Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Recht der Schuldverhältnisse, 11 [Reprint 2018 ed.] 9783110588552, 9783110237245


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German Pages 311 [312] Year 1952

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Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis
Besonderer Teil Staats- und Beamtenhaftung
Sachregister
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Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Recht der Schuldverhältnisse, 11 [Reprint 2018 ed.]
 9783110588552, 9783110237245

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Entscheidungen

des Reichsgerichts in Zivilsachen

Sammlung der noch wichtigen Entscheidungen nach Fachgebieten geordnet Herausgegeben von Profestor Dr. L. Auerbach, Berlin; Prisident des Reichspatentamtes a. D. Dr. Johannes Ejlan, Manchen; Rechtsanwältin Charlotte Graf, Berlin; Ministerialdirektor z. Wv. Senatspräaident Dr. Ernst Knoll, Berlin; Rechtsanwalt Erich Komnuerow, Berlin; RechtsanvraltHermann Renas, Berlin; Rechtsanwalt Dr.kalter Schmidt, Dflsseidorf; Landgerichtsdirektor Alexander Swar*enski, Berlin; Rechtsanwalt Dr. Werner Vahldiek, Berlin. Gruppe I Bürgerliches Recht

Recht der Schuldverhältnisse Teil 11 ®

Berlin 1952

Walter de Grnyter & Co.

vormals G. J . Gfischen'seheVerl•¿•handlang / J . Gattentag, Verlagsbnchhandlnnf / Georg Reimer / Karl J . Trflbner / Veit & Comp.

Recht der Schuldverhältnisse Herausgegeben von

Dr. Ernst Knoll Ministerialdirektor z. Vv. Senatspräsident

Teil 11

Berlin 1952

Walter de Gruyter & Co.

Tonuüi G. J. GOwhen'sehe V erlagihandhwg / J. Guttontag, Verlag* bneMtandlnng / Georg Reimer / Karl J. Trflbner / Veit t Comp.

Archiv-Nr. 28 17 52 S i t > und D r u c k : A. W. H i y a ' t E r b e n , B « r l i n SO 98

V

Inhaltsverzeichnis Satt«

Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen

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Recht der Schuldverhältnisse Tefl 11

Besonderer Teil Staats* and Beamtenhaftung (§ 839 BGB.) Sachregister

1 296

vn

Verzeichnis ¡en aus der alten Sammlung

der aufgenommenen RGZ.

66, 83, 84, 85, 36, 88, 91, 93, 96, 100, 100, 100, 101, 102, 104, 111, 120, 121, 122, 125, 125, 126, 126, 127, 129, 131, 133, 133, 134, 134, 134, 135, 136, 137, 137, 138, 138, 139, 140, 140, 140, 141,

107 336 92 409 102 171 341 68 164 102 128 188 155 166 141 375 162 173 270 11 98 28 362 153 37 12 137 249 178 237 311 161 45 20 153 40 309 149 43 126 129 283

Saite

RGZ.

1 6 6 10 14 17 19 22 25 25 27 29 31 33 40 46 48 50 53 56 56 58 63 66 66 67 67 67 68 71 76 79 84 87 90 92 96 102 107 107 109 112

141, 146, 147, 147, 147, 147, 148, 148, 148, 149, 149, 149, 150, 150, 151, 153, 153, 154, 154, 155, 155, 155, 156, 158, 158, 161, 161, 161, 162, 162, 162, 163, 163, 165, 165, 166, 168, 169, 170, 170, 170, 171, 172,

Seit«

353 153 129 142 144 248 251 321 375 83 167 275 140 323 385 153 257 117 266 186 218 362 227 176 277 199 288 375 24 273 364 87 121 257 365 1 361 312 37 129 311 198 11

115 119 120 124 127 130 135 138 139 145 149 151 154 J58 164 167 174 176 183 185 189 193 199 202 205 211 214 220 222 229 234 238 240 244 247 254 266 268 272 275 282 286 288

VIII Die Entscheidungen sind grundsätzlich — von unwesentlichen Streidiungen abgesehen — ungekürzt gebradit worden. Ausnahmsweise gekürzte Entscheidungen sind mit einem f gekennzeichnet. Soweit eine Entscheidung mehrere Fachgebiete betrifft, ist sie nur in einem Fachgebiet aufgenommen worden. Die anderen Gebiete enthalten nur den Leitsatz der betreffenden Entscheidung mit einem Hinweis, wo der vollständige Abdruck erfolgt ist. Um das Auffinden der Entscheidungen zu erleichtern, wird am Schluß der Sammlung ein Gesamt-Fundstellenregister erscheinen, in dem alle Entscheidungen der amtlichen Sammlung verzeichnet sind. Die in der Sammlung abgedruckten Entscheidungen sind nach der Fundstelle der alten und der neuen Sammlung zitiert; bei den nicht aufgenommenen findet sich ein Hinweis über den Grund des Ausscheidens.

Besonderer Teil Staats- und Beamtenhaftung RGZ. 66, 107*) Haftung des Staats für Amtspfliditverletzungen eines Grundbuchbcamten nach $ 12 GBO.**) Zum Begriff dieser „Amtspflicht" und der entsdiadigungsberecfatigten „Beteiligten". V. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 1. Mai 1907.

I. Landgeridit Schwerin. II. Oberlandeigericht Rostock.

Die M.-Bank in Schw. klagte gegen den landesherrlichen Fiskus von Mecklenburg-Schwerin auf Schadensersatz im Betrage von 1700 M. mit 5 Prozent Zinsen seit dem 17. Oktober 1905. Die Klägerin war dadurch zu Schaden gekommen, daß sie dem früheren Amtsrichter P. in St, am 17. April und 17. Juli 1905 zwei Wechseldarlehen von zusammen 1700 M. gegen Verpfändung eines von ihm gefälschten Grundschuldbriefs über 1800 M. gegeben hatte, die P. nicht zurückzahlen konnte. Die Klägerin fand eine vorsätzliche Verletzung der Amtspflicht des Grundbuchbeamten darin, daß P., der alleiniger Amtsrichter in St. war, das Formular zu dem gefälschten Grundschuldbrief aus dem amtlidien Gewahrsam des Amtsgerichts entnommen, es mit dem Siegel des Amtsgerichts versehen, den Vordrude mit den Angaben über eine angeblich für ihn auf einem bestimmten Grundstück seines Amtsgerichtsbezirks eingetragene, aber in Wirklichkeit nicht eingetragene Grundschuld ausgefüllt und das Formular mit dem Namen des ihn vertretenden Amtsrichters und eines Geriditsschreibergehilfen unterzeichnet hatte. Für den aus dieser Pflichtverletzung entstandenen Schaden war nach Ansicht der Klägerin der Staat auf Grund des $ 12 GBO. verantwortlich. Der Beklagte bestritt nicht die Höhe des geltend gemachten Schadensanspruchs, wohl aber seine Haftung für den Schaden, und machte insbesondere geltend, daß es sich nicht um eine Verletzung von Amtspfliditen handle, die dem P. als Grundbuchbeamten obgelegen hätten. • ) Vgl. auch Bd. 151 S. 395 [398] (abgedr. unter „Bürgerliches Recht, Nebengesetze 3"). ' * * ) In der neuen Fassung der Grundbudiordnung vom 5. August 1935 — RGBl. I S. 1073 — ist diese Vorschrift nicht mehr enthalten.

Zivil«. SdraldreAt 11

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

Im Gegensatze zu den beiden ersten Instanzen, die die Klage abgewiesen hatten, gelangte das Reichsgericht zur Verurteilung, aus folgenden Gründen: „Die Zulässigkeit der Revision trotz Fehlens der Revisionssumme unterliegt nach § 547 Nr. 2 ZPO., § 70 Abs. 3 GVG. und § 20 der Mecklenburgischen Ausführ.-Verordn. zum GVG. vom 17. Mai 1879 keinem Bedenken. . . . Den auf $ 12 GBO. gestützten Klagegrund hat der Berufungsrichter mit dem ersten Richter zurückgewiesen, ohne dabei seinerseits zu der Frage Stellung zu nehmen, ob überhaupt eine Verletzung der Amtspflicht im Sinne des § 12 vorliege, was vom Beklagten bestritten worden war. Er hat, ebenso wie der erste Richter, die Abweisung lediglich damit begründet, daß jedenfalls die Klägerin nicht zu den „Beteiligten" gehöre, denen in § 12 ein Schadenersatzanspruch gegen den Staat eingeräumt worden ist. Der Berufungsrichter bezieht sich dabei im wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des ersten Richters, und diese gehen dahin, daß unter „Beteiligten" im Sinne des § 12 nur solche Personen zu verstehen seien, deren Rechtskreis u n m i t t e l b a r durch die Nichterfüllung der Amtspflicht des Grundbudibeamten betroffen werde, daß aber der Rechtskreis der Klägerin durch die Herstellung des falschen Grundschuldbriefs durch P. nicht berührt worden, sondern ihre Schädigung erst herbeigeführt worden sei durdi die Begebung des falschen Grundschuldbriefs, also durdi eine selbständige Handlung, die P. nicht als Grundbuchbeamter, sondern als Privatperson vorgenommen habe. Es ist nidit zu verkennen, daß das Wort „Beteiligte" an sich einer verschiedenen Auslegung fähig ist; deshalb hat der Gesetzgeber diesen Ausdruck in anderen Gesetzen zuweilen erläutert (vgl. § 9 ZwVG., § 168 FGG.). Das ist hier nidit geschehen; aber es ergibt sich doch aus den Motiven zum § 4 des 1. Entw. der GBO. (Amtl. Ausg. S. 30) und ebenso aus der Denkschrift zur Reichstagsvorlage (zu $ 11 der Vorlage), daß damit der Kreis der entschädigungsberechtigten Personen eingeschränkt werden sollte. Die Motive a. a. O. sagen: nidit jeder solle einen Entschädigungsanspruch haben, der ohne das Versehen des Grundbudibeamten in einer besseren Lage sein würde, z. B. nidit, wer dadurch um einen besseren, ihm an sich nidit zustehenden, Rang komme, daß ein Recht voreingetragen stehe, dessen Eintragung hätte abgelehnt werden sollen. Und in der Denkschrift heißt es, daß die Verantwortlichkeit des Staats nicht von demjenigen geltend gemacht werden könne, der, ohne beteiligt zu sein, nur mittelbar einen Schaden erlitten habe. Diese einschränkende Bedeutung des Ausdrucks wird denn audi allgemein anerkannt und meistens dahin umschrieben, daß nur solche Personen als Beteiligte in Betracht kommen, die durdi die Pflichtverletzung des Grundbudibeamten unmittelbar einen Vermögenssdiaden erlitten haben. Das

Staats- und Beamtenhafrang

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nimmt auch der Berufungsrichter an. Es fragt sich aber, was unter solcher unmittelbaren Schädigung zu verstehen ist, und darüber gehen die Ansichten auseinander. Eine Ansicht, der sich die Vorinstanzen im wesentlichen angesdilossen haben, verlangt, daß durch die Amtspflichtverletzung selbst, ohne Hinzutritt anderer Umstände, ein Schaden entstanden sein müsse. Diese Ansicht will also die Unterscheidung auf dem Gebiet des u r s ä c h l i c h e n Z u s a m m e n h a n g s machen: dieser soll ein unmittelbarer, die Amtspflichtverletzung soll die einzige Schadensursache gewesen sein. Das stände jedoch in Widerspruch mit dem Begriff des ursächlichen Zusammenhangs, der nicht dadurch aufgehoben wird, daß mehrere Ursachen zu einem Erfolg zusammenwirken. Auch wird der Fall selten vorkommen, daß schon ohne weiteres aus der Pflichtverletzung eines Grundbuchbeamten ein Schaden entsteht; selbst eine falsche Eintragung oder Löschung im Grundbuch begründet zunächst bloß die Gefahr, daß durch ihre Ausnutzung erst die Schädigung herbeigeführt werden kann. Im Gesetz selbst findet diese Ansicht keine Stütze; der gewählte Ausdruck „Beteiligte" läßt nicht erkennen, daß besondere Anforderungen an den Grad des ursächlichen Zusammenhangs gestellt werden sollen. Den Vorzug verdient daher eine andere Ansicht, die das unterscheidende Merkmal in den R e c h t s k r e i s verlegt, der verletzt wird, nämlich unter den Beteiligten diejenigen Personen versteht, in deren Rechtskreis durch die Pflichtverletzung des Grundbuchbeamten unmittelbar eingegriffen wird. Schon nach der natürlichen Wortbedeutung sind beteiligt bei der pflichtwidrigen Handlung oder Unterlassung eines Grundbuchbeamten diejenigen, deren Rechte dadurch berührt werden. Es brauchen dies nicht immer solche Personen zu sein, die auch ein Recht zur Beschwerde gegen die pflichtwidrige Handlung oder Unterlassung gehabt haben würden — wie dies wohl behauptet worden ist und auch vom ersten Richter angenommen zu werden scheint —; denn abgesehen von der Beschränkung, der die Beschwerde in Grundbuchsachen unterworfen ist ( $ 7 1 Abs. 2 GBO.), können die Fälle auch so liegen, daß jemand erst durch die eintretende Verletzung seiner Rechte zum Beteiligten wird, oder daß eine eingetretene Verletzung durch Beschwerde überhaupt nicht mehr beseitigt werden könnte. In der erwähnten Denkschrift a. a. O. ist zur Begründung der Haftung des Staats für Versehen der Grundbuchbeamten hervorgehoben worden, daß die aus der Regelung des Liegenschaftsrechts, wie sie im bürgerlichen Gesetzbuche vorgenommen sei, namentlich aus dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs, für die Beteiligten entspringenden Gefahren ein Eintreten des Staats für die daraus erwachsenden Nachteile als billig erscheinen ließen. Diesen Gefahren unterliegt aber jeder, der in die Lage kommt, sich auf die richtige Handhabung der Grundbucheinrichtungen verlassen zu müssen; für beteiligt im Sinne des $ 12 GBO. muß daher auch jeder gelten, der durch eine Täuschung in diesem Vertrauen durch Schuld des Grundbuchbeamten

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Sdiuldrecht, Besonderer Teil

unmittelbar Schaden erleidet. Den Gegensatz dazu bilden Nachteile, die erst wieder infolge oder durch Vermittlung des durch die Pflichtverletzung geschaffenen Zustandes auf einem Rechtsgebiete in die Erscheinung treten, das an sich durch die Pflichtverletzung nicht berührt wird, wofür auf das oben angeführte Beispiel in den Motiven zu § 4 des 1. Entw. der GBO. Bezug genommen werden kann. Hiernach muß die Klägerin als eine Beteiligte im Sinne des $ 12 GBO. gelten; denn sie hat im Vertrauen auf den öffentlichen Glauben des Grundsdiuldbriefs diesen in Pfand genommen und beliehen und ist durch die Wertlosigkeit des Pfandes, also, wenn diese auf eine Amtspflichtverletzung des Grundbuchbeamten zurückzuführen ist, durch diese Pflichtverletzung unmittelbar in einen Vermögensverlust geraten. Diese unmittelbare Wirkung der Beleihung einer wertlosen Pfandsache wurde nicht etwa dadurch unterbrochen, daß es der selbstverständlichen Mitwirkung eines Schuldners bedurfte, der ihr das Pfand anbot. Wie schon hervorgehoben, bedarf es vielmehr der Regel nach noch einer weiteren Tätigkeit, einer geschäftlichen Ausbeutung der geschaffenen Lage, um einen schädigenden Erfolg der Amtspflichtverletzung herbeizuführen. So ist denn auch bereits das Reichsgericht in einem Fall, der insofern ähnlich lag, als es sich auch dort um eine Vermogensbeschädigung durch Annahme (Ankauf) ungültiger Grundschuldbriefe handelte, wenn auch ohne diese Frage besonders zu erörtern, davon ausgegangen, daß darauf an sich der § 12 GBO., aus dem geklagt war, Anwendung finden müßte (vgl. Entsch. in Zivils. Bd. 59 S. 381 flg.). Die in Anspruch genommene Haftung des Staates hängt nun aber in erster Linie davon ab, ob der Schaden dadurch entstanden ist, daß ein Grundbudibeamter vorsätzlich oder fahrlässig s e i n e A m t s p f l i c h t v e r l e t z t h a t (§ 12 GBO.). Daß das Berufungsgericht diese Frage unentschieden gelassen hat, hindert das Revisionsgericht nicht, die in dieser Beziehung in Betracht kommenden Tatsachen, da sie unstreitig sind, auf ihre rechtliche Bedeutung zu prüfen. Der erste Richter hat sie einer eingehenden Erörterung unterzogen und war dabei zu ungünstigen Ergebnissen für den Beklagten gelangt, die im wesentlichen für zutreffend erachtet werden müssen. Es ist davon auszugehen, daß eine Amtspflicht verletzt sein muß, die dem P. a l s G r u n d b u c h b e a m t e n , nicht bloß in seiner Eigenschaft als Amtsrichter oblag. P. war Grundbuchrichter für St. Zu den ihm in dieser Eigenschaft obliegenden amtlichen Pflichten gehörte nun aber zweifellos die Verwahrung der amtlichen Grundbuchformulare und die Obhut über das Gerichtssiegel, soweit dieses zur Herstellung von Grundschuldbriefen in Verwendung kommen mußte. Wenngleich die Ausfertigung und Siegelung der Grundschuldbriefe nach der Geschäftsordnung zu den Aufgaben des Grundbuchführers gehörte, wurde doch unbedenklich der Grundbuchrichter in dieser seiner Eigenschaft tätig, wenn er, ohne die Hilfeleistung jenes Beamten in Anspruch zu nehmen, selber das Formular aus dem Gewahrsam an sich nahm und

Staats- und Beamtenhaftung

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es mit dem Amtssiegel versah. Dies wäre auch dann der Fall gewesen, wenn er nicht das zu der vorliegenden Fälschung benutzte Formular unmittelbar vor der Fälschung, sondern, wie der Beklagte behauptet, im voraus mehrere Exemplare, um sie gelegentlich zu unredlichem Zweck zu verwenden, an sich genommen haben sollte. Da die Aneignung und Siegelung des Formulars geschah, um einen falschen Grundschuldbrief herzustellen und in Verkehr zu bringen, lag darin eine vorsätzliche Verletzung der amtlichen Pflidit des Grundbudirichiters, die ordnungsmäßige Verwendung der Formulare und des Siegels zu überwachen. Ob auch in der Ausfüllung des Formulars mit den zur näheren Bezeichnung der Grundschuld erforderlichen Angaben und in der Unterzeichnung mit den gefälschten Namen des stellvertretenden Grundbuchrichters und eines Registraturbeamten eine mißbräuchliche Ausübung oder eine Verletzung von Amtspflichten zu finden seien, die dem P. als Grundbuchrichter oblagen, hat der erste Richter dahingestellt gelassen. Er erkennt zwar an, daß ein Richter durch Vornahme amtlicher Handlungen auf einem Gebiet, für das er unzuständig ist, wie es P. war für die Ausfertigung eines Grundschuldbriefs auf seinen eigenen Namen, seine Amtspflicht verletzt, würde wohl auch schon in der absichtlichen Nichtverhinderung der Herstellung eines falschen Grundschuldbriefs eine Amtspflichtverletzung des Grundrichters finden, weist ferner darauf hin, daß eine Amtspflichtverletzung schwerlich verneint werden würde, wenn es sich um eine Fälschung der Namensunterschriften durch P. unter einer falschen Grundbucheintragung zu seinen Gunsten handelte. Gleichwohl findet er ein Bedenken darin, daß die Namenfälschungen auf dem Grundschuldbrief und die dadurch erst zur Vollendung gebrachte falsche Ausfüllung des Formulars für Handlungen erachtet werden müßten, die außerhalb des Amtsbereichs des Grundbuchrichters lagen. Es mag auch hier auf sich beruhen, ob in diesen Handlungen eine Amtspflichtverletzung des P. als Grundbuchrichters gefunden werden kann; denn darin ist dem ersten Richter beizutreten, daß schon die oben festgestellten Amtspflichtverletzungen geeignet waren, die Entstehung eines Schadens zu verursachen. Der erste Richter führt zutreffend aus, daß ein Grundschuldbrief, der nicht unter Benutzung des amtlichen Formulars mit dem Landeswappen oder nicht mit dem Siegel der zuständigen Behörde hergestellt wäre, ganz gewiß von der Klägerin, einer geschäftskundigen Bank, nicht in Pfand genommen worden sein würde. Jene Pflichtverletzungen lagen auch gerade auf dem Gebiet der den Grundbuchämtern d u r c h d i e G r u n d b u c h g e s e t z g e b u n g zugewiesenen Aufgaben, zu denen die Ausfertigung und Aushändigung der Grundschuldbriefe gehört (§§ 70, 56 flg. GBO.), und dadurch wird wieder die hier verletzte Ueberwachungspflicht des Grundbuchrichters hervorgerufen. Da die Wechseldarlehen dem P. nach dem in der Berufungsinstanz nicht bemängelten Tatbestand der ersten Instanz mit Rücksicht auf das für völlig sicher erachtete Pfand gewährt worden sind, dieses aber wertlos

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Schuldredit, Besonderer Teil

und P. selbst mittellos ist, unterlag es keinem Bedenken, die vom Berufungsgericht unentschieden gelassene Frage, ob die Amtspflichtverletzungen des P. den Schaden der Klägerin in der T a t verursacht hätten, zu bejahen. Die Höhe des von der Klägerin geforderten Schadensersatzes von 1700 M. nebst 5 Prozent jährlicher Zinsen seit dem 17. Oktober 1905 ist von dem Beklagten nicht beanstandet worden. Es war daher unter Aufhebung des Berufungsurteils in Abänderung des ersten Urteils nadi dem Klagantrage zu erkennen." R G Z . 83, 336 1. . . .

2. ...

3. Verschulden des Gerichtsvollziehers bei vorzeitiger Pfändung. BGB. §§ 839, 276. Preuß. Ges. v. 1. August 1909. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 9. Dezember 1913.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Verfahrensrecht, Zivilprozeßordnung". R G Z . 84, 92 Haftet der Vormundschaftsrichter auf Schadensersatz wegen schuldhaft unrichtigen Rates in einer Pflegschaft auch dann, wenn diese nachträglich wegen Mangels ihrer gesetzlichen Voraussetzungen von dem ubergeordneten Beschwerdegericht aufgehoben worden ist? BGB. §§ 839, 1848. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Stargard.

Urt. v. 26. Januar 1914. II. Oberlandesgeridit Stettin.

Rittmeister N . in T . hinterließ ein Testament von 1894, worin er seine Kinder — die drei Klägerinnen und zwei Söhne — zu Erben einsetzte, den Klägerinnen den Nießbrauch einräumte und bestimmte, daß nach dem T o d e der letztlebenden von ihnen das Vermögen den überlebenden Geschwistern oder deren Kindern nach Stämmen zufallen solle. Der Beklagte leitete als zuständiger Vormundschaftsrichter im Juli 1903 eine Pflegschaft für „die noch nicht in allen Gliedern feststehende an dem Nachlasse mitbeteiligte Nachkommenschaft" des Erblassers ein, die 1905 auf Beschwerde der Klägerinnen wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen vom Landgericht in S. aufgehoben wurde. Der Pfleger erwarb am 14. Januar 1904 mit Mitteln des Nachlasses eine auf dem Grundstücke des Handelsgärtners T . in M. ruhende Teilhypothek von 12 600 M., die der bisherige Gläubiger, Architekt W., abtrat. Im Laufe des Jahres 1904 kam das Grundstück zur Zwangsversteigerung, der

Staats- und Beamtenhaftung

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Pfleger erstand es für die N.sche Nachkommenschaft, die Hypothek fiel zum Teil aus. Die Klägerinnen haben den früheren Pfleger wegen schuldhafter Verletzung seiner Pflicht auf 4800 M. Schadenersatz verklagt, sind aber am 9. Oktober 1911 rechtskräftig abgewiesen worden. Nunmehr nehmen sie den Beklagten wegen schuldhafter Verletzung seiner Pflichten als Vormundschaftsrichter auf Schadensersatz in Anspruch und verlangen von ihm Zahlung von 4800 M. zum Nachlasse. Der Sachverhalt, mit dem sie den Anspruch begründen, ist folgender. Die Summe von 12 600 M. sollte auf Wunsch der Klägerinnen zu 5 Prozent verzinslich angelegt werden. Die Klägerin Margarete N., die sidi darum bemühte, fragte beim Pfleger an, ob er eine gerichtliche Taxe des zu beleihenden Grundstücks verlange oder ob ihm die eines gerichtlich vereidigten Taxators genüge, auf dessen Urteil die Banken Grundstücke beliehen. Der Pfleger wandte sidi an den Beklagten, der ihm und der Margarete N. mitteilte, nach Lage der Verhältnisse erscheine eine mündelsichere Anlegung des Geldes zu 5 Prozent ausgeschlossen, zur Prüfung der Mündelsicherheit bei Beleihung eines städtischen Grundstücks „dürfte die Taxe eines gerichtlich vereidigten Taxators ausreichen". W . oder T . übergaben nunmehr den Klägerinnen zum Nachweis der Mündelsicherheit der 12 600 M., denen 8600 M. vorgingen, eine Schätzung des als gerichtlicher Sachverständiger zur Abschätzung städtischer Grundstücke beeidigten Architekten und Maurermeisters C., worin der Wert des Grundstücks auf 47 699 M. angegeben war. Die Klägerinnen behaupten, sie hätten die Taxe dem Pfleger übersandt, dieser habe sie dem Beklagten vorgelegt, und der Beklagte habe die Anlage f ü r mündelsicher erklärt. Jedenfalls hat der Beklagte nach Eingang der Schätzung zu den Pflegschaftsakten vermerkt, daß die Hypothek mündelsicher erscheine. Das Landgericht hat die Klage wegen mangelnden ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Schaden und der Amtstätigkeit des Beklagten abgewiesen, das Oberlandesgericht hat den Beklagten antraggemäß verurteilt. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „Die sachliche Unrichtigkeit der vom Beklagten erteilten Auskunft kann einem Zweifel nicht unterliegen. Nach Art. 73 Abs. 2 AG. z. BGB. (§ 1807 Abs. 2 BGB.) ist der Wert bei ländlichen und städtischen Grundstücken, abgesehen von anderen, hier nicht in Betracht kommenden Mitteln, durch „gerichtliche Taxe" festzustellen. Was unter gerichtlicher Taxe zu verstehen ist, ergibt sich aus der Allgemeinen Gerichtsordnung II, 6: es muß eine besonders sorgsame Schätzungsaufnahme durch sachverständige Schätzer unter Leitung des Richters erfolgen. Dieser hat ein Protokoll aufzunehmen, und die Schätzungsurkunde wird unter Gerichtssiegel ausgefertigt (vgl. C r u s e n - M ü l l e r , Pr. Ausführungsgesetz, Art. 73 zu II B 1 c).

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

Daß der Beklagte fahrlässig handelte, als er der Klägerin Margarete N. und dem Pfleger diese unrichtige Auskunft erteilte, hat das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt. Der fahrlässig falsche Rat macht den Beklagten verantwortlich, wenn ihm eine unerlaubte Handlung zur Last fällt, und zwar dann, wenn die Voraussetzungen der §§ 839, 1848 BGB. gegeben sind. Der Vormundschaftsrichter, der die ihm obliegenden Pflichten fahrlässig verletzt, ist dem Mündel nach § 839 Abs. 1, 3 verantwortlich. § 839 setzt ein amtliches Handeln voraus. Eine Handlung, die der Beamte nicht in Ausübung seiner amtlidien Tätigkeit vornimmt, oder die ihrer Art nadi gar nicht in den Bereich seines Amtskreises fällt, ist keine Amtshandlung (Gruchot Bd. 46 S. 935). Nun gehört die Erteilung sachlicher Auskünfte an Vormünder, Pfleger und Pflegebefohlene fraglos zu den Pflichten eines Vormundschaftsriditers, soweit sich diese Auskünfte auf vormundschaftliche Angelegenheiten beziehen. Der Beklagte hat die fahrlässig unrichtige Auskunft erteilt als Vormundschaftsrichter in dem Bewußtsein und der Absicht, damit in Ausübung der vormundschaftsgerichtlichen Aufsichtspflicht amtlich zu handeln, in einer Pflegschaft, die er selber eingeleitet hatte, und die nach der Feststellung des Berufungsgerichts die Klägerinnen selbst „in bezug auf das von ihren Eltern ererbte Vermögen" umfaßte. Diese Pflegschaft ist nach Erteilung der Auskunft und nach Erwerb der Hypothek als der gesetzlichen Voraussetzungen von vornherein ermangelnd von dem im Rechtsmittelzuge dem Vormundschaftsgericht übergeordneten Beschwerdegericht aufgehoben worden. Mit Unrecht folgert die Revision aus dieser Aufhebung, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Auskunft und dem Schaden nicht gegeben sei, weil eine rechtsgültige Pflegschaft nie bestanden, der Beklagte nicht die Pflichten eines Vormundschaftsrichters gehabt und den Klägerinnen die Eigenschaft von Mündeln im Sinne des § 1848 gefehlt habe. Ob der aufhebenden Entscheidung des Beschwerdegerichts a l l g e m e i n rückwirkende Kraft zukommt (vgl. darüber H e 11 w i g , Grenzen der Rückwirkung S. 30, 31, v. T h ü r , Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts S. 493, R a u s n i t z , Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit § 32 Anmerkung 8, S c h u l z e - G ö r l i t z und O b e r n e c k , Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit § 32 Anmerkung 36), braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls läßt der Beschluß des Beschwerdegerichts für die Zeit vor seinem Erlasse die Pflichten des Vormundschaftsrichters und seine aus der Verletzung dieser Pflichten sich ergebende Verbindlichkeit zum Schadenersatze völlig unberührt. Die Anordnung der Pflegschaft hat als rechtsbegründende Handlung der Staatsgewalt für den Reditskreis der Beteiligten die Pflichten des Vormundschaftsrichters entstehen lassen, den Beteiligten ein Recht auf Erfüllung dieser Pflichten gegeben und sie der Ausübung der Pflichten durch den Vormundschaftsrichter unterworfen. Sie waren an das pflichtmäßige

Staats- und Beamtenhaftung

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Walten des Vormundschaftsgerichts gebunden und durften sidi darauf verlassen. Es ist selbstverständlich, daß die Entscheidung des Beschwerdegerichts die vormundschaftsrichterlichen Pflichten mit allen ihren zahlreichen und eingreifenden Einwirkungen auf den bürgerlichen Rechtsverkehr nicht ohne weiteres beseitigen kann. Eine solche Wirkung würde die Sicherheit dieses Verkehrs sowie das Ansehen der Staatsgewalt gefährden und dem Zwecke der staatlichen Fürsorge in Vormundschaftssachen zuwiderlaufen. Solange die Pflegschaft unaufgehoben bestand, war der Beklagte Vormundschaftsrichter mit allen Pflichten eines solchen, und so lange waren die unter diese Pflegschaft gestellten Klägerinnen Mündel im Sinne des § 1848 BGB., jedenfalls insoweit, als die Pflichten des Vormundschaftsrichters und deren Verletzung in Frage kommen. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts ist die falsche Beratung der unmittelbare Anlaß für den Erwerb der Hypothek geworden. Das Berufungsgericht begründet diese Feststellung damit, daß der Beklagte von dem die Auskunft enthaltenden Schreiben an Margarete N. dem Pfleger Abschrift übersandt und sonach in beiden den Glauben hervorgerufen habe, die C.sche Taxe verbürge die Mündelsicherheit der Hypothek auf dem Grundstücke des T. Deshalb sei der Pfleger im Einverständnisse mit den Klägerinnen zum Erwerbe der Hypothek geschritten. Diese Begründung stellt den ursächlichen Zusammenhang fest und enthält keinen Rechtsirrtum. Weil die Pflegschaft eingeleitet war, mußten die Klägerinnen davon ausgehen, daß Mündelsicherheit der Anlage erforderlich und daß für die Beurteilung der Mündelsicherheit nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften die Ansicht des Beklagten als des Vormundschaftsrichters entscheidend sei. Seine Aeußerung über die Voraussetzungen der Mündelsicherheit war eine Kundgebung staatlicher Fürsorge und richterlicher Aufsicht und mußte ihnen als solche erscheinen. Sie ergab die Bedingung, unter der der Beklagte als Vormundschaftsrichter die Anlegung genehmigen und ohne die er die Genehmigung versagen würde. Solange die Pflegschaft bestand, durften die Klägerinnen diese Anlegung als von der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängig ansehen. Sie mußten also auf Mündelsicherheit der Anlage halten und konnten gar keine andere als eine formell mündelsichere Anlage wollen, weil zu einer anderen jene Genehmigung nicht erteilt sein würde. Ohne die als maßgeblich für die Mündelsicherheit erscheinende Auskunft des Beklagten würden sie die Hypothek nicht erworben haben. Damit ist der ursächliche Zusammhang nach den Grundsätzen der adäquaten Verursachung gegeben. Ob die Anlegung dem Wunsche und der Anregung der Klägerinnen entsprach, ob sie die Hypothek auch erworben haben würden, wenn keine Pflegschaft bestanden hätte oder von ihnen der Mangel einer gesetzlichen Grundlage für die Pflegschaft schon damals erkannt worden wäre, ist gleichgültig und nicht geeignet, den ursächlichen Zusammenhang zu beseitigen.

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

Diese Erwägungen stehen auch der Annahme eines mitwirkenden Verschuldens der Klägerinnen entgegen. Sie durften sich auf das Bestehen der Aufsicht- und Fürsorgepflicht verlassen. Daß sie nicht früher Beschwerde gegen die Einleitung der Pflegschaft erhoben haben, ist kein Verschulden." (Es folgt die Ausführung, daß die Klägerinnen nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermögen.) R G Z . 85, 409 Kann die Erfüllung einer Amtspflicht des preußischen Notars für ihn Gegenstand vertraglicher Bindung sein? BGB. §§ 675, 839. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 3. November 1914.

I. Landgericht Kiel.

II. Oberlandesgericht daselbst.

A m 30. November 1910 erschienen die Kläger mit dem Mühlenbesitzer B. vor dem Amtsgericht in Neustadt und überreichten in Gegenwart des Amtsrichters einen privatschriftlichen Vertrag, wonach B. ihnen seinen Grundbesitz verkaufte, mit der Absidit, die Gebundenheit der Vertragschließenden herbeizuführen. Der Amtsrichter setzte einen Auflassungstermin an und überließ die Bearbeitung der Angelegenheit dem Gerichtsschreiber, der einen die Ueberreichung behandelnden Aktenvermerk aufnahm. Durch notariellen Vertrag vom 4. Januar 1911 verkauften die Kläger einen Teil des Grundbesitzes an einen Gutsbesitzer S. und schlössen am 9. Januar 1911 einen von dem N o t a r W. beurkundeten Vertrag mit B., wonach der am 30. Dezember 1910 überreichte Vertrag aufgehoben wurde, soweit nicht der an S. veräußerte Teil in Frage kam. Die Kläger machen geltend, die Verträge vom 30. Dezember 1910 und vom 9. Januar 1911 seien wegen Formmangels durch die Schuld des Amtsrichters und des Notars nichtig. Hierdurch sei ihnen, da B. die Erfüllung des Vertrages weigere, ein Schaden insofern entstanden, als sie nun den Vertrag vom 4. Januar 1911 nicht hätten erfüllen können, dem S. vergleichsweise 7000 M. hätten zahlen und die Kosten eines mit ihm geführten Rechtsstreits hätten tragen müssen. Zum Ersätze des Schadens seien der Fiskus und der Notar verpflichtet. Dieser hat vergleichsweise 15 000 M. gezahlt und ist aus dem Rechtsstreit ausgeschieden. Das Landgericht hat die Entscheidung dem Grunde nach von einem Eide der Kläger darüber abhängig gemacht, daß sie bei Abschluß des Vertrages mit S. nicht gewußt hätten, der Vertrag vom 30. Dezember 1910 mit B. sei nicht rechtsgültig zustande gekommen. Das Oberlandesgericht hat die Klage völlig abgewiesen. Der Revision der Kläger wurde stattgegeben. Aus den G r ü n d e n : „ . . . Das angefochtene Urteil stellt fest, daß, wenn die Kläger den Kaufvertrag mit S. vom 4. Januar 1911 in der Ueberzeugung geschlossen

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haben, der Vertrag v o m 30. Dezember 1910 sei gültig, das Verschulden des Amtsrichters ursächlich sei, da er in ihnen durch sein fahrlässiges Handeln diese Ueberzeugung erweckt habe. Der Vertrag vom 30. Dezember 1910 war wegen Nichtbeobachtung der im § 313 BGB. vorgeschriebenen Form und in Ermangelung einer Heilung durch Auflassung nichtig, seine Gültigkeit konnte auch nicht durch den Vertrag vom 9. Januar 1911 herbeigeführt werden, da diesem gleichfalls wegen Formmangels die Reditsbeständigkeit fehlt. Es ist nur eine ungenaue Ausdrucksweise, wenn das Berufungsgericht sagt, die Nichtigkeit des Vertrages vom 30. Dezember 1910 sei auf eine Fahrlässigkeit des Amtsrichters zurückzuführen. Der Amtsrichter hat nicht die Nichtigkeit des privatschriftlichen Vertrages verschuldet. Ja, er hat nicht einmal verschuldet, daß nicht an Stelle des privatschriftlichen ein den Formerfordernissen des § 313 entsprechender Vertrag geschlossen wurde. Denn am 30. Dezember brauchte er nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts den Vertrag nicht aufzunehmen, und nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts würde der am Gerichtsort wohnende Notar an diesem Tage einen solchen Vertrag nicht beurkundet, später aber B. ihn nicht geschlossen haben. Die Fahrlässigkeit des Amtsrichters besteht vielmehr, wie das Berufungsgericht auch annimmt, darin, daß er es unterließ, die Erschienenen über die Notwendigkeit der Beurkundung gemäß § 313 zu belehren, und daß er die Entgegennahme des überreichten Vertrages durch den Gerichtsschreiber, offenbar unter dem Einfluß unrichtiger Auslegung des § 873 Abs. 2 BGB., anordnete. Ohne Rechtsirrtum geht das Berufungsgericht davon aus, daß, wenn die Kläger sich in dem Irrglauben befanden, der Vertrag vom 30. Dezember sei rechtsgültig, sie in diesen Glauben versetzt oder darin erhalten sind durch das schuldhafte Verhalten des Amtsrichters, und daß, wenn sie bei Abschluß des Vertrages mit S. in diesem Irrglauben befangen waren, der ihnen dadurch oder durch die Unmöglichkeit, den Vertrag mit S. zu erfüllen, erwachsene Schaden in ursächlichem Zusammenhange mit dem Verschulden des Amtsrichters steht. Für den durch die Amtspflichtverletzung des Amtsrichters — um eine solche handelt es sich hier — entstandenen Schaden haftet nach § 1 des Gesetzes vom 1. August 1909 der preußische Staat in demselben Umfange, in dem ohne diese Gesetzesbestimmung nach § 839 B G B . der Amtsrichter gehaftet haben würde. Er kann insbesondere (§ 839 Abs. 1 Satz 2) nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Kläger nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermögen. Aber ebensowenig, wie der Amtsrichter die Kläger darauf würde haben verweisen können, daß auch ein anderer Beamter durch unerlaubte Handlung, nämlich Verletzung der Amtspflicht, den Schaden verursacht habe und deshalb zunächst in Anspruch zu nehmen sei, kann der Staat sich darauf berufen. Wenn der andere Beamte ein solcher ist, für den nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes vom 1. August 1909 der Staat n i c h t einzutreten hat, besteht zwischen dem Staate und diesem Beamten in Ansehung der Schadens-

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ersatzpflidit ein Gesamtschuldverhältnis, nicht aber haftet der Staat alsdann bloß hilfsweise. Das Berufungsgeridit hat die Klage auf Ersatz des Schadens deshalb abgewiesen, weil eine Schadenshaftung des Notars W. nicht nur wegen Verletzung von Amtspflichten, also nach § 839, sondern auch wegen Verletzung vertraglicher Pflichten begründet gewesen sei. Wäre dies richtig, so würde wegen der alsdann gegebenen bloß bedingten Haftung des Staates die Klagabweisung, vorausgesetzt, daß die Ursächlichkeit der Vertragsverletzung für den Schaden dargetan wäre, keinem Bedenken unterliegen. Allein die Annahme, daß der Notar W. auch aus einem Vertrage den Klägern hafte, kann als zutreffend nicht anerkannt werden. Auch der vom Notar W. beurkundete Vertrag (vom 9. Januar 1911) war wegen eines, in Nichtbeachtung der Vorschriften des § 176 FGG. bestehenden Formmangels nichtig. Diese Nichtigkeit hat der Notar schuldhaft herbeigeführt. Es war seine Amtspflicht, das Rechtsgeschäft unter Beobachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Formen zu beurkunden. Gegenstand eines Dienstvertrages zwischen den Klägern und dem Notar, nicht in dieser seiner Eigenschaft, sondern in der Eigenschaft als eines Rechtskundigen, konnte die Rechtsberatung darüber sein, ob der Vertrag vom 30. Dezember gültig und wie er bindend zu machen sei. Dies aber kommt hier nicht in Frage, denn die Unrichtigkeit und Schuldhaftigkeit eines solchen Rates werden dem Notar nidit vorgeworfen. Der Notar W. hatte nach dem Willen der Kläger und nach seiner ihnen erteilten Zusage dem zu beurkundenden Vertrage mit B. eine Form und einen Inhalt zu geben, die dem Zwecke der von ihm über die Ungültigkeit des Vertrages vom 30. Dezember aufgeklärten Kläger entsprachen, nämlich dem Zwecke, den Verkäufer insoweit an die privatschriftlich beredete Veräußerung zu binden, als die von ihnen an S. verkauften Grundstücke in Betracht kamen. Den erklärten Willen der Vertragschließenden in klarer, gültiger Fassung und Form urkundlich festzulegen, der Urkunde den Inhalt zu geben, der dem Willen der Vertragsteile und dem Zwecke der Urkundenerrichtung entspricht, ist aber gerade eine durch das Amt des Notars gebotene Pflicht (Jur. Wochenschr. 1913 S. 490 Nr. 12, S. 1152 Nr. 8; 1914 S. 194 Nr. 10, S. 354 Nr. 6; III. 438/13, 530/13, 226/14). Die Erfüllung einer Amtspflicht kann nidit Gegenstand vertraglicher Bindung sein, jedenfalls gilt dies von der amtlichen Tätigkeit der preußischen Notare. Der preußische Notar ist Beamter. Er wird bei den ihm amtlich obliegenden Beurkundungen tätig nicht als Beauftragter oder Dienstverpflichteter des ihn Anrufenden. Die Inanspruchnahme seiner Tätigkeit durch einen Beteiligten ist nur der äußere Anlaß für diese Tätigkeit, bei deren Entfaltung die Beobachtung der Verkehrssorgfalt in der Einhaltung der gesetzlichen Formen und in der sadigemäßen Gestaltung des Inhalts der Urkunde ihm als amtlich gebotene Pflicht obliegt.

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Bedeutung und Umfang dieser Pflicht sind der Steigerung oder auch nur der Gewährleistung durch Stempelung zu einer Vertragsleistung nicht fähig. Die Rechtsprechung des erkennenden Senats ist früher von der entgegengesetzten Meinung ausgegangen. Der Senat betrachtete es früher als wesentlich für das Verhältnis zwischen Notar und Beurkundungsbeteiligten, daß sie durch einen Vertrag gebunden seien, der die dem Notar schon amtlich obliegende Beurkundungstätigkeit als seine vertragliche Pflicht umfaßte (RGZ. Bd. 49 S. 26; ferner III 540/10 vom 18. Oktober 1911, III 41/11 vom 19. Dezember 1911, III 334/05, III 65/09). Der Senat befand sidi dabei im Einklänge mit der damals herrschenden Meinung. In anderen Entscheidungen (z. B. Jur. Wochenschr. 1913 S. 490 Nr. 12) wurde es wenigstens als die R e g e l bezeichnet, daß der die Amtstätigkeit des Notars Anrufende zugleich mit ihm über die Leistung der Beurkundungstätigkeit einen bürgerlich-rechtlichen Vertrag, insbesondere einen Dienstvertrag abschließe. Späterhin ist der Senat jedoch von dieser Ansicht, namentlich unter der Einwirkung des über die Rechtsstellung des Gerichtsvollziehers bei der Zwangsvollstreckung ergangenen Beschlusses der Vereinigten Zivilsenate vom 2. Juli 1913 (RGZ. Bd. 82, 85) mehr und mehr abgegangen, indem er jedenfalls in einer Reihe von Fällen vermied, der Annahme der Berufungsgerichte, daß ein Vertrag vorliege, beizutreten (z. B. III 423/13 vom 9. Dezember 1913, III 419/13 vom 19. Dezember 1913, III 530/13 vom 10. März 1914). Die frühere Rechtsauffassung kann nicht aufrechterhalten werden. Sie entspricht nicht einer zutreffenden Würdigung des Wesens der Amtspflicht und wird der öffentlichrechtlichen Stellung des Notars als Beurkundungsbeamten nicht völlig gerecht. Die Rechtsprechung anderer Senate steht der jetzigen Rechtsmeinung des erkennenden nicht entgegen. Insbesondere beschäftigt sich der sechste Zivilsenat in RGZ. Bd. 49 S. 269 nicht mit der Erfüllung der Amtspflichten als Vertragsleistung, sondern betont, daß neben den Amtspflichten Verpflichtungen anderer Art für den Notar bestehen können, die Gegenstand des Dienstvertrages nach § 675 BGB. zu sein vermögen. Die Möglichkeit derartiger Verpflichtungen, die den Notar nicht als solchen, sondern als Rechtskundigen treffen, ist vom erkennenden Senate stets betont und auch in den hier gemachten Ausführungen anerkannt worden. Da der Notar W. nicht aus einem Vertrage haftet, seine Verantwortlichkeit für den entstandenen Schaden aus unerlaubter Handlung aber die Haftung des Beklagten nicht beseitigt, so können die gegen die Ursächlichkeit des Notarverschuldens für den entstandenen Schaden erhobenen Revisionsangriffe unerörtert bleiben. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die zur Begründung der Ursächlichkeit des Amtsrichterverschuldens erforderliche Ueberzeugung der Kläger von der Gültigkeit des Vertrages vom 30. Dezember

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1910 zur Zeit des Vertragsabschlusses mit S. bestanden hat. Vielmehr ist unentschieden geblieben, ob es zum Nachweise dieser Ueberzeugung noch des den Klägern vom Landgericht auferlegten Eides bedurfte. Das Revisionsgericht kann diese Feststellung nicht treffen, das Oberlandesgericht wird sidi darüber schlüssig zu machen, audi zu erwägen haben, welche Bedeutung im Verfahren über den Grund dem Umstände zukommt, daß auf den geltend gemachten Schaden der gesamtschuldnerisdi haftende Notar durch Zahlung der Vergleichssumme eine Leistung bewirkt hat." RGZ. 86, 102 Darf der Notar seine auf unbeschriebenem Blatte vollzogene Namenssdirift aus der Hand geben? BGB. § 839. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Hamburg.

Urt. v. 8. Januar 1935. II Oberlandesgeridit daselbst.

Auf einem im Juli 1912 vom Kläger an den Notar Dr. B. in H. veräußerten Grundstücke war zugunsten des Klägers H . R. eine H y p o thek von 25 000 M. eingetragen, deren Brief in Dr. B.s Besitz geblieben war. Eines Tages kam Dr. B. in das Geschäftszimmer des beklagten Notars, mit dem er eine gemeinschaftliche Kanzlei hielt, legte ihm einen unausgefüllten Vordruck zu einer Hypothekenabtretung vor, auf dessen Rückseite der Name „Dr. B." stand oberhalb des gleichfalls unausgefüllten Beglaubigungsvordrucks, und bat um Beglaubigung seiner Unterschrift. Der Beklagte setzte seinen Namen „Dr. P. O . " unter den Beglaubigungsvordruck, versah den Vordruck der Kostenberechnung mit seinem Namenszeichen und händigte sodann das Papier dem Dr. B. wieder aus. Das Notariatsiegel des Beklagten lag derzeit offen in der Kanzlei zur Benutzung der mit der UnterStempelung betrauten Angestellten und wurde auch nachts nicht weggeschlossen. Am 7. Januar 1913 ging beim Grundbuchamt eine die Tagesbezeichnung des 1. Oktober 1912 tragende Urkunde ein, worin Dr. B. und der Kläger die Herabsetzung des Zinsfußes vereinbarten und der Kläger die Hypothek einem Bruder des Dr. B. abtrat. Die Urkunde war mit dem Namen des Klägers und „Dr. B." unterzeichnet und trug folgenden, mit dem Namen des Beklagten, Dr. P. O., unterschriebenen und mit seinem Amtssiegel versehenen Vermerk: „Hierdurch beglaubigt der unterzeichnete Notar Dr. P. . . . O. vorstehende, vor ihm anerkannte Unterschrift des H. R. und Dr. B., beide von Person bekannt. H., den 1. Oktober 1912."

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In einer weiteren Urkunde trat Dr. B. als Bevollmächtigter seines Bruders die Hypothek an einen — gutgläubigen — M. K. ab, auf dessen Namen sie demnächst im Grundbuch umgeschrieben wurde. Die Unterschrift H . R . rührt nicht vom Kläger her. Die Hypothek war für ihn verloren. Er hat im Konkurse des Notars Dr. B. seine Forderung angemeldet, aber noch nichts erhalten und nimmt auf Schadensersatz in H ö h e von 25 000 M. nebst Zinsen den Beklagten in Anspruch, der durch Aushändigung des von ihm unterschriebenen unausgefüllten Beglaubigungsvermerks schuldhaft seine Amtspflicht als Notar verletzt habe. Die Revision des in beiden Rechtszügen verurteilten Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „Der Beklagte ist als Hamburgischer Notar, wie das Berufungsgericht auf Grund Hamburgischen Rechtes feststellt, Beamter. Er hat eine ihm in dieser Eigenschaft obliegende Amtspflicht verletzt. Die Pflichtverletzung, die nadi den unangefochtenen Feststellungen Ursache des entstandenen Schadens geworden ist, besteht nicht sowohl darin, daß er eine Blankounterschrift beglaubigt hat, als vielmehr, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, in der Blankobeglaubigung, d. h. darin, daß er seine unter einen unausgefüllten Beglaubigungsvordruck gesetzte Namensunterschrift aus der Hand gegeben hat. Nach § 183 Abs. 2 F r G G . geschieht die Beglaubigung einer Unterschrift durch einen unter die Unterschrift zu setzenden Vermerk. Der Vermerk muß die Bezeichnung dessen enthalten, der in Gegenwart des Richters oder Notars die Unterschrift vollzogen oder anerkannt hat, und den T a g und O r t der Ausstellung angeben sowie mit Unterschrift und Siegel oder Stempel versehen sein. Schon der Wortlaut, ganz gewiß aber der selbstverständliche Sinn dieser Gesetzesvorschrift läßt es als unter keinen Umständen statthaft erscheinen, daß der Beglaubigungsbeamte, insbesondere der N o t a r , ein Schriftstück aushändigt, auf dem er seinen Namen unter einen unausgefüllten Beglaubigungsvordruck gesetzt hat. Der Notar, dem vom Staate die Macht verliehen ist, im wesentlichen durch seine Unterschrift Urkunden und insbesondere Beglaubigungen die Kraft öffentlichen Glaubens zu geben, handelt in jedem Falle gegen eine der wichtigsten und vornehmsten Pflichten des ihm verliehenen Amtes, wenn er durch Aushändigung seiner Blankounterschrift, an wen immer es sei, die Möglichkeit oder auch nur eine der Bedingungen für die Ermöglichung des Mißbrauchs des durch seine Unterschrift begründeten öffentlichen Glaubens schafft. Die Blankounterschrift eines Notars gefährdet aufs äußerste die Sicherheit des Rechtsverkehrs, zu deren Aufrechterhaltung und Förderung dem Beamten gerade jene Machtbefugnis eingeräumt ist. Auf die Richtigkeit der Beglaubigung muß sich im Rechtsleben jeder verlassen, im Vertrauen auf

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die Richtigkeit jeder im Rechtsverkehr handeln können. Der Rechtssicherheit würde eine wesentliche Grundlage entzogen, wenn es dem Notar erlaubt sein könnte, so zu verfahren, wie der Beklagte getan hat. Daß er, so verfahrend, eine Pflicht seines Amtes verletzt hat, ist hiernach außer Zweifel. Auf Erfüllung dieser Amtspflicht sorgsamer Beachtung der Gesetzesvorschrift und der aus dem Wesen der Beglaubigung sich ergebenden Erfordernisse hatte audi der Kläger Anspruch. Er war zwar an sich an der die Amtshandlung des Notars ausmachenden Beglaubigung nicht beteiligt. Aber er gehörte dennoch zum Kreise derer, denen gegenüber im Sinne des § 839 BGB. dem Beklagten die Amtspflicht oblag. In dem Urteile RGZ. Bd. 78 S. 241 (246) hat der erkennende Senat ausgesprochen, dieser Kreis umfasse alle die Personen, die im Vertrauen auf die Rechtsgültigkeit der Beurkundung des Notars und auf die durch das beurkundete Rechtsgeschäft geschaffene Rechtslage in Beziehung auf diese Rechtslage im Rechtsverkehr tätig werden. Unmittelbar trifft das hier nicht zu, ganz abgesehen davon, daß es sich hier nicht um die Beurkundung eines Rechtsgeschäfts handelt. Denn der Kläger hat von der Beglaubigung nichts gewußt und ist auch nicht tätig geworden im Vertrauen auf ihre Richtigkeit. Allein jene Umschreibung des Kreises derer, die ein Recht auf die Amtspflicht haben (in RGZ. Bd. 78 S. 241), ist dem Gedanken entsprungen, daß es allein darauf ankomme, welche Interessen durch das Amtsgeschäft des Notars berührt werden (S. 247). Berührt aber werden dadurch die Interessen eines jeden, in dessen Rechtskreis infolge der unrichtigen Ausführung des Amtsgeschäfts oder durch sie eingegriffen wird. Die Möglichkeit eines solchen Eingriffs besteht bei einer unbestimmten, unbegrenzten Zahl von Personen, ihnen allen gegenüber ist die Amtspflicht des Notars begründet, deren Verletzung für den Geschädigten den Ersatzanspruch entstehen läßt (RGZ. Bd. 78 S. 245, Bd. 66 S. 110, Bd. 72 S. 329). Der Beklagte hat die Vorschrift des § 183 FrGG. und die Erfordernisse einer ordnungsmäßigen Beglaubigung nach Inhalt und Tragweite selbstverständlich gekannt und deshalb bewußt der sich aus ihnen ergebenden Amtspflicht zuwider gehandelt. Das Berufungsgericht hat danach angenommen, daß er diese Amtspflicht nicht nur fahrlässig, sondern vorsätzlich verletzt habe. Es folgt damit derselben Erwägung, die für den erkennenden Senat in Rep. III. 419/13 — abgedruckt in Leipz. Zeitschr. 1914 Sp. 1129 Nr. 7 — bestimmend war. Dort ist ausgeführt worden, der Notar habe seine Pflicht, den wahren Willen der Vertragschließenden persönlich, nicht durch seinen Buchhalter, festzustellen, gekannt, sei sich also bewußt gewesen, den Pflichten seines Amtes zuwider zu handeln, als er diese Erforschung dem Buchhalter überlassen habe, es falle ihm also nicht nur Fahrlässigkeit zur Last. Ein bewußtes Zuwiderhandeln des Beamten gegen die ihm Dritten gegenüber obliegende Amts-

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pflicht genüge, um seine unmittelbare, nicht bloß hilfsweise eintretende, Verantwortung zu begründen. Ebenso liegt die Sache hier. Auch hier ist die unbeschränkte Haftung des Notars eine unabweisbare Forderung. Die Beglaubigung durch den Notar sdiafft die förmliche Beweiskraft dafür, daß die Unterschrift von dem im Beglaubigungsvermerk bezeichneten Aussteller herrührt. Der Umstand, daß der Richtigkeit der Beglaubigung im Verkehr ein unbedingtes Vertrauen muß entgegengebracht werden können, verpflichtet den Notar, bei der Beglaubigung die äußerste Vorsicht zu gebrauchen (RGZ. Bd. 81 S. 128). Die bewußte Außerachtlassung dieser Vorsicht ist Vorsatz im Sinne des § 839. Die dagegen gerichteten Ausführungen der Revision sind unhaltbar. Der § 183 FrGG. fordert im Ergebnis, daß der Notar den Beglaubigungsvermerk entweder selbst schreibt, den Vordruck ausfüllt, oder daß er die Beglaubigung nicht eher vollzieht, als bis der geschriebene Vermerk, der ausgefüllte Vordruck ihm vorliegt. Daß er sich, wie die Revision meint, eines anderen, nämlich des Notars Dr. B., zur nachträglichen Herstellung des Vermerks bedienen wollte, war gerade der bewußte Verstoß gegen § 183. Das Verschulden, dessen Vorhandensein die Revision zur Nachprüfung verstellt, lag nicht nur darin, daß er die von Dr. B. zu bewirkende Herstellung des Beglaubigungsvermerks zu überwachen versäumte, sondern schon darin, daß er dem Dr. B. die Herstellung überließ. Mit Recht hat deshalb das Oberlandesgericht den persönlichen Beziehungen des Beklagten zu Dr. B. und der amtlichen Stellung des Dr. B. einen Einfluß auf die Beurteilung der Verschuldensfrage versagt. Der Beklagte haftet also unmittelbar und nicht bloß hilfsweise nach § 839 BGB. für den entstandenen Schaden. Unter diesen Umständen kann die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob er durch den Verstoß gegen § 183 FrGG. einem den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzes zuwider gehandelt hat (§ 823 Abs. 2 BGB.), auf sich beruhen. Audi darauf, ob die NichtVerwahrung des Siegels (vgl. R G Z . Bd. 81 S. 130) sdiuldhaft und die Schadensursache war, braucht nicht eingegangen zu werden." R G Z . 88, 171 1. Verletzt ein Polizeibeamter durch Bruch der Schweigepflicht die ihm einem D r i t t e n gegenüber obliegende Amtspflicht? 2. Handelt ein Staatsbeamter in Ausübung der ihm anvertrauten Gewalt, wenn er die ihm obliegende Schweigepflicht verletzt? Preuß. Gesetz vom 1. August 1909 über die Haftung des Staates für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausübung der öffentlichen Gewalt (GS. S. 691) § 1. BGB. § 839. Zivil«. Sdiuldredil II

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Sdiuldredit, Besonderer Teil III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Aurich.

U r t . v . 21. M ä r z

1916.

II. Oberlandesgeridit Celle.

Gegen den Kläger ist im März 1910 wegen des Verdachtes, daß er in seinem Schlachtereibetriebe verdorbenes Blut zur Herstellung von Würsten verwendet habe, ein Strafverfahren eingeleitet worden, in dem eine Reihe von Würsten durch die Polizei beschlagnahmt wurden, das jedoch mit der Freisprechung des Klägers endigte. Der Kläger behauptet, daß ihm durch die Einleitung des Strafverfahrens und die weiter damit zusammenhängenden Ereignisse infolge des Verlustes seiner Kundschaft ein sehr erheblicher Schaden von über 60 000 M. erwachsen sei. Mit der Klage verlangte er den Ersatz dieses Schadens von dem preußischen Staate wegen Amtspflichtverletzungen seiner Polizeibeamten. Die Klage wurde in beiden Vorinstanzen abgewiesen. Der Revision des Klägers wurde stattgegeben aus folgenden Gründen: . . . „Der Kläger hat eine Amtspflichtverletzung der Polizeibeamten aus dem Grunde behauptet, daß sie in mehreren Zeitungen Wilhelmshavens eine ausfürliche Mitteilung über die Beschlagnahme und deren Gründe veröffentlicht hätten. Das Berufungsgericht hat die Wahrheit dieser Behauptung unterstellt, den Klaganspruch aber schon deshalb abgewiesen, weil durch die Veröffentlichung, wenn sie auch gegen die den Beamten im Interesse des inneren Dienstes gegebenen Vorschriften verstoßen haben möge, jedenfalls keine den Beamten gegenüber einem Dritten obliegende Amtspflicht verletzt worden sei. Diese Annahme wird von der Revision mit Recht beanstandet. Die Schweigepflidit der Polizeibeamten über die Vorgänge, die ihnen amtlich zur Kenntnis gelangen, ergibt sich, wie der Senat bereits in der zum Abdruck bestimmten Entscheidung vom 21. Dezember 1915 (Rep. III 308/15) ausgesprochen hat, aus der Kabinettsorder vom 21. November 1835 und § 88 ALR. II, 10. Nach der eigenen Ausführung des Berufungsgerichts rechtfertigt sich die Veröffentlichung auch nicht etwa durch die Wahrnehmung eines öffentlichen Interesses an der Warnung vor dem klägerischen Geschäfte. Die Beamten hatten die Schweigepflicht nicht bloß im Interesse des inneren Dienstes auszuüben, sondern sie lag ihnen auch denen gegenüber ob, die, wie der Kläger, ein Interesse an ihrer Erfüllung hatten und denen durch ihre Verletzung Schaden zugefügt werden konnte. Sofern den Polizeibeamten die behauptete Amtspflichtverletzung zur Last fällt, geschah sie auch in Ausübung der ihnen anvertrauten öffentlichen Gewalt. In den Kreis des amtlichen Verhaltens der Polizeibeamten gehörte nicht bloß der körperliche Vorgang der Beschlagnahme, sondern auch das Schweigen über die aus Anlaß der Beschlagnahme ihnen kundgewordenen Vorgänge. Darin, daß die Beamten die Schweigepflidit brachen,

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Staats- und Beamtenhaftung

liegt eine fehlerhafte Ausführung der ihnen Aufgabe." . . .

anvertrauten

amtlichen

R G Z . 91, 341 1. Muß eine öffentliche Sparkasse, die als Hypothekengläubigerin die Zwangsversteigerung des PfandgrundstScks wegen rückständiger Zinsen beantragt hat, den Schuldner, der die Versteigerung durch Zahlung der beizutreibenden Summe abwenden will, sich aber über die Höhe der Summe im Irrtum befindet, hierüber aufklären? 2. H a f t e t die Sparkasse wegen der Nichterfüllung dieser Verpflichtung durch ihre Beamten nach § 278 BGB. oder — in Preußen — nach dem Gesetze vom 1. August 1909 über die Haftung des Staates f ü r Amtspfliditverletzungen von Beamten? 3. H a f t e t der Sparkassenbeamte für die Unterlassung der Erfüllung nach § 839 BGB.? 4. T r i t t die H a f t u n g der Sparkasse und ihrer Beamten auch dann ein, wenn der Beamte den Irrtum des Schuldners über die H ö h e der beizutreibenden Summe zwar nicht erkannt hat, aber bei Anwendung pflichtmäßiger Sorgfalt hätte erkennen müssen? 5. Zur Anwendung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. in dem Falle, wenn der andere Ersatzpflichtige gegen den Beamten seinen Rückgriff nehmen kann. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Münster.

Urt. v. 21. Dezember 1917. II. Oberlandesgericht H a m m .

Auf Antrag der Kreissparkasse des Kreises W. wurde im Jahre 1912 wegen rückständiger Hypothekenzinsen und Kosten die Zwangsversteigerung eines der Klägerin gehörigen Grundstücks eingeleitet. Im Versteigerungstermine vom 11. Dezember 1912 erstand der Wirt M. das Grundstück für 7501 M. Mit der Behauptung, das Grundstück sei 20 000 M. wert gewesen, forderte die Klägerin den Ersatz des ihr durch die Versteigerung entstandenen Schadens außer von M. auch von dem Sparkassenbeamten B., weil dieser sdiuldhaft verhindert habe, daß die Zwangsversteigerung eingestellt wurde und daß ihre Schwester, Frau F., das Grundstück für sie, die Klägerin, erstand. Ferner nahm sie den Kreis W., der für das Verschulden seines Beamten hafte, in Anspruch. Der erste Richter wies die Klage vollständig ab. Das Oberlandesgericht bestätigte das Urteil gegenüber B. und dem Kreise W. Mit Bezug auf diesen dritten Beklagten hatte die Revision Erfolg. Gründe: „Die Klägerin leitet ein Verschulden des Beklagten B. u. a. aus folgenden, von ihrer Schwester, der Frau F., bekundeten Tatsachen her: Die F. sei am Tage des Versteigerungstermins nach der Sparkasse in W.

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Schuldrecht, Besonderer Teil

gegangen, um die Aufhebung der Zwangsversteigerung zu erwirken. Sie habe dem Beklagten B. zwei auf den Namen ihres Mannes lautende Sparkassenbücher übergeben, deren Betrag genügt hätte, um die ganze Schuld der Klägerin gegenüber der Sparkasse, also nicht bloß den Betrag der vollstreckbaren Zinsen- und Kostenforderung von einigen hundert Mark, sondern auch das Hypothekenkapital von 6900 M. zu decken. Sie, die F., habe damals irrtümlich angenommen, daß die Zahlung auch des Hypothekenkapitals notwendig sei, um die Aufhebung der Versteigerung zu ermöglichen. B. habe ihr aber die Sparkassenbücher zurückgegeben und bemerkt, es ruhten schon viele Unkosten auf der Sache; je länger die Klägerin die Besitzung behalte, je tiefer komme sie herein. Das Berufungsgericht hat die Zeugin F. nicht beeidet und erklärt, auf deren Aussage nicht die Feststellung stützen zu können, daß der Beklagte B. sich der Klägerin oder der Frau F. gegenüber irgendeine Ordnungswidrigkeit habe zu Schulden kommen lassen. Es führt sodann aus, wenn sich die F. damals in dem Irrtume befunden haben sollte, daß die Zwangsversteigerung auch wegen des Kapitals betrieben werde, so sei dies nicht die Schuld des B. Aus der Aussage der Zeugin F. gehe nicht hervor, ob sie dem Beklagten B. diesen ihren Irrtum mitgeteilt habe, und keinesfalls sei erwiesen, daß B. sie in diesen Irrtum versetzt oder ihren darüber schon bestehenden Irrtum überhaupt erkannt und ausgenutzt habe. Diese Begründung ist, wie die Revision mit Recht ausführt, nicht ausreichend, um ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten B. auszuschließen. Ist die Darstellung der Zeugin F. in ihren Hauptzügen richtig — und darüber ist eine bestimmte Feststellung vom Berufungsgerichte nicht getroffen —, dann konnte B. nicht darüber im Zweifel sein, daß die F. der Meinung war, sie müsse, um die Zwangsversteigerung abzuwenden, die ganze Hypothekenschuld der Klägerin decken. Das Anerbieten der Zahlung von Tausenden, wo wenige Hunderte genügen, um das Ziel zu erreichen, ließ keine andere Deutung zu. Dies konnte zumal einem Beamten, wie dem Beklagten B., dem Rendanten einer Sparkasse, nicht entgehen, wenn er die ihm bei seiner Amtsausübung obliegende Sorgfalt auch nur im geringsten Maße anwendete. Ging er über diese mit Notwendigkeit jedem Unbefangenen sich aufdrängende Erkenntnis hinweg, so verstieß er nidit nur gegen seine dienstliche Pflicht dem Kreise gegenüber, sondern auch gegen seine Pflicht als öffentlicher Beamter. Erkannte er aber den Irrtum der F., so war es ebenso seine Pflicht sowohl im Innenverhältnisse zu dem Kreise, seinem Dienstherrn und Auftraggeber, als im Verhältnisse zu der Klägerin und deren für diese handelnden Sdiwester, die F. darüber aufzuklären, daß die Zwangsversteigerung nur wegen des vergleichsweise geringfügigen Betrags von Zinsen und Kosten eingeleitet sei und also schon durch die Zahlung dieses geringfügigen Betrags zur Einstellung gebracht werden könne.

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Wenn aber den Beklagten B. ein solches Verschulden trifft, so haftet für den hierdurch der Klägerin entstandenen Schaden auch der Kreis als Inhaber der Sparkasse. Das zwischen dem Hypothekengläubiger und dem Hypothekenschuldner bestehende Vertragsverhältnis erfordert nach Treu und Glauben, daß der Hypothekengläubiger nicht einen Irrtum des Schuldners über die Höhe der vollstreckbaren Forderung ausnutzt, um diesen mit Hilfe der Zwangsversteigerung von Haus und Hof zu vertreiben. Eine unzulässige Ausnutzung eines solchen Irrtums ist aber nicht nur dann anzunehmen, wenn der Hypothekengläubiger den Irrtum des Schuldners positiv erkannt hat, sondern auch dann, wenn er sich der Erkenntnis des offen hervortretenden Irrtums in grob fahrlässiger Weise verschließt. Der Hypothekengläubiger ist bei einer Sachlage, wie sie hier nach der Bekundung der Zeugin F. als möglich zu unterstellen ist, verpflichtet, den erkannten oder mühelos erkennbaren Irrtum des Schuldners und des für diesen Handelnden aufzuklären und ihm den Betrag zu bezeichnen, durch dessen Zahlung die Zwangsversteigerung zur Einstellung gebracht wird. Die Sparkasse haftet also aus dem Vertrag, und sie steht für das Verschulden des B. nach § 278 BGB. ein, weil sie siA dieses ihres Beamten und mit ihrer Vertretung bei der Zwangsversteigerung Beauftragten zur Erfüllung ihrer Vertragspflicht gegenüber der Klägerin bedient hat. Eine Haftung des beklagten Kreises aus dem Gesetz über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausübung der öffentlichen Gewalt vom 1. August 1909 kommt nicht, wie das Berufungsgericht eventuell annehmen will, in Frage. Zwar dienen die Sparkassen in weitem Umfange dem allgemeinen Wohle, in erster Reihe durch die Förderung der Sparsamkeit und die Nutzbarmachung der Ersparnisse des kleinen Mannes, daneben aber auch durch die Hebung des Realkredits des kleinen Grundbesitzes. Diese ihre Zweckbestimmung legt ihnen eine pflegliche Behandlung audi ihrer Schuldner auf, und es gilt daher für sie im verstärkten Maße, was vorstehend über die Pflichten des die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers gegenüber dem Schuldner im allgemeinen gesagt ist. Aber die Gewährung und Wiedereinziehung von Darlehen seitens der Sparkasse sind Angelegenheiten der Vermögensverwaltung der Sparkasse; von der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte, der öffentlichen Gewalt, wie sie die Voraussetzung der Anwendung des Gesetzes vom 1. August 1909 bildet, kann hier keine Rede sein (vgl. RGZ. Bd. 68 S. 285). Da ein Verschulden B.s notwendig die Haftung des beklagten Kreises für den dadurch der Klägerin entstandenen Schaden begründet, so fällt die Haftung des B. selbst, die sich nur auf § 839 BGB. stützt, fort, sofern ihm nur Fahrlässigkeit zur Last fällt. Denn alsdann ist bei der nicht zu bezweifelnden Zahlungsfähigkeit des Kreises die Voraussetzung des Abs. 1 Satz 2 des § 839, die Möglichkeit anderweitigen Ersatzes für die Klägerin, gegeben. Daß der Kreis im Falle seiner Verurteilung den

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

Rückgriff gegen den schuldigen Beamten nehmen kann, schließt nicht aus, daß der dem Dritten gegenüber nur subsidär haftende Beamte den Schadensersatzberechtigten an den Kreis verweist (vgl. R G Z . Bd. 74 S. 253). Ein vorsätzliches Verschulden des Beklagten B. aber ist vom Berufungsgericht in bestimmter Weise verneint worden. . . . Danach war die Revision, soweit sidi der Klaganspruch gegen B. richtet, zurüdizuweisen. Soweit die Klage gegen den Kreis gerichtet ist, bedarf es der näheren Feststellung des Vorganges, aus dem nach den vorstehenden Ausführungen ein schuldhaftes Verhalten des B. hergeleitet werden kann, sowie der Prüfung, ob durch dieses schuldhafte Verhalten ein Schaden für die Klägerin entstanden ist." R G Z . 93, 68 Verletzt ein Notar, der, mit der Herstellung einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde zu einer Eintragung in das Handelsregister oder in das Grundbuch betraut, die Erklärung der Beteiligten entwirft, ihre Unterschriften beglaubigt und die Urkunde mit dem Antrag auf Eintragung dem Geridit einreicht, durdi unrichtige Abfassung der Urkunde oder durch deren verspätete Einreichung eine Amtspflicht oder eine Vertragspflidit? B G B . § 839; FrGG. § 129; G r B O . § 15. III. Z i v i l s e n a t . I . Landgericht

Hannover.

Urt. v. 31. Mai 1918. II.

Oberlandesgericht

Celle.

Am 8. Februar 1908 beurkundete der Beklagte als Notar einen Vertrag, durch den die Firma A. V . sen. in S., eine offene Handelsgesellschaft, deren alleinige Inhaber die Kläger sind, das Geschäft der Kommanditgesellschaft B. & U. mit der Firma und allen Vermögensgegenständen unter Ausschluß der Verbindlichkeiten übernahm. Die Anmeldung dieser Uebernahme zum Handelsregister, die der Beklagte an demselben Tage entworfen hatte und die spätestens am 11. Februar von allen Beteiligten unterzeichnet wurde, sandte er nach Beglaubigung der Unterschriften und Firmenzeichnungen am 20. Februar an das Registergericht ab. Dieses beanstandete die Eintragung, weil eine offene Handelsgesellschaft nicht zwei Firmen führen könne. Unmittelbar nach Kenntnisnahme des Bescheids des Gerichts entwarf der Beklagte eine neue Anmeldung, wonach nicht die Firma A. V. sen., sondern die beiden Kläger jenes Geschäft übernahmen. Auch diese, am 29. Februar abgesandte Anmeldung wurde beanstandet, weil der Zeitpunkt nicht angegeben war, an dem die neue Gesellschaft ihre Geschäfte begonnen hatte. Der Beklagte machte den Klägern von dem ihm am 11. März zugegangenen weiteren Bescheid am 12. mit der Bemerkung Mitteilung, er nehme an, daß die neue Firma

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B. & U. am Tage des Vertragsschlusses (8. Februar) begonnen habe. Am 13. entwarf und beglaubigte er eine dementsprechende Ergänzung der Anmeldung und sandte sie am 14. ab. Am 29. März erfolgte die Eintragung in das Handelsregister. Wegen der Verspätung der Eintragung und Bekanntmachung des Haftungsausschlusses wurden die Kläger von verschiedenen Gläubigern der Kommanditgesellschaft B. & U. mit Erfolg in Anspruch genommen. Nachdem sie bereits in einem früheren, durch Urteil des Reichsgerichts vom 18. Januar 1916, III. 267/15 (Warneyer 1916 S. 128) abgeschlossenen Rechtsstreite die Verurteilung des Beklagten zum Ersätze mehrerer von ihnen bezahlter Schuldbeträge erwirkt hatten, nahmen sie ihn nunmehr auf Erstattung der übrigen in Anspruch, indem sie behaupteten, er habe bei der Abfassung der Urkunden und durdi die verspätete Einreichung der Anmeldung zum Handelsregister sowohl seine Amtspflicht als auch seine Vertragspflicht ihnen gegenüber schuldhaft verletzt und dadurch den Schaden verursacht. Sind in allen drei Rechtszügen abgewiesen worden. Gründe: „Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob der Beklagte bei den ihm vorgeworfenen Versehen seine Amtspflichten als Notar oder seine Vertragspflichten gegenüber den Klägern verletzt hat. Ersterenfalls sind die Kläger mit ihren auf § 839 BGB. beruhenden Ansprüchen auf Grund der Einrede der Verjährung mit Recht abgewiesen worden. Der Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 852 BGB. wird von dem Berufungsriditer ohne Rechtsverstoß festgestellt; seine von der Revision zur Nachprüfung verstellten Ausführungen über die Frage, wann die Kenntnis der Kläger von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen vorgelegen habe, und über die Berechnung der Verjährungsfrist sind völlig einwandfrei. Jene Frage ist in dem ersteren Sinne zu entscheiden. Die Kläger haben am 8. Februar 1908 in Begleitung ihres Rechtsberaters, des Rechtsanwalts G., mit ihrem Vertragsgegner Kaufmann B. den Beklagten aufgesucht, damit dieser als in solchen Rechtsangelegenheiten als besonders sachkundiger Notar den Vertrag über die von ihnen mit B. vereinbarte Geschäftsübertragung in sachgemäßer Fassung beurkunde. Daß er bei dieser Beurkundung und der dazu erforderlichen Beratung der Kläger amtlich tätig war, kann keinem Zweifel unterliegen und wird auch von der Revision nicht angezweifelt. Wenn der Beklagte dann im Anschluß an die Beurkundung die Anmeldung der Geschäftsübernahme zum Handelsregister entwarf und von den Klägern unterzeichnen ließ, deren Unterschriften beglaubigte, die Urkunden auf Grund des § 129 FrGG. dem Handelsregistergericht einreichte, und wenn er ebenso nach Beanstandung der ersten Anmeldung mit der zweiten und dritten verfuhr, so nahm er auch alle diese Handlungen in seiner amtlichen Eigenschaft

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Scfauldredit, Besonderer Teil

als Notar vor. Wenn sich jemand, der zu einer Eintragung in das Handelsregister oder in das Grundbuch nach § 12 HGB. oder § 29 GrBO. eine Erklärung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Form abzugeben hat, behufs Beschaffung dieser Erklärung an einen Notar wendet und diesem die Abfassung der Erklärung, deren Beurkundung oder Beglaubigung und Einreichung an das Gericht überläßt, so handelt es sich hierbei um eine einheitliche Tätigkeit des Notars, die in ihrer Gesamtheit als amtliche anzusehen ist; eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Handlungen zu machen und nur die eine von ihnen als amtliche, die anderen als vertragliche zu betrachten, ist nicht angängig. Der erkennende Senat hat bereits in dem Urteile vom 12. Dezember 1916, III. 260/16 (Jur. Wochenschr. 1917 S. 538) ausgesprochen, daß zu der amtlichen Tätigkeit eines Notars auch das Entwerfen der später von ihm notariell zu beurkundenden Erklärungen gehört. Das gleiche ist hinsichtlich der Abfassung einer Erklärung anzunehmen, deren Unterschrift von ihm später beglaubigt wird, vorausgesetzt, daß er von vornherein mit der Herstellung einer öffentlich beglaubigten Urkunde betraut oder ersucht war, entweder eine öffentliche oder eine öffentlich beglaubigte Urkunde herzustellen. Auch in einem solchen Falle wird er als Beamter in Anspruch genommen und tätig. Daß auch die Einreichung der von ihm beurkundeten oder beglaubigten Erklärung an das Gericht zum Zwecke der Eintragung der Amtstätigkeit des Notars zuzurechnen ist, wird durch die Vorschriften des § 1 2 9 FrGG. und des § 15 GrBO. bestätigt. Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß der Notar, der von der gesetzlichen Ermächtigung des § 129 FrGG. Gebrauch macht, damit amtlich tätig wird, wird von der Revision zu Unrecht bekämpft. Daß nur die Beteiligten selbst zur Anmeldung zum Handelsregister verpflichtet sind, der Notar diese nur in ihrem Namen vornehmen kann, sie dem Notare die Befugnis entziehen und die Anmeldung selbst besorgen können, ist für die Frage, ob der Notar, wenn er auf Grund des § 129 FrGG. den Eintragungsantrag stellt, eine Amtshandlung vornimmt, ebenso gleichgültig wie der Umstand, daß der § 129 den Notar zu dem Antrage nidit verpflichtet, sondern nur berechtigt. Entscheidend ist, daß der § 129 FrGG., ebenso wie der § 15 GrBO., den Notar als solchen, kraft seines Amtes, für ermächtigt erklärt, im Namen der Beteiligten den Eintragungsantrag zu stellen. Das Antragsredit der Notare beruht auf ihrer amtlichen Stellung. In den Motiven zur GrBO. S. 80 flg. (zu § 44 des Entwurfs) ist die Aufstellung einer Vollmachtsvermutung für Rechtsanwälte ausdrücklich abgelehnt, und in der Rechtslehre ist es, soweit ersichtlich, allgemein anerkannt, daß das Antragsrecht aus § 15 GrBO. mit dem Verluste des Amtes bezüglich der vorher beurkundeten oder beglaubigten Eintragungsbewilligung erlischt. Ist aber dem Notar durch § 129 FrGG. und durch § 15 GrBO. eine amtliche Berrechtigung zugesprochen, so nimmt er, wenn er von dieser Gebrauch macht, eine Amtshandlung vor und hat die Amts-

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pflidit zu ihrer sorgfältigen, insbesondere auch rechtzeitigen Ausführung. Dabei begründet es keinen Unterschied, ob er lediglich auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung tätig wird oder von den Beteiligten um die Antragstellung besonders ersucht ist; hierin ist nur eine Bestätigung der gesetzlidien Ermächtigung zu finden. Soweit der erkennende Senat in dem Urteile III. 267/15 in dem Vorprozesse der Parteien oder auch in anderen Entscheidungen einen von den vorstehenden Ausführungen abweichenden Standpunkt eingenommen hat, wird dieser nicht aufrechterhalten. Ist demnach die Gesamttätigkeit des Beklagten in dem vorliegenden Falle als eine amtliche anzusehen, so ist der Ersatzanspruch der Kläger, da die Erfüllung einer notariellen Amtspflicht nicht zugleich Gegenstand vertraglicher Bindung sein kann, lediglich aus § 839 BGB. begründet und nach dem oben Gesagten auf Grund der Einrede der Verjährung mit Recht abgewiesen worden." RGZ. 96, 164 1. Zur Schadensersatzpflicht, wenn bei einem Schiffszusammenstoß mehr als zwei Schiffe beteiligt sind. 2. Zur Haftung des Reichs für seine Beamten. Kann die Entscheidung der Frage, ob der Geschädigte von einem Dritten Ersatz des Sdiadens zu erlangen vermag, nur in einem besonderen Rechtsstreite zwischen dem Geschädigten und dem Dritten herbeigeführt werden? Gesetz über den Zusammenstoß von Schiffen vom 7. Januar 1913 (RGBl. S. 90) Art. 1, 5; Internationales Uebereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Sdriffen vom 23. September 1910 (RGBl. 1913 S. 49) Art. 3, 4, 5, 12, 13 und Zusatzartikel; RBHaftG. vom 22. Mai 1910 (RGBl. S. 798) § 1; BGB. § 839. I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 28. Juni 1919.

Die Entsdieidung ist abgedruckt unter „Handelsrecht, Seerecht". RGZ. 100, 102*) 1. Liegt die Amtspflicht, dem Grundbuchamt wahrheitsgemäße Mitteilungen zu madien und irrtümliche zu berichtigen, den Katasterbeamten in Preußen auch gegenüber Dritten ob? 2. Setzt die Haftung des Staates nach dem preuß. Gesetze vom 1. August 1909 voraus, daß die Persönlichkeit des schuldigen Beamten festgestellt wird? III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Verden.

Urt. v. 5. Oktober 1920. II. Oberlandesgericht Celle.

*) Vgl. audi Bd. 148 S. 375 (380) und Bd. 165 S. 257 (260) (abgedr. weiter unten in diesem Abschnitt).

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Die Klägerin verkaufte im August 1919 ihr Haus Bismarckstraße 1 in L. Da im Grundbuch als Bismarckstraße 1 die Parzelle 498/32 bezeichnet war, wurde in der notariellen Urkunde diese Parzelle als Kaufgegenstand angegeben. Später stellte sich heraus, daß Bismarckstraße 1 in Wirklichkeit die Parzelle 487/32 war und die unrichtige Eintragung im Grundbuch auf ein Versehen des Katasteramts L. zurückging. Es wurde eine Rück- und eine Neuauflassung notwendig, und die Klägerin verlangte den Ersatz des ihr dadurch entstandenen Schadens nach dem Gesetze vom 1. August 1909 in Verb, mit § 839 BGB. von dem beklagten preußischen Staat. Das Landgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht gab ihr statt. Die Revision wurde zurückgewiesen. Aus den

Gründen:

. . . In der rechtlichen Beurteilung des Klageanspruchs ist dem Berufungsgericht zunächst darin beizustimmen, daß es sich bei dem den Katasterbeamten zur Last gelegten Versehen um eine Verletzung von Amtspflichten handelt, die den Beamten gegenüber Dritten oblagen. Das Grundsteuerkataster bildet die Grundlage für die dem Rechtsverkehr dienenden Eintragungen in das Grundbuch, und es muß deshalb jedenfalls die Verpflichtung, dem Grundbuchamt wahrheitsgemäße Mitteilungen zu machen und irrtümliche nach Entdeckung des Irrtums alsbald zu berichtigen, als eine den Katasterbeamten auch gegenüber den am Grundstücksverkehr beteiligten Personen obliegende Amtspflicht angesehen werden. Diese Amtspflicht ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von den beteiligten Beamten schuldhaft verletzt worden. Mit Unrecht beschwert sich die Revision darüber, daß die Persönlichkeit der schuldigen Beamten weder mit Namen noch sonstwie festgestellt sei. Das Verlangen, daß der durch das Verhalten eines Staatsbeamten Geschädigte in jedem Falle die Person des Schuldigen bezeichne, ist im Gesetze nicht begründet und enthält auch eine Verkennung der Lage, in der sich der einzelne gegenüber dem Staat und seinen Beamten befindet. Der Staat handelt nur durch seine Beamten und zwingt dadurch Dritte, teils mit Beamten zu verhandeln, deren Persönlichkeit er nicht kennt, teils sich den Einwirkungen von Amtshandlungen auszusetzen, mit deren Urheber er in einen unmittelbaren Verkehr überhaupt nicht getreten ist. Es ist daher nur recht und billig und deshalb selbstverständlich, daß, soweit es nötig wird, der Staat, der ja seine Beamten kennt, dem durch ihr Verhalten Geschädigten Auskunft über die Persönlichkeit der beteiligten Beamten gibt, nicht umgekehrt der Geschädigte dem Staate. Und wenn es im einzelnen Falle ausnahmsweise unmöglich ist, die Person des Beamten festzustellen, dann muß einen hierdurch begründeten Nachteil nicht der außerhalb der Beamteneinrichtung stehende Dritte, sondern der Staat tragen, dessen Einrichtung diese Unmöglichkeit verursacht hat. Auch das Gesetz selbst fordert nach seinem Wortlaut für die H a f -

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tung des Staates nur, daß „ein unmittelbarer Staatsbeamter", also irgendeiner, sich im Sinne des § 839 B G B . verantwortlich gemacht habe (§ 1 Ges. v. 1. August 1909). Der Staat kann deshalb seine Haftung nicht aus dem Grunde ablehnen, daß ihm durch die Unmöglichkeit, die Person des schuldigen Beamten festzustellen, die Verteidigung erschwert und die Möglichkeit eines Rückgriffes genommen werde. In diesem Sinne ist die Bestimmung des Gesetzes schon bei den gesetzgeberischen Verhandlungen (vgl. Kommiss. Bericht S. 3) verstanden worden, und in dem gleichen Sinne wird sie auch von der Rechtsprechung angewendet. Daß aber die Schuld einen unmittelbaren Staatsbeamten, nicht etwa einen Privatbediensteten oder sonstigen Nichtbeamten trifft, stellt das Berufungsgericht mit der Begründung einwandfrei fest, daß eine Beteiligung von Nichtbeamten nach der erfahrungs- und regelmäßigen Art der Personalzusammensetzung der Katasterämter nicht anzunehmen und ein Ausnahmefall vom Beklagten nicht behauptet worden sei. Das Berufungsgericht durfte bis zum Beweise des Gegenteils durch den Beklagten vom Regelfalle ausgehen. Es hatte auch keinen Anlaß zur Ausübung des Fragerechts. . . . R G Z . 100, 128 Welcher Zeitpunkt ist nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. maßgebend für die Frage, ob der Verletzte auf andere Weise Ersatz zu verlangen vermag? III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht II Berlin.

Urt. v. 15. Oktober 1920. II. Kammergeridit daselbst.

Der Kläger forderte von dem Beklagten auf Grund des § 839 BGB. und des Gesetzes vom 1. August 1909 Ersatz des Schadens, der ihm durch das Verschulden eines Gerichtsvollziehers entstanden war. Der Beklagte wendete im Berufungsverfahren u. a. ein, daß der Kläger „jetzt" in der Lage sei, einen Geigenhändler H., der in erster Reihe zum Ersätze des dem Kläger entstandenen Schadens verpflichtet sei, mit Erfolg in Anspruch zu nehmen. Das Berufungsgericht verwarf diesen Einwand und erklärte den Klaganspruch dem Grunde nach für berechtigt. Die Revision wurde zurückgewiesen. Aus den

Gründen:

. . . Die Rüge einer Verletzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. ist nicht begründet. Der Beklagte hatte im Berufungsverfahren geltend gemacht, daß der Kläger „ j e t z t " in der Lage sei, den H. wegen seiner Darlehnsforderung mit Erfolg in Anspruch zu nehmen, weil dieser durch Kriegsgewinne in eine bessere Vermögenslage gekommen sei. Das Berufungsgericht erklärt diese Behauptung für unerheblich, da es nicht auf

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

den Zeitpunkt der Urteilsverkündung ankomme, sondern auf den Zeitpunkt, in dem der Verletzte Kenntnis von dem Eintritte des Sdiadens erlangt habe. In diesem Zeitpunkt aber — dem Juni 1915 — sei es aussichtslos gewesen, die Forderung von H . beizutreiben, da dieser im Jahre 1912 den Offenbarungseid geleistet habe und noch bis April 1916 von Gläubigern bedrängt worden sei. Diesen Ausführungen kann allerdings darin nicht beigetreten werden, daß es für die Frage, ob der durch das Verschulden eines Beamten Verletzte auf andere Weise als von dem Beamten oder der für ihn eintretenden öffentlich-rechtlichen Körperschaft Ersatz zu erlangen vermöge, ausschließlich auf den Zeitpunkt ankomme, zu dem der Verletzte von dem Eintritte des Schadens und der Haftung des Beamten Kenntnis erlangt. In dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Urteile des erkennenden Senats R G Z . Bd. 79 S. 12 ist zwar dieser Zeitpunkt für maßgebend erklärt, aber nur in dem Sinne, daß eine zu diesem Zeitpunkte vorhanden gewesene Möglichkeit, anderweit Ersatz zu erlangen, den auf eine fahrlässige Verletzung der Amtspflicht gestützten Ersatzanspruch aus § 839 B G B . ausschließt, auch wenn sie später weggefallen ist. Dementsprechend legt das Urteil des erkennenden Senats Bd. 86 S. 287 die Vorschrift des § 839 Abs. 1 Satz 2 dahin aus, daß es zur Klagebegründung nidit ausreicht, wenn der Verletzte die jetzige U n möglichkeit eines anderweiten Ersatzes behauptet, sondern auch darzutun ist, daß er eine früher vorhandene Ersatzmöglichkeit nicht schuldhaft versäumt habe. Keineswegs ist also damit ausgesprochen, daß die Möglichkeit anderweiten Ersatzes, welche sich erst nach dem Zeitpunkte ergibt, zu dem der Verletzte von der Entstehung des Schadens Kenntnis erlangt hat, bei der Anwendung des § 839 Abs. 1 Satz 2 völlig außer Betracht zu lassen sei. Neben dem vorbezeichneten Zeitpunkt ist vielmehr auch der der Klagerhebung von Bedeutung. Besteht zu der Zeit der Klagerhebung für den Verletzten die Möglichkeit, anderweit Ersatz zu erlangen, so ist die Inanspruchnahme des Beamten (und des für ihn eintretenden Staates) nach dem klaren Wortlaute der Vorschrift ausgeschlossen, gleichviel ob jene Möglichkeit schon früher bestand oder nicht. Dagegen kann einer solchen Möglichkeit kein Einfluß auf die V e r folgung des Ersatzanspruchs aus § 839 zuerkannt werden, wenn sie erst nach der Klagerhebung eintritt. Die Berücksichtigung solcher erst im Laufe des Rechtsstreits eintretenden Veränderungen wird durch den Wortlaut des Gesetzes nicht gerechtfertigt. Sie würde die Möglichkeit schaffen, wiederholt die Behauptung des Eintritts solcher Veränderungen vorzubringen und damit die Rechtsverfolgung gegen den Beamten in unabsehbarer Weise zu verzögern. Sie kann deshalb vom Gesetze nicht beabsichtigt sein. Nur um eine solche im Laufe des Rechtsstreits eingetretene Veränderung aber handelt es sich bei der in der Berufungsinstanz aufgestellten Behauptung des Beklagten.

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RGZ. 100, 188 f 1. Hat auch ein Beamter wegen Amtspflichtverletzung eines anderen Beamten den Anspruch aus $ 839 BGB.? 2. Haftet für Amtspfliditverletzungen des preußischen Landrats der Kreis oder der preußische Staat? III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 2. November 1920.

I. Landgericht Halle a. S. II. Oberlandesgcridit Naumburg a. S.

Der Kläger — früher Kreissparkassenführer — ist vom Beklagten auf den 31. Dezember 1917 wegen körperlicher Dienstunfähigkeit unter Bewilligung der gesetzlichen Pension in den Ruhestand versetzt worden. Seine Dienstunfähigkeit führt er darauf zurück, daß er seit Kriegsausbruch dauernd dienstlich überlastet gewesen sei und daß er auch in seiner dienstfreien Zeit, insbesondere am 13. Juli 1916, vom Landrat in Anspruch genommen worden sei, so daß er den Weg von und nach Hause in großer Eile habe zurücklegen müssen und sich durch Erkältung eine Lungenentzündung zugezogen habe. Er verlangt daher mit der Klage als Entschädigung den Unterschied zwischen der Pension und den Gehaltsbeträgen, die er ohne die Pensionierung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bezogen hätte. Vor der Klagerhebung hat der Kläger diese Ansprüche bei dem Bezirksausschuß geltend gemacht. Dieser hat jedoch mit Beschluß vom 6. Februar 1918 (zugestellt am 14. Februar) die Entscheidung über die Ansprüche abgelehnt, weil es sich um „privatrechtliche, vor die bürgerlichen Gerichte gehörige Ansprüche" handle. Hierauf hat er die nunmehrige Klage erhoben, die am 9. August beim Landgericht einlief, aber erst am 15. August zugestellt wurde. Das Landgericht hat die Klage mit sachlicher Begründung abgewiesen. Die Zurückweisung der Berufung ist darauf gestützt, daß die sechsmonatige Ausschlußfrist des § 7 KommBeamtG. nicht gewahrt sei. Auf die Revision des Klägers wurde das Urteil aufgehoben. Gründe: 1. Soweit der Schadenersatzanspruch des Klägers auf das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis, in dem er als Kreissparkassenführer zum beklagten Kreise stand, gestützt ist, ist die Klage unzulässig. Denn nach der zutreffenden Annahme des Berufungsgerichts war die gerichtliche Verfolgung des Anspruchs von der Einhaltung der Vorschriften des § 7 KommBeamtG. abhängig (RGZ. Bd. 92 S. 307); hieran fehlt es aber deshalb, weil die Klage nicht innerhalb der sechsmonatigen Aussdilußfrist zugestellt wurde. 2. Der Kläger hat jedoch im Verfahren vor den Tatrichtern die fernere Behauptung aufgestellt, daß die Erkrankung, die zu seiner Schädigung geführt habe, auf ein pflichtwidriges Verhalten des Landrats des

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Kreises Merseburg zurückzuführen sei, insofern dieser trotz seiner — des Klägers — Gegenvorstellungen mehrfach im Sommer seine dienstfreie Mittagszeit beschnitten und ihn so gezwungen habe, den Weg nach und von der Wohnung in großer Eile zurückzulegen, so daß er sidi beim Aufenthalt im kalten Geschäftszimmer seine Krankheit zugezogen habe. Hiermit hat der Kläger seine Ansprüche auch auf eine Amtspflichtverletzung des Landrats im Sinne des § 839 BGB. gegründet; unerheblich ist es, daß er sich nicht ausdrücklich auf die Vorschrift des § 839 bezogen hat. Gläubiger des aus der Amtspflichtverletzung erwachsenden Anspruchs kann auch ein Beamter sein. Die Beamtenhaftung im Sinne des § 839 BGB. wirkt nicht nur zugunsten der Personen, die außerhalb des Beamtenorganismus stehen, und der geschädigte Beamte ist nicht auf die Ansprüche aus dem Beamtenverhältnis beschränkt. Diese Auffassung ergibt sich schon aus der Erwägung, daß § 839 eine Vorschrift des Reichsrechts ist, während das Beamtendienstverhältnis, soweit es sich nicht um Reichsbeamte handelt, dem Landesrecht angehört. Außerdem steht dem Beamten in dem einen Falle lediglich der Staat oder die sonstige Körperschaft, bei § 839 aber auch der andere schädigende Beamte als Schuldner gegenüber. Die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche aus § 839 setzt die vorherige Einholung eines Vorbescheids nicht voraus. N u n ist allerdings nicht zu verkennen, daß der aus dem Dienstverhältnis abgeleitete und auf Verletzung der gegenüber dem Beamten bestehenden Schutzpflichten gegründete Anspruch in häufigen Fällen die Amtspflichtverletzung eines anderen Beamten zur Grundlage hat und daß deshalb durch Zulassung der eines Vorbescheids nicht bedürftigen Klage aus § 839 BGB., die in § 7 KommBeamtG. und zahlreichen anderen Gesetzen f ü r die Klage aus dem Dienstverhältnis bestehende Vorschrift zur Einholung des Vorbescheids in vielen Fällen wirkungslos wird. Dieser Folge ist aber nicht auszuweichen. Es erscheint nicht angängig, den Begriff der „Ansprüche aus dem Dienstverhältnis" im Sinne jener Gesetzesbestimmungen dahin zu erweitern, daß darunter auch die Ansprüche aus einer Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB. fallen. Die Grundlage beider Ansprüche ist eine verschiedene, indem der eine sich auf das Staatsdienerverhältnis, der andere auf eine unerlaubte Handlung eines Beamten gründet, f ü r deren vermögensrechtliche Folgen der Staat nur an Stelle des Beamten haftet. 3. Im vorliegenden Falle ist nur fraglidi, ob die dem Landrate vorgeworfene Amtspflichtverletzung im Falle ihrer Wahrheit eine Klage gegen den beklagten Kreis rechtfertigt oder ob nicht der preußische Staat der richtige Beklagte ist*). . . . *) Vgl. jetzt Deutsches Beamtengesetz v. 26. Januar 1937, RGBl. I S. 32 § 193 u. RGZ. Bd. 140 S. 126 (abgedr. weiter unten in diesem Abschnitt).

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R G Z . 101, 155 Ist der preußische Notar amtlidi verpflichtet, die Beurkundung einer Vertragserklärung abzulehnen, die ein Geschäftsführer einer Gesellschaft m. b. H . in deren Namen vor ihrer Eintragung in das Handelsregister abgeben will? I I I . Z i v i l s e n a t . Urt. v. 4. Januar 1921. I. Landgericht Köln.

I I . Oberlandesgeridit

daselbst.

Der verklagte Notar beurkundete am 23. Dezember 1914 ein DarIehnsschuldbekenntnis nebst Hypothekeneintragungsbewilligung der K . Sdi. zugunsten der Firma C. P. Wwe., Gesellschaft m. b. H., und am 5. Januar 1915 die Abtretung eines Teiles dieser Hypothek von der genannten Gesellschaft, vertreten durch ihren Geschäftsführer E., an den Kläger. Die Eintragung der Hypothek im Grundbuch erfolgte am 18. Januar 1915; der Antrag auf Eintragung der Abtretung wurde vom Grundbuchamte beanstandet, weil die Gesellschaft nicht im Handelsregister eingetragen sei. Ihre Eintragung im Handelsregister erfolgte erst am 16. Februar 1915, während der Gesellschaftsvertrag bereits am 22. Oktober 1914 errichtet war. Der Hypothekenbrief wurde dem Kläger ausgehändigt. Die Sch. erwirkte in einem Rechtsstreite gegen den jetzigen Kläger die Feststellung durch Urteil des Oberlandesgeridits Köln, daß ihm gegen sie aus den Urkunden vom 23. Dezember 1914 und 5. Januar 1915 keine'Forderung — die Hypothek war inzwischen in der Zwangsversteigerung ausgefallen — zustehe, und die Verurteilung des jetzigen Klägers in die Kosten. In diesem Vorprozeß ist während des Berufungsverfahrens der Beklagte auf Streitverkündung dem jetzigen Kläger als Nebenintervenient beigetreten. Im vorliegenden Rechtsstreite beansprucht der Kläger von dem Beklagten wegen fahrlässiger Amtsverletzung die Erstattung der Kosten des Vorprozesses. Der Anspruch ist von dem Berufungsgericht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, während das Landgericht die Klage abgewiesen hatte.. Die Revision des Beklagten hatte Erfolg. Gründe: Beide Vorderrichter finden eine Amtspflichtverletzung des verklagten Notars darin, daß er die Abtretungserklärung des E. als des Geschäftsführers der C. P. Wwe., Gesellschaft m. b. H., beurkundet habe, ohne sich zu vergewissern, ob die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen sei. Sie sind der Meinung, daß der Beklagte die Urkunde ohne eine solche Feststellung nicht habe aufnehmen dürfen, weil eine nicht eingetragene Gesellschaft m. b. H. als solche nicht bestehe und keine Erklärungen abgeben könne. Dies wird zwar von der Revision nicht angefochten, es kann aber nicht als richtig anerkannt werden. Nach Art. 40 PrFGG. hat der Notar die Beurkundung nur dann abzulehnen, wenn der Inhalt des zu beurkundenden Geschäftes gegen ein Strafgesetz verstößt, was hier nicht

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in Frage steht, oder wenn das Geschäft „offenbar ungültig" ist (Art. 40 Abs. 2), dagegen nicht, wenn nur Zweifel an der Gültigkeit des Geschäfts bestehen; letzterenfalls „sollen die Zweifel den Beteiligten mitgeteilt und der Inhalt der Mitteilung sowie die von den Beteiligten darauf abgegebenen Erklärungen in dem Protokolle festgestellt werden" (Art. 40 Abs. 1). War also in dem vorliegenden Falle die Abtretung der Hypothek durch den Geschäftsführer der Gesellschaft m. b. H. an den Kläger nicht „offenbar ungültig", so genügte der Beklagte seiner Amtspflicht dadurdi, daß er die Beteiligten, insbesondere den Kläger, über die der Gültigkeit der Abtretung entgegenstehenden Bedenken belehrte. Forderten sie trotzdem die Beurkundung, so hatte er diese vorzunehmen und haftete dann nicht für den aus der etwaigen Ungültigkeit der Abtretung den gehörig belehrten Beteiligten erwachsenden Schaden. Zu den offenbar ungültigen Reditsgesdiäften ist nun ein Geschäft, das durch Genehmigung wirksam werden kann, nicht zu rechnen. Das hat bereits der IV. Zivilsenat in der Entscheidung RGZ. Bd. 84 S. 318 (vgl. auch Bd. 87 S. 426) ausgesprochen. Denn er begründet seine Ansicht, der Urkundsbeamte habe die Beurkundung eines einseitigen Rechtsgesdiäfts eines Minderjährigen abzulehnen, solange ihm nicht die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nachgewiesen sei, damit, daß ein einseitiges Rechtsgeschäft eines Minderjährigen ohne die vorhergehende Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters nach §§ 111, 183 BGB. schlechthin unwirksam sei, „auch nicht durch dessen Genehmigung wirksam werden könne". In dem vorliegenden Falle steht nun zwar auf Grund des Urteils des Oberlandesgerichts Köln in dem Vorprozesse Sch. w. S«hü., in dem der Beklagte dem Kläger auf dessen Streitverkündung als Nebenintervenient beigetreten war, nach §§ 68, 74 ZPO. für das Rechtsverhältnis zwischen diesen fest, daß die Abtretung vom 5. Januar 1915 unwirksam, nicht aber, daß sie offenbar ungültig war. Die Rechtswirksamkeit ist ihr nur deshalb abgesprochen, weil die Gesellschaft m. b. H. nach ihrer Entstehung in keiner Weise zum Ausdrucke gebracht habe, daß sie die Geschäfte vom 23. Dezember 1914 und vom 5. Januar 1915 genehmigen wolle. Der Vorderrichter sagt auch ausdrücklich — und mit Recht — daß, wenn die Gesellschaft nach ihrer Eintragung in das Handelsregister diese Akte genehmigt hätte, der Erwerb der Hypothek für den Kläger rückwirkend eingetreten wäre. Der Beklagte würde demnach seiner Amtspflicht genügt haben, wenn er den Kläger belehrt hätte, daß die Abtretung zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Gesellschaft m. b. H. nach deren Eintragung in das Handelsregister, falls diese bisher noch nicht erfolgt sein sollte, bedürfe. Darin, daß er diese Belehrung nicht erteilt hat, ist seine schuldhafte Amtspflichtverletzung zu finden. Diese Abweichung von dem Standpunkte des Berufungsgerichts ist von Bedeutung für die Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden. Der Beklagte hatte, wie die

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Staats- und Beamtenhaftung

Revision hervorhebt, behauptet, er habe vor der Auszahlung des von dem Kläger am 5. Januar 1915 bei ihm hinterlegten Abtretungsentgelts von 2500 M. an den Geschäftsführer E. am 7. dss. Mon. bei dem Kläger angefragt, ob er auszahlen dürfe, obwohl die Gesellschaft m. b. H . zwar zur Eintragung angemeldet, aber noch nicht eingetragen sei, und von ihm die Antwort erhalten, er solle auszahlen, es würde wohl gut gehen; der Kläger würde also, auch wenn er am 5. Januar 1915 die Nichteintragung gekannt hätte, trotzdem den Akt getätigt haben. Dieser Behauptung gegenüber, deren Unrichtigkeit von dem Berufungsrichter nicht festgestellt ist, bedarf es der Prüfung, ob der Kläger trotz gehöriger Belehrung durch den Beklagten den Abtretungsvertrag geschlossen haben würde. W i r d dies bejaht, so ist die Amtspflichtverletzung nicht von ursächlicher Bedeutung. Da diese Frage tatsächlicher N a t u r ist, muß sie von dem Beruf ungsrichter geprüft und deshalb die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an ihn zurückverwiesen werden. . . . RGZ. 102, 166 1. Enthält Art. 131*) der Reichs Verfassung sofortiges unmittelbares Recht? Wie wirken seine Vorschriften in den Gebieten ohne Staatshaftungsgesetz, wie gegenüber den bereits bestehenden Staatshaftungsgesetzen? 2. Zur Frage der staatlichen Entsdiädigungspflicht für hoheitsrechtliche Eingriffe. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 29. April 1921. I. Landgericht I Berlin.

II. Kammergcridit

daselbst.

Der Kläger hatte auf Grund fester Kaufabschlüsse der Russischen Sowjetregierung eine größere Menge Waren zu liefern und hierfür vom Reichskommissar f ü r Ausfuhrbewilligungen auf Weisung des Reichswirtschaftsministers am 12. April 1919 eine Ausfuhrbewilligung erhalten. Die Bewiligung lautete jedoch nicht auf die Sowjetregierung als Käuferin der Waren, sondern auf „Rußland" und auf „einen noch anzugebenden Käufer". Die Waren wurden am 21. April 1919 auf der Grenzstation auf Weisung des Auswärtigen Amts angehalten. Der Kläger fordert den Ersatz des ihm durch das Anhalten der Waren erwachsenen Schadens und stützt diese Klage auf ein die H a f t u n g des Beklagten begründendes Verschulden des Auswärtigen Amts, das durch Vereitelung der dem Kläger vom Reichswirtschaftsminister erteilten Ausfuhrbewilligung seinen Geschäftsbereich unberechtigt und schuldhaft überschritten habe, und auf eine Rechtsregel der staatlichen Entschädigungspflicht f ü r staatliche Eingriffe in wohlerworbene Rechte. Die Instanzen haben abgewiesen. Die Revision blieb erfolglos. *) Vgl. jetzt A r t . 34 Bonner Grundgesetz. Z i v i l i . S d i u l d r e d i t 11

3

34

Schuldredit, Besonderer Teil Gründe:

Den ersten Klagegrund eraditet der Beklagte schon darum f ü r hinfällig, weil f ü r ein Verschulden des zur Wahrung der internationalen Beziehungen und Interessen, also zur selbständigen Prüfung der Zulässigkeit jeder Ausfuhr — zumal im April 1919 nadi Rußland — berufenen Auswärtigen Amts nicht das geringste vorliege, insbesondere vom Kläger kein Beweis d a f ü r angetreten sei, daß das Auswärtige Amt durch den Eingriff seinen Geschäftsbereich überschritten habe. Abgesehen davon aber schlage § 5 N r . 2 des fortgesetzt geltenden Reichshaftungsgesetzes vom 22. Mai 1910 ein; dieses Gesetz sei durdi den nicht unmittelbares Recht, sondern nur eine Richtschnur gebenden Art. 131 der Reidisverfassung vom 11. August 1919 nicht berührt. Der Reichskanzler habe unter dem 27. O k tober 1919, der Reichsminister des Auswärtigen am 11. Februar 1920 die Erklärung abgegeben, daß das Verhalten der mit dieser Angelegenheit befaßt gewesenen Beamten des auswärtigen Dienstes politischen Rücksichten entsprochen habe. Aus diesen Gründen habe der Beklagte nicht nötig gehabt, die Motive, welche das Auswärtige Amt leiteten und seinen Eingriff nötig machten, zu offenbaren. Gegen die Anwendung des § 5 N r . 2 des Reichshaftungsgesetzes wendet der Kläger ein: Zwar habe zur Zeit der strittigen Vorgänge das Reichshaftungsgesetz noch bestanden; es habe damals aber laut der Gesetze vom 10. Februar 1919 (über die vorläufige Reidisgewalt), und 4. März 1919 (Uebergangsgesetz) und des Erlasses vom 21. März 1919 (Errichtung und Bezeichnung der obersten Reichsbehörden) einen Reichskanzler nicht mehr gegeben. Die Reichsverfassung vom 11. August 1919 habe durch Art. 131 das Reichshaftungsgesetz von 1910 u n d damit dessen § 5 N r . 2 aufgehoben; der durch die Verfassung wieder eingeführte Reichskanzler habe also die Befugnis zu einer Erklärung im Sinne des § 5 N r . 2 überhaupt nicht mehr gehabt. D a ß aber etwa die Erklärungen des Reidiskanzlers vom 27. Oktober 1919 und des Außenministers vom 11. Februar 1920 nur in dem Sinne und nur darum abgegeben werden wollten und abgegeben seien, weil die strittigen Vorgänge sich noch unter der damaligen, wenn auch inzwisdien aufgehobenen, Geltung des § 5 N r . 2 abgespielt hätten, dafür fehle jeder Anhalt, zumal ja der Beklagte, also auch der Reichskanzler und der Außenminister trotz des Art. 131 die fortdauernde Geltung des § 5 N r . 2 annähmen. Eine derartige nachträgliche Anwendung des nicht mehr bestehenden und als nicht mehr bestehend erkannten § 5 N r . 2 — nur weil der Tatbestand sich noch zur Zeit seiner Geltung verwirklicht hatte — würde auch unzulässig und unwirksam sein. Bei diesem Streitstand bedarf es der Entscheidung der Frage, ob und inwieweit der Art. 131 der Reichs Verfassung sofortiges, unmittelbares Recht enthält, und ob er insbesondere den § 5 N r . 2 des Reichshaftungsgesetzes aufgehoben hat.

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Staats- und Beaintenhaftung

Die Bedeutung und Tragweite des Art. 131 kann nur aus dem Wortlaut und aus dem Zusammenhang mit den anderweiten Bestimmungen der Reichsverfassung und mit den gesamten Vorschriften unseres Rechtssystems geschöpft werden. Die Zufälligkeiten der Entstehung des Art. 131 und die Aeußerungen der dafür oder dagegen eintretenden Abgeordneten in der Nationalversammlung dürfen von keinem ausschlaggebenden Belang sein; das Gesetz selbst ist davon losgelöst und muß seine Erklärung lediglich in sich selbst — als individuelle Vorschrift und zugleich als Teil eines Gesamtrechtskörpers — finden. Art. 131 steht im zweiten Hauptteil der Verfassung „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen" im zweiten Abschnitt „das Gemeinschaftsleben" unmittelbar nach dem die Rechtsstellung der Beamten regelnden Art. 129, der, wie RGZ. Bd. 99 S. 262 näher ausführt, den Beamten und Berufssoldaten sofortige unmittelbare Rechte gibt, insbesondere den Rechtsweg für ihre vermögensrechtlichen Ansprüche. In Abs. 1 des Art. 131 lautet Satz 1 „Verletzt . . . , so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat (oder die Körperschaft usw.)". Damit wird — abgesehen von dem Worte „grundsätzlich" — eine gegenwärtige, sofort, d. h. mit der Verfassung, ins Leben tretende, keines weiteren Einführungs- oder Ausführungsgesetzes bedürftige Vorschrift aufgestellt. Mit dem Worte „die Verantwortlichkeit" kann, da der Eingang des Satzes 1 den Eingang des § 839 BGB. genau wiederholt, nur unter Einschiebung der Worte „in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt" — nichts anderes gemeint sein als die Verantwortlichkeit, wie sie dem Beamten in $ 839 BGB. auferlegt ist, also nur bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Amtspflichtverletzung und nur unter den Beschränkungen des Abs. 1 Satz 2 (subsidiär), des Abs. 2 (bei dem Urteil in einer Rechtssache) und des Abs. 3 (Gebrauch eines Rechtsmittels) des § 839. Der Inhalt des Satzes 1 des Art. 131 ist also genau derselbe wie in dem § 1 Abs. 1 des Reichshaftungsgesetzes von 1910 und des preußischen Staatshaftungsgesetzes vom 1. August 1909, obwohl hier die Worte „an Stelle der Beamten" fehlen. Dies wird bestätigt durch Satz 2 des Art. 131 „der Rückgriff gegen den Beamten bleibt vorbehalten". Damit ist dasselbe gesagt, was in $ 2 Satz 1 des Reichshaftungsgesetzes und in § 3 Satz 1 des preußischen Haftungsgesetzes mit den Worten gesagt war „das Reich (bzw. der Staat) kann von dem Beamten Ersatz des Schadens verlangen, den es (bzw. er) durch die vorbestimmte Verantwortlichkeit erleidet". Das „Sdiadensersatzverlangen" gegen den Beamten und ebenso hier der „Rüdegriff" gegen ihn zielt nur auf das, was der Beamte nach § 839 BGB. schuldig ist. Es kann also mit der diesen Rückgriff begründenden Verantwortlichkeit gegenüber dem Dritten nichts anderes gemeint sein, als die Verantwortlichkeit aus dem Grunde und in den Schranken des § 839. Die Ersatzpflicht des Beamten gegenüber dem an seiner Stelle dem geschädigten Dritten verantwortlichen Staate, also das Recht des Rückgriffs des Staates gegen den Beamten, steht an sich außerhalb der durch s«

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Schuldrcdit, Besonderer Teil

Art. 131 geregelten Rechtsbeziehung zwischen dem geschädigten Dritten und dem ihm verantwortlichen Staat. Es war jedoch sachgemäß, nach dem Vorgange des § 2 und des § 3 der Haftungsgesetze von 1910 und 1909 die Rüdegriffsbefugnis des Staates gegen den Beamten sofort anzuschließen, um dem Mißverständnis vorzubeugen, als ob die Schadensersatzpflicht des Beamten selbst aufgehoben oder irgend beschränkt werden solle. Die Worte „bleibt vorbehalten" besagen, daß von Reichsverfassungsrechts wegen es jedem einzelnen Staat überlassen bleibt, im einzelnen Falle den Rückgriff zu nehmen oder nicht; sie besagen also insoweit dasselbe, was die § 2 R H a f t G . und § 3 preuß. H a f t G . mit den Worten „der Staat kann Ersatz verlangen" aussprechen; sie drücken aber nodi weiter aus, daß in betreff dieses Rückgriffs die in Abs. 2 des Art. 131 vorgesehene „nähere Regelung* durch die zuständige Gesetzgebung völlig freie Hand hat, z. B. in der Festsetzung der Verjährungsfrist für den Rückgriffsanspruch des Staats. Nach diesem zwischengeschobenen Satz 2 kehrt der Satz 3 des Abs. 1 des Art. 131 zu dem Rechtsverhältnis zwischen geschädigtem Dritten und verantwortlichem Staat zurück: „der ordentliche Rechtsweg darf nicht ausgeschlossen werden". Dieser Satz, — der übrigens nicht, wie der Berufungsrichter annimmt, erst in der 3. Lesung beigefügt wurde, sondern bereits in der 2. Lesung beantragt (Anträge Nr. 419 Nr. 8 und N r . 590) und am 17. Juli beschlossen war, vgl. die Zusammenstellung der Beschlüsse 2. Lesung, — bedeutet, daß der ordentliche Rechtsweg von Reichsverfassungsrechts wegen nunmehr hiermit offen steht, vgl. Art. 129 Abs. 1 Satz 4, und zwar schlechthin, nämlich derart, daß er durch die „nähere Regelung" nach Abs. 2 des Art. 131 nicht ausgeschlossen werden darf. Er bedeutet also nicht, daß erst für eine durch zukünftige Gesetzgebung einzuführende Staatsverantwortlichkeit durdi diese zukünftige Gesetzgebung der ordentliche Rechtsweg gegeben werden solle, sondern er bedeutet, daß die gegenwärtig durch die Verfassung gegründete Staatsverantwortlichkeit vor dem ordentlichen Richter ausgetragen werden muß, also durch eine spätere „nähere Regelung" nicht einer Verwaltungsstelle oder einem Verwaltungsgericht überwiesen werden darf. Die Frage des Rechtswegs ist als eine bereits und unbedingt durch die Verfassung entschiedene der „näheren Regelung" entzogen. Nur wäre es kein Ausschluß des Rechtswegs, wenn etwa die Beschreitung des Rechtswegs an die Voraussetzung eines Vorbescheids geknüpft werden wollte, vgl. RGZ. Bd. 99 S. 262. Der den Art. 131 abschließende Abs. 2 stellt klar, was mit dem W o r t „grundsätzlich" in Abs. 1 Satz 1 gemeint ist. Der Grundsatz der reichsverfassungsrechtlich festgestellten Staatsverantwortlichkeit darf durch die nähere Regelung nicht angetastet werden. Unbeschadet des bereits hier verwirklichten Grundsatzes wird nur die nähere Regelung der Einzelheiten — Durchführung, Erweiterung, Einzelabweisung — zugelassen. Eine erst noch ausstehende zukünftige Verwirklichung des Grundsatzes kann nicht

Staats- und Beamtenhaftung

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als n ä h e r e Regelung bezeichnet werden. Ob das Wort „grundsätzlich" in Art. 109 Abs. 2 der Reichsverfassung „Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten" nur ein Prinzip bedeutet, kann als belangslos dahinstehen. Denn dies Wort kann sehr wohl in verschiedenen Artikeln, je nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang, eine verschiedene Bedeutung haben; übrigens weist es auch in Art. 109 Abs. 2 wie in Art. 131 Abs. 1 Satz 1 auf die Zulässigkeit einzelner Abweichungen und Ausnahmen hin, insofern nämlich eine völlige staatsbürgerliche Gleichheit jedenfalls durch die Verschiedenheit der männlichen und der weiblichen N a t u r ausgeschlossen wird. Hiernach ergibt sich kraft des Art. 131 folgender Rechtszustand: Für die Rechtsgebiete, welche bisher keine Staatshaftungsvorschrift hatten, ist die Verantwortlichkeit des Staates (bzw. der Körperschaft) nunmehr eingeführt und verwirklicht, und zwar, solange die einzelne zuständige Gesetzgebung eine nähere Regelung nicht getroffen hat, ausnahmslos für alle Beamten, also auch für die in § 5 Nr. 1 bzw. § 1 Satz 3 der Gesetze von 1910 und 1909 ausgenommenen Gebührenbeamten, aber ohne die in § 1 Abs. 2 der Gesetze von 1910 und 1909 bestimmte Erweiterung auf den Fall der Bewußtlosigkeit oder Geistesgestörtheit des Beamten und ohne die besondere, behufs Vermeidung einer Schlechterstellung des Beamten dem § 852 BGB. angepaßte Rückgriffsverjährungsvorschrift des § 2 Satz 2 bzw. § 3 Satz 2 jener Gesetze. Die Bedenken oder Nachteile einer derartigen Geltung allein des Art. 131 ohne jedwede nähere Regelung können den betroffenen Ländern dringenden Anlaß geben, die nähere Regelung durch ihre Gesetzgebung nunmehr zu treffen. Wäre dagegen Art. 131 Abs. 1 nur eine Richtlinie für eine spätere Landesgesetzgebung, so bliebe zweifelhaft, ob das Reich, etwa im Wege des dazu unzureichend erscheinenden Art. 15 der Verfassung, überhaupt die rechtliche Möglichkeit hat, eine solche Landesgesetzgebung in Gang und zur Vollendung zu bringen. Es bliebe also etwa dem einzelnen Lande überlassen, ob und wann es die Richtlinien der Staatsverantwortlichkeit für sein Gebiet verwirklichen wollte. Um dem vorzubeugen, schafft und verwirklicht die Reichsverfassung selbst die Staatsverantwortlichkeit als ein sofortiges Grundrecht aller Deutsdien für das ganze Rcichsgebict. Sic beseitigt sofort und schlechtweg einen Rechtszustand, in welchem dem geschädigten Dritten nur der mit öffentlicher Gewalt betraute Beamte haftet und nicht der Staat, der doch den Beamten in seine Hoheitsstellung einsetzt und handeln läßt. Sie gibt dem geschädigten Dritten bereits jetzt einen gegen den Staat zu erhebenden Ersatzanspruch, welcher durch das Fehlen einer „näheren Regelung" nicht berührt wird. Für die Rechtsgebiete, in denen die Staatsverantwortlichkeit bereits bestand, so insbesondere für die Reichsbeamten und die preußischen Beamten kraft des Gesetzes von 1910 und 1909, ist die Quelle der Staatsverantwortlichkeit nicht mehr § 1 Abs. 1 dieser Gesetze, sondern nunmehr

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Art. 131 Abs. 1 Satz 1 und 3 der Reichsverfassung. Jene §§ 1 Abs. 1 sind durch Art. 131 Abs. 1 Satz 1 und 3 überholt und, insofern die Staatsverantwortlichkeit jetzt auf der nur nadi ihrem Art. 76 abzuändernden Reichsverfassung beruht, in ihrer Rechtsbeständigkeit gesteigert. Die je dem § 1 Abs. 1 nachfolgenden Einzelbestimmungen der Gesetze von 1910 und 1909 behalten aber ihre Gültigkeit, soweit sie dem Art. 131 Abs. 1 Satz 1 und 3 nicht widersprechen; insoweit sind sie eine schon vorhandene „nähere Regelung" im Sinne des Art. 131 Abs. 2. Die fortdauernde Geltung der Erweiterung der Staatsverantwortlichkeit auf den Fall der Geistesstörung des handelnden Beamten und die fortdauernde Geltung der Verjährungsvorschrift für den Rückgriffsanspruch des Staates kann einem Bedenken nicht unterliegen. Dagegen fragt es sich, steht hier jedoch nicht zur Entscheidung, ob § 2 (Konflikt) und § 5 (polizeiliche Verfügung) des preußischen Gesetzes von 1909 nicht gegen Art. 131 Abs. 1 Satz 3 verstoßen und folglidi beseitigt sind, weil sie den reichsverfassungsrechtlich gegen den Staat schlechthin offenstehenden Rechtsweg (um den Rechtsweg gegen die Beamten selbst handelt es sich hier nicht) unter gewissen Voraussetzungen ausschließen. Und es fragt sich weiter, ob für gewisse Beamte, nämlich für die auf den Bezug von Gebühren angewiesenen Beamten (§ 5 N r . 1 R H a f t G . § 1 des preuß. HaftG.) und f ü r die mit Angelegenheiten des auswärtigen Dienstes befaßten Beamten (§ 5 Nr. 2 R H a f t G . ) die Staatsverantwortlichkeit abgelehnt werden darf. Dies steht für die Reichsbeamten des auswärtigen Dienstes zur Entscheidung und ist zu bejahen. Jede der beiden davon ausgenommenen Beamtenklassen bildet eine besondere Eigenart; dieser Eigenart durch Versagung der Staatsverantwortlichkeit Rechnung zu tragen, dazu eben soll das Wort „grundsätzlich" die rechtliche Möglichkeit geben. Durch solche Versagung aus den besonderen Gründen einzelner besonders gearteter Beamtenstellungen wird der grundsätzlich allgemeinen Herrschaft der Norm der Staatsverantwortlidikeit kein Abbruch getan. Die Revision meint, die Bestimmung des § 5 Nr. 2 könne schon darum nicht mehr Bestand haben, weil durch sie entgegen Art. 131 Abs. 1 Satz 3 der Rechtsweg ausgeschlossen werde. Diese Anschauung geht fehl. Das Reich lehnt in betreff der Beamten des auswärtigen Dienstes für den Fall einer bestimmten Erklärung des Reichskanzlers zulässig seine sachliche Haftung ab, es ist also insoweit passiv nicht legitimiert; insoweit muß eine trotzdem erhobene Klage abgewiesen werden nicht wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs, sondern weil eine H a f t u n g des Reichs nicht besteht. Auf Grund und in Gemäßheit des hiernach fdrtdauernd gültigen § 5 N r . 3 R H a f t G . hat nun der Reichskanzler am 27. Oktober 1919 die Erklärung abgegeben, daß das Verhalten der Beamten des auswärtigen Dienstes, welche mit der Ende April 1919 erfolgten Anhaltung der f ü r die Sowjetregierung bestimmten Waren befaßt waren, politischen Rücksichten entsprochen hat. Dieser Erklärung des Reichskanzlers ist eine gleich-

Staats- und Beamtenhaftung

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lautende Erklärung des Reichsministers des Auswärtigen vom 11. Februar 1920 gefolgt. Maßgebend ist allein die Erklärung des Reichskanzlers, denn diese ist in § 5 N r . 2 vorgeschrieben. D a ß es zur Zeit der strittigen Vorgänge (April 1919) einen Reichskanzler nicht gab, kann von keinem Belang sein; ein Zeitpunkt oder eine Frist f ü r die Abgabe der Erklärung ist gesetzlich nicht bestimmt. Der am 27. Oktober 1919 verfassungsmäßig wieder bestehende Reichskanzler hatte das Recht und die Pflicht, sich in Ausführung des geltenden § 5 N r . 2 über das Verhalten der im April 1919 handelnden Beamten zu erklären. Die Zuständigkeit dazu ist ihm, — wie auch sonst sein Geschäftsbereich von dem des Reichskanzlers nach der ehemaligen Reichsverfassung verschieden sein mag — eben durch § 5 N r . 2 gegeben; übrigens hat der Reichskanzler nach § 56 der gegenwärtigen Reichsverfassung gerade die Richtlinien der Politik zu bestimmen. Die Revision meint, § 5 N r . 2 habe nur ein solches Verhalten der Beamten des auswärtigen Dienstes im Auge, welches sich innerhalb des ihnen zugewiesenen Geschäftskreises halte, hier aber sei vom Auswärtigen Amt über seinen Dienstbereich eigenmächtig und willkürlich ohne Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister und ohne Einholung eines Beschlusses der Reichsregierung übergegriffen in ein nur dem Reichswirtschaftsminister und seinem Kommissar unterstehendes Geschäftsgebiet. Es sei darum unzulässig, daß der Reichskanzler und der Außenminister sich derart schützend vor ihre Beamten stellten. Dieser Einwand wird erledigt schon durch den der richterlichen Nachprüfung entzogenen Inhalt der Reichskanzlererklärung selbst. Diese stellt fest, daß die betreffenden Beamten innerhalb ihres Dienstbereichs handelten, also nicht in einen fremden Gechäftsbereidi übergriffen und daß sie richtig, d. h. in der den politischen Rücksichten entsprechenden Weise handelten. Durch diese Erklärung stellt sich der Reichskanzler nicht sdiützend vor die Beamten, sondern er Verneint damit nur die H a f t b a r k e i t des Reichs. Gegen die betreffenden Beamten selbst Ersatzklage zu erheben, ist dem Kläger unbenommen, falls er vermeint, daß eine ihm gegenüber obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt sei. Uebrigens liegt, audi abgesehen von der Erklärung des Reichskanzlers, offen, daß in betreff der Ausfuhr von deutschen f ü r die Sowjetregierung bestimmten Waren im April 1919 das Reichswirtschaftsministerium und das Auswärtige Amt je selbständig zu befinden und zu handeln hatten. Beide Stellen hielten die Ausfuhr an die Sowjetregierung, der doch in Wirklichkeit der Kläger die Waren zuführen und liefern wollte, f ü r nicht angängig; dem Kläger war die Ausfuhrbewilligung vom Kommissar des Reichswirtschaftsministers nur erteilt f ü r „ R u ß l a n d " und „ f ü r einen anzugebenden Käufer", und gerade nicht f ü r die Sowjetregierung. Nach dem Ausgeführten ist der erste Klagegrund hinfällig. Auch der zweite versagt. Die Ausfuhrbewilligung des Reichskommissars gab dem Kläger kein »wohlerworbenes Recht". Die ihm so freigegebene Ausfuhrbefugnis war

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Schuldredu, Besonderer

Teil

kein Privatrecht im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs, war überhaupt kein Privatrecht und nicht einmal eine vollständige, endgültige Befugnis, insofern die Ausfuhr weiter noch der Prüfung und Entscheidung des Auswärtigen Amtes unterlag. Die Ausfuhrbewiligung war nur die öffentlichrechtliche Erklärung der einen der beiden zuständigen Stellen, daß sie ihrerseits keine Einwendung mache und die Ausfuhr freigebe. Aus der in Theorie und Praxis verworrenen und zweifelvollen Lehre über die Entschädigungspflicht bei hoheitsrechtlichen Eingriffen in wohlerworbene Rechte könnte als gemeinrechtlicher oder allgemein gültiger Satz höchstens der entnommen werden, daß Entschädigung einzutreten hat, wenn Eigentum oder dem ähnliche dingliche Rechte ohne die M ö g lichkeit einer Abwehrklage genommen oder geschädigt werden, und wenn der hoheitsrechtliche A k t sich gerade gegen einzelne individuelle Rechte dieser A r t im Interesse der Allgemeinheit richtete. O b ein solcher Satz anzuerkennen und auf hoheitsrechtliche, insbesondere politische Akte auch des Reichs anwendbar ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn ein eigentumähnliches R e c h t des Klägers steht hier keinesfalls in Frage, und die Nichtzulassung und Verhinderung der Ausfuhr der f ü r die Sowjetregierung bestimmten W a r e n war eine M a ß n a h m e , die sich nicht besonders gegen den Kläger, sondern gegen alle V e r k ä u f e r und E x p o r t e u r e richtete. R G Z . 104, 141 U n t e r welchen Voraussetzungen ist der Reidispostfiskus für einen Vermögenssdiaden haftbar, der dem Inhaber eines Postscheckkontos aus einem von einem Dritten unter Beteiligung eines Postangestellten verübten Betrug erwachsen ist? VII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Leipzig.

U r t . v. 3. März 1922.

I I . Oberlandesgericht

Dresden.

Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung von 50 500 M. nebst Zinsen in Anspruch genommen und zur Begründung dargelegt: Am 27./28. November 1919 habe bei ihr ein unbekannter Betrüger, der sich fälschlich als Inhaber der Firma O . K . in E . vorgestellt habe, einen Flügel und ein Pianino zum Preise von zusammen 24 0 0 0 M. bestellt. Am 28. November habe er vorgespiegelt, daß er von seinem Postscheckkonto in E . 74 500 M. auf das Postscheckkonto der Klägerin habe überweisen lassen, und um Auszahlung des die Rechnung der Klägerin übersteigenden Betrags von 50 5 0 0 M. mit der Angabe gebeten, er müsse das Geld so schnell zur H a n d haben, da er in L . noch ein anderes dringendes Geschäft abschließen wolle und nicht viel Zeit habe. Die Klägerin habe ihn h i n gehalten, da die Post noch nicht eingegangen sei. Gleich darauf habe ihr der Briefträger einen Brief, enthaltend einen regelrechten Gutschriftzettel des Postscheckamts überbracht, inhalts dessen ihr von der Firma O. K . am

Staats- und Beamtenhaftung

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27. November 1919 74 500 M. telegraphisch überwiesen waren. Die Schriftstücke seien gefälscht gewesen. Sie habe aber in der Ueberzeugung von der Richtigkeit der Ueberweisung dem Schwindler 50 500 M. ausgezahlt. Für den so entstandenen Schaden müsse ihr der Beklagte Ersatz leisten. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache. Gründe: Der Begründung der angefochtenen Entscheidung kann nicht überall beigestimmt werden. Mit gutem Grunde hat der Berufungsrichter bei der Unterstellung des Sachvortrags der Klägerin angenommen, daß an der Ausführung des Betrugs, dem die Klägerin zum O p f e r fiel, ein Postangestellter beteiligt w a r , und insbesondere ein Postangestellter die wesentlichsten Hilfsmittel f ü r den Betrug, nämlich die Vordrucke zu dem falschen Kontoauszug und dem Gutschriftzettel, den Briefumschlag, den Poststempel zur Herstellung des Stempelabdrucks auf dem Zettel sowie die Kenntnis vom richtigen Stande des Kontos der Klägerin beschafft und weiterhin den Brief mit den trügerischen Nachrichten im Postscheckamt unter die zum Abgang bestimmten Postsachen eingeschmuggelt habe. D a ß deshalb dieser Postbeamte, wie die Revision meint, als der eigentliche und ursächlich einzige T ä t e r bei Verübung des Betrugs anzusehen wäre, davon kann nicht die Rede sein. Es handelt sich insofern immer nur um eine, freilich sehr wesentliche, Hilfstätigkeit zum Betrüge. Ausgeführt ist das Vergehen nach der begründeten Annahme des Berufungsrichters von dem in den Geschäftsräumen der Klägerin am 27. und 28. November 1919 tätig gewordenen Schwindler, der wahrscheinlich auch den falschen Kontoauszug und Gutschriftzettel ausgefüllt hat und vermutlich selbst nicht zu den Postbeamten gehört. W e n n aber der Berufungsrichter den von ihm angenommenen Sachverhalt f ü r die Entscheidung des Rechtsstreits als erheblich abweichend von dem Falle beurteilen will, wenn sämtliche Handlungen zur Uebersendung der falschen Gutschriftnachricht bis zu deren Ausgang aus dem Postscheckamt von einem Postbeamten vorgenommen worden wären, so ist dem nicht beizupflichten. Für die Frage der H a f t u n g des Beklagten kann es rechtlich keinen wesentlichen Unterschied begründen, ob die Hilfsmaßnahmen zur erfolgreichen Durchführung des Betrugs im ganzen U m f a n g oder, wie das Berufungsurteil annimmt, zum wesentlichen Teile von einem Postbeamten vorgenommen sind. Dabei ist auch ein grundsätzliches Bedenken der Revisionsbeantwortung zu berühren. Diese will den eingetretenen Schaden auf die selbständige Entschließung der Klägerin zur Zahlung der 50 500 M. an den Schwindler zurückführen, danach nicht die betrügerische H i l f s tätigkeit eines Postbeamten, sondern lediglich die in der Zahlung liegende Verfügung der Klägerin über ihr vermeintliches Guthaben als ursächlich f ü r den Schaden betrachten und schon aus diesem Grunde jede Haftpflicht

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der Post und des Reichs verneinen. Dieser Ansicht ist aber nicht zu folgen. Der schuldige Postbeamte hat hier in seiner Hilfstätigkeit wesentliche Mitursachen f ü r die Entstehung des tatsächlich eingetretenen Schadens gesetzt, und seine Betätigung in dieser Richtung w a r auch generell geeignet, in Verbindung mit der beabsichtigten Handlungsweise des Haupttäters zu einem der Klägerin schädlichen Erfolge von der Art, wie er eingetreten ist, zu führen. Die Sachhergänge haben hier in einer von den Teilnehmern am Betrüge vorgesehenen, folgerichtig zusammenhängenden Entwicklung das Ergebnis gehabt, daß die Klägerin einen Verlust von 50 500 M. erlitt. D a sie auf den ihr vermeintlich in dieser Höhe gutgeschriebenen Betrag keinen Anspruch hatte, entsprach es durchaus den Verhältnissen des ihr vorgespiegelten Tatbestands, wenn sie nicht daran dachte, die Summe ohne Entgelt zu behalten, sondern den Entschluß faßte und ausführte, dem vermeintlichen Einzahler einen gleichen Betrag aus ihren Mitteln gutzubringen und bar zu zahlen. Ob und inwiefern dabei der Klägerin eine gemäß $ 254 BGB. erhebliche Fahrlässigkeit zur Last fällt, ist nach dem zeitigen Stande des Rechtsstreits nicht zu untersuchen. Die Frage, ob etwa wegen der von einem Postbeamten betätigten Beihilfe zum Betrüge der Beklagte nach § 1 R h a f t G . vom 22. Mai 1910 der Klägerin ersatzpflichtig ist, hat der Berufungsrichter mit Recht verneint. Die Anwendung dieses Gesetzes erfordert, daß von einem Reichsbeamten eine einen Schaden verursachende oder mitverursachende Amtspflichtverletzung in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt begangen ist. Es ist nicht ausgeschlossen, daß audi bei Pflichtverletzungen von Postbeamten eine solche Beziehung zum Gebiet der staatlichen Hoheitsrechte hervortreten kann (vgl. RGZ. Bd. 91 S. 273, D e 1 i u s , Die Beamtenhaftpflichtgesetze, 3. Aufl. S. 291). Dies wird jedoch f ü r die H a n d lungen, die im vorliegenden Falle vermutlich von einem Postbeamten zur Ermöglichung des Betrugs vorgenommen sind, nicht ersichtlich. Die Handlungen beziehen sich vielmehr auf den Verkehr und das Rechtsverhältnis, die im Postscheckvertrage der beiden Prozeßparteien, einem Kassenhaltungsvertrage ( T r i m b o r n , Postscheckgesetz S. 40/41), ihre Grundlage finden und dem Gebiete des bürgerlichen Rechts zugehören. Das gilt nicht n u r f ü r den Fall, daß der schuldige Beamte als Hilfskraft des Postfiskus (vgl. § 278 BGB.) bei Bearbeitung des postalischen Kontos der Klägerin mitzuwirken hatte, sondern auch, wenn er hiermit dienstlich nicht befaßt war. Auch letzterenfalls hätte sich seine Hilfstätigkeit zum Betrug außerhalb des Kreises einer Ausübung öffentlichrechtlicher Gewalt gehalten; er hätte Umstände, die sich aus einem privatrechtlichen Verhältnisse zwischen der klagenden Firma und dem beklagten Reich ergeben, ihn aber dienstlich nicht angingen, als Hilsfmittel zur Durchführung eines schweren Vergehens gegen das Strafgesetz benutzt. Anderseits ist auch die im Berufungsurteil unentschieden gelassene Frage zu verneinen, ob etwa nach § 9 des Postscheckgesetzes vom 26. März

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1914 — das durch das Aenderungsgesetz vom 22. März 1921 (RGBl. S. 242) nicht berührt ist — eine Haftpflicht des Beklagten für den der Klägerin zugefügten Schaden ausgeschlossen ist. Dieser S 9 behandelt im ersten Absatz das Haftungsverhältnis der Post gegenüber dem Kontoinhaber, indes nur in der Begrenzung auf die von letzterem erteilten Aufträge, also namentlich die Schecks und Ueberweisungen; er bezeichnet insofern in vollem Einklänge mit der Natur des ganzen Rechtsverhältnisses, aber noch unter Einschränkung auf die bei dem Postscheckamt eingegangenen Aufträge, grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die H a f t u n g des Schuldners für die Erfüllung seiner Verbindlichkeit als anwendbar und schließt nur eine Haftung der Post f ü r die rechtzeitige Ausführung der ihr erteilten Aufträge aus. Der hier in Betracht kommende Fall, wo der Kontoinhaber nicht Auftraggeber, sondern Empfänger einer Gutschrift ist, hat im Gesetze keine ausdrückliche Behandlung gefunden und ist auch in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht erörtert. Nach den Richtlinien des § 9 Abs. 1 darf angenommen werden, daß f ü r diesen Fall eine Haftung der Post nicht schlechthin ausgeschlossen ist, sondern sich grundsätzlich — worauf es hier allein ankommt — nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmt. Dies entspricht auch der im Schrifttum herrschenden Meinung (vgl. T r i m b o r n , § 9 Anm. 4, S t a e d l e r , Postschedcgesetz S. 105 flg., N i g g 1, Postrecht S. 264; a. Ans. W e i l a n d , Postschedcgesetz S. 38). Das Berufungsurteil hat nun an sich sachgemäß in Frage gezogen, ob eine Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz des der Klägerin entstandenen Schadens aus dem Gesichtspunkte des § 278 oder des § 831 BGB. oder endlich auf Grund Verschuldens eines verfassungsmäßigen Vertreters des Postfiskus anzunehmen ist, und ist nach allen drei angedeuteten Richtungen zu einem der Klägerin ungünstigen Ergebnis gelangt. Zu den S§ 278, 831 ist namentlich erwogen: Die Tätigkeit, die ein Postbeamter bei Begehung des Betrugs ausgeübt haben solle, habe, soweit sie nicht im Austragen der gefälschten Nachricht bestanden habe, nicht zum Ziele gehabt, die Verbindlichkeit des Beklagten zu erfüllen. Der Beamte habe nicht eine Handlung vorgenommen, die dem Beklagten oblag, sondern habe ausschließlich im eigenen Interesse eine Tätigkeit entfaltet, zu der ihm seine Beschäftigung durch den Beklagten Gelegenheit geboten habe, und der Beamte habe jene Tätigkeit auch nicht in Ausführung der Verrichtung entwickelt, zu der ihn der Beklagte bestellt habe, sondern er habe nur die durch Besorgung ihm übertragener Geschäfte gebotene Gelegenheit benutzt, im eigenen Interesse tätig zu werden. Nur der Beamte, der an der Beförderung des Briefs zu der Klägerin teilgenommen habe, könnte als Gehilfe bei der Erfüllung der Verbindlichkeiten des Beklagten und in Ausführung von Verrichtungen f ü r diesen gehandelt haben. Insoweit sei aber — wie das Urteil des näheren darlegt — eine Haftung des Beklagten aus § 278 wie aus § 831 ausgeschlossen.

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Der Revision ist einzuräumen, d a ß die mitgeteilten Urteilscrwägungen nicht bedenkenfrei sind. Freilidi geht es zu weit, wenn die Revision auszuführen versucht: D e r ungetreue Postangestellte habe durch die Verletzung der dem Beklagten obliegenden Vertragspflicht der Geheimhaltung des Kundenkontos eine sdiuldhafte H a n d l u n g vorgenommen, f ü r die der Beklagte nach § 278 BGB. hafte. Das gleiche ergebe sich f ü r die H a f t u n g des Beklagten aus § 831 BGB. Die Verrichtung, zu der der Beklagte seine Angestellten bestellt hat, und die Tätigkeit der Angestellten in Ausführung dieser Verrichtung sei der ganze Kreis von Arbeiten und Unterlassungen, die die Erledigung des Postscheckvertrags mit sich bringe. Ein Angestellter, der die ihm in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtungen zugänglichen Vordrucke, Umschläge, Stempel und vor allem die ihm anvertrauten Geschäftsgeheimnisse zum Schaden des Girokunden benutze, füge diesem „in A u s f ü h r u n g der Verrichtung" widerrechtlich Schaden zu. Gegenüber diesen Ausführungen ist streng an den in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen festzuhalten. Danach wäre hier gegen den Beklagten der § 278 nur anwendbar, wenn die als Schadensursadie mitwirksame H a n d l u n g eines Postbeamten in unmittelbar innerem Zusammenhange mit der von diesem Beamten zur Erfüllung des Girovertrags der Parteien ausgeübten dienstlichen Hilfstätigkeit geschehen wäre, und ähnlich wäre zur Anwendung des § 831 erforderlich, d a ß die f ü r den Schaden ursächliche H a n d l u n g eines Postbeamten noch dem Kreise der Maßnahmen zuzuzählen wäre, welche die Ausführung der diesem Beamten übertragenen dienstlichen Verrichtungen darstellen. Geht man hiervon aus, so ist es allerdings in teilweisem Einklänge mit der Revision als zu eng zu beanstanden, wenn das Berufungsurteil allein die Tätigkeit des Beamten, der an der Beförderung des Briefs zu der Klägerin teilnahm, als eines Erfüllungsgehilfen (§ 278) und eines zu einer Verrichtung Bestellten (§ 831) näher erörtert. Die Anwendung der §§ 278, 831 könnte auch in Frage kommen und wäre zu bejahen, wenn der postalische Betrugsgehilfe dienstlich mit der Bearbeitung des Postscheckkontos betraut gewesen wäre. Namentlich wäre dann zwischen der Dienstverrichtung des Beamten, die zugleich eine Hilfstätigkeit zur Erfüllung des Vertrags der Parteien bedeutet, und dem von ihm rechtswidrig begangenen Verrat der H ö h e des Kontos der Klägerin a n den Betrugsgenossen (vgl. § 7 PostSchG.) ein so naher innerer Zusammenhang gegeben, daß sich eine H a f t u n g des Postfiskus f ü r den Schaden der Klägerin sowohl aus § 831 als auch aus § 278 BGB. begründen ließe. Dagegen ist der Revision nicht zu folgen, wenn sie, wie ihren Ausführungen entnommen werden muß, eine noch weitere Anwendbarkeit dieser beiden Vorschriften annimmt. W a r der schuldige Postbeamte in keiner Weise mit der Bearbeitung des Kontos der Klägerin dienstlich befaßt, so hat er lediglich gelegentlich gewisse in den Räumen des Postscheckamts bestehende Zugangsmöglichkeiten dazu ausgenutzt, dem Genossen am Betrüge Hilfsmittel zur Durchführung des

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Vergehens zu beschaffen. Insoweit ist eine Anwendung der §§ 278, 831 gegen den Beklagten nicht zu rechtfertigen. Soweit aber im vorstehenden die Begründung des Berufungsurteils beanstandet ist, f ü h r t dies nicht zur Aufhebung des Urteils. D e n n die Klägerin ist gar nicht in der Lage, darzulegen und nachzuweisen, d a ß der postalische Gehilfe des Betrügers dienstlich mit dem K o n t o der Klägerin etwas zu tun hatte. Nach ihren Anführungen in den Vorinstanzen und nach den Annahmen des Berufungsurteils ist lediglich damit zu rechnen, d a ß irgendein Postbeamter, der vielleicht nicht einmal Beamter des Postscheckamts w a r , an der Durchf ü h r u n g des Betrugs beteiligt w a r . In Frage bleibt der Klagegrund eigenen Verschuldens des Postfiskus, wobei nur an vertragliches Verschulden zu denken ist (§§ 31, 89, 276 BGB.). Im angefochtenen Urteil wird dazu nur bemerkt: „Schließlich ist auch nicht erwiesen, d a ß der Schaden auf mangelhafte Einrichtung des Postscheckamts zurückzuführen ist. O b eine solche darin zu finden ist, daß, wie die Klägerin behauptet, keine unbedingt zuverlässigen V o r kehrungen gegen den Z u t r i t t u n b e r u f e n e r Personen in die Diensträume des Postscheckamts getroffen sind, kann dahingestellt bleiben, da nicht zu erweisen ist, d a ß der Schaden dadurch verursacht worden ist." Mit dieser Begründung kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Die Klägerin hat behauptet, daß zur Ausführung des Betrugs eine ganze Reihe mißbräuchlicher Benutzungen der Organisation des Postscheckamts vorgenommen ist, insbesondere: mißbräuchliche Wegnahme eines ordnungsmäßig hergestellten Kuverts, mißbräuchliche Verwendung eines Buchungsstempels, mißbräuchliche Abstempelung eines Kuverts, mißbräuchliche Beförderung durch die Post, mißbräuchliche Kenntnisnahme des f ü r den Postscheckinhaber von dem Postscheckamt festgestellten Saldos. Der Post falle hiernach Fahrlässigkeit zur Last, besonders darin, daß entweder mehr als ein K u v e r t täglich hergestellt oder ein K u v e r t unbereditigterweise zurückbehalten worden sei, d a ß ferner ein nur Beamten zugängiger Buchungsstempel unberechtigterweise gebraucht werden konnte — tatsächlich sei auch ein solcher Buchungsstempel schon einige Tage vor dem Betrüge abhanden gekommen, und dies sei auch vom Beklagten schon festgestellt worden —; endlich liege die Fahrlässigkeit der Post darin, d a ß es f ü r unberechtigte Beamte oder Dritte möglich war, den täglichen Saldo der Klägerin zu erfahren. Dieses Vorbringen bedurfte eingehender richterlicher Würdigung, die ihm in der mitgeteilten knappen Urteilserwägung nicht zuteil geworden ist. Keineswegs liege der Fall so, daß sich von vornherein und ohne weiteres sagen ließe, die Versuche der Klägerin, der Postverwaltung eine f ü r den eingetretenen Schaden mitursächlich gewordene Fahrlässigkeit nachzuweisen, müßten unter allen Umständen ergebnislos bleiben. Nach den im Berufungsurteil übergangenen Ausführungen der Klägerin ist zur Zeit damit zu rechnen, daß es im Betriebe des Postscheckamts in der Zeit

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unmittelbar vor der Ausführung der erheblichen Betrugshandlungen zu Unordnungen gekommen ist, die für Schädigungen von Girokunden der Post einen geeigneten Boden schufen und die möglicherweise vermeidlidi gewesen wären, wenn bei der Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes seitens der verfassungsmäßig zur Vertretung des Postfiskus berufenen Organe jede im Verkehr erforderliche Sorgfalt aufgewendet worden wäre. Die nähere, bisher unterbliebene Untersuchung des vorliegenden Streitfalls nach dieser Richtung, von deren Ergebnis die Endentscheidung abhängt, erheischt zum wesentlichen Teil Feststellungen und Erwägungen, die dem tatsächlichen Gebiete zugehören, und liegt darum dem Berufungsgerichte ob. RGZ. I I I , 375f 1. *). 2. Darf der Schutz der in Art. 131*) der Reichsverfassung getroffenen Bestimmung audi Ausländern nicht versagt werden? 3. Verbürgt der Art. 381 des Versailler Vertrags den Fremdstaaten die Gleichstellung mit Deutschland nur in bezug auf die tatsächliche Benutzung des Kanals oder auch hinsichtlich der Haftung des Reidis f ü r Verschulden seiner Beamten? Reichsverfassung Art. 131**). Reichshaftungsgesetz vom 22. Mai 1910 § 7. Vers. Vertrag Art. 381. VI. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 13. Oktober 1925. I. Landgericht Kiel. I I . Oberlandesgericht daselbst.

Aus den G r ü n d e n : Es kann nur die außervertragliche Haftung des Beklagten in Betracht kommen, die darauf gegründet ist, daß der Lotse bei dem Unfall in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt gehandelt habe und darum das Reich für sein Verschulden einstehen müsse (RGZ. Bd. 86 S. 122, Bd. 110 S. 350). Daß diese Haftung, die allerdings nur für den Fall besteht, daß der Kläger sich nicht bei dem Kapitän schadlos halten kann, aus Art. 131 RV. in Verbindung mit dem Reichshaftungsgesetz vom 22. Mai 1910 vom Kläger überhaupt nicht hergeleitet werden könne, ist eine rcchtsirrige Auffassung des Berufungsgerichts. Zutreffend geht dieses davon aus, daß der Art. 131 RV. nicht nur eine Richtlinie für die Reidis- und Landesgesetzgebung enthält, sondern unmittelbar wirkendes Recht aufstellt, so daß jetzt er und nicht mehr der § 1 Abs. 1 des Reichshaftungsgesetzes vom 22. Mai 1910 die Quelle der Staatsverantwortlichkeit ») Ueberholt. **) Vgl. jetzt Art. 34 Bonner Grundgesetz.

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für Verschen der Reichsbeamten bildet (RGZ. Bd. 102 S. 171, 393; Bd. 104 S. 291; Bd. 106 S. 36). Ist dies aber der Fall, dann kann der Sdiutz dieser verfassungsrechtlichen Bestimmung auch Ausländern nicht versagt werden, zumal wenn der Tatbestand, aus dem die Haftung des Reichs hergeleitet wird, sich innerhalb der Rcichsgrenzen ereignet hat. Denn es ist nicht einzusehen, warum sie die Wohltat der Verfassungsvorschrift, wenn diese als unmittelbar anwendbares Recht zu gelten hat und an die Stelle des § 1 des Reichshaftungsgesetzes getreten ist, nicht ebenso genießen sollen, wie sie bis dahin der Rechte aus § 1 des Reidishaftungsgesetzes teilhaftig gewesen sind und auch den Sdiutz anderer deutscher Gesetze genießen, sobald sie zum Inland in Beziehung getreten sind. Daß die Vorschrift des Art. 131 RV. ihren Platz im zweiten Hauptteil der Verfassung über die Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen gefunden hat, vermag ihre Tragweite nicht zu beengen. Denn dieser Umstand erklärt nur ihre Entstehung und ihre Aufnahme in die Verfassung, begrenzt aber nicht das Anwendungsgebiet und die Wirkung dieser Vorschrift nach außen. Andernfalls müßte der § 1 des Reichshaftungsgesetzes, der nicht ausdrücklich aufgehoben ist, für die Rechte der Ausländer noch als geltend angesehen werden, da diese im Bereich der Staatshaftung sonst schutzlos wären und eine solche Rechtsentziehung unzweifelhaft nicht im Sinne des Art. 131 R V . gelegen hat. Unbedenklich haben aber die dem § 1 des Reichshaftungsgesetzes nachfolgenden Bestimmungen ihre weitere Gültigkeit behalten, soweit sie dem Art. 131 Abs. 1 Satz 1 und 3 R V . nicht widersprechen. Denn sie enthalten eine schon vorhandene nähere Regelung der Reichshaftung, die der Art. 131 Abs. 2 R V . der zuständigen Gesetzgebung ausdrücklich vorbehalten hat (RGZ. Bd. 102 S. 171). Deshalb kommt für den Anspruch des Klägers auch der § 7 des Reichshaftungsgesetzes in Betracht, wonach den Angehörigen eines ausländischen Staates ein Ersatzanspruch auf Grund des Reidishaftungsgesetzes gegen das Reich nur insoweit zusteht, als durch die Gesetzgebung des ausländischen Staates oder durch Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Diese Vorschrift ist zwar nur für die Angehörigen eines fremländisdien Staates getroffen, sie ist indes auch für den Fremdstaat selbst anzuwenden, wenn dieser als Person des Privatredits wegen der Amtspflichtverletzung eines Beamten mit Schadensersatzansprüchen an das Reich herantritt. Nach ihr aber entfällt die Haftung des Beklagten, weil mit Portugal nicht die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Das Gegenteil ist auch aus Art. 381 des Versailler Vertrags nicht zu entnehmen. Dort heißt es allerdings, daß die Staatsangehörigen, Güter, Schiffe und Boote aller Mächte hinsichtlich der Abgaben, der Abfertigung sowie in jeder anderen Richtung bei der Benutzung des Kanals auf dem Fuße völliger Gleichberechtigung behandelt werden sollen, so daß jeder Unterschied zuungunsten der Staatsangehörigen, Güter, Schiffe und Boote irgendeiner Macht gegenüber den Reichsangehörigen, sowie den Gütern, Schiffen

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und Booten Deutschlands oder der meistbegünstigten Nation ausgeschlossen bleibt. Aber diese Vorschrift bezieht sich nur auf die tatsächliche Benutzung des Kanals und nicht auf die Rechtsverhältnisse, die zufolge der Benutzung zwischen den Beteiligten in Frage kommen und auch nicht notwendig mit dieser verbunden sind, sondern nur durch sie zur Entstehung gelangen können. Darum folgt aus ihr auch nicht die Gleichstellung der ausländischen Staatsangehörigen mit den Reichsangehörigen hinsichtlich der Staatshaftung für Verschulden der beim Kaiser-WilhelmKanal tätigen Reidisbeamten. Vielmehr bewendet es insoweit bei den allgemeinen Vorschriften der deutschen Gesetze.

R G Z . 120, 162 Ueber die Haftung einer Gemeinde gegenüber einer Krankenkasse, die gemäß $ 404 R V O . den Gemeindevorstand mit den Geschäften einer von ihr eingerichteten Zahlstelle betraut hat, wenn ein von jenem in der Zahlstelle beschäftigter Dritter dort eingegangene Kassenbeiträge veruntreut? RVerf. Art. 131; BGB. §§ 278, 839. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 10. Februar 1928. I. Landgericht Dessau.

I I . Oberlandesgeridit Naumburg a. S.

Auf Grund der § 319 Abs. 1 und § 404 Abs. 2 der ReichsVersicherungsordnung wurden dem Gemeindevorstand der Beklagten, der nach einer anhaltischen Ministerialverordnung vom 28. Dezember 1911 die Ortsbehörde im Sinne der bezeidineten Vorschriften darstellt, vom zuständigen Versicherungsamt die Geschäfte einer gemeinsamen Meldeund Zahlstelle für die Klägerin (die Allgemeine Ortskrankenkasse) und für die Landkrankenkasse des Kreises B. mit Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde übertragen. Der Sohn des Gemeindevorstands, der bei der Zahlstelle tätig war, hat dort eingezahlte Kassenbeiträge veruntreut. Die Klägerin hat die beklagte Gemeinde auf Erstattung dieser Beträge in Anspruch genommen. Das Landgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Wie das Berufungsgericht nidit verkennt, wurde durch die Einrichtung der Zahlstelle kein öffentlichrechtliches Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der beklagten Gemeinde gesdiaffen, vermöge dessen die letztere für die von dem Sohn des Gemeindevorstands begangenen Unterschlagungen von Kassenbeiträgen haftbar gemacht werden

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könnte. Nicht die Gemeinde, sondern die Ortsbehörde ist es, der die Geschäfte der Zahlstelle gemäß § 404 R V O . übertragen worden sind. Diese k o m m t hierbei nicht als Organ der Gemeinde, sondern als selbständige T r ä g e r i n v o n Rechten und Pflichten in Betracht. Der alleinige rechtlidie Gesichtspunkt, unter dem die Verantwortlichkeit der Beklagten f ü r die Unterschlagungen gewürdigt werden kann, ist daher der G e sichtspunkt der Gemeindehaftung nach Art. 131 Abs. 1 R V e r f . in Verbindung mit § 839 B G B . Das Berufungsgericht leitet denn auch aus diesen Vorschriften die Ersatzpflidit der Beklagten her. Die Erwägungen, v o n denen es sich hierbei bestimmen läßt, halten indessen der Nachp r ü f u n g nicht stand. D e r nach dem maßgebenden Landesrecht die Ortsbehörde darstellende Gemeindevorstand der Beklagten hat seinen Sohn mit der Verrichtung der Zahlstellengeschäfte betraut. Hieraus folgert der Vorderrichter unter entsprechender Anwendung des § 278 B G B . , daß der V o r s t a n d die v o n seinem Sohn verübten Unterschlagungen wie eigene vorsätzliche Verfehlungen zu vertreten habe. D a ihm nun durch die Veruntreuungen die E r f ü l l u n g seiner amtlichen Pflicht zur A b f ü h rung der vereinnahmten Krankenkassenbeiträge, an die Klägerin u n m ö g lich geworden sei, so sei er gemäß § 839 B G B . zum Ersatz der Fehlbeträge verbunden, ohne daß die Kasse zu beweisen habe, sie v e r m ö g e nicht auf andere Weise Ersatz f ü r den ihr erwachsenen Schaden zu erlangen. An die Stelle der H a f t u n g des Gemeindevorstands trete aber nach Art. 131 R V e r f . die Schadensersatzpflicht der Gemeinde. Diese Ausführungen ziehen in die Prüfung der außervertraglichen H a f t u n g der Beklagten mit Unrecht den nur auf öffentlichrechtliche V e r t r a g s Verhältnisse entsprechend anwendbaren § 278 B G B . hinein. Es ist vielmehr f ü r die Entscheidung von folgender Betrachtung auszugehen. Die Gemeindehaftung setzt voraus, daß die Unterschlagungen auf Amtspflichtverletzungen des Gemeindevorstands zurückzuführen u n d daß diese Verfehlungen in Ausübung einer mit der Erledigung der Zahlstellengeschäfte verbundenen öffentlichen Gewalt begangen sind. N u n unterliegt es keinem Zweifel, daß der Vorstand in seiner Eigenschaft als Beamter mit der Verwaltung der Zahlstelle und den damit verbundenen Verrichtungen beauftragt war und es stellt sich deshalb die Pflicht z.ur Annahme, Verwahrung und Ablieferung der Kassenbeiträge zugleich als eine der Kasse gegenüber bestehende amtliche Obliegenheit dar. A u d i ist die A u s f ü h r u n g der Verwaltungsgeschäfte durch den G e m e i n d e v o r stand, da sie der Erfüllung einer der Ortsbehörde übertragenen A u f g a b e der Sozialversicherung dient, unbedenklich als eine Ausübung öffentlicher Gewalt anzusehen. D e n n diese umfaßt auch solche Betätigungen, denen sich die Behörden des Staates und der Gemeinden nicht k r a f t der ihnen zustehenden Herrschaftsrechte, sondern k r a f t ihrer öffentlichrechtlidien Fürsorgepflichten unterziehen ( R G Z . Bd. 84 S. 30, Bd. 114 S. 201). Ferner ergibt sich aus Art. 131 R V e r f . und es entspricht auch der Rechtsprechung Zivil*. SdiulJreAt 11

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des Reichsgerichts, daß die Verantwortlichkeit f ü r die Verletzung der Amtspflichten des Gemeindevorstands die Gemeinde, in deren Dienst dieser steht, auch dann trifft, wenn er die pflichtwidrige Amtshandlung nicht in seiner Eigenschaft als Organ der Gemeinde vorgenommen hat. Aus dem Inhalt der Amtspflichten folgt jedoch, daß die Gemeinde nicht schon dann haftbar gemacht werden kann, wenn ein vom Gemeindevorstand mit der Erledigung der Zahlstellengeschäfte beauftragter Dritter vereinnahmte Krankenkassenbeiträge unterschlägt, daß vielmehr die H a f t u n g erst dann eintritt, wenn er sidi bei der Auswahl, der Ueberwachung und der Belehrung des Dritten über seinen Pflichtenkreis Versäumnisse zuschulden kommen läßt, die mit einer treuen und sorgsamen Kassenverwaltung unvereinbar sind. Daß die Beschäftigung eines Gehilfen bei der Zahlstelle überhaupt unstatthaft gewesen sei, nimmt das Berufungsgericht selbst nicht an und behauptet auch die Klägerin nicht. Der Vorderrichter hätte daher nicht, wie geschehen, die Berechtigung der Vorwürfe der Klägerin unerörtert lassen dürfen, daß der Gemeindevorstand es bei der Prüfung der Tauglichkeit und Vertrauenswürdigkeit seines Sohnes sowie in bezug auf dessen Beaufsichtigung an der erforderlichen Sorgfalt habe fehlen lassen und hierdurch die Veruntreuungen ermöglicht habe. RGZ. 121, 173 Verletzt ein Zollbeamter eine ihm gegenüber einem Dritten obliegende Amtspflicht, wenn er fahrlässig dem Zollsdiuldner eine unrichtige Auskunft über die Zollpflichtigkeit einzuführender Waren erteilt? Art. 131 RVerf. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 22. Mai 1928. I. Landgericht Stuttgart.

II. Oberlandesgeridit

daselbst.

Die Klägerin hatte im Februar 1924 bei einer Firma in Saarbrücken 200 Kisten in Salzwasser eingelegte Bohnen in luftdicht abgeschlossenen Behältnissen gekauft. Die Ware ging am 31. März 1924 beim Zollamt in Stuttgart ein. Aus dem Zollbegleitzettel waren der Absender, das Gewicht und die Art der Waren sowie das Herstellungsland (Frankreich) ersichtlich. Der von der Klägerin mit der zollamtlichen Abnahme beauftragte Lehrling W. wendete sich auf dem Zollamt an den Zollsekretär B.; dieser besichtigte die Sendung äußerlich. Da er Zweifel hatte, ob die Ware zollpflichtig sei, besprach er sich mit dem Zollassistenten R. Beide kamen zu dem Ergebnis, die Ware sei zollfrei. B. teilte dies dem W. mit, der daraufhin schriftlich die zollfreie Einfuhr der Bohnen beantragte. B. bestätigte ebenfalls schriftlich die Zollfreiheit der Ware. Diese wurde von der Klägerin übernommen und dann veräußert.

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Nachträglich stellte sich heraus, daß die Ware zollpflichtig war, und es wurde von der Klägerin am 19. Juni 1924 ein Betrag von 7830 RM. Zoll nachgefordert. Durch Erlaß des Reichsministers der Finanzen wurde der Betrag aus Billigkeitsgründen auf 4000 RM. ermäßigt. Diesen Betrag mit den aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 338,40 RM. hat die Klägerin gezahlt. Sie verlangt jetzt die Rückzahlung der Beträge. Sie behauptet: Der Beklagte sei ihr zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihr durch die unrichtige Zollabfertigung der Ware und die unrichtige Auskunft über Zo.'lfreiheit entstanden sei. Sie habe die Ware nur abnehmen wollen, wenn sie zollfrei hätte eingeführt werden können; dies habe ihr Beauftragter dem Zollbeamten ausdrücklich erklärt. Erst nachdem der Zollbeamte die Zollfreiheit bestätigt gehabt habe, sei die Ware abgenommen worden. Der Zollsekretär B. habe fahrlässig seine Amtspflichten ihr gegenüber verletzt. Er hätte bei sorgfältiger Prüfung der Zollvorschriften die Zollpflicht feststellen müssen. Beim Bestehen von Zweifeln hätte er sich an seinen Vorgesetzten wenden sollen, schließlich auch ihren Beauftragten darauf hinweisen müssen, daß er nicht zu einer verbindlichen Auskunft über die Zollpflicht der Ware befugt sei. Der Beklagte bestreitet, daß seinen Beamten die zollfreie Auslieferung der Ware als Fahrlässigkeit angerechnet werden könne. Er trägt vor: Die einschlägigen Vorschriften seien nicht einfacher Natur. Der Beauftragte der Klägerin habe keine Auskunft über die Zollpflicht der Ware erbeten, auch nicht gesagt, daß er die Ware nicht übernehmen würde, wenn sie Zoll kostete. Aber auch wenn eine solche Auskunft verlangt worden wäre, könnte aus einer unrichtigen Auskunft kein Anspruch hergeleitet werden. Denn der Klägerin sei bekannt gewesen oder hätte doch bekannt sein müssen, daß die Zollbeamten keine verbindliche Auskunft über Zolltarifsätze erteilen könnten. Der Zollbeamte habe davon ausgehen dürfen, daß die Klägerin, die häufig mit dem Zollamt zu tun habe, die gesetzlichen Bestimmungen kenne. Eine Verpflichtung, auf die Unverbindlichkeit einer etwaigen Auskunft hinzuweisen, habe überdies nicht bestanden. Das Landgericht wies die Klage ab; das Oberlandesgericht gab ihr statt. Die Revision des Beklagten war erfolglos. Gründe: Die Ware, durch deren unrichtige zollamtliche Behandlung der Klägerin ein Schaden entstanden ist, bestand, wie erwähnt, aus „in Salzwasser eingelegten Bohnen in luftdicht abgeschlossenen Dosen". Der Beauftragte der Klägerin hatte die Ware in seinem dem Zollbeamten vorgelegten schriftlichen Antrag auf Zollbefreiung als „Bohnenkonserven" bezeichnet. Der mit der Abfertigung betraute Zollbeamte konnte daher über die Natur des Einfuhrgutes nicht im unklaren sein. Wie das Berufungsgericht zutreffend feststellt, waren Bohnenkonserven nach den damals geltenden gesetzlichen Vorschriften zollpflichtig (vgl. die 4*

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Schuldrecht, Besonderer Teil

„ Z u s a m m e n s t e l l u n g " RZB1. 1922 S. 68). Dies h ä t t e der Zollsekretär B. wissen müssen. W e n n er Zweifel an der B e d e u t u n g der gesetzlichen V o r schriften h a t t e , war es seine Pflicht, sich in einwandfreier Weise Gewißh e i t ü b e r die Zollpflicht der G e m ü s e k o n s e r v e n zu verschaffen. Dieser Pflicht hat er nicht dadurch genügt, d a ß er den Fall mit einem Zollassistenten besprach. E r h ä t t e sich an seinen Vorgesetzten w e n d e n u n d dessen R a t e r b i t t e n oder m i t seiner H i l f e die tarifrechtlichen Vorschriften n a c h p r ü f e n müssen. D a ß die Feststellung, o b B o h n e n k o n s e r v e n zollpflichtig sind, mit irgendwelchen erheblichen Schwierigkeiten v e r b u n d e n gewesen wäre, k a n n nicht a n e r k a n n t w e r d e n . Es handelte sich nicht u m einen u n g e w ö h n l i c h e n E i n f u h r a r t i k e l , s o n d e r n u m marktgängige W a r e . D a h e r m u ß e r w a r t e t w e r d e n , d a ß jeder bei einem großen Z o l l a m t mit d e r A b f e r t i g u n g des Zollgutes b e t r a u t e B e a m t e in der Lage ist, die Zollpflicht solcher W a r e n festzustellen. Bei sorgsamer Behandlung der A n gelegenheit w ä r e der Z o l l b e a m t e hierzu auch imstande gewesen. E r h a t danach fahrlässig gehandelt. D u r c h seine Fahrlässigkeit hat er auch eine i h m gegenüber d e m Zollschuldner, d e r Klägerin, obliegende Amtspflicht v e r l e t z t . F ü r die Klägerin w a r die Entscheidung, ob die W a r e zollfrei w a r o d e r nicht, v o n w e i t t r a g e n d e r B e d e u t u n g . W e n n die W a r e f ü r zollpflichtig e r k l ä r t w o r d e n wäre, h ä t t e sie von der E i n f u h r A b s t a n d g e n o m m e n ; d e n n der Zollbetrag erreichte beinahe den Inlandspreis v o n B o h n e n k o n s e r v e n , so d a ß ein V e r k a u f der Konserven zu angemessenem Preise unmöglich gewesen wäre. Die Klägerin k o n n t e daher beanspruchen, d a ß d e r Zollbeamte bei der zollamtlichen Behandlung der W a r e ihr gegenüber mit aller Sorgfalt feststellte, o b die W a r e zollfrei e i n g e f ü h r t w e r d e n d ü r f e , d a m i t sie nicht durch die nachträgliche E r h e b u n g des h o h e n Zollbetrags schweren Schaden erlitt. W e n n die Revision darauf hinweist, d a ß nach §§ 76, 212 R A b g O . ausdrücklich die Möglichkeit der N a c h f o r d e r u n g v o n Zollbeträgen vorgesehen sei, die Zollfestsetzung also gewissermaßen n u r vorbehaltlich der Berichtigung erfolge, so ergibt sich gerade aus dieser V o r s c h r i f t wegen der weittragenden Folgen nachträglicher Z o l l e r h e b u n g die Pflicht f ü r den Zollbeamten, gewissenhaft v o r z u gehen. Die V o r s c h r i f t stellt keinen Freibrief f ü r die Zollverwaltung u n d i h r e B e a m t e n in d e m Sinne dar, daß bei den Zollfestsetzungen nicht v o n v o r n h e r e i n m i t der nötigen Sorgfalt, auch gegenüber dem Zollschuldner, verfahren werden müßte. D i e Revision macht auch m i t w i r k e n d e s Verschulden der Klägerin geltend. Sie weist darauf hin, d a ß die Klägerin schon im F r ü h j a h r 1924 in Zollsachen sehr b e w a n d e r t gewesen sei, u n d behauptet, sie wäre v e r pflichtet gewesen, bei A b n a h m e der W a r e auf die ungewöhnliche H ö h e eines Schadens im Falle unrichtiger V e r z o l l u n g a u f m e r k s a m zu machen. Beide U m s t ä n d e sind o h n e rechtliche B e d e u t u n g . Das V e r h a l t e n d e r Klägerin ergibt nach den tatsächlichen Feststellungen des B e r u f u n g s gerichts, d a ß sie nicht g e w u ß t hat, o b die B o h n e n k o n s e r v e n zollpflichtig w a r e n . N u r hierauf k o m m t es an. Z u einem besonderen Hinweis auf

S t a a t s - und

Beamtenhaftung

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die Höhe eines möglicherweise entstehenden Schadens war die Klägerin nicht verpflichtet. Der Beamte, der die Zollabfertigung vornahm, ersah aus den Zoll-Begleitpapieren Art und Menge der Ware; er sah auch, daß es sich um einen ganzen Eisenbahnwaggon mit Konserven handelte. E r mußte sich daher selbst sagen, daß erhebliche Werte in Betracht kamen, und mußte dementsprechend sorgsam verfahren. W e n n der Beklagte schließlich geltend macht, es sei nicht festgestellt, ob die Klägerin den Zollbetrag unter Vorbehalt ihrer Schadensersatzansprüche gezahlt habe, und sie habe durch die vorbehaltlose Zahlung auf die Geltendmachung solcher Ansprüche verzichtet, so ist auch dieser Einwand rechtlich bedeutungslos. Die Klägerin war nach den zollrechtlichen Vorschriften verpflichtet, den angeforderten Zollbetrag zu zahlen, wenn sie sich nicht der zwangsweisen Beitreibung aussetzen wollte. Ihr Schadensersatzanspruch, der auf einer anderen rechtlichen Grundlage beruht und auch zahlenmäßig nicht mit dem geschuldeten Zollbetrag übereinstimmt, wurde deshalb durch die Zahlung der Zollsumme nicht berührt. Ein Vorbehalt war zur Erhaltung der Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht erforderlich. RGZ. 122, 270 Ist ein Unfall „beim Betrieb" eines stillstehenden Kraftfahrzeugs erfolgt, wenn ein anderes Kraftfahrzeug auf dieses auffahrt?*) Kraftfahrzeuggesetz § 7. VI. Z i v i l s e n a t . U r t . v. 12. November 1928. I. Landgericht I I I Berlin.

I I . Kammergericht daselbst.

Am 18. Januar 1926 abends zwischen 9 und 10 U h r fuhr der Kläger auf der Landstraße von Frankfurt a. O. nach Berlin mit seinem Personenkraftwagen auf den auf der Landstraße stehenden Lastkraftzug der Erstbeklagten auf, der aus Kraftwagen und Anhänger bestand. Führer des Lastkraftzuges war der Zweitbeklagte. Der Lastkraftzug stand auf der Straße still, weil der Betriebsstoff ausgegangen war; der Begleitmann befand sich auf dem Wege zur nächsten Ortschaft, um Betriebsstoff zu holen. Der Zweitbeklagte saß zur Zeit des Zusammenstoßes auf dem Führersitze seines Kraftwagens. Die Sicht war behindert durch Nebelschwaden, die über die Landstraße zogen. Bei dem Zusammenstoß trug der Kläger eine Brustquetschung davon; sein Kraftwagen wurde beschädigt. Der Kläger verlangt auf Grund der Vorschriften des Kraftfahrzeuggesetzes und auf Grund der §§ 823, 831 BGB. gesamtschuldnerische V e r urteilung der Beklagten zum Ersatz alles Schadens, der ihm durch den Unfall entstanden ist. * ) V g l . auch B d . 132 S. 2 6 2 ( 2 6 6 ) (abgedr. unter Bürgerl. Recht, Nebenges. 1 ) .

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Die Beklagten wurden vom Landgericht zu drei Vierteln, vom Berufungsgericht zur Hälfte f ü r schadensersatzpflichtig erklärt. Ihre Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Aus den G r ü n d e n : Das Berufungsgericht hält eine Haftung der Beklagten auf Grund der §5 7, 18 KraftfahrzG. für gegeben. Es nimmt an, daß der Unfall auch dann, wenn der Lastkraftwagenzug stillgestanden habe, „beim Betrieb" dieses Wagenzugs erfolgt sei. Gegen diese Annahme wendet sich mit Grund die Revision. Unstreitig stand der Wagenzug still, als der Unfall sich ereignete. Es kann unbedenklich davon ausgegangen werden, daß der Motor nicht mehr lief, da der Betriebsstoff ausgegangen war. Zur Zeit des Unfalls befand sich also der Lastkraftwagen im Zustand völliger Ruhe, und zwar gilt dies nicht nur von der äußeren Bewegung, sondern auch von der Tätigkeit des Motors. Gleichwohl ist das Berufungsgericht der Ansicht, der Unfall sei beim Betrieb des Lastkraftwagens erfolgt. Die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs habe — so führt das Urteil aus — auch in seiner Ruhelage noch insofern f o r t - und nachgewirkt, als die Versperrung des Weges durch das stillstehende Fahrzeug die unmittelbare Wirkung der gerade aus dem Kraftfahrzeugbetrieb erwachsenden und ihm eigentümlichen Gefahr gewesen sei, daß der Brennstoff ohne ein vorher bemerkbares Anzeichen ausgehen und das Fahrzeug infolgedessen an ungeeigneter Stelle plötzlich stehen bleiben und zunächst nicht mehr aus dem Wege geräumt werden konnte. Nach § § 7 , 18 KraftfahrzG. kommt eine Haftung des Halters und des Führers dann in Frage, wenn sich der Unfall „beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs" ereignet hat. Bei der Frage, wann dieser Fall vorliegt, ist zunächst davon auszugehen, daß nicht das Betriebsunternehmen als solches, etwa im Sinne von § 1 des Reichshaftpflichtgesetzes, mit in Rücksicht zu ziehen ist, sondern daß es nur auf den Betriebsvorgang des einzelnen Kraftfahrzeugs ankommt. Denn die Quelle der Gefahren f ü r den Verkehr, die den Ausgangspunkt für die Haftung nach § 1 KraftfahrzG. bildet, ist die Bewegung des einzelnen Fahrzeugs, das durch Maschinenkraft mit einer gegenüber anderen Fuhrwerken erhöhten Geschwindigkeit betrieben wird (JW. 1919 S. 104 Nr. 4). Von diesem Gesichtspunkt aus ist ein Kraftfahrzeug jedenfalls dann als in Betrieb gesetzt und im Betrieb befindlich anzusehen, wenn es entweder infolge des motorischen Antriebs schon selbst in Bewegung gesetzt oder wenn wenigstens der Motor als Kraftquelle der Bewegung in Gang gebracht ist. Der Zustand des Betriebs dauert fort, bis das Fahrzeug wieder in völlige Betriebsruhe versetzt ist (RGU. vom 29. Oktober 1921 VI 320/21). Ein Fahrzeug wird deshalb auch dann noch als in Betrieb befindlich anzusehen sein, wenn zwar eine Uebertragung der Motorkraft auf die Wagenräder wegen der Abstellung des Motors nicht mehr stattfindet, das Fahrzeug selbst aber infolge der Nachwirkung des motorischen Antriebs

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noch in Bewegung ist. Auf der andern Seite wird ein Fahrzeug nicht schon dann ohne weiteres als außer Betrieb befindlich zu gelten haben, wenn es auf einer Fahrt durch zeitweilige Abstellung des Motors vorübergehend, sei es infolge eines der Weiterfahrt entgegenstehenden Hindernisses oder zu vorübergehender Unterbrechung der Fahrt auf kürzere Zeit, zum Stillstand gekommen ist und jederzeit wieder in Betrieb gesetzt werden kann (JW. 1912 S. 650 Nr. 26; RGU. vom 29. Oktober 1921 VI 320/21). Im Streitfall handelt es sich indessen um einen gegenüber den eben erwähnten Fällen wesentlich verschiedenen Sachverhalt. Da der Betriebsstoff ausgegangen und neuer Betriebsstoff noch nidit zur Stelle war, seine Beschaffung auch geraume Zeit erforderte, war es hier ganz unmöglich, durch bewußte oder auch nur durch zufällige Einwirkung auf den Motor die motorische Kraft zu entfalten und den Wagenzug wieder in Bewegung zu setzen. Das Fahrzeug befand sich nicht in einem trotz vorhandener Fortbewegungsmöglichkeit bestehenden Zustande vorübergehender Fahrtunterbrechung, sondern war durch die tatsächlichen Verhältnisse in den Zustand völliger Betriebsruhe gelangt. Es bedeutete in diesem Zustand, in dem die Möglichkeit der Fortbewegung durch motorische Kraft ausgeschlossen war, nichts anderes als jeder leblose Gegenstand, der auf der Fahrbahn ein Hindernis bereitete. Hat sich aber der Lastkraftwagen zur Zeit des Unfalls nicht in Betrieb befunden, so kann auch nicht angenommen werden, daß sich der Unfall beim Betrieb des Wagens ereignet habe. Das Berufungsgericht meint zwar, die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs habe auch in seiner Ruhelage noch fort- und nachgewirkt. Denn der Umstand, daß das stillstehende Fahrzeug den Weg versperrt habe, sei die unmittelbare Wirkung der gerade aus dem Kraftfahrzeugbetrieb erwachsenden, ihm eigentümlichen Gefahr gewesen, daß der Brennstoff ohne ein vorher bemerkbares Anzeichen ausgehe. Infolgedessen bleibe das Fahrzeug plötzlich an ungeeigneter Stelle stehen und könne zunädist nicht mehr aus dem Wege geräumt werden. Allerdings wird unter Umständen ein Unfall auch dann als beim Betrieb des Kraftfahrzeugs erfolgt gelten können, wenn bei ihm ein Umstand ursächlich mitgewirkt hat, dessen Vorhandensein noch eine Nachwirkung des die Gefährdungshaftung begründenden Betriebs des Kraftfahrzeugs ist. Der Umstand, daß das Kraftfahrzeug mitten auf der Fahrstraße zum Stillstand gekommen ist, stellt aber keine sich aus dem Betrieb ergebende adäquate Ursache des Unfalls mehr dar, welche die vom Gesetz als besondere Folge der Gefährlichkeit des Betriebs angeordnete Haftung nach sich zieht. Wenn ein Lastkraftwagen infolge Ausgehens des Betriebsstoffs zum Stillstand kommt, so gehört das nicht zu denjenigen Eigentümlichkeiten des Kraftwagenbetriebs, die im allgemeinen als wahrscheinlich vorauszusehen sind. Der Bedarf an Betriebsstoff läßt sich im voraus errechnen, und die Fälle, in denen das Fahrzeug infolge besonders starken Verbrauchs unerwartet stillsteht, gehören nicht zu denen, die dem Kraftwagenbetrieb eigentümlich sind.

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Schuldredit, Besonderer Teil

Auch Fahrzeuge anderer Art können durch irgendwelche unerwarteten Ereignisse (Bruch von Achsen, Stürzen der Zugtiere) plötzlich zum Stehen gebracht werden. Das Stillstehen des Lastkraftfahrzeugs der Erstbeklagten war daher ein Ereignis, das nicht auf den Eintritt der dem Kraftwagenbetrieb eigentümlichen Gefahren, sondern auf ein davon verschiedenes und unabhängiges zufälliges Ereignis zurückzuführen ist. Hiernach hält das Berufungsgericht rechtsirrtümlich die H a f t u n g aus §§ 7, 18 und damit auch die Anwendbarkeit der § 17 Abs. 1 Satz 2 und § 1 8 Abs. 3 KraftfahrzG. f ü r gegeben. Eine H a f t u n g der Beklagten kann lediglich aus § 823 Abs. 1, § 831 BGB. hergeleitet werden. . . . RGZ. 125, 11 1. Wonach bestimmt sidi das Gemeinwesen, in dessen Dienst ein Beamter steht und welches deshalb für eine von diesem begangene sdiuldhafte Amtspflichtverletzung verantwortlich ist? 2. Haftet das Reich oder das Land für Amtsversehen von Beamten, welche bei den mit der einstweiligen Verwaltung der Reichswasserstraßen betrauten mittleren und unteren Landesbehörden angestellt sind? RVerf. Art. 131. Preuß. Staatshaftungsgesetz vom 1. August 1909 § 4. Staatsvertrag betr. den Uebergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich §§ 1, 11, 12. III. Z i v i l s e n a t . U r t . v. 31. Mai 1929. I. Landgericht Königsberg.

II. Oberlandesgericht

daselbst.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Oeffentliches Recht". RGZ. 125, 98*) 1. Handelt ein Polizeibeamter in Ausübung öffentlicher Gewalt, wenn er einen Kraftwagen führt, der Polizeimannsdiaft zum Uebungsschießen befördert? 2. Haftet an seiner Stelle der Staat, wenn dabei eine Person überfahren wird? RVerf. Art. 131.

Kraftfahrzeuggesetz § 18.

VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 18. April 1929. I. I.andgcricht Halle.

II. Oberlandcsgericht N a u m b u r g .

Am Morgen des 26. Mai 1925 f ü h r t e der Beklagte B., der damals als Polizeiwachtmeister bei der Schutzpolizei in H . tätig war, einen großen, mit 40 Polizeibeamten besetzten Kraftwagen durch die Straßen *) Vgl. auch Bd. 145 S. 177 (abgedr. unter Bürgerl. Recht, Ncbengcs. 1).

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der Stadt H., um die Beamten zum Uebungsschießen in die Heide zu bringen. Dabei wurde der Kläger von dem Polizeikraftwagen überfahren und schwer verletzt. Wegen der Unfallfolgen nimmt er den Führer des Wagens und das Land Preußen aus dem Kraftfahrzeuggesetz und aus unerlaubter Handlung auf Schadensersatz in Anspruch und begehrt Zahlung von Schmerzensgeld und einer Rente, sowie die Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht. Die Vorinstanzen gaben der Klage zum Teil statt. Die Revision des Beklagten B. führte zur völligen Abweisung der gegen ihn erhobenen Klage, soweit sie nicht schon rechtskräftig erledigt war. Aus den G r ü n d e n : Einer Erörterung der von dem Beklagten B. gegen das Urteil erhobenen Bedenken bedarf es nicht, da aus einem anderen, von der Revision nicht hervorgehobenen Grunde jeder Anspruch des Klägers gegen ihn entfällt. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist der Beklagte B. Beamter und handelte, als er den Kraftwagen führte und dabei den Kläger überfuhr, in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt. Zweifellos gehört das Uebungsschießen der Polizei zur öffentlichen Amtsausübung, da es die Ausbildung der Polizeimannschaft im Schießen bezweckt, die zur Erfüllung der polizeilichen Aufgaben erforderlich ist. In unmittelbarem Zusammenhang damit steht aber die gemeinsame Beförderung der Mannschaft zu den Schießständen und die Rückbeförderung. Den dazu dienenden Wagen ordnungsmäßig und unter Beachtung aller f ü r den Kraftwagenverkehr getroffenen Bestimmungen zu führen, gehörte zu den Amtspflichten des Beklagten B., die ihm auch gegenüber dem auf der Straße verkehrenden Publikum oblagen (vgl. dazu besonders RGZ. Bd. 108 S. 366 und 387*)). Gemäß Art. 131 RVerf., der nach der feststehenden Rechtsprechung des Reichsgerichts unmittelbar anzuwendendes Recht enthält (RGZ. Bd. 106 S. 34), trifft also die gesetzliche Haftung an Stelle des Beklagten B. das Land Preußen. Das hat das Berufungsgericht auch ausgesprochen, soweit es sich um das Schmerzensgeld handelt. Dagegen hat es diese Bestimmung nicht angewendet beim Sachschaden und bei der Rente, sowie bei dem weiteren Schaden, dessen Feststellung begehrt ist; diese Ansprüche hat es auf Grund des Kraftfahrzeuggesetzes zugesprochen. Dieser Umstand nötigte aber nicht zu einer anderen Beurteilung der Anwendbarkeit des Art. 131 RVerf. Nach § 18 KFG., den das Berufungsgericht angewendet hat, haftet der Führer ohne weiteres für Unfälle im Sinne des § 7, wenn er nicht nachweist, daß der Schaden nicht durch sein Verschulden verursacht ist. Daraus ergibt sich, daß das Gesetz seine Haftung anordnet, weil es sein Verschulden ohne weiteres annimmt, daß es ihm aber den Gegenbeweis offen läßt. Die Voraussetzung des Art. 131 RVerf., schuldhafte Amts*) Ferner S. 85 dieses Bandes.

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Pflichtverletzung und daraus entstehende gesetzliche Schadensersatzpflicht, ist also audi insoweit gegeben. Hinzu k o m m t hier, daß das Berufungsgericht das Verschulden des Beklagten B. ausdrücklich festgestellt und darauf auch die Haftung des Landes Preußen für das Schmerzensgeld gegründet hat. Somit haftet der Beklagte zu 1, das Land Preußen, auch insoweit an Stelle des Beklagten B., und die Haftung des letzteren gegenüber dem Kläger entfällt (soweit sie nicht schon durch das rechtskräftig gewordene Teilurteil des Landgerichts ausgesprochen ist). RGZ. 126, 28 1. . . . * ) 2. Wieweit haftet die Deutsdie Reidispost für Beschädigung körperlicher Sachen des Eigentümers eines Grundstüdes, durch dessen Luftraum sie eine Fernsprechleitung legt? ZPO. § 547. BGB. §§ 823, 839. Telegraphenwege-Gesetz vom 18. Dezember 1899 §§ 1 flg., § 12. RVerf. Art. 131. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 15. Oktober 1929. I. Landgericht Insterburg. II. Oberlandesgericht Königsberg.

Am 13. Februar 1925 ließ die Erstbeklagte, die Deutsdie Reichspost, durch einen Bautrupp, der unter Leitung des Zweitbeklagten stand, eine Fernsprechleitung über das Grundstück der Klägerin legen. Ueber den Hof der Klägerin führte eine Starkstrom- (Licht-) Leitung nadi dem Speicher; die Fernsprechleitung war über diese Starkstromleitung hinwegzulegen. Mit der Arbeit waren zwei Arbeiter der Erstbeklagten beschäftigt. Einer von ihnen warf den mit einer Zange beschwerten Draht der Schwachstromleitung über die Drähte der Lichtleitung. Dabei entstand Kurzsdiluß, der obere Draht der Starkstromleitung brannte durch, der Fernsprechdraht fiel auf den unteren Draht der Starkstromleitung. Die Pferde eines gerade in den Hof einfahrenden Fuhrwerks der Klägerin kamen mit der Drahtrolle in Berührung und wurden durch den elektrischen Schlag getötet. Die Klägerin verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz in Höhe von 1300 RM. nebst Zinsen. Das Landgericht hat den Klaganspruch gegenüber beiden Beklagten dem Grunde nach f ü r gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Zweitbeklagten zurückgewiesen, dagegen auf die Berufung der Erstbeklagten die Klage gegen sie abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben die Klägerin und der Zweitbeklagte Revision eingelegt. Die Revision der Klägerin f ü h r t e zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es die Erstbeklagte betrifft, und zur Zurückverweisung der Sache in diesem U m ») Ueberholt durch RGZ 130, 401.

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fang. Auf die Revision des Zweitbeklagten wurde die Klage gegen ihn abgewiesen. Gründe: Von den Klagegründen, welche die Klägerin gegenüber der verklagten Deutschen Reichspost ins Feld geführt hat, reicht derjenige der sog. Gefährdungshaftung am weitesten. Der Erstbeklagten stand und steht das ausschließliche Recht zu, Fernsprechlinien zu errichten (§ 1 des Ges. über das Telegraphenwesen des Deutschen Reichs vom ^ ^ i f á l R G B r w ^ § 1 des Ges. über Fernmeldeanlagen vom 14. Januar 1928, RGBl. I S. 8). Ferner steht ihr das Recht zu, zur Führung solcher Linien den Luftraum über Privatgrundstücken zu benützen, § 12 des Telegraphenwege-Gesetzes vom 18. Dezember 1899 (RGBl. S. 705). Danach war die Klägerin gesetzlich verpflichtet, die Führung der Fernsprechlinie über ihr Grundstück zu dulden. Schon hieraus glaubt sie einen Anspruch auf Ersatz ihres Schadens ableiten zu können, der von irgendeinem Verschulden der Erstbeklagten oder ihrer Leute unabhängig wäre. Träfe das zu, so wäre die Klage ohne weiteres begründet, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Parteivorbringen bedürfte. Die Rechtsauffassung der Klägerin in diesem Punkte trifft aber nicht zu. Das hat das Reichsgericht in dem Urteil RGZ. Bd. 116 S. 286 grundlegend ausgesprochen. Für den erkennenden Senat besteht kein Anlaß, von diesem Grundsatz abzugehen, und zwar um so weniger, als in § 12 Abs. 2 TelegraphenwegeG. eine Gefährdungshaftung beschränkten Umfangs eingeführt ist. Danach hat die Postverwaltung, wenn sie eine Fernsprechlinie über ein fremdes Grundstück führt, „für Beschädigungen des Grundstücks und seines Zubehörs, die infolge der Führung der Telegraphenlinie durch den Luftraum eintreten, Ersatz zu leisten". Angesichts dieser Vorschrift hätte sich die Klage vielleicht als begründet erweisen können, wenn die getöteten Pferde Zubehör des Grundstücks gewesen wären. Eine dahingehende Behauptung hat die Klägerin indessen nicht aufgestellt; Nichtausübung des richterlichen Fragerechts (§ 139 ZPO.) hat sie nicht gerügt und konnte sie während des Laufs der Revisionsbegründungsfrist nicht rügen. Von einer weiteren Erörterung dieser Frage muß mithin abgesehen werden. Im übrigen ist aus § 12 Abs. 2 TelegraphenwegeG. so viel zu entnehmen, daß das Gesetz eine Gefährdungshaftung weiteren Umfangs nicht haben will, mögen auch andere Klagegründe, wie z. B. Verschulden oder dergl., daneben bestehen können. In der Verwerfung des Klagegrundes der sog. Gefährdungshaftung durch den Berufungsrichter tritt sonach kein Rechtsirrtum zutage. Mit Recht wendet sich aber die Revision der Klägerin dagegen, daß der Berufungsrichter den Klagegrund des § 839 BGB. verworfen hat.

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

Der Berufungsrichtcr verkennt nicht, daß die Reichspostverwaltung im Gebiet des Deutschen Reiches ausschließlich das Recht zur Anlegung und Führung von Fernsprechlinien hat und daß sie daher mit der Legung solcher Linien ein Hoheitsrecht ausübt. Aber, so nimmt der Berufungsrichter an, die Pflicht, bei der Legung einer elektrischen Leitung die Gefährdung dritter Personen zu vermeiden, liege nidit im Rahmen der öffentlichen Gewalt; in Beziehung auf die Erfüllung dieser Pflicht ständen die Reichspost und ihre Leute dem Dritten nidit anders gegenüber als jede Privatperson. Das von der Klägerin behauptete Versehen des Beamten der Reichspost wäre daher nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt, sondern nur bei Gelegenheit solcher Ausübung erfolgt. Zur Unterstützung beruft sich der Vorderrichter auf die Rechtsprechung. In der T a t entsprechen die von ihm aufgestellten Sätze einer ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts und der überwiegenden Meinung der Rechtslehre. Aber diese Rechtsprechung bezieht sich — das hat der Berufungsrichter übersehen — auf das Verhältnis der Reichspost zu unbeteiligten dritten Personen. Insoweit beabsichtigt auch der erkennende Senat nicht, von jener Rechtsprechung abzugehen, will vielmehr an ihr festhalten. Hier steht aber nicht das Verhältnis der Reichspost zu einem unbeteiligten Dritten in Frage, sondern das Verhältnis zum Eigentümer des Grundstücks, über das die Leitung gelegt wurde. Zur Klägerin als der Eigentümerin des Grundstücks ist die Erstbeklagte nur vermöge ihres Hoheitsrechts zur ausschließlichen Legung von Leitungen in eine Rechtsbeziehung getreten. Folgeweise ergab sich auch die Pflicht, jede Beschädigung des Eigentümers zu vermeiden, unmittelbar aus der von Rechts wegen bestehenden hoheitsreditlichen Beziehung, und es ist angesichts des nun einmal bestehenden Rechtsgrundsatzes des Art. 131 RVerf. nidit einzusehen, warum diese mit dem Hoheitsredit unmittelbar verbundene Pflicht aus dem Rahmen der öffentlichen Gewalt herausfallen und bürgerlichrechtlicher N a t u r sein soll. Wie in ständiger Rechtsprechung anerkannt ist (vgl. aus neuerer Zeit R G Z . Bd. 101 S. 355, Bd. 107 S. 271), ist als „Ausübung öffentlicher Gewalt" (Art. 131 RVerf.) jede Amtsausübung, d. h. jede dienstliche Betätigung eines Beamten des Reiches oder eines Landes oder einer sonstigen mit der Wahrnehmung von Hoheitsrediten betrauten öffentlidirechtlidien Körperschaft anzusehen, die sich nicht als Wahrnehmung bürgerlichreditlidier Belange des Reiches, Staates usw. darstellt. Für die Deutsche Reichspost im besonderen ist anerkannt, daß sie zwar auf der einen Seite auch gemeinnützige Zwedce verfolgt, andernteils aber zugleich darauf abzielt, dem Reiche Einnahmen zu verschaffen. Mit Rücksicht auf den letzteren Zweck und auf die Art und Weise ihrer geschäftlichen Betätigung pflegt man daher ständig und zutreffend den Geschäftskreis der Postverwaltung insoweit als bürgerlichrechtlich anzusehen, als ihr Betrieb

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im Abschluß und in der Ausführung von Verträgen über Beförderung von Briefen, Paketen, Geldsendungen, in der Lieferung von elektrischer Kraft für Fernmeldeanlagen und in Geldgeschäften ähnlich denen des sonstigen, z. B. des bankmäßigen Verkehrs besteht*). Zum bürgerlichrechtlichen Aufgabenkreis pflegt man audi diejenigen Verkehrspflichten zu rechnen, die der Reichspost in Erfüllung ihrer bürgerlidirechtlichen Aufgaben gegenüber Dritten, namentlich Straßenpassanten, in Absicht auf deren tunlichste Sicherung vor den Gefahren des Verkehrs obliegen. Auf Fälle dieser Art bezieht sich die mehrerwähnte ständige Rechtsprechung, von der abzugehen nicht in der Absicht des Senats liegt. Aber gerade von diesem Standpunkt aus ist nicht anzuerkennen, daß dem der Fall gleichzustellen wäre, wo die Reichspost zu dem verpflichteten Grundstückseigentümer nur auf Grund ihres Hoheitsrechts zur ausschließlichen Führung von Fernmeldelinien in Rechtsbeziehung tritt. Die Führung einer Fernmeldelinie über ein fremdes Grundstück, also durch den Luftraum, der noch z u dem Privatgrundstück gehört (§ 905 BGB.), ist nicht eine Handlung, die dem bürgerlichrechtJfchen Verkehr angehört; sie soll vielmehr nur die Vorbedingungen für die künftige Eröffnung eines solchen schaffen, ist aber selbst unmittelbarer Ausfluß des Hoheitsrechts. Sie bleibt das auch, selbst wenn sie im einzelnen Fall nicht gegen den Willen des Grundeigentümers geschieht, ja selbst wenn der Grundstückseigentümer — wie dies hier die Erstbeklagte behauptet hatte — die sog. Hausbesitzer-Erklärung abgegeben haben sollte. Denn diese Erklärung ermächtigt die Postverwaltung, über § 12 TelegraphenwegeG. hinaus das Grundstück selbst — nicht bloß den L u f t r a u m darüber — zu benutzen. Mögen auch die durch die Hausbesitzer-Erklärung geschaffenen Rechtsbezichungen bürgerlichrechtlich sein, so bleibt doch der Eingriff in den L u f t r a u m Hoheitsakt und damit öffentlichrechtlich. Er vermag daher zunächst nur öffentlichrechtliche Beziehungen zu schaffen, kann daher auch v o m Standpunkt der erwähnten Rechtsprechung aus nicht mehr der bürgerlichrechtlichen Betätigung der Post zugerechnet werden. Diesem Ergebnis läßt sich auch nicht, wie der Berufungsrichter anscheinend meint, mit der Erwägung begegnen, daß die Beamten der Reidispost die schädigende Handlung nicht in Ausübung ihres Amtes, sondern nur bei Gelegenheit der Amtsausübung begangen hätten. Ob eine Handlung in Ausübung oder nur bei Gelegenheit der Ausübung öffentlicher Gewalt begangen ist, bemißt sich danach, ob zwischen der Amtsausübung und der schädigenden Handlung ein hinreichend enger Zusammenhang bestand, R G Z . Bd. 101 S. 355, Bd. 104 S. 289. Im gegenwärtigen Falle steht die schädigende Handlung in so engem und unmittelbarem Zusammenhang mit der Legung der Leitung, also mit der hoheitsrechtlichen Handlung, daß sie unverkennbar nicht bloß bei Ge')

V g l . aber jetzt Bd. 161 S. 174 (176 f l g . )

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Schuldredic, Besonderer Teil

Iegenheit, sondern geradezu in Ausübung der öffentlichen Gewalt begangen ist. Auf Grund dieser Erwägungen ist der Klaganspruch gegen die verklagte Deutsche Reichspost auf Grund des § 839 BGB. und des Art. 131 RVerf. schlüssig begründet. Das Berufungsurteil erweist sich mithin als unhaltbar, soweit es die Klage gegen die Erstbeklagte abgewiesen hat, nicht minder aber auch, soweit es den Zweitbeklagten verurteilt hat. Denn neben der Haftung der Deutschen Reichspost ist für eine Haftung des schuldigen Beamten selbst kein Raum. Daher mußte auf die Revision des Zweitbeklagten das angefochtene Urteil aufgehoben und die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen werden. Der Erstbeklagten gegenüber kommt es auf die Klagegründe der §§ 31, 89 BGB. und des § 831 BGB. nicht mehr an. Die Annahme des Berufungsrichters, daß sich der Beamte G. (der Zweitbeklagte) einer fahrlässigen Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht habe, läßt keinen Rechtsirrtum erkennen und wird audi von der Erstbeklagtcn nicht in Zweifel gezogen. Offen bleibt dagegen der Einwand, daß bei der Entstehung des Schadens ein eigenes Verschulden der Klägerin mitgewirkt habe. Diesen Einwand hat der Berufungsrichter gegenüber der Erstbeklagten überhaupt nicht beschieden, weil er das von seinem Standpunkt aus nicht nötig hatte. Gegenüber dem Zweitbeklagten hat der Berufungsrichter den Einwand verworfen. Da sich auch die Erstbeklagte hilfsweise auf den Einwand berufen hat, bedarf er jetzt der Bescheidung. Die Ausführungen, mit denen der Vorderrichter den Einwand (dem Zweitbeklagten gegenüber) verworfen hat, sind nicht frei von Rechtsirrjum. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob und in welcher Weise etwa auch die Klägerin eine ihr obliegende Pflicht (zur Anmeldung der Starkstromleitung) versäumt habe; denn, so erwägt es, jedenfalls sei das Verschulden des Beamten dergestalt überwiegend, daß es sich rechtfertige, die Klägerin von jedem Anteil am Schaden freizustellen. Damit hat der Berufungsrichter rechtsirrtümlicherweise zwischen dem festgestellten Verschulden des Beamten und einem nicht festgestellten, sondern nur unterstellten Verhalten der Klägerin einen Vergleich gezogen (WarnRspr. 1914 Nr. 327, 1915 Nr. 202, 1919 Nr. 199, 1920 Nr. 159 und sonst). Die rechtliche Mangelhaftigkeit eines solchen Verfahrens tritt hier darin zutage, daß die Möglichkeit besteht, die Leute der Erstbeklagten hätten sich, wenn sie schon vorher über das Vorhandensein einer Starkstromleitung ausreichend unterrichtet gewesen wären, besser auf die Sache eingestellt und sich z. B. besser mit Schutzmitteln zur Abwendung von Gefahren ausgerüstet. Zur Verhandlung und Entscheidung über diesen Einwand ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Staats- und Beamtenhaftung

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RGZ. 126, 362 Kann der Staat, der aus Dienstverfehlungen eines Beamten gemäß Art. 131 -RVerf. auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden ist, sich seinerseits an dem Beamten schadlos halten, wenn dessen Amtspflichtverletzung eine Folge seiner Arbeitsüberbürdung ist? RVerf. Art. 131. Pr. ALR. §§ 88, 89 II 10. BGB. §§ 276, 839. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 10. Dezember 1929. I. Landgericht Lyck. II. Oberlandesgericht Königsberg.

Der Beklagte, der seit dem 1. Januar 1926 als Gerichtsvollzieher kraft Auftrags in L. tätig war, ließ einen am 26. Februar 1926 bei ihm eingegangenen Zwangsvollstreckungsauftrag der Firma van D. & Co. gegen die Firma K. in L. — ungeachtet der Erinnerung der Gläubigerin vom 15. März 1926 — unbearbeitet und sandte ihn am 19. März 1926, unmittelbar nachdem die Schuldnerin die Anordnung der Geschäftsaufsicht beantragt hatte, unerledigt an die Gläubigerin zurüdc. Der Kläger, der diese wegen ihres Ausfalls beim Zwangsvergleich in Höhe von 244,35 RM. schadlos gehalten hat, nimmt den Beklagten auf Ersatz dieser Summe nach Maßgabe der §§ 88, 89 II 10 Pr. ALR. in Anspruch. Der Beklagte bestritt ein Verschulden seinerseits unter Hinweis auf seine dauernde, seiner vorgesetzten Dienststelle bekannt gewesene Ueberlastung. Das Landgericht gab der Klage im wesentlichen statt; das Oberlandesgericht wies sie ab. Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Gründe: Gegen die Firma K. sind im Februar 1926 insgesamt 11 und im folgenden Monat 8 Vollstreckungsaufträge beim Beklagten eingegangen. Bis zum 19. März 1926 hatte er von den Februar-Aufträgen 7, von den März-Aufträgen dagegen keinen erledigt. Am 13. März suchte er zur Durchführung eines am 24. Februar erhaltenen Vollstreckungsauftrags die Geschäftsräume der genannten Schuldnerin auf, ohne zu berücksichtigen, daß in seinem Büro noch verschiedene andere gegen sie gerichtete Vollstreckungsaufträge, darunter ein schon am 20. Februar eingegangener, ihrer Erledigung harrten. Alles das hat das Landgericht zu der Feststellung veranlaßt, daß der Beklagte planlos und nachlässig gearbeitet habe und deshalb, da ihm Ueberlastung als Entschuldigungsgrund für diese Planlosigkeit nicht zur Seite stehe, für den durch seine Fahrlässigkeit der Firma van D. & Co. entstandenen und ihr vom Kläger ersetzten Schaden diesem gegenüber aufkommen müsse. Ganz anders hat das Oberlandesgericht die Sachlage beurteilt. Es hält die Säumnisse des Beklagten durch seine geschäftliche Ueberlastung für entschuldigt. Der Berufungsrichter rechnet es dem Beklagten zunächst zugute, daß er am 1. Januar 1926 als Neuling ohne praktische Erfahrung

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auf diesem Gebiete die Geschäfte eines Gerichtsvollziehers übernommen habe und daß seine Zeit daher vielfach durch die Notwendigkeit der Einarbeitung und der Schulung seines gleichfalls noch ungeübten Büropersonals in Anspruch genommen worden sei. Für sich allein würde das freilich zur Entschuldigung des Beklagten nicht ausreichen. Denn wer ein Amt übernimmt, muß im allgemeinen die zu seiner Ausübung erforderlichen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen besitzen. Unter einem nach diesen Richtungen hervortretenden, die pflichtmäßige Amtsführung hemmenden Mangel darf das redit- und hilfesuchende Publikum nicht leiden. Immerhin können aber auch diese Umstände im Zusammenwirken mit einer etwaigen Dienstüberbürdung des Beklagten zu seiner Entlastung mitverwendet werden (RGZ. Bd. 77 S. 428). Ueber seine dienstliche Beschäftigung stellt das Oberlandesgericht folgendes fest. Das Tätigkeitsgebiet des Beklagten erstreckte sich nicht nur auf einen Teil der Stadt L., sondern auch auf einen nicht unbedeutenden ländlichen Bezirk, dessen Bearbeitung allein für Abhaltung von Versteigerungsterminen zwei Tage in der Woche beanspruchte und infolge der ungünstigen Lage der einzelnen Ortschaften, der schlechten Wegverhältnisse und der durch die Jahreszeit hervorgerufenen Erschwernisse hohe Anforderungen an den Körper und die Arbeitszeit des Beklagten stellte. Der Beklagte übernahm bei seinem Amtsantritt 161 unerledigte Vollstreckungsaufträge. Dazu traten an solchen in der Zeit vom 1. Januar bis zum 19. März 1926 noch weitere 905. Im gleichen Zeitraum wiesen das Dienstregister I des Beklagten 232 Zustellungsaufträge, die Beitreibungsliste 239 und die Vollstreckungsliste 42 Nummern auf. Unter den geschilderten Umständen bedeuteten diese Aufträge, wie das Oberlandesgericht weiter ausführt, eine derartige Ueberlastung, daß sie auch mit der äußersten Anspannung aller Kräfte im ordnungsmäßigen Geschäftsgang nicht zu erledigen waren, daß sie eine sorgfältige Ueberwachung des Büropersonals unmöglich machten und eine sachgemäße Bearbeitung aller Dienstgeschäfte schlechthin ausschlössen. Wie der Staat einerseits von seinen Beamten erwarten kann und muß, daß sie der Erfüllung ihrer Amtspflicht die genaueste und gewissenhafteste Aufmerksamkeit und Sorgfalt widmen und jedes, auch das kleinste vermeidbare Versehen vertreten (§§ 88, 89 II 10 Pr. ALR.), so folgt anderseits aus seiner Treu- und Fürsorgepflicht den Beamten gegenüber, daß er von ihnen nicht Leistungen verlangen darf, deren Größe und Umfang eine pilichtmäßige Geschäftsführung nicht zulassen, die an normale Kraft und Arbeitsfähigkeit zu stellenden Anforderungen bei weitem übersteigen und die körperliche und geistige Spannkraft der Beamten hemmen und lähmen. Geschieht es doch und kommt der Staat der Bitte um Abhilfe nicht nach, so kann bei einer dienstlichen Verfehlung, die in der Ueberlastung ihre Ursache und Wurzel hat, von einem Verschulden des Beamten — wenigstens der Regel nach — nicht gesprochen werden.

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Im vorliegenden Fall haben nicht nur das Berufungsgericht, sondern auch der Aufsichtsrichter des Amtsgerichts L. und der Landgerichtspräsident daselbst die außerordentlich schwere Ueberlastung des Beklagten anerkannt. Der letztere hat in seinem Bescheid vom 26. Mai 1926 ausgeführt, daß die Nichterledigung sämtlicher gegen die Firma K. eingegangenen Zwangsvollstreckungsaufträge mit dem außergewöhnlichen Andrang der Dienstgeschäfte zu entschuldigen sei. N u n können freilich die dazu berufenen Organe des Staates nicht in jedem Augenblick den Geschäftsbetrieb jedes einzelnen Gerichtsvollziehers übersehen und überwachen. In L. war aber infolge der Währungsfestigung und der dadurch hervorgerufenen Wirtschaftskrise die Zahl der Zwangsvollstreckungen im Jahre 1925 derart angeschwollen, daß sie von den damals im Amt befindlichen Gerichtsvollziehern nicht mehr bewältigt werden konnten und eine Stellenvermehrung unbedingt nötig machten. Infolgedessen wurde der damalige Assistent R., der Beklagte, mit der Wahrnehmung von Gerichtsvollzieher-Geschäften betraut. Schon sehr bald erkannte er jedoch, daß diese auch ihm über den Kopf wuchsen und eine ordnungsmäßige Erledigung nicht mehr zuließen. Er tat nunmehr das, was seine Pflicht ihm gebot (vgl. R G Z . Bd. 96 S. 147) und was zugleich das einzige war, das er tun konnte: er wandte sich bereits im Februar 1926 an den Aufsichtsrichter, stellte ihm vor, daß er mit seinen Geschäften nicht fertig werden könne, und ersuchte um Abhilfe. Ihm wurde aber der Bescheid, er, der Aufsichtsrichter könne nach so kurzer Zeit nicht schon wieder um Abhilfe wegen Geschäftsüberhäufung bitten; der Beklagte möge daher mit verstärkter Kraft die Geschäfte weiterführen und, wenn erforderlich, später wieder vorstellig werden. Der Aufsichtsriditer hat auch der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß der Beklagte in der kritischen Zeit um eine sorgfältige Erledigung seiner Amtspflichten eifrig bemüht gewesen sei. N u n ist es zwar an sich denkbar, daß eine Amtspflichtverletzung trotz der Arbeitsüberhäufung des Beamten nicht als deren Folge, sondern nach Lage des Falles doch als schuldhafte Unaufmerksamkeit angesehen werden muß. Eine solche findet die Revision darin, daß der Beklagte, als er am 13. März 1926 einen Vollstreckungsauftrag wider die Firma K. aus- und durchführte, andere Vollstreckungsaufträge gegen sie, darunter den der Firma van D. Sc Co., unberücksichtigt ließ, obschon deren Miterledigung keine nennenswerte Mühe und Mehrarbeit verursacht hätte. Das letztere verkennt aber der Berufungsrichter nicht; er läßt auch nicht außer acht, daß das Verhalten des Beklagten unverständig und pflichtwidrig gewesen wäre, wenn er — was die Revision unterstellt — seinen Betrieb und seine Eingänge einigermaßen gekannt und an die anderen wider die Firma K. noch schwebenden Vollstreckungsaufträge gedacht hätte. Gerade aber ihre Nichtbeachtung sowie die mangelnde Uebersicht über die Dienstregister und die Kopf- und Planlosigkeit bei der Arbeitseinteilung führt er lediglich auf die durch übermäßige Inanspruchnahme Zivil;. Srliulilrcdit

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s

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des Beklagten verursachte Herabsetzung seiner körperlichen und geistigen Spannkraft, also mittelbar auf die geschilderte Ueberlastung in Verbindung mit der Zuweisung städtischer und schwer zu bearbeitender ländlicher Bezirke zurück. Diese ganz auf tatsächlichem Gebiete liegenden Feststellungen rechtfertigen die Verneinung eines Verschuldens des Beklagten. Diese Verneinung ist den Angriffen der Revision nicht zugänglich und kann auch nicht erschüttert werden durch die Erwägungen, aus denen die Revision schließen will, daß das Verhalten des Beklagten eine von seiner Ueberlastung unabhängige Nachlässigkeit darstelle. Unbegründet ist auch der Vorwurf, der Beklagte hätte dem Aufsichtsrichter genau darlegen müssen, welche Geschäfte er nicht erledigen könne. Nachdem der Beklagte seine Geschäftsüberbürdung einmal amtlich gemeldet hatte, war es Pflicht des Aufsichtsrichters, sie sich näher erläutern und begründen zu lassen, wenn er sachlich auf sie eingehen wollte. Das wollte er aber damals nicht, wie aus seinem dem Beklagten erteilten Bescheid erhellt. Deshalb war es auch, im Gegensatz zu der Annahme der Revision, dem Beklagten nicht zuzumuten, sich vor Ablauf einiger Wochen, insbesondere vor Eintritt des Schadens der Firma van D. & Co., nochmals an den Aufsiditsrichter zu wenden und die Bitte um Entlastung zu wiederholen. Dem Berufungsrichter fällt somit kein rechtlicher Verstoß zur Last. R G Z . 127, 153 1. Wer ist bei Amtspfliditverletzungen von Handelsregisterführern als Dritter im Sinne des Art. 131 RVerf. und des $ 839 BGB. anzusehen?

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III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 24. Januar 1930. Die Entscheidung gesetzbuch".

ist abgedruckt unter „Handelsrecht,

Handels-

RGZ. 129, 37 Welchen Personen gegenüber verletzt der Prozeßrichter seine Amtspflicht, wenn er bei der Beurkundung eines Prozeßvergleichs für eine Partei einen Vertreter ohne gehörige Prüfung der vorgezeigten Vollmacht zuläßt und über deren Inhalt falsche Angaben in das Protokoll aufnimmt? ZPO. §§ 80, 88 Abs. 2, §§ 418, 500, 794 flg. BGB. § 839.

RVerf. Art. 131.

III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 13. Mai 1930. Die Entscheidung prozeßordnung".

ist

abgedruckt

unter „Verfahrensrecht,

Zivil-

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RGZ. 131, 12 Inwieweit ist der Kaufmann verpflichtet, die Mitteilung des Registergeridits über die Vornahme einer von ihm beantragten Eintragung in das Handelsregister auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit nachzuprüfen? BGB. §§ 276, 839 Abs. 3. HGB. § 25. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 25. November 1930. Die Entscheidung gesetzbuch".

ist abgedruckt unter „Handelsrecht, Handels-

RGZ. 133, 137 f 1. . . . » ) 2. Wann trifft einen richterlidien Beamten bei unrichtiger Gesetzesauslegung ein Verschulden?**) Preuß. ALR. §§ 88 bis 91 II 10.

BGB. S 839.

III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 9. Juni 1931. I. Landgericht Lüneburg.

II. Oberlandesgericht Celle.

Für die Verschuldensfrage ist zu beachten, daß richterliche Beamte nicht schon deswegen in Anspruch genommen werden können, weil sich ihr Vorgehen im Einzelfall bei späterer Prüfung als unzweckmäßig oder falsche erweist. Eine unrichtige Gesetzesauslegung durch einen Richter stellt nur dann ein Verschulden dar, wenn gegen den klaren, bestimmten und völlig eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verstoßen worden ist. Ein Verschulden ist dagegen zu verneinen, wenn eine unrichtige Stellungnahme bei Gesetzesbestimmungen erfolgt, die für die Auslegung Zweifel in sich tragen, Unklarheiten über die Tragweite des Wortlauts enthalten und durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht klargestellt worden sind (RGZ. Bd. 59 S. 388, Bd. 85 S. 72, Bd. 107 S. 120; RGUrt. vom 19. Januar 1909 III 180/08 und vom 31. März 1931 III 286/30 mit weiteren Nachweisungen) RGZ. 133, 249 1. Kann der Beamte, der einen Gehaltsvorschuß erhalten hat, einwenden, die spätere Einbehaltung von unpfändbaren Gehaltsteilen zur Abtragung dieses Vorschusses sei eine unzulässige Aufrechnung? 2. Kann ein Beamter, der seine Dienststelle zum Zweck der Tilgung von Schulden bei einer Beamtenbank unwiderruflich angewiesen hat, seine Bezüge auf die Bank zu überweisen, diese Anweisung widerrufen, wenn es sich um unpfändbare Bezüge handelt? * ) Geringere Bedeutung. * * ) Leitsatz ist etwas anders gefaßt. 5»

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Sdiuldrecht, Besonderer Teil

3. Wird der Beamte dadurch ungerechtfertigt bereichert, daß ihm die Bank die ihr trotz des Widerrufs von der Behörde überwiesenen Bezüge gutbringt? B G B . §§ 134, 183, 362 Abs. 2, §§ 394, 400, 812. III. Z i v i l s e n a t .

ZPO. § 850.

Urt. v. 3. Juli 1931.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter r Oeffentliches Recht". R G Z . 134, 178 Kommt es wegen des Ausschlusses der Verantwortlichkeit einer öffentlichen Körperschaft für die Beamten, die ausschließlich auf den Bezug von Gebühren angewiesen sind, darauf an, ob die Gebühren aus der öffentlichen Kasse oder unmittelbar von den Beteiligten zu zahlen sind? B G B . § 839. Preuß. Staatshaftungsgesetz v. 1. August 1909 § 1 Abs. 3, § 4. III. Z i v i l s e n a t . U r t . v. 20. November 1931. I. Landgericht Verden.

I I . Oberlandesgericht

Celle.

D e r Arbeiter W . war von der verklagten preußischen Landgemeinde als Vollziehungsbeamter angestellt. E r erhielt kein Gehalt, sondern bezog lediglich Gebühren für die Ausführung der Vollziehungsaufträge. V o n eingezogenen Staatssteuern hat er den Betrag von 551,71 R M . unterschlagen. Der klagende Staat fordert den Ersatz dieses Betrags von der Beklagten. E r wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Seine Revision blieb ohne Erfolg. Gründe: Art. 131*) R V e r f hat die grundsätzliche Haftung der öffentlichen Körperschaften für Amtspflichtverletzungen ihrer Beamten eingeführt, im Abs. 2 aber die nähere Regelung der zuständigen Landesgesetzgebung überlassen. Diese Regelung ist in Preußen durch das auf Grund des Art. 77 E G . z. B G B . ergangene Gesetz vom 1. August 1909 (GS. S. 691) erfolgt. § 1 Abs. 3 in Verb, mit § 4 dieses Gesetzes hat die Verantwortlichkeit der öffentlichen Körperschaften ausgeschlossen „bei Beamten, die ausschließlich auf den Bezug von Gebühren angewiesen sind, sowie bei solchen Amtshandlungen anderer Beamten, für welche die Beamten eine besondere Vergütung durch Gebühren von den Beteiligten zu beziehen haben". Der Streit der Parteien geht nun darum, ob der V o l l ziehungsbeamte der Beklagten, W . , unter die erste der beiden von der Haftung der öffentlichen Körperschaften ausgenommenen Beamtengruppen fällt. Der Kläger vertritt die Ansicht, daß der Begriff der G e bühren bei beiden ausgenommenen Beamtengruppen derselbe sei und nur solche Gebühren umfasse, welche der Beamte nicht aus der Kasse *)

Vgl. jetzt Art. 34 des Bonner Grundges.

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der öffentlichen Körperschaft, in deren Diensten er stehe, sondern unmittelbar von den an der Amtshandlung beteiligten Personen zu beziehen habe; der Unterschied zwischen den beiden ausgenommenen Beamtengruppen bestehe deshalb darin, daß die eine Gruppe lediglich Gebühren von den Beteiligten, die andere daneben auch noch Gehalt von der öffentlichen Körperschaft beziehe. Die Beklagte meint dagegen, das Gesetz unterscheide zwischen solchen Beamten, die ausschließlich auf den Bezug von Gebühren angewiesen seien, gleichgültig ob sich der Gebührenanspruch des Beamten gegen die an der Amtshandlung Beteiligten oder gegen die öffentliche Körperschaft richte, und solchen Beamten, die neben Gebühren auch Gehalt bezögen; es nehme von der Haftung der öffentlichen Körperschaft jene schlechthin, diese aber nur f ü r solche Amtshandlungen aus, f ü r welche sie die besondere Vergütung durch eine Gebühr unmittelbar von den Beteiligten zu beziehen hätten. Der Wortlaut des Gesetzes spricht f ü r die Auffassung der Beklagten. Denn bei der ersten Gruppe der ausgenommenen Beamten ist von Gebühren ohne näheren Zusatz die Rede, bei der zweiten dagegen von Gebühren, die der Beamte als besondere Vergütung „von den Beteiligten" zu beziehen hat. Sollte der Gesetzgeber bei der ersten Gruppe der Beamten, die ausschließlich auf den Bezug von Gebühren angewiesen sind, ebenfalls nur solche Gebühren im Auge gehabt haben, die der Beamte von den Beteiligten unmittelbar zu beziehen hat, so könnte schon fraglich sein, ob eine solche Absicht überhaupt genügenden Ausdruck im Gesetz gefunden hätte und ob ihre Berücksichtigung nicht schon dadurch ausgeschlossen wäre, daß der klare Gesetzeswortlaut entgegenstände. Doch auch die Entstehung des Gesetzes läßt keinen Zweifel daran, daß die Auffassung der Beklagten die richtige ist. In der Regierungsvorlage hatte der Absatz 3 des § 1 wie folgt gelautet: „Die Verantwortlichkeit des Staates ist ausgeschlossen bei solchen Amtshandlungen, f ü r welche der Beamte Gebühren lediglich von den Beteiligten zu beziehen hat." Bei derartigen Amtshandlungen — so führte die Begründung (Drucks. N r . 32 des AbgHauses 21. Legislaturperiode II. Sess. 1908/09 S. 11) aus — hätten die Beteiligten meist die Wahl, an welchen Beamten sie sich wenden wollten. Auch überwiege dabei im allgemeinen ihr Privatinteresse. Deshalb solle die Ausnahme nur Platz greifen, wenn der Beamte, wie vor allem der Notar, die Gebühr von den Beteiligten unmittelbar f ü r sich zu beziehen habe, und sie umfasse nicht die Fälle, wo er zwar auf Gebühren angewiesen sei, diese aber aus der Staatskasse erhalte, wie das namentlich bei den Gerichtsvollziehern der Fall sei. In der Kommission des Abgeordnetenhauses wurden dazu zwei Abänderungsanträge gestellt. Der erste enthielt keine sachliche Aenderung, sondern sollte den Gedanken des Entwurfs nur noch schärfer ausdrücken. Er wurde zurückgezogen zugunsten des zweiten Antrags. Dieser bezweckte eine sachliche Aenderung, und ihm entspricht die Fassung des Gesetzes.

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Die Beratung des Antrags f ü h r t e z u r E r ö r t e r u n g der Stellung der Fleischbeschauer, die damals die Gebühren, auf die sie allein angewiesen waren, in manchen Orten unmittelbar von den Beteiligten, in anderen dagegen aus der öffentlichen Kasse bezogen. Für sie f ü h r t e ein Kommissar des Justizministeriums folgendes aus: Die Ungleichheit der Rechtslage bei den verschiedenen Arten dieser Beamten werde durch die vorgeschlagene (und dann angenommene) Fassung des Gesetzes beseitigt, da es nach ihr bei Beamten, die ausschließlich auf den Bezug von Gebühren angewiesen seien, keinen Unterschied machen solle, ob der Beamte die Gebühren unmittelbar von den Beteiligten oder aus einer öffentlichen Kasse zu beziehen habe. Die Staatsregierung sehe hierin eine Verbesserung des Entwurfs. Denn bei den lediglich auf Gebühren angewiesenen Beamten rechtfertige sich die Ausschließung der Staatshaftung allgemein dadurch, daß diese Beamten namentlich in bezug auf die Aufsicht in einem wesentlich lockerern Verhältnis zum Staat usw. ständen als die besoldeten Beamten (KommBer. des AbgHauses Drucks, a. a. O. N r . 354 A S. 4 u n d S. 7). Hier ist mit aller Deutlichkeit die mit der beantragten Aenderung der Regierungsvorlage verfolgte Absicht zum Ausdruck gebracht, sämtliche ausschließlich auf Gebühren angewiesenen Beamten ohne Rücksicht darauf, wem gegenüber der Gebührenanspruch besteht, von der H a f t u n g der öffentlichen Körperschaft auszunehmen. D a f ü r ist als G r u n d , der auf alle n u r auf Gebühren angewiesenen Beamten zutrifft, angegeben worden, daß solche Beamte in einem lockerern Verhältnis zur öffentlichen Körperschaft ständen als diejenigen, die auch oder nur ein festes Gehalt bezögen. Bei den Beratungen der Kommission des Herrenhauses sind dann zwar Bedenken geäußert worden, ob gerade die städtischen Vollziehungsbeamten unter die H a f t u n g der Städte fielen, weil sie Gebühren bezögen, und der Regierungskommissar hat die H a f t u n g der Städte gerade daraus hergeleitet, daß diese Beamten die Gebühren nicht unmittelbar von den Beteiligten, sondern aus der öffentlichen Kasse bezögen. Dabei ging man aber, wie der Kommissionsbericht ergibt, davon aus, daß der städtische Vollziehungsbeamte neben den Gebühren auch Gehalt beziehe. Bei einem solchen Vollziehungsbeamten konnte allerdings das durch den Regierungskommissar dann beseitigte Bedenken entstehen, ob er nicht f ü r die Amtshandlungen, f ü r die er Gebühren erhält, aus der H a f t u n g der Stadt herausfalle (KommBer. des Herrenhauses 1908/09 Drucks. N r . 139 S. 4 Abs. 2 u n d 18 flg.). D e r im Dienste der Beklagten stehende Vollziehungsbeamte W . ist aber nicht mit Gehalt angestellt, sondern ausschließlich auf Gebühren angewiesen. D a ß er aus der H a f t u n g der Beklagten herausfällt, weil er zu der im § 1 Abs. 3 von der H a f t u n g ausgenommenen ersten Beamtengruppe gehört, kann demnach nicht zweifelh a f t sein. Bei ihm ist es gleichgültig und k a n n daher unerörtert bleiben, o b er die Gebühren aus der öffentlichen Kasse oder unmittelbar von den Beteiligten zu beanspruchen hat.

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RGZ. 134, 237 1. Zur rechtlichen Natur der Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins. 2, Inwieweit kann bei einem auf das Durchgehen eines Pferdgespanns zurückzuführenden Unfall von einem typischen Geschehensablauf die Rede sein? RVerf. Art. 131. BGB. § 839. ZPO. § 286. IX. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 7. November 1931. I. Landgericht Königsberg. II. Oberlandesgericht daselbst.

Am 20. April 1929 gegen 8 Uhr morgens wurde der Kläger auf der von P. nach G. führenden Chaussee von einem durchgehenden Gespann einer Fahrabteilung der Reichswehr vom Fahrrad geworfen und verletzt. Er nimmt das Deutsche Reich als Tierhalter sowie wegen Dienstpflichtverletzung der beteiligten Reichswehrangehörigen bei Ausübung der ihnen anvertrauten öffentlichen Gewalt auf Zahlung von 2655 RM. (für entgangenen Arbeitsverdienst und Schmerzensgeld) sowie auf Feststellung in Anspruch, daß ihm der Beklagte allen durch den Unfall entstandenen Schaden zu ersetzen habe. Der Beklagte bestreitet jede Haftung. Das Landgericht hat durch Teilurteil den Beklagten zur Zahlung von 100 RM. Schmerzensgeld verurteilt und dem Feststellungsantrag entsprochen. Der Beklagte hat gegen das seine Berufung zurückweisende oberlandesgerichtliche Urteil Revision eingelegt. Diese führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Das Berufungsgericht verneint die Haftung des Beklagten aus § 833 BGB., weil der Nachweis erbracht sei, daß der Beklagte als Tierhalter bei Beaufsichtigung der Pferde die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe. Dagegen bejaht es die Haftung des Beklagten aus Art. 131 RVerf. auf Grund folgender Erwägungen: Am 20. April 1929 vormittags habe auf der Straße von P. nach G. eine Fahrübung von Fahrzeugen der 3. Eskadron der 1. Fahrabteilung im Zuge stattgefunden, die von dem Leutnant K. geleitet worden sei und an der 6 bis 8 Fahrzeuge teilgenommen hätten. Kurz vor dem Unfall sei »Halt" befohlen worden. Zu diesem Zwecke seien die Fahrzeuge in der Richtung nach P. scharf rechts an die Seite der Chaussee gefahren. Das letzte Fahrzeug sei das des Obergefreiten S. gewesen. S. habe die Bremse des Wagens so weit angezogen, bis er einen Widerstand verspürte; er sei dann abgestiegen, habe die Pferdeleine durch den Leinenring an der linken Seite des linken Pferdes gezogen, habe das Gespann untersucht, dem vorgesetzten Unteroffizier Meldung gemacht und sei dann zwischen sein Gespann und das vor ihm stehende getreten. Dabei habe er etwa einen halben Schritt vor dem rechten Pferd seines Gespanns gestanden. Dieses

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P f e r d sei das u n r u h i g e r e v o n beiden g e w e s e n . D e r B e g l e i t m a n n habe sich nicht b e i m Fahrzeug b e f u n d e n . D e r O b e r g e f r e i t e R . habe m i t d e m v o n i h m g e f ü h r t e n K o l o n n e n w a g e n der K o l o n n e nidit f o l g e n k ö n n e n , sondern sei noch e t w a 100 m h i n t e r ihr g e w e s e n , als die K o l o n n e bereits g e h a l t e n habe. Er habe sie d a n n e i n g e h o l t u n d sei z u r weiteren G e w ö h n u n g seiner Pferde an ihr v o r b e i g e f a h r e n , w e i l er die Pferde gerade in G a n g gehabt habe. D a n n sei er u m g e k e h r t , u m sich an das E n d e der K o l o n n e anzuschließen. D i e s sei i h m jedoch nicht g e l u n g e n ; d e n n seine P f e r d e seien e t w a 8 m v o r d e m G e s p a n n des S. e r n e u t stehengeblieben. R . habe auf alle W e i s e versucht, sie v o r w ä r t s zu bringen. N a c h d e m er dies anfangs durch nachgebende Z ü g e l h i l f e u n d durch Z u r u f e n versucht g e h a b t , habe er schließlich die Peitsche gebraucht. D i e z w e i t e Peitschenhilfe habe er durch einen k r ä f t i g e n Schlag g e g e b e n , o h n e indessen m i t der Peitsche z u k n a l l e n ; er habe die H i l f e v i e l m e h r v o r s c h r i f t s m ä ß i g m i t ausgestrecktem A r m gegeben. T r o t z d e m habe der Peitschenschlag ein schwirrendes Geräusch u n d b e i m A u f s c h l a g e n auf P f e r d u n d Geschirr e i n e n klatschenden Laut gegeben. Sein rechtes P f e r d sei darauf anges p r u n g e n , w ä h r e n d das linke noch s t e h e n g e b l i e b e n sei. D a d u r c h h a b e sich das Fahrzeug schräg in der R i c h t u n g auf das G e s p a n n des S. gestellt. D i e Pferde des l e t z t e r e n seien u n r u h i g g e w o r d e n . S. habe den rechten Z ü g e l des rechten Pferdes ( H a n d p f e r d e s ) erfaßt. Er habe jedoch das G e s p a n n nicht m e h r z u halten v e r m o c h t . D i e s e s sei nach links herausg e b r o c h e n u n d habe k u r z k e h r g e m a c h t in der R i c h t u n g nach G. S. h a b e zuerst die Zügel noch f e s t g e h a l t e n , sie d a n n aber losgelassen, u m nicht gegen die an der Straße s t e h e n d e n B ä u m e gequescht z u w e r den. Er habe noch versucht, u m d e n W a g e n h e r u m z u l a u f e n , u m v o n d e r anderen Seite die Pferde z u fassen; dies sei i h m jedoch nicht m e h r g e l u n g e n , w e i l er sie nicht habe e i n h o l e n k ö n n e n . Auch die bei der U e b u n g a n w e s e n d e n U n t e r o f f i z i e r e B. u n d G., die s o f o r t ihre P f e r d e bestiegen h ä t t e n u n d d e m G e s p a n n nachgeritten seien, h ä t t e n es nicht z u m Stehen bringen k ö n n e n . I n f o l g e d e s s e n sei der auf d e m R a d f a h r e n d e Kläger v o n d e m Gespann zu B o d e n g e w o r f e n w o r d e n . D a s Berufungsgericht erblickt die erste Ursache f ü r d e n U n f a l l i m V e r h a l t e n des Gespanns des R . ; d e n n nur dadurch, daß dieses F a h r z e u g n o c h in B e w e g u n g gewesen sei, als die K o l o n n e bereits H a l t g e m a c h t habe, sei das D u r c h g e h e n der Pferde des S. v e r a n l a ß t w o r d e n . D a s B e rufungsgericht n i m m t jedoch an, d a ß den R . hieran kein V e r s c h u l d e n t r e f f e . D e n n er habe, da er seine P f e r d e gerade i m Z u g e gehabt habe, i m Interesse der U e b u n g die K o l o n n e ü b e r h o l e n u n d dann z u r ü c k f a h r e n d ü r f e n , u m sich an sie anzuschließen. A u c h sein weiteres V e r h a l t e n , insbesondere die A r t u n d Weise, w i e er sein stehengebliebenes F a h r z e u g v o r w ä r t s z u b r i n g e n versucht habe, sei o r d n u n g s g e m ä ß g e w e s e n . Auch d e m S. k ö n n e keine V e r l e t z u n g dienstlicher V o r s c h r i f t e n nachgewiesen w e r den. Er habe o r d n u n g s m ä ß i g gebremst, die Leine v o r s c h r i f t s m ä ß i g b e festigt u n d w ä h r e n d des H a l t e n s in u n m i t t e l b a r e r N ä h e des G e s p a n n s

Staats- und Beamtenhaftung

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g e s t a n d e n . D e r B e r u f u n g s r i c h t e r b e z w e i f e l t j e d o d i , o b S. d a m i t alles g e t a n h a b e , w o z u er nach L a g e des Falles als s o r g f ä l t i g e r F a h r e r v e r p f l i c h t e t g e w e s e n sei, i n s b e s o n d e r e , o b er nicht in d e r L a g e g e w e s e n w ä r e , so r e c h t z e i t i g an seine P f e r d e h e r a n z u t r e t e n u n d sie d u r c h K l o p f e n u n d Z u s p r u c h z u b e r u h i g e n , d a ß ein D u r c h g e h e n v e r m i e d e n w o r d e n w ä r e . R e g e l m ä ß i g sei — s o e r w ä g t d a s B e r u f u n g s g e r i c h t — eine solche B e r u h i g u n g und A b l e n k u n g durchaus möglich. D i e B e w e i s a u f n a h m e h a b e i n s o w e i t k e i n e v ö l l i g e K l a r h e i t e r g e b e n , s o d a ß in dieser R i c h t u n g k e i n e einwandfreien Feststellungen getroffen werden könnten. B e i solcher S a c h l a g e g e w i n n e die F r a g e d e r B e w e i s l a s t e n t s c h e i d e n d e B e d e u t u n g . A n sich sei bei einer auf A r t . 131 R V e r f . g e s t ü t z t e n S c h a d e n s e r s a t z k l a g e d e r K l ä g e r in v o l l e m U m f a n g beweispflichtig. In d e r R e c h t s p r e c h u n g h a b e sich j e d o d i d e r G r u n d s a t z des B e w e i s e s a u f erste Sicht h e r a u s g e b i l d e t , der u n t e r bestimmten V o r a u s s e t z u n g e n zu einer U m k e h r u n g der Bew e i s l a s t f ü h r e u n d d e n G e g n e r z u r E n t l a s t u n g n ö t i g e . L i e g e n ä m l i c h ein b e s t i m m t e r S a c h v e r h a l t v o r , d e r nach der E r f a h r u n g des L e b e n s d e n S c h l u ß r e c h t f e r t i g e , d a ß die E r e i g n i s s e sidi s o a b g e s p i e l t h a b e n m ü ß t e n , w i e die eine Partei es v o r t r a g e , s o m ü s s e d e r G e g n e r , d e r e i n e n v o m gewöhnlichen G a n g der Ereignisse abweichenden Geschehensablauf beh a u p t e , d i e s e n b e w e i s e n . D i e s e r G r u n d s a t z w e r d e freilich nicht schon d a n n o h n e weiteres P l a t z g r e i f e n , w e n n d e r K l ä g e r eine g e w i s s e W a h r scheinlichkeit f ü r seine D a r s t e l l u n g e r b r a c h t h a b e , s o n d e r n m a n w e r d e v e r l a n g e n m ü s s e n , d a ß es sich u m einen t y p i s c h e n Geschehensablauf h a n d l e , d e r nach a l l g e m e i n e n E r f a h r u n g s t a t s a c h e n b e s t i m m t e Schlußf o l g e r u n g e n zulasse. D a s B e r u f u n g s g e r i c h t t r ä g t k e i n B e d e n k e n , diesen G r u n d s a t z h i e r a n z u w e n d e n ; d e n n nach d e r E r f a h r u n g des L e b e n s spreche u n t e r d e n d a r g e l e g t e n U m s t ä n d e n eine V e r m u t u n g d a f ü r , d a ß d a s D u r c h g e h e n d e r P f e r d e v e r m i e d e n w o r d e n w ä r e , w e n n d e r F a h r e r die e r f o r d e r l i c h e A u f m e r k s a m k e i t b e o b a c h t e t u n d die n ö t i g e E n t s c h l u ß k r a f t a u f g e b r a c h t h ä t t e . N a c h d e m g e w ö h n l i d i e n V e r l a u f der D i n g e sei nicht e r k l ä r l i d i , d a ß S. nicht m e h r in d e r L a g e g e w e s e n sein solle, die H e r r s c h a f t ü b e r sein G e s p a n n zu b e h a l t e n . W o h l k ö n n t e n a u ß e r g e w ö h n l i c h e u n d v o r a l l e m p l ö t z l i c h e Ereignisse, z. B. G e s d i o ß e i n s c h l ä g e u n d F l i e g e r a n g r i f f e , m i t s o u n m i t t e l b a r e r W u c h t auf P f e r d e e i n w i r k e n , d a ß diese schlechterd i n g s nicht m e h r z u h a l t e n seien. E i n so plötzliches m i t e l e m e n t a r e r W u c h t h e r e i n b r e c h e n d e s E r e i g n i s h a b e hier a b e r nicht v o r g e l e g e n . S. h a b e n u r einen o d e r einen h a l b e n S c h r i t t v o n seinen P f e r d e n e n t f e r n t g e s t a n d e n . D a s F a h r z e u g des R . h a b e bereits einen g e w i s s e n Z e i t r a u m a u f d e r a n d e r e n Seite d e r S t r a ß e g e h a l t e n . R . h a b e sich eine Z e i t l a n g m i t seinen P f e r d e n a b g e m ü h t u n d erst d e r l e t z t e P e i t s c h e n h i e b h a b e eines v o n ihnen a u f s p r i n g e n lassen. E r s t dieses E r e i g n i s h a b e eine e r n s t liche B e u n r u h i g u n g d e r P f e r d e des S. g e s c h a f f e n . N a c h d e m g e w ö h n l i d i e n L a u f d e r D i n g e h ä t t e n sich die E r e i g n i s s e f o g e n d e r m a ß e n a b s p i e l e n m ü s s e n : D e r a n Stelle des S. s t e h e n d e F a h r e r h ä t t e die S c h w i e r i g k e i t e n des

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Schuldredu, Besonderer Teil

Gespanns des R. wahrnehmen müssen. Er hätte als aufmerksamer Fahrer zum mindesten in dem Augenblick, als R. zur Peitsche gegriffen, sich sagen müssen, daß sich die Unruhe dieses Gespanns auf seine eigenen Pferde, deren lebhaftes Temperament ihm als Pferdepfleger bekannt gewesen sei, übertragen könne und daß insbesondere die bevorstehenden Peitschenschläge sein eigenes Gespann erheblich beunruhigen könnten. Diese Annahme habe f ü r ihn um so näher gelegen, als auch seine Pferde das Gespann des R_ bemerkt und durch Spitzen der Ohren oder auf sonstige Weise ihre Aufmerksamkeit und die drohende Beunruhigung zum Ausdrude gebracht haben müßten. Schon in diesem Augenblick hätte er als sorgsamer Fahrer an seine Pferde herantreten und versuchen sollen, sie durch Klopfen und Zusprechen ruhig zu halten. Dann hätte der Peitschenschlag des R. und das Vorspringen seines einen Pferdes nicht so stark auf die Tiere einwirken und nicht ihr Durchgehen zur Folgen haben können. Der ungewöhnliche Ablauf, daß es dem S. nicht gelungen sei, seine Pferde zu halten, lasse sich auf erste Sicht nur so erklären, daß S. zu spät eingegriffen habe. Diese Unterlassung, möge sie nun auf mangelnde Aufmerksamkeit oder auf unzureichende Entschlußkraft zurückzuführen sein, sei ihm als Verschulden anzurechnen. Das Urteil fährt dann f o r t : Es liege nahe, aus diesen Erwägungen heraus ein Verschulden des S. positiv festzustellen. Jedoch schließe die aus der Erfahrung des Lebens gewonnene Vermutung nicht aus, daß der Geschehensablauf im einzelnen Falle ein anderer sei, und auch im vorliegenden Falle sei die Möglichkeit vorhanden, daß S. das Durchgehen der Pferde nicht habe verhindern können. Wenn demnach der Sachverhalt nicht ausreiche, um ein Verschulden des S. zweifelfrei zu bejahen, so begründe doch der typische Ablauf der Ereignisse eine gegen den Beklagten streitende Vermutung. Die Zweifel, ob S. in jeder Hinsicht richtig gehandelt habe, müßten demnach zu Lasten des Beklagten gehen. Etwaige besondere Umstände, die dem Verschulden des S. entgegenständen, habe der Beklagte nicht anzuführen vermocht. Er hafte also nach Art. 131 RVerf. f ü r die Dienstverletzung des S. Die Revision rügt Verletzung des § 839 BGB. und der §§ 139, 286 ZPO. Die Darlegungen des angefochtenen Urteils legen die Besorgnis nahe, daß der Berufungsrichter die Grundsätze verkannt hat, die f ü r den Beweis des ersten Anscheins gelten. Schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, es handle sich beim Beweis des ersten Anscheins um eine Verteilung der Beweislast, t r i f f t nicht zu. Unter Verteilung der Beweislast stellt man sich Rechtssätze vor, welche die Beweislast der einen oder der anderen Partei auferlegen. Es t r i f f t auch nicht zu, daß die vom Berufungsgericht herangezogenen Erfahrungssätze und der von ihm unterstellte typische Geschehensablauf eine Vermutung in dem Sinne begründeten, daß nun der andere Teil die Vermutung widerlegen müßte, sondern der Beweis des ersten Anscheins gehört lediglich dem Gebiet

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der richterlidien Beweis Würdigung an. Durch ihn kann der Tatrichter unter Umständen genötigt sein, aus einem Gesamtsachverhalt Schlüsse zuungunsten einer Partei zu ziehen, die vornehmlich auf dem Gebiet des Ursachenzusammenhangs und des Verschuldens liegen werden. Diese Schlüsse, wiewohl sie auf tatsächlichen Vermutungen beruhen, dürfen aber nicht selbst Vermutungen sein, sondern sie müssen den Ausdruck der tatrichterlichen Ueberzeugung darstellen. Denn der Beweis des ersten Anscheins kann sich nicht mit einer Wahrscheinlichkeit begnügen; audi er muß zu einer richterlichen Feststellung führen. Sache der Partei, zu deren Ungunsten der Beweis des ersten Anscheins ausschlägt, ist es dann, einen Sachverhalt aufzuweisen, der die richterliche Ueberzeugung zwar nicht umkehrt, wohl aber zu erschüttern geeignet ist. Schon wenn letzteres der Fall ist, fällt der Beweis des ersten Anscheins zusammen und ist die durch ihn begünstigte Partei genötigt, die Beweisführung von neuem zu übernehmen (RGZ. Bd. 84 S. 385, Bd. 120 S. 264, Bd. 127 S. 28, Bd. 130 S. 357). Diesen Grundsätzen entspricht es nicht, wenn der Berufungsrichter einerseits ausführt, die Beweisaufnahme lasse es nicht zu, daß einwandfreie Feststellungen getroffen würden, anderseits aber es ablehnt, ein Verschulden des Obergefreiten S. positiv festzustellen. Schon aus diesem Grunde mußte das Urteil aufgehoben und die Sadie zurückverwiesen werden. Begründet ist aber auch der weitere Revisionsangriff, das Berufungsgericht habe das Wesen eines typischen Geschehensablaufs verkannt. Allerdings soll nidit in Abrede gestellt werden, daß man bei Unfällen, die im Durchgehen eines Pferdegespanns ihre Ursache haben, für den ursächlidien Zusammenhang wie auch für das Versdiulden einen typischen Geschehensablauf annehmen kann. Nachdem hier jedodi die Einzelheiten des Geschehensablaufs festgestellt waren, hing die weitere tatsächliche Beurteilung sowohl des ursächlichen Zusammenhangs als auch der Verschuldensfrage allein von den konkreten Umständen ab, zu denen der Berufungsrichter kraft seiner Ueberzeugung abschließend Stellung zu nehmen hatte. Das angefochtene Urteil stellt nun fest, S. habe die Zügel ergriffen, die Pferde jedoch nidit mehr halten können. Der Vorderrichter meint aber, es wäre ihm gelungen, die Pferde durch Klopfen und Zuspruch zu halten, wenn er dies rechtzeitig unternommen hätte. Die Revision bezweifelt das; sie vermißt bestimmte Zeitangaben. Auch hierin kann ihr nicht Unrecht gegeben werden. Das Berufungsgericht wird daher bei der erneuten Erörterung gegebenenfalls auf die Zeitdauer der Ereignisse sein besonderes Augenmerk zu richten haben. Eine Nachprüfung in der Richtung, ob das Urteil etwa aus § 833 BGB. aufrechtzuerhalten sei, hatte beim Fehlen eines die Revisionssumme überschreitenden Beschwerdegegenstandes nicht stattzufinden. Bei der erneuten Erörterung wird aber das Berufungsgericht auch darüber zu befinden haben, ob und inwieweit die §§ 545 a, 1542 RVO. der Sachbefugnis des Klägers entgegenstehen.

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

RGZ. 134, 3 1 1 t 1. Ist die den Notaren durch das Zuwachssteuergesetz auferlegte Pflicht zur Mitteilung an die Steuerbehörden eine ihnen diesen gegenüber obliegende Amtspflicht im Sinne des § 839 BGB.? 2. Besteht die Mitteilungspflicht auch dann, wenn eine Stadtgemeinde eine selbständige Wertzuwachssteuerordnung eingeführt hat? Zuwachssteuergesetz v. 14. Februar 1911 §§ 35, 38 Abs. 1 N r . 3 a, § 59. Gesetz über Aenderungen im Finanzwesen v. 3. Juli 1913 § 1 Abs. 3 bis 5. III. Z i v i l s e n a t . U r t . v. 3. November 1931. I. Landgcridit I Berlin. Aus den G r ü n d e n : . . . Die Mitteilungspflicht ist den Notaren durch § 38 Abs. 1 N r . 3 a des am 1. April 1911 in Kraft getretenen Zuwachssteuergesetzes vom 14. Februar 1911 (RGBl. S. 33) unmittelbar auferlegt worden. . . . . . . Durch das Gesetz über Aenderungen im Finanzwesen vom 3. Juli 1913 (RGBl. S. 521) § 1 Abs. 3 verzichtete das Reich f ü r alle nach dem 30. Juni 1913 eintretenden Fälle der Steuerpflicht auf die Erhebung des Reichsanteils an der Steuer; aber das Reidiszuwachssteuergesetz wurde damit keineswegs aufgehoben, sondern f ü r die Erhebung der Steuer in den Gemeinden (Gemeindeverbänden) und Bundesstaaten mit gewissen Maßgaben aufrechterhalten (das. Abs. 4). Freilich konnte n u n m e h r nach § 1 Abs. 5 des Gesetzes vom 3. Juli 1913 durch Landesgesetz oder nach Landesrecht d u r d i ortsstatutarische Vorschrift auch eine andere Regelung der Besteuerung des Wertzuwachses getroffen werden. . . . Wesentlich ist, daß das Zuwachssteuergesetz durch das Gesetz vom 3. Juli 1913 der Form nach aufrechterhalten worden ist und daß daher die in seinem § 38 vorgeschriebene Mitteilungspflicht der Notare auch dann weiter fortbesteht, wenn die Gemeinden (Gemeindeverbände) dazu übergehen, eine selbständige Zuwachssteuerordnung einzuführen. An diesem Rechtszustand ist durch das Landessteuergesetz vom 30. März 1920 (RGBl. S. 402) § 1, § 2 Abs. 1 und durch die späteren Finanzausgleichsgesetze (vgl. RGSt. a. a. O. S. 226 flg.) nichts geändert worden. . . . . . . Mit Recht hat daher das Landgericht angenommen, daß der Beklagte zur Anzeige verpflichtet gewesen sei und durch ihre U n t e r lassung seine Amstpflicht verletzt habe. Gleichwohl ist der erste Richter zur Abweisung der Klage gelangt. Er ist nämlich der Ansicht, die vom Beklagten verletzte Amtspflicht habe ihm nur seiner vorgesetzten Dienstbehörde, nicht einem Dritten, nämlich dem städtischen Wertzuwachssteueramt gegenüber obgelegen. Er f ü h r t aus, von den Amtspflichten des § 839 BGB. seien diejenigen Amtspflichten scharf zu trennen, die dem Beamten nur seinem Dienstherrn, dem Staate, gegenüber oblägen. Eine Verletzung solcher Amtspflichten mache den Beamten nur seiner vorgesetzten Behörde gegenüber disziplinarisch verantwortlich, begründe aber keinen zivilrechtlichen Anspruch

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gegen ihn. Bei der hiernach gebotenen Unterscheidung zwischen den Amtspflichten sei das Hauptgewicht darauf zu legen, welchen Zwecken die einzelnen Amtspflichten dienen sollten. Seien sie dem Beamten für den Verkehr mit dem Publikum und zu dessen Gunsten auferlegt, so handle es sich um eine ihm gegen einen Dritten obliegende Amtspflicht. Sei jedoch der Zweck nur die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, so finde die Vorschrift des § 839 BGB. keine Anwendung ( R G Z . Bd. 78 S. 241 flg.). Die dem Beklagten hier obliegende Mitteilungspflicht sei v o m Gesetzgeber nur im Interesse der Steuerbehörde vorgeschrieben, um ihr eine erschöpfende Erfassung der Steuerpflichtigen zu ermöglichen; sie sei also dem Beamten nicht im Interesse des einzelnen auferlegt, nämlich nicht für seinen Verkehr mit dem Publikum. Eine Amtspflichtverletzung im Sinne des § 839 BGB. liege somit nicht vor. Diese Ausführungen sind, wie die Revision zutreffend rügt, von Rechtsirrtum beeinflußt. Unzutreffend ist schon der Ausgangspunkt des Landgerichts, daß die Verletzung der dem Staatsbeamten im Verhältnis zum Staat obliegenden Dienstpflicht nur disziplinarisch geahndet werden könne. Schädigt durch pflichtwidrige Handlung ein Staatsbeamter den Staat oder ein Kommunalbeamter die öffentlichrechtliche Körperschaft, der er dient, unmittelbar, so kann freilich § 839 BGB. für seine H a f t u n g nicht in Betracht kommen. Denn in solchem Falle ist der Staat, die Gemeinde oder der Gemeindeverband im Verhältnis zum Beamten nicht Dritter, sondern öffentlicher Dienstherr. Daraus folgt aber keineswegs, daß der Beamte nicht f ü r den Vermögensschaden aufzukommen braucht, den er bei Ausübung seines Amtes dem Reich, dem Staat oder dem sonstigen öffentlichrechtlichen Gemeinwesen, dem er dient, zufügt; seine Haftung bestimmt sich vielmehr insoweit nadi dem einschlägigen Beamtenrecht. . . . Im vorliegenden Falle handelt es sich nun nicht darum, daß der Beklagte als N o t a r durch Amtspflichtverletzung den Staat geschädigt hat, dem er untersteht; er hat vielmehr ein Gemeinwesen geschädigt, dem er nicht dienstlich unterstellt war. Daß ein solches Gemeinwesen im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB. nicht ein Dritter sein könne, ist in der vom Landgericht angezogenen Entscheidung R G Z . Bd. 78 S. 243 nicht gesagt worden. D o r t wird lediglich hervorgehoben, daß alle Amtspflichten des Beamten für die Haftung aus § 839 ausscheiden, die ihm nur gegenüber seinem Dienstherrn, dem Staate, obliegen. Bei der hiernach gebotenen Unterscheidung der einzelnen Amtspflichten wird, wie die Entscheidung weiter ausführt, das Hauptgewicht auf den Zweck zu legen sein, dem die einzelne Amtspflicht dienen soll. Ist ihr Zweck nur die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, der Schutz der vermögensrechtlichen Interessen des Gemeinwesens, dem der Beamte dient, oder das Interesse des Gemeinwesens an einer ordentlichen Amtsführung des Beamten, so handelt es sich nicht um eine dem Beamten einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht. Ist die Amtspflicht dagegen dem Be-

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amten gerade im Interesse des einzelnen auferlegt, so liegt sie ihm einem Dritten gegenüber ob. Zu Unrecht folgert das Landgericht aus diesen A u s f ü h r u n g e n , daß Dritter (§ 839 B G B . ) immer nur das Publikum sein könne. Weder der Wortlaut der Ausführungen noch ihr Z u s a m m e n hang rechtfertigt diese Annahme. D r i t t e im Sinne von § 839 sind nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts nicht nur die bei dem Amtsgeschäft unmittelbar Beteiligten, sondern alle Personen, deren Interessen nach der besonderen N a t u r des Amtsgeschäfts durch dieses berührt werden und in deren Rechtskreis dadurch eingegriffen wird. Solche Personen können auch der Staat oder sonstige Körperschaften des ö f f e n t lichen Rechts sein, wenn und soweit nämlich der Beamte nach den maßgeblichen Gesetzes- u n d Dienstvorschriften das Vermögensinteresse eines anderen Gemeinwesens zu wahren hat, dem er nicht untersteht. . . . H i e r handelt es sich d a r u m , daß der Anspruch der Stadtgemeinde auf eine indirekte Steuer nicht rechtzeitig hat erhoben werden können, weil der Beklagte als N o t a r , somit als Staatsbeamter, einer ihm v o m Gesetz d e m städtischen Zuwachssteueramt gegenüber auferlegten Mitteilungspflicht nicht nachgekommen war. E s kann keine R e d e d a v o n sein, daß der Beklagte durch seine Unterlassung nur f ü r den inneren Dienst gegebene Anweisungen oder solche Vorschriften nicht beachtet habe, die den reibungslosen Verkehr innerhalb des Behördenorganismus gewährleisten sollen. Es handelt sich nicht u m sog. Ordnungs- und A u f sichtsvorschriften, die im inneren Verhältnis zu übergeordneten, nebengeordneten u n d nachgeordneten Beamten zu beobaditen sind, oder u m Vorschriften, die dem Sdvutze der öffentlichen Ordnung dienen, sondern u m Gesetzesvorschriften, die nach der eigenen, zutreffenden A u s f ü h r u n g des Landgerichts den städtischen Zuwachssteuerämtern die erschöpfende E r f a s s u n g der Steuerpflichtigen ermöglichen sollen und eben zu diesem Zwecke dem N o t a r eine Anzeige an die Aemter, also an Dritte, z u r Pflicht machen. Ein geordnetes Staatswesen kann nur dann bestehen, wenn die f ü r die Zwecke des Reiches, des Staates und der Gemeinden erforderlichen Steuern und Abgaben so, wie sie nach der Reichsverfassung (Art. 8, 11, 12 Abs. 1, Art. 134), den Finanzausgleichs- und übrigen Steuergesetzen ihnen zugewiesen sind, auch eingehen. Daher liegt es im allgemeinen Staatsinteresse, daß die Länder und Gemeinden und i h r e Beamten im R a h m e n der Gesetze einander bei der Erfassung der A b gaben behilflich sind. Für die Wertzuwachssteuer ist, wie bereits ausgef ü h r t w u r d e u n d aus den mitgeteilten Vorschriften folgt, den N o t a r e n in ihrer öffentlichrechtlichen Stellung die amtliche Verpflichtung z u r Mitteilung der steuerpflichtigen Rechtsvorgänge durch § 38 ZuwachssteuerG. auch im Interesse der Gemeinden, denen die Steuer zum Teil zufließen soll, also im Vermögensinteresse der Gemeinden auferlegt. Bei dieser Verpflichtung der N o t a r e beließ man es auch, als das Reith a u f diese Steuerquelle f ü r seine Zwecke verzichtete; ja die N o t a r e haben darüber hinaus den Steuerbehörden nach § 41 ZuwachssteuerG. zur E r -

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mittlung der Abgaben Hilfe zu leisten. Daraus folgt, daß ihnen insoweit gegenüber den Stadtgemeinden, die eine solche Steuer erheben, im Sinne des § 839 BGB. eine Amtspflicht obliegt, deren Verletzung sie zum Schadensersatz verpflichtet. . . . RGZ. 135, 161 Hat die Polizei einen von ihr vorläufig Festgenommenen spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzufuhren? StPO. §§ 114 b, 114 c, 127, 128. BGB. § 839. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 19. Januar 1932. I. Landgericht Kassel. II. Oberlandesgeridit daselbst.

Am 18. Juni 1930 hatte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei in Kassel zu einer Massenkundgebung aufgerufen. In den Abendstunden fanden gleichzeitig vier Versammlungen statt. Der Kläger besuchte eine von ihnen. Er wurde dort — angeblich weil er mit einem braunen SA.-Hemd bekleidet war — von den Beamten der staatlichen Polizei festgenommen. Hierbei wurde festgestellt, daß er einen Stahlstock, den er unter seinen Rock geknüpft hatte, ein Gärtnermesser (Okuliermesser), ein gewöhnliches Taschenmesser und ein Stück Rohnessel bei sidi trug. Der Kläger wurde festgenommen und dem Gefängnis der staatlichen Polizei zugeführt. Die polizeiliche Einlieferungsanzeige bezeichnete als Straftat: Vergehen gegen § 11 des Reichsvereinsgesetzes und Uebertretung der Polizeiverordnung über das Tragen von Stoß- und Hiebwaffen vom 20. November 1928. Am Morgen des 19. Juni um 7 Uhr nahmen Polizeibeamte in der Wohnung des Klägers eine Durdisuchung vor, insbesondere auch nach Waffen. Sie blieb ergebnislos. Am gleichen Tage wurde der Kläger polizeilich vernommen, photographiert und daktyloskopisch aufgenommen. Am 20. Juni vormittags wurde er dann in das Gerichtsgefängnis überführt und dort durch einen Richter vernommen. Nach der Vernehmung wurde er entlassen. Später wurde der Kläger wegen der erwähnten Uebertretung zu einer Geldstrafe von 50 RM. verurteilt. Der Kläger sieht Amtspflichtverletzungen der beteiligten Beamten darin, daß er nach der Feststellung seiner Persönlichkeit und nach der ergebnislosen Durchsuchung seiner Wohnung nicht sofort entlassen, ja nicht einmal sofort dem Richter vorgeführt worden sei. Er beansprucht vom Preußischen Staat Ersatz seines Lohnausfalls. Der Beklagte macht dagegen geltend, daß der Kläger nach seinem Verhalten dringend der Teilnahme am Landfriedensbruch (§ 125 StGB.) und des Vergehens gegen § 5 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes zum Schutze der Republik vom 25. März 1930 (RGBl. I S. 91) verdächtig gewesen sei. Seine Festhaltung sei wegen der am 19. Juni angestellten, umfassenden polizeilichen Ermittlungen berechtigt gewesen, die sich auch gegen ihn gerichtet hätten.

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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : . . . In Uebereinstimmung mit den Vorinstanzen ist auf Grund der besonderen Umstände des Falls sowohl die Festhaltung des Klägers über den 19. Juni hinaus als sachlich unberechtigt zu erachten, wie auch ein Verschulden der für die Festhaltung verantwortlichen Beamten des Beklagten zu bejahen. Es ist zwar der Revision darin beizutreten, daß durch höchstrichterliche Rechtsprechung die Frage noch nicht geklärt ist, ob die Vorführung eines vorläufig Festgenommenen innerhalb der eintägigen Frist zu erfolgen hat, die im Gesetz (§ 114 b Abs. 1 StPO.) für die Vorführung eines auf Grund richterlichen Haftbefehls Ergriffenen vorgesehen ist. Es ergibt sich aber aus der vom Berufungsrichter zutreffend gewürdigten Bedeutung des § 128 Abs. StPO., daß die Vorführung regelmäßig schleunigst und in kürzester Frist zu geschehen hat, sobald der Zweck einer solchen Frist erreicht ist, der insbesondere darin besteht, durch aktenmäßige Vorbereitung dem Richter eine Entscheidung über die Frage der Verhaftung oder Entlassung zu ermöglichen. Die §§ 127, 128 StPO. stellen eine durch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gebotene, notwendige Ergänzung der Vorschriften über die Verhaftung (§§ 112 flg. StPO.) dar. Für das Verständnis aller dieser Bestimmungen muß zunächst grundlegend betont werden, daß sie eine Ausnahme von dem wichtigsten persönlichen Grundrecht, dem Recht auf Gewährleistung der persönlichen Freiheit bedeuten. Art. 114 Abs. 1 RVerf. bestimmt nachdrücklich: Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch die öffentliche Gewalt ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig. Es enthält also die Vorschrift des § 128 Abs. 1 StPO., daß der Festgenommene unverzüglich dem Richter vorzuführen ist, einen Gesetzesbefehl, dessen Ausführung innerhalb der Grenzen des Gesetzes der Staatsanwaltschaft und ihrer Hilfsbeamten obliegt, ohne daß ihnen darüber hinaus ein eigenes Ermessen über die Frage der weiteren Festhaltung eingeräumt ist. In § 114 b StPO., der die Frage der Vorführung im Fall einer Verhaftung regelt, ist nun bestimmt, daß der Angeschuldigte unverzüglich, spätestens am Tage nach der Ergreifung, dem zuständigen Richter vorzuführen ist. Diese Bestimmung ist nebst § 114 c an die Stelle des durch das Abänderungsgesetz vom 27. Dezember 1926 (RGBl. I S. 529) aufgehobenen § 132 StPO. getreten, welcher noch nicht die unverzügliche Vorführung erwähnte, sondern in anderer Wortfassung bestimmte, daß der Ergriffene, sofern er nicht spätestens am Tage nach der Ergreifung vor den zuständigen Richter gestellt werden könne, auf sein Verlangen sofort dem nächsten Amtsrichter vorzuführen

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sei. Auch in § 114 c StPO. ist die Notwendigkeit der unverzüglichen Vorführung vor den nächsten Amtsrichter betont, welche ebenso wie nach $ 114 b spätestens am Tage nach der Ergreifung zu geschehen hat. Diese beiden Bestimmungen (vgl. ferner §§ 115, 129, 135 StPO.) legen es nahe, die zeitliche Grenze, welche in ihnen gesetzt ist, rechtsähnlich auch bei einer Vorführung auf Grund von § 128 Abs. 1 das. anzuwenden. Schon für die Ergreifung auf Grund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 Abs. 1 StPO.) ist eine gewisse äußerste Frist für die unverzügliche Vorführung gesetzt, obgleich ja in diesem Falle die Frage des Grundes der Freiheitsentziehung schon richterlich — bei Erlaß des Haftbefehls — geprüft worden ist. Um so mehr muß eine solche Frist für den Fall der Vorführung auf Grund vorläufiger Festnahme Geltung beanspruchen können, als hier die Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO. ohne vorhergehende richterliche Prüfung erfolgen kann, wenn nach dem pflichtmäßigen Ermessen der Staatsanwaltschaft oder ihrer Hilfsorgane die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen und Gefahr im Verzuge obwaltet. In beiden Fällen verfolgt die Vorführung den ohne weiteres in die Augen springenden Zweck, dem seiner Freiheit beraubten Angeschuldigten eine alsbaldige Gelegenheit zu seiner Verteidigung und etwaigen Entkräftigung der gegen ihn sprechenden Verdachtsmomente zu gewähren. Dieser sinnfällige Zweck des Gesetzes, das in § 114 b StPO. durch die Anordnung einer in jedem Falle unverzüglich zu bewirkenden Vorführung die frühere Bestimmung des § 132 StPO., wenn nicht verschärft, so doch inhaltlich näher bestimmt und die Frist von 24 Stunden nur als äußerste Grenze bezeichnet hat, muß wegen der Gleichheit des Rechtsgrundes auch zur Auslegung der in § 128 Abs. 1 StPO. geforderten Unverzüglidikeit herangezogen werden. Trotzdem wird dem Umstände eine gewisse Bedeutung zuerkannt, werden müssen, daß das Gesetz, auch noch in der Neufassung vom 27. Dezember 1926 (vgl. die Abänderung der Anträge Nr. 1219 und 1283 durch den Reidistagsausschuß nach seinem Bericht Nr. 2779 der Reichstagsdrucksadien III. Wahlperiode 1924/26), es sich versagt hat, in § 1 2 8 Abs. 1 StPO. die gleiche äußerste Grenze zu setzen, und lediglich die unverzügliche Vorführung angeordnet hat. Wie noch darzulegen sein wird, mag der Zweck der vorläufigen Festnahme in Verbindung mit der in die Hand der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft gelegten Pflicht, strafbare Handlungen zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten (§ 163 Abs. 1 StPO.), in Ausnahmefällen rechtfertigen, die Festhaltung auch über den nächsten Tag hinaus auszudehnen. Trotzdem wird regelmäßig auch bei der Vorführung auf Grund vorläufiger Festnahme diese Frist die äußerste Grenze bilden müssen, innerhalb deren dem festgenommenen durch Vorführung vor den Richter Gelegenheit gegeben werden muß, sich gegenüber dem ausgesprochenen Verdacht zu verteidigen. Stets müssen für den Begriff der Unverzüglichkeit der ebenZivili. Sdjulilrechl

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falls sinnfällige Zweck der Festnahme überhaupt und die f ü r ihre Vornahme erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen vor Augen gehalten werden. Die vorläufige Festnahme darf — abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Falle der Festnahme auf Grund frischer Tat (§ 127 Abs. 1 StPO.) — gemäß § 127 Abs. 2 StPO. nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls erfüllt sind. Diese Voraussetzungen können aber, wie ohne weiteres einleuchtet, nur wegen einer bestimmten Straftat gegeben sein. Das Gesetz erfordert somit zur vorläufigen Festnahme gemäß § 112 StPO. hinsichtlich der bestimmten Straftat dringenden Tatverdacht und ferner Flucht- oder Verdunkelungsgefahr, wobei, falls die Tat nur mit H a f t oder Geldstrafe bedroht ist, die Untersuchungshaft nur bei Fluchtverdacht und außerdem nur dann verhängt werden darf, wenn der Beschuldigte — abgesehen von den Fällen der Befugnis der Ueberweisung an die Landespolizeibehörde — zu den in § 112 Nr. 2 öder 3 StPO. bezeichneten Personen gehört, also Ausländer ist oder sich über seine Person nicht ausweisen kann. Es müssen mithin, bevor die in § 127 Abs. 2 StPO. genannten Beamten überhaupt zur vorläufigen Festnahme schreiten dürfen, f ü r eine bestimmte Straftat schon greifbare Anhaltspunkte vorliegen, weldie einen dringenden Tatverdacht ergeben. Eine Festnahme, die ohne dringenden Tatverdacht erfolgt, wäre ohne weiteres ungesetzlich. Das Gesetz selbst ergibt also schon deutlidi, daß die zwischen Festnahme und Vorführung liegende Frist regelmäßig nicht dazu bestimmt sein kann, um noch weiteres oder gar neues Beweismaterial zu sammeln, damit erst dadurch der erforderliche dringende Tatverdacht begründet werde. Vielmehr kann diese Frist nur dazu dienen, neben der Aufnahme eines Protokolls mit dem Beschuldigten und der Erledigung der für die Feststellung seiner Persönlichkeit erforderlichen Förmlichkeiten den vorhandenen Stoff zu sichten, gegebenenfalls zu ergänzen und aktenmäßig niederzulegen, um ihn dem Vorführungsriditer unterbreiten zu können, damit dieser entscheidet, ob er den Vorgeführten verhaften oder in Freiheit setzen will. Ueber die Erreichung dieses klaren Zwecks der vorläufigen Festnahme und Festhaltung hinaus darf aber der Beschuldigte keinesfalls ohne richterliche Anordnung seiner Freiheit beraubt werden. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß ein Verkennen dieses Zwecks eine Verletzung der dem Festgenommenen gegenüber obliegenden Amtspflicht bedeutet. Auch wird in der Regel die Frist des § 114 b StPO. vollauf genügen, um die Vorführung eines wegen dringenden Tatverdachts Festgenommenen vor den Richter ausreichend vorbereiten zu können. Daß ferner, wie vom Beklagten geltend gemacht, eine gewisse mit dem Vorführungsrichter für den regelmäßigen Amtsverkehr verabredete Vorführungszeit keine Ausnahme, namentlich keine Verlängerung der Vorführungsfrist rechtfertigen kann, liegt auf der Hand, da hierdurch der Gesetzesbefehl, daß die Vorführung unverzüglich zu erfolgen hat, abgeändert würde.

Staats- und Beamtenhaftung

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N u r in Ausnahmefällen, insbesondere soweit sidi neben einer die vorläufige Festnahme rechtfertigenden Straftat noch Anhaltspunkte für weitere Straftaten ergeben, deren Prüfung durch den Richter den Vorführungsbeamten nach ihrem pflichtmäßigen Ermessen dringend erforderlich erscheint, kann es geboten und zulässig sein, auch dafür die Beweismittel zu sichten und aktenkundig zu machen. In solchen Ausnahmefällen mag der Zweck der vorläufigen Festnahme eine mäßige Ueberschreitung der Frist von 24 Stunden rechtfertigen. Aber auch in diesen Fällen muß der klare Zweck der Bestimmung beachtet werden, einen Schutz des Beschuldigten gegen ungebührliche Besdineidung seiner Freiheit zu gewährleisten. Somit darf es sich auch insoweit stets nur um eine in kürzester Frist durchführbare Herbeischaffung und Sichtung von weiteren Beweismitteln handeln. Denn andernfalls würde der hervorgehobene Sinn der Bestimmung, die Vorführung wegen einer bestimmten Straftat vorzubereiten, deretwegen dringender Tatverdacht gegeben sein muß, in sein Gegenteil verkehrt. Im vorliegenden Falle hat der Vorderrichter in tatrichterlicfier Würdigung des Sachverhalts festgestellt, daß alle Maßnahmen, die durch den Zweck der vorläufigen Festnahme und Vorführung wegen der in der Einlieferungsanzeige dem Kläger zur Last gelegten Straftaten geboten waren, so frühzeitig hätten erledigt werden können, daß dieser nodi am 19. Juni hätte vorgeführt werden können. Rechtliche Bedenken gegen diese Annahme bestehen nicht. (Wird näher ausgeführt; ferner werden Revisionsangriffen gegen die Annahme eines Verschuldens der beteiligten Beamten zurückgewiesen.) Weiterhin war es auch für die Frage der Unverzüglichkeit der Vorführung unerheblich, ob sidi der Kläger mit der Aburteilung durch den Schnelllrichter einverstanden erklärt hatte. Denn durch die Einleitung des Verfahrens aus § 212 StPO. wurden die sidi aus § 128 das. für die Beamten des Beklagten ergebenden Pflichten nicht berührt. Audi der Schnellrichter muß, sofern er nicht in der Lage ist, auf Grund des dargebotenen Sachverhalts sofort zu urteilen, erst einen Haftbefehl erlassen, wenn er den Beschuldigten nicht entlassen will. Ein Haftbefehl ist nur dann entbehrlich, wenn noch am Tage der Vorführung das Urteil gefällt wird. Ebensowenig kann in Vorbereitung des Schnellrichterverfahrens ein Haftbefehl entbehrt werden, wenn sich die unverzügliche Vorführung vor dem Schnellriditer nicht ermöglichen läßt. Daß die Beamten des Beklagten diese Bedeutung der gesetzlichen Bestimmung bei Anwendung pflichtmäßiger Sorgfalt erkennen mußten, kann ebenfalls nicht zweifelhaft sein, zumal da die Aburteilung im Schnellverfahren, wie der Berufungsrichter zutreffend hervorhebt und die maßgebende Allg. Verfügung des Preußischen Justizministers über das beschleunigte Verfahren in Strafsachen vom 19. Juli 1925 (JMB1. S. 264) unter II 2 anordnet, nur dann stattfinden soll, wenn der Gefangene geständig ist oder 6*

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Schuldrecht, Besonderer Teil

wenn der Beweis durch sofort bereitzustellende Beweismittel geführt werden kann. Schließlich ist auch der Hinweis der Revision unerheblich, daß möglicherweise am 18. Juni 1930 der Kläger auf Grund von § 6 des preußischen Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit vom 12. Februar 1850 (GS. S. 45) hätte festgenommen werden können. Denn auch nach § 6 Satz 2 dieses Gesetzes müssen die polizeilich in Verwahrung genommenen Personen spätestens im Laufe des folgenden Tages in Freiheit gesetzt oder es muß in dieser Zeit das Erforderliche veranlaßt werden, um sie der zuständigen Behörde zu überweisen. Im Laufe des Vormittags des 19. Juni war aber kein gesetzlicher Grund zu weiterer Festhaltung des Klägers mehr gegeben. Deshalb konnte auch nicht die „Festhaltung" am 19. Juni nunmehr als vorläufige Festnahme im Sinne des § 127 Abs. 2 StPO. erscheinen. . . . RGZ. 136, 45 Haftet der preußisdhe Notar den Beteiligten auf Schadensersatz, wenn er zu einem von ihm beurkundeten Vertrage einen zu hohen Stempel berechnet hat, den jene dann im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Berechnung gezahlt haben? BGB. § 839. Preuß. Stempelsteuergesetz vom 27. Oktober 1924 § 15. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Göttingen.

Urt. v. 22. März 1932. II. Oberlandesgeridit Celle.

Am 3. November 1927 schloß die Klägerin mit der Firma Gebr. B. einen vom Beklagten als Notar beurkundeten Kreditvertrag. Zur Sicherung für den ihr gewährten Kredit übereignete die Firma der Klägerin Maschinen und Vorräte. Sie übernahm auch die Kosten des Vertrags, insbesondere die seiner VerStempelung. Bei Berechnung des für die Urkunde zu entrichtenden Stempels setzte der Beklagte für die Sidierungsübereignung den Kaufstempel der Tarifstelle 7 des preußischen Stempelsteuergesetzes vom 27. Oktober 1924 in Höhe von 267 RM. an. Die Firma Gebr. B. bezahlte den Betrag. Im Jahre 1930 wurde sie jedoch von anderer Seite darauf aufmerksam gemacht, daß der Stempel zu hoch berechnet worden sei, da für eine Sicherungsübereignung nur der allgemeine Vertragsstempel von 3 RM. (Tarifst. 18) geschuldet werde. Einen Erstattungsantrag lehnte das Finanzamt wegen Ablaufs der gesetzlichen Erstattungsfrist ab. Nunmehr verlangt die Klägerin, der die Firma Gebr. B. ihre Forderung abgetreten hat, vom Beklagten Ersatz des zuviel erhobenen Stempelbetrages von 264 RM. Sie stützt sich darauf, daß er bei der Stempelberechnung eine ihm den Beteiligten gegenüber obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt habe. Der Beklagte behauptet dagegen, den Stempel richtig berechnet zu haben, leugnet auch, schuldhaft gegen eine Amtspflicht verstoßen zu haben.

Staats- und Beamtenhaftung

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Beklagten blieb erfolglos.

85 Die Revision des

Gründe: Daß für die in dem Vertrage vom 3. November 1927 beurkundete Sicherungsübereignung nur der allgemeine Vertragstempel geschuldet wurde und daß der Beklagte zu seiner gegenteiligen Auffassung auf Grund ungenügender Prüfung der für ihn ohne Schwierigkeiten erkennbaren Reditslage gekommen ist, hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt. Insoweit werden seine Ausführungen auch von der Revision nicht bemängelt. Sie wendet sidi aber gegen die weitere Annahme des Vorderrichters, der Beklagte habe durch die fehlsame Stempelberechnung eine ihm den Vertragschließenden gegenüber obliegende Amtspflidit verletzt. Sie vertritt die Auffassung, der bei der Stempelverwendung als Beauftragter der Stempelsteuerverwaltung tätige Notar erfülle dabei nicht zugleich eine Amtspflicht gegenüber dem Steuerpflichtigen. Dem kann nicht beigetreten werden. Vielmehr ist im Ergebnis, wenn auch nicht in allen Teilen der Begründung, die gegenteilige Ansicht des Oberlandesgerichts zu billigen. Dieses leitet eine Amtspflicht des verklagten Notars gegenüber den an der Beurkundung Beteiligten, den Stempelbetrag richtig zu berechnen, aus zwei Gesichtspunkten ab. Zunächst f ü h r t es aus, anerkannten Reditens sei, daß ein Beamter auch dann dem Geschädigten nach § 839 BGB. wegen Amtspflichtverletzung hafte, wenn er über den engen Kreis seiner eigentlichen Amtspflichten hinaus auf Grund einer Amtshandlung und im Anschluß an eine solche zulässigerweise im Interesse des Publikums noch weiter tätig werde und hierbei etwas schuldhaft versehe. Dabei sei es unerheblich, ob er seine weitergehende Tätigkeit aus besonderes Ersuchen der Beteiligten entfaltet oder sie auf Grund allgemeiner Uebung im stillschweigenden Einverständnis mit ihnen übernommen habe. So liege der Fall hier. Zwar gehöre an sich die VerStempelung notarieller Verträge und die Berechnung des Stempels nidit zu den Amtspflichten des Notars gegenüber den Urkundsbeteiligten, sondern falle nur in den Kreis der ihm im steuerlichen Interesse zugunsten der Staatskasse auferlegten Amtspflichten. Es sei aber unbestritten im Bezirk des Berufungsgerichts allgemein üblich, daß die Beteiligten die Stempelberechnung den Notaren überließen, ohne sie damit noch irgendwie besonders zu beauftragen, und daß die Notare dann diese Aufgabe audi stillschweigend übernähmen. So sei hier verfahren worden. Die Vertragsparteien hätten die Verstempelung dem Beklagten überlassen, der diese f ü r sie vorgenommen habe. Damit habe er den Beteiligten gegenüber die Amtspflicht übernommen, die Stempelberechung in ihrem Interesse sorgfältig vorzunehmen und eine Stempelüberhebung zu vermeiden. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts führen zu demselben Ergebnis aber auch noch folgende Erwägungen: Den Notaren sei durch

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Schuldredit, Besonderer Teil

§ 1 5 StStG. zur Aufgabe gemacht, bei der Steuererhebung mitzuwirken. N u n sei es aber als Amtspflicht sämtlicher mit der Erhebung von Abgaben betrauten Beamten anzusehen, daß sie nicht nur nicht zum Nachteil des Fiskus zu niedrige Abgaben erhöben, sondern daß sie auch die Belange der Abgabepflichtigen gebührend wahrten und nicht schuldhaft zu hohe Beträge ansetzten, damit das Publikum nicht geschädigt und audi nicht gezwungen werde, die Lästigkeiten auf sich zu nehmen, welche die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen mit sich bringe. Berechneten die Beamten gleichwohl zu hohe Abgaben, so verletzten sie damit auch eine ihnen den Abgabepflichten gegenüber obliegende Amtspflicht. Das habe hier der Beklagte als Beauftragter der Stempelsteuerverwaltung der Firma Gebr. B. gegenüber getan. Diese Ausführungen des Oberlandesgerichts sind in ihrem ersten Teil nicht frei von rechtlichen Bedenken. Einen ausdrücklichen Auftrag, für sie den Stempelbetrag zu berechnen, haben die Klägerin und ihre Vertragsgegnerin dem Beklagten nicht erteilt. Es kann aber auch nicht angenommen werden, daß der Beklagte mit ihnen stillschweigend übereingekommen sei, für sie ein Geschäft zu übernehmen, das zunächst nicht in den Rahmen seiner ihnen gegenüber bestehenden Amtspflichten fiel. Denn er hat nicht mehr getan, als was ihm schon nach dem Stempelsteuergesetz zu tun oblag. Es fehlt an einem Anhalt dafür, daß er sich zu dieser Tätigkeit, die aus seiner amtlichen Pflicht zur Mitwirkung bei der Stempelerhebung hervorging, außerdem noch den Stempelschuldner gegenüber besonders verpflichtet habe. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 StStG. haben die Notare zu allen von ihnen aufgenommenen Verhandlungen oder erteilten Ausfertigungen, Abschriften und Bescheinigungen den Stempel vor deren Aushändigung, spätestens aber binnen zwei Wochen nach dem Tage der Ausstellung der Urkunden zu verwenden. Die Stempelverwendung ist nicht die Zahlung des Stempelbetrags, zu der bei notariellen Verhandlungen diejenigen verpflichtet sind, auf deren Veranlassung sie aufgenommen werden ( § 1 2 Abs. 1 a StStG.). Vielmehr erfolgt die Stempelverwendung dadurch, daß zu der Urkunde die vorschriftsmäßigen Stempelzeichen (§ 14 Abs. 1 das.) verwendet werden (vgl. R G Z . Bd. 85 S. 342). Sie ist Pflicht des Notars, sobald der Stempelbetrag von dem Pflichtigen an ihn gezahlt worden ist (vgl. für den Fall der Verwendung des Stempels in Erwartung der Zahlung die Erstattungsvorschrift in § 25 Abs. 1 a StStG.). Ist der Stempel nicht innerhalb von zwei Wochen seit Ausstellung der Urkunde von den Verpflichteten beigebracht, so hat der N o t a r binnen einer weiteren Woche die zwangsweise Einziehung des Stempels bei der zuständigen Steuerstelle zu beantragen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 das.). Aus diesen Vorschriften ergibt sich zunächst ohne weiteres, daß die Notare schon zum Zweck der Steuererhebung den Stempel berechnen müssen, da sie nur dann in der Lage sind, ihn zum vorgeschriebenen Betrage zu verwenden. Diese Berechnung müssen sie auch, wenngleich das ebenfalls im Gesetz nicht ausdrück-

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lieh gesagt ist, dem Stempelpflichtigen mitteilen, dem die U r k u n d e erst nach Zahlung des Stempels ausgehändigt werden soll.

ja

Mehr als wozu ein N o t a r hiernach schon durch die im Stempelsteuergestez ihm angewiesene Stellung verpflichtet ist, hat der Beklagte im vorliegenden Falle nicht getan. Er hat nur den Stempel berechnet, die Berechnung der Firma Gebr. B. mitgeteilt, welche im V e r t r a g e die Zahlung des Stempels ü b e r n o m m e n hatte, von ihr den Stempelbetrag entgegengenommen u n d dann den entsprechenden Stempel zur U r k u n d e verwendet. Alles das hat der Beklagte getan, u m seine Amtspflicht dem Staate gegenüber zu erfüllen, d e m er k r a f t Gesetzes zur Mitwirkung bei der Stempeleinziehung verbunden war. Eine Willensäußerung, dadurch auch noch eine Amtspflicht gegenüber den Urkundsbeteiligten zu erfüllen, liegt deshalb im Verhalten des Beklagten nicht, wie ja auch die Beteiligten nicht kundgegeben haben, daß sie eine weitere Tätigkeit in ihrem Interesse v o n ihm erwarteten. Zuzustimmen ist dagegen der Begründung des Berufungsurteils in ihrem zweiten Teil. D i e mit der Erhebung v o n Abgaben befaßten Beamten dürfen den Abgabepflichtigen keine ungerechtfertigten Steuerbeträge abfordern. T u n sie das trotzdem, so verletzen sie ihre A m t s pfllicht den Steuerschuldnern gegenüber und machen sich — oder den Staat — haftpflichtig, wenn ihnen dabei ein Verschulden zur Last fällt. D a s Oberlandesgericht hat bereits zutreffend auf das Urteil R G Z . Bd. 121 S. 176 hingewiesen. Andere Fälle der Amtspflichtverletzung durch ungerechtfertigte Steuererhebung sind behandelt in R G Z . Bd. 130 S. 319 und im Urteil des erkennenden Senats v o m 17. M ä r z 1931 III 167/30. Ungerechtfertigt ist eine Steuererhebung auch, wenn und soweit einem Pflichtigen ein zu hoher Betrag abgefordert wird. D a s hat sich der Beklagte zuschulden k o m m e n lassen, als er im vorliegenden Falle k r a f t seines A m t e s als N o t a r bei der Erhebung der Stempelsteuer f ü r die v o n ihm beurkundete Verhandlung mitwirkte. Er haftet für den dadurch der Stempelschuldnerin entstandenen Schaden, dessen Ersatz sie nicht von anderer Seite erlangen kann. R G Z . 137, 20 1. Z u r KlagbegrSndung bei Schadensersatzansprüchen wegen fahrlässiger Amtspflicht Verletzung. 2. K a n n der durch eine fahrlässige Amtspflichtverletzung Geschädigte gegen den schuldigen Beamten auf Feststellung klagen, daß dieser ihm zum Schadensersatz verpflichtet sei, soweit er, der Geschädigte, auf andere Weise keinen Ersatz zu verlangen vermöge? 3. Z u m Verjährungsbeginn bei Schadensersatzansprüchen Amtspflichtverletzung. B G B . §§ 839, 852.

wegen

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III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 3. Juni 1932.

I. Landgericht Cottbus. II. Kammergeridit Berlin.

Durdi Vertrag vom 2. November 1927, den der verklagte Notar G. beurkundete, verkaufte der im ersten Reditszug mitverklagte Rittergutsbesitzer S. sein Rittergut an den Diplomlandwirt K. und den Kaufmann M. Der Beklagte G. wirkte auch bei der Abwicklung des Vertrages mit. 315 000 RM., welche die Klägerin den Gutskäufern für das an sie, die Klägerin, mitveräußerte Holz des Gutsforstes zu zahlen hatte, vertraute sie dem Beklagten G. als Treuhänder an. Er zahlte das Geld an S., jedoch nach Behauptung der Klägerin ohne Einhaltung der verabredeten Bedingungen. Sie will dadurch um 30 000 RM. gesdiädigt sein und macht dafür sowohl den S. als auch den Beklagten verantwortlich. Mit der Klage hat sie die Verurteilung des S. zur Zahlung der genannten Summe und gegen den Beklagten G. die Feststellung seiner Verpflichtung begehrt, ihr den durch die abredewidrige Auszahlung der 315 000 Reichsmark entstandenen Schaden zu ersetzen, soweit sie auf andere Weise keinen Ersatz zu erlangen vermöge. Das Landgericht gab dem gegen den Beklagten G. gerichteten Feststellungsantrage statt. Auf seine Berufung wies das Kammergeridit die Klage gegen ihn ab. Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : Die Klage stützt sich in erster Reihe auf § 839 Abs. 1 BGB. Insoweit steht ihr jedoch, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, Satz 2 das. entgegen. Danach kann der Beamte, sofern ihm, wie das bei dem verklagten Notar der Fall sein soll, nur Fahrlässigkeit zur Last fällt, nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Die Unmöglichkeit, anderweit Ersatz zu erlangen, bildet in solchem Fall einen Teil des Tatbestandes, aus dem der Schadensersatzanspruch hergeleitet wird, und gehört daher zur Klagbegründung (RGZ. Bd. 81 S. 430; JW. 1930 S. 1304 Nr. 6 mit Nachweisungen). Sie muß von der klagenden Partei behauptet und bewiesen werden. Daran hat es, worauf das Berufungsgericht mit Recht entscheidendes Gewicht legt, die Klägerin fehlen lassen. Sie hat, wie die Tatbestände der Instanzurteile und die dort in bezug genommenen Schriftsätze ergeben, keine dahingehende Behauptung aufgestellt. In den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils findet sich zwar der Satz, es könne bereits als festgestellt gelten, daß der Ersatz des der Klägerin entstandenen Schadens von anderer Seite, insbesondere von S. oder von den Käufern K. und M., wie gerichtsbekannt sei, voraussichtlich nicht erlangt werden könne. Indessen kann hieraus nicht in Ergänzung des tatbestandlichen Parteivorbringens darauf geschlossen werden, daß die Klägerin die Leistungsunfähigkeit der ihr sonst etwa haftenden Personen geltend gemacht habe. Dem steht entscheidend ihr

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eigenes Klagbegehren entgegen. Sie fordert die Feststellung einer Sdiadensersatzverpfliditung des Beklagten nur, „soweit sie nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag". Mit dieser wesentlichen Einschränkung ihres Antrags sowohl wie mit der Tatsache, daß sie in diesem Rechtsstreit zugleich den S. auf Zahlung des von ihr auf 30 000 RM. bezifferten Schadensersatzes verklagt hatte, würde eine Behauptung unvereinbar sein, sie könne von niemand sonst als dem Beklagten Ersatz erlangen. Sie kann eine solche Behauptung nach Sinn und Zweck ihrer Klage und nach deren Verbindung mit der Klage gegen S. nicht aufgestellt haben. Die übrigens auch nur „voraussichtlich" die Möglichkeit anderweitigen Ersatzes verneinende, also dem § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. nicht einmal voll entsprechende Wendung des Landgerichts ist daher f ü r die Beurteilung der Klage ohne Belang. Sie gab auch dem Berufungsgericht keine Veranlassung, in Anwendung des Fragerechts nach § 139 ZPO. die Klägerin zu einer Ergänzung ihres Vorbringens zu veranlassen. Der Klagantrag mit seiner Beschränkung ließ von vornherein deutlidi erkennen, daß die Klägerin die entscheidende Behauptung aufzustellen nicht in der Lage war oder nidit beabsichtigte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Klägerin, wenn sie die Unmöglichkeit, sonst befriedigt zu werden, geltend gemacht hätte, nicht überhaupt statt einer Feststellungsklage eine Leistungsklage hätte erheben müssen. Die Klägerin f ü h r t allerdings noch aus, es stehe fest, daß sie sich bei den ihr sonst haftenden Personen keinen vollen Ersatz verschaffen könne, nur die Höhe ihres Ausfalls sei ungewiß; sie müsse deshalb das Recht haben, schon jetzt diesen Ausfall gegen den Beklagten geltend zu machen, der dafür einstehen müsse. Diese Erwägungen werden jedoch der durdi § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. geschaffenen Sonderstellung der nur einer Fahrlässigkeit schuldigen Beamten nidit gerecht. Der Geschädigte hat nach dieser Vorschrift zunächst die ihm sonst haftenden Personen in Anspruch zu nehmen. Die fahrlässig handelnden Beamten soll er n u r haftbar madien können, wenn, also auch soweit er anderweit nicht befriedigt wird. Deshalb ist das Bestehen eines Ausfalls des Geschädigten, wie schon eingangs bemerkt, ein Tatbestandsmerkmal des gegen den Beamten gerichteten Anpruchs. Das gilt nicht nur f ü r den Fall, daß der Geschädigte von anderer Seite überhaupt keinen Ersatz erlangen kann, sondern auch f ü r den Fall, daß er ihn sonst nur teilweise findet. Die Höhe seines nach Inanspruchnahme anderer Haftpflichtiger noch verbleibenden Schadens m u ß er beziffern, ehe er einen bestimmten Anspruch gegen den schuldigen Beamten geltend machen kann. Würde gegen diesen schon dann geklagt werden dürfen, wenn er irgendein Ausfall des Geschädigten, nicht aber seine Höhe feststände, so würde der Schutz, den die mehrgenannte Vorschrift den Beamten gewähren soll, in einer mit diesem Zweck des Gesetzes nidit verträglichen Weise beschränkt werden. Es mag also bei ungewisser Höhe des von dem Beamten zu

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ersetzenden Restschadens zwar ein der Feststellung an sich zugängliches Rechtsverhältnis vorliegen. Sachlich ist aber, ehe die Höhe dessen feststeht, was der Geschädigte nicht auf andere Weise einbringen kann, weder eine Leistungs- noch eine Feststellungsklage gegen den Beamten gerechtfertigt. Dabei soll noch bemerkt werden, daß die kurze Verjährung des § 852 BGB. erst dann ihren Lauf beginnt, wenn der Schadensersatzanspruch entstanden ist, bei einem Anspruch aus § 839 Abs. 1 BGB. also erst dann, wenn der Ausfall, f ü r den der Beamte aufzukommen hat, auch seiner H ö h e nach feststeht und diese Höhe dem Geschädigten bekannt ist. Solange und soweit sie ungewiß ist, kann er nicht gegen den Beamten klagen und braucht es deshalb auch nicht. Einen Verlust seines Anspruchs gegen den Beamten durch Ablauf der kurzen Verjährung hat der Gläubiger demnach nicht zu befürchten, wenn ihm eine Feststellungsklage, wie sie hier erhoben ist, versagt wird. . . . RGZ. 137, 153*) 'Wen trifft die Beweislast dafür, daß Pfandsachen, die der Gerichtsvollzieher im Gewahrsam des Schuldners belassen hatte und die später abhanden gekommen sind, zur Zeit eines vom Gerichtsvollzieher schuldhaft versäumten Versteigerungstermins noch vorhanden waren? BGB. §§ 249, 839. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 8. Juli 1932.

I. Landgericht Lyck. I I . Oberlandesgcricht Königsberg.

Im Februar 1926 hatte der Beklagte als Gerichtsvollzieher im Auftrage der Firma K. & Co. bei dem Gastwirt L. Zigarren im Werte von 5000 RM. gepfändet und im Gewahrsam des Schuldners belassen. Die Versteigerung unterblieb zunächst im Einvernehmen mit der Gläubigerin, die dem Schuldner Ratenzahlung bewilligt hatte. Im Termin vom 14. Oktober 1926 kam es nicht zum Pfandverkauf, weil keine genügenden Gebote abgegeben wurden. Obgleich die Gläubigerin am 10. November 1926 dem Beklagten schrieb, sie bestehe nunmehr auf Durchführung der Zwangsvollstreckung, hielt der Beklagte weder einen auf den 18. November 1926 noch einen auf den 13. Januar 1927 angesetzten Termin ab; auch sonst kümmerte er sich bis zu der am 1. Februar 1927 erfolgten Abgabe seiner Gerichtsvollziehergeschäfte nidit weiter um die Pfändung. Am 31. März 1927 wurde durch den Amtsnachfolger des Beklagten festgestellt, daß die gepfändeten Zigarren verschwunden waren. Wann und wie sie abhanden gekommen sind, ist nicht aufgeklärt. Der Schuldner ist seit Ende Oktober 1926 völlig vermögenslos. *) Vgl. auch Bd. 138 S. 40 (42) (abgedr. weiter unten in diesem Abschnitt).

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Die Gläubigerin hat an ihrer Forderung einen Ausfall von 23,80 R M . erlitten und weiter einen Kostenvorschuß von 40,49 RM. eingebüßt. Der klagende Staat hat ihr diese Beträge mit Zinsen ersetzt, weil er annahm, in dieser Höhe sei ihr infolge schuldhafter Amtspflichtverletzung des Beklagten ein Schaden entstanden. Mit derselben Begründung fordert er im vorliegenden Rechtsstreit vom Beklagten Erstattung von 71,79 R M . Im Gegensatz zum Landgericht hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Gründe: Das Berufungsgericht hat in der NichtVersteigerung der Pfandsachen im Termin vom 18. November 1926 eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des Beklagten gesehen. Gleichwohl hat es die Klage abgewiesen, und zwar deshalb, weil kein ursächlicher Zusammenhang dieser Amtspflichtverletzung mit dem Verschwinden der Zigarren erwiesen sei. Es meint, aus der Nichtabhaltung des Termins vom 18. November 1926 könne der Gläubigerin ein Schaden nur dann erwachsen sein, wenn in diesem Zeitpunkt die Zigarren noch vorhanden gewesen seien; denn andernfalls wäre der Schaden der Gläubigerin schon vorher eingetreten gewesen, und zwar endgültig, da eine Nachpfändung bei der damals schon bestehenden Vermögenslosigkeit des Schuldners ausgeschlossen gewesen sei. Zur Klagbegründung gehöre also der Nadiweis, daß die Zigarren am 18. November 1926 noch vorhanden gewesen seien; diesen Nachweis habe der Kläger nicht geführt. Die Revision rügt demgegenüber Verkennung der Beweislast. Sie meint in erster Reihe, es genüge die Feststellung, daß die Zigarren am 14. Oktober 1926 noch vorhanden gewesen seien; die Fortdauer dieses Zustandes bis zum 18. November brauche der Kläger nicht zu beweisen. Vielmehr sei der Beklagte beweispflichtig, wenn er sich darauf berufe, daß die Pfandsachen am 18. November nicht mehr vorhanden gewesen seien. Dieser Beweis sei nicht damit geführt, daß das Nichtvorhandensein für den März 1927 festgestellt sei. Dem kann nicht beigetreten werden. Eine allgemeine Vermutung, wonach ein bestehender tatsächlicher Zustand bis zum Beweise des Gegenteils als fortbestehend zu gelten hätte, ist nicht anzuerkennen. Für den vorliegenden Fall k o m m t dazu entscheidend folgende Erwägung: Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (RGZ. Bd. 120 S. 67) muß ein Beamter, in dessen amtliche Obhut eine Sache gelangt ist, ihren etwa eingetretenen Verlust aufklären; dazu genügt aber der Nadiweis, daß das Abhandenkommen der Sache ohne Verschulden des Beamten eingetreten sein kann. Beläßt der Gerichtsvollzieher die von ihm gepfändeten Sachen im Gewahrsam des Schuldners, wie es hier der Beklagte — nach rechtsirrtumfreier Annahme des Berufungsgerichts ohne Verschulden — getan hat, so gelangen die Pfandsachen überhaupt nicht in seine Obhut; er kann also

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keinesfalls ungünstiger gestellt werden als ein Beamter in dem erstgedachten Falle. Da sich die Möglichkeit, daß die Pfandsachen ohne Verschulden des Beklagten verschwunden sind, ohne weiteres aus der Sachlage ergibt, so kann ihm ein Entlastungsbeweis überhaupt nicht aufgebürdet werden. Es muß also bei der Grundregel bleiben, daß der Geschädigte alle Voraussetzungen seines Schadensersatzanspruchs beweisen muß. Dazu gehört auch der Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs. Dieser ist hier nur dann gegeben, wenn die Zigarren im Zeitpunkt der vom Beklagten begangenen schuldhaften Amtspflichtverletzung, also am 18. November 1926 noch vorhanden waren. Die Revision will weiter die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins angewendet haben. Sie meint, es sei prima facie anzunehmen, daß die Pfandstücke erst infolge der Verschleppung der Angelegenheit durch den Beklagten abhanden gekommen seien, da erfahrungsgemäß Vollstreckungsschuldner erst dann eine Beseitigung der Pfandstücke wagten, wenn sie vermuteten, daß sidi niemand mehr recht um die Angelegenheit kümmere. Auch dem kann nicht gefolgt werden. Was die Revision vorbringt, besagt bestenfalls, es spreche eine größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Pfandstücke in einem späteren Abschnitt der schuldhaften Untätigkeit des Beklagten, als daß sie sehr bald nach seiner letzten Anwesenheit am Verwahrungsort der Zigarren (14. Oktober 1926) beiseite gebracht worden seien. Es handelt sich dabei um eine Erwägung, die vielleicht bei der Würdigung der etwa erhobenen Beweise angestellt werden mag. Daß es aber dem regelmäßigen Verlauf der Dinge entspreche, daß die Zigarren erst nach dem 18. November 1926 verschwunden seien, davon kann keine Rede sein. RGZ. 138, 40 Wieweit erstreckt sich die öffentlich-rechtliche Bewahrungspflicht bei Sachen, die der Vollziehungsbeamte bei der Eintreibung von Steuern gepfändet, dann aber nicht weggeschafft, sondern an Ort und Stelle belassen hat? Reichsabgabenordnung vom 13. Dezember 1919 (RGBl. S. 1993) § 321*). BGB. § 839. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 7. Oktober 1932.

I. Landgericht Königsberg. II. Oberlandesgeridit daselbst.

Anfang 1920 hatte der Kläger sein Gut E. an eine Frau R. und deren Neffen B. verkauft. Der Kläger selbst verzog in das Memelgebiet. Auf Grund eines gegen ihn ausgebrachten Steuerarrestes, dem später noch ein Sicherheitsbescheid folgte, hat das Finanzamt G. am 12. Mai 1920 und am *) § 348 der R A O i. d. F. vom 22. Mai 1931 — RGBl. I S. 161.

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22. Juli 1921 Pfändungen in die noch auf E. zurückgebliebene Habe des Klägers vorgenommen, die Gegenstände aber dort belassen. Ende 1922 hat der Kläger seine Steuerschulden bezahlt, daß Finanzamt hat die gepfändeten Gegenstände freigegeben. Zur wirklichen Rückgabe der Sachen kam es erst im September 1923. Wie sich nun herausstellte, waren die Pfandsachen teils abhanden gekommen, teils beschädigt. Den ihm hieraus erwachsenen Schaden verlangt der Kläger in Höhe von 29 546,46 RM. nebst Zinsen vom Beklagten ersetzt. Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers beließ das Oberlandesgericht es in Höhe von 18 546,46 RM. bei der Klagabweisung, erkannte aber in Höhe der weiteren 11 000 RM. auf einen Schätzungseid des Klägers. Auf die Revision des Beklagten wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gründe: Der Berufungsrichter hat den Klaganspruch sowohl an der Hand der Rechtsregeln, die die Rechtsprechung über die sog. öffentlich-rechtliche Verwahrungspflidit entwickelt hat, als auch unter dem Gesichtspunkt der sog. Amtshaftung (Art. 131 RVerf., § 839 BGB.) geprüft. Hiergegen bestehen keine Bedenken; auch die Revision hat solche nicht erhoben. Auf Grund beider Gesichtspunkte ist der Berufungsrichter zu einer teilweisen, durch den Schätzungseid des Klägers bedingten Verurteilung des Beklagten gelangt. Die getroffenen Feststellungen reichen aber, wie die Revision mit Recht rügt, nicht aus, die Verurteilung aufrechtzuerhalten. Nach der Annahme des Berufungsrichters war der Beklagte, nachdem seine Behörden einmal durch die Pfändungen in die Verfügungsgewalt des Klägers als des Eigentümers der Pfandstücke eingegriffen hatten, zur sicheren Aufbewahrung und pfleglichen Behandlung der Sachen gehalten. Das steht an sich im Einklang mit der Rechtsprechung (vgl. RGUrt. vom 12. November 1926 III 570/25). Diese Pflicht bestand für den Beklagten, solange er nicht zur Veräußerung und Verwertung der Pfandsachen schritt, und festgestelltermaßen ist er zur Veräußerung überhaupt nicht geschritten; es kommt deshalb nicht auf die von der Revision erörterte Frage an, ob der Beklagte auf Grund der damals vorliegenden Titel nach Maßgabe der Reichsabgabenordnung zur Veräußerung hätte schreiten können. Mit Grund rügt die Revision aber, daß der Berufungsrichter den Umfang jener Verpflichtung des Beklagten zu weit ausgedehnt habe. Nach § 321*) RAbgO., welche Vorschrift sich an die entsprechenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung (§§ 808, 809) anlehnt, konnte das Finanzamt G., das gleichzeitig zur Vertretung des Beklagten als Gläubigers wie zur Durchführung der Zwangsvollstreckung mit Hilfe seiner "') § 348 n. F.

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Schuldrecht, Besonderer T e i l

Vollziehungsbeamten berufen war (also die R o l l e des Gerichtsvollziehers u n d des Gläubigers in sich vereinigte), die P f ä n d u n g auf dreierlei Weise v o r n e h m e n : es k o n n t e die Pfandstücke in eigene V e r w a h r u n g nehmen, es k o n n t e sie im G e w a h r s a m des Schuldners belassen, und es konnte sie bei einem zur H e r a u s g a b e bereiten D r i t t e n pfänden und sie in dessen G e w a h r s a m belassen (Abs. 1, 2 u. 4 a. a. O.). Dieser Unterschied ist f ü r die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts von grundlegender Bedeutung. Die Rechtsprechuung über die öffentlich-rechtliche V e r w a h rungspflicht des Staates (oder sonstiger öffentlicher Körperschaften) hat es bisher regelmäßig nur mit solchen Fällen zu tun gehabt, in denen der S t a a t die volle tatsächliche Gewalt über die f r e m d e n Sachen ü b e r k o m m e n hatte. In solchen Fällen ist der Staat, sei es unbedingt oder doch bedingt, zur R ü c k g a b e der Sachen an den E i g e n t ü m e r oder Hinterleger verpflichtet. Diese R ü c k g a b e hat unversehrt zu geschehen; hieraus ergibt sich die v o n der Rechtsprechung a n g e n o m m e n e Verantwortlichkeit des Staates f ü r eine etwaige Beschädigung oder auch f ü r ein A b h a n d e n k o m m e n der Gegenstände. D a r a u s leitet sich ferner die H a f t u n g des Staates f ü r die Personen ab, deren er sich zur E r f ü l l u n g seiner V e r w a h rungs- u n d Rückgabepflicht bedient (§ 278 B G B . ) , ebenso die A u f g a b e , gegebenenfalls den Entlastungsbeweis nach § 282 B G B . zu führen. All das t r i f f t aber nicht, jedenfalls nicht schlechthin, f ü r solche Fälle zu, in denen der Staat nicht die volle tatsächliche Gewalt über die Gegenstände erlangt hat. In R G Z . B d . 137 S. 153 hat der erkennende Senat ausgesprochen, daß Sachen, die der Gerichtsvollzieher z w a r pfändet, aber im G e w a h r s a m des Schuldners beläßt, nicht in die amtliche O b h u t des Gerichtsvollziehers gelangen und daß daher diesem oder dem an seiner Stelle haftenden Staat f ü r den Fall u n a u f g e k l ä r t gebliebenen A b h a n d e n k o m m e n s der Gegenstände nicht der Entlastungsbeweis (§ 282 B G B . ) a u f g e b ü r d e t werden kann. Diese Entscheidung ist zwar für das Rechtsverhältnis zwischen dem Staat u n d d e m Gläubiger ergangen; aber sie m u ß entsprechend auch f ü r das hier in R e d e stehende Verhältnis zwischen d e m Staat und dem Schuldner gelten, und ebenso muß sie für das Verf a h r e n der Finanzbehörden in P f ä n d u n g s s a d i e n nicht minder gelten als f ü r die P f ä n d u n g durch den Gerichtsvollzieher. H a t die p f ä n d e n d e Finanzbehörde nicht die volle tatsächliche G e w a l t über die Pfandstücke erlangt, so kann sie auch nicht schlechthin zur R ü c k g a b e verpflichtet, also auch nicht mit der vollen Verantwortlichkeit f ü r die Sachcn belastet sein; sie kann nur mit einer solchen V e r a n t w o r t u n g belastet werden, wie sie d e m durch die bloße Pfändung (ohne U e b e r g a n g des G e w a h r s a m s auf die p f ä n d e n d e Behörde) begründeten Rechtsverhältnis entspricht. Eine solche beschränkte V e r a n t w o r t u n g bleibt bestehen. Sie kann z. B. beg r ü n d e t sein, wenn der Staat infolge eines v o n ihm zu vertretenden V e r schuldens seiner gesetzlichen Vertreter (§§ 31, 89 B G B . ) oder seiner E r füllungsgehilfen (§ 278 B G B . ) außerstande ist, die Sache unversehrt v o m

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Pfandrecht freizustellen. In diesem Umfang mag auch von einer Pflicht zur Führung eines Entlastungsbeweises gesprochen werden können. Diese Rechtslage hat der Berufungsrichter verkannt. E r geht, wie das angefochtene Urteil in seinem Aufbau erkennen läßt und übrigens audi an mehreren Stellen ausdrücklich sagt, davon aus, daß schon die bloße Tatsache des amtlichen Pfändungseingriffs hinreiche, um die volle Verantwortung für das Schicksal der Sachen und, soweit es sich um unaufgeklärt gebliebene Vorgänge handelt, den vollen Entlastungsbeweis dem Beklagten aufzuerlegen. Dies möchte nicht zu beanstanden sein, wenn die Finanzbehörde die Sachen weggeschafft und in ihre eigene O b hut genommen hätte. Das ist aber unstreitig nicht geschehen, sondern der Vollziehungsbeamte hat die gepfändeten Sachen in E. belassen. Auch den rechtlichen Gehalt dieses letzteren Vorgangs, der Belassung in E., hat der Berufungsrichter nicht ausgeschöpft. Der Kläger hatte bei seiner Ausreise in das Memelgebiet Möbelstücke und einen großen T e i l seiner sonstigen fahrenden Habe, größtenteils in verschlossene Kisten oder andere Behältnisse verpackt, in E. zurückgelassen. Es erhellt nicht, ob der V e r bleib der Sachen in E. f ü r längere Zeit beabsichtigt war oder ob die A b beförderung nach dem neuen Aufenthaltsort des Klägers unmittelbar bevorstand, als die Pfändung erfolgte. Es erhellt auch nicht, o b und welche Abreden zwischen dem Kläger und den neuen Besitzern des Gutes E. über die Aufbewahrung der Sachen getroffen waren. V o n diesen U m ständen hängt es ab, o b die neuen Besitzer, als welche der Berufungsrichter die Eheleute R . bezeichnet, als unmittelbare Besitzer, etwa als Verwahrer für den Kläger, anzusehen waren oder als bloße Besitzdiener, was angenommen werden könnte, wenn die Möbel usw. zur alsbaldigen Abbeförderung bereitgestellt gewesen wären und die R.sehen Eheleute dies nur einstweilen geduldet und allenfalls den Raum zur Verfügung gestellt hätten. Waren die R.schen Eheleute unmittelbare, der Kläger mittelbarer Besitzer (§ 868 B G B . ) , so mochte es sich wohl um eine Pfändung nach § 321*) Abs. 4 R A b g O . handeln. W a r der Kläger unmittelbarer Besitzer geblieben und waren die R.schen Eheleute nur als seine Besitzdiener anzusehen (§ 855 B G B . ) , so könnte die Pfändung als eine solche gemäß § 321*) Abs. 2 R A b g O . gelten (Belassung im Gewahrsam des Schuldners). Das Vorliegen einer Pfändung nach § 321*) Abs. 1 R A b g O . (eigene Besitznahme durch den Vollziehungsbeamten) ist bisher nicht eindeutig festgestellt worden. Doch kann eine solche in Betracht kommen, dann nämlich, wenn der Vollziehungsbeamte durch Verschließung der Aufbewahrungsräume und eigene Inbesitznahme der Schlüssel oder Uebergabe der Schlüssel an einen von ihm beauftragten Dritten eigenen Gewahrsam für sich oder die pfändende Finanzbehörde begründet hätte. Der vom Berufungsrichter festgestellte Sachverhalt reicht nicht aus, um :f

)

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diese Fragen schon jetzt abschließend beurteilen zu können. Sie bedürfen weiterer Klärung. Sollte sich in der weiteren Verhandlung ergeben, daß die Pfändung gemäß § 321*) Abs. 4 RAbgO. vor sich gegangen, die Sachen also im Gewahrsam der R.schen Eheleute belassen worden sind, so wären diese als unmittelbare Besitzer (Gewahrsamsinhaber) anzusehen, die zunächst f ü r den Beklagten den beschränkten, nämlich Pfandbesitz, in zweiter Linie f ü r den Kläger als Eigentümer oder Hinterleger den Besitz ausübten; sie h ä t t e n also eine ähnliche Stellung wie ein gemeinschaftlicher Verwahrer gehabt. Bei dieser Sachlage könnte der Beklagte f ü r die Beschädigung oder das Abhandenkommen gepfändeter Sadien nur insoweit verantwortlich gemacht werden, als gerade sein durch die Eheleute R . vermittelter Pfandbesitz ursächlich f ü r den Schaden geworden ist. Soweit etwa U m stände, die mit dem Pfandbesitz des Beklagten nichts zu tun haben, zur Entstehung von Schäden beigetragen haben, würde der Beklagte ausscheiden und die Verantwortungsfrage zwischen dem Kläger u n d den Eheleuten R . auszutragen sein. N u r falls die erneute Verhandlung ergeben sollte, daß die Finanzbehörde die Sachen, obzwar nicht weggeschafft, so doch auf andere 'Weise, z. B. durch Aufbewahrung in abgeschlossenen R ä u m e n und eigene Verwahrung der Schlüssel, in ihren Gewahrsam gebracht hätte (§ 321*) Abs. 1 RAbgO.), wäre gegen den grundsätzlichen Standpunkt des Berufungsrichters nichts zu erinnern. Immerhin wäre von diesem Standp u n k t aus die Frage eines mitwirkenden eigenen Verschuldens des Klägers erneut zu prüfen. Denn die Revision macht nicht ohne G r u n d geltend, daß es auch dann Sadie des Klägers gewesen wäre, sich f r ü h e r u n d nachdrücklicher, als es geschehen ist, selbst um den Verbleib der Sadien zu kümmern u n d insbesondere, falls das Finanzamt seinen V o r stellungen kein Gehör schenkte, sich beschwerdeführend an eine höhere Stelle zu wenden (vgl. den rechtsähnlichen Fall des § 766 ZPO. u n d dazu § 839 Abs. 3 BGB.) . . . RGZ. 138, 309 1. Unter welchen Umständen gehört zum ordnungsgemäßen Gebrauch eines Rechtsmittels nadi $ 839 Abs. 3 BGB. auch eine Begründung? 2. Liegt den beteiligten Beamten bei der Zuweisung eines Zwangsmieters und beim Abschluß eines Zwangsmietvertrags eine Amtspflicht nur ob dem von der Zuweisung betroffenen Verfügungsberechtigten gegenüber? 3. Hat die Gemeinde nach Art. 153 RVerf. auch den Schaden zu ersetzen, der dem Verfügungsberechtigten durch die Zuweisung eines zahlungsunfähigen Zwangsmieters entsteht? *) § 348 n. F.

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Wohnungsmangelgesetz vom 26. Juli 1923 ( R G B l . I S. 754) W M G . — § 4*). III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Bonn.



U r t . v. 1. November 1932. I I . Oberlandesgericht Köln.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines in B. belegenen Hauses, das sie 1927 in der Zwangsversteigerung erworben hatte. Im Februar 1925 wurde das Haus, das damals noch der Vorbesitzerin der Klägerin, Frau M., gehörte, vom Wohnungsamt der verklagten Stadtgemeinde beschlagnahmt. Dann wies das Wohnungsamt der Frau M. den W i r t N. als Zwangsmieter zu. Das Mieteinigungsamt setzte durch Beschluß vom 15. August 1925 einen Zwangsmietvertrag fest, wobei dem N . gewisse Verpflichtungen auferlegt wurden, für die seine Ehefrau die gesamtschuldnerische Bürgschaft übernahm. Gegen den Beschluß legte Frau M. ohne nähere Begründung Rechtsbeschwerde ein, die jedoch verworfen wurde. Während der Mietzeit starb N., und im November 1928 räumte seine Frau unter Hinterlassung einer Mietschuld das Haus. Die Klägerin, die eine H y p o t h e k auf dem Hause gehabt hatte, fiel bei der Zwangsversteigerung mit einem Teil ihrer Forderung aus. Sie erwirkte darauf einen Beschluß gegen ihre Schuldnerin, Frau M., durch welchen deren angebliche Forderungen gegen die Beklagte auf Entschädigung für die Beschlagnahme des Hauses und auf Schadensersatz wegen schuldhaft-pfliditwidriger Einweisung der zahlungsunfähigen Eheleute N. durch die Beamten der Beklagten gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen wurden. Diese Forderungen macht die Klägerin jetzt geltend. Außerdem verlangt sie Ersatz des Schadens, den sie selbst durdi die Eheleute N. erlitten haben will, und zwar ebenfalls sowohl unter dem Gesichtspunkt der Entschädigung für die Beschlagnahme als auch unter dem des Schadensersatzes wegen Amtspflichtverletzung. Durdi rechtskräftiges Teilurteil wurde der Klägerin für den bis zum 15. August 1925 entstandenen Schaden ein Teilbetrag zugesprochen. Im übrigen wurde die Klage in den Vorinstanzen abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin wurde die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, als es sich um die auf die Klägerin übergegangenen A n sprüche der Frau M. auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzungen von Beamten der Beklagten handelt. Im übrigen blieb die Revision erfolglos. Aus den G r ü n d e n : 1. Soweit die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Ehefrau M. Ansprüche aus Art. 131 R V e r f . und § 839 B G B . erhebt, ist für die Revisionsinstanz von einem Verschulden der Beamten der Beklagten bei der Einweisung des Ehemanns N . als Zwangsmieter auszugehen. Der Be*)

Vgl. Wohnungsges. des All. Kontrollrats vom 8. März 1946.

Zirilt. Sdiulilredit 11

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rufungsrichter hat die Klägerin mit diesen Ansprüchen auf Grund von § 839 Abs. 3 BGB. abgewiesen und dazu folgendes ausgeführt: Die Ehefrau M. habe zwar Rechtsbeschwerde eingelegt, diese indessen weder bei der Einlegung noch nachträglich begründet. Zum ordnungsgemäßen Gebrauch eines Rechtsmittels gehöre aber eine Begründung zum mindesten dann, wenn der Beteiligte Umstände kenne oder kennen müsse, die f ü r die Rechtsmittelinstanz ausschlaggebend seien. Keinesfalls dürfe der Beteiligte eine Begründung unterlassen, wenn ihm derartige Umstände bekannt seien, er aber selbst keinen Wert auf den Erfolg des Rechtsmittels lege. In einem soldien Fall sei das Unterbleiben der Begründung des Rechtsmittels nicht anders zu bewerten, als wenn das Rechtsmittel zurückgezogen würde. Aus der Aussage des Ehemanns M. ergebe sich, daß er nach der Benennung des Zwangsmieters N . durch das 'Wohnungsamt erfahren habe, dieser sei gänzlich vertrauensunwürdig ynd mittellos. M. habe darauf Einspruch eingelegt, der Beklagten aber keine weitere Mitteilung gemacht. Er habe geglaubt, es genüge Einspruch einzulegen. Dann habe M. die Sache nicht weiter verfolgt, da er zu der Ansicht gekommen sei, es sei besser, daß N . in dem Hause wohnen bleibe, als daß es leerstehe. Dies gehe auch aus einem von dem Ehemann M. an N. gerichteten Schreiben hervor. Darin habe er eine vorhergehende mündliche Vereinbarung bestätigt, wonach er einverstanden sei, daß N . die Wohnung behalte, während die Beschwerde nur eine Formsache sei und wegen der Kosten erfolge. Es sei somit anzunehmen, daß der Ehemann M. die schlechte Vermögenslage der Eheleute N . gekannt, sie aber dem Beschwerdegericht nicht mitgeteilt habe, weil er damit einverstanden gewesen sei, daß die Eheleute N. wohnen blieben, und weil er aus diesem Grunde keinen Wert darauf gelegt habe, ob die Beschwerde zurückgewiesen werde oder nicht. Dieses Verhalten des Ehemanns M. habe seine Ehefrau gegen sich gelten zu lassen, da er immer in deren Auftrag gehandelt habe. Es sei deshalb unerheblich, ob sie über alle Einzelheiten unterrichtet gewesen sei, und daß sie die Eingaben an die Wohnungsbehörden und Gerichte selbst unterschrieben habe. Die Revision macht gegenüber diesen Ausführungen geltend, daß der Berufungsrichter zu Unrecht die Unterlassung einer Begründung des Rechtsmittels dessen Zurücknahme gleidistelle. Der Unterlassung eines Gebrauchs des Rechtsmittels könne das Fehlen einer Begründung in den Fällen nicht gleichgesetzt werden, in denen eine solche vom Gesetz nicht vorgeschrieben sei. Es mag der Revision zugegeben werden, daß zur Anwendung des § 839 Abs. 3 BGB. regelmäßig die ordnungsgemäße Einlegung des Rechtsmittels genügt. Dem im Gesetz gewählten Ausdruck „Abwendung des Schadens durch G e b r a u c h eines Rechtsmittels", der nach der Gesetzesgeschichte verschiedenen früheren Gesetzgebungswerken entstammt (z. B. dem Bürgerlichen Gesetzbuch f ü r das Königreich Sachsen §§ 1506/ 1507), kann nicht ohne weiteres die gegenteilige Meinung entnommen

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werden. So mag insbesondere eine unzutreffende oder unvollständige Begründung nidits schaden. Hier ist jedoch das Rechtsmittel nur „formell" eingelegt worden, also nicht, um einen sachlichen Erfolg zu erzielen. In einem solchen Fall kann füglich nicht vom Gebrauch eines Rechtsmittels zwecks Abwendung eines Schadens gesprochen werden, zumal da, was die Revision übersieht, nach § 21 Abs. 1 Satz 3 der Anordnung f ü r das Verfahren vor dem Mieteinigungsamt und der Beschwerdestelle vom 19. September 1923 (RGBl. I S. 889) der Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde begründen soll. Diese Begründung hat aber nach der Annahme des Berufungsrichters der Ehemann M. bewußt und absichtlich trotz Kenntnis von der Vermögenslosigkeit der Eheleute N . unterlassen. Auch die Ansicht des Berufungsrichters, die Ehefrau M. habe dafür einzustehen, daß ihr Ehemann die Beschwerde nicht begründet habe, begegnet keinen wesentlichen Bedenken, zumal da der Ehemann M. nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin Generalvollmacht von seiner Ehefrau besaß. Damit billigte diese ohne weiteres alle Schritte ihres Mannes, welche er in Verwaltung ihrer Angelegenheiten unternahm, und verzichtete auf eine nähere Unterrichtung über die ihm etwa bekannt gewordenen wesentlichen Umstände. Unterließ somit ihr Ehemann die Anführung ihm bekannt gewordener erheblicher Tatsachen, so konnte sie sich nicht hinterher auf ihre eigene Unkenntnis berufen, und zwar um so weniger, als sie selbst die Eingaben an das 'Wohnungsamt und das Mieteinigungsamt unterschrieben hatte. Denn ihre Unkenntnis beruhte auf ihrem eigenen vorsätzlichen Willensentschluß. . . . (Es folgen Ausführungen zur Begründung der teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils.) 2. Der Berufungsrichter hat den auf Grund von § 839 BGB. aus eigenem Recht der Klägerin f ü r die Zeit nach dem Erwerb in der Zwangsversteigerung geltend gemachten Schadensersatzanspruch mit folgender Begründung abgelehnt: Wenngleich die Klägerin durch den Erwerb in der Zwangsversteigerung nicht Rechtsnachfolgerin der Ehefrau M. geworden sei, so sei sie doch an deren Stelle getreten und könne nicht mehr Rechte geltend machen, als dieser zugestanden hätten. Die einmal aus § 839 Abs. 3 BGB. erloschene Schadensersatzpflicht könne nicht wieder aufleben, sobald der zunächst Berechtigte durch einen anderen ersetzt werde. Die Klägerin habe aber auch keinen Schaden erlitten, da sie das Haus zu einer Zeit angesteigert habe, als die Eheleute N . schon darin gewohnt hätten. Der Preis sei dementsprechend bemessen gewesen. Auch die Hypothek, derentwegen die Ansteigerung erfolgte, sei im Oktober 1925 bestellt worden, als das Haus noch von den Eheleuten N. bewohnt gewesen sei. Diese Würdigung mag rechtlichen Bedenken unterliegen, zumal da der Berufungsrichter, wie die Revision nicht ohne Grund hervorhebt, nicht feststellt, daß die Klägerin bei der Ansteigerung die Mittellosig7»

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keit der Eheleute N. gekannt hat. Dennoch ist das Ergebnis schon aus dem Grunde zutreffend, weil den Beamten des Wohnungsamts bei Zuweisung des Zwangsmieters — wie auch den Mitgliedern des Mieteinigungsamts bei Abschluß des Zwangsmietvertrags — eine Amtspflicht nur gegenüber der von der Beschlagnahme betroffenen verfügungsberechtigten Ehefrau M. oblag. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Senats Dritte nach § 839 BGB. nicht nur die bei dem Amtsgeschäft unmittelbar Beteiligten, sondern alle Personen, deren Interesse nach der besonderen Natur des Amtsgeschäfts durch dieses berührt und in deren Rechtskreis dadurch eingegriffen werden kann, auch wenn sie durch die Amtsausübung nur mittelbar und unbeabsichtigt betroffen werden (RGZ. Bd. 72 S. 324, Bd. 78 S. 241, Bd. 86 S. 105, Bd. 125 S. 85, Bd. 126 S. 255, Bd. 127 S. 153, Bd. 129 S. 23 u. ö.). Es können daher zu den Dritten nach § 839 BGB. auch solche Personen gehören, gegen die ein Eingriff erst später wirksam wird. Immer muß es sich aber um eine dem Dritten gegenüber bestehende Amtspflicht handeln. Ist die Amtspflicht nach Art der Tätigkeit des Beamten auf einen bestimmten Kreis von Personen b e s c h r ä n k t , so liegt sie ihm nicht gegenüber anderen Personen ob, mögen auch deren Belange später durch Nachwirkungen der Amtshandlung betroffen werden. Bei der Zuweisung eines Zwangsmieters im Wege der Beschlagnahme auf Grund des Wohnungsmangelgesetzes soll aber der Beamte nur die Interessen des unmittelbar von der Beschlagnahme betroffenen Verfügungsberechtigten mitwürdigen. Dies ergibt sich ohne weiteres aus § 4 Abs. 1 Satz 2 WMG., wonach das Mieteinigungsamt und somit auch die Beamten des Wohnungsamts nur zu prüfen haben, ob für den „Verfügungsberechtigten" keine unverhältnismäßigen Nachteile aus der Vermietung zu besorgen sind. Zweck der Beschlagnahme ist die Herbeiführung eines Mietvertrags mit einem bestimmten Verfügungsberechtigten, sei es freiwillig oder im Wege des Zwanges. Ob später durch rechtsgeschäftliche Handlung oder durch Zwangsvollstreckung eine andere Person verfügungsberechtigt über die Räume wird, kann von den Beamten nicht in den Kreis der ihnen obliegenden Erwägungen gezogen werden, wenngleich der Eintritt in den Mietvertrag gemäß §§ 571 flg. BGB., § 57 ZVG. kraft Gesetzes erfolgt. Denn dieser Eintritt vollzieht sich auf Grund eines selbständigen, freiwilligen Entschlusses des späteren Erwerbers, der die Tatsache des Zwangsmietvertrags vorfindet und sie daher berücksichtigen kann. Eine den Beamten der Wohnungs- und Mieteinigungsämter auch späteren Erwerbern gegenüber obliegende Amtspflicht kann daher bei der Einweisung von Zwangsmietern nicht angenommen werden. 3. Soweit die Klage auf Art. 153 RVerf. gestützt wird, hat der Berufungsrichter grundlegend angenommen, daß die beschlagnahmende Gemeinde nicht für einen durch Zahlungsunfähigkeit des Mieters entstehenden Ausfall hafte. Dies folge aus § 4 Abs. 2 WMG., wonach das Miet-

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einigungsamt anordnen könne, daß die Gemeinde an Stelle des Wohnungsuchenden als Mieter gelte. Es mache hierbei keinen Unterschied, ob der Mieter schon bei der Einweisung zahlungsunfähig sei oder die Zahlungsunfähigkeit erst später enstände. Dieser Rechtsansicht des Berufungsrichters ist entgegen der Meinung der Revision beizutreten. Es ist zwar mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts (zuletzt R G U r t . vom 26. November 1930 I X 68/30, abgedr. J W . 1932 S. 46 N r . 8) davon auszugehen, daß die Gemeinde gemäß Art. 153 RVerf. auch für den Schaden haftet, der dem betroffenen Eigentümer aus der Beschlagnahme und Zuweisung eines Zwangsmieters und dem Abschluß eines Zwangsmietvertrags auf Grund von § 4 W M G . entsteht. Doch kann insoweit keine H a f t u n g für denjenigen Schaden anerkannt werden, der dem Eigentümer (Verfügungsberechtigten) aus der Zahlungsunfähigkeit des eingewiesenen Zwangsmieters entsteht. Es kann zwar nicht angenommen werden, daß es sich hierbei überhaupt um keinen Schaden handle, dessen Ersatz seiner Art nach gemäß der einschlägigen Rechtsprechung des Reichsgericht zu Art. 153 RVerf. verlangt werden könne. Nach der grundlegenden Entscheidung des Reichsgerichts in R G Z . Bd. 112 S. 192 ist insoweit als angemessen die Entschädigung anzusehen, welche das preußische Enteignungsrecht den Enteigneten zubilligt. Danadi bildet in einem Fall der Eigentumsbeschränkung, wie er hier vorliegt, den Gegenstand der Entschädigung der Minderwert, den das betreffende Grundstück durch die dem Enteigneten auferlegte Beschränkung erleidet. Als Minderwert wird man aber auch die Entwertung infolge des Verlustes derjenigen Nutzungen auffassen müssen, die das Grundstück an und f ü r sich zu gewähren in der Lage ist. Entscheidend kann daher nur sein, ob der Ausfall eine Folge der Entziehung der Wohnung im Wege der Beschlagnahme darstellt oder ob etwa der Ersatz dieses Schadens durch das Gesetz selbst ausgeschlossen wird. Die Beschlagnahme entzieht dem Nutzungsberechtigten die Möglichkeit der eigenen Verwertung der Wohnung. Er erhält dagegen einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Mietentschädigung in Höhe der gesetzlichen Miete und wird daher regelmäßig, soweit er nicht aus besonderen Gründen einen darüber hinausgehenden Schaden erleidet, durch diesen Anspruch abgefunden, da seine Nutzungsrechte durch das Reichsmietengesetz beschränkt werden ( R G U r t . vom 22. Dezember 1925 III 31/25, abgedr. PrVerwBl. Bd. 47 S. 453). Es könnte daher die Ansicht vertreten werden, daß sich derjenige Schaden nicht als Folge der Beschlagnahme darstelle, der erst durch den weiteren Umstand eintritt, daß der eingewiesene Zwangsmieter zahlungsunfähig ist. Diese Auffassung ist aber als zu eng abzulehnen, da die Zuweisung der Wohnung an einen bestimmten Wohnungsuchenden ebenfalls eine Beschlagnahme und insbesondere der Abschluß des Zwangsmietvertrags einen hoheitsrechtlidien Zwangsakt darstellt, der die Rechte des Verfügungsberechtigten zugunsten

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dieses bestimmten Zwangsmieters beschränkt und ihm nur Ansprüche gegen den letzteren gewährt. Es ist aber dem Berufungsrichter darin beizutreten, daß das Gesetz bewußt eine Haftung der beschlagnahmenden Gemeinde nur dann eintreten lassen will, wenn die Gemeinde gemäß einer Anordnung nadi § 4 Abs. 2 WMG. an Stelle des Wohnungsuchenden als Mieter gelten soll. Denn diese Bestimmung, welche gerade dem Verfügungsberechtigten Schutz gegen Mietausfälle gewähren soll, wäre völlig überflüssig, wenn eine Haftung der Gemeinde ohne weiteres gegeben wäre. Dem steht nicht entgegen, daß der Verfügungsberechtigte keinen Rechtsanspruch auf Anwendung der genannten Bestimmung hat, sondern ihre Anwendung im pflichtgemäßen Ermessen des Mieteinigungsamts steht. Denn allein der Zweck der Bestimmung muß entscheidend sein. Es ist unerheblich, worauf D a h m a n n Deutsches Wohnungsarchiv 1928 Sp. 226 und die Revision verweisen, daß die Art der Eigentumsbeschränkung durch Zuweisung eines zahlungsunfähigen Zwangsmieters den Schaden verursache. Denn die Entschädigung ist, ganz abgesehen von der Frage des ursächlichen Zusammenhangs, nur zu gewähren, soweit nicht ein Reichsgesetz etwas anderes bestimmt (Art. 153 Abs. 2 Satz 2 RVerf.). Das Wohnungsmangelgesetz bestimmt aber eine Haftung der Gemeinden nur in den Fällen, in welchen das Mieteinigungsamt eine Anordnung gemäß § 4 Abs. 2 trifft. Daher entfällt der auf Art. 153 RVerf. gestützte Anspruch der Klägerin in vollem Umfang. R G Z . 139, 149 Kann sich ein im Unternehmerbetrieb einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft tätiger Beamter auf die Schutzvorsdirift § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. berufen, wenn er Straßenverkehrsvorschriften fahrlässig verletzt und dadurch einem Straßenbenutzer Schaden zugefügt hat? BGB. §§ 823, 831, 839. VI. Z i v i 1 s e n a t. I. Landgericht Magdeburg.

KFG. § 18.

Urt. v. 19. Dezember 1932. II. Oberlandesgericht Naumburg.

Am 28. Oktober 1929 wurde der Kläger auf der Sch.-Straße in M. bei dem Betriebe eines der Deutschen Reichspost gehörigen Paketkraftwagens verletzt. Der jetzt allein noch als Beklagter in Betracht kommende Postschaffner M. hatte den Wagen gesteuert. Nach der Feststellung des Oberlandesgerichts hat er den Unfall des Klägers verschuldet. Dieser hat daher auf Grund der §§ 823 flg. BGB. und der Vorschriften des Kraftfahrzeugesetzes die Reichspost und M. als Gesamtschuldner im Wege der Leistungs- und der Feststellungsklage auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Staats- und Beamtenhaftung

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der auf drei Viertel der Klaganspriidie beschränkten Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht stattgegeben, indem es den Zahlungsanspruch dem Grunde nach gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner zu drei Vierteln für gerechtfertigt erklärte und dem Feststellungsbegehren in gleichem Umfange willfahrte. Den Entlastungsbeweis aus § 831 BGB. hatte die Reichspost nicht angetreten. Die nur von dem Beklagten M. eingelegte Revision wurde zurückgewiesen. Gründe: Obgleich die Revisionssumme fehlt, ist die Revision gleichwohl gemäß § 547 Nr. 2 ZPO. zulässig. Denn der Beklagte M. wird in seiner Eigenschaft als Beamter der Deutschen Reichspost, als welcher er nach § 12 des Reichspostfinanzgesetzes vom 18. März 1924 (RGBl. I S. 287) den Beamten des Deutschen Reiches gleichsteht (vgl. RGZ. Bd. I I I S . 342, Bd. 123 S. 209, Bd. 126 S. 29), wegen Verletzung seiner Amtspflichten in Anspruch genommen (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG.). In der Revisionsinstanz handelt es sich lediglich um die Frage, ob der Beklagte M., dem nur Fahrlässigkeit zur Last fällt, den Schutz des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. deswegen für sich in Anspruch nehmen kann, weil der Kläger auf andere Weise, nämlich von der inzwischen im Rahmen der §§ 304, 256 ZPO. rechtskräftig verurteilten Reichspost, vollen Ersatz seines Schadens — abgesehen von dem ihm auf Grund des § 254 BGB. rechtskräftig aberkannten Viertel seiner Ansprüche — zu erlangen vermag. Das Berufungsgericht hat diese Frage mit folgender Begründung verneint. Die Anwendung des Art. 131 RVerf. und des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. scheide aus. Die Reichspost handle, wenn sie es übernehme, gewerbsmäßig Briefe und Pakete auf öffentlicher Straße zu befördern, nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt; sie nehme dadurdi keine Hoheitsrechte wahr. Auch handle es sich auf Seiten der Reichspost und damit ihrer Beamten bei derartiger Beförderung nicht um einen Ausfluß der Amtspflicht gegenüber dem Beförderer oder einem Dritten, sondern um eine Tätigkeit, die nur der Wahrnehmung privatreditlicher Interessen diene. Die Pflidit der beiden Beklagten, dabei die Gefährdung Dritter, insbesondere von Straßenbenutzern zu vermeiden, sei die gleiche, wie sie jede andere Privatperson unter gleichartigen Umständen habe (vgl. RGZ. Bd. 126 S. 32). So liege der Fall hier. Daß Art. 131 RVerf. deswegen außer Anwendung zu bleiben hat, weil die Reichspost bei der Beförderung von Paketen nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt (vgl. Art. 77 EG. z. BGB.), sondern innerhalb ihres bürgerlich-reditlichen Geschäftskreises handelt (vgl. RGZ. Bd. 70 S. 397, Bd. 73 S. 271, Bd. 91 S. 275, Bd. 104 S. 143, Bd. 126 S. 32, Bd. 130 S. 402; D e 1 i u s Beamtenhaftpfliditgesetze 4. Aufl. S. 336 flg.), kann

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

keinem Bedenken unterliegen u n d wird auch v o n der Revision nicht in Zweifel gezogen. Dagegen beschwert sich diese über Nichtanwendung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. aus dem Grunde, weil der Beklagte M. den Kraftwagen in Ausübung seiner Amtspflicht als Beamter der Reichspost gesteuert habe, letztere aber h a f t b a r sei. Diese Beschwerde ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Reichpost auf G r u n d des § 7 KFG. und des § 831 BGB. verurteilt. Rechtliche Bedenken dagegen bestehen nicht. Insbesondere ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß § 831 BGB. audi auf den Staat u n d andere öffentlich-rechtliche Körperschaften insoweit A n w e n d u n g findet, als ihre Angestellten in A u s f ü h r u n g der ihnen in privatrechtlichen Unternehmerbetrieben ihrer Geschäftsherren obliegenden Verrichtungen D r i t t e n widerrechtlich Schaden zufügen (vgl. f ü r den Reichspostfiskus R G Z . Bd. 91 S. 66 u n d im übrigen R G Z . Bd. 78 S. 329, Bd. 131 S. 249/250 nebst Nachweisen; R e i m e r A m t s h a f t u n g aus öffentlicher Gewalt S. 42 bis 45 u n d S. 66 bis 68). Demnach steht dem Kläger — auch ganz abgesehen v o n der Rechtskraft des angefochtenen Urteils gegenüber der Reichspost — ein zahlungsfähiger, schadensersatzpflichtiger D r i t t e r zur Verfügung. Die Verurteilung des Beklagten M. gründet der Berufungsrichter auf § 18 KFG. u n d § 823 Abs. 1 u n d 2 BGB. Das wäre, soweit zunächst § 823 BGB. in Betracht k o m m t , dann rechtsirrtümlich, wenn § 839 BGB. eingriffe. D e n n nach der ständigen reichsgerichtlichen Rechtsprechung, der sich allerdings das Schrifttum nur zum Teil angeschlossen hat (vgl. u. a. P l a n c k BGB. Bern. 1 b zu § 839 BGB. nebst Nachweisen; R e i m e r in J W . 1912 S. 981; R G R K o m m . Bern. 1 zu § 839 BGB.; a. M. u. a. S t a u d i n g e r Bern. 3 zu § 839 BGB. nebst Nachweisen; O e r t m a n n Bern. 2 c zu § 839 BGB.), schließen die Sonderbestimmungen in § 839 die allgemeinen Vorschriften der §§ 823, 826 BGB. aus (RGZ. Bd. 74 S. 252 u n d R G . bei Gruch. Bd. 55 S. 832 f ü r das Verhältnis von § 839 Abs. 1 Satz 2 zu § 823 Abs. 1 BGB., allgemein R G Z . Bd. 87 S. 348/349, Bd. 94 S. 103/104, Bd. 100 S. 287 nebst Nachweisen, unter Aufgabe der beiläufig geäußerten u n d nur § 826 BGB. betreffenden Auffassung in J W . 1908 S. 654 N r . 2). An dieser Rechtsprechung ist im Hinblick darauf festzuhalten, daß die A n w e n d u n g der §§ 823 flg. BGB. neben § 839 das. den v o m Gesetzgeber durch die Einfügung der Vorschriften des § 839 u n d namentlich des Abs. 1 Satz 2 das. verfolgten Zweck vereiteln würde. Dieser Zweck geht dahin, die H a f t u n g der Beamten zu mildern u n d insbesondere ihre Entschlußkraft vor einer Beeinträchtigung durch eine ihnen d r o h e n d e Schadensersatzpflicht zu bewahren (vgl. M u g d a n Materialien Bd. 2 S. 458 flg., besonders S. 461, 1153 flg., 1270, 1304 flg., 1385 flg., 1409 flg.). Aus diesem Zwecke ergibt sich ebenso wie auch schon aus der keine Einschränkung in dieser Richtung enthaltenden Fassung der Gesetzesstelle, daß die Vorschriften des § 839 nicht nur auf die mit öffentlicher Gewalt bekleideten, sondern auch auf die in den U n t e r -

S t a a t s - und B e a m t e n h a f t u n g

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nehmerbetrieben des Staates tätigen Beamten Anwendung finden ( R G R . K o m m . a. a. O.; R G . in JW. 1911 S. 46 N r . 33, 1912 S. 1061 N r . 33; F l e i n e r Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts 8. Aufl. § 17, insbesondere S. 278, 279). Weiter hat das Oberlandesgericht zutreffend den § 18 KFG., dessen Abs. 1 Satz 2 eine Umkehrung der Beweislast zugunsten des Verletzten anordnet und eine Art Gefährdungshaftung auch des Kraftfahrzeugführers herbeiführt, auf den Beklagten M., obwohl er ein beamteter Führer war, für anwendbar eraditet (vgl. R G Z . Bd. 94 S. 103). Aber auch insoweit muß dem beamteten Führer die Sdiutzbestimmung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. an sich zugute kommen. Denn nichts spridit dafür, daß der Gesetzgeber durch die Bestimmungen in § 18 KFG. für ein Einzelgebiet eine für die Beamtenhaftpflicht so grundlegende Vorschrift wie die des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. hätte außer K r a f t setzen wollen und außer Kraft gesetzt hätte; für eine solche Absicht fehlte auch jeder Beweggrund (vgl. M ü l l e r Automobilgesetz 8. Aufl. Bern. A. III a zu § 18 KFG., S. 431). Hier muß das Gleiche gelten, was oben über das Verhältnis der §§ 823 flg. BGB. zu § 839 das. ausgeführt ist (vgl. R G Z . Bd. 94 S. 103; K a r p e in JRdsch. 1930 S. 44). § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. setzt nun weiter voraus, daß der Beklagte M., indem er den Kläger beim Betriebe des von ihm gesteuerten Kraftwagens verletzte, einer ihm obliegenden Amtspflicht, und zwar einer solchen, die ihm gerade dem Kläger gegenüber oblag, zuwidergehandelt hat. N u n kann daran kein Zweifel sein, daß es zu den Dienstpflichten eines beamteten Kraftfahrzeugführers gehört, durch das von ihm gelenkte Fahrzeug nicht dritte Personen in Gefahr zu bringen. Zu verneinen ist dagegen die weitere Frage, ob dem Beklagten diese Pflicht nicht nur seinem Dienstherrn, sondern auch einem Dritten, insbesondere jedem anderen Straßenbenutzer gegenüber obliegt. In der grundlegenden Entscheidung R G Z . Bd. 78 S. 243, an welcher das Reichsgericht ständig festgehalten hat (vgl. u. a. R G Z . Bd. 118 S. 327, Bd. 125 S. 86, Bd. 130 S. 328, Bd. 134 S. 321, Bd. 135 S. 113), ist mit Recht das Hauptgewicht darauf gelegt, welchem Zwecke die einzelne Amtspflicht dient. Ist ihr Zweck nur die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder der Schutz der vermögensrechtlichen Belange des Gemeinwesens, dem der Beamte dient, oder das Interesse des Gemeinwesens an einer ordnungsmäßigen Amtsführung des Beamten, so handelt es sich nicht um eine ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, und § 839 B G B . scheidet folgeweise aus. Ist dagegen die Dienstpflicht dem Beamten allein oder auch gerade im Interesse eines einzelnen auferlegt, so liegt sie ihm einem Dritten gegenüber ob, und insoweit sind die Voraussetzungen f ü r das Eingreifen der einschränkenden Vorschrift gegeben, daß es sich nicht nur allgemein um die Verletzung einer Amtspflicht handeln muß, sondern um die Verletzung einer solchen Amtspflicht, die dem Beamten gerade „einem Dritten gegenüber" obliegt. Mit Recht hat die reichsgerichtliche Rechtsprechung angenommen, daß die Erfüllung der allge-

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Schuldrecht, Besonderer Teil

meinen Verkehrssicherungspflichten zu den dem Beamten auch einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflichten dann zu rechnen ist, wenn Ausübung der öffentlichen Gewalt in Frage steht (vgl. u. a. RGZ. Bd. 91 S. 348, S. 384, Bd. 108 S. 367, S. 388, Bd. 125 S. 86, S. 99; ferner RGR.Komm. Bern. 3, 6 zu § 839 BGB.; P l a n c k Bern. 3 a zu § 839 BGB.). In diesen Fällen handelt es sich um eine gegenüber einem Dritten obliegende Amtspflicht grundsätzlich deshalb, weil eine Ausübung der öffentlichen Gewalt nicht nur dann vorliegt, wenn diese rechtmäßig oder mißbräuchlich zu einem Zwange benutzt wird, sondern immer auch dann, wenn durch schuldhaftes Verhalten die amtlichen Machtmittel ohne Zwangsabsicht in eine anderen Personen schädliche 'Wirksamkeit treten. Dem mit hoheitsrechtlichen Befugnissen ausgestatteten Beamten liegt grundsätzlich jedem Dritten gegenüber amtlich eine F ü r s o r g e p f l i c h t dahin ob, daß die damit verbundenen Machtmittel streng in den Schranken der Amtsausübung gebraucht werden, und daß dabei in keiner Weise in den Bereidi eines Unbeteiligten eingegriffen werde (vgl. RGZ. Bd. 91 S. 384, Bd. 125 S. 85). Dieser leitende Gesichtspunkt trifft aber auf diejenigen Beamten, welche in privatrechtlichen Unternehmerbetrieben des Staates, wie zum Beispiel im Post- oder Eisenbahnbetriebe, tätig sind (vgl. dazu D e 1 i u s a. a. O. S. 276 unter b), jedenfalls insoweit nicht zu, als es sich um die Beachtung der allgemeinen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs erlassenen Vorschriften und der allgemeinen Verkehrssorgfaltspflicht (§ 276 BGB.) handelt. Wenn solche Beamte bei Ausübung ihrer Dienstverrichtungen diese Verkehrsvorschriften verletzen und einem unbeteiligten Straßenbenutzer Schaden zufügen, so können sie in Ansehung der Haftungsfrage nicht anders behandelt werden als die Angestellten eines privaten Unternehmers. Diese Auffassung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Reidisgerichts, wie in RGZ. Bd. 126 S. 31 bestätigt ist (vgl. auch RGZ. Bd. 109 S. 212 und RGUrt. vom 29. Juni 1923 III 828/22, teilweise abgedruckt im Redit 1923 Nr. 1237), und sie liegt auch den ähnlidie Fälle, wie den vorliegenden, behandelnden Urteilen des erkennenden Senats vom 10. Dezember 1928 VI 304/28, vom 3. März 1932 VI 493/31 und in RGZ. Bd. 129 S. 303 zugrunde, wenn auch hier die Frage nicht ausdrücklich erörtert worden ist. Ob die Urteile RGZ. Bd. 74 S. 252, Bd. 91 S. 344 und vom 8. Juli 1918 IV 155/18 von einer anderen Grundanschauung ausgehen, kann dahingestellt bleiben; denn keines dieser Urteile (von denen das erste das nautisdie Versehen eines Zwangslotsen, das zweite die unrichtige Auskunft eines Sparkassenbeamten und das dritte die Tierhalterhaftung eines Postbeamten betrifft) beruht auf der Rechtsmeinung, daß der in einem bürgerlich-rechtlichen Unternehmerbetriebe des Staates tätige Beamte eine ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletze, wenn er einem unbeteiligten Straßenbenutzer unter Zuwiderhandlung gegen Verkehrssicherungsvorschriften Schaden zufügt.

Staats- u n d Beamtenhaftung

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Liegen aber hiernach die Voraussetzungen des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB. nicht vor, so kann sich der Beklagte M. auf die HaftungsaussdilußVorschrift in Satz 2 das. nicht berufen. Es bleibt vielmehr bei der Regelvorschrift des § 840 Abs. 1 BGB. RGZ. 140, 43 1. Besteht eine Amtspflicht des Gerichtsvollziehers bei der Pfändung auch gegenüber demjenigen, der dem Vollstredkungsgläubiger für den Eingang der Schuld haftet? 2 BGB. § 839. RVerf. Art. 131. V. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 18. Februar 1933.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Konkursrecht". RGZ. 140, 126 Haftet der Preußisdie Staat oder der Kreis, wenn ein preußischer Kreiskommunalbeamter, der vom Landrat mit der Wahrnehmung staatlicher Geschäfte beauftragt worden ist, hierbei in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt Amtspflichtverletzungen begeht? RVerf. Art. 131. BGB. § 839. Preuß. Staatshaftungsgesetz vom 1. August 1909 (GS. S. 691) §§ 1, 4. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 14. März 1933.

I. Landgericht I Berlin. II. Kammergeridit daselbst.

Die Klägerinnen verlangen von dem verklagten preußischen Landkreis Ersatz von Schaden, den ihnen nach ihrer Behauptung der im Dienst des Beklagten stehende Kreiskämmerer H. durch schuldhafte Handlungen zugefügt hat. Sie stützen ihre Ansprüche sowohl auf die Grundsätze über Amtshaftung als auch auf Vorschriften des bürgerlidien Rechts. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerinnen führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Aus den G r ü n d e n : . . . Die Klägerinnen legen dem Kreiskämmerer H. zur Last, er habe bei Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt seine Amtspflichten ihnen und besonders ihrer Rechtsvorgängerin, der Witwe Sp., gegenüber verletzt; dafür hafte der Beklagte nach Art. 131 RVerf. in Verbindung mit § 839 BGB. und §§ 1 , 4 StaatshaftungsG. H. war, wie unstreitig, vom Landrat beauftragt, bei der Handhabung der Verordnung über den Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken vom 15. März 1918 (RGBl. S. 123) mitzuwirken. Er hatte den Klägerinnen Auskünfte

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

zu erteilen und, wie sie wenigstens behaupten, auch über Anträge auf Genehmigung zur Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke zu entscheiden. Obgleich der Landrat in seiner Eigenschaft als Staatsbeamter, nicht als Leiter der Kreiskommunalverwaltung zur Genehmigungsbehörde nach der genannten V e r o r d n u n g bestellt w o r d e n ist, haben die Vorinstanzen, insoweit zugunsten der Klägerinnen erkennend, angen o m m e n , daß f ü r diese Tätigkeit des H . der verklagte Kreiskommunalverband hafte, in dessen Diensten er stehe. Die hiergegen v o m Beklagten in der mündlichen Verhandlung v o r dem Revisionsgericht erhobenen Einwendungen sind nicht begründet. In ständiger Rechtsprechung (RGZ. Bd. 100 S. 189/190, Bd. 111 S. 13, Bd. 137 S. 39) hat der Senat bei der H a f t u n g f ü r Amtspflichtverletzungen eines preußischen Landrats diesem eine Doppelstellung zuerkannt. Soweit er staatliche Aufgaben zu erfüllen hat, h a f t e t f ü r ihn der Staat; soweit er f ü r den Kreiskommunalverband tätig wird, h a f t e t dieser. Die Teilung der H a f t u n g f ü r den Landrat b e r u h t auf der Erwägung, daß er sowohl staatlicher wie k o m m u n a l e r Beamter ist. Er steht im Dienst des Staates u n d in dem seines Kreises. Das t r i f f t aber bei den ihm beigegebenen staatlichen Beamten ebensowenig zu wie bei den Kreiskommunalbeamten. Erstere sind n u r vom Staat, letztere n u r v o m Kreis angestellt. So h a f t e t f ü r jene auch n u r der Staat, f ü r diese n u r der Kreis. D e n n nach dem vom Senat ständig festgehaltenen G r u n d s a t z ( R G Z . Bd. 125 S. 13 mit Nachweisungen, Bd. 126 S. 83; vgl. auch das Urteil des VI. Zivilsenats Bd. 129 S. 306) hat f ü r die Amtspflichtverletzungen eines Beamten das Gemeinwesen einzustehen, das ihn angestellt hat, ohne daß es darauf a n k o m m t , ob er im Einzelfall ein eigenes Hoheitsrecht dieses Gemeinwesens oder ein n u r übertragenes ausübt. Freilich m u ß die Ausübung öffentlicher Gewalt in den Bereich der Dienste fallen, die der Beamte auf G r u n d seiner Anstellung durch die öffentliche K ö r p e r schaft leistet. Wird er persönlich von einem anderen Gemeinwesen mit der Ausübung öffentlicher Gewalt betraut, so h a f t e t f ü r etwa dabei von ihm begangene Versehen n u r dieses letztere. Einen solchen Fall behandelt das Urteil des Senats v o n 5. April 1927 III 227/26, abgedr. LZ. 1927 Sp. 1271 N r . 12, wo ein Amtsvorsteher persönlich z u m SchauamtsVorsitzenden bestellt worden war. Die H a f t u n g f ü r ihn in dieser Eigenschaft traf den Staat, nicht den Amtsbezirk. Der gegenwärtige Fall liegt jedoch anders als der eben erwähnte. Die Tätigkeit des Kreiskämmerers H . auf dem Gebiet staatlicher H o h e i t war ihm nicht als Privatperson, sondern gerade deswegen übertragen worden, weil er Kreiskommunalbeamter war. Sie hing durchaus zusammen mit seiner Dienststellung beim verklagten Kreis, so daß nach dem dargelegten allgemeinen Grundsatz dieser f ü r die hierbei von H . begangenen Amtsversehen eintreten muß. Entscheidend ist in dieser H i n sicht, daß H . zur Erledigung v o n Aufgaben, die dem L a n d r a t als Staatsbeamten oblagen, von diesem selbst hinzugezogen w o r d e n ist. Betraut

Staats- und Beamtenhaftung

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hat ihn damit der Landrat, der als Leiter des Kreiskommunalverbandes sein dienstlicher Vorgesetzter war. In Erfüllung der dienstlichen Gehorsamspflitht, die er als Kreiskommunalbeamter dem Landrat schuldete, hat H. neben seinen kommunalen auch staatliche Amtsaufgaben erledigt. O b er berechtigt gewesen wäre, die Uebernahme der letzteren abzulehnen, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls hat er sie nicht verweigert. Deshalb beruhte auch seine Tätigkeit im staatlichen Geschäftsbereich auf seinem Dienstverhältnis zum Beklagten. Sie kann trotz ihres besonderen Inhalts unabhängig von diesem Verhältnis nidit gedacht werden. D e r bei rechtlicher Trennung gleichwohl tatsächlich enge Zusammenhang der staatlichen mit der kommunalen Kreisverwaltung kommt hier zum Durchbruch. Die Scheidung der Haftung nach den verschiedenen Amtsaufgaben ist beim Landrat allerdings angängig und, weil er zwei Dienstherren — Staat und Kreis — hat, auch geboten. Bei den ihm nachgeordneten Beamten muß sie jedoch abgelehnt werden. Hier haftet das Gemeinwesen — Staat oder Kreis — , das den Beamten angestellt hat. Soweit in dem Urteil des erkennenden Senats vom 25. Februar 1927 III 153/26, abgedr. JRdsch. 1927 Rspr. Nr. 1018, ein anderer Rechtsstandpunkt vertreten sein sollte, kann daran nicht festgehalten werden. . . . (Es folgen Ausführungen Berufungsurteils.)

zur

Begründung

der

Aufhebung

des

R G Z . 140, 129 1. Zur Amtshaftung des preußisdien Notars und seines Vertreters. 2. Bestimmt sich nadi § 839 BGB. die Haftung dessen, der ein Rechtsgeschäft beurkundet, bevor er zum Notarsvertreter bestellt ist? B G B . § 839.

Preuß. F G G . Art. 101.

V. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 15. März 1933.

I. Landgericht Landsberg a. W .

I I . Kammergcricht

Berlin.

Der Erstbeklagte, damals noch Rechtsanwalt, war vom 6. Juli bis zum 3. August 1923 zum Vertreter des mitverklagten Notars bestellt. Am 4. Juli 1923, als der Zweitbeklagte bereits abgereist, der Erstbeklagte aber schon an dessen Amtssitz eingetroffen war, erschien im Notarsbüro die Klägerin mit Sa. und Si., um Grundstücksverkäufe beurkunden zu lassen. Der Erstbeklagte nahm hierauf eine äußerlich in notarieller Form gehaltene Urkunde auf, die audi von den Beteiligten und ihm selber unterschrieben wurde, und zwar von ihm mit dem Zusatz „Rechtsanwalt". Laut dieses Vertrags verkaufte die Klägerin mehrere ihr gehörige Grundstücke für den Preis von 45 750 000 Papiermark. Am 28. Juli 1923 erschienen die Klägerin und die Käufer Sa. und Si. erneut im Büro des Zweitbeklagten, und es wurde nunmehr vom Erstbeklagten

110

Schuldredit, Besonderer Teil

eine notarielle Urkunde über den Kaufvertrag und die Auflassung aufgenommen. Die Urkunden vom 4. und 28. Juli 1923 stimmen bis auf unwesentliche Aenderungen überein. Die Urkunde vom 4. Juli 1923 ist den Notariatsbeiakten des Zweitbeklagten einverleibt worden. Ihr Kopf, enthaltend eine Notariatsregisternummer und die üblichen Eingangserklärungen notarieller Urkunden, ist blau durchgestrichen. Der Kaufpreis ist von den Käufern fristgemäß bezahlt worden. Die Klägerin behauptet, der Erstbeklagte habe sie am 4. Juli 1923 darüber im unklaren gelassen, daß er noch nicht Notarsvertreter war und daher keinen notariellen Vertrag aufnehmen konnte. Der Verkauf der Grundstücke habe sie später gereut, und sie sei daher Mitte Juli 1923 vor Bezahlung der zweiten Kaufpreisrate noch einmal zu dem Erstbeklagten gegangen und habe ihm gesagt, sie wolle von dem Vertrage loskommen. Er habe jedodi erklärt, der Vertrag sei bindend; sie könne nur dann frei werden, wenn die Käufer die Kaufpreisraten nicht pünktlich bezahlten. In der Folgezeit sei sie dann aufgefordert worden, zur Erklärung der Auflassung noch einmal in das Büro des Zweitbeklagten zu kommen. Sie sei dort am 28. Juli 1923 mit den Käufern Sa. und Si. zusammengetroffen. Der Erstbeklagte habe nur bloß den die A u f lassung betreffenden Teil der an diesem Tage aufgenommenen Urkunde vorgelesen, während in Wahrheit erst jetzt der ganze Kaufvertrag notariell beurkundet worden sei. Hätte sie dies gewußt, so hätte sie nicht unterschrieben, da sie die Absicht, ihre Grundstücke zu verkaufen, aufgegeben gehabt habe. Ersatz des ihr durch die Veräußerung ihrer Grundstücke gegen einen bloßen Papiermarkbetrag entstandenen Schadens fordert die Klägerin von den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung. Die Revision der Klägerin, die in den beiden Vorinstanzen unterlegen ist, führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Gründe: Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz auf Grund des § 839 BGB. und des Art. 101 Abs. 1 PrFGG. Das Kammergericht nimmt zunächst zutreffend an, daß der Erstbeklagte schuldhaft gehandelt hat, indem er am 4. Juli 1923 die ihrer äußeren Form nach notarielle Urkunde aufnahm, obwohl er damals noch nicht Notarsvertreter war. Allein dem Kammergericht kann nicht beigetreten werden, wenn es die Haftbarkeit des Erstbeklagten wegen dieses Verhaltens aus § 839 BGB. herleitet. Denn Beamteneigenschaft hat er erst mit seiner Bestellung zum Notarsvertreter erlangt. Es erscheint aber nicht angängig, die Vorschrift des § 839 B G B . auf Fälle auszudehnen, in denen ein Nichtbeamter unbefugt eine Handlung vornimmt, die nur kraft eines Amtes vorgenommen werden darf. Indessen kann es dahingestellt bleiben, auf Grund welcher sonstigen gesetzlichen Bestimmungen

Staats- und Beamtenhaftung

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der Erstbeklagte f ü r einen etwaigen Schaden Ersatz zu leisten hätte, der durch die Aufnahme der Urkunde vom 4. Juli 1923 entstanden wäre. Denn das Kammergericht stellt ohne ersichtlichen Rechtsvorstoß fest, daß die Klägerin hierdurch überhaupt nicht geschädigt worden ist, da aus dieser Urkunde keine Verpflichtung f ü r sie entstanden ist und ihr auch keine Aufwertungsansprüche entgangen sind. Demnach kann auf Grund dieses Vorfalls ein Schadensersatzanspruch gegen keinen der beiden Beklagten hergeleitet werden. Als schadenstiftendes Ereignis kann also nur der Absdiluß des Vertrags vom 28. Juli 1923 in Frage kommen. In dieser Beziehung hat das Kammergericht zwei Amtspflichtverletzungen des Erstbeklagten festgestellt. Es nimmt zunächst als bewiesen an, daß ihm die Klägerin am 11. Juli 1923 persönlich erklärt hat, sie wolle von dem Vertrag wieder loskommen, und daß er aus dieser Unterredung erkennen mußte, daß die Klägerin nur f ü r den Fall der Verbindlichkeit des Vertrags vom 4. Juli 1923 zur Erfüllung bereit war. Als erste Pflichtverletzung rechnet das Kammergericht dem Erstbeklagten an, daß er bei dieser Gelegenheit die Klägerin nidit über die Formungültigkeit des Vertrags vom 4. Juli 1923 aufgeklärt hat. Weiter sieht es eine Amtspflichtverletzung darin, daß er am 28. Juli 1923 die Parteien nicht darauf hinwies, daß erst durch den damals beurkundeten Vertrag eine rechtsgeschäftliche Bindung eintrat. Nach beiden Richtungen hin ist dem Kammergericht beizutreten. Insbesondere ist kein Rechtsirrtum des Kammergerichts darin zu sehen, wenn es annimmt, daß der Erstbeklagte von der Klägerin am 11. Juli 1923 in seiner Eigenschaft als Notarsvertreter um Rat gefragt wurde und daß er auch in dieser Eigenschaft verpflichtet war, die Klägerin über die wahre Rechtslage aufzuklären. Nach den vom Kammergeridit getroffenen Feststellungen hat er aber bei den beiden letzterprterten Vorfällen nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich gehandelt. Denn er hat die Klägerin absichtlich nicht darüber aufgeklärt, daß am 4. Juli 1923 kein bindender Vertrag zustande gekommen war, obwohl er erkannt hatte, daß die Klägerin, wenn sie hierüber aufgeklärt worden wäre, den Vertrag vom 28. Juli 1923 nidit abschließen würde. Hat aber der Erstbeklagte vorsätzlich seine ihm der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, so k o m m t die Vorschrift des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. den Beklagten nicht zustatten. Der vom Kammergericht aus dieser Vorschrift entnommene Klagabweisungsgrund trifft daher nicht zu. Daß der Zweitbeklagte gemäß Art. 101 Abs. 1 PrFGG. audi f ü r eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung seines Notarsvertreters einzustehen hat, unterliegt keinem Zweifel (vgl. RGZ. Bd. 100 S. 284 [288]). Ebensowenig kann dem Kammergericht gefolgt werden, wenn es den Vorgängen vom 11. und 28. Juli 1923 jede selbständige Bedeutung abspricht und sie nur als Folge des am 4. Juli vom Erstbeklagten begangenen Fehlers bewertet. Der vom Kammergericht festgestellte U m stand, daß die Klägerin, wenn der Erstbeklagte am 4. Juli 1923 die Be-

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Schuldrecht, Besonderer Teil

urkundung pflichtgemäß abgelehnt hätte, vor einem anderen Notar einen formgültigen Vertrag abgeschlossen und sich dadurch der Grundstücke entäußert hätte, schafft die Tatsache nicht aus der Welt, daß die Klägerin durch den vom Erstbeklagten am 4. Juli 1923 aufgenommenen Vertrag nicht gebunden war, daß sie also ihre vom Kammergericht festgestellte Absicht, von diesem Vertrag loszukommen, hätte verwirklichen können, wenn jener sie pflichtgemäß belehrt hätte. Die Klägerin hätte auch nicht arglistig gehandelt, wenn sie sich ihren • Vertragsgegnern gegenüber auf die Formungültigkeit des Vertrags vom 4. Juli 1923 berufen hätte. Denn grundsätzlich ist die Geltendmachung eines Formmangels gestattet. Sie ist nur in Ausnahmefällen unzulässig, wenn sie mit Rücksicht auf das frühere Verhalten des Beteiligten gegen Treu und Glauben verstößt. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Das für die Klägerin schädigende Ereignis ihres Eigentumsverlustes ist also auf die Amtspflichtverletzungen des Erstbeklagten zurückzuführen. . . . RGZ. 141, 283 1. Wann hat der preußische Notar keinen Gebührenanspruch für seine Amtstätigkeit? 2. Zur Auslegung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. RVerf. Art. 131. BGB. §§ 812, 813, 839. GBO. § 12. Preuß. Gebührenordnung für Notare § 1. V. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 28. Juni 1933.

I. Landgericht F r a n k f u r t a. O .

II. Kammergericht Berlin.

Günther Graf v. F. war Eigentümer der Rittergüter R. und S. In einem öffentlichen Testament setzte er seinen Sohn zum befreiten Vorerben, seine Töchter Gertrud (die Klägerin) und Erdmuthe zu Nacherben ein. Zugleich bestimmte er, daß beim Eintritt der Nacherbfolge die Klägerin das Gut R., ihre Schwester das Gut S. erhalten sollte. Nach dem Tode des Erblassers und des Vorerben fragte der Rechtsanwalt und Notar Justizrat K. namens der Klägerin beim Grundbuchamt an, ob diese auf Grund des Testaments und eines Berichtigungsantrags als Eigentümerin des Gutes R. eingetragen werden könne, bemerkte aber in der Anfrage, daß nach seiner Rechtsauffassung und nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum die Auflassung an die Klägerin nötig sei. Der Grundbuchrichter antwortete ihm, die Eintragung der Erbin könne im Wege der Grundbuchberichtigung erfolgen, wenn ein öffentliches Testament vorliege. Daraufhin entwarf und beglaubigte K. den Antrag der Klägerin auf ihre Eintragung als Eigentümerin im Wege der Grundbuchberichtigung. Dadurch entstanden 530 RM. Notariatsgebühren, welche die Klägerin bezahlte. Der Antrag wurde dem Grundbuchamt eingereicht. Die Umschreibung erfolgte antragsgemäß. Zwei

Staats- und Beamtenhaftung

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Jahre später beanstandete das Grundbuchamt diese Eintragung und verlangte nunmehr die Auflassung an die Klägerin. Demgemäß wurde die Auflassung vor dem N o t a r Sch. erklärt. Dadurch entstanden wiederum 530 R M . Notariatsgebühren, welche die Klägerin ebenfalls entrichtete. Sie wurde auf Grund der Auflassung erneut als Eigentümerin eingetragen. Die Klägerin fühlt sich durch die Belastung mit den ersten 530 R M . Notariatskosten geschädigt. Diesen Sdiaden führt sie auf eine fahrlässige Amtspflichtverletzung des Grundbuchrichters durch die unrichtige Auskunft auf die Anfrage des Justizrats K. zurück. Sie nimmt den Beklagten auf Ersatz des Schadens nach Art. 131 RVerf., § 839 BGB., § 12 G B O . in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Kammergericht hat ihr stattgegeben. Die Revision des Beklagten blieb erfolglos. Gründe: Ohne Rechtsirrtum geht das Berufungsgericht davon aus, daß für den Klaganspruch die Voraussetzungen des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB., § 12 G B O . erfüllt sind. Beim Eintritt der Nacherbfolge wurde das Gut R . Gesamthandeigentum der beiden Nacherbinnen. In das Alleineigentum der Klägerin konnte es, der Teilungsanordnung des Testaments gemäß, nur auf Grund einer Auflassung von seiten der beiden Gesamthandeigentümerinnen an die Klägerin gelangen. Eine Berichtigung des Grundbuchs auf die Klägerin allein auf der Grundlage des Testaments war unzulässig. Die gegenteilige Auskunft des Grundbuchrichters an Justizrat K. war rechtsirrig. Sie stellt eine fahrlässige Amtspflichtverletzung des Grundbuchrichters gegenüber der Klägerin dar und hat dazu geführt, daß sie durch Bezahlung doppelter Notariatsgebühren einen Schaden erlitten hat. Der Beklagte glaubt indessen, den Schutz des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. beanspruchen zu können. Er verweist nämlich die Klägerin auf einen Bereicherungsanspruch gegen Justizrat K. aus den §§ 812, 813 B G B . und führt dazu aus: Eine verfehlte Amtshandlung des Notars lasse, wie in R G Z . Bd. 114 S. 205 anerkannt sei, einen Gebührenanspruch überhaupt nicht entstehen. Auch hier sei die Tätigkeit des Notars K. (Entwurf und Beglaubigung des Berichtigungsantrags) im Endergebnis erfolglos geblieben. Er sei also um die erhaltenen 530 R M . auf Kosten der Klägerin ohne Rechtsgrund bereichert. Der Bereicherungsanspruch gegen den Notar schließe den mit der Klage verfolgten Schadensersatzanspruch gegen den Staat aus. Diesem rechtlichen Gedankengang, der auch den Kern der Ausführungen der Revision bildet, kann nicht zugestimmt werden. Der Gebührenanspruch des N o t a r s entsteht grundsätzlich schon dadurch, daß seine amtliche Tätigkeit in Anspruch genommen wird (vgl. O b e r n e c k Notariatsrecht 8. bis 10. Aufl. S. 107). Ausnahmsweise entfällt aber ein Gebührenanspruch dann, wenn der Notar schuldhaft ein nutzZmls. Schul.lredil 11

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loses oder unwirksames Amtsgeschäft vornimmt. In einigen deutschen Ländern ist dies ausdrücklich gesetzlich ausgesprochen (z. B. Art. 21 Abs. 1 Bayer. NotGebO.; dazu Zeitschr. des Deutschen Notarvereins 1928 S. 96, 292). In den übrigen Ländern (so audi in Preußen) ergibt sich dieselbe Rechtslage ohne weiteres aus der Erwägung, daß der Notar nicht eine Gebühr fordern darf, zu deren Rüdszahlung er nach § 839 BGB. wegen Verletzung seiner Amtspflicht verpflichtet wäre (vgl. Oberlandesgericht Dresden in Zeitschr. des Deutschen Notarvereins 1928 S. 629; J o s e f ebenda S. 296 zu IV). Mehr ist aber auch im letzten Absatz der Entscheidung RGZ. Bd. 114 S. 202 (S. 205/206) nicht gesagt. Auch das Schrifttum O b e r n e c k a. a. O. S. 118 Nr. 15; B e u s h a u s e n Gebührenordnung für Notare 4. Aufl. S. 78 flg., Anm. I zu § 1) geht nicht weiter, madit vielmehr gelegentlich sogar noch Einschränkungen zugunsten der Erhaltung des Gebührenanspruchs (z. B. bei den auf ausdrückliches Verlangen aufgenommenen unwirksamen oder gar strafbaren Rechtsakten). Jedenfalls kann von einem Ausschluß des Gebührenanspruchs immer nur bei einem schuldhaften Handeln des Notars die Rede sein (vgl. audi RGZ. Bd. 111 S. 296). Ein solches Verhalten wird regelmäßig dann gegeben sein, wenn der Notar einen nach klarer Rechtsvorschrift materiell oder formell nichtigen Rechtsakt aufnimmt (RGZ. Bd. 114 S. 202; O b e r n e c k , B e u s h a u s e n a . a. O.). Betrachtet man von diesen Rechtsgrundsätzen aus den Gebührenanspruch des Justizrats K. gegen die Klägerin, so ist der Revision allerdings zuzugeben, daß die Amtstätigkeit des Notars im Endergebnis nutzlos gewesen ist. Denn die Klägerin wollte und sollte durch ihre Grundbucheintragung nicht nur formelles Bucheigentum, sondern materielles Eigentum an dem Gut R. erlangen. Dazu genügten aber ihre von K. entworfenen und beglaubigten Erklärungen nicht. Der Notar hätte also, wenn er schuldhaft diese unzureichenden Erklärungen herbeigeführt hätte, keine Gebühren verlangen können. Das Berufungsgericht bejaht nun ein solches Verschulden des Notars trotz seiner Anfrage beim Grundbuchamt und trotz der Auskunft, die er darauf vom Grundbudirichter erhalten hat. Ob diese von der Klägerin bekämpfte Rechtsauffassung zutrifft, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn audi wenn man ihr beitritt und den Gebührenanspruch des Notars an sich verneint, bleibt der Klaganspruch gegen den Staat immer nodi berechtigt. Zwar kann die Klägerin bei dieser Unterstellung die an K. gezahlten 530 RM. von diesem zurückfordern. Der auf Schadensersatz belangte Staat darf aber die Klägerin nicht auf diesen Rückforderungsanspruch gegen den Notar verweisen. In fester Rechtsprechung hält das Reichsgericht an dem Grundsatz fest, daß bei fahrlässiger Herbeiführung eines Schadens durch mehrere Beamte die Vorschrift des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. nicht dazu dienen kann, die Haftung des einen Beamten auf den anderen abzuwälzen (Komm. v. RGR. 7. Aufl. Anm. 6 zu § 839). Nimmt man also an, daß der Schaden, den die Klägerin durch die Zahlung der

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530 R M . an K. erlitten hat, durch fahrlässiges, amtspflichtwidrigcs Verhalten sowohl des Grundbuchrichters wie auch des Notars entstanden sei, so kann gleichwohl der aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB. in Anspruch genommene Grundbuchriditer (und der nach Art. 131 RVerf., § 12 GBO. f ü r ihn eintretende Staat) seine Haftung gegenüber der Klägerin f ü r diese 530 RM. nicht abwenden durdi den auf § 839 Abs. 1 Satz 2 gestützten Hinweis, die Klägerin könne f ü r denselben Betrag gleichzeitig auch den Notar aus § 839 Abs. 1 Satz 1 haftbar machen. Ebensowenig kann aber der Beklagte seine Haftung dadurch beseitigen, daß er den RückZahlungsanspruch der Klägerin gegen den Notar nicht als einen Schadensersatzanspruch aus $ 839 Abs. 1 Satz 1, sondern als einen Bereicherungsanspruch aus den §§ 812, 813 BGB. kennzeichnet. Denn mag sich der Anspruch rechtstheoretisch auch in das Gewand eines Bereicherungsanspruchs kleiden lassen, nach seinen sachlichen Voraussetzungen und in seinem rechtlichen Kern bleibt er doch ein im § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB. wurzelnder Ersatzanspruch aus fahrlässiger Amtspflichtverletzung des Notars, ohne die — wie oben dargelegt — von einem Wegfall des Gebührenanspruchs des Notars und folglich auch von einer Rüdeforderung gezahlter Gebühren nicht die Rede sein kann. Wenn sich der Beklagte also darauf beruft, die Klägerin habe die 530 RM. an K. auf eine Nichtschuld (§ 812 BGB.) oder dodi auf eine mit einer dauernden Einrede belastete Schuld (§ 813 BGB.) entrichtet, so macht er im Grunde genommen doch nur die seiner Haftung inhaltsgleiche Haftung auch des Notars f ü r fahrlässige Amtspflichtverletzung aus § 839 Abs. 1 Satz I BGB. geltend. Diese Verteidigung kann ihm mithin nicht zustatten kommen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß K., mag er auch ständiger Rechtsberater der Klägerin gewesen sein, bei dem Entwurf und der Beglaubigung der Urkunde auf Grundbudiberichtigung nur als Notar tätig war, ist reditlich einwandfrei. Eine Vertragshaftung des Notars scheidet also aus. Audi sonst enthält das Berufungsurteil keinen Rechtsfehler zu Lasten des Beklagten. RGZ. 141, 353 Kann der wegen Amtspflichtverletzung eines Beamten in Anspruch genommene Staat dem Geschädigten entgegenhalten, daß eine von diesem allgemein mit der Besorgung einschlägiger Angelegenheiten betraute Person nadi Begehung des Amtsversehens, aber vor Eintritt eines Schadens die Abwendung der Schädigung sdiuldhaft versäumt habe? BGB. §§ 254, 278, 839. V. Z i v i l s e n a t . I. Landgeridit Kiel.

Urt. v. 12. Juli 1933.

I I . Oberlandesgeridit

daselbst. 8*

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SAuIdrecht, Besonderer Teil

Auf dem Grundbesitz einer Frau B. stand f ü r deren im Jahre 1909 geborenen Sohn eine Darlehnshypothek von 6000 GM. eingetragen. Diese Hypothek wurde im August 1926 der klagenden Sparkasse als Sicherheit f ü r ein Darlehen an Frau B. verpfändet. Als die Klägerin im Jahre 1927 die Hypothek abtreten wollte, wurde bemerkt, daß zur Verpfändung der Hypothek des Minderjährigen f ü r eine fremde Schuld die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich gewesen wäre. Diese wurde aber verweigert. Auch war weder im Grundbuch noch in dem Vermerk auf dem Hypothekenbriefe die Pfandforderung angegeben. N u n erkannte die Klägerin, daß die Verpfändung der Hypothek an sie unwirksam war. Für den ihr, bei der Zahlungsunfähigkeit der Frau B., durch die Darlehnsgewährung entstandenen Schaden machte sie, weil er durch Versehen des Grundbuchrichters verursacht sei, gemäß § 12 GBO. den verklagten Staat verantwortlich. Die Vordergerichte gaben dem Klagbegehren im vollen Umfange statt. Die Revision des Beklagten hatte teilweise Erfolg. Aus den G r ü n d e n : . . . Dem Berufungsgericht war, bei früherer Zurückverweisung, vom Reichsgericht zur Prüfung aufgegeben worden, ob nicht infolge des Umstandes, daß die Mängel der Verpfändung bei der Klägerin unbemerkt geblieben sind und daß dieser daher möglicherweise ein Ersatzanspruch gegen ihren Sachbearbeiter, den Amtmann J., zustehe, die Klagevoraussetzung des Nichtvorhandenseins anderer Ersatzmöglichkeit fehle, oder ob nidit der Klägerin aus diesem Grunde mitwirkendes Verschulden zur Last zu legen sei. Das Oberlandesgericht ist dabei zu folgenden Ergebnissen gelangt: J., der nicht Vorstandsmitglied der Sparkasse ist, habe bei ihr seit 1911 die Beleihungsangelegenheiten als selbständiger Leiter der Beleihungsabteilung ohne Tadel bearbeitet. Er habe im Jahre 1926 über die zur sachgemäßen Ausübung seiner Tätigkeit ausreichenden Kenntnisse der wichtigsten Bestimmungen auf dem Gebiete des Familienund Grundbudirechts verfügt. Ihm sei auch die Notwendigkeit vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung f ü r eine Verpfändung, wie hier geschehen, bekannt gewesen, und er habe sich nicht ohne weiteres bei dem Gedanken beruhigen dürfen, der Richter würde die Verpfändung nicht ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eingetragen haben. Sein Verschulden liege hauptsächlich darin, daß er sich auf die Eintragung durch den Grundbuchrichter verlassen habe. Sollte sich aber J. so durch Unterlassung gehöriger Erkundigung wegen der Genehmigung oder durch Abschluß des Verpfändungsvertrags ungeachtet des mangelhaften Verpfändungsvermerks auf dem Hypothekenbrief der Klägerin schadensersatzpflichtig gemacht haben, so sei doch ein Anspruch gegen ihn nur im Wege der Gehaltspfändung zu verwirklichen gewesen, wobei es mindestens 4Vä Jahre bis zur Befriedigung der Klägerin gedauert haben würde. Auf eine so weit hinausliegende, wahrscheinlich auch nur nach Klage ge-

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gebene Ersatzmöglichkeit brauche fleh die Klägerin nicht verweisen zu lassen. Ein Organisationsfehler habe bei ihr nidit vorgelegen; denn J. sei seiner Aufgabe gewachsen gewesen. Er sei sorgfältig ausgewählt worden; auch sei seine Tätigkeit ausreichend nachgeprüft worden, wobei es nidit notwendig gewesen sei, alle Beleihungssachen mit grundbuchlicher Sicherung einem Rechtskundigen vorzulegen. Die Anspruchsvoraussetzung des Fehlens anderer Ersatzmöglichkeit sei hiernach gegeben. Auch sei § 254 BGB. nicht gegen die Klägerin anzuwenden, da ihr kein Verschulden eines ihrer Willensorgane oder einer Person, für deren Versehen sie nadi §§ 278, 831 BGB. verantwortlich gemadit werden könne, zuzurechnen sei. Dem Berufungsgericht ist zunächst darin beizutreten, daß die Klagevoraussetzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. gegeben ist, wenn auch die Klägerin vielleicht von J. durch Gehaltspfändungen in einem Zeitraum von etwa 4V2 Jahren Befriedigung erlangen könnte. Dieser Weg ist so weitläufig, daß er der Klägerin keinen vollwertigen Ersatz böte, weswegen sie sich nicht auf ihn an Stelle des Anspruchs gegen den Beklagten verweisen zu lassen braucht (vgl. RGZ. Bd. 80 S. 252; WarnRspr. 1917 N r . 178, 1930 N r . 13; SeuffArch. Bd. 81 N r . 73). Rechtliche Bedenken sind auch nidit gegen die Ausführungen im Berufungsurteil zu erheben, wonach der Klägerin kein Fehler eines ihrer Willensorgane zur Last zu legen sei. Nach §§ 89, 31 BGB. sind das nur diejenigen Vertreter der Körperschaft, welche in der durch Gesetz oder Satzung geregelten Verwaltungsorganisation als „verfassungsmäßige Vertreter" bestimmt worden sind. Das waren hier der Vorstand und die Direktion der Sparkasse, zu denen aber der Amtmann J. nidit gehörte. Etwaige Organisationsfehler oder mangelnde Beaufsichtigung wären den Willensorganen und damit unmittelbar der Klägerin zur Last zu legen. Solche Fehler sind aber nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vorgekommen. Die Revision irrt, wenn sie den Amtmann J. deswegen als Willensorgan der Klägerin im Sinne der §§ 89, 31 BGB. ansieht, weil er als ihr Vertreter beim Abschluß des hier in Rede stehenden Beleihungsgeschäfts gehandelt hat. Das Darlehen ist durch Vorstandsbeschluß vom 6. August 1926 bewilligt worden. J. mag den Eheleuten B. Willenserklärungen des Vorstandes und der Direktion überbracht und Erklärungen der Vertragsgegner angenommen haben, als Bote oder auch als bevollmächtigter Vertreter. Dadurch wurde er jedoch nicht „verfassungsmäßig berufener Vertreter" der Klägerin nadi §§ 89, 31 BGB. Nicht zu billigen ist aber, daß der Vorderrichter hinsichtlich des Verhaltens des Amtmanns J. die Anwendung der §§ 254, 278 BGB. gegen die Klägerin ablehnt. Er kommt — rechtlich einwandfrei — zu dem Ergebnis, der Schaden der Klägerin sei auf schuldhaftes Verhalten des J. in Erfüllung seiner ihr gegenüber bestehenden Vertragspflicht zurückzuführen, indem J. sich zu Unrecht darauf verlassen habe, daß die Grund-

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bucheintragung der Verpfändung in Ordnung sei, und indem er sich nicht um die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung gekümmert habe, deren Notwendigkeit ihm erkennbar gewesen sei. Der Amtmann J. ist eine Person, deren sich die Klägerin zur Erfüllung einer dem Beklagten gegenüber bestehenden Verbindlichkeit im Sinne des § 278 BGB. bedient hat. Zwar lehnt die Rechtsprechung des Reichsgerichts die Anwendung des § 278 BGB. auf Grund der Verweisung im Schlußsatz des § 254 Abs. 2 BGB. ab, wenn keine Verbindlichkeit besteht (RGZ. Bd. 62 S. 346, Bd. 75 S. 257, Bd. 77 S. 212, Bd. 91 S. 138, Bd. 119 S. 155, Bd. 121 S. 114, Bd. 140 S. 1). Aber anerkannt ist doch, daß in § 254 zur entsprechenden Anwendung des § 278 nicht gerade die Erfüllung einer Verbindlichkeit im eigentlichen Sinne vorausgesetzt wird, sondern daß es genügt, wenn etwas einer Verbindlichkeit Aehnlidies vorliegt, was erfüllt werden kann (RGZ. Bd. 75 S. 258), und daß, sobald die unerlaubte Handlung begangen ist, auch schon vor Eintritt des Schadens Rechtsbeziehungen zwischen dem Schädiger und dem Bedrohten geknüpft sind, welche in dem im Entstehen begriffenen Schuldvcrhältnis gewisse Sorgfaltspflichten des durch Schaden Bedrohten gegen den Schädiger begründen können. Die Abwendung eines aus bereits begangener unerlaubter Handlung drohenden Schadens ist eine Verpflichtung des Bedrohten gegenüber dem Schädiger, welche die entsprechende Anwendung des $ 278 BGB. auch ohne ein hinzutretendes besonderes Schuldverhältnis rechtfertigt (RGZ. Bd. 62 S. 348, 350). Solche Gesetzesanwendung ist ganz besonders für das Gebiet des § 839 BGB. geboten, weil hier die scharfe Haftung des Staates für jedes schuldhafte Amtsversehen irgendeines Beamten es rechtfertigt, an die Aufmerksamkeit des Publikums und das Einstehenmüssen des Geschädigten für Handlungen, welche in den Kreis seiner Aufgabe der Schadensabwendung fallen, nidit leicht zu nehmende Anforderungen zu stellen. Diese Abwendungspflicht ist in § 839 Abs. 3 BGB. noch besonders hervorgehoben und ihre Versäumung durch Nichtgebrauch eines Rechtsmittels mit verschärfter Folge für den Geschädigten bedroht worden. Vergleichsweise sei darauf hingewiesen, daß das Reichsgericht auf dem Gebiet der Haftung für Verschulden beim Vertragsschluß (culpa in contrahendo) auch ohne Zustandekommen eines wirksamen Vertrags den § 278 BGB. für anwendbar erklärt hat (RGZ. Bd. 114, S. 159, Bd. 120 S. 130). Hier war die unerlaubte Handlung, das Amtsversehen des Richters, mit der Eintragung im Grundbuch ohne Erwähnung der Pfandforderung und ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung begangen. Damit drohte für die als Pfandgläubigerin bezeichnete Klägerin die Gefahr einer Schädigung, wenn sie sich auf die Richtigkeit der Eintragung verließ. Somit war in diesem Zeitpunkt die Grundlage für die Schuldhaftung des Beklagten gegeben und eine Rechtsbeziehung zwischen den Parteien entstanden, welche auf seiten der Klägerin die Pflicht auslöste, ihrerseits zur Schadensverhütung mitzuwirken. Die Klägerin bediente sich des Amt-

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manns J. zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit dadurdi, daß sie ihn allgemein mit der Besorgung solcher Beleihungssachen betraut hatte (vgl. R G Z . Bd. 55 S. 332, Bd. 138 S. 117). Daher muß sie sein schuldhaftes Handeln in jener Angelegenheit dem Beklagten gegenüber wie eigenes Verschulden — d. h. wie ein Verschulden ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter — verantworten. Hätte der Fehler des J., und damit der der Klägerin, in der Versäumung eines Rechtsmittels bestanden, so wäre nach § 839 Abs. 3 BGB. jede Ersatzpilicht des Beklagten zu verneinen. Das ist jedoch der Klägerin nicht vorzuwerfen. Die Verpfändungseintragung war erfolgt ohne ihr Zutun und ehe sie mit dem Verpfänder und der Darlehnsnehmerin in Verbindung stand. Als sich dann B. an sie wandte, hätte J. auf die Mängel in der Verpfändung, zum mindestens auf das Fehlen vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung aufmerksam werden können und sollen und dann die Darlehnsgewährung vor Richtigstellung ablehnen müssen. Die Klägerin hatte aber keinen Anlaß, ihrerseits das Grundbuchamt auf die Fehler hinzuweisen und die Eintragung eines Widerspruchs oder die Löschung der Eintragung und eine neue richtige Eintragung anzuregen. Deswegen ist § 839 Abs. 3 BGB. gegen sie nicht anzuwenden. Wohl aber ist ihr das zur Entstehung des Schadens mitursächliche schuldhafte Verhalten des J . nach §§ 254, 278 BGB. anzurechnen. Der Sachverhalt ist durch die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ausreichend geklärt. Daher ist das Revisionsgericht vonsich aus in der Lage, das Maß der beiderseitigen Verursachung und des schuldhaften Verhaltens jedes Teiles gegeneinander abzuwägen (vgl. R G Z . Bd. 134 S. 66). Bei Anwendung des $ 254 BGB. kommt es in erster Reihe auf das Maß der Verursachung an. Hier hat nun der Fehler des Richters die gefährliche Lage geschaffen und so die erste Bedingung für die Entstehung des Schadens gesetzt. Erst im weiteren Verlauf hat dann die der Klägerin vorzuwerfende Unaufmerksamkeit mitgewirkt. Was das daneben zu berücksichtigende Maß des schuldhaften Verhaltens jeder Seite anlangt, so überwiegt auch hier das des Richters; denn er war in erster Linie sachkundig und für richtige Handhabung verantwortlich. Hiernach erscheint eine Verteilung des Schadens derart gerechtfertigt, daß die Klägerin davon ein Viertel, der Beklagte aber drei Viertel zu tragen hat. . . . R G Z . 146, 155 Kann ein preußischer Notar, der statt der erforderlichen Beurkundung einer Willenserklärung deren Beglaubigung vorgenommen hat, gegenüber dem Vorwurf der sdiuldhaften Verletzung seiner Belehrungspflicht einwenden, er habe die rechtliche Bedeutung der von ihm gelesenen Erklärung nicht erkannt? PrFGG. Art. 60. BGB. § 839.

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III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 13. November 1934.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Freiwillige Gerichtsbarkeit". RGZ. 147, 129 t Ist ein pflichtwidriges Unterlassen des Beamten (Notars) für den schädlichen Erfolg ursächlich, wenn bei pflichtmäßigem Handeln derselbe Erfolg eingetreten wäre? B G B . §§ 249, 839. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Lyck.

Urt. v. 5. Februar 1935.

I I . Oberlandesgeridit Königsberg.

Am 18. Dezember 1929 beurkundete der Beklagte als Notar einen Vertrag zwischen dem Kläger und dem Landwirt S., worin dieser dem Kläger für einen Preis von 4000 R M . einen kompletten Dreschsatz verkaufte. Dieser befand sich zur Zeit des Vertragsschlusses auf einem Grundstück, das dem S. von seiner Mutter gegen Bestellung eines Altenteils überlassen worden war. In dem Vertrag vom 18. Dezember 1929 wurde angegeben, daß die Uebergabe am Tage des Vertragsschlusses stattgefunden, der Kläger aber dem Verkäufer gestattet habe, den Dreschsatz, solange er auf seinem Grundstück stände, unentgeltlich zu benutzen. Das Grundstück des S. ist später zur Zwangsversteigerung gelangt. D e r Zuschlag wurde der Mutter des S. erteilt. In diesem Verfahren hat der Kläger der Zwangsvollstreckung in den Dresdisatz widersprochen, ist aber mit seiner Widerspruchsklage rechtskräftig abgewiesen worden, weil sich die Beschlagnahme des Grundstücks auf den Dreschsatz miterstreckt habe. Der Kläger verlangt vom Beklagten den Ersatz des ihm durch den Verlust des Dreschsatzes entstandenen Schadens, weil der Beklagte es schuldhaft unterlassen habe, ihn darüber zu belehren, daß der Dreschsatz von der Haftung für die Hypothekenschulden nur dann frei werden könne, wenn er von dem Grundstück entfernt werde. Der Kläger behauptet, daß er im Fall einer ordnungsmäßigen Belehrung den Dreschsatz rechtzeitig in seinen Gewahrsam genommen haben würde. Das Landgericht gab der Klage statt, das Oberlandesgericht wies sie ab. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Nach den rechtsirrtumsfreien Feststellungen des Berufungsrichters hat der Beklagte schuldhaft gegen seine Amtspflicht als Notar verstoßen, indem er es beim Vertragsschluß am 18. Dezember 1929 unterließ, die Parteien darüber zu belehren, daß der Kläger ein von den Grundstückspfandrechten freies Eigentum an dem Dreschsatz nur erwerben könne,

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wenn dieser von dem Grundstück entfernt werde, und daß hierfür weder die bloße Veräußerung noch eine Veräußerung in Verbindung mit der Vereinbarung eines Besitzvermittlungsverhältnisses (§ 930 B G B . ) genüge. D a s Berufungsgericht hat t r o t z d e m die H a f t u n g des Beklagten f ü r den Schaden des Klägers nidit als begründet angesehen, weil der Kläger auch im Fall zutreffender Belehrung durch den Beklagten haftungsfreies Eigentum an dem Dreschsatz nicht erworben haben würde. Es verneint damit den ursächlichen Zusammenhang zwischen der schädigenden U n t e r lassung und dem eingetretenen E r f o l g mit der B e g r ü n d u n g , daß derselbe E r f o l g auch ohne das Zutun des Beklagten in anderer Weise eingetreten wäre. D i e darin z u m Ausdruck gelangte Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn, wie hier, das schädigende Verhalten in einem Unterlassen besteht. D e n n gegenüber einem U n t e r lassen gibt es — anders als wenn das schädigende Verhalten in einem positiven T u n besteht — denkgesetzlich nur eine einzige andere Möglichkeit, nämlich das NichtUnterlassen, d. h. das unterbliebene T u n . Wäre der Erfolg aber auch dann eingetreten, wenn das unterbliebene T u n geschehen wäre, so kann die Unterlassung hinweggedacht werden, ohne daß der schädliche Erfolg entfiele, u n d dann ist die Unterlassung nicht ursächlich. Ist hiernach grundsätzlich der G e d a n k e n g a n g des angefochtenen U r teils in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden, so hat das B e r u f u n g s gericht seiner Prüfung im vorliegenden Fall mit Recht die Frage z u g r u n d e gelegt, o b der schädliche E r f o l g auch dann eingetreten wäre, wenn der Beklagte die Parteien in der erforderlichen Weise belehrt hätte. Es hätten sich dann drei Möglichkeiten ergeben. Entweder hätten die Parteien auf die Belehrung hin den Vertrag überhaupt nicht geschlossen, und der Kläger hätte keine oder eine andere Sicherheit erlangt. D a s scheidet nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils aus. Oder die Parteien hätten den Vertrag in der gleichen Weise geschlossen, wie sie es ohne Belehrung getan haben. Diesen Fall scheint der Berufungsrichter im Auge zu haben, wenn er ausführt, die Parteien hätten dann den V e r t r a g bei einem anderen N o t a r geschlossen. Es ist der Revision zuzugeben, daß diese Annahme reichlich unklar ist. D e n n wenn der Beklagte — wie das Berufungsgericht offenbar a n n i m m t — die B e u r k u n d u n g des V e r trags abgelehnt hätte, weil der Vertragszweck auf die von den Parteien ungeachtet der Belehrung gewollte Weise nicht zu verwirklichen war, so hätte jeder andere N o t a r ebenso handeln müssen. Die Revision übersieht aber, daß die notarielle B e u r k u n d u n g des Vertrags bei der gegebenen Rechtslage nicht erforderlich war und daß die Parteien daher den Vertrag in Nichtachtung der Belehrung auch ohne die Einhaltung dieser F o r m hätten schließen können. D a ß solchenfalls die Amtspflichtverletzung des Beklagten nicht v o n ursächlicher Bedeutung f ü r den Schaden sein könnte, steht außer Zweifel (vgl. R G Z . B d . 101 S. 155). D i e

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letzte Möglichkeit ist schließlich die, daß die Parteien den Vertrag in der Weise geschlossen hätten, daß der verkaufte Dreschsatz tatsächlich von dem Grundstück entfernt werden sollte. Für diesen Fall nimmt der Berufungsriditer an, daß der Kläger haftungsfreies Eigentum nicht erworben hätte, weil entweder die Entfernung der verkauften Gegenstände von dem Grundstück durch die Mutter S. verhindert worden wäre oder doch ein ihr gegenüber wirksamer Erwerb des Eigentums auch im Fall der Entfernung nicht hätte stattfinden können. Das Berufungsgericht begründet diese Annahme damit, daß der Veräußerung des Dreschsatzes die von dem Amtsgericht in B. für die Mutter S. erlassene einstweilige Verfügung vom 22. Oktober 1929 entgegengestanden habe (§§ 136, 135 BGB.), durch die dem Antragsgegner S., ihrem Sohne, unter Androhung einer Ordnungsstrafe neben anderem aufgegeben war, den Verkauf von Inventar der — damals noch — der Mutter S. gehörigen Grundstücke zu unterlassen. Es kommt zu diesem Ergebnis, obgleich sich in den Akten ein Beschluß des Amtsgerichts vom 7. November 1929 vorfindet, durch den die einstweilige Verfügung aufgehoben worden ist, nachdem sich die Parteien (S. und seine Mutter) dahin verglichen hatten, daß sich einerseits S. verpflichtete, die zu dem Grundstück gehörigen Maschinen weder zu verkaufen noch zu vertauschen, insbesondere die Pfändung und Versteigerung der Maschinen zu verhindern und von dem anderen Inventar nur das überzählige zu verkaufen, während anderseits die Mutter S. die einstweilige Verfügung zurücknahm. . . . (Nach Ausführungen über die Wirksamkeit des Aufhebungsbeschlusses fährt das Urteil fort:) Aus der einstweiligen Verfügung kann hiernach nicht gefolgert werden, daß der Kläger ein gegenüber der Mutter S. wirksames Eigentum an dem Dreschsatz nicht hätte erwerben können. Allerdings hat sidi S. in dem Vergleich verpflichtet, die Masdiinen nicht zu veräußern, und die Feststellungen des angefochtenen Urteils ergeben auch, daß der Kläger die von S. übernommene Verpflichtung gekannt hat; aber diese rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkung des S. konnte die rechtswirksame Veräußerung des Dreschsatzes an den Kläger nach § 137 BGB. nicht hindern. Die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, die Mutter S. hätte jedenfalls auf Grund der Vereinbarungen mit ihrem Sohn in dem Vergleich sofort eine der früheren gleichlautende neue einstweilige Verfügung erwirken können und sei so jederzeit in der Lage gewesen, die Ausführung des Vertrags vom 18. Dezember 1929 zu verhindern, bekämpft die Revision mit dem Einwand, daß solchenfalls der ursächliche Zusammenhang zwischen der Unterlassung und dem Eintritt des Sdiadens nicht ausgeschlossen wäre. Allerdings haben der VIII. Zivilsenat in RGZ. Bd. 141 S. 365 und der V. Zivilsenat in Bd. 144 S. 80 (84) den Grundsatz ausgesprochen, daß der ursädiliche Zusammenhang zwischen der schädigenden

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Handlung und dem Eintritt des Schadens nicht dadurch ausgeschlossen werde, daß ohne die schädigende Handlung später durch ein anderes Ereignis derselbe Schaden verursacht worden wäre. Diesen Grundsatz hat auch der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 5. Oktober 1934 III 85/34 anerkannt. Die Revision übersieht aber, daß der Fall hier besonders liegt. Unterstellt man — dem Gedankengang des Berufungsrichters entsprechend —, daß es der Mutter S. wirklich gelungen wäre, auf Grund des Vergleichs so rechtzeitig eine neue einstweilige Verfügung zu erwirken, daß sie die beabsichtigte Entfernung des Dresdisatzes von dem Grundstück verhindert hätte, so wäre gerade durch den Abschluß des Vertrags die Grundlage für den Erlaß der einstweiligen Verfügung geschaffen worden, m. a. W.: wenn der Kläger und S. bei gehöriger Belehrung durch den Beklagten den Vertrag ordnungsgemäß geschlossen hätten, so wäre die Sach- und Rechtslage für den Kläger keine andere geworden als die, welche durch den infolge der mangelhaften Belehrung seitens des Beklagten fehlerhaften Vertragsschluß entstanden ist. Denn in jedem Fall wäre die Entfernung des Dreschsatzes von dem Grundstücke nicht erfolgt und daher dem Kläger kein haftungsfreies Eigentum verschafft worden. Daraus ergäbe sich aber, daß die Schadensursache nicht in dem Verhalten des Beklagten, sondern in der unabhängig von diesem Verhalten auch bei ordnungsmäßigem Vertragsschluß bestehenden und gerade durch diesen eingetretenen Sachlage zu suchen wäre. Es handelt sich also hier gar nicht darum, daß der Schaden „durch ein später eingetretenes anderes Ereignis" verursacht worden wäre, also nicht um einen der Fälle, die den Gegenstand der eben erwähnten Entscheidungen gebildet haben, sondern darum, daß die von vornherein auch ohne das schädigende Verhalten des Beklagten bestehende oder sich notwendig ergebende Unmöglichkeit der Verwirklichung des Vertragszwecks nachträglich sichtbar geworden ist. Zu dem gleichen Ergebnis führt übrigens auch § 249 BGB. Danach hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dieser Zustand könnte hier nur der sein, wie er im Fall eines ordnungsmäßigen Vertragsschlusses bestanden hätte. Da aber der Kläger auch in diesem Fall, wie unterstellt ist, an den gekauften Gegenständen kein haftungsfreies Eigentum" erworben hätte, so würden seine wirtschaftliche Lage in Ansehung dieser Gegenstände und — wenigstens nach den bisherigen Feststellungen — seine Vermögenslage überhaupt bei pflichtmäßigem Verhalten des Beklagten nicht anders geworden sein, als sie sich so gestaltet haben. . . . Die Haftung des Beklagten für den Dresdisatz wäre hiernach auch dann entfallen, wenn die Mutter S. die Entfernung von dem Grundstück mit Hilfe einer neuen einstweiligen Verfügung verhindert hätte. Das Berufungsgericht hat aber, wie der Revision zuzugeben ist, bisher nicht schlüssig begründet, daß die Mutter S. durch Erwirkung

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einer neuen einstweiligen Verfügung die Entfernung des Dreschsatzes von dem Grundstüdk hätte verhindern können. . . . (Wird näher dargelegt.) Es ist vielmehr vorerst davon auszugehen, daß diese Entfernung, wenn der Beklagte den Kläger über ihre Notwendigkeit richtig belehrt hätte, im Anschluß an den Vcrtragssdiluß vorgenommen und die neue einstweilige Verfügung, auch wenn sie binnen kürzester Frist erlassen worden wäre, zu spät gekommen sein würde. Nach den Feststellungen des angegriffenen Urteils ist der Berufungsrichter zu der Ueberzeugung gelangt, daß dem Kläger die Verhältnisse zwischen dem Verkäufer S. und seiner Mutter genau bekannt waren. Von diesem Gesichtspunkt aus entsteht aber die vom Berufungsgericht bisher nicht beantwortete Frage, ob nicht die Mutter S., wenn sie schon mit einer neuen einstweiligen Verfügung zu spät gekommen wäre, von dem Kläger auf Grund unerlaubter Handlung wegen widerrechtlicher Verletzung ihrer Gläubigerrechte die Zurückschaffung des Dresdisatzes auf das Grundstück als Schadensersatz hätte fordern können und gefordert hätte. Träfe das zu, so müßte die Ursächlichkeit des schuldhaften Verhaltens des Beklagten f ü r den schädlichen Erfolg in gleidier Weise verneint werden, wie das oben bereits f ü r den Fall der Verhinderung der Entfernung des Dreschsatzes mit Hilfe einer neuen einstweiligen Verfügung geschehen ist. Denn solchenfalls wäre die das „andere Ereignis" auslösende Ursache vom Kläger selbst unmittelbar durch den Abschluß des vom Beklagten beurkundeten Vertrags gesetzt worden, der gerade im Hinblick auf die unerlaubte Handlung, die er verkörperte, in jedem Fall, mochte der Beklagte die Parteien über die Notwendigkeit der alsbaldigen Entfernung richtig belehrt haben oder nicht, mit dem daraus sich f ü r die Mutter S. ergebenden Schadensersatzanspruch gewissermaßen belastet sein mußte. Auch hier f ü h r t die Anwendung des § 249 BGB. zu dem gleichen Ergebnis, ganz abgesehen davon, daß man dazu auch durch Anwendung des § 254 BGB. gelangen müßte. Ein solcher Schadensersatzanspruch der Mutter S. könnte sowohl aus § 826 BGB., wie aus § 823 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 1107, 1135 das. gerechtfertigt erscheinen.... Immerhin läßt der bisherige Sachverhalt eine abschließende Beurteilung nach keiner der angeführten Richtungen zu.

RGZ 147, 142 Besteht eine Amtspflicht des pfändenden Gerichtsvollziehers auch gegenüber dem Bürgen des Pfändungsgläubigers? BGB. § 839. III. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t A l t o n a .

Urt. v. 26. Februar 1935. II. Oberlandesgcricht

Kic!.

Staats- und B e a m t e n h a f t u n g

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Der Kläger hatte f ü r ein Darlehn selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen. Die Darlehnsgläubigerin ließ am 28. Oktober 1925 durch den Gerichtsvollzieher beim Schuldner Waren pfänden. Die Versteigerung ergab einen Ausfall für die Gläubigerin. Für diesen nahm sie den Kläger in Anspruch, der sie gegen Abtretung ihrer Schadensersatzansprüche befriedigt hat. Der Kläger verlangt vom Beklagten Ersatz des Schadens, den er dadurch erlitten haben will, daß der Gerichtsvollzieher trotz Hinweises des hinzugezogenen Schätzers, es sei zu wenig gepfändet, weitere greifbare Sachen des Schuldners nicht gepfändet habe. Der Beklagte nimmt eine Amtspflichtverletzung des Gerichtsvollziehers in Abrede und macht Verjährung geltend. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Beklagten führte zur Abweisung der Klage. Gründe: Auf tatsächlichem Gebiet liegt die Feststellung des Berufungsgerichts, daß sich der Gerichtsvollzieher über den Hinweis des Schätzers, der zu erwartende Erlös der gepfändeten Sachen werde zur Befriedigung der Gläubigerin nicht ausreichen, hinweggesetzt und weitere Pfändungen unterlassen habe, obwohl ihm bei ordnungsmäßiger Nachsuche pfändbare Weinvorräte nicht hätten entgehen können. Gegen die Folgerung, daß der Beamte dadurch seine Amtspflicht zur sorgfältigen Durchführung der ihm übertragenen Zwangsvollstreckung fahrlässig verletzt habe, sind rechtliche Bedenken von der Revision nicht erhoben, auch nicht zu ersehen. Dagegen wird die Annahme des Berufungsgerichts, daß dem Gerichtsvollzieher diese Amtspflicht auch gegenüber dem Kläger als Bürgen obgelegen habe, von der Revision mit Recht bekämpft. Ohne Frage handelt es sich zwar hier um Verletzung einer Amtspflicht, die dem Gerichtsvollzieher nach ihrem Zweck (RGZ. Bd. 78 S. 241, Bd. 139 S. 153) nach außen hin, also Dritten gegenüber oblag. Zutreffend erwägt das Berufungsgericht auch, daß Dritte nicht nur die bei dem Amtsgeschäft unmittelbar Beteiligten, sondern alle Personen sind, deren Belange nach der besonderen Natur des Amtsgeschäfts durch dieses berührt werden. Daß solche Personen als Dritte im Sinne des § 839 BGB. in Betracht kommen können, sofern in ihren Rechtskreis durch die Amtshandlung eingegriffen werden kann, auch wenn sie durch die Amtsausübung nur mittelbar betroffen werden, entspricht der ständigen Rechtsprechung und ist vom erkennenden Senat u. a. in RGZ. Bd. 138 S. 313 unter Anführung der bisherigen Rechtsprechung ausgesprochen. Dort ist aber auch bereits hervorgehoben, daß diesen Personen gegenüber die Amtspflicht zwar bestehen kann, aber keineswegs bestehen muß. Vielmehr ist

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

die Frage, ob sie es im Einzelfall tut, besonders zu prüfen. Eine Amtspflicht, die nach der Art der Tätigkeit des Beamten auf einen bestimmten Kreis von Personen beschränkt ist, liegt dem Beamten nicht gegenüber anderen Personen ob, mögen auch deren Belange durch spätere Nachwirkungen der Amtshandlung betroffen werden. So liegt die Sache hier. Der Bürge, dessen Belange zwar berührt werden durch den Verlauf der Zwangsvollstreckung unter Hinzutritt der weiteren vergeblichen Versuche der Gläubigerin, Befriedigung f ü r ihre Restforderung vom Hauptschuldner zu erlangen, und ihres schließlichen Entschlusses, sich wegen ihres Ausfalls an den Bürgen zu halten, ist doch zunächst am Verfahren völlig unbeteiligt. Aus diesen Gründen hat denn auch das Reichsgericht bereits in der Entscheidung R G Z . Bd. 140 S. 43 (45) ausgeführt, daß der Umstand allein, daß jemand dem Auftraggeber des Geriditsvollziehers kraft Rechtsgeschäfts verpflichtet ist, im Falle der Nichterfüllung der zu vollstreckenden Schuld einzutreten, diesen Dritten nicht in Beziehung zu der Amtstätigkeit des Beamten bringen und ihm ein Recht auf gehörige Ausführung des Auftrags nicht geben könne. Dieser Grundsatz, der f ü r den Fall einer Verpflichtung kraft Vertrags und kraft Wechselredits f ü r den damaligen Kläger ausgesprochen worden ist, der bei der Gläubigerin einen Wechsel diskontiert hatte und f ü r dessen Eingang haftete, t r i f f t auf den jetzigen Kläger, der kraft Bürgschaftsvertrags f ü r eine fremde Schuld einzustehen hatte, genau so zu. Derselbe Standpunkt ist übrigens f ü r den Ausfallbürgen einer Hypothek vom erkennenden Senat bereits in RGZ. Bd. 138 S. 210 als zutreffend anerkannt. Die Erwägungen, die der Berufungsrichter in diesem Zusammenhang über den Uebergang der Hauptforderung mit allen Nebenrechten auf den zahlenden Bürgen (§ 774 BGB.) anstellt, sind insofern gegenstandslos, als eine Schadensersatzforderung der Gläubigerin aus § 839 BGB., die auf den Kläger übergegangen sein könnte und auf die er seine Klage auf Grund der geschehenen vertraglichen Abtretung oder dieses gesetzlichen Forderungsübergangs hätte stützen können, niemals vorhanden war. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. schließt einen Anspruch gegen den Beamten ausdrücklich aus, wenn der Verletzte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. O b diese Möglichkeit auf Gesetz oder Vertrag beruht, ist gleichgültig (RGZ. Bd. 138 S. 211). Im vorliegenden Fall aber konnte die Gläubigerin auf Grund des Bürgschaftsvertrags Ersatz vom Kläger verlangen und hat ihn verlangt (vgl. auch RGZ. Bd. 140 S. 44). Danach besteht ein Ansprudi des Klägers aus § 839 BGB., wie ihn das Berufungsgericht seinem verurteilenden Erkenntnis zugrunde gelegt hat, gegen den Beamten und damit auch ein solcher aus Art. 131 RVerf. gegen den Beklagten an Stelle des Beamten weder aus eigenem Recht des Klägers noch aus abgetretenem Recht der Gläubigerin.

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Staats- und Beamtenhaftung

RGZ. 147, 144 1. Liegt der Polizei eine Amtspflicht, gegen Rechtsbrecher (Sachbeschädiger) einzuschreiten, auch gegenüber dem Eigentümer der gefährdeten Sache ob? 2. Zur Frage des mitwirkenden Verschuldens. BGB. §§ 254, 839. Preuß. Polizeiverwaltungsgesetz vom 1. Juni 1931 (GS. S. 77) — PVG. — § 14. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 26. Februar 1935.

I. Landgericht Neuruppin.

I I . Kammergericht

Berlin.

Der Kläger erwarb Ende 1929 in der Zwangsversteigerung ein Villengrundstück mit Fabrikgebäude in W. Da das Grundstück damals nicht verwertbar war, ließ er es verschließen, aber nicht bewachen. Er selbst kümmerte sich von seinem Wohnsitz in R . (Holland) aus nicht weiter um das Grundstück. Im Jahre 1931, etwa im September, verschaffte sich eine größere Zahl obdachloser Personen, großenteils Kommunisten, mit Gewalt Eingang in das Grundstück und ließ sich in dem Hause nieder. Sie beschädigten das Gebäude durch Abreißen alter und Errichten neuer Wände, Anlage neuer Feuerstellen, Legen von Leitungen u. a. m. Die Grundstücksverwaltung der verklagten Stadtgemeinde hatte dem Kläger schon im Oktober 1930 mitgeteilt, daß das Haus langsam dem Verfall entgegengehe, und diese Mitteilung Ende Januar 1931 wiederholt mit dem Hinzufügen, daß bereits die Fensterscheiben zertrümmert seien. Der Briefwechsel wurde aus Anlaß eines Kaufangebots an die Beklagte bis in den August 1931 fortgesetzt. Der Kläger verlangt Schadensersatz von der Beklagten, weil sie ihm keinen Aufschluß über den wahren Grund des Verfalls gegeben habe und, statt für Beseitigung der Zustände zu sorgen, die unbefugten Bewohner noch durch Wasserlieferung unterstützt habe. Sie habe damit als Träger der Polizeigewalt, in welcher Eigenschaft sie überdies die Pflicht gehabt habe, gegen die kommunistische Sammelstelle einzuschreiten, ihre Amtspflicht verletzt. Die Beklagte ist dem entgegengetreten, nimmt insbesondere eine Pflicht, für das Eigentum des Klägers zu sorgen, in Abrede und macht überwiegendes Mitverschulden des Klägers geltend. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Aus den G r ü n d e n : Das Berufungsgericht geht bei Beantwortung der Frage, ob die Polizeibeamten der Beklagten — für deren Amtspflichtverletzung in Ausübung der übertragenen Polizeigewalt die Beklagte nach Art. 131 RVerf. haften würde, weil die Beamten von ihr angestellt worden sind

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

( R G Z . Bd. 140 S. 126 [127], Bd. 142 S. 190 [195]) — eine ihnen dem Kläger gegenüber obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt haben, von den Aufgaben der Polizei im allgemeinen aus. Rechtlich zutreffend n i m m t es an, daß die Polizei zum Einschreiten befugt und unter Umständen verpflichtet nur dann sein könne, wenn die öffentliche Sicherheit oder O r d n u n g bedroht sei. Das entspricht dem Wortlaut des § 14 P V G . , in K r a f t getreten nach § 79 das. a m 1. O k t o b e r 1931, über die Aufgaben der Polizei und galt nach feststehender Rechtsprechung auch f ü r die f ü r einen Teil der hier fraglichen Zeit noch maßgebende Vorschrift des § 10 P r . A L R . II 17, wonach es das A m t der Polizei war, die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen R u h e , Sicherheit und O r d n u n g und zur Abwendung der dem Publikum oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren zu treffen. V o n diesem Standpunkt aus beurteilt das Berufungsgericht rechtlich z u t r e f f e n d den behaupteten Sachverhalt, daß sich in dem H a u s eine kommunistische Sammelstelle befunden habe, nicht etwa, wie die Revision annimmt, dahin, daß damit die Voraussetzungen des § 14 PVG. nicht gegeben seien. Es sagt vielmehr, auch bei A n n a h m e einer Pflicht der Polizei z u m Einschreiten gegen die Bewohner in solchem Fall fehle es an den Voraussetzungen des § 839 B G B . , nämlich an einer Pflicht g e g e n ü b e r d e m K l ä g e r z u m Einschreiten. D e m ist beizupflichten. Derartige Zustände, sofern es sich überhaupt um die Einrichtung eines kommunistischen Sammelpunktes, d. h. einer f ü r die staatsfeindliche Kommunistische Partei Deuschlands oder ihre Nebenorganisationen arbeitenden Stelle, und nicht nur u m den Einzug von Personen k o m m u n i stischer Einstellung gehandelt hat, konnten der Polizei einen Anlaß zum Einschreiten gegen diese Personen zur W a h r u n g der öffentlichen Sicherheit, nicht aber zur Abwendung irgendwelcher Gefahren von dem Eigent u m des Klägers geben und daher auch keine Amtspflicht zum H a n d e l n ihm gegenüber begründen. Dagegen sind die Ausführungen des Berufungsrichters v o n Rechtsirrtum beeinflußt, die dahin gehen, daß mit dem unbefugten Bewohnen u n d der teilweisen Zerstörung des Hauses eine öffentliche G e f a h r noch nicht bestanden habe, die der Polizei ein Recht und einen Anlaß z u m Einschreiten hätte geben können. Mit Recht rügt demgegenüber die Revision, der Berufungsrichter habe übersehen, daß sich eine Pflicht der Polizei z u m Einschreiten aus der Tatsache ergab, daß hier fortlaufend strafbare Handlungen verübt wurden. Zu den Gefahren, denen die Polizei zu begegnen hat und die als das Gemeinwohl berührend in ihren Aufgabenkreis fallen, gehört unstreitig die Verhütung strafbarer Handlungen. Dabei kann f ü r die öffentlichen Belange, die eine Verhütung solcher Straftaten fordern, die Frage keine Rolle spielen, ob eine Strafverfolgung der Täter nur auf Antrag möglich ist. Handelt es sich u m Straftaten, die, wie hier, als Hausfriedensbruch (§ 123 S t G B . ) und Sachbeschädigung (§ 303 StGB.) gleichzeitig das Eigentum des Einzelnen

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Staats- und Beamteahaftung

gefährden und verletzen, so dient das Eingreifen der Polizei zugleich der Abwehr einer dem Eigentümer drohenden Gefahr und soll ihr nach seinem Zweck jedenfalls dann dienen, wenn der Eigentümer, wie im vorliegenden Fall, nicht in der Lage ist, sich selbst zu schützen. Dieser doppelte Zweck der Amtshandlung ergibt, daß die Pflicht zu ihrer Vornahme der Polizei nicht nur zum Schutze der Allgemeinheit, sondern auch des Einzelnen auferlegt ist (RGZ. Bd. 78 S. 243, Bd. 139 S. 149 [153J und öfter). Das verkennt der Berufungsrichter, wenn er meint, eine Amtspflicht habe der Polizei dem Kläger gegenüber nicht obgelegen, und zwar weder zur Benachrichtigung, solange sie annehmen mußte, daß der Kläger von dem Treiben der Rechtsbrecher nichts wußte, noch auch, solange eine solche Benachrichtigung unterblieb, zur Beseitigung der unbefugt eingedrungenen und auf dem Grundstück weilenden Personen und zur Verhütung von Sachbeschädigungen. Eine Benachrichtigung durch die Polizei aber ist nicht erfolgt. Den Briefwechsel über diese Angelegenheit hat das Grundstücksamt der Beklagten geführt. Auch wenn die Polizei von ihm Kenntnis gehabt haben sollte, war er nicht geeignet, den Kläger zu eigenem Einschreiten gegen die Rechtsbrecher zu veranlassen, wie später darzulegen sein wird. Dagegen ist entgegen der Meinung der Revision keine Amtspflicht der Polizei zur Unterlassung der Wasserfreigabe anzuerkennen. Es fehlt an jedem Anhalt, daß die Entscheidung über die Abgabe oder Nichtabgabe von Leitungswasser überhaupt Sache der Polizei gewesen wäre. Die hiernach dem Kläger gegenüber bestehende Amtspflicht haben die Polizeibeamten der Beklagten fahrlässig verletzt. Das ergeben die Feststellungen des Berufungsgerichts, nach denen die Polizei durch häufige Besudle auf dem Grundstück Kenntnis davon hatte, daß unbefugte Obdachlose, die sich des Hauses bemächtigt und dort Sachbeschädigungen begangen hatten, es bewohnten. Diese tatsächlichen Feststellungen lassen keinen Rechtsirrtum erkennen. Hiernach unterliegt das angefochtene Urteil schon wegen Verkennung der zugunsten des Klägers anzunehmenden schuldhaften Verletzung der Amtspflicht der Polizeibeamten der Aufhebung . . . (Folgt eine Erörterung der sonstigen Klagegründe gegen die Beklagte. Dann wird fortgefahren:) Die Entscheidung, ob und inwieweit die Beklagte für den dem Kläger entstandenen Schaden, d. h. nicht den durch mangelnde Aufsicht entstandenen Verfallschaden, sondern den durch unbefugtes Eindringen und Bewohnen und rechtswidrige Beschädigung entstandenen Schaden haftet, hängt noch von der Beantwortung der Frage nach einem mitwirkenden eigenen Verschulden des Klägers (§ 254 BGB.) ab. Für die Entscheidung dieser Frage sind die hierzu getroffenen Hilfserwägungen des Berufungsurteils nicht verwertbar, weil sie von Rcchtsirrtum beeinflußt sind. Eine Abwägung des beiderseitigen ursächlichen Verschuldens ist regelmäßig erst möglich, wenn das Maß des beiderseitigen Verschuldens festgestellt ist (RGZ. Bd. 131 S. 119 [125]; RGUrt. vom

Zivils. SA.IdreAt 11

9

Schuldrecht, B e s o n d e r e r

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Teil

17. O k t o b e r 1933 III 112/33 u. ö.). Die Unterstellung, von der die Hilfserwägung des Berufungsurteils ausgeht, genügt diesen Anforderungen nicht. Sie beschränkt sich auf den Ausspruch, selbst wenn im übrigen eine Amtspflicht der Beamten der Beklagten zum Einschreiten zu bejahen gewesen wäre, träfe den Kläger das überwiegende Verschulden. Hieraus ist nicht zu entnehmen, in welcher Richtung und in welchem Umfang eine Amtspflichtverletzung der Beamten der Beklagten unterstellt wird. Es besteht die Möglichkeit, daß der Berufungsrichter bei Abwägung des beiderseitigen Verschuldens unterlassen hat, sich über Art und Umfang des zu unterstellenden Verschuldens auf Seiten der Beamten klare Vorstellungen zu bilden. Eine rechtliche Nachprüfung ist angesichts dieser Art der Wahrunterstellung dem Revisionsgericht jedenfalls nicht möglich. Rechtsirrig sind auch die Ausführungen, die der Berufungsrichter über die Bewertung der v o m Grundstücksamt der Beklagten — nicht den Polizeibeamten — dem Kläger gegebenen Nachrichten für dessen Mitverschulden macht. Diese Nachrichten, deren grundlegende übrigens bereits vom 17. O k t o b e r 1930 und 6. Januar 1931 stammen, die aber noch im August 1931 wiederholt sind, waren, wie die Revision mit Recht hervorhebt, in ihrer Unvollständigkeit und damit Unrichtigkeit geradezu irreführend. Sie waren keineswegs geeignet, den Kläger aufmerksam zu machen, sondern konnten ihn in seiner Vorstellung, das Haus erleide infolge mangelnder Aufsicht gewisse Verfallschäden, die er bewußt auf sich nahm und noch heute auf sich nimmt, nur bestärken. Sie konnten ihn jedenfalls nicht auf die Vermutung bringen, das Haus werde unter den Augen der Polizei von Rechtsbrechern bewohnt und zerstört. In der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht diesen Gesichtspunkt zu berücksichtigen haben bei der Prüfung der Frage, ob und inwieweit den Kläger durch Nichtbeachtung der nötigen Sorgfalt in eigener Sache und durch Unterlassung gebotener Maßnahmen zur V e r hütung des Schadens, dessen Ersatz er verlangt, ein mitursächliches V e r schulden im Sinn des § 254 B G B . trifft, namentlich in der Richtung, daß er von vornherein keinerlei Anordnungen für eine ordnungsmäßige Beaufsichtigung des Grundstücks traf.

R G Z . 147, 248 Wann stellt die Belastung mit Schulden Schaden im Sinne der §§ 249, 8 3 9 BGB. dar? III. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t B r e m e n .

keinen zu

ersetzenden

U r t . v. 2. April 1935. II. Obcrlandcsgeridit

Hamburg.

Am 15. November 1930 verkaufte der Landwirt E. an den Kläger einen Teil seines in M. gelegenen Grundstücks, nämlich das auf dem Grundstück befindliche Wohnhaus „mit etwa 7 Morgen Land". Nach

Staats- und Beamtenhaftung

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dem Inhalt des von dem verklagten N o t a r beurkundeten Vertrags sollten die genauen Grenzen und die Größe durch das Katasteramt festgestellt werden. Als Kaufpreis wurden für das Wohnhaus mit 6 Morgen Land 5 0 0 0 R M . vereinbart. Außerdem wurde verabredet, daß der Käufer für „etwa einen weiteren Morgen Land etwa 450 R M . " zahlen sollte. Nähere Angaben über die Grenzen des Hausgrundstücks, das durch seine Lage am Gemeindewege und zwischen zwei anderen Grundstücken nur nach drei Seiten genügend bestimmt ist, finden sich in dem Vertrage nicht. D e r ganze Kaufpreis sollte hypothekarisch auf dem verkauften G r u n d besitz sichergestellt werden und ebenso noch ein dem Käufer v o m V e r käufer zu gewährendes Darlehen. Die Uebergabe und Auflassung des Grundstücks sollte am 1. März 1931 erfolgen. Bis zur Berichtigung der Gegenleistung blieb dem Verkäufer das „Eigentumsrecht des verkauften I m m o b i l e " vorbehalten. Für den Fall, daß der Käufer seinen „Zahlungsverpflichtungen" nicht nachkomme, war nach den W o r t e n des V e r trags der Verkäufer zum einseitigen R ü c k t r i t t von diesem Vertrage nach einmaliger Zahlungsaufforderung ohne weiteres berechtigt. A m 22. April 1931 forderte der Verkäufer E. den Käufer auf, die Auflassung gegen die Bestellung der Hypotheken entgegenzunehmen mit der Androhung, daß er nach Ablauf der gesetzten Frist vom Vertrage zurücktreten und Schadensersatz verlangen werde. Da die Frist ungenutzt verstrich, schrieb E. dem Kläger am 8. Juni 1931, er mache von dem ihm nach § 4 des Vertrags zustehenden Recht Gebrauch und trete von dem Vertrage zurück. D e r Käufer bestritt, im Verzug zu sein, da vor der Auflassung die Vermessung des Grundstücks erforderlich gewesen sei und da der V e r käufer seine vertraglich vereinbarte Vorleistungspflicht nicht erfüllt habe. In einem V o r p r o z e ß klagte der Käufer, der jetzige Kläger, gegen E. auf Auszahlung des Darlehns, Auflassung und Uebergabe des Grundstücks. Die Klage wurde in zwei Rechtszügen abgewiesen, und zwar von dem Oberlandesgericht aus dem Grunde, weil der die Grundlage der Klage bildende Kaufvertrag mangels genügender Bestimmtheit und Bestimmbarkeit des Kaufgegenstands nichtig sei. Das Berufungsurteil in jenem Rechtsstreit ist rechtskräftig geworden. Dem Beklagten war in diesem Rechtsstreit v o m Kläger der Streit verkündet worden; er ist jedoch dem Prozeß nicht beigetreten. In dem vorliegenden Rechtsstreit macht nunmehr der Kläger den Beklagten für den Schaden verantwortlich, der ihm aus der Nichtigkeit des von ihm beurkundeten Vertrags erwachsen ist. Er verlangt V e r u r teilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrags von 1121,67 R M . an den Landwirt E., ferner zur Befreiung von allen Ansprüchen der Gerichtskassen V . und C., die aus dem früheren Rechtsstreit gegen ihn, den Kläger, entstanden seien, und endlich zur Freihaltung von allen Ansprüchen seiner Prozeßbevollmächtigten aus jenem Rechtsstreit.

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Sdiuldredtt, Besonderer Teil

Der Beklagte hat die Nichtigkeit des Vertrags bestritten und in Abrede gestellt, daß ihm irgendein Verschulden bei der Beurkundung des Vertrags zur Last falle. Er hat ferner geltend gemacht, es fehle an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Nichtigkeit des Vertrags und dem entstandenen Schaden, da der Verkäufer E. mit Recht vom Vertrage zurückgetreten sei, der Kläger daher auch im Falle der Gültigkeit des Vertrags keinen Erfolg gehabt haben würde. Schließlich wendet er noch ein, der Kläger hätte auf andere Weise Ersatz erlangen können und habe es fahrlässig unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers den Beklagten klagegemäß verurteilt. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Gründe: Die Revision rügt Verletzung der §§ 249, 839 BGB. und wendet sich dagegen, daß der vom Kläger erhobene Schuldbefreiungsanspruch bei dem Berufungsgericht Anerkennung gefunden habe. Die Revision weist darauf hin, daß der Kläger nach den getroffenen Feststellungen vermögenslos sei und daß nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts in solchem Falle kein Schuldbefreiungsanspruch bestehe, da der Schuldner durch die übernommene Verpflichtung nicht beschwert werde. Der Berufungsrichter stellt in dem angefochtenen Urteil in der Tat fest, daß der Kläger im Augenblick vermögenslos sei und nur Anspruch auf eine Pension von 95 RM. (vermutlich im Monat) habe, die im Hinblick auf die geringe Höhe nicht gepfändet werden könne. Das schließt jedoch nach der Annahme des Berufungsgerichts nicht aus, daß der Kläger Vermögen erwerben könne, so daß eine Vollstreckung gegen ihn möglich werde. Jedenfalls sei die Belastung mit einer Forderung, die möglicherweise vollstreckt werden könne, eine Beschwerung des Klägers, die durch das Verhalten des Beklagten verursacht sei. Durch eine Verneinung der Freihaltungspflicht würden nach der Meinung des Berufungsrichters mit Treu und Glauben nicht zu vereinigende Vorteile für den unbestrittenermaßen in besserer Vermögenslage befindlichen Beklagten gegenüber dem Kläger erwachsen, der auf Grund des Verschuldens des Beklagten der Gefahr von Pfändungen — mögen sie auch zur Zeit fruchtlos sein — und der Durchführung des Offenbarungseidsverfahrens ausgesetzt bleibe. Die von dem Beklagten zu seinen Gunsten angezogene Entscheidung des erkennenden Senats vom 22. Dezember 1914 III 244/14 (abgedr. Gruch. Bd. 59 S. 910, WarnRspr. 1915 Nr. 75 und LZ. 1915 Sp. 998) erachtet das Berufungsgericht auf den vorliegenden Fall nicht für anwendbar und begründet diese Ansicht wie folgt: Das Reichsgericht hätte darüber zu entscheiden gehabt, ob bei einer Abtretung des Anspruchs

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auf Befreiung von einer Geldschuld an den Gläubiger dieser als Zessionar schlechthin vom Befreiungsschuldner Erfüllung fordern könne. Diese Frage sei vom Reichsgericht dahin entschieden worden, daß die Abtretung nicht zu einer Beschwerung des Schuldners, des Ersatzpflichtigen, führen könne und dürfe. Die unter anderen Voraussetzungen als im vorliegenden Fall auf eine Verhinderung der Beschwerung des Schuldners abzielenden Erwägungen des Reichsgerichts könnten auf den vorliegenden andersartigen Fall keine Anwendung finden, indem es sich hier nicht u m die unzulässige Beschwerung des Schuldners, sondern im Endergebnis darum handle, ob der mit Recht schadensersatzpflichtig gemachte Beklagte aus der Tatsache, daß sein Gläubiger zur Zeit vermögenslos sei, Gewinn ziehen könne. Diesen Ausführungen des Berufungsrichters kann nicht beigetreten werden. Zuzugeben ist lediglich, daß der von dem erkennenden Senat am 22. Dezember 1914 entschiedene Streitstoff insofern etwas anders lag, als dort der durch eine Amtspflichtverletzung Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch — nicht etwa nur, wie nadi den Ausführungen des angefochtenen Urteils angenommen werden könnte, seinen Anspruch auf Befreiung von einer Geldschuld — an seine Gläubigerin, eine Bankfirma, abgetreten hatte, während vorliegend eine solche Abtretung nicht in Frage kommt. Dieser Umstand war jedodi f ü r die damalige Entscheidung ohne ausschlaggebende Bedeutung. Der tragende Grundsatz des früheren U r teils liegt in dem Ausspruch: Wenn der Schaden in der Begründung einer Verpflichtung besteht, so erfolgt die Herstellung des Zustandes, wie er ohne das schädigende Ereignis bestanden hätte, regelmäßig durch die Befreiung von dieser Verpflichtung; aber die Befreiung von dieser Verpflichtung liegt dem Ersatzpflichtigen nur insoweit ob, als das Bestehen der Verbindlichkeit den damit Belasteten beschwert; nur um den Ersatz des Vermögensschadens handelt es sich in den §§ 249 flg. BGB. Aus diesen und den sich anschließenden Ausführungen des früheren Urteils ergibt sich der Rechtsgedanke, daß die Ersatzpflicht des Schädigers nicht weiter reicht, als tatsächlich ein Vermögensschaden für den mit der Verbindlichkeit Belasteten entstanden ist, und daß regelmäßig dieser Vermögensschaden nicht höher zu schätzen ist, als derjenige Betrag, den der Geschädigte a u s s e i n e n M i t t e l n zur Tilgung der Schuld, mit der er belastet worden ist, aufwenden könnte. Der Umstand, daß in dem früheren Falle der Ersatzberechtigte den Schadensersatzanspruch abgetreten hatte, spielte bei diesen Erwägungen und Erörterungen keine Rolle. Die Entscheidung wäre, auch wenn keine Abtretung stattgefunden hätte, keine andere gewesen. Das ergibt sich zweifelsfrei aus dem Satze, der dem von dem Berufungsgericht in seinen Entscheidungsgründen wörtlich wiedergegebenen Urteilsteile unmittelbar voransteht, und der wie folgt lautet: „Wie ohne die Abtretung der Dritte, der Schadensersatzpflichtige, regelmäßig nicht mehr zur Befreiung des Schuldners aufzuwenden haben wird, als dieser selbst aufzuwenden

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Schuldredit, Besonderer T e i l

in der Lage wäre, so bestimmt sich auch nach der Abtretung die Höhe des zu leistenden Ersatzes nach dem, was der Schuldner selbst hätte leisten können." Wenn der Berufungsrichter daran Anstoß nimmt, daß der mit Recht auf Leistung von Schadensersatz in Anspruch genommene Beklagte aus der Tatsache, daß sein Gläubiger zur Zeit vermögenslos sei, Gewinn ziehen könne, so ist bereits in der früheren Entscheidung auf das unbefriedigende Ergebnis einer gegenteiligen Rechtsprechung hingewiesen worden; denn die Anerkennung einer Befreiungspflicht des Beklagten brächte den Gläubigern des Klägers aus den früheren Rechtsstreiten den ungerechtfertigten Vorteil, daß ihnen nun an Stelle eines zahlungsunfähigen Schuldners ein leistungsfähiger Ersatzpflichtiger zugeführt würde. Wenn der Berufungsrichter schließlich nodi meint, es sei nicht ausgeschlossen, daß der Kläger später Vermögen erwerbe, so daß eine Vollstreckung Erfolg haben könne, so ist eine derartige entfernte und durch keinerlei Tatsachen unterstützte Möglichkeit wohl in keinem Falle unbedingt ausgeschlossen, es wäre daher für die frühere Senatsentscheidung überhaupt kein Raum. An dieser Entscheidung aber hat der Senat bis in die neueste Zeit festgehalten (vgl. Urt. vom 5. Oktober 1934 III 85/34). Es ist noch darauf hinzuweisen, daß sich auch der V. Zivilsenat des Reichsgerichts der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu dieser Frage angeschlossen hat (Urt. vom 25. April 1934 V 32/34 abgedr. SeuffArch. Bd. 88 N r . 154, H R R . 1934 N r . 1347 u. JW. 1934 S. 2394 N r . 1, und neuestens R G Z . Bd. 146 S. 360). Es handelt sich hierbei um einen mit dem vorliegenden Streitstoff fast völlig übereinstimmenden Tatbestand; eine Abtretung des Anspruchs hatte in diesem Falle gleichfalls nicht stattgefunden. Ein Abweichen von der früheren Rechtsprechung wäre daher ohne Anrufung der Vereinigten Zivilsenate nicht möglich. Hierzu ist aber kein Anlaß gegeben (vgl. auch R G U r t . vom 7. Januar 1933 V 385/32). Die Nichtbeachtung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen und wird dem Berufungsgericht Anlaß geben, die Höhe des etwaigen Vermögensschadens nach den Vermögens- und Erwerbsverhältnissen des mit der Verbindlichkeit belasteten Klägers zu schätzen. Dabei wird auch der Umstand zu berücksichtigen sein, daß der Kläger bei Abschluß des hier in Frage kommenden Kaufvertrags eine Bezahlung des Kaufpreises auch nicht zum kleinsten Teil übernommen, sich im Gegenteil noch die Gewährung eines Darlehns von dem Verkäufer ausbedungen hat. Ein Anlaß zu einer unterschiedlichen Behandlung der beiden Teile des Klageantrags besteht — entgegen der Meinung des Revisionsbeklagten — nicht, da sich auch der Antrag auf Verurteilung zur Zahlung an den Grundstücksverkäufer E. rechtlich als ein Schuldbefreiungsanspruch darstellt.

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Staats- und Beamtenhaftung

R G Z . 148, 251 Steht die Verfehlung eines (thüringischen) Grundbuchbeamten (Justizinspektors), der sich unter der Vorspiegelung, er sei für Hinterlegungssachen zuständig, zur Hinterlegung bestimmte Gelder aushändigen läßt und diese untersdblägt, im Zusammenhang mit seinem Amte? Gilt dies auch dann, wenn er die Unterschlagung von vornherein beabsichtigt hat? Weimarer Verfassung Art. 131. B G B . § 839. T h ü r . Ausführungsverordnung zum B G B . vom 16. Mai 1923 (Thür. GS. S. 287) § 55. T h ü r . Hinterlegungsordnung vom 16. Dezember 1924 (Thür. GS. S. 435) §§ 1 u. 2. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Weimar.

Urt. vom 23. Juli 1935. II. Oberlandesgericht

Jena.

D e r Kläger schuldete dem Kaufmann D. aus einer Aufwertungshypothek noch einen zum 31. Dezember 1933 gekündigten Restbetrag, der sich nach Meinung des Klägers auf 1900 R M . belief, über den dieser aber mit D . nicht hatte einig werden können. Der Kläger wollte das Geld vorzeitig schon Ende September 1933 zurückzahlen. U m sich in der Sache R a t zu holen, ging er zum (thüringischen) Grundbuchamt in G., bei dem damals der Justizinspektor Sch. als Rechtspfleger tätig war. Dieser bejahte die Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung und erklärte, er werde D . vorladen, dann könne alles erledigt werden. E r bestellte den Kläger dieserhalb auf den 30. September 1933. Der Kläger erschien denn auch an diesem Tage mit dem Gelde, während D . nicht kam. D e r Kläger behauptet, er habe deshalb die 1900 R M . hinterlegen wollen; Sch. habe ihm aber auf Befragen gesagt, die Hinterlegungsstelle sei bei ihm. Unstreitig hat der Kläger bei dieser Gelegenheit dem Sch. die 1900 R M . sowie weitere 28,50 R M . für fällige Hypothekenzinsen übergeben. Ueber beide Beträge hat der Kläger von Sch. auf einfachen Zetteln Quittungen erhalten, die mit „Sch., Justizinspektor" unterzeichnet waren. Sch. hat den Zinsbetrag von 28,50 R M . alsbald an D . abgeführt, die 1900 R M . aber unterschlagen. Der Kläger ist der Ansicht, daß Sch. das Geld in amtlicher Eigenschaft empfangen habe und daß das Land Thüringen deshalb für den Schaden einstehen müsse. Mit seiner Klage ist er in beiden Vorinstanzen durchgedrungen. Die Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg. Aus den

Gründen:

. . . Seine Ueberzeugung, daß Sch. die 1900 R M . in amtlidier Eigenschaft entgegengenommen hat, stützt das Berufungsgericht im einzelnen auf folgendes: Sch. habe den Kläger vor September 1933 überhaupt nicht gekannt, irgendein Anlaß für einen Gefälligkeitserweis habe also nidit vorgelegen.

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Aus dem Wortlaut der Quittung über die 1900 R M . — insbesondere der genauen Angabe von Band und Blattzahl der Grundakten und dem Ausdrucke: „hat hierher abgeführt" — sei der amtliche Charakter des Vorgangs ersichtlich. In einem anderen Unterschlagungsfall habe Sch. dem Geschädigten ebenfalls vorgetäusdit, daß er Gelder zur Hinterlegung annehmen könne. Sdi. habe damals dringenden Geldbedarf gehabt, um andere Fehlbeträge decken zu können. Er sei offenbar von vornherein darauf ausgegangen, die 1900 R M . zu unterschlagen. Das habe er am besten dadurch erreichen können, daß er den Beteiligten gegenüber alles in die Form von Dienstgeschäften kleidete. Den amtlichen Charakter der Q u i t t u n g über die 1900 R M . habe er dem Kläger um so eher vortäuschen können, als dieser nach seinem persönlichen Eindruck arglos, vertrauensselig und ziemlich ungewandt sei. Daher habe Sch. auf den Gebrauch amtlicher Vordrucke und des Dienstsiegels für die Quittungen verzichten und den Quittungen eine so vieldeutige Form geben können, die ihnen rein äußerlich den Anschein amtlicher Urkunden genommen und die Deutung auf ein reines Privatgeschäft zugelassen habe, dies alles aber in der Absicht, sich im Fall der Entdeckung dem Staat gegenüber darauf berufen zu können, nicht als Beamter gehandelt zu haben. Die gleiche T ä u s c h u n g . . . habe Sch. dem Kläger gegenüber angewandt, als dieser nach der Hinterlegungsstelle gefragt habe. Er habe damals die mehrdeutige Erklärung abgegeben, der Kläger brauche nicht erst zur Hinterlegungsstelle, er könne das Geld auch ihm geben. Sch. habe dabei richtig voraus berechnet, der Kläger werde das so auffassen, als könne er die 1900 R M statt bei der Hinterlegungsstelle auch bei Sch. hinterlegen. Der Kläger sei in der T a t dieser Auffassung gewesen und sei darin durch die vorgenannte Quittung noch bestärkt worden. Nach diesen Feststellungen sieht das Berufungsgericht ein amtliches Handeln des Sch. und damit die Grundlage für den erhobenen Staatshaftungsanspruch nach § 839 BGB., Art. 131 WeimVerf., § 55 T h ü r . AusfVo. vom 16. Mai 1923 als gegeben an. Die Revision rügt demgegenüber, es fehle an einer Feststellung, daß Sch. den für den Tatbestand des § 839 B G B . zu erfordernden Willen gehabt habe, das Geld in amtlicher Eigenschaft entgegenzunehmen.... Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Die von Sch. beabsichtigte Unterschlagung selbst kann naturgemäß keine Amtshandlung sein. Darauf kommt es hier jedoch nicht an, denn Sch. mußte sich, bevor er die beabsichtigte Unterschlagung verüben konnte, das Geld erst beschaffen. D a f ü r standen ihm nach Lage der Sache nur zwei Möglichkeiten offen. Entweder verschaffte er sidi das Geld, das er bei pflichtmäßiger Ausübung seines Amtes nie hätte erhalten können, im Wege des Mißbrauchs seiner Amtsstellung, oder er verschaffte es sich mittels des Angebots einer privaten Gefälligkeit. Wählte er den ersten Weg, so würde die Beziehung zu seinem Amt ebenso selbstverständlich gegeben sein, wie sein Wille offenkundig zutage getreten sein würde, dem Kläger als Amtsperson

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gegenüberzutreten. Dadurch, daß Sch. im letzten Endzweck selbstsüchtige und strafbare Absichten verfolgte, würde . . . weder dieser Wille noch die Beziehung zu seinem Amt ausgeschlossen sein. D a s ist in der Rechtsprechung des Reichsgerichts schon früher anerkannt ( R G Z . Bd. 104 S. 286 [289]) und auch bis in die jüngste Zeit festgehalten worden (RG.U r t . v o m 16. Januar 1935 V 278/34, abgedr. J W . 1935 S. 2041 N r . 4). Wählte Sch. dagegen den Weg über das Angebot einer privaten Gefälligkeit, dann allerdings wäre die Beziehung zu seinem Amt ausgeschlossen, und zwar selbst dann, wenn sich der Kläger den Sch. als Vermittler oder Beauftragten nur deshalb ausgesucht haben sollte, weil er ihm als einer beamteten Person besonderes Vertrauen entgegenbrachte. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht darauf abgestellt, ob Sch. in amtlicher Eigenschaft oder nur als Privatmann gehandelt hat. Seine Ueberzeugung von dem amtlichen Vorgehen des Sch. schöpft das Berufungsgericht aus dem Parteivorbringen und der Beweisaufnahme. Es handelt sich insoweit um eine tatrichterliche Beurteilung, die im Rechtszuge der Revision nur auf einen etwaigen Verstoß gegen die Grundsätze des Rechts und gegen die Denkgesetze nachgeprüft werden kann. In dieser Hinsicht läßt es sich aber nicht beanstanden, daß das Berufungsgericht aus den gegebenen Tatsachen entnommen hat, Sch. habe mit voller Absicht dem Kläger gegenüber sein Vorgehen in die Form des Dienstgeschäfts gekleidet und dies sei auch für den Kläger nidit anders erkennbar gewesen. Die von der Revision vermißte Feststellung der Willensrichtung des Sch. ist damit völlig klar getroffen worden. Dabei hat das Berufungsgericht weder den Begriff des Amtsgeschäfts verkannt, noch hat es außer acht gelassen, daß die hier maßgebende Q u i t t u n g über die 1900 R M . äußerlich nicht in der ordnungsmäßigen Amtsform ausgestellt war. Es hat dem aber entgegengestellt, daß der Wortlaut der Q u i t t u n g eine für amtliche Erklärungen kennzeichnende Fassung besitzt, die von Sch. eigens beabsichtigt war und den Kläger in seiner Ueberzeugung von der Amtlichkeit des Vorgangs bestärkte. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts sind von Rechtsirrtum frei und stehen auch nicht im Widerspruch mit seiner Ansicht, daß die Quittung von einem in den näheren Sachverhalt nicht Eingeweihten immerhin auch als privates Empfangsbekenntnis aufgefaßt werden kann. . . . Die Revision macht weiter den Einwurf, daß der innere Zusammenhang der Verfehlung des Sch. mit seinem Amt auch um deswillen nicht gegeben sei, weil die Entgegennahme fremder Gelder der Tätigkeit eines Grundbuchführers völlig wesensfremd sei. Dieser Angriff der Revision geht darauf hinaus, daß es vorliegendenfalls nicht bei einer bloßen Zuständigkeitsüberschreitung bewende, sondern daß das T u n des Sch. gänzlich außerhalb seines Amtsbereichs gelegen habe. Die damit aufgeworfene Frage, ob eine gewisse Tätigkeit in den amtlichen Wirkungskreis des Beamten fällt, ist lediglich nach den maßgebenden thüringischen Landesgesetzen zu entscheiden (Urt. des erkennenden Senats vom 13. Februar

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1931 III 138/30, abgedr. J W . 1931 S. 1768 Nr. 1 und H R R . 1931 N r . 1365). Die Frage unterliegt nach § 549 Abs. 1 ZPO. in der Fassung des Gesetzes vom 27. Oktober 1933 der Nachprüfung durch das Revisionsgericht ( R G Z . Bd. 146 S. 198). Grundbuchamt und Hinterlegungsstelle waren Einrichtungen des einheitlichen Amtsgerichts G. (§ 1 der Thür. Hinterlegungsordnung vom 16. Dezember 1924). D a die Hinterlegungsstelle in der Regel von Justizobersekretären verwaltet werden soll (§ 2 a. a. O.), gehörte Sch. als Justizinspektor zu derjenigen Gruppe der amtsgerichtlichen Beamten, die an sich die Eignung für die Wahrnehmung von Hinterlegungsgeschäften besaßen. Daß er durch die damalige Geschäftsverteilung zufällig dem G r u n d b u d i a m t und nicht oder nicht gleichzeitig der Hinterlegungsstelle zugeteilt war, liegt in einer Anordnung der Justizverwaltung über die Verteilung der Geschäfte begründet, beruht also auf einer Regelung der Zuständigkeit, nicht aber auf einem Hindernis in der Behördenordnung selbst. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht angenommen, daß Sch. zur Entgegennahme der 1900 R M . zwar an sich nicht zuständig war, daß er aber eine Zuständigkeitsüberschreitung gewöhnlicher Art begangen hat, wobei nach der ständigen Rechtsprechung des Reichgerichts (RGZ. Bd. 140 S. 428 m. Nachw.) der innere Zusammenhang mit seinem Amte nicht wegfällt. Wenn im weiteren das Berufungsgericht die sdiadenstiftende Handlung des Sch. darin erblickt, daß er das in amtlicher Eigenschaft empfangene Geld später unterschlagen habe, so ist diese Betrachtungsweise allerdings zu eng. Denn schon in der Erteilung der falsdien Auskunft über seine Zuständigkeit hätte das Berufungsgericht die schadenstiftende Handlung erblicken dürfen ( R G U r t . vom 18. September 1930 VI 811/29, abgedr. WarnRspr. 1930 N r . 191), da der hierdurch irregeführte Kläger durch die Einzahlung des Geldes an unzuständiger Stelle keinen hinterlegungsmäßigen Anspruch auf Rückzahlung des Geldes gegen den Staat erworben hatte. Gleichwohl reichen die obigen Ausführungen des Berufungsgerichts aus, u m die H a f t u n g des Staats nach Art. 131 WeimVerf. schlüssig zu begründen. . . . R G Z . 148, 321 1 3. Zur Belehrungspflicht des Notars. B G B . § 839. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 10. September 1935.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil".

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R G Z . 148, 375 1. Haftet der Preußische Staat, wenn durch Fahrlässigkeit eines Katasterbeamten bei Fortsdireibung der Gebäudesteuerrolle unrichtige Bestandsangaben in das Grundbuch gelangt sind und infolgedessen jemand, der im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben das Grundstück beleiht, zu Schaden kommt? 2. Wieweit wird in solchem Falle die Haftung des Preußischen Staates durch Vermerke auf den Auszügen aus der Gebäudesteuerrolle ausgeschlossen? WeimVerf. Art. 131*). B G B . § 839. Preuß. Staatshaftungsgesetz vom 1. August 1909 (GS. S. 691) § 1**). III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Lüneburg.

U r t . v. 4. O k t o b e r 1935. I I . Oberlandesgericht Celle.

Im Februar 1931 gewährte der Kläger dem Maurermeister K. in N. ein Darlehen von 4 0 0 0 G M . Zur Sicherung dieses Darlehns wurde für den Kläger auf dem im Grundbuch von N . Bd. 9 Bl. 282 verzeichneten Grundbesitz des Schuldners eine H y p o t h e k eingetragen, der Hypotheken zum Gesamtbetrage von 12 0 0 0 G M . vorgingen. D e r belastete Grundbesitz war im Grundbuch als Abbauerstelle N r . 74 bezeichnet; der Gebäudesteuernutzungswert war dort mit 840 M. angegeben. Die in monatlichen Teilbeträgen zu zahlenden Zinsen von 10 % jährlich wurden bereits am 1. Juni 1931 nicht mehr entrichtet. Daraufhin betrieb der Kläger die Zwangsversteigerung des beliehenen Grundbesitzes und erstand ihn selbst. Durch Beschluß vom 23. Dezember 1931 wurde er ihm gegen Zahlung eines Barbetrags von 8400 R M . und Uebernahme einer H y p o thek von 5 0 0 0 GM. zugeschlagen. Das v o m Kläger beliehene und später erstandene Grundstück war, wie er erst nach Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses erfahren haben will, in Wirklichkeit nicht mit einem W o h n haus bebaut. Ein solches stand vielmehr auf dem benachbarten, ebenfalls dem K. gehörenden Grundbesitz, der im Grundbuch von N. Bd. 7 Bl. 223 eingetragen war. Die Bezeichnung des Grundbesitzes in Bd. 9 Bl. 282 als einer der Gebäudesteuer unterliegenden Abbauerstelle war unrichtig; sie wurde denn auch später in „Garten und Weide" berichtigt. D e r Kläger konnte den von ihm erworbenen Grundbesitz nicht halten, so daß dieser wiederum versteigert wurde, wobei sich nur ein Bargebot von 3000 R M . ergab. *)

Vgl. jetzt Art. 34 des Bonner Grundges.

* * ) Vgl. auch über die Einführung des Reichskatasters als amtl. Grundstücksverzeichnis: V O . v. 23. J a n u a r 1940 — R G B l . I S. 2 4 0 ; über die Zurüdkführung des Grundbuchs auf das Reidiskataster: A V . v. 20. J a n u a r 1940 (D. J . S. 212); über die Erhaltung der Uebereinstimmung zwischen Grundbuch und Reichskataster: A V . v. 20. J a n u a r 1940 ( D . J . S. 214).

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Der Kläger nimmt den verklagten Preußischen Staat auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihm durch die Hingabe des Darlehns und durch den Erwerb und die Wiederversteigerung des beliehenen Grundbesitzes erwachsen sei. Er behauptet, er habe das Geld an K. nur geliehen im Vertrauen auf die Richtigkeit des ihm bei den Verhandlungen über die Darlehnshingabe vorgelegten Grundbuchauszuges. Nach den darin über Wirtschaftsart und Gebäudesteuernutzungswert gemachten Angaben habe er geglaubt, ein Wohngrundstück zu beleihen, sei auch dieses Glaubens noch gewesen, als er sich zur Rettung seines Geldes genötigt gesehen habe, das Grundstück in der Zwangsversteigerung zu erwerben. Unbebaut sei das Grundstück dagegen nur von ganz geringem Wert gewesen. Die unrichtigen Angaben seien in das Grundbuch infolge schuldhaften Verhaltens des zuständigen Katasterbeamten gelangt. Dieser habe bei der Fortschreibung der Gebäudesteuerrolle die nebeneinander liegenden Grundstücke verwechselt und infolgedessen dem Grundbudiamt unzutreffende Bestandsangaben gemacht. Damit habe er seine ihm auch dem Kläger gegenüber obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt. Von dem Schuldner K., dem auch sein Bd. 7 Bl. 223 eingetragener Grundbesitz zwangsweise versteigert worden sei, will der Kläger keinen Ersatz seines Schadens erlangen können. Er fordert deshalb mit der Klage vom Beklagten zunächst Zahlung eines Teilbetrags von 2000 RM. nebst Zinsen. Der Beklagte bestreitet den Klagansprudi nach Grund und Höhe mit folgenden Ausführungen: Der Katasterbeamte habe bei der Fortschreibung der Gebäudesteuerrolle keine Amtspflicht dem Kläger gegenüber zu erfüllen gehabt. Denn die Gebäudesteuerrolle werde nur im öffentlichen, steuerlichen Interesse weitergeführt. Der Katasterbeamte habe aber auch nicht fahrlässig gehandelt, sondern sich durchaus an die für ihn bestehenden Vorschriften gehalten. Für die Richtigkeit der Angaben über die Grundstücksbeschaffenheit, auf die sich der öffentliche Glaube des Grundbuchs nicht erstrecke, sei lediglich der Grundstückseigentümer verantwortlich, welcher der Katasterverwaltung die Unterlagen für die Fortschreibung zu verschaffen habe. Zur Neueinmessung oder auch nur zur Besichtigung von Grundstücken, auf denen Gebäude neu errichtet würden, sei das Katasteramt nicht verpflichtet. Darauf weise ausdrücklich ein Vermerk hin, der sich auf der Vorderseite der amtlichen Gebäudesteuerrollenauszüge befinde. Einen solchen Auszug habe auch der Kläger erhalten, ehe er die Zwangsversteigerung des von ihm beliehenen Grundbesitzes beantragt habe. Schon dadurch sei der Staat gegen Ersatzansprüche geschützt, wie sie hier vom Kläger erhoben würden. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dessen Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.

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Aus den G r ü n d e n : Die im Grundbuch von N. Bd. 9 Bl. 282 unter I (Verzeichnis der Grundstücke) in Spalte 7 (Wirtschaftsart und Lage) enthaltene Angabe: „Abbauerstelle Nr. 74" und ferner die daselbst in Spalte 10 enthaltene Angabe eines Gebäudesteuernutzungswertes von 840 M. waren, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, unrichtig. Sie beruhten auf der Annahme, daß sich auf dem Grundstück ein Wohnhaus befände. Diese Annahme traf jedoch nicht zu. Mit einem Wohnhaus bebaut war vielmehr der benachbarte, im Grundbuch von N. Bd. 7 Bl. 223 eingetragene Grundbesitz. Das Grundbuchamt hat die unzutreffende Bestandsangabe im Jahre 1911 in das Grundbuch Bd. 9 Bl. 282 nach dem ihm vom Katasteramt in H. übersandten Gebäudesteuerrollenanhang eingetragen. Für den Irrtum verantwortlich gemadit werden können also nicht Beamte des Grundbuchamts (Amtsgerichts), sondern nur die des Katasteramts. Diese erachtet auch das Berufungsgericht einer fahrlässigen Amtspflichtverletzung für schuldig. . . . Bei der rechtlichen Beurteilung ist das Berufungsgericht mit Recht davon ausgegangen, daß sich die Pflichten der Katasterbeamten bei der Fortschreibung der Gebäudesteuerrollen nicht beschränken auf die Zusammenstellung und Weitergabe der ihnen von anderen amtlichen Stellen (Gemeindevorstand, Baupolizeibehörde) oder von den Grundstückseigentümern zukommenden Nachrichten, sondern daß sie diese Nachrichten, soweit möglich, selbständig nachzuprüfen haben. Eine eingehende Prüfung der zurückempfangenen Gebäudebeschreibungen macht § 25 N r . 1 der für die preußischen Katasterämter maßgebenden Anweisung III f ü r das Verfahren bei der Fortschreibung der Gebäudesteuerrollen vom 21. Februar 1896 dem Katasterdirektor ausdrücklich zur Pflicht. Ebenso ergibt sich aber auch ohne besondere Vorschrift aus der Wichtigkeit der Gebäudebeschreibungen, auf deren Grundlage die Gebäudesteuerrollen berichtigt werden (§ 40 der Anweisung III), daß das Katasteramt bei der ihm nach § 23 Nr. 2 der Anweisung III obliegenden Ausfüllung der Beschreibungen sorgfältig verfahren muß und darin nur Angaben aufnehmen darf, die es nach gewissenhafter Prüfung der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen als zutreffend ansehen kann. Daß diese Tätigkeit des Katasteramtes nur vorbereitender N a t u r sei, wie die Revision meint, kann nicht als riditig anerkannt werden. Aber auch wenn sie es wäre, hätten die Katasterbeamten dafür einzustehen und könnten nicht etwa jede Verantwortung auf den Grundstückseigentümer abschieben. Neben dessen Verpflichtung, dem Katasteramt Grundstücksveränderungen anzuzeigen (§ 16 des Preuß. Gebäudesteuergesetzes vom 21. Mai 1861, GS. S. 317; § 2 N r . 1 der Anweisung III), besteht eine selbständige Prüfungspflicht der Behörde. Die Revision macht denn auch hauptsächlich geltend, daß die Amtspflichten der Katasterbeamten bei der Fortschreibung der Gebäudesteuer-

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rollen keine Amtspflichten D r i t t e n gegenüber seien, insbesondere keine, die sie gegenüber den später am G r u n d b u c h v e r k e h r beteiligten Personen zu erfüllen hätten. D e r Kläger k ö n n e deshalb, selbst wenn im vorliegenden Fall dem Katasterbeamten ein V o r w u r f zu machen sei, keine A n sprüche aus Art. 131 WeimVerf. in Verbindung mit § 1 des preuß. Staatshaftungsgesetzes v o m 1. August 1909 und § 839 BGB. erheben. D e m kann nidit beigepflichtet w e r d e n ; vielmehr ist die gegenteilige A u f fassung des Berufungsgerichts richtig, die es folgendermaßen begründet h a t : Nach § 2 Abs. 2 GBO. in Verbindung mit A r t . 2 der V e r o r d n u n g betr. das Grundbuchwesen v o m 13. N o v e m b e r 1899 (GS. S. 519) erfolge die Bezeichnung der Grundstücke in den Grundbüchern nach den G r u n d u n d Gebäudesteuerbüchern, deren F ü h r u n g den Katasterämtern obliege. Die Grundsteuerkataster bildeten somit die Grundlage f ü r die dem Rechtsverkehr dienenden Eintragungen in das Grundbuch, woraus folge, d a ß die mit F ü h r u n g der Grundsteuerkataster betrauten Beamten die Pflicht hätten, dem G r u n d b u c h a m t wahrheitsgemäße Mitteilungen zu machen. Zwar sei das Verfahren bei den Katasterämtern in erster Reihe auf die steuerlichen Belange abgestellt. Indessen sollten die Amtshandlungen der Katasterämter doch zugleich auch die Grundlage f ü r den grundbuchmäßigen Verkehr schaffen. Deshalb sei D r i t t e r im Sinne der genannten Haftungsvorschriften jeder an diesem Rechtsverkehr Beteiligte, in dessen Rechtskreis zu irgendeiner Zeit oder in irgendeiner A r t infolge der schuldhaften A m t s h a n d l u n g eingegriffen werde. Das t r e f f e auf den Kläger zu. Auch ihm gegenüber habe demnach das Katasteramt bei Fortschreibung der Gebäudesteuerrolle im Jahre 1909 seine Amtspflicht verletzt. Diese Darlegungen des Berufungsgerichts stehen durchaus im Einklang mit dem v o n ihm a n g e f ü h r t e n Urteil des erkennenden Senats vom 5. Oktober 1920 III 213/20, abgedr. R G Z . Bd. 100 S. 102. D o r t ist ebenfalls entscheidendes Gewicht darauf gelegt worden, daß das G r u n d steuerkataster die Grundlage f ü r die dem Rechtsverkehr dienenden Eintragungen in das Grundbuch bildet. Daraus wurde dann die Folgerung gezogen, daß jedenfalls die Verpflichtung, dem Grundbuchamt wahrheitsgemäße Mitteilungen zu machen u n d I r r t ü m e r nach Entdeckung alsbald zu beriditigen, als eine den Katasterbeamten auch gegenüber den am Grundstücksverkehr beteiligten Personen obliegende Amtspflicht angesehen werden muß. Diese Wiedergabe der H a u p t s ä t z e des f r ü h e r e n U r teils zeigt schon, daß die Ansicht der Revision unrichtig ist, der erkennende Senat habe seinerzeit n u r Stellung genommen zu dem damals vorliegenden Sonderfall; Unterlassung der Berichtigung irrtümlicher an das G r u n d b u c h a m t gerichteter Mitteilungen t r o t z Entdeckung des I r r tums. Ausdrücklich ist in jenem Urteil als eine Amtspflicht der Katasterbeamten gegenüber den am G r u n d b u c h v e r k e h r beteiligten Personen ihre Pflicht bezeichnet worden, dem G r u n d b u c h a m t wahre Mitteilungen zu

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m a c h e n . G e r a d e diese Pflicht ist aber i m v o r l i e g e n d e n Fall v e r l e t z t u n d der K l ä g e r d a d u r c h geschädigt w o r d e n . D i e g r u n d s ä t z l i c h e n E i n w e n d u n g e n der R e v i s i o n gegen d a s g e n a n n t e f r ü h e r e U r t e i l des e r k e n n e n d e n Senats u n d d a m i t gegen das j e t z i g e B e r u f u n g s u r t e i l s t ü t z e n sich d a r a u f , d a ß die K a t a s t e r a n w e i s u n g e n n u r A u s f ü h r u n g s a n w e i s u n g e n z u d e n G r u n d - u n d G e b ä u d e s t e u e r g e s e t z e n seien. D i e s e G e s e t z e h ä t t e n m i t d e m G r u n d b u c h w e s e n nichts z u t u n . E b e n s o wie sie, dienten d e s h a l b auch die K a t a s t e r a n w e i s u n g e n n u r steuerlichen Z w e c k e n . M i t h i n seien diese A n w e i s u n g e n , w e n n nicht ü b e r h a u p t rein innerdienstlicher N a t u r , so doch jedenfalls n u r d a z u b e s t i m m t , ö f f e n t liche, steuerliche B e l a n g e z u w a h r e n . H i e r a n h a b e sich auch nichts d a durch g e ä n d e r t , d a ß d a s G r u n d b u c h a n g e l e g t u n d a u f das K a t a s t e r z u r ü c k g e f ü h r t w o r d e n sei, z u m a l ja d a n n die A n w e i s u n g e n in den T e i l e n Preußens, in d e n e n das G r u n d b u c h bereits a n g e l e g t w o r d e n sei, eine a n d e r e B e d e u t u n g g e h a b t h ä t t e n , als d o r t , w o das G r u n d b u c h noch nicht f e r t i g g e s t e l l t gewesen sei. D i e s e A u s f ü h r u n g e n v e r k e n n e n die T r a g w e i t e d e r A n l e g u n g des G r u n d b u c h s u n d seiner V e r b i n d u n g m i t d e m K a t a s t e r . A u c h dessen W e s e n ist d a d u r c h einschneidend g e ä n d e r t w o r d e n . D a s K a t a s t e r b i l d e t seitdem die G r u n d l a g e nicht bloß f ü r die E r h e b u n g d e r G r u n d u n d G e b ä u d e s t e u e r , s o n d e r n zugleich auch f ü r den G r u n d b u c h v e r k e h r . E s liegt in d e r N a t u r d e r D i n g e b e g r ü n d e t , daß die so a u ß e r o r d e n t l i c h wichtige V e r b i n d u n g des K a t a s t e r a m t s m i t d e m G r u n d b u c h die A m t s pflichten d e r K a t a s t e r b e a m t e n nicht u n b e r ü h r t gelassen h a t . D i e W i r k u n g ihres a m t l i c h e n H a n d e l n s erstreckt sich n u n m e h r a u f ein neues weites G e b i e t . Sie g r e i f t i n f o l g e d e s s e n in die B e l a n g e v o n P e r s o n e n ein, f ü r die das K a t a s t e r , s o l a n g e es lediglich der S t e u e r e r h e b u n g d i e n t e , k e i n e B e d e u t u n g g e w i n n e n k o n n t e . D a r a u s e r g i b t sich m i t N o t w e n d i g k e i t , d a ß A m t s p f l i c h t e n der K a t a s t e r b e a m t e n auch den P e r s o n e n g e g e n ü b e r bestehen, die m i t d e m K a t a s t e r nicht in seiner u r s p r ü n g l i c h e n , rein steuerlichen B e d e u t u n g , s o n d e r n auf d e m U m w e g ü b e r das G r u n d b u c h in B e rührung kommen. I h n e n dient die K a t a s t e r e i n r i c h t u n g j e t z t e b e n f a l l s , u n d das w i r k t z u r ü c k a u f die A m t s p f l i c h t e n der K a t a s t e r b e a m t e n . J e d e E r w e i t e r u n g u n d V e r s t ä r k u n g staatlicher T ä t i g k e i t s c h a f f t n e u e A m t s pflichten d e r B e a m t e n g e g e n ü b e r den V o l k s g e n o s s e n . E i n e n S o n d e r f a l l dieser allgemeinen E r s c h e i n u n g bildet die der V e r v o l l k o m m n u n g des Grundbuchwesens dienende Verbindung von Grundbuch und Kataster. D a m i t hat die T ä t i g k e i t d e r K a t a s t e r b e a m t e n eine wesentlich e r h ö h t e B e d e u t u n g g e w o n n e n , d e r e r w e i t e r t e A m t s p f l i c h t e n entsprechen. D a ß in den T e i l e n Preußens, in d e n e n das G r u n d b u c h erst noch eingerichtet w e r d e n m u ß t e , d a s K a t a s t e r zunächst seine alte, ausschließlich steuerliche B e d e u t u n g behielt, ist z w a r richtig, beweist aber nichts f ü r d e n S t a n d p u n k t der R e v i s i o n . D i e gebietsweise E i n f ü h r u n g einer rechtlichen N e u e r u n g f ü h r t stets z u R e c h t s v e r s c h i e d e n h e i t e n in den verschiedenen Landesteilen.

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Der zuständige Katasterbeamte hat demnach dadurch, daß er zum Grundbuch von N. Bd. 9 Bl. 282 unrichtige Bestandsangaben mitteilte, seine Amtspflicht allen denen gegenüber verletzt, für deren Rechtslage die so in das Grundbuch gelangten falschen Angaben bedeutsam wurden. Zu ihnen gehört auch der Kläger. . . . Die Auszüge aus der Gebäudesteuerrolle tragen auf der Vorderseite einen Vermerk, dessen Nr. 5 folgendermaßen lautet: Daß die in diesem Auszuge nachgewiesenen Gebäude tatsächlich ganz oder zum Teil auf den bezeichneten Parzellen stehen, beruht nicht auf örtlicher Feststellung der Katasterverwaltung. Einen solchen Auszug hat auch der Kläger oder sein Vertreter erhalten, che er die Zwangsversteigerung des von ihm beliehenen Grundstücks beantragte. Der Beklagte meint, er sei damit gegen Schadensersatzansprüche des Klägers aus der unrichtigen Angabe der Gebäudelage geschützt. Dieser Einwand steht der Klage insoweit überhaupt nicht entgegen, als der Kläger Schadensersatz wegen Hingabe des Hypothekendarlehns von 4000 RM. verlangt. Aber auch dem aus der Ersteigerung des Grundstücks hergeleiteten Schadensersatzanspruch gegenüber ist er unbegründet. Nicht zugestimmt werden kann allerdings dem Auspruch des Berufungsgerichts, der fragliche Vermerk auf den Auszügen aus der Gebäudesteuerrolle bedeute den unzulässigen Versuch, gesetzlichen Bestimmungen zuwider durdi eine Verwaltungsverfügung die staatliche Haftung auszuschließen. Denn die gesetzlichen Haftungsvorschriften werden durch den Vermerk nicht berührt, sondern es wird nur der Umfang der Amtspflichten der Katasterbeamten dahin klargestellt, daß sie bei der Fortschreibung der Gebäudesteuerrollen zu eigenen örtlichen Feststellungen über die Gebäudelage nicht verpflichtet sind. Indessen wird dadurch, wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang bei der Erörterung etwaigen Mitverschuldens des Klägers zutreffend ausgesprochen hat, die Verpflichtung der Katasterbeamten nicht berührt, die Lage der Gebäude auch ohne Messung sorgfältig zu prüfen. Daran aber hat es der verantwortliche Katasterbeamte im vorliegenden Falle fehlen lassen. Ihm wird nidit die Unterlassung eigener örtlidier Besichtigung und eigener Messungen auf dem Grundstück zur Last gelegt. Der mit Recht gegen ihn erhobene Vorwurf geht vielmehr dahin, daß er die ihm zur Verfügung stehenden zeichnerischen und sonstigen schriftlichen Unterlagen, die zudem durch widersprechende Angaben über die Person des Eigentümers zu besonderen Zweifeln Anlaß gaben, nicht mit der gebotenen Sorgfalt verwertet hat. Auf diesen Teil der Amtstätigkeit der Katasterbeamten kann der fragliche Vermerk nicht bezogen werden. Sind insoweit die Angriffe der Revision unbegründet, so ist ihr doch darin beizupflichten, daß die Ausführungen des Berufungsurteils über Inhalt und Umfang des Schadens, der dem Kläger durch die Amtspflichtverletzung des Katasterbeamten erwachsen ist, rechtlich nicht genügen . . .

Staats- und Beamtenhaftung

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(Folgen Ausführungen, welche die Aufhebung des Berufungsurteils begründen.) RGZ. 149, 83 1. Welche rechtliche Bedeutung hat das in $ 7 des preußischen Staatshaftungsgesetzes vom 1. August 1909 (GS. S. 691) für die Staatshaftung gegenüber Ausländern aufgestellte Erfordernis, daß die Verbürgung der Gegenseitigkeit vom Staatsministerium in der Preußischen Gesetzsammlung bckanntgemacht sein muß?*) 2. Ist dieses Erfordernis gegenüber türkischen Staatsangehörigen durch Art. 1 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen vom 28. Mai 1929 (RGBl. 1930 II S. 7) beseitigt worden? 3. Zur allgemeinen Bedeutung der sog. Rechtssdiutzklausel in zwischenstaatlichen Vertragen. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 17. September 1935.

I. Landgericht Berlin. II. Kammergericht daselbst.

Aus den G r ü n d e n : Nach § 6 der Verordnung über die Haftung des Reichs für die Justizbeamten vom 3. Mai 1935 (RGBl. I S. 587) bestimmen sich die Rechtsfolgen von Amtspfliditverletzungen, die von Justizbeamten vor dem 1. April 1935 begangen worden sind, nach den bisherigen Vorschriften mit der Maßgabe, daß von diesem Zeitpunkt an das Reich an die Stelle des Landes tritt. Da im vorliegenden Fall die von der Klägerin einem preußischen Gerichtsvollzieher zum Vorwurf gemachte Amtspflichtverletzung vor dem 1. April 1935 begangen sein würde, bestimmt sich die Haftung des Reichs dafür, da der Inhaber der Klägerin unbestritten die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, nadi wie vor nach § 7 des preußischen Staatshaftungsgesetzes vom 1. August 1909, einer Vorschrift, die nach der ständigen Rechtsprechung des Reichgerichts als eine Art vorweggenommener Ausführungsgesetzgebung zu Art. 131 Weim.Verf. in Geltung geblieben ist (RGZ. Bd. 128 S. 238). Hiernach steht den Angehörigen eines ausländischen Staates ein Ersatzanspruch von der Art, wie ihn die Klägerin geltend macht, gegen das Reich nur insoweit zu, als nach einer in der Preußischen Gesetzsammlung enthaltenen Bekanntmachung des Staatsministeriums durch die Gesetzgebung des Heimatstaates des Ausländers oder durch Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Eine solche Bekanntmachung ist für die Türkei nicht ergangen. Das Berufungsgericht hat schon wegen des Fehlens dieser Bekanntmachung den Ersatzanspruch der Klägerin nicht f ü r begründet erachtet, ohne in *) Vgl. jetzt § 1 der VO. v. 3. Mai 1935 — RGBl. I S. 587 — i. Verb. m. § 7 des Reichsges. v. 22. Mai 1910 — RGBl. S. 798.

Zivils. SctiuMrecht lt

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Schuldredit, Besonderer T e i l

eine sachliche Nachprüfung darüber einzutreten, ob durch die Gesetzgebung der Türkei oder durch Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt ist oder nicht. Die Revision hält das für rechtsirrig. Sie führt aus, die Bekanntmachung sei, wenn auch das Gesetz sie als Regel vorschreibe, doch keine Voraussetzung der Klage gegen das Reich. Der Anspruch müsse vielmehr auch dann zuerkannt werden, wenn unabhängig von einer Bekanntmachung die Gesetzgebung des ausländischen Staates tatsächlich die Gegenseitigkeit verbürge. Die bloße Verlautbarung in der Gesetzsammlung könne die wirkliche Rechtslage nicht ändern, aber den Anspruch des ausländischen Staatsangehörigen auch nicht erst schaffen. Dieser Anspruch habe vielmehr schon vorher bestanden. Das Berufungsgericht habe daher auf Grund der türkisdien Gesetzgebung sachlich prüfen müssen, ob die Gegenseitigkeit verbürgt sei oder nicht. Die R ü g e greift nicht durch. Selbst wenn man der Revision darin folgen wollte, daß der Bekanntmachung keine sachlich-rechtliche Bedeutung für die Entstehung des Ersatzanspruches zukomme, so müßte ihr doch mindestens verfahrensrechtliche Bedeutung für die Geltendmachung des Anspruchs insofern zugesprochen werden, als sich ihr Fehlen als ein Hindernis für die Durchführung des Anspruchs darstellt ( R G Z . a. a. O. S. 241), das den Richter der Pflicht überhebt, die Frage der Verbürgung der Gegenseitigkeit seinerseits nachzuprüfen, und das zur Abweisung der Klage führen muß. Die Revision hat nun aber in der mündlichen Verhandlung noch weiter ausgeführt: Die Rechtslage sei jedenfalls f ü r die Angehörigen der Türkischen Republik eine besondere. Denn durch Art. 1 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen vom 28. Mai 1929 (vgl. Gesetz vom 3. Januar 1930 R G B l . II S. 6 und Ratifikationsbekanntmachung vom 20. August 1931 R G B l . II S.'539) genössen die türkischen Staatsangehörigen im Gebiet des Deutschen Reidies „in allem, was den gesetzlichen und gerichtlichen Schutz ihrer Person und ihres Vermögens angeht", die gleiche Behandlung wie die Inländer wie umgekehrt ebenso die deutschen Reichsangehörigen im Gebiet der Türkei. Daraus ergebe sich, daß die türkischen Staatsangehörigen auch hinsichtlich der Schadensersatzansprüche gegen den Staat im Deutschen Reich wie die Inländer behandelt werden müßten. Jedenfalls aber müsse das insofern anerkannt werden, als der Geltendmachung solcher Ansprüche durch türkische Staatsangehörige im Deutschen Reich keine anderen und weitergehenden Verfahrenshindernisse bereitet werden dürften als den Inländern. Das Fehlen der im § 7 des preußischen Staatshaftungsgesetzes vorgesehenen Bekanntmachung des Staatsministeriums könne daher auf Grund des erwähnten, im Reichsgesetzblatt veröffentlichten Staatsvertrags die Gerichte nicht daran hindern, die sachlichen Voraussetzungen für die Entstehung des Ersatzanspruchs der Klägerin, also auch die Frage der Verbürgung der Gegenseitigkeit, selbständig nachzuprüfen. Auch mit

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Staats- und Beanucnhaftung

diesen Ausführungen kann die Revision nicht durchdringen, weil sie die Bedeutung und Tragweite des Art. 1 des in Rede stehenden Staatsvertrags verkennt. 1. Soweit sie geltend macht, daß danach im Gebiete des Deutschen Reichs die türkischen Staatsangehörigen auch hinsichtlich der Schadensersatzansprüche gegen den Staat aus Amtspflichtverletzungen von Beamten wie die Inländer behandelt werden müßten, will sie offenbar sagen: Durch Art. 1 des Staatsvertrags werde die nach § 7 des preußischen Staatshaftungsgesetzes erforderliche Gegenseitigkeit bereits gewährleistet. Die Vertragsbestimmung enthalte hiernach gegenüber diesem § 7 eine reichsrechtliche Sonderregelung im Verhältnis zu den türkisdien Staatsangehörigen, die insoweit die Geltung der landesrechtlidien Vorschrift des § 7 ausschließe, so daß es der dort vorgesehenen Bekanntmachung im Verhältnis zur Türkei nicht mehr bedürfe. Diese Ansicht der Revision ist schon deswegen rechtsirrig, weil die gleiche Behandlung wie die Inländer nur die förmliche Gegenseitigkeit in dem Sinne gewährleisten soll, daß jeweils in eine und demselben Staatsgebiet, d. h. in dem Gebiet des einen Vertragsteils, der Ausländer nicht schlechter zu stellen sei, wie der Inländer dort gestellt ist, nicht aber eine sachliche Gegenseitigkeit derart, daß die beiderseitigen Staatsangehörigen in jedem der beiden Staatsgebiete sachlich wirklich gleichgestellt sind, wie das § 7 des preußischen Staatshaftungsgesetzes unter dem Erfordernis der „Verbürgung der Gegenseitigkeit" zweifellos verlangt. Die Revision übersieht aber ferner, daß die Vertragsbestimmung überhaupt keine Regelung der sachlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Anspruchsentstehung zugunsten der beiderseitigen Staatsangehörigen getroffen hat. Es handelt sich vielmehr um die in vielen zwischenstaatlichen Verträgen in verschiedenen, mehr oder minder voneinander abweichenden Fassungen wiederkehrende sog. Rechtsschutzklausel. Sie bedeutet für den Regelfall nichts weiter, als daß den beiderseitigen Staatsangehörigen die Befugnis gewährleistet wird, in Angelegenheiten der Person und des Vermögens den Schutz der einheimischen Gerichte ebenso in Anspruch zu nehmen, wie er den Inländern offensteht. Sie erschöpft sich daher darin, daß sie dem Ausländer das dem Inländer zustehende Recht gewährt, zum Schutze seiner Person und seines Vermögens die einheimischen Gerichte anzugehen, regelmäßig also in der Befugnis zur Klagerhebung und in dem Recht, vor den einheimischen Gerichten aufzutreten, soweit die Inländer das dürfen. Weitergehende Befugnisse gewährt die Rechtsschutzklausel — von besonderen, hier nicht in Betracht kommenden Fällen abgesehen — dagegen nicht. Für die in der Nachkriegszeit geschlossenen Verträge gehen denn auch die gemeine Meinung und die Staatenpraxis im Deutschen Reich dementsprechend dahin, daß die Klausel nicht einmal Folgerungen für die Befreiung von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten und hinsichtlich der Gewährung des Armenrechts zulasse (vgl. RGZ. Bd. 104 S. 189 und Bd. 146 S. 8). Kann hiernach 10»

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Sdiuldrccht, Besonderer Teil

trotz der Rechtsschutzklausel sogar in verfahrensrechtlicher Hinsicht in gewissen Beziehungen eine Sonderbehandlung der Angehörigen des anderen vertragschließenden Staates eintreten, so ergibt sich ohne weiteres, daß der Klausel f ü r die im Inland geltenden sachlich-rechtlichen Voraussetzungen des von einem Ausländer erhobenen Anspruchs nichts entnommen werden kann. Enthält hiernach Art. 1 des deutsch-türkischen Rechtsverkehrsvertrags keine reichsrechtliche Sonderregelung gegenüber 5 7 des preußischen Staatshaftungsgesetzes, so entfallen auch die von der Revision an die gegenteilige Ansicht geknüpften Folgerungen. 2. Der Revision kann aber auch insoweit nicht beigepflichtet werden, als sie weiter meint, daß durch diesen Art. 1 jedenfalls das verfahrensrechtliche Hindernis f ü r die Durchführung des Anspruchs der Klägerin beseitigt werden sollte, das, wie oben bereits ausgeführt worden ist, in dem in § 7 des preußischen Staatshaftungsgesetzes aufgestellten Erfordernis der Bekanntmachung über die Verbürgung der Gegenseitigkeit mindestens zu finden ist. Dafür ergibt weder der Inhalt des Vertrags irgendeinen Anhalt, noch zwingen etwa besondere Gründe zu einer solchen Annahme. Der Wortlaut von Art. 1 des Vertrags ergibt — wie insbesondere die in seinem Abs. 2 enthaltene nähere Erläuterung des Abs. 1 zeigt — nichts dafür, daß die Rechtsschutzklausel in diesem Vertrag einen über die Regel hinausgehenden Inhalt oder eine weitergehende Bedeutung haben sollte. Für das Uebliche spricht auch, daß in demselben mit „Rechtsschutz" überschriebenen Abschnitt des Vertrags in den Art. 2 flg. die Befreiung von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung f ü r die Prozeßkosten und die Zulassung zum Armenrecht besonders geregelt werden, also vom Standpunkt der Vertragschließenden offenbar nicht schon als durch die allgemeine Rechtsschutzklausel in Art. 1 gewährleistet angesehen wurden, wie ja auch Art. 13 des deutsch-türkischen Niederlassungsabkommens vom 12. Januar 1927 (RGBl. II S. 76; vgl. dazu Gesetz vom 15. März 1927 das. S. 53 und Ratifikationsbekanntmachung vom 25. Juni 1927 das. S. 454), der in seinen Abs. 1 und 2 beinahe wörtlich mit dem Art. 1 des späteren deutsch-türkischen Rechtsverkehrsvertrages übereinstimmt, das in Abs. 3 ausdrücklich klarstellt. Ferner aber bleibt der Inhalt des Vertrags im ganzen auch sonst durchaus im Rahmen des in zwischenstaatlichen Abmachungen über den Rechtsverkehr Ueblichen. Auch wenn man hiernach in der in 5 7 des preußischen Staatshaftungsgesetzes erforderten Bekanntmachung über die Verbürgung der Gegenseitigkeit lediglich ein verfahrensrechtliches Erfordernis für die Anspruchsdurchführung erblicken müßte, so wäre in dieser Hinsicht an dem bisherigen Rechtszustand durch Art. 1 des deutsch-türkischen Rechtsverkehrsvertrags nichts geändert worden. Das muß aber um so mehr gelten, als die erwähnte Bekanntmachung nicht bloß verfahrensrechtliche Bedeutung in diesem Sinne haben kann. Das folgt ohne weiteres aus dem Wortlaut des § 7 a. a. O., wonach der Ersatzanspruch dem Ausländer nur insoweit „zusteht", als nach jener Be-

Staats- und Beamtenhaftung

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kanntmachung die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Der Anspruch steht also dem Ausländer nicht zu, d. h. er ist — was hier offen bleiben kann — entweder f ü r ihn nicht entstanden oder mindestens nicht klagbar, solange nicht die Gegenseitigkeit verbürgt u n d dies durch eine entsprechende Bekanntmachung bestätigt ist. Auf eine solche sachlich-rechtliche Bedeutung der Bekanntmachung, die neben der verfahrensrechtlichen herlaufen kann, mußte aber der Art. 1 des deutsch-türkisdien Rechtsverkehrsvertrags, wie oben bereits dargelegt wurde, ohne jeden Einfluß bleiben. H a t das Berufungsgericht hiernach mit Redit die Frage der Verbürgung der Gegenseitigkeit nicht selbst sachlich geprüft, so ist die Revision zurückzuweisen. RGZ. 149, 167 Haftet das Deutsche Reich für den Sdiaden, welchen der Führer eines Reichsdienstfahrzeuges durch dessen schuldhaft unrichtige Fuhrung in Verletzung seiner Amtspflicht einem Dritten zugefügt hat, nur mit dem Wert des Schiffes? WeimVerf. Art. 131. Gesetz über die Haftung des Reichs f ü r seine Beamten vom 22. Mai 1910 (RGBl. S. 798) § 6. BinnSchG. §§ 3, 4. I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 6. November 1935.

I. Landgericht Altona. II. Oberlandesgericht Kiel.

Aus den G r ü n d e n : Das Berufungsgericht hat angenommen, daß das Deutsche Reich f ü r die dem Kläger erwachsenen, schadenbringenden Unfallsfolgen mit dem Wert des Schiffes hafte, dessen Führung den Unfall verschuldet hat (RGZ. Bd. 79 S. 179 [181/182]). . . . Der Auffassung des Berufungsgerichts, daß die allgemeinen Bestimmungen über die H a f t u n g des Staates für Amtspflichtverletzungen seiner Beamten hinter den schiffahrtsrechtlichen Bestimmungen zurückstehen, nach welchen der Staat als Schiffseigner oder Reeder für ein Verschulden der Schiffsbesatzung nur beschränkt haftet, ist beizutreten. Die Haftung des Reichs f ü r Amtspflichtverletzungen von Beamten bestimmt sich nach der — als Rechtsnorm des bürgerlichen Rechts noch geltenden — Bestimmung des Art. 131 WeimVerf. in Verbindung mit den ihr nicht widersprechenden Teilen des Reichshaftungsgesetzes vom 22. Mai 1910 (RGZ. Bd. 102 S. 166 [170/171], Bd. 106 S. 36/38) und mit § 839 BGB. Der Abs. 2 des Art. 131 WeimVerf. behält die nähere Regelung der Reichshaftung der zuständigen Gesetzgebung vor. Diese nähere Regelung kann nach den in RGZ. Bd. 102 S. 170 entwickelten Grundsätzen

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Schuldredu, Besonderer Teil

auch in einer Einzelabweisung der Haftung bestehen. Audi eine Haftungsbeschränkung ist hierunter gemäß § 6 des Reichshaftungsgesetzes einzubegreifen. Es fragt sich daher, ob die Bestimmungen der §§ 1, 3, 4 BinnSchG. (Art. 7 EG.z.HGB., §§ 485, 486 HGB.) für einen bestimmten Fall die Haftung des Reichs über einen gewissen Umfang hinaus ausschließen. In der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Haftung des Reichs für seine Beamten (Drucksache des Reichstags XII. Legislaturperiode I. Sess. Nr. 1343) ist allerdings bei Erörterung der aufrechterhaltenen Vorschriften, in welchen der Haftung des Staats f ü r Beamte Schranken gesetzt sind, der in Frage stehenden schiffahrtsrechtlichen Bestimmungen nicht gedacht. Das kann jedoch nicht den Ausschlag geben, um so weniger, als die Entscheidung des Reichsgerichts vom 3. April 1912 (RGZ. Bd. 79 S. 178) damals noch nicht ergangen war, in der im Gegensatz zu der früheren Entscheidung vom 5. Januar 1910 (RGZ. Bd. 72 S. 347) die Geltung des Art. 7 EinfG.z.HGB. für Kriegsschiffe anerkannt worden ist. In dieser Entscheidung ist die Auffassung vertreten: Der Art. 7 EG.z.HGB. sei auch auf Kriegsschiffe anzuwenden, die sich auf einer in Ausübung staatlichen Hoheitsrechts unternommenen Fahrt befinden; das damals für den dort erörterten Fall in Betracht kommende öffentliche Recht (das eine Staatshaftung f ü r Handlungen von Beamten in Ausübung der öffentlichen Gewalt nicht gewährte) habe demgegenüber zurückzutreten. Das ist unter Bezugnahme auf die Denkschrift des Entwurfs des Handelsgesetzbuches hergeleitet worden aus dem unbefriedigenden Rechtszustand, der sich bei der bisherigen Rechtslage ergeben habe. Die Denkschrift hat dabei (S. 311) ausdrücklich auch als in Betracht kommend Zollkutter, also Fahrzeuge erwähnt, deren Besatzung auf den Fahrten des Schiffs staatliche Hoheitsrechte ausübt. In der Entscheidung ist ferner erwogen worden, daß die Vorschrift des Art. 7 EG.z.HGB. ihre praktische Bedeutung und ihren gesetzgeberischen Wert so gut wie gänzlich einbüßen würde, wenn Kriegsschiffe von ihr ausgenommen wären. Diese Darlegung kann dahin ergänzt werden, daß das um so mehr zuträfe, wenn ganz allgemein die Schiffe, die dem öffentlichen Dienst gewidmet sind, ausgenommen wären. An der in dieser Entscheidung vertretenen Auffassung ist aus den dort entwickelten Gründen festzuhalten. Gleiches muß aber auch f ü r die Bestimmungen des Binnenschiffahrtsrechts gelten, an die sich die erörterte seerechtlidie Vorschrift erst angeschlossen hat. Die Begründung zum Entwürfe eines Gesetzes betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt (Drucksachen des Reichstags IX. Legislaturperiode III. Sess. Nr. 81 S. 35) läßt ersehen, daß auch bei dieser Vorschrift an Fahrzeuge gedacht ist, deren Besatzung in Ausübung staatlicher Hoheitsrechte tätig wird, wie sich aus der ausdrücklichen Erwähnung von „Hafenpolizeidampfern und ähnlichen in amtlichen Diensten benutzten Fahrzeugen" ergibt.

S t a a t s - und B e a m t e n h a f t u n g

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Von diesem Standpunkt aus liegt also eine zulässige Einschränkung der Staatshaftung in den erörterten Fällen vor. Die Regelung erscheint auch nicht unbillig. Die Haftungsbeschränkung des Reeders und Schiffseigners im allgemeinen ist im wesentlichen zurückzuführen auf den Gedanken, daß es bei den besonderen Gefahren und schwierigen Verhältnissen, denen er sein Schiff bestimmungsgemäß aussetzt, billig erscheint, ihn nur mit seinem dieser besonderen Gefahr ausgesetzten Vermögen haften zu lassen. Bei der Verwendung von Schiffen des öffentlichen Dienstes liegt es nicht anders. Daher ist kein Grund ersichtlich, den Schiffseigner mit schärferer Haftung zu belegen. Dazu nötigt auch nicht die Rücksicht auf den Gedanken der staatlichen Fürsorge für den einzelnen Volksgenossen. Wegen des aus Schiffsunfällen erwachsenden Schadens war bereits im Rahmen der erörterten Bestimmungen des Schifffahrtsrechts eine solche Fürsorge vorgesehen. Dadurch, daß der für den Unfall verantwortliche Schiffsführer bei seiner schuldhaft ursächlichen Handlungsweise eine ihm als Beamten obliegende Amtspflicht verletzt, wird keine Lage geschaffen, die der Fürsorge für den Betroffenen einen weiteren Umfang, zu geben geböte. Dem beamteten Schiffsführer macht die ihm der Allgemeinheit gegenüber obliegende Amtspflicht zur verkehrssicheren Schiffsleitung kein höheres Maß an Sorgfalt zur Pflicht, als es von jedem Schiffsführer aus allgemeiner Verkehrspflicht zu fordern ist. Aus diesem Gesichtspunkt kann daher die Forderung umfassender Staatshaftung nicht hergeleitet werden. Es ist auch sonst kein Grund ersichtlich, dem durch einen Schiffsunfall Geschädigten, wenn der Unfall durch Amtspfliditverletzung des Schiffsführers herbeigeführt ist, eine weitergehende Genugtuung zu gewähren, als sie ihm bei Verletzung der allgemeinen Verkehrspflicht zukommt. R G Z . 149, 275 1. Können die Handlungen, weldie die zuständigen Beamten der Reicfasfinanz- und Zollverwaltung im Rahmen ihrer gesctzlidien Befugnisse zur Ermittlung der Steuerpflicht und der Bemessung der Steuer vornehmen, eine Amtspflichtverletzung einem Dritten gegenüber audi dann enthalten, wenn sie zu keinem Steuerbescheide führen? 2. Liegt insbesondere eine soldie Amtspfliditverletzung darin, daß das zuständige Finanz- oder Zollamt dem Betroffenen zum Zwecke der Stellungnahme den Inhalt eines die Steuerbarkeit eines Erzeugnisses bejahenden Gutachtens mitteilt? WeimVerf. Art. 131. BGB. § 839. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Berlin.

Urt. v. 5. November 1935. I I . Kammergericht daselbst.

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Schuldredit, Besonderer Teil

Infolge der Eingabe einer Wettbewerbsfirma entnahmen im Mai und Juni 1931 Beamte der Zollfahndungsstelle für Berlin und Brandenburg bei Verkaufsstellen der Klägerin Proben des „M.-Kakaotrunks" und des „M.-Sdiokotrunks". Diese Proben wurden der Technischen Prüfungsund Lehranstalt der Reidiszollverwaltung zur Begutachtung übersandt. Die Anstalt erstattete am 29. Mai 1931 ein Gutachten über den „M.Kakaotrunk", das zu dem Ergebnis kam, daß dieser Trunk auf Grund des § 8 der Durchführungsbestimmungen zum Mineralwassersteuergesetz vom 1. Mai 1930 (RMinBl. S. 315) als Grundstoff zur Herstellung konzentrierter Kunstlimonaden steuerpflichtig sei. Am 16. Juni 1931 erstattete es über den „M.-Schokotrunk" ein Gutachten, das auch dieses Erzeugnis als solchen Grundstoff ansah, weil es ein halbfestes Gemisch aus Aromastoff, nämlich Kakaopulver, und Süßungsmittel darstelle, und sich mit einer sehr bedeutenden Menge Wasser auf ein noch brauchbares „anderes künstlich bereitetes" Getränk verarbeiten lasse. Die beiden Gutachten wurden dem Hauptzollamt in S., mit der „Anweisung" übersandt, die Bestände der Klägerin an „Schokotrunk" zwecks Versteuerung bei ihr selbst mit 20 RM. für das Kilo aufzunehmen. In dem Gutachten vom 16. Juni 1931 war ausgesprochen, daß das Erzeugnis mit der reichlich 50fadien Wassermenge verdünnt nach Zusatz von Zucker ein noch brauchbares Getränk liefere. Diese Angabe war mit Rücksicht auf die Erlasse des Reichsministers der Finanzen vom 5. Juni 1920 und vom 12. Mai 1931 erfolgt, wonach die Frage, ob eine konzentrierte Kunstlimonade (vgl. § 4 Nr. 3 des Mineralwassersteuergesetzes) oder ein Grundstoff (§ 4 N r . 4 das.) vorliege, nach der Verdünnungsfähigkeit beurteilt und die Verdünnung auf die 50fache Menge als äußerster oberer Grenzwert f ü r die konzentrierte Kunstlimonade angesehen werden sollte. Das Hauptzollamt S. benachrichtigte die Klägerin am 6. Juni 1931 von dem Standpunkt der Hauptfahndungsstelle und der erhaltenen Anweisung. Der damalige Nahrungsmittelchemiker der Klägerin, Dr. S., f u h r darauf am 8. Juni 1931 zu dem Hauptzollamt S., wo ihm die Beamten erklärten, daß sie die Anweisung f ü r Unsinn hielten. Dr. S. verhandelte sodann mit dem Landesfinanzamt in R., dessen Präsident ihm empfahl, beim Ministerium Beschwerde zu führen, und erklärte, er werde die Sache wohlwollend weiterreichen.... In der zweiten Hälfte des Monats Juni 1931 verhandelte Dr. S. im Reichsfinanzministerium mit dem Ministerialrat W., der erklärte, er selbst könne nicht entscheiden; es sollten weitere Gutachten eingeholt werden. Ein Steuerbescheid über den „Schokotrunk" ist der Klägerin niemals zugegangen, vielmehr ist ihr durch Schreiben des Hauptzollamts in S. vom 9. September 1931 eröffnet worden, daß der Reichsminister der Finanzen mit Erlaß vom 2. September 1931 entschieden habe, daß „M.-Kakaotrunk" und „M.-Schokot r u n k " weder als konzentrierte Kunstlimonaden nodi als Grundstoffe im Sinne der §§ 7 und 8 der Durchführungsbestimmungen zum Mineralwassersteuergesetz zu versteuern seien.

Staats- und Beamtenhaftung

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Die Klägerin behauptet, sie habe am 18. Juni 1931 nach der Rücksprache des Dr. S. auf dem Hauptzollamt S. die Herstellung des „Schokotrunks" eingestellt. Sie habe nach den ihr dort gemachten Eröffnungen mit einer Steuerforderung von 4 bis 5 Millionen R M . rechnen müssen und danach keinen bindenden Steuerbescheid abwarten können. U m den wirtschaftlichen Zusammenbruch zu entgehen, habe sie die Weiterherstellung des „Schokotrunks" sofort einstellen müssen. Durch die Einstellung sei ihr ein sehr erheblicher Schaden entstanden. Für diesen Schaden müsse der Beklagte unter dem Gesichtspunkte der Amtshaftung aufkommen. Die Beamten der. technischen Prüfungs- und Lehranstalt hätten bei der Untersuchung des „Schokotrunks" schuldhaft ihre Amtspflicht verletzt; sie hätten nicht untersucht, in welcher Verdünnung das Erzeugnis ein brauchbares Getränk ergäbe, sondern lediglich geprüft, ob bei 60facher Verdünnung noch Spuren des Kakao- oder Schokoladengesdimacks festzustellen seien. 'Weiter hat die Klägerin eine Amtspflichtverletzung auch in der Erteilung der Anweisung der Zollfahndungsstelle an das Hauptzollamt S. und darin erblickt, daß dieses A m t ihr den Standpunkt der Fahndungsstelle eröffnet hat. Auch hätten die Beamten des Hauptzollamts, des Landesfinanzamtes und der Ministerialrat W. sofort erkennen müssen, daß die Erhebung einer Steuer nicht in Frage komme, und D r . S. entsprechend sofort bescheiden müssen. Den angeblich entstandenen Schaden madit sie zu einem Teilbetrag von 10 000 R M . mit Zinsen geltend. Die Klage ist in allen Rechtszügen abgewiesen worden. Aus den

Gründen:

Die Revision muß schon scheitern, weil von den Beamten der Reichsfinanz- und Zollverwaltung überhaupt keine ihnen der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt worden ist. Das ganze Verfahren ist über den Bereich vorbereitender Maßnahmen nicht hinausgekommen. Solange aber dieser Bereich nicht überschritten wird und aus dem Gange der Ermittlungen keine Folgerungen gegen den gezogen werden, dessen steuerliche Verpflichtungen von den zuständigen Beamten geprüft werden, kann von einer Verletzung der ihm gegenüber obliegenden Amtspflichten der Beamten der Steuerbehörden keine Rede sein (vgl. auch § 839 Abs. 3 BGB.). Das gilt auch von dem Gutachten der Technischen Prüfungs- und Lehranstalt der Reichszollverwaltung. Wenn von Beamten Gutachten erstattet werden, so sollen sie nur als Unterlage für die weitere Entschließung der zuständigen Behörden dienen. Sie werden von den maßgebenden Stellen nachgeprüft. So ist auch hier verfahren worden. Solche Gutachten bilden erst dann eine untrennbare Einheit mit einem Eingriff der Behörde, wenn wirklich ein solcher erfolgt. So lag die Sache in dem vom Kammergericht

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Schuldrecht, Besonderer Teil

erwähnten Fall RGZ. Bd. 103 S. 429, wo die Entlassung eines Oberbootsmannsmaat aus der Marine wegen chronischen Gelenkrheumatismus auf das Gutachten eines Marinearztes zurückzuführen war, der es fahrlässig unrichtig erstattet haben sollte. Nicht anders lag der Fall des Urteils des erkennenden Senats vom 29. Januar 1935 III 206/34, worin die frühzeitige Pensionierung eines Schuldirektors auf den angeblich schuldhaft falschen Bericht eines Amtsarztes über seinen Gesundheitszustand gestützt war, und ferner der durch das Urteil des erkennenden Senats vom 4. Juli 1930 III 270/29 (abgedr. JW. 1931 S. 47 Nr. 12 u. ZBR. Bd. 3 S. 222) entschiedene Fall, wo das von dem Stadtarzt über die Dienstfähigkeit eines städtischen Beamten erstattete falsche Gutachten zu dessen Versetzung in den Wartestand geführt hatte und die Stadtgemeinde deshalb aus Art. 131 WeimVerf., § 839 BGB. auf Schadensersatz in Anspruch genommen wurde. Im vorliegenden Fall aber hat das Gutachten der Prüfungsanstalt zu keinen der Klägerin nachteiligen Entscheidungen geführt. Der Fall liegt auch anders, als der vom erkennenden Senat im Urteil vom 27. Oktober 1933 III 82/33 (vgl. H R R . 1934 N r . 94) entschiedene. Dort hatten die Verwaltungsbeamten bei einer Vorbesprechung über das Vorhandensein der gesetzlichen Voraussetzungen f ü r eine etwaige Genehmigung eines beabsichtigten Grundstücksverkaufs die Ablehnung der Genehmigung in sichere Aussicht gestellt, obwohl nach den gesetzlichen Bestimmungen die Genehmigung hätte erfolgen müssen. Wenn in solcher Weise eine nachteilige Entscheidung angekündigt wird, so liegt allerdings eine unzulässige Beunruhigung der an dem betreffenden Rechtsgeschäft Beteiligten durch die Beamten vor, die zu einem entsprechenden Verhalten Veranlassung geben und damit zu einer Vermögensschädigung führen kann. Im vorliegenden Fall ist keine der Klägerin nachteilige Entscheidung angekündigt gewesen, sondern sogar in Aussicht gestellt worden, die Entscheidung des Ministers abzuwarten. Das Gutachten der Technischen Prüfungs- und Lehranstalt ist der Klägerin nicht mitgeteilt worden, um sie unnötig wirtschaftlich zu beunruhigen, sondern um ihr Gelegenheit zu geben, es zu entkräften. Ministerialrat W. hat gleichfalls der Klägerin keine nachteilige Entscheidung in Aussicht gestellt, sondern dem Dr. S. eröffnet, wegen der bestehenden Zweifel solle eine weitere Begutachtung erfolgen. In dieser Weise durfte verfahren werden. . . . RGZ. 150, 140 Kann gegen einen Beamten auf Grund der Behauptung, er habe in einem von ihm amtlich erstatteten Gutachten schuldhaft unwahre Angaben gemadit, Klage erhoben werden auf Widerruf und Unterlassung dieser Angaben? BGB. § 839. GVG. § 13.

Staats- u n d Beamtenhaftung

III. Z i v i l s e n a t .

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Urt. v. 31. Januar 1936.

I. Landgericht Osnabrück.

I I . Oberlandesgericht Celle.

Die Klägerin, die eine Margarinefabrik betreibt, stellt ein Ziehfett und ein Backfett her. Am 25. Januar 1934 erließ das Hauptzollamt in O. einen Steuerbescheid, durdi den es diese Fette für fettsteuerpflichtig nach der Verordnung über die Erhebung einer Ausgleichsabgabe auf Fette vom 13. April 1933 (RGBl. I S. 206) erklärte. Diesen Steuerbescheid focht die Klägerin an unter Berufung auf ein Gutachten des Professors Dr. B. vom 15. März 1934, der darin zu dem Ergebnis gelangt war, daß es sich bei den fraglichen Fetten nicht um Kunstspeisefette im Sinne der genannten Verordnung, sondern um praktisch absolut reine Rinderfette handele. Daraufhin holte das Hauptzollamt ein Gutachten der Technischen Prüfungs- und Lehranstalt der Reichszollverwaltung in A. ein. Das Gutachten wurde am 21. September 1934 erstattet. Bearbeiter war der Beklagte, der Regierungsrat im Reichsdienst und leitender Chemiker der genannten Anstalt ist. Er unterzeichnete das Gutachten „Im Auftrage". Das Gutachten erklärte die fraglichen Fette für Kunstspeisefette. Es führte u. a. aus: der sich in den Fetten befindende Diacetylzusatz solle deren Minderwertigkeit verdecken und der Ware ein butterartiges Aroma verleihen; in Uebereinstimmung mit dem Direktor der Schmelze des H.er Zentral-Schlachthofes sei er (der Gutachter) der Ueberzeugung, daß es sich nicht um „ausgezeichnete Backfette", sondern um leicht aromatisierte, nach dem Hallerschen oder einem ähnlichen Verfahren gereinigte Abdeckereifette oder sonstige technische Fette handele. Diese Sätze des Gutachtens vom 21. September 1934 bilden die Grundlage der gegenwärtigen Klage. Die Klägerin erklärt sie für unrichtig. Sie behauptet, der Beklagte, der das Gutachten als Privatgutachten erstattet habe, habe mit dem in dem Gutachten genannten Direktor bewußt zusammengewirkt, um sie durch das völlig unsachliche Gutachten zu schädigen. Die Ausführungen des Beklagten seien überhaupt weder objektiv noch subjektiv als Gutachten zu werten. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen: 1. ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden sei, daß der Beklagte in seinem Gutachten die angeführten unwahren Behauptungen aufgestellt habe; 2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin allen weiter entstehenden Schaden zu ersetzen; 3. die fraglichen Behauptungen zu widerrufen; 4. es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden angemessenen Haft- oder Geldstrafe zu unterlassen, die Behauptungen aufzustellen. Der Beklagte hat unter Erhebung der prozeßhindernden Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs Klagabweisung beantragt. Er hat sich darauf berufen, daß er das Gutachten in seiner Eigenschaft als Beamter der Reichszollverwaltung erstattet habe, und zwar auf Ersuchen einer Steuerbehörde zur Verwendung im Steuerverfahren. Die Begutachtung

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Schuldrecht, Besonderer Teil

stelle sich als ein T e i l des S t e u e r v e r f a h r e n s dar. der R e c h t s w e g unzulässig.

In Steuersachen sei a b e r

D a s L a n d g e r i c h t h a t die V e r h a n d l u n g auf die p r o z e ß h i n d e r n d e E i n r e d e b e s c h r ä n k t u n d hat diese durch Zwischenurteil v e r w o r f e n . Dagegen h a t der B e k l a g t e B e r u f u n g eingelegt. E r h a t jedoch die E i n r e d e der U n z u l ä s s i g k e i t des R e c h t s w e g s n u r g e g e n ü b e r den K l a g a n t r ä g e n z u 3 u n d 4 a u f r e c h t e r h a l t e n u n d hat b e a n t r a g t , diese b e i d e n K l a g a n t r ä g e als u n z u l ä s s i g abzuweisen. D a s O b e r l a n d e s g e r i c h t h a t d a r a u f h i n u n t e r Zurückweisung der weitergehenden Berufung das landgerichtliche Zwischenurteil f o l g e n d e r m a ß e n a b g e ä n d e r t : „ S o w e i t die K l ä g e r i n v o n d e m B e k l a g t e n den W i d e r r u f der hinsichtlich ihres F a b r i k a t s aufgestellten B e h a u p t u n g e n u n d die U n t e r l a s s u n g solcher B e h a u p t u n g e n der S t e u e r b e h ö r d e g e g e n ü b e r f ü r die Z u k u n f t v e r l a n g t , w i r d die K l a g e gegen den B e k l a g t e n abgewiesen. S o w e i t die a n d e r w e i t i g e U n t e r l a s s u n g solcher B e h a u p t u n g e n v e r l a n g t w i r d , ist der R e c h t s w e g z u l ä s s i g . " D i e d a g e g e n v o n der K l ä g e r i n eingelegte R e v i s i o n blieb erfolglos. G r ü n d e : 1. In die R e v i s i o n s i n s t a n z g e l a n g t ist die K l a g e i n s o w e i t , als sie w e g e n U n z u l ä s s i g k e i t des R e c h t s w e g s abgewiesen w o r d e n ist. Sie ist das i n s o w e i t , als m i t ihr b e g e h r t w i r d , daß der B e k l a g t e v e r u r t e i l t werde, g e wisse B e h a u p t u n g e n ü b e r die E r z e u g n i s s e der K l ä g e r i n der S t e u e r b e h ö r d e g e g e n ü b e r z u w i d e r r u f e n u n d dieser g e g e n ü b e r in Z u k u n f t z u u n t e r lassen. F ü r den W i d e r r u f ist z w a r i m T e n o r des B e r u f u n g s u r t e i l s die B e s c h r ä n k u n g auf B e h a u p t u n g e n des B e k l a g t e n , die er g e g e n ü b e r d e r S t e u e r b e h ö r d e aufgestellt h a t , nicht ausdrücklich a u s g e s p r o c h e n w o r d e n . I n d e s s e n e r g i b t sich aus d e m K l a g e v o r b r i n g e n u n d d e m K l a g a n t r a g , d a ß d i e K l ä g e r i n n u r v e r l a n g t , der B e k l a g t e solle die in d e m d e m H a u p t z o l l a m t in O . e r s t a t t e t e n G u t a c h t e n v o m 21. S e p t e m b e r 1934 a u f g e stellten B e h a u p t u n g e n , welche die K l ä g e r i n als u n z u t r e f f e n d bezeichnet, w i d e r r u f e n . S o ist deshalb, wie die G r ü n d e des B e r u f u n g s u r t e i l s b e s t ä t i g e n , auch die A b w e i s u n g der K l a g e auf W i d e r r u f n u r in d e m bezeichn e t e n b e s c h r ä n k t e n U m f a n g zu v e r s t e h e n . In diesem S i n n e u n t e r l i e g t d i e K l a g a b w e i s u n g wegen U n z u l ä s s i g k e i t des R e c h t s w e g s keinen rechtlichen B e d e n k e n . 2. D a s B e r u f u n g s g e r i c h t h a t nicht unterschieden, o b der B e k l a g t e bei B e g u t a c h t u n g der E r z e u g n i s s e der K l ä g e r i n nur als B e a m t e r t ä t i g g e w o r d e n ist, wie er b e h a u p t e t , o d e r o b er, wie sie g e l t e n d macht, ein P r i v a t g u t a d i t e n erstattet hat. E s hat f ü r beide Fälle d e n R e c h t s w e g f ü r u n z u l ä s s i g e r k l ä r t . Indessen b e d a r f die F r a g e der Z u l ä s s i g k e i t des R e c h t s w e g s f ü r d e n z w e i t g e n a n n t e n Fall k e i n e r sachlichen E r ö r t e r u n g . D e n n die B e h a u p t u n g der K l ä g e r i n , der B e k l a g t e h a b e ein P r i v a t g u t a c h t e n e r s t a t t e t , ist, wie der S a c h v e r h a l t m i t v ö l l i g e r Sicherheit e r g i b t , u n w a h r . Sie ist lediglich aufgestellt w o r d e n , u m d a d u r c h die V e r f o l g u n g der K l a g a n s p r ü c h e i m R e c h t s w e g zu erschleichen, u n d ist deshalb rechtlich u n b e -

Staats- und Beamtenhaftun:;

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achtlich. Diese Feststellung zu treffen, ist auch das Revisionsgericht bei der v o n A m t s wegen vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs b e f u g t . D a der Beklagte das Gutachten v o m 21. September 1934 als Beamter erstattet hat, so k o m m t auch f ü r die Z u k u n f t nur in Frage, daß er als B e a m t e r z u r Begutachtung in dem Steuerverfahren gegen die Klägerin herangezogen werden wird. Sonach können Ansprüche gegen ihn lediglich aus § 839 B G B . hergeleitet werden. Dabei muß in d e m gegenwärtigen Verfahrensabschnitt dahingestellt bleiben, o b er f ü r eine solche auf Widerruf u n d Unterlassung gerichtete Klage überhaupt der richtige Beklagte ist, ob sie nicht vielmehr nach Art. 131 WeimVerf. gegen das Deutsche Reich hätte gerichtet werden müssen. 3. § 839 B G B . gibt nur Anspruch auf Schadensersatz in Geld, nidit auf Wiedergutmachung durch V o r n a h m e oder Unterlassung v o n A m t s handlungen. D a s folgt aus der grundsätzlichen T r e n n u n g zwischen Rechtspflege u n d Verwaltung, die es den ordentlichen Gerichten verwehrt, B e a m t e zu verurteilen, amtlich etwas zu tun oder zu unterlassen. Ein Urteil dieses Inhalts würde eine unzulässige Einmischung der Geridite in die T ä t i g k e i t der Verwaltungsbehörden bedeuten. Eine Befugnis zu solcher Einmischung kann auch nicht aus § 249 B G B . hergeleitet werden. D e n d o r t ausgesprochenen Grundsatz, daß Schadensersatz durch H e r stellung des Zustandes zu leisten ist, der bestehen würde, wenn der z u m Ersatz verpflichtende U m s t a n d nicht eingetreten wäre, können die G e ridite nur soweit verwirklichen, als ihre Befugnisse überhaupt reichen (vgl. Urteil des erkennenden Senats v o m 4. Dezember 1925 III 630/24). Läßt sich der frühere Zustand nur durch V o r n a h m e einer A m t s h a n d l u n g wiederherstellen, insbesondere durch Rückgängigmachung einer früher v o r g e n o m m e n e n , wie sie in dem mit der Klage geforderten Widerruf der früheren Behauptungen des Beklagten enthalten, sein würde, dann kann in sinngemäßer Anwendung des § 251 Abs. 1 B G B . Schadensersatz bloß in Geld eingeklagt werden. Der Anspruch der Klägerin, der Beklagte solle bei künftigen amtlichen Begutachtungen gewisse Behauptungen unterlassen, also eine Amtshandlung dieses Inhalts nicht v o r nehmen, ist nach d e m Gesagten ebenfalls im Rechtsweg nicht verfolgbar. D i e nach der Rechtsprechung anerkannte vorbeugende Unterlassungsklage beschränkt sich auf den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit und kann deshalb kein Mittel bilden, B e a m t e auf Unterlassung künftiger Amtshandlungen in Anspruch zu nehmen. Alles das gilt auch dann, wenn die v o n der Klägerin beanstandeten Teile des Gutachtens, wie sie behauptet, völlig unsachlich sind. Unsachliche A m t s h a n d l u n g e n eines Beamten vermögen ebenfalls nur Schadensersatzansprüche in Geld auszulösen und können nicht unmittelbar den Gegenstand einer P r ü f u n g und Entscheidung durch die ordentlichen Gerichte bilden. M e h r als eine sachwidrige Amtsausübung d u r d i den Bc-

Schuldredit, Besonderer Teil

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klagten vermag die Klägerin aber mit dem, was sie gegen das von ihm verfaßte Gutachten einwendet, nicht zu behaupten. Selbst wenn die von ihr angegriffenen und nach ihrer Behauptung unrichtigen Sätze des Gutachtens für die Fettsteuerpflicht keine Bedeutung besäßen, wenn sie sich also unnötigerweise mit der Beschaffenheit und Güte der von der Klägerin hergestellten Erzeugnisse beschäftigten, so würde sich doch daraus immer nur eine Fehlerhaftigkeit der Amtshandlung des Beklagten ergeben. Sie möchte die Klägerin berechtigen, Schadensersatz in Geld zu verlangen. Zum Widerruf der früheren und zur Unterlassung gleichartiger Amtshandlungen kann der Beklagte aber trotz der ihm etwa zur Last fallenden Pflichtwidrigkeit im Rechtsweg nicht gezwungen werden. Nach alledem hat das Berufungsgericht die Klage auf Widerruf und Unterlassung in den von ihm gezogenen Grenzen mit Recht wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs abgewiesen. R G Z . 150, 323 1. Was ist unter „Rechtsmittel" im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB. zu verstehen? 2. Entfällt nadi $ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. die Schadensersatzpflidit wegen Amtspflichtverletzung schon dann ohne weiteres, wenn der Geschädigte unterlassen hat, gegen das eine anderweitige Ersatzmöglichkeit versagende, sachlich unzutreffende Urteil eines Amtsgerichts Berufung einzulegen oder auch nur beim Landgericht das Armenredit für die Berufung nachzusuchen? III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 28. Februar 1936.

I. Landgericht Glatz.

II. Oberlandesgericht Breslau.

D e r Kläger hatte von Bo. ein in T . (Amtsgerichtsbezirk L.) gelegenes Grundstück lastenfrei gekauft, 3800 R M . angezahlt und einen Teil des Grundstücks übergeben erhalten. D a der Verkäufer mit der Beseitigung eines im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrechts in Verzug kam, setzte der Kläger Nachfrist nach § 326 B G B . und forderte nach erfolglosem Ablauf der Frist Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Bo. zahlte nur 500 R M . von der erhaltenen Anzahlung zurück. Im Auftrag des Klägers erhob Rechtsanwalt V . gegen ihn beim Amtsgericht L. Klage auf Rückzahlung des Restes von 3300 R M . sowie auf Erstattung von Umzugskosten, die zuletzt mit 323,20 R M . beziffert wurden. Er erwirkte am 13. November 1930 zunädist ein Teilurteil, durch das Bo. verurteilt wurde, an den Kläger Zug um Zug gegen Rückgabe des diesem seinerzeit übergebenen Grundstücksteils 3300 R M . zu zahlen; das U r teil war gegen Sicherheitsleistung von 3300 R M . vorläufig vollstreckbar. Am 22. Januar 1931 erging das Schlußurteil über 323,20 R M . , das ohne

S t a a t s - und

Beamtenhaftung

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Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt war. Schließlich erwirkte Rechtsanwalt V. noch einen Kostenfestsetzungsbeschluß über 294,92 R M . Die Geschäftsstelle des Amtsgerichts bescheinigte am 31. Januar 1931 die Rechtskraft des Teilurteils vom 13. November 1930, nachdem sie schon am 4. Dezember dem Rechtsanwalt V. vollstreckbare Urteilsausfertigung erteilt hatte. Vollstreckbare Ausfertigung des Schlußurteils vom 22. Januar 1931 wurde am 9. Februar 1931 erteilt. Rechtsanwalt V. betrieb im Auftrag des Klägers die Zwangsvollstreckung gegen Bo. in folgender Weise: Er beantragte zunächst auf Grund des Schlußurteils vom 22. Januar 1931 und des Kostenfestsetzungsbeschlusses die Zwangsversteigerung des Bo.'schen Grundstücks; der Anordnungsbeschluß des Amtgerichts erging am 2. März 1931. Die vollstreckbare Ausfertigung des — damals schon rechtskräftigen, also ohne die ursprünglich angeordnete Sicherheitsleistung vollstreckbaren — Teilurteils vom 13. November 1930 sandte er mit Schreiben vom 2. März 1931 an den Gerichtsvollzieher Be. in L. mit dem Auftrag, dem inzwischen nach S. verzogenen Schuldner das Grundstück anzubieten und alsdann wegen des Urteilsbetrags und gewisser Nebenkosten zu vollstrecken. „Im Fall der fruchtlosen Zwangsvollstreckung", hieß es in dem Schreiben weiter, „bitte ich den Schuldtitel mir sofort zurückzusenden". Der Gerichtsvollzieher führte den Vollstreckungsauftrag am 4. März 1931 aus, wobei sich der Schuldner als unpfändbar erwies, und sandte — entgegen der ihm von Rechtsanwalt V. erteilten Weisung — den Schuldtitel unter Nachnahme der Kosten an den Kläger persönlich nach T . ; dem Rechtsanwalt V. gab er Nachricht davon. Dieses vom 7. März 1931 datierte Benachrichtigungsschreiben ist, wie das Berufungsgericht unterstellt, erst am 14. März 1931 vom Gerichtsvollzieher zur Post gegeben worden, und ist dem Rechtsanwalt V. am 16. März 1931 zugegangen. Dieser erhielt den Schuldtitel vom Kläger am 19. März 1931 zurück und beantragte darauf unter dem 20. März beim Amtsgericht L., eingegangen dort am 21. März 1931, wegen dieses Anspruchs — 3300 R M . — den Beitritt zu dem schwebenden Zwangsversteigerungsverfahren. Dem Antrag wurde am 25. März 1931 stattgegeben. Schon vorher, am 19. März, hatte jedoch ein anderer Gläubiger des Bo., der Logierhausbesitzer J., wegen einer Forderung von mehr als 1000 RM. den Beitritt beantragt; dem Antrag war am 20. März 1931 stattgegeben worden. Im Zwangsversteigerungstermin vom 12. August 1931 blieb der Kläger Meistbietender; das Grundstück wurde ihm alsbald zugeschlagen. Befriedigung erhielt er aus der Teilungsmasse nur auf seine Forderung aus dem Schlußurteil vom 22. Januar 1931 und dem Kostenfestsetzungsbeschluß; mit seiner Forderung aus dem Teilurteil fiel er vollständig aus. Auch der ihm im Rang vorgehende Gläubiger J. erlitte einen teilweisen Ausfall; immerhin erhielt dieser auf seine Forderung einen Betrag von 923,80 RM.

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Schuldrcdit, Besonderer Teil

Dieser Betrag von 923,80 RM. wäre dem Kläger zuteil geworden, wenn nicht seinem Beitrittsantrag vom 20./21. März 1931 der Gläubiger J. mit seinem Antrag am 19. März 1931 zuvorgekommen wäre. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger vom Preußischen Staat, jetzt von dem an dessen Stelle getretenen Deutschen Reich, Zahlung der genannten Summe auf Grund von Art. 131 WeimVerf. in Verbindung mit § 839 BGB. Er behauptet, der ihm entstandene Schaden sei durch schuldhafte Amtspflichtverletzung des Gerichtsvollziehers Be. verursacht worden. Dieser habe den ihm Anfang März 1931 von Rechtsanwalt V. übersandten Schuldtitel entgegen der ihm ausdrücklich gegebenen Anweisung nicht unmittelbar an V., sondern an den Kläger persönlich zurückgesandt und auch das nicht „sofort", wie verlangt war, sondern erst 10 Tage nach Erledigung des Pfändungsauftrags. Dadurch sei es dem Gläubiger J. möglich geworden, im Zwangsversteigerungsverfahren dem Kläger zuvorzukommen. Anderweit Ersatz des Schadens zu erlangen, sei nicht möglich, denn Bo. sei unpfändbar, und ein Rückgriff gegen Rechtsanwalt V. sei ausgeschlossen, weil in einem mit ihm geführten Rechtsstreit seine Haftung vom Gericht schon rechtskräftig verneint worden sei. Das Landgericht hat dem Kläger die Hälfte des verlangten Betrags zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Es war der Meinung, der Schaden sei sowohl von dem Gerichtsvollzieher Be. als auch von Rechtsanwalt V. versdiuldet; beide seien in gleichem Maße verantwortlich. Gegen dieses Urteil hat allein der Beklagte Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben und antraggemäß die Klage völlig abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Das Oberlandesgeridit hat offengelassen, ob der Gerichtsvollzieher Be. bei Erledigung des Pfändungsauftrags vom 2./4. März 1931 eine Amtspflicht dem Kläger gegenüber verletzt hat. Es hat die Schadensersatzpflicht des Beklagten deshalb verneint, weil der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, von Rechtsanwalt V. Ersatz des jetzt geltend gemachten Schadens zu erlangen, und ihm dièse Möglichkeit nur durch eigenes Verschulden verlorengegangen, sei da er in dem mit V. über dessen Schadensersatzpflicht geführten Rechtsstreit seifte Rechte nicht sachgemäß wahrgenommen habe. Bei diesem Vorprozeß handelt es sich um folgendes: Im Juni 1932 beantragte V. gegen den jetzigen Kläger beim Amtsgericht L. Erlaß eines Zahlungsbefehls wegen 543,08 RM. Anwaltskosten. Der jetzige Kläger erhob Widerspruch. Er ließ sich in dem weiteren Verfahren durch den Prozeßagenten P. vertreten und machte neben anderen Einwendungen geltend, Rechtsanwalt V. sei ihm schadensersatzpflichtig, weil infolge seiner Nachlässigkeit in der Sache gegen Bo. der

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Staats- und Beamtenhaftung

Gläubiger J. bei der Verteilung des Versteigerungserlöses den besseren Rang erhalten habe und dadurch die Forderung aus dem Teilurteil ausgefallen sei. Er rechnete auf, erhob auch Widerklage auf Zahlung von 923 R M . abzüglich der schließlich nicht mehr streitigen Gebührenforderung des V. Dieser bestritt jedes für den Schaden des Klägers ursächliche Verschulden und behauptete, der Schaden sei allein durch das Verhalten des Gerichtsvollziehers verursacht worden. Das Amtsgericht verurteilte am 22. März 1933 den jetzigen Kläger zur Zahlung der 543,08 RM. und wies seine Widerklage ab. Es ließ dahingestellt, ob Rechtsanwalt V. schuldhaft seine Pflicht verletzt und dadurdi den streitigen Schaden verursacht hätte. Es habe sich um einen „recht schwierigen" Zwangsvollstreckungsauftrag gehandelt, den V. nicht ohne weiteres wie einen gewöhnlichen sofort an den Gerichtsvollzieher habe hinausgeben können. Aber auch wenn Rechtsanwalt V. die Beauftragung des Gerichtsvollziehers schuldhaft verzögert haben sollte, so hätte das doch dann nichts geschadet, wenn der Gerichtsvollzieher ordnungsgemäß gehandelt hätte Dieser habe aber den Titel erst 10 Tage nach der erfolglos versuchten Pfändung zurückgesandt und nicht einmal an Rechtsanwalt V., wie verlangt, sondern an den Kläger persönlich. Diese Säumnis sei die Ursache dafür gewesen, daß der Kläger schließlich im Zwangsversteigerungsverfahren mit seiner Forderung aus dem Teilurteil die ungünstige Rangstelle erhalten habe und ausgefallen sei. Der Kläger hatte in diesem Rechtsstreit dem Beklagten nicht den Streit verkündet. Gegen das Urteil legte er keine Berufung ein, suchte auch nicht einmal beim Landgericht das Armenrecht für die Berufung nach. Das jetzt angefochtene Urteil hält die Entscheidung des Amtsgerichts L. für sachlich falsch und meint, das Verhalten des Rechtsanwalts V. sei schuldhaft und für die Entstehung des Schadens mindestens mitursächlich gewesen, V. hätte deshalb dem Kläger für diesen Schaden einstehen müssen. Das könne der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit trotz der Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils geltend machen, weil der Kläger im Vorprozeß dem jetzt Beklagten nicht den Streit verkündet habe. Daß das Urteil rechtskräftig geworden sei und dem Kläger den ihm sonst möglich gewesenen Rückgriff gegen den Rechtsanwalt V. genommen habe, beruhe auf Verschulden des Klägers. Dieser hätte sich nicht ohne weiteres auf die Richtigkeit des Urteils des Amtsgerichts verlassen dürfen, sondern hätte sich bei seiner Unerfahrenheit in Rechtssachen in geeigneter Weise beraten lassen müssen, und dies um so mehr, als sich die Verantwortlichkeit der beiden in Frage kommenden Personen auf zwei voneinander unabhängige Tatbestände gegründet habe und das amtsgerichtliche Urteil nur über die Haftbarkeit des Rechtsanwalts V., nicht aber auch über die Ersatzpflicht des für ein Verschulden des Gerichtsvollziehers haftenden Staates habe entscheiden können. Er Zivils. SdiulJreijit 1 I

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

hätte mindestens das Armenrecht f ü r die Berufung nachsuchen müssen, dies wäre ihm vom Landgericht bewilligt, seiner Berufung wäre stattgegeben worden. Diese Ausführungen werden von der Revision mit Grund als rechtsirrig angefoditen. Richtig ist zwar der von § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . genommene Ausgangspunkt, daß, da dem Gerichtsvollzieher lediglich Fahrlässigkeit vorgeworfen wird, der streitige Ersatzanspruch nur dann besteht, wenn der Kläger nicht auf andere Weise Ersatz erlangen kann und auch eine etwa früher vorhandene andere Ersatzmöglichkeit nicht schuldhaft verloren hat. Im Vorprozeß ist die Ersatzpflicht des Rechtsanwalts V . rechtskräftig verneint worden. D a der Kläger damals dem Preußischen Staat nicht den Streit verkündet hat, kann er sich jetzt nicht ohne weiteres auf die Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß berufen (§ 68 ZPO.), sondern er muß gegenüber dem Vorhalt des Beklagten, der Vorprozeß sei unrichtig entschieden, dartun, daß dies nicht der Fall sei, oder doch, daß ihn, den Kläger, kein Verschulden an dem ungünstigen Ausgang des Vorprozesses treffe. Nicht zu beanstanden ist audi die Annahme des Berufungsgerichts, daß Rechtsanwalt V. bei Vollstreckung aus dem Teilurteil vom 13. November 1930 unter Verletzung der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht unzweckmäßig verfahren ist und dadurdi den jetzt streitigen Schaden herbeigeführt hat. Rechtlich unzulänglich aber ist die Begründung, mit der das Berufungsgericht ein Verschulden des Klägers an dem Verlust seines Vorprozesses bejaht hat. Das Berufungsgericht bemängelt nicht etwa — wozu der Sachverhalt keinen Anlaß bot — die Art, wie der Kläger seinen Rechtsstreit vor dem Amtsgericht geführt hat. Wohl aber findet es ein Verschulden des Klägers darin, daß er sich ohne weiteres auf die Richtigkeit des Urteils des Amtsgerichts verlassen und nicht in geeigneter Weise Rechtsrat eingeholt, ja nicht einmal beim Landgericht das Armenredit für eine einzulegende Berufung erbeten habe. Es macht ihm also zum Vorwurf, daß er kein Rechtsmittel eingelegt habe. Das Berufungsgericht hat mit Recht die Anwendbarkeit des § 839 Abs. 3 BGB. verneint. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf den Fall, daß durch ein Rechtsmittel der durch die Amtspflichtverletzung verursachte Schaden hätte abgewendet werden können. Es kann sich also dabei nur um ein Rechtsmittel gegen die schädigende Amtshandlung selbst handeln, im vorliegenden Fall etwa u m die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Gerichtsvollzieher oder vielleicht die Erinnerung aus § 766 ZPO. In dem Vorprozeß zwischen dem Kläger und Rechtsanwalt V. handelte es sich aber darum, ob Rechtsanwalt V . verpflichtet war, den bereits entstandenen Schaden zu ersetzen. Ein Anlaß, den § 839 Abs. 3 auch auf solche Fälle anzuwenden, besteht nicht. Seinem gesetzgeberischen Zweck, die Amtshaftung einzuengen und sie für gewisse

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Fälle schuldhaften Verhaltens des Geschädigten ohne Zulassung einer Schadensverteilung nach § 254 BGB. schlechthin auszuschließen, wird f ü r den hier in Frage stehenden Fall, daß die Möglichkeit einer anderweitigen Wiedergutmachung des Schadens schuldhaft versäumt worden ist, schon dadurch Rechnung getragen, daß dieser Fall gesetzlich dem gleich behandelt wird, daß diese anderweitige Ersatzmöglichkeit noch besteht. Diese Schranke der Amtshaftung ist sogar noch viel eingreifender als die in § 839 Abs. 3 aufgestellte, die nur bei Nichtbenutzung eines Rechtsmittels den Schadenersatzanspruch schlechthin ausschließt. Die im U r teil des erkennenden Senats vom 15. Oktober 1929 in RGZ. Bd. 126 S. 8 t (85/87) ausgesprochene entgegenstehende Rechtsansicht kann nicht aufrechterhalten werden und ist vom Senat schon bisher, so im Urteil vom 29. Oktober 1935 III 315/34, nicht festgehalten worden. Ob das Berufungsgericht annimmt, eine Partei handle unter allen Umständen nicht sorgsam, wenn sie sich auf die Richtigkeit eines gerichtlichen Urteils verläßt, dem gegenüber noch ein Rechtsmittel gegeben ist, ist nicht ganz klar. Ein solcher Rechtssatz wäre unter allen Umständen abzulehnen. Das Ansehen der staatlichen Gerichte fordert Achtung vor ihren Urteilssprüchen, und jedes gerichtliche Urteil darf den Anspruch erheben, wohlerwogen zu sein und nicht leichthin als fehlsam angegriffen zu werden. Wollte man grundsätzlich fordern, daß eine vor Gericht unterlegene Partei, um sich vor dem Vorwurf nachlässiger Prozeßführung zu schützen, das zulässige Rechtsmittel ergreife, so würde das zu einer dem Rechtsfrieden schwer abträglichen Vermehrung der Reditsmitteleinlegungen führen. Das gilt f ü r Entscheidungen von Einzelrichtern in gleichem Maße wie für solche von Kollegialgerichten. Namentlich darf auch das Urteil eines Amtsgerichts, dem der Gesetzgeber in der hier in Frage stehenden Zeit eine allgemeine Zuständigkeit über vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Wert von 1000 RM. eingeräumt hatte, nicht grundsätzlich als nur vorläufig behandelt und erst die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts als zuverlässig und endgültig richtig anerkannt werden. Aber auch das läßt sich nicht sagen, daß unter allen Umständen und ausnahmslos eine in Rechtsdingen unerfahrene Partei rechtskundigen Rat einholen und, sofern sie arm im Sinne des § 114 ZPO. ist, zum mindesten bei dem Rechtsmittelgericht um Bewilligung des Armenredits nachsuchen müsse. Die Anbringung eines Armenrechtsgesuchs ist vom Gesetz nicht als Mittel gedacht, unentgeltlich Rechtsberatung über die Aussichten einer Rechtsverfolgung zu erlangen. Einer Partei, die nicht schon an die Möglichkeit eines Erfolgs glaubt, kann kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie es unterläßt, überhaupt das Gericht anzugehen. Die Pflicht, sich in geeigneter Weise beraten zu lassen, kann allerdings für den Laien auch dann bestehen, wenn er einem gerichtlichen Urteil gegenübersteht und sich zu entschließen hat, ob er ein Rechtsmittel einlegen soll oder nicht. Das Obcrlandesgericht hat aber nicht erörtert, Ii»

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Schuldred«, Besonderer Teil

welche Wege dem Kläger unter den damaligen Umständen zu Gebote standen. D a ß er nicht einmal seinen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, den Prozeßagenten P., u m R a t gefragt hätte, ist schwerlich anzunehmen, jedenfalls nicht, festgestellt. Eine Erkundigung beim Amtsgericht in L. schied naturgemäß aus. Die Befragung eines Rechtsanwalts war offenbar nicht ohne Reisekosten, jedenfalls nicht ohne A u f w e n d u n gen f ü r Anwaltsgebühren möglich. O b der Kläger dazu in der Lage war, ist nach dem bei den Akten des Vorprozesses befindlichen Armutszeugnis mindestens zweifelhaft. Nicht o h n e Bedeutung dafür, welches Maß v o n Anstrengungen f ü r die D u r c h f ü h r u n g seines Ersatzanspruchs gegen Rechtsanwalt V. v o m Kläger g e f o r d e r t werden konnte, ist aber auch die Art, in der das amtsgerichtliche Urteil begründet war u n d ob danach die getroffene Entscheidung dem gesunden Volksempfinden einleuchten k o n n t e . W e n n das Amtsgericht v o n einem „recht schwierigen" Vollstreckungsauftrag sprach u n d durch diese Schwierigkeit das Zuwarten des Rechtsanwalt V. bis zum 2. M ä r z 1931 f ü r entschuldigt hielt, so d u r f t e der Kläger als Laie insoweit der Sachkunde des Amtsgerichts ohne weiteres vertrauen. D a n n aber m u ß t e i h m das Verschulden des Gerichtsvollziehers, der die einfache Rücksendung des Schuldtitels ohne jeden ersichtlichen G r u n d 10 volle Tage verzögerte, so daß dem Rechtsanwalt V., wollte er dem Gläubiger J. z u v o r k o m m e n , kaum zwei Tage zur Verf ü g u n g standen, so überwiegend erscheinen, daß ein etwaiges unzulässiges Zögern des Rechtsanwalts V. demgegenüber völlig in den H i n t e r g r u n d trat. Den Kläger kann es u n t e r U m s t ä n d e n auch entlasten, daß ihm das amtsgerichtliche Urteil offensichtlich die Aussicht eröffnete, Ersatz seines Schadens v o m Staat wegen des Amtsverschuldens des Gerichtsvollziehers zu erlangen, u n d es ihm gleichgültig sein konnte, von welcher Seite er entschädigt wurde. Auf den Gedanken, daß die Staatshaftung versagt, wenn irgendeine Möglichkeit anderweitigen Ersatzes besteht oder auch nur schuldhaft versäumt worden ist, u n d daß in dem künftigen Rechtsstreit gegen den Staat die Frage der H a f t b a r k e i t des Rechtsanwalts V. t r o t z des vorliegenden rechtskräftigen Amtsgerichtsurteils von neuem werde nachgeprüft werden, konnte der Kläger als Laie nicht ohne weiteres kommen. R G Z . 151, 385 t 1. Kann die Staatshaftung aus § 839 BGB. (in Verbindung mit Art. 131 WeimVerf. oder § 1 des preußischen Staatshaftungsgesetzes vom 1. August 1909, GS. S. 691) mit der aus den §§ 823, 831 BGB. zusammentreffen, wenn der Schaden, dessen Ersatz verlangt wird, von mehreren Personen verursacht worden ist, von denen die einen Beamte, die anderen Nichtbeamte sind?

S t a a t s - und B e a m t e n h a f t u n g

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2. Zum Beamtenbegriff nach § 1 des preußischen Staatshaftungsgesetzes vom 1. August 1909. 3. Nach welchen rechtlichen Gesichtspunkten bestimmt sich die Haftung des Staates für schuldhafte Handlungen von Strombauarbeitern, die von der staatlichen Strombauverwaltung bereitgestellt worden sind, damit sie den Schiffern an einer gefährlichen Stelle des Fahrwassers Hilfe leisten? III. Z i v i l s e n a t . I . Landgericht Breslau.

Aus den

Urt. v. 8. Mai 1936.

I I . Oberlandesgericht

daselbst.

Gründen:

Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Beklagte für den der Firma K. durch den Brückeneinsturz erwachsenen Schaden verantwortlich sei: 1. wegen Verschuldens der Strombaubeamten durch U n t e r lassen genügender Anordnungen und Ueberwachungsmaßnahmen nach § 839 B G B . in Verbindung mit § 1 des preußischen Staatshaftungsgesetzes v o m 1. August 1909, 2. wegen Verschuldens der Strombauarbeiter H . und B. durch vorzeitiges Loslassen der Fierleine nach §§ 823, 831 B G B . Die zweite Haftung als die nicht durch § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . beschränkte und daher weitergehende hat das Berufungsgericht seine Entscheidung zugrunde gelegt und dabei ausgeführt, daß bei solcher Sachlage, wie sie hier gegeben, eine gleichzeitige Haftung aus § 839 in Verbindung m i t dem Staatshaftungsgesetz einerseits, aus den §§ 823, 831 B G B . anderseits möglich sei. Diese Ansicht unterliegt keinen rechtlichen Bedenken; denn der Grundsatz, daß § 839 nicht mit § 823 zusammentreffen kann, bezieht sich nur auf eine und dieselbe Handlung eines bestimmten Beamten; ihre Beurteilung nach § 839 schließt die nach den §§ 823 flg. aus. Wenn dagegen, wie hier, ein Schaden verursacht worden ist durch Handlungen verschiedener Personen, von denen die einen als Beamte ihre Amtspflicht verletzt, die anderen als Nichtbeamte eine unerlaubte Handlung begangen haben sollen, dann gelten allerdings für das Verhalten jener § 839, für das Verhalten dieser die §§ 823 flg. B G B . Die Haftung des Staates dafür kann dann ebenfalls verschiedene Wege gehen, die eingeschränkte nach § 839 also neben der nach den allgemeinen Deliktsvorschriften stehen. Die Frage, ob hier die Haftung aus den §§ 823, 831 B G B . durchgreift, ist für den Ausgang des Rechtsstreits von wesentlicher Bedeutung. Denn, wie der erkennende Senat in dem Urteil vom 29. Juni 1934 dargelegt hat, kann die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Staatshaftung nicht den Schaden ersetzt verlangen, den sie auf Grund des V e r sicherungsvertrags der Firma K. hat ersetzen müssen. Vielmehr greift insoweit § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . durch. Die Haftung aus den §§ 823, 831 B G B . unterliegt dagegen nicht dieser Beschränkung. Auch für die

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

Verjährung ist der Unterschied der beiden Haftungsarten von Bedeutung . . . Die Frage, ob der Beklagte für die beiden Strombauarbeiter wirklich nach den §§ 823, 831 haftet oder ob auch insoweit § 839 BGB. eingreift, bedarf indessen einer erneuten Prüfung durch das Berufungsgericht. Dieses sagt ohne nähere Begründung, soweit der Beklagte für den von den beiden niditbeamteten Strombauarbeitern widerrechtlich angerichteten Schaden einzustehen habe, hafte er nur nach den Vorschriften der §S 823, 831 BGB. Es scheint also die privatredltlidie Haftung lediglich aus der Tatsadie herzuleiten, daß die beiden Arbeiter nicht Beamte im staatsrechtlichen Sinne waren. Darauf kommt es aber nicht an. Beamter im Sinne des Art. 131 WeimVerf. ist jede Person, die der Staat (oder eine dazu befugte öffentliche Körperschaft) mit öffentlicher Gewalt umkleidet hat, und zwar unabhängig davon, ob ihr staatsrechtlich Beamteneigenschaft zukommt oder nicht (RGZ. Bd. 142 S. 190 mit Nachweisungen). Das gleiche muß f ü r das hier noch anwendbare preußische Staatshaftungsgesetz vom 1. August 1909 gelten. Es sollte den Vorbehalt des Art. 77 EG.z.BGB. ausfüllen und die Haftung des Staates im Bereidi seiner hoheitsrechtlichen Tätigkeit ebenso umfassend regeln, wie das im Bürgerlichen Gesetzbudi für das Gebiet seiner privat-rechtlichen Betätigung geschehen war. Es kommt daher für die Frage, ob die Haftung aus den SS 823, 831 BGB. durchgreift, darauf an, ob die Tätigkeit, mit der die beiden Arbeiter betraut waren, eine bürgerlichrechtliche Natur hatte. Gehörte sie dagegen zu der öffentlich-reditlidien Regelung und Beaufsichtigung, die der Staat dem Schiffsverkehr auf der Oder dort, wo die neue Brücke gebaut wurde, zuteil werden ließ, so scheidet § 831 BGB. aus. Denn er ist unanwendbar bei Handlungen, die in Ausübung staatlicher Hoheitsrechte oder sonst öffentlich-rechtlicher Funktionen vorgenommen werden (RGR.Komm.z.BGB. 8. Aufl. § 831 Bern. 1 S. 657 unten, 658). Wird eine im staatsrechtlichen Sinne nichtbeamtete Person mit hoheitsrechtlichen Aufgaben betraut, so fällt dies nach dem oben Gesagten unmittelbar in den Bereich von § 839. Des Umwegs über den $ 8 3 1 bedarf es also nidit, wenn eine solche Person bei Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Aufgaben sdiuldhaft gefehlt hat. Die SS 823 flg. BGB. regeln nur die Schadensersatzpflicht im Bereiche des bürgerlichen Rechts. Das Berufungsgericht hat den hiernach entscheidenden Gesichtspunkt hicht erkannt und daher nicht geprüft, ob die Tätigkeit der beiden Arbeiter, die im Dienste der Strombauverwaltung standen, in den privatrechtlichen Bereich fiel oder auf dem Gebiet öffentlidi-rechtlidier, insbesondere strompolizeilicher Aufgaben lag. Zur Nachholung dieser Prüfung muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Dabei soll schon jetzt folgendes bemerkt werden: Nach dem bisherigen Parteivorbringen hatte die Strombauverwaltung mit dem Brückenbau unmittelbar nichts zu tun. Er wurde von

Staats- und Beamtenhaftung

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der Firma K. im Auftrage der Stadtgemeinde F. ausgeführt. Aber er unterlag der Genehmigung der staatlichen Wasserpolizeibehörde (vgl. RGZ. Bd. 103 S. 424/425). Dabei konnte diese den Erbauern der Brücke Auflagen machen. Sie hat sich außerdem veranlaßt gesehen, den Schiffsverkehr an der Baustelle f ü r die Bauzeit besonders zu regeln. Einen Teil dieser Regelung bildete, soweit bisher ersichtlich, die den Schiffern der zu Tal fahrenden Kähne auferlegte Verpflichtung, vor dem Baugerüst an einer im Strom verankerten Boje mit einer Fierleine festzumachen. Zur Hilfeleistung hierbei standen die beiden Strombauarbeiter B. und H . bereit. Von wem sie den Auftrag hierzu erhalten haben, ist im Berufungsurteil nicht gesagt. Aber auch wenn die Strombauverwaltung sie zu der Boje entsandt haben sollte, so würde daraus noch nicht mit Notwendigkeit folgen, daß ihre Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Natur war. Es kann auch so gewesen sein, daß den Schiffern lediglich anheimgegeben worden war, die Arbeiter im Wege bürgerlich-rechtlichen Auftrags zur Hilfeleistung bei der Navigierung ihres Schiffes heranzuziehen. Die Schiffsführung ist aber Sache des Schiffers und gehört an sich nicht zu dem Aufgabenkreis der Wasserpolizei. Zum Vergleich mag auf die Sadi- und Rechtslage hingewiesen werden, wie sie dann gegeben war, wenn sich ein Schiffer des Bugsierdampfers bediente, den die Strombauverwaltung bei Hochwasser an der Baustelle bereit hielt, damit er die Schiffer beim Durchfahren des Baugerüstes unterstützte. Der Kapitän des Bugsierdampfers hatte solchenfalls keine öffentlichen Dienste zu verrichten. Ist die Stellung der beiden Strombauarbeiter aus diesen oder aus anderen Erwägungen als bürgerlich-rechtlich anzusehen, so bleibt allerdings weiter noch zu prüfen, ob das Abwerfen der Fierleine — ihr vorzeitiges Abwerfen soll den Unfall verursacht haben — überhaupt eine Verrichtung war, zu der die Strombauverwaltung die Arbeiter bestellt hatte. Haben sie das nur im Auftrage des Schiffers getan, dem sie von der Strombauverwaltung zur Verfügung gestellt waren, so würde der Beklagte dafür auch nicht aus den §§ 823, 831 BGB. haften. N u r ein etwaiges Verschulden der Beamten der Strombauverwaltung bei der Auswahl und der etwa erforderlichen Beaufsichtigung der beiden Arbeiter unter strompolizeilichen Gesichtspunkten käme dabei in Frage. Insoweit würde eine H a f t u n g des Beklagten aber wiederum nur aus § 839 BGB. in Verbindung mit dem Staatshaftungsgesetz hergeleitet werden können. RGZ. 153, 153 Hat der Notar eine Belehrungspflicht auch gegenüber demjenigen, der mit ihm behufs Beurkundung von Verpflichtungen eines anderen in Verbindung tritt, eigene Erklärungen aber nicht beurkunden läßt? BGB. § 839.

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S d i u l d r e d n , Besonderer Teil

V. Z i v i l s e n a t . I. Landgeridir Berlin.

Urt. v. 18. Dezember 1936. II. Kammergeridit

daselbst.

Die Klägerin nimmt den Beklagten gemäß § 839 BGB. auf Ersatz des Schadens in Anspruch, den sie bei Gewährung eines Darlehns an einen gewissen W. durch Verletzung der dem Beklagten als N o t a r ihr gegenüber obliegenden Amtspflichten erlitten habe. W. hatte der Klägerin hypothekarische Sicherung mit ihm gehörigen Teilstücken eines Siedlungsgeländes in Aussicht gestellt. Es ergab sich jedoch, daß er mit diesen Hypothek nicht bestellen konnte, weil er noch nicht Eigentümer der Grundstücke war. Als deshalb die Klägerin am 7. April 1930 eine zweite Zusammenkunft bei dem verklagten Notar, zu der sie mit W. und dessen Vermittler H. erschienen war, schon zu verlassen sich anschickte, wurde von einem der anwesenden Männer der Vorschlag gemacht, die Klägerin durdi ein Verkaufsangebot W.s zu sichern. Der Beklagte beurkundete hierauf folgendes Verkaufsangebot, an das sich W. jedoch erst vom 1. Oktober 1930 an, und zwar für ein Vierteljahr, binden zu wollen erklärte: W. verkauft von den ihm gehörigen Parzellen des Grundstüdes Neu-Zittau Bl. 505 die Parzellen N r . 38, 62, 63, 65, 66 und 67 in einer Gesamtgröße von 64,12 a an die Klägerin für 2000 R M . (den Darlehnsbetrag); der Kaufpreis ist gezahlt und wird im Falle der Nichtannahme zurückgezahlt, und zwar mit 1 0 % jährlich von heute ab; Lasten werden nicht übernommen; den Parteien ist bekannt, daß über die Parzellen noch nicht besondere Grurndbuchblätter gebildet sind und daß Herr W. noch nicht als Eigentümer seiner Parzellen eingetragen ist. Nachdem diese nur von W. unterzeichnete Urkunde vom Beklagten aufgenommen worden war, zahlte die Klägerin an jenen das Darlehn (unter Abzug eines Damnos von 200 R M . und weiterer 50 R M . als Zinsen des ersten Vierteljahrs) mit 1750 R M . bar aus. Sie hat weder weitere Zinsen erhalten oder das Darlehn zurüdeempfangen, noch, nachdem sie am 18. Dezember 1930 das Verkaufsangebot notariell angenommen hatte, die Uebereignung der verkauften Teilstücke in Güte von W. erreichen können. W. hat am 28. Dezember 1932 den Offenbarungseid geleistet. Mit der vorliegenden, im Herbst 1934 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 2000 R M . nebst 6 % Zinsen seit 1. April 1930 zu verurteilen. Noch im ersten Rechtsgang hat sie ihre Forderung auf 1800 R M . nebst Zinsen ermäßigt. Das Landgcridit hat der Klage in Höhe von 1800 R M . nebst 4 % Zinsen seit 7. April 1930, das Kammergericht in Höhe von 1750 R M . nebst gleichen Zinsen stattgegeben. Die Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg.

Staats- und Beamtenhaftung

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Gründe: 1. Die Revision rügt als rechtsirrig zunächst die Annahme des Berufungsgerichts, daß dem Beklagten gegenüber der K l ä g e r i n eine Belehrungspflicht obgelegen habe. N u r einen Vertragsantrag des W. v o m 7. April 1930 habe der Beklagte beurkundet, und W. sei demnach der einzige bei der Beurkundung Beteiligte gewesen, demgegenüber eine Belehrungspflicht des Beklagten bestanden habe. Daß aber W. einer Belehrung bedurft und der Beklagte diese schuldhaft unterlassen habe, sei vom Berufungsgericht nicht festgestellt, von der Klägerin auch nicht einmal behauptet worden. Dieser auf die Entscheidung des III. Zivilsenats des Reichsgerichts vom 2. Oktober 1928 (III 34/28 R G Z . Bd. 122 S. 80) gegründete Revisionsangriff geht fehl. Allerdings ist in der angezogenen Entscheidung die Frage der Ueberschrift, ob der N o t a r bei Aufnahme einer U r k u n d e nur zur Belehrung der Personen verpflichtet sei, deren Erklärungen beurkundet werden sollen, bejaht und die Gegenfrage, ob er auch mitanwesende Dritte belehren müsse, in deren Interesse die Beurkundung erfolgen solle, verneint worden. Aber Bejahung und Verneinung sind, wie die Begründung des Urteils ergibt, nicht unbedingt und jedenfalls nur in enger Begrenzung auf die eigentliche Beurkundungstätigkeit des Notars erfolgt. Die Tragweite des in der Rechtsprechung anerkannten Satzes, daß die Pflichten eines Urkundsbeamten dem Notar allen denen gegenüber obliegen, die im Vertrauen auf die durch das beurkundete Geschäft geschaffene Rechtslage im Rechtsverkehr tätig werden, wird als vom damaligen Berufungsrichter, der sich auf ihn stützte, verkannt bezeichnet; denn jener Satz gehe von einer b e s t e h e n d e n Amtspflicht des Notars aus, lasse aber keinen Schluß zu auf ihren Inhalt, auch nicht auf ihren Umfang in persönlicher Hinsicht. Die Unhaltbarkeit des v o m Oberlandesgericht eingenommenen Standpunkts werde durch die weitere Erwägung dargetan, daß der Kreis der Personen, deren Belange durch eine Beurkundung berührt würden und die der Notar sämtlich zu belehren verpflichtet sein solle, regelmäßig ganz unbegrenzt sei. Der N o tar könne diese Interessenten gar nicht kennen, geschweige denn sie in der vom Berufungsrichter verlangten Weise aufklären. Man müßte also die Belehrungspflicht des Notars jedenfalls auf die Personen beschränken, die, außer den Beteiligten im eigentlichen Sinne, bei der Beurkundungshandlung zugegen seien und mit denen der Notar bei dieser Gelegenheit in Berührung komme. Indessen hänge es völlig vom Zufall oder wenigstens von Umständen, die mit der Beurkundung selbst unmittelbar nichts zu tun haben, ab, ob die Interessenten sich mit zum Notar begeben. Es lasse sich nicht rechtfertigen, von diesem mehr oder minder willkürlichen Schritt die notarielle Belehrung abhängig zu machen. Auch dem III. Zivilsenat hat sich, wie diese Sätze erkennen lassen, die besondere Lage derjenigen Personen aufgedrängt, die zwar nicht im

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Schuldredit, Besonderer Teil

Sinne der §§ 167 flg. RFGG. an der eigentlichen Beurkundung beteiligt sind, deren sachliche Beteiligung daran, d a ß und w i e die Beurkundung erfolgt, sich aber f ü r den N o t a r erkennbar daraus ergibt, daß sie mit ihm zum Zwecke der Beurkundung in Verbindung treten, insbesondere zu der Beurkundungsverhandlung vor ihm miterscheinen. Es tritt das noch besonders hervor durch die Bezugnahme auf die in RGZ. Bd. 95 S. 214 abgedruckte ältere Entscheidung desselben Senats, wo es sich ebenfalls um einen Kläger gehandelt hatte, der bei der Beurkundung (eines Testaments seines Schwiegervaters) zwar nicht unmittelbar im Sinne der §§ 167 flg. RFGG., wohl aber an der Gültigkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts durch eine damit zu seinen Gunsten getroffene Bestimmung sachlich beteiligt war. In jenem Falle war die Amtspflichtverletzung des verklagten Notars in der Unterlassung der Belehrung über die Notwendigkeit gesehen worden, die Erbschaft der verstorbenen Frau des Testators aus früheren gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügungen auszuschlagen (§ 2271 Abs. 2 BGB.). Hierzu war ausgeführt (S. 219): In der Unterlassung liegt auch die Verletzung einer dem Beklagten dem Kläger gegenüber obliegenden Amtspflicht. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts war der dem Beklagten mitgeteilte Zweck der Beurkundung unter anderem gerade die Wahrung des Interesses des Klägers. Das genügt aber, in der Unterlassung der Belehrung über das zur Erreichung dieses Zweckes Notwendige die Verletzung einer Amtspflicht nicht nur gegenüber dem Beteiligten, dessen Erklärung beurkundet wird und an den die Belehrung zu richten ist, sondern auch gegenüber dem Dritten, in dessen Interesse die Beurkundung erfolgen soll, zu finden. Hiernach war allerdings auch in jener Entscheidung, wie in RGZ. Bd. 122 S. 84 betont ist, die H a f t u n g des Notars gegenüber dem zwar nicht bei der Beurkundung selbst, wohl aber an deren Wirksamkeit beteiligten, miterschienenen Dritten hergeleitet aus der Versäumung der Belehrungspflicht gegenüber dem, dessen rechtsgesdiäftliche Erklärung beurkundet worden war. Diese Möglichkeit mittelbarer Haftungsbegründung versagt jedoch, wenn bei e n t g e g e n g e s e t z t e n Belangen des Erklärenden und des an seiner Erklärung interessierten miterschienenen Dritten eine Belehrungpflicht des Notars gegenüber dem Erklärenden entfällt, sei es weil dieser nicht belehrungsbedürftig ist oder weil bei ihm die Zwecklosigkeit einer Belehrung von vornherein als feststehend angesehen werden darf. Die zu entsdieidende Frage ist daher die, ob auch in solchem Fall eine Belehrungspflidit des Notars als Amtspflicht nur gegenüber demjenigen besteht und anzuerkennen ist, dessen Erklärung er beurkundet, oder aber auch gegenüber demjenigen, der sich an ihn in seiner Eigenschaft als öffentlicher Urkünder wendet, ohne jedoch selbst urkundlidie Erklärungen abzugeben. Dabei kann es natürlich bei dem

Staats- und Beamtenhaftung

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Begriffe der Belehrungspflicht nur auf die Sache, nicht auf das Wort ankommen. Wollte man von „Belehrungspflicht" nur in dem engeren Sinne der Feststellung und wirksamen Fassung des Willens des urkundlich Erklärenden sprechen, aber eine „Aufklärungs-" oder „Warnungspflidit" auch gegenüber dem bloß miterschienenen mittelbar beteiligten Dritten bejahen, so würde es sich nur um verschiedenen Wortgebraudi, aber um keinen Unterschied in der Sache handeln. Zweifelhaft ist lediglich die Belehrungspflidit in diesem weiteren Sinne, wie sie auch gegenüber einem an der eigentlichen Beurkundung nicht beteiligten Dritten, der jedoch um ihretwillen mit dem Notar in Verbindung tritt (naturgemäß aber niemals gegenüber einem solchen mittelbar Beteiligten, der mit dem Notar gar nicht in Berührung gelangt), in Frage kommen kann. Im vorliegenden Falle war das einseitige Verkaufsangebot des W. ein seinem Inhalte nadi an sich ganz unverfängliches Rechtsgeschäft, dem der Beklagte auch unstreitig die dem Willen des Erklärenden entsprechende Fassung gegeben hat. Seine Bedenklichkeit erwudis nur aus dem Zwecke, dem es dienen sollte, nämlich der Sicherung der Klägerin wegen ihres dem W. zu gewährenden Darlehns. Das Sicherungsbedürfnis und -verlangen der Klägerin war dem Beklagten mit besonderer Deutlichkeit zum Bewußtsein gebracht. Denn infolge der Unfähigkeit W.s, hypothekarische Sicherheit zu gewähren, war sdion ein früheres Vorsprechen der Klägerin bei dem ihr bis dahin ganz unbekannten Beklagten ergebnislos verlaufen, und auch der zweite Versuch drohte bereits an der Unmöglichkeit genügender Sicherstellung wiederum zu scheitern, als von einem der Anwesenden — ob vom Beklagten, läßt das Berufungsgericht dahingestellt — der Vorschlag der Sicherung durch ein Verkaufsangebot des W. gemacht wurde. Den Sicherungszweck zu erfüllen war aber das Verkaufsangebot, wie der Berufungsrichter bedenkenfrei darlegt und auch die Revision nicht bezweifelt, völlig ungeeignet. Daran, daß W. einer Belehrung weder bedürftig noch zugänglidi war, läßt der festgestellte Sachverhalt ebensowenig einen Zweifel, wie daran, daß die Klägerin der Aufklärung bedurfte. Denn gerade das legt der Berufungsrichter dem Beklagten als Amtspflichtverletzung zur Last, daß er nicht die Entstehung des Irrtums in der Klägerin verhinderte, sie erhalte durch das Verkaufsangebot eine Sicherung. Dieser Irrtum hat sie zur Hergabe des Darlehns schließlich bereit gemacht. Von der Bejahung einer dem Beklagten der Klägerin gegenüber obliegenden Belehrungspflicht (im weiteren Sinne) hing hiernach die Entscheidung ab. Die Begründung, die der III. Zivilsenat in RGZ. Bd. 122 S. 82 seiner Beschränkung der Belehrungspflicht auf die unmittelbar Beteiligten im Sinne der §§ 167 flg. RFGG., also die, deren Erklärungen beurkundet werden, gibt, kann aber, soweit darunter nicht nur Belehrung in jenem engeren Sinne verstanden sein sollte, als überzeugend nicht anerkannt werden. Der Notar ist kraft seines Amtes eine Person des öffentlichen Vertrauens. An ihn wenden sich in seiner amtlichen Eigenschaft nicht

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Sdiuldrecht, Besonderer Teil

nur die, deren rechtsgeschäftliche Erklärungen nach der Rechtslage schließlich der förmlichen Beurkundung bedürfen, sondern auch und gerade die, welche auf Grund solcher Erklärungen und der von ihnen erhofften Sicherheit weitere Rechstgesdiäfte (wie hier die Hingabe des Darlehns) vornehmen wollen. Auch ihnen gegenüber begründet das Amt des Notars eine Verantwortlichkeit dafür, daß der beabsichtigte Zweck, soweit dies von den beurkundeten Erklärungen abhängt, erreicht wird. Wessen Erklärungen hierbei der notariellen Beurkundung bedürfen, steht oftmals von vornherein gar nicht einmal sachlich fest, geschweige denn, daß es den Beteiligten bekannt wäre. Das ergibt sich vielmehr häufig erst aus der Verhandlung vor dem Notar, indem unter dessen beratender Mitwirkung der einzuschlagende rechtliche Weg gewählt wird. Wollte man die Belehrungspflicht des Notars in Richtung und Umfang abhängig machen von der Gestalt, in der das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den Beteiligten, zumal wenn deren Belange entgegengesetzte sind, sdiließlich zur Beurkundung gelangt, so würde dies dem Vertrauen, mit dem der Notar kraft seines Amtes von b e i d e n Seiten angegangen wird, und dem Zwecke seiner Tätigkeit, die dem b e i d e r seit»- Gewollten die sichernde Form und Fassung gewährleisten soll, widersprechen. Mit dem Einwände, daß der Klägerin gegenüber eine Belehrungspflicht des Beklagten nicht bestanden habe, ist die Revision demnach nicht zu hören. Soweit mit dieser Stellungnahme die Entscheidung des III. Zivilsenats in RGZ. Bd. 122 S. 80 unvereinbar wäre, könnte ihr nicht gefolgt werden. Es bedarf auch nicht noch der Prüfung, ob sich eine die abweichende Beurteilung rechtfertigende Besonderheit des Streitfalls darin erblicken ließe, daß ein Verkaufsangebot notwendig einen anderen voraussetzt, an den es sich richtet, und daß daher die Klägerin hier etwa als an der Beurkundung unmittelbar Beteiligte um so mehr anerkannt werden könnte, als in der Urkunde, obwohl sie nur von W. vollzogen ist, von den „Parteien" gesprochen wird, denen bekannt sei, daß usw. Daß das hier zu beurteilende Verhalten des Beklagten ganz im Bereiche seiner Amtstätigkeit als Notar gelegen habe, hat auch die Revision nicht mehr angezweifelt. Insbesondere hat sich für die Annahme eines etwa von der Klägerin mit dem verklagten Notar als Rechtskundigen geschlossenen Vertrags keinerlei Grundlage ergeben. 2. Auch die weitere Revisionsrüge, daß das Berufungsgericht die Beweislast verkannt habe, ist unbegründet. Sie knüpft an die Ausführung des Berufungsurteils an, es könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte seiner Belehrungspflicht schon genügt haben würde, wenn er, wie er behaupte, der Klägerin erklärt hätte, die Hingabe des Darlehns sei eine reine Vertrauenssache; denn es lasse sich — bei den (wie näher dargelegt wird) gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen W. bestehenden erheblichen Bedenken und der Möglichkeit einer Selbsttäuschung des Beklagten — nicht einmal feststellen, daß der Beklagte eine solche Aeußcrung getan habe. Das Berufungsgericht hat hiernach allerdings den Beweis der

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reinen Negative, den die Widerlegung der Schutzbehauptung des Beklagten erforderte, der Klägerin nicht zugemutet. D a s beruhte aber nach der Lage des Falls nicht auf V e r k e n n u n g der Beweislast. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Klägerin angesichts der Unmöglichkeit, v o n W. hypothekarische Sicherung ihres Darlehns zu erhalten, schon im B e g r i f f e gewesen, die Verhandlungen bei dem N o t a r wiederum abzubrechen, als sie sich durch die Anregung eines Verkaufsangebots zunächst z u m Bleiben und sodann schließlich zu dem Entschluß bestimmen ließ, sich mit diesem A n g e b o t als Sicherheit zu begnügen. Es gehört dem Bereiche der Tatsachenwürdigung an, wenn der Berufungsrichter aus diesem Verlaufe der Verhandlungen die Auffassung gewann, daß nur ein Irrtum der Klägerin über den Sicherungswert des Verkaufsangebots sie zur A e n d e r u n g ihrer H a l t u n g und zur schließlichen H i n gabe des baren Darlehens bestimmt haben, und daß von seiten des Beklagten, der sich über den U n w e r t des vorgeschlagenen Sicherungsmittels klar gewesen sein müsse, nichts oder mindestens nichts Ausreichendes geschehen sein könne, die Entstehung des I r r t u m s zu verhindern oder ihn zu beheben. D a s Berufungsgericht hat sonach den an sich der Klägerin obliegenden Beweis einer Amtspflichtverletzung durch Unterlassen genügender A u f k l ä r u n g bis zu d e m G r a d e f ü r geführt erachtet, daß es nunmehr den Gegenbeweis ausreichender E r f ü l l u n g der Amtspflicht v o m Beklagten verlangte. Bei dem großen und durch die Sachlage gerechtfertigten Gewicht, das die Klägerin auf die rechtliche Sicherung ihres Darlehns legte, hätte aber auch die bloße Aeußerung, daß die H i n g a b e des Geldes reine Vertrauenssache sei, zur ausreichenden Erfüllung der Belehrungspflicht nicht genügt, selbst wenn diese Worte, was nicht einmal die Behauptungen des Beklagten mit hinlänglicher Bestimmtheit ergaben, in klarer Beziehung auf das V e r k a u f s a n g e b o t des W. und nicht etwa in einem früheren Z e i t p u n k t der Verhandlungen, als es sich noch u m die Möglichkeit hypothekarischer Sicherstellung handelte, gefallen wären. In Betracht k o m m t dabei die irreführende Fassung, die der Beklagte dem V e r k a u f s a n g e b o t gegeben hat, indem er den W. darin v o n „ i h m gehörigen", v o n „ s e i n e n " Parzellen sprechen ließ, obwohl W. die Parzellen noch nicht einmal aufgelassen erhalten hatte, sein Anspruch darauf vielmehr noch von erheblichen Zahlungen seinerseits abhängig war. Es kann daher die Wahrheit der Schutzbehauptung des Beklagten f ü r die Revisionsinstanz unterstellt werden, ohne daß dadurch die Entscheidung beeinflußt würde. W e n n die Revision in diesem Zusammenhange noch darauf hinweist, daß die Klägerin nur ein kurzfristiges Darlehen habe gewähren wollen, dessen Zurückzahlung erfolgen sollte, noch ehe die — hinausgeschobene — Bindung an das Verkaufsangebot eintrat, so verkennt sie: der Klägerin mußte es, falls an der Kurzfristigkeit in diesem Abschnitt der Verhandlungen überhaupt noch festgehalten wurde, u m Sicherung gerade f ü r den Fall zu tun sein, daß die Rückzahlung des D a r lehns nicht pünktlich geschah. Auch der Schluß, den die Revision aus

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der Schwere der Auszahlung*- und Verzinsungsbedingungen auf die Geschäftsgewandtheit der Klägerin ziehen will, ist verfehlt. Die Fähigkeit, in dem Abzug eines Damnos die Wirkung höherer Verzinsung des tatsächlich aufgewandten Darlehnsbetrags zu erkennen, rechtfertigt keineswegs ohne weiteres den Schluß auf das Vermögen richtiger Einschätzung des Wertes einer angebotenen rechtlichen Sicherung. Die zutreffende Beurteilung der Sicherheit, die das befristete Verkaufsangebot gewährte, war für den nicht rechtskundigen Laien schwierig und erforderte eingehende rechtliche Erörterung. Gerade in dieser Hinsicht fällt das Vertrauen ins Gewicht, das die Klägerin dem Beklagten in seiner Amtseigenschaft schenken durfte und, wie der Verhandlungsverlauf ergibt, auch geschenkt hat, dahin, daß er nicht ihr — ihm wiederholt unmißverständlich kundgegebenes — Verlangen nadi Sicherstellung mit Erklärungen des Gegners befriedigen ließ, von denen die Revision jetzt selbst sagt, daß sie in Wahrheit nicht die geringste Sicherheit geboten hätten. Auf die obendrein irreführende Fassung dieser Erklärungen ist schon hingewiesen worden. Die Klägerin ihrerseits kann nadi dem Zusammenhang der Begründung des Berufungsurteils eine Erklärung des Inhalts, sie sei sich sofort darüber klar gewesen, daß das Angebot ihr keine Sicherheit versdiaffe, vor dem Berufungsgericht nicht abgegeben haben, da sie mit der festgestellten A n n a h m e des Verkaufsangebots a l s S i c h e r u n g unvereinbar wäre; auch hat der Beklagte keine Tatbestandsberichtigung beantragt. Sofern aber die Klägerin in der Verhandlung vor dem N o t a r erklärliche Zweifel an dem Sicherungswert des Angebots geäußert haben sollte, müssen sie gerade dadurch beschwichtigt worden sein, daß der Beklagte die Beurkundung des Verkaufsangebots zu dem ausgesprochenen Zwecke der Sicherung der Klägerin zuließ.

RGZ. 153, 257 f 1.—2 3. Begeht der Gerichtsvollzieher eine Amtspflichtverletzung gegenüber dem Ersteher, wenn er den von diesem gezahlten Kaufpreis vor der Ablieferung der zugeschlagenen Sache an den betreibenden Gläubiger abführt? WeimVerf. Art. 131. BGB. §§ 839, 929. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Lyck.

Urt. v. 15. Dezember 1936. II. Oberlandesgeridit Königsberg.

Aus den G r ü n d e n : Da hier die Besitzübertragung durch den Gerichtsvollzieher noch nicht erfolgt, sondern von ihm noch zu bewirken war, durfte er das

Staats- u n d B e a m t e n h a f t u n g

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Kaufgeld an den Gläubiger M. und andere Gläubiger, welche die Vollstreckung betrieben, einstweilen nicht abführen, mußte es vielmehr, bis die Besitzübertragung durch Fortschaffung der Gegenstände erfolgt war, zurückbehalten und nötigenfalls hinterlegen. Daß etwa die Klägerin es versäumt habe, rechtzeitig den Besitz zu ergreifen, ist nicht behauptet worden und nicht ersichtlich. Es kann auch nicht zweifelhaft sein, daß der Obergerichtsvollzieher B. durch die Abführung des Kaufgeldes an M. der Klägerin gegenüber seine Amtspflicht schuldhaft verletzt hat. Gewiß hat der Gerichtsvollzieher bei der Zwangsvollstreckung in erster Reihe die Belange des betreibenden Gläubigers und daneben in gewissem Umfange die Belange des Schuldners zu wahren. Aber aus der Stellung und den Aufgaben des Gerichtsvollziehers folgt, daß dort,. wo die Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit ihn nicht zum Eingriff in die Rechte Dritter nötigt, diese Rechte von ihm geachtet und gewahrt werden müssen. Aus diesem Grunde hat das Reichsgericht in RGZ. Bd. 87 S. 294 bereits ausgesprochen, daß dann, wenn gegenüber dem Pfändungsschuldner vom Vermieter das Vermieterpfandrecht geltend gemacht wird und eine die Einbehaltung des Erlöses anordnende Verfügung des Amtsgerichts zu erwarten ist, der Gerichtsvollzieher keineswegs sofort den Erlös an den Gläubiger abführen darf, sondern mit Rücksicht auf die Mitteilung von dem Bevorstehen einer gerichtlichen Anordnung damit abwarten muß. Der Versteigerungserlös ist zwar nach § 59 Abs. 4 der Geschäftsanweisung f ü r die Gerichtsvollzieher vom 24. März 1914 unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB.), an den Pfändungsgläubiger abzuführen. Wenn aber die Rechtslage zweifelhaft ist und deshalb gerichtliche Anordnungen alsbald zu erwarten sind, m u ß der Gerichtsvollzieher dem Rechnung tragen und diese Anordnungen abwarten, bevor er den Erlös abliefert. T u t er das, so handelt er pflichtgemäß; von einer schuldhaften Verzögerung der Ablieferung kann also in solchem Falle keine Rede sein. Das hat der Obergerichtsvollzieher B. im vorliegenden Falle nicht beachtet, sondern in einseitiger Berücksichtigung der Belange seiner Auftraggeber und in Verkennung seiner Amtspflichten die Versteigerung mit besonderer Beschleunigung durchgeführt, um die erwarteten Maßnahmen des Gerichts zu vereiteln. Aus demselben Grunde hat er einen Teil des Versteigerungserlöses abgeführt, obwohl er mit der Möglichkeit rechnete, daß der Kreiskommunalverband S. durch das Gericht Maßnahmen treffen lassen würde, welche die Entfernung der Sachen aus dem ihm gehörenden Mühlengebäude verhinderten. Da ihm auch Zweifel darüber gekommen waren, ob überhaupt eine wirksame Pfändung vorlag, mußte er die Maßnahmen des Gerichts, die er erwartete und die auch am folgenden Tage erfolgten, abwarten. Die Pfändungsgläubiger hatten Anspruch auf den Erlös nur, wenn die versteigerten Gegenstände dem Pfandschuldner gehörten; andernfalls mußten sie ihn

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Schuldredit, Besonderer Teil

nach Bereicherungsgrundsätzen zurückgeben. Es lag also bei der Zweifelhaftigkeit der Rechtslage gar kein G r u n d vor, mit besonderer Beschleunigung den Erlös weiterzugeben, obwohl die Klärung der Rechtslage durch das Geridit oder doch eine einstweilige Anordnung desselben unmittelbar zu erwarten war. Die Annahme einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Gerichtsvollziehers unterliegt also keinem Rechtsbedenken. Da die Klägerin 110 RM., die sie f ü r die hier fraglichen Sachen gezahlt hat, nach der einwandfreien Annahme des Berufungsgerichts nicht von anderer Seite zurüdcerlangen kann, m u ß der Beklagte ihr nadt 5 839 BGB., Art. 131 WeimVerf. den erlittenen Schaden ersetzen. RGZ. 154, 117 1. Wie verhält sich die Beamtenhaftungsvorschrift in § 839 BGB. zu den allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen? 2. Zur Frage der schuldhaften Amtspflichtverletzung, wenn ein Beamter im Rahmen seiner Zuständigkeit vorsätzlich oder fahrlässig an eine ausländische Behörde unwahre Mitteilungen über einen Dritten macht. BGB. §§ 823 flg., § 839. III. Z i v i l s e n a t .

U r t . v. 22. Januar 1937.

I. Landgericht Altona. II. Oberlandesgericht Kiel.

Der Kläger betreibt seit etwa 10 Jahren in H . ein Geschäft in elektromedizinischen Apparaten und Radiumtrinkbechern. Im Juni 1931 gründete er in Am. (Niederlande) ein weiteres selbständiges Gesdiäft unter der Firma D r . B. M. Am 23. März 1933 richtete das Gesundheitsamt der verklagten (preußischen) Stadtgemeinde d u r d i den Stadtarzt D r . T . ein Schreiben an die Polizeibehörde in Am., in dem sie diese darauf aufmerksam machte, daß es sich bei der Firma des Klägers nach den Feststellungen um eine der größten Kurpfuscher- und Schwindelfirmen Deutschlands handele, und ihr anheimstellte, da in Holland die Kurpfuscherei verboten sei, sofort gegen die Firma vorzugehen. Im folgenden wurde noch mitgeteilt, daß der Inhaber der Firma B. M. in H . ein vielfach vorbestrafter Mann sei. Er sei zuletzt wegen fortgesetzter Hehlerei zu 6 Monaten Gefängnis und 1928 wegen Beihilfe zu fortgesetztem Betrug zu 5000 RM. Geldstrafe u n d 4 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Firma in Am. sei wohl auch falsch eingetragen, da B. M. keineswegs den Doktortitel besitze. Es schwebten in Deutschland gegen ihn die verschiedensten Strafverfahren wegen prahlerischer Anpreisung, wegen Betruges, fahrlässiger Körperverletzung u. dgl. Der Sachbearbeiter eines großen Sammelstrafverfahrens in H., Oberstaatsanwalt Dr. R., werde sicherlich, falls erwünscht, auch weitere Angaben machen.

Staats- und Beamtenhaftung

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A m 15. März 1934 erschien in der Abendausgabe der Am.-er Zeitung „Her V o l k " ein Aufsatz, in dem der Leiter des Gesundheitsdienstes in Am. vor dem Ankauf von Hochfrequenzapparaten, Radiumtrinkbechern usw. unter Hinweis darauf warnte, daß die Vertreter dieser Artikel nicht selten das Publikum durch betrügerische Vorspiegelungen über die Heilwirkungen zum Kauf zu bewegen suchten, daß diese meist deutschen Artikel vor allem von Minderbemittelten zu einem in keiner Weise gerechtfertigten Preis auf Abzahlung gekauft würden und daß die wachsende Zahl der Klagen über betrügerische Anpreisungen, insbesondere über das Ausbleiben der versprochenen Heilung, Anlaß gebe, darauf näher einzugehen. Im Anschluß daran wurde das erwähnte Schreiben des Gesundheitsamts der Beklagten seinem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben. Der Kläger hat vorgebracht, dieser auf das Schreiben der Beklagten zurückzuführende Aufsatz in der Am.-er Zeitung habe sein Am.-er Unternehmen derart geschädigt, daß er es nicht mehr habe weiterbetreiben können, sondern in der Folgezeit habe auflösen müssen. Dieses Schreiben, das in seinen Vorwürfen gegen ihn jeder Grundlage entbehre und lediglich auf eine rein persönliche Einstellung des Stadtarztes Dr. T . gegen ihn zurückzuführen sei, stelle eine unerlaubte Handlung der Beklagten, jedenfalls aber eine vorsätzliche oder doch mindestens fahrlässige Amtspflichtverletzung des Stadtarztes Dr. T . dar. Die Beklagte habe daher für den dem Kläger aus dieser Handlungsweise unmittelbar oder mittelbar erwachsenen Schaden einzustehen. Er hat dementsprechend die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Schadensteilbetrags von 6100 R M . beantragt. Die Beklagte hat Klagabweisung begehrt und u. a. geltend gemacht, die in dem Schreiben gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe bestünden zu Recht. Der Stadtarzt Dr. T . sei im Rahmen seiner Amtsbefugnisse tätig geworden und habe die Polizeibehörde in Am. auf das Gebaren des Klägers aufmerksam machen müssen, um einer Schädigung des deutschen Handels und Ansehens im Auslande entgegenzutreten. Eine schuldhafte Amtspflichtverletzung liege nicht vor. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Seine Revision blieb ohne Erfolg. Aus den G r ü n d e n : 1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Stadtarzt D r . T . als kommissarischer Kreisarzt kreisärztliche Befugnisse. Ihm lag in dieser Eigenschaft die Bekämpfung des Kurpfuschertums auch nach der Richtung ob, daß er bei Zuwiderhandlungen gegen das Verbot unlauterer Ankündigungen an die zuständige Stelle Anzeige zu erstatten hatte. Das Berufungsgericht führt dazu weiter aus, Dr. T . habe bei dieser Bekämpfung des Kurpfuschertums an den Grenzen weder der verklagten Stadt A. noch des Deutschen Reiches Halt machen müssen. Jedenfalls entspreche es dem Sinne der geltenden Vorschriften, daß HeilmittelZ i » i l « . Scbultlredit II

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betrüger auch über die Grenzen des Reichs hinaus verfolgt würden und daß zu diesem Zweck ausländischen Behörden gegebenenfalls mit Anzeigen und Auskünften an die Hand gegangen werde. Keinesfalls habe Dr. T. schuldhaft gehandelt, wenn er sidi für befugt gehalten habe, derartige Anzeigen auch nach dem Auslande hin zu erstatten. Die Revision hält die Ansicht des Berufungsgerichts f ü r unrichtig, weil ein Tätigwerden deutscher Behörden im Auslande nur auf diplomatischem Wege möglich sei. War Dr. T. als kommissarischer Kreisarzt tätig — was offenbar auch die Revision nicht in Zweifel zieht —, so kommt eine sachliche Zuständigkeitsüberschreitung nicht in Betracht, da die von ihm getroffene Maßnahme als solche zu seinem Tätigkeitsbereich gehörte. Auch eine örtliche Zuständigkeitsüberschreitung scheidet aus, da die Erstattung einer Anzeige oder die Erteilung von Auskünften durch Dr. T. an außerhalb seines örtlichen Zuständigkeitsbereichs zur Bekämpfung des Kurpfuschertums amtlich zuständige Stellen nicht der Vornahme einer Amtshandlung durch ihn in einem örtlich fremden Zuständigkeitsbereich gleichzusetzen ist. Es kann sich hiernach nur fragen, ob die Annahme der Revision zutrifft, es sei darin, daß sidi Dr. T. unmittelbar an eine ausländische Behörde gewendet und nicht den sog. diplomatischen Weg beschritten hat, eine für den Sdiaden ursächliche Amtspflichtverletzung zu erblicken. Das kann aber dahingestellt bleiben. Denn nach den Urteilsfeststellungen hielt sich Dr. T. f ü r befugt, sich unmittelbar an die Am.-er Polizeibehörde zu wenden. Damit wird eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung ohne weiteres verneint. Aber auch die Verneinung der Fahrlässigkeit begegnet in dieser Hinsicht keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Auf polizeilichem Gebiet besteht ein unverkennbares Bedürfnis zur Zusammenarbeit inländischer mit ausländischen Behörden. Erfahrungsgemäß hat dieses Bedürfnis, audi wenn zwischenstaatliche Abmachungen hierüber fehlen, jedenfalls insoweit, als ein anderes nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist und die in Betracht kommenden ausländischen Behörden sich nicht ablehnend verhalten, die Aufnahme eines unmittelbaren Geschäftsverkehrs zwischen In- und Ausland stark gefördert und die Grenzen zwischen der Zulässigkeit und der U n zulässigkeit eines solchen Verkehrs verwischt. Wenn unter diesen U m ständen Dr. T. wirklich zur Beschreitung des diplomatischen Weges gehalten gewesen wäre und den Weg des unmittelbaren Geschäftsverkehrs zu Unrecht gewählt hätte, so könnte gegen ihn unter diesem Gesichtsp u n k t allein der Vorwurf fahrlässigen Handelns um so weniger gerechtfertigt werden, als die Entscheidung darüber, auf welchem Wege polizeiliche Mitteilungen an ausländische Stellen oder Behörden zu erfolgen haben, nicht selten von Zweckmäßigkeitserwägungen beeinflußt und so zur Ermessensfrage wird und als auch das Oberlandesgericht nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, der unmittelbare Geschäftsverkehr sei bei der gegebenen Sachlage statthaft und im Sinne der bestehenden Vorschriften geboten gewesen. . . .

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2. Hielt sich Dr. T . zu einer amtlichen Mitteilung über den Kläger an die Am.-er Polizeibehörde für befugt, so hatte er nach seinem E r messen zu entscheiden, ob und mit welchem Inhalt er eine solche Mitteilung machen wollte. Er mußte dabei aber die Grenzen sachlichen Ermessens einhalten. Ob er das getan hat, ist von den Gerichten nachzuprüfen (vgl. R G Z . Bd. 121 S. 232, Bd. 125 S. 307). Innerhalb dieser Grenzen wäre D r . T . z. B. zweifellos nicht geblieben, wenn er sich bei seinem Vorgehen gegen den Kläger von sachfremden Beweggründen hätte leiten lassen (vgl. R G Z . Bd. 147 S. 183), wenn er sich also etwa, wie der Kläger behauptet, zu seinem Vorgehen gegen diesen nur aus „Animosität" entschlossen hätte. Daß das der Fall gewesen wäre, verneint indessen das Berufungsgericht ohne ersichtlichen Rechtsirrtum . . . (Wird näher ausgeführt.) Der Revision kann auch nicht zugegeben werden, daß die Entschließung des D r . T . , sich wegen des Klägers unmittelbar an die Am.-er Polizeibehörde zu wenden, schon an sich, weil sie die Wahl eines durch den zu erreichenden Zweck nicht gerechtfertigten Mittels bedeute, so fehlsam sei, daß sie die Grenzen sachlichen Ermessens überschreite, indem sich die Fehlerhaftigkeit dieser Ermessensentscheidung jedem sachlichen Beurteiler ohne weiteres aufdränge. Dr. T . war, wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhange festgestellt hat, davon überzeugt, daß der Kläger ein Schwindelunternehmen betrieb, und er wußte, daß der Kläger deswegen im Inland zur Verantwortung gezogen wurde. Dr. T . war ferner bekannt, daß der Kläger vom Inland aus in Holland ein Gesdiäft mit inländischen Erzeugnissen gleicher A r t wie im Inlande betrieb. Er war der Ueberzeugung, daß auch in Holland die Kurpfuscherei verboten war. V o m Standpunkt der Bekämpfung der Kurpfuscherei im allgemeinen sowie der Wahrung des deutschen Ansehens im Auslande war es bei dieser Sachlage durchaus sachgemäß, die Aufmerksamkeit der zuständigen holländischen Behörde auf den Am.-er Geschäftsbetrieb des Klägers zu lenken. Dabei ist es für die hier zu entscheidende Frage gleigültig, ob Dr. T . dies selbst tat oder ob er es seiner vorgesetzten Dienststelle oder einer anderen Stelle überließ, die erforderlichen Mitteilungen an die zuständige holländische Stelle gelangen zu lassen. Im Ermessen des Dr. T . stand es ferner, inwieweit er der holländischen Behörde die ihm bekannten Tatsachen und eigene Folgerungen daraus sowie eigene Werturteile über den Kläger mitteilen wollte. Dieses Ermessen mußte aber seine Grenze finden in der ihm bei einer solchen Mitteilung obliegenden Pflicht zur Wahrhaftigkeit. Verletzte Dr. T . diese Wahrheitspflicht, die eine ihm dem Kläger gegenüber obliegende Amtspflicht darstellt, vorsätzlich oder fahrlässig, so muß die Beklagte — vorbehaltlich des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. — für den dem Kläger dadurch verursachten Schaden aufkommen. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts war daher nachzuprüfen, ob dem Dr. T . insoweit ein 12»

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Sdiuldrccht, Besonderer Teil

Verschulden zur Last fiel, ob er also etwa wider besseres Wissen unrichtige Behauptungen in die Mitteilung aufgenommen hat oder Behauptungen, mit deren Unrichtigkeit er rechnete oder die er bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt als unrichtig erkennen mußte. Es kommt daher darauf an, ob die vom Berufungsgericht in dieser Hinsicht hilfsweise angestellten Erwägungen Bedenken begegnen. Auf Rechtsirrtum beruht die Auffassung des Berufungsgerichts über das rechtliche Verhältnis zwischen den §§ 824 und 839 BGB. Das Berufungsgericht f ü h r t dazu aus, nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts sei zwar die Beamten- und Staatshaftung in Art. 131 WeimVerf. in Verbindung mit § 839 BGB. abschließend geregelt. Das Reichsgeridit habe aber auch innerhalb der Beamtenhaftung ausgesprochen, daß eine Amtspflichtverletzung stets vorliege, wenn ein Beamter in sittenwidriger Weise einen anderen vorsätzlich geschädigt habe; es habe also den Tatbestand der Amtspflicht Verletzung f ü r gegeben erachtet, wenn die Handlung des Beamten gegen § 826 BGB. verstoße. Umgekehrt müsse dann aber auch das Handeln des Beamten im allgemeinen da als schuldlos angesehen werden, wo die gleiche Handlung eine Privatperson von Verantwortung befreie, d. h. es müsse auch der Beamte sich gemäß § 824 Abs. 1 BGB. damit entschuldigen können, daß er die Unwahrheit der Mitteilung nicht gekannt habe und nicht habe kennen müssen. Die Revision bezeichnet diesen Umkehrschluß mit Recht als Trugschluß. Zutreffend ist der Augsgangspunkt des Berufungsgerichts. Denn einer ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts ist die Haftung des Beamten für die von ihm begangenen unerlaubten Handlungen — hier handelt es sich nur um einen in Ausübung anvertrauter öffentlicher Gewalt handelnden Beamten — in § 839 BGB. abschließend und selbständig in dem Sinne geregelt, daß neben dieser Vorschrift die Bestimmungen in den §§ 823 flg. BGB. über die allgemeine Deliktshaftung keine Anwendung finden können (vgl. RGZ. Bd. 139 S. 152). Der Beamte haftet also nur, wenn die von ihm begangene unerlaubte Handlung die Verletzung einer ihm dem geschädigten Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht darstellt und wenn nicht die in Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 des § 839 BGB. bestimmten Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Haftung in Abweichung von den allgemeinen Deliktsvorschriften ausgeschlossen ist. Die Frage, ob eine Amtspflichtverletzung vorliegt, ist dabei völlig selbständig zu entscheiden. Doch schließt der § 839 BGB. die §§ 823 flg. BGB. hinsichtlich der Feststellung einer Amtspflichtverletzung insofern ein, als eine Amtspflichtverletzung jedenfalls immer dann als vorliegend angesehen werden muß, wenn von dem Beamten bei der Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt der Tatbestand einer unerlaubten Handlung im Sinne der letzgenannten Vorschriften verwirklicht worden ist. So ist der vom Berufungsgericht offenbar aus der Entscheidung des V. Zivilsenats vom 21. Juni 1933 V 392/32 (RGZ. Bd. 140 S. 423 [430]) angeführte Satz zu

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verstehen, daß eine Amtspflichtverletzung stets vorliege, wenn ein Beamter in sittenwidriger Weise einen anderen vorsätzlich geschädigt habe. Aus diesem Satze kann jedoch nicht nach der anderen Seite gefolgert werden, eine Amtspflichtverletzung liege nur vor, wenn der Tatbestand einer unerlaubten Handlung im Sinne der §§ 823 flg. BGB. verwirklicht sei. Das tut aber das Berufungsgericht, indem es annimmt, daß ein Beamter für eine in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit einem Dritten zugefügte Kreditgefährdung nicht in weiterem Umfange und nur unter den Voraussetzungen zu haften habe wie eine Privatperson. Das Berufungsgericht verkennt insoweit den Begriff der Amtspflichtverletzung, der ein selbständig zu beurteilendes Tatbestandsmerkmal des § 839 B G B . ist, durch das die Voraussetzungen für die Amtshaftung des Beamten gegenüber den allgemeinen Deliktsvorschriften unter Umständen erheblich erweitert werden. Die Rechtslage ist also die, daß die Beamtenhaftung einerseits gegenüber den sie beschränkenden Bestimmungen in § 839 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 BGB. nicht dadurdi erweitert werden kann, daß beim Vorliegen eines der Tatbestände der §§ 823 flg. das. diese V o r schriften neben § 839 angewendet werden, anderseits, wenn die erwähnten Haftungsbeschränkungen nicht vorliegen, nicht allein deswegen ausgeschlossen werden darf, weil einer der allgemeinen Deliktstatbestände nicht oder nicht voll verwirklicht ist. Eine sdiuldhafte Amtspflichtverletzung des Dr. T . kann nach alledem jedenfalls insoweit nicht in Frage kommen, als der Inhalt seiner Mitteilung an die holländische Behörde der Wahrheit entsprochen hat . . . (Dies wird weiter im einzelnen untersucht und dann, soweit die Mitteilung die Vorstrafen des Klägers, die schwebenden neuen Strafverfahren und die Führung des Doktortitels betraf, ihre Wahrheit bejaht.) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, daß Dr. T . nach den Vorgängen der Ueberzeugung sein d u r f t e , es handle sich bei der Firma des Klägers um eine der größten Kurpfuscher- und Schwindelfirmen Deutschlands, und es hat demgemäß auch kein fahrlässiges Verschulden des Dr. T . darin erblickt, daß er sich in der Mitteilung an die Am.-er Polizeibehörde dieser Ausdrucksweise bedient hat. A u d i dieser Auffassung des Berufungsgerichts kann aus Rechtsgründen nicht entgegengetreten werden. Zunächst liegt auf der Hand, daß die Kennzeichnung der Firma des Klägers in dem angegebenen Sinne für sich keine Tatsache darstellt, die als solche unmittelbar dem Beweise zugänglich wäre. Sie beruht auf einer Schlußfolgerung aus solchen Tatsachen und enthält hiernach eine Beurteilung, deren mehr oder minder subjektiver Charakter nach außen ohne weiteres erkennbar ist. Das ist für die Nachprüfung des Berufungsurteils nach zwei Richtungen bedeutsam. a) Zunächst durfte Dr. T . damit rechnen, daß auch die holländische Polizeibehörde bei der Prüfung seiner Mitteilungen von einem mehr oder minder subjektiven Charakter dieser Beurteilung ausgehen werde.

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

N i m m t man dazu, daß die Mitteilung nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt war und daß Dr. T. nicht annehmen konte, die holländische Polizei werde, anders als die deutsche Polizeibehörde im umgekehrten Falle verfahren wäre, auf die Mitteilung hin ohne vorherige eigene Ermittlungen . . . in den Niederlanden gegen den Kläger vorgehen und dies namentlich durch eine dritte Stelle und durch Veröffentlichung der Mitteilung tun, so erscheint die Ansicht des Berufungsgerichts rechtlich unbedenklich, daß an die Sorgfaltspflicht des Dr. T. hinsichtlich der Ausdrucksweise in seiner Mitteilung nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden dürfen. Es ist hiernach nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht die Mitteilung im ganzen und deren Sinn wertet und dem Dr. T. zubilligt, daß er bei der Wahl starker Ausdrücke nicht besonders bedenklich zu sein brauchte. b) Ferner aber rückt der Umstand, daß hier keine dem Beweise zugängliche Tatsache als solche, sondern eine Folgerung aus Tatsachen, eine Tatsachenbeurteilung, in Frage steht, das Verhalten des Dr. T. stark in das Ermessensgebiet. Eine fahrlässige schuldhafte Amtspflichtverletzung könnte hiernach dem Dr. T. in der hier in Rede stehenden Hinsicht nur zum Vorwurf gemacht werden, wenn er, sei es bei der Wahl seiner Ausdrucksweise, sei es bei der Würdigung der für die Beurteilung vorliegenden tatsächlichen Unterlagen, die ihm obliegende Sorgfaltspflicht in einem Maße außer acht gelassen hätte, daß sein Verhalten als unsachlich anzusehen wäre. Das erstere trifft hier nicht zu, wie bereits den Darlegungen zu a) zu entnehmen ist. In letzterer Hinsicht ergeben aber die Feststellungen des angefochtenen Urteils zugunsten des Dr. T. so starke Anhaltspunkte für die Richtigkeit seines Werturteils, daß er davon überzeugt sein durfte, und daß der Vorwurf der Fahrlässigkeit jedenfalls in dem angegebenen Sinne vom Berufungsgericht mit Recht verneint worden ist. Solche sich aufdrängende Anhaltspunkte bieten einmal die dem Dr. T. bekannte Tatsache, daß der Kläger fünfmal, darunter wegen Betrugs und wegen Hehlerei, vorbestraft ist — wobei es dem Dr. T. genügen konnte, daß diese Vorstrafen, auch wenn sie weiter zurücklagen, auf ein unlauteres Verhalten des Klägers hinweisen und insofern einschlägig waren, und er sich nicht darüber zu unterrichten brauchte, ob die Vorstrafen gerade mit dem Geschäftsbetriebe des Klägers zusammenhingen —, ferner die Beurteilung, die das Verhalten des Klägers im Jahre 1928 in dem von dem Berufungsgericht angeführten Strafurteil erfahren hatte — wobei es nicht darauf ankommen mußte, ob jenes Urteil gerade einen Heilmittelbetrug zum Gegenstand hatte —, das Auftreten des Klägers im Ausland unter Beilegung eines D o k t o r titels, obwohl der Kläger, wie Dr. T. wußte, im Inland einen solchen nicht führen durfte, und endlich die dem Dr. T. bekannten laufenden Neuanzeigen gegen den Kläger wegen Heilmittelbetrugs, die Dr. T. ernst nehmen durfte, wie sich daraus ergibt, daß sie zur Anklageerhebung

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durch die Staatsanwaltschaft Anlaß boten und das Oberlandesgericht jedenfalls eine sofortige Amnestierung des Klägers nicht für möglich gehalten hat. Fehlt es hiernach auch in dieser Hinsicht an einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Dr. T., so erübrigt es sich, auf die von der Revision in diesem Zusammenhang zur Frage des Ursadienzusammenhangs und gegen die Bejahung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB.) durch das Berufungsgericht vorgetragenen Bedenken weiter einzugehen. RGZ. 154, 266 Wird durch die Bestimmung des $ 152 Abs. 2 StPO. eine Amtspflicht der Staatsanwaltschaft gegenüber demjenigen begründet, der durch eine strafbare Handlung verletzt ist? BGB. § 839. V. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 24. März 1937.

I. Landgericht Koblenz.

Am 2. Juni 1927 brannte das landwirtschaftliche Anwesen des Klägers nieder. Dessen Klage gegen die Versicherungsgesellschaft auf Ersatz des Brandschadens wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts in K. vom 31. Dezember 1930 abgewiesen. In dieser Sache waren Sch., K., St., B. und P. als Zeugen vernommen und beeidigt worden. Gegen sie erstattete der Kläger am 19. Februar 1931 bei der Staatsanwaltschaft in K. Strafanzeige wegen Eidesverletzung. Das Verfahren wurde eingestellt, ohne daß die vom Kläger benannten Zeugen vernommen wurden. Die Beschwerde des Klägers wurde zurückgewiesen. Sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde durch Beschluß des Oberlandesgerichts in K. vom 24. Juli 1931 verworfen, weil er den Erfordernissen des § 172 Abs. 2 StPO. nicht genügte und der Nachweis der Vollmacht des Rechtsanwalts M. fehlte. Der Bruder des Klägers, Johann S., erstattete darauf am 20. Juli 1933 wiederum eine Strafanzeige wegen Eidesverletzung gegen die Zeugen Sch. und K. Dieses Ermittlungsverfahren wurde am 16. August 1933 eingestellt, weil keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht worden seien, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde zurückgewiesen. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde durch Beschluß des Oberlandesgerichts in K. vom 27. Oktober 1933 als unzulässig verworfen. Im Jahre 1935 erstattete der Kläger wiederum Strafanzeige. Das Verfahren wurde eingestellt, die Beschwerde des Klägers wurde zurückgewiesen, der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde verworfen. Der Kläger hat nunmehr vorgetragen, in dem Versicherungsprozeß hätten die Zeugen Sch., K., St., B. und P. vorsätzlich oder fahrlässig ihre

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Eidespflicht verletzt. Der Oberstaatsanwalt habe es in den verschiedenen Ermittlungsverfahren gegen diese Personen vorsätzlich unterlassen, den Sachverhalt durch V e r n e h m u n g der v o m Kläger benannten Zeugen aufzuklären. Wie sich in zwei Strafverfahren gegen ihn und seinen Bruder ergeben habe, sei es jetzt nicht mehr möglich, die Zeugen des Versicherungsprozesses der Verletzung ihrer Eidespflicht zu ü b e r f ü h r e n . D e m Kläger sei somit die Möglichkeit genommen, die W i e d e r a u f n a h m e des Rechtsstreits gegen die Versicherungsgesellschaft durch Erhebung der Restitutionsklage herbeizuführen. Sein Schaden bestehe in dem Verlust seines Versicherungsanspruchs. Diesen Schaden habe der Oberstaatsanwalt durch die vorsätzliche Verletzung seiner Amtspflicht verursacht. D e r Kläger hat mit der Klage n u r den Teilbetrag v o n 20 RM. beansprucht u n t e r Berufung darauf, d a ß er nicht auf andere Weise Ersatz erlangen könne, da die Zeugen des Versicherungsprozesses kein Vermögen hätten. Der Beklagte hat erwidert, der Oberstaatsanwalt habe in keinem Fall eine ihm gegenüber dem Kläger obliegende Amtspflicht verletzt. Eine Verletzung der Amtspflicht sei auch überhaupt nicht gegeben, da der Zweck der Ermittlungsverfahren lediglich die Feststellung gewesen sei, o b den Beschuldigten eine strafbare Eidesverletzung nachgewiesen werden könne, nicht aber der, festzustellen, wie die tatsächlichen Vorgänge, die dem Zivilprozeß zugrunde lagen, gewesen seien. Der Kläger müsse sich weiter entgegenhalten lassen, daß der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in dem ersten Ermittlungsverfahren v o n seinem Anwalt nicht ordnungsgemäß gestellt w o r d e n sei (§ 839 Abs. 3 BGB.). Der Beklagte hat weiter geltend gemacht, daß eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung nicht in Frage k o m m e n könne u n d die Voraussetzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. nicht gegeben sei. Schließlich hat er auch den Einwand der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die vom Kläger mittelbar eingelegte Revision hatte keinen Erfolg.

un-

Gründe: Die Klage scheitert schon daran, daß die Dienstpflicht, deren V e r letzung der Kläger den Beamten der Staatsanwaltschaft v o r w i r f t , diesen keinesfalls dem Kläger gegenüber oblag. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts ist die Frage, ob dem Beamten eine Dienstpflicht gegenüber einem Dritten obliegt, unter Berücksichtigung des Amtskreises des Beamten u n d der Art des Geschäfts, das er verrichtet, zu beurteilen. Das Hauptgewicht ist hierbei auf den Zweck zu legen, dem die Amtspflicht dienen soll. Ist diese dem Beamten gerade zur W a h r u n g der Belange einzelner Personen auferlegt, so ist D r i t t e r jeder, dessen Belange nach der besonderen N a t u r des Amtsgeschäfts durch dieses berührt werden. So wird der Kreis der „ D r i t t e n " auf dem Gebiet des Beurkundungs- u n d Grundbuchwesens von der Rechtsprechung des Reichsgerichts weit gezogen. Ist der Zweck der Amtspflicht aber nur die Aufrechterhaltung

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der öffentlichen O r d n u n g , so handelt es sich nicht um eine dem Beamten einem D r i t t e n gegenüber obliegende Amtspflicht, mag dieser auch durch ihre Ausübung mittelbar betroffen werden (vgl. R G Z . Bd. 140 S. 423 [426 flg,] mit Nachweisen). Im Gegensatz zu dem Aufgabenkreis der Polizei, der die V e r h ü t u n g strafbarer H a n d l u n g e n auch z u m Schutze des einzelnen obliegt, wenigstens insoweit, als dieser durch die strafbare H a n d l u n g unmittelbar in seinen Rechten beeinträchtigt wird (RGZ. Bd. 147 S. 144 [146 flg.]), hat die Staatsanwaltschaft bei E r f ü l l u n g der ihr in § 152 Abs. 2 StPO. auferlegten Pflicht, wegen aller gerichtlich strafbaren u n d verfolgbaren Handlungen einzuschreiten, lediglich öffentliche Belange wahrzunehmen, indem sie zur W a h r u n g der Rechtsordnung den Schuldigen der Bestrafung z u f ü h r t . W e n n auch dem einzelnen, soweit er durch eine strafbare H a n d l u n g verletzt ist, in § 172 StPO. ein Antrags- u n d Beschwerderecht eingeräumt ist, so soll dieses doch n u r die D u r c h f ü h r u n g des in § 152 Abs. 2 a. a. O. anerkannten sog. Legalitätsprinzips sichern. Die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten dient daher ausschließlich der E r füllung der öffentlichen Strafgewalt des Staates. So ist denn auch schon in R G Z . Bd. 108 S. 249 dargelegt, daß die V e r h a f t u n g eines Beschuldigten u n d die auf die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft bezüglichen M a ß n a h m e n der Staatsanwaltschaft nur zur W a h r u n g der ö f f e n t lichen Belange erfolgen, nicht aber, um dem durch die Straftat Geschädigten dienlich zu sein, daß daher ihre Unterlassung keine Verletzung einer diesem gegenüber bestehenden Amtspflicht im Sinne des § 839 BGB. u n d des Art. 131 WeimVerf. darstellt. Dieser Grundsatz beansprucht bei der heute herrschenden Auffassung v o m Wesen u n d Zweck der ö f f e n t lichen Strafe um so stärkere Geltung. Dazu k o m m t folgendes: Nach der Vorschrift des § 152 Abs. 2 StPO. hat die Staatsanwaltschaft nur dann einzuschreiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte f ü r eine strafbare H a n d l u n g vorliegen, u n d wenn hinreichende Aussicht besteht, daß sich die öffentliche Klage genügend begründen lasse. Die B e a n t w o r t u n g dieser Fragen steht im pflichtmäßigen Ermessen der Staatsanwaltschaft. Bei Ermessensentscheidungen eines Beamten k a n n aber nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts nur dann eine Amtspflichtverletzung in Frage kommen, wenn ein Ermessensmißbrauch vorliegt (vgl. R G Z . Bd. 126 S. 164 [166], Bd. 140 S. 423 [430], Bd. 146 S. 35 [39]). Nach dieser Richtung fehlt es an jeder genügenden tatsächlichen Begründung der Klage. R G Z . 155, 186 t 1. Befindet sich ein Landespolizeibeamter, der als Fahrer eines Dienstfahrzeugs einen Offizier zu einer dienstlichen Besprechung zu befördern hat, hierbei in Ausübung öffentlicher Gewalt?

Sdiuldrecht, Besonderer Teil

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2. Stellt der infolge des Unfalltodes des Versicherten vorzeitig fällig gewordene Anspruch aus einer Lebensversicherung eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 859 Abs. 1 Satz 2 BGB. dar?*) WeimVerf. Art. 131. BGB. § 839. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 29. Juni 1937.

I. Landgericht Stuttgart. II. Oberlandesgeridit daselbst.

Aus den G r ü n d e n : I. Zur Revision des Beklagten. . . . Die Entscheidung hängt davon ab, ob das Berufungsgericht die rechtlichen Voraussetzungen des Art. 131 WeimVerf. und des § 839 BGB. rechtsirrtumsfrei bejaht hat Aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt sich, daß der Unfall mit einem Dienstmotorrad der Landespolizei geschehen ist, mit dem S., dessen Beamteneigenschaft auch von der Revision nicht angezweifelt wird, den Oberleutnant T. zu einer dienstlichen Besprechung nach Stuttgart brachte. Audi die Revision erkennt aus diesen Feststellungen die Erwägungen, die das Berufungsgericht zu der Annahme gebracht haben, S. habe in Ausübung anvertrauter öffentlicher Gewalt gehandelt. Sie meint aber, eine dienstliche Besprechung sei nicht als Ausübung öffentlicher Gewalt anzusehen und eine Fahrt zu einer solchen Besprechung auch nicht. Nun steht fest, daß Oberleutnant T. zur Zeit des Unfalls ebenso wie S. der Landespolizei angehörte und daß die Landespolizei sicherheitspolizeiliche Aufgaben zu erfüllen hat, also eine Tätigkeit ausübt, die auf dem Gebiet der inneren Verwaltung der Durchsetzung der Staatsgewalt, notfalls unter Anwendung obrigkeitlichen Zwanges, dient. Dienstliche Besprechungen, an denen Polizeioffiziere teilzunehmen haben, dienen der Erfüllung dieser Aufgaben, also polizeilichen Zwecken, liegen auf öffentlich-rechtlichem Gebiet und sind daher Ausübung öffentlicher Gewalt. Die Beförderung eines Polizeioffiziers zu einer solchen Besprechung steht aber im unmittelbaren Zusammenhange damit. Das dazu benutzte Fahrzeug ordnungsmäßig und unter Beobachtung aller für den Kraftfahrzeugverkehr getroffenen Bestimmungen zu führen, gehörte zu den Amtspflichten des S., die ihm auch gegenüber dem auf der Straße verkehrenden Publikum oblagen (vgl. RGZ. Bd. 125 S. 98 [99], Bd. 129 S. 303 [305]). Im übrigen muß der Revision in dieser Hinsicht der Erfolg auch im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung (s. RGZ. Bd. 126 S. 28 [32]) versagt werden, wonach als „Ausübung öffentlicher Gewalt" im Sinne des Art. 131 Weim.Verf. jede Amtsausübung anzusehen ist, d. h. jede dienstliche Betätigung eines Beamten des Reichs oder eines Landes oder einer sonstigen mit der Wahrnehmung von Hoheitsrechten betrauten öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die sich nicht als Wahrnehmung bürgerlich-rechtlicher Be*)

Vgl. audi Bd. 170 S. 37; Bd. 171 S. 19S.

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lange des öffentlich-rechtlichen Dienstherrn darstellt. Daß im vorliegenden Fall bei der Dienstfahrt des Oberleutnants T . zur Teilnahme an einer dienstlichen Besprechung nur irgendwie die Wahrnehmung bürgerlichrechtlicher Belange des Reichs oder damals des Württembergischen Staates hätte in Frage kommen können, dafür fehlt jeder Anhalt. II. Zur Revision der Kläger. Das Berufungsgericht hat nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. auf den Schadensersatzanspruch der Kläger zwei ihnen aus Anlaß des Todes des Willibald G. (des Ehemanns bzw. Vaters der Kläger) zugeflossene Versicherungssummen angerechnet, nämlich 3000 RM., womit dieser als Dauerbezieher der Zeitsdirift „Allgemeiner Wegweiser" für den Fall seines Unfalltodes versichert war, und 400 RM. aus einer „gewinnberechtigten Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall", die Willibald G. im Jahre 1924 gegen eine monatliche Prämie von 2,50 GM. bei der Germania von 1922 in Stettin abgeschlossen hatte und die 15 Jahre nach Beginn der Versicherung oder beim früheren Tode des Versicherten fällig wurde. Die zweite Versicherung wird vom Berufungsgericht als „Sterbegeldversidierung" bezeichnet. Das Berufungsgeridit führt zur Begründung der Anrechnung in Anlehnung an die Ausführungen des erkennenden Senats in R G Z . Bd. 145 S. 56 (62) aus: § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. stelle sich als eine Schutzbestimmung zugunsten des wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung in Anspruch genommenen Beamten dar. Dieser solle nur dann und insoweit haften, als der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermöge. Dieser Ersatz, der allerdings einen Rechtsanspruch voraussetze, brauche keineswegs mit den gegen den Beamten begründeten Haftungsansprüchen zusammenzufallen, brauche also kein Sdiadendeckungsanspruch zu sein. Er könne aus irgendeinem Rechtsgrunde herrühren, sei es aus Gesetz, sei es aus Vertrag; im letzteren Falle bestehe kein Unterschied zwischen den verschiedenen Arten von Versicherungsverträgen. Es sei nur zu fordern, aber auch genügend, daß der Ersatzanspruch demselben Tatsachen kreis wie der Haftungsanspruch entspringe. Das sei hier der Fall. Die Kläger müßten sich daher die Versicherungssummen von 3000 RM. und 400 RM. auf ihren Schaden anrechnen lassen, gleichviel ob es sich um eine Schadens- oder Kapitalversicherung handele. Die Revision wendet sidi gegen die Anrechnung der erwähnten „Sterbegeldversicherungssumme" von 400 RM. Sie meint, es müsse für die Frage der Anrechnung nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. zwischen Schadensversicherungen und Personenversicherungen unterschieden werden, da diese für die Anwendung der erwähnten Vorschrift erheblidae Unterschiede aufwiesen. Insbesondere werde die Sterbegeldversidierung, anders als die Schadensversicherung, abgeschlossen für einen Fall, der mit Gewißheit eintrete, und gerade deswegen, weil er mit Gewißheit eintreten werde. Dem entspreche es, daß für eine solche Versicherung die

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S d i u l d r e c h t , Besonderer T e i l

Prämien höher festgesetzt würden als bei der Schadensversicherung; ihre Zahlung stelle sich als eine A r t Spartätigkeit dar. Es handle sich übrigens bei der hier in Frage stehenden „Sterbegeldversicherung" um eine reine Lebens- oder Erlebensversidierung. Der erkennende Senat hat zu der Frage, inwieweit ein Schadensersatz, den der Geschädigte auf G r u n d eines Versicherungsvertrags erlangt, als Ersatz im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. zu gelten habe, zuletzt in seinem Urteil vom 14. Juli 1936 III 11/36 ( R G Z . Bd. 152 S. 20) Stellung genommen u n d d o r t an seiner bisherigen Rechtsprechung, insbesondere auch gegenüber den von der Revision angezogenen Ausf ü h r u n g e n von K e r s c h b a u m in JW. 1935 S. 2600, festgehalten. In der genannten Entscheidung hat es der erkennende Senat abgelehnt, die versicherungsreditliche Unterscheidung zwischen Schadensversicherungen einerseits u n d Personenversicherungsarten anderseits f ü r die A n w e n d u n g des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. maßgebend sein zu lassen. Er hat denn auch angenommen, daß sich der Geschädigte nach dieser Vorschrift auf seinen Schaden auch dasjenige anrechnen lassen müsse, was er auf G r u n d eines privaten Unfallversicherungsvertrags aus Anlaß des den Schaden verursachenden Unfalls erlangt hat. N u n m e h r ist zu der in jener Entscheidung offengebliebenen Frage Stellung zu nehmen, ob die gekennzeichneten Grundsätze auch bei einer Lebensversicherung des Geschädigten Anwendung finden müssen. W e n n auch das Berufungsgericht die von G. bei der Germania v o n 1922 abgeschlossene Versicherung als „Sterbegeldversicherung" bezeichnet hat u n d die sog. „Kleinlebensversicherung" meist als „Sterbegeldversicherung" gedacht sein mag, so ist doch auf die Kleinlebensversidierung. u n d zwar gerade im vorliegenden Fall, nach den Grundsätzen der Lebensversidier u n g aufgebaut und geordnet. Für die Lebensversicherung aber können die zur Frage der A n w e n d u n g des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. f ü r Schadensversidierungen u n d f ü r die Unfallversicherung maßgebenden Grundsätze nicht angewendet werden. Ziel u n d Zweck einer Lebensversicherung ist, in aller Regel wenigstens, nicht eine Schadensdeckung, sondern eine Kapital- oder Rentenvorsorge, im Erlebensfall f ü r eigene Zwecke des Versicherten, im Todesfall f ü r die Angehörigen. Die Lebensversicherung stellt also eine besondere Art des Sparens dar, die bei der hier vorliegenden abgekürzten Lebensversicherung dadurch gekennzeichnet wird, daß die Sparsumme schon vor dem f ü r den Erlebensfall bestimmten Z e i t p u n k t zahlbar ist, wenn der Versicherte vorher stirbt, dann allerdings mit einem v o n der Versicherungsgesellschaft getragenen Zuschlag zur A u f f ü l l u n g des Sparguthabens auf die volle H ö h e der Versicherungssumme. Bei der Lebensversicherung steht hiernach v o n vornherein fest, daß die Versicherungss u m m e (oder mindestens diese) dem Versicherten persönlich oder seinen Angehörigen in jedem Falle zugute k o m m e n muß, mag der Versicherte den Z e i t p u n k t ihrer Fälligkeit erleben, mag er vorher sterben, mag sein

S t a a t s - und B e a m t e n h a f t u n g

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T o d ein natürlicher oder mag er durch einen Unfall herbeigeführt sein. Diesem Zweck entsprechend und erst in zweiter Reihe nach Maßgabe des durch die Möglichkeit eines frühzeitigen Todes des Versicherten bedingten Wagnisses wird die Höhe der Prämien bestimmt. Diese Prämien sind daher ihrem Wesen nach hier als Spargelder anzusehen. Stirbt der Versicherte vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit infolge eines Unfalls, so ist der Unfall nur der äußere Anlaß für den vorzeitigen Eintritt der Fälligkeit. Sie würde genau so eintreten, wenn der frühzeitige T o d des Versicherten nicht durch den Unfall verursacht würde, sondern infolge Krankheit einträte. Der innere Grund für die Lebensversicherung ist daher auch beim T o d infolge Unfalls nicht die Sicherung einer Schadensdedeung, sondern die vorzeitige Auszahlung eines an sich einmal fällig werdenden Sparguthabens trotz nicht voller Leistung der Sparprämien. Wollte man den Anspruch aus einer Lebensversicherung auf den durch einen Unfall des Versicherten herbeigeführten Schaden anrechnen, so würde man dem Versicherten einen Anspruch nehmen, den er ohne den Unfall behalten hätte und im Zeitpunkt seiner Fälligkeit hätte verwirklichen können. Uebrigens stellt die Lebensversicherung auch schon vor der Fälligkeit einen Vermögenswert dar, der durch Rückkauf oder Beleihung usw. nutzbar gemacht werden kann. Dieser Vermögenswert ist kein Ersatz für den erlittenen Schaden und kann deshalb nicht nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. angeredinet werden. Dasselbe muß auch insoweit angenommen werden, als im Falle der durch den früheren T o d des Versicherten eintretenden vorzeitigen Fälligkeit des Versicherungsanspruchs Prämien erspart werden, zumal diese Ersparnis durch die Berücksichtigung des durch den früheren T o d bedingten Risikos bei der Bestimmung der Prämienhöhe einen gewissen Ausgleich findet. Der Versicherungsanspruch kann daher bei der Lebensversicherung nicht als Ersatzanspruch im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. angesehen werden. Hiernach ist die Versicherungssumme von 400 R M . vom Berufungsgericht zu Unrecht auf den Schaden der Kläger angerechnet worden. R G Z . 155, 218 f 1 *) 2. Wird mit der Bewilligung des Armenrechts für einen aussichtslosen Prozeß eine dem Antragsteller gegenüber bestehende richterliche Amtspflicht verletzt? 3. Kann die mit den Prozeßkosten belastete Partei aus der Anordnung einer überflüssigen Beweisaufnahme einen Anspruch wegen richterlicher Amtspflichtverletzung herleiten? BGB. § 839. ») Ueberholt.

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V. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 21. Juli 1937.

I. Landgericht Köln. II. Oberlandesgericht daselbst.

Der klagenden Stadtgemeinde sind Kosten dadurch erwachsen, daß der minderjährige Schüler Sch. sie verklagte, nachdem ihm vom Landgericht B. das Armenrecht bewilligt worden war. Sch. hatte beim Turnunterricht der Volksschule in B. einen Unfall erlitten, den er auf Verschulden des Turnlehrers zurückführte. Für die Schadensfolgen machte er die Klägerin als den Schulverband, in dessen Diensten der Lehrer gestanden habe, auf Grund des § 4 a preuß. Gesetzes vom 1. August 1909 (GS. S. 691) in der Fassung vom 14. Mai 1914 (GS. S. 117) verantwortlich. Nachdem das Landgericht über den Hergang des Unfalls Beweis erhoben hatte, wurde die Klage unter Belastung des damaligen Klägers mit den Kosten abgewiesen, weil die Stadt nicht die richtige Verklagte, weil aber auch keine Fahrlässigkeit des Lehrers festzustellen sei. Die von Sch. der damaligen Beklagten zu erstattenden Kosten wurden auf 455,55 RM. festgesetzt. Diese Kosten, die vom Schuldner nicht beizutreiben sind, verlangt die Klägerin nunmehr vom Beklagten ersetzt, weil ihre Prozeßaufwendungen auf schuldhafte Amtspflichtverletzung der Richter zurückzuführen seien, die dem Sch. das Armenrecht bewilligt hatten. Die Klägerin hat ferner auf Grund ihres Kostentitels die angeblichen Ansprüche des Sch. gegen den Beklagten aus einer diesem gegenüber begangenen Amtspflichtverletzung der Richter des Vorprozesses gepfändet und sidi zur Einziehung überweisen lassen. Die Pflichtverletzung der Richter, die nach Ansicht der Klägerin den Beklagten ihr und auch dem Sch. gegenüber haftbar macht, soll darin liegen, daß sie dem Sch. das Armenrecht bewilligt und so die Prozeßführung ermöglicht hätten, obgleich sie schon bei der Prüfung des Armenrechtsgesuchs darauf hingewiesen worden seien, daß für ein etwaiges Versehen des Lehrers an der Volksschule nicht die Stadtgemeinde, sondern der Staat aufzukommen haben würde. Weiter auch darin, daß trotz dieses im Laufe des Prozesses wiederholten Hinweises Beweis über den Hergang des Unfalls erhoben worden sei, wodurch überflüssige Beweisgebühren entstanden seien. Der Beklagte bestreitet, daß den Richtern bei der Prüfung des Armenrechtsgesuchs und bei der Prozeßleitung eine Amtspflicht gegenüber der Klägerin obgelegen habe, deren Verletzung ihn haftbar machen könne. Er bestreitet weiter eine Haftpflicht gegenüber Sch., da mit der Bewilligung des Armrenrechts und der Anordnung der Beweisaufnahme nur dessen Anträgen stattgegeben worden sei. Die Klägerin war bisher unterlegen. Auch ihre Revision blieb ohne Erfolg. Gründe: 1. Die Rechtsverfolgung des Schülers Sch. im Vorprozei? gegenüber der damaligen Beklagten, jetzigen Klägerin, hatte von vornherein keine

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Aussicht auf Erfolg, weil f ü r eine etwaige Amtspfliditverletzung des Volksschullehrers nicht die Stadtgemeinde, sondern der Staat haftete (preuß. Ges. v. 14. Mai 1914 — siehe oben —; vgl. RGZ. Bd. 84 S. 41, Bd. 85 S. 22). Dem Sch. hätte also das Armenrecht zu einer Klage gegen die Stadt B. verweigert werden sollen. Auszugehen ist weiter davon, daß die Bewilligung des Armenrechts ein richterliches Versehen darstellte, und daß die Klägerin im Falle richtiger Beschlußfassung die Kosten erspart hätte, deren Erstattung sie jetzt verlangt. Dieser Sachverhalt kann aber doch, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, deswegen nicht zu einer Haftung des Reichs für die der Klägerin sdiädlichen Folgen des Versehens der Richter führen, weil diese mit der Bewilligung des Armenrechts keine ihnen der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt haben, so daß aus diesem Grunde § 839 BGB. und Art. 131 WeimVerf. nicht zugunsten der Klägerin anzuwenden sind (. . . wird ausgeführt) . . . Das Berufungsgericht ist bei der Verneinung einer dem Gegner der bedürftigen Partei gegenüber bestehenden Amtspflicht des Richters zu sachgemäßer und erschöpfender Prüfung des Vorbringens des Antragstellers wesentlich den in RGZ. Bd. 135 S. 110 entwickelten Gedankengängen gefolgt. Es sieht die dem Gericht obliegende Prüfung als eine zur Wahrung geordneter Rechtspflege und zur Verhütung zweckloser Kostenbelastung der Staatskasse dienende Maßnahme an, die aber, nicht zum Schutze der Belange des Anspruchsgegners bestimmt sei. Daran ist nach seiner Meinung auch durch die sich aus der Notverordnung vom 6. Oktober 1931 (6. Teil, § 11 — RGBl. I S. 537, 563) ergebende Verschärfung der Prüfungspflicht nichts geändert worden. Denn deren Zweck sei eine Entlastung der Staatskasse gewesen, ohne daß aber die Stellung des Gegners im Armenrechtsverfahren grundsätzlich habe umgestaltet werden sollen. Dieser Standpunkt des Oberlandesgerichts ist zu billigen. Anzuknüpfen ist an die in der erwähnten Entscheidung des III. Zivilsenats des Reichsgerichts (Bd. 135 S. 110) enthaltenen Darlegungen, denen der jetzt erkennende Senat beipflichtet. Die Beschränkung der Armenrechtsbewilligung auf Fälle, in denen die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Verteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos war, gab Anlaß zu Vorprüfungen, die aber nur vorläufig und abgekürzt sein sollten und keine Anhörung des Gegners zu umfassen brauchten. Daraus und aus dem Fehlen eines Beschwerderechts gegen Armenrechtsbewilligungen wurde mit Recht gefolgert, daß die Gesuchsprüfung nicht zur Wahrung der Belange des Gegners, sondern n u r zur Aufrechterhaltung geordneter Rechtspflege und zur Vermeidung unnützer Ausgaben der Staatskasse bestimmt sei. Wohl brachte nun die im vorliegenden Falle maßgebende Neuregelung der Notverordnung eine Beschränkung der Armenrechtsbewilligung auf Fälle, wo mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Er-

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folg zu erwarten ist, ferner eine Erweiterung des Prüfungsverfahrens mit der Möglichkeit, dem Antragsteller eine Glaubhaftmachung aufzuerlegen, und regelmäßig mit Anhörung des Gegners. Damit war eine möglichst weitgehende Ausscheidung von Streitigkeiten beabsichtigt, die diese Vergünstigung nicht verdienten. Aber doch keine grundsätzliche Aenderung des Armenrechtsverfahrens, insbesondere des Zweckes der Gesuchsprüfung. Das mit diesen Aenderungen erstrebte Ziel war die Entlastung der Geridite von unnützen Prozessen, was um so dringlicher war, als zunehmende wirtschaftliche N o t im Jahre 1931 immer weiteren Kreisen die Möglichkeit einer Prozeßführung auf eigene Kosten nahm (vgl. V o l k m a r in JW. 1931 S. 2890; J o n a s in JW. 1931 S. 3519). Die Ausscheidung unnützer Reditstreite sollte audi die Staatskasse entlasten, worauf die Ueberschrift des Kapitels I im sechsten Teil der Notverordnung „Vereinfachung und Ersparnisse" hinweist. War dabei zwar weiter daran gedacht, daß eine gründlichere Vorprüfung auch den Gegnern der Armenrechtsbewerber zugute kommen werde, so sollte das doch nur eine günstige Nebenwirkung des neuen Verfahrens sein, war aber nicht Ziel und Zweck der Aenderung. Man darf allerdings, wie die Revision mit Recht bemerkt, nicht den Gegensatz aufstellen, daß eine gegenüber dem Staate bestehende Amtspflicht das Bestehen einer solchen gegenüber einem Dritten ausschließe und umgekehrt. Aber man kann von einer Amtspflicht, deren Erfüllung in erster Linie allgemeinen Belangen der Rechtspflege und der Staatskasse dienen soll, doch nicht sagen, sie sei dem Beamten gerade im Interesse des einzelnen auferlegt (vgl. RGZ. Bd. 78 S. 243, Bd. 135 S. 113, Bd. 154 S. 266). Ein besonders wichtiges Anzeichen dafür, daß mit der Prüfung des Armenrechtsgesuchs keine dem Armenrechtsgegner gegenüber bestehende Amtspflicht erfüllt wird, ist das Fehlen eines Beschwerderechts des Gegners gegenüber dem Bewilligungsbeschluß. Das wurde auch durch die Notverordnung nicht geändert. 2. Abwegig ist weiter der Gedanke der Klägerin, mit der Armenrechtsbewilligung für den aussichtslosen Prozeß hätten die Richter eine ihnen dem Sch. gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt und die H a f t barkeit des Reichs f ü r die diesem erwachsenen Kosten herbeigeführt. Der Zweck des Prüfungsverfahrens geht nicht dahin, den Antragsteller vor unnützen Kosten zu schützen. Der Umstand, daß dies als Nachwirkung ordnungsmäßiger Sachprüfung eintreten kann, ergibt noch keine Amtspflicht zur Aufdeckung sachlicher Mängel eines Antrags zum Schutze des Antragsstellers selbst. Dieser kann sich nicht darüber beschweren oder gar einen Schadensersatzanspruch daraus herleiten, daß seinem Antrage stattgegeben wurde. 3. Schließlich wurde der Klägerin ohne durchgreifenden Rechtsirrtum der Anspruch versagt, den sie auf Ersatz der ihr durch überflüssige Beweisaufnahme verursachten Kosten erhoben hat. Die Amtspflicht des

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Richters, einen Prozeß ohne sachlich unnötige, d. h. zur Entscheidung des Streits nicht erforderliche Abschweifung durchzuführen, besteht allein zur Wahrung einer geordneten Rechtspflege als einer hohen Staatsaufgabe, nicht aber mit dem Zweck einer Wahrnehmung der Kostenbelange der am Prozeß beteiligten Einzelpersonen. Wohl kommen ihnen die aus klarer Prozeßleitung entspringenden Vorteile zugute; aber die Pflicht des Richters dazu obliegt diesem nicht der Prozeßpartei, sondern allein der Staatsgewalt gegenüber. RGZ. 155, 362 1. Kann ein uniformierter Grenzzollbeamter, der sich auf einem zu privaten Zwecken unternommenen Ausgang befindet, seine Dienstwaffe gleichwohl in Ausübung öffentlicher Gewalt mit sidi fuhren? 2. Kann sein Umgehen mit der niditentladenen Dienstwaffe außerhalb des Dienstes amtspfliditwidrig sein? BGB. § 839. WeimVerf. Art. 131. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 20. Juli 1937.

I. Landgericht Sdineidemühl. II. Oberlandesgericht Marienwerder.

Am Abend des 23. Juni 1934 besuchte der Grenzzollangestellte Johann K. vom Gehöft seines Zollamts aus gemeinsdiaftlich mit seinem Bruder, dem Reichwehrwaditmeister Ernst K., und anderen auf dem Gehöft wohnenden Personen die vom Dorfe veranstaltete Sonnenwendfeier. Johann K. trug seine Uniform als Grenzzollbeamter und hatte seine geladene Dienstpistole umgeschnallt. Als er mit seiner Begleitung kurz nach Mitternacht zurückkam, stellte seine Nadibarin, Frau N., das Fehlen ihres Wohnungsschlüssels fest. Um ihr Eingang in die Wohnung zu verschaffen, legte man eine Leiter an das Speisekammerfenster an. Johann K. stieg hinauf und holte zunächst die auf der Fensterbank stehenden Blumen herunter. Dann betrat er die Leiter nochmals, um durch das Fenster einzusteigen. Er hatte schon die zweite Leitersprosse erstiegen, als er seinen ihm hinderlichen Leibriemen absdinallte und ihn seinem unten an der Leiter stehenden Bruder zureichte. Hierbei fiel das eine Ende des Leibriemens mit der daran befestigten Pistolentasche auf die Erde. Als Ernst K. sich bückte, um die Tasche aufzunehmen, löste sidi ein Schuß aus der Pistole, der ihn durch die Tasche hindurch in den Leib traf und tödlich verletzte. Die Witwe und der minderjährige Sohn des Getöteten hatten im Vorprozesse den Johann K. auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Klage war u. a. damit begründet, daß die Sicherung der Pistole nicht in Ordnung und die Waffe daher besonders gefährlich gewesen sei. Mit dieser Klage sind die Kläger weder beim Landgericht noch beim Oberlandesgericht durchgedrungen. Das Oberlandesgericht hat zwar angeZifili. Sdmldredit II

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nommen, daß Johann K. die Pistole entgegen den bestehenden Dienstvorschriften nicht rechtzeitig entladen habe, hat es aber bei der vom Landgericht ausgesprochenen Klagabweisung belassen, weil die Haftung f ü r den durch die Amtspflichtverletzung entstandenen Schaden nach Art. 131 WeimVerf. nicht den damaligen Beklagten, sondern das Deutsche Reich treffe. Gegen diese richten die Kläger nunmehr ihren Schadensersatzanspruch. Sie verlangen die Zuerkennung von Renten und die Feststellung der Ersatzpflicht des Reichs für den weitergehenden Schaden. Das Landgericht hat durch Teil- und Zwischenurteil die erhobenen Rentenansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung des Reichs ist erfolglos gewesen. Seine Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache. Gründe: Die Haftung des verklagten Reichs setzt nach Art. 131 WeimVerf. in Verbindung mit § 1 des Reichshaftungsgesetzes vom 22. Mai 1910 (RGBl. S. 798) und mit § 839 BGB. voraus, daß ein Reichsbeamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt eine ihm Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt und dadurch Schaden verursacht hat. Der Grenzzollangestellte Johann K. besaß zwar nicht die staatsrechtliche Beamteneigenschaft, sondern war nur im Angestelltenverhältnis tätig. Das steht der Klage jedoch nicht entgegen. Soweit er als Angestllter hoheitsrechtliche Verrichtungen auszuüben hatte, muß er im Sinne der genannten Haftungsbestimmungen einem Beamten gleichgestellt werden. Hieran ist durch das Beamtenrechts-Aenderungsgesetz vom 30. Juni 1933 (RGBl. I S. 433) nichts geändert worden. Von dieser Rechtslage, die der feststehenden Rechtsprechung des Reichsgerichts entspricht, ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht ferner angenommen, daß Johann K. die Pistole am Abend des 23. Juni 1934 in dienstlicher Eigenschaft mit sich führte. Er befand sich zwar auf einem zu privaten Zwecken unternommenen Ausgang und nicht auf einem Dienstgang, den seine vorgesetzte Dienststelle angesetzt oder verlangt hatte. Gleichwohl war er berechtigt, seine Uniform mit umgeschnallter Dienstpistole zu tragen, wie das Berufungsgericht auf Grund der im Vorprozeß erteilten amtlichen Auskunft des Hauptzollamts in Sch. festgestellt hat. Nach dieser Auskunft nämlich war dem Grenzaufsichtspersonal der Reichsfinanzverwaltung mit Rücksicht auf die im Grenzbezirk obwaltenden Verhältnisse das Tragen der Dienstpistole zur Uniform auch bei Ausgängen außerhalb des eigentlichen Dienstes gestattet, und zwar um deswillen, weil das Grenzaufsiditspersonal jederzeit auf ein Zusammentreffen mit Schmugglern gefaßt und in der Lage sein mußte, dienstlich gegen diese einzuschreiten. Johann K. übte zwar keine bestimmten Dienstverrichtungen aus, hielt sich aber mit Billigung seiner vorgesetzten

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Behörde dazu in gegenwärtiger, durch Uniform und Waffe besonders gekennzeichneter Bereitschaft. Durch seine Uniform wurde er dabei f ü r jedermann als zum Waffengebrauch berechtigt ausgewiesen (vgl. N r . V 1 a der Dienstanweisung für den Waffengebrauch vom 16. Juli 1921, RFinBl. S. 184, erlassen auf Grund des Gesetzes über den Waffengebrauch des Grenzaufsichtspersonais der Reichsfinanzverwaltung v o m 2. Juli 1921, R G B l . S. 935). Demnach kann nicht zweifelhaft sein, daß Johann K. die Pistole zwecks Durchsetzung staatlichen Zwanges, d. h. in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt, mitgenommen hatte. Daß er die Pistole in diesem Falle schußfertig in dem Futteral tragen mußte, folgt aus Nr. II 1 Abs. 2 Satz 1 der genannten Dienstanweisung, wonach Feuerwaffen im Dienste geladen und gesichert mitzu führen sind. Im Vorprozeß hatte das Berufungsgericht den Standpunkt vertreten, Johann K. habe die Pistole entladen müssen, sobald er mit seinen Begleitern auf das Gehöft des Zollamts zurückgekehrt war, denn mit dem Betreten des Gehöfts sei sein Dienstgang beendet gewesen. D a s Berufungsgericht hatte hierzu auf II N r . 1 Abs. 2 Satz 2 der genannten Dienstanweisung Bezug genommen, wonach die Dienstwaffen unverzüglich nach Schluß des Dienstes zu entladen sind. D a f ü r habe Johann K . nicht gesorgt. Für seine pflichtwidrige und schuldhafte Unterlassung, welche die grundlegende Bedingung für den Unfall gesetzt habe, müsse — so hatte das Berufungsgericht ausgeführt — das Deutsche Reich an Stelle des damals verklagten Johann K. haften. Im gegenwärtigen Rechtsstreit hat das nunmehr verklagte Deutsche Reich geltend gemacht, es sei an sich schon wenig sinnvoll, von dem Beamten eine Entladung der Pistole bei dunkler Nacht außerhalb des Unterkunftshauses zu verlangen; überdies werde nach § 23 der Dienstanweisung für die Zollaufsichtsstellen v o m 20. Juli 1931 (abgedr. bei K a u t z Handbuch der Reichszollverwaltung Bd. 1 S. 66) der Dienst an dem im Unterkunftshaus angebrachten Dienstkasten beendet und die Pistole sei erst hernach zu entladen. Demgegenüber glaubt das jetzige Urteil des Berufungsgerichts dahingestellt lassen zu können, zu welchem Zeitpunkt der Dienst des Johann K. beendet war und das Entladen der Pistole erfolgen mußte. Der Gedankengang des Berufungsgerichts ist dabei folgender: Wenn der Dienst schon vor dem Unfall beendet und die Waffe schon damals zu entladen gewesen sei, habe die Unterlassung des Entladens, d. h. ein mit dem Dienst unmittelbar zusammenhängender Amtspflichtverstoß, den Unfall nachträglich herbeigeführt. Im entgegengesetzten Falle sei das Ergebnis für die Haftung des Reiches kein anderes. Denn dann liege folgende unmittelbar in das Dienstverhältnis hineinfallende Annspflichtverletzung vor. Johann K. habe nämlich dadurch, daß er seinen Leibriemen mit der geladenen Pistole von der Leiter herab seinem Bruder Ernst zureichte, seine Dienstpflicht und gleichzeitig die 13«

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ihm jedem Dritten gegenüber obliegende Fürsorgepflicht schuldhaft verletzt. Ihm seien die Grenzen seiner Pflicht zur Benutzung der Dienstpistole bekannt gewesen, desgleichen die Gefährlichkeit des Umgangs mit geladenen Waffen, die vorliegend noch durch die im früheren Urteil des Berufungsgerichts beleuchtete Mangelhaftigkeit der Sicherungsvorrichtung verstärkt worden sei. Das Berufungsgericht hat dabei nicht beachtet, daß der Unfall geschehen ist, während Johann K. mittels einer Leiter in die Wohnung der Frau N. einsteigen wollte, um dieser Einlaß in die Wohnung zu verschaffen. Für diese Tätigkeit des Johann K. bestand kein dienstlicher Anlaß, sie wurde vielmehr nur aus persönlichen Gründen unternommen. Sie lag daher außerhalb der Ausübung öffentlicher Gewalt. Das gilt grundsätzlich auch, soweit dabei Handlungen an und mit der Waffe geschehen sind. In dieser Hinsicht kann auf die in R G Z . Bd. 104 S. 288 entwickelten Leitsätze Bezug genommen werden. Diese sind zwar für den Fall eines aus persönlichen Gründen geschehenen bewußten Mißbraudis der Dienstwaffe aufgestellt; sie müssen aber folgerichtig auch für ein außerdienstliches fahrlässiges Umgehen mit der Waffe angewendet werden. Eine solche unvorsichtige Handhabung der Waffe würde demnadi — für sich allein betrachtet — bei der hier gegebenen Gelegenheit rein privater Gefälligkeitsleistung noch nicht ausreichen, um die Haftung des Reiches für den Unfall zu begründen. Dadurch wird indessen nicht ausgeschlossen, daß aus anderen besonderen Gründen das Umgehen mit der Waffe kurz vor dem Unfall in unmittelbaren inneren Zusammenhang mit dem Dienste zu bringen ist. Insoweit könnte möglicherweise schon das Ablegen der Waffe als Amtshandlung aufzufassen sein, etwa in gleicher Weise, wie in dem in R G Z . Bd. 101 S. 356 behandelten Falle der Entladung einer vorher im Dienste verwendeten Waffe durch einen Soldaten nadi seiner Rückkehr in das Quartierzimmer. Dafür bietet aber der festgestellte Tatbestand keine ausreichende Grundlage. Das Ablegen des Koppels braucht nicht in jedem Fall eine Diensthandlung zu sein. Hier hatte sich Johann K. des Koppels mit der Waffe — soweit ersichtlich — nur deshalb entledigt, um sich das Einsteigen in die Wohnung der Frau N. zu erleichtern. Seine Handlung fiel daher durchaus in den Zusammenhang dieser Gefälligkeitsleistung und kann nicht als Akt der Dienstbeendigung angesehen werden. Indem Ernst K. seinerseits dem Johann K. beim Ablegen der Waffe behilflich war, hat er ihn in einer privaten, nicht in einer dienstlichen Verrichtung unterstützt. Dagegen sind in diesem Zusammenhange die Behauptungen der Kläger von Bedeutung, wonach die Waffe in einem dienstwidrigen Zustand von besonderer Gefährlichkeit gewesen sein soll. Die Kläger hatten geltend gemacht, daß der Sicherungsflügel der Pistole außerordentlich locker gesessen habe und durch den angeblich unzweckmäßig gestalteten Rand der Ledertasche leicht in die Entsicherungsstellung habe gedrückt

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werden können, so daß schon eine Berührung der Abzugsvorrichtung genügt habe, um einen Schuß zu lösen. Abgesehen davon, daß ein solcher Zustand der Pistole und der Tasdie auf einer Amstpflichtvernachlässigung der für die Ausgabe und Kontrolle der Waffen zuständigen Beamten beruhen und schon dadurch die Haftung des Reiches für den Unfall begründen könnte, würde er dem Johann K. als Träger der Waffe besondere dienstliche Verpfliditungen auferlegt haben, von denen er sich auch nach Beendigung des Dienstes nicht ohne weiteres loslösen konnte. Mit Redit nimmt das Berufungsgericht in Uebereinstimmung mit der Entscheidung RGZ. Bd. 91 S. 381 an, daß Johann K. angesichts einer etwaigen Mangelhaftigkeit der Waffe alles zu tun hatte, um deren unbeabsichtigtes Wirksamwerden gegen Dritte zu verhüten. Diese Pflicht konnte nicht auf die Zeitdauer beschränkt sein, während deren die Waffe in dienstlichem Gebrauch war. Sie hatte vielmehr den allgemeinen Inhalt, jegliche Gefährdung Dritter durch den mangelhaften Zustand der Waffe auszuschließen, auch während diese außer Dienstgebrauch stand. Diese Pflidit, welche das Berufungsgericht zutreffend als eine soldie allgemeiner Fürsorge bezeichnet, war untrennbar mit der Ausübung der dem Johann K. anvertrauten öffentlichen Gewalt verknüpft. Ihr wäre genügt worden, wenn dieser bei seiner vorgesetzten Stelle einen Umtausch der Waffe oder der Tasche erwirkt hätte. Solange das aber nicht geschehen war, hätte er selbst Verhütungsmaßnahmen gegen ein unbeabsichtigtes Losgehen der Waffe ergreifen müssen. Dazu würde gehört haben, daß er seinen Bruder vor dem Zureichen der Waffe auf deren besondere Gefährlichkeit aufmerksam machte oder daß er die Waffe schon vor dem Besteigen der Leiter in einer niemanden gefährdenden Weise abgelegt hätte. Unter diesem Gesichtspunkte dienstwidriger Mängel der Waffe hätten also audi während der Gefälligkeitsverrichtung besondere Maßnahmen von Johann K. verlangt werden müssen, die bei einem normalen Zustand der Waffe nicht erforderlich gewesen wären und deren Unterlassung die Haftung des Reichs nach sich ziehen würde. Nun ergibt aber das Berufungsurteil nichts Näheres darüber, welche Fehler an der Waffe und an der Tasche vorhanden gewesen sind. Das Urteil bemerkt dazu nur, daß die Mangelhaftigkeit der Sicherungsvorrichtung in dem früheren Urteil des Berufungsgerichts näher beleuchtet worden sei. In diesem Urteil sind aber, wie die Revision mit Recht hervorhebt, irgendwelche Feststellungen solchen Inhalts nicht getroffen. Im übrigen hat das Berufungsgericht auch unerörtert gelassen, daß die Waffe unstreitig am 3. März 1934 gelegentlich eines Uebungsschießens kontrolliert und nicht beanstandet worden war. Dieser Umstand war auch für die Verschuldensfrage insofern von Bedeutung, als sich daraus ergeben konnte, daß Johann K. die Waffe als ordnungsmäßig ansehen durfte. Wegen der mangelhaften Aufklärung des Tatbestands vermag das Revisionsgericht seinerseits über den bisher behandelten Teil der Klagbegründung nicht abschließend zu entscheiden.

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Aus demselben Grunde kann das weitere Vorbringen der Kläger, wonach Johann K. dienstlich gehalten gewesen sei, die Waffe vor dem Unfall zu entladen, nicht ohne weiteres als unerheblich angesehen werden. Zu dieser Frage ist folgendes zu bemerken: Nach der Bestimmung in Nr. II 1 Abs. 2 Satz 2 der Dienstanweisung vom 16. Juli 1921 mußte die Waffe nach Schluß des Dienstes unverzüglich entladen werden. Der Dienst — oder genauer die dienstliche Bereitschaft — des Johann K. war in der in Betracht kommenden Nacht mit seiner Rückkehr auf das Gehöft des Zollamts an sich beendet. Sie war sicherlich beendet, als sich Johann K. nunmehr einer rein privaten Tätigkeit zuwandte, indem er der Frau N. zum Hineingelangen in ihre Wohnung behilflich war. Auf der anderen Seite freilich sagt 5 23 der Dienstanweisung vom 20. Juli 1931: Jeder Dienst beginnt und endet, soweit nichts anderes bestimmt wird, am Dienstkasten oder, wenn dieser nicht zugänglich ist, an dem Gebäude, in dem er sich befindet. Indessen ist dem Berufungsgericht darin beizutreten, daß diese Bestimmung nur den regelmäßigen Dienst im Auge hat, bei dem Eintragungen über Beginn und Ende des Dienstes in dem beim Dienstkasten aufliegenden Dienstbuch erfolgen. So lassen sich die bestehenden Dienstvorschriften nur dahin deuten, daß Johann K. verpflichtet war, die Pistole nach dem Betreten des Gehöfts nunmehr ohne schuldhaftes Zögern zu entladen. Das ist freilich nicht im strengen Wortsinn zu verstehen, etwa dahin, daß er schon an der Schwelle des Hoftors die Patrone aus dem Lauf zu entfernen hatte. Vielmehr wird auf die örtlichen und zeitlichen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen sein. Diese konnten es für Johann K. unter Umständen geraten sein lassen, das Entladen nicht sofort vorzunehmen. Jedoch fehlt es auch in dieser Hinsicht an jeder näheren Aufklärung, so daß auch insoweit der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif ist. Das Berufungsgericht hat übrigens auch zu der im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegenden weiteren Frage keine Stellung genommen, ob Johann K. die beiden oben genannten Dienstvorschriften etwa ohne Verschulden verkannt hat. Diese waren der Auslegung bedürftig, und es läßt sich nicht ausschließen, daß Johann K. möglicherweise ohne Verschulden annahm, er habe die Pistole in jedem Falle erst am Dienstkasten oder am Dienstgebäude zu entladen. Die Revision hält den Gesichtspunkt, ob und zu welcher Zeit Johann K. die Pistole zu entladen hatte, deshalb f ü r unerheblich, weil es insoweit an einem entsprechenden (adäquaten) Ursachenzusammenhang fehle. Dem kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Durch die einschlägigen Dienstvorschriften sollte jede nur mögliche Gefährdung Dritter durch die geladene Waffe ausgeschlossen werden. Diese Gefährdung konnte aber auch durch Zufälligkeiten, wie etwa durch eine unbeabsichtigte Verschiebung des Sidierungsflügels, erfolgen. Mit menschlicher Voraussicht sind solche Zufälligkeiten nicht auszuschließen. Hier ist der Unfall gerade dadurch veranlaßt, daß die Waffe geladen war.

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Die Nichtentladung der Waffe hat also das eingetretene Ergebnis in einer ihr entsprechenden Richtung gefördert. . . . R G Z . 156, 227 1. Zusammentreffen der Haftung des Reiches als Kraftfahrzeughalters und aus Amtspflichtverletzung des das Kraftfahrzeug führenden Beamten. 2 ») 3. Zur Frage der Gefährdungshaftung aus § 1 des Reichshaftpflichtgesetzes. K F G . § 7. B G B . § 839. Reichshaftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 ( R G B l . S. 207) § 1**). III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 23. November

I. Landgericht Königsberg.

1937.

I I . Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger, ein Beamter der Deutschen Reidispost, ist am 12. April 1935 bei einem Dienstgang auf der Straße durch einen Heereskraftwagen des Erstbeklagten — weiterhin als Beklagter bezeichnet — , der von dem Gefreiten Kie. (dem früheren Zweitbeklagten), gelenkt wurde, angefahren und erheblich verletzt worden. Die Klage gegen Kie. ist rechtskräftig abgewiesen. Der Kläger ist wiederhergestellt worden. Die Heilkosten hat die Krankenkasse für Beamte der Deutschen Reichpost getragen. Der Kläger verlangte Ersatz des weiteren Schadens und Schmerzensgeld. Der Beklagte wurde durch Teilurteil des Landgerichts zur Zahlung von 811,20 R M verurteilt, und es wurde festgestellt, daß er dem Kläger allen ihm fernerhin aus dem Unfall entstehenden Schaden zu ersetzen habe. Seine Berufung wurde zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Aus den G r ü n d e n : Nach dem angefochtenen Urteil ist der Anspruch des Klägers aus dem Kraftfahrzeuggesetz und aus § 839 B G B . mit Art. 131 W e i m V e r f . begründet. Aus dem Zusammenhang mit dem Urteil des Landgerichts ergibt sich, daß mit der Haftung aus dem Kraftfahrzeuggesetz die des Fahrzeughalters nach § 7 K F G . gemeint ist. Sie ist nach R G Z . Bd. 145 S. 181, 182 rein privatrechtlich und nicht an das Verschulden eines Beamten, sondern nur an die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug geknüpft, wie sie sich aus dem Gebrauch für eigene Rechnung ergibt. Bei ihr handelt es sich nicht um den Anspruch gegen einen Beamten, für dessen Amtspflichtverletzung das Reich nach Art. 131 W e i m V e r f . verantwortlich ist. . . . Sie ist nicht, wie die Beamtenhaftung in § 839 Abs. 1 *) **)

Ueberholt. Vgl. jetzt Art. 34 Bonner Grundges.

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Satz 2 BGB., durdi die Berufung auf eine andere Ersatzmöglichkeit abzuwenden, auch wenn die Kraftwagenfahrt in Ausübung öffentlicher Gewalt unternommen war. Sie ist aber andererseits, abgesehen von den in § 12 KFG. vorgesehenen Höchstgrenzen, nach § 11 auf den Vermögensschaden beschränkt und nicht auf den Schmerzensgeldanspruch nach § 847 BGB. erstreckt. Hierfür haftet der Beklagte nur aus § 839 BGB. mit Art. 131 WeimVerf. Das angefochtene Urteil hat aber nicht unterschieden, inwieweit es auf § 7 KFG. und inwieweit es auf die Beamtenhaftung gegründet ist. Deshalb ist der Klaganspruch in seinem ganzen Umfang aus dem Rechtsgrund der Beamtenhaftung in der Revision nachzuprüfen. Es ist nicht mehr bestritten, daß sich Kie. auf einer Dienstfahrt befunden hat, so daß der Beklagte an seiner Stelle aus einer ihm zur Last fallenden schuldhaften Verursachung des Unfalls haftet. Hier fragt es sich zunächst, ob dieser Anspruch durch das Unfallfürsorgegesetz für Beamte und Personen des Soldatenstandes vom 18. Juni 1901 aus dem Wege geräumt wird. . . . (Ueberholt durch § 139 d. D. Beamtenges, v. 26. 1. 1937 — RGBl. I S. 39 — und Ges. über die erweiterte Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen, vom 7. 12. 1943 — RGBl. I S. 674.) . . . Weiter wendet der Beklagte gegen seine Inanspruchnahme aus dem Rechtsgrund der Beamtenhaftung nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Straßenbahn aus § 1 des Reichshaftpflichtgesetzes vom 7. Juni 1871 ein. Die in Frage stehende Straßenbahn ist ein privates Unternehmen der K.er Werke und Straßenbahn-GmbH. Die Frage, ob die Haftung des Beklagten nach § 839 BGB., Art. 131 WeimVerf. durdi die Haftung des Unternehmens einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft ausgeschlossen werden könnte, kommt daher nicht in Betracht. Die Angaben des zunächst mitbeklagten Kraftwagenführers Kie. über den Hergang des Unfalls sind von dem Beklagten in der Abschrift einer Vernehmung zu den Akten gebracht worden, die nicht erkennen läßt, von wem die Aussage aufgenommen worden ist. Kie hat hier bekundet, er habe die Straßenbahn an der Haltestelle überholen wollen, sei dann durch das rasche Anfahren der Straßenbahn genötigt worden, nach rechts auzubiegen, und sei dadurch an das auf der Seite stehende Postauto gedrängt worden, hinter dem der Kläger gestanden habe. Dabei sei der Kläger verletzt worden. Das Berufungsgericht hat die Vernehmung des Kie. als Zeugen abgelehnt, weil seine Aussage nicht anders als eine reine Parteibehauptung bewertet werden und nach Lage der Sache „die alleinige Verursachung des Unfalls durch die Straßenbahn oder auch nur eine Mitschuld der Straßenbahn" nicht beweisen könne. Kie. habe sich auf keinen Fall der Gefahr aussetzen dürfen, zwischen Straßenbahn und Postauto eingeklemmt zu werden, und habe deshalb die in voller Fahrt befindliche Straßenbahn nicht überholen dürfen.

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. . . Die Ausführungen des angefochtenen Urteils lassen nicht erkennen, ob es bei der Prüfung dieses Einwandes von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Es spricht von einer Mitschuld der Straßenbahn und verneint sie deshalb, weil nicht dargetan sei, daß der Straßenbahnführer etwa aus reiner Schikane Kie. das Ueberholen unmöglich gemacht oder von der Absicht des Kie., ihn zu überholen, überhaupt etwas gemerkt habe. Es scheint also dem Berufungsgericht nicht etwa nur ein Vergreifen im Ausdruck untergelaufen zu sein, sondern der Irrtum, daß die Haftung des Beklagten nicht schon bei einer Mitverursachung durch die Straßenbahn, sondern nur bei einer Mitschuld des Straßenbahnführers ausgeschlossen würde. Zu untersuchen war auch nach § 1 des Reichshaftpflichtgesetzes nur, ob der Kläger „bei dem Betriebe" der Straßenbahn verletzt wurde, ob also der äußere Zusammenhang zwischen dem Straßenbahnbetrieb und dem Unfall nicht so entfernt war, daß von einer Verursachung im Rechtssinne nicht mehr die Rede sein kann. Fahrlässiges Verhalten des Kraftwagenführers schloß diesen Zusammenhang an sich noch nicht aus, daher audi nicht die Erwägung des angefoditenen Urteils, daß Kie. ohne weiteres mit Schwierigkeiten bei der Ueberholung der Straßenbahn rechnen mußte und sich deshalb nicht in die gefährliche Lage bringen durfte. Eine genaue Feststellung des Hergangs läßt das Urteil vermissen. Es hat zwar die Bekundung des Kie. in der erwähnten Vernehmung unterstellt. Aber auch sie gibt noch kein eindeutiges Bild des Unfalls. Sie läßt insbesondere nicht erkennen, ob die Straßenbahn anfuhr, als Kie. schon im Ueberholen begriffen war, oder in einem Zeitpunkt, als er sich zwar zum Ueberholen anschickte, aber noch nicht auf gleicher Höhe mit ihr fuhr. Letzteres hat offenbar das Berufungsgericht angenommen, wenn es ausführt, daß der Straßenbahnführer von der Ueberholungsabsicht des Kie. wohl noch gar nichts gemerkt hatte. In der Klagebeantwortung des Kie. ist dagegen behauptet, daß der Kraftwagen die Straßenbahn schon überholt hatte und daß diese ihm in schneller Fahrt gefolgt ist, um ihn zu überholen. Ebensowenig ist ersichtlich, ob der Postwagen in der Fahrtrichtung der Straßenbahn und des Kraftwagens an der Straßenseite stand, so daß Kie. den hinter dem Postwagen stehenden Kläger vor dem Ueberholen des Postwagens angefahren hat, oder aber umgekehrt, so daß Kie. erst nach Ueberholen des Postwagens nach rechts ausgebogen ist und dabei den Kläger erfaßt hat. Eine eindeutige Feststellung des Vorgangs ist aber für die rechtliche Beurteilung der Gefährdungshaftung der Straßenbahn nach dem Reichshaftpflichtgesetz unerläßlich. Dazu konnte an der Zeugenvernehmung des Kie. nicht mit der Begründung vorübergegangen werden, daß sie nicht anders als eine reine Parteibehauptung gewertet werden könnte. Darin lag eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung, die nur so lange unschädlich war, als jedes Verschulden des Kraftwagenführers

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die Haftung der Straßenbahn ausgeschlossen hätte. Die Vernehmung war allerdings nicht ausdrücklich beantragt, so wenig wie im zweiten Rechtszug die Vernehmung der drei anderen Tatzeugen, die im ersten Rechtszug im Schriftsatz des Beklagten Kie. vom 21. März 1936 als Zeugen benannt waren. Jedenfalls ist aber die Rüge aus § 139 ZPO. berechtigt, und zwar um so mehr, als die Strafakten dem Berufungsgericht nach dem Tatbestand nur zu „Informationszwecken" vorgelegen haben, ohne Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen zu sein, zu beweiskräftigen Feststellungen also nicht zu benützen waren. Sollte die Ergänzung der Feststellungen zur Bejahung der Gefährdungshaftung der Straßenbahn führen, so würde die Beamtenhaftung des Beklagten dadurch aufgehoben werden. Wegen dieses Rechtsverstoßes in der Würdigung der Haftungsbeschränkung nach § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . war das Urteil aufzuheben, und zwar aus dem schon angeführten Grunde in seinem ganzen U m fang, weil es neben der Haftung aus § 7 K F G . den ganzen Klaganspruch aus § 839 B G B . mit Art. 131 WeimVerf. für begründet erklärt hat.. R G Z . 158, 176 Muß sich ein Unfallverletzter, dem ein Schadensersatzanspruch gegen den Staat aus Amtspflichtverletzung eines Beamten zusteht, auf seinen Schaden die ihm aus einer Unfallversicherung zufließenden Leistungen, auch soweit sie für einzelne bestimmte Schadcnsarten (Heilungskosten, Invalidität) gewährt werden, schlechthin anredinen lassen oder darf er die Anrechnung der auf eine Schadensart (Invalidität) erfolgten Leistung auf eine andere Schadensart (Heilungskosten) verweigern, wenn und soweit diese, nidit aber jene Schadensart besteht? B G B . § 839 Abs. 1 Satz 2. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht T r i e r .

U r t . v. 26. August 1938. I I . Oberlandesgericht Köln.

Die Klägerin hatte als Oberprimanerin des Reform-Realgymnasiums in B. bei der Turnprüfung einen Oberschenkelbruch erlitten. Wegen des ihr durch den Unfall entstandenen und noch entstehenden Schadens hat sie die Beklagten aus Amtspflichtverletzung der in ihren Diensten stehenden amtlichen Aufsichtspersonen als Gesamtschuldner in Anspruch genommen. Auf Grund eines privaten Unfallversicherungsvertrags erhielt die Klägerin von einer Versicherung wegen das Unfalls 3000 R M ausgezahlt, davon 1000 R M als Ersatz für die A r z t - und Kurkosten und 2 0 0 0 R M . Entschädigung für die entstandene Teilinvalidität. Nach Anrechnung der 1000 R M . auf die entstandenen Heilungskosten begehrte sie mit ihrer Klage von den Beklagten die Zahlung von restlichen Heilungskosten im Gesamtbetrage von 1521,80 R M . und die Feststellung,

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daß die Beklagten zum Ersatz allen ihr aus dem Unfall weiter entstandenen und noch entstehenden Schadens verpflichtet seien. Die Beklagten haben geltend gemacht, die Klägerin müsse sich auf ihren Schaden, gleich welcher Art, die von ihrer Versicherung geleisteten Zahlungen im vollen Umfang, also die auf die Teilinvalidität gezahlten 2000 RM. auch auf die entstandenen und mit der Klage geltend gemachten Heilungskosten, anrechnen lassen. Dem Feststellungsantrag sei nur mit der Maßgabe stattzugeben, daß die Beklagten als Gesamtschuldner zum Ersatz des der Klägerin aus dem Unfall entstandenen und noch entstehenden Schadens nur bei voller Anrechnung der ihr ausgezahlten 2000 RM., soweit der Betrag noch nicht verbraucht sei, verpflichtet seien. Das Landgericht hat der Klage entsprochen, das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klägerin im Rahmen des Feststellungsanspruchs sich auf den durch ihre Invalidität entstandenen Schaden die von der Versicherung an sie ausgezahlten 2000 RM. anredinen lassen müsse. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Aus den G r ü n d e n : . . . Voraussetzung für den auf die Fahrlässigkeit eines Beamten zu stützenden Klageanspruch ist nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB., daß der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag (RGZ. Bd. 86 S. 286 [287], Bd. 138 S. 209 [212]). Auf welchen Rechtsgrund sich dieser Ersatzanspruch stützt, ob unmittelbar auf Gesetz oder auf Vertrag, ist nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (RGZ. Bd. 138 S. 209, Bd. 145 S. 56 [61 flg.], Bd. 152 S. 20) gleichgültig. Daher ist auch ein Anspruch des Geschädigten aus einem von ihm eingegangenen Versicherungsvertrag darunter zu rechnen; nur bei einem Lebensversicherungsvertrag ist die Sachlage anders (RGZ. Bd. 155 S. 186 [191, 192]). In Beachtung dieses Rechtsstandpunktes hat die Klägerin auch den auf Grund des Unfallversicherungsvertrags von der Versicherung für den Unfall auf Arzt- und Kurkosten erhaltenen Betrag von 1000 RM. auf die entstandenen Heilungskosten angerechnet. Dagegen lehnt sie die Anrechnung der ihr von der Versicherung als Entschädigung für Teilinvalidität gezahlten 2000 RM. auf eine andere Schadensart als Invalidität, besonders auf die Heilungskosten, ab. Das Berufungsgericht hat der Klägerin Recht gegeben. Es hat den Standpunkt vertreten, daß die auf Grund eines Versicherungsvertrags zu leistende oder geleistete Zahlung nur auf die Schadensart anzurechnen sei, auf welche die Zahlung der Versicherung vertragsmäßig jeweils zu erfolgen habe oder erfolgt sei. Die Revision bekämpft diese Rechtsauffassung unter Berufung auf die angeführte Rechtsprechung zu § 839

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Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie meint, aus dem dort aufgestellten Rechtsgrundsatz, daß es bei dem Ersatzanspruch des Geschädigten gegen einen Dritten auf dessen Rechtsgrundlage nicht ankomme, folge ohne weiteres, daß die an den Geschädigten geleisteten Zahlungen, wie vorliegend, auf dessen Schaden allgemein anzuredinen seien, einerlei welcher Art dieser war und worauf die Zahlung erfolgte. Daher seien die auf eine Teilinvalidität der Klägerin gezahlten 2000 RM. auch auf die eingeklagten Heilungskosten mit anzurechnen, dieses besonders deshalb, weil weitere Unfallfolgen bei der Klägerin nicht mehr beständen. In den angeführten Entscheidungen ist in Auslegung der Bestimmung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. zwar der allgemeine Rechtsgrundsatz ausgesprochen, daß die Rechtsnatur des Ersatzanspruchs gegen den Dritten nicht entscheidend sei, daß es vielmehr lediglich darauf ankomme, ob der Geschädigte aus demselben Tatsachenkreis heraus, aus dem der Schadensersatzanspruch entstanden sei, einen Ersatzanprudi gegen einen Dritten habe. Damit ist aber entgegen der Meinung der Revision noch nichts darüber gesagt, nach welchen Grundsätzen die Anrechnung der von dem Dritten, so besonders von einer Versicherung aus einem Versicherungvertrag, zu leistenden oder geleisteten Zahlung auf den dem Verletzten entstandenen Schaden, im besonderen auf die einzelnen Schadensarten, zu erfolgen habe. Die Antwort auf diese — bisher offengebliebene — Frage kann nur aus der Bestimmung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. selbst gefunden werden. Ihr Sinn geht dahin, daß der Beamte (das Reich, die Gemeinde, die sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaft) wegen des dem Verletzten entstandenen Sdiadens nur insoweit soll in Ansprudi genommen werden können, als der Verletzte f ü r seine Vermögenseinbuße von dritter Seite eine Entschädigung, einerlei welcher Art, nicht zu erlangen vermag. Dabei kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, auf welche Art Schaden von dritter Seite Ersatz zu erlangen ist oder bereits erlangt wurde. So kann insbesondere die Art und der Umfang der Anrechnung der dem Verletzten auf Grund eines Versicherungsvertrags zu gewährenden oder gewährten Entschädigung auf seinen Schadensersatzanspruch nicht davon abhängig sein, wie im Einzelfalle der Versicherungsvertrag gestaltet ist, für welche Art Schaden danach Ersatz zu gewähren ist. Es steht zwar nichts im Wege, etwa in Anwendung des in § 366 BGB. ausgesprochenen Rechtsgedankens, die aus dem Versicherungsvertrag zu gewährende Entschädigung vertragsgemäß auf die vorgesehene Schadensart, wie vorliegend die für Arztund Kurkosten gewährte Entschädigung auf diese und die für Teilinvalidität gewährte Entschädigung auf die Teilinvalidität, zur Anrechnung zu bringen. Das kann aber nur soweit Geltung haben, als dem Verletzten ein entsprechender Schaden entstanden ist. Soweit das nidit der Fall ist, muß die Anrechnung der gewährten Entschädigung auf den gesamten sonstigen dem Verletzten tatsächlich entstandenen Schaden stattfinden.

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Für die hier vertretene Auffassung spricht noch folgende Erwägung. Wollte man den Verletzten nicht für verpfliditet halten, eine Zahlung, die er auf einen zunächst a b bestehend angenommenen, in Wirklichkeit aber nicht vorhandenen Schaden erhalten hat, auf einen tatsädilich entstandenen Schaden anrechnen zu lassen, so würde er trotz dieser Leistung an ihn auf Grund des § 839 BGB. von dem Beamten Ersatz dieses Schadens verlangen können. Der Verletzte würde in diesem Falle aus dem sdiädigenden Ereignis einen Gewinn ziehen, wie vorliegend die Klägerin, wenn sie die auf die angenommene Teilinvalidität von der Versicherung geleistete Zahlung von 2000 RM. ohne Anredinung auf den tatsädilich entstandenen Schaden (Arzt- und Krankenhauskosten) behalten könnte, obwohl bei ihr sonst keine schädlichen Unfallfolgen mehr bestehen. Das wäre unzweifelhaft mit § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. nicht zu vereinigen. Aus dem Ausgeführten ist für den vorliegenden Fall zu folgern, daß die Klägerin die 2000 RM. nicht auf die Heilungskosten anrechnen zu lassen braucht, wenn und soweit ein durch Teilinvalidität der Klägerin hervorgerufener Schaden besteht. Soweit ein solcher nicht besteht, hat die Anrechnung der 2000 RM., wie die Beklagten verlangen, auf die genannten Kosten zu erfolgen. RGZ. 158, 277 Zum Begriff der anderweitigen Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. V. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 10. Oktober 1938. I. Landgericht München I. II. Oberlandesgericht daselbst.

Am 31. Mai 1932 verkaufte der Kläger laut Urkunde des Notariats Mündien XII sein Anwesen Haus Nr. 36 in Gr. und Haus Nr. 56 in M. mit den darin befindlichen Elektrizitätswerken für 115 000 RM. an die Witwe Emma U. in M. und ihre Toditer Elisabeth B. in G. Bei der Beurkundung trat die Witwe U. für sich und als Vertreterin ihrer nidit anwesenden Toditer Elisabeth B. auf. Es erwies sich, daß die Witwe U. sehr schwerhörig, wenn nicht völlig taub war. Der Notar zog deshalb zwei Zeugen hinzu, darunter den Studenten Viktor B., einen Bruder des Ehemanns der Elisabeth B. Das Schwägersdiaftsverhältnis zwischen diesem Zeugen und der Elisabeth B. blieb dem Notar verborgen. Er stellte das Verhältnis erst fest, als das um die Eintragung der beurkundeten Rechtsänderung ersuchte Amtsgericht in T. zurückfragte, ob der Zeuge nicht mit der Elisabeth B. verwandt sei. Das Amtsgeridit lehnte darauf die Eintragung der Rechtsänderung wegen Formungültigkeit der Beurkundung des Rechtsgeschäfts ab. Der Notar teilte dies am 10. Oktober 1933 den Vertragsparteien mit dem Bemerken mit, daß die Beurkundung neu vorgenommen werden

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müsse. E r empfahl ihnen, damit nicht lange zu warten. Die Käufer waren grundsätzlich zur V o r n a h m e der N e u b e u r k u n d u n g auf der G r u n d lage einer Einigung mit dem Kläger bereit, die bereits im J u n i 1933 stattgefunden hatte und bei der jenen von diesem einige Erleichterungen der am 31. Mai 1932 übernommenen Vertragspflichten zugestanden w o r den waren. Die Vertragsparteien kamen aber aus einer Veranlassung, über deren zeitliche Entstehung sie streiten, dahin überein, die N e u b e u r kundung bis z u m April 1934 aufzuschieben. Diese unterblieb dann überhaupt, weil die K ä u f e r nach dem Auftreten neuer Mängel in der Einrichtung der Elektrizitätswerke zu der Ansicht gelangten, daß die Beschaffenheit, insbesondere die Rentabilität der Werke, nidit den Zusicherungen des V e r k ä u f e r s entsprächen. Es kam zu einem Rechtsstreit zwischen den Vertragsparteien, in dem die K ä u f e r auf Rückzahlung des angezahlten Kaufpreisteiles klagten, der V e r k ä u f e r im Wege der Widerklage die R ä u m u n g der G r u n d stücke und ihre Herausgabe, sowie Abrechnung u n d Feststellung seines weiteren Schadens begehrte. D e r Rechtsstreit endete mit einem Vergleich, in dem sich die Streitteile, ausgehend von der Nichtigkeit des K a u f v e r t r a g s v o m 31. Mai 1932, auf die Rückgewähr der gegenseitigen Leistungen einigten. Der Kläger hat aus Anlaß der formnichtigen Vertragsbeurkundung Notariatsgebühren, Staatsstempel und Grunderwerbsteuern bezahlt. Ferner hat er infolge des NichtZustandekommens des K a u f v e r t r a g s L a sten behalten, die im andern Falle v o n den Vertragsgegnern zu tragen gewesen wären. Es sind ihm auch gewisse Vorteile entgangen, die ihm im Falle des wirksamen Zustandekommens des K a u f v e r t r a g s erwachsen wären. Weiterhin hat er, nachdem sidi die Kaufverhandlungen mit den ursprünglichen Vertragsgegnern zerschlagen hatten, die in Frage k o m menden Grundstücke mit Einrichtungen z u m Teil anderweit veräußert und dabei angeblich einen geringeren als den in dem Vertrage v o m 31. Mai 1932 vereinbarten Preis erzielt. Er glaubt auch, bei einer Weiterveräußerung des restlichen Grundbesitzes ungünstiger abzuschließen. D a h e r macht er mit der gegenwärtigen Klage das Deutsche Reich f ü r allen ihm aus der Nichtigkeit der Vertragsbeurkundung v o m 31. Mai 1932 entstandenen u n d noch entstehenden Schaden mit der Behauptung verantwortlich, daß der amtierende N o t a r durch die Beiziehung eines untauglichen Zeugen fahrlässig die ihm dem Kläger gegenüber obliegende Amtsflicht verletzt habe. Der Kläger ist in den beiden früheren Rechtsgängen mit der K l a g e unterlegen, mit der er einen Teilbetrag des Schadens in H ö h e v o n 10 000 R M . und die Feststellung begehrte, daß das Reich ihm allen weiteren Schaden zu ersetzen habe, der ihm aus der Nichtigkeit der N o t a r i a t s u r k u n d e v o m 31. Mai 1932 erwachsen sei und noch erwachse. Seine Revision blieb erfolglos.

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Gründe: Das Berufungsgericht stützt seine den Ersatzanspruch des Klägers ablehnende Entscheidung auf die Bestimmung des § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . , nach der ein Beamter, der die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht fahrlässig verletzt, nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Es ist der Ansicht, diese Bestimmung greife hier deshalb ein, weil der Kläger die Verschiebung der Neubeurkundung und damit das Scheitern des ganzen Vertragswerks dadurch verschuldet habe, daß er an seine Vertragsgegner im November 1933, d. h. zu einer Zeit, in der sie noch bereit gewesen wären, den formnichtigen Vertrag durch Nachholung der formgültigen Beurkundung wirksam werden zu lassen, das Ersuchen gestellt habe, einen Teil der nach dem Gesetz von i h m geschuldeten Umsatzsteuer zu übernehmen. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß es sich bei der Versäumung dieser Möglichkeit, von den Vertragsgegnern selbst einen vollen Ersatz des ihm durch das angebliche Versehen des Notars entstandenen Schadens zu erlangen, um die V e r säumung einer nur t a t s ä c h l i c h e n Möglichkeit gehandelt hat. Es ist aber der Ansicht, daß im Sinne der Vorschrift des § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . die schuldhafte Versäumung einer nur tatsächlichen Möglichkeit zur Erlangung eines Schadensersatzes der Versäumung einer rechtlichen Möglichkeit gleichzustellen sei und daher ebenso wie diese die Entstehung eines Ersatzanspruchs an den Beamten oder den Staat hindere. Die Revision hält diese Ansicht ohne hinreichenden Grund für rechtsirrig. Sie meint, im Rahmen des § 8 3 9 Abs. 1 Satz 2 B G B . könne nur die schuldhafte NichtVerwirklichung eines irgendwie in Betracht kommenden A n s p r u c h s in Frage k o m m e n ; handle es sich lediglich um die schuldhafte Nichtbenutzung einer nur tatsächlichen Möglichkeit der Erlangung eines Schadensersatzes von dritter Seite, also um eine Möglichkeit, deren Verwirklichung der Geschädigte rechtlich nidit zu erzwingen vermöge, dann könne nur § 254 B G B . in Betracht kommen. Eine Prüfung des Maßes der beiderseitigen Schadensverursachung auf der Grundlage dieser Vorschrift habe aber das Berufungsgericht nicht vorgenommen, seine Entscheidung sei daher nicht haltbar. Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Ihre Berechtigung läßt sich — entgegen der Meinung der Revision — weder aus dem W o r t laut noch aus dem Sinn des § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . herleiten. Das Reichsgericht hat wiederholt ausgesprochen, daß, sobald eine unerlaubte Handlung begangen worden ist, auch schon vor Eintritt des Schadens Rechtsbeziehungen zwischen dem Schädiger und dem Bedrohten geknüpft sind, die in dem im Entstehen begriffenen Schuldverhältnis gewisse Sorgfaltspflichten des durdi Schaden Bedrohten gegen den Schädiger begründen können. Die Abwendung eines aus bereits begangener unerlaubter Handlung drohenden Schadens ist vom Reichs-

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gcridit als eine im Rahmen des § 254 BGB. zu beachtende V e r p f l i c h t u n g des Bedrohten gegenüber dem Schädiger bezeichnet worden, deren U m f a n g sich aus § 276 BGB. bestimmt (RGZ. Bd. 141 S. 356). Die gleiche Verpflichtung besteht aber auch, soweit die Anwendung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. in Frage k o m m t . Hiernach erfüllt der Geschädigte im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. die ihm obliegende Pflicht der Schadensabwendung oder Schadensminderung nicht, wenn er es verabsäumt, auch eine sidi ihm bietende Möglichkeit der Schadensbeseitigung zu benutzen, auf deren Verwirklichung er an sidi keinen rechtlidien Anspruch hat. Voraussetzung ist dabei allerdings, daß die Ausnutzung einer solchen Möglichkeit nach den besonderen Umständen des Falles sich gerade f ü r den Geschädigten als z u m u t b a r erweist. Fälle, in denen dem Geschädigten die Ausnutzung einer rein tatsächlichen Möglichkeit der Sdiadensbeseitigung nach dem gesunden Volksempfinden nicht angesonnen werden kann, sind denkbar. D a n n mangelt es eben auf Seiten des Geschädigten an einem s c h u l d h a f t e n Verhalten. Fehlen aber besondere Umstände, die die A u n u t z u n g der nicht auf einem Rechtsanspruch beruhenden Möglichkeit der Sdiadensbeseitigung als u n z u m u t bar erscheinen lassen könnten, dann fehlt jeder innere Grund, die Versäumung einer solchen Möglichkeit im R a h m e n des § 839 Abs. 1 Satz 2 anders als die Versäumung der Geltendmachung eines auf Vertrag oder Gesetz beruhenden, also rechtlich erzwingbaren Ersatzanspruchs zu beurteilen. Die Revision kann sich zur Stütze ihrer abweichenden Ansicht auch n i d i t auf das Schrifttum und auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts berufen. Im Schrifttum findet sich, soweit ersichtlich, nirgends die Auffassung ausdrücklich vertreten, daß im R a h m e n des § 839 Abs. 1 Satz 2 n u r die NichtVerwirklichung rechtlich erzwingbarer Ansprüche in Frage komme. Die Rechtsprechung aber zeigt die unverkennbare Neigung, den Kreis der nach § 839 Abs. 1 Satz 2 in Betracht kommenden anderweiten Ersatzmöglichkeiten w e i t zu ziehen. In RGZ. Bd. 152 S. 20 wird unter Hinweis auf einige inhaltlich gleichlautende Entscheidungen (RGZ. Bd. 138 S. 209 und Bd. 145 S. 56) der Gedanke zum Ausdruck gebracht, daß § 839 Abs. 1 Satz 2 keine Gleichartigkeit des Rechtsgrundes f ü r die H a f t u n g des Beamten und f ü r den etwaigen Ersatzanspruch gegen den Dritten erfordere. In der RG.-Entscheidung SeuffArch. Bd. 88 S. 214 N r . 108 = H R R . 1934 S. 1111 N r . 1112 wird ausgeführt, nicht n u r Ansprüche aus unerlaubter H a n d l u n g und nicht einmal nur Schadensersatzansprüche gegen einen Dritten ließen, falls sie begründet u n d durchsetzbar seien, die H a f t u n g des n u r f ü r fahrlässige Amtspflichtverletzung verantwortlichen Beamten zurücktreten; auch die Möglichkeit, die eingetretene Vermögensänderung auf sonstige Weise, wie etwa durch die Geltendmachung eines B e r e i c h e r u n g s a n s p r u c h s , auszugleichen, müsse erschöpft sein, bevor gegen den Beamten ein Schadens-

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ersatzansprudi erhoben werden könne. Aehnlidies ist in der R.G.-Entscheidung Gruch. Beitr. Bd. 48 S. 929 für die Möglichkeit einer A n f e c h t u n g und in dem Urteil des OLG. München Bay. Z. f. Rechtspfl. 1919 S. 293 für die Möglichkeit einer A u f r e c h n u n g gesagt. In der RG.-Entscheidung DNotZ. 1934 S. 674 findet sich die Ansicht vertreten, daß der aus § 839 BGB. in Anspruch Genommene der Schadensersatzklage auch die Möglichkeit von V o l l s t r e c k u n g s m a ß n a h m e n gegen Dritte oder von V e r g l e i c h s v e r h a n d l u n g e n entgegenhalten könne. Der Revision ist zuzugeben, daß diese Entscheidungen sich durchweg nur mit r e c h t l i c h e n Möglichkeiten eines Schadensausgleidis befassen. Daraus ist aber nicht auf eine grundsätzliche Ablehnung der Berücksichtigung tatsächlicher Ausgleichsmöglichkeiten im Rahmen des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. zu schließen. Die letzterwähnte Entscheidung ist sogar ein deutlicher Beweis dafür, daß die Rechtsprechung des Reichsgeridits dazu neigt, in den Kreis der im Rahmen des § 839 Abs. 1 Satz 2 zu berücksichtigenden anderweitigen Ausgleichsmöglichkeiten auch die — in der Praxis wohl seltener vorkommenden — tatsächlichen Ausgleichsmöglichkeiten einzubeziehen. Es ist in der Tat kein Grund ersichtlich, weshalb für den Geschädigten in dem Falle des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. die Verpflichtung, eine rein tatsächliche Ausgleichsmöglichkeit auszunutzen, die ihm unter Umständen eine vollkommenere Wiedergutmachung des eingetretenen Sdiadens zu gewähren vermag, als dies die Wahrnehmung irgendeiner rechtlichen Ausgleichsmöglichkeit zu tun vermöchte, nicht in gleicher Weise bestehen sollte, wie die Verpflichtung, durch Verfolgung eines etwa bestehenden Anspruchs für Ersatz des entstandenen Sdiadens Sorge zu tragen. Im vorliegenden Falle hatte der Kläger auf die Neubeurkundung des nichtigen Vertrags, dessen vom Notar verschuldetes NichtZustandekommen seine Vermögenslage verschlechtert hatte, keinen klagbaren Anspruch. Die vom Berufungsgericht ausdrücklich festgestellte Bereitwilligkeit der alten Vertragsgegner, dem Vertrage durch formgültige Neubeurkundung die fehlende Wirksamkeit zu verleihen, sdiuf lediglich eine tatsächliche Möglichkeit, den entstandenen Schaden wieder zu beseitigen. Aber sie stellte eine u m f a s s e n d e Möglichkeit der Schadensbeseitigung dar. Sie zwang den Kläger, abgesehen von den Zugeständnissen, die er bereits von Kenntnis der Formnichtigkeit im Juni 1933 seinen Vertragsgegnern freiwillig gemacht hatte, zu keinerlei Opfern. Ihre Ausnutzung war geeignet, ihm den vollkommensten Schadensersatz, nämlich den Ersatz in Natur, zu gewähren. Angesichts dieser Tatsache wäre es schlechterdings unverständlich, dem Beklagten den Einwand aus § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. zu versagen, daß es der Klage an der erforderlichen Begründung fehle. Die Revision verweist zur Rechtfertigung ihrer rechtsgrundsätzlichen Bedenken auf die prozessualen Schwierigkeiten, die sich für den Geschädigten ergeben könnten, wenn er zur Begründung seiner Schadensersatz14 Zml». Sdiuldrecht U

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klage aus § 839 BGB. genötigt wäre, den Nachweis zu erbringen, daß er auch keine tatsächliche Möglichkeit versäumt habe, auf andere Weise Ersatz zu erlangen. Mit soldien Schwierigkeiten ist nicht ernstlich zu rechnen. Der Kläger k a n n sich, wie die Revisionsbeantwortung unter Bezugnahme auf die RG.-Entscheidung D N o t Z . 1935 S. 745 mit Recht ausführt, in der Regel zunächst darauf beschränken, die Ersatzmöglichkeiten zu widerlegen, f ü r die sich aus dem Sachverhalt ein A n h a l t s p u n k t ergibt. Sache des Beklagten ist es alsdann, dem Kläger die Versäumung anderer Ersatzmöglidikeiten nachzuweisen. Im vorliegenden Falle drängte sich die Frage, ob der Kläger nicht imstande gewesen wäre, durch Vermeidung grundloser N e u f o r d e r u n g e n die durch das E n t g e g e n k o m m e n der alten Vertragsgegner geschaffene Möglichkeit eines formgültigen Neuabschlusses des Vertrages seine Belange auf das vollkommenste zu wahren, aus der gegebenen Sachlage derart unabweisbar auf, daß eine Stellungnahme zu ihr schon in der Klageschrift als eine Selbstverständlichkeit erscheinen mußte. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist hiernach in ihrem rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht stellt den Satz auf, die f ü r Schadensfälle jeder A r t dem Verletzten in § 254 Abs. 2 BGB. auferlegte Pflicht, den drohenden Schaden durch eigene Tätigkeit abzuwenden, sei f ü r den Sonderfall des § 839 Abs. 1 Satz 2 zum Tatbestandsmerkmal des Schadensersatzanspruchs gegen den Staat erhoben; f ü r eine Abwägung des beiderseitigen Verschuldens (§ 254 BGB.) sei im Falle des Eingreifens dieser Vorschrift ebensowenig R a u m wie im Falle des § 839 Abs. 3 BGB. Mit diesem Satze ist der Beurteilung des Streitfalls der richtige Weg gewiesen. Die Anwendung des § 839 Abs. 1 Satz 2 hat stets einen bereits entstandenen Schaden zur Voraussetzung. Diese Voraussetzung war hier gegeben. Der Schaden, die Verschlechterung der Vermögenslage des Klägers, war durch das behauptete Amtsversehen unmittelbar herbeigeführt. Es war infolgedessen n u r die Frage zu entscheiden, ob der Kläger die ihm nach der Vorschrift des § 839 Abs. 1 Satz 2 obliegende Verpflichtung erfüllt habe, alles zu t u n , u m von dritter, d. h. von irgendeiner anderen Seite als von der des schuldigen Beamten, Ersatz zu erlangen. Für eine P r ü f u n g der Frage, o b der Schaden vorwiegend von dem N o t a r oder von dem Kläger verursacht w o r den sei, wäre nur dann R a u m gewesen, wenn f ü r die E n t s t e h u n g des Schadens noch eine andere Ursache als das angebliche Versehen des N o t a r b e a m t e n in Betracht g e k o m m e n wäre. Das war aber nach dem Sachvortrage beider Parteien nicht der Fall. Das Berufungsgericht gelangt auf G r u n d des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. zur Abweisung der Klage, indem es mit eingehender tatsächlicher Begründung darlegt, daß der Kläger es schuldhaft verabsäumt habe, die noch geraume Zeit nach der Feststellung der Formnichtigkeit der ersten Vertragsbeurkundung vorhandene Bereitwilligkeit der alten Vertrags-

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gegner z u r N e u b e u r k u n d u n g des Vertrages auszunutzen. Diese D a r legung ist, weil auf dem Gebiet der reinen Tatsachenwürdigung liegend, einer Nachprüfung durch das Revisionsgericht nidit zugänglich. RGZ. 161, 199*) Schließt die Möglichkeit, aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung Ersatz für den infolge einer Amtspflichtverletzung eingetretenen Sdbaden zu erlangen, die Amtshaftung aus? BGB. § 839 Abs. 1 Satz 2. R V O . § 1542. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 8. September 1939.

I. Landgericht Schweidnitz.

II. Oberlandesgericht Breslau.

Am 16. September 1935 f u h r der Gefreite K. vom Inf.-Regt. N r . 7 in Sch. in dienstlichem Auftrage mit einem Kraftwagen des Regiments durch die dortige Grenadierstraße, um in die sie kreuzende Waldenburger Straße einzubiegen. U m dieselbe Zeit kam auf der Waldenburger Straße der Grubensteiger U. auf einem Kraftrad herangefahren. In der Straßenkreuzung stießen beide Fahrzeuge zusammen, wobei der Kraftfahrer U. erheblich verletzt wurde. Die klagende Reichsknappschaft hat f ü r ihn an Krankengeld, Kosten der Krankenpflege und zeitweilig gezahltem Ruhegeld insgesamt 2251,86 R M . verausgabt. Sie macht geltend, der Gefreite K. habe den Unfall dadurch verschuldet, daß er an der Straßenkreuzung zu schnell gefahren sei und die Kurve geschnitten habe, ferner, daß er, als er das herankommende Kraftrad des U. erblickte, plötzlich mitten in der Straßeneinmündung gehalten habe. Sie hat im ersten Reditsgange den Standpunkt vertreten, der Beklagte sei dem U . nicht nur auf G r u n d des Kraftfahrzeuggesetzes als Fahrzeughalter (§ 7 KFG.), sondern auch aus dem Gesichtspunkte der Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB., Art. 131 WeimVerf. und § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Haftung des Reichs f ü r seine Beamten vom 22. Mai 1910 — RGBl. S. 798 —) f ü r allen ihm entstandenen Schaden ersatzpflichtig. Auf G r u n d des § 1542 R V O . begehrte sie Ersatz der erwähnten Auslagen sowie eine Feststellung dahin, daß der Beklagte ihr alle zukünftigen Rentenzahlungen oder sonstigen Leistungen, die sie dem U. auf Grund des U n falls noch zu gewähren habe, erstatten müsse. Der Beklagte hat u m Klageabweisung gebeten, weil U. wegen Nichtbeachtung des f ü r den Wehrmachtswagen gegebenen Vorfahrtsrechts die alleinige Schuld an dem Unfall trage und eine Schadensersatzpflicht f ü r den Beklagten deshalb nicht gegeben sei. Das Landgericht hat wegen überwiegenden eigenen Verschuldens des U. die Ersatzforderung nur in H ö h e von 'A f ü r begründet erachtet, demgemäß den Beklagten zur Zahlung von 562,96 R M . nebst Zinsen *) Vgl. auch Bd. 171 S. 173 (178 flg.). 14»

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verurteilt und die begehrte Feststellung nur in entsprechendem Maße getroffen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert, daß der Beklagte zur Zahlung von 750,62 R M . ( = '/s von 2251,86 RM.) nebst Zinsen verurteilt und die weitere Zahlungspflicht in entsprechendem Maße festgestellt worden ist. Die Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg. Gründe: . . . Der Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht die Revisionssumme nicht. Es fragt sich, ob gleichwohl die Revision zulässig ist. Das ist auf Grund des § 547 N r . 2 ZPO. in Verbindung mit § 71 Abs. 2 N r . 2 G V G . zu bejahen, soweit es sich um die Frage handelt, ob der Geschädigte U. aus einer Amtspflichtverletzung des Gefreiten K. einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten erworben hat und ob insoweit eine Verpflichtung des Beklagten gegenüber der Klägerin aus § 1542 Abs. 1 R V O . gegeben ist. Eine Nachprüfung der aus dem Kraftfahrzeuggesetz hergeleiteten Haftpflicht ist wegen Fehlens der Revisionssumme nicht möglich. Die Klägerin stützt ihre Klagebereditigung und ihren Klageanspruch auf § 1542 R V O . in Verbindung mit § 105 des Reichsknappschaftsgesetzes vom 1. Juli 1926 (RGBl. I S. 369). Es handelt sich bei der Klage aber nicht um die Geltendmachung eines unmittelbar eigenen Anspruchs der Klägerin, sondern um die eines Schadensersatzanspruchs des Geschädigten U., der, wie der Vorderrichter richtig erkannt hat, bei einem mitwirkenden Verschulden des Verletzten auch von der Klägerin nur in der durdi § 254 BGB. begründeten Beschränkung geltend gemacht werden kann (RGZ. Bd. 62 S. 145, Bd. 148 S. 19 [21]). Klagevoraussetzung ist also jedenfalls eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten gegenüber dem Verletzten. Als Grundlage solcher Verpflichtung hat das Berufungsgericht sowohl eine Amtspflichtverletzung des Gefreiten K. (§ 839 BGB. in Verbindung mit Art. 131 WeimVerf. und § 1 Abs. 3 des Reichshaftungsgesetzes) als auch die Gefährdungshaftung des Beklagten aus dem Kraftfahrzeuggesetz (§ 7) angenommen. Für jeden dieser Haftungsgründc hat es den § 254 BGB. zur Anwendung gebracht und danach die Haftpflicht des Beklagten auf Vs des geforderten Betrages beschränkt sowie die begehrte Feststellung mit einer entsprechenden Einschränkung ausgesprochen. Wie die Ausgleichspflicht aus § 254 BGB. bei beiden Haftungsgründen (Amtshaftung und Gefährdungshaftung) nur einheitlich festgestellt werden kann, so ist auch eine sich dann ergebende Erstattungspflicht des Beklagten aus § 1542 R V O . in ihrer Höhe nur einheitlich zu berechnen. Wenn aber, wie hier geschehen, seitens der Revision lediglich eine Verletzung des § 1542 R V O . durch Nichtbeachtung der in R G Z . Bd. 148 S. 21 dargelegten Berechnungsweise gerügt wird, so kann wegen des zu-

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vor Gesagten darauf nur insoweit eingegangen werden, als eine Schadenersatzpflicht des Beklagten aus Amtshaftung in Frage steht. Auch ein Verstoß gegen § 254 BGB. wäre nur im Fall einer gegebenen Amtshaftung nachprüfbar. Hiernach ergibt sich zunächst die Frage, ob das Berufungsgericht ohne Rcchtsirrtum eine Amtshaftung des Beklagten angenommen hat. Zurückzugehen ist hierbei auf § 839 BGB., dessen Voraussetzungen das Berufungsgericht als erfüllt angesehen hat. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Als Verschulden kommt nach Lage der Sache auf Seiten des Gefreiten K. nur fahrlässiges Handeln in Betracht. Solchenfalls tritt die Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. aber nur ein, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Diese Einschränkung der Beamtenhaftung gilt allgemein. Die Möglichkeit oder die Tatsache anderer Schadloshaltung des Verletzten schließt eine Haftung aus § 839 BGB. von vornherein aus. In RGZ. Bd. 138 S. 209 (210/211) ist bereits ausgesprochen, daß bei nur fahrlässigem Handeln der Beamten die Möglichkeit einer Schadloshaltung des Verletzten auf Grund eines Versicherungsvertrags die Amtshaftung ausschließt. Dort ist weiter schon gesagt, daß nicht nur ein vertraglicher Entschädigungsanspruch des Verletzten gegenüber einem Dritten die Amtshaftung beseitigt, sondern daß überhaupt jede Möglichkeit anderweitiger Entschädigung, mag sie rechtlicher oder rein tatsächlicher Art sein, mag sie auf Gesetz oder Vertrag beruhen, den Amtshaftungsanspruch zu Fall bringt. Diese Grundsätze hat das Reichsgericht in RGZ. Bd. 145 S. 56 (61/62) ausdrücklich aufrechterhalten, und es hat in RGZ. Bd. 152 S. 20 (21) ebenso die Frage, ob die Möglichkeit, aus einer vertraglichen Unfallversicherung Ersatz für einen durch Amtspflichtverletzung eingetretenen Unfallschaden zu erlangen, die Amtshaftung ausschließe, bejaht. Daran ist auch durch die Entscheidung RGZ. Bd. 155 S. 186 nichts geändert. Die Rechtslage kann aber keine andere sein, wenn der Schutz des Verletzten, d. h. die Möglichkeit, anderweit für den erlittenen Schaden Ersatz zu erlangen, nicht durch einen Versicherungsvertrag, sondern durch die gesetzlich begründete Kranken- oder Unfallversicherung gegeben ist. Die Tatsache, daß der Ersatzanspruch gemäß § 1542 Satz 1 R V O . ohne weiteres dem Versicherungsträger zuwächst, steht einer Anwendung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. ebensowenig entgegen, wie das bei einer vertraglichen Versicherung mit der Vorschrift des § 67 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBL S. 263) der Fall ist, worin auch ein gesetzlicher Uebergang des Ersatzanspruchs des Geschädigten an den Schädiger auf den Versicherungsträger vorgesehen ist. Der Sinn der in § 839 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Gesetzesvorschrift ist eben der, den nur fahrlässig handelnden Beamten weitgehend zu schützen. Dem entspricht auch die Neigung der Rechtsprechung, den Kreis der nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. in Betracht kommenden anderweitigen Ersatzmöglichkeit nicht eng, sondern

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weit zu fassen (vgl. R G Z . Bd. 158 S. 277 [281]). Der Ausschluß einer Inanspruchnahme des Beamten nach § 839 BGB. hat dann aber ohne weiteres die Unmöglichkeit einer Inanspruchnahme des f ü r ihn gemäß A r t . 131 WeimVerf. haftenden Reichs zur Folge. D a ß hier der Verletzte f ü r die in Betracht kommenden Schäden einen unmittelbaren Anspruch an die klagende Reichsknappschaft hatte oder hat, ist außer Streit. Diese Tatsache schließt nach Vorstehendem eine H a f t u n g des schädigenden „Beamten", des Gefreiten K., ihm gegenüber aus. Entfällt damit aber eine Amtshaftung des Beklagten gegenüber dem Verletzten, so kann auch die Klägerin auf solcher Grundlage über § 1542 R V O . keine Ersatzansprüche gegen den Beklagten erheben. M u ß hiernach die Amtshaftung als Klagegrund ausscheiden, so bleibt nur die H a f t u n g des Beklagten über § 1542 R V O . aus dem Kraffahrzeuggesetz. O b dann aber der § 1542 R V O . richtig angewendet worden ist, kann wegen Fehlens der Revisionssumme nicht nachgeprüft werden. RGZ. 161, 288 1. Umfaßt das staatliche Aufsichtsrecht die Bestellung von Vertretern einer Stiftung als Ersatz fortgefallener oder behinderter Organe? 2. Erstreckt sich die Amtspflicht städtischer Beamter auch auf den Bereidi der von der Stadt verwalteten Stiftungen, die eigene Rechtspersönlichkeit besitzen? BGB. §§ 80, 839. IV. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Essen.

U r t . v. 9. Oktober 1939. I I . Oberlandesgeridit H a m m .

A m 3. März 1856 hat der bei Dü. w o h n h a f t gewesene Rentner J. R. vor dem N o t a r L. in Dü. eine U r k u n d e aufnehmen lassen. Im Eingang der U r k u n d e erklärt R., ein Testament errichten zu wollen; im ersten Abschnitt setzt er die Erben ein. Im dritten Abschnitt schließt er sämtliche „Immobilien und Immobiliarrechte" sowie die Hälfte seines Kapitalvermögens von der Erbteilung aus und verordnet, daß dieses Vermögen „zur Begründung der hier unten näher bezeichneten Familien-StipendienStiftung bestimmt bleiben" und die jährlichen Einkünfte hieraus, „zum Besten seiner Familienmitglieder nach den Anordnungen der die Stiftung verwaltenden Behörde verwendet werden sollen". Er bestimmt dann den Kreis der aus der Stiftung Berechtigten. Im vierten Abschnitt sind in den §§ 1 bis 15 Bestimmungen über die Verwaltung und Verwendung des Stiftungsvermögens getroffen. § 1 bestimmt u. a., „daß der jedesmalige Bürgermeister und Magistrat der Stadt Do." den Verwaltungsrat der Stiftung bilden und daß der Bürgermeister als Rendant der Stiftung die Kasse, die Bücher und den Schriftverkehr f ü h r t , die Einkünfte empfängt, die Zahlungen leistet und den Stammbaum der einzelnen zur

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Stiftung berechtigten Personen fortführt. Lehnt er die Stelle als Rendant ab, so wählt der Verwaltungsrat einen anderen Rendanten. Der Magistrat der Stadt hat neben anderen Aufgaben „die Sicherheit des Stiftungsvermögens zu überwachen" und über Beschwerden der Familienmitglieder zu entscheiden. Er hat die vom Rendanten jährlich abzulegende Verwaltungsrechnung zu überprüfen und ihm Entlastung zu erteilen. Gegen die Entscheidungen des Magistrats steht jedem Mitgliede des Verwaltungsrats die Berufung an die Stadtverordnetenversammlung in Do. zu. Ueber die durch Berufung angefochtenen Beschlüsse bestimmen der Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung endgültig. Nach § 3 kann jedes Familienmitglied die Entscheidung der mit dem Verwaltungsrat vereinigten Stadtverordnetenversammlung anrufen, wenn es glaubt, sich bei den Beschlüssen des Verwaltungsrats nicht beruhigen zu können. Für den Fall einer Veränderung der damaligen Städteverfassung „sollen die Verrichtungen, welche oben dem Bürgermeister, dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung beigelegt sind, von denjenigen Behörden ausgeübt werden, die nach der neuen Gemeindeverfassung in Do. an Stelle der ersteren treten". Nach § 6 erhält der Rendant für seine Bemühungen jährlich 3 °/o von dem Ertrage des Stiftungsvermögens, womit er die gewöhnlichen Bürobedürfnisse zu bestreiten hat. Das städtische Krankenhaus in Do. erhält eine jährliche Rente von 100 Talern. Außerdem sind jährlich 50 Taler f ü r ein am Namenstage des Stifters zu veranstaltendes Essen des Verwaltungsrates und der Stadtverordnetenversammlung ausgesetzt. In den nächsten Paragraphen folgen Bestimmungen über die Gewährung von Studienbeihilfen und Unterstützungen an Familienmitglieder des Stifters und ihre Abkömmlinge. Im Falle des Aussterbens der Nachkommen der Eltern und Großeltern des Stifters soll nach § 15 die Stadt Do. das Stiftungsvermögen erwerben. Die Verwaltung der Stiftung ist bis zum Jahre 1934 ihren Bestimmungen entsprechend vom Bürgermeister, dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung in Do geführt worden. Schon vor dem Jahre 1922 wurden die Jahresabrechnungen der Stiftung von dem späteren Stadtsekretär C., der seit dem Jahre 1912 Angestellter der Stadt Do. war, für den damaligen Bürgermeister und Rendanten aufgestellt. Als dieser Bürgermeister im Jahre 1922 in den Ruhestand getreten und die Rendantenstelle frei geworden war, wurde C. auf Antrag des Magistrats durch Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 19. Juni 1923 mit der Führung der Rendantur aushilfsweise beauftragt. Kurze Zeit darauf wurde Dr. L. Bürgermeister von Do. Da er die Uebernahme der Rendantenstelle nicht ablehnte, übergab ihm C. die Akten der Stiftung. Am 3. Dezember 1925 erging folgende Verfügung des Bürgermeisters: Bis auf weiteres werden die Kassengeschäfte der J. R.schen Stiftung durch den Stadtsekretär C. gemäß Beschluß der Stadtverordnetenversammlung 1923 erledigt. Die Aufwertungsangelegenheiten werden

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von mir und dem Finanzbüro bearbeitet. Im Juni 1934 wurden bei einer Nachprüfung Unstimmigkeiten in der Kassenführung festgestellt. Gegen C. wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Er gab zu, in der Zeit von 1926 bis Anfang 1933 nach und nach aus der Kasse der Stiftung Geld im Gesamtbetrage von rund 20 000 RM. entnommen und für sidi verbraucht zu haben. Wegen fortgesetzter Untreue wurde er zu einer längeren Gefängnisstrafe verurteilt. Die städtischen Behörden lehnten nunmehr ab, weiterhin für die Stiftung tätig zu sein. Die Bestellung eines Pflegers wurde vom Amtsgericht und Landgericht abgelehnt. Dagegen befaßten sich die Aufsichtsbehörden mit der Angelegenheit. Am 27. Februar 1935 riditete der Landrat folgendes Schreiben an den Bürgermeister: Zum Beridit vom 25. Februar 1935. Nach Benehmen mit dem Herrn Regierungspräsidenten bin ich damit einverstanden, daß die gesamten Verwaltungsgeschäfte der R.schen Stiftung bis zur endgültigen Regelung der Angelegenheit einem Rechtsanwalt treuhänderisch übertragen werden. Welcher Anwalt mit dieser Aufgabe zu betrauen sein wird, überlasse ich der dortigen Entsdieidung. Ich ersuche, ihm diese Aufgabe in meinem Namen (als Aufsichtsbehörde) auf Kosten der zur Verwaltung der Stiftung verpflichteten Stadt Do. zu übertragen und dabei nach Möglichkeit dafür zu sorgen, daß die Aenderung der Stiftungsurkunde beschleunigt von dem Anwalt herbeigeführt wird. . . . Dementsprechend beauftragte der Bürgermeister den Rechtsanwalt und Notar Dr. L. in M. durch ein Schreiben folgenden Wortlauts: Unter Bezugnahme auf anliegende Verfügung des Herrn Landrats des Landkreises R. übertrage ich Ihnen hiermit als Treuhänder die Führung der gesamten Verwaltungsgesdhäfte der R.schen Stiftung bis zur endgültigen Regelung der Angelegenheit. Sämtliche von Ihnen benötigten Vorgänge stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung . . . Am 9. Mai 1936 erließ darauf der Regierungspräsident in M. folgende Verfügung: Auf Grund des Gesetzes vom 10. Juli 1924, betr. die Aenderungen von Stiftungen (GS. S. 575) wird die Satzung der J. R.schen FamilienStipendien-Stiftung vom 5. März 1856 dahin geändert, daß sämtliche Rechte und Pflichten des Bürgermeisters und der Stadt Do. aus der Stiftungsurkunde vom 5. März 1856 auf den Rechtsanwalt Dr. L. in M. als den mit der Führung der gesamten Verwaltungsgeschäfte der Stiftung beauftragten Treuhänder übergegangen sind. Rechtsanwalt Dr. L. führt nunmehr die Verwaltungsgeschäfte der Stiftung und hat in diesem Rechtsstreit gegen die Beklagte Klage erhoben. Er hat vorgetragen, die Unterschlagungen des C. seien nur möglich gewesen, weil die Beklagte ihrer Aufsichtspflicht nicht genügt habe; denn sie habe in den Jahren 1926 bis 1934 seine Kassenführung nicht

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überwacht. Sie sei deshalb für den der Stiftung entstandenen Schaden verantwortlich. Aber nicht nur durch die Veruntreuungen des C. sei ein Schaden (von etwa 22 000 RM.) entstanden; die Beklagte habe auch die Geschäfte der Stiftung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geführt. Auf die Klage, mit der zunächst ein Teilbetrag von 7000 RM. nebst Zinsen verlangt wird, haben Landgericht und Oberlandesgericht die Beklagte entsprechend verurteilt. Die Revision blieb erfolglos. Gründe: Das Berufungsgericht nimmt an, daß die klagende Stiftung eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und daß sie durch Rechtsanwalt Dr. L. zu Recht vertreten wird. Die Revision bittet um Nachprüfung der ersten Frage und wendet sich gegen die Vertretungsbefugnis. Dem Berufungsgericht ist jedoch im Ergebnis beizutreten. I. Die Stiftung ist im Jahre 1856 durch letztwillige Verfügung errichtet worden, die vor einem Notar in Dü. in Gegenwart von vier Zeugen verlautbart wurde. Der Stifter wohnte in der Gemeinde P. bei Dü. In Dü. galt französisch-rheinisches Recht. Sitz der Stiftung war Do. im Gebiete des Preußischen Allgemeinen Landrechts. Nach Landrecht war der ordentliche persönliche Richter des Stifters für die Verlautbarung zuständig (§ 29 II 4 ALR.). Aus der Nichtbeachtung dieser Form will die Beklagte herleiten, daß eine Stiftung nicht rechtsgültig errichtet und nicht als rechtsfähige Persönlichkeit entstanden sei. Diese landrechtliche Bestimmung kann ihrer Natur nach aber nur für den Geltungsbereich des Allgemeinen Landrechts Bedeutung beanspruchen. Für die Form eines Rechtsgeschäfts ist auch nadi Allgemeinem Landrecht das Recht des Orts der Errichtung maßgebend. Das französisch-rheinische Recht enthält keine ausdrückliche Vorschrift über die Errichtung von Stiftungen. Es ist daher den Vorinstanzen darin beizutreten, daß sie die Form der Errichtung der Stiftung durch Testament nach den Vorschriften des französisch-rheinischem Rechts über die Errichtung von Testamenten beurteilt haben. Hierbei ist ein Rechtsirrtum nicht erkennbar (Art. 967 flg. Code civil). Die Errichtung von Stiftungen war sowohl nach französisch-rheinischem, als auch nach Landrecht zulässig. Staatliche Anerkennung war nach beiden Rechten erforderlich (vgl. für rheinisches Recht C r o m e Allg. Teil des französischen Privatrechts § 1 7 1 S. 140 flg.; C r u s e n und M ü l l e r Preuß.AusfG.z.BGB. Vorbem. zu Art. 1 bis 4, II 2 b Abs. 2). Dieses Erfordernis ist auf Grund der tatsächlichen Unterlagen vom Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum bejaht worden (Allg.KabO. vom 12. Dezember 1863). Die klagende Stiftung diente zwar in erster Reihe, aber nicht allein, den Belangen der Familienmitglieder. Sie sah gleichzeitig auch Einkünfte für ein Krankenhaus in Do. vor (§ 6) und nach etwaigem Aussterben berechtigter Familienangehöriger den Anfall des Vermögens an die Stadt Do. (§ 15). Es lag also keine reine Familienstiftung vor,

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sondern eine gemichte Stiftung im Sinne des preußischen Stiftungsrechts (vgl. C r u s e n und M ü l l e r a. a. O. Vorbem. zu Art. 1 bis 4, I 2). Der gerichtlichen Aufsicht, der lediglich reine Familienstiftungen unterstellt sind, unterliegt die Klägerin daher nicht, vielmehr der Aufsicht der Verwaltungsbehörde. Dieses allgemeine Aufsichtsrecht ist in § 13 II 13 ALR. festgelegt. Im Ergebnis rechnen zu den dieser Aufsicht unterstellten öffentlichen Anstalten alle Stiftungen, die nicht reine Familienstiftungen sind, sondern teilweise auch öffentlichen Zwecken dienen (vgl. C r u s e n und M ü 11 e r a. a. O. Vorbem. zu Art. 1 bis 4 IV 1). Die Aufsicht soll Ruhe, Sicherheit und Ordnung gewährleisten. Aehnliche Bestimmungen enthalten auch die Vorschriften über milde Stiftungen (§§ 37 flg. II 19 ALR.). Der Endzweck solcher Stiftungen soll gesichert bleiben, Mängel sollen behoben, die Einkünfte zweck- und vorschriftsmäßig verwendet werden. Dazu ist die Fortführung einer ordnungsmäßigen Verwaltung der Stiftung unerläßlich. Daher fällt auch der Ersatz fortgefallener oder behinderter Organe unter die Ausübung des Aufsichtsrechts. Im Schrifttum ist diese Folgerung anerkannt (vgl. H o l d e r Natürliche und juristische Personen S. 252 flg.). Das Berufungsgericht hat in überzeugender, das Revisionsgericht bindender Weise die Stiftungsurkunde dahin ausgelegt, daß die Verwaltung der Stiftung den Organen der Stadt als solchen in ihrer Gesamtheit, nicht nur einzelnen durch die Mitgliedschaft bei den städtischen Körperschaften bestimmten Personen, vom Stifter übertragen worden ist. Durch die hiergegen von der Revision erhobenen Einwendungen wird in unzulässiger Weise lediglich eine andere Würdigung der in der Urkunde festgelegten Willensäußerungen des Stifters verlangt. Das Berufungsgericht hat die Umstände sorgfältig erwogen und ersichtlich keine der vorgetragenen Behauptungen außer acht gelassen. Wenn die Verwaltung der Stiftung einer Behörde übertragen ist, steht die Aufsicht der dieser vorgesetzten Behörde zu (Staatsministerialbericht vom 23. Dezember 1844 JMB1. 1845 S. 26 [30 zu II]; C r u s e n und M ü 11 e r a. a. O. IV 1). Nach § 76 der Städteordnung für die Provinz Westfalen vom 19. März 1856 wird bei Städten bis zu 10 000 Einwohnern diese Aufsicht vom Landrat ausgeübt. Nachdem die städtischen Behörden eine weitere Tätigkeit für die Stiftung abgelehnt hatten, hat der Landrat des Kreises R. durch Schreiben vom 27. Februar 1935 in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde den Bürgermeister von Do. angewiesen, die gesamten Verwaltungsgeschäfte der Stiftung bis zur endgültigen Regelung der Angelegenheit einem Rechtsanwalt treuhänderisch zu übertragen. Dementsprechend ist Rechtsanwalt Dr. L. bestimmt worden. Hieraus ergibt sich sein Recht zur Vertretung der Klägerin im Rechtsstreit, und es braucht auf die Frage seiner Bestallung auf Grund des Gesetzes vom 10. Juli 1924 (Preuß. GS. S. 575) und der Verfügung des Regierungspräsidenten vom 9. Mai 1936 sowie darauf, daß Dr. L. lediglich durch den Bürgermeister bevollmächtigt worden ist, nicht eingegangen zu werden. Bedenken, die wegen mangelnder Parteifähigkeit

S t a a t s - und B c a m t e n h a f t u n g

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oder mangelnder gesetzlicher Vertretung zu einer Prozeßabweisung führen müßten, bestehen also nicht. Daher ist eine sachliche Entscheidung zu treffen. II. Seitdem die Städteordnungen die Verwaltung in die Hand der Städte gelegt haben, sind diese vielfach mit der Verwaltung der örtlichen Stiftungen betraut und ist die Verwaltung solcher Stiftungen als Gemeindeangelegenheit betrachtet worden. In der Städteordnung für Hannover vom 24. Juni 1858 z. B. ist die Verwaltung der Orststiftungen ausdrücklich als Gemeindeangelegenheit und der Magistrat als Organ hierfür bestimmt worden (§ 126). Auch in Preußen ist die Entwicklung in dieselbe Richtung gegangen, wie der erwähnte Staatsministerialbericht von 1844 außer Zweifel stellt, wenn auch ausdrückliche Gesetzesbestimmungen fehlen. Damit sind derartige Stiftungen Gegenstand der städtischen Verwaltung geworden, und zwar auch dann, wenn sie eigene Rechtspersönlichkeit besessen haben. Es sind sogar Vorschriften ergangen, in welcher Form selbständige und unselbständige Stiftungen in den Haushaltsplan der Städte aufzunehmen sind. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizutreten, daß an diesem Grundsatze nichts geändert wird, wenn in der Stiftungsurkunde die Tätigkeit der einzelnen Organe der Stadt besonders und abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen geregelt ist. Denn dem Willen des Stifters kam das Landrecht sehr weit entgegen, sogar in der Bestimmung der Aufsichtsbehörden (JMB1. 1845 S. 30). Die bei der Genehmigung der Stiftung eintretende staatliche Prüfung ließ Mißstände nicht befürchten. Die mit der Stadt- und zugleich mit der Stiftungsverwaltung betrauten Beamten handeln also auch bei dieser als Beamte der Stadt im Bereiche der ihnen im Rahmen der Stadtverwaltung obliegenden Amtspflicht, und zwar auch dann, wenn die Stiftung eigene Persönlichkeit hat und der Beamte als städtischer Beamter gleichzeitig Mitglied des Organs der Stiftung ist. Die Betätigung liegt dabei nicht in einem bürgerlichrechtlichen Geschäftskreise, sondern im Bereiche der öffentlichen Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten, und zwar auch im Bereiche der Fürsorge, wenn die Stiftung, wie hier, Mittel für die Krankenpflege vorsieht. Die Amtspflichten der städtischen Beamten erstrecken sich nach der Natur der Sache auf die Ueberwachung der vom Bürgermeister mit der Stiftungsverwaltung betrauten PersonDiese Amtspflicht besteht sowohl einer mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Stiftung selbst gegenüber, als auch gegenüber den an dem Stiftungsvermögen beteiligten Nutznießern. Sie ist, wie das Berufungsurteil ohne Rechtsirrtum festgestellt hat, schuldhaft verletzt worden. Die Beklagte haftet daher auf Grund des § 839 BGB. in Verbindung mit dem Preußischen Staatshaftungsgesetze vom 1. August 1909 (Preuß. GS. S. 691) auf Schadensersatz. Ersichtlich kommt auch eine andere Stelle, von welcher die Klägerin Ersatz erhalten könnte, nicht in Frage. Die Höhe des geltend gemachten und zuerkannten Anspruchs ist auf Grund der festgestellten Unterschlagung nicht zu bemängeln.

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

Die §§ 89, 31 BGB. kommen allerdings nicht zur Anwendung. Die Haftung der Person des öffentlidien Rechts besteht nach § 89 nur für die in Ausführung bürgerlichrechtlicher Verrichtungen von ihren Vertretern vorgenommene Betätigung (vgl. RGRKomm.z.BGB. Bern. 2 zu S 89; RGZ. Bd. 155 S. 266). Soweit dabei unerlaubte Handlungen in Frage kommen, scheidet der Tatbestand des § 839 BGB. in diesem Zusammenhange zudem überhaupt aus (vgl. RGZ. Bd. 131 S. 239 [249]). Die Voraussetzungen der S S 823 flg. sind nicht nachgewiesen. Um bürgerlidirechtlidie Betätigung handelt es sich im übrigen nicht, wie oben ausgeführt worden ist. Audi die Unterlagen für etwaige Ansprüche auf vertraglicher Grundlage sind nicht hinreichend dargetan. Nach alledem ist daher eine Erörterung darüber nicht geboten, ob im Rahmen des S 89 BGB. auf bürgerlichredulichem Gebiete die Stadt zu haften hätte, wenn ihre Organe als Organe der Stiftung lediglich im Bereiche der Stiftungsverwaltung tätig geworden sind, und bejahendenfalls, ob eine Haftung aus S 89 BGB. jedenfalls nur dann einträte, wenn die Organe in einer den Vorschriften der Städte- oder Gemeindeordnung entsprechenden Form auch als Organe der Stiftung sidi zu betätigen gehabt hätten. Die Beklagte will ein mitwirkendes Verschulden der Klägerin darin erblicken, daß Familienmitglieder von ihrem Rechte zur Ueberwadiung keinen ausreichenden Gebrauch gemacht hätten. Allein auch damit kann sie nicht gehört werden. Die Schuld von Familienmitgliedern wäre keine Schuld der Klägerin. Aber eine solche Schuld ist auch nicht festzustellen, da nicht erkennbar ist, daß Familienmitglieder über eine Ueberwadiung der Listen und eine Verteilung der ausgeschütteten Mittel hinaus etwa auch insoweit hätten tätig werden müssen und können, daß sie den Bestand des in den städtischen Kassen liegenden Vermögens prüften. RGZ. 161, 375 WelAe Bedeutung hat die Bestimmung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. für den Beginn der kurzen Verjährung gemäß § 852 Abs. 1 das.? V. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Bielefeld.

Urt. v. 19. Oktober 1939. II. Oberlandesgeridit Hamm.

Der Beklagte beurkundete am 27. Juni 1925 als Notar einen Kaufvertrag, in dem der Kläger die Besitzung des Kaufmanns P., Märkische Straße 24 in B., für 26 500 RM. kaufte. Nadi $ 2 des Vertrags wurde das Grundstück frei von eingetragenen Lasten verkauft. Den Kaufpreis entrichtete der Kläger in einem bei Abschluß des Vertrags hingegebenen Sdieds über 10 000 RM. und drei Wechseln über zusammen 16 500 RM. Das Grundstück sollte erst nach Zahlung des ganzen Kaufpreises, d. h. nach Einlösung der Wechsel, aufgelassen werden. Zur

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Erhaltung des Rechts des Klägers auf Auflassung wurde eine Auflassungsvormerkung bewilligt und eingetragen. Am Tage des Kaufabschlusses war das Grundstück mit zwei Eigentümergrundschulden in Höhe von 6000 RM. und 9000 RM. belastet (Abt. III Nr. 4 und 5). In Abt. III unter Nr. 2 stand früher eine Darlehnshypothek über 25 000 Mark aus dem Jahre 1906 eingetragen, die am 20. Dezember 1923 gelöscht worden war. Diese ist später als Aufwertungshypothek in Abt. III unter Nr. 6 in Höhe von 6236,25 GM. wieder eingetragen worden. Der Kläger löste die Wechsel vertragsmäßig ein; der Verkäufer P. kam jedoch seiner Verpflichtung, das Grundstück lastenfrei zu machen, nicht nach. Der Kläger nahm am 16. August 1928 die Auflassung trotz der vorgenannten drei Belastungen entgegen, um nicht alles zu verlieren. Aus den beiden Grundschulden, die zur Zeit des Kaufabschlusses der Sparkasse der Stadt L. verpfändet waren, wurde die Zwangsversteigerung des Grundstücks betrieben. Den Zusdilag erhielt die Gewerbebank zu B. Ueber das Vermögen des P. wurde zunächst das Vergleichsverfahren und sodann am 8. April 1929 das Konkursverfahren eröffnet. Letzteres wurde mangels Masse am 1. Juni 1935 eingestellt. Nunmehr nimmt der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Er wirft ihm vor, daß er es unter Verletzung der Belehrungspflicht unterlassen habe, ihn auf die ihm aus den beiden Eigentümergrundschulden drohenden Gefahren hinzuweisen und geeignete Sicherungsmaßregeln vorzuschlagen, und daß er auch auf die zu erwartende Aufwertung der gelöschten Hypothek Nr. 2 nicht aufmerksam gemacht habe. Der Beklagte hat jedes Versdiulden bestritten und sich weiter auf Verjährung berufen. Die Revision des in den beiden früheren Rechtsgängen unterlegenen Klägers hatte keinen Erfolg. Gründe: Soweit das Oberlandesgeridit die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung hat durchdringen lassen, ist seinen Ausführungen beizutreten. Ueber den Schaden und darüber, daß der Beklagte als Ersatzpflichtiger in Betracht komme (§ 852 BGB.), hatte der Kläger spätestens durch das Schreiben des Rechtsanwalts Dr. B. vom 13. Juni 1929 Kenntnis erlangt. Nun setzt allerdings die Schadensersatzklage wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. voraus, daß der Verletzte nicht anderweit Ersatz seines Schadens zu erlangen vermag. Die Verjährungsfrist beginnt daher nidit zu laufen, solange wegen der Möglichkeit anderweiten Ersatzes die Voraussetzung für die Klage gegen den Beamten noch nicht gegeben ist. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, daß nur eine zur Zeit der Klageerhebung vorhandene und durchführbare Möglichkeit anderweiten Ersatzes dem Ansprudi gegen den Beamten entgegensteht. Dagegen braucht sich der

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Verletzte auf künftige, nicht alsbald zu verwirklichende Ersatzmöglichkeiten nicht verweisen zu lassen (vgl. R G Z . Bd. 141 S. 353 [354]). Das Konkursverfahren über das Vermögen des P. wurde am 8. April 1929 eröffnet, weil dieser außerstande war, die erste Teilzahlung aus dem in dem Vergleichsverfahren abgeschlossenen Zwangsvergleich zu zahlen. Sdion hieraus ergab sich, daß das Konkursverfahren nicht in Kürze zur Befriedigung der nichtbevorrechtigten Gläubiger führen werde. Das Konkursverfahren stand daher der Klage gegen den Beklagten unter dem Gesichtspunkte des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. nicht entgegen (vgl. Urteil des erkennenden Senats V 176/33 vom 13. Januar 1934 — H R R . 1934 N r . 12 —). Als auch eine dem Kläger von P. zur Sicherheit abgetretene Grundschuld auf dem Grundstück in D. im Juni 1929 in der Zwangsversteigerung ausfiel, war daher die Klagevoraussetzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. gegeben. Dazu kommt, daß der Konkursverwalter dem Vertreter des Klägers im Dezember 1930 mitgeteilt hat, er könne nicht angeben, welcher Teilbetrag aus dem Konkurse zu erwarten sei, weil noch zwei größere Prozesse schwebten, und daß er ihm im Mai 1931 auf seine erneute Anfrage geantwortet hat, mit Rücksicht auf die bei verschiedenen Gerichten schwebenden Prozesse sei es nicht möglich, anzugeben, welcher Teilbetrag zur Ausschüttung gelange und wann dies sein werde. Demnach war die kurze Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB. bereits abgelaufen, als der Kläger am 6. Juli 1935 das Gesuch um Bewilligung des Armenrechts zur Erhebung der Schadensersatzklage gegen den Beklagten beim Landgericht B. einreichte, und es bedarf daher keiner Erörterung, inwieweit das Armenrechtsverfahren die genannte Frist, falls sie noch im Laufe gewesen wäre, gehemmt haben würde. Soweit in dem von der Revision angeführten Urteil des 3. Zivilsenats vom 3. Juni 1932 (RGZ. Bd. 137 S. 20 [23 letzter Absatz]) ein gegenteiliger Standpunkt eingenommen sein sollte, vermag der erkennende Senat dem nicht beizutreten (Artikel 2 des Gesetzes vom 28. Juni 1935 — RGBl. I S. 844 —). Denn es würde dann die zugunsten des Beamten getroffene Bestimmung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. in ihr Gegenteil verkehrt, indem die kurze Verjährung des § 852 BGB., die eine möglichst rasche Aufklärung der Schuldfrage und des ursächlichen Zusammenhangs herbeiführen soll, tatsächlich außer Kraft gesetzt würde (vgl. R G Z . Bd. 145 S. 56 [70/71]). Wenn sich der Kläger über die Möglichkeit der Klageerhebung und den Beginn der Verjährung in einem Rechtsirrtum befunden haben sollte, so steht das der Verjährung nicht entgegen. R G Z . 162, 24 1. Zur Auslegung des § 128 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 ZVG. 2. Ueber die Tragweite des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB.

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3. Unter wcldien Voraussetzungen haftet der Notar für eine von seinem Bürovorsteher erteilte falsche Rechtsauskunft? 4. Darf der Notar für den Fall seiner Abwesenheit anordnen, daß sein Bürovorsteher mit den auf der Amtsstube zur Vornahme eines notarischen Aktes erscheinenden Personen verhandelt und den Akt so vorbereitet, daß er von einem anderen Notar vollzogen werden kann? Z V G . § 44, 49, 52, 128, 130. B G B . § 839. V. Z i v i l s e n a t .

U r t . v. 30. Oktober 1939.

I. Landgericht Köln.

I I . Oberlandesgericht daselbst.

In dem Verfahren, betreffend die Zwangsversteigerung des Grundstüdes der Eheleute Peter und Maria V . in K., wurde dem Josef A. d. J . der Zuschlag erteilt. Da dieser in dem Verteilungstermin das Bargebot nicht berichtigte, wurde der Teilungsplan dadurch ausgeführt, daß die Forderung gegen den Ersteher auf die Berechtigten übertragen wurde, und zwar in nachstehender Rangfolge: an die Stadtgemeinde K . : 828,51 R M . nebst 4 v. H . Zinsen seit dem 9. Mai 1932, an die Stadtsparkasse in K.: 13 832,95 R M . nebst 4 v. H. Zinsen seit dem 9. Mai 1932 und an die Eheleute Peter B. in B . : 501,95 R M . nebst 4 v. H . Zinsen seit dem 9. Mai 1932. Bereits am 23. Mai 1932 beantragte die Stadtsparkasse K. wegen der ihr übertragenen Forderung von 13 832,95 Reichsmark die Wiederversteigerung des Grundstücks, die am 25. Mai 1932 angeordnet wurde. Erst im Laufe dieses Verfahrens, nämlich am 28. Mai 1935, wurden auf Ersuchen des Versteigerungsgerichts der E r steher A. als Eigentümer und gemäß § 128 Abs. 1 Z V G . für die Stadtgemeinde K., für die Stadtsparkasse K. und für die Eheleute B. Sicherungshypotheken für die mangels Zahlung des Bargebotes eingetragenen Forderungen in der angegebenen Rangfolge unter Beachtung der V o r schrift des § 130 Abs. 1 Satz 2 Z V G . im Grundbuch eingetragen. Am 8. O k t o b e r 1935 wurde weiter eingetragen, daß die erste H y p o t h e k durch Zahlung eines Teilbetrages und Verzicht der Gläubigerin auf den Restbetrag Eigentümergrundschuld geworden und an die Mutter des Eigentümers, die Ehefrau Josef A., Apollonia geb. M., abgetreten sei. Diese Grundsdiuld bot der Eigentümer A. im Auftrage seiner Mutter dem Kläger zum Erwerb an. Dieser ging hierauf auf Veranlassung des A. zur Amtsstube des Beklagten, wo er nur dessen Bürovorsteher Sch. antraf, da der Beklagte wegen Krankheit abwesend war. D e m Bürovorsteher erklärte er den Sachverhalt; er beauftragte ihn, festzustellen, ob die Grundsdiuld tatsächlich erstrangig sei und ob er auch bei einer Zwangsversteigerung damit redinen könne, daß die Grundsdiuld an erster Stelle zur Hebung komme, da er die Sache nur machen wolle, wenn sie für ihn gefahrlos sei. Sch. gab nach der Einsicht in das Grundbuch die Erklärung ab, der Kläger könne die Grundschuld ruhig erwerben, er sei gesichert, für die Stadtsparkasse K. ständen 13 800 R M .

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an zweiter Stelle, so daß er audi in einem Zwangsversteigerungsverfahren sicherlich ausgezahlt würde; die Sache sei völlig unbedenklich. Hierauf wurde in dem Büro des Beklagten die Abtretungserklärung entworfen. Mit dieser begab sich der Kläger zu dem Notar Dr. B., der die Beglaubigung vornahm und die Urkunde bei dem Grundbudiamte mit dem Antrag auf Eintragung der Abtretung im Grundbuch einreichte. Bei der Wiederversteigerung des belasteten Grundstücks fiel die dem Kläger abgetretene Grundschuld aus, da der Versteigerungsrichter davon ausging, daß sie gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 ZVG. der Hypothek der betreibenden Gläubigerin im Range nachstehe. Die von dem Kläger gegen den Zuschlagsbeschluß eingelegte sofortige Beschwerde wurde zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde wurde als unzulässig verworfen. Nunmehr nimmt der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 904,32 RM. nebst Zinsen in Anspruch mit der Begründung, der Schaden sei durdi den falschen Rat des Bürovorstehers des Beklagten, für den dieser einstehen müsse, entstanden. Der Beklagte hat bestritten, daß der von seinem Bürovorsteher erteilte Rat unrichtig gewesen sei. Weiter hat er ein Verschulden seines Bürovorstehers in Abrede gestellt und ausgeführt, daß er für das Verhalten seines Bürovorstehers überhaupt nicht aufzukommen habe. Schließlich hat er geltend gemacht, daß der Kläger von der Frau A. Ersatz seines Schadens erlangen könne. Das Landgericht hat dem Klageantrage stattgegeben. Auf die vom Beklagten eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht den Beklagten nur zur Zahlung von 734,38 RM. nebst Prozeßzinsen verurteilt, im übrigen die Klage abgewiesen. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Gründe: Die von der Revision zur Nachprüfung gestellte Frage, ob die vom Bürovorsteher des Beklagten dem Kläger gegebene Auskunft unrichtig war, ist mit dem Berufungsgericht zu bejahen. Die Vorschrift des § 128 Abs. 3 Satz 2 ZVG. soll verhüten, daß der Ersteher aus der Tatsache, daß er den Barerlös im Verteilungstermin nicht gezahlt hat, einen ungerechtfertigten Vorteil zieht. Soweit er nämlich seine Verpflichtungen zur Barzahlung erfüllt hätte, wäre der gezahlte Betrag den Beteiligten nach dem Range ihres Rechtes zugeteilt worden, mit der Folge, daß das durch Zahlung getilgte Recht erloschen und die nachfolgenden Rechte aufgerückt wären. Um nun dieselbe Folge auch für den Fall herbeizuführen, daß der Ersteher erst nach Eintragung der Sicherungshypothek gemäß § 128 Abs. 1 ZVG. zahlt, war ursprünglich vorgesehen, daß die Sicherungshypothek erlöschen solle, wenn sie sich mit dem Eigentum an dem Grundstück in derselben Person vereinige. So weit geht das Gesetz aber nicht. Es erreicht denselben Zweck durch die Vorschrift, daß die Hypothek, wenn sie sich mit dem Eigentum in einer Person ver-

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einigt, nicht zum Nachteil eines Rechts, das bestehen geblieben ist, oder einer nach § 128 Abs. 1, 2 eingetragenen Sicherungshypothek geltend gemacht werden kann (vgl. die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bei J a e c k e l - G ü t h e ZVG. Bern. 8 zu §§ 128, 129). Die Vorschrift bedeutet, daß die Eigentümergrundschuld im Range hinter die im § 128 Abs. 2 Satz 3 genannten Rechte zurücktritt (vgl. J a e c k e l - G ü t h e a. a. O.; R e i n h a r d - M ü 11 e r Z V G . Bern. VI 1 zu § 128; K o r i n t e n b e r g - W e n z Z V G . Bern. 8 zu § 128). Es handelt sich um eine Bestimmung, wie sie für ähnliche Fälle in den §§ 1164, 1176, 1182 B G B . getroffen ist. Auch in diesen Fällen tritt eine Rangverschiebung zugunsten der Rechte ein, zu deren Nachteil das andere Recht nicht geltend gemacht werden kann (vgl. P l a n c k - S t r e c k e r BGB. Bern. 4 zu § 1164, Bern. 3 a zu § 1176, Bern. 3 b zu § 1182). Hatte hiernach aber die Sidierungshypothek der Städtischen Sparkasse, aus der die Wiederversteigerung des Grundstücks betrieben wurde, den Vorrang vor der Grundschuld des Klägers, so kam diese nicht in das geringste Gebot (§ 44 ZVG.). Aus der Bestimmung des § 128 Abs. 4 Z V G . kann zugunsten der Grundschuld des Klägers nichts hergeleitet werden. Die V o r schrift will verhindern, daß eine gemäß § 128 Z V G . eingetragene Sicherungshypothek bei der Wiederversteigerung des Grundstücks bestehen bleibt. Das wäre aber nur der Fall, wenn die Sicherungshypothek in das geringste Gebot fiele (§ 44 ZVG.). Für diesen Fall bestimmt § 128 Abs. 4 in Abweichung von § 49 Abs. 1 ZVG., daß der zu ihrer Deckung erforderliche Betrag, auch soweit es sich um das Kapital handelt, bar zu berichtigen ist, daß also die Hypothek vollständig in das Bargebot k o m m t und infolgedessen gemäß § 52 Abs. 1 Z V G . trotz der Aufnahme in das geringste Gebot erlischt. Wenn das Redit nicht in das geringste Gebot fällt, trifft § 128 Abs. 4 Z V G . nicht zu. In diesem Falle hat das Recht nur insoweit nach seinem Rang einen Anspruch auf Zuteilung, als der Barerlös reicht (vgl. J a e c k e l - G ü t h e a. a. O. Bern. 9 zu §§ 128, 129; R e i n h a r d - M ü l l e r a. a. O. Bern. VII; K o r i n t e n b e r g W e n z a. a. O. Bern. 9). Die vom Beklagten anscheinend vertretene Meinung, der Abs. 4 des § 128 Z V G . sichere der gemäß Abs. 1 das. eingetragenen Sicherungshypothek bei einer Wiederversteigerung des Grundstücks auf alle Fälle eine Berücksichtigung durch Barzahlung zu, würde mit dem oben erörterten Zwecke der Vorschrift des § 128 Abs. 3 Satz 2 ZVG. in offenem Widerspruch stehen. Da im gegebenen Falle die Grundschuld des Klägers nicht in das geringste Gebot fiel und im übrigen der Barerlös zu ihrer Deckung nicht ausreichte, ist sie mit Recht im Verteilungsverfahren unberücksichtigt geblieben. Daß den Bürovorsteher des Beklagten ein Verschulden trifft, hat das Oberlandesgeridit ebenfalls zutreffend bejaht. Das Verschulden besteht schon darin, daß der Bürovorsteher sich die Beantwortung einer Frage zugetraut hat, ohne daß ihm die hierfür erforderlichen Rechtskenntnisse zur Seite standen. Außerdem hat er nicht beachtet, daß es sich, wie die Zivils. SdrilJrrchl 11

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Grundbudieintragung klar ergab, bei der an den Kläger abgetretenen ursprünglichen Sicherungshypothek um eine solche gemäß § 128 ZVG. handelte, deren Rang durch die Vorsdirift des Abs. 3 Satz 2 das. beeinflußt wurde. Im übrigen kommt es für die Frage, ob der Beklagte für den dem Kläger entstandenen Schaden aufkommen muß, nicht darauf an, ob den Bürovorsteher ein Verschulden trifft. Denn soweit die Erfüllung einer Amtspflicht des Notars in Betracht kommt, haftet dieser nicht für das Versehen eines Angestellten, da er seine Amtspflichten in eigener Person zu erfüllen hat, eine Vertretung im Sinne des § 278 oder des § 831 BGB. daher nicht Platz greifen kann. Die Frage ist deshalb so zu stellen, ob bei dem Versehen, das dem Gehilfen unterlaufen ist, den Notar selbst der Vorwurf einer Verletzung seiner Amtspflicht trifft (vgl. G r u n a u in DNotZ. 1937 S. 466; V o l l m e r - S c h w a r z RNotO. Bern. 1 zu § 2 1 ; S e y b o I d - H o r n i g - L e m m e n s RNotO. Bern. X I 1 zu § 21; RG. in JW. 1910 S. 1004 Nr. 14, 1936 S. 2535 N r . 7; in WarnRspr. 1918 Nr. 226, 1930 Nr. 157, 1936 Nr. 121). Im gegebenen Falle hat der Kläger das Büro des Beklagten aufgesucht, um die Urkunde über eine Grundsdiuldabtretung entwerfen und die Urkunde beglaubigen zu lassen. Im Zusammenhange hiermit hat er eine Rechtsauskunft über den Rang der Grundsdiuld und über ihr etwaiges Schicksal im Zwangsversteigerungsverfahren erbeten. Bei dieser Auskunft, die in unmittelbarem Zusammenhange mit dem Entwurf der Urkunde und der Beglaubigung stand, handelte es sich um eine in den Kreis der Amtstätigkeit des Notars fallende Angelegenheit (vgl. RG. in JW. 1917 S. 358 Nr. 7, 1919 S. 995 Nr. 4, 1936 S. 2535 Nr. 7). Allerdings ist der Beklagte, da er verreist war, überhaupt nicht tätig geworden; die Beglaubigung hat vielmehr ein anderer Notar vorgenommen. Trotzdem kann nur eine Haftung des Beklagten gemäß 839 BGB. in Frage kommen; für eine vertragliche Haftung fehlt es an jeder Grundlage. Das Oberlandesgericht erblickt das Verschulden des Beklagten darin, daß er es geduldet habe, daß der Bürovorsteher Rechtsrat erteilt und dabei selbständig beurteilt habe, ob es sich um eine geringfügige oder um eine schwierige Rechtsfrage handele. Ferner erblickt es ein Verschulden des Beklagten in der Art, wie er in Fällen vorübergehender Verhinderung die Erledigung seiner Amtsgeschäfte geregelt habe. Das Reichsgericht hat mehrfach ausgesprochen, daß die Angestellten des Notars nicht berufen sind, Rechtsauskünfte zu erteilen; die Rechtsudienden seien auch nicht berechtigt, sich auf die Richtigkeit einer solchen Auskunft zu verlassen (vgl. R G . in JW. 1910 S. 1004 Nr. 14, in WarnRspr. 1918 Nr. 226). Dieser Standpunkt kann aber nidit zur Abweisung der Klage führen. Der Notar ist kraft seines Amtes auch verpflichtet, die Einrichtung seines Büros und den Verkehr in ihm so zu gestalten, daß die Rechtsudienden vor Schaden bewahrt werden. Eine Gefahr droht diesen aber immer, wenn eine Angelegenheit, deren Erledigung das Gesetz aus guten Gründen dem rechtskundigen Notar persön-

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lieh übertragen hat, von den Angestellten besorgt wird. Hierzu gehört vornehmlich die Erteilung von Rechtsauskünften. Es ist daher mit der Amtspflicht des Notars nicht vereinbar, wenn er duldet, daß von seinen Angestellten Rechtsrat erteilt wird; für einen aus solcher Duldung entstandenen Schaden ist er gemäß § 839 BGB. haftbar (vgl. V o l l m e r S c h w a r z a. a. O.; S e y b o l d - H o r n i g - L e m m e n s a. a. O.). Ob die Schadensersatzpflicht gemäß § 254 BGB. ganz oder teilweise entfällt, weil der Geschädigte schuldhaft sich auf den Rat des Angestellten verlassen hat, statt sich an den Notar selbst zu wenden, ist eine andere Frage, die hier jedoch ausscheidet, weil der Beklagte eine Einwendung aus § 254 BGB. nicht erhoben hat. Im gegebenen Falle wird die Feststellung des Oberlandesgerichts, daß der Beklagte die Erteilung von Rechtsauskünften durdi seinen Bürovorsteher geduldet habe, mit verfahrensrechtlichen Angriffen bekämpft. Soweit die Revision geltend macht, die Aussage des Bürovorstehers sei im Tatbestand des Berufungsurteils unrichtig wiedergegeben, kann sie nicht gehört werden, weil der Tatbestand nicht berichtigt ist. Weiter bemängelt die Revision, daß das Berufungsgericht den Widerspruch zwischen den beiden ersten Sätzen der Aussage des als Zeugen vernommenen Bürovortehers nicht aufgeklärt habe. Diese Sätze beziehen sich jedoch lediglich darauf, ob der Beklagte dem Zeugen den Auftrag erteilt habe, Rechtsauskünfte zu erteilen. Das Oberlandesgericht hat aber seine Entscheidung nicht darauf gegründet, daß der Beklagte einen solchen Auftrag erteilt habe, sondern darauf, daß er die Erteilung von Rechtsauskünften durdi den Bürovorsteher geduldet habe. Diese Feststellung hat es auf Grund der übrigen Aussage des Zeugen getroffen, namentlidi auf Grund der von dem Zeugen bekundeten Tatsache, daß der Kläger in neunundneunzig von hundert Fällen bei der Vornahme von notarischen Akten nicht mit dem Beklagten selbst, sondern mit dem Bürovorsteher verhandelt habe. Wenn das Berufungsgericht hieraus auf eine von dem Beklagten geduldete Uebung geschlossen hat, so handelt es sich hierbei um eine der Revision nidit zugängliche Beweis- und Tatsachenwürdigung. Mit Recht hat das Oberlandesgericht auch das Verfahren beanstandet, das in Fällen der Abwesenheit des Beklagten geübt wurde. Von den in Art. 97 und Art. 99 PrFGG. ihm eingeräumten Befugnissen brauchte der Beklagte allerdings keinen Gebrauch zu machen. Es braucht auch nicht erörtert zu werden, ob der Beklagte den Verpflichtungen nachgekommen ist, weldie dem Notar für den Fall seiner Abwesenheit durch Verfügung des Preußischen Justizministers auferlegt waren (vgl. S c h l e g e l b e r g e r FGG. 3. Aufl. Bern. 3 zu Art. 91 PrFGG.). Denn hierauf ist der dem Kläger entstandene Schaden nicht zurückzuführen. Unzulässig war es aber, daß der Bürovorsteher mit einem zur Vornahme eines notarischen Aktes Erschienenen verhandelte, den Akt vorbereitete und den Erschienenen hiermit zu einem anderen Notar schickte. Denn die Verhandlung und die Vorbereitung des Aktes sind bereits Teile der Tätigkeit, die allein der 15'

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N o t a r als Amtsperson vorzunehmen hat. Ob der Beklagte in dieser Beziehung von einem Verschulden deshalb freizusprechen ist, weil es sich um eine an seinem Amtssitze herrschende allgemeine Uebung gehandelt hat, kann dahinstehen. Die Haftung des Beklagten ergibt sich schon aus der von dem Berufungsgericht festgestellten Duldung der Raterteilung durch den Bürovorsteher, die zweifellos ein Verschulden darstellt. Daß der dem Kläger erteilte falsche Rechtsrat f ü r den eingetretenen Schaden ursächlich war, kann einem begründeten Zweifel nicht begegnen. Die Frage ist allerdings nicht mit dem Oberlandesgericht dahin zu stellen, ob der Beklagte, wenn ihm der Fall unterbreitet worden wäre, die Rechtslage richtig erkannt und beurteilt hätte. Denn der Beklagte konnte wegen seiner Abwesenheit gar nicht mit der Sache befaßt werden. Vielmehr kommt es darauf an, ob ein anderer Notar dem Kläger den richtigen Rat erteilt hätte, wenn er darum angegangen worden wäre. Diese Frage ist zu bejahen, da davon auszugehen ist, daß die Beamten ihre Dienstgeschäfte ordnungsgemäß erledigen, und da es sich um eine keineswegs besonders schwierige Frage gehandelt hat, die in den maßgebenden Erläuterungsbüchern einheitlich beantwortet wird. Schließlich rügt die Revision noch Verletzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB., jedoch zu Unrecht. An sich hat allerdings der Verletzte bei n u r fahrlässiger Amtspflichtverletzung den Nachweis zu führen, daß er anderweit keinen Ersatz für seinen Schaden erlangen kann. Allein damit darf ihm nichts Unmögliches zugemutet werden. Ergibt die Sachlage, daß der, welcher anderweit als Ersatzpflichtiger in Betracht kommt, kein greifbares Vermögen besitzt, so ist es Sache des Beklagten, darzutun, daß dennoch Vollstreckungsmöglichkeiten bestehen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausführt, der Verletzte auf künftige, unsichere Vollstreckungsmöglichkeiten nicht verwiesen werden darf. Denn er hat Anspruch auf alsbaldigen Ersatz seines Schadens. Hier hat der Beklagte selbst gegen Frau A. eine Zwangsvollstreckung betrieben, indem er die ihr an dem Grundstück R.straße 72 zustehende Eigentümergrundschuld von 4000 RM. zum Teil gepfändet hat. Es ist daher davon auszugehen, daß Frau A. sich nicht in günstiger Vermögenslage befindet. Für die Vollstreckung hat denn auch der Beklagte lediglich auf diese Eigentümergrundschuld und auf einen Auflassungsanspruch der Frau A., der auf einem Kaufvertrage beruht und durch eine Vormerkung gesichert ist, verwiesen. Dem Oberlandesgericht ist aber nicht entgegenzutreten, wenn es annimmt, daß dem Kläger nicht zuzumuten sei, hierauf zurückzugreifen. Die Vollstreckung in den Auflassungsanspruch könnte dem Kläger nur helfen, wenn er auch die Verpflichtungen der Frau A. aus dem Kaufvertrag erfüllen würde. Daß ihm dies nicht zuzumuten ist, bedarf keiner weiteren Ausführung. Bei der Eigentümergrundschuld ist zugunsten der nachfolgenden, dem Kläger zustehenden Hypothek eine Löschungsvormerkung eingetragen. Wie die Revision selbst ausführt, ist es fraglich, ob die Löschungsvor-

Staats- und Beamtenhaftung

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m e r k u n g sich auch auf den Fall bezieht, daß der Gegenwert der H y p o t h e k nicht bezahlt ist. Diese Frage m ü ß t e in einem Rechtsstreit z w i schen der Frau A. u n d dem Kläger ausgetragen werden, weil eine E n t scheidung in dem Rechtsstreit der jetzigen Parteien keine R e c h t s k r a f t gegenüber Frau A. b e g r ü n d e n würde. Auf einen so unsicheren Rechtsstreit braucht sich der Kläger nicht einzulassen. Dazu k o m m t , daß die Befriedigung aus einer H y p o t h e k bei der gegenwärtigen Lage der G e setzgebung besonderen Schwierigkeiten begegnet (vgl. R G Z . Bd. 161 S. 109 [121]). W e n n die Revision meint, der Kläger dürfe sich d e m Beklagten gegenüber nicht auf die Löschungsvormerkung berufen, so i r r t sie. Der Kläger ist nicht genötigt, zugunsten des Beklagten auf ein ihm zustehendes Recht zu verzichten. R G Z . 162, 273 W e n trifft die Verantwortlichkeit, wenn gerade durdi die Art der Aufstellung eines Verkehrszeichens eine Verkehrsgefahr entstanden ist? BGB. § 839. W e i m V e r f . A r t . 131*). Straßenverkehrs-Ordnung v o m 13. November 1937 (RGBl. I S. 1179) § 3 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4. III. Z i v i l s e n a t .

U r t . v. 15. Dezember 1939.

I. Landgericht H a n n o v e r .

II. Oberlandesgeridit Celle.

In H . ist die K.straße in dem Stück zwischen der St.straße u n d der G.straße durch Aufstellung eines Verbotsschildes zur Einbahnstraße gemacht worden. Das-Schild steht etwa 2 m v o n der Kante des rechten Bürgersteiges kurz hinter der Ecke der K.straße mit der St.straße auf dem Straßendamm der K.straße. Es war in den ersten Monaten des Jahres 1937 in den S t r a ß e n d a m m fest eingebaut worden. Bis dahin h a t t e an derselben Stelle ein durch einen breiten Sockel gehaltenes bewegliches Zeichen gestanden. Den Einbau hatte die Stadt H . ausgeführt, nachdem sie von dem Polizeipräsidenten in H . ersucht worden war, das bewegliche Zeichen durch ein fest eingebautes zu ersetzen. Der Kläger d u r c h f u h r in der Nacht v o m 14. zum 15. Mai 1938 während der Dunkelheit auf seinem M o t o r r a d e die Stadt. Er war mit den Verkehrsverhältnissen in H . u n b e k a n n t , sah das Schild nicht, f u h r dagegen und stürzte. Dabei hat er sich selbst verletzt und sein M o t o r rad beschädigt. Er ist der Meinung, daß das beklagte Land f ü r die Folgen der schweren V e r k e h r s g e f ä h r d u n g einzutreten habe, die er in der Aufstellung des Zeichens erblickt. Für das Bestehen dieses Zustandes sei der Polizeipräsident in H . verantwortlich. Die Klage ist auf Ersatz des entstandenen Personen- und Sachschadens sowie auf ein Schmerzensgeld gerichtet. *)

Vgl. jetzt Art. 34 Bonner Grundges.

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Schuldrechc, Besonderer Teil

Nach Meinung des beklagten Landes ist nicht der Polizeipräsident in H., sondern die Stadt H. als Wegeunterhaltspflichtige für die Art der Aufstellung des Schildes verantwortlich. Der erhobene Anspruch könne daher nicht gegen das beklagte Land gerichtet werden. Die Entscheidung über die Anbringung derartiger Schilder stehe ferner in dem gerichtlich nicht nadiprüfbaren Ermessen der zuständigen Behörde. Uebrigens sei das Sdiild auch genügend sichtbar gewesen und habe daher keine Verkehrsgefährdung dargestellt. Das Landgericht hat die Ansprüche dem Grunde nach festgestellt. Es hält die Sichtbarmachung des Schildes f ü r ungenügend und ist der Ansicht, daß der Polizeipräsident verpflichtet gewesen sei, diesen verkehrsgefährdenden Zustand zu verhindern. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und ZurückverWeisung. Gründe: Unter Hinweis auf die Ausführungsanweisung vom 29. September 1934 (RGBl. I S. 869) zur Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung vom 28. Mai 1934 (RGBl. I S. 455) zu § 28 Abs. 5 unter B Abs. 4 bis 8 und auf die Straßenverkehrs-Ordnung vom 13. November 1937 (RGBl. I S. 1179) § 3 Abs. 3 und 4 sowie Anlage 1 unter A l l Abs. 4 und III Abs. 2 hat das Berufungsgericht zwischen der Anordnung der Aufstellung der Verkehrszeichen und der Ausführung der Aufstellung unterschieden. Nur jene sei Sache der Polizeibehörde, diese dagegen Aufgabe des Trägers der 'Wegebaulast, iin gegenwärtigen Falle mithin der Stadt H . In der Anordnung der Aufstellung aber liege keine Amtspflichtverletzung, da bei geeigneten Maßnahmen zur Sichtbarmachung die Errichtung des Zeichens an der in Rede stehenden Stelle ohne Verkehrsgefährdung möglich gewesen sei. Die Ordnungswidrigkeit beruhe also allein auf der nicht genügenden Sichtbarmachung, die ausschließlich in den Aufgabenkreis des Wegebaupflichtigen falle. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts vermögen die getroffene Entscheidung nicht zu tragen. Selbst wenn sie an sich zutreffend wären, so erschöpfen sie jedenfalls den rechtlichen Gehalt des Falles nicht. Das, was der Kläger geltend macht und was die Feststellungen der Vorderrichter bisher nicht widerlegt haben, ist das Vorhandensein eines verkehrswidrigen Zustandes auf öffentlicher Straße. Würden wirklich die mit der Anordnung der Aufstellung eines solchen Zeichens verbundenen Pflichten der Polizeibehörde nicht darauf erstredet werden können, im Einzelfalle die Ausführung der Aufstellung zu überwachen, so ist doch die allgemeine Pflicht der Polizei, das Vorhandensein eines verkehrswidrigen Zustandes auf öffentlicher Straße nicht zu dulden. Diese Pflicht lag im gegenwärtigen Falle dem Polizeipräsidenten in H. als der örtlich zuständigen Polizeibehörde ob. Wenn er den verkehrsgefährdenden Zustand gleichwohl bestehen ließ, so verletzte er damit die ihm

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nach $ 14 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes (PVG.) vom 1. Juni 1931 (GS. S. 77) den Verkehrsteilnehmern gegenüber obliegende Amtspflicht (RGUrt. vom 26. Januar 1927 III 427/26 in JW. 1927 S. 1265 Nr. 21; vgl. auch RGZ. Bd. 138 S. 259). Der Beklagte beruft sich demgegenüber darauf, daß es in den Bereich des verwaltungsmäßigen Ermessens der Polizeibehörde gehöre, ob sie einen vorgefundenen Zustand dulden wolle oder nicht. Ein solches Ermessen besteht jedoch nicht gegenüber unzweifelhaft verkehrsgefährdenden Zuständen. Handelt es sich um derartiges, so können in den Rahmen des Ermessens der Polizeibehörde nur die Auswahl und die Anwendung der zur Beseitigung der Gefährdung zu gebrauchenden Mittel fallen (vgl. § 41 PVG.). Dementsprechend ist im Einzelfalle die Frage, ob eine Verkehrsgefährdung vorlag, die polizeiliches Einschreiten erforderlich machte, nach sachlichen Gesichtspunkten zu beantworten. Unterblieb die danach notwendige Abhilfe, so enthielt das Unterlassen demnach eine Verletzung der Amtspflicht, die der Polizeibehörde gegenüber den Verkehrsteilnehmern obliegt. Es verpflichtet daher gemäß § 839 BGB. den verantwortlichen Beamten und an seiner Stelle nach Art. 131 WeimVerf. die öffentliche Körperschaft, deren Beamter der Verantwortliche ist, zum Ersätze des dadurch verursachten Schadens. Voraussetzung ist dabei, daß die Unterlassung des Einschreitens auf einem Verschulden des Beamten beruht. Ob ein solches im gegenwärtigen Falle vorliegt, hat der Tatsachenrichter nicht geprüft. Diese Erwägungen nötigen also zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. II. Darüber hinaus sind aber auch die rechtlichen Ausführungen selbst zu beanstanden, mit denen das Berufungsgericht die getroffene Entscheidung begründet hat. Ueber die Aufstellung der Verkehrszeichen schrieb die eingangs angeführte Ausführungsanweisung zur ReidisStraßenverkehrs-Ordnung vom 29. September 1934 zu § 28 Abs. 5 unter B Abs. 8 vor: Wo Verkehrszeichen aufzustellen sind, entscheiden die Behörden, die bis zu reichsrechtlicher Regelung von den obersten Landesbehörden bestimmt werden, in Zweifelsfällen nach Anhörung der Träger der Wegebaulast und Sachverständiger aus den Kreisen der Verkehrsteilnehmer. In Preußen wurden durch Runderlaß des Ministers des Innern vom 7. November 1934 — III M 31 b Nr. 88/34 (II M) MinBliV. Sp. 1461) — Abs. 1 unter e die Kreispolizeibehörden als solche Behörden bestimmt. Hingegen lag nach Abs. 7 des angeführten Abschnitts der Verordnung vom 29. September 1934 die Aufstellung und Unterhaltung der Verkehrszeichen den Trägern der Wegebaulast an den von ihnen zu unterhaltenden Straßen ob. Keine sachliche Aenderung für das preußische Rechtsgebiet bradite demnadi die Neuregelung, die in Abs. 4 und Abs. 3 Satz 1 des § 3 der Straßenverkehrs-Ordnung vom 13. November 1937 folgendermaßen getroffen wurde:

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Sdiuldrecht, Besonderer Teil

W o und welche Verkehrszeichen aufzustellen sind, bestimmen die Verkehrs- und Polizeibehörden, in Zweifelsfällen nach Anhörung der Träger der Straßenbaulast und Sachverständiger aus Kreisen der Verkehrsteilnehmer. Zur Beschaffung, Aufstellung und Unterhaltung der Verkehrszeichen sind die Träger der Straßenbaulast f ü r diejenige Straße verpflichtet, in deren Verlauf die Verkehrszeichen angebracht werden. Aus alledem ergibt sich, daß die Vorschriften die Unterscheidung zwischen der polizeilichen Aufgabe der Regelung und Sicherung des über die Straße gehenden öffentlichen Verkehrs einerseits und der Anlage und Unterhaltung der Straße selbst anderseits (Urteil des Senats vom 8. November 1938 III 21/38 in JW. 1939 S. 239 N r . 29) bis in das Verfahren der Kennzeichnung eines polizeilichen Gebotes oder Verbotes an dem Wege hineintragen: Die Anordnung der Aufstellung des Zeichens ist als Teil ihres eigentlichen Aufgabenbereichs Sache der Polizei. Hingegen ist die Beschaffung des Zeichens und seine Anbringung Sache des Wegebaupflichtigen; die Vorschriften behandeln diese Verrichtungen wie einen Teil der Herstellung und Unterhaltung des Weges selbst. Aus dieser Betrachtungsweise zieht das Berufungsgericht die Folgerung, daß, sofern eine Verkehrsgefahr allein durch die Art der Aufstellung neu hervorgerufen wird, die Verantwortlichkeit dafür dem Wegebaupflichtigen zur Last falle. Er habe dann eine ihm vom Gesetzgeber auferlegte Verpflichtung in verkehrswidriger Weise ausgeführt. Dieses Ergebnis kann, zumal in solcher Allgemeinheit, nicht gebilligt werden. Allerdings handelt es sich bei den Aufgaben des Trägers der Straßenbaulast um Obliegenheiten, die von dem Zuständigkeitsbereiche der Polizeibehörden gesondert sind (RGZ. Bd. 154 S. 16 [25]). Aber diese Scheidung der beiderseitigen Obliegenheiten ist durch die Bestimmungen, soweit es sich um die Setzung der Verkehrszeichen an den öffentlichen Wegen handelt, so vorgenommen worden, daß dem Träger der Straßenbaulast nur die rein wirtschaftlichen und technischen Aufgaben der Beschaffung und der Anbringung der Zeidien belassen worden sind. Dagegen ist die Bestimmung darüber, ob, an welchen Stellen und in welcher Weise die Wege mit Zeichen zu versehen sind, in ihrem ganzen Umfang ausschließlich der Verkehrspolizei übertragen worden ( S c h o o r - v o n U n r u h - G a l l e Straßenverkehrsrecht Bern. 8 zu § 3 StVO. [S. 61], F l o e g e l Straßenverkehrsrecht 6. Aufl. Bern. 12 zu § 3 StVO. [S. 60], S c h i f f e r e r Straßenverkehrsordnung 3. Aufl. Bern. 12 zu § 3 [S. 37]). Es kann nicht gebilligt werden, wenn G ü 1 d e Straßenverkehrsordnung Bern. 9 zu § 3 (2. Aufl. S. 125) und K r u g - R i n d e r m a n n Das neue Straßenverkehrsrecht Bern. 11 bis 15 zu § 3 StVO. (S. 35, 39) daneben anscheinend noch eine Fürsorgepflicht der Träger der Straßenbaulast dafür annehmen wollen, daß die Wege mit den erforderlichen Verkehrszeichen versehen werden. Eine Verantwortung kann hier-

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nach die Träger der Straßenbaulast nur dann treffen, wenn es sich um Vorgänge handelt, die ausschließlich durch das rein Technische der Herstellung und der Anbringung von Zeichen bedingt sind. Dagegen fällt alles, was außerhalb dieses besonderen Bereiches liegt, in das Aufgabengebiet der Verkehrspolizei. Ihre Pflicht ist es, dafür zu sorgen, daß die Verkehrssicherheit auf den öffentlichen Wegen durch die zweckentsprechende Aufstellung der erforderlichen und richtigen Zeichen gewährleistet wird. Sie kann aber nicht erfüllt werden, ohne daß die Verkehrspolizei sich auch um den Platz und die Art der Aufstellung des einzelnen Zeichens kümmert. In diesen Rahmen fällt demnach auch die Verantwortung dafür, daß die Aufstellung des Zeichens nicht an einer Stelle und, abgesehen von dem rein Technischen der Anbringung, in einer Weise erfolgt, in der es seinerseits eine Verkehrsgefahr hervorruft. Unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten müssen die Zusammenhänge des gegenwärtigen Falls geprüft werden. Sie legen die Auffassung nahe, daß die Auswahl der Stelle, auf der das Zeichen stand, eine solche war, daß seine Aufstellung eine Verkehrsgefahr hervorrufen mußte. Das Berufungsgericht will das indessen nicht annehmen. Es gibt der Meinung Ausdruck, daß die Setzung einer Verkehrsgefahr durch das Zeichen auch bei Aufstellung an dieser Stelle durch geeignete Maßnahmen, wie Beleuchtung oder Anbringung von Rückstrahlern, hätte vermieden werden können. Nach dem Dargelegten war es aber Sache der Polizeibehörde, die die Aufstellung des Zeichens anordnete, dafür zu sorgen, daß durch diese nicht erst eine neue Verkehrsgefahr hervorgerufen wurde. W a r eine solche mit der Aufstellung des Zeichens an dieser Stelle unausweichlich verbunden, so mußte die Polizeibehörde sie schlechthin unterlassen. W a r es möglich, das Zeichen an dieser Stelle ohne weitere Gefährdung des Verkehrs aufzustellen, wenn gewisse Maßregeln getroffen wurden, so hatte die Polizeibehörde, falls sie nicht von der Aufstellung des Zeichens an dieser Stelle absehen wollte, mit ihrem Ersuchen an den Träger der Wegebaulast die entsprechenden Anordnungen zu verbinden. Alles das war in der Amtspflicht miteingeschlossen, die der Polizei durch die zuvor wiedergegebenen Vorschriften auferlegt worden ist. Sie lag ihr den Verkehrsteilnehmern und mithin auch dem Kläger gegenüber ob. Der Sachverhalt legt hiernach die Annahme nahe, daß die Beamten des Polizeipräsidiums in H., abgesehen von etwa festzustellenden Verstößen gegen ihre oben unter I behandelte allgemeine Pflicht der Sicherung des Verkehrs, die besondere Amtspflicht verletzt haben, die ihnen wegen der Aufstellung der Verkehrszeichen an den Wegen ihres Zuständigkeitsbereichs oblag. Sache des Tatsachenrichters wird es sein, den von ihm festzustellenden Sachverhalt auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkte zu würdigen und gegebenenfalls zu entscheiden, ob ferner die weiteren Voraussetzungen des in § 839 BGB., Art. 131 WeimVerf. geregelten Anspruchs gegeben sind.

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Sdiuldrecht, Besonderer Teil

RGZ. 162, 364 Uebt der Schrankenwärter der Reichsbahn bei Bedienung der Schranken hoheitliche Gewalt aus, so daß die Reichsbahn für eine Pflichtverletzung nach den Grundsätzen der Amtshaftung einzustehen hat? Wird er dabei insbesondere als Bahnpolizeibeamter tätig, oder ist die Bedienung der Schranken eine Hilfsverrichtung im bfirgerlich-reditlichen Geschäftskreise der Reichsbahn? BGB. §§ 831, 839. WeimVerf. Art. 131. Gesetz zur Neuregelung der Verhältnisse der Reichsbank und der Deutschen Reichsbahn vom 10. Februar 1937 (RGBl. II S. 47). Reichsbahngesetz vom 4. Juli 1939 (RGBl. I S. 1205). III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 19. Januar 1940.

I. Landgericht Freiburg i. B.

Am 18. Juni 1938 vergaß der Hilfsschrankenwärter B., die Schränke für die Durchfahrt des nach 15 Uhr aus E. in T. eintreffenden Personenzuges rechtzeitig zu schließen. Eine Zugmaschine des Klägers mit einem Langholzanhänger fuhr um dieselbe Zeit auf der den Bahnkörper überquerenden Straße nach T. mit einer Stundengeschwindigkeit von 5 bis 6 km. Vor dem Bahnübergange war die Sicht durch Bäume und eine lebende Hecke behindert. Infolgedessen bemerkte der Fahrer den herankommenden Zug erst, als er sich, bereits auf dem Bahnübergange befand. Der Zug fuhr auf das Fuhrwerk auf. Das Fuhrwerk und die Ladung wurden erheblich beschädigt, der Begleiter Be. getötet. B. wurde wegen fahrlässiger Transportgefährdung und fahrlässiger Tötung zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Kläger verlangt von der Reichsbahn Ersatz seines Sachschadens aus Amtspflichtverletzung des Schrankenwärters oder aus §§ 823, 831 BGB. und klagte zunächst einen Teilbetrag von 1000 RM. ein. Er behauptet, B. sei mit Arbeit überlastet und ungenügend überwacht gewesen. Die Beklagte bestreitet das Verschulden des B. nicht, wendet aber ein, daß er nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt gehandelt habe und daß bei seiner Bestellung und Beaufsichtigung die erforderliche Sorgfalt beobachtet worden sei. Sie ist vom Landgericht nach dem Klageantrage verurteilt worden. Die von ihr mit Einwilligung des Klägers eingelegte Sprungrevision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Das Landgericht hat die Verurteilung auf § 839 BGB. und Art. 131 WeimVerf. gestützt. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 6. Oktober 1939 III 2/39 (RGZ. Bd. 161 S. 341) ausgeführt, daß die Personenbeförderung durch die Reichsbahn auch heute noch nicht Ausübung für-

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sorglicher Hoheitsgewalt sei, sondern sich im bürgerlich-rechtlichen Geschäftskreise halte. Dasselbe gilt erst recht für die Güterbeförderung, die in noch weitergehendem Maße nach wie vor unmittelbar durch das Handelsgesetzbuch in seinem 7. Abschnitt geregelt ist. Das Schrifttum hat die Entscheidung angegriffen, weil an einer strengen Trennung von öffentlichem und bürgerlichem Recht festgehalten und übersehen werde, daß die Reichsbahn gleichzeitig aus dem Beförderungsvertrag und aus Amtspflichtverletzung haften könne. Der Einwand kann nicht überzeugen. Die Ausübung staatshoheitlicher Gewalt oder Fürsorge schließt an sich die Betätigung durdi einen bürgerlich-rechtlichen Vertrag aus. Etwas anderes ist es, wenn eine öffentlich-rechtliche Körperschaft sich zum Zwecke der Erfüllung ihrer staatshoheitlichen Aufgaben auf den Boden des bürgerlichen Rechtsverkehrs begibt. In diesem Fall übt sie aber nicht hoheitliche Gewalt oder Fürsorge aus, sondern wird im bürgerlich-rechtlichen Geschäftskreise nur für den ihr obliegenden Staatszweck tätig. Dieselbe Handlung kann jedoch nicht gleichzeitig öffentlich-rechtlicher und bürgerlich-rechtlicher Natur sein. Eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die ihre Aufgaben im wesentlichen im bürgerlich-rechtlichen Geschäftskreis erfüllt, kann daneben zur Erreichung ihres Zweckes sich staatshoheitlicher Gewalt oder Fürsorge bedienen und mit ihrer Ausübung betraut sein. Das gilt für die Reichsbahn nur im Rahmen der Bahnpolizei, die ihr durch §§ 74 flg. der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 17. Juli 1928 (RGBl. II S. 541) übertragen ist. Die Bahnpolizei umfaßt die Maßnahmen, die zur Handhabung der für den Eisenbahn-Betrieb und -Verkehr geltenden polizeilichen Verordnungen erforderlich sind (§ 75 Abs. 1 EBBO.). Zu den Eisenbahnpolizeibeamten gehören die Bahn- und Schrankenwärter (§ 74 mit § 45 Nr. 8). Die Ausübung der Bahnpolizei richtet sich gegen Dritte, gegen die Reisenden und sonstige Verkehrsteilnehmer (§ 77). Im Urteil des erkennenden Senats vom 14. Oktober 1932 III 389/31 (JW. 1933 S. 840 Nr. 13, HRR. 1933 Nr. 657) ist daher Bahnpolizeidienst eines Schrankenwärters bei Bedienung einer Fernschranke schon deshalb verneint worden, weil der Bahnpolizeidienst die Möglichkeit einer unmittelbaren, persönlichen Einwirkung an Ort und Stelle auf Zuwiderhandelnde erfordere. Daraus ist aber nicht, wie das Landgericht im Anschluß an das Urteil des Kammergerichts vom 20. Januar 1938 23 U 5738/37 (VAE. 1938 S. 228 [230]) meint, zu folgern, daß im Schließen einer unmittelbar bedienten Schranke die Ausübung der Bahnpolizei und damit öffentlicher Gewalt zu sehen sei. Es genügt, in dem Falle der Fernschranke auf die Unmöglichkeit polizeilicher Einwirkung hinzuweisen, um besonders sinnfällig darzutun, daß die Bedienung der Fernschranke nicht Ausübung der Bahnpolizei sein kann. Wenn das Kammergericht annimmt, im Schließen der Bahnschranke liege die Betätigung einer bahnpolizeilichen Befugnis, weil der Bahnwärter dadurch auf die Verkehrenden einwirke und weil

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ihm seine Tätigkeit auch zum Schutze der Wegebenutzer obliege, so übersieht es den Unterschied zwischen der Verkehrssicherungspflicht des Bahnunternehmens und der bahnpolizeilichen Aufgabe, die Wegebenützer zur Beobachtung der von der Bahnverwaltung zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Bahnverkehr erlassenen Vorschriften anzuhalten (§ 77 EBBO.) Bei der unmittelbar bedienten Schranke können anders als bei der Fernschranke bahnpolizeiliche Maßnahmen dazu kommen. Aber auch hier ist nicht die Bedienung der Schranke selbst sdion eine bahnpolizeilidie Maßnahme, sondern erst die Verhinderung einer etwaigen Zuwiderhandlung Dritter gegen das an das Schließen der Schranke anknüpfende Verbot, wonach jemand die Bahn an den zu Uebergängen bestimmten Stellen nur so lange überschreiten darf, als diese nicht durch Schranken geschlossen sind oder sich nicht ein Zug nähert (§ 79 Abs. 1 EBBO.). Der Schrankenwärter ist, soweit er nicht als Eisenbahnpolizeibeamter tätig zu werden hat, Eisenbahnbetriebsbeamter (§ 45 Abs. 1 N r . 8 EBBO.), also Betriebsgehilfe des Personen- und Güterbeförderungsunternehmens der Eisenbahn. Seine Anstellung dient der gesicherten Durchführung des Betriebes (§ 45 Abs. 3), der in der Ausführung der abgeschlossenen Beförderungsverträge besteht. Nach § 1 der Dienstanweisung für die Bahn- und Schrankenwärter, gültig vom 1. April 1932 ab, hat der Schrankenwärter die ihm zugewiesenen Uebergänge zu bewachen und zu beleuchten, den Wegübergang zu unterhalten und die Wegschranken zu bedienen. Nach § 1 Abs. 3 ist „seine oberste Pflicht die Sorge dafür, daß die Bahn sicher befahren werden kann; diese Aufgabe geht jeder anderen vor". Die Sicherung des Bahnbetriebs über Straßenkreuzungen dient wohl auch den Belangen der Wegebenützer. Dieser Zweck steht aber erst in zweiter Linie. Insoweit ist aber die Einrichtung der Bahnschranken ebenso wie die Aufgabe des Schrankenwärters, die Uebergänge zu bewadien, zu beleuchten und zu unterhalten, allgemeine Verkehrssicherungspflidit, wie sie nach ständiger Rechtsprechung jedem obliegt, der auf ihm gehörigen oder seiner Verfügung unterstehenden Grundstücken einen Verkehr für Menschen eröffnet oder zuzulassen hat. Die Bahn ist dementsprechend auch an den Kosten für die Wegekreuzungen beteiligt, soweit ihre Aenderung oder ihre Ergänzung durch den Bahnverkehr veranlaßt ist (früher nach § 39 des Reichsbahngesetzes vom 30. August 1924 [RGBl. II S. 272] in der Fassung des Aenderungsgesetzes vom 13. März 1930 [RGBl. II S. 369], jetzt nach dem Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen vom 4. Juli 1939 [RGBl. I S. 1211] mit Durchführungsverordnung vom 5. Juli 1939 [RGBl. I S. 1215]). Sie ist also wegebaupflichtig und aus dieser Eigenschaft heraus verpflichtet, f ü r die Verkehrssicherheit auf den von ihr zu unterhaltenden Wegen zu sorgen und ortspolizeilidien Weisungen in bezug auf ihre Wegebaupflicht nachzukommen (Preuß. OVG. Bd. 32 S. 219).

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So hat das Reichsgerichtsurteil vom 20. November 1924 ( R G Z . Bd. 109 S. 209 [211]) unter Anführung des Urteils vom 29. Juni 1923 III 828/22 (abgedr. im Recht 1923 N r . 1237) darauf hingewiesen, daß zwar den Eisenbahnbeamten polizeiliche Befugnisse übertragen seien, daß diese Befugnisse aber mit der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen V e r kehrssicherungspflicht eines Eisenbahnunternehmers nichts zu tun hätten. Als solcher habe der Staat wie jeder Beförderungsunternehmer die sich aus § 823 B G B . ergebende bürgerlich-rechtliche Pflicht, dafür zu sorgen, daß durch die Ausführung seiner Beförderungen nicht Personen oder Sachen zu Schaden kämen. Die Beamten handelten dabei nicht kraft öffentlicher Gewalt, sondern lediglich als seine Betriebsgehilfen. In R G Z . Bd. 154 S. 16 ist ausgesprochen, daß die dem Wegebaupflichtigen obliegende Anbringung und Unterhaltung von Warnungstafeln für den Kraftfahrverkehr auch dann als Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht und nicht als Ausübung öffentlicher Gewalt aufzufassen sind, wenn der Wegebaupflichtige Hoheitsträger ist, obwohl die Warnzeichen, indem sie auf Gefahrstellen vorbereiten, zugleich geeignet sind, dem Fahrer die an solchen Gefahrstellen zu beachtenden Polizeiverbote in Erinnerung zu rufen und ihre Beachtung nahezulegen. Aehnlich verhält es sich mit der dem Eisenbahnunternehmer obliegenden Anbringung und Bedienung der Schranken. D a ß der dafür verantwortliche Bahnunternehmer zugleich Inhaber der Bahnpolizeigewalt ist, ändert nichts daran, daß die Anbringung und Bedienung der Schranken noch nicht Ausübung der Polizeigewalt ist, sondern daß diese erst einzugreifen hat, wenn das V e r bot, das Bahngelände nach Schließung der Schranken zu begehen, übertreten wird. Es ist nicht so, daß der Schrankenwärter durch das Schließen der Schranken den Uebergang verbietet und damit, wie der Kläger meint, eine polizeiliche Verfügung erläßt, sondern der Schrankenwärter ist nur Polizeivollzugsbeamter, der Zuwiderhandlungen zu verhindern hat. Aber auch die Bahnverwaltung erläßt durch das Schließen der Schranken keine polizeiliche Verfügung, sondern die Verfügung ist in § 79 E B B O . enthalten und dagegen gerichtet, daß der Bahnkörper betreten wird, wenn die Sicherheit des Bahnverkehrs seine Freihaltung erfordert. Deshalb gilt das Verbot auch für den Fall, daß sich ein Zug nähert. Daraus ergibt sich eindeutig, daß das Schließen der Schranken nur die Annäherung des Zuges anzeigt und ebensowenig wie diese selbst eine polizeiliche Maßnahme ist, sondern nur den Zustand schafft, den die Rechtsnorm, § 79 EBBO., das Verbot knüpft. Ist aber die Bedienung der Schranke nicht Ausübung der Bahnpolizei, so könnte sie nur dann Ausübung hoheitlicher Gewalt oder Fürsorge sein, wenn der Bahnbetrieb überhaupt auf öffentlich-rechtlichem Gebiete liegen würde. Insofern besteht jedoch kein Anlaß, von den Ausführungen des Urteils vom 6. O k t o b e r 1939 abzugehen. Dabei ist noch zu beachten, daß sich der Unfall im Juni 1938 ereignet hat, also zwar nach Erlaß des Gesetzes zur Neuregelung der Verhältnisse der Reichsbank

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und der Deutschen Reichsbahn vom 10. Februar 1937, aber vor dem Reichsbahngesetz vom 4. Juli 1939, das erst die volle Eingliederung der Deutschen Reisbahn in das Vermögen des Reidies gebracht hat. Das Urteil in R G Z . Bd. 105 S. 99 hat die Ausübung öffentlicher Gewalt bei Bedienung einer Schleuse im Nord-Ostseekanal daraus hergeleitet, daß der Betrieb dieses Kanals kein fiskalischer sei, sondern gemeinnützigen öffentlichen Zwecken diene. Gerade darin liegt der wesentliche Unterschied zwischen dem Kanalbetrieb und dem Betriebe der Reithsbahn. Die Einrichtung des Kanalbetriebes bezweckt die Sicherung des Schiffahrtverkehrs, also eine hoheitliche Fürsorgetätigkeit. Die Reichsbahn bezweckt die Personen- und Güterbeförderung. Bei ihr ist die N o t wendigkeit der Verkehrssicherung nur eine Begleiterscheinung der Gefährlichkeit des Unternehmens. Daß Kanal und Bahn Reichsvermögen sind und von Reichsbeamten verwaltet werden, bedeutet noch nicht Gleichheit der rechtlichen Erscheinungsform und macht die Verkehrssicherung der Reichsbahn allein nodi nicht zu öffentlich-rechtlichen Fürsorgemaßnahmen. Die Haftung der Reichsbahn für eine schuldhafte Pflichtverletzung des Betriebsbeamten kann sich demnach nur auf §§ 823 flg. und § 831 B G B . stützen, auf die letzte Bestimmung, soweit der Beamte nicht als verfassungsmäßig berufener Vertreter der Reichsbahn nach §§ 89, 30, 31 B G B . in Betracht kommen kann. Die Folge ist die Möglidikeit des Entlastungsbeweises nadi § 831 BGB., den zu führen sich die Reichsbahn erboten hat, während der Kläger ungenügende Ueberwachung und dienstliche Ueberlastung des Schrankenwärters behauptet. Die Ueberlastung könnte ihren Grund in dem Verschulden anderer verfassungsmäßiger Vertreter oder anderer Verrichtungsgehilfen der Eisenbahn haben. RGZ. 163, 87 Kommen für die Bemessung des Schmerzensgeldes, welches das Reich auf Grund der Amtshaftung zu zahlen hat, die persönlichen Verhältnisse des schuldigen Beamten in Betracht? B G B . §S 839, 847. Weim.Verf. Art. 131. Gesetz über die Haftung des Reichs für seine Beamten vom 22. Mai 1910 (RGBl. S. 798). VI. Z i v i l s e n a t .

U r t . v. 6. März 1940.

I. Landgericht Landau. II. Oberlandesgericht Zweibrücken. Am 15. Juni 1936 stieß der Kläger auf der Reichsstraße S.-L., in einem Horchkraftwagen fahrend, mit dem von links auf der Bezirksstraße Z.-F. seinen Weg kreuzenden Benzkraftwagen des Beklagten, den der Unteroffizier H . steuerte, zusammen. Dabei wurden u. a. ein M i t fahrer des Klägers getötet und der Kläger selbst verletzt. Dieser verlangt

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mit der Klage außer anderem Schadensersatz die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Bei der Verurteilung des Beklagten hat das Landgericht 3000 RM., das Oberlandesgeridit 1000 RM. als angemessenes Schmerzensgeld berechnet. Die Revision, mit welcher der Beklagte u. a. eine Herabsetzung des Schmerzensgeldes auf 500 RM. erstrebte, blieb ohne Erfolg. Aus den G r ü n d e n : . . . Zur Höhe des Schmerzensgeldes beanstandet die Revision die Ansicht des Berufungsrichters, daß es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unteroffiziers H . nicht ankomme, da die Verantwortlichkeit das Reich treffe, dessen Vermögensverhältnisse andrerseits auch nidit berücksichtigt werden dürften. Sie f ü h r t aus, die Staatshaftungsgesetze bezweckten den Schutz des Beamten, nicht aber eine Besserstellung des Geschädigten, und es sei zu bedenken, daß der Soldat vom Reich zur Verantwortung gezogen und dann durch die Nichtbeachtung seiner wirtschaftlichen Lage belastet werden könnte. Diese Rüge verliert an Gewicht schon dadurch, daß das Schmerzensgeld nicht etwa im Hinblick auf eine besondere Leistungsfähigkeit des Reichs höher bemessen worden ist, vielmehr die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners ganz ausgeschieden worden sind. Das ist, wenn man das Reidisvermögen maßgebend sein läßt, deshalb gerechtfertigt, weil dieses Vermögen öffentlichen Zwecken dient, keine Vermögenslage im privatwirtschaftlichen Sinne begründet und mit dem Vermögen des Ersatzberechtigten in kein Verhältnis gebracht werden kann (JW. 1915 S. 920 Nr. 9). Es braucht hier nicht erörtert zu werden, ob etwa auch dann, wenn der Beamte — oder wie hier der Heeresangehörige — als solcher in Anspruch genommen werden könnte, aus ähnlichen Erwägungen heraus f ü r die Frage der Angemessenheit des Schmerzensgeldes s e i n e wirtschaftliche Lage gleichfalls auszuschalten wäre, weil er nämlich nicht f ü r sich, sondern als Organ des Reichs gehandelt hätte (so D e 1 i u s Die Beamtenhaftpflichtgesetze 4. Aufl. 1929 S. 205). Denn entgegen der Meinung der Revision ist entscheidend, daß durch Art. 131 WeimVerf. — wie früher durch das Reidishaftungsgesetz und die Haftungsgesetze einzelner Länder — das Reidi (oder Land) als Schuldner a n d i e S t e l l e d e s B e a m t e n g e t r e t e n i s t . Wenn es auch nur unter den gleichen Voraussetzungen haftet wie dieser nach § 839 BGB., so folgt daraus doch keineswegs, daß für die Beurteilung des Schuldverhältnisses die persönliche Lage des Beamten, dessen Handlung dieses Verhältnis begründet hat, maßgebend bleiben müßte. Auch ist es unzutreffend, daß die Staatshaftung, wie die Revision meint, den Belangen der Beamten und nicht denen der Geschädigten dienen sollte. Vielmehr hebt sdion die Begründung des f ü r Art. 131 WeimVerf. die Grundlage bildenden Gesetzes über die Haftung des Reichs f ü r seine Beamten vom 22. Mai 1910 (Drucks, d.

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

Reichstags XII. Lcgisl.-Per. I. Session 1907/1909 Nr. 1343 S. 6) die Interessen d e s G e s c h ä d i g t e n u n d d e s B e a m t e n hervor und weist f ü r jenen auf den Vorteil hin, daß der Reichsfiskus ein stets zahlungsfähiger Schuldner sei. In den folgenden Reichtagsverhandlungen (vgl. Drucks, d. Reichstages a. a. O. 253. Sitzg. S. 8317, 8321, 8323/4; ebenda II. Session 1909/1910 17. Sitzg. S. 573) wird dann immer wieder das Interesse des Geschädigten an der gesetzlichen Regelung mit betont. Daß auf der anderen Seite der Beamte einen Rechtsanspruch darauf hätte, von dem in Ansprudi genommenen Reich seinerseits nur nach Maßgabe seiner wirtschaftlichen Verhältnisse herangezogen zu werden, läßt sich nicht anerkennen. Hier m u ß es genügen, daß das Reich von sich aus Billigkeitsrücksichten walten lassen kann, die zu seinen Gunsten zwischen ihm und dem Geschädigten nicht in Betracht kommen. Die Behauptung, es entspreche dem Gesetz, der Rechtsprechung und der Rechtslehre, daß f ü r die H ö h e des Schmerzensgeldes n u r die Vermögensverhältnisse des H . maßgebend seien, hat denn auch der Beklagte in keiner Weise belegt. Dem Sinne des Gesetzes entspricht vielmehr die Auffassung des Berufungsgerichts, so daß seine Entscheidung zum Schmerzensgeldanspruch nicht zu beanstanden ist. RGZ. 163, 121 1. Welche Rechtsfolgen ergeben sich, wenn eine Arresthypothek entgegen der Vorschrift des § 932 Abs. 2 in Verbindung mit $ 867 Abs. 2 ZPO. auf mehreren Grundstücken als Gesamthypothek eingetragen worden ist? 2. Tritt die Folge des § 839 Abs. 3 BGB. auch dann ein, wenn durch den unterlassenen Rechtsbehelf zwar die Beseitigung der schädigenden Amtshandlung, aber nicht die Abwendung des Schadens zu erreichen, hierfür vielmehr die Stellung eines neuen Antrags erforderlich gewesen wäre? ZPO. §§ 867, 932; GBO. a. F. § 54; GBO. n. F. § 53; BGB. §§ 254, 839. V. Z i v i l s e n a t .

U r t . v. 18. März 1940.

I. Landgericht N a u m b u r g a. S.

I I . Oberlandesgericht daselbst.

Auf den von dem Rechtsanwalt U. in N . als Vertreter der Klägerin gestellten Antrag erließ das Landgericht in N . am 24. Dezember 1924 einen Arrestbefehl in H ö h e von 6500 RM gegen den Landwirt Kl. in Z. Als Unterbevollmächtigter des vorgenannten Rechtsanwalts beantragte der Rechtsanwalt N . in W. auf G r u n d dieses Arrestbefehls die Eintragung einer Arresthypothek von 6500 RM. auf den im Grundbuch von Z. Bd. 2 Blatt 65 unter laufender N r . 1 und 2 des Bestandsverzeichnisses vermerkten Grundstücken des Schuldners, ohne die Forderung gemäß § 867 Abs. 2 ZPO. auf die beiden Grundstücke zu verteilen. Das Amtsgericht D., bei dem der Antrag am 31. Dezember 1924 einging, gab ihn

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zuständigkeitshalber an das Amtsgericht Groß-B. ab. Dort ging er am 1. Januar 1925 ein. Die Arresthypothek wurde sodann am 5. Januar 1925 entgegen der Bestimmung des § 932 Abs. 2 in Verb, mit § 867 Abs. 2 ZPO. unverteilt als auf den Grundstücken Nr. 1 und 2 lastend im Grundbuch in Abt. III unter N r . 17 eingetragen. In der bei den Grundakten befindlichen Tabelle findet sidi der Zusatz „auf lfd. N r . 1 und 2 je zur Hälfte". Dieser Zusatz fehlt im Grundbuch. Die Klägerin erwirkte am 7. Juli 1936 beim Landgericht N . gegen den damaligen Grundeigentümer einen Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus dieser Zwangshypothek. Sie trat damit einer bei dem Amtsgericht B. laufenden Zwangsversteigerung bei. Im Zwangsversteigerungstermin vom 6. April 1937 wurde die Nichtverteilung der Forderung auf die beiden Grundstücke im Grundbuch festgestellt. Der Zuschlag wurde daraufhin durch Beschluß vom 13. April 1937 versagt, nachdem die Arresthypothek der Klägerin bereits am 8. April 1937 im Grundbuch von Amts wegen gelöscht worden war, und der erstbetreibende Gläubiger am 12. April 1937 die Einstellung des Verfahrens bewilligt hatte. Das Zwangsversteigerungsverfahren wurde sodann aufgehoben. In diesem war ein Höchstgebot von 6200 R M abgegeben worden. Von dem zu erwartenden Versteigerungserlöse wären vor der Klägerin andere Gläubiger mit Forderungen von insgesamt 571,08 R M . zu befriedigen gewesen. Im Range nach der damals gelöschten Zwangshypothek war der Grundsatz zur Zeit der Zwangsversteigerung noch belastet mit einer am 23. Oktober 1925 eingetragenen Sicherungshöchstbetragshypothek von 4000 R M . (Nr. 18), einer am 11. Januar 1926 eingetragenen Erbgelder-Hypothek von 12 000 G M . für die Kinder des Schuldners (Nr. 19) und einer am 14. Juni 1926 eingetragenen Sicherungshypothek von 400 RM. (Nr. 20). Die Klägerin hat behauptet, der Grundbesitz habe einen Wert von 12 300 R M . ; deshalb sei bei der gegenwärtigen Belastung des Grundbesitzes ein neues dingliches Vorgehen aussichtslos. Sie ist der Ansicht, für den ihr entstandenen Schaden müsse der Beklagte mindestens zu einem Teile haften; denn wenn auch ein Mitverschulden der Rechtsanwälte N . und U . nicht in Abrede genommen werden solle, so habe doch überwiegend die unrichtige Behandlung der Sache durch den Grundbuchrichter den Schaden verursacht. Der Grundbuchrichter hätte entweder den Antrag auf Eintragung der Zwangshypothek, der nicht den Erfordernissen des § 867 Abs. 2 ZPO. entsprochen habe, ablehnen oder seine Ergänzung verlangen müssen, keinesfalls aber eine nichtige Hypothek eintragen dürfen. Von ihrem auf 7129,43 R M . berechneten Schaden hat die Klägerin mit der Klage einen Teilbetrag von 1500 R M . geltend gemacht. Das beklagte Deutsche Reich hat den Klageanspruch bestritten. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe allein den Schaden verursacht, indem ZiviU. Sdiuldredit H



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sie einen unrichtigen Eintragungsantrag gestellt habe. Ein Schadensersatzanspruch entfalle auch deshalb, weil die Klägerin sich an ihre Anwälte halten könne und weil diese, was die Klägerin vertreten müsse, schuldhaft unterlassen hätten, den Schaden durch Gebraudi eines Rechtsmittels abzuwenden. Jedenfalls sei das Verschulden der Anwälte der Klägerin so überwiegend für den einge.tretenen Schaden ursächlich gewesen, daß auch unter Anwendung des § 254 BGB. eine Schadensersatzpflicht des Reichs entfalle. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen hat der Amtsgeriditsrat E. für das beklagte Deutsche Reich, das ihm den Streit verkündet hatte, Berufung eingelegt, indem er dem Rechtsstreit beitrat. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die vom Streithelfer für das Deutsche Reich eingelegte Revision hatte keinen Erfolg. Gründe: Das Oberlandesgericht erblickt die schuldhafte Amtspflichtverletzung des Streithelfers darin, daß er, statt den der Vorschrift des § 932 Abs. 2 in Verb, mit § 867 Abs. 2 ZPO. nicht entsprechenden Antrag zurückzuweisen oder eine Zwischenverfügung gemäß § 18 GBO. zu erlassen, eine unwirksame Hypothek eingetragen habe. Es stellt fest, daß die Klägerin, wenn der Streithelfer pflichtgemäß verfahren wäre, entweder einen neuen ordnungsmäßigen Antrag eingereicht oder ihren früheren Antrag richtiggestellt und dann nach Eintragung einer wirksamen Arresthypothek in der gesamten Höhe ihrer Forderung im Zwangsversteigerungsverfahren Berücksichtigung gefunden hätte. Diese Erwägungen lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen und werden auch von der Revision nicht beanstandet. Aus § 929 Abs. 3 ZPO. ergibt sich kein Bedenken. Die Frist begann nach § 932 Abs. 3 ZPO. erst mit dem Eingang des Antrages bei dem zuständigen Amtsgericht Groß-B. am 1. Januar 1925; der Arrestbefehl ist dem Schuldner nach der Feststellung des Oberlandesgerichts am 7. Januar 1925 zugestellt worden. Für die Haftung des beklagten Reichs sind die Bestimmungen des § 12 GBO. a. F., des § 839 BGB. und des § 6 der VO. über die Haftung des Reichs für die Iustizbeamten vom 3. Mai 1935 (RGBl. I S. 587) maßgebend. Die Voraussetzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. ist gegeben, da der Arrestschuldner mittellos ist und die Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Rechtsanwälte, die sie mit der Vollstreckung des Arrestbefehls beauftragt hatte, verjährt sind, ohne daß der Klägerin hieran ein Verschulden zur Last zu legen ist. Die Revision wendet sich in erster Linie dagegen, daß das Oberlandesgeridit die Bestimmung des § 839 Abs. 3 BGB. für nicht anwendbar erachtet hat. Hiernach entfällt jede Schadensersatzpflicht des Staates, wenn der Verletzte schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch den Gebraudi eines Rechtsmittels abzuwenden. Daß der Klägerin selbst in dieser Beziehung kein Verschulden zur Last fällt, hat das Oberlandes-

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Staats- und B e a m t e n h a f t u n g

gericht einwandfrei festgestellt. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. RGZ. Bd. 138 S. 114 [117] müßte die Klägerin aber auch dann die Bestimmung des § 839 Abs. 3 BGB. mit der Folge des Verlustes jedes Ersatzanspruchs gegen das Reich gegen sich gelten lassen, wenn die Rechtsanwälte, die sie mit der Vollstreckung des Arrestbefehls betraut hatte und die in der Verpflichtung der Schadensabwendung ihre Erfüllungsgehilfen in ihrem Verhältnis gegenüber dem Reiche waren, schuldhaft versäumt hätten, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Das Oberlandesgericht hat aber rechtlich einwandfrei verneint, daß hier der Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittel hätte abgewendet werden können. Was die Revision hiergegen vorbringt, greift nicht durch. Gewiß ist nach der Rechtsprechung der Ausdruck „Rechtsmittel" nicht im engen technischen Sinne zu verstehen, sondern es fallen darunter alle Rechtsbehelfe, die sich gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung richten und die nach gesetzlicher Ordnung ihre Beseitigung oder Berichtigung ermöglichen. Aber immer m u ß es sich darum handeln, daß durch den Rechtsbehelf nicht nur die Beseitigung der schädigenden Amtshandlung oder Unterlassung, sondern auch die Abwendung des Schadens erreicht werden würde. Ist zu diesem Zweck ein neues selbständiges Verfahren erforderlich, so handelt es sich insoweit nicht mehr um den Gebrauch eines Rechtsmittels. Die Unterlassung eines solchen Schrittes kann vielmehr nur unter dem Gesichtspunkte des § 254 BGB. gewürdigt werden (vgl. H R R . 1934 Nr. 1452; JW. 1935 S. 772 Nr. 5, 1938 S. 1029 N r . 25; RGZ. Bd. 150 S. 323 [328]). Im gegebenen Falle war der Schaden der Klägerin dadurch eingetreten, daß der Streithelfer eine nichtige Hypothek in das Grundbuch eingetragen hat. Die Hypothek war, da der Verstoß gegen § 867 Abs. 2 ZPO. sich aus der Eintragung selbst ergab, ihrem Inhalte nach unzulässig. Sie war daher gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO. n. F., § 54 Abs. 1 Satz 2 GBO. a. F. von Amts wegen zu löschen. Die Anregung zur Vornahme der Löschung ist zwar als Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB. anzusehen. Allein ein solcher Schritt hätte nur dazu geführt, daß die Hypothek gelöscht wurde, ohne daß eine den Erfordernissen des § 867 Abs. 2 ZPO. genügende wirksame Hypothek eingetragen werden konnte. Denn hierfür lag kein Antrag vor. Der frühere Antrag konnte nidit mehr berichtigt werden, weil er durch die vollzogene Eintragung erledigt war. Es hätte vielmehr eines völlig neuen, der Bestimmung des § 867 Abs. 2 ZPO. entsprechenden Antrages bedurft, der nach dem eben Ausgeführten nicht mehr als Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 ZPO. angesehen werden könnte, selbst wenn er mit der Anregung auf Löschung der unwirksamen Hypothek verbunden worden wäre. Endlich halten auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts, daß die Anwendung des § 254 BGB. dem hier geltend gemachten Teilanspruch nicht entgegenstehe, den Angriffen der Revision stand. Zu16*

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treffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin ein schuldhaftes Verhalten ihrer Anwälte gemäß § 278 BGB. nur insoweit zu vertreten hat, als diese es versäumt haben, nach Eintragung der nichtigen H y p o t h e k Schritte zur Abwendung des Schadens zu ergreifen. Denn erst von diesem Zeitpunkt ab bestand zwischen der Klägerin und dem beklagten Deutschen Reich eine sdiuldrechtliche Beziehung, wie sie die Anwendung des § 278 BGB. voraussetzt (vgl. R G Z . Bd. 138 S. 114 [117]). Für den von dem Rechtsanwalt N . bei der Einreichung des Eintragungsantrags begangenen Fehler hat dagegen die Klägerin nicht einzustehen, wie das Oberlandesgericht einwandfrei ausführt. Daher kann der von der Revision hervorgehobene Gesichtspunkt, daß dieser Antrag schon grundlegend f ü r den Eintritt des Schadens gewesen sei, nicht zuungunsten der Klägerin verwertet werden. D a n n aber kann dem Berufungsgericht aus Rechtsgründen nicht entgegengetreten werden, wenn es annimmt, daß der Schaden durch die vom Streithelfer verfügte Eintragung der nichtigen H y p o t h e k in höherem Maße schuldhaft verursacht worden sei als dadurch, daß die Anwälte der Klägerin die Nachricht von der Eintragung nicht sorgfältig geprüft u n d die Löschung der nichtigen sowie die Eintragung einer den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Arresthypothek nicht veranlaßt haben, und wenn es daher annimmt, daß der eingeklagte Betrag, der ein Drittel des entstandenen Schadens nicht erreicht, auf alle Fälle zu Lasten des Beklagten gehe. W e n n die Revision unter Berufung auf die Ausführungen in R G Z . Bd. 138 S. 117 meint, die Klägerin müsse den ganzen Schaden tragen, so übersieht sie, daß diese Ausführungen sich auf die Anwendung des § 839 Abs. 3 BGB. beziehen, bei der eine Verteilung des Sdiadens ausgeschlossen ist. Hiernach gebot sich die Zurückweisung der Revision. Die Kosten des Rechtsmittels fallen dem Streithelfer zur Last, da das beklagte Deutsche Reich an dem Revisionsverfahren nicht teilgenommen hat. RGZ. 165, 257 Wie weit erstreckt sich die Amtspflicht der Beamten der Steuerverwaltung gegenüber den Steuerschuldnern? Liegt die Verletzung einer solchen Amtspflicht darin, daß die Steuerlisten unrichtig geführt werden und insbesondere eine zu geringe Steuer angefordert wird? BGB. § 839. WeimVerf. Art. 131*). III. Z i v i l s e n a t .

U r t . v. 1. November 1940.

I. Landgericht Kleve. II. Oberlandesgeridit Düsseldorf. !f

)

Vgl. jetzt Art. 34 des Bonner Grundges.

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Die Klägerin war Eigentümerin zweier Nachbargrundstücke in der F.-M.-Straße in K.; sie hatte sie als Hypothekengläubigerin im Jahre 1935 in der Zwangsversteigerung erworben. Die Beklagte zog im staatlichen Auftrage die Hauszinssteuer aus den städtischen Grundstücken ein. Durch eine versehentliche Eintragung in der bei der Beklagten geführten Steuerrolle wurden die Hauszinssteuersätze der beiden Nachbargrundstücke verwechselt. Die Beklagte erhob daher von dem Grundstück F.-M.-Straße 7 nur eine monatliche Hauszinssteuer von 5,40 RM. an Stelle des geschuldeten Betrages von 14,40 RM. monatlich. Diese irrtümliche Behandlung war bereits in der Zeit vor der Zwangsversteigerung erfolgt, als die Grundstücke noch den früheren Eigentümern K. E. und W. G. B. gehörten. Die Klägerin veräußerte im Jahre 1937 das Grundstück F.-M.Straße 7 an die Eheleute St. Bei dem Vertragsabschluß war die Annahme einer Hauszinssteuer von monatlich nur 5,40 RM., insbesondere für die Höhe des Kaufpreises, mit entscheidend. In der Folgezeit entdeckte und berichtigte die Beklagte den Irrtum. Sie forderte die geschuldete Steuer von 14,40 RM. monatlich an. Die Eheleute St. verlangten darauf die Rückgängigmachung des Kaufvertrages. Die (jetzige) Klägerin wurde rechtskräftig verurteilt, an die Eheleute St. 3356,59 RM. nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rüdkauflassung des Grundstücks zu zahlen und 4/s der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Rückauflassung und Zahlung sind geschehen. Nunmehr madit die Klägerin die Beklagte schadensersatzpflichtig. Durch den Verkauf, den Rechtsstreit und die Rückauflassung seien ihr erhebliche Schäden entstanden. Diese seien auf die unrichtige Angabe der Hauszinssteuerbeträge in der Steuerrolle und auf den von der Beklagten ausgestellten Steuerzetteln zurückzuführen. Die Beamten, denen das Versehen untergelaufen sei, hätten in Ausübung öffentlicher Gewalt die auch ihr gegenüber bestehende Amtspflicht zur richtigen Erhebung der Steuer fahrlässig verletzt. Den mit der Steuererhebung von ihr verlangten Betrag habe sie als richtig ansehen und den Eheleuten St. mitteilen dürfen. Diesen habe sie 1265,27 RM. für Verwendungen auf das Haus erstattet, weitere 435,90 RM. an Kosten des Rechtsstreits. Für ihre eigene Rechtsverteidigung im Vorrechtsstreit habe sie 404,90 RM. aufgewandt. Schließlich habe sie bei dem erneuten Weiterverkauf des Grundstüdes nur einen um 1000 RM. geringeren Kaufpreis erzielen können. Diese Gesamtbeträge von 3106,07 RM. nebst 4 v. H. Zinsen seit Klagezustellung sind Gegenstand des Rechtsstreits. Die Beklagte bestreitet, daß ihre Beamten überhaupt eine der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt und daß sie dies schuldhaft getan hätten. Auf eine etwaige schuldhafte Verletzung der Amtspflicht gegenüber den früheren Eigentümern könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie nicht deren Rechtsnachfolgerin geworden sei. Hilfsweise verlangt die Beklagte die Verteilung eines etwa entstandenen

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Schadens auf Grund mitverursachenden Verschuldens der Klägerin. Schließlich bemängelt sie auch die Begründetheit und die Höhe der Einzelposten der Klageforderung. Die Vordergerichte haben die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht führt aus, die richtige Führung der Steuerrolle durch die Beklagte sei keine einem Dritten, also auch keine der Klägerin gegenüber bestehende Amtspflicht; die richtige Führung der Steuerrolle diene nur den Belangen des Steuergläubigers. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Gründe: Die Führung der Steuerrolle für die Hauszinssteuer dient, ebenso wie die Absendung der Steuerzettel, der richtigen Erhebung der Steuer. Daß hierin eine Ausübung öffentlicher Gewalt liegt, kann nicht zweifelhaft sein. Daß es eine Dienstpflicht der mit der Erledigung dieser Geschäfte betrauten Personen ist, in der Steuerrolle wie in den Steuerzetteln den Steuersollbetrag richtig anzugeben, bedarf gleichfalls keiner Begründung. Insoweit erhebt die Beklagte auch keine Einwendungen. Sie bestreitet in erster Linie, daß ihren Beamten (oder Angestellten [RGZ. Bd. 118 S. 241; RG. III 65/37 vom 12. Oktober 1937, als Leitsatz abgedruckt in JW. 1938 S. 4 Nr. 25]) bei Erledigung dieser Aufgaben eine Amtspflicht dem Steuerschuldner gegenüber oblag, weiter auch, daß die Einsetzung des zu geringen Steuersolls in die Steuerrolle auf ein schuldhaftes Verhalten zurückzuführen sei. Bereits auf Grund der ersten Einwendung ist die Klage unbegründet. Zwar haben die mit der Veranlagung, Erhebung und Beitreibung der Steuern betrauten Beamten auch Amtspflichten gegenüber dem Steuerschuldner zu erfüllen. Sie dürfen weder bei der Ermittlung der Steuerpflicht noch auch bei der Festsetzung der Steuern (Erteilung eines Steuerbescheides) die berechtigten Belange des Betroffenen verletzen. Wenngleich die Erhebung der Steuern im Allgemeininteresse liegt, darf der Steuerpflichtige doch erwarten, daß er nicht durch eine unbegründete Steuererhebung betroffen und daß nicht in seinen Rechtskreis insofern eingegriffen wird, als er zu einer im Gesetz nicht begründeten oder danach zu hohen Steuer veranlagt wird. Insoweit dient ein Steuerbescheid auch den Belangen des Steuerschuldners. Dieser soll sidi auf Grund des Steuerbescheides über die Richtigkeit der Veranlagung unterrichten und erforderlichenfalls über die Einlegung eines Rechtsmittels schlüssig machen können. Fraglich kann sein, ob die Führung der Steuerrolle für die Hauszinssteuer und die Anforderung dieser Steuer durch die Steuerzettel (beides nicht mehr der eigentlichen Veranlagung dienend) für das Bestehen einer Amtspflicht gegenüber den Steuerschuldnern der Veranlagung selbst gleichgestellt werden können. Hier wird vielleicht zu unterscheiden sein, ob eine zu hohe Hauszinssteuer angefordert worden ist

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— hierin wird eher die Verletzung einer dem Steuerschuldner gegenüber obliegenden Amtspflicht erblickt werden können — oder, wie hier, eine geringere als die veranlagte. Dazu bedarf es aber keiner abschließenden Stellungnahme. Keinesfalls kommt beiden Vorgängen, insbesondere dem Steuerzettel, die Bedeutung einer unter allen Umständen verbindlichen amtlichen Erklärung zu. Der Steuerzettel genießt keinen öffentlichen Glauben. Daher besteht keine Amtspflicht, durch die Führung der Steuerrolle und die Uebersendung der Steuerzettel verbindliche Unterlagen für den Grundstücksverkehr zu schaffen. Deshalb kann auch unterstellt werden, daß es im Grundstücksverkehr üblich sei, bei Ermittlung der Grundstückslasten die Hauszinssteuer nach den Angaben der Steuerzettel zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sidi um eine nur tatsächliche Entwicklung, die darauf beruht, daß die Zahlen in den Steuerzetteln regelmäßig richtig sind. Die Rechtsnatur des Steuerzettels wird dadurch nicht geändert. Die bloße Uebung im Grundstücks verkehr ist nidit geeignet, den Umfang der Amtspflichten der mit der Einziehung der Steuern betrauten Beamten zu erweitern oder ihnen eine besondere „Fürsorgepflicht" den Steuerpflichtigen gegenüber — wie die Revision will — aufzuerlegen. So unterscheiden sich die bei den Gemeinden geführten Hauszinssteuerrollen und die Steuerzettel, die auf Grund der in ihnen enthaltenen Angaben aufgestellt werden, wesentlidi von dem Grundsteuerkataster, mit dem sich die Entsdieidungen des erkennenden Senats in RGZ. Bd. 100 S. 102 und Bd. 148 S. 375 befassen. Das Grundsteuerkataster dient — so auch bei der Hauszinsteuer — unmittelbar der Steuerveranlagung. Darüber hinaus bildet es die gesetzliche Grundlage für die dem Rechtsverkehr dienenden Eintragungen in das Grundbuch, und deshalb muß die Verpflichtung ordnungsmäßiger Führung des Katasters als eine Amtspflicht angesehen werden, die dem Katasterbeamten, wie gegenüber den Steuerpflichtigen, so auch gegenüber den am Grundstücksverkehr beteiligten Personen obliegt. Gerade diese Voraussetzungen fehlen aber bei den Steuerrollen, welche die Gemeinden in auftragsmäßiger Verwaltung für die Hauszinssteuer führen, und bei den Steueranforderungsschreiben, die der Einziehung dieser Steuer dienen. Fehlt es aber für den vorliegenden Sachverhalt an einer Amtspflicht, die den Beamten der Beklagten der Klägerin oder den frühereh Grundstückseigentümern gegenüber oblag, so kann unerörtert bleiben, ob diese die ihnen nur ihrem Dienstherrn, der Beklagten, gegenüber obliegende Pflicht etwa schuldhaft verletzt haben. RGZ. 165, 365 1. Unter welchen Voraussetzungen haftet das Reich für das Verschulden seiner Beamten auf Dienstreisen, die sie in eigenen Kraftwagen der Behörde oder in „beamteneigenen" Kraftwagen ausfuhren?

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2. Besteht eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB., wenn neben der Haftung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft wegen des Amtsverschuldens eines Beamten zugleich die Haftung des Beamten als Halters des sdiadenstiftenden Kraftfahrzeugs begründet ist? WeimVerf. Art. 131. BGB. § 839. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 10. Januar 1941.

I. Landgericht Königsberg. II. Oberlandesgericht daselbst.

Am 2. Februar 1938 fuhr der Kläger als Fahrgast in dem Personenkraftwagen des Fleischermeisters W., den dieser selbst steuerte, von L. nach K. Während der Fahrt stieß der Wagen mit dem ihm entgegenkommenden Personenkraftwagen des Telegraphenoberbauführers R. zusammen. R. befand sich mit seinem Wagen, der von der Reidispost als „beamteneigener" Wagen bezeichnet wird, auf einer Dienstfahrt von K. nach L., um dort Kabel- und Zementkanäle zu vermessen. Die Landstraße macht dort, wo der Zusammenstoß stattfand, eine Kurve. Sie trug damals eine Schnee- und Eiskruste, in die der Verkehr eine schneefreie schmale Fahrrinne gelegt hatte. Diese Fahrrinne, auf der sich beide Fahrzeuge bewegten und schließlich Kühler gegen Kühler zusammenstießen, lag in der Fahrtrichtung des R. gesehen mehr links von der Mittellinie der Landstraße. Der Kläger, der bei dem Unfall einen mehrfachen Schädelbruch und einen Bruch des Nasenbeins davongetragen hat, steht auf dem Standpunkte, R. habe den Zusammenstoß schuldhaft dadurch verursacht, daß er nicht rechts gefahren, namentlich aber dem vorschriftsmäßig in seiner Fahrtrichtung rechts fahrenden W. nicht nach rechts ausgewichen sei. Für den Schaden müsse, so meint der Kläger, die Reichspost aufkommen, weil R. auf einer Dienstfahrt begriffen gewesen sei und in Ausübung hoheitsreditlicher Aufgaben gehandelt habe. Der Kläger verlangt mit der Klage an Aufwendungen und Verdienstverlust einen Betrag von 1311,77 RM nebst Prozeßzinsen sowie ein angemessenes Schmerzensgeld und ferner die Feststellung der Verpflichtung der Reichspost, ihm jeden weiteren bereits entstandenen oder noch entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Reichspost tritt dem Anspruch aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen entgegen. R. habe nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt gehandelt. Er sei gewöhnlicher Verkehrsteilnehmer gewesen. Ihn treffe auch kein Verschulden, da es ihm trotz aller Bemühungen nicht gelungen sei, über die die Fahrrinne begrenzende Eiskante hinweg nach rechts auszuweichen. Der Unfall sei durch W. herbeigeführt worden, der trotz der ersichtlichen Gefahrenlage mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren sei und zu spät gebremst habe. Zum mindesten habe W. den Unfall mit verschuldet, so daß sich der Kläger an ihn halten

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könne. Die Klage müsse daher nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. schon an dieser für den Kläger bestehenden Ersatzmöglichkeit scheitern. Das Landgericht und das Oberlandesgeridu haben den Zahlungsanspruch des Klägers dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und seinem Feststellungsanspruch stattgegeben. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Beide Vordergerichte sind der Auffassung, daß die Reidispost dem Kläger f ü r den Unfall nach Art. 131 WeimVerf. in Verbindung mit § 839 B G B . einzustehen habe, weil der Telegraphenoberbauführer R. in Ausübung öffentlicher Gewalt die ihm dem Kläger gegenüber obliegenden Amtspflichten schuldhaft verletzt habe. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß alle Handlungen, die zur Aufrechterhaltung des Postbetriebes vorgenommen würden, dem Bereich öffentlicher Gewaltausübung zuzuredinen seien, auch wenn sie nur mittelbar dazu bestimmt seien, den Postbetrieb zu fördern. Dazu habe es gehört, wenn R . in L. Kabel- und Zementkanäle vermessen habe. Auch die Fahrt von seinem Dienstwohnsitz K. nach L. sei bereits eine dienstliche Verrichtung gewesen, die in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt geschehen sei. Der Umstand, daß er dazu einen ihm gehörigen Kraftwagen benutzt habe, sei unerheblich, da das mit Wissen und unter Förderung der Postverwaltung geschehen sei. R . sei kraft seines Amts verpflichtet gewesen, alle Vorsicht anzuwenden, die der Straßenverkehr von ihm verlangt habe, und zwar habe diese Amtspflicht ihm allen Verkehrsteilnehmern — darunter auch dem Kläger — gegenüber obgelegen. Deshalb könne nicht anerkannt werden, daß die Beschädigung des Klägers von R . etwa nur bei Gelegenheit der Ausführung des öffentlichen Dienstes verursacht worden sei; denn gerade die ordnungsmäßige Führung des Kraftwagens habe zu seinen Amtspflichten gehört und sei in Ausübung seines Dienstes geschehen. Der Dienst für R . habe nicht erst auf der Baustelle in L., sondern bereits mit dem Antritt seiner Dienstreise in K. begonnen. Wenn danach R . die Verletzung des Klägers fahrlässig verschuldet habe, so sei hierfür auf Grund von Art. 131 WeimVerf. die Reichspost dem Kläger an Stelle des R . haftbar. Das Berufungsgericht hat dann weiter festgestellt, daß R . den Unfall fahrlässig verschuldet habe, und ist so zu einer Verurteilung der Reidispost gekommen. I. Die Revision wendet sich in erster Linie gegen die grundsätzlichen Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Anwendung des Art. 131 WeimVerf. gerechtfertigt hat. Insoweit ist dem Berufungsurteil aber wenigstens im Ergebnisse beizutreten. Die Erwägungen des Berufungsgerichts verfolgen die Linie, auf der sich die jüngere Rechtsprechung des erkennenden Senats über die H a f t u n g der Hoheitsverwaltungen für die von ihren Kraftwagenfahrern angerichteten Schäden bewegt. Soweit es sich dabei um die Reichspost handelt, ist vor allem auf grundlegende

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Entscheidung in RGZ. Bd. 158 S. 83 hinzuweisen. Diese Entscheidung hat mit der früheren Auffassung gebrochen, nach welcher die mit dem Betriebe der postalischen Anstalten verbundenen Geschäfte grundsätzlich dem bürgerlichrechtlichen Kreise zugerechnet wurden, und hat jedenfalls für die Briefbeförderung klargestellt, daß die darauf bezügliche Tätigkeit der Reichspost — einschließlich der Beförderung der Briefe durch die Kraftwagen der Reichspost — als hoheitsrechtliche Tätigkeit und Ausübung öffentlidier Gewalt anzusehen ist. In der weiteren Entscheidung des erkennenden Senats RGZ. Bd. 164 S. 273 ist das gleiche auch für die Paketbeförderung ausgesprochen worden. Endlich hat der Senat in seinem Urteil III 116/39 vom 21. Juni 1940 entschieden, daß Dienstfahrten, welche der Verwaltung, Leitung und Beaufsichtigung des Postwesens dienen, ebenfalls dem hoheitsrechtlichen Gebiete zuzuredinen seien. Alle diese Entscheidungen beruhen im letzten Grunde darauf, daß die Reichspost für den Betrieb ihrer Anstalten nicht mehr wie früher einem bürgerlidirechtlichen Unternehmer (so noch RGZ. Bd. 139 S. 149 [154]) gleichzustellen ist, daß vielmehr für den hier in Betracht kommenden Zusammenhang ihre Eigenschaft als Hoheitsverwaltung des Reichs in den Vordergrund tritt. Das hoheitsrechtliche Wesen derjenigen Tätigkeit, welche die Reichspost auf dem Gebiete des deutschen Fernmeldewesens entfaltet, ergibt sich übrigens schon unmittelbar aus dem Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 14. Januar 1928 (RGBl. I S. 8). Nach § 1 dieses Gesetzes übt der Reichspostminister neben dem Reichswehrminister das ausschließlich dem Reiche zustehende Recht aus, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben. Die Tätigkeit der Reichspost auf diesem Gebiet ist demnach weder bürgerlichrechtlich eingestellt, noch bürgerlichrechtlich zu beurteilen, sondern ist ein Ausfluß der Staatsgewalt. Die hiermit in Zusammenhang stehenden Aufgaben liegen namentlich den Telegraphenbauämtern ob, die den gesamten Baudienst zur Herstellung des Leitungsnetzes usw. zu leiten und zu überwachen haben. Da auch der sogenannte Kabelmeßdienst dazu gehört, war jedenfalls die Tätigkeit, welche der Telegraphenoberbauführer R. in L. auszuüben hatte, hoheitsrechtlicher Natur und daher öffentliche Gewaltausübung. Die Revision hat dagegen auch keine besonderen Einwendungen erhoben. Die Revision macht aber geltend, weil die Ausübung öffentlicher Gewalt durch R. frühestens in L.. an Ort und Stelle begonnen hätte, könne die Zuriicklegung des Wegs von K. bis zur Arbeitsstelle keinesfalls schon in den Umkreis der öffentlichen Gewaltausübung fallen, zumal R. diesen Weg in einem ihm gehörigen (richtiger: „beamteneigenen") Kraftwagen zurückgelegt habe. Damit ist die Frage aufgeworfen, welche Bedeutung im Rahmen der Amtshaftung allgemein solchen Dienstreisen zukommt, die der Beamte im Kraftwagen unternimmt. Diese Frage ist hier in der Tat entscheidend. Die Revision versucht, die Reise des R. an Ort und Stelle nach L. dem Fall gleichzustellen, daß sich ein Beamter von seiner

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Wohnung aus zu seiner Dienststelle begibt. Eine solche Gleichstellung ist jedoch abzulehnen. Denn der Beamte, der sich zu seiner Dienststelle begibt, tritt erst dort seinen Dienst an. Bis dahin befindet er sich noch nicht im Dienste. Hierzu sei bemerkt, daß dies ursprünglich auch f ü r die Beamten-Unfallfürsorge in der (ersten) Durdiführungsverordnung zum Deutschen Beamtengesetz vom 29. Juni 1937 (RGBl. I S 669) zu § 107 unter N r . 2 anerkannt war. Die Bestimmung ist dann allerdings durch die Zweite Durchführungsverordnung zu dem genannten Gesetze vom 13. Oktober 1938 (RGBl. I S. 1421) zu § 107 unter Nr. I dahin abgeändert worden, daß als Dienst im Sinne von Absatz 2 auch die Zurücklegung des Weges nach und von der Dienststelle gilt. Schon der Ausdruck „ g i l t " beweist, daß damit über den eigentlichen Begriff des Dienstes hinausgegangen wird. Auch sonst kann kein Zweifel bestehen, daß es sich u m eine nur für die Beamten-Unfallfürsorge getroffene Sonderregelung handelt. So kann in dem hier gegebenen Zusammenhange der Revision jedenfalls nicht zugegeben werden, daß R., indem er sich nach L. hinbegab, nichts anderes getan hätte, als wenn er sich an seinem Amtssitze zu seiner Dienststelle hinbegeben haben würde. Seine Fahrt war vielmehr, wie dies für alle Beamten zutrifft, die außerhalb ihres Amtssitzes ein Dienstgeschäft wahrnehmen, dienstlich. Hätte er dazu einen behördeneigenen Wagen benutzt, so wäre auch der Gebrauch dieses Wagens an sich schon dienstlich gewesen. Freilich ist nicht jede dienstliche K r a f t wagenfahrt bereits deshalb Ausübung öffentlicher Gewalt, weil sie dienstlich ist. Sie fällt wie auch die sonstigen dienstlichen Handlungen eines Beamten entweder in den bürgerlichrechtlichen oder in den öffentlichrechtlichen Geschäftskreis der Behörde. Ob das eine oder das andere zutrifft, muß sich im Einzelfalle nach Wesen und Zwedc der Fahrt bestimmen. Steht die Fahrt nur im Zusammenhange mit bürgerlidirechtlichen (fiskalischen) Angelegenheiten der Behörde, dann scheidet die Ausübung öffentlicher Gewalt und damit die Anwendung von Art. 131 WeimVerf. von vornherein aus. Dagegen ist die Fahrt ebenso zweifellos hoheitsrechtlich, wenn sie unmittelbar der Verwirklichung hoheitsrechtlicher Ziele (bei der Reichspost z. B. der Briefbeförderung) dient. Es bleibt aber die Frage, wie solche Kraftwagenfahrten zu beurteilen sind, die — wie im vorliegenden Falle — zwar nidit unmittelbar in Erfüllung hoheitsrechtlicher Aufgaben, sondern nur z u m Z w e c k e ihrer Erfüllung, also etwa zu ihrer Vorbereitung, unternommen werden. Die Revision vertritt hierzu die Auffassung, daß derartige Dienstfahrten eines Beamten ausschließlich dem bürgerlichrechtlichen Kreise zuzurechnen seien und daß der Beamte dabei keine andere Stellung habe als jeder sonstige Verkehrsteilnehmer. Diese Betrachtungsweise ist jedodi zu eng. Sie ist auch durch die Entwicklung überholt, welche dazu geführt hat, die Verkraftung in immer stärkerem Maße der Amtsausübung der Hoheitsverwaltungen dienstbar zu machen und in den Gang ihrer Behördenbetriebe einzubauen. Der Revision ist freilich zuzugeben, daß

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es im Einzelfalle dem Beamten überlassen sein kann, in welcher Weise er die Dienstreise zu dem O r t a u s f ü h r e n will, an dem er seine dienstliche Verrichtung zu erledigen hat. Solche Fälle werden auch heute vielfach v o r k o m m e n bei Behörden, die über keine eigenen Kraftwagen verfügen. Es ist dann nur die Pflicht des Beamten, rechtzeitig zur Stelle zu sein. Die Auswahl u n d die B e n u t z u n g dienstfremder Beförderungsmittel steht in solchen Fällen aber in einem solchen Abstände von dem hoheitsrechtlichen Hauptgeschäft, daß der notwendige innere Zusammenhang zwischen beiden fehlt. Benutzt etwa ein Richter z u r W a h r n e h m u n g eines Ortstermins einen gemieteten oder einen eigenen Kraftwagen, so liegt das jenseits der Ausübung öffentlichrechtlicher Gewalt. D e r Richter ist d a n n bloßer Verkehrsteilnehmer, nicht anders, als wenn er die Eisenb a h n oder die Straßenbahn b e n u t z e n würde. In ähnlidi liegenden Fällen der Benutzung eigener K r a f t f a h r z e u g e durch Soldaten (RGZ. Bd. 156 S. 401 u n d Urteil III 140/37 vom 11. M ä r z 1938 J W . 1938 S. 1652 N r . 13) h a t daher der erkennende Senat die H a f t u n g des Reichs nach Art. 131 W e i m V e r f . verneint. Anders ist es aber, wenn eine Hoheitsverwaltung eigene Kraftfahrzeuge in den Dienst ihrer Aufgaben stellt. Freilich ist es denkbar, daß solche K r a f t f a h r z e u g e auch in der F o r m eines „fiskalischen" Unternehmerbetriebes gehalten werden k ö n n e n , etwa u m auf diese Weise den Beamten den Anmarsch zu ihrer Dienststelle oder den Abmarsch zu erleichtern. Regelmäßig aber werden Kraftfahrzeuge bei Hoheitsverwaltungen u m der hoheitsrechtlichen Aufgaben willen gehalten. Sie haben den Zweck, die Erledigung dieser Art von Geschäften zu f ö r dern u n d die Beamtenschaft d a f ü r beweglicher und daher auch geeigneter zu machen. Die Beamten sind d a n n regelmäßig dienstlich gehalten, w e n n nicht sogar verpflichtet, sich zur Erledigung ihrer Amtsgeschäfte der Dienstwagen zu bedienen. Es k a n n keine Rede davon sein, daß das H a l t e n von Kraftwagen zu solchen Zwecken nur auf „fiskalischem" G e biete läge u n d das Reich insoweit einem gewöhnlichen F u h r u n t e r n e h m e r gleichgestellt werden könnte. Jedenfalls ist die Benutzung v o n Dienstkraftwagen unter den oben genannten Verhältnissen eine dienstliche A n gelegenheit, u n d sie steht, wenn der Zwedc der Einzelfahrt, sei es auch n u r mittelbar, der A u s f ü h r u n g eines hoheitsrechtlichen Geschäfts dient, damit f ü r die lebensnahe Betrachtung in einem engen, von der Behörde selbst geschaffenen u n d gewollten Zusammenhange. Das tritt besonders klar bei manchen Bezirksverwaltungen, u n d zwar namentlich bei den Telegraphenbauämtern der Reichspost in Erscheinung. Es ist allgemein b e k a n n t , daß die Reichspost ihre Telegraphenbauämter der dienstlichen N o t w e n d i g k e i t u n d den Erfordernissen der Jetztzeit entsprechend in e r heblichem U m f a n g e mit K r a f t f a h r z e u g e n ausgestattet hat. Gerade dadurch sollten die Bedingungen f ü r eine sachgemäße E r f ü l l u n g ihrer A u f gaben, die sich der N a t u r der Sache nach über viele Oertlichkeiten des jeweiligen Bezirks erstrecken, geschaffen werden. Die Kraftwagen d e r Telegraphenbauämter bilden daher ein notwendiges Zubehörstück, das

S t a a t s - und B e a m t e n h a f t u n g

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ihnen für ihre Amtstätigkeit beigegeben ist. So läßt sich die dienstliche Benutzung ihrer Kraftwagen — und zwar sowohl derjenigen mit besonderer technischer Einrichtung als auch der Personenkraftwagen — von dem Amtsbetriebe dieser Behörden nicht trennen. Der Amtsbetrieb der Telegraphenbauämter liegt aber, wie schon ausgeführt, in der Hauptsache auf hoheitsrechtlichem Gebiete. Gerade die besondere Ausgestaltung dieser Behörden und ihre Anpassung an die technischen Erfordernisse der Jetztzeit lassen den im Wesen dieser Dinge begründeten engen Zusammenhang der Kraftfahrzeugbenutzung mit dem hoheitsrechtlichen Dienstbetrieb augenscheinlich werden. Die Fahrt des R . würde also in den Bereich der Ausübung öffentlicher Gewalt fallen, wenn er einen behördeneigenen Wagen benutzt haben würde. Der von R. benutzte Wagen war indessen ein „beamteneigener" Wagen. Was beamteneigene Wagen sind, ergibt sich aus N r . 24 c der Ausführungsbestimmungen, die zum Gesetz über Reisekostenvergütung der Beamten vom 15. Dezember 1933 (RGBl. I S. 1067) erlassen sind (veröffentlicht im RBesBI. 1933 S. 192 Nr. 2262 nebst den Aenderungen RBesBl. 1937 S. 207 N r . 2701). Danach handelt es sich um Wagen, die für den Beamten auf Veranlassung der vorgesetzten Behörde oder im überwiegenden Interesse des Dienstes angeschafft sind. Die Reichspost hatte über die beamteneigenen Kraftwagen in ihrem Bereiche bereits früher, und zwar mit Wirkung vom 1. April 1933, eingehende Bestimmungen erlassen (Amtsbl. d. R P M . 1933 S. 163 Amtsbl. Vfg. Nr. 161). Hiernach gelten bei ihr als beamteneigene Kraftwagen solche, die den Beamten aus dienstlichem Anlaß zugewiesen, in der Regel aus Mitteln der Reichspost beschafft, betrieben und unterhalten werden, aber nach Ablauf einer Tilgungszeit in das Eigentum des Beamten übergehen. Die Bestreitung der Betriebsunkosten und die Tilgung des Kaufpreises geschehen aus der dem Beamten zustehenden Kraftwagenvergütung (§ 7). Der Beamte unterliegt bei der Verwendung des Wagens zum persönlichen Gebrauch bis zur Tilgung des Kaufpreises gewissen Beschränkungen; in der rechtsgeschäftlichen Verfügung über den Wagen bleibt er auch nach der Tilgung des Kaufpreises so lange beschränkt, als die Reichspost die dienstliche Benutzung des Wagens beansprucht (§ 11). Der Beamte muß sich verpflichten, alle dienstlich erforderlichen Fahrten, soweit irgend möglich, mit dem ihm zugewiesenen Wagen auszuführen (Anl. 2 zur obengenannten Amtsbl. Verfg.). Diese Regelung zeigt unverkennbar, daß der beamteneigene Wagen lediglich einen behördeneigenen ersetzen soll. Sie ist in dieser Form nur getroffen worden, um eine möglichst schonende Behandlung der Kraftwagen zu erreichen (§ 1 Abs. 2). Für die hier in Betracht kommenden Zusammenhänge muß der beamteneigene Wagen, selbst wenn der Beamte das Eigentum an ihm nach Tilgung des Kaufpreises erworben hat, dem behördeneigenen Wagen gleichgestellt werden;

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denn er ist aus demselben Grunde wie dieser in den Dienst der Behörde gestellt und muß von dem Beamten bei seinen Dienstreisen, soweit das nur angängig ist, verwendet werden. Zusammenfassend ergibt sich nadi alledem, daß die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 31 WeimVerf. im vorliegenden Falle gegeben sind. Das Berufungsgericht hat auch rechtsirrtumsfrei festgestellt, daß R. die ihm dem Kläger gegenüber obliegende Amtspflicht zum vorsichtigen, den Verkehrsregeln entsprechenden Fahren schuldhaft verletzt hat. II. Eine Inanspruchnahme der Reichspost würde allerdings nach Art. 131 WeimVerf. und § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. ausgeschlossen sein, wenn der Kläger auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermöchte. Der Umstand, daß R. in seiner Eigenschaft als Halter des Wagens dem Kläger nach § 7 KFG. ersatzpflichtig ist, kommt dabei nicht in Betracht. Würde die Haftung des R. aus seiner Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB.) nicht auf die Reichspost übergegangen sein, wie es nach Art. 131 WeimVerf. der Fall ist, sondern wäre sie bei R. verblieben, dann würde R. sich von ihr nicht durch Berufung auf seine daneben bestehende Haftung nach § 7 KFG. befreien können. Denn es ist undenkbar, daß die Haftung eines Beamten f ü r eine von ihm begangene Amtspflichtverletzung um deswillen nicht eintreten sollte, weil der Beamte ein weit Geringeres getan, nämlich eine Gefährdung gesetzt und damit nur die Möglichkeit für die Schadensentstehung geschaffen hat, während der Schaden selbst durch die Amtspflichtverletzung hervorgerufen worden ist. Ein solcher Tatbestand erfüllt nicht die Voraussetzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB., daß der Geschädigte „auf andere Weise" Ersatz zu erlangen vermag. Kann also hierdurch die grundsätzliche Haftung des R. aus § 839 BGB. nicht beeinträchtigt werden, so gilt das auch von der Haftung der Reichpost, die nach Art. 131 WeimVerf. insoweit an die Stelle des R. getreten ist. Die bisherige Rechtsprechung hat stets angenommen, daß die Haftung einer öffentlichen Körperschaft auf Grund von Art. 131 WeimVerf. nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß die Körperschaft selbst zugleich als Fahrzeughalterin haftet. Der vorliegende Fall gebietet die Klarstellung, daß dasselbe auch bei gleichzeitiger Haftung des in Betracht kommenden Beamten aus § 7 KFG. der Fall ist . . . (Es folgen Ausführungen darüber, daß das Frage eines Mitverschuldens des Metzgermeisters nicht erschöpfend geprüft hat, so daß die f ü r den vorhandene anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht schlossen werden kann.)

Berufungsgericht die W. an dem Unfälle Kläger etwa insoweit mit Sicherheit ausge-

RGZ. 166, 1 1. Nach weldien Gesichtspunkten ist zu beurteilen, ob das Verhalten eines „Beamten", durch das ein Dritter verletzt wird, Ausübung

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öffentlicher Gewalt im Sinne der Vorschriften über die Haftung der öffentlichreditlichen Körperschaften ist? 2. Kann die Anspruchsvoraussetzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. mit der Begründung als erfüllt angenommen werden, daß die Auslegung der gesetzlidien Vorschriften, die für die Frage der anderweitigen Ersatzmöglichkeit maßgebend sind, dem Verletzten erhebliche Schwierigkeiten biete? WeimVerf. Art. 131. BGB. §§ 831, 839. 111. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Ravensburg.

Urt. v. 10. Januar 1941. II. Oberlandesgeridit Stuttgart.

Der Erblasser der jetzigen Kläger, im folgenden kurz „der Kläger" genannt, war evangelischer Stadtpfarrer in R. Er wollte am Abend des 25. Januar 1938 mit seinem Fahrrade nach dem Nachbarort W. fahren, um als zuständiger Seelsorger einen Krankenbesuch zu machen. Es war völlig dunkel und sehr neblig. Dadurch verfehlte der Kläger die Abzweigung von der Reichsstraße, die er zunächst zu benutzen hatte, nach W. und fuhr auf der Reichsstraße weiter. Er stieg dann vom Fahrrad und schob es. Hierbei wurde er von einem dem Beklagten gehörenden Personenkraftwagen angefahren. Mit diesem kehrten die technischen Angestellten der Beklagten K. und R., die in Angelegenheiten der R u n d funkentstörung an den Bodensee gefahren waren, nach teilweiser Erledigung ihrer Dienstgeschäfte auf der Reichsstraße nach R., ihrem W o h n sitz und Dienstort, zurück. Der Wagen wurde von K. gesteuert. Dieser hatte seit dem 9. Oktober 1937 einen Führerschein. Der Kläger, der am 31. März 1872 geboren ist, wurde schwer verletzt. Er war vom 25. Januar 1938 bis zum 13. März 1938 im Krankenhaus in R. Mit dem 1. September 1938 wurde er in den Ruhestand versetzt. Audi seine Kleider und seine Brille trugen Schäden davon. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz. Er beantragt, sie zu verurteilen, an ihn 4936,76 RM. nebst Zinsen zu zahlen, sowie festzustellen, daß sie ihm allen weiteren Schaden zu ersetzen habe, der ihm aus dem Unfall vom 25. Januar 1938 bereits entstanden sei oder noch entstehe. Zur Ausfüllung des Betrages seines Zahlungsbegehrens macht der Kläger folgende Ansätze geltend: Schmerzensgeld, Heil- und Kurkosten, die vor seiner Versetzung in den Ruhestand aufgewendet worden sind, soweit seine Krankenversicherung sie nicht ersetzt hat, Kosten zweier Badekuren in den Jahren 1938 und 1939, Sachschaden (Kleidung und Brille) und Verdienstentgang, nämlich den Unterschied seines Gehalts und seines Ruhegeldes für die Zeit vom 1. September 1938 bis zum 1. September 1939, sowie weitere von ihm eingebüßte Einkünfte, nämlich Vergütung für Religionsunterricht an der Mädchenobersdiule in R. und Funktionszulage f ü r den religiösen Dienst an der Heilanstalt W. in der Zeit vom 25. Januar 1938 bis Ende September 1939. Der Kläger,

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der die Ansprüche sowohl auf die Eigenschaft der Beklagten als Halterin des Kraftwagens nach § 7 KFG., als auch auf § 831 BGB., vor allem aber auf § 839 BGB. in Verb, mit Art. 131 WeimVerf. stützt, legt dar, daß K. den Unfall durch Fahrlässigkeit verursacht habe. Die Beklagte bestreitet sämtliche Ansprüche dem G r u n d e nach, den Schmerzensgeldanspruch auch der H ö h e nach. Sie b e k ä m p f t ihre H e r leitung aus § 839 BGB. in Verb, mit Art. 131 WeimVerf. Es sei zwar richtig, daß die Errichtung u n d der Betrieb von Fernmeldeanlagen, zu denen der R u n d f u n k gehöre, Betätigung des Fernmeldehoheitsredites sei. Dies Hoheitsrecht habe aber nicht die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit von Verkehrswegen u n d den Schutz D r i t t e r gegen Beschädigungen z u m Gegenstand. Ein Schaden, den der Führer eines P o s t k r a f t wagens auf einer öffentlichen Verkehrsstraße anrichte, werde nicht in Ausübung, sondern n u r gelegentlich der Betätigung eines Hoheitsrechtes verursacht. Die Beklagte stellt ferner ein Verschulden ihres Fahrers in Abrede. Sie mißt dem Kläger die alleinige Schuld an dem U n fall bei. Sie erbietet sich auch, den ihr nach § 831 BGB. offenstehenden Entlastungsbeweis zu erbringen. Sie überwache ihre Fahrer, die erst nach einer strengen F a h r p r ü f u n g verwendet würden, ständig. So sei es auch mit K. gehalten worden. Er habe die P r ü f u n g bestanden, sich nie etwas zusdiulden k o m m e n lassen u n d sei als ruhiger, zuverlässiger u n d gewandter Fahrer bekannt gewesen. Der Anspruch des Klägers werde ferner durch die Vorschrift des § 124 DBG. ausgeschlossen, wonadi sich ein Beamter wegen eines Dienstunfalls an seinen Dienstherrn halten müsse und gegen eine öffentliche Verwaltung weitergehende Ansprüche auf G r u n d allgemeiner gesetzlicher Vorschriften nur bei H e r b e i f ü h r u n g des Unfalls durch eine vorsätzliche unerlaubte H a n d l u n g eines Bediensteten dieser Verwaltung erheben könne. Schließlich habe der Kläger nadi der V e r o r d n u n g des Württembergischen Kultministeriums v o m 4. O k t o b e r 1933 (RegBl. S. 402) Ansprüche an das Land W ü r t t e m b e r g auf Ersatz der Heilungskosten. Das stehe dem Klagebegehren, wenigstens zum Teil, nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. entgegen. Das Landgericht hat dem Klageantrag entsprochen. Die Berufung der Beklagten ist zurückgewiesen worden. Die Revision h a t t e keinen Erfolg. Gründe: (Nach Erörterungen über das Verhältnis der beiden Klagegründe des § 7 KFG. und des Art. 131 WeimVerf. f ä h r t das Urteil fort:) Aus diesen Zusammenhängen folgt, daß die Unterschiede der beiden Klagegründe nach Voraussetzungen u n d Folgen n u r dann v o n neuem ins Auge gefaßt werden müßten, wenn sich herausstellen sollte, daß das E r gebnis des Berufungsgerichts, nach dem die Beklagte nach § 839 BGB. in Verb, mit Art. 131 WeimVerf. haftet, nicht aufrechterhalten werden k ö n n t e . Wie sich das verhält, m u ß also zunächst g e p r ü f t werden.

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Vorauszuschicken ist dem noch, daß das angefochtene Urteil im Rahmen seiner Erörterungen über die Klagcgrundlage der unerlaubten Handlung auch untersucht hat, ob die Haftung der Beklagten aus $ 831 BGB. herzuleiten ist. Es verneint das mit der Begründung, daß zwar die Voraussetzungen des Satzes 1 dieser Bestimmung, nämlich die Bestellung eines anderen (des K.) zu einer Verrichtung und der Zusammenhang zwischen ihrer Ausführung und der widerrechtlichen Schadenszufügung, gegeben seien, daß hingegen die Beklagte den ihr in Abs. 1 Satz 2 der Bestimmung nachgelassenen Entlastungsbeweis der Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt bei der Auswahl und Leitung des K. und bei der Ueberwachung des Gerätes (des Kraftwagens) geführt habe. Dabei hat das Berufungsgericht aber übersehen oder jedenfalls nidit ausgesprochen, daß, sofern infolge der öffentlich-rechtlichen Betätigung eines Beamten die Haftung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft aus Amtspflichtverletzung Platz greift, also die Voraussetzungen des Art. 131 WeimVerf. erfüllt sind, daneben für die Anwendung der allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts, auch des § 831 BGB., kein Raum ist, da diese durch die Regelungen des Art. 131 WeimVerf., des Reichshaftungsgesetzes vom 22. Mai 1910 und der einschlägigen Landesgesetze ausgeschlossen werden. Der Tatbestand des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB. unterscheidet sich von den allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen dadurch, daß er die Verletzung einer Amtspflicht voraussetzt, die dem , 3 c a m t e n " dem Verletzten gegenüber oblag. Fiel dieses eine Amtspflicht verletzende Verhalten des Beamten in den Umfang ihm übertragener Ausübung öffentlicher Gewalt, so haftet nach Art 131 WeimVerf. an seiner Stelle die öffentliche Körperschaft, der er angehört. Für die Entscheidung des gegenwärtigen Falles ist daher wesentlich, ob die Handlung, durch die der Kläger verletzt worden ist, nämlich die Führung des Kraftwagens durch K., dem Willen der Verwaltung der Beklagten entsprach und ob sie ferner dem Gebiete der Ausübung öffentlicher Gewalt angehörte. Jenes ist unstreitig. Gegen die an zweiter Stelle bezeichnete Annahme wehrt sich die Beklagte. Das Berufungsgericht geht für die Prüfung dieses Punktes davon aus, daß das Dienstgeschäft, wegen dessen K. und sein Begleiter unterwegs waren, nämlidi die Vornahme von Rundfunkentstörungen, in den Bereich hoheitlicher Verwaltung der Beklagten falle, hält das aber nicht für schlechthin entscheidend, sondern prüft weiter, ob die Rückfahrt des K. von dieser Verrichtung noch Bestandteil dieser staatshoheitlichen Betätigung war. Es führt dazu unter Hinweis auf ein Urteil des Senats (RGZ. Bd. 160 S. 193) aus: Zwar habe es dem K. und seinem Begleiter freigestanden, wie sie dahin kommen wollten, wo sie ihre Entstörungsarbeit vorzunehmen hatten. Sie hätten dazu den Dienstkraftwagen benutzen dürfen; ein Zwang dazu habe aber nicht bestanden. Bei der ZiviU. SAoMrtAt 11

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Rückfahrt sei dies jedoch anders gewesen. Denn für diese habe jedenfalls K. den Kraftwagen benutzen müssen, weil er ihn nicht habe zurücklassen dürfen. Es sei daher gerechtfertigt, die Rückfahrt von einem Dienstgeschäft im Kraftwagen als einen Bestandteil dieses einheitlichen Dienstgeschäfts anzusehen und, wenn das Dienstgesch'äft in Ausübung öffentlicher Gewalt vorgenommen worden sei, auch die Rückfahrt als Ausübung der öffentlichen Gewalt zu betrachten, zwar nicht für sich allein, aber als Bestandteil des Dienstgesdiäfts. Die Revision will es nicht als richtig anerkennen, daß der Führer eines Kraftfahrzeuges der Reichspost, der schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht, stets dann eine Amtspflicht gegenüber einem Dritten verletze, wenn die ihm gestellte Aufgabe, die den Anlaß zu der Fahrt gab, in den Bereich der hoheitlichen Betätigung der Deutschen Reichspost gehöre. Es sei daher abwegig, zwar nicht die Hinfahrt des K. als Ausübung öffentlicher Gewalt anzusehen, jedoch die Rückfahrt, und dies mit der Begründung, daß er auf dieser zu der Benutzung des Dienstkraftwagens, den er bei der Hinfahrt nicht notwendig zu benutzen brauchte, deshalb gezwungen gewesen sei, weil er ihn nidit unterwegs habe stehen lassen dürfen. Nadi einer natürlichen Auffassung des Geschehensverlaufs handele es sich gerade nidit um eine einheitliche Betätigung des K., sondern erstens um die Hin- und Rückfahrt zu dem Ort, an dem die Störung zu beseitigen war, und zweitens um die in Ausübung eines hoheitlichen Rechtes vorgenommene Dienstverriditung der Rundfunkentstörung. Warum dabei die Teilnahme des K. am allgemeinen Straßenverkehr mit einem Fahrzeuge der Deutschen Reichspost eine andere rechtliche Beurteilung erfahren sollte als die Fahrt irgendeines Privatmannes, dem im Straßenverkehr dieselben Rechte zuständen wie dem Fahrer der Deutschen Reichspost, sei nidit einzusehen. Diese Einwendungen sind nadi Lage der Sache nicht begründet. Wenn in einem Rechtsstreit geltend gemacht wird, daß ein bestimmtes Verhalten einer Person Ausübung öffentlicher Gewalt gewesen sei, und daraus die Haftung der öffentlichen Körperschaft, für welche die Person tätig geworden ist, auf Grund von Art. 131 WeimVerf. in Verb, mit § 839 BGB. hergeleitet wird, so sind bei der Prüfung zwei Fragen auseinanderzuhalten: die, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinne die Person tätig wurde, dem Gebiete der hoheitlidien Betätigung der Staatsgewalt angehört; im Falle der Bejahung ferner die, ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein solcher Zusammenhang besteht, daß die letztere ebenfalls noch als dem Bereiche der hoheitlichen Betätigung angehörend angesehen werden muß. Völlig unzweifelhaft ist die zuletzt genannte Voraussetzung dann gegeben, wenn die schädigende Handlung selbst die unmittelbare Verwirklichung des hoheitlidien Zieles erstrebte. Beispiele dafür sind die Verfügung, die der Grundbudiriditer auf einen Antrag auf Vornahme

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einer Eintragung im Grundbuch erläßt, taktische Bewegungen von Truppenteilen, aber auch Fahrten, die Angehörige kraftfahrender Truppenteile auf öffentlichen Verkehrswegen nach dienstlichem Befehl zum Zwecke der Uebung ausführen, schließlich die Fahrten, mit denen die Reichspost ihre hoheitlichen Aufgaben der Beförderung von Briefen und Paketen erfüllt ( R G Z . Bd. 158 S. 83, Bd. 164 S. 273). Aus der Mehrzahl dieser Beispiele ergibt sich zugleich ein weiteres: Es ist unmöglich, dem von der Revision in solchem Zusammenhange hervorgehobenen U m stände rechtliche Bedeutung beizumessen, daß die schädigende Handlung gerade eine Betätigung der Teilnahme am öffentlichen Verkehr war. Ueberhaupt mag allgemein darauf hingewiesen werden, daß in einer großen Zahl von Fällen zweifelloser Betätigung öffentlicher Gewalt das Aeußere des Vorganges selbst von Handlungen, wie sie auch im bürgerlichen Verkehr stattfinden, nicht zu unterscheiden ist. Ein Beispiel hierfür bildet der Gebrauch oder das (unvorsichtige) Umgehen mit Schußwaffen einerseits durdi Privatpersonen, etwa zu Jagdzwecken oder zur Selbstverteidigung, anderseits durch Soldaten oder Polizeibeamte im Dienste. Demgegenüber liegt es näher, die Abgrenzung der Betätigung öffentlicher Gewalt so vorzunehmen, daß nur die unmittelbar der Erfüllung des staatshoheitlichen Zweckes dienenden Handlungen in diesen Bereich fallen. Von soldier Betrachtungsweise hat sich der Senat indessen in ständiger Rechtsprechung aus guten Gründen ferngehalten. Sie würde dazu führen, Vorgänge, die nach gesundem Volksempfinden und zuma! nach der Auffassung der am öffentlidien Verkehr Beteiligten als einheitlich oder gleichartig angesehen werden, für die rechtliche Wertung auseinanderzureißen oder verschieden zu behandeln. Es geht beispielsweise nicht an, in der Kraftwagenfahrt eines Polizeibeamten, der einen schon fliehenden Missetäter mittels dieser Fahrt verfolgt, Betätigung der Staatshoheit zu sehen, solche hingegen zu verneinen, wenn die Fahrt dazu dient, den Beamten an einen Ort zu bringen, an dem er einen nicht auf der Fludit befindlichen Missetäter festzunehmen hat. Offensichtlich verlangen diejenigen rechtspolitischen Gesichtspunkte, die dazu geführt haben, die H a f t u n g der öffentlichen Körperschaften f ü r Fehlgriffe, die in Ausübung öffentlicher Gewalt begangen werden, aus der allgemeinen Ordnung des Rechts der unerlaubten Handlungen herauszuheben und einer Sonderregelung zu unterstellen, in diesen beiden Fällen, daß der Staat an Stelle des Polizeibeamten eintritt, wenn dieser auf der Fahrt einen Dritten widerrechtlich und schuldhaft verletzt hat. Die beiden Ziele des Gesetzgebers, dem einzelnen Volksgenossen gegenüber die volle, das heißt nicht nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechtsverkehrs beschränkte, Verantwortung für jeden zu übernehmen, der im Zuge der eigentlichen staatlichen Betätigung in dessen Rechtskreis widerrechtlich und schuldhaft eingreift, und ferner, den „Beamten" dem 17»

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unmittelbaren Angriff des Verletzten zu entheben, würden völlig unzureichend erfüllt werden, wenn die dadurch veranlaßte Sonderregelung auf diejenigen Einzelhandlungen von Beamten beschränkt würde, die nur unmittelbar die Verwirklichung eines staatshoheitlichen Zwecks zum Gegenstande haben. Der Sinn der Sonderregelung ist vielmehr ein anderer. Sie ist nicht auf die Eigenart der verletzenden Einzelhandlung abgestellt, sondern geht von der Maßgeblichkeit derjenigen staatlichen Wirksamkeit aus, die zum Unterschiede von solchen Betätigungen öffentlicher Körperschaften, die dem allgemeinen Rechts- und Wirtschaftsverkehr angehören, dem Staat als solchem eigentümlich ist. Sie verlangt demgemäß als Kennzeichen für die rechtliche Einordnung der einzelnen Handlung die Klarstellung, ob diese dem einen oder dem anderen dieser beiden großen Gebiete zuzurechnen ist. Dies wird noch durch folgende Erwägung verdeutlicht, die sich nur beispielsweise auf dem Ablauf des gegenwärtigen Falles aufbauen möge: Würde die unfallverursachende Kraftfahrt nicht von einem Angestellten, sondern von einem Beamten der Reichspost ausgeführt worden sein — eine Abweichung, die nach der allgemein angenommenen Auslegung des Art. 131 WeimVerf. f ü r die Anwendung dieser Bestimmung ohne Bedeutung ist —, so würde, da diese schädigende Handlung des Beamten jedenfalls nicht dem bürgerlichrechtlichen Betätigungskreise der Reidispost angehörte, sondern in ihr hoheitsrechtliches Aufgabengebiet fiele, nach der hier zurückgewiesenen engen Auffassung der Beamte zwar ebenfalls nach $ 839 BGB., die Reichspost dagegen überhaupt nicht haften, da die oben dargelegte Voraussetzung der Anwendung des § 831 BGB., die Bestellung des Verriditungsgehilfen in dem bürgerlichrechtlichen Geschäftskreise der Körperschaft, nicht zuträfe. Inmitten der beiden Gruppen vorkommen, die einerseits durch die Bestimmungen der §§ 89, 31 und $ 831 BGB. (Haftung für bürgerlichrechtliche Betätigung), anderseits durch Art. 131 WeimVerf. (Haftung für Ausübung offentlicher Gewalt) dargestellt werden, würde sidi also ein Bereich ergeben, innerhalb dessen die öffentlichrechtliche Körperschaft für die dienstliche Betätigung ihres Beamten überhaupt nicht haftete. Das würde offensichtlich mit der Absicht des Gesetzgebers unvereinbar sein. Dieser wollte dadurch, daß er den genannten Bestimmungen des bürgerlichen Rechts die Vorschriften über die Haftung der öffentlichrechtlichen Körperschaften für Handlungen hinzufügte, die in Ausübung öffentlicher Gewalt begangen werden, das Ziel verwirklichen, daß die öffentlichrechtlichen Körperschaften, wenn auch der Natur der Sache gemäß nach verschiedenen Grundsätzen, so doch für alle Handlungen einzutreten haben, die von ihren Beamten im Rahmen ihrer bestimmungsmäßigen Betätigung begangen werden ( R G Z . Bd. 158 S. 83 [95]). Insbesondere im gegenwärtigen Falle können somit daraus, daß die Beklagte sich gegen ihre Inanspruchnahme nach § 8 3 1 BGB. nicht wehren will, irgendwelche Schlüsse nicht gezogen werden. Maßgebend kann vielmehr nur sein, ob die schädigende Handlung

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in einer solchen Beziehung zu der unmittelbaren Verwirklichung des staatshoheitlichen Zieles steht, daß sie mit dieser als ein einheitlicher Lebensvorgang angesehen wird. Ob das zutrifft, kann nur auf Grund der Lage des einzelnen Falles entschieden werden. Wesentlich ist dabei, ob ein genügend enger äußerer und innerer Zusammenhang zwischen der schädigenden Handlung und der staatshoheitlichen Betätigung besteht. Der äußere Zusammenhang kann zumal gerade durch die besondere Gestaltung unterbrochen sein, welche die öffentliche Körperschaft dem betreffenden Gebiet ihrer Betätigung allgemein erkennbar gegeben hat. Das ist der Fall, wenn sich die Körperschaft, was ihr freisteht, obschon zum Zwecke der Erreichung öffentlichrechtlicher Ziele, mit einem bestimmten Geschäft oder einem abgegrenzten Geschäftskreis auf den Boden des bürgerlichen Geschäftsverkehrs begeben hat (Beispiele in RGZ. Bd. 155 S. 257 [273] und Bd. 162 S. 129 [162]; vgl. auch RGZ. Bd. 158 S. 83 [89]). Unter ähnlichen Gesichtspunkten ist es ferner begründet, wenn die Haftung der öffentlichrechtlichen Körperschaft für die Verkehrssicherheit in ihren Gebäuden vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung dem bürgerlichrechtlichen Verkehrskreise der Körperschaften zugerechnet worden ist. Die innere Beziehung fehlt, wenn die schädigende Handlung nur in einer äußeren, zeitlichen oder gelegenheitsmäßigen, Beziehung zu der Ausübung der staatshoheitlichen Handlung steht. Beispiele derartiger Gestaltungen bieten die Urteile des Senats, die RGZ. Bd. 156 S. 401 und Bd. 161 S. 145 mitgeteilt worden sind. Bei Fahrten, die auf öffentlichen Straßen zum Zwecke der Betätigung öffentlicher Gewalt von Beamten unternommen werden, ergeben für die hier zu treffende Unterscheidung offensichtlich die Begriffe der „Dienstreise" im Sinne der Vorschriften über die Erstattung von Aufwendungen der Beamten oder der Unfallfürsorgegesetzgebung nichts, da sie durch völlig andere rechtliche Zwecke bestimmt sind. Unabhängig davon sind für die hier zu erstrebende Klarstellung zunächst die Fälle auszuscheiden, in denen die öffentliche Körperschaft sich in keiner Weise darum kümmert, wie der Beamte an den Ort der Betätigung gelangt, ihm also überläßt, entweder eigene oder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. In diesen Fällen liegt der Beginn der dienstlichen Betätigung zeitlich erst nach dem Eintreffen an Ort und Stelle, so daß die Reise nodi dem bürgerlichen Lebenskreise des Beamten angehört. Demgegenüber mag es bei Dienstfahrten, die mit Fahrzeugen der öffentlichen Körperschaft unternommen werden, nach dem zuvor Gesagten nicht schlechterdings undenkbar sein, daß die öffentliche Körperschaft von den eigentlichen Betätigungen ihrer hoheitlichen Gewalt die dazu nötigen Beförderungsfahrten äußerlich erkennbar abtrennt und sie zu einem nach bürgerlichrechtlicher Art ausgestalteten Sonderunternehmen zusammenfaßt. Sofern aber keine solche eigenartige Gestaltung besteht, wird jedenfalls in aller Regel bei einer Kraftwagenfahrt, die ein Beamter

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in einem ihm von der öffentlichen Körperschaft zur Verfügung gestellt e n Wagen zum Zwecke hoheitlicher Betätigung u n t e r n i m m t , der erforderliche äußere u n d innere Zusammenhang mit dieser anzunehmen sein. N u r diese Auffassung wird der Bedeutung der immer mehr gesteigerten Ausstattung der öffentlichen Dienststellen m i t Kraftfahrzeugen geredit, deren Zweck kein anderer ist als die leichtere u n d bessere Erfüllung der staatshoheitlichen Aufgaben der Körperschaften. Der erkennende Senat hat demgemäß bereits in zahlreichen derartigen Fällen dienstliche Fahrten dem Kreis öffentlicher Gewaltausübung zugewiesen, hierzu mag auf die Entscheidungen R G Z . Bd. 125 S. 98, betreffend die Beförderung v o n Polizeimannschaften z u m Uebungsschießen, Bd. 155 S. 186, betreffend die Beförderung eines Polizeioffiziers zu einer dienstlichen Besprechung, Bd. 160 S. 193, betreffend die F a h r t eines Sturmbannarztes zu einem Krankenbesuch bei einem verletzten SA-Mann, Bd. 161 S. 145, betreffend die Beförderung eines Wehrmachtoffiziers v o m u n d zum Dienste, Bd. 162 S. 308, betreffend Soldaten, die mit einem P f e r d e f u h r w e r k Stroh abholten, u n d das Urteil III 13/40 vom 6. September 1940 (DR. Ausg. A 1940 S. 2254 N r . 26 u n d SeuffArch. Bd. 94 N r . 71), betreffend die Beförderung eines Wehrmachtbeamten zwecks V o r n a h m e von Maßn a h m e n f ü r die Versorgung der T r u p p e , verwiesen werden. D a f ü r , die in diesen Entscheidungen entwickelten Grundsätze nicht auf die Fahrten der Reichspost zu übertragen, fehlt jeder innere G r u n d . Mit Recht hat hiernach das angefochtene Urteil angenommen, daß die K r a f t w a g e n f a h r t des K., durch die der Kläger verletzt wurde, Ausü b u n g öffentlicher Gewalt der Beklagten war. Das Berufungsgericht geht dabei davon aus, daß zuvörderst der Zweck, dem die Fahrt diente, die R u n d f u n k e n t s t ö r u n g , zum Bereiche der hoheitlichen Aufgaben der Reichspost gehört. Das t r i f f t zu, denn die Arbeit, die auszuführen war, diente unmittelbar der Verwirklichung des Rechts des Reiches, F u n k anlagen zu betreiben; dies Recht ist als Ausfluß der Reichshoheit in § 1 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen in der Fassung v o m 14. Januar 1928 (RGBl. I S. 8) näher bestimmt u n d wird (neben dem Reichswehrminister, jetzt Reichskriegsminister) durch den Reichspostminister ausgeübt. Die Revision erhebt in dieser Hinsicht auch keine Einwendung. Mit jenem Zweck aber stand die K r a f t w a g e n f a h r t in so engem Zusammenhange, daß sie nach der dargelegten Auffassung des Lebens als Bestandteil der staatshoheitlichen Betätigung anzusehen ist. D e n n die Fahrt w u r d e nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in einem Kraftwagen ausgef ü h r t , der den Angestellten v o n der Beklagten gerade zur Ermöglichung der A u s f ü h r u n g der Diensthandlungen zur V e r f ü g u n g gestellt w o r d e n war; K., der ihn f ü h r t e , erfüllte damit einen ihm zu eben dem staatshoheitlichen Zwecke gegebenen dienstlichen A u f t r a g . Ohne wesentliche Bedeutung ist dabei, daß nach der A n n a h m e des Berufungsgerichts eine N ö t i g u n g f ü r die Beamten, sich des Kraftwagens zu bedienen, u m an den O r t ihrer Tätigkeit zu gelangen, nicht bestand, daß ihnen vielmehr v o n

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der Dienstbehörde freigestellt war, ob sie dazu den Kraftwagen benutzen oder sich anderer Beförderungsmittel bedienen wollten. Durch eine derartige Regelung, die sicherlich in einer sehr großen Zahl ähnlicher Fälle besteht, wird der Zusammenhang zwischen der Kraftwagenfahrt und dem Dienstgeschäft im eigentlichen Sinne nicht derartig gelockert, daß jene diesem gegenüber in dem hier erörterten Sinn als selbständiger Vorgang anzusehen wäre, der einer gesonderten rechtlichen Behandlung unterliegen könnte. Das Ergebnis, zu dem das Berufungsgericht insoweit gelangt ist, wird also durch diese Erwägungen gerechtfertigt, ohne daß noch hätte untersucht zu werden brauchen, ob nicht, was jedenfalls im Bereiche des Denkbaren liegt, schon auf der Fahrt selbst Handlungen vorzunehmen waren, die unmittelbar der Ausübung des gedachten Rechts des Reiches dienten. Ferner kann hier unerörtert bleiben, ob wirklich, wie die Revision meint, das angefochtene Urteil dahin zu verstehen ist, daß nur die Rückfahrt Bestandteil der hoheitlichen Betätigung gewesen sei, und auch diese nur aus dem Grunde, weil K. den Dienstkraftwagen an dem Ziele der Fahrt nicht habe stehen lassen dürfen, nachdem er ihn zuvor dorthin gebracht hatte, eine Ansicht, die freilich nicht gebilligt werden könnte, weil allerdings die bloße Eigenschaft eines Fahrzeuges als eines Dienstwagens dessen Ortsveränderung noch nicht zu einer staatshoheitlichen Betätigung macht. Durch die Ausübung der hoheitlichen Befugnisse wurde K. im Bereiche dieser Betätigung „Beamter" im Sinne des Art. 131 WeimVerf., mag er auch im Innenverhältnis zu der Beklagten nur auf Grund bürgerlichrechtlichen Dienstvertrages angestellt gewesen sein. Das entspricht der schon erwähnten allgemein anerkannten Auslegung dieser Bestimmung. Audi im übrigen hat das Berufungsgericht das Vorliegen ihrer Merkmale festgestellt. War die Kraftwagenfahrt Teil der staatshoheitlichen Betätigung, so bestand für K. auch aus diesem Grunde jedem Verkehrsteilnehmer gegenüber die Pflicht, sich so zu verhalten, daß dieser nicht zu Schaden kam. Diese Pflicht hat K. nach der Würdigung, die das Berufungsgericht den Hergängen hat zuteil werden lassen, verletzt und dadurch den Schaden verursacht. Die Revision begehrt insoweit lediglich die rechtliche Nachprüfung der Annahme eines Verschuldens des K. (Es wird dargelegt, daß die ein solches bejahenden, ein Verschulden des Klägers verneinenden Ausführungen des Berufungsgerichts rechtsirrtumsfrei sind. Dann wird fortgefahren:) Nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. kann aber der Beamte, dem, wie hier dem K., lediglich Fahrlässigkeit zur Last fällt, nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Hierzu stellt das Berufungsgericht fest, daß ein Anspruch des Klägers auf ganzen oder teilweisen Ausgleich der Unfallfolgen gegen die Evangelische Kirche in Württemberg nicht bestehe. Der Unfall sei zwar ein „Dienstunfall" im Sinne des Deutschen Beamtengesetzes. Aber dies Gesetz finde, jedenfalls soweit es die Folgen von

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Dienstunfällen regele, auf Geistlidie keine Anwendung. Es ermächtige nur (in § 174 Satz 2) die öffentlichrechtlichen Religionsgesellschaften, dem Deutschen Beamtengesetz entsprechende Vorschriften zu erlassen. Das habe aber die Evangelische Kirche in Württemberg nicht getan. Diese Ausführungen sind, soweit sie die Tragweite der Bestimmungen des Deutschen Beamtengesetzes darlegen, zutreffend. Soweit sie sich dagegen auf den Rechtszustand innerhalb der Evangelischen Kirche in Württemberg beziehen, betreffen sie Normen, deren Geltungsbereich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinausgeht; auf ihre Verletzung kann die Revision nach § 549 ZPO. nicht gestützt werden. Die Beklagte macht aber geltend, im Lande Württemberg bestehe eine rechtliche Verpflichtung des Staates zur Fürsorge für Geistliche, die durch Dienstunfall geschädigt worden seien; sie beruft sich auf die Verordnung des Kultusministeriums vom 4. Oktober 1933. Der Kläger erklärt dazu, daß das Ministerium diese Verordnung nicht mehr als verbindlich anerkenne und daß er auf Grund ihrer keine Leistungen erhalte. Da die Bestimmungen der Verordnung und die in ihnen für anwendbar erklärten Vorschriften des Württembergisdien Gesetzes, betreffend die Unfallfürsorge für Beamte, vom 23. Dezember 1902 (RegBl. S. 589) — Art. 1 bis 9 und Art. 17 Abs. 1 und 2 — nur Ruhegeld, Ersatz der Kosten von Heilverfahren und Hinterbliebenenfürsorge (die im vorliegenden Rechtsstreit keine Rolle spielt) vorsehen, da der Kläger ferner ein Ruhegeld erhalten hat, das den Betrag von 66 ! /s v. H. des Diensteinkommens, weldies das Unfallfürsorgegesetz für den Fall der Dienstunfähigkeit als Ruhegeld vorsieht, überstieg, so kommen von vornherein Ansprüche nach den gedachten Bestimmungen gegen das Land Württemberg nur in Betradit, soweit es sich um die Ansätze für die Heilung einschließlich derjenigen der beiden Badekuren handelt. Nur mit diesen hat sich daher das Berufungsgericht unter dem Gesiditspunkte des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. befaßt. Es stellt als Inhalt der landesrechtlichen Vorschriften fest, daß nadi § 3 Abs. 1 der Verordnung auch der Anspruch auf Ersatz der Kosten des Heilverfahrens nur für die nach dem Ausscheiden des Geistlichen aus dem Dienst erwachsenen Heilkosten bestehe. Nach dieser für das Revisionsgericht bindenden Auslegung kann also der Einwand anderweitiger Ersatzmöglichkeit nur betreffen: 1. von den Posten, aus denen der Zahlungsanspruch errechnet worden ist, die Ansätze für die beiden Badekuren, 2. von den Posten, mit denen etwa noch die nur allgemein festgestellte Verpfliditung zum Ersatz allen weiteren Schadens ausgefüllt werden wird, diejenigen, die Heilverfahren betreffen. Das angefochtene Urteil erörtert auf diesem Boden die Angabe des Klägers, daß die Geistlichen, jedenfalls nach dem vom Kultministerium eingenommenen Standpunkt, aus der Verordnung vom 4. Oktober 1933 kein Recht herleiten könnten. Es kommt zu dem Ergebnis, daß es „mindenstens sehr zweifelhaft sei, ob der Kläger für die nach seinem Aus-

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scheiden aus dem Dienst entstandenen und nodi entstehenden Kurkosten vom Staat, jetzt dem Lande Württemberg Ersatz verlangen könne". Daraus folgert es, daß auch für die hier in Rede stehenden Sdiadensteile die Anspruchsvoraussetzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. als erfüllt angesehen werden müsse. Das Reichsgericht habe ausgesprochen — das Urteil verweist dafür auf die RGZ. Bd. 154 S. 291 und RGZ. Bd. 158 S. 277 veröffentlichten Entscheidungen —, daß der Beschädigte nidit auf einen weitläufigen und im Ergebnis unsicheren Weg verwiesen werden dürfe und daß die in § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. vorgeschriebene Inanspruchnahme einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB. zu vergleichen sei. Von diesem Gesichtspunkt aus könne vom Kläger billigerweise nicht verlangt werden, die Meinungsverschiedenheit zwischen dem Württembergischen Kultministerium und dem Württembergischen Evangelisdien Oberkirchenrat über die Fortgeltung der Verordnung vom 4. Oktober 1933, die richtigerwcise im Verwaltungsweg auszutragen wäre, auf seine Kosten im ordentlichen Rechtswege zum Austrag zu bringen, da das Ergebnis und vielleicht auch die Durchführung einer gerichtlichen Entscheidung sehr zweifelhaft sei, überdies aber die Zulässigkeit des Rechtswegs für Ansprüche des Geschädigten aus der Verordnung vom 4. Oktober 1933 keineswegs sicher sei. Diese Ausführungen, um deren Nachprüfung die Revision ebenfalls bittet, ergeben die Erfüllung der Anspruchvoraussetzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. nicht. Die angeführten höchstrichterlichen Entscheidungen betrafen völlig anders geartete Sachverhalte. Die Schwierigkeiten, welche die Beurteilung des Bestehens der Ansprüche gegen das Land Württemberg bietet, liegen allein auf dem Gebiete der Auslegung von gesetzlichen Vorschriften. Sie können aus diesem Grund keine Hindernisse bilden, deren Ueberwindung dem Kläger nicht zuzumuten wäre. Das Berufungsgericht hatte also zu untersuchen, ob dem Kläger nach dem insoweit anzuwendenden Landesrecht ein gerichtlich verfolgbarer Anspruch gegen das Land Württemberg auf die in Rede stehenden Beträge zustand. Darüber mußte der Zusammenhang der in Betracht kommenden Vorschriften eine eindeutige Entscheidung liefern. Fiel sie bejahend aus, so war damit klargestellt, daß Weiterungen in der Durchsetzung des Anspruchs, deren Inkaufnahme dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, nicht zu besorgen waren. Demnach müßte das angefochtene Urteil in diesen Teilen aufgehoben und die Sache insoweit an das Berufungsgericht zur abschließenden Beurteilung des von der Beklagten behaupteten Rechts des Klägers gegen das Land Württemberg zurückverwiesen werden, wenn diese Anspruchsteile nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkte des Schadensersatzes aus § 7 KFG. begründet wären . . . (Es wird ausgeführt, daß das der Fall ist.)

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R G Z . 168, 361 f 1. Haftet das Unternehmen „Reichsautobahnen" oder die Deutsche Reichsbahn für den Ersatz des Schadens, den ein dem Unternehmen „Reichsautobahnen" zur Dienstleistung zugeteilter Beamter, Angestellter oder Arbeiter der Deutschen Reichsbahn in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt einem Dritten schuldhaft zufügt? 2. Werden die Unternehmerarbeiter an der Reichsautobahn in Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 131 WeimVerf. betreut? BGB. § 839. WeimVerf. Art. 131. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Bayreuth.

Urt. v. 4. Februar 1942. II. Oberlandesgeridit Bamberg.

Aus den G r ü n d e n : Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (u. a. R G Z . Bd. 125 S. 11, Bd. 126 S. 81/83, Bd. 137 S. 38, Bd. 140 S. 126, Bd. 152 S. 385 [388/389]) haftet für Amtspflichtverletzungen eines Beamten diejenige öffentlichrechtliche Körperschaft, in deren Dienst der Beamte steht, regelmäßig also diejenige, von der er angestellt worden ist, während es nicht darauf ankommt, von wem sich die von ihm ausgeübte öffentliche Gewalt herleitet. Wenn auch die den Reichsautobahncn für bestimmte Geschäfte besonders zugeteilten Reidisbahnbeamten im Dienstverhältnis zur Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft verblieben, so erscheint es doch gerechtfertigt, sie mit den Vorinstanzen im Sinne des Art. 131 WeimVerf. als „ i m Dienste" des Unternehmens „Reichsautobahnen" stehend anzusehen. Dieses besaß eine eigene Rechtspersönlichkeit mit entsprechenden Organen (Verwaltungsrat und Vorstand) und eigener gesetzlicher Vertretung durch den Vorstand (§ 3 der Ersten DurchfVO. vom 7. August 1933 und N r . 3 flg., 10 der Satzung) und hatte eigenes Vermögen und eine selbständige Finanzgebarung (§§ 6 und 7 der genannten Verordnung, Nr. 11 und 12 der Satzung). Die dem Unternehmen zugeteilten Reidisbahnbeamten waren für dieses allein tätig, und die mit ihren Stellungen verbundenen Unkosten (Gehälter und Löhne) trug im Endergebnis, durch Rüdevergütung an die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, das Unternehmen. Es entspricht dem Grundgedanken des Art. 131 Weim.Verf., diejenige öffentlidireditliche Körperschaft, die in solcher Weise uneingeschränkt über die Dienste eines, wenn auch von einer anderen Körperschaft angestellten Beamten verfügt und der die Ergebnisse seiner Tätigkeit zugute kommen, auch f ü r die in Ausübung seines Dienstes hoheitlicher Art Dritten schuldhafterweise zugefügten Schäden eintreten zu lassen.

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. . . Bei einer in einem bürgerlichen Dienstverhältnis tätigen Person k o m m t es nach feststehender Rechtsprechung nur darauf an, von welcher Seite sie mit der Ausübung der öffentlichen Gewalt betraut worden ist ( R G Z . Bd. 142 S. 190 [196/197], Bd. 158 S. 95 [98/99]). Das ist hier der Zweitbeklagte. Danach ist der Zweitbeklagte für den Anspruch des Klägers aus Art. 131 WeimVerf. in Verbindung mit § 839 B G B . der richtige Beklagte. Mit Recht hat das Berufungsgericht in Uebereinstimmung mit dem Landgericht angenommen, daß die dem Reichbahnoberinspektor G. obliegende Aufgabe, die soziale Betreuung der bei dem Bau der Reichsautobahn beschäftigten Unternehmerarbeiter, eine hoheitliche ist. Das Unternehmen „Reichsautobahnen" erhielt auf Grund des Gesetzes vom 27. Juni 1933 mit dem Bau und dem Betriebe der Kraftfahrbahnen, wie schon in dem Urteil R G Z . Bd. 159 S. 129 [131] dargelegt ist, Aufgaben staatshoheitlicher Natur übertragen. Das besagt freilich nicht, daß die gesamte Betätigung des Unternehmens in Erfüllung dieser Aufgaben ohne weiteres als Ausübung öffentlicher Gewalt erscheinen müßte. Das Reichsgericht hat wiederholt ausgesprochen (u. a. R G Z . Bd. 158 S. 83 [89], Bd. 161 S. 341 [345], Bd. 166 S. 1 [8 mit Nachweisungen]), daß das öffentliche Gemeinwesen und die öffentlichrechtliche Körperschaft sich zur Erreichung eines hoheitlichen Zweckes auf das Gebiet des bürgerlichen Rechts begeben und der sich dort darbietenden Rechtsmöglichkeiten bedienen kann. Ob und inwieweit das auch für das Unternehmen „Reichsautobahnen" in Frage kommt, kann dahinstehen. Die soziale Betreuung der an den Reichsautobahnen beschäftigten Unternehmerarbeiter, die als Ausfluß staatlicher Fürsorge erscheint, liegt jedenfalls auf staatshoheitlichem Gebiete. Welche Bedeutung die Reichsregierung gerade solcher Fürsorge allgemein beimißt, zeigt schon der Umstand, daß sie die dabei zu beachtenden Grundsätze in einem besonderen Gesetze, dem Gesetz über die Unterkunft bei Bauten vom 13. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1234), festgelegt und in der Ausführungsverordnung zu diesem Gesetze vom 10. Januar 1935 (RGBl. I S . 10) näher ausgestaltet hat. Die Oberste Bauleitung der Reichsautobahnen in N . hat denn auch in Erfüllung dieser Fürsorgepflicht für die Unternehmerarbeiter ein besonderes „soziales Büro für Unterkunft" eingerichtet, dessen Aufgabe nadi der Erklärung dieser Dienststelle zunächst die Ueberwachung der Unterkunftslager und die Bearbeitung der damit zusammenhängenden Fragen war, und dann in einer besonderen Geschäftsanweisung vom 28. Februar 1936 in Abteilung B II die Aufgaben des „Beauftragten für die soziale Betreuung der Unternehmerarbeiter bei der Obersten Bauleitung" bestimmt. Danach gehörten im besonderen zu dem Aufgabenkreise des Beauftragten: die Beteiligung bei der Auswahl des Platzes für die Errichtung von Wohnlagern, die Feststellung der Eignung von Wohnlagern der Unternehmer und von Einzelquartieren für die Unterbringung von Unternehmerarbeitern, die laufende Prüfung der Wohn-

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lager und Einzelquartiere für diese sowie der Nebeneinrichtungen und des Betriebes der Wohnlager, die Anforderung der den Unternehmerfirmen vorzuschlagenden Lagerführer und Unterführer und deren Ausbildung sowie die Ueberwachung des Lagerpersonals nach näherer Weisung des Beauftragten der Direktion, die Ueberwachung des Verpflegungs- und Kantinenwesens, die Freizeitgestaltung und sonstige soziale Betreuung der Unternehmerarbeiter außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit, endlich die laufende Unterrichtung der Obersten Bauleitung und Berichte über alle wichtigeren Vorfälle innerhalb seines Aufgabengebiets. In Erfüllung dieser ihm übertragenen öffentlichen, aus der Staatsgewalt fließenden fürsorgerischen und hoheitlichen Aufgaben war G. als Beauftragter für die soziale Betreuung der Unternehmerarbeiter tätig und hat er im besonderen auch die auf Grund des Auftrages seiner Dienststelle vom 6. Juni 1936 in der Zeit vom 8. bis 11. Juni 1936 durchzuführende Fahrt zum Zwecke der Kantinenrevision, Lagerprüfung und Bestimmung der Aufstellplätze für Lager unternommen. Abzulehnen ist die Meinung der Revision, diese Ueberwadiungs- und Prüfungstätigkeit des Beauftragten für die soziale Betreuung habe im bürgerlichrechtlichen Rahmen gelegen; sie habe nur den Zweck gehabt, zu prüfen, ob die Unternehmer bei der Durchführung ihrer Arbeiten an der Reichsautobahn auch die vertraglichen Verpflichtungen für Fürsorge für die Arbeiter einhielten, die ihnen gemäß den von der Obersten Bauleitung in N. herausgegebenen „Besonderen Vertragsbedingungen" (vgl. Nr. 20 derselben) nebst „Sozialpolitischen Zusatzbedingungen" zu ihnen und den „Richtlinien für die Verpflegung in den Wohnlagern an den Reichsautobahnen" besonders auferlegt waren. Nicht in Wahrnehmung dem Unternehmen zustehender bürgerlichrechtlicher Belange geschah jene Ueberprüfung, sondern in Ausübung des staatlichen, dem Unternehmen übertragenen Aufsichtsrechts (§ 4 des Gesetzes vom 27. Juni 1933, § 15 Abs. 2 der Ersten DurchfVO. vom 7. August 1933, Erlaß über die Uebertragung von Aufsichtsrechten über das Unternehmen „Reichsautobahnen" vom 23. J a nuar 1935 [RGBl. II S. 37] sowie besonders § 3 Abs. 2 des vorbezeichneten Gesetzes über die Unterkunft bei Bauten und § 1 der AusfVO. hierzu) und der öffentlichen, sozialpolitischen Fürsorgepflicht, die in den Verträgen nur einen entsprechenden Niederschlag gefunden hatten. (Es folgen Ausführungen darüber, ob die Fahrt mit dem Kraftwagen, die zu dem Unfall führte, noch im Rahmen des dienstlichen Auftrags des G. lag und das Wesen der Ausübung öffentlicher Gewalt hatte, sowie zu den Fragen des Verschuldens des G. und des Kraftfahrers R . und zur Höhe des Schadens.) RGZ. 169, 3 1 2 1 Besteht, wenn das kolonnenweise Absuchen der Kartoffelfelder nach dem Kartoffelkäfer für die Nutzungsberechtigten einer Gemeinde bc-

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hördlich angeordnet worden ist, eine Amtspflicht zum gewissenhaften Absudien aller Felder gegenüber den Nutzungsberechtigten als «Dritten" im Sinne der Amtshaftungsvorscbriften? Gesetz zum Schutze der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen vom 5. März 1937 (RGBl. I S. 271) §§ 2, 16*). Siebente Verordnung zur Abwehr des Kartoffelkäfers vom 4. Mai 1939 (RGBl. I S. 882) § 2 Abs. 2**). BGB. § 839. WeimVerf. Art. 131»**). III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 4. August 1942. I. Landgericht Koblenz. II. Oberlandesgeridit Köln.

Aus den

Gründen:

Was die Frage der Amtshaftung betrifft, so kann es keinem Zweifel unterliegen und wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen, daß das kolonnenweise Absuchen der Grundstücke, das zur Abwehr des Kartoffelkäfers auf Grund des $ 2 Abs. 2 Satz 2 der genannten Verordnung vom 4. Mai 1939 f ü r die Gemeinden des Regierungsbezirks K. angeordnet worden war, auf dem Gebiet öffentlicher Gewalt liegt. Audi die Bildung der Suchkolonnen durch die Gemeinden und ihr Einsatz war Ausübung hoheitlicher Gewalt. Unbedenklich ist hiernach auch die Annahme, daß die Führer der Suchkolonnen und der ihren Einsatz leitende Feldhüter der Beklagten bei den Schutzmaßnahmen als „Beamte" im Sinne der Amtshaftungsvorschriften tätig wurden, da sie eben mit hoheitlichen Aufgaben betraut waren (RGZ. Bd. 142 S. 190, Bd. 151 S. 385 [387] und öfter). O b das auch, was die Revision bestreitet, bei den Personen zutrifft, die den Suchkolonnen nur als Sucher zugeteilt waren, braucht hier nicht untersucht zu werden, da die Voraussetzungen der Amtshaftung auch dann nicht gegeben sind, wenn die Frage zu bejahen wäre. Denn die Klage muß schon daran scheitern, daß hier keine Amtspflicht verletzt worden ist, die dem Kläger gegenüber bestände. Der gegenteiligen Annahme der Vordergerichte kann nicht gefolgt werden. Es handelt sidi hierbei um die Frage, ob die angeblich schuldhaft verletzte Amtspflicht zum ordnungsmäßigen Absuchen des in Betracht kommenden Kartoffelackers gegenüber dem Kläger als einem „Dritten" im Sinne der Amtshaftungsvorschriften bestand. Die Frage ist nach dem *) Jetzt Art. II des Ges. zur Aenderung des Ges. zum Schutze der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen vom 18. August 1949 (WiGBl. S. 257; neue Fassung vom 27. August 1949 (WiGBI. S. 308). »») Vgl. jetzt 9. VO. zur Abwehr des Kartoffelkäfers vom 22. Juni 1941 (RGBl. I S. 227) § 2 Abs. 2, § 11***) Vgl. jetzt Art. 34 Bonner Grundges.

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Zwecke der in Rede stehenden Amtspflicht zu entscheiden. Das hier angeordnete kolonnenweise Absuchen der Kartoffel- und Tomatenfelder war eine Maßnahme, die auf Grund der Siebenten Verordnung zur Abwehr des Kartoffelkäfers angeordnet war, die sich ihrerseits auf das Gesetz zum Schutze der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen vom 5. März 1937 gründete. Dieses Gesetz hatte den Zweck, die deutsche Landwirtschaft und damit das deutsche Volk in seiner Gesamtheit vor Schäden zu bewahren, die seinen Kulturpflanzen durch das Umsichgreifen von Krankheiten und Schädlingen drohen. Zur Erreidiung dieses Zweckes und zur Durchführung eines wirksamen Pflanzenschutzes gibt das Gesetz dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft ein weitgehendes Recht zum Erlaß der nötigen Vorschriften und Anordnungen (§§ 2 flg.) und schreibt dann in § 7 Abs. 1 vor, daß Eigentümer und Nutzungsberechtigte verpflichtet sind, die auf Grund des Gesetzes getroffenen Maßnahmen durchzuführen und die Ueberwachung der Durchführung der Bekämpfung, soweit diese ihnen selbst obliegt, sowie die Durchführung der Bekämpfungsmaßnahmen durch den Pflanzenschutzdienst oder andere damit beauftragte Stellen zu dulden. Kommen die Eigentümer und Nutzungsberechtigten den ihnen obliegenden Verpflichtungen trotz besonderer Aufforderung durch den Pflanzenschutzdienst oder andere mit der Durchführung von Bekämpfungsmaßnahmen beautragte Stellen nicht nach, so können diese die Bekämpfungsmaßnahmen auf Kosten der Verpflichteten selbst vornehmen oder vornehmen lassen (§ 7 Abs. 2). Diese Vorschriften lassen erkennen, daß die Bekämpfungsmaßnahmen grundsätzlich der Allgemeinheit dienen sollen. Zum Schutze der Volksgesamtheit, um die ihr notwendigen Erzeugnisse des deutschen Bodens vor Schädigung durch das Auftreten von Krankheiten und Schädlingen zu bewahren, sind die Eigentümer und Nutzungsberechtigten durch das Gesetz verpflichtet worden, entweder sich selbst an der Schädlingsbekämpfung zu beteiligen oder die von zuständiger Stelle angeordneten Maßnahmen zu dulden. Zuwiderhandlungen sind in § 13 des Gesetzes unter Strafe gestellt. Auf Grund der §§ 2 und 16 des Gesetzes, also aus demselben Gesichtspunkte der Bewahrung der Volksgemeinschaft vor Schaden, sind dann die verschiedenen Verordnungen zur Abwehr des Kartoffelkäfers ergangen, deren erste vom 15. April 1937 (RGBl. I S. 530) in ihrem § 2 innerhalb des gesamten Reichsgebietes für die Nutzungsberechtigten der f ü r das Auftreten des Schädlings in Betracht kommenden Grundstücke die Verpflichtung aufstellte, auf das Auftreten des Kartoffelkäfers zu achten und gegebenenfalls unverzüglich Anzeige an die Ortspolizeibehörde zu erstatten. Die gleiche Anzeigepflidit ist auch jedem anderen auferlegt, der den Schädling irgendwo findet oder Beobachtungen über ihn macht. Die späteren Abwehrverordnungen haben dann, weil die

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bisherigen Maßnahmen nicht genügten und der Kartoffelkäfer weitere Gebiete des deutschen Bodens zu befallen drohte, die Pflichten der Nutzungsberechtigten innerhalb eines bestimmt bezeichneten, besonders gefährdeten sogenannten Ueberwachungsgebietes noch erweitert. Die hier maßgebende Siebente Verordnung wiederholt in § 1 zunächst die Vorerwähnte allgemeine Beobaditungs- und Anzeigepflicht und legt in ihrem § 2 Abs. 2 f ü r das Ueberwachungsgebiet den Nutzungsberechtigten ferner die Verpflichtung auf, die in Betracht kommenden Grundstücke an den behördlich festgesetzten und ortsüblich bekanntgegebenen Suchtagen entsprechend den Weisungen des vom Reichsnährstand eingerichteten Kartoffelkäferabwehrdienstes auf den Befall mit Kartoffelkäfern sorgfältig und nötigenfalls unter Zuziehung von Hilfskräften aus ihrem Betrieb auf eigene Kosten abzusuchen. Dann heißt es dort (Abs. 2 Satz 2) weiter: Im Bedarfsfalle kann das kolonnenweise Absuchen für die Nutzungsberechtigten einer Gemeinde angeordnet werden. Aus keiner der erwähnten Vorschriften, insbesondere nicht der letztangeführten, läßt sich entnehmen, daß die Bekämpfungsmaßnahmen auch dazu dienen sollten, die Belange der einzelnen Nutzungsberechtigten wahrzunehmen. Wenn es in dieser Vorschrift heißt, das kolonnenweise Absuchen könne „ f ü r " die Nutzungsberechtigten angeordnet werden, so sagt das lediglich, im Bedarfsfalle könne angeordnet werden, daß an Stelle des f ü r seine Felder Suchpflichtigen einzelnen Nutzungsberechtigten die mehr Erfolg im Suchen versprechende Kolonne tätig werden solle. Damit wurde an der grundsätzlichen Verpflichtung des Nutzungsberechtigten, zum Nutzen der Allgemeinheit auf seine Felder zu achten und etwaige Befallserscheinungen unverzüglich anzuzeigen, nichts geändert. Nicht darum, wie der einzelne, sondern nur darum, wie die Allgemeinheit, das Volksganze, vor den Sdiädlingsgefahren am besten geschützt werde, ging es bei der Regelung der Schädlingsabwehr. Sie bedeutet f ü r den einzelnen Nutzungsberechtigten keine Entlastung in der Erfüllung der Aufgabe, sein Land zu bewirtschaften und in gesundem Zustande zu erhalten, legt vielmehr der Gesamtheit der Nutzungsberechtigten die dem Gemeinschaftsgedanken entspringende zusätzliche Verpflichtung auf, gemeinsam für die Sicherung der Ernährung des deutschen Volkes tätig zu werden. Hiernach kann aber eine den einzelnen Nutzungsberechtigten als „Dritten" gegenüber bestehende Amtspflicht der Suchkolonnenmitglieder, der Kolonnenführer oder des mit dem Einsätze der Kolonnen beauftragten Feldhüters zu einer restlosen Absuche aller Felder nicht angenommen werden; die Tatsache, daß eine ordnungsmäßige Durchführung der Suchmaßnahmen letzten Endes auch dem einzelnen Nutzungsberechtigten zugute gekommen wäre, vermag daran nichts zu ändern (RGZ. Bd. 135 S. 110 [113], Bd. 139 S. 149 [153], Bd. 140 S. 424 [427]).

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Bestand somit gegenüber dem Kläger die angeblich schuldhaft verletzte Amtspflicht nidit, so fehlt damit eine notwendige Voraussetzung der Amtshaftung. RGZ. 170, 37 Bietet gegenüber dem Anspruch auf Schmerzensgeld die Forderung aus einem Versicherungsvertrag auf Entschädigung für die Vermögenseinbuße aus einem Unfall eine anderweitige Ersatzmöglidikeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB.? BGB. § 839 Abs. 1 Satz 2, § 847. WeimVerf. Art. 131. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 24. September 1942.

I. Landgericht Oldenburg.

II. Oberlandesgeridit daselbst.

Wegen eines Unfalls beim Schulbesuch im Jahre 1939 verlangt die Klägerin ein Schmerzensgeld sowie die Feststellung, daß das verklagte Land verpflichtet sei, ihr allen entstandenen und noch entstehenden Schaden aus dem Unfall zu ersetzen. Das Landgericht hat wegen des Schmerzensgeldes zum überwiegenden Teile, wegen des Feststellungsbegehrens ohne Einschränkung dem Klageantrag entsprochen. Das Oberlandesgericht hat die Klage im vollen Umfang abgewiesen. Diese Entscheidung ist durch Urteil des Senats III 46/41 vom 26. September 1941 (DR. 1941 S. 2561 Nr. 1) aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden. Durch das nunmehr angefochtene Urteil hat das Berufungsgericht unter Absetzung der von der Oeffentlidien Lebensversicherungsanstalt in O. an die Klägerin gezahlten Unfallentschädigung von 5000 RM. von dem Schmerzensgeldanspruch, den es an sich in Höhe von 8000 RM. für gerechtfertigt hält, das verklagte Land zur Zahlung von 3000 RM. nebst Zinsen verurteilt und dem Feststellungsbegehren stattgegeben. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zuerkennung des Schmerzensgeldes in voller Höhe von 8000 RM. sowie zur verlangten Feststellung, zu dieser mit der Einschränkung, daß die Klägerin sidi auf einen etwaigen späteren Vermögensschaden die Unfallentschädigung von 5000 RM. anredinen lassen müsse. Gründe: Das Berufungsgericht hat in seinem neuen Urteil unter Beachtung der im ersten Senatserkenntnis aufgezeigten rechtlichen Gesichtspunkte die Haftung des verklagten Landes für den der Klägerin aus dem Unfall entstandenen und noch entstehenden Schaden grundsätzlich bejaht, und zwar wegen fehlender Beaufsichtigung der zum Schulunterricht versammelten und kurz vor dem Unterrichtsbeginn auf dem Schulhof und dem angrenzenden Platz noch spielenden Kinder. Rechtsbedenken be-

Staats- und Beamtenhaftung

273

stehen insoweit gegen das Urteil nicht. Wegen der Pflicht zur Beaufsichtigung der zum Unterricht versammelten Kinder mag hierzu auf das Urteil des Senats III 89/ 39 vom 5. April 1940 (DR. 1940 S. 1192 Nr. 7) verwiesen werden. Ein Mitverschulden der Klägerin an ihrem Unfall (§ 254 BGB.) verneint das Berufungsgericht weiter ohne Rechtsirrtum. Die Möglichkeit für die Klägerin, vom behandelnden Arzt Schadensersatz zu erlangen (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB.), verneint es und schaltet den Ersatzanspruch gegen die Stadtgemeinde V. unter Beachtung des im ersten Urteil betonten Rechtsgedankens aus, daß der Geschädigte nicht auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit verwiesen werden könne, wenn diese auf demselben Rechtsgrunde, nämlich ebenfalls auf Art. 131 WeimVerf. in Verbindung mit § 839 BGB., beruhe. Unter dem Gesichtspunkt des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. hat das Berufungsgericht die Klägerin aber für verpflichtet erachtet, sich die Unfallentschädigung für Erwerbsunfähigkeit von 5000 RM., die sie auf Grund eines Unfallversicherungsvertrags von der Lebensversicherungsanstalt aus Anlaß des Unfalls erlangt hat, auf das beanspruchte Schmerzensgeld anrechnen zu lassen, das mit 8000 RM. angemessen bewertet sei. Hiergegen wendet sich die Revision. Sie weist darauf hin, daß nach § 5 Nr. II der Versidierungsbedingungen des Versicherungsvertrags der Klägerin die Versicherungssumme zum Ausgleich des vermögensrechtlichen Schadens gezahlt worden sei, den die Klägerin durch die Folgen des Unfalls erlitten habe und in Zukunft noch erleiden werde. Die Anrechnung dieser Entschädigungssumme auf einen nichtvermögensreditlichen Schadensersatzanspruch, auf das von der Klägerin beanspruchte und in Höhe von 8000 RM. an sich zuerkannte Schmerzensgeld, sei danach nicht zulässig. Die hierin liegende Rüge der Verletzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. ist begründet. Nach feststehender Rechtsprechung des Senats (RGZ. Bd. 138 S. 209 [212], Bd. 145 S. 56 [61], Bd. 152 S. 20) ist es für die Frage nach dem Vorhandensein eines anderweitigen Ersatzanspruchs im Sinne der genannten Bestimmung entscheidend, ob der Geschädigte aus demselben Tatsachenkreise heraus, aus dem die Klageforderung entstanden ist, einen Anspruch auf Ersatz seines Schadens, gleichviel welcher Art, erlangt hat. Im Urteil RGZ. Bd. 158 S. 176 sind dann Grundsätze für die Anrechnung der Entschädigung auf die einzelnen Schadensarten aufgestellt worden. Aus dem Grundgedanken des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB., den Beamten wegen des dem Verletzten schuldhaft verursachten Schadens erst in zweiter Linie, nur beim Nichtbestehen einer anderen Ersatzmöglichkeit, haften zu lassen, ist abgeleitet worden, daß es nicht darauf ankommen könne, auf welche Art von Schaden von dritter Seite Ersatz zu erlangen oder bereits erlangt worden sei, und daß daher auch nicht maßgeblich sei, auf welchen Schaden z. B. nach der Gestaltung

Zivil«. Schuldrecht II

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Schuldredit, Besonderer Teil

eines Versicherungsvertrags eine Entschädigung zu gewähren sei. Zwar könne im Versicherungsvertrage die Anrechnung der zu gewährenden Entschädigung auf eine besondere Schadensart bestimmt werden. Das habe aber Geltung nur dann und insoweit, als dem Verletzten ein entsprechender Schaden entstanden sei. Soweit das nicht der Fall sei, müsse die Entschädigung auf den sonstigen ihm tatsächlich entstandenen Schaden angerechnet werden. Diese Rechtsgrundsätze sind in der angeführten Entscheidung, wie die Begründung erkennen läßt, indes nur für die Behandlung des vermögensrechtlichen Schadensersatzanspruchs bei Erlangung einer vermögensrechtlichen Entschädigung aufgestellt worden. Solchem Anspruch gegenüber, der den Ausgleich des Verlustes bezweckt, den eine unerlaubte Handlung für das Vermögen des Verletzten zur Folge gehabt hat (§§ 249, 842, 843 BGB.), nimmt der Anspruch aus § 847 BGB., der nicht dem Verletzten etwas seinem Vermögen Entzogenes wieder zuführen will, sondern ihm wegen Verletzung persönlicher Rechtsgüter eine Entschädigung in Geld gewährt, eine Sonderstellung ein. Er bildet, als auf besonderen Voraussetzungen beruhend, mit den Schadensersatzansprüchen aus §§ 842, 843 BGB. keine rechtliche Einheit; z. B. würde ein Uebergang von ihm zu einem Anspruch auf Ersatz eines Vermögensschadens eine Klageänderung bedeuten (RGZ. Bd. 149 S. 157 [166/167]). Diese Besonderheit des Anspruchs aus § 847 B G B . verbietet es, auf ihn nach jenem Grundsatze des Urteils in R G Z . Bd. 158 S. 176 die Anrechnung einer zum Ausgleich eines vermögensrechtlichen Schadens gewährten oder zu gewährenden Entschädigung als zulässig anzusehen. E r ist vielmehr in dieser Hinsicht von dem vermögensrechtlichen Ansprüche zu sondern; auf ihn ist nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. nur die für einen nichtvermögensrechtlichen Schaden gewährte Entschädigung anzurechnen, nicht aber die auf eine vermögensrechtliche Einbuße gewährte Entschädigung, und zwar auch dann nicht, wenn eine solche Einbuße tatsächlich nicht oder nicht mehr besteht. Aus diesem Grunde können vorliegendenfalls die 5000 RM., welche die Lebensversicherungsanstalt gemäß § 5 N r . II der Versicherungsbedingungen an die Klägerin für Erwerbsbeschränkung gezahlt hat, auf deren auf § 847 BGB. gegründeten und in Höhe von 8000 R M von den Vordergerichten ohne Rechtsirrtum als bestehend anerkannten Anspruch nicht angerechnet werden. Insoweit muß daher das Urteil aufgehoben und gemäß § 565 Abs. 3 N r . 1 ZPO. der Beklagte in der vollen H ö h e des Schmerzensgeldes verurteilt werden. Das Recht des Beklagten, auf einen etwaigen späteren vermögensrechtlichen Anspruch der Klägerin die Unfallentschädigung von 5000 R M . zur Anrechnung zu bringen, bleibt unberührt; bei dem Erkenntnis über den Feststellungsanspruch ist ein entsprechender Zusatz vorzunehmen.

S t a a t s - und B e a m t e n h a f t u n g

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R G Z . 170, 129 Welche Ansprüche hat der Betroffene, wenn das Jugendamt von der „Ermittlungsstelle" einer Stadtgemeinde in einer Amtsvormundschaftssache eine unrichtige Auskunft erhält und infolgedessen wegen der Unterhaltsforderung eines unehelichen Kindes gegen einen anderen als den unterhaltspflichtigen Erzeuger vollstreckt? Umfaßt solche Ersatzpflicht auch den Schaden aus dem Nervenzusammenbruch der Ehefrau des Betroffenen, wenn bei ihr durch den Vollzug die Vorstellung ehelicher Untreue ihres Mannes entstanden ist? WeimVerf. Art. 131. BGB. § 839. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht K ö n i g s b e r g .

Urt. v. 30. Oktober 1942. I I . Oberlandesgericht

daselbst.

Der Kläger war Ende 1939 als Regierungsinspektor bei der Fliegerhorstkommandantur in D. tätig. A m 23. November 1939 wurden an ihn in seiner Wohnung in K., S.-Allee 133, durch Uebergabe an seine Ehefrau zwei Pfändungs- und Ueberweisungsbesdilüsse zugestellt, in denen er unter Angabe seines Amtstitels und seiner Wohnung als Schuldner bezeichnet war. Die Beschlüsse betrafen rückständige Unterhaltsforderungen von zwei unehelichen Kindern verschiedener Mütter. Die zugrunde liegenden Urteile vom 4. August 1930 und vom 6. Januar 1936 waren gegen einen Feldwebel des gleichen Vor- und Zunamens gerichtet. Es ist jedoch unstreitig, daß der Kläger, der allerdings früher ebenfalls Feldwebel gewesen ist, mit dem verurteilten Erzeuger der Kinder nicht personengleich ist; dieser ist am 4. März 1901, der Kläger dagegen am 17. März 1907 geboren. Zu der Verwechselung ist es auf folgende Weise gekommen: Der richtige Schuldner war bis Ende Mai 1939 als Angestellter bei der Flugzeugführerschule in E. beschäftigt und dann dort entlassen worden. Seitdem hatte sich das Kreisjugendamt in W., welches die Amtsvormundschaft über eines der Kinder (Ruth Ch.) führt, darum bemüht, seinen Verbleib festzustellen, um wegen rückständiger Unterhaltsbeträge gegen ihn zu vollstrecken. Nach der Behauptung des verklagten Kreises soll schließlich die Mutter und Vormünderin des anderen Kindes (Ulrich D.) dem Jugendamt als Anschrift des Schuldners „ K . , S.Allee 133", angegeben haben. Der Landrat des Kreises (Amtsvormundschaft) richtete am 19. Oktober 1939 an den Oberbürgermeister — E r mittlungsstelle — in K. mittels Vordrucks ein Ersuchen „ u m Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Erzeugers". Dem Ersuchen schloß sich ein Fragebogen an, dessen drei erste Zeilen durch den Landrat ausgefüllt waren: „Feldwebel Artur K. Letzte bekannte Adresse: K., S.-Allee 133, geboren am 4. März 1901". Es folgten Fragen nach der genauen Anschrift des Erzeugers, nach derjenigen seines Arbeitgebers, nach der Höhe seines Arbeitseinkommens, der H ö h e der 18*

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Sdiuldredit, Besonderer Teil

sozialen Abzüge, nach den Gründen der Nichtzahlung der Unterhaltsgelder, danach, ob der Erzeuger verheiratet sei und wieviel Kinder er habe, u. a. mehr. Der Oberbürgermeister sandte das Ersuchen am 2. November 1939 als erledigt an den Landrat zurück. In der ersten Zeile des Fragebogens war das Wort „Feldwebel" durchstrichen und durch „Regierungs-Inspektor" ersetzt worden. Der Frage der genauen Anschrift war mit einem Hinweis auf die vom Landrat selbst als bekannt eingerückte Anschrift entsprochen worden. Beantwortet waren auch die Fragen nach dem Arbeitgeber und der Höhe des Einkommens. Endlich war der Familienstand mit „verheiratet" und die Zahl der Kinder mit „ein Kind" angegeben. Der Kläger vertritt den Standpunkt, daß der Landrat wegen der weiten Verbreitung des Namens K. von vornherein einer Verwechselungsgefahr habe vorbeugen müssen; außer dem Geburtstage habe er noch andere Angaben über die Person des Schuldners — etwa die Bezeichnung seines früheren Truppenteils — in das Ersuchen an den Oberbürgermeister aufnehmen, vor allem aber aus den Akten des Kreisjugendamts feststellen müssen, daß der „Regierungsinspektor" K. nicht mit dem noch kurz vorher als Feldwebel und Angestellten bezeichneten K. personengleich sein konnte. Dem Oberbürgermeister wirft der Kläger vor, daß nicht nach seinem Geburtstage geforscht worden sei. Er behauptet, durch die irrige Vollstreckung Schaden erlitten zu haben. Von den beigetriebenen Beträgen könne er 30 RM. nicht zurückerlangen. Vor allem habe seine Ehefrau aus den Beschlüssen auf Eheverfehlungen des Klägers geschlossen und einen schweren Nervenzusammenbruch erlitten. Dadurch seien ihm f ü r ärztlidie Behandlung, für Arzneien, f ü r eigene Reisen von D. nach K. sowie wegen der notwendigen Zuziehung seiner auswärts wohnenden Schwester zur Unterstützung seiner Ehefrau im Haushalt Auslagen von 647,62 RM. erwachsen. Der Kläger nimmt die beiden Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 677,62 RM. nebst Zinsen in Anspruch. Zugleich begehrt er die Feststellung, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpfliditet seien, ihm den weiterhin entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Beklagten bestreiten jegliches Verschulden. Die verklagte Stadtgemeinde beruft sich ferner darauf, daß die Ermittlungsstelle nur zur Erleichterung des inneren Geschäftsbetriebes diene und keine öffentliche Gewalt ausübe. Beide weisen darauf hin, daß etwaige Amtspflichten nur dem Kläger, aber nicht dessen Ehefrau gegenüber bestanden hätten. Keinesfalls könne der Kläger wegen einer Gesundheitsbesdiädigung seiner Ehefrau kraft eigenen Rechts Schadensersatzansprüche stellen. Sie bestreiten auch die Gesundheitsbeschädigung selbst und machen geltend, daß diese nicht voraussehbar gewesen sei. Endlich werfen sie der Ehef r a u des Klägers Mitverschulden vor, da sie allzu leichgläubig gewesen sei und sich den Aufklärungsversuchen ihres Mannes verschlossen habe.

Staats- und Beamtenhaftung

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Das Landgericht hat durch Teil- und Grundurteil den Zahlungsanspruch in Höhe von 647,62 RM. sowie den Feststellungsansprudi, soweit diese Ansprüche gegen den verklagten Kreis gerichtet sind, abgewiesen; gegen die verklagte Stadt hat es den Zahlungsanspruch in Höhe von 30 RM abgewiesen, im übrigen aber ihn dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der verklagten Stadt den Zahlungsanspruch auch wegen der geforderten 647,62 RM. abgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolglos, soweit es sich um die Ansprüche gegen den verklagten Kreis handelt. Dagegen führte sie wegen der Ansprüche gegen die verklagte Stadt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung. Gründe: Der Rechtsstreit ist nicht in vollem Umfang ins Revisionsverfahren gelangt. Im ersten Reditszuge sind noch anhängig: der Anspruch auf Erstattung eines beigetriebenen Betrags von 30 RM., soweit dieser Anspruch sich gegen den verklagten Kreis richtet, sowie der Feststellungsantrag, soweit dieser gegen die verklagte Stadt gerichtet ist. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind also sämtliche Ansprüche gegen den verklagten Kreis mit Ausnahme der verlangten 30 RM., ferner der gegen die verklagte Stadt gerichtete Zahlungsanspruch in voller Höhe von 677,62 RM. I. Die Amtshäftungsansprüche gegen den verklagten Kreis sind vom Berufungsgericht abgewiesen worden, weil die Beamten des Jugendamts kein Versdiulden treffe. Dem ist beizutreten. Die Beamten des Jugendamts durften der Auskunft des Oberbügermeisters in K. (Ermittlungsstelle) vertrauen. Dieser war ersucht worden, über die persönlichen Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Erzeugers der Ruth Ch. Auskunft zu geben. In dem Ersuchen waren aber nicht nur der Beruf, der Vor- und Zuname sowie die zuletzt bekanntgewordene Wohnung des Unterhaltspflichtigen, sondern auch sein Geburtstag angegeben worden, was bei dem überaus häufigen Zunamen „K." besonders bedeutsam war, um eine einwandfreie Kennzeichnung zu gewährleisten. Das Jugendamt durfte voraussetzen, daß die auskunfterteilende Behörde den Geburtstag ebenso nachgeprüft habe wie die Berufsbezeichnung und daß eine Abweidiung des Geburtstags von dem im Ersuchen angegebenen in derselben Weise kenntlich gemacht worden wäre, wie dies bei der Berufsbezeidinung geschehen war. Die sich hieraus für das Jugendamt ergebende Uebereinstimmung des Vor- und Zunamens und vor allem des Geburtstags berechtigte das Jugendamt, an die Nämlichkeit des Regierungsinspektors Artur K. mit dem Feldwebel dieses Vor- und Zunamens zu glauben. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Verschiedenheit in der Berufsbezeichnung das Jugendamt nicht stutzig zu machen brauchte. Der Kläger, der früher auch Feldwebel gewesen war, ist ge-

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Schuldredic, Besonderer Teil

rade ein Beispiel dafür, daß ein Feldwebel Regierungsinspektor werden kann. Außerdem mußte damals bei Beginn des Krieges der gewaltige Ausbau der L u f t w a f f e schlagartig zu einer starken Vermehrung ihrer Verwaltungsstellen führen, so daß nicht einzusehen war, warum nicht ein Feldwebel innerhalb kurzer Zeit in die Stellung eines Regierungsinspektors gelangt sein sollte. Auch der Umstand, daß die Auskunft den Unterhaltspflichtigen als verheiratet und als Vater eines Kindes bezeichnete, während er nach den früheren Unterlagen des Jugendamts unverheiratet war und drei uneheliche Kinder hatte, brauchte nicht zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Auskunft zu führen; die Veränderung des Personenstandes und die Geburt eines ehelichen Kindes konnten in der Zwischenzeit eingetreten sein. Nach alledem muß die Revision insoweit erfolglos bleiben, als der Klägerin in dem eingangs erwähnten Umfange mit seinen Ansprüchen gegen den verklagten Kreis abgewiesen worden ist. II. Soweit es sich dagegen u m die in das Revisionsverfahren gelangten Ansprüche gegen die verklagte Stadt handelt, kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Das Berufungsgericht hat zwar angenommen, daß den f ü r die A u s k u n f t verantwortlichen Beamten der Ermittlungsstelle ein Verschulden treffe. Es hat aber verneint, daß dessen Tätigkeit in den Kreis öffentlicher Gewaltausübung falle. Die Ermittlungsstelle sei nur eine Einrichtung für den inneren Dienst der Stadtverwaltung, um dieser für ihre Verwaltungsmaßnahmen die notwendigen Unterlagen zu beschaffen; die Ermittlungsstelle treffe aber selbst keine Verwaltungsmaßnahmen, sie stelle sich vielmehr „als zur Wahrung bürgerlichrechtlicher Belange des Dienstherrn bestimmt" dar. Wieso sich das Berufungsgericht für diese Erwägungen auf die Entscheidung R G Z . Bd. 155 S. 186 berufen zu können glaubt, ist nicht erfindlich. Jene Entscheidung, die übrigens einen völlig anders gearteten Sachverhalt behandelt, spricht auf Seite 189 aus, daß jede Amtsausübung, die sich nicht als Wahrnehmung bürgerlichrechtlicher Belange des öffentlichrechtlichen Dienstherrn darstellt, als Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 131 WeimVerf. anzusehen sei. Das Berufungsgericht hat aber umgekehrt angenommen, die Tätigkeit einer Amtsstelle, die nach außen hin keine hoheitsrechtlichen Verrichtungen ausübe, sei nur dem bürgerlichrechtlichen Gebiet einzugliedern. Das ist schon in grundsätzlicher Hinsicht unrichtig. Es entspricht zudem der gegebenen Sachlage nicht. U m die Erteilung der Auskunft war der Oberbürgermeister (Ermittlungsstelle) der verklagten Stadtgemeinde ersucht worden. Die Ausk u n f t trägt dementsprechend die Unterschrift: „Der Oberbürgermeister der Stadt K. — Ermittlungsstelle — Im Auftrage (Unterschrift des Beamten)". Die Ermittlungsstelle hat sich also nicht auf die innerdienstliche Vorbereitung der Auskunft beschränkt. Im übrigen sind die öffentlichen Körperschaften keineswegs von der Amtshaftung frei für das Verschulden solcher Dienststellen, die hoheitsrechtliche Maßnahmen nur

Staats- und Beamtenhaftung

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vorbereitend im inneren Dienstbetriebe zu bearbeiten haben. Näheres darüber ist in der Entscheidung des erkennenden Senats RGZ. Bd. 149 S. 275 [280] ausgeführt. Im gegenwärtigen Fall aber hat die Ermittlungsstelle die Verwaltungshandlung, nämlich die Auskunftserteilung sogar selbst vorgenommen und dabei ausdrücklich im Auftrag und im Namen des Oberbürgermeisters gehandelt. Bürgerlichrechtliche Belange der Stadtgemeinde sind durch die Auskunft nicht wahrgenommen worden. Schon deshalb verbleibt nur die Möglichkeit, die Auskunft als öffentlichrechtliche Verwaltunghandlung zu betrachten. Der erkennende Senat hat aus diesem Grunde schon mehrfach behördliche Auskünfte von Bürgermeistern als hoheitsrechtliche Verwaltungsakte angesehen, und zwar auch in solchen Fällen, in denen die Auskünfte an Privatpersonen zwecks Verwendung für bürgerlichrechtlidie Zwecke erteilt worden sind (Urteile vom 14 Juli 1936 III 358/35 Warn.Rspr. 1936 Nr. 156 und vom 13. November 1936 III 71/36 Warn.Rspr. 1937 Nr. 91). Im vorliegenden Falle liegt aber die öffentlichrechtliche Natur der Auskunft erst recht auf der Hand. Die Auskunft ist nicht nur von einer öffentlichen Behörde ausgegangen, sie war auch für eine solche bestimmt; denn das Jugendamt hat nach § 2 des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt vom 9. Juli 1922 (RGBl. I S. 633) die Eigenschaft einer öffentlichen Behörde. Die Auskunft vollzog sich im Rahmen der Amtshilfe gemäß § 5 dieses Gesetzes. Sie war endlich ihrem Inhalte nach dazu bestimmt, das Jugendamt bei der Führung der Amtsvormundschaft über das Mündel Ruth Ch. zu unterstützen. Die Führung der Amtsvormundschaft war aber nach § 3 Nr. 2 und § 32 des Gesetzes eine Aufgabe hoheitsrechtlicher Art (vgl. die Entscheidung des erkennenden Senats vom 1. April 1942 III 98/41 DR. Ausg. A 1942 S. 1163 Nr. 42). Nach alledem muß davon ausgegangen werden, daß mit der Erteilung der Auskunft eine hoheitsreditlidie Verrichtung des Oberbürgermeisters oder des von ihm dazu beauftragten Beamten vollzogen wurde. Die Auskunft war unrichtig. Daß die Unrichtigkeit auf einem Verschulden des Beamten der Ermittlungsstelle beruht, hat auch das Berufungsgericht angenommen. Der Ermittlungsstelle war vom Jugendamte der Geburtstag des Unterhaltspflichtigen mitgeteil worden. Der Geburtstag bildete das wichtigste Kennzeichen, um dessen Person zu ermitteln, zumal da der Familienname K. sehr weit verbreitet ist. Die Ermittlungsstelle hätte um so mehr Anlaß gehabt, die Geburtszeit des Regierungsinspektors K. nachzuprüfen, als das Jugendamt den Unterhaltspflichtigen als Feldwebel bezeichnet hatte. Es ging nicht an, daß die Ermittlungsstelle sich einfach darauf verließ, der in dem angegebenen Hause S.Allee 133 wohnende Artur K. werde schon der richtige sein. Die Prüfung des Geburtstags konnte der Ermittlungsstelle auch keine sonderlichen Schwierigkeiten machen. Der Beamte der Ermittlungsstelle hat daher durch die Unterlassung seine Amtspflicht schuldhaft verletzt.

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Sdiuldrecht, Besonderer Teil

Die Amtspflicht zur Erteilung einer richtigen Auskunft lag der Stadtverwaltung zunächst dem Jugendamte gegenüber ob. Auf der anderen Seite ist aber die Stadtverwaltung auch gegenüber den Bürgern der Stadt, über die sie Auskunft erteilt, verpflichtet, dies mit der erforderlichen Sorgfalt zu tun und die Gefahr einer Schädigung zu vermeiden. Die Amtspflicht zur richtigen Auskunftserteilung war daher auch im Verhältnis zum Kläger gegeben. Die gleiche Amtspflicht bestand ferner der Ehefrau des Klägers gegenüber. Dritter im Sinne des § 839 BGB. sind nämlich alle Personen, deren Belange nach der besonderen Natur des Amtsgeschäfts durch dieses berührt und in deren Rechtskreis dadurch eingegriffen werden kann, audi wenn sie durch die Amtsausübung nur mittelbar und unbeabsichtigt betroffen werden (RGZ. Bd. 138 S. 309 [313] u. oft). Die Auskunft sollte der Durchsetzung von Unterhaltsforderungen eines unehelichen Kindes dienen. Eine Fehlleitung dieser Maßnahme durch eine unrichtige Auskunft muß aber bei der engen Lebensgemeinschaft zwischen Ehegatten und angesichts der von beiden zu wahrenden Familienehre nidit nur den Ehemann, sondern auch die Ehefrau berühren, zumal da deren eigener Unterhalt dadurch beeinträchtigt werden kann. So hatte neben dem Kläger auch seine Ehefrau ein Anrecht darauf, vor einer solchen Fehlleitung durch unrichtige Auskunftserteilung bewahrt zu bleiben. Grundsätzlich muß also die Stadt sowohl dem Kläger als audi seiner Ehefrau gemäß Art. 131 WeimVerf. für den Schaden einstehen, den jeder von ihnen durch die unrichtige Auskunft erlitten hat. Zu den einzelnen Schadensposten ist folgendes zu bemerken: 1. Zum eigenen Schaden des Klägers gehören zunächst die 30 RM., die nach seiner Behauptung von ihm beigetrieben worden sind, ohne daß er sie hätte zurückerhalten können. Im Falle der Richtigkeit dieser Tatsache — bisher sind Feststellungen darüber nicht getroffen worden — wäre die Forderung gerechtfertigt. 2. Ebenso wären dem Kläger als unmittelbarer Schaden die Kosten und sonstigen Auslagen für seine Reisen von D. nach K. zu erstatten, soweit die Reisen zur Klarstellung der Angelegenheit gegenüber seiner Ehefrau erforderlich gewesen sein sollten. 3. Soweit die Ehefrau des Klägers durch die Aufregung über die in ihre Hand gekommenen Pfändungs- und Ueberweisungsbeschlüsse körperlichen Schaden erlitten hat, ist sie die Geschädigte. Das Berufungsgericht hat allerdings für diesen Schaden einen „adäquaten" ursächlichen Zusammenhang verneint. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Ein zureichender ursächlicher Zusammenhang im Rechtssinn ist freilich nicht gegeben, wenn eine Handlung oder Unterlassung den schädigenden Erfolg nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und desahlb nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen herbeigeführt hat (RGZ. Bd. 142 S. 383 [388] mit Nachw.). So

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liegt die Sache hier aber nicht. Die unrichtige Auskunft mußte ganz naturgemäß die Vollstreckung gegen den Kläger nach sich ziehen, und es liegt auch nicht außerhalb des regelmäßigen Verlaufs der Ringe, daß die Vollstreckungstitel zur Kenntnis der Ehefrau gelangten. Ebensowenig kann es als außergewöhnlich bezeichnet werden, wenn die Ehefrau dadurch die Vorstellung ehelicher Untreue ihres Mannes gewonnen hat und so tief beeindruckt worden ist, daß sie seelischen und körperlichen Schaden nehmen mußte. Dieser Verlauf liegt nicht außerhalb der nach menschlichem Ermessen bestehenden Möglichkeiten. Darauf, ob er im Einzelfalle vorauszusehen war, kommt es nicht an; ebensowenig darauf, ob eine minder empfindsame Frau einen solchen Zusammenbruch nicht erlitten hätte. Die Haftung der Stadt für den Körperschaden der Ehefrau des Klägers kann daher nicht wegen mangelnden ursächlichen Zusammenhangs abgelehnt werden. Zu beachten bleibt jedoch, daß der Kläger durch die Nachteile, die ihm aus dem Nervenzusammenbruch seiner Ehefrau erwachsen sind, nur mittelbar, aber nicht unmittelbar geschädigt worden ist. Denn diese Nachteile waren erst die Folge der Schadenszufügung, die ein Dritter — die Ehefrau des Klägers — erlitten hatte. Dem mittelbar Geschädigten stehen Ersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung nur im Rahmen des hier nicht in Betracht kommenden § 844 sowie des hier einschlägigen § 845 BGB. zu. Daraus ergibt sich, daß der Kläger aus eigenem Rechte Schadensersatz nur für die Aufwendungen verlangen kann, die er machen mußte, weil ihm eine Zeitlang die Dienste seiner Frau in seinem Hauswesen entgangen sind. Sollte der Kläger also genötigt gewesen sein, während der Krankheit seiner Ehefrau zur Weiterführung seines Hauswesens und namentlich zur Betreuung seiner dreijährigen Toditer seine Sdiwester heranzuziehen und dafür die von ihm angegebenen Aufwendungen zu machen, so wäre auch dieser Teil seines Klageanspruchs begründet. 4. Dagegen ist nur die Ehefrau des Klägers insoweit schadensersatzberechtigt, als es sich um die verlangten Heilungskosten handelt. Der Kläger selbst kann als nur mittelbar Geschädigter diese Schadensersatzansprüche als eigene nicht erheben. Freilidi hätte er sie kraft seines ehemännlidien Verwaltungsrechts gemäß § 1380 BGB. im eigenen Namen einklagen können. Soweit ersichtlidi, hat er diesen Weg aber nicht beschritten und nur eigene Rechte zur Entscheidung stellen wollen. Solche Rechte stehen ihm aber, was die Heilungskosten anbelangt, jedenfalls unter dem Gesichtspunkte der Amtshaftung nidit zu. Sie könnten ihm nur aus der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 flg. BGB.) oder der ungerechtfertigten Bereicherung ( § 8 1 2 BGB.) erwachsen sein, und in der T a t enthält sein Vortrag alle Voraussetzungen, die für eine schlüssige Begründung dieser Art von Ansprüchen notwendig sind. . . .

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RGZ. 170, 311 1. Besteht die Amtspflicht eines beamteten Kraftfahrers zur ordnungsmäßigen Führung des Kraftwagens audi gegenüber Personen, die unberechtigt oder gegen ausdrückliches Verbot auf dem Wagen mitfahren? 2. Besteht ein allgemeiner Recfatsgrundsatz, wonach das eigne Verhalten des Verletzten auch außerhalb des § 254 BGB. für die Entstehung und die Höhe der Schadensersatzansprüdie Dritter aus § 844 oder § 845 BGB. bedeutsam ist? *) 3 BGB. §§ 839, 844, 845, 846. WeimVerf. Art. 131. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. vom 16. Dezember 1942.

I. Landgericht Berlin. II. Kammergericht daselbst.

Der Ehemann der Erstklägerin und Vater des 1940 geborenen Zweitklägers, A. W., stand als Flieger im Wehrdienst. Am frühen Morgen des 10. Januar 1940 benutzte er einen vom damaligen Obergefreiten M. gesteuerten Wehrmachtlastkraftwagen. M. befand sich auf einer Dienstfahrt. Er hatte Befehl, aus Berlin Bekleidungsstücke abzuholen. A. W. wollte in Berlin die Erstklägerin besuchen. Am Uebergang der Reichsstraße Werneuchen—Berlin über die Reichsbahnstrecke Werneuchen— Berlin durchfuhr der Lastkraftwagen die geschlossene Bahnschranke und wurde von einem Personenzug erfaßt. A. W. wurde verletzt und starb nodi am gleichen Tage. Der Unfall ist auf ein Verschulden M.s zurückzuführen. Die Kläger haben als Hinterbliebene A. W.s Versorgungsansprüche auf Grund des Wehrmachtfürsorge- und -Versorgungsgesetzes (WFVG.) vom 26. August 1938 (RGBl. I S. 1077) geltend gemacht. Sie sind damit im Versorgungsverfahren abgewiesen worden, weil der T o d nicht auf eine Dienstbeschädigung zurückzuführen sei. . . . Das Landgericht wies die Klage ab. Das Kammergericht erkannte — nach Erlaß des hier angefochtenen Urteils — zugunsten der Kläger. Auch in dieser andern Sache wurde Revision eingelegt. Im gegenwärtigen Rechtsstreite nehmen die Kläger das verklagte Reich auf Schadensersatz mit der Begründung in Anspruch, M. habe sich auf einer Dienstfahrt befunden und in Ausübung öffentlicher Gewalt gehandelt. Der unmittelbare Anspruch gegen ihn sei ausgeschlossen; für ihn hafte das verklagte Reich. Sie verlangen den Unterschied zwischen ihrem jetzigem Einkommen (Wohlfahrtsunterstützung und Witwen- und Waisengeld aus der Angestelltenversicherung) und dem Familienunterhalt, den sie beim Weiterleben A. W.s gehabt hätten, die Befreiung von ihren Verpflichtungen aus dem Empfang von Wohlfahrts•)

Ueberholt.

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Unterstützungen u n d die Feststellung der Ersatzpflicht f ü r allen weitern Schaden. D e r Beklagte macht geltend, W. sei nicht berechtigt gewesen, den W a g e n zu benutzen; er habe sich unerlaubt v o n der T r u p p e entfernt; wahrheitswidrig habe er dem M. gesagt, befehlsgemäß nach Berlin mitfahren zu sollen, da er als Begleiter eingeteilt sei. S o habe M . gegenüber W. keinerlei Amtspflicht g e t r o f f e n . Deshalb habe das Versorgungsa m t die Versorgungsansprüche abgelehnt. Die Kläger k ö n n t e n auch nicht, d a W. befehlswidrig gehandelt habe, aus diesem unerlaubten und strafbaren Verhalten Ansprüche gegen das Reich herleiten. W. habe zudem durch die ungerechtfertigte Benutzung des Wagens den Schaden selbst überwiegend verursacht. V o r allem stehe dem Anspruch folgende E r w ä g u n g entgegen: W ä r e der T o d als Wehrdienstbeschädigung anzusehen, so hätten die Kläger Ansprüche nur nach dem Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetz; mit den weitergehenden Forderungen seien sie ausgeschlossen. Unmöglich könnten ihnen, da W. befehlswidrig und sogar s t r a f b a r gehandelt habe, weitere Ansprüche zustehen. D a s Landgericht hat zugunsten der Kläger erkannt, des Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Die Revision f ü h r t e zur A u f h e b u n g u n d Zurückverweisung. A u s den G r ü n d e n : D a s Berufungsgericht hat keine Feststellungen über die bestrittene Behauptung des Beklagten getroffen, W. habe sich unerlaubt v o n der T r u p p e entfernt. Es hat auch über die näheren U m s t ä n d e seines F o r t gangs keine Erhebungen angestellt, insbesondere nicht in der Richtung, o b W . dem M. wahrheitswidrig gesagt hat, er müsse dienstlich nach Berlin fahren. Es hält die Klage in jedem Fall f ü r unbegründet: W e n n W . dienstlich zur M i t f a h r t befohlen gewesen sei, entfalle der Klageanspruch nach § 134 W F V G . , da dann eine Dienstbeschädigung vorliegen würde. Sollte W . aber den M. durch die unwahre Angabe, zur M i t f a h r t befohlen worden zu sein, ihn mitzunehmen veranlaßt haben, so handelten die Kläger arglistig, wenn sie die Fahrlässigkeit des M . ihren Ansprüchen zugrunde legten, da W . durch eine vorsätzliche unerlaubte H a n d l u n g , die Entfernung v o n der T r u p p e , die Voraussetzung f ü r den Unfall geschaffen habe; dem Anspruch stehe dann § 254 B G B . entgegen. Diese Begründung der Klageabweisung reicht nicht aus. D a ß der U n f a l l u n d damit der T o d W.s durch ein schuldhaftes V e r halten des M . verursacht worden ist, ist unstreitig. Keiner A u s f ü h r u n g bedarf es weiter, daß sich M . beim Fahren des K r a f t w a g e n s in A u s ü b u n g öffentlicher Gewalt befunden hat u n d als Beamter im Sinne des § 839 B G B . anzusehen ist. Es kann sich nur fragen, o b er durch sein schuldhaftes Verhalten ein Amtspficht gegenüber dem mitfahrenden W . verletzt hat und ob die Kläger daraus den geltend gemachten Schadensersatz-

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anspruch herleiten können. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Amtspflicht auch gegenüber mitfahrenden Personen anzuerkennen ist. Was den ersten vom Berufungsgericht als möglich unterstellten Fall betrifft, daß W. dienstlich zur Mitfahrt befohlen war, so würde damit, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, der Fall einer Dienstbeschädigung gegeben gewesen sein. Das Vorliegen einer solchen ist aber bereits im Verfahren vor dem Versorgungsgericht verneint worden. Wie sich ferner aus den Gründen des landgerichtlichen Urteils ergibt, ist es im ersten Reditsgang unstreitig gewesen, daß keine Wehrdienstbeschädigung vorliege, und auch im zweiten Rechtszuge haben die Kläger nicht etwa behauptet, daß W. zur Mitfahrt befohlen worden sei und deshalb dodi ein Fall der Wehrdienstbeschädigung gegeben sei. Damit erledigt sich die erste vom Berufungsgericht unterstellte Möglichkeit; sie bedarf keiner Erörterung im Revisionsverfahren mehr. Eine Haftung für den zweiten als möglich unterstellten Fall, daß W. den M. unter der Vorspiegelung, er sei als Mitfahrer eingeteilt worden, zur Mitnahme veranlaßt habe, hat das Berufungsgericht aus dem Gesichtspunkte des § 254 BGB. verneint. Diese Auffassung müßten die Kläger nach § 278 BGB. gegen sich gelten lassen. Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Von einem mitverursachenden Verschulden W.s könnte nur dann gesprochen werden, wenn sein etwaiges schuldhaftes Verhalten, also die ungerechtfertigte Benutzung des Kraftwagens, als Ursache des Todes im Sinn einer „adäquaten" Verursachung mitgewirkt hätte. Davon kann aber bei einem Mitfahren in einem verkehrssicheren Kraftwagen nicht gesprochen werden. Wer sich lediglich als Mitfahrer in einem Kraftwagen befindet, setzt durch dieses Verhalten keine Ursache im Sinne des bürgerlichen Rechts zu einem etwa eintretenden Unfallschaden. Es kann nicht davon gesprochen werden, daß damit nach bestehenden Erfahrungen und Kenntnissen eine Bedingung für einen solchen gesetzt worden sei. Dieser ist vielmehr gegenüber der Tatsadie des Mitfahrens ein neues, selbständiges Ereignis. Ebensowenig, wie man sagen könnte, W. habe, wenn er sich berechtigterweise auf dem Wagen befand, seinen Unfall verursacht, kann er diesen dadurch herbeigeführt haben, daß er etwa unberechtigterweise mitfuhr. Auch in solchem Falle könnte anderseits der Beklagte wegen des ihm aus dem Unfall entstandenen Schadens nicht W. oder die Kläger als seine Rechtsnachfolger als Mitverursacher in Anspruch nehmen. Daraus folgt, daß hier alle aus einer Verursachung des Schadens durch W. hergeleiteten Gesichtspunkte außer Betracht bleiben müssen. Indessen wäre, wenn W. durch die vom Berufungsgericht als möglich unterstellte Vorspiegelung seine Mitfahrt erreicht hätte, die Haftung des Beklagten aus einer andern Erwägung zu verneinen. Nach § 846 BGB. kann den Ansprüchen der Unterhaltsberechtigten aus § 844 BGB. ein mitverursachendes Verschulden des getöteten Unterhaltsverpflichteten im Rahmen des § 254 BGB. entgegengesetzt werden. Nun hat

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zwar, wie oben dargelegt, W. den Unfall nicht mitverursacht. § 254 k a n n daher dem Klageanspruch nicht entgegengesetzt werden. Dem § 846 BGB. liegt aber der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, daß ebenso, wie die eignen Ansprüche des unmittelbar Verletzten in ihrer Entstehung von seinem Verhalten beeinflußt werden können, auch die Ansprüche der mittelbar Beschädigten diesen vom eignen Verhalten des Verletzten ausgehenden Einwirkungen unterliegen (vgl. RGKomm. z. BGB., 9. Aufl., Bern. 1 zu § 846; RGZ. Bd. 65 S. 313, Bd. 69 S. 186). Wie dies in § 846 BGB. f ü r die nach §§ 844, 845 das. Anspruchsberechtigten hinsichtlich des § 254 zum Ausdruck gebracht ist, muß der allgemeine Rechtsgedanke denselben Personen gegenüber überhaupt angewendet werden, soweit das eigene Verhalten des unmittelbar Verletzten im übrigen auf das Bestehen seines eigenen Schadenersatzanspruchs von Einfluß wäre. Das gilt insbesondere f ü r die vom Beklagten gegenüber den Klägern erhobene Einrede der allgemeinen Arglist oder der unzulässigen Rechtsausübung. Diese wird allerdings bei einem Teile der im gegenwärtigen Falle denkbaren tatsächlichen Gestaltungen deshalb keine Bedeutung gewinnen, weil bereits das Bestehen einer Amtspflicht des M. gegenüber W. verneint werden müßte, namentlich, wenn W. sich unerlaubt von der Truppe entfernt haben sollte, um seine Frau zu besuchen, oder auch, wenn er, wie der Beklagte behauptet, dem M. unwahrerweise angegeben haben sollte, er sei zum Mitfahren befohlen worden. In diesen Fällen würde eine Amtspflicht des Fahrers dem W. gegenüber ebensowenig angenommen werden können, wie wenn W. als „blinder Passagier" mitgefahren wäre. Damit sind aber die Möglichkeiten des Verlaufs nicht erschöpft. Die Kläger haben die Behauptung des Beklagten, W. habe durch unwahre Angaben die Mitnahme auf dem Wagen erreicht, bestritten. Das Berufungsgericht hat dazu keine Stellung genommen; deshalb m u ß mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß W. dem M. keine unwahren Angaben gemacht hat, sondern von ihm etwa aus Gefälligkeit mitgenommen worden ist. Zur Frage, ob und inwieweit in einem solchen Falle den Klägern ein Anspruch zustehen würde, kann aber rechtlich erst dann Stellung genommen werden, wenn der Sachverhalt vom Berufungsgericht in tatsächlicher Beziehung geklärt worden ist. Insbesondere wird erst dann geprüft werden können, ob, selbst wenn eine Amtspflicht des M. gegenüber dem W. anzuerkennen sein sollte, gleichwohl nach der besonderen Lage des Falles die Geltendmachung der Klageansprüche eine unzulässige Rechtsauübung enthielte. Im Zusammenhange damit wird gegebenenfalls audi zu der andern vom Beklagten aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen sein, ob die Kläger Ansprüche geltend machen könnten, die über den Rahmen dessen hinausgehen, was sie vom Beklagten im Fall einer Dienstbeschädigung beanspruchen könnten.

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Schuldredit, Besonderer

Teil

R G Z . 171, 198 Bietet ein Versicherungsvertrag trotz seiner Bestimmung, daß kein Anspruch gegen den Versicherer bestehe, wenn der Versicherte aus dem schädigenden Ereignis einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten habe, für den Geschädigten eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB.? B G B . § 839 Abs. 1 Satz 2. W e i m V e r f . Art. 131. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht F r e i b u r g i. B r .

U r t . v. 31. Mai 1943. II. Oberlandesgericht

Karlsruhe.

Der Erstkläger, damals 10 Jahre alt, erlitt am 25. Juni 1940 dadurch eine Verletzung seiner linken Hand, daß er einen Sprengkörper, den er im Garten gefunden hatte und den Wehrmachtsangehörige dort zurückgelassen hatten, durch Schläge mit einem H a m m e r zu zerlegen suchte, wobei der Sprengkörper explodierte. M i t der Begründung, die Angehörigen der Wehrmacht hätten durch Zurücklassung des Sprengkörpers die ihnen Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, haben der Erstkläger und sein Vater und gesetzlicher Vertreter, der Zweitkläger, den Beklagten wegen des ihnen aus dem Unfall entstandenen Schadens, jedoch unter Annahme eines Mitverschuldens des Erstklägers an dem Unfall nur zu zwei Dritteln, in Anspruch genommen. In diesem Rahmen verlangen sie u. a. Ersatz der Heilungs- und Verpflegungskosten in H ö h e von 423 R M . nebst den Kosten des zweiten ärztlichen Eingriffs mit 108,60 R M . Der Beklagte hat sich gegen seine Verpflichtung zur Erstattung dieser Unkosten besonders mit dem Hinweise darauf gewendet, daß die Postbeamtenkrankenkasse in Karlsruhe die Heilungskosten im Betrage von 423 R M gezahlt habe und insoweit nach § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . kein Anspruch gegen ihn bestehe. Die Kläger haben sich demgegenüber darauf berufen, daß nach § 10 Abs. 2 der Satzung der Postbeamtenkrankenkasse keinAnspruch gegen diese auf Zahlung der Heilungskosten erwachsen sei, weil der Beklagte aus schuldhafter Amtspflichtverletzung für den Schaden zu haften habe, und daß die Kasse daher den Betrag auch nur vorschußweise gewährt habe. Der Anspruch der Kläger auf Ersatz dieses Schadens gegen den Beklagten sei also davon nicht berührt. Die Vordergerichte haben nach dem Revision des Beklagten blieb erfolglos.

Klageantrag

erkannt.

Die

Gründe: Das Berufungsgericht hat in Uebereinstimmung mit dem Landgericht den auf Art. 131 W e i m V e r f . in Verbindung mit § 839 B G B . gegründeten Schadensersatzanspruch der Kläger in dem geltend gemachten Umfange (zu zwei Dritteln) ohne Rechtsirrtum für gerechtfertigt er-

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klärt, beim Zweitkläger im Rahmen der §§ 844, 845 BGB. Die Revision greift das Urteil insoweit auch nicht an. Sie wendet sich nur dagegen, daß das Berufungsgericht, ebenfalls in Uebereinstimmung mit dem Landgericht, die von der Postbeamtenkrankenkasse „vorschußweise" an den Erstkläger gezahlten 423 R M . Heilungskosten nicht als einen anderweitigen Ersatz des Schadens dieses Klägers im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . angesehen und sein Verlangen auf Ersatz der Verpflegungsund Heilungskosten für berechtigt erachtet hat. Die R ü g e ist nidit begründet. Nach der Auslegung, die § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . in der Rechtsprechung des erkennenden Senats gefunden hat, schließt jede rechtliche und tatsächliche Möglichkeit des Geschädigten, den Vermögensschaden von anderer Seite ersetzt zu erhalten, die Schadensersatzpflicht des Beamten aus, der seine Amtspflicht nur fahrlässig verletzt hat. Es kommt nicht darauf an, ob diese Möglichkeit auf Gesetz oder auf Vertrag, z. B. einem Versicherungsvertrage, beruht; dabei haben nur Lebensversicherungsverträge auszuscheiden, die in der Regel keine Sdiadensdeckung, sondern eine Kapital- oder Rentenvorsorge für den Versicherten und gegebenenfalls für seine Angehörigen bezwecken ( R G Z . Bd. 138 S. 209, Bd. 145 S. 56 [61 flg.] mit Nachweisungen, Bd. 152 S. 20 [22], Bd. 155 S. 186 [190/191]). O b eine soldie Ersatzmöglichkeit besteht, ist aber nach den jeweils dafür in Betracht kommenden besonderen Gestaltungen rechtlidier oder tatsächlicher A r t zu beurteilen. Das gilt namentlich auch von einem etwa bestehenden privaten Versicherungsverhältnis des Geschädigten. Wie schon im Urteil R G Z . Bd. 138 S. 211 (ebenso R G Z . Bd. 145 S. 65) betont worden ist, kann nach dem Grundsatze der Vertragsfreiheit ein Versicherangsverhältnis in der Weise ausgestaltet werden, daß kein Anspruch des Geschädigten daraus gegeben ist, sofern er einen für den Schaden verantwortlichen Dritten, sei es auch einen aus schuldhafter Amtspflichtverletzung haftenden Beamten oder den Staat oder eine öffentlichrechtliche Körperschaft, die an seiner Stelle haften (Art. 131 WeimVerf.), auf Ersatz in Anspruch nehmen kann. Dasselbe hat von der Satzung einer Körperschaft, wie hier der Postbeamtenkrankenkasse (§ 1 Abs. 1 ihrer Satzung), zu gelten. Solchenfalls fehlt es für den Geschädigten an einer anderweitigen Ersatzmöglidikeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB., und der Ausschluß oder die Einschränkung der H a f t u n g des Staates oder der Körperschaft nach dieser Bestimmung tritt demzufolge nicht ein. Dieser Rechtsauffassung kann nicht, wie die Revision will, mit dem Hinweise darauf entgegengetreten werden, bei der Ausgestaltung einer Versicherung in der bezeichneten Art bestehe einmal eine Zweithaftung des Staates nach § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . und dann eine Zweitverpflichtung des Versicherers zur Ersatzleistung, und in dem Falle gebühre der gesetzlichen Bestimmung des § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . der Vorrang vor der nur vertraglichen oder satzungsmäßigen. Die Fragestellung, welche von beiden Bestimmungen den Vorrang genieße, ist verfehlt. Zu fragen

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ist im Hinblick auf § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB., ob der Geschädigte na jener Ausgestaltung der Versicherung vom Versicherer Ersatz seir Schadens verlangen kann. Ist das zu verneinen, wie es hier zutrifft, da besteht die Haftung des Staates insoweit uneingeschränkt. Die Satzung der Postbeamtenkrankenkasse, die keine reichsgese' liehe Versicherung im Sinne der Reichsversicherungsordnung, sonde eine durch Beiträge der versicherten Beamten und durch Zusdiüsse c Reichspost erhaltene Wohlfahrtsein rieh tung der Deutschen Reichspost i hat in § 10 Abs. 2 eine besondere Bestimmung der gedachten Art f. troffen. Es heißt dort, daß dann, wenn bei Unfällen die Kosten c Heilverfahrens von der Deutschen Reichspost übernommen werden oc von einem Träger der Unfallversicherung oder einer anderen Person tragen sind, der Anspruch auf Leistungen gegen die Kasse (§§ 8 flg. da wegfällt. Diese Bestimmung hat das Berufungsgericht in Uebereinstii mung mit dem Landgericht dahin ausgelegt, daß der versicherte E amte bei Unfällen keinen Anspruch gegen die Kasse auf Zahlung c Kosten des Heilverfahrens habe, wenn er einen Anspruch auf Schadensersatz gegen einen Dritten, so audi gegen das Deutsche Reich auf Grund des Art. 131 WeimVerf. in Verbindung mit § 839 BGB., besitzt. Sollte die Satzung der Postbeamtenkrankenkasse und damit die bezeichnete Bestimmung Geltung nur innerhalb des Oberlandesgeriditsbeirks Karlsruhe (Baden) haben, so würde die Richtigkeit ihrer vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung nach § 549 ZPO. keiner Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegen und daher diese Auslegung der weiteren Beurteilung des Falles ohne weiteres zugrunde zu legen sein. Die Frage der Revisibilität der Bestimmung kann aber dahinstehen. Denn ihre Auslegung durch das Berufungsgericht ist unzweifelhaft richtig. (Wird weiter ausgeführt und dann fortgefahren.) Im § 10 Absatz 2 der Satzung liegt demnach eine Ausgestaltung der Versicherung vor, die nach dem Urteil RGZ. Bd. 138 S. 209 keine Beschränkung der Haftung des Reiches nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. eintreten läßt. Der Erstkläger hat denn auch von der Kasse die Heilungskosten nur einstweilen, nicht in Erfüllung und Anerkennung einer Rechtspflicht zu ihrer Zahlung, sondern mit dem Rechte der Rückforderung, gezahlt erhalten. Darin ist nach dem vorher Ausgeführten keine Ersatzleistung im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. zu sehen. Die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der Heilungs- und Verpflegungskosten — in dem geltend gemachten Umfange — besteht somit ungeachtet jener Zahlung der Kasse. RGZ. 172, 11 1. Ist $ 139 a StGB. (Fahrerflucht) als Schutzgesetz zugunsten der an einem Verkehrsunfall Beteiligten anzusehen?

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2. Liegt der Polizei diesen Beteiligten gegenüber die Amtspflicht ob, eine drohende Fahrerflucht zu verhindern? WeimVerf. Art. 131. BGB. § 823 Abs. 2, § 839. Preuß. Polizeiverwaltungsgesetz vom 1. Juni 1931 (GS. S. 77) § 14. StGB. § 139 a. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 20. September 1943.

I. Landgericht Köln. II. Oberlandesgeridit daselbst.

Am Nachmittage des 27. Januar 1941 fuhr der Kläger mit seinem Fahrrad von E. nach K. Als er hinter dem Ortsausgang von £. in den dort beginnenden, links neben der Straße herführenden Radfahrweg einbiegen wollte und zu diesem Zwecke die Straße überquerte, wurde er kurz vor der Einmündung des Radfahrwegs von einem hinter ihm herkommenden Personenkraftwagen angefahren, eine Strecke mitgesdileift und dabei erheblich verletzt. Die beiden Insassen des Personenkraftwagens brachten den bewußtlosen Kläger mit dem Kraftwagen zum Krankenhaus in W. An der Fahrt nahm der mit dem Kläger näher bekannte Schlosser Kr. teil, der zufällig zur Unfallstelle gekommen war. Vor dem Krankenhause winkte Kr. den im Dienste der beklagten Landgemeinde stehenden Polizeihauptwachtmeister D. herbei, der sowohl den Kläger als auch Kr. persönlich kannte. Kr. verständigte D. über den Unfall, nannte ihm seinen Namen und den des Klägers und forderte ihn auf, alles aufzusdireiben. Er bat ihn auch, mit den Insassen des Kraftwagens zur Unfallstelle zu fahren und dort die nötigen Ermittlungen zu treffen. Der Beamte lehnte dies jedoch ab, weil er keine Zeit habe, man möge sich an den örtlich zuständigen Polizeibeamten in U. wenden. Er übergab dem Kr. den Zettel, auf dem er bereits einiges aufgeschrieben hatte. Kr. las ihn nicht durch und ging ins Krankenhaus. Erst später stellte sich heraus, daß auf dem Zettel lediglich die Namen des Kr. und des Klägers vermerkt waren, dagegen nidit die Namen der übrigen Insassen und das polizeiliche Kennzeichen des Vagens. Als Kr. das Krankenhaus verließ, war D. bereits fortgegangen. Kr. fuhr hierauf mit den Wageninsassen nach U. Man traf den dortigen Polizeibeamten aber nicht an. Das Verlangen Kr.s, weiter zur Polizeiwache nach P. zu fahren, lehnten die Insassen des Kraftwagens wegen Zeitmangels ab; sie versprachen aber, am nächsten Tage wiederzukommen. Dies Versprechen lösten sie nicht ein. Als nach drei Wochen die Angehörigen des Klägers von D. die Angabe der Wagennummer und die Namen der Insassen verlangten, ergab sich, daß darüber nichts festgestellt worden war. Der Kläger ist der Auffassung, der Polizeibeamte D. habe durch diese Unterlassung die Amtspflichten verletzt, die er ihm gegenüber gehabt habe. Er beansprucht daher auf Grund von Art. 131 WeimVerf., $ 839 BGB. von der beklagten Landgemeinde Ersatz dafür, daß ihm die Möglichkeit genommen sei, von dem unbekannt gebliebenen Halter und Zivil«. Sthaldrttht 11



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Fahrer des Personenkraftwagens Schadensersatz wegen der Unfallfolgen zu erlangen, die dieser zu vertreten habe. Der Kläger, der mehrere Wochen im Krankenhause gelegen hat und dann noch längere Zeit arbeitsunfähig war, verlangt außer Ersatz für seinen beschädigten Arbeitsanzug und die Ausbesserung seines Fahrrades Erstattung seines Verdienstausfalls mit 403 R M . sowie für einen vierwöchigen Erholungsurlaub weitere 500 R M . Außerdem begehrt er ein Schmerzensgeld von mindestens 6 0 0 R M . sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm allen weiteren Schaden aus dem Unfall zu ersetzen. Die Beklagte macht namentlich geltend, die Aufklärung von Verkehrsunfällen und die dazu notwendigen Feststellungen der beteiligten Personen und Kraftwagen liege den Polizeibeamten nur der Allgemeinheit, aber nicht dem Verletzten gegenüber ob. Der Polizeibeamte D. habe damals einen wehrwirtschaftlichen Auftrag zu erfüllen gehabt, der allem anderen vorgegangen sei. Er sei auch nicht der zuständige Revierbeamte gewesen. Daher habe er Kr. und die Insassen des Kraftwagens an den zuständigen Beamten in U. verweisen dürfen, der mit den E r mittlungen zugleich auch die Personalienfeststellung erledigt haben würde. Da die Wageninsassen beabsichtigt hätten, mit Kr. nach U . zu fahren, und diese Fahrt auch ausgfeführt hätten, sei für D . zugunsten des Verletzten nichts mehr zu veranlassen gewesen. Im übrigen habe der Kläger den Unfall selbst verschuldet, da er, ohne genügend auf den ihn links überholenden Kraftwagen zu achten, in dessen Fahrbahn hineingefahren sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem Kläger 1182 R M . zugesprochen, die sich aus dem geltend gemachten Sachschaden von 32 R M . , einem Verdienstausfall von 350 R M . , den Kosten für weitere Erholung mit 300 R M . sowie einem Schmerzensgelde von 5 0 0 R M . zusammensetzen. Im übrigen ist es bei der Abweisung der Klage, und zwar auch des Feststellungsantrags, geblieben. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt in erster Linie davon ab, ob der Polizeibeamte D. eine Amtspflicht verletzt hat, die ihm gegenüber dem Kläger oblag. Bei der Prüfung dieser Frage hat das Berufungsgericht zunächst den § 163 StPO. ins Auge gefaßt, wonach die Polizeibeamten verpflichtet sind, strafbare Handlungen zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um eine V e r dunklung der Sache zu verhüten. Mit Redit hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, daß die der Polizei hiernach obliegende E r mittlungspflicht im Rahmen des strafverfahrensmäßigen Verfolgungszwangs liege und daher nur dem Zwecke dienen könne, die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs zu sichern. Insoweit haben die Polizei-

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beamten keine andere Stellung als die staatlichen Strafverfolgungsbehörden, denen sie Hilfe leisten. Die Hilfeleistung soll also nicht Belangen des einzelnen, sondern ausschließlich der öffentlichen Strafgewalt des Staates dienen (vgl. R G Z . Bd. 154 S. 266 [268]). Amtspflichten gegenüber dem Verletzten schließt diese Art der Ermittlungspflicht nicht ein. Das Berufungsgericht hat sich sodann dem § 14 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931 zugewendet, wonach die Polizeibehörden im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen haben, um von der Allgemeinheit oder dem einzelnen Gefahren abzuwenden, durch welche die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. Nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich hieraus von selbst die Pflicht der Polizei zur Verhütung drohender strafbarer Handlungen, da solche das Gemeinwohl verletzen. Sicherlich findet diese Pflicht ihre Grundlage ebenfalls in dem öffentlichen Interesse. Jedoch ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß sie auch dem einzelnen gegenüber besteht, gegen den die zu verhütende Straftat sich richten könnte ( R G Z . Bd. 147 S. 144 [146]) mit weiteren Nachweisungen). Auch diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Es meint jedoch, daß die nach dem einmal eingetretenen und nicht mehr zu verhütenden Unfall noch verbleibende Möglichkeit der Fahrerflucht im Sinne des § 139 a StGB. — eingeführt durch die Verordnung zur Aenderung der Strafvorschriften über fahrlässige T ö t u n g , Körperverletzung und Flucht bei Verkehrsunfällen vom 2. April 1940 (RGBl. I S. 606) — sich als Straftat nicht gegen den einzelnen, und zwar auch nicht gegen den Unfallbeschädigten, richte. Dazu wird ausgeführt, der Zweck der Strafvorschrift bestehe darin, die Verkehrszucht zu sichern und bei Verstößen hiergegen eine Bestrafung des Täters sowie polizeiliche Maßnahmen — wie etwa die Entziehung des Führerscheins und dergleichen — gegen ihn zu ermöglichen. Wenn die Vorschrift daneben praktisch auch zur Sicherung von Haftpflichtansprüchen des Verletzten führe, so sei dies nur eine mittelbare Folge, die den Schutzgegenstand der Vorschrift nicht ändere. Selbst wenn also D. die Straftat der Fahrerflucht nicht verhindert habe, könne die Klage nicht darauf gestützt werden. Diese Erwägungen halten der Nachprüfung nicht stand. Die Verordnung vom 2. April 1940 ist nicht nur zwecks Erhöhung der Verkehrszucht, sondern auch aus Gründen der Gerechtigkeit erlassen worden. Tritt ein Unfall ein, so geht das Interesse der Verkehrsgemeinschaft dahin, daß die Ursachen eine möglichst erschöpfende Aufklärung finden, damit die erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen getroffen, strafbare Handlungen geahndet und bürgerlichrechtliche Ansprüche nach den Geboten der Gerechtigkeit befriedigt werden. Alle diese Interessen sind einander gleichberechtigt. Deshalb sind um ihrer Wahrung willen alle Verkehrsteilnehmer, die für die Verursachung des Unfalls in Frage kom19*

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mcn, verpflichtet, sich und gegebenenfalls ihr Fahrzeug zur Aufklärung des Sachverhalts zur Verfügung zu stellen. Dementsprechend bleibt audi der Kreis derer, die zu den erforderlichen Feststellungen berechtigt sind, nicht auf Beamte der Polizei beschränkt. Vielmehr hat nach dem Grundgedanken der Bestimmung jeder an dem Unfall Beteiligte gegenüber anderen Beteiligten das Recht auf Aufklärung, insbesondere aber der Verletzte selbst. Die Verordnung will hiernach auch den Schutz des einzelnen am Unfall Beteiligten wegen seiner bürgerlichrechtlichen Ansprüche gewährleisten. Würde etwa jemand dem schuldigen Fahrer zur Fahrerflucht verhelfen, so würde einleuchten, daß er damit ein zum Schutze der am Unfall Beteiligten — insbesondere des Beschädigten — erlassenes Gesetz verletzt und sich nach $ 823 Abs. 2 BGB. schadensersatzpflichtig macht. So umfaßt die in § 14 PolVerwG. wurzelnde Aufgabe der Polizei, der drohenden Gefahr einer Fahrerflucht vorzubeugen, zugleich den Schutz der am Unfall Beteiligten, um damit einen sonst zu gewärtigenden Anspruchsverlust für sie zu verhüten. Diese Amtspflicht liegt derPolizei also — entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts — auch Dritten gegenüber ob. Dabei ist freilich zu bemerken, daß von einer drohenden Gefahr im Sinne der oben genannten Bestimmung nur gesprochen werden kann, wenn die Gefährdung eine ernstliche und gegenwärtige ist und für den Eintritt der zu befürchtenden Nachteile nach den Erfahrungen des Lebens eine genügende große Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. D r e w s Preuß. Polizei-Recht, 5. Aufl., Bd. I S. 10). Zu beachten ist außerdem, daß die oben genannte Bestimmung die zu ergreifenden Maßnahmen dem pflichtgemäßen Ermessen der Polizei überläßt, wobei zuzugeben ist, daß einer drohenden Fahrerflucht unter regelmäßigen Umständen am leichtesten durch Feststellung der Personalien der Fahrer und der Kennzeichen des Fahrzeugs begegnet werden kann. Das Berufungsgericht ist allerdings auf anderem Wege zur Bejahung einer etwa gleichgerichteten Feststellungspflicht des Polizeibeamten D. gelangt. Es knüpft an die in Schrifttum und Rechtsprechung einhellig vertretene Auffassung an, daß die Polizeibeamten in Notfällen, wenn gerichtliche Hilfe nicht rechtzeitig erreichbar ist, nach § 14 PolVerwG. befugt sind, die Personalien eines Schädigers ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit seines Verhaltens dem Verlangen des Geschädigten gemäß festzustellen, um zu verhindern, daß dieser durch das Entweichen des unbekannt gebliebenen Schädigers einen Anspruchsverlust erleide ( D r e w s a. a. O. S. 24; Preuß. Oberverwaltungsgericht Bd. 87 S. 289). Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß der Feststellungsbefugnis der Polizei in solchen Fällen auch eine Feststellungspflicht entspreche und daß diese Pflicht eben dem Geschädigten gegenüber bestehe, und zwar besonders dann, wenn dieser selbst nicht in der Lage ist, für die Wahrnehmung seiner Belange zu sorgen. Wenn das Berufungsgericht diese — freilich schwächere — Begründung für das Bestehen einer Amtspflicht D.s zur

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Wahrnehmung der Belange des Klägers verwertet, so läßt sich dagegen nichts einwenden. Hervorzuheben ist allerdings, daß die den Standp u n k t des Berufungsgerichts tragenden Erwägungen im Grunde keine anderen sind als diejenigen, weldie f ü r das Sondergebiet der Verkehrsunfälle zu der obigen Auslegung des § 139 a StGB, und den daraus hergeleiteten Folgerungen zwingen. Die Ersatzpflicht der Beklagten hängt nach dem Vorstehenden von zwei Voraussetzungen ab, einmal davon, daß ohne das Eingreifen D.s f ü r den bewußtlosen Kläger die ernstlich drohende Gefahr des Anspruchsverlustes infolge etwaigen Entweichens der Kraftfahrer bestand und daß dies von D. hätte erkannt werden müssen, zum anderen davon, daß die Maßnahmen D.s den daran zu stellenden Anforderungen nicht entsprachen. Das Berufungsurteil führt zu dem ersten Punkt aus, die Gefahr des Entweichens der Kraftfahrer sei bei Kraftwagenunfällen grundsätzlidi immer gegeben. Diese Gefahr habe D. auch nicht um deswillen als beseitigt ansehen dürfen, weil die Kraftfahrer den Verletzten in Begleitung eines Zeugen ins Krankenhaus brachten. Er sei daher zum Nächstliegenden verpflichtet gewesen, nämlich die Namen der Kraftfahrer und die Nummer des Fahrzeugs festzustellen. Außerdem habe er mit der Personalienfeststellung bereits begonnen gehabt, indem er die Namen des Klägers und des Zeugen Kr. vermerkte. Schon deshalb sei er verpflichtet gewesen, diese Amtshandlung, soweit sie an O r t und Stelle ausgeführt werden konnte, ordnungsmäßig zu beenden. Denn in der Rechtsprechung sei anerkannt, daß sogar ein Beamter, der über seine Pflicht hinaus freiwillig eine Amtshandlung begonnen habe, diese ebenso ausführen müsse, wie wenn er dazu verpflichtet sei. Die von D. später dem Kr. gegenüber erklärte Weigerung habe sich nach dessen Aussage auch nur auf die Fahrt zur Unfallstelle bezogen. So habe D. pflichtwidrig gehandelt, indem er die begonnenen Feststellungen nicht zu Ende führte. Ihn treffe auch deshalb ein Verschulden, weil die Feststellung der Personalien und der Wagennummer nach Lage der Umstände f ü r einen Polizeibeamten hätte selbstverständlich sein müssen. Insofern sei es gleichgültig, ob er mit einer Fahrerflucht der Kraftfahrer nicht gerechnet habe; denn eine Voraussehbarkeit des Geschehensablaufs und des Schadens sei f ü r die Haftung aus § 839 BGB. nicht erforderlich. Ebenso könne dahinstehen, ob D. einen wichtigen wehrwirtschaftlichen Auftrag habe erledigen müssen; denn die ihm obliegenden Feststellungen hätten nur wenige Augenblicke in Anspruch genommen und ihn in der Erledigung seines Auftrags nicht wesentlich gehindert. D. habe endlich seine amtliche Tätigkeit nicht dadurdi als beendigt ansehen können, daß er den Kr. an einen anderen Polizeibeamten in U. verwiesen habe. Zum mindesten habe ihm selbst die Feststellung der Personalien und des Kennzeichens des Wagens sowie ein Bericht an seine Dienststelle obgelegen.

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Schuldrcdit, Besonderer Teil

Diese A u s f ü h r u n g e n begegnen mehrfach rechtlichen Bedenken. Allerdings kann der Revision nicht zugegeben werden, daß D. sein Eingreifen schon deshalb hätte verweigern dürfen, weil etwa der Polizeibeamte eines anderen Reviers f ü r die Bearbeitung des Verkehrsunfalls berufen war. Sollte es sich wirklich u m einen N o t f a l l u n d die unmittelbar drohende G e f a h r einer Fahrerflucht gehandelt haben, so wäre es selbstverständliche Pflicht D.s gewesen, Maßnahmen hiergegen zu treffen. O b indessen der Sachverhalt so gestaltet war, lassen die Feststellungen des Berufungsgerichts nidit zur Genüge erkennen. Sein Urteil läßt jede nähere Feststellung über den Verlauf u n d den Z u s a m m e n h a n g der V o r gänge vermissen, die sich nadi dem H i n z u k o m m e n des Polizeibeamten v o r dem K r a n k e n h a u s in W . abgespielt haben. Das Berufungsgericht hält, wie schon gesagt, eine drohende Gefahr der Fahrerflucht und des Ansprudisverlustes schon deshalb f ü r gegeben, weil bei Kraftwagenunfällen grundsätzlich immer mit einer solchen G e f a h r zu rechnen sei. Dieser Gesichtspunkt ist aber zu allgemein, u m eine ernstliche Gefahr der genannten A r t in jedem Einzelfalle zu rechtfertigen. Vielmehr kann i m m e r nur aus der besonderen Sachlage geschlossen werden, ob der Eint r i t t eines Ansprudisverlustes durch Fahrerflucht mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Nach dieser Richtung hin beschränkt sich aber das Berufungsgericht lediglich auf die Bemerkung, wenn die K r a f t f a h r e r zusammen mit Kr. den Kläger in das Krankenhaus eingeliefert hätten, so habe das die G e f a h r noch nicht beseitigt. Dabei ist offengeblieben, ob die Gefahr t r o t z d e m noch als eine ernsthaft d r o h e n d e angesehen werden konnte. Die Beklagte hatte f e r n e r in ihren Schriftsätzen darauf hingewiesen, der Verdacht der Fahrerflucht habe auch u m deswillen nicht a u f k o m m e n können, weil die K r a f t f a h r e r sich mit dem Vorschlage des Polizeibeamten einverstanden e r k l ä r t t hätten, u n t e r Mitn a h m e . des Kr. nach U. zu fahren, u m dort den Tatbestand durch den Revierbeamten Ko. a u f n e h m e n zu lassen; dort habe d a n n zugleich die Feststellung des Wagens und der Insassen am besten erledigt werden k ö n n e n . Uebrigens habe Kr. selbst keinen Verdacht geäußert. Er habe n u r die A u f n a h m e des Tatbestands, aber nicht der Personalien u n d der W a g e n n u m m e r verlangt. Hierauf hätte das Berufungsgericht näher eingehen müssen, bevor es zur Feststellung einer u n m i t t e l b a r d r o h e n d e n G e f a h r gelangte. Ebenso hätte das Vorbringen der Beklagten auch f ü r die weitere Frage Berücksichtigung verdient, ob D . nicht wenigstens eine e r n s t h a f t e G e f ä h r d u n g f ü r ausgeschlossen ansehen d u r f t e . Richtig ist zwar, daß es nicht darauf a n k o m m t , ob er mit einer solchen G e f a h r gerechnet oder nicht gerechnet hat. Dagegen war die Frage so zu stellen, o b er d a m i t nicht zu rechnen brauchte. Diese Frage ist v o m Berufungsgericht nicht ausreichend b e a n t w o r t e t worden. W e n n es meint, es k ö n n e auf die Voraussehbarkeit des Geschehensablaufs u n d des Schadenseintritts ü b e r h a u p t nicht a n k o m m e n , so v e r k e n n t es, daß die Pflicht D.s z u m E i n -

Staats- und Beamtenhaftung

295

schreiten gerade davon abhing, daß die Gefahr der Fahrerflucht und des Ansprudisverlustes als gegeben erschien. Beides mußte also mit genügender Wahrscheinlichkeit vorausgesehen werden können. So wäre schon an sich eine Pflichtwidrigkeit D.s nicht vorhanden, wenn keine ernsthafte Gefahrenlage bestand. Jedenfalls könnte aber auch dann nadi dem Zusammenhange der Dinge von einem Verschulden D.s nidit die Rede sein, wenn er die Gefahrenlage durch die zwischen Kr. und den Kraftfahrern getroffene Abrede als hinreichend beseitigt ansehen durfte. In dieser Hinsicht hätte das Berufungsgericht auch den naheliegenden Gesichtspunkt erörtern müssen, ob D. etwa davon ausgehen mußte, dem Kr. könne das Kennzeichen des Wagens, mit dem er selbst nach W. gefahren war, unbekannt geblieben sein, und ob er nicht als selbstverständlich annehmen mußte, Kr. habe auf das Kennzeichen geachtet, zumal da dieser unstreitig dessen Feststellung nicht besonders verlangt hat. Wenn aber davon ausgegangen werden konnte, daß dem Kr. das Kennzeichen des Wagens bekannt war, so würden möglicherweise damit schon etwaige Ansprüche des Klägers als hinreichend gesichert anzusehen gewesen sein. Die Revision beanstandet ferner mit Grund, daß das Berufungsgericht die Vorgänge vor dem Krankenhaus in W., ohne dafür eine tatbestandsmäßige Grundlage zu haben, in zwei selbständige Abschnitte zerlegt hat, nämlich den ersten, in dem D. mit der Vornahme einer Amtshandlung begonnen habe, und den späteren, in dem er sich geweigert habe, mit an Ort und Stelle zu fahren. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, warum beides nicht als zusammengehörig betrachtet worden ist. Das Berufungsgericht hat außerdem übersehen, daß der Beamte, der eine Amtshandlung beginnt, keineswegs gehindert ist, die von ihm begonnene Maßnahme zugunsten einer anderen abzubrechen, die ihm zweckmäßiger erscheint. Daher wäre hier zu fragen gewesen, ob nicht D . die vorläufigen Feststellungen der Personalien und der Wagennummer als entbehrlich ansehen und einstellen durfte, als feststand, daß Kr. mit den Kraftfahrern zur Aufnahme des Unfallhergangs nach U. fahren werde. Vor allem aber hat das Berufungsgericht außer acht gelassen, daß § 14 PolVerwG. die Wahl der zu treffenden Maßnahmen dem pflichtgemäßen Ermessen der Polizei überläßt. Ermessensmaßnahmen der Polizeibehörden wie überhaupt aller Verwaltungsbehörden können aber nach feststehender Rechtsprechung durch das Gericht nur daraufhin nachgep r ü f t werden, ob sie willkürlich oder in so hohem Maße fehlsam sind, daß sie den an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen schlechterdings nicht entsprechen. Audi die Verweisung der Beteiligten an den für U. zuständigen Revierbeamten würde eine amtliche Maßnahme des Polizeibeamten D. gewesen sein. Es hätte also darüber entschieden werden müssen, ob diese Verweisung an Stelle eigener Feststellungen nach Lage der Sache in dem obigen Sinne fehlerhaft und nicht zu verantworten war. Das Berufungsgericht hat jedoch eine Prüfung unter diesem Gesichtspunkte nicht vorgenommen.

Sachregister (Die Ziffern bedeuten die Seitenzahlen dieses Bandes) Ermittlungsstelle einer Stadtgemeinde 275 —, Amtspflichtverletzung eines Zollbeamten wegen unrichtiger — über Zollpflichtigkeit von Waren 50 Auslinder, Bekanntmachung der Verbürgung der Gegenseitigkeit bei Haftung des Staates gegenüber —n 145 —, Schutz des Art. 131 Reichsverfassung f. — 46 Ausländische Behörde, schuldhafte Amtspflichtverletzung bei unwahren Angaben eines Beamten über einen Dritten an eine — — 176 Ausschluß der Verantwortlichkeit einer Gemeinde für Beamte, die auf Gebühren angewiesen sind, Voraussetzungen 68 — der Amtshaftung bei Möglichkeit des Ersatzes aus Kranken- oder Unfallversicherung 211 Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne der Vorschriften über die Haftung der öffentlichrechtlichen Körperschaften 254 —, Haftung für die Amtspflichtverletzung in eines Kreiskommunalbeamten, der staatliche Geschäfte besorgte 107 —, wenn Polizeibeamter Dienstwagen eines Offiziers fährt? 185 — durch Polizeibeamte und Haftung des Staates, wenn dabei eine Person überfahren wird 56 — durch Schrankenwärter der Reichsbahn? 234 — bei Betreuung der Unternehmerarbeiter an der Reicksautobahn 266 —, Mitführen einer Dienstpistole durch uniformierten Grenzzollbeamten als 193

Abhanden gekommen, Beweislast bzgl. des Entschädigungsanspruchs, wenn beim Schuldner belassene Pfandsachen sind 90 Ablehnung, Amtspflicht eines Notars u. — der Beurkundung durch : Notar 31 ! Absuchen der Kartoffelfelder nach ; Kartoffelkäfern als Ausübung öffentlicher Gewalt 268 Amtspflichtverletzung eines Beamten 1—Ende AmtsTonnundschaft, irrtümliche ; Vollstreckung durch — bzgl. eines unterhaltspflichtigen Erzeugers wegen unrichtiger Aus- ; kunft der Ermittlungsslelle einer i Stadtgemeinde 75 Anrechnung der Leistungen aus ; einer Unfallversicherung auf ! Schadensersatzanspruch gegen j Staat wegen Amtspflichtverletzung eines Beamten 202 Armenrecht, stellt Bewilligung des j —s für aussichtslose Sache rieh- i terliche Amtspflichtverletzung dar? 189 | Arresthypothek, Eintragung einer . — auf mehreren Grundstücken als j Gesamthypothek entgegen der Vorschrift des § 932 Abs. 2 i ZPO. 240 Aufklärungspflicht, Zwangsversteigerung eines Grundstücks durch Sparkasse als Hypothekengläubigerin und — gegenüber dem Schuldner 19 Aufrechnung, Tilgung des Gehaltsvorschusses eines Beamten durch ! — mit unpfändbarem Gehaltsteil I 67 Aufsichtsrecht des Staates bzgL Stiftungen. Umfang 214 j Aufstellung, Verantwortlichkeit für B gefährliche — eines VerkehrsBeamte, zur Haftung des Reichs für zeichens 229 seine —n 1—Ende, 25 Auskunit, irrtümliche Vollstreckung Beamten- und Staatshaftung 1—Ende durch Amtsvormundschaft bzgl. Beamtenbegrifi nach § 1 preuS. eines unterhaltspflichtigen ErStaatshaftungsgesetz 165 zeugers wegen unrichtiger — der 1

297

Sachregister Beamtenhaltung und Voraussetzungen des S 839 Abs. 1 Satz 2 , BGB. 27; und Vorschriften über unerlaubte Handlungen 176 Beamter, eine Haftung des —n gegenüber Staat wegen Amtspflichtverletzung bei Arbeitsüberlastung 63 —, Tilgung des Gehaltsvorschusses < eines —n durch Aufrechnung mit I unpfändbarem Gehaltsteil 67 Bekanntmachung der Verbürgung ] der Gegenseitigkeit bei Haftung des Staates gegenüber Ausländern 145 Belastung mit Schulden kein zu ersetzender Schaden im Sinne der I §§ 249, 839 B G B . ? 130 Belehrangsplllcht des Notars 120, ; 138, 167 Bemessung des Schmerzensgeldes bei Amtshaftung 238 Berechnung, Haftung des Notars für i zu hohe — eines Stempels 84 i Betrieb) Unfall „beim — " eines still- | stehenden Kraftfahrzeugs 53 Betrag, Haftung des Postfiskus für : Vermögensschaden der dem In- i haber eines Postscheckkontos j durch — eines Dritten und eines j Angestellten erwachsen ist 40 Beurkundung, Amtspflichtverletzung j des Prozeßrichters bei — eines j Vergleichs durch Versäumung der • Prüfung der Vollmacht des Ver- j treters 66 Bewahrnngspflicht bei Pfandsachen, die der Vollziehungsbeamte für : Steuern gepfändet, aber nicht ! weggeschafft hat 92 Beweis des ersten Anscheins 71 Beweisaufnahme, richterliche Amtspflichtverletzung bei überflüssi- ' ger — mit Haftungsfolgen? 189 Beweislast bzgl. des Entschädi- , gungsanspruchs, wenn beim ; Schuldner gelassene Pfandsachen abhanden gekommen sind 90 Blankobeglanbigung, Aushändigung einer — durch Notar 14 Bürovorsteher, Vorbereitung eines notarischen Aktes durch — 223 * —, Haftung eines Notars für falsche 1 Rechtsauskünfte seines —s 223

D Dienstreise, Haftung der Reichspost für Verschulden ihrer Beamten auf —n in beamteneigenen Kraftwagen 247 Dienstwaife, Mitführen einer — durch uniformierten Grenzzollbeamten als Ausübung öffentlicher Gewalt 193 Dienstwagen, Ausübung öffentlicher Gewalt, wenn Polizeibeamter — eines Offiziers fährt? 185 Dritter im Sinne v. § 839 BGB. bei Amtspflichtverletzung von Handelsregisterführern 66 Dnrchgehen eines Pferdegespanns und typischer Geschehensablauf 71 E Eignes Verhalten des Verletzten und Grundsatz über mitwirkendes Verschulden bei der Entstehung von Schadensersatzansprüchen 282 Einschreiten, Amtspflicht der Polizei zum — gegen Rechtsbrecher auch gegenüber Eigentümer der gefährdeten Sache 127 Entschädigungspflicht, staatliche, für hoheitsrechtliche Eingriffe 33 Ermittlungsstelle, irrtümliche Vollstreckung durch AmtsvormundSchaft bzgl. eines unterhaltspflichtigen Erzeugers wegen unrichtiger Auskunft der — einer Stadtgemeinde 275 Ersatzmöglichkeit, anderweitige, im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. 205, 254 —, anderweitige, bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung 222 —, anderweitige, wenn neben Haftung des Staates wegen Amtsverschulden eines Beamten, zugleich Haftung des Beamten als Halter des schadenstiftenden Kraftfahrzeugs begründet ist 247 —, Lebensversicherungsanspruch als anderweitige — nach § 839, Abs. 1 Satz 2 BGB. 186 —, Wegfall der Schadensersatzpflicht nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. bei Nichtausschöpfung der —

29S

Sachregister

durch Versäumung der Berufung 138 —, anderweitige, aus einem Versicherungsvertrage im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. 286 —, bietet gegenüber Anspruch auf Schmerzensgeld, Entschädigungsforderung aus Versicherungsvertrag anderweitige — 272 Erster Anschein, Beweis des —n —s 71 F Fahrerflacht als Schutzgesetz zugunsten der an einem Verkehrsunfall Beteiligten 288; —, Amtspflicht der Polizei zur Verhinderung der — 288 Fahrlässige Amtspflicht Verletzung und anderweitige Ersatzmöglichkeit 222 —, Klagebegründung bei —r — 87; — —, Feststellungsklage gegenüber Beamten wegen —r — 87 Fernsprechleitung, Haftung der Post für Sachschaden eines Grundstückseigentümers durch Legung einer — durch dessen Luftraum 58 Feststellungklage gegenüber Beamten wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung 87 Fortschreibung, Haftung des Staates für Katasterbeamten, der durch Fahrlässigkeit bei — der Gebäudesteuerrolle unrichtige Bestandsangaben ins Grundbuch gelangen läßt 139 G Gebühren, Ausschluß der Verantwortlichkeit für Beamte, die auf — angewiesen sind, Voraussetzungen 68 Gebührenansproch des Notars für seine Amtstätigkeit 112 Gehaltsvorschui, Tilgung durch Aufrechnung mit unpfändbarem Gehaltsteil 67 Gemeinde, Haftung einer — gegenüber Krankenkasse wegen Veruntreuungen von Geldern in einer von der Gemeinde für die Kran-

kenkasse eingerichteten Zahlstelle 48 Gerichtsvollzieher, Amtspflicht des —s, Umfang 107, 124, 174 —, Verschulden des —s bei vorzeitiger Pfändung 6 Gesamthypothek, Eintragung einer Arresthypothek auf mehreren Grundstücken als — entgegen der Vorschrift des § 932 Abs. 2 BGB. 240 Gesetzesauslegong, Verschulden eines richterlichen Beamten bei unrichtiger — 67 Grundbuch, Haftung des Staates für Katasterbeamten, der durch Fahrlässigkeit bei Fortschreibung der Gebäudesteuerrolle unrichtige Bestandsangaben ins — gelangen läßt 139 Grundbuchbeamter, Haftung des Staates für Amtspflichtverletzung eines —n 1 —, Amtspflichtverletzung eines —n durch Vorspiegelung, er sei für Hinterlegung von Geldern zuständig und diese unterschlägt? 135 Grundgesetz, Bonner s. Reichsverfassung Grundstückeigentümer, Haftung der Post für Sachschaden eines —s durch Legen einer Fernsprechleitung durch dessen Luftraum 58 Gutachten, Unterlassungsund Widerrufsklage gegen Beamten mit der Behauptung, er habe in einem — schuldhaft unwahre Angaben gemacht 154 H Haftung des Staates für seine Beamten 1—Ende Handelsregister, Prüfungspflicht des Kaufmanns bzgl. der Mitteilung des Registergerichts über eine Eintragung im — 67 Handelsregisterführer, Dritter im Sinne des § 839 BGB. bei Amtspflichtverletzung von —n 66 Hinterlegung, Amtspflichtverletzung eines Grundbuchbeamten durch Vorspiegelung, er sei für — von

299

Sachregister diese Geldern zuständig und u n t e r s c h l ä g t ? 135 Hoheitliche Gewalt, Ausübung — r — b e i S p a r k a s s e n ? 19 Hoheitsakte s. Aufübung öffentlicher Gewalt Hoheitsrechtliche Eingriffe, staatliche Entschädigungspflicht für 33 K Kartoffelkäfer, A b s u c h e n der K a r toffelfelder n a c h — n als A u s übung ö f f e n t l i c h e r G e w a l t 2 6 9 Katasterbeamte, Verletzung einer A m t s p f l i c h t durch — 25 — , Haftung des S t a a t e s für — n , der durch F a h r l ä s s i g k e i t b e i F o r t schreibung der Gebäudesteuerrolle unrichtige B e s t a n d s a n g a b e n ins G r u n d b u c h gelangen läßt 139 Kaufmann, Prüfungspflicht des — s bzgl. der Mitteilung des R e g i s t e r gerichts ü b e r eine Eintragung im H a n d e l s r e g i s t e r 67 Klagebegründung bei Schadensersatzansprüchen wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung 87 Kraftfahrer, Amtspflicht e i n e s b e a m t e t e n — s gegenüber Personen, die u n b e r e c h t i g t auf dem W a g e n m i t f a h r e n ? 282 Kraftfahrzeug, Unfall „beim B e t r i e b " e i n e s stillstehenden — s 53 Kraftfahrzeughalter, Haftung des R e i c h ? als — und aus A m t s pflichtverletzung des das K F G . führenden B e a m t e n , Zusammentreffen 199 Kraftwagen, Haftung der R e i c h s p o s t für V e r s c h u l d e n ihrer B e a m t e n auf Dienstreise in beamteneigenem — 247 Krankenkasse, Haftung e i n e r G e meinde g e g e n ü b e r einer — w e gen Veruntreuungen von G e l dern in e i n e r von der G e m e i n d e für die — e i n g e r i c h t e t e n Zahlstelle 4 8 Krankenversicherung, Ausschluß der Amtshaftung b e i M ö g l i c h k e i t des E r s a t z e s aus — 211 Kreiskommunalbeamter, Haftung für die Amtspflichtverletzung in Ausübung öffentlicher Gewalt

e i n e s — n , der s t a a t l i c h e s c h ä f t e b e s o r g t e . 107

Ge-

L Land, Haftung des R e i c h s oder des — e s für A m t s v e r s e h e n von B e a m t e n der mit der V e r w a l t u n g der Reichswasserstraßen betrauten L a n d e s b e h ö r d e n 56

Lebensversicherungsanspruch

als

anderweitige Ersatzmöglichkeit nach § 8 3 9 A b s . 1 S a t z 2 B G B . 185 Luftraum, Haftung der Post für Sachschaden eines Grundstückseigentümers durch L e g e n e i n e r F e r n s p r e c h l e i t u n g durch dessen — 58

M Mitwirkendes Verschulden, Haftung des S t a a t e s für A m t s p f l i c h t v e r letzung seines B e a m t e n und 115 — , eigenes Verhalten des Verletzten und G r u n d s a t z über m i t w i r k e n des V e r s c h u l d e n b e i der E n t stehung von Schadensersatzansprüchen 282

N Notar, A m t s h a f t u n g des preuß. Notars und s e i n e s V e r t r e t e r s 109 — , A m t s p f l i c h t e i n e s — s und A b lehnung der B e u r k u n d u n g e i n e r V e r t r a g s e r k l ä r u n g 31 — , Aushändigung einer Blankobeglaubigung durch — 14 — , V e r l e t z u n g der Belehrungspflicht durch — 120, 138, 167 — , Haftung des — s für zu hohe B e rechnung eines S t e m p e l s 84 — , A m t s p f l i c h t eines — s und v e r tragliche Bindung 10 — G e b ü h r e n a n s p r u c h des «—s für Seine A m t s t ä t i g k e i t 112 —, Amtspflichtverletzung des —s durch Unterlassung der ihm n a c h dem Z u w a c h s s t e u e r g e s e t z o b l i e genden Mitteilung an Steuerb e h ö r d e 76 — , unwichtige Abfassung einer U r kunde durch — , V e r l e t z u n g e i n e r

300

Sachregister

O OeHentliche Gewalt, s. Ausübung öffentliche Gewalt Oeiientlichrechtliche Bewahrungspflicht bei Sachen, die der Vollziehungsbeamte für Steuern gepfändet, aber nicht weggeschafft hat 92

dem Inhaber eines —s durch Betrug eines Dritten und eines Angestellten erwachsen ist 40 Prozefirichter, Amtspflichtverletzung des —s bei Beurkundung eines Prozeßvergleichs durch Versäumung der Prüfung der Vollmacht eines Vertreters 66 Prüfongspilicht des Kaufmanns bzgl. der Mitteilung des Registergerichts über eine Eintragung im Handelsregister 67

P Pfandsachen, Beweislast bzgl. des Entschädigungsanspruchs, wenn beim Schuldner gelassene — abhanden gekommen sind 90 Pferdegespann, typischer Geschehensablauf durch Durchgehen eines —s 71 Polizei, Amtspflicht der — zur Verhinderung der Fahrerflucht 288 —, Pflicht der — zur Vorführung eines vorläufig Festgenommenen 79 —, Amtspflicht zum Einschreiten gegen Rechtsbrecher auch gegenüber Eigentümer der gefährdeten Sache 127 Polizeibeamter, Ausübung öffentlicher Gewalt, wenn — Dienstwagen eines Offiziers fährt 185 —, Verletzung der Schweigepflicht durch —n 17 —, Ausübung öffentlicher Gewalt durch —n und Haftung des Staates dafür, wenn dabei eine Person überfahren wird 56 Post, Haftung der — für Verschulden ihrer Beamten auf Dienstreise in beamteneigenem Kraftwagen 247 —, Haftung der — für Sachschaden eines Grundstückseigentümers durch Legung einer Fernsprechleitung durch dessen Luftraum 58 —, Haftung der — für Vermögensschaden, der dem Inhaber eines Postscheckkontos durch Betrug eines Dritten und eines Angestellten erwachsen ist 40 Postscheckkonto, Haftung des Postfiskus für Vermögensschaden, der

Rat, Haftung des Vormundschaftsrichters für unrichtigen — in einer Pflegschaft 6 Rechtsauskfinite, Haftung des Notars für falsche — seines Bürovorstehers 223 Rechtsbeheli im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB. 158 —, Bedeutung des unterlassenen —s, wenn dadurch zwar Beseitigung der schädigenden Amtshandlung, nicht aber Abwendung des Schadens zu erreichen gewesen wäre 240 Rechtsbrecher, Amtspflicht der Polizei zum Einschreiten gegen — auch gegenüber Eigentümer der gefährdeten Sache 127 Rechtsmittel, ordnungsgemäßer Gebrauch eines —s 96 Rechtsschutzklausel in zwischenstaatlichen Verträgen, allgemeine Bedeutung 145 Rechtsweg wegen Verschulden eines Beamten bei einem Gutachten 154 Reich, zur Haftung des —s für seine Beamten 25 —, Haftung des —s oder des Landes für Amtsversehen von Beamten der mit Verwaltung der Reichswasserstraßen betrauten Landesbehörden 56 Reichsantobahnen oder Reichsbahn, Haftung für den Schaden, den ein dem Unternehmen — zugegeteilter Beamter Dritten zuffigt 266 Reichsbahn, Ausübung hoheitlicher Gewalt durch Schrankenwärter der — 234

Amtspflicht oder einer Vertragspflicht? 22

R

Sachregister Reichsverfassang, Schutz des Art. 131 der — für Ausländer? 46 —, Art. 131 der —, sofortiges unmittelbares Recht 33 Reichs Wasserstraßen, Haftung des Reichs oder des Landes für Amtsversehen von Beamten der mit der Verwaltung der — betrauten Landesbehörden 56 Richterlicher Beamter, Verschulden eines- —n — bei unrichtiger Gesetzesauslegung 67; bei Bewilligung des Armenrechts für eine aussichtslose Sache 189 S Schadensersatzpflicht bei einem Schiffszusammenstoß 25 SchilfaMammen* toß, Schadensersatzpflicht bei einem — 25 —, Haftung des Reichs bei einem — 149 Schmerzensgeld bei Amtshaftung, Bemessung 238 —, bietet gegenüber Anspruch auf — Entschädigungsforderung aus einem Versicherungsvertrag anderweitige ErsatzmSglichkeit' im Sinne des § 839 BGB. 272 Schrankenwärter, Ausübung hoheitlicher Gewalt durch — der Reichsbahn 234 Schmiden, Belastung mit — kein zu ersetzender Nachteil im Sinne des § 249, 839 BGB. 130 Scholdhafte Amtspflichtverletzung bei unwahren Angaben eines Beamten über einen Dritten an ausländische Behörde 176 Schutzgesetz, Fahrerflucht als — zugunsten der an einem Verkehrsunfall Beteiligten 288 SchtttzTorschriit des § 839 Abs. 1 BGB. u. Verletzung von Straßenverkehrsvorschriften eines im Unternehmerbetrieb einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft tätigen Beamten 102 Schweigepflicht, Verletzung der — durch Polizeibeamte 17 Sparkasse, Haftung einer — für ihre Beamten in Angelegenheiten ihrer Vermögensverwaltung 19

301

—, Zwangsversteigerung durch — als Hypothekengläubigerin und Aufklärungspflicht gegenüber dem Schuldner 19 Staat, Haftung des —es nach dem preußischen Gesetz v. 1. 8. 1909 25 Staatsanwaltschaft, Begründung einer Amtspflicht der — gegenüber Verletzten nach § 152 Abs. 2 StPO? 183 Staatshaltung nach § 839 BGB. in Verb, mit d. Staatshaftungsges. und Haftung aus unerlaubter Handlung, Zusammentreffen 164 Staats- u. Beamtenhaftnng 1—Ende Stadtgemeinde, irrtümliche Vollstreckung durch Amtsvormundschaft bzgl. eines unterhaltspflichtigen Erzeugers wegen unrichtiger Auskunft einer Stadtgemeinde 275 Stfidtische Beamte, Erstreckung der Amtspflicht —r —r auf selbständige, allerdings von der Stadt verwaltete Stiftungen 214 Stempel, Haftung des Notars für zu hohe Berechnung eines —s 84 Stenerbeamte, Amtspflicht der —n gegenüber Steuerschuldnern, Umfang 244 Steuerbehörde, Amtspflichtverletzung des Notars durch Unterlassung der ihm nach dem Zuwachssteuergesetz obliegenden Mitteilung an — 76 Steaerermittlnngsverfahren, Amtspflichtverletzung im — 151 Stenerlisten, unrichtige Führung der — als Amtspflichtverletzung 244 Stiftungen, Erstreckung der Amtspflicht städtischer Beamter auf selbständige, aber von der Stadt verwaltete — 214 Straßenverkehrsvorschriften, Verletzung von — eines im Unternehmerbetrieb einer öffentlichrechtlichen Körperschaft tätigen Beamten und die Schutzvorschrift des § 839 Abs. 1 BGB. 102 Strombanarbeiter, Haftung des Staates für — 164

Sachregister

302 T

Türkische Staatsangehörige) Staatshaftung gegenüber —n —n 145 Typischer Geschehensablani, Durchgehen eines Pferdegespanns und 71 U Uebcriahren, Ausübung öffentlichei Gewalt durch Polizeibeamte und Haftung des Staates dafür, wenn dabei eine Person — wird 56 Ueberlastung, keine Haftung des B e amten wegen Amtspflichtverletzung gegenüber Staat bei — 63 Unerlaubte Handinngen und Beamtenhaftungsvorschrift nach § 839 B G B . Verhältnis zueinander 164, 176 Uniall „beim B e t r i e b " eines stillstehenden Kraftfahrzeugs 53 Unfallversicherung, Ausschluß der Amtshaftung bei Möglichkeit des Ersatzes aus — 211 —, Anrechnung der Leistungen aus einer — auf Schadensersatzanspruch gegen Staat wegen Amtspflichtverletzung eines Beamten 202 Uniformierter Grenzzollbeamter, Mitt l r e n einer Dienstwaffe eines —n —n auf einem privaten Gang als Ausübung öffentlicher Gewalt? 193 Unterlassener Rechtsbeheli, Bedeutung des —n —s, wenn dadurch zwar Beseitigung der schädigenden Amtshandlung nicht aber Abwendung des Schadens zu erreichen gewesen wäre 240 Unterlassungs- und Widerrnisklage gegen Beamten mit der Behauptung, er habe in einem Gutachten schuldhaft unwahre Angaben gemacht 154 Unternchmerbetrieb, Verletzung von Straßenverkehrsvorschriften eines im — einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft stehenden Beamten und Schutzvorschrift des § 839 Abs. 1 B G B . 102 Unrichtige Führung der Steuerlisten als Amtspflichtverletzung 244

Unrichtiger Rat, Haftung des Vormundschaftsrichters für —n — in einer Pflegschaft 6 Unwahre Angaben, Unterlassungsund Widerrufsklage gegen einen Beamten mit der Behauptung, er habe in einem Gutachten — — gemacht 154 Ursächlicher Zusammenhang zwischen pflichtwidrigem Unterlassen eines Beamten und schädlichem Erfolg, wenn bei pflichtmäßigem Handeln derselbe E r folg eingetreten wäre 120 V Verbürgung der Gegenseitigkeit, B e kanntmachung der — — — bei Haftung des Staates gegenüber Ausländern 145 Vergleich, Amtspflichtverletzung des Prozeßrichters bei Beurkundung eines —s durch Versäumung der Prüfung der Vollmacht des V e r treters 66 Verjährung nach § 852 Abs. 1 und § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . 220 Verjährungsbeginn bei Schadensersatzansprüchen wegen Amtspflichtverletzung 87 Verkehrszeichen, Verantwortlichkeit für gefährliche Aufstellung eines —s 229 Verletzter, Begründung einer Amtspflicht der Staatsanwaltschaft gegenüber —m nach § 152 S t P O . ? 183 Verletzung der Amtspflicht eines Beamten 1—Ende Versailler Vertrag und Haftung des Reichs für seine Beamten bzgl. Fremdstaaten 46 Verschulden des Gerichtsvollziehers bei vorzeitiger Pfändung 6 — eines richterlichen Beamten bei unrichtiger Gesetzesauslegung 67; bei unrichtiger Bewilligung des Armenrechts Versicherungsvertrag, anderweitige Ersatzmöglichkeit aus einem — im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B . 286 —, bietet gegenüber Anspruch auf Schmerzensgeld Entschädigungs-

303

Sachregister forderung aus — anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 B G B . ? 272 Vertragliche Bindung, Amtspflicht eines Notars und 10 Veruntreuung) Haftung einer Gemeinde gegenüber einer Krankenkasse wegen —en von Geldern in einer von der Gemeinde für die Kasse eingerichteten Zahlstelle 48 Vollziehungsbeamte, öffentlichrechtliche Bewahrungspflicht bei Sachen, die der — für Steuern gepfändet, aber nicht weggeschafft hat 92 Vorläufig Festgenommener, Pflicht der Polizei zur Vorführung eines n 79 Vormundschaltsrichter, Haftung des —s für unrichtigen Rat in einer Pflegschaft 6 Vorspiegelung, Amtspflichtverletzung eines Grundbuchbeamten durch —, er sei für Hinterlegung von Geldern zuständig und diese unterschlägt 135 Vorzeitige Pfändung, Haftung des Gerichtsvollziehern für 6 w Wegfall der Schadensersatzpflicht nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. bei Nichtausschöpfen der Ersatz-

möglichkeit durch der Berufung 158

Versäumung

Z Zollbeamter, Amtspflichtverletzung eines —n wegen unrichtiger Auskunft über Zollpflichtigkeit von Waren 50 Zusammentreffen aus § 839 BGB. in Verb. m. d. Staatshaftungsges. und Haftung aus unerlaubter Handlung 164 — der Haftung des Reichs als Kraftfahrzeughalter und aus Amtspflichtverletzung des das KFG. führenden Beamten 199 Zwangsmieter, Haftung der Gemeinde für Zuweisung eines —s gegenüber Verfügungsberechtigten 96; für zahlungsunfähigen — 96 Zwangsversteigerung eines Grundstücks durch Sparkasse als Hypothekengläubigerin und Aufklärungspflicht gegenüber dem Schuldner 19 Zwangsversteigerungsgesetz § 128 222 Zwischenstaatliche Verträge, allgemeine Bedeutung der Rechtsschutzklausel bei —n —n 145 Zuwachssteuergesetz, Amtspflichtverletzung des Notars durch Unterlassung der ihm nach dem — obliegenden Mitteilung an Steuerbehörde 76

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Auswahlsammlung der noch wichtigen Entscheidungen nach Fachgebieten geordnet Nach Abschluß der Gruppe I, Bürgerliches Recht beginnt zu erscheinen aus Gruppe III, Handelsrecht

„Recht der Handelsgesellschaften" 3 bis 4 Bände Herausgegeben von Rechtsanwalt Dr. W a l t e r S c h m i d t , Düsseldorf Gruppe IV

Patentwesen, Urheber- und Erfinderrecht, Verlagswesen, Wettbewerbs wesen, Gebrauchsmusterschutz Herausgegeben von Präsident Dr. E y l a u , München Sämtliche Bände sind in Halbleinen gebunden und kosten je nach Umfang DM 12,— bzw. DM 9,— Der Bezug eines Bandes aus einer Gruppe verpflichtet zur Abnahme der gesamten Gruppe

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