklagten. . . .) Ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB. vorliegt, ist im wesentlichen Tatfrage. In der Revisionsinstanz ist nur nachzuprüfen, ob in abstracto ein bestimmtes Handeln, eine bestimmte Eigenschaft oder ein bestimmtes Ereignis einen wichtigen Grund zur Auflösung eines Dienstverhältnisses bilden kann (RGZ. Bd. 78 S. 22). Und das ist für den Fall der Verheiratung einer weiblichen Angestellten ohne weiteres zu bejahen. Für den Arbeitgeber bedeutet die ununterbrochene Tätigkeit seiner Angestellten und die Bewältigung der den einzelnen zugewiesenen Aufgaben ein lebenswichtiges Moment für die Aufrechterhaltung eines ordnungsmäßigen Betriebes. Ein Abgehen von diesem Grundsatze hätte unvermeidliche Störungen der Geschäftsführung, aber auch eine Mehrbelastung der übrigen Angestellten und finanzielle Nachteile im Gefolge, die auf sich zu nehmen ihm nicht zugemutet werden kann. Im Interesse einer reibungslosen Abwicklung der Geschäfte liegt es aber auch, daß er den Eintritt von Störungen nicht erst abwartet, sondern rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen trifft, um sie, wenn sie in erheblichem Umfange und nach dem ge-
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wohnlichen L a u f e der Dinge zu e r w a r t e n sind, zu vermeiden. Daß diese Voraussetzungen bei der V e r h e i r a t u n g einer weiblichen Angestellten f ü r den vorliegenden F a l l gegeben sind, hat das Berufungsgericht z u t r e f f e n d dargelegt. Dazu k o m m t noch, daß die Beklagte als Stadtgemeinde auch soziale Pflichten u n d besondere Rücksicht auf die herrschende Arbeitslosigkeit zu nehmen hat, ein S t a n d p u n k t , den auch die R e i c h s p e r s o n a l a b b a u v e r o r d n u n g a u s d r ü c k l i c h vertritt. Der einzige E i n w a n d , den die Revision zu diesem P u n k t e erhoben hat, d a ß nämlich eine Verhinderung der Klägerin in der W a h r n e h m u n g ihrer Tätigkeit durch E i n t r i t t der Folgen der Verheiratung ungewiß sei, kommt nach Vorstehendem nicht in Betracht. Der weitere Einwand, daß die E r s c h w e r u n g der Verheiratung die weibliche Angestellte auf den Weg d e r außerehelichen Lebensgemeinschaft dränge, ist nicht geeignet, ein Abgehen von den oben entwickelten G r u n d s ä t z e n zu rechtfertigen.
RGZ. 111, 22 Welche Schadensersatzansprüche stehen den Hinterbliebenen eines Beamten zu, dessen Tod dadurch herbeigeführt worden ist, daß der Staat die ihm seinen Beamten gegenüber obliegende Fürsorgepflicht verletzt hat? BGB. §§ 618 Abs. 3, 844 Abs. 2 im öffentlichen Recht. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht I Berlin.
Urt. v. 12. Mai 1925. II. Kammergericht daselbst.
Der P o l i z e i w a c h t m e i s t e r A . in Berlin ist an L u n g e n t u b e r k u l o s e g e s t o r b e n . Die Kläger, seine W i t w e u n d Kinder, b e h a u p t e n , seine E r k r a n k u n g sei auf A n s t e c k u n g durch einen der gleichen K r a n k h e i t e r l e g e n e n P o l i z e i b e a m t e n z u r ü c k z u f ü h r e n , mit dem der V e r s t o r b e n e z u s a m m e n zu a r b e i t e n h a t t e ; der B e k l a g t e h a b e es unterlassen, die g e b o t e n e n M a ß n a h m e n gegen eine solche A n s t e c k u n g zu treffen. Die von den Klägern e r h o b e n e n S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e sind von den V o r i n s t a n z e n f ü r b e g r ü n d e t e r k l ä r t w o r d e n . Die Revision des Bek l a g t e n h a t t e nur in N e b e n p u n k t e n Erfolg. A u s den
Gründen:
Die R e c h t s p r e c h u n g des Reichsgerichts (vgl. RGZ. Bd. 97 S. 44) h a t aus § 618 BGB. einen allgemeinen R e c h t s g e d a n k e n entnommen, d e r in seiner A n w e n d u n g auf d a s öffentlichrechtliche B e a m t e n v e r h ä l t nis ergibt, daß d e m S t a a t e seinen B e a m t e n g e g e n ü b e r eine F ü r s o r g e pflicht obliegt, d e r e n v o r s ä t z l i c h e o d e r fahrlässige A u ß e r a c h t l a s s u n g ihn schadensersatzpflichtig m a c h t . Diese S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t trifft ihn, w e n n die s c h u l d h a f t e Verletzung d e r Fürsorgepflicht den T o d des B e a m t e n h e r b e i g e f ü h r t hat, g e g e n ü b e r dessen u n t e r h a l t s b e r e c h t i g t e n
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Hinterbliebenen. Die Regelung, die in dieser Hinsicht für den privatrechtlichen Dienstvertrag der § 618 Abs. 3 in Verbindung mit § 844 Abs. 2 BGB. gibt, wiederum als allgemeingültig aufzufassen und sie zur Ausfüllung der sich im positiven öffentlichen Rechte findenden Lücke zu verwenden, bestehen keine Bedenken. Die Witwen- und Waisengelder, die die Beamtenhinterbliebenen kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift erhalten, dienen nicht zugleich zur Abgeltung des Schadens, den sie durch den schuldhafterweise verursachten Tod ihres Ernährers erleiden. Soweit der Schaden durch die gesetzlichen Versorgungsbezüge nicht ausgeglichen wird, hat ihn der Staat als Folge seiner schuldhaften Pflichtverletzung zu tragen. Allerdings erstreckt sich seine Verpflichtung nicht auf volle Ersatzleistung. Vielmehr liegt dem geltenden Recht, wie die angeführten Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs erkennen lassen, der Gedanke zugrunde, daß den Hinterbliebenen einer durch Verschulden eines Dritten zu Tode gekommenen Person nur dafür Ersatz geleistet werden soll, daß ihnen durch das Ableben des Unterhaltsverpflichteten das Recht auf Unterhalt entzogen worden ist. Diese Begrenzung muß auch gelten im Verhältnis des Staates zu den schadensersatzberechtigten Beamtenhinterbliebenen. Ein Schadensersatzanspruch kann ihnen nur im Rahmen des § 844 BGB. zugebilligt werden. . . . RGZ. 112, 34 Macht sich der Verleger einer Zeitung stets einer Vertragsverletzung schuldig, wenn er wider Willen des Hauptschriltleiters ein neues Mitglied in die Schriitleitung beruft oder ihm gar einen Stellvertreter beiordnet? BGB. §§ 626, 628 Abs. 2. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht I Berlin.
Urt. v. 27. Oktober 1925. II. Kamniergericht daselbst.
Der Kläger war vom 1. Oktober 1920 an auf die Dauer von 5 Jahren als Hauptschriftleiter der Deutschen Allgemeinen Zeitung mit der Verpflichtung angestellt worden, sie „im Rahmen der mit der Deutschen Reichsregierung und der Preußischen Staatsregierung bestehenden Verträge in nationalem Sinne zu führen und nach bestem Können zu einem großen Nachrichtenblatt zu entwickeln". Ende Mai 1922 wurde Professor L., der damals noch Mitglied der sozialdemokratischen Partei war, von der Eigentümerin der Zeitung, der Beklagten, zum Stellvertreter des Klägers und Chef vom Dienste ernannt. Der Kläger behauptet, daß das gegen seinen Widerspruch geschehen und deshalb vertragswidrig sei. Er nahm zunächst Urlaub bis zum 7. August 1922 und trat nach dessen Ablauf seine 4 Zivils. Sdiuldrccbt 7
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Stellung bei der Beklagten nicht wieder an. Nunmehr verlangt e r klagend die Nachzahlung seines Gehalts für die Zeit vom 7. bis 31. August 1922. Die Beklagte wendete ein, daß der Kläger nach anfänglichem Sträuben die Berufung des L. gebilligt habe, und beantragte w i d e r k l a g e n d die Feststellung, daß dem Kläger für die Zeit nach dem 7. August 1922 keine Ansprüche gegen sie zustehen. Das Landgericht und das Kammergericht gaben unter Abweisung der Klage dem W i d e r k l a g e b e g e h r e n statt. Die Revision des K l ä g e r s blieb ohne Erfolg. Gründe: Die Parteien streiten in erster Reihe darüber, ob der Kläger der Ernennung des Professors L. zu seinem S t e l l v e r t r e t e r zugestimmt oder nicht zugestimmt habe. Da das Kammergericht diese F r a g e nicht entschieden hat, ist für die Revisionsinstanz davon auszugehen, daß er seine Zustimmung versagt hat. Für diesen Fall erblickt die Revision, obwohl der Anstellungsvertrag des Klägers keine ausdrückliche Bestimmung über seine Mitwirkung bei der Berufung von Schriftleitungsmitgliedern enthält, im Gegensatze zum Kammergericht in dem Vorgehen der Beklagten eine grobe Vertragswidrigkeit. Dem kann nicht beigestimmt werden. Das Vertragsverhältnis d e r Parteien ist ein Dienstvertrag und untersteht w i e jedes andere Vertragsverhältnis der Herrschaft von Treu und Glauben, selbstverständlich unter Berücksichtigung der Eigenart eines Zeitungslinternehmens. Ein solches verfolgt nicht nur rein wirtschaftliche Zwecke, es soll auch den politischen Interessen des L e s e r k r e i s e s dienen und dessen geistigen Bedürfnissen nach verschiedenen Richtungen hin gerecht werden. Zur Erfüllung dieser Aufgabe, deren Bewältigung dem Verleger — zum mindesten allein — in der Regel nicht möglich ist, beruft er als seine Gehilfen Schriftleiter, an deren Spitze bei großen Zeitungen ein Hauptschriftleiter zu stehen pflegt. Für den Inhalt der Zeitung ist dieser — ganz abgesehen von seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit — dem Verleger vertraglich und den Zeitungsbeziehern moralisch verantwortlich. Die wirtschaftliche Gefahr des Unternehmens trägt aber der Verleger allein, und daher liegt es letzten Endes ihm ob, den notwendigen Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen und den idealen Aufgaben des Unternehmens, zwischen seinen materiellen Interessen und den geistigen Interessen der Leser aufrechtzuerhalten. Er ist der Herr des Unternehmens und hat die Richtlinien zu bestimmen, innerhalb deren d e r Hauptschriftleiter den Inhalt der Zeitung zu gestalten und ihrem Charakter Rechnung zu tragen hat. Im übrigen wird er dem Hauptschriftleiter in reichem Maße Bewegungsfreiheit einräumen und auch bei der W a h l der Mitarbeiter auf seine Wünsche möglichst R ü c k sicht nehmen. Denn eine gedeihliche Entwicklung des Unternehmens nach der wirtschaftlichen und idealen Seite, die beide eng zusammen-
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hängen und auch bei der Entscheidung des R e c h t s s t r e i t s nicht voneinander getrennt werden dürfen, ist nur bei gutem E i n v e r n e h m e n und vertrauensvollem Zusammenarbeiten von V e r l e g e r und Hauptschriftleiter denkbar. Alles das rechtfertigt aber nicht den Ausgangspunkt des Klägers, daß es einem V e r l e g e r g r u n d s ä t z l i c h v e r sagt sei, dem Hauptschriftleiter wider dessen Willen einen M i t a r b e i t e r oder gar einen S t e l l v e r t r e t e r an die S e i t e zu setzen. Ein s o l c h e r R e c h t s s a t z läßt sich aus dem W e s e n eines Zeitungsverlags und der Stellung, welche der Hauptschriftleiter in ihm einnimmt, nicht herleiten. Anderseits braucht dieser die Anstellung eines S t e l l v e r t r e t e r s dann sich nicht gefallen zu lassen, wenn dessen M i t a r b e i t e r s c h a f t nach allgemeinen Erfalirungssätzen oder den besonderen Umständen des F a l l e s mit der bisher verfolgten politischen, künstlerischen oder literarischen Richtung der Zeitung unvereinbar und wenn ihm, dem Hauptschriftleiter, als c h a r a k t e r v o l l e m Manne deshalb oder aus anderen wichtigen Gründen ein Zusammenarbeiten mit dem neuen Schriftleitungsmitgliede bei verständiger Würdigung der S a c h l a g e nach T r e u und Glauben nicht zuzumuten ist. U e b e r die wirtschaftliche Notwendigkeit oder Z w e c k m ä ß i g k e i t der Neueinstellung eines Schriftleiters, auch eines V e r t r e t e r s des Hauptschriftleiters hat daher grundsätzlich der V e r l e g e r zu befinden. K o m m t zwischen ihm und dem Hauptschriftleiter eine — wie schon betont, im Interesse des Unternehmens liegende — Einigung über die P e r s o n des Anzustellenden nicht zustande, so muß auch hier schließlich der W i l l e des V e r l e g e r s den Ausschlag geben. Nur wenn er u n t e r Nichtachtung objektiv b e r e c h t i g t e r B e d e n k e n und Einwände des Hauptschriftleiters in die Schriftleitung eine Persönlichkeit beruft, d e r e n W a h l dem Geiste des mit dem Hauptschriftleiter getätigten V e r t r a g s offenbar zuwiderläuft und ihm die Erfüllung seiner V e r t r a g s pflichten ungebührlich e r s c h w e r t oder gar unmöglich macht, hat dieser A n l a ß zur Kündigung (§ 6 2 6 B G B . ) . A b e r nur wenn das V e r h a l t e n des V e r l e g e r s nicht bloß eine objektive, sondern auch eine s u b j e k t i v schuldhafte Gefährdung d e r Vertragsgrundlagen und des V e r t r a g s z w e c k s darstellt, kann dem Hauptschriftleiter als Folge seiner a u ß e r ordentlichen Kündigung auch ein Anspruch auf Schadensersatz zugebilligt werden (§ 628 A b s . 2 B G B . ) . O b die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs gegeben sind, kann daher nur nach Lage des Einzelfalls beurteilt und entschieden werden. A n sich mußte sich also der K l ä g e r die von der B e k l a g t e n im I n t e r e s s e des Zeitungsunternehmens für notwendig e r a c h t e t e B e i ordnung eines Stellvertreters, m o c h t e sie ihm auch noch so unangenehm sein, gefallen lassen. Nur in der Personenfrage konnte er — möglicherweise ausschlaggebend — seine Stimme zur Geltung bringen. Den Professor L. glaubte der K l ä g e r ablehnen zu dürfen, 4'
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weil ihm die Leitung der Deutschen Allgemeinen Zeitung in nationalem Sinne zur vertraglichen Pflicht gemacht und L . zur Zeit seiner Ernennung zum stellvertretenden Hauptschriftleiter noch eingeschrieb e n e s Mitglied der sozialdemokratischen P a r t e i gewesen sei. Sozialdemokratisch und national sind jedoch nicht notwendig Gegensätze. Die Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen P a r t e i schließt Vaterlandsliebe und nationales Denken und Fühlen keineswegs aus. Nun erwägt das Kammergericht allerdings weiter, daß — von dem nationalen Charakter der Deutschen Allgemeinen Zeitung abgesehen — die in ihr veröffentlichten politischen und wirtschaftlichen G e d a n k e n den politischen und wirtschaftlichen Zielen der Sozialdemokratie vielfach widersprachen. Von Professor L. war aber schon vor 1922 allgemein bekannt, daß er als Schriftsteller namentlich auf wirtschaftlichem G e b i e t e Ansichten vertrat, die von dem sozialdemokratischen Parteiprogramm erheblich abwichen. D e r Kläger selbst h a t t e den Professor L., ohne an seiner Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei Anstoß zu nehmen, bereits im J a h r e 1920 zur Mitarbeit an der Deutschen Allgemeinen Zeitung herangezogen und in ihr viele seiner Aufsätze veröffentlicht. Während dieser Zusammenarbeit sind nach der Feststellung des Kammergerichts Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und L. in politischen oder wirtschaftlichen Fragen niemals zutage getreten. Das Verhältnis des L. zu der Schriftleitung der Deutschen Allgemeinen Zeitung gestaltete sich im Gegenteil mit der Zeit so eng, daß er, noch bevor er im Mai 1922 Mitglied der Schriftleitung wurde, mit Wissen und Billigung des Klägers ein Arbeitszimmer in dem Zeitungsgebäude und das R e c h t erhielt, an den Sitzungen der Schriftleitung teilzunehmen. W e n n die B e k l a g t e unter diesen Umständen nach ergebnislosen Verhandlungen mit dem Kläger schließlich dazu schritt, gegen dessen Willen den L. zum S t e l l v e r t r e t e r des Hauptschriftleiters zu ernennen, so kann ihr der Vorwurf einer subjektiv schuldhaften Vertragsverletzung nicht gemacht werden. Denn Tatsachen, welche die Fähigkeit des L. zur Bekleidung der ihm verliehenen Stelle zweifelhaft erscheinen lassen oder die Befürchtung rechtfertigen, L. werde nunmehr den Inhalt der Zeitung in sozialdemokratischem Sinne beeinflussen, hat der Kläger auch im Prozesse nicht vorgetragen. Die Beklagte, welche die subjektiven B e d e n k e n des Klägers nach der ganzen Sachlage nicht zu teilen vermochte, durfte also, wie das Kammergericht zutreffend ausführt, mit Fug und R e c h t von dem Kläger verlangen, daß er wenigstens den Versuch mache, mit L. auch in dessen neuer Stellung weiter zusammenzuarbeiten. Erst dieser Versuch konnte erweisen, ob ein solches Zusammenarbeiten im Gegensatze zu den bisherigen E r fahrungen Zumutungen an ihn stellte, die mit berechtigten E h r b e griffen, seinen Vertragsrechten oder den Grundsätzen von T r e u und
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Glauben unverträglich waren. Da der Kläger das Verhalten des L. als Vertreters des Hauptschriftleiters nicht abgewartet, sondern sein Ausscheiden aus der Schriftleitung vorgezogen hat, läßt sich die Entscheidung des Kammergerichts nicht beanstanden. RGZ. 122, 38 Ueber Kündigung und Entlassung beim Dienstvertrag. BGB. § 626. II. Z i v i I s e n a t. Urt. v. 18. September 1928. I. Landgericht Hamburg.
II. Oberlandesgericht daselbst.
Der Beklagte war Gesellschafter und Mitgründer der klagenden Gesellschaft mbH. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 31. Januar 1921 war er auch Mitgeschäftsführer. Ein Widerruf der Bestellung hierzu sollte nur aus wichtigem Grunde zulässig sein. Dieselbe Klausel enthält auch der mit ihm am gleichen Tag abgeschlossene Anstellungsvertrag; nach diesem sollte das Vertragsvexhältnis zunächst „bis zum 31. Dezember 1925 bzw. für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft mbH." gelten. Auf Drängen des Aufsichtsrats der Klägerin hat der Beklagte seinen Posten als Geschäftsführer zum 1. Juli 1922 niedergelegt, ist aber weiter als Chemiker bei der Klägerin tätig gewesen. Diese hat ihm zum 1. Oktober 1924 gekündigt. Der Beklagte bestreitet unter Berufung auf den Anstellungsvertrag vom 31. Januar 1921 die Wirksamkeit der Kündigung und hat in einem im Dezember 1924 anhängig gewordenen Vorprozeß von der jetzigen Klägerin u. a. Zahlung von 500 RM. als Gehalt für den Monat Oktober 1924 verlangt. Mit diesem Verlangen hat er beim Landgericht und beim Oberlandesgericht obgesiegt. Unter Bezugnahme hierauf hat er mit Schreiben vom 13. Dezember 1926 für die Zeit vom November 1924 bis Dezember 1926 weitere Gehaltsansprüche an die Klägerin gestellt. Diese hat daraufhin negative Feststellungsklage erhoben, während der Beklagte widerklagend Gehalt für den genannten Zeitraum fordert. Die Klägerin vertritt den Standpunkt, daß ihre Kündigung zum 1. Oktober 1924 zu Recht erfolgt sei, weil die Kündigungsbeschränkungen des Vertrags vom 31. Januar 1921, wie dieser Vertrag überhaupt, nur für das Anstellungsverhältnis des Beklagten als Geschäftsführer gegolten hätten. Sie will weiter aus einem Brief des Beklagten vom 10. November 1924 an ihre Aufsichtsratsmitglieder wegen darin enthaltener grober Beleidigungen ihres Geschäftsführers einen wichtigen Grund zu sofortiger Kündigung herleiten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Der zweite Richter erblickt in dem Brief vom 10. No-
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v e m b e r 1924 einen wichtigen Grund zur sofortigen Entlassung des Beklagten und will daher die Kündigung der Klägerin mit diesem Tag wirksam w e r d e n lassen. Er hat dem Beklagten noch das Gehalt bis zum 10. November 1924 zugesprochen, im übrigen unter Abweisung der Widerklage dem Klagantrag gemäß erkannt. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: (Zunächst w e r d e n die Ausführungen des Berufungsgerichts darüber gebilligt, daß das ordentliche Kündigungsrecht der Klägerin vertraglich ausgeschlossen g e w e s e n sei, daß ihr dagegen der Rechtsbehelf der sofortigen Kündigung aus wichtigem Grunde offengestanden habe und daß der Brief vom 10. N o v e m b e r 1924 an und für sich einen solchen wichtigen Grund darbiete. Dann wird fortgefahren:) Dagegen rügt die Revision mit Recht, daß der Berufungsrichter den Dienstvertrag als mit dem 10. November 1924 gelöst ansehe, obwohl sich die Klägerin auf den beleidigenden Brief als Kündigungsgrund dem Beklagten gegenüber erstmals in einem Schriftsatz vom 28. Januar 1927 berufen habe. Bis dahin hatte sich der Streit der Parteien in der Tat nur um die Wirksamkeit der von der Klägerin zum 1. Oktober 1924 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung gedreht; auch die jetzige Klage war ursprünglich nur darauf gestützt. Eline Entlassung aus wichtigem Grunde hat die Klägerin dem Beklagten vor dem 28. Januar 1927 nicht erklärt, jedenfalls nicht ausdrücklich. Nun ist allerdings in der Erklärung einer sog. sofortigen Kündigung, falls sie als solche unberechtigt ist, für die Regel wenigstens eine ordentliche Kündigung auf den nächst zulässigen Termin zu erblicken. A u c h können zur Rechtfertigung einer Entlassung andere als die ursprünglich geltend gemachten Umstände, sogar nachträglich eingetretene, verwertet werden (RGZ. Bd. 88 S. 127). Keiner dieser beiden Fälle liegt jedoch hier vor. Es handelt sich vielmehr darum, daß im Festhalten an der ordentlichen Kündigung und der darauf gestützten Einstellung der vertraglichen Leistungen der Klägerin zugleich die Geltendmachung eines erst später eingetretenen Entlassungsgrundes liegen soll mit der Folge, daß sich der Dienstvertrag im Zeitpunkt des Eintritts eines solchen Grundes ohne w e i t e r e s auflöse. D e m kann nicht zugestimmt werden. Auch das Berufungsgericht verkennt nicht, daß das Vorliegen eines wichtigen Grundes das Dienstverhältnis nicht von selbst auflöst, daß es dazu vielmehr einer Erklärung gegenüber dem Dienstverpflichteten bedarf, die sich als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt. Es ist ferner durchaus dem Ermessen des Dienstberechtigten überlassen, ob er v o n einer solchen Möglichkeit der Entlassung Gebrauch
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machen will. Soll dies der Fall sein, so muß er es dem andern Teil gegenüber unzweideutig zum Ausdruck bringen; erst mit dem Zeitpunkt, in dem dies geschehen ist, löst sich das Dienstverhältnis auf. Eine solche Entlassung kann allerdings auch durch schlüssige Handlungen erfolgen. Dazu reichen aber die festgestellten Tatsachen (fristgerechte Kündigung, Festhalten an ihr trotz Bestreitens des Gegners, Einstellung der Gehaltszahlungen) nicht aus. Solange sich die Klägerin nur auf ihre ordentliche Kündigung berief, durfte der Beklagte diese im Hinblick auf den Anstellungsvertrag für wirkungslos und die Klägerin wegen der Folgen dieser (auch nach Ansicht des Berufungsgerichts) ungerechtfertigten Kündigung für verantwortlich halten. Er hatte keine Veranlassung, sich auf eine sofortige Entlassung einzurichten und hiergegen Stellung zu nehmen. Es würde eine sachlich nicht gerechtfertigte Verschlechterung seiner Rechtslage bedeuten, wenn sich die Klägerin nach jahrelangem Streit über die Wirksamkeit ihrer Kündigung zum 1. Oktober 1924 auf den ihr von Anfang an bekannt gewesenen Brief des Beklagten vom 10. November 1924 als Grund zur sofortigen Kündigung berufen könnte mit der Folge, daß nun der Dienstvertrag als mit dem 10. November 1924 aufgelöst zu gelten hätte. Den Umstand, daß die Klägerin mit diesem Grund und Rechtsbehelf bisher nicht hervorgetreten ist, konnte der Beklagte trotz der Kampfstellung der Parteien sehr wohl so deuten, daß sie aus Erwägungen irgendwelcher Art nicht darauf zurückkommen wolle. Jedenfalls fehlt es für die Zeit bis zum Zugehen des Schriftsatzes vom 28. Januar 1927 an einer unzweideutigen Verlautbarung gegenüber dem Beklagten. Soweit in diesem Schriftsatz eine solche Erklärung enthalten ist, könnte sie bestenfalls für die Zeit nach ihrem Zugehen an den Beklagten wirksam sein, keinesfalls aber auf den Tag des Eintritts des Entlassungsgrundes zurückwirken (RGU. vom 24. November 1926 I 20 26, Recht 1927 S. 18 Nr. 28). Die Revision hat aber auch damit recht, daß die Klägerin auf den Brief vom 10. November 1924 überhaupt nicht mehr zurückgreifen kann. Sofortige Geltendmachung eines wichtigen Grundes zur Entlassung ist freilich nicht vorgeschrieben (RGZ. Bd. 56 S. 373). Die Ausübung eines so tief in die Belange des Gegners einschneidenden Rechtsbehelfs untersteht aber den Grundsätzen von Treu und Glauben (RGZ. Bd. 94 S. 166). Mit diesen wäre es unvereinbar, wenn die Klägerin, w i e sie es jetzt will, die Entlassung noch auf einen Grund stützen könnte, der im Januar 1927 schon über 2 J a h r e zurücklag, von dem sie, wie der Beklagte wußte, alsbald Kenntnis erlangt hatte und an dessen früherer, wenigstens fürsorglicher, Geltendmachung sie in keiner Weise gehindert war. Der Umstand, daß die Klägerin schon seit Ende 1924 mit dem Beklagten über die Rechtswirksamkeit
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ihrer ordentlichen Kündigung im Prozeß gelegen und die Gehaltszahlungen seit Ende September 1924 eingestellt hatte, vermag hieran nichts zu ändern. RGZ. 123, 216*) 1. Ueber die Ausübung des Entlassungsrechts beim Dienstvertrag. 2. Zur Haftung der juristischen Person für Verschulden von Angestellten. ^ ^ ß 0 ß §§ ^ II. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 21. Dezember 1928.
I. Landgericht I Berlin.
II. Kammergericht daselbst.
Der Kläger war seit dem 1. April 1908 von der Beklagten als Ingenieur und Geschäftsführer (Leiter) der Gerätebeschaffungsstelle, einer Unterabteilung der 9. Geräteabteilung, angestellt. Zum 31. März 1926 wurde ihm mit der vertraglichen Frist gekündigt. Nach seinem Anstellungsvertrag hat er einen Anspruch auf Ruhegehalt, der nach dem Vertrag zwischen der Beklagten und ihren oberen Beamten und nach seinem Dienstalter zur Zeit monatlich 633,30 RM. beträgt. Die Beklagte macht aus der Geschäftsführung des Klägers bei Kaufgeschäften mit der im November 1925 in Konkurs geratenen Aktiengesellschaft für motorische Bodenbearbeitung einen Schadensersatzanspruch von mindestens 100 000 RM. gegen den Kläger geltend. Sie hat ihm deswegen die Wirtschaftsbeihilfen für Oktober 1925 und Januar 1926, sowie das vertragsmäßige Weihnachtsgeld für 1925, insgesamt 1558,33 RM., nicht gewährt und will ihm bis zur Tilgung der Schadensersatzschuld den pfändbaren Teil seines Ruhegehalts abziehen. Demgemäß hat sie ihm für die ersten 3 Monate nach seiner am 1. April 1926 erfolgten Zurruhesetzung den Betrag von 1540,10 RM. nicht ausgezahlt. Der Klager hat auf Zahlung der beiden Beträge von 1558,33 RM. und 1540,10 RM., zusammen 3098,43 RM., geklagt und die Feststellung beantragt, daß die 'Beklagte verpflichtet sei, ihm bis zu seinem Tode das ihm satzungsgemäß zustehende Ruhegehalt, sowie alle weiteren ihm nach der Satzung zustehenden Bezüge in troller Höhe auszuzahlen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht, vor dem die Beklagte geltend gemacht hat, daß sie zur fristlosen Entlassung des Klägers berechtigt gewesen und zur Gewährung von Ruhegehalt nicht verpflichtet sei, hat die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolglos. Gründe: Der hauptsächliche Entscheidungsgrund des Vorderrichters, die Beklagte sei zur pensionslosen Entlassung des Klägers und daher zur •) Vgl. auch Bd. 167 S. 76 (abgedr. unter „Schuldrecht, Verpflichtung zur Leistung").
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Ablehnung der Zahlung des Ruhegeldes berechtigt, ist nicht haltbar. Es bedarf für diesen Ausspruch keines näheren Eingehens auf die Frage, ob überhaupt ein Grund zur pensionslosen Entlassung vorgelegen hat. Denn es fehlt vor allem daran, daß die pensionslose Entlassung in einer dem Kläger gegenüber wirksamen Weise verfügt worden ist. Nach dem für das Rechtsverhältnis der Parteien maßgebenden „Vertrag zwischen der DLG. und ihren oberen Beamten" erfolgt die Bestimmung darüber, welches Ruhegehalt dem Beamten zusteht, durch den Vorstand der DLG. Dieser Vorstand, der aus dem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter und 5 bis 8 Mitgliedern besteht, hat auch im Falle des Klägers nach den an ihn gerichteten Schreiben vom 22. September 1925 und vom 10. April 1926 Verfügung getroffen. E r hat die Kündigung des Dienstvertrags des Klägers zum 31 März 1926 beschlossen und am 22. September 1925 erklären lassen: „Die Bewilligung eines Ruhegehalts erfolgt unter dem Vorbehalt, daß die weitere Untersuchung nicht Anlaß zur fristlosen Entlassung bietet." Er hat sodann, wie dem Kläger am 10. April 1926 mitgeteilt wurde, das jetzt eingeklagte Ruhegehalt ab. 1 April bewilligt. Es ist aber nicht behauptet worden, daß er dem Kläger das Ruhegeld wieder entzogen habe. Die Beklagte hat im Gegenteil noch im Rechtsstreit erklärt, der Kläger sei weder „per sofort" entlassen, noch sei seine Pension kassiert. Damit steht auch nicht im Widerpruch ihre spätere Erklärung: der Kläger habe ihr einen wichtigen Grund zur Kündigung gemäß § 626 BGB. gegeben, und daraus folge ihre Berechtigung zur Verweigerung des Ruhegehalts und der weiteren Beihilfen nach dem zwischen ihr und ihren oberen 'Beamten in Ansehung der Pensionsversorgung abgeschlossenen Vertrag; habe sie auch, mit Rücksicht auf die lange Dienstzeit des Klägers von diesem Entlassungsrecht keinen Gebrauch gemacht, so bleibe sie doch berechtigt, ihre Abzüge auch aus diesem Gesichtspunkt zu rechtfertigen. Auch damit wird ausdrücklich zugegeben, daß keine pensionslose Entlassung des Klägers verfügt worden ist; dies hätte allein durch den Vorstand in seiner satzungsmäßigen Besetzung geschehen können. Das übrige Vorbringen der Beklagten ist reine Rechtsausführung, die für die Frage, ob der Kläger pen9ionslos entlassen igt, keine Rolle spielt; außerdem ist das Vorbringen unrichtig. Denn Folgen, die ein bestimmter Rechtsbehelf mit sich bringt, treten nicht ein, solange nicht von dem Behelf in rechts wirksamer Weise Gebrauch gemacht wird. Nach dem Vertrag mit den oberen Beamten ist gegen die Entscheidung des Vorstandes über das Ruhegeld der Rechtsweg ausgeschlossen und auf Anrufen des Beamten ein schiedsrichterliches Verfahren verordnet, und über die Frage eines Verschuldens, das eine pensionslose Entlassung rechtfertigt, entscheidet im Streitfall auf Anrufen des Beamten gleichfalls das Schiedsgericht mit Ausschluß des Rechtswegs. Alles das ist hier nicht beobachtet
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und konnte mangels einer Verfügung des Vorstands über die pensionslose Entlassung und Entziehung des Ruhegelds nicht beobachtet werden. Ein Uebereinkommen der Parteien, für den gegenwärtigen Streitfall vom schiedsrichterlichen Verfahren abzusehen und die Frage dem ordentlichen Gericht zu unterbreiten, liegt nicht vor. Eine Zustimmung des Klägers hierzu kann aus seiner Einlassung auf die vorgebrachten Beschuldigungen nicht entnommen werden. Seine Auffassung geht dahin, daß die Beklagte, nachdem sie ihm das Ruhegehalt bewilligt habe, nicht mehr auf die pensionslose Entlassung zurückkommen könne. . . . Der Senat ist der Meinung, daß die Beklagte überhaupt nicht mehr auf eine pensionslose Entlassung zurückkommen kann. Ueber diese Frage, die außerhalb des Bereichs des vertraglich bestimmten Schiedsverfahrens liegt, kann im ordentlichen Rechtsstreit entschieden werden. W i e das Schreiben vom 22. September 1925 ersehen läßt, w a r schon am 8. Juni 1925 eine vorläufige Dienstenthebung gegen den Kläger verfügt. Mit der hier ausgesprochenen Dienstkündigung unter dem Vorbehalt fristloser Entlassung (je nach dem Ergebnis der weiteren Untersuchung) war auch der Vorbehalt des Ersatzes des aus der bisherigen Geschäftsführung entstandenen oder noch entstehenden Schadens verbunden, Hiernach und nach der im Schreiben vom 14. April 1926 gegebenen Schadensberechnung haben schon damals die jetzt im Rechtsstreit gegen den Kläger ins Feld geführten Geschäfte mit der erwähnten Aktiengesellschaft den Gegenstand der Untersuchung und den Anlaß zu den gegen ihn getroffenen Maßnahmen gebildet. In einem solchen für die ganze Existenz und die Zukunft des Angestellten grundlegenden Rechtsverhältnis ist es aber mit Treu und Glauben unvereinbar, wenn die Prüfung der Umstände und die endgültige Entschließung über die Zubilligung oder Versagung von Versorgungsansprüchen länger hinausgeschoben werden. Seit die Beklagte die „weitere Untersuchung" angezeigt und ihre Entschließung sich vorbehalten hat (22. September 1925) und seit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Aktiengesellschaft sind 21/» Jahre und mehr, seit der letzten Beweiserhebung im Rechtsstreit bis zur Schlußverhandlung der Vorinstanz mehr als 2 Monate verstrichen. Die Beklagte hat schon im April 1926 alle dem Kläger später zur Last gelegten Tatsachen gekannt, mit denen sie den Vorwurf einer fahrlässigen, ihren Interessen schädlichen Kreditgewährung begründet. Wenn sie diesen Tatbestand noch nicht für ausreichend zur Zurückziehung des Ruhegeldes hielt, wohl aber einzelne später hervorgetretene Züge des Gesamtbildes für durchschlagend erklären wollte, so mußte sie nun sofort handeln, falls es nicht überhaupt nach Treu und Glauben schon zu spät dazu war, weil sich diese Einzelheiten längst durch die eigene Untersuchung hätten gewinnen lassen oder
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weil sie ohnehin als vorhanden anzunehmen waren. J e t z t kann die Beklagte das Entlassungsrecht nicht mehr auüben (RGZ. Bd. 122 S. 38). Mit Unrecht hat also der Vorderrichter dem Kläger den Berug von Ruhegeld überhaupt abgesprochen. Trotzdem ist die Revision unbegründet, weil der Zahlungsanspruch des Klägers im ganzen durch den vom Vorderrichter rechtsirrtumsfrei festgestellten Schadensersatzanspruch der Beklagten aufgezehrt und dadurch auch der Feststellungsanspruch hinfällig gemacht wird. Der Vorderrichter stellt einen Schaden aus jener Kreditgewährung an die Aktiengesellschaft in Höhe von rund 100 000 RM. fest, indem er erklärt, die Beklagte habe noch 134 000 RM. von der im Konkurs befindlichen Schuldnerin zu fordern und werde darauf voraussichtlich nicht mehr als 34 000 RM. erhalten. Auf die genaue Schadenshöhe kommt es hier nicht an; es genügt, daß ein den Zahlungsanspruch übersteigender Schaden vorhanden ist. Der Vorderrichter gibt hierzu von der Ansicht ausgehend, daß der Kläger keinen Anspruch auf Ruhegeld mehr habe, seine Ueberzeugung dahin kund, es sei nicht anzunehmen, daß die Beklagte selbst bei aller möglichen Vorsorge für die Einbringung des Geldes von der Aktiengesellschaft „nicht einmal mit 1558,33 RM.", d. h. mit dem für die Zeit vor dem Ende des Anstellungsverhältnisses nachgeforderten Betrag, ausgefallen wäre. Es besteht kein Bedenken, diesem Ausspruch den Sinn unterzulegen, daß damit gerade nicht ein auf die angeführte Zahl beschränkter Schaden gemeint war, sondern jeder Schadensteil, der im Verhältnis zu dem entstandenen Schaden von 100 000 RM. noch als klein erscheint, also auch der ganze vom Revisionsgericht als an sich entstanden anerkannte Zahlungsanspruch von nicht voll 3100 RM. und darüber. Zur Schadenshaftung des Klägers genügt ein leichtes, nach § 276 BGB. zu vertretendes Verschulden, das für die Entstehung des Schadens ursächlich ist. Nun weist der Vorderrichter eingehend nach, daß der Kläger der Aktiengesellschaft in unkaufmännischer Weise einen hohen, schließlich auf 221 585,80 RM angewachsenen ungedeckten Kredit gewährt hat, der sich hauptsächlich dadurch auf rund 134 000 RM. verminderte, d a ß der bei der Aktiengesellschaft und bei den mit ihr geschlossenen Geschäften beteiligte P. 80 000 RM. auf sein Schuldkonto übertragen ließ. Die wesentlichen Züge der vom Berufungsrichter im einzelnen erörterten Geschäfte lassen die Feststellung als berechtigt erscheinen, daß das Verfahren des Klägers •unkaufmännisch war und daß er mit der Einräumung eines derart hohen ungesicherten Kredits die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verletzt hat. Die Fahrlässigkeit bleibt bestehen, auch wenn die Aktiengesellschaft damals nach außen noch günstig stand u n d
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wenn dem Kläger nicht zu widerlegen ist, daß er geglaubt hat, sie werde beim Verkauf von Maschinen hohe Gewinne erzielen und die Schuld an die Beklagte allmählich abtragen können, letztere werde daher, zumal bei den vereinbarten hohen Zinssätzen, keinen Schaden leiden. Denn die Verhältnisse eines Schuldners und seine Gewinnaussichten können sich nach kaufmännischer Erfahrung ändern; deswegen war auf ausreichende Sicherung des eigenen Geschäftsherrn Bedacht zu nehmen. Die Ursächlichkeit des Verhaltens des Klägers für den entstandenen Schiaden stellt der Vorderrichter gleichfalls einwandfrei fest. Seine Ausführung gegen die Berechtigung des vom Kläger erhobenen Vorwurfs, es sei vom November 1924, der Zeit des letzten Geschäftsabschlusses mit der Aktiengesellschaft, bis April 1925, wo die hohe ungedeckte Schuld klargestellt worden ist, nichts geschehen, um die Schuld beizutreiben, wird von der Revision nicht angegriffen. Hier käme lediglich ein Verschulden anderer Angestellter in Frage, das ohne Verschulden des Klägers gar nicht hätte eintreten können und das weder sein Verschulden noch dessen Ursächlichkeit für die Schadensfolge beseitigt. Ein in dieser Richtung liegendes Verschulden des Vorstands der Beklagten, ihres gesetzlichen Vertreters, hält der Vorderrichter nicht für gegeben. Auch das wird nicht angegriffen. Einen Erfolg kann auch der Revisionsangriff nicht haben, der aus dem Verhalten des Hauptgeschäftsführers der Beklagten, Dr. W., und den Rücksprachen des Klägers mit ihm entnommen wird. Hieraus kann weder eine Entlastung des Klägers von seiner Schuld noch eine Mithaftbarkeit der Beklagten für den Schaden abgeleitet werden. Der Kläger war, wie der Vorderrichter feststellt, als Leiter der Gerätebeschaffungsstelle zwar dem Hauptgeschäftsführer (und auch dem Leiter der Geräteabteilung, der aber hier keine Rolle spielt) unterstellt. Seine Stellung war jedoch selbständig und er hatte insbesondere die vorkommenden Rechtsgeschäfte allein abzuschließen. Nach der „Dienstanweisung für die Geschäftsführer der DLG." hat jeder Geschäftsführer die Verantwortung für den gesamten Betrieb seiner Geschäftsstelle. Der Hauptgeschäftsführer handelt und zeichnet in Vertretung des Vorstands und übt als dessen Vertreter die dem Vorstand zustehende Aufsicht über die Geschäftsstellen aus. Der Vorderrichter stellt fest, der Kläger habe allerdings mit Dr. W. über die mit der Aktiengesellschaft abzuschließenden Geschäfte vielfach Rücksprache genommen. Im Anschluß hieran wird aber ausgeführt, es könne sich dabei im wesentlichen nur um die Besprechung allgemeiner Grundsätze gehandelt haben. Um die Einzelheiten dieser Geschäfte habe sich Dr. W. nicht gekümmert und nicht kümmern können. Bestimmte Anordnungen, die der Kläger hätte befolgen müssen, habe Dr. W. nicht getroffen; er habe sich auf die Angaben des Klägers verlassen müssen. Daß der weiter
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festgestellte Mangel besonderer Sachkunde des Dr. W. hinsichtlich der Maschinen hier nicht von Bedeutung ist, kann dem Revisionskläger zugegeben werden, weil es sich um die Verletzung allgemeiner kaufmännischer Regeln handelt. Daß aber bei den Verhandlungen mit Dr. W. gerade diejenigen Punkte hervorgetreten sind, welche das Geschäftsgebaren des Klägers im Verkehr mit der Aktiengesellschaft zu einer Pflichtverletzung stempeln, ist nicht festgestellt; ebensowenig, daß Dr. W. die Pflicht zur Aufsichtführung verabsäumt habe. Hiermit ist zuvörderst ausgeschlossen, daß der Kläger etwa, weil nur einer Gehorsamspflicht genügend, eine eigene Verantwortung nicht zu tragen gehabt und eine Ursache für den Schaden gar nicht gesetzt hat. Der Kläger kann aber auch nicht geltend machen, daß eine mit seiner Anschauung übereinstimmende Beurteilung un>d Zulassung der Geschäfte durch den Hauptgeschäftsführer seinem Verhalten die Eigenschaft des Schuldhaften nehme. Wäre aber die Sache so, daß der Hauptgeschäftsführer das Pflichtwidrige der vom Kläger erledigten Geschäfte erkannt und sie gleichwohl zugelassen oder genehmigt hätte, so würde das zwar auch seine Verantwortlichkeit dem Geschäftslherrn gegenüber begründen, vermöchte aber nicht den Kläger zu entlasten. Daraus, daß etwa der Hauptgeschäftsführer die Pflichtwidrigkeit und Schädlichkeit der Geschäfte des Klägers hätte erkennen und daß er pflichtgemäß die Geschäfte hätte verhindern müssen, könnte keine Verpflichtung der Beklagten zur anteiligen Tragung des Schadens (gemäß §§ 254, 278 BGB.) abgeleitet werden. Der Hauptgeschäftsführer der Beklagten, der nur in Vertretung des Vorstands handelt, ist nicht ihr gesetzlicher Vertreter; nur für dessen Verschulden hätte sie einzustehen. Er ist aber auch nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten in Ansehung einer Verbindlichkeit zur Schadensverhütung. Wie der erkennende Senat schon wiederholt ausgesprochen hat, ist bei Gesellschaften oder Genossenschaften das schuldhafte Handeln eines Organs nicht ohne weiteres geeignet, .die Haftung eines anderen Organs oder eines bevollmächtigten Geschäftsführers ifür sein Verschulden auszuschließen oder einzuschränken. Vgl. JW. 1900 S. 186 Nr. 15, 1920 S. 1032 Nr. 10; SeuffArch. Bd. 61 Nr. 89; Recht 1918 Nr. 692; S t a u b - P i n n e r HGB. § 241 Anm. 5, § 235 Anm. 7, 8; B r o d m a n n Aktienrecht § 241 Anm. 1, 2 b. RGZ. 130, 101 Ist ein Rechtsanwalt seinem Auftraggeber aus dem Dienstvertrag schadensersatzpflichtig, wenn er ihm schuldhaft eine unrichtig aufgestellte Gebührenrechnung übersendet und auf ihre Beanstandung erklärt, die Gebühren seien richtig berechnet? BGB. §§ 276, 611.
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Schuldrecht, Besonderer Teil VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 14. O k t o b e r 1930.
I. Landgericht I Berlin.
II. Kammergericht daselbst.
D e r B e k l a g t e führte für den K l ä g e r gegen den Ingenieur A . vor dem L a n d g e r i c h t einen R e c h t s s t r e i t , d e r am 7. N o v e m b e r 1923 durch Vergleich b e e n d e t wurde. D e r K l ä g e r h a t t e ihm auf sein A n w a l t s honorar in der Zeit vom 5. M ä r z bis zum 5. O k t o b e r 1923 Vorauszahlungen gemacht, deren G e s a m t b e t r a g einen W e r t von 3583,30 Goldm a r k darstellte. Am 3. D e z e m b e r 1923 übersandte der B e k l a g t e dem K l ä g e r die Kostenrechnung für s e i n e V e r t r e t u n g ; darin waren die g e s a m t e n K o s t e n auf 744 7 2 1 2 4 4 007 596 P M . b e r e c h n e t . Davon w a r e n die g e l e i s t e t e n Vorschüsse zum P a p i e r m a r k - N e n n w e r t abger e c h n e t ; d e r noch verbleibende B e t r a g von 744 581 219 0 0 0 000 P M . w a r in 7 4 4 6 G M . umgerechnet. D e r K l ä g e r b e a n s t a n d e t e diese F o r derung, weil sie ihm zu hoch b e r e c h n e t erschien. Nach längeren schriftlichen Verhandlungen k a m es am 11. April 1924 in der Kanzlei des B e k l a g t e n zwischen den P a r t e i e n zu einem Vergleich, in dem sich der K l ä g e r zur Zahlung von noch 6000 G M . verpflichtete, nachdem ihm zwei vom B e k l a g t e n hinzugerufene und als im Gebührenwesen besonders fachkundig bezeichnete Büroangestellte, angeblich aber auch der B e k l a g t e selbst ausdrücklich die gesetzliche Richtigk e i t der Rechnung zugesichert hatten. Der K l ä g e r zahlte dann dem B e k l a g t e n auf Grund des Vergleichs 6000 G M . Diesen B e t r a g fordert e r nunmehr zurück, weil die Kostenrechnung unrichtig gewesen und d e r B e k l a g t e wegen der falschen Auskunfterteilung über die Höhe d e r geschuldeten Gebühren schadensersatzpflichtig sei. In den Vorinstanzen wurde die Klage abgewiesen. des K l ä g e r s blieb ohne Erfolg. Aus den
Die Revision
Gründen:
E i n e schuldhafte Schädigung des Klägers durch Verletzung der dem B e k l a g t e n aus dem Anwaltsdienstvertrag obliegenden Pflichten läge nicht vor, wenn es sich bei Aufstellung der Kostenrechnung und w e i t e r auch bei den Erklärungen, die der B e k l a g t e in den nachfolgenden Verhandlungen über die Richtigkeit der Rechnung abgab, überhaupt nicht um die Betätigung von Dienstpflichten gehandelt h ä t t e . D a s Berufungsgericht prüft nur den ersten Punkt, wiewohl d e r K l ä g e r das Verschulden des B e k l a g t e n hauptsächlich in seinem V e r h a l t e n bei den Verhandlungen über die richtige Berechnung des geschuldeten K o s t e n b e t r a g s findet. E i n e Pflicht aus dem A n w a l t s dienstvertrag gegenüber dem K l ä g e r kommt aber in beiden B e ziehungen in B e t r a c h t . B e i Aufstellung und Uebersendung der Gebührenrechnung übt d e r R e c h t s a n w a l t zwar in erster Linie sein R e c h t aus dem Dienstv e r t r a g aus. Indes hat er dabei auch die Interessen des von ihm
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vertretenen Auftraggebers in Rücksicht zu ziehen, zumal da er weiß, daß dieser nur in seltenen Fällen in der Lage ist, die Richtigkeit der angesetzten Gebühren nachzuprüfen, und sich deshalb gemeinhin auf den Anwalt zu verlassen pflegt. Es liegt daher nicht so, wie meist bei Vertragsansprüchen, wo der Vertragsberechtigte, wenn er zuviel fordert, lediglich einen unbegründeten Anspruch erhebt, sondern in der Zuvielforderung liegt bei etwaigem Verschulden zugleich auch eine Verletzung der Vertragspflicht aus dem Dienstvertrag auf Seiten des dienstverpflichteten Anwalts. Erst recht aber handelte es sich bei den Verhandlungen über die Richtigkeit der Berechnung nicht bloß um die eigenen Belange des Beklagten, sondern auch um die des Klägers und darum nicht nur um Rechte, sondern auch um Verpflichtungen des Beklagten. Allerdings betrafen diese Verhandlungen an sich nicht mehr den Streit, der den Gegenstand des Prozesses gebildet und für den der Kläger die Dienste des Beklagten in Anspruch genommen hatte, aber sie hingen damit zusammen und wurden sonach auch von dem Anwaltsdienstvertrag betroffen, der aus Anlaß des Rechtsstreits zwischen den Parteien zustande gekommen war. Im übrigen hat aber der Kläger bei diesen Verhandlungen auch auf eine Rechtsauskunft des Beklagten gedrungen, als er die Richtigkeit der Kostenrechnung bezweifelte, und dieser hat sie ihm erteilt, als er sich die Erklärung der von ihm hinzugezogenen und auf dem Gebiet des Gebührenwesens als besonders fachkundig bezeichneten Bürobeamten zu eigen machte, wonach die Kosten gemäß den geltenden Gebührenvorschriften richtig berechnet sein sollten. Unter solchen Umständen kann um so weniger am Vorliegen einer dienstvertraglichen Leistung des Beklagten gezweifelt werden. Vielleicht mag dieser wegen seiner eigenen Interessen nicht der geeignete Rechtsberater des Klägers im Streit über seine Gebühren gewesen sein. Aber wenn sich der Kläger darüber hinwegsetzte und seiner Rechtsbelehrung vertraute (wogegen wohl keine berechtigten Bedenken bestanden), so war dies seine Sache. Daran, daß zwischen den Parteien dienstvertragliche Beziehungen in dem hier angegebenen Sinne bestanden, wurde dadurch nichts geändert. Die Unrichtigkeit der Berechnung kann jedoch für sich allein den Schadensersatzanspruch des Klägers nicht stützen. Denn dazu gehört weiter, daß der Beklagte schuldhaft seine Gebührenrechnung falsch aufgestellt und danach schuldhaft deren Richtigkeit versichert hätte. Ein solches Verschulden hat aber das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum verneint. (Wird ausgeführt.) RGZ. 130, 284 1. Wann ist die Dauer eines Dienstverhältnisses dem Zweck der Dienste zu entnehmen?
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Schuldrecht, Besonderer Teil
2. Zur Frage der „abschließenden" Beurteilung durch das Revisionsgericht. BGB. §620 Abs. 2. ZPO. § 565. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Nordhausen.
Urt. v. 21. November 1930. II. Oberlandesgericht Naumburg a. S.
Der Sach- und Streitstand ergibt sich aus dem RGZ. Bd. 124 S. 17 abgedruckten Urteil des erkennenden Senats vom 19. März 1929 III 311/28. Am 15. April 1929, also nach Erlaß jenes Urteils, hat die Beklagte die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu der dem Kläger gegenüber erklärten Kündigung nachgesucht. Die Zustimmung wurde durch Schreiben vom 1. August 1929 mit Wirkung zum 31. Juli 1929 erteilt und ist rechtswirksam geworden. Im weiteren Verfahren vor dem Berufungsgericht erhöhte der Kläger unber Aufreohterhalbung seines Feststellungsantrags den Leistungsanspruch auf den Betrag von 6100 RM. Das Berufungsgericht wies die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Landgerichts wiederum zurück. Die Revision des Klägers führte abermals zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Das frühere Berufungsurteil beruhte darauf, daß der Kläger durch sein Verhalten nach Empfang des Kündigungsschreibens der Beklagten stillschweigend sein Einverständnis mit der Aufhebung des Anstellungsverhältnisses kundgetan und dadurch gleichzeitig auf den Kündigungsschutz des Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter vom 12. Januar 1923 (RGBl. I S. 58) verzichtet habe. Dem jetzt angefochtenen Urteil liegt dagegen die Rechtsauffassung zugrunde, daß die Dauer des Dienstverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten aus deon Zweck der Dienste zu entnehmen gewesen sei, daß daher der Dienstvertrag nach § 620 Abs. 2 BGB. als auf bestimmte Zeit abgeschlossen zu gelten habe und daß mit Erreichung dieses Zweckes Ende 1925 das Anstellungsverhältnis sein Ende gefunden habe, ohne daß eine Kündigung und eine Zustimmung der Hauptfürsorgestelle erforderlich gewesen sei. Der hiergegen gerichtete, dem § 565 Abs. 2 ZPO., entnommene Revisionsangriff ist nicht begründet. Das frühere Berufungsurteil war seinem ganzen Umfang nach aufgehoben worden, also einschließlich der getroffenen Feststellungen. Das erneut mit der Sache belaßte Berufungsgericht war daher nicht gehindert, andere Feststellungen zu treffen, als sie dem ersten Berufungsurteil zugrunde gelegt waren, und sonach das zweite Urteil tatsächlich und rechtlich auf einer anderen Grundlage aufzubauen. Die der Aufhebung des ersten Berufungsurteils zugrunde liegende Rechtsautfassung des Revisions-
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gerichts, daß die Kündigung der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle bedurft habe, hatte zur selbstverständlichen Voraussetzung, daß, wie das damals erkennende Berufungsgericht annahm, eine Kündigung überhaupt erforderlich war. Gelangte das Berufungsgericht infolge anderer, einwandfrei getroffener Feststellungen zu der Auffassung, daß der Dienstvertrag zwischen den Prozeßparteien auf bestimmte Zeit abgeschlossen war, so ist daraus keine begründete Verfahrensrüge abzuleiten. Die Frage aber, ob ein Dienstverhältnis auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit eingegangen ist, liegt nicht lediglich auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung, sondern ist auch rechtlicher Natur; sie untersteht daher der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Die Annahme des Berufungsrichters, daß die Dauer des Dienstverhältnisses dem Zweck der Dienste habe entnommen werden können und daß daher der Vertrag mit Erreichung des Anstellungszweckes zu Ende des Jahres 1925 von selbst erloschen sei, beruht auf folgenden Erwägungen: Der Kläger sei von vornherein nur angestellt worden, um den durch den finanziellen Zusammenbruch der Stadtbank hervorgerufenen Zustand der Illiquidität der Stadtsparkasse zu beseitigen, die Geschäfte der Stadtbank abzuwickeln und die Sparkasse bis zur Wiederherstellung klarer und geordneter Verhältnisse zu verwalten. Die Verwaltung durch den Kläger sei sonach beiderseits nur als eine zeitlich beschränkte, lediglich als eine kommissarische beabsichtigt gewesen, die mit der Wiederherstellung geordneter Zustände ihr Ende habe finden sollen. Dieser Vertragszweck sei spätestens Ende 1925 erreicht gewesen und es habe keiner Kündigung des Dienstverhältnisses zu diesem Zeitpunkt bedurft. Zur Begründung seiner Ansicht nimmt der Berufungsrichter Bezug auf das Urteil des Reichsarbeitsgerichts vom 7. März 1928 R A G . 92/27 (Entsch. Bd. 1 S. 226) und führt aus: Der Annahme, die Parteien seien ein Dienstverhältnis von bestimmter Dauer eingegangen, stehe nicht entgegen, daß nicht der Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder die Erreichung eines äußerlich wahrnehmbaren Erfolgs die Beendigung des Dienstverhältnisses zwischen den Streitteilen ohne weiteres kenntlich gemacht habe. E s genüge, daß die Erreichung der dem Kläger gestellten Aufgabe „objektiv feststellbar" und damit der Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses „bestimmbar" gewesen sei. Dieser weitgehenden Auslegung des § 620 Abs. 2 B G B . kann nicht beigepflichtet werden. Wenn dort als Merkmal für ein der Dauer nach bestimmtes Dienstverhältnis angeführt wird, daß die Dauer dem Zweck der Dienste zu entnehmen sei, so kann damit im Interesse der Schaffung klarer Verhältnisse und zur Vermeidung unnötiger Streitigkeiten nur gemeint sein, daß die Erreichung des Vertragszweckes unzweifelhaft in die äußere Erscheinung treten muß, daß sie von beiden Vertragsteilen ohne umständliche Ermittlungen Zivils. Schuldredit 7
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Schuldrecht, Besonderer Teil
und namentlich ohne Heranziehung von Sachverständigen mit den Sinnen wahrnehmbar und somit nach objektivem Maßstabe bestimmbar ist. Das war ohne weiteres der Fall bei dem — dem oben genannten Urteil des Reichsarbeitsgerichts zugrunde liegenden — Sachverhalt, wo der Dienstverpflichtete nur für die betreffende Baustelle und nur für die Zeit angenommen war, die zur Fertigstellung des Baues erforderlich war. Die Vollendung eines Bauwerks ist ein für die Umwelt ohne weiteres erkennbarer, sinnfälliger Arbeitserfolg, über dessen Herbeiführung ein Zweifel nicht wohl möglich ist. Im wesentlichen das gleiche gilt von der Einrichtung einer Kartei, mit der sich das Urteil des Reichsarbeitsgerichts vom 27. November 1929 RAG. 302/29 (Entsch. Bd. 4 S. 281) beschäftigt. Die gleiche Rechtslage wird sich da ergeben, wo Zweck der Dienste die Ausfülhrung von Lieferungsaufträgen auf eine der Zahl nach bestimmte Mehrheit von Maschinen, Lokomotiven, militärischen Ausrüstungsgegenständen ist und wo gerade zur Erreichung dieser Zwecke Arbeitskräfte eingestellt werden. Der hier zur Entscheidung stehende Fall liegt jedoch offensichtlich anders. Die Frage, ob der Zustand der Illiquidität einer Stadtsparkasse beseitigt, ob die Geschäfte einer mit der Sparkasse verbundenen Stadtbank abgewickelt und ob — für beide Teile erkennbar — geordnete Kassenverhältnisse wieder hergestellt waren, ist sehr verschiedener Beurteilung zugänglich. Der Eintritt des erstrebten Erfolgs gelangt hier nicht zur äußeren Erscheinung, ist nicht ohne weiteres feststellbar und macht unter Umständen schwierige Ermittlungen und Untersuchungen notwendig. So hat denn auch im vorliegenden Falle das Berufungsgericht die Anhörung eines Sachverständigen über die in Rede stehenden Fragen für geboten gehalten, und der Sachverständige hat sich genötigt gesehen, zunächst den Begriff der Illiquidität zu bestimmen und im Anschluß hieran auszuführen, daß dieser Zustand gegen Ende des Jahres 1925 zwar behoben gewesen, daß aber damit keineswegs die Liquidität der Sparkasse als gegeben anzusehen sei. Wollte man bei solcher Sach- und Rechtslage die Dauer des Dienstverhältnisses mit dem Berufungsrichter als mit genügender Sicherheit bestimmbar erachten, so ließe sich kaum ein Fall denken, in dem die Bestimmbarkeit in diesem Sinne nicht gegeben wäre. Darin muß dem Berufungsrichter rückhaltlos zugestimmt werden, daß die (Beklagte den Kläger nicht als sog. Dauerangestellten im Sinne der neueren Besoldungsgesetze verpflichten, sondern daß sie seinen Dienstleistungen eine zeitliche Grenze gesetzt wissen wollte. Diese Absicht des einen Vertragsteils, auch wenn sie dem Vertragsgegner erkennbar geworden ist, genügt jedoch nicht, um das Bestehen eines der Dauer nach unbestimmten und durch Kündigung zu beendigenden Dienstverhältnisses auszuschließen und die Annahme eines durch den Dienstzweck der Dauer nach bestimmten Dienstverhältnisses zu rechtfertigen.
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Dazu kommt aber im jetzigen Falle noch folgendes: Für die Frage, was Inhalt und Zweck des Dienstvertrags war, ist nicht die Meinung des Regierungspräsidenten entscheidend, wenn dieser auch, wie festgestellt, einen Druck auf die Beklagte zur Anstellung des Klägers ausgeübt hat, sondern der Wille der Parteien, die den Vertrag abgeschlossen haben. Als solche kommen aber, wie das jetzt angefochtene Urteil wiederholt feststellt, lediglich die Prozeßparteien in Betracht. Der Wille dieser Vertragsparteien ist nun in erster Linie ihrem Schriftwechsel untereinander, ferner dem schriftlichen Verkehr mit dem Regierungspräsidenten und der Girozentrale M. zu entnehmen, wie er in dem früheren Berufungsurteil auszugsweise wiedergegeben und als unstreitig bezeichnet, aber auch von dem jetzt angefochtenen Urteil erneut in Bezug genommen wird. Zutreffend weist die Revision auf ein Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 15. Januar 1925 hin, also aus der ersten Zeit des Anstellungsverhältnisses des Klägers. Dieses Schreiben hat der Berufungsrichter nicht übersehen, wie die Revision meint; denn es wird im Berufungsurteil ausdrücklich erwähnt. Dem Kläger wird darin der Beschluß der städtischen Körperschaften über die Höhe der ihm zu gewährenden Vergütung mitgeteilt und es wird hinzugefügt, es sei beschlossen worden, ihn als Sparkassenleiter weiter zu beschäftigen, solange eine Notwendigkeit hierzu von den städtischen Körperschaften anerkannt werde; wenn die Körperschaften glaubten, daß die Beschäftigung des Klägers nicht mehr notwendig sei, würden sie nach Benehmen mit der Regierung dem Kläger rechtzeitig Mitteilung machen. Diese in Aussicht gestellte Mitteilung faßt der Berufungsrichter selbst als eine Kündigung auf. Wenn er es nun aber für „bedeutungslos" erklärt, daß sich die Beklagte in diesem Schreiben die Entscheidung über den Zeitpunkt vorbehalten habe, bis zu dem nach ihrer Ansicht die Tätigkeit des Klägers notwendig war, und wenn er es ebenso für „bedeutungslos" hält, daß die Beklagte eine vorherige Kündigung des Dienstverhältnisses zu seiner Beendigung für erforderlich hielt, so setzt er sich in unlösbaren Widerspruch mit dem klaren Wortlaut des Schreibens und dem darin zweifelfrei zum Ausdruck gelangenden Parteiwillen. Auch die weiter festgestellten Tatsachen, daß die Beklagte dem Kläger durch Schreiben vom 14. April 1925 bereits einmal zum 1. Mai 1925 gekündigt hatte, diese Kündigung aber auf Widerspruch des Klägers und auf Weisung des Regierungspräsidenten hin zurücknahm, daß die städtischen Körperschaften wiederholt die Weiterbeschäftigung des Klägers beschlossen haben und daß die Beklagte schließlich eine Kündigung zur Beendigung des Vertragsverhältnisses wiederum für erforderlich hielt, sprechen zwingend für den Willen der Vertragsparteien, daß das Dienstverhältnis nur durch eine Kündigung zum Erlöschen gebracht werden könne und solle. Eine gegenteilige Auslegung müßte als unmöglich bezeichnet werden. s
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Schuldrecht, B e s o n d e r e r Teil
In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß selbst mit Dienstverträgen, die auf bestimmte Zeit geschlossen sind, die Abrede verbunden sein kann, daß sie nur dann ein Ende erreichen sollen, wenn sie ausdrücklich gekündigt werden, und daß sie, wenn keine Kündigung erfolgt, sich von selbst fortsetzen. Eine solche Abrede braucht nicht einmal unbedingt ausdrücklich getroffen zu werden; ein dahingehender Vertragswille der Beteiligten kann sich auch aus der besonderen Lage und den besonderen Umständen des Falles ergeben (RAG. Entsch. Bd. 4 S. 357 und im wesentlichen übereinstimmend RGUrt. vom 28. September 1926 III 449/25). Gilt dies selbst bei Dienstverträgen, die auf bestimmte Zeit geschlossen sind, so müssen diese Grundsätze in erhöhtem Maße da Anwendung finden, wo, wie im vorliegenden Fall, bei Abschluß des Dienstvertrags dessen Dauer auch nicht mit einiger Sicherheit vorauszusehen war. Es ist aber im Streitfall noch weiter zu berücksichtigen, daß, wie sich aus dem Schriftwechsel und den darauf gegründeten Feststellungen ergibt, die Lösung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien weder von deren Willen allein noch von der Erreichung des Vertragszweckes, sondern wesentlich noch von anderen Umständen abhängig war, namentlich von der Zustimmung des Regierungspräsidenten und der Girozentrale sowie vom Eintritt weiterer, durch den Regierungsvertreter gesetzter Bedingungen. Dahin gehört die Anordnung, die kommissarische Verwaltung der Sparkasse müsse mindestens bis zur Beendigung der schwebenden gerichtlichen Verfahren gegen den früheren Sparkassendirektor bestehen bleiben und die anhängig gemachten Zivilprozesse gegen Bank- und Sparkassenkunden müßten vor Auflösung des Vertragsverhältnisses erledigt sein. Wenn das Berufungsgericht auch diese Umstände für „bedeutungslos" und seiner Rechtsauffassung nicht entgegenstehend hält, so ist auch diese Annahme rechtlich zu beanstanden. Nicht außer acht bleiben kann die Tatsache, daß der schließlich ausgesprochenen Kündigung des Magistrats der Regierungspräsident seine ausdrückliche Zustimmung zu erteilen für notwendig befunden hat, übrigens nicht ohne den Ausdruck seines Bedauerns, „daß S. (der Kläger) schon jetzt von seinem Amt entbunden werden solle." Dies spricht gleichfalls dagegen, daß der Zweck der Dienste des Klägers als erreicht angesehen wurde. Wie bei dieser Sach- und Rechtslage dem Kläger zugemutet werden soll, von sich aus diesen Zeitpunkt als gekommen und das Dienstverhältnis ohne Kündigung als aufgelöst zu betrachten, ist nicht einzusehen. RGZ. 137, 83 Erzeugt das Gewährleistungsversprechen eines Architekten, daß ein yon ihm übernommener Bau eine bestimmte Bausumme nicht fiberschreiten werde, für den Bauherrn einen Erfüllungsanspruch oder
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Dienstvertrag
einen Schadensersatzanspruch? Welche Rechtsfolgen treten ein, wenn Bestellungen des Bauherrn über den ursprünglichen Bauplan hinaus zu einer Ueberschreitung der Bausumme führen? B G B . § 611. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Nordhausen.
Urt. v. 28. Juni II. Oberlandesgericht
1932. Naumburg.
Vom JuLi 1927 ab ließ die Klägerin auf ihrem Grundstück in N. ein Wohnhaus errichten. Die Leitung des Baues hatte sie dem Beklagten übertragen. Nach ihrer Behauptung soll er es bindend auf sich genommen haben, den Bau für eine feste Gesamtsumme — anfänglich 28 000, später 30 000, schließlich endgültig 31 000 RM. — auszuführen. Unter Berufung auf diese Zusage fordert die Klägerin vom Beklagten die Erstattung von 9036,39 RM. nebst Zinsen, welchen Betrag sie als Bauherrin über die Gewährleistungssumme von 31 000 RM. hinaus an die Lieferer und Unternehmer habe entrichten müssen, sowie die Feststellung, daß dem Beklagten gegen sie kein Anspruch auf die von ihm weiter geforderten 2025 RM. Vergütung und 1866,06 RM. Auslagen zustehe. Das Landgericht verurteilte den Beklagten nach dem Klagantrage. Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Beklagten im wesentlichen zurück. Seine Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Das Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen hat der Berufungsrichter, im Einklang mit der Rechtsprechung (RGZ. Bd. 63 S. 313, Bd. 86 S. 76), zugunsten des Beklagten und daher unter Billigung der Revision als Dienstvertrag, nicht als Werkvertrag beurteilt. Dabei hat er als erwiesen angesehen, der Beklagte sei bindend dafür eingestanden, daß die Bausumme von schließlich 31 000 RM. nicht werde überschritten werden. Wie er weiter feststellt, sind die Parteien von dieser Vertragsbindung auch nicht etwa nachträglich abgegangen, sondern haben bis zum Schluß daran festgehalten. Die Zusage des Beklagten würdigt der Berufungsrichter als die Uebernahme einer besonderen, neben den Dienstvertragspflichten einhergehenden (Neben-) Verpflichtung, ,,bei deren schuldhafter Nichterfüllung der Beklagte die Klägsrin in vollem Umfange schadlos halten muß". Richtig ist die Auffassung, daß die Zusage als Nebenverpflichtung zu den Dienstvertragspflichten des Beklagten verschärfend hinzutrat (RGZ. Bd. 72 S. 137). Dagegen ist der hervorgehobene zweite Halbsatz nach zwei Richtungen bedenklich. Die Zusage bedeutete ein Gewährleistungs- (Garantie-) Versprechen. Seiner Natur nach ging es darauf, daß der Beklagte für eine Ueberschreitung der Bausumme
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schlechthin, einzustehen hatte, ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden (wie auch ohne Rücksicht auf eine etwaige Unmöglichkeit; vgl. RGUrt. vom 23. September 1919 VII 81/19, abgedr. Seuff.Arch. Bd. 75 Nr. 9). Dieser Rechtsverstoß beschwert indessen den Beklagten nicht. Andernteils haftete er aus dem Gewährleistungsversprechen nicht auf Schadloshaltung in vollem Umfang, sondern nur auf den Betrag, um den die wirklichen Baukosten die Gewährleistungssumme überstiegen. Die Annahme des Berufungsrichters wäre, wenn sie buchstäblich genommen werden müßte, geeignet, den Beklagten zu belasten. Indessen hat die Klägerin selbst ihre Berechnung auf der richtigen Grundlage aufgemacht; sie berechnet den Klagebetrag nur aus denjenigen Summen, die sie über den Gewährleistungsbetrag von 31 000 RM hinaus hat entrichten müssen. Insofern beruht das Berufungsurteil nicht auf der beanstandeten Annahme. Aber diese führt auf ein anderes Bedenken. Der Klaganspruch ist richtigerweise als ein Erfüllungsanspruch, nicht als ein Schadensersatzanspruch anzusehen. Der Beklagte ist dafür eingestanden, daß die Bausumme von 31 000 RM. nicht überschritten werde. Darin liegt nicht bloß die Verpflichtung (verneinenden Inhalts), daß die Bausumme nicht überschritten werden solle, sondern zugleich die weitere Verpflichtung, persönlich dafür einrustehen, daß dies nicht geschehe. In ihrem letzteren Teil bedeutet die Zusage doch nur die Verpflichtung, bei gleichwohl eintretender Uebcrschreitung den Unterschied persönlich zu tragen, dafür „aufzukommen". Die Klage verlangt nichts anderes als die Erfüllung 'dieses Teils der vom Beklagten übernommenen Verpflichtung. Eis handelt sich in der Sache nur um eine besondere Art eines Strafversprechens; die Klage auf Erfüllung eines Strafversprechens ist aber sicherlich Erfüllungs-, nicht Schadensersatzanspruch. Das nämliche Ergebnis tritt klar zutage in verwandten Fällen, in denen der Verkehr die Gewährleistungszusage als Nebenbestandteil eines anderen (Haupt-) Vertrags kennt. So wenn bei der Abtretung einer Forderung der bisherige Gläubiger gegenüber dem Erwerber die Haftung für die Einbringlichkeit der Forderung übernimmt; hier wird man nicht wohl auf den Gedanken kommen, die Geltendmachung dieses Versprechens schließe einen Schadensersatzanspruch in sich. Diesen Erwägungen gegenüber muß die wirtschaftliche Aehnlichkeit zurücktreten, die zwischen der Gewährleistung und dem Schadensersatze besteht. Eine erste aus dieser Auffassung abzuleitende, dem Verfahrensrecht angehörende Folgerung ist die, daß für den Berufungsrichter nicht etwa § 287 Abs. 1 ZPO. maßgebend ist. Er hat freilich jene Vorschrift nicht eigens angeführt, aber er läßt doch mehrfach erkennen, daß er den Klaganspruch als Schadensersatzanspruch be-
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urteilt. Daher besteht das Bedenken, ob er der Beurteilung durchweg gerecht geworden ist. Zur Saohe selbst führt der Vorderrichter aus: Inhalt des unter den Parteien geschlossenen Vertrags sei nur die Einhaltung der Bausumme geworden, nicht die Vorberechnungen oder die Kostenvoranschläge des Beklagten. Namentlich sei nicht die bescheidene Bauweise der „Heimsiedelungsgesellschaft" dem Vertrage zugrundegelegt worden. — Die letztere Feststellung ist tatrichterlicher Art und daher für das Revisionsgericht bindend (§ 562 ZPO.). Auch die erstere Feststellung, die allgemeiner lautet, befaßt sich zunächst mit demjenigen, was die Parteien beim Vertragsschluß einverständlich gewollt und zum Ausdruck gebracht haben, und scheint insofern gleichfalls dem Gebiete der tatrichterlichen Würdigung anzugehören. Gleichwohl bestehen gegen sie gewisse Rechtsbedenken, wie die Revision mit Grund rügt. Deutlich erhellt das aus den nun folgenden Ausführungen des Berufungsrichters. Nach seiner Ansicht mag es zutreffen, daß der Bau im weiteren Verlauf eine kostspieligere Ausgestaltung erfahren hat, als zunächst gedacht war. Das ändere jedoch — so meint er — nichts daran, daß der Beklagte für die Ueberschreitung der Bausumme einstehen müsse. Habe infolge der Wünsche der Klägerin der Bau eine Gestaltung zu nehmen gedroht, die mit den begrenzten Mitteln nicht zu erreichen gewesen wäre, so habe es dem Beklagten, der allein die Verhältnisse habe beurteilen können und dem die Klägerin stets die Entscheidung überlassen habe, obgelegen, rechtzeitig Einhalt zu gebieten und die für ihn vertretbare Ausstattung durchzusetzen. Hier liege der grundlegende Fehler des Beklagten, dessen Folgen ihm zur Last fallen müßten. Er habe nicht der Klägerin überlassen dürfen, die Innenausstattung nach ihren Wünschen zu bestimmen, und er habe sich nicht der Erwartung hingeben dürfen, daß sie die durch ihre Sonderwünsche verursachten Mehrkosten schon selber tragen würde, sondern er habe die Höchstsumme aufmerksam im Auge behalten und in Ueberwachung des fortschreitenden Baues die Klägerin nötigenfalls darauf hinweisen müssen, daß er diesen oder jenen Wunsch nicht billigen könne und die Verantwortung ablehne. Soweit die Klägerin einen solchen Einwurf nicht beachtet hätte, wäre er von der Verantwortung frei geworden und die Klägerin würde die Mehrkosten zu tragen gehabt haben (wie sie dies in einem Falle auch getan habe). Der Beklagte habe aber nicht nachweisen können, daß er sie während der Bauzeit gewarnt habe. Er habe mitangesehen, daß der Bau eine bedenkliche Entwicklung genommen habe, und habe nichts dagegen unternommen; er habe sogar noch Mitte März 1928, als die Innenausstattung im wesentlichen entschieden gewesen sei, seine Garantieerklärung (31 000 RM.) wiederholt und damit die Klägerin in dem
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Glauben bestärkt, daß der 'Bau in der bisherigen Weise durchgeführt werden könne. Hiernach komme nichts darauf an, ob die Klägerin gewisse 'Bestellungen eigenmächtig vorgenommen habe oder nicht. Soweit diese Bestellungen vor der Aussprache vom März 1928 lägen, habe sie der Beklagte mit jener Erklärung sogar ausdrücklich genehmigt. Die Schlußbemerkung ist rechtsirrtumsfrei. Hat sich der Beklagte noch im März 1928 erneut zu seiner Garantieerklärung bekannt, so konnte der Berufungsrichter darin eine Genehmigung der vor diesem Zeitpunkt liegenden sog, Sonderwünsche der Klägerin sehen; dies um so mehr, als die bis dahin aufgetretenen und durchgeführten Sonderwünsche, wie anzunehmen, in der wiederholten Erhöhung der Bausumme um insgesamt 3000 RM. einen gewissen Ausgleich gefunden hatten. Im übrigen zeigen sich jedoch in den Ausführungen des Berufungsrichters gewisse Widersprüche. W ä r e es richtig, daß die Klägerin „die Entscheidung stets dem Beklagten überlassen habe", so müßte in allen Fällen der sog. Sonderwünsche dessen Zustimmung angenommen werden, und dann gingen die Ausführungen des Berufungsrichters voll in Ordnung. Damit stimmt es aber nicht überein, daß er an anderer Stelle ausdrücklich unterstellt, die Klägerin (oder ihre Vertreterin) habe gewisse Bestellungen eigenmächtig vorgenommen. Dazu stimmt weiter nicht, daß er in anderem Zusammenhang wiederholt ausführt, bei gewissen Sonderwünschen der Klägerin habe es sich um Posten gehandelt, „die zum Teil auf Abänderung bereits getroffener Einrichtungen gerichtet waren und bei denen ein Einverständnis des 'Beklagten nicht ohne weiteres vorauszusetzen war"; ebenso ist die Rede von Veränderungen, welche die Klägerin an genau im einzelnen bestimmten oder bereits fertiggestellten Einrichtungen „auf eigene Faust" habe vornehmen lassen, und der J3erufungsrichter bemerkt hierzu, daß sie das Einverständnis des Beklagten nicht habe voraussetzen können. Es kann also nicht als einwandfrei festgestellt gelten, daß die Klägerin stets dem Beklagten d ; e Entscheidung überlassen habe. Für wirklich eigenmächtige Abweichungen von dem feststehenden Bauprojekt kann aber die Klägerin vom Rechtsstandpunkt aus niemals den Beklagten verantwortlich machen. Das hat sie erkannt, indem sie wenigstens in einem Einzelfall die Kosten selbst bezahlte. Das würdigt der Berufungsrichter, wenn er als glaubhaft bezeichnet, daß in gewissem Umfang übermäßige Malerarbeiten und Umtapezierungen ausgeführt worden sind, die bei gewissenhafter Beachtung der Stellung des Beklagten hätten vermieden werden können (und, wie im Sinne des Berufungsrichters hinzugefügt werden darf, hätten vermieden werden müssen). Hier hat er dann auch sebst, um einer schwierigen und langwierigen Beweisaufnahme zu entgehen, gemäß § 287 Abs. 2 ZPO. einen be-
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stimmten Betrag ¿eschätzt, den er dem 'Beklagten nicht zur Last legt. Letzteres ist, entgegen der Ansicht der Revision, rechtlich nicht zu beanstanden. Denn § 287 Abs. 2 ZPO. ist nicht auf Schadensanspriiche beschränkt; die dort vorgesehene freiere Stellung kommt dem Gericht auch in anderen Fällen zu, soweit es sich — wie hier — nur um die Höhe des Betrags handelt. Aber abgesehen von dieser Einzelheit, entbehrt es nicht der rechtlichen Begründung, wenn die Revision rügt, die Einhaltung der Bausumme setze notwendig voraus, daß sich der Bau in einem vertragsmäßig bestimmten Rahmen halte und diesen Rahmen auch im Verlauf der Bauausführung nicht überschreite. Zutreffend bemerkt die Revision, daß die Einhaltung einer bestimmten Bausumme auch ein bestimmtes „Bauobjekt" voraussetze. Es geht nicht an, daß der Bauherr durch Sonderwünsche den ursprünglich geplanten Bau allmählich umgestaltet und so schließlich zu einem anderen, wertvolleren Bau kommt, dessen ungeachtet aber den Architekten an der vereinbarten Bausumme festhalten will. Andernteils geht es ebensowenig an, daß der Architekt hervortretende Sonderwünsche, wie sie erfahrungsgemäß bei vielen Bauten im Laufe der Ausführung zutagetreten, dazu benutzt, um seine Gewährleistung völlig beiseite zu schieben. Die Abgrenzung zwischen den widerstreitenden Belangen des Bauherrn und des Architekten muß an der Hand der §§ 157, 242 BGB. gefunden werden. Dabei müssen aber die Anforderungen an Treu und Glauben gleichmäßig gegenüber beiden Teilen zur Anwendung kommen. Verstößt der Architekt gegen Treu und Glauben, indem er, etwa gerade um sich seines Gewährleistungsversprechens zu entledigen, Sonderwünsche des Bauherrn hingehen läßt und ihnen nicht entgegentritt (was nach der Annahme des Berufungsrichters der Beklagte getan haben soll), so ist es ebensowenig statthaft, daß der Bauherr Eigenmächtigkeiten begeht, auf eigene Faust Bestellungen macht oder gar schon getroffene Anordnungen wiederaufhebt. Der Revision kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie ausführt, die Klägerin habe nicht das Recht gehabt, zu Lasten des Beklagten, und ohne ihn zu fragen, Bestellungen zu machen, die nicht durch den ursprünglichen Plan, durch die Kostenvoranschläge oder durch besondere Genehmigung gedeckt gewesen seien. Nun hat der Berufungsrichter teilweise Genehmigung des Beklagten festgestellt; dabei muß es sein Bewenden haben. Aber für die Zeit nach Mitte März 1928 bedarf es, um den Beklagten an der Bausumme festzuhalten, für jeden einzelnen streitigen Fall der richterlichen Feststellung, ob eine Maßnahme der Klägerin (oder ihrer Vertreterin) in dem festgelegten Gefüge des Bauplans oder in einer (vorgängigen oder nachträglichen, ausdrücklichen oder zwar stillschweigenden, aber nachweislichen) Zustimmung des Beklagten ihre Rechtfertigung findet. Insbesondere
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ist es nicht zu billigen, wenn sich der Vorderrichter, wie es den Anschein hat, -damit begnügt, daß die Klägerin oder ihre Vertreterin gutgläubig annehmen durfte, der Beklagte werde einverstanden sein; es ist kein Grund ersichtlich, der die Klägerin dessen enthoben hätte, die vorgängige oder nachträgliche Zustimmung des Beklagten in der Tat auch einzuholen. Durfte sich nach Ansicht des Berufungsrichters der Beklagte nicht einfach der Erwartung hingeben, die Klägerin werde die eigenmächtigen Bestellungen schon aus eigener Tasche bezahlen, so ist ebensowenig einzusehen, warum diese oder ihre Vertreterin einfach des Glaubens sein konnte, der Beklagte werde sich unerachtet ungenehmigter Abweichungen an die Bausumme halten. Dies hat um so mehr zu gelten, als — worauf die Revision wieder mit Grund hinweist — im Falle eigenmächtiger Bestellung und dergleichen möglicherweise der Beklagte erst hinterher, wenn es zu einem Eingreifen von seiner Seite zu spät war, in der Lage war, den Sachverhalt wahrzunehmen. Die dargelegten Bedenken nötigen dazu, das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nunmehr, übrigens in voller Freiheit der Entscheidung, anderweit über die Sache zu befinden haben wird. Dabei wird auf die einzelnen streitigen Posten, soweit sie sich nicht durch das bisher Ausgeführte erledigen (wie z.B. die „Sonderwünsche" bis zum März 1928), noch näher einzugehen sein. Eines Eingehens auf die weiteren Rügen der Revision bedarf es nicht mehr. Wenn sie Verletzung des § 551 Nr. 7 ZPO. gerügt hat, weil der Berufungsrichter unterlassen habe, den rechtlichen Gesichtspunkt der sog. Vorteilsausgleichung zu würdigen, so entbehrt dies Vorbringen als Verfahrensrüge insofern der Begründung, als es sich, wie eingangs dargelegt, um einen Erfüllungsanspruch handelt, bei dem für Vorteilsausgleichung kein Raum ist. Ob und welche Bedeutung dem Gesichtspunkt gleichwohl sachlichrechtlich beizulegen ist, wird das Berufungsgericht bei der erneuten Verhandlung zu prüfen haben. Er ist hier insofern schon erörtert worden, als zugunsten des Beklagten allerdings davon ausgegangen werden muß, daß sich die Klägerin nicht durch ohne sein Wissen und ohne seine nachträgliche Genehmigung gemachte Bestellungen einen wesentlich wertvolleren Bau verschaffen und dessen ungeachtet den Beklagten an seiner, für einfachere Bauausführung gegebenen Garantiezusage festhalten darf. RGZ. 138, 37 Wie ist im Fall des § 618 BGB- die Beweislast zu verteilen? III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht
Insterburg.
Urt. v. 7. Oktober 1932. II. Oberlandesgericht
Königsberg.
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Der Kläger, der Kreisarzt und Leiter des Kreiskrankenhauses in P. war, wurde 1927 auch als Kreiskommunalarzt von dem verklagten Landkreis angestellt. Als solcher war er technischer Berater des Landrats in allen das Gesundheitswesen des Kreises berührenden Angelegenheiten. Ferner lag ihm u. a. die Fürsorge und Behandlung der tuberkulosekranken Kreiseingesessenen ob. Zu diesem Zweck richtete er eine Tuberkulosenfürsorgesteile in zwei vom ¡Beklagten zur Verfügung gestellten Räumen des Kreiskrankenhauses ein und hielt dort in der Regel wöchentlich einmal Sprechstunden ab. 1929 erkrankte der Kläger, der schon 1919/20 an Tuberkulose gelitten hatte, von neuem an dieser Krankheit. Er mußte ein Sanatorium in Davos aufsuchen, wurde jedoch inzwischen wieder als gesund entlassen. Der Kläger behauptet, er sei bei der Behandlung der Tuberkulosekranken angesteckt worden, und zwar sei die Erkrankung auf die unzureichenden Räumlichkeiten der Fürsorgestelle zurückzuführen, die bei der ständig wachsenden Inanspruchnahme nicht entfernt genügt hätten. Seine wiederholten Bitten um Abhilfe seien erfolglos geblieben. Er klagt deshalb auf Feststellung, daß der Beklagte zum Ersatz des gesamten ihm durch die Erkrankung entstandenen und in Zukunft noch entstehenden Schadens verpflichtet sei. Der Beklagte bestreitet den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Zustand der Räume und der Erkrankung des Klägers, sowie jedes Verschulden. Er beruft sich außerdem auf das eigene Verschulden des Klägers. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe. Der KLaganspruch ist auf den § 618 BGB. schlüssig gegründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger als Privatangestellter des Beklagten anzusehen oder ob er als Kreiskommunalarzt zugleich auch Beamter des verklagten Kreises ist, da auch in letzterem Fall der in § 618 'BGB. zum Ausdruck gelangte Gedanke als Regel des öffentlichen Rechts auf die Beziehungen der Parteien zueinander anzuwenden ist (RGZ. Bd. 97 S. 43, Bd. 104 S.60, Bd. 111 S. 182). Das angefochtene Urteil weist die Klage um deswillen ab, weil der Kläger nicht nur die schädliche Beschaffenheit der ihm als Arbeitszimmer angewiesenen Räume, sondern auch den ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem Zustand und seiner neuerlichen Erkrankung zu beweisen habe. Es erachtet jedoch den Beweis für diesen Zusammenhang nicht für voll erbracht und den Beweis des ersten Anscheins (prima facie-Beweis), den der Kläger vielleicht gefuhrt habe, dadurch wieder für ausgeräumt, daß sich die Möglichkeit, wenn auch nicht Wahrscheinlichkeit, ergeben habe, die erneute
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E r k r a n k u n g d e s K l ä g e r s sei auf e i n e a n d e r e U r s a c h e a l s den Zustand der von ihm benutzten R ä u m e z u r ü c k z u f ü h r e n . Die A u s f ü h r u n g e n des B e r u f u n g s g e r i c h t s über den B e w e i s d e s ersten A n s c h e i n s s t i m m e n a n sich m i t den v o m R e i c h s g e r i c h t hierzu e n t w i c k e l t e n R e c h t s r e g e l n ü b e r e i n (RGZ. B d . 126 S. 75, B d . 127 S. 28, Bd. 130 S. 359, B d . 134 S. 2 4 1 ) . Dennoch k a n n ihnen im v o r l i e g e n d e n F a l l keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden, weil das B e r u f u n g s g e r i c h t d i e dem K l ä g e r o b l i e g e n d e B e w e i s l a s t v e r k a n n t hat. W o h l hat bei einer K l a g e a u s § 618 B G B . d e r K l ä g e r zunächst zu beweisen, d a ß der D i e n s t b e r e c h t i g t e seine V e r p f l i c h t u n g e n nicht erf ü l l t u n d d a d u r c h einen S c h a d e n v e r u r s a c h t hat. A u s dem sozialen S c h u t z c h a r a k t e r d i e s e r V o r s c h r i f t ist a b e r i m m e r a b g e l e i t e t worden, d a ß die F o r d e r u n g e n , d i e an die B e w e i s p f l i c h t des D i e n s t v e r p f l i c h teten zu s t e l l e n sind, nicht ü b e r t r i e b e n w e r d e n dürfen. In s t ä n d i g e r R e c h t s p r e c h u n g hat d a s R e i c h s g e r i c h t n i e den v o l l e n B e w e i s für die den A n s p r u c h aus § 618 B G B . b e g r ü n d e n d e n T a t s a c h e n von dem D i e n s t v e r p f l i c h t e t e n e r f o r d e r t , w e i l sonst v i e l e an sich gerechtfertigte E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r ü c h e an der B e w e i s f r a g e scheitern w ü r d e n , sondern hat sich d a m i t begnügt, d e m D i e n s t v e r p f l i c h t e t e n den B e w e i s d a f ü r a u f z u e r l e g e n , d a ß t a t s ä c h l i c h M ä n g e l vorlagen, d i e nach dem n a t ü r l i c h e n V e r l a u f e der Dinge g e e i g n e t w a r e n , die s p ä t e r eingetretenen S c h ä d e n h e r v o r z u r u f e n . G e l i n g t dem D i e n s t v e r p f l i c h teten der N a c h w e i s d a f ü r , d a ß vor dem U n f a l l e i n o r d n u n g s w i d r i g e r und g e f a h r d r o h e n d e r Z u s t a n d w i r k l i c h v o r h a n d e n w a r , dann f ä l l t d e m Dienstberechtigten der G e g e n b e w e i s zu, nicht nur d a f ü r , d a ß ihn u n d diejenigen, für d i e er nach § 278 B G B . zu h a f t e n hat, kein Verschulden trifft, sondern auch d a f ü r , d a ß b e s o n d e r e U m s t ä n d e eine a n d e r e U r s a c h e des U n f a l l s e r k e n n e n l a s s e n u n d damit die vom D i e n s t v e r p f l i c h t e t e n z u n ä c h s t d a r g e l e g t e n M ä n g e l a l s U r s a c h e oder M i t u r s a c h e a u s s c h l i e ß e n . Das ist der vom e r k e n n e n d e n S e n a t in v i e l fachen E n t s c h e i d u n g e n e i n g e n o m m e n e S t a n d p u n k t (RGZ. Bd. 9 5 S. 104; R G U r t . vom 24. M ä r z 1916 III 434/15, a b g e d r . W a r n R s p r . 1916 Nr. 103, vom 8. F e b r u a r 1918 III 423/17, a b g e d r . Gruch. Bd. 62 S . 6 1 6 , vom 12. A p r i l 1918 III 19 18, a b g e d r . LZ. 1918 S p . 1076 Nr. 24, u n d vom 11. Oktober 1921 III 239/21, a b g e d r . J W . 1922 S . 485 Nr. 6 ) . W e n n die U r t e i l e a u s den J a h r e n 1918 u n d 1921 hierbei von einem p r i m a f a c i e - B e w e i s sprechen, so ist d a s d a r a u s zu e r k l ä r e n , d a ß dessen W e s e n a l s e i n e auf die E r f a h r u n g d e s Lebens g e g r ü n d e t e , schon durch A u f z e i g u n g e i n e s auch nur m ö g l i c h e n a n d e r e n U r s a c h e n z u s a m m e n h a n g e s w i d e r l e g l i c h e V e r m u t u n g noch nicht so k l a r h e r a u s g e a r b e i t e t w a r , w i e d a s in der n e u e r e n R e c h t s p r e c h u n g geschehen i s t . In W a h r h e i t beruhen a u c h s i e auf der N o t w e n d i g k e i t , im F a l l d e s § 618 B G B , die ß e w e i s l a s t v e r t e i l u n g mit dem S c h u t z z w e c k der V o r schrift in E i n k l a n g zu bringen.
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Im vorliegenden Fall gehen aber beide Vorinstanzen auf Grund des Gutachtens von Professor Sch. davon aus, daß die Räume der Tuberkulosenfürsorgestelle so unzureichend gewesen sind, daß sie die Erkrankung des Klägers verursacht haben können. Damit hat er zunächst genug Beweis dafür erbracht, daß ihm an sich ein auf § 618 BGB. zurückgehender Anspruch zusteht, und es liegt nunmehr dem ¡Beklagten der Gegenbeweis ob, daß der Zustand der fraglichen Räume für die Erkrankung des Klägers nicht ursächlich gewesen ist, sondern daß diese ein durch äußere Umstände nicht bedingtes Wiederauftreten der früher von ihm überstandenen Tuberkulose bildete. Wegen dieser nicht richtigen Verteilung der Beweislast zwischen den Parteien war mithin das angefochtene Urteil aufzuheben. RGZ. 139, 255 Inwieweit haltet der Arzt, wenn die von ihm angeordnete Röntgenbestrahlung in einem Krankenhause durch die dort angestellte Schwester durchgeführt wird und durch deren Unachtsamkeit zu Verbrennungen führt? Welche Pflichten hat er aus seinem mit dem Kranken abgeschlossenen Vertrage bei der Auswahl des Krankenhauses und der Ueberwachung der Bestrahlung? B G B . §§ 611, 278, 823. VIII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht
Trier.
Urt. v. 19. Januar 1933. II. Oberlandesgericht
Köln.
Im Jahre 1926 litt die Klägerin an einem Myom (Muskelgeschwulst) im Unterleib. Der Arzt Dr. B. behandelte sie und zog den als Chirurg und Frauenarzt in T. tätigen Beklagten zu. Auf Rat des letzteren, der wegen des starken Blutverlustes eine Operation für unmöglich hielt, unterzog sich die Klägerin zur Beseitigung der lebensgefährlichen Erkrankung einer Behandlung mit Röntgenstrahlen in einem Krankenhause in T. Nach den Anweisungen des Beklagten, der die zu bestrahlenden Körperteile sowie die Zeit und Art der Bestrahlung bezeichnete, führte die an dem Krankenhause seit dem 15. Januar 1927 tätige Schwester W. am 17., 19., 23., 25. und 31. Januar 1927 .die Bestrahlung mit dein Röntgenapparat des Krankenhauses durch. An jedem dieser Tage wurde die teilweise wechselnde Körperstelle eine bestimmte Zeit hindurch einmal bestrahlt, nur am 25. Januar wurden zwei Bestrahlungen ausgeführt. Am 31. Januar wurde der rechte Unterleib bestrahlt. Bei der ersten Bestrahlung war der Beklagte zugegen. Die Klägerin bezahlte die Bestrahlung an das Krankenhaus gemäß dessen Erfordern. Etwa zwei Wochen nach der letzten Bestrahlung zeigte sich vorn rechts am
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Unterleib der Klägerin eine Wunde, die sich trotz der Behandlung durch Dr. B . allmählich weiter ausbreitete und vertiefte. Sie war durch Verbrennung mit Röntgenstrahlen entstanden. Die K l ä g e r i n verlangt vom Beklagten Zahlung eines Geldbetrags und Feststellung seiner weiteren Schadensersatzpflicht. Sie macht geltend, die Verbrennung sei auf seine falsche Anweisung und B e handlung sowie auf Versehen der Schwester bei der Bestrahlung zurückzuführen. Sie habe für sie schwere gesundheitliche Folgen gehabt, und es seien solche auch für ihre ganze Lebenszeit zu erwarten. Dafür sei der B e k l a g t e sowohl aus Vertrag als auch aus unerlaubter Handlung verantwortlich. Insbesondere hafte er auch für die Schwester, da diese seine Erfüllungsgehilfin sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat das Oberlandesgericht den Zahlungsanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt e r k l ä r t und die begehrte Feststellung getroffen. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung. Gründe: 1. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts ist die Verbrennung, die den schädigenden Gesundheitszustand herbeigeführt hat, auf folgende W e i s e entstanden: Entweder am 23. oder am 25. J a n u a r 1927 verschoben sich während der Bestrahlung die aus Bleigummi bestehenden Abdeckungsplatten, welche die nicht zu bestrahlenden, aber den Einwirkungen der Strahlen an sich ausgesetzten Körperteile gegen diese schützen sollten, nach der Seite. Dadurch wurde im Verlaufe der weiteren Bestrahlung, insbesondere am 31. J a n u a r , dem Bestrahlungsfelde auf dem rechten Unterleib eine größere Dosis Strahlen zugeführt, als sie vom Beklagten vorgesehen war und von dem Körper vertragen werden konnte. Dies wurde dadurch verursacht, daß die mit der Vornahme der Bestrahlung beauftragte Schwester W . entweder die Abdeckungsplatten von vornherein nicht genügend befestigt hatte, so daß sich diese ohne Zutun der Klägerin verschoben, oder daß die Klägerin unwillkürlich Bewegungen machte, die eine Verschiebung der Platten zur F o l g e hatten. In beiden Fällen hat nach der Meinung des Vorderrichters die W . die Strahleneinwirkung verschuldet; denn es sei ihre Pflicht gewesen, die Platten ordnungsmäßig zu befestigen. In jedem F a l l e habe sie aber auch nach der besonderen 'Lage des F a l l e s öfters die Bestrahlung unterbrechen und feststellen müssen, ob die Platten noch ihre ordnungsmäßige Lage hatten. Hätte sie das getan, so hätte sie nach kurzer Zeit die Verschiebung bemerkt, die Platten in die richtige Lage gebracht und so eine längere unzulässige Strahlenwirkung verhindert, die im Zusammenhang mit der späteren Bestrahlung des rechten Unterleibes die Verbrennung hervorgerufen habe. Diese Aus-
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führungen des Berufungsgerichts werden von der Revision nicht angegriffen und unterliegen auch keinen rechtlichen Bedenken. Ebenso bedenkenfrei entnimmt das ¡Berufungsgericht den Umständen, daß wegen Durchführung der Bestrahlung die Klägerin zu dem Krankenhause in ein Vertragsverhältnis getreten war, wonach das Krankenhaus es übernommen hatte, für die sachgemäße Einrichtung des Röntgenzimmers und für die ordnungsmäßige Durchführung der Bestrahlung zu sorgen. 2. Das Berufungsgericht nimmt aber weiter auch an, daß der Beklagte gleichfalls für die Durchführung der Bestrahlung, jedenfalls in gewissem Umfange, verantwortlich gewesen sei, da die Schwester W. auch seine Erfüllungsgehilfin gewesen sei, und begründet das folgendermaßen: Nach den vom Reichsgericht in RGZ. Bd. 118 S. 41 aufgestellten Grundsätzen sei dann, wenn das Krankenhaus den Apparat und die Bedienungsperson dem Kranken und nicht dem Arzt zur Verfügung stelle, eine Haftung des Arztes für Bedienungsfehler dieser Person ausgeschlossen. Unter Fehlern dieser Art seien aber offenbar nur solche zu verstehen, die ,,bei der rein technischen Bedienung des Apparates" gemacht würden. Der Umfang der abgesehen davon dem Arzt nach seinem Vertrage mit dem Kranken obliegenden Pflichten sei aus den sonstigen Umständen zu entnehmen. Als solche kämen hier vor allem in Betracht: An dem Krankenhause sei kein Anstaltsarzt vorhanden gewesen. Die Durchführung der Bestrahlung bedürfe aber, abgesehen von der rein technischen Bedienung des Apparates, stets einer gewissen ärztlichen Oberaufsicht. Die Röntgenbestrahlung sei bei der in äußerster Lebensgefahr schwebenden Klägerin an Stelle der an sich gebotenen, aber wegen der besonderen Umstände nicht ausführbaren Operation angeordnet worden. Bei einer Operation wäre der Beklagte für jeden Ausführungsfehler als Vertragspartei verantwortlich gewesen. Bei einer Röntgenbestrahlung liege es allerdings etwas anders. Immerhin müsse aber auch dort „die berufliche und vertragliche Sorgfaltspflicht des Arztes dann als eine besonders ausgedehnte erscheinen, wenn die Bestrahlung als letztes Mittel an Stelle einer Operation gegen den sicheren Tod der Patientin angeordnet werde." Hiernach beständen keine Bedenken, die Vertragspflicht des Beklagten so zu bestimmen, daß er für die gesamte Durchführung der Bestrahlung verantwortlich gewesen sei, soweit diese nicht in der rein technischen Bedienung der Röntgenanlage bestanden habe. Der Beklagte habe sich ja auch bei der ersten Bestrahlung um die ganze Durchführung gekümmert, der W. auch sonst Anweisungen gegeben. Daraus sei zu schließen, daß er sich auch selbst für die Durchführung „zum mindesten in gewissem Umfange" verantwortlich gehalten habe. Er habe diese Pflichten allerdings auch durch andere Personen erfüllen lassen können. Wenn er die Erfüllung dieser Pflichten, „soweit also die
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Befolgung seiner ärztlichen Anordnung insbesondere wegen der Bestrahlungszeit in Frage stand", der W. überlassen habe, so habe er sich ihrer „als Erfüllungsgehilfin bedient". Die Verbrennung der Klägerin sei nun nicht dadurch herbeigeführt worden, daß die W. den Röntgenapparat fehlerhaft bedient habe, sondern dadurch, daß sie bei Befolgung der ärztlichen Anordnung des Beklagten nicht mit der erforderlichen Sorgfalt verfahren sei. Denn sei es, daß die Schutzplatten von vornherein nicht ordnungsmäßig befestigt gewesen seien, sei es, daß die W. nicht durch hinreichende Aufmerksamkeit für die Beseitigung der Verschiebung gesorgt habe, so handle es sich im letzten Grunde um die Einhaltung und Ueberwachung der angeordneten Bestrahlungsdauer und um Maßnahmen, die der Beklagte auf Grund seiner ärztlichen Fachkenntnisse auch selbst hätte ausführen können und für die eine besondere röntgentechnische Ausbildung nicht erforderlich gewesen sei. Der Revision ist zuzugeben, daß die vom Berufungsgericht angegebenen Umstände nicht ausreichen, um die Schwester W. als Erfüllungsgehilfin des Beklagten erscheinen zu lassen, für deren Versehen er vertraglich nach § 278 B G B . ohne weiteres einzustehen habe. Mit der in RGZ. Bd. 118 S. 41 veröffentlichten Entscheidung des III. Zivilsenats ist davon auszugehen, daß der Arzt nur dann, wenn er den Röntgenapparat und die Bedienungsschwester zur Verfügung stellt und durch sie die Bestrahlung vornehmen läßt, sei es, daß es sich um seinen Apparat und seine Angestellte handelt, sei es, daß ihm von dritter Seite, hier also vom Krankenhause, Apparat und Schwester zu seiner Verwendung überlassen sind, für Mängel des Apparates und Versehen der Schwester bei der Bestrahlung nach § 278 B G B . einzustehen hat, daß das aber anders ist, wenn der Kranke — wie es hier festgestellt ist — mit dem Krankenhaus einen Vertrag über die Bestrahlung abgeschlossen hat, kraft dessen dieses ihm gegenüber zur Stellung einer ordnungsmäßigen Röntgeneinrichtung und zur richtigen Durchführung der Bestrahlung durch eine Schwester verpflichtet war. Im letzteren Falle ist die Schwester, jedenfalls soweit es sich um die technische Durchführung der Bestrahlung handelt, nicht Erfüllungsgehilfin des Arztes, da er sich ihrer insoweit nicht zur Erfüllung seiner Verpflichtungen bedient. Ob das etwa in anderer Beziehung der Fall ist und ob insbesondere bei einer Durchleuchtung die Schwester als Erfüllungsgehilfin des Arztes insoweit zu betrachten ist, als es sich um die Befolgung seiner besonderen Anordnungen wegen der Bestrahlung handelt — wie es der III. Zivilsenat in der angeführten Entscheidung angenommen hat — braucht nicht erörtert zu werden. Defin der gegenwärtige Fall unterscheidet sich von jenem dadurch, daß hier nicht eine Durchleuchtung, sondern eine Bestrahlung vorgenommen worden ist. Die erstere setzt die Anwesenheit
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u n d Mitwirkung des Arztes voraus, der auch während der Durchleuchtung Anordnungen zu geben pflegt und infolgedessen auch ihre Befolgung prüfen kann. Die Bestrahlung aber ist ein Heilmittel, dessen Art und Weise wohl der A r z t bestimmt, dessen Anwendung aber in Fällen der vorliegenden Art durch einen anderen erfolgt, nicht durch ihn. Allerdings hat dieses Hilfsmittel seine Besonderheiten und ist für die Beurteilung der Stellung des Arztes keineswegs in jeder Beziehung anderen Heilmitteln, insbesondere der Anwendung von Arzneien gleichzusetzen. Ob er etwa kraft des Arztvertrages dem Kranken gegenüber gewisse Verpflichtungen bei der Empfehlung des Röntgeninstituts hat, und ob ihm unter Umständen obliegt, der Bedienungsperson vor der Bestrahlung Anweisungen zu geben und die Durchführung der Bestrahlung zu überwachen, wird später erörtert werden. Jedenfalls wird auch dadurch nicht die Röntgenbedienung zu seiner Erfüllungsgehilfin, vielmehr haftet der Arzt, wenn infolge seiner Verletzung dieser Pflichten eine Schädigung des Kranken durch ein unsachgemäßes Vorgehen der Bedienung eintritt, dafür wegen Verletzung seiner eigenen Vertr.agspflichten unmittelbar, nicht aber deshalb, weil er sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen der Schwester bedient un-d diese ein Versehen begangen hat. An dieser Rechtslage wird hier auch nichts durch die vom Berufungsgericht angeführten Umstände geändert. Denn daraus, daß das Krankenhaus keinen eigenen Arzt hatte, kann wohl eine verstärkte Prüfungs- und Ueberwachungspflicht des Beklagten folgen, nicht aber, daß er sich der Schwester zur Erfüllung seiner Pflichten bedient habe, die gerade in ihrer Anweisung und Ueberwachung bestanden. Und ebenso liegt es bei der Bedeutung der schweren Erkrankung der Klägerin und der Ersetzung einer Operation durch die Bestrahlung. Ganz abgesehen davon ist nicht ersichtlich, daß gerade die Schwere der Erkrankung die Gefahr der Verbrennung oder deren Folgen vergrößert habe. Mit Recht weist die Revision aber auch weiter darauf hin, d a ß die Versehen, die der W. zur Last fallen, sich auf die technische Seite der Anwendung der Röntgenanlage beziehen und nicht die Befolgung der besonderen ärztlichen Anordnungen, namentlich wegen der Bestrahlungsdauer, betreffen. Zu der technischen Seite der Bestrahlung gehört auch der Schutz der nicht zu bestrahlenden Körperteile des Kranken gegen die Einwirkung der Strahlen. Es handelt sich dabei um einfache, rein technische Schutzmaßnahmen, deren Bedeutung und Anwendung jede Röntgenschwester lernt und kennt, und für die es in der Regel keiner besonderen ärztlichen Anordnung und Prüfung bedarf. Hierauf kommt es a n und nicht, wie das Berufungsgericht meint, darauf, ob auch der Arzt auf G r u n d seiner Fachausbildung dieselbe Kenntnis besaß und die Platten selbst hätte anlegen können. Zu einem anderen Ergebnis kann man auch nicht dadurch kommen, daß man sagt: durch das Verschieben Zivils. Srfiuldrcdit 7
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der Platten ist die gesamte, für die 'Bestrahlung der verbrannten Stelle vom Beklagten vorgesehene Dauer ensprechend verlängert worden; deshalb handelt es sich letztlich um die Befolgung dieser ärztlichen Anordnung des Beklagten. Denn auch wenn man in der Befolgung seiner Anordnungen durch die Schwester eine Erfüllungshilfe hinsichtlich -der Pflichten des Beklagten sehen wollte, würden immer nur Versehen in Betracht kommen, die unmittelbar eine Verletzung dieser Anordnungen darstellen, nicht aber solche, die bei der rein technischen Durchführung der Bestrahlung vorkommen und deren Folgen nur für die Wirkung einer ganz anderen Bestrahlung in B e tracht kommen. Die Begründung des Klaganspruches kann hiernach nicht aus der Haftung für ein Versehen der Schwester nach § 278 B G B . hergeleitet werden. 3. Das Berufungsgericht gibt für seine Entscheidung noch eine weitere, selbständige Begründung. Nach Lage des F a l l e s habe der Beklagte die Bestrahlung nur einer ihm als tüchtig und gewissenhaft bekannten Schwester anvertrauen dürfen. Das sei die W . nicht gewesen; sie sei erst kurz vorher in den Dienst des Krankenhauses eingetreten und unerprobt gewesen. Deshalb hätte der B e k l a g t e sie nach eingehender Belehrung „so beaufsichtigen müssen, wie es seine Pflicht war"; dann „wären die Platten nicht abgerutscht und es wäre die abgerutschte Stelle jedenfalls nicht solange bestrahlt worden, wie es geschehen ist". Hiernach hafte der Beklagte nicht nur aus Vertrag, sondern auch aus §§ 823 und 831 B G B . Auch diese Erwägungen können das Urteil nicht tragen. Da das Krankenhaus keinen eigenen Arzt hatte, vielmehr von Laien geleitet wurde, und somit keine ärztliche Prüfung stattfand, ob die neu einzustellenden Schwestern den an sie in technischer Beziehung und an ihre Erprobung und Erfahrung zu stellenden Anforderungen genügten, sowie ob sie sich im Krankenhaus in jeder Beziehung bewährten, so traf den Beklagten, der diese Verhältnisse kannte, als ärztlichen Berater der Klägerin die Verpflichtung, sorgfältig zu prüfen, ob er ihr anraten durfte, die Bestrahlung in dem Krankenhausa vornehmen zu lassen, und, wenn das nach Lage der Umstände auch bei Bedenken geboten war, nun seinerseits durch Unterweisung und Beaufsichtigung der Schwester dafür zu sorgen, daß die mit Röntgenbestrahlungen durch nicht genügend sachkundige oder erprobte Schwestern verbundenen erheblichen Gefahren, soweit nur irgend angängig, vermieden wurden. Das ist auch der Standpunkt des Sachverständigen G. Nun hatte die Schwester W . zwar eine halbjährige Ausbildung in Handhabung einer Röntgenanlage durchgemacht und auch eine Prüfung abgelegt. Sie hatte dann aber nur einmal fünf Wochen hindurch vertretungsweise als Röntgenschwester gewirkt und war später ohne Stellung gewesen, bis sie am 15. J a n u a r 1927, also zwei Tage vor der ersten Bestrahlung der Klägerin, ihren
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Dienst in dem Krankenhause antrat. Welcher Art ihre Tätigkeit in der fünfwöchigen Vertretungszeit gewesen war und ob sie sich dabei bewährt hatte, ist nicht festgestellt. Von einer Erprobung in dem Krankenhause konnte noch keine R e d e sein. Darauf, daß das Krankenhaus nur erfahrene und bewährte K r ä f t e einstelle, durfte sich der B e k l a g t e nicht ohne weiteres verlassen, da eine ärztliche Leitung fehlte. E s wäre also, falls nicht ganz besondere Gründe eine andere Beurteilung gebieten, seine Verpflichtung gewesen, sich nach der bisherigen Tätigkeit und der Bewährung der W . zu erkundigen. Hätte er das getan, so hätte er wohl den wahren Sachverhalt erfahren, und dann wäre es, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum angenommen hat, seine Pflicht gewesen, durch ihre Ueberwachung festzustellen, ob sie die erforderlichen Kenntnisse hatte und unbedingt zuverlässig war (vgl. auch R G U r t . vom 30. Mai 1929 V I 664/28 sowie die R G U r t e i l e in Strafsachen vom 14. J u l i 1927 2 D 497/27, abgedr. J W . 1927 S. 2699 Nr. 18, und vom 7. Februar 1930 1 D 5/30, abgedr. J W . 1930 S. 1597 Nr. 20). In welcher Weise und wie lange der B e klagte das hätte tun müssen, hat der Tatrichter zu entscheiden, insbesondere auch, ob und wie es bei derjenigen Bestrahlung notwendig war, bei der das Versehen vorkam. Weiter muß der Tatrichter auch im einzelnen prüfen und darlegen, wie sich dann der Sachverhalt gestaltet hätte, und ob das Versehen und seine Folgen ganz oder teilweise vermieden worden wären. An dieser Prüfung hat es das B e rufungsgericht bisher fehlen lassen. Seine ganz allgemeine Ausführung, der B e k l a g t e hätte so beaufsichtigen müssen, wie es seine Pflicht gewesen wäre, dann hätten sich die Platten nicht verschoben und es wäre die abgedeckte Stelle nicht solange bestrahlt worden, kann nicht genügen; denn sie verhindert jede Nachprüfung, welches Maß von Sorgfalt das Gericht von dem Beklagten verlangt, ob dieses nicht überspannt ist und ob die Folgerungen für die Art und den Umfang der Schadensersatzpflicht des Beklagten rechtsbedenkenfrei gezogen worden sind. Insbesondere muß auch festgestellt werden, wann der Beklagte das Verschieben der Platten bemerkt hätte und wie sich dann die weiteren Maßnahmen und Folgen gestaltet h ä t t e n . . . . Frei von Rechtsirrtum ist es aber, wenn das Berufungsgericht das Verschieben der Platten bei der dritten oder fünften Bestrahlung als Schadensursache angesehen hat und nicht das Unterlassen der Meldung in Verbindung mit der dadurch veranlaßten sechsten Bestrahlung. Denn die sechste Bestrahlung war planmäßig vorgesehen und an sich ordnungsmäßig. Das unzulässige Maß an Strahlen wurde durch das Versehen bei der dritten oder fünften Bestrahlung zugeführt. Daß es nicht bemerkt und nicht gemeldet und daher nicht berücksichtigt wurde, war gerade das Versehen. Die überstarke Strahlenzuführung und damit die Verbrennung war also eine adäquate Folge des Versehens. 0'
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RGZ. 139, 358 Darf ein mit der Führung eines Rechtsstreits beauftragter Rechtsanwalt von der Geltendmachung eines seiner Partei zustehenden rechtlichen Einwandes (z. B. der Unklagbarkeit von Börsentermingeschäiten) absehen, ohne die Partei au! die Möglichkeit des Einwandes hingewiesen zu haben? Darf er die Aufklärung der Partei über einen solchen Einwand wenigstens dann unterlassen, wenn die Partei in demselben Rechtsstreit vorher durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten worden war und dieser den Einwand nicht erhoben hafte? B G B . § 6 1 1 . B ö r s G . § 52. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht III Berlin.
U r t . v. 7. F e b r u a r 1933. II. Kammergericht
daselbst.
Die k l a g e n d e n R e c h t s a n w ä l t e h a b e n die b e i d e n B e k l a g t e n in e i n e r A n z a h l v o n R e c h t s s t r e i t i g k e i t e n als P r o z e ß b e v o l l m ä c h t i g t e vert r e t e n und v e r l a n g e n v o n i h n e n e i n e n T e i l der h i e r f ü r e n t s t a n d e n e n G e b ü h r e n und A u s l a g e n in H ö h e von 2 0 0 0 R M . n e b s t Zinsen. Die Beklagten stellen einen Schadensersatzanspruch in H ö h e von 3 5 0 0 0 R M . zur A u f r e c h n u n g , d e n sie d a r a u s h e r l e i t e n , daß die K l ä g e r sie in e i n e m V o r p r o z e ß schuldhaft u n r i c h t i g b e l e h r t und uns a c h g e m ä ß v e r t r e t e n h ä t t e n . V o n d e m den K l a g a n s p r u c h ü b e r s t e i g e n d e n B e t r a g d i e s e r G e g e n f o r d e r u n g m a c h e n sie einen T e i l b e t r a g von 6 1 0 0 R M . im W e g e der W i d e r k l a g e g e l t e n d . M i t der G e g e n f o r d e r u n g h a t es f o l g e n d e B e w a n d t n i s Die B e k l a g t e n , die in der B e r l i n e r T h e a t e r w e l t u n t e r dem N a m e n „ R . " als T h e a t e r l e i t e r b e k a n n t w a r e n , h a t t e n mit dem B a n k i e r B . in G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g g e s t a n d e n . D i e s e r k l a g t e g e g e n sie u n t e r V o r legung e i n e s K o n t o a u s z u g e s ein K o n t o k o r r e n t s a l d o von 3 2 9 8 0 R M . ein und e r s t r i t t ein o b s i e g e n d e s U r t e i l . D i e B e k l a g t e n w a r e n anfangs durch R e c h t s a n w a l t N., s p ä t e r nach d e s s e n T o d e durch die j e t z t klagenden Rechtsanwälte vertreten. Diese haben gegenüber dem K l a g a n s p r u c h des B . e i n e A n z a h l von E i n w e n d u n g e n e r h o b e n , a b e r n i c h t darauf h i n g e w i e s e n , daß e i n i g e der dem K o n t o k o r r e n t zugrundel i e g e n d e n F o r d e r u n g e n als B ö r s e n t e r m i n g e s c h ä f t e o d e r als D i f f e r e n z g e s c h ä f t e a n z u s e h e n seien. N a c h E r l a ß des v e r u r t e i l e n d e n E r k e n n t n i s s e s h a b e n die K l ä g e r den B e k l a g t e n , w i e d i e s e w e i t e r v o r t r a g e n , v o n d e r E i n l e g u n g der B e r u f u n g a b g e r a t e n . D i e B e k l a g t e n s e h e n in d e m V e r h a l t e n der K l ä g e r e i n e V e r l e t z u n g der d i e s e n aus dem D i e n s t v e r t r a g o b l i e g e n d e n P f l i c h t e n ; d e n n sie m e i n e n , daß die K l a g e des B . n a c h den B e s t i m m u n g e n ü b e r die U n k l a g b a r k e i t von B ö r s e n t e r m i n g e s c h ä f t e n und von S p i e l g e s c h ä f t e n h ä t t e a b g e w i e s e n w e r d e n m ü s s e n , w e n n die K l ä g e r das G e r i c h t p f l i c h t m ä ß i g auf diesen r e c h t -
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liehen G e s i c h t s p u n k t hingewiesen oder m i n d e s t e n s nicht von der Einlegung d e r u n t e r diesem G e s i c h t s p u n k t aussichtsreichen Berufung a b g e r a t e n hätten. D a s Landgericht h a t der K l a g e s t a t t g e g e b e n und die W i d e r k l a g e a b g e w i e s e n . Das Berufungsgericht hat die Berufung d e r B e k l a g t e n zurückgewiesen. Ihre R e v i s i o n führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der S a c h e an die Vorinstanz. Gründe: Das Berufungsgericht prüft, ob der B a n k i e r B. im V o r p r o z e ß bei Erhebung des Differenzeinwands mit seiner K l a g e a b g e w i e s e n worden w ä r e , und o b zutreffendenfalls für die K l ä g e r die Pflicht bestand, ohne ausdrückliche Weisung diesen E i n w a n d geltend zu machen. Die erste F r a g e bejaht es nur teilweise, die zweite verneint es. Aus den G e s c h ä f t e n , deren K l a g b a r k e i t die B e k l a g t e n in A b r e d e stellen, scheidet das Berufungsgericht das eine als K a s s a g e s c h ä f t aus. Im übrigen gelangt es zu dem Ergebnis, daß allerdings Ultimogeschäfte, mithin B ö r s e n t e r m i n g e s c h ä f t e vorlägen. E s errechnet den Verlust, den die B e k l a g t e n aus ihnen erlitten haben, auf 40 957,15 R M . , sieht diese G e s c h ä f t e a b e r in Höhe von 3 5 0 0 0 R M . durch S c h e c k leistungen als erfüllt an und zieht außerdem 61,15 R M . für Auslagen ab. Der S c h a d e n , d e r den B e k l a g t e n durch Nichterhebung des Einwandes der U n w i r k s a m k e i t nach § 52 B ö r s G . entstanden sei, b e t r a g e also nur 5896 R M . A b e r auch insoweit lehnt der V o r d e r r i c h t e r eine Haftung der K l ä g e r aus dem D i e n s t v e r t r a g ab. E r erwägt, daß allerdings — da die B e k l a g t e n nicht Kaufleute, sondern nur T h e a t e r l e i t e r seien — die Erhebung des E i n w a n d e s aus dem B ö r s e n g e s e t z zum Erfolg h ä t t e führen müssen, zumal da das Vorhandensein von B ö r s e n t e r m i n g e schäften bereits aus dem Kontoauszug o b j e k t i v e r k e n n b a r gewesen sei. Gleichwohl seien die K l ä g e r — so führt das Berufungsgericht aus — nicht verpflichtet gewesen, d e n T e r m i n s e i n w a n d ohne ausdrückliche Weisung zu e r h e b e n . Ein s o l c h e r Einwand könne nämlich unter Umständen den K r e d i t desjenigen, der ihn e r h e b e , untergraben, weil das Vertrauen, das man in den K ä u f e r setze, vollständig e r schüttert werde, wenn dieser g e g e n ü b e r einer aus B ö r s e n t e r m i n geschäften erhobenen K l a g e einwende, er sei nicht börsentermingeschäftsfähig. Die E r h e b u n g dieses E i n w a n d e s bedeute, wie auch das Reichsgericht in R G Z . Bd. 5 3 S . 2 6 6 a n e r k a n n t habe, eine moralisch verwerfliche Handlung. S i e enthalte den Bruch eines V e r s p r e c h e n s . Das gelte nicht nur für den Kaufmann, sondern auch für alle anderen, die große U n t e r n e h m u n g e n l e i t e t e n oder im öffentlichen L e b e n ständen. A u c h für die B e k l a g t e n , die bei der heutigen
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Wirtschaftslage auf die Kredite der B a n k e n angewiesen seien, würde die Erhebung des Termineinwands schädigend wirken; sie würde einem geschäftlichen Verlust gleichkommen und sie in der Achtung ihrer Mitmenschen sinken lassen. Ein R e c h t s a n w a l t , der das gesamte Interesse seiner Auftraggeber wahrnehmen solle, müsse alles tun, um eine solche Schädigung zu verhindern, und dürfe daher den Börsenterminseinwand wegen seiner wirtschaftlichen und moralischen Folgen nicht ohne ausdrückliches Verlangen seines Auftraggebers erheben. Im Vorprozeß habe der F a l l schon insofern klar gelegen, als die Kläger aus der T a t s a c h e , d a ß R e c h t s a n w a l t N., der ständige V e r t r e t e r der Beklagten, nur die Anerkennung des Kontoauszuges bestritten habe, den Schluß h ä t t e n ziehen können, daß die Beklagten — eben wegen der Nebenwirkungen — die Erhebung des Terminseinwands nicht wünschten. Die K l ä g e r hätten davon ausgehen können, daß ihre Auftraggeber, die Börsentermingeschäfte bis zur Höhe von 600 000 R M . abgeschlossen hätten, börsengewandt genug seien, um die rechtliche Unwirksamkeit eines Teils ihrer G e s c h ä f t e zu erkennen. E s müsse demnach angenommen werden, daß die Kläger infolge der besonderen Umstände des F a l l s nicht verpflichtet gewesen seien, den Differenzeinwand für die B e k l a g t e n geltend zu machen. W a s schließlich die Frage der Berufungseinlegung im Vorprozeß betreffe, so hätten die Kläger auch hierbei davon ausgehen müssen, daß die B e klagten die Erhebung des Terminseinwands als moralisch verwerfliche Handlung nicht wünschten. Mit Recht beanstandet die Revision diese Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Haftbarkeit der Kläger für den Verlust des Vorprozesses ablehnt, als rechtsirrig. D e r Berufungsrichter nimmt selbst an, daß B . im Vorprozeß zum mindesten mit einem Teil seiner Forderung hätte unterliegen müssen, wenn das damals erkennende G e r i c h t die Nichteinklagbarkeit der G e s c h ä f t e erkannt hätte. E s hat diesen Umstand übersehen, würde aber nach der Annahme des Berufungsrichters zur teilweisen Abweisung d e r Klage gelangt sein, wenn die Kläger den Terminseinwand erhoben hätten. Mindestens würde im Fall d e r Einlegung der Berufung das Gericht des zweiten Rechtszuges dem Einwand stattgegeben haben. Davon ist auch auszugehen, da für die F r a g e d e s ursächlichen Zusammenhangs maßgebend ist, wie das G e r i c h t bei richtiger Beurteilung der Sach- und R e c h t s l a g e zu entscheiden h a t t e (vgl. R G Z . Bd. 91 S. 164, Bd. 117 S . 293). Dann war es a b e r die Pflicht der Kläger, die B e k l a g t e n darauf hinzuweisen, daß sie rechtlich in der L a g e waren, den Terminseinwand zu erheben, oder genauer: das G e r i c h t auf die Natur eines T e i l s der damaligen Klagforderung als einer Forderung aus klaglosen Termingeschäften aufmerksam zu machen. Auch der Umstand, daß die Erhebung eines solchen Einwandes durch die B e k l a g t e die
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Lossagung von einem gegebenen V e r s p r e c h e n bedeutete (vgl. R G Z . Bd. 5 3 S. 268) und geeignet sein mochte, die B e k l a g t e n in ihrer Kreditwürdigkeit zu schädigen und in der Achtung ihrer Mitmenschen sinken zu lassen, entband sie von dieser Verpflichtung nicht. W e n n das G e s e t z dem in einem R e c h t s s t r e i t befangenen Auftraggeber eines R e c h t s a n w a l t s das R e c h t einräumt, die Erfüllung der eingeklagten Verbindlichkeit aus Rechtsgründen zu unterlassen, so ist es S a c h e des rechtskundigen Anwalts, die P a r t e i auf diese rechtliche Möglichkeit hinzuweisen und ihre Entschließung einzuholen, falls er sich nicht ohne weiteres zur Geltendmachung dieses Gesichtspunktes für befugt erachtet. Auch der Umstand, daß der frühere ständige B e r a t e r und Vert r e t e r der Beklagten, R e c h t s a n w a l t N., den Einwand im R e c h t s s t r e i t nicht erhoben hatte, entschuldigt die Kläger nicht. Ein Rechtsanwalt, der an Stelle des bisherigen P a r t e i v e r t r e t e r s einen P r o z e ß übernimmt, ist grundsätzlich verpflichtet, die Prozeßlage in rechtlicher Hinsicht nach allen Richtungen von neuem selbständig zu prüfen. Ergibt sich dabei, daß ein rechtlicher Gesichtspunkt, d e r zur Abweisung der Klage führen mußte, im Rechtsstreit bisher unbeachtet geblieben ist, so ist e s auch in diesem F a l l e nicht S a c h e seiner eigenen Entschließung, auf die Geltendmachung dieses Gesichtspunkts aus irgendwelchen Erwägungen zu verzichten, sondern er muß die Entschließung der P a r t e i genau so einholen, wie wenn es sich um einen neuen Rechtsstreit handelte. B e i der Erwägung, daß d e r frühere P a r t e i v e r t r e t e r wahrscheinlich im Einvernehmen mit der P a r t e i gehandelt haben werde, darf er sich nicht beruhigen, wenn auch nur die Möglichkeit eines rechtlichen U e b e r s e h e n s vorliegt. Vollends gilt dies bei Prüfung der weiteren F r a g e , ob eine Berufung gegen ein zuungunsten der Partei ergangenes Gerichtsurteil Aussicht auf E r folg bietet. D e r Berufungsrichter hat allerdings noch erwogen, daß die Kläger davon hätten ausgehen können, daß ihre Partei börsengewandt genug gewesen sei, um die Unwirksamkeit eines Teils ihrer G e schäfte zu erkennen, und daß sie w e i t e r des Glaubens hätten sein müssen, daß die B e k l a g t e n die Erhebung des Terminseinwands als moralisch verwerfliche Handlung nicht wünschten. A b e r e r erörtert nicht, ob die B e k l a g t e n die rechtliche Möglichkeit eines solchen Einwandes erkannt und seine Erhebung wirklich nicht gewünscht haben. T r ä f e letzteres zu, so würde es allerdings an dem ursächlichen Zusammenhange zwischen der pflichtwidrigen Unterlassung der Kläger und dem eingetretenen Schaden fehlen. E i n e Feststellung in dieser Richtung ist indessen bisher nicht getroffen. . . ,
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RGZ. 146, 116 1. Zum Begriff des dauernden Dienstverhältnisses mit festen Bezügen. 2. ... B G B . §§ 138, 139, 627. HGB. §§ 74 flg. III. Z i v i l s e n a t . Die Entscheidung Allgemeiner Teil".
ist
Urt. v. 11. Dezember 1934.
abgedruckt
unter
„Bürgerliches
Recht,
RGZ. 151, 259 Hat ein Rechtsanwalt bei der Ausführung eines Auftrags die Möglichkeit einer unrichtigen Beurteilung der Rechtslage durch die zur Entscheidung berufene Stelle zu berücksichtigen und seine Maßnahmen möglichst so zu treffen, daß sein Auftraggeber auch in solchem Fall keinen Schaden erleidet? B G B . §§ 276, 611. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Kiel.
Urt. v. 15. Mai 1936.
II. Oberlandesgericht daselbst.
Die Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH., (im folgenden Gesellschaft genannt) war Eigentümerin mehrerer im Grundbuch von Kl.-N. eingetragenen Grundstücke. Das Gebäude der auf einem der Grundstücke betriebenen Gaststätte war vom Kläger erbaut worden. Seine Bauforderung von rund 30 000 RM. war durch Eintragung auf den Grundstücken hypothekarisch gesichert. Im Jahre 1931 betrieb der verklagte Rechtsanwalt im Auftrag des Klägers wegen eines Teiles der Bauforderung die Zwangsversteigerung in die Grundstücke. Im Zwangsversteigerungsverfahren vom 2. April 1932 blieb der Kläger Meistbietender; ihm wurden die Grundstücke durch Beschluß vom 16. April 1932 zugeschlagen. Der Zuschlagsbeschluß erlangte am 20. September 1932 Rechtskraft. Die Gaststätte wurde von dem Gastwirt D. bewirtschaftet, der mit der Gesellschaft am 11. Juni 1931 einen als „Pachtvertrag" bezeichneten Vertrag mit Nachtragsvertrag vom selben Tage geschlossen hatte; der Vertrag lief zunächst bis zum 1. April 1936. Während des Zwangsversteigerungsverfahrens hatte der Kläger den Beklagten darauf aufmerksam gemacht, daß der Vertrag mit D., falls ihm, dem Kläger, der Zuschlag erteilt werden sollte, gekündigt werden müsse. Der Beklagte hatte daraufhin den Vertrag am 21. September 1932 zum 31. März 1933 gekündigt. D. weigerte sich, zu diesem Termine zu räumen; er machte u. a. geltend, daß es sich bei
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seinem Vertragsverhältnis zur Gesellschaft nicht um einen Pachtvertrag, sondern um einen Mietvertrag handle und daß der Kläger es versäumt habe, gemäß § 57 a ZVG. zum ersten zulässigen Termine zu kündigen. Im November 1932 rief der Kläger das in dem Pachtvertrag vorgesehene Schiedsgericht ein; er begehrte Verurteilung des D. zur sofortigen Räumung wegen nicht pünktlicher Zahlung des Pachtzinses, hilfsweise zur Räumung am 1. April 1933, und ferner Zahlung rückständigen Pachtzinses. Durch Teilurteil vom 21. J u n i 1933 erkannte das Schiedsgericht über den Zahlungsanspruch des Klägers und verurteilte ferner diesen auf die von D. erhobene Widerklage, entsprechend dem Vertrage bestimmte Arbeiten an der Gaststätte vorzunehmen, auch dem D. auf Grund des Vertrags Parkplätze für fünf weitere Kraftwagen zur Verfügung zu stellen. Ueber den im Laufe des Verfahrens auf Räumung zum 1. April 1933 beschränkten Räumungsanspruch war vom Schiedsgericht noch nicht entschieden. Es hatte sich in dem Teilurteil auf den Standpunkt gestellt, daß einerseits das Räumungsverlangen wegen nicht pünktlicher Zahlung unbegründet sei, anderseits die Räumung auch nicht auf Grund der am 21. September 1932 ausgesprochenen Kündigung verlangt werden könne, da ein Mietvertrag, kein Pachtvertrag vorliege und nicht gemäß § 57 a ZVG. zum nächstzulässigen Termine gekündigt worden sei, daß aber gleichwohl über den Räumungsanspruch noch nicht entschieden werden könne, da der letzte vom Kläger zur Rechtfertigung des Räumungsverlangens geltend gemachte Grund, unredliches Verhalten des D., noch weiterer Aufklärung bedürfeAus diesem Grunde hatte das Schiedsgericht das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung eines gegen D. wegen ihm zur Last gelegten unredlichen Verhaltens schwebenden Verfahrens ausgesetzt. Das Strafverfahren wurde am 23. Februar 1934 mangeta eines zur Anklageerhebung ausreichenden Belastungsstoffes eingestellt. Der Kläger hat das Schiedsgerichtsverfahren nicht weiter verfolgt. Im vorliegenden Rechtsstreit machte der Kläger, der sich für die rechtliche Beurteilung des zwischen der Gesellschaft und D. geschlossenen Vertrags auf den Standpunkt des Schiedsgerichts stellte, geltend, daß das Mietvertragsverhältnis nach § 57 a ZVG. am 15. Juni zum 1. Juli 1932 hätte gekündigt werden müssen, während er nun mindestens bis 1936, möglicherweise bis 1941, an den Vertrag gebunden sei. Er machte den Beklagten für die Unterlassung der rechtzeitigen Kündigung verantwortlich und erhob zunächst Klage auf Ersatz eines Schadens von 4495,93 RM., der ihm in der Zeit vom 14. April 1933 bis 14. April 1934 dadurch entstanden sei, daß er über die Gaststätte nicht habe verfügen können; außerdem auf Ersatz der ihm durch das Schiedsgericht entstandenen Kosten.
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Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers, der seinen Klagantrag in der Berufungsinstanz erhöht und erweitert hatte, wurde zurückgewiesen. Seine Revision war ohne Erfolg. Aus den G r ü n d e n : Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Kläger nach der Erteilung des Zuschlags dem Beklagten als Rechtsanwalt den Auftrag erteilt hatte, den Vertrag, den D. mit der Gesellschaft geschlossen hatte, zu kündigen. Es hat angenommen, daß es hiernach vertragliche Verpflichtung des Beklagten war, den Vertrag nach § 57 a ZVG., nämlich für den ersten Termin, zu dem die Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zulässig war, zu kündigen, und daß sich der hiernach zu bestimmende nächste zulässige Zeitpunkt der Kündigung gemäß § 89 ZVG. nach dem Tage der Zuschlagserteilung (16. April 1932) richtete, nicht aber erst nach dem Tage des Eintritts der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses. Rechtsbedenken sind hiergegen nicht zu erheben; auch die Revision erhebt insoweit solche nicht. Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, daß die am 21. September 1932 zum 31. März 1933 ausgesprochene Kündigung hiernach nur dann rechtzeitig war, wenn es sich bei dem zwischen D. und der Gesellschaft bestehenden Vertragsverhältnis um ein Pachtverhältnis handelte, während es, sofern ein Mietverhältnis vorgelegen haben sollte, angenommen hat, daß die Kündigung nach § 57 a ZVG. in Verbindung mit § 565 BGB. spätestens am 3. Juli zum 30. September 1932 hätte ausgesprochen werden müssen. In der Unterlassung der Kündigung zu diesem letztgenannten Zeitpunkt hat es aber ein den Beklagten zum Schadensersatze verpflichtendes Verhalten in erster Reihe deshalb nicht erblickt, weil es der Auffassung ist, daß der von D. mit der Gesellschaft geschlossene Vertrag vom 11. Juni 1931 kein Mietvertrag, sondern ein Pachtvertrag war und daß dieser Pachtvertrag vom Beklagten rechtzeitig zum 1. April 1933 gekündigt worden ist. Die Revision bekämpft diesen Standpunkt des Berufungsgerichts mit der Begründung, daß die Frage, ob der Vertrag nach richtiger Auffassung ein Mietvertrag oder ein Pachtvertrag sei, nicht die für die Haftung des Beklagten entscheidende sei, sondern daß es für die Verschuldensfrage darauf ankomme, ob die Möglichkeit, daß das Schiedsgericht ein Mietverhältnis annehmen werde, so fernliegend gewesen sei, daß der Beklagte ihr ohne Fahrlässigkeit keine Rechnung habe zu tragen brauchen. Sie verweist darauf, daß da9 Berufungsgericht selbst anerkenne, die rechtliche Würdigung der Ueberlassung des Gaststättengrundstücks sei nicht ganz unzweifelhaft, und daß es selbst hervorhebe, man habe nicht wissen können, wie das Schiedsgericht entscheiden werde.
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Zuzugeben ist der Revision, daß der vorliegende Rechtsstreit mit der Stellungnahme zu der Frage, ob der Vertrag vom 11. Juni 1931 ein Pachtvertrag oder ein Mietvertrag war, noch nicht ohne weiteres entschieden ist. Als der Beklagte vom Kläger den Auftrag erhielt, dem D. zu kündigen, ergab sich für ihn folgende Sachlage: Infolge der Erteilung des Zuschlags am 16. April 1932 war der Kläger nach § 57 a ZVG. berechtigt, das zwischen der Gesellschaft und D. bestehende Vertragsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist für den ersten zulässigen Termin zu kündigen. War das Vertragsverhältnis ein Pachtverhältnis, so war dieser erste zulässige Termin, für den gekündigt werden konnte, der 31. März 1933; die Kündigungsfrist brauchte, damit die gesetzliche Kündigungsirist eingehalten wurde, nicht vor dem 3. Oktober 1932 zu erfolgen. War es ein Mietverhältnis, so war die Kündigung nach § 565 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 BGB. spätestens am 3. Juli 1932 für den 30. September 1932 auszusprechen. Da der Vertrag bis zum 1. April 1936 geschlossen war und unter Umständen noch bis 1941 weiter lief, kam es für den Kläger, wollte er von dem Vertrag loskommen, darauf an, daß die ihm durch § 57 a ZVG. gegebene Möglichkeit, eine vorzeitige Lösung des VertragsverhSltnisses herbeizuführen, wahrgenommen wurde. Der Beklagte hat am 21. September 1932 für den 31. März 1933 und damit rechtzeitig gekündigt, wenn der Vertrag ein Pachtvertrag war. Dagegen war der Kündigungstermin versäumt, wenn der Vertrag ein Mietvertrag war. Das im Vertrag vorgesehene und zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung berufene Schiedsgericht hat entschieden, daß der Vertrag ein Mietvertrag und daher die Kündigung nicht rechtzeitig erfolgt sei. Dem Beklagten wird vom Kläger als Fahrlässigkeit zur Last gelegt, daß er den Vertrag nicht gleichfalls als Mietvertrag angesehen oder wenigstens mit der Möglichkeit, der als Pachtvertrag bezeichnete Vertrag könne rechtlich als ein Mietvertrag angesehen werden, gerechnet und dementsprechend die Kündigung so rechtzeitig ausgesprochen habe, daß auch beim Vorliegen eines Mietvertrags der nach § 57 a ZVG. zulässige Kündigungstermin innegehalten worden sei. An sich war dies möglich. Denn es hätte nichts im Wege gestanden, das Vertragsverhältnis spätestens am 3. Juli zum 30. September 1932 zu kündigen, gleichzeitig aber vorsorglich zu erklären, die Kündigung solle zum 31. März 1933 gelten, falls der Vertrag ein Pachtvertrag sei. Eine solche Kündigung hätte beide Möglichkeiten gedeckt. Dais Berufungsgericht hat ein fahrlässiges Verhalten des Beklagten schon aus dem Grunde verneint, weil es angenommen hat, das Schiedsgericht habe unrichtig «ntschieden, daß ein Mietvertrag vorgelegen habe; nach richtiger Rechtsauffassung sei der Vertrag ein Pachtvertrag und der Beklagte habe deshalb rechtzeitig gekündigt.
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Damit ist a b e r das Berufungsgericht der Beurteilung der Pflichten, die sich für den B e k l a g t e n aus dem ihm vom K l ä g e r e r t e i l t e n Kündigungsauftrage ergaben, nicht völlig gerecht geworden. E i n A n w a l t , dem ein Geschäftsbesorgungsauftrag erteilt wird, hat bei der A u s führung des Auftrags die B e l a n g e seines Auftraggebers nach j e d e r Richtung wahrzunehmen und die Geschäftsbesorgung s o zu erledigen, daß Nachteile, die sich für den Auftraggeber aus der A r t der G e schäftsbesorgung ergeben könnten, vermieden werden, s o w e i t sie vorauszusehen und zu vermeiden sind. E s ist deshalb in der R e c h t sprechung b e r e i t s ausgesprochen, daß ein Anwalt, sei es bei e i n e r Belehrung, sei es bei eigener Ausführung eines Auftrags, von zwei in F r a g e k o m m e n d e n W e g e n immer denjenigen zu wählen hat, der für den A u f t r a g g e b e r der sichere oder weniger gefährliche ist, und daß er zum mindesten den Auftraggeber auf die sich aus d e r W a h l des anderen W e g e s ergebenden Gefahren aufmerksam zu machen hat (vgl. W a r n R s p r . 1921 Nr. 103; R G Z . B d . 148 S. 324/325). In gleicher W e i s e muß a b e r auch davon ausgegangen werden, daß der mit e i n e r Geschäftsbesorgung betraute Anwalt dann, wenn die rechtliche B e urteilung infolge der T a t s a c h e n l a g e zu ernstlich begründeten Zweifeln A n l a ß gibt, auch die Möglichkeit einer seinem Auftraggeber ungünstigeren Rechtsauffassung in B e t r a c h t zu ziehen und im R a h m e n des Möglichen bei der Ausführung der Geschäffcsbesorgung seine M a ß n a h m e n so zu treffen hat, daß im Fall der seinem A u f t r a g g e b e r ungünstigeren Beurteilung der R e c h t s l a g e durch die hierfür zuständigen S t e l l e n dieser keinen Nachteil erleidet. Denn bei wirklich zweifelhafter R e c h t s l a g e muß erfahrungsgemäß damit gerechnet werden, daß v e r s c h i e d e n e Entscheidungsstellen verschiedene Entscheidungen treffen, und dem muß auch der Anwalt Rechnung tragen. D a s Berufungsgericht hat hiernach die Rechtslage v e r k a n n t , wenn es die Klage schon aus dem Grunde abgewiesen hat, weil der V e r t r a g nach richtiger Auffassung ein P a c h t v e r t r a g gewesen sei und der B e k l a g t e deshalb rechtzeitig gekündigt habe. Gleichwohl b e durfte es einer Aufhebung des angefochtenen Urteils nicht, da auch bei Anwendung des vorstehend dargelegten Grundsatzes die E n t scheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis jedenfalls keinen R e c h t s irrtum zum Nachteil des K l ä g e r s erkennen läßt. G e h t man von den vorstehend dargelegten grundsätzlichen Erwägungen über den Umfang der Anwaltspflicht aus, so hängt die Entscheidung des vorliegenden F a l l s nicht allein davon ab, ob der B e k l a g t e zutreffend angenommen hat, es handle sich um einen P a c h t v e r t r a g , sondern, auch wenn das richtig sein sollte, weiterhin noch davon, ob der B e k l a g t e nach dem ihm b e k a n n t e n Inhalt des V e r t r a g s und den sonstigen in B e t r a c h t kommenden Umständen bei Anwendung der von ihm als. R e c h t s k u n d i g e n zu beobachtenden Sorgfaltspflicht mit der Möglich--
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keit hätte rechnen müssen, daß der Vertrag von der zur Entscheidung zuständigen Stelle als Mietvertrag angesehen und behandelt werden könne, und deshalb mit der Kündigung des Vertragsverhältnisses nicht bis zum 21. September 1932 hätte zögern dürfen, sondern spätestens am 3. Juli 1932 hätte kündigen müssen . . . (Das wird in den folgenden Ausführungen verneint.) RGZ. 158, 130 Welche Pflichten bestehen für einen Rechtsanwalt, der eine Partei vor Erhebung der Klage aus Art. 131 WeimVeri., § 839 BGB. und während der Führung des Rechtsstreits berät, im Hinblick auf eine etwaige eigene Ersatzpllicht im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB.? Kann der Rechtsanwalt, wenn er schuldhalt gegen diese Pflichten verstoßen hat und ihm in jenem Rechtsstreit noch in der Revisionsinstanz der Streit verkündet worden ist, in dem später gegen ihn anhängig gemachten Schadensersatzprozeß mit Erlolg den in dem Irüheren Rechtsstreit über seine Ersatzpllicht getroilenen Feststellungen die Einrede mangelhalter Prozeßiührung der Klagepartei und dem gegen ihn erhobenen Anspruch die Einrede der Verjährung entgegensetzen? BGB. §§ 611 flg., 675, 249 flg. ZPO. §§ 68, 74. RAO. § 37. III. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t H a m b u r g .
Urt. v. 17. Mai 1938. II. O b e r l a n d e s g e r i c h t
daselbst.
Der Kaufmann G. F. P., Eigentümer des Hochseefischdampfers „Rhein" (Heimathafen E.), betrieb sein Handelsgewerbe unter der Firma G. F. P. (eingetragen im Handelsregister in H.). Die Firma bewilligte und beantragte am 12. März 1930 durch die zeichnungsberechtigte Prokuristin Frau P. in notariell beglaubigter Form zur Sicherung der Ansprüche der Klägerin die Eintragung eines Schiffspfandrechts an dem bezeichneten Schiffe. Diese Eintragungsbewilligung übergab die Klägerin am 25. April 1930 dem Beklagten mit dem Auftrag, die Eintragung mit möglichster Beschleunigung zu erwirken, da Gefahr im Verzuge sei. Der Beklagte sprach am gleichen Tage fernmündlich mit Rechtsanwalt Dr. M. in E., zeigte die Uebersendung der Eintragungsbewilligung an und beauftragte Dr. M. damit, die Eintragung beschleunigt herbeizuführen. Dr. M. reichte die Eintragungsbewilligung mit Antrag auf Eintragung am 26. April dem Amtsgericht (Registergericht) ein. Der für die Bearbeitung zuständige Rechtspfleger beanstandete am 28. April den Eintragungsantrag, weil als Schiffseigentümer nicht die Firma G. F. P., sondern G. F. P. persönlich eingetragen sei. Hiervon machte Dr. M. dem Beklagten am selben Tage Mitteilung und bat um berichtigende Ergänzung zu dem
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Antrage dahin, daß die Eintragungsbewilligung nebst Antrag von G. F. P. persönlich erteilt werde. Der Beklagte übersandte darauf an Dr. M. unter dem 29. April einen (nicht beglaubigten) Handelsregisterauszug und bemerkte dabei, daß die Beanstandung des Registergerichts ungerechtfertigt sei. Dr. M. reichte den Registerauszug, der am 30. April bei ihm einging, am 1. Mai dem Gericht ein. Der Rechtspfleger, der vom 30. April bis 3. Mai dienstlich abwesend war, verfügte am 6. Mai die Eintragung, die an demselben Tage vorgenommen wurde. Der Dampfer ,,Rhein" war inzwischen am 2. Mai 1930 in A. (Schottland) auf Antrag der Besatzung wegen Heuerforderungen mit ßeschlag belegt worden. Den bevorrechtigten Schiffsgläubigern schlössen sich am 3. Mai zwei schottische Warengläubiger mit einer Beschlagnahme an und veranlaßten, daß das Schiff an die Kette gelegt wurde. Am 14. August wurde das Schiff in A versteigert. Der Erlös betrug 2925 englische Pfund (etwa 59 000 RM.). Bei der Verteilung des Erlöses ging die Klägerin leer aus. Die Klägerin nahm wegen des ihr durch die Verzögerung der Eintragung des Schiffspfandrechts entstandenen Schadens in Höhe von 30 000 RM. zunächst das Deutsche Reich (Justizfiskus) in Anspruch, weil nach ihrer damaligen Ansicht der Rechtspfleger die Eintragung des Schiffspfandrechts schuldhaft verzögert und sich damit einer Amtspflichtverletzung ihr gegenüber schuldig gemacht habe. Sie wurde mit ihrer Klage rechtskräftig abgewiesen, weil vom Gericht angenommen wurde, daß der Beklagte der Klägerin für den behaupteten Schaden einzustehen habe (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB.). In diesem Rechtsstreit verkündete die Klägerin dem Beklagten in der Revisionsinstanz den Streit. Der Beklagte trat dem Rechtsstreit nicht bei. In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten geltend gemacht. Sie hat behauptet, der Beklagte trage für die Verzögerung der Eintragung ihres Schiffspfandrechts ihr gegenüber die Verantwortung, weil er es verabsäumt habe, mit dem Antrag auf Eintragung zugleich einen beglaubigten Handelsregisterauszug zum Nachweise der Eigenschaft der Frau P. als Prokuristin der Firma G. F. P. beizufügen oder nach der Beanstandung des Antrags durch das Registergericht alsbald nachzureichen. Im übrigen müsse der Beklagte wegen der in dem vorangegangenen Rechtsstreit erfolgten Streitverkündung an ihn, die dort getroffene gerichtliche Feststellung, daß er den der Klägerin infolge der verspäteten Eintragung entstandenen Schaden zu vertreten habe, gegen sich gelten lassen. Die Klägerin hat ferner von dem Beklagten Erstattung der ihr durch die Führung des Rechtsstreits gegen das Deutsche Reich entstandenen Kosten verlangt, weil er in schuldhafter Verkennung seiner eigenen Haftung für den ihr ent-
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standenen Schaden zur Einleitung und Führung dieses Rechtsstreits geraten, jedenfalls nicht davon abgeraten habe. Sie hat demgemäß beantragt, den Beklagten 1. zur Zahlung von 30 000 RM. nebst Zinsen, gegebenenfalls zur Zahlung eines vom Gericht festzusetzenden 'Betrags, und 2. zur Erstattung der Gesamtkosten des früheren Rechtsstreits an sie zu verurteilen. Der Beklagte ist dem tatsächlichen und rechtlichen Vorbringen der Klage allenthalben entgegengetreten und hat die Abweisung der Klage beantragt. Gegenüber der von der Klägerin behaupteten Wirkung der Streitverkündung im Vorprozeß hat er die Einrede mangelhafter Führung des Rechtsstreits geltend gemacht. Der von ihm dem ersten Klagantrag gegenüber erhobenen Einrede der Verjährung ist die Klägerin mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnet. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht dagegen beide Ansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Die von ihm erhobenen Einreden der mangelhaften Prozeßführung und der Verjährung blieben dabei erfolglos aus folgenden Gründen: In dem vorangegangenen Rechtsstreit der Klägerin gegen das Deutsche Reich, in welchem dem Beklagten in der Revisionsinstanz der Streit verkündet wurde, ist festgestellt worden, daß der Klägerin ein Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz des ihr durch die Verzögerung der Eintragung des Schiffspfandrechts von 30 000 RM. entstandenen Schadens zustehe. Der Grund für die Haftung des Beklagten ist dort darin erblickt worden, daß er es unterlassen habe, den Antrag auf Eintragung dieses Pfandrechts so zu gestalten und auszustatten, daß der Eintragung kein Hindernis entgegenstände. Dazu habe der Nachweis gehört, daß der Kaufmann G. F. P., der als Eigentümer des Schiffes im Schiffsregister eingetragen stand, Alleininhaber der Firma G. F. P. und daß die Frau P., die namens der Firma die Eintragung bewilligt hatte, deren Prokuristin war. Dieser Nachweis hätte durch öffentliche Urkunden, wozu ein beglaubigter Handelsregisterauszug ausgereicht hätte ( S c h l e g e l b e r g e r , Die Gesetze über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit für das Reich und Preußen, 4. Aufl., Erl. 6 zu § 107 FGG.; G ü t h e T r i e b e l GBO., 6. Aufl., § 33 Erl. 77; JFG. Bd. 6 S. 262), erbracht werden müssen, und zwar jedenfalls so rechtzeitig, daß die Eintragung des Schiffspfandrechts auf Grund der vollständigen Unterlagen durch den Rechtspfleger noch vor seiner Abreise am 30. April 1930 oder durch seinen Vertreter noch am 1. oder 2. Mai hätte vorgenommen werden können.
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Diese Feststellung, die im V o r p r o z e ß gemäß § 8 3 9 Abs. 1 Satz 2 B G B . zur Abweisung der K l a g e gegen Aas Deutsche R e i c h führen mußte, hat der Beklagte, der dem Rechtsstreit nicht beigetreten ist, gemäß § 74 Abs. 2, 3, § 6 8 Z P O . gegen sich gelten zu lassen, soweit er dagegen nicht mit R e c h t die E i n r e d e d e r mangelhaften Prozeßführung gemäß § 68 Z P O . S c h l u ß a b s a t z erheben kann ( R G Z . B d . 123 S. 9 6 / 9 7 , Bd. 130 S. 3 0 0 ; R G . in J W . 1935 S . 3539 Nr. 10). Diese Einrede hat der B e k l a g t e erhoben und sie damit begründet, daß ihm im V o r p r o z e ß der Streit erst in der Revisionsinstanz verkündet und daß er durch die L a g e des R e c h t s s t r e i t s verhindert worden sei, Einwendungen tatsächlicher A r t gegen die Annahme seiner Haftung vorzubringen. S o habe er nicht mehr geltend machen können, daß er mit Recht habe annehmen dürfen, die Eigenschaft der F r a u P. als Prokuristin der F i r m a G. F . P . sei beim Registergericht offenkundig gewesen. Das Berufungsgericht hat ihn mit diesem Einwand nicht gehört, weil die Streitverkündung mit der W i r k u n g aus § 68 Z P O . in jeder Lage des R e c h t s s t r e i t s erfolgen könne und weil weiter der B e k l a g t e als B e r a t e r , nicht nur als Schriftwechselanwalt der K l ä g e r i n weitgehenden E i n f l u ß auf den V o r p r o z e ß schon in den T a t sacheninstanzen habe nehmen können. Diese Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist, wie der Revision zuzugeben ist, insofern nicht zutreffend, als die Streitverkündung erst in der Revisionsinstanz den Streitverkündeten gemäß § 6 8 Z P O . Schlußhalbsatz grundsätzlich nicht daran hindert, in dem gegen ihn gerichteten Rechtsstreit diejenigen tatsächlichen Einwendungen gegen die Feststellungen im V o r p r o z e ß geltend zu machen, die ihm dort in der Revisionsinstanz abgeschnitten waren. Vorliegend ist aber im V e r h ä l t n i s zwischen den Parteien ein Umstand von besonderer Bedeutung, auf den auch das B e r u f u n g s g e r i c h t schon hinweist, ohne allerdings die rechtlichen Folgerungen zu ziehen. Der Beklagte war, wie das Berufungsgericht feststellt, sich im übrigen auch aus den Aktenunterlagen ergibt, R e c h t s b e r a t e r der K l ä g e r i n im Vorprozeß und hat diesen mit betrieben. O b und wieweit damals seine Tätigkeit in dem Rechtsstreit sonst als die eines Schriftwechselanwalts zu bezeichnen ist oder nicht, ist dabei nicht entscheidend. Jedenfalls bestand zwischen der Klägerin und dem B e k l a g t e n in bezug auf den in F r a g e kommenden S c h a d e n e r s a t z a n s p r u c h ein Rechtsanwaltdienstvertrag (§§ 611 flg., 6 7 5 B G B . ) . E i n solcher Vertrag verpflichtet den R e c h t s a n w a l t zur sorgfältigen Prüfung und Sicherung des Anspruchs nach jeder Richtung. Diese Prüfung darf vor seiner eigenen Person, seiner etwaigen eigenen Haftung, nicht haltmachen. Der Auftraggeber kann dadurch nicht schlechter gestellt sein, daß der beauftragte R e c h t s a n w a l t etwa selbst ihm gegenüber Schuldner ist. Unterläßt er diese Prüfung, dann haftet er, falls seinem Auftraggeber daraus
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ein Schaden erwächst, wegen dieser schuldhaften Unterlassung. Nimmt er diese Prüfung vor, und ergibt sich dabei die Möglichkeit der eigenen Haftung, dann ist er vor die Frage gestellt, ob er den Auftrag beibehalten oder zurückgeben soll. Behält er den Auftrag bei, dann hat er die zur Wahrung der Rechte seines Auftraggebers auch gegen sich notwendigen Schritte zu tun. Sieht er sich dazu nicht in der Lage, dann hat er seinen Auftrag zurückzugeben, damit ein anderer Rechtsanwalt die Rechte seines Auftraggebers ihm gegenüber wahrt. Diese allgemeinen Grundsätze für die Behandlung des einem Rechtsanwalt gegebenen Auftrags haben noch ihre besondere Bedeutung in dem Falle des § 839 B O B . Hier ist das Nichtbestehen eines Ersatzanspruchs gegen einen Dritten Voraussetzung des geltend zu machenden Anspruchs (§ 839 Ab. 1 Satz 2 B G B . ; RGZ. Bd. 81 S. 430, Bd. 86 S. 287, Bd. 91 S. 234). Aus diesem Grunde muß die Frage eines solchen Ersatzanspruchs vor der Erhebung der Klage besonders genau geprüft und auch während des Rechtsstreits dauernd im Auige behalten werden. Der beauftragte Rechtsanwalt darf dabei nicht unbeachtet lassen, ob er etwa selbst seinem Auftraggeber zum Schadensersatz verpflichtet ist, andernfalls er für den seinem Auftraggeber daraus erwachsenden Nachteil einzustehen hat. Aus diesen Grundsätzen ergeben sich für den vorliegenden F a l l eine Reihe von rechtlichen Schlußfolgerungen: Der Beklagte hatte als Rechtsberater der Klägerin kraft des ihm gewordenen Auftrags bei der Prüfung des gegen das Deutsche Reich zu erhebenden, auf die schuldhafte Verzögerung der Eintragung des Schiffspfandrechts zu stützenden Anspruchs von vornherein die Frage der möglichen eigenen schuldhaften Verursachung oder Mitverursachung dieser Verzögerung mitziuibeachten. B e i sorgfältiger Prüfung hätte ihm wenigstens die Möglichkeit der eigenen Haftung nicht entgehen dürfen. Es kann ihn dabei nicht entschuldigen, daß das Gericht und die Prozeßbevollmächtigten in dem damaligen Rechtsstreit seine Haftung zunächst nicht erwogen haben und daß erst das Oberlandesgericht darauf aufmerksam gemacht hat. Es war so auch seine Pflicht, die Sicherung dieses Anspruchs im Auge zu behalten. Ein Mittel dieser Sicherung im Vorprozeß war die Veranlassung der Streitverkündung an ihn, und zwar in doppelter Richtung, einmal, um den Anspruch im Falle der Notwendigkeit des Zurückgreifens der Klägerin auf ihn gegen Einwendungen aus § 68 ZPO. zu sichern, sodann um die mögliche Verjährung des Anspruchs nach § 32 a RAO. (§ 37 n. F.) zu verhüten. Daß die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin schon in den Tatsacheninstanzen dieser seiner Bitte um Vornahme der Streitverkündung an ihn entsprochen haben würden, kann nicht zweifelhaft sein. Gegebenenfalls hätte der Beklagte seinen Auftrag an die Klägerin zurückgeben müssen. DaZivils. Sdboldredit 7
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mit hätte er insoweit seiner Pflicht genügt, wobei es ihm freigestanden hätte, dem Rechtsstreit gemäß § 66 ZPO. als Nebenintervenient beizutreten. Die bezeichnete Maßnahme war also schon während des Schwebens des Rechtsstreits in den Tatsacheninstanzen möglich und sie wurde dringlich, als das Oberlandesgericht auf die eigene Haftung des 'Beklagten gegenüber der Klägerin hinwies. Da er sie schuldhafterweise unterließ, ist er der Klägerin dafür verantwortlich, daß die Streitverkündung erst in der Revisionsinstanz erfolgte und so an sich dem Einwände der mangelhaften Prozeßführung aus § 68 ZPO. Schlußhalbsatz ausgesetzt ist. Die Berufung auf diesen Einwand ist dem Beklagten daher aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen schuldhaiter Vertragsverletzung gegenüber der Klägerin genommen, weil er danach die Klägerin so stellen muß, als wäre die Streitverkündung schon in einer der Tatsacheninstanzen mit der vollen Wirkung aus § 68 ZPO. 1. Halbsatz erfolgt (§ 249 BGB.). — Danach bedurfte es keines Eingehens auf den auf § 68 ZPO. Schlußhalbsatz gestützten Einwand der mangelhaften Führung des Vorprozesses, den der Beklagte besonders insofern erhebt, als das Vorbringen seiner damaligen Revision, er habe annehmen können, daß die Eigenschaft der Frau P. als Prokuristin der Firma G. F. P. beim Registergericht offenkundig sei, von dem Revisionsgericht, weil in den Tatsacheninstanzen nicht vorgebracht, zurückgewiesen worden sei. Die an diesen Einwand anknüpfende Revisionsrüge ist daher unbegründet. Die, wie gezeigt, von dem Beklagten nicht mehr angreifbare Feststellung im Vorprozeß, er sei der Klägerin grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet, machte eine sachliche Prüfung dieses Anspruchs, wie sie von dem Berufungsgericht noch vorgenommen worden ist, entbehrlich. Die schuldhafte Unterlassung der rechtzeitigen Herbeiführung der Streitverkündung durch den Beklagten ist weiter für die Frage der Verjährung des Schadenersatzanspruchs gegen ihn von rechtlicher Bedeutung. Aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsanwaltdienstvertrag ergab sich gemäß den dargelegten Grundsätzen die Verpflichtung des Beklagten, diesen Anspruch auch dahin zu sichern, daß er nicht verjährte. In Beachtung der Vorschrift des § 3 2 a RAO. (§ 37 n. F.), wonach der Schadensersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt aus einem Anwaltdienstvertrag in fünf Jahren verjährt, hatte er Maßnahmen zu erwägen und der Klägerin anzuraten, die geeignet waren, gegebenenfalls eine Unterbrechung des Laufes der Verjährung herbeizuführen. Dazu konnte neben den anderen in §§ 208, 209 BGB. vorgesehenen Maßnahmen auch die Streitverkündung an ihn im Vorprozeß dienen (§ 209 Nr. 4 BGB.). Zu der Zeit, als die Streitverkündung erfolgte, war aber die Verjährung des Anspruchs- wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend
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dargelegt ist, bereits eingetreten. Für den Eintritt der Verjährung haftete der Beklagte der Klägerin ebenfalls aus schuldhafter Vertragsverletzung; er kann sich daiier wegen seiner Schadensersatzpflicht nicht auf die Verjährung des Anspruchs gegen ihn berufen, weil der Schadensersatz ihn verpflichtet, die Rechtslage so gelten zu lassen, als wäre die Verjährung nicht eingetreten (§ 249 BGB.). Wer für den Schaden verantwortlich ist, kann daraus kein Recht für sich herleiten. Das ist vorliegend der rechtliche Grund, der dazu führt, dem Beklagten die Einrede der Verjährung gegenüber dem gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruch zu versagen. Die Rechtslage ist hier anders als in dem vom erkennenden Senat im Urteil RGZ. Bd. 153 S. 101 flg. [107—111]; vgl. auch RGZ. Bd. 143 S. 250 flg. entschiedenen Falle. Dort hatte der Gläubiger Kenntnis von dem Bestehen und der möglichen Verjährung seines Anspruchs und er durfte berechtigterweise aus dem Verhalten des Schuldners, der sich der Rechtslage ebenfalls bewußt war, schließen, dieser werde die Einrede der Verjährung im gegebenen Falle nicht erheben. Im vorliegenden Falle hatte die Klägerin überhaupt keine Kenntnis von ihrem Anspruch gegen den Beklagten und der drohenden Verjährung, weil sie von dem Beklagten, der schuldhafterweise die Rechtslage selbst nicht erkannt hatte, nicht darüber unterrichtet worden war. Bei einem Sachverhalt der ersten Art ist angesichts des Verhaltens des Schuldners dem Gläubiger der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gegenüber der Einrede der Verjährung zuzubilligen. Bei dem vorliegend in Frage kommenden, anders gearteten Sachverhalt ist dieser rechtliche Gesichtspunkt nicht verwendbar. Hier führt der Weg über den Schadensersatz durch den Schuldner zur Verneinung seines Rechts auf die Geltendmachung der Einrede der Verjährung. Die grundsätzliche Bejahung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten durch das Berufungsgericht erscheint hiernach im Ergebnis rechtsbedenkenfrei. RGZ. 159, 283 1. Fällt es noch in den Umfang der Fürsorgepflicht, wenn der Dienstpflichtige oder ein Angehöriger, auf den sich diese Fürsorge erstreckt, durch einen Gegenstand verletzt wird, den er, wenn anch in Unkenntnis seiner Gefährlichkeit, ohne Erlaubnis des Dienstberechtigten aus dessen Räumen mitgenommen hatte? 2. Unter welchen Voraussetzungen ist in einem solchen Falle eine Haftung des Dienstberechtigten aus nnerlanbter Handlung gegeben? 3. Ist es dabei von Bedeutung, daß sich der Dienstberechtigte zur Erfüllung seiner Verkehrssicherungspflicht anderer Personen bediente?
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4. Kann der Klage aus unerlaubter Handlung das mitursächliche Verschulden eines Dritten entgegengehalten werden, wenn der Verletzte ein Minderjähriger, der Mitverursacher der Aufsichtspflichtige und die Mitursache die nicht gehörige Ausübung der Aulsicht war? BGB. §§ 254, 618, 823, 831. III. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 6. Januar 1939.
I. Landgericht Wuppertal. II. Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Mutter des Klägers ist seit Jahren als Putzfrau im Rathaus der verklagten Stadtgemeinde tätig und hat während dieser Zeit öfters den Kläger zur Arbeit mitgenommen, um ihn nicht allein zu Hause zu lassen. Die ebenfalls als Putzfrau beschäftigte Frau W. entleerte am 16. Oktober 1936 den auf Zimmer 16 befindlichen Papierkorb in einen auf dem Flur stehenden großen Sammelpapierkorb. Dabei fand sie einen harten metallenen Gegenstand und legte ihn zur Seite. Der damals sechsjährige Kläger fand ihn, spielte mit ihm und nahm ihn, nach anfänglichem Verbot, später mit Erlaubnis seiner Mutter zu seiner Großmutter mit. Als er zwei Tage später bei seiner Großmutter wieder mit dem Gegenstand spielte, explodierte dieser und verletzte ihn an beiden Händen, insbesondere der linken Hand und im Gesicht, so daß er in klinische Behandlung gegeben werden mußte. Von der Polizei wurde festgestellt, daß es sich um eine englische Gewehrgranate handelte, die jahrelang in einem Schrank des Zimmers 16 im Rathaus gelegen hatte und am 16. Oktober 1936 beim Aufräumen des Schrankes von dem damaligen Stadtsekretär T. in den Papierkorb gelegt worden war. Sämtliche Beteiligte haben den Sprengkörper für den unteren Teil einer Stehlampe gehalten. Wie die Granate in den Schrank gelangt ist, läßt sich nicht mehr aufklären. Der Kläger verlangte mit der Klage 5000 RM. Schmerzensgeld und 141,25 RM. Heilungskosten sowie Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm auch allen sonstigen aus dem Unfall entstehenden Schaden zu ersetzen. Das Landgericht erklärte den Zahlungsantrag dem Grunde nach für berechtigt und traf die beantragte Feststellung. Das Oberlandesgericht wies die Berufung zurück. Auch die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Gründe: Das Berufungsgericht stellt fest, daß die in den Geschäftsräumen der Beklagten beschäftigten Beamten und Angestellten die Gefährlichkeit des dort befindlichen, später als englische Gewehrgranate festgestellten metallenen Gegenstandes nicht erkannt haben und auch nicht erkennen konnten. Trotzdem hält es eine Haftung der beklagten Stadtgemeinde dem Kläger gegenüber für gegeben. Vor dem Unfall,
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so führt es aus, habe in den Räumen der Beklagten ein ordnungswidriger, gefahrdrohender Zustand geherrscht, der nach dem natürlichen Lauf der Dinge den später eingetretenen Schaden habe herbeiführen können und auch herbeigeführt habe. Demgegenüber müsse die Beklagte den Nachweis ihres Nichtverschuldens führen, an den, soweit der Kläger sich auf die Verletzung der Schutzvorschrift des § 618 BGB. stütze, erhöhte Anforderungen zu stellen seien. Hieraus und aus den weiteren Ausführungen des angefochtenen Urteils ergibt sich, daß das Berufungsgericht die Haftung der Beklagten sowohl auf vertragliche Verpflichtung, die es aus § 618 BGB. herleitet, wie auf die Annahme, daß dem Kläger ein Anspruch aus unerlaubter Handlung zur Seite stehe, gründen wollte. Die Anwendung des § 618 BGB. rechtfertigt das Berufungsgericht mit der Erwägung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihre Beamten und Angestellten gegen Gefahr für Leib und Gesundheit so weit zu schützen, als die Natur der Dienstleistung es gestatte. Durch richtige Anwendung und Ueberwachung hätte sie vermeiden können, daß die Putzfrauen und der Kläger mit Gegenständen in Verbindung kämen, die ihnen gefährlich werden konnten. Diese Verpflichtung liege ihr allerdings im gegebenen Fall in erster Linie der Mutter des Klägers gegenüber ob, da sie mit der Beklagten den Dienstvertrag abgeschlossen habe. Indessen habe auch der Kläger auf die Gewährung dieses Schutzes einen vertraglichen Anspruch; denn der Beklagten sei bekannt gewesen, daß die Putzfrauen ihre Kinder mit in das Gebäude gebracht hätten. Die Beklagte behauptet allerdings, die Mitnahme von Kindern verboten zu haben. Es könne jedoch dahingestellt bleiben, ob ein solches Verbot bestandan habe; denn die Beklagte habe selbst ausgeführt: wenn sie in der Handhabung dieses an ¡sich bestehenden Verbots großzügig gewesen sei, so habe das daran gelegen, daß sie die Putzfrauen nicht um ihr Brot habe bringen wollen, die ihre Kinder nicht unbeaufsichtigt zu Hause lassen konnten. — Die Mutter und Großmutter des Klägers hätten auch bestätigt, daß sie schon seit jeher die Kinder zur Arbeit mitgenommen hätten, ohne daß das beanstandet worden sei. Es sei aber offenbar, daß die Putzfrauen während der Arbeit nicht fortgesetzt auf die Kinder achten könnten; daher sei damit zu rechnen gewesen, daß die Kinder auf dem Flur ohne unmittelbare Aufsicht umherliefen, und das sei der Beklagten bekannt gewesen. Sie habe dafür Sorge tragen müssen, daß die Kinder auch während der Arbeit der Putzfrauen sich dort ungefährdet aufhalten konnten. Unter diesen besonderen Umständen müsse als stillschweigend vereinbart angesehen werden, daß der Schutz des § 618 BGB. auch dem Kläger zugute kommen und er hierauf einen vertraglichen Anspruch haben sollte. Die Pflichtverletzung sei darin zu erblicken, daß die Beklagte es unterlassen
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habe, die erforderlichen Maßregeln zum Schutze der Angestellten zu treffen und sie zu überwachen. Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Entscheidung zu tragen. Zwar kann die Schutzvorschrift des § 618 B G B . auch über den Kreis der Dienstverpflichteten hinaus deren Familienangehörigen zugute kommen, wenn diese nach den Abmachungen der Parteien berechtigt sind, sich während der zu leistenden Dienste in den Räumen des Dienstberechtigten aufzuhalten. Jedoch kann dahingestellt bleiben, ob im gegebenen Fall eine solche Berechtigung für den Kläger bestand. Denn eine Haftung der Beklagten aus § 618 BGB. für den dem Kläger entstandenen Schaden kommt deshalb nicht in Betracht, weil der Schaden dadurch eingetreten ist, daß der Kläger gerade erst nach Beendigung der Tätigkeit seiner Mutter in den Räumen der Beklagten das ungefährlich erscheinende Metallstück mitgenommen hat. Darüber hinaus ist auch der Unfall selbst nach den Feststellungen des Berufungsgerichts an einem anderen Orte, nämlich in der Wohnung der Großmutter des Klägers, und zwei Tage nach der Wegnahme aus den Räumen der Beklagten eingetreten, als der Kläger mit dem Gegenstande spielte. Die Haftung der Beklagten endete jedenfalls mit dem Zeitpunkt, in dem das Metallstück ohne ihre Erlaubnis aus ihren Räumen entfernt wurde. Es muß daher unerheblich sein, ob seine Mitnahme durch den Kläger gegen ein ausdrückliches Verbot der Leitung der Beklagten verstieß oder nicht. Schon rein äußerlich betrachtet fiel das schädigende Ereignis weder zeitlich noch örtlich in den Rahmen der von der Beklagten zu leistenden Fürsorge. W e i l die Granate jedenfalls ohne Billigung der Beklagten aus deren Aufsichtsbereich hinausgeibracht wurde, besteht auch keine Fortwirkung der ursprünglichen Verantwortlichkeit der Stadt. Unter besonderen Umständen wäre freilich denkbar, daß der Dienstherr seine Schutzbefohlenen auch davor zu bewahren hat, Sachen, die eine nicht ohne weiteres erkennbare Gefahr bieten, mitzunehmen. Aber solche besonderen Fürsorgepflichten bestanden im gegebenen Fall nicht; denn es war selbstverständlich, daß die Mutter des Klägers nicht berechtigt war, irgendwelche Sachen aus dem Gewahrsam der Beklagten zu entfernen oder dem Kläger solche Mitnahme zu gestatten, und die Leitung der Beklagten durfte sich ohne weiteres darauf verlassen, daß die Putzfrauen sich demgemäß verhalten würden. Der Anspruch kann hiernach auf die Vorschrift des § 618 BGB. nicht gestützt werden. Die Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung hat das Berufungsgericht aus der Feststellung gefolgert, daß der Beklagten „eine Verletzung der ihr obliegenden Pflichten" zur Last falle, „für die Verkehrssicherheit des Publikums in den Räumen, die dem Publikum offenstanden, zu sorgen". Das Berufungsgericht hat diese
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Beurteilung mit folgenden Erwägungen begründet: Die Beklagte habe es unterlassen, sei es durch Anweisung, sei es durch Ueberwachung, Maßnahmen zu treffen, die einen solchen Unfall auszuschließen geeignet waren. In den Räumen der Beklagten, dem Stadtsteueramt, insbesondere auch dem Zimmer 16, verkehrten nicht nur die Beamten und Angestellten der Beklagten, sondern auch andere. Es sei damit zu rechnen, daß irgendwelche Gegenstände zurückblieben und d a ß sich darunter auch solche befänden, die irgendwie von Bedeutung und auch gefahrbringend sein könnten, ohne daß deren Gefährlichkeit erkennbar gewesen wäre. Es habe daher einer allgemeinen Anordnung über die Behandlung solcher Gegenstände bedurft, insbesondere einer Anweisung, daß alle Sachen, die nicht in die Geschäftsräume gehörten, an eine Fund- oder Sammelstelle abzuliefern und durch geeignete Personen zu behandeln seien. Das Berufungsgericht verweist in diesem Zusammenhange beispielshalber auf die Vorschriften der Aktenordnung für die deutschen Justizbehörden vom 28. November 1934 und die preußische Zusatzbestimmung zu dieser vom 28. November 19341), wonach die Sachen, die in den Geschäftsräumen einer Justizbehörde gefunden würden, an den geschäftsleitenden Beamten abzuliefern und von diesem gemäß §§ 979 flg. (§ 983) BGB. zu behandeln seien. Das Berufungsgericht knüpft daran die Ausführung, in einem geordneten Betriebe werde üblicherweise die Innehaltung dieser Bestimmungen von besonderen Beamten fortdauernd überwacht. Wenn die Beklagte solche oder ähnliche Vorschriften erlassen und ihre Ausführung nachgeprüft hätte, „wäre der Vorfall vermeidbar gewesen". Die Beklagte habe es aber unterlassen, in dieser Hinsicht irgendwelche klare und erschöpfende Anordnungen zu treffen. Mit diesen Gedankengängen will das Berufungsgericht einerseits das aus einem Organisationsmangel hervorgehende, die unmittelbare Haftung der Beklagten nach §§ 31, 89 BGB. begründende Verschulden ihrer satzungsmäßigen Vertreter herleiten, andererseits das Bestehen des Ursachenzusammenhanges zwischen diesem Verschulden und dem Unfall darlegen. Indessen läßt sich unter solchem Gesichtspunkte keine schuldhafte Pflichtverletzung der Organe der Beklagten ableiten. Auch ohne ausdrückliche Dienstanweisungen hatten die Beamten und Angestellten der Beklagten gefundene Sachen von irgendwelchem Wert abzuliefern und für die nötige Ordnung in den Geschäftsräumen und den darin befindlichen Behältnissen zu sorgen. Im übrigen konnte die Beseitigung wertlosen Abfalls usw. den zur äußeren Reinigung der Geschäftsräume bestimmten Personen, insbesondere dem Hausverwalter und den Reinmachefrauen, überlassen werden. Es geht nicht an, zu verlangen, daß ') In Sonderdruckschriften veröffentlicht D. R.
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aller Abfall zunächst einem geschäftsleitenden Beamten vorgelegt wird. Die Verwertung oder Aufsammlung von Rohstoffen ferner hat mit Verkehrssicherung nichts zu tun. So zielen denn solche allgemeinen Maßnahmen, wie sie das Berufungsgericht im Auge hat, auch nur auf die Herstellung einer äußerlichen Ordnung, aber nicht auf den Schutz von Menschen vor derartigen Vorkommnissen ab. Möglicherweise sollen jedoch die in Rede stehenden Ausführungen des angefochtenen Urteils dahin verstanden werden, daß die Beklagte verpflichtet sei, für regelmäßige Durchsichten ihrer Räume und Behälter auf das Vorhandensein gerade von gefährlichen Gegenständen Sorge zu tragen. Auch das kann ihr indessen nicht angesonnen werden. Bei einer Behörde von dem Aufgabenkreis der Beklagten sind die Fälle, in denen gefährliche Gegenstände in ihren Bereich gebracht werden, so selten, daß sie — in Uebereinstimmung mit demjenigen, was denn auch bei derartigen Dienststellen in dieser Hinsicht allgemein üblich ist — die Notwendigkeit besonderer Vorkehrungen nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch die Leitung der Beklagten durfte vielmehr das Vertrauen haben, daß ihre Beamten und Angestellten außerhalb ihrer dienstlichen Verrichtungen keine gefährlichen Gegenstände in die Räume und Behälter einbringen würden, und daß diejenigen von ihnen, die — ausnahmsweise — dienstlich in die Lage kommen würden, mit solchen umzugehen, die nötige Sorgfalt, insbesondere für Verbleib und Kennzeichnung der Sachen, aufwenden würden. Die zur Erörterung stehenden Ausführungen des Berufungsgerichts vermögen nach alledem die Entscheidung nicht zu tragen. Sie überspannen die Anforderungen, die an die von der Beklagten insoweit zu leistende Sorgfalt zu stellen sind, und gehen über dasjenige hinaus, was in dieser Hinsicht verkehrsüblich ist. Es erübrigt sich daher, weiter zu erörtern, ob die fernere Annahme des Beru.fungsrichters über einen Ursachenzusammenhang zwischen jener Unterlassung der Beklagten und dem Unfall begründet ist. Aber die erörterten Darlegungen des Berufungsgerichts erschöpfen den von ihm festgestellten Sachverhalt in rechtlicher Beziehung nicht. Sie lassen die Erwägung außer Betracht, daß die Gewehrgranate auf irgendeine Weise in die Diensträume der Beklagten hineingelangt und darin ohne Kenntlichmachung ihrer Gefährlichkeit zurückgeblieben ist. E s ist z. B. möglich, daß ein Beamter oder Angestellter die Granate, die er aus dienstlichen oder außerdienstlichem Anlaß in die Geschäftsräume hineingebracht hatte, in unverantwortlicher Weise trotz Kenntnis ihrer Gefährlichkeit ohne Kennzeichnung hat liegen lassen. Andererseits kann sie freilich auch auf eine Weise in den Schrank gelangt sein, die für keine Person, deren Verhalten die Beklagte zu vertreten hat, belastend war. Sie könnte z. B. von einem Fremden, der sie, sei es ebenfalls ohne
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Kenntnis ihrer Gefährlichkeit, sei es leichtfertigerweise, bei sich trug, in den Räumen der Geklagten verloren und von einem Beamten oder Angestellten der Beklagten, der die Gefährlichkeit nicht erkannte, gefunden und in den Schrank gebracht worden sein. Ersichtlich sind die Feststellungen des angefochtenen Urteils dahin zu verstehen, d a ß es unmöglich ist, die Zusammenhänge aufzuklären und damit klarzustellen, ob eine Person, für welche die Beklagte eintreten muß, es verschuldet hat, daß die Granate ungekennzeichnet liegen blieb. Damit entsteht die Frage, welche rechtlichen Folgerungen aus dieser Lage zu ziehen sind. Die Tatsache, daß eine Person, die in den Räumen der B e klagten berechtigterweise verkehrte, an einen so gefährlichen Gegenstand überhaupt herankommen konnte, stellt den äußeren Tatbestand d e r Verletzung der der Beklagten obliegenden Pflicht dar, für die Sicherheit in ihren Räumen zu sorgen. Dieser äußere Tatbestand genügt jedoch nicht, um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung gegen die Beklagte unmittelbar auf die im § 823 Abs. 1 B G B . gegebene Vorschrift zu gründen. Zur Rechtfertigung ihrer Anwendung müßte vielmehr der innere Tatbestand hinzukommen, demzufolge die Entstehung dieser Lage auf das Verschulden einer Person zurückzuführen wäre, für die gemäß §§ 31, 89 B G B . die B e k l a g t e einzutreten hat. Ein solches Verschulden und seine Ursächlichkeit hätte das Berufungsgericht nicht aus den Grundsätzen über den Beweis auf erste Sicht ableiten können; denn die durch ihn gesetzte Würdigung der Zusammenhänge hätte im gegebenen F a l l angesichts der schon dargelegten, keineswegs a l s unwahrscheinlich zu kennzeichnenden Möglichkeit in sich zerfallen müssen, daß die gefahrdrohende Lage auch gänzlich ohne Mitwirkung solchen Verschuldens entstanden sein konnte. Die Grundsätze über den Beweis auf erste Sicht stellen keine Verteilung der Beweislast dar, die den Beweispflichtigen, im gegebenen F a l l also die B e k l a g t e , nötigte, seinerseits den Gegenbeweis zu führen, sondern sein Wesen liegt allein auf dem Gebiete der Beweiswürdigung. E r ermöglicht es, aus typischen und daher wahrscheinlichen Geschehensabläufen darauf zu schließen, daß ein von dem Beschädigten darzutuender Zusammenhang bewiesen sei. Diese Schlußfolgerung entfällt demgemäß notwendigerweise, sobald ein anderer Ablauf auch nur in den Bereich ernstlich in Betracht zu ziehender Möglichkeit .gerückt wird (RGZ. Bd. 134 S. 237 [242] mit Nachweisungen). Für eine Anwendung ferner des § 278 B G B . fehlt es an der Rechtsgrundlage, wenn es sich, wie in diesem Zusammenhange, um nicht mehr handelt, a l s um die Leistung der Pflicht zur Verkehrssicherung der Allgemeinheit gegenüber (RGZ. B d . 113 S. 293 [296] mit Nachweisungen).
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Indessen steht durch jene Tatsache {est, daß die Ursache -der Verletzung des Klägers in dem von der Beklagten eröffneten Verkehrsbereich gesetzt worden ist. Zur Sicherung dieses Verkehrsbereichs bedient sich die Beklagte anderer Personen. Letzthin kommen sogar 'alle Beamten und Angestellten der Beklagten in dieser Hinsicht als Hilfspersonen in Betracht; denn jeder von ihnen hat die Verpflichtung der Beklagten gegenüber, in den Räumen, in denen seine Arbeitskameraden oder sogar Außenstehende verkehren, selbst keine Gefahren zu setzen, auf anderweitig entstandene Gefahren zu achten und bei deren Wahrnehmung sich an geeignete Stellen der Beklagten zwecks Abhilfe zu wenden. Gerade wenn, wie das Berufungsgericht nach dem oben Ausgeführten feststellt, die Beklagte keine besonderen Maßnahmen zur Auffindung und Abstellung solcher Gefahren getroffen hat, und jedenfalls insoweit dies unterblieben ist, bedient sie sich ihrer Beamten und Angestellten, die ihr gegenüber jene allgemeinen Pflichten haben, zur Erfüllung ihrer eigenen Pflicht der Sorge für die Verkehrssicherheit ihren Beamten und Angestellten und den Außenstehenden gegenüber. Durch diese Zusammenhänge ist die tatsächliche Grundlage für die Anwendung des § 831 B G B . gegeben. Für das Vorhandensein der Vonaussetzungen dieser Bestimmung war der Kläger freilich beweispflichtig. Aber er hat der Beweislast genügt; denn alle jene Zusammenhänge sind unstreitig. Nähere Angaben darüber, wie es dazu kommen konnte, daß die Gewehrgraniate in die Räume der Beklagten hineingelangte und hier ohne Kennzeichnung ihrer Gefährlichkeit verblieb, hatte der Kläger dagegen nicht zu machen. Vielmehr gehört das in den Bereich der Entlastung, die der Beklagten in vollem Umfang oblag, wenn, sie der Haftung aus § 831 B G B . entgehen wollte. Die bloße, oben dargelegte Möglichkeit, daß die gefährliche Lage auch ohne Verschulden aller derjenigen Personen entstanden sein kann, deren sie sich zur Leistung ihrer Verkehrspflicht bedient, reicht zur Führung dieses Entlastungsbeweises nicht aus. Ebensowenig gereicht der Beklagten unter diesem rechtlichen Gesichtspunkte die oben angestellte Erwägung zum Nutzen, daß eine mangelhafte Sorgfalt in der Beaufsichtigung und Organisation ihres Geschäftsbetriebes aus dem Sachverhalt nicht zu entnehmen ist. Denn die Bestimmung des § 831 B G B . verlangt nicht den Nachweis eines Verschuldens des ersatzpflichtigen Geschäftsherrn; dieser muß vielmehr in der im Gesetze vorgeschriebenen Weise die Beobachtung aller im Verkehr erforderlichen Sorgfalt seinerseits beweisen. Er muß den schlüssigen Beweis für den Einzelfall führen, daß alles geschehen sei, um die Erfüllung der Pflicht, hier der Verkehrssicherungspflicht, nur solchen Beamten und Angestellten anzuvertrauen, die zuverlässig waren und denen auch keine Fahrlässigkeit bei der Ausführung ihrer Verrichtungen zuzutrauen war. Allgemeine Erwägungen, daß die Sorgfalt der Leitung
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der Beklagten in der Auswahl ihrer Hilfspersonen in Anbetracht ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung selbstverständlich sei, genügen nicht. Die Beklagte müßte vielmehr entweder dartun, auf das Verhalten welcher ihrer Angestellten die schadenbringende Entwicklung zurückzuführen ist, und alsdann für diese bestimmten Personen die Sorgfalt ihrer Leitung in der Auswahl dartun, oder sie müßte diesen Nachweis für alle Personen im einzelnen führen, deren Verhalten als mitwirkend in Betracht kommt. In dem letzten Falle müßte ferner die hinreichende Beaufsichtigung der Beamten und Angestellten zur Zeit des die Ursache des Unfalls setzenden Verhaltens dargetan werden, da der Entlastungsbeweis für die Zeit der Verrichtung zu führen ist und nur ein wohl beaufsichtigtes Personal als wohl ausgewählt erachtet werden kann. Auch für diese Aufsichtsführung genügen nicht allgemeine Erwägunigen, wie die, daß die Beklagte nur einwandfreie Personen als Beamte und Angestellte verwende. Diesen Anforderungen, die vom Reichsgericht in Uebereinstimmung mit der vorhergegangenen Rechtsprechung und unter Bezugnahme auf sie bereits eingehend dargelegt worden sind (RGZ. Bd. 87 S. lflg.), hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht genügt, und kann sie auch nicht genügen, da es an lallen Anhaltspunkten dafür, wie die Gewehrgranate in den Bereich der Beklagten gelangt sein könnte, fehlt und nicht einmal — auch nur ungefähr — der Zeitpunkt dieses Geschehens festzustellen ist. Da die Beklagte demnach den ihr durch § 831 BGB. auferlegten Entlastungsbeweis nicht angeboten hat, ist der Anspruch des Klägers unter diesem Gesichtspunkte gerechtfertigt. Daraus folgt zugleich, daß die Beklagte sich auch nicht durch den Hinweis auf die Bedingungen, welche die Mutter des Klägers durch ihr Verhalten zu dem Zustandekommen des Unfalls gesetzt hat, der Tragung des vollen Schadens entziehen kann. Solcher Einwendung stehen schon Rechtsgründe entgegen. Zwar wenn es sich um eine Vertragsverletzung handelt, können die Umstände so liegen, daß eine gehörige Beaufsichtigung des Minderjährigen dem anderen Teil gegenüber Vertragspflicht ist; dann ist insoweit § 278 BGB. anwendbar, und der Minderjährige muß sich das Unzureichende der Aufsicht anrechnen lassen (RGZ. Bd. 149 S. 6). Hier wird die Ersatzpflicht indessen aus unerlaubter Handlung abgeleitet. Dann kann ganz allgemein der Ersatzpflichtige dem Verletzten nicht entgegenhalten, daß zum Zustandekommen der Verletzung noch das Verhalten eines Dritten mitursächlich war. Dieser Satz gilt schlechthin. Er kann auch in den Fällen keiner Einschränkung unterworfen werden, in denen der Verletzte ein Minderjähriger, der Mitverursacher der Aufsichtspflichtige und die Mitursache eben die nicht gehörige Ausübung der Aufsicht ist (RGZ. Bd. 121 S. 114 [118]).
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Uebrigens würde die Annahme einer im Sinne des § 254 'BGB. erheblichen Mitverursachung des Unfalls durch die Mutter des Klägers auch aus Gründen tatsächlicher Art abzulehnen sein. Denn sie würde Verschulden der Mutter voraussetzen. Als solches käme hier Fahrlässigkeit in Betracht. Sie ist Voraussehbarkeit der Verletzung (§ 276 B G B . ) . Deren Annahme wird im gegebenen Fall dadurch ausgeschlossen, daß das Berufungsgericht festgestellt hat, die Mutter habe den Gegenstand für harmlos gehalten und halten müssen.
RGZ. 165, 336 Ueber den Beweis des ersten Anscheins für die Entstehungsarsache von Krankheiten, namentlich ansteckenden Krankheiten. B G B . §§ 276, 611 flg., 823. ZPO. §§ 286, 287. III. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 13. Dezember 1940.
I. Landgericht Wuppertal. II. Oberlandesgericht Düsseldorf. Die — damals 6jährige — Klägerin wurde am 2. September 1936 wegen einer Halserkrankurag in die Hals-, Nasen- und Ohrenabteilung der städtischen Krankenanstalten der Beklagten eingeliefert und am 3. September 1936 an Rachenmandel-und Nasenpolypen operiert. Am 7. September erkrankte sie an Scharlach, am 9. September begann als Folge der Scharlacherkrankung eine doppelseitige Mittelohrentzündung, die zur Ertaubung beider Ohren führte. Auf demselben Zimmer der Ohrenabteilung hatte mit ihr mehrere Tage der Knabe B. gelegen. Dieser war am 17. J u l i 1936 wegen Scharlacherkrankung in die medizinische Kinderabteilung eingeliefert worden, hatte hier ebenfalls eine Mittelohrentzündung bekommen und war nach Operation des Ohres am 1. September 1936 in die Ohrenabteilung verlegt worden; er mußte aber am 5. September wieder auf die Kinderabteilun^ zurüokverlegt werden, da seine Erkrankung eine besondere Tag- und Nachtpflege erforderte. Am 10. September 1936 ist er an Lungenentzündung mit eitriger Rippenfellentzündung verstorben. Die Klägerin führt ihre Scharlacherkrankung und Ertaubung auf eine Ansteckung durch B. zurück und erblickt ein Verschulden der Aerzte darin, daß B. trotz der noch bestehenden Ansteckungsgefahr auf die Ohrenabteilung verlegt worden sei, obwohl gerade die an
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Hals und Ohren erkrankten Kinder besonders ansteckungsempfindlich seien. Mit der Klage verlangt sie ein vom Gericht festzusetzendes angemessenes Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihr allen aus der Schiarlachansteckung entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Beklagte bestreitet, daß die Klägerin durch B. angesteckt worden sei, da seine Scharlacherkrankung bereits vor seiner Verlegung lauf die Ohrenabteilung abgeheilt und das Ohr durch einen Schutzverband abgeschlossen gewesen sei, so daß keine Krankheitserreger hätten heraustreten können. Sie leugnet auch jedes Verschulden ihrer Aerzte. Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben auf Grund von Gutachten nach den Anträgen der Klägerin erkannt und ihr bis zur Verkündumg des landgerichtlichen Urteils ein Schmerzensgeld von 300 RM. zugebilligt. Die Revision führte, soweit wegen des Schmerzensgeldes verurteilt und die Verpflichtung zum Ersatz des nicht vermögensrechtlichen Schadens festgestellt worden ist, zur Aufhebung und Zurückverweisung; im übrigen wurde die Revision zurückgewiesen. Gründe: Das Oberlandesgericht hat die Klageansprüche aus den Rechtsgründen der Vertragsverletzung und der unerlaubten Handlung als begründet angesehen. 1. Es hält den Nachweis des ursächlichen Zusammenhanges nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins für geführt. Denn beide Sachverständige, sowohl der im ersten Rechtszuge vernommene Professor Dr. G. wie der im zweiten Rechtszuge gehörte Professor Dr. KL, seien darüber einig, daß bei B. zur Zeit seiner Einlieferung in die Ohrenabteilung noch Ansteckungsgefahr bestanden habe, Wenn diese lauch durch die Ohreneiterung nicht wesentlich erhöht worden sei und wenn sich auch bei den Untersuchungen des Nasen- und Rachenraums vor und nach der Ueberweisung keinerlei Krankheitserscheinungen mehr gezeigt hätten, wie auf Grund der unbestrittenen Behauptung der Beklagten zu unterstellen sei, so sei doch nach beiden Gutachten eine erhebliche Ansteokungsigefahr auch bei Verschluß des Ohres bestehen geblieben. Es sei aber allgemein bekannt, daß gerade bei Scharlach eine große Gefahr der unmittelbaren Ansteckung durch andere Sch&rlachkranke bestehe, und deshalb sei nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge anzunehmen, daß die Scharlacherkrankung der Klägerin auf die Ansteckung durch einen anderen Schiarlachkranlken, mit dem sie in der sog. Inkubationszeit in Berührung ge-
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kommen ist, zurückzuführen sei. Eine ernstliche Möglichkeit, daß die Klägerin schon bei ihrer Einlieferung in die Ohrenabteilung von anderer Seite durch Scharlach angesteckt gewesen und nun die Scharlacherkrankung ausgebrochen sei, als ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Krankheitserreger durch die Mandeloperation besonders geschwächt wurde, sei nicht dapgetan. Nach den Feststellungen des städtischen Gesundheitsamtes seien in der Inkubationszeit, nämlich vom 13. August 1936 bis zum 6. September 1936, in dem Stadtteil W. mit 30 000 Einwohnern, wo die Klägerin wohnte, nur 8 weitere Scharlachfälle vorgekommen. Unter diesen Erkrankten hätten sich aber nur 4 Schulkinder befunden, von denen keines dieselbe Schule wie die Klägerin besucht habe. Es fehle auch jeder Anhalt dafür, daß die Klägerin mit den anderen Scharlachkranken zusammengekommen oder daß durch eine Mittelsperson die Krankheit von diesen auf sie übertragen worden sei, da nach ihrer unbestrittenen Darstellung eine Berührung mit den in anderen Bezirken wohnenden Kranken nicht in Fragsbehandlung durch den Kläger die weiteren Kassenleistungen einzustellen. Müßte diese Frage bejaht werden, so wäre dem Anspruch die Grundlage entzogen. Dann hätte der Beklagte mit dem Hinweis auf den Fortfall der Kassenleistungen den Kläger keinesfalls rechtswidrig bedroht. Bereits .dieser Umstand bedingt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Urteil läßt es aber weiter an der erforderlichen Feststellung der inneren Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches fehlen. E s begnügt sich mit dem Ausspruch, der Beklagte hätte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen, daß eine ordnungsmäßige, die Widerrechtlichkeit des Eingriffs ausschließende
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Einwilligung des Klägers nicht vorliege. Damit ist aber der innere Tatbestand der widerrechtlichen Drohung noch nicht erfüllt. Zwar ist nicht zu fordern, daß sich der Beklagte der Widerrechtlichkeit der Drohung bewußt war. Er muß aber doch die Vorstellung einer Drohung gehabt 'haben, zum mindesten sich bewußt gewesen sein, daß seine Aeußerung geeignet sei, den Kläger unzulässigerweise in seiner Willensentschließunig zu beeinflussen (vgl. RGZ. Bd. 104 S. 79 [80], B d . 108 S. 102 [104]; WarnRspr. 1927 Nr. 75). Insoweit wird das Berufungsgericht nach Klärung des äußeren Sachverhalts gegebenenfalls weitere Feststellungen zu treffen haben. Dabei wird es diePflichten desBeklagten als Kassenarztes gegenüber derKrankenkasse zu berücksichtigen haben, in deren Erfüllung er berechtigt war, auf den Kläger in geeigneter Weise einzuwirken, 'damit dieser zu seinem Teile half, den erstrebten Heilerfolg herbeizuführen. Sollte das Berufungsgericht auf Grund der erneuerten Verhandlung zu dem Ergebnis kommen, daß sich der Klageanspruch als Folge der erörterten Erklärungen des Beklagten nicht rechtfertigen läßt, so wird es weiter dazu Stellung nehmen müssen, ob der Kläger die Einwilligung in die Verödungsbehandlung ohne hinreichende Belehrung über die Tragweite dieser Behandlungsart erteilt hat. Der Arzt ist grundsätzlich verpflichtet, bevor er einen Kranken um die Einwilligung zu einer Behandlungsart ersucht, die mit besonderen Gefahren für die Gesundheit verbunden ist, diesen darüber zu unterrichten. Ob und inwieweit im Einzelfall eine solche Belehrung erforderlich ist, ist Tatfrage. E s ist dabei zu berücksichtigen, daß eine allzu eingehende Belehrung u. U. den beabsichtigten ungestörten Heilungserfolg beeinträchtigen kann. Auch eine Einwilligung, die von dem Kranken angesichts hiernach notwendiger, aber unzureichender oder gänzlich unterlassener Aufklärung erteilt wird, kann den Eingriff nicht rechtfertigen. Schließlich blieben noch die Fragen eines ärztlichen Kunstfehlers und der unterlassenen Nachbehandlung abschließend zu erörtern, falls nicht bereits aus den vorausgegangenen Gesichtspunkten die Entscheidung gewonnen werden kann. Den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Verödungslbehandlung und dem vom Kläger geltend gemachten Schaden hat das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei angenommen. E s konnte sich insoweit dem Gutachten des Professors R. anschließen, der ausführt, daß für ihn nicht der geringste Zweifel daran bestehe, daß sich der schwere Krankheitsverlauf beim Kläger unmittelbar an die Einspritzung angeschlossen habe und durch sie hervorgerufen worden sei. Die Revision rügt hierzu, das angefochtene Urteil leide an einem unlösbaren Widerspruch bei der Feststellung der Ursächlichkeit. Das Berufungsgericht führe an der Hand des erwähnten Gutachtens bei seinen Erörterungen über das Vorliegen eines Kunstfehlers aus, daß noch andere Möglichkeiten als Ursache für die Entstehung der
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schweren Erkrankung beständen, bei der Erörterung des ursächlichen Zusammenhanges aber, daß die schwere Erkrankung auf die Einspritzungen zurückzuführen sei. In Wirklichkeit besteht aber zwischen den beiden Stellen des Urteils kein Widerspruch. An der zuerst angezogenen Stelle sagt das Gutachten und mit ihm das Urteil, daß die Krankheit möglicherweise auf Umstände zurückzuführen sei, die nicht als Kunstfehler anzusehen seien, es sagt oiber nicht, daß die schweren Folgen ohne die Einspritzungen entstanden seien. Aus diesen Ausführungen ergibt sich übrigens auch, daß das Berufungsgericht die Frage des ursächlichen Zusammenhanges für den Fall neu prüfen muß, daß die Schadenersatzpflicht des Beklagten nicht aus einer unzureichenden Einwilligung des Klägers hergeleitet wird, sondern aus einem ärztlichen Kunstfehler oder der Unterlassung der Nachbehandlung. Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen ein mitverursachendes Verschulden ausgeschaltet wird, wendet sich die Revision nicht. Diese Darlegungen, die sich auf tatrichterlichem Gebiete bewegen, lassen keinen Rechtsirrtum erkennen.
Werkvertrag RGZ. 56, 81 Ist beim Werkvertrage die Geltendmachung des Rechts des Bestellers, wegen eines vom Unternehmer zu vertretenden Mangels des Werkes Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, gleich dem Wandelungs- und Minderungsanspruche der Regel nach von der für diese Ansprüche in § 634 Abs. 1 BGB. bestimmten Voraussetzung abhängig? VII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Breslau.
Urt. v. 2. Oktober 1903. II. Oberlandesgericht daselbst.
Der Kläger hatte auf Bestellung des Beklagten die Anfertigung von Fahrradrahmen aus Teilen, die, abgesehen von den Rohren, der Beklagte ihm zu liefern hatte, übernommen. Von den vom Kläger angefertigten und an den Beklagten gelieferten Rahmen litt eine Anzahl an dem Mangel schlechter, unzureichender Lötung. Den deswegen von dem Beklagten erhobenen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung wies der Berufungsrichter zurück. Diesen Standpunkt hat das Reichsgericht gebilligt aus folgenden Gründen: . . . „Dieser (nämlich der vom Berufumgsrichter aufgestellte Grundsatz) geht dahin: da es sich hier um einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung handle, der nach § 635 BGB. an die
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Stelle des Anspruchs auf Wandelung oder Lohnminderung trete, so habe er auch dieselbe Voraussetzung wie diese Ansprüche, nämlich das Setzen einer angemessenen Frist mit der Erklärung, daß der Besteller die Beseitigung des Mangels nach dem Ablaufe der Frist ablehne (§ 634 Abs. 1 B G B . ) . Dieses Erfordernis für den erhobenen Schadenersatzanspruch habe — so führt der Berufungsrichter weiter aus — der Beklagte nicht erfüllt; auch liege keiner der in § 634 Abs. 2 B G B . gedachten Ausnahmefälle hier vor. Die Revision bekämpft den vorbezeichneten, vom Berufungsrichter angenommenen Grundsatz als rechtsirrtümlich, jedoch mit Unrecht. Die §§ 633 bis 635 betreffen die Rechte, welche dem Besteller zustehen, wenn das Werk einen Mangel hat. Der § 633 bestimmt, daß der Besteller Beseitigung des Mangels verlangen kann. Der § 634 gibt ihm wahlweise das Recht der Wandelung oder Lohnminderung, § 635 ferner wahlweise das Recht, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu begehren. Der Unterschied zwischen dem Inhalt der §§ 634 und 635 besteht darin, daß dem Besteller das Recht auf Wandelung oder Lohnminderung auch dann zusteht, wenn der Unternehmer den Umstand, auf welchem der Mangel beruht, nicht zu vertreten hat, während er Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur dann verlangen kann, wenn der Unternehmer jenen Umstand zu vertreten hat. Dagegen ist allen drei Ansprüchen auf Lohnminderung, Wandelung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung die Voraussetzung gemeinsam, daß sie, abgesehen von den in § 634 Abs. 2 vorgesehenen Ausnahmen, erst dann geltend gemacht werden können, wenn vorher der Besteller den Unternehmer mit der Erklärung, daß er nach Ablauf der Frist die Beseitigung des Mangels ablehnen werde, aufgefordert hat, binnen bestimmter Frist den Mangel zu beseitigen, und diese Aufforderung fruchtlos geblieben ist. Das Gesetz will, daß der Regel nach in erster Reihe 'dem Besteller n u r das Recht auf Beseitigung des Mangels zustehen soll, und daß erst, wenn er dieses Recht in der im § 634 vorgesehenen Weise vergeblich auszuüben versucht hat, er zur Geltendmachung der anderen, in zweiter Reihe stehenden Rechte soll greifen dürfen. Daß dies im besonderen auch für den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gilt, ergibt ohne weiteres sowohl der Wortlaut des § 635 als sein enger, unmittelbarer Zusammenhang mit § 634 BGB., der im ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs dadurch noch schärfer hervortrat, daß beide Bestimmungen in einem Paragraphen (§ 569) vereinigt waren. Ueberdies schließen die Motive zu §§ 633 flg., Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch B d . 2 S. 478 flg., insbesondere S. 481, jeden Zweifel hieran aus. Daß die Bestimmung des ersten Entwurfes, wonach dem Besteller der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung n e b e n dem Anspruch auf Rücktritt oder Lohnminderung gegeben war, im zweiten Entwurf in die zum Gesetz gewordene Be-
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Stimmung umgeändert worden ist, daß der Besteller jenes Recht wahlweise statt der Rechte der Wandelung oder Lohnminderung hat, beruht, wie der Inhalt der Protokolle über die Beratungen der zweiten Kommission mit Sicherheit erkennen läßt, vgl. Protokolle (amtl. Ausgabe) Bd. 2 S.311, nicht auf einer geänderten Stellungnahme der zweiten Kommission hinsichtlich der oben dargestellten grundsätzlichen Gestaltung der Rechte des Bestellers. Es herrscht denn auch über diese Auffassung in der Literatur fast allgemeine Uebereinstimmuog. RGZ. 62, 119 f 1.*) 2. Findet gegenüber einem Schadensersatzanspruche wegen positiven Zuwiderhandelns gegen die durch den Abschloß eines Transportvertrages für den Unternehmer begründeten Pflichten die sechsmonatige Verjährung aus § 638 Abs. 1 BGB. statt? VII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Frankenthal.
Urt. v. 1. Dezember 1905. II. Oberlandesgericht
Zweibrücken.
Aus den G r ü n d e n : Der Einwand der V e r j ä h r u n g greift nicht durch. Zwar bestimmt der § 638 Abs. 1 ©GB., daß die wegen des M a n g e l s eines bestellten Werkes dem Besteller zustehenden Ansprüche auf Schadensersatz regelmäßig, außer bei Arbeiten an einem Grundstück •und bei Bauwerken, in sechs Monaten verjähren, und die Klage ist hier erst im Dezember 1902, also etwa 14 Monate nach dem Unfall, erhoben. Der Schadensersatzanspruch gründet sich aber im vorliegenden Falle nicht auf einen M a n g e l des gelieferten Werkes, sondern auf eine durch p o s i t i v e s Zuwiderhandeln gegen die pflichtmäßige Sorgfalt b e i der Herstellung des noch nicht vollendeten Werkes begangene Vertragsverletzung. Die Ansprüche aus derartigen Verletzungen unterliegen der im § 195 B G B . bestimmten regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren.
RGZ. 64, 294 t Kann darin, daß der Unternehmer im Prozesse das Vorhandensein der vom Besteller gerügten Mängel des verdungenen Werkes bestreitet, eine die Fristsetzung erübrigende Weigerung im Sinne des § 634 Abs. 2 BGB. gefunden werden? *) Geringere Bedeutung.
Werkvertrag VII. Z i v i l s e n a t .
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Urt. v. 16. November 1906.
I. Landgericht Schneidemühl.
II. Oberlandesgericht Posen.
Der Kläger forderte a-us einem im Jahre 1901 über die Anlage einer Bade- und Klosettanlage auf Schloß D. mit dessen Eigentümer, dem Beklagten, geschlossenen Werkvertrage die Restvergütung mit 3652,40 M. und Zinsen. Der Beklagte wendete u. a. ein, daß die Anlage Mängel zeige, vor deren Abstellung er nicht zu zahlen brauche. Beide Instanzen verwarfen diesen Einwand. Der Revision des Beklagten ist in diesem Punkte stattgegeben. Aus den
Gründen:
Es ist richtig, daß in Abs. 1 des § 634 B G B . der Preisminderungsanspruch von dem fruchtlosen Ablauf einer von dem Besteller dem Unternehmer zur Beseitigung des Mangels zu setzenden angemessenen Frist abhängig gemacht worden ist. Allein der Abs. 2 läßt Ausnahmen zu; insbesondere bedarf es der Bestimmung einer Frist nicht, wenn die Beseitigung des Mangels von dem Unternehmer verweigert wird. Läßt dessen ablehnendes Verhalten 'gegenüber dem Begehren des Bestellers, das fehlerhafte Werk auszubessern, zweifelsfrei erkennen, daß die Setzung einer Frist doch erfolglos bleiben würde, so erscheint diese als nutzlose Formalität und erübrigt sich deshalb. Nun weist die Revision mit Recht darauf hin, daß der Kläger, wie der Berufungsrichter selbst anführt, das Vorhandensein der Mängel b e s t r i t t e n habe, und daß hiernach zu prüfen gewesen sei, ob nicht der § 634 Abs. 2 B G B . zur Anwendung komme. Daß in dem ¡Bestreiten der die Nachbesserungspflicht begründenden Tatsachen die Erklärung des Unternehmers gefunden werden kann, er lehne unter allen Umständen eine nähere Prüfung der Sache und die weitere Entwicklung einer das Werk betreffenden Tätigkeit ab, er lasse sich auf nichts ein, ist unbedenklich. Ob die verneinende Einlassung des Klägers in diesem Sinne ausgelegt werden darf, ist jedoch Tatfrage und daher in dieser Instanz nicht zu erörtern. Daß anscheinend erst i m L a u f e d e s P r o z e s s e s der Beklagte mit dem Verlangen der Preisminderung unter Berufung auf das Gutachten des Ingenieurs P. hervorgetreten ist, hat auf die materielle Beurteilung der Sache keinen Einfluß. Es genügt, wenn der Kläger die Beseitigung der Mängel auch erst w ä h r e n d d e s R e c h t s s t r e i t s verweigert hat." . . . RGZ. 66, 365 1. Wird dnreh Einklagung eines Teils eines Anspruchs die Verjährung anch in Ansehung des Restanspruches dann unterbrochen, wenn zugleich der Anspruch in seinem ganzen Umiange begründet
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und die Geltendmachung des Restes ausdrücklich vorbehalten wird, und wenn darauf diese Geltendmachung noch in demselben Prozesse mittels Klageerweiterung erfolgt. 2. Kann eine Teilklage der erwähnten Art deshalb zugleich als Feststellungsklage in Ansehung des Restanspruchs angesehen werden, weil in die Klageschrift auch ein Antrag auf Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises wegen Ermittlung des Gesamtbetrages aufgenommen ist? 3. Wird die Verjährung auch durch Klageerhebung, bzw. in den Fällen des § 477 Abs. 2 und des § 639 Abs. 1 BGB. auch durch Stellung eines Antrages auf Beweissicherung bei einem unzuständigen Gericht unterbrochen? 4. . . . 5. . . . iBGB. §§ 211, 212, 477, Abs. 2, 639 Abs. 1. VI. Z i v i l s e n a t . Die Entscheidung Allgemeiner Teil".
ist
Urt. v. 10. Oktober 1907.
abgedruckt
unter „Bürgerliches
Recht,
RGZ. 71, 173*) Ueber die Anwendung der Verjährungsfristen des § 638 BGB. auf Schadensersatzansprüche des Bestellers. VII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Hamburg.
Urt. v. 14. Mai 1909. II. Oberlandesgericht
daselbst.
Die Klägerin hatte dem Beklagten eine Trockenluft-Kühlanlage für dessen Schlächterei geliefert. Nachdem mehr als ein Jahr nach der Lieferung verflossen war, forderte sie im Wege der Klage Bezahlung der Restsumme. Der Beklagte erhob Widerklage und verlangte Schadensersatz, weil ihm infolge mangelhafter Beschaffenheit der Anlage Fleisch verdorben sei. In der Vorinstanz wurde der Verjährungseinwand der Gegnerin für durchgreifend erachtet, und die Widerklage abgewiesen. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen, aus folgenden Gründen: Die Klägerin hat dem Beklagten erklärt, sie garantiere ihm für das tadellose Funktionieren der Kühlanlage, für eine reine, trockene Luft, reine trockene Wände und Boden, sowie eine Temperatur von etwa plus 4 Grad R. Daraus will die Revision herleiten, daß ein besonderer Garantievertrag geschlossen sei und daß deshalb *) Vgl. auch Bd. 93 S. 158 (161).
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der aus der Nichterfüllung dieser Garantie vom Beklagten hergeleitete Schadensersatzanspruch nicht den Verjährungsfristen des § 638 B G B . unterworfen sei, sondern bis zum Ablaufe der regelmäßigen Verjährung von 30 Jahren geltend gemacht werden könne. Das trifft nicht zu. Die hier übernommene Garantie ist nichts weiter als die Zusicherung von Eigenschaften der Anlage. Das Fehlen dieser Eigenschaften stellt auch nur einen Mangel des Werks dar, der, sofern er auf einem vom Unternehmer zu vertretenden Umstände beruht, den Besteller allerdings berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen (§ 635 B G B . ) ; diese Schadensersatzforderung ist aber, da ein arglistiges Verschweigen des Mangels auf Seiten des Unternehmers nicht vorliegt, ebenfalls den Verjährungsfristen des § 638 unterworfen. Vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 53 S. 204. Weiter soll nach den Ausführungen der Revision die Anwendung der kurzen Verjährungsfristen ausgeschlossen sein, weil es sich bei dem vom Beklagten widerklagend erhobenen Ansprüche nicht um einen dem gelieferten Werke unmittelbar anhaftenden Schaden, sondern um einen solchen handle, der dem Beklagten erst durch die Ingebrauchnahme des Werks, erst durch das Verderben des in den Kühlraum gebrachten Fleisches erwachsen sei. Die Revision glaubt sich dafür, daß ein solcher Schadensersatzanspruch nur der regelmäßigen Verjährung unterliege, auf das Bd. 64 S. 41 flg. der Entsch. des RG.'s in Zivils, abgedruckte Urteil des erkennenden Senats berufen zu können. In dem dort entschiedenen Falle war ein Grundstück zu dem in einer Taxe festgestellten Werte gekauft. Es wurde von der Käuferin ein Schadensersatzanspruch aus dem Werkvertrage gegen den Taxator erhoben, weil unter Anwendung unrichtiger Grundsätze zu hoch taxiert sei. Dabei ist vom Senate ausgesprochen, daß für den Schadensersatzanspruch aus § 635 B G B . ein direkter Zusammenhang mit den beiderseitigen Leistungen aus dem Werkvertrage erforderlich ist, daß der Schade dem Werke unmittelbar anhaften muß. Dies und damit die Anwendung der kurzen Verjährungsfristen ist bei dem Taxinstrumente verneint, weil es sich um einen Schaden handle, der mit der Fertigstellung und Ablieferung der Taxe nicht an sich vorlag, sondern der erst später, als von der Taxe Gebrauch gemacht wurde, eingetreten ist. Hier liegt die Sache tatsächlich anders. Die Kühlanlage ist nach der nicht angefochtenen und ohne erkennbaren Rechtsirrtum getroffenen Feststellung des Berufungsgerichts am 18. Mai 1900 fertiggestellt und noch an diesem oder am nächsten Tage in Gebrauch genommen. Der Mangel des Werks hat sich sofort herausgestellt, wie sich daraus ergibt, daß sich die klägerische Schadensersatzforderung bis zum 18. Mai 1900 zurückerstreckt. Bei dieser Sachlage aber hat die Ingebrauchnahme nicht die rechtliche Bedeutung, die dem Gebrauchen der Taxe in dem angezogenen Urteile beigemessen ist. Bei
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der Taxe stand der Schade, weil er überhaupt erst durch das Gebrauchen der Taxurkunde zur Existenz gelangen konnte, in keinem unmittelbaren Zusammenhange mit der Vertragsleistung. Hier ist der Schadensersatzanspruch, welcher gegen den Besteller, wenn er den Mangel zu vertreten hat, wegen Nichterfüllung geltend zu machen ist, aus denn Mangel selbst ohne ein weiteres Mittelglied erwachsen. Auch wenn der Beklagte die Anlage, weil sie nicht ordnungsmäßig funktionierte, überhaupt nicht in Gebrauch nahm, war ihm unter der Voraussetzung einer Vertretungspflicht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gegen diese gegeben. Das Gebrauchen der Anlage mit dem vom Beklagten behaupteten Mißerfolg bringt nicht den Anspruch selbst zur Entstehung, sondern gibt nur eine Grundlage für die Schadensberechnung. Es steht somit hier ein unmittelbar und direkt auf den Mangel des Werks gestützter Anspruch in Frage, dessen Geltendmachung innerhalb der Verjährungsfristen des § 638 erfolgen konnte, und die Annahme des Berufungsgerichts, daß der Verjährungseinwand nach dieser Gesetzesbestimmung zu beurteilen sei, ist zutreffend." , . .
RGZ. 72, 177 Hat beim Werkvertrage — Bauvertrag — der Besteller gegen den Unternehmer einen klagbaren Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung über die geleisteten Arbeiten? VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 16. November 1909. I. Landgericht Düsseldorf. II. Oberlandesgericht Köln.
Der Beklagte übertrug dem Kläger einen Hausbau; es wurden Einheitssätze für die zu leistenden Arbeiten vereinbart. Nach Ausführung des Baues forderte der Kläger Bezahlung. Der Beklagte erhob Widerklage auf Erteilung einer revisionsfähigen Rechnung über die ausgeführten Bauarbeiten. Die Vorinstanzen wiesen die Widerklage ab. Die hiergegen gerichtete Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: Die Revision führt aus, die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe weder ein vertragsmäßiges noch ein gesetzliches Recht auf Erteilung einer solchen Abrechnung zu, sei nicht zutreffend. Nicht nach dem vom Berufungsrichter in Bezug genommenen § 259 BGB-, sondern nach § 242 sei der mit der Widerklage erhobene Anspruch zu beurteilen. Ergebe sich, daß die vom Beklagten geforderte Aufstellung zu den Vertragspflichten eines Bauleiters gehöre, der nicht für eine Pauschalsumme, sondern nach Einheitssätzen zu liefern habe, so sei das eine dem Kläger obliegende Vorleistung, und B e -
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klagter könne bis zu ihrer Erledigung seine Leistung verweigern. Dieser Angriff ist nicht begründet; die Abweisung der Widerklage ist gerechtfertigt. Wenn der Revision auch zuzugeben ist, daß für die Entscheidung ob der Beklagte als Besteller zur Erhebung einer Klage wie der hier in Frage stehenden aus dem Werkvertrage berechtigt ist, nicht bloß die Bestimmung des § 259, sondern § 242 BGB. mit in Betracht kommt, so bleibt das Ergebnis doch dasselbe. Der Werkvertrag wird vom Unternehmer durch Herstellung des versprochenen Werkes, vom Besteller durch Entrichtung der vereinbarten Vergütung erfüllt (§ 631 BGB.). Steht die Höhe der Vergütung, weil, wie dies hier der Fall ist, keine Pauschalsumme, sondern Einheitssätze für die tatsächlich geleisteten Arbeiten vereinbart sind, nicht von vornherein fest, so hat der Unternehmer nachzuweisen, was er geleistet und demgemäß zu fordern hat. Das ist aber keine aus dem Werkverträge sich für ihn ergebende Vertragspflicht, sondern lediglich die substantiierte Berechnung der ihm zustehenden Vergütung. Unterläßt der Unternehmer es, seine Werkforderung in der angegebenen Weise zu begründen, so ergibt sich hieraus für den Besteller die Berechtigung, sich der Forderung gegenüber ablehnend zu verhalten, Bezahlung für die ihm als geleistet nicht nachgewiesenen Arbeiten zunächst zu verweigern. Damit erschöpft sich aber auch das Interesse des Bestellers an einer spezifizierten Aufstellung. Die Befugnis, seinerseits die Leistungsklasse auf Erteilung einer solchen Aufstellung anzustellen, steht ihm nicht zu. Es fehlt für diese Klage an der Voraussetzung einer für den Unternehmer aus den gesetzlichen Bestimmungen über den Werkvertrag auch in Verbindung mit § 242 BGB. herzuleitenden Verpflichtung, dem Besteller mehr als das Werk selbst zu leisten. Vertraglich ist, wie das Berufungsgericht unangefochten festgestellt hat, dem Beklagten das Recht, mit der Ablieferung des Werkes eine besondere Abrechnung fordern zu können, nicht eingeräumt. Beklagter hat sich im Prozesse bestreitend verhalten, und Aufgabe der Beweisaufnahme ist es gewesen, zu ermitteln, was Kläger für den Neubau, wie er diesen tatsächlich ausgeführt hat, unter Zugrundelegung der Einheitssätze des Kostenanschlages zu fordern hat. Damit ist der durch den Vertrag geschaffenen Rechtslage genügt; die prozessuale Stellung des Beklagten ist durch die Nichtzulassung der Widerklage nicht erschwert." . . . RGZ. 73, 146 Können bezüglich der Frage, ob bei der Annahme eines mangelhalten Werkes ein der Vorschrift des § 640 Abs. 2 BGB. genügender Vorbehalt erklärt ist, frühere und spätere Vorbehalte nnd Rügen berücksichtigt werden?
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VII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht I Berlin.
Urt. v. 8. März 1910. II. Kammergericht
daselbst.
Die Frage wurde vom Reichgericht bejaht. Aus den G r ü n d e n : „Gerechtfertigt ist der Revisionsangriff, daß das Berufungsgericht die Bedeutung des § 640 Abs. 2 B G B . verkenne. Der Auffassung desselben, daß, weil nach der erwähnten Gesetzesstelle der Vorbehalt b e i der Abnahme gemacht werden müsse, frühere Vorbehalte und Rügen nicht in Betracht kämen, spätere Rügen nicht zu berücksichtigen seien, ist in dieser Allgemeinheit nicht beizutreten. Sie stützt sich offensichtlich auf die Entscheidungen des Reichsgerichts, welche zum § 341 Abs. 3 B G B . ergangen sind. Nach dieser Gesetzesbestimmung kann allerdings der Gläubiger eine Vertragsstrafe nur verlangen, wenn er sich das Recht dazu b e i der Annahme der Erfüllung vorbehalten hat; ohne solchen Vorbehalt tritt der Verlust des Rechts auf die Strafe kraft Gesetzes ein; frühere oder spätere Vorbehalte sind wirkungslos. Diese dem § 341 gegebene Auslegung beruht wesentlich mit auf der Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesbestimmung (Entsch. d. RG.'s in Zivils. Bd. 57 S. 337). Deshalb ist daraus, daß in § 341 wie in § 640 vom Gesetze die gleichbedeutenden Ausdrücke „bei der Annahme" und „bei der Abnahme" gebraucht werden, noch nicht zu folgern, daß die strengen, für die Vertragsstrafe aufgestellten Grundsätze auch auf den Werkvertrag Anwendung zu finden haben. § 640 Abs. 2 enthält eine dem § 464 B G B . analoge Bestimmung (Motive zum Entwürfe des Bürgerlichen Gesetzbuchs Bd. 2 S. 490). Dem Käufer, welcher eine mangelhafte Sache annimmt, obschon er den Manigel kennt, stehen Ansprüche auf Wandelung, Minderung oder Schadensersatz auch nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels b e i d e r A n n a h m e vorbehält. Diese Bestimmung hat in der Rechtsprechung des Reichsgerichts bereits die Auslegung gefunden, daß die Worte „bei der Annahme" nicht auf ihre buchstäbliche Bedeutung einzuengen sind (Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 58 S. 261). In § 464 B G B . wie in § 640 bildet den Rechtstfrund für den Ausschluß von Ansprüchen der Verzicht, welcher durch die An- oder Abnahme des fehlerhaften Gegenstandes seitens des Käufers oder Bestellers stillschweigend erklärt wird. Zur Widerlegung dieser Bedeutung bedarf es einer Willensbetätigung des Annehmenden, die das Gegenteil erkennbar macht. Um diesen Zweck zu erfüllen, ist es nicht notwendig, wie das vorstehend erwähnte Urteil zu § 464 ausführt, daß diese Willensbetätigung in unmittelbarer zeitlicher Verbindung mit der Annahmehandlung steht. Auch vorher erklärte Vorbehalte wahren die Rechte des Annehmenden, wenn sie nur erkennbar aufrechterhalten werden.
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Diese Grundsätze gelten auch für die analoge Bestimmung des § 640 Abs. 2, und dem Berufungsgericht ist deshalb nicht beizutreten, wenn es früheren Vorbehalten und Rügen, lediglich weil sie bei dem von ihm angenommenen Abnahmeakte nicht formell wiederholt sind, die rechtliche Wirksamkeit versagt." . . . RGZ. 74, 197 1. Gibt § 649 BGB. dem Besteller einen selbständigen Ansprach auf Gewährung des vom Unternehmer ersparten Betrages, mit dem gegen den Anspruch des Unternehmers auf die vertragsmäßige Vergütung aufzurechnen ist? 2. Auslegung der vor Fertigstellung des Werkes erfolgten Abtretung eines Teiles der Werklohnlorderung. VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 27. September 1910. I. Landgericht Osnabrück. II. Oberlandesgericht Celle.
Durch Vertrag vom 20. März 1905 hatte sich der Maurermeister K. dem Beklagten gegenüber verpflichtet, gegen eine Vergütung von 19 500 M. einen Neubau zu errichten. Nachdem K. mit der Herstellung begonnen hatte, stellte er Anfang August" 1905 auf Verlangen des Beklagten die Arbeiten ein, die dann der Beklagte selbst fertigstellen ließ. Bereits am 10. Juli 1905 hatte K. von der ihm auf Grund des mit dem Beklagten geschlossenen Vertrags zustehenden Forderung einen Teilbetrag von 10 000 M. an die Klägerin abgetreten. Diese forderte Zahlung von 8334,19 M. nebst Zinsen. Der Beklagte machte u. a. geltend, daß die Klägerin sich den Betrag absetzen lassen müsse, den er zur vertragsmäßigen Fertigstellung des Neubaues habe aufwenden müssen und der sich, abgesehen von den bereits am 10. März 1905 von K. an die Firma M. abgetretenen 3800 M., auf 19 403,13 M. berechne. Die Klägerin bestritt die tatsächlich erfolgte Aufwendung dieses Betrages, sowie die Zulässigkeit der Absetzung von der eingeklagten Teilforderung. Das Landgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 500 M. nebst Zinsen, wies aber im übrigen die Klage ab. Die von der Klägerin eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen. Auf ihre Revision hat das Reichsgericht das Berufungsairteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Gründe: „Der Berufungsrichter hat tatsächlich festgestellt, daß der Zedent der Klägerin infolge der Aufkündigung des Vertrags durch den Beklagten einen der eingeklagten Summe gleichkommenden Betrag an Aufwendungen, die zur vertragsmäßigen Fertigstellung des Baues erforderlich gewesen wären, erspart hat. Der Berufungsrichter sieht Zivils. Sdjuldrcdit 7
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den Beklagten als berechtigt an, diesen von dem Unternehmer ersparten Betrag der Klageforderung gegenüber in Anrechnung zu bringen, da § 649 Satz 2 BGB. dem Beklagten ein Gegenrecht gewähre, das, einer zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung ähnlich, jedem Teile der Werklohnforderung entgegengesetzt werden könne, auch der Abtretungsvertrag nicht etwa dahin zu verstehen sei, daß nötigenfalls die ganze Werklohnforderung bis zum Betrage von 10 000 M. abgetreten sein sollte. Nach beiden Richtungen greift die Revision das Berufungsurteil an und rügt Verletzung der §§ 649, 398, 404 und 157 BGB. Der Erfolg konnte ihr nicht versagt werden. Der Berufungsrichter geht zutreffend davon aus, daß im Falle der Aufkündigung des Werkvertrages von seiten des Bestellers grundsätzlich der vertragsmäßige Anspruch des Unternehmers auf die Vergütung, und zwar im vollen Umfange, fortbesteht; allein rechtsirrig ist die Auffassung, daß das Gesetz mit der Vorschrift, daß der Unternehmer auf die vereinbarte Vergütung seine Ersparnis an Aufwendungen „sich anrechnen lassen muß", dem Besteller ein Gegenrecht gewährt, auf dessen Geltendmachung die Grundsätze der Aufrechnung entsprechend anwendbar seien. Diese Vorschrift ist schon ihrem W o r t l a u t e nach nicht dahin zu verstehen, daß dem Besteller infolge seiner Aufkündigung ein selbständiger Anspruch auf Gewährung des von dem Unternehmer ersparten Betrages erwachse, mit dem er gegen den Anspruch auf die vertragsmäßige Vergütung aufrechnen müßte; vielmehr ist die im Gesetze bestimmte Anrechnungspflicht des Unternehmers — ,,er muß sich anrechnen lassen" — nur so zu verstehen, daß sich der trotz der Aufkündigung an sich fortbestehende Anspruch zur Vermeidung einer durch nichts gerechtfertigten Bereicherung um den infolge der Nichtfertigstellung des Werkes ersparten Betrag auf Grund der Tatsache der Ersparnis von selbst mindert. Der Unternehmer soll nicht mehr erhalten, als er gehabt haben würde, wenn er seinerseits die von ihm geschuldete Gegenleistung gewährt hätte. Aehnlich wie im Falle eines Schadensersatzanspruchs bei der sog. compensatio lucri cum damno stehen sich auch hier nicht zwei selbständige Ansprüche gegenüber, der Vertragsanspruch des Unternehmers auf die Vergütung und ein Anspruch des Bestellers auf das von jenem Ersparte, sondern der Betrag der Ersparnisse bildet einen Faktor zur Ermittelung der Höhe des dem Unternehmer nach dem Willen des Gesetzes trotz der Aufkündigung verbleibenden Werklohnanspruches. Dahingestellt kann bleiben, ob die in § 649 angeordnete Anrechnung nur dann stattzufinden bat, wenn der Besteller sie ausdrücklich verlangt; denn wird sie, wie vorliegend geschehen, geltend gemacht, so hat sie nicht etwa die Wirkung, daß der Anspruch des Unternehmers oder seines Rechtsnachfolgers in dem Zeitpunkte der Geltendmachung insoweit Befriedigung findet und getilgt wird, son-
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d e m infolge der verlangten Anrechnung wird mit rückwirkender K r a f t festgestellt, daß dem Besteller