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German Pages 388 [392] Year 1952
Entscheidungen
des Reichsgerichts in Zivilsachen Sammlung der noch wichtigen Entscheidungen nach Fachgebieten geordnet Herausgegeben von Professor Dr. L. Auerbach, Berlin, Präsident des Reichspatentamtes a. D., Dr. Johannes Eylan, Manchen, Rechtsanwälte Charlotte Graf, Berlin, Ministerialdirektor z . V v , Senatspräsident Dr. Ernst Knoll, Berlin, Rechtsanwalt Erich Kummerow, Berlin, RechtsanwahHermann Reusa, Berlin, Rechtsanwalt Dr. Walter Schmidt, Düsseldorf, Landgerichtsdirektor Alexander Swarzenski, Berlin, Rechtsanwalt Dr. Werner Vahldiek, Berlin Gruppe I Bürgerliches
Recht
Recht der Schuldverhaltnisse Teil 8
Berlin
1952
Walter de Gruyter & Co. vormals C. J . Göschen'sche Verlagshandlung / J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung / Georg Reimer / Karl J . Trübner / Veit & Comp.
Recht der Schuldverhältnisse Herausgegeben von
Dr. Ernst Kiioll Ministerialdirektor z. Wv. Senatspr&sident
Teil 8
B e r l i n 1952
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Gö«hen'»che Verlagshandlung / J . Gattentag, Verlagtbnehhandlnng / Georg Reimer / Karl J . Trflbner / Veit & Comp.
Archiv-Nr. 28 17 52 S a t z u n d D r u c k : A. \V. H a v n ' s
Erbe«, Berlin
S O 36
V
Inhaltsverzeichnis Seite
Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen
VII
Recht der Schuldverhältnisse Teil 8
Besonderer Teil Bürgschaft
(Fortsetzung)
Vergleich
1 83
Schuldversprechen — Schuldanerkenntnis
116
Anweisung
. . . . . '
140
Schuldverschreibung auf den Inhaber
163
Vorlegung von Sachen
177
Ungerechtfertigte Bereicherung
186
Sachregister
386
v n
Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen ans der alten Sammlung KGZ.
50, 60
50, 219
52, 236 54, 137 54, 165 58, 200 58, 204 59, 374 60, 24 60, 284 61, 318 63, 346 63, 423 64, 108 67, 262 67, 321 71, 102 73, 143 74, 339 75, 259 75, 361 76, 239 78, 41 78, 71 78, 163 78, 282 79, 240 81, 261 85, 293 86, 301 86, 343 87, 36 88, 134 90, 137 90, 211 93, 227 93, 271 94, 85 94, 253 95, 9 95, 18 95, 126 96, 133 98, 64 98, 131
Seite
370
376
381 186 83 110 190 163 193 198 112 206 214 140 115 218 117 222 119 164 224 177 226 231 122 232 85 233 237 127 240 246 145 252 171 252 252 1 253 9 130 256 12 260 263
|
RGZ.
Seite
98, 176 99, 161 102, 51 102, 155 104, 50 105, 29 105, 32 105, 48 105, 270 106, 26 106, 44 106, 311 108, 105 108, 410 111, 151 111, 298 117, 1 117, 332 118, 185 118, 358 119, 163 119, 332 120, 280 122, 146 126, 121 126, 287 127, 126 130, 69 131, 278 132, 238 133, 275 133, 293 134, 141 136, 40 136, 178 137, 34 137, 171 137, 356 138, 45 . 138, 122 138, 270 139, 252 140, 216 143, 192 144, 24
133 263 14 147 268 269 150 153 272 158 274 17 276 133 282 286 19 182 292 22 294 300 306 25 27 29 86 309 89 309 313 316 319 35 39 40 321 321 323 329 42 45 47 50 332
VIII RGA
144, 144, 144, 145, 145, 146, 146, 146. 148^ 149, 150, 151, 151, 151,
89 93 133 167 229 67 355 376 65 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 77 123 361 379
Seite
RGZ.
334 336 136 53 56 60 339 63 63 95 67 339 344 68
153, 153, 153, i53i tu
Seite
65 123 338 356 -iqc Hl
158, 3 1 5
159, 160, 161. 163, 165, 171,
264 134 52 91 146 83
163 69 74 98 -tfjk in? 19? 360
107 146 363 82 184 37«
Die Entscheidungen sind grundsätzlich — von unwesentlichen Streichungen abgesehen — ungekürzt gebracht worden. Ausnahmsweise gekürzte Entscheidungen sind mit einem f gekennzeichnet. Soweit eine Entscheidung mehrere Fachgebiete betrifft, ist sie nur in einem Fachgebiet aufgenommen worden. Die anderen Gebiete enthalten nur den Leitsatz der betreffenden Entscheidung mit einem Hinweis, wo der vollständige Abdruck erfolgt ist. Um das Auffinden der Entscheidungen zu erleichtern, wird am Schluß der Sammlung ein Gesamt-Fundstellenregister erscheinen, in dem alle Entscheidungen der amtlichen Sammlung verzeichnet sind. Die in der Sammlung abgedruckten Entscheidungen sind nach der Fundstelle der alten und der neuen Sammlung zitiert; bei den nicht aufgenommenen findet sich ein Hinweis über den Grund des Ausscheidens.
Besonderer Teil Bürgschaft (Fortsetzung) RGZ. 94, 85 1. Stellt die zu dem wirtschaftlichen Zwecke eines Einstehens für fremde Schuld eingegangene Wechselverpflichtung einen Bürgschaftsvertrag dar dergestalt, daS die Schriftform des Wechsels die in § 766 BGB. vorgesehene schriftliche Form für die Bürgschaftserklärung ersetzt und demgemäß auch auf den zahlenden Wechselverpflichteten die durch den Wechsel gesicherte Forderung auf Grund des § 774 BGB. übergeht 7 2. Entsprechende Anwendung des § 774 BGB.? 3. Wirkung einer Einschränkung des Antrags des Berufungsbeklagten für die Rechtskraft des ersten Urteils. 4. Vertragsverletzung bei der Weiterbegebung eines Garantiewechsels durch Unterlassung der Mitteilung eines Abkommens, wonach die Unterzeichner des Wechsels aus diesem nur beschränkt und erst dann in Anspruch genommen werden sollen, wenn alle anderen Sicherheiten erschöpft sind. B G B . §§ 765, 774 Abs. 1. ZPO. § 525. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Dortmund.
Urt. v. 30. Oktober 1918. II. Oberlandesgericht Hamm
Die Haupt-Ein- und Verkaufsgenossenschaft für Getreide und landwirtschaftliche Bedarfsartikel für Westfalen, E. Genossenschaft m. b. H. in D., geriet Anfang 1903 in Zahlungsschwierigkeiten. Sie war schon vorher von der Zentralkasse des Bundes der Landwirte und von der mit dieser in Verbindung stehenden Preußischen Zentralgenossenschaftsikasse (Preußenkasse) in Berlin gegen Sicherheiten durch Kredite unterstützt worden. Die Zentralkasse schrieb am 26. Februar 1903 an den Kläger, der Vorsitzender des Aufsichtsrats der notleidenden Genossenschaft war, die Preußenkasse sei bereit, der Zentralkasse für die Genossenschaft das zur Behebung der Schwierigkeiten erforderliche Kapital von 500 000 M. zur Verfügung zu stellen, wenn sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrats der Genossenschaft einen Garantiewechsel unterzeichneten. In einer Sitzung des Aufsichtsrats und des Vorstandes der Genossenschaft vom 2. März 1903 wurde die Hingabe eines solchen Garantiewechsels beschlossen, der von acht Personen, darunter dem Kläger, gezeichnete Wechsel wurde dem Zivil«. S(4iulur«- Analysentoleranz, Spezialmarke für Verzinkereien, frei Waggon Werk zur Verfügung." Fünf solcher Scheine händigte die Firma W. B . & Co. durch Vermittelung ihres Bankhauses G. H. & Co. der Klägerin aus, welche von ihr am 16. Mai 1922 50 t Zink gekauft und den Kaufpreis bezahlt hatte. Die Beklagte verweigerte jedoch die Lieferung des Zinks. Die Klägerin setzte ihr daher eine Frist zur Lieferung und erhob nach fruchtlosem Ablauf der Frist Klage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wandte ein, daß sie zur Lieferung des Zinks nicht verpflichtet sei, weil die Firma W. B . & Co., die inzwischen zahlungsunfähig geworden und in Konkurs geraten sei, die ihr obliegende Gegenleistung, nämlich die Be-
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Schuldrecht, Besonderer Teil
Schaffung des Rohzinks, bisher unterlassen habe. Das Landgericht erklärte den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Das Oberlandesgericht wies die 'Berufung der Beklagten zurück. Auch ihre Revision blieb erfolglos. Gründe: Das Berufungsgericht hat mit eingehender Begründung dargelegt, daß die von der 'Beklagten ausgestellten Bezugsscheine sowohl ihrem Inhalte nach als auch mit Rücksicht auf ihren Zweck, durch Vermittlung eines Bankhauses weiter in den Verkehr gesetzt zu werden, als selbständige Schuld versprechen im Sinne des § 780 ¡BGB. angesehen werden müßten. Diese Ansicht erscheint durchaus zutreffend. Die Erklärung der Beklagten, gegen den Schein die darin verbriefte Menge Zink zur Verfügung zu stellen, läßt klar erkennen, daß sie dazu bestimmt sein sollte, die Verpflichtung von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen loszulösen, dem Gläubiger das Zurückgehen auf den dem Versprechen zugrunde liegenden Schuldgrund zu ersparen und das Versprechen, zur selbständigen Unterlage für die Leistungspflicht zu machen (Warn. 1910 Nr. 276, 151; 1923/24 Nr. 10). Dem steht auch der Umstand, daß die Beklagte in den Bezugsscheinen die Lieferung nur auf Grund ihrer allgemeinen Lieferungsbedingungen versprochen hat, keineswegs entgegen. Als Inhalt dieser Bedingungen hat die Beklagte selbst angegeben, daß durch sie die Anlieferung, Verwägung, Verpackung der Ware, der Analysenaustausch, die Erhöhung der Umarbeitungskosten, die Zahlung der Umarbeitungsvergütung und der Gerichtsstand geregelt werden. Derartige Bestimmungen schließen jedoch die Möglichkeit, daß das in den Bezugsscheinen niedergelegte, einseitige Lieferungsversprechen die Leistungspflicht der Beklagten selbständig begründen sollte, nicht aus. Sie verschafften der Beklagten nur das Recht, sich bei den Lieferungen nach den in den Bedingungen enthaltenen Vorschriften zu richten; dagegen legten sie dem Gläubiger keine Verpflichtung auf, von deren Erfüllung die Lieferungspflicht der 'Beklagten abhängig gemacht war. Auch bei Bezugnahme auf die allgemeinen Lieferungsbedingungen konnte daher die Beklagte sich, wie es der § 780 B G B . voraussetzt, einseitig verpflichten, die Lieferung auf Grund des in den Bezugsscheinen abgegebenen selbständigen Versprechens auszuführen. Der Umstand, daß der ursprüngliche Schuldgrund seine Wurzel in einem gegenseitigen Vertrage hatte, schließt die Wirksamkeit des Schuldversprechens nicht aus (Warn. 1910 Nr. 277). Unvereinbar ist es allerdings mit dem Begriff eines selbständigen Schuldversprechens, daß dieses von der Uebernahme einer Gegenleistung seitens des Gläubigers abhängig gemacht wird (K. v. R G R . Vorbem. 2 vor § 780, S t a u d i n g e r § 780 I l l d ) . In ein solches Abhängigkeitsverhältnis von einer Gegenver-
Schuldversprechen — Schuldanerkenotnis
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pflichtung wird das Versprechen der 'Beklagten aber durch die in Bezug genommenen allgemeinen Lieferungsbedingungen nicht gesetzt. . . . Einwandfrei hat das Berufungsgericht ferner seine Annahme begründet, daß die 'Beklagte bei der Ausstellung der Bezugsscheine übereinstimmend mit der Firma W. B. & Co. den Willen gehabt habe, die in den Verkehr gesetzten Scheine anstandslos einzulösen und auf alle Einwendungen zu verzichten, die ihr gegen W. B. & Co. zustehen könnten. Dies folgert der Vorderrichter daraus, daß die Scheine dazu bestimmt waren, der Firma W. B. & Co. die Möglichkeit zur Besorgung des zur (Bezahlung von Rohzink benötigten Geldes zu verschaffen und daß die Beklagte die Scheine unmittelbar an das Bankhaus G. H. & Co. einsandte, welches, wie ihr bekannt sein mußte, die Schedne in handelsüblicher Weise zur Weiterbegebung an Käufer des Ziaks verwenden wollte. Wenn die Beklagte — so führt das Berufungsurteil weiter aus — unter diesen Umständen und zu diesem Zweck die Scheine in Umlauf gesetzt habe, so könne es nicht zweifelhaft sein, daß sie, zum mindesten stillschweigend, im Vertrauen auf die Redlichkeit der Firma W. B . & Co. allen Einwendungen entsagt habe und deshalb auch die Bereicherungseinrede nicht mehr erheben könne, die bei der Klage aus einem Schuldversprechen grundsätzlich auch einem Zessionar entgegengesetzt werden könne. Vergeblich greift die Revision diese Ausführungen als rechtsirrtümlich an. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß gegenüber der Klage aus dem selbständigen Schuldversprechen der Schuldner sich mit der Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung verteidigen und zur Begründung der Einrede, die sich auch der Zessionar des Gläubigers gefallen lassen muß, auf das Grundgeschäft zurückgreifen, insbesondere den Nichtempfang der bei Abgabe des Versprechens erwarteten Gegenleistung geltend machen darf (RGZ. Bd. 61 S. 321, Bd. 86 S. 304). Es unterliegt aber auch keinem Bedenken, daß der Schuldner gegenüber dem Gläubiger schon bei Ausstellung des Schuldversprechens, sei es auch nur stillschweigend — entsprechend dem für kaufmännische Verpflichtungsscheine geltenden § 364 Abs. 2 HOB. —, auf alle Einwendungen aus dem dem Versprechen zugrunde liegenden Schuldverhältnis verzichten kann, um auf diese Weise die Verkehrsfähigkeit der selbständigen Verpflichtungsübernahme zu verbessern. Einen derartigen Verzicht hat der Vorderrichter unter Würdigung der besonderen Tatumstände des vorliegenden Falls festgestellt. Eine Gesetzesverletzung ist darin nicht zu erkennen. Des weiteren hat das Berufungsgericht noch ausgeführt, daß die Beiklagte auch gegenüber der Klägerin selbst auf jeden Einwand aus •hren Rechtsbeziehungen zu W. B. & Co. verzichtet habe. (Wird näher ausgeführt.)
136
Schuldrecht, Besonderer Teil
RGZ. 144, 133 1. Enthält die Bestätigung eines Akkreditivs ein abstraktes Zahlongsversprechen ? 2. Kann trotz Bestätigung des Akkreditivs gegen das Zahlungsverlangen eingewendet werden, daß die Freiheit des Zahlungsverkehrs in der Währung, auf die das Akkreditiv lautet, später beschränkt worden sei? BGB. §§ 242, 780. VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 12. März 1934. I. Landgericht I Berlin. II. Kammergericht daselbst. Für eine Kaufpreisschuld an die Klägerin von 233 214 ungarischen Pengö ließ die Schuldnerin, die Budapester Firma G.-W., durch Vermittlung der H.-Bank, die sich wiederum der Ungarischen A. Cr.-Bank als Zwischengliedes bediente, bei der verklagten 'Bank ein unwiderrufliches Akkreditiv über jenen Betrag nebst Zinsen zu Gunsten der Klägerin stellen. Nach mehrmaligem Schriftwechsel zwischen den Parteien bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 27. Mai 1931, daß sie der Klägerin den Betrag von 233 214 Pengö nebst Zinsen zu einem von der Ungarischen A. Cr.-Bank anzugebenden Zeitpunkt, spätestens jedoch am 28. Februar 1933 zahlen werde. Inzwischen ergingen, wie in Deutschland so auch in Ungarn, zum Zwecke der Devisenbewirtschaftung gesetzliche Bestimmungen. Die Ungarische A. Cr.-Bank erbat bei der Ungarischen Nationalbank die Erlaubnis, den Betrag der Beklagten auf „Auslands-Pengökonto" gutzuschreiben, was eine freie Verfügung ermöglicht hätte. Die Ungarische Nationalbank gestattete die Gutschrift aber nur auf „gesperrtem InlandsPengökonto", über das der Ausländer nur mit ihrer Einwilligung ver fügen kann. In dieser Form wurde die Gutschrift von der Ungarischen A. Cr.-Bank zu Gunsten der Beklagten und von dieser mit Genehmigung der Devisenbewirtschaftungsstelle und der Reichsbank zu Gunsten der Klägerin vorgenommen, was die Beklagte letzterer unter dem 6. März 1933 mitteilte. Die Klägerin sieht darin keine ordnungsmäßige Erfüllung des Zahlungsversprechens der Beklagten und verlangt im Urkundenprozeß Zahlung, und zwar nach Wahl der Beklagten in Pengö oder in Reichsmark zum Kurse des Zahlungstages, hilfsweise Zahlung zum Kurse von 73,42 RM. für 100 Pengö. Ihre letzten Anträge in der Berufungsinstanz beschränkten sich auf 40 000 freie Auslandsgoldpengö = 29 367 RM. und gingen nur noch auf Zahlung an die Reichsbankhauptstellc zu ihren, der Klägerin, Gunsten. Die Beklagte bestreitet die Berechtigung aller dieser Ansprüche. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.
137 Gründe: Das Berufungsgericht erkennt an, daß das der Klage zugrundeliegende Schreiben der Beklagten vom 27. Mai 1931 ein selbständiges Schul dversprechen enthält (§ 780 BGB,) und daß bei derartigen Versprechen grundsätzlich keine Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis, hier also aus dem Verhältnis zwischen der 'Beklagten und ihrer Auftraggeberin, erhoben werden können. Wenngleich nun der von der Beklagten erhabene Einwand aus dem Deckungsverhältnis hergeleitet sei, meint das Berufungsgericht, ihm dennoch stattgeben zu müssen, weil sich die 'Beklagte nach dem Zusammenhang ihres Schreibens mit dem vorangegangenen vom 18. Mai 1931 nur insoweit verpflichtet habe, als ihr gegen ihre Auftraggeberin die gleiche Forderung zustehe, und weil die Forderung gegen ihre Auftraggeberin von der Aenderung der ungarischen Gesetzgebung in unvorhergesehener Weise betroffen worden sei. Nach Treu und Glauben hält das Berufungsgericht die Beklagte unter diesen Umständen nicht für verpflichtet, das Verlangen der Klägerin nach Zahlung zu erfüllen und ihr damit einen Vorteil zuzuwenden, den sie bei unmittelbarer Leistung der Käuferfirma nicht gehabt hätte und zu dessen Zuwendung die Bestätigung des Akkreditivs nicht bestimmt gewesen sei. Diesen Erwägungen muß, jedenfalls im Ergebnis, beigetreten werden. Die Revision beanstandet, daß das Berufungsgericht zur Beurteilung der Grundlage des Schreibens der Beklagten vom 27. Mai 1931 nur ihr vorangegangenes Schreiben vom 18. Mai, nicht auch das dazwischenliegende Schreiben der Klägerin vom 22. Mai 1931 herangezogen habe. Dam't hatte es folgende Bewandtnis: Nach einem Schriftwechsel der Parteien über den der Beklagten zugegangenen „unwiderruflichen" Auftrag der Ungarischen A. Cr.-iBank hatte die 'Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 12. Mai 1931 mitgeteilt, daß sie von ihrer Auftraggeberin ersucht worden sei, der Klägerin den Auftrag nicht zu bestätigen, wenn die Bestätigung mit einer Provisionsbelastung der ungarischen Bank gegenüber verbunden sei, Mit Schreiben vom 15, Mai 1931 bat die Klägerin dennoch die Beklagte, ihr zu bestätigen, daß sie den im Auftrag genannten Betrag nebst Zinsen spätestens am 28. Februar 1933 zahlen werde. Darauf bestätigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18. Mai 1931, daß sie den unwiderruflichen Auftrag der Ungarischen A. Cr.-Bank erhalten habe, dessen Inhalt sie wiederholte, und gab ihr gleichzeitig die Höhe der Bestätigungsgebühr für drei Monate bekannt, mit der sie die Klägerin belastete. Diese erklärte sich im Schreiben vom 22. Mai 1931 einverstanden und bemerkte, sie fasse das Schreiben vom 18. Mai dahin auf, daß die Beklagte den Betrag nebst Zinsen spätestens am 28. Februar 1933 zahlen werde. Nunmehr erwiderte die Beklagte mit dem Schreiben vom 27. Mai 1931, das unmittelbar
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Schuldrecht. Besonderer Teil
der Klage zugrundeliegt, unter Bezugnahme auf das Schreiben der Klägerin vom 22. Mai, sie bestätige gemäß dem Schreiben vom 18. Mai, daß sie den 'Betrag nebst Zinsen spätestens am 28. Februar 1933 zahlen werde. Unter Eideszuschiebung hat ferner die Klägerin behauptet, ihrem Schreiben vom 22. Mai 1931 sei ein Ferngespräch zwischen ihrem Vorstandsmitglied G. und dem Sachbearbeiter der Beklagten vorangegangen, worin G. erklärt habe, der Klägerin genüge die Auftragsbestätigung nicht, sie wolle ein abstraktes Zahlungsversprechen haben und sei bereit, sich das etwas kosten zu lassen. Die Geklagte hat auf die Eideszuschiebung erwidert, es komme darauf nicht an, weil für die Auslegung ihres Zahlungsversprechens die Forderung der Klägerin auf Zahlung des Kaufpreises herangezogen werden müsse und diese Forderung auch nur in Sperr-Pengö hätte erfüllt werden können. Dieser gesamte Sachverhalt mit Einschluß des von der Revision angeführten Schreibens der Klägerin vom 22. Mai 1931 und selbst mit Einschluß des behaupteten Ferngesprächs ergibt aber nichts anderes, als daß die Beklagte auf Grund eines unwiderruflichen, bis zum 28. Februar 1933 befristeten Akkreditivs der Klägerin ein selbständiges, sog. abstraktes Zahlungsversprechen gegeben hat. Das hat auch das Berufungsgericht angenommen. Dieses Zahlungsversprechen war in Wirklichkeit schon im Schreiben der Beklagten vom 18. Mai 1931 enthalten, die Bestätigung des unwiderruflichen Zahlungsauftrags war die bei den Berliner Banken dafür übliche Form (Regulativ der Berliner Stempelvereinigung Nr. I 1 im Bankarchiv Bd. 30 S. 419). Daß die Beklagte das Schreiben so meinte und verstanden wissen wollte, ergab sich schon daraus, daß sie der Klägerin gleichzeitig eine laufende Bestätigungsgebühr berechnete. Wenn der Klägerin diese Ausdrucksweise noch nicht klar genug war und sie Wert auf ein „Zahlungsversprechen" legte, so verlangte sie damit etwas Ueberflüssiges, und die Beklagte hat, indem sie mit Schreiben vom 27. Mai 1931 dem Verlangen nachkam, dhr bereits gegebenes Zahlungsversprechen lediglich wiederholt. Damit konnte die Klägerin allerdings völlige Klarheit erreichen. Aber nicht konnte sie damit erreichen, worauf sie anscheinend hinaus will, daß sie ein Zahlungsversprechen erhielt, welches nicht nur von ihrer Kaufpreisforderung und von der Deckung der Beklagten, sondern von allen Umständen losgelöst war, unter denen es gegeben wurde. Es blieb auch in der abstraktesten Form immer ein Zahlungsversprechen auf Grund eines Akkreditivs. Nun hat das Berufungsgericht nicht verkannt, daß die Verselbständigung des Zahlungsversprechens den Versprechensempfänger gerade auch vor Einwendungen schützen soll, die daraus hergeleitet
Schuldversprechen — Schuldanerkenntnis
139
werden könnten, daß die versprechende ¡Bank die ihr vom Akkreditivsteller zugesagte Deckung nicht erhält. Es könnte daher bedenklich erscheinen, daß das Berufungsgericht den Einwand der Beklagten zuläßt, sie erhalte seLbst nur in einem gesperrten Inlands-Pengöguthaben Deckung. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei der Verteidigung der Beklagten nicht um einen Einwand aus dem Deckungsverhältnis, sondern um einen Einwand aus § 242 BOB., der ihr Verhältnis zur Klägerin unmittelbar betrifft und auch bei einem selbständigen Zahlungsversprechen dieser Art unbedenklich zulässig ist {vgl. RG. in LZ. 1920 Sp. 229 Nr. 2). Es handelt sich nämlich um die Frage, ob die Beklagte das Guthaben, das sie erhalten hat und von ihrer Auftraggeberin nach der Lage der ungarischen Gesetzgebung sowie nach der Erklärung der Ungarischen Nationalbank allein erhalten kann, zur Befriedigung der Klägerin verwenden darf oder ob sie dazu Zahlungsmittel anschaffen und Kosten aufwenden muß, die ihr niemand erstattet. Das ist eine Frage, die nur mittelbar mit ihrer Deckung zusammenhängt, unmittelbar aber die Art betrifft, in welcher sie ihr Zahlungsversprechen zu erfüllen hat, und die folglich nach § 242 B G B . zu entscheiden ist. Das ist anscheinend auch der Gedanke des Berufungsgerichts gewesen, obwohl es den § 242 B G B . nicht anführt. Dem Sinne nach wendet es diese Vorschrift jedenfalls an. Denn es hält für entscheidend, daß die Möglichkeit eines Eingriffs der ungarischen Gesetzgebung in den Zahlungsverkehr von den Parteien bei der Abgabe des Zahlungsversprechens nicht erwogen, keinesfalls von der Klägerin, die daran gedacht haben will, in erkennbarer Weise zur Sprache gebracht worden ist und darum außerhalb der Geschäftsgrundlage des Zahlungsversprechens gelegen hat. Das ist wohl damit gemeint, wenn das Berufungsgericht sagt, es habe nicht der Zweck des Akkreditivs sein können, die Klägerin gegen die ja nicht voraussehbaren gesetzlichen Maßnahmen zu schützen. Mit Unrecht wird diese Erwägung von der Revision angegriffen. Das Berufungsgericht hätte hinzufügen können, daß zu der Uebernahme einer solchen Gefahr die von der Beklagten nach dem üblichen Satz berechnete Bestätigungsgebühr außer Verhältnis gestanden hätte. Auch das deutet darauf hin, daß Fortdauer der Freiheit des ungarischen Zahlungsverkehrs Grundlage des Zahlungsversprechens war, und daß der staatliche Eingriff in diese Freiheit die Art der Erfüllung nicht unberührt lassen konnte. Hiernach beruht die Entscheidung auf einer zutreffenden Anwendung des § 242 BGB., und es kann dahingestellt bleiben, ob es auf die Erwägung ankommt, daß die Klägerin auch von der Käuferfirma unmittelbar keine andere Art der Erfüllung erhalten hätte, wenn gar kein Akkreditiv gestellt worden wäre.
140 RGZ. 160, 134 1. Inwieweit wird der absonderungsberechtigte persönlich« Gläubiger eines Vergleichsschuldners, der sich nur mit einem Teile der Forderung am Vergleichsverfahren beteiligt und insoweit, nicht aber für den Rest auf sein Absonderungsrecht verzichtet hat, vom Vergleichsverfahren betroffen und welche Wirkung hat der in diesem Verfahren zustandegekommene Teilerlafi auf seine Forderung? 2. Welchen Einfluß hat hierbei ein später auf sein Absonderungsrecht eingetretener Ausfall? 3. Inwieweit besteht in solchem Fall eine sogen, unvollkommene — unerzwingbare — Verbindlichkeit für den erlassenen Forderungsteil weiter? 4. Kann eine solche Verbindlichkeit die Rechtsgrundlage fftr selbständige Schuldanerkenntnisverträge abgeben? B G B . §§ 781, 812. VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 14. März 1939.
Die Entscheidung ist abgedruckt unter ,.Zivilprozeß, Vergleichsverfahren".
Anweisung RGZ. 64, 108 Ist der Aussteller eines Kreditbriefes im Verhältnis zum A k k r e ditierten stets zum Widerruf der im Briefe liegenden Zahlungsanweisung berechtigt, wenn sich später die Unzulänglichkeit der vorhandenen Deckung herausstellt? W i e steht es damit in dem besonderen Falle, wo die Ausstellung des Kreditbriefes nicht zwischen dem Aussteller und dem Akkreditierten, sondern zwischen dem A u steller und einem anderen zugunsten des Akkreditierten vereinbart worden ist? I. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 22. September 1906.
I. Landgericht Darmstadt.
II. Oberlandesgericht
daselbst.
Der Kläger, der anfangs 1904 eine Reise nach Nordamerika vorhatte, ging den Bankier Sch., mit dem er in Geschäftsverbindung stand, um die Ausstellung eines Kreditbriefes auf ein Bankhaus in St. Louis an. Da Sch. keine Beziehungen zu dortigen Banken besaß, so wandte er sich seinerseits an die mit ihm, nicht aber mit dem Kläger in Kontokorrentverhältnis stehende Beklagte, um von dieser den vom Kläger gewünschten Kreditbrief zu erhalten. Vereinbarungsgemäß stellte di« Beklagte einen auf den Namen des Klägers lautenden, an die German Savings Institution in St. Louis gerichteten Brief über 1000 $ aus und
Anweisung
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ü b e r g a b ihn d e m Sch., der d a g e g e n s e i n D e p o t bei der G e k l a g t e n ents p r e c h e n d e r h ö h t e . V o n S c h . w u r d e der B r i e f d e m K l ä g e r a u s g e h ä n digt. A l s d i e s e r i n S t . L o u i s a n g e k o m m e n w a r u n d d o r t der A d r e s s a t i n den B r i e f v o r l e g t e , lehnte d i e s e j e d e Z a h l u n g ab, weil inzwischen die B e k l a g t e die A k k r e d i t i e r u n g t e l e g r a p h i s c h w i d e r r u f e n hatte. D e r G r u n d für den W i d e r r u f w a r , d a ß inzwischen ü b e r d a s V e r m ö g e n des Sch. K o n k u r s e r ö f f n e t , u n d n a c h d e m d a m a l i g e n K u r s s t a n d e der von Sch. hinterlegten W e r t p a p i e r e s e i n K o n t o bei der B e k l a g t e n p a s s i v w a r . D e r K l ä g e r v e r l a n g t e v o n d e r B e k l a g t e n S c h a d e n s e r s a t z , weil s i e zu dem W i d e r r u f nicht b e r e c h t i g t g e w e s e n sei. D i e B e k l a g t e hielt den W i d e r r u f f ü r g e r e c h t f e r t i g t und lehnte d e s h a l b den K l a g a n s p r u c h ab. D i e V o r i n s t a n z e n e n t s c h i e d e n zugunsten der B e k l a g t e n . D a g e g e n ¡st a u f die R e v i s i o n d e s K l ä g e r s der A n s p r u c h auf S c h a d e n s e r s a t z dem G r u n d e n a c h für g e r e c h t f e r t i g t e r k l ä r t w o r d e n . H i e r ü b e r besagen die Gründe: . j B e d e n k e n f r e i ist d i e F e s t s t e l l u n g , d a ß d e r der A u s s t e l l u n g d e s K r e d i t b r i e f e s z u g r u n d e l i e g e n d e V e r t r a g z w i s c h e n d e r 'Beklagten u n d dem B a n k i e r Sch., nicht z w i s c h e n der B e k l a g t e n u n d d e m K l ä g e r abg e s c h l o s s e n w o r d e n s e i . D a r a u s folgt a b e r nicht, d a ß sich d e r K l ä g e r den W i d e r r u f s e i n e r A k k r e d i t i e r u n g g e f a l l e n l a s s e n mußte. D i e A u s führungen, w o m i t d a s B e r u f u n g s g e r i c h t d i e s e S c h l u ß f o l g e r u n g zu i echtfertigen s u c h t , sind rechtlich zu b e a n s t a n d e n . N u r in d i e s e r Richtung hat auch die R e v i s i o n ihre A n g r i f f e b e g r ü n d e t . D e r K r e d i t b r i e f a n sich ist eine U n t e r a r t der A n w e i s u n g Zahlung, nicht — trotz seinem N a m e n — zur K r e d i t i e r u n g .
zur
Vgl. T h ö 1 , H a n d e l s r e c h t § 318 A n m . 6; D ü r i n g e r u. H a c h e n b u r g , H a n d e l s g e s e t z b u c h , zu § 363 N o t e 5 b ( B d . 2 S . 443); E n d e m ? . n n , H a n d b u c h B d . 3 S . 1125 ( C o h n ) ; M o t i v e z u m B ü r g e r l i c h e n G e s e t z b u c h B d . 2 S. 557. D a d u r c h wird der A n g e w i e s e n e v o n dem A n w e i s e n d e n e r m ä c h t i g t , für d e s s e n R e c h n u n g dem A n w e i s u n g s e m p f ä n g e r b e i V o r z e i g u n g des B r i e f e s A u s z a h l u n g e n bis z u r H ö h e d e s a k k r e d i t i e r t e n B e t r a g e s üu machen. D a ß d i e im K r e d i t b r i e f e l i e g e n d e A n w e i s u n g , s o l a n g e s i e nicht v o m A n g e w i e s e n e n d e m A n w e i s u n g s e m p f ä n g e r g e g e n ü b e r angenommen, o d e r d i e a n g e w i e s e n e L e i s t u n g bereits b e w i r k t ist, j e d e r z e i t z u r ü c k g e n o m m e n w e r d e n k a n n , unterliegt f r e i l i c h k e i n e m Zweifel (§ 790 B G B . ) , A b e r dies b e r ü h r t nur d a s V e r h ä l t n i s zv/ischen d e m A n w e i s e n d e n u n d dem A n g e w i e s e n e n , nicht d a s v o r l i e g e n d a l l e i n erhebliche V e r h ä l t n i s z w i s c h e n dem A n w e i s e n d e n u n d dem A n w e i s u n g s e m p f ä n g e r . Dies w i r d v o n d e m B e r u f u n g s g e r i c h t auch nicht verkannt. I n s o w e i t ist der A n g r i f f der R e v i s i o n o h n e B e r e c h t i g u n g .
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Schtildrecht, Besonderer Teil
Das Berufungsgericht geht von der Widerruflichkeit und dem tatsächlich erfolgten Widerrufe des „Kreditauftrages" nur deswegen aus, weil dann, wenn der Angewiesene, die German Savings Institution in St. Louis, die Auszahlung nicht wegen des Widerrufes, sondern aus einem anderen Grunde verweigert hätte, der eingeklagte Anspruch ohne weiteres dahinfallen würde. Die Haftung der Beklagten aus dem Widerruf aber gründet es nicht auf die Widerruflichkeit des Kreditauftrages, sondern darauf, daß der Widerruf dem -Bankier Sch. gegenüber und infolge davon auch dem Kläger gegenüber berechtigt gewesen sei. Das Berufungsgericht entnimmt daher seine Entscheidung, an sich zutreffend, dem Verhältnisse zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger. In der rechtlichen Beurteilung dieses Verhältnisses aber kann ihm nicht beigetreten werden. Verfehlt ist es zunächst, wenn zur Begründung der Ansicht, daß der Aussteller den Kreditbrief zurückziehen dürfe, geltend gemacht wird, er übernehme nach § 778 BGB. die Bürgschaft für den vom Angewiesenen gewährten Kredit. Der § 778, welcher voraussetzt, daß der Beauftragte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Kredit gebe, schlägt gar nicht ein. Wer einen Kreditbrief honoriert, erwirbt durch die Auszahlungen kein Forderungsrecht gegen den Inhaber des Briefes. Der Akkreditierte erhält keinen Kredit, sondern Zahlung. Die Rechtsfolgen aus der Honorierung betreffen das Verhältnis zwischen Anweisendem und Angewiesenem; soweit danach der zahlende Angewiesene ersatzberechtigt ist, haftet der Anweisende als Hauptschuldiger, nicht als Bürge. Als entscheidend kann indessen diese Verwechselung nicht angesehen werden, da die Erwägungen des Berufungsgerichts nur voraussetzen, daß den Anweisenden irgendeine Haftung treffe. Diese Erwägungen stellen sich aber aus anderen Gründen als rechtsirrig dar. Für die Klage kommt in letzter Linie in Betracht das Verhältnis zwischen der Beklagten als Ausstellerin des Kreditbriefes und dem Kläger als demjenigen, für welchen sie den Kreditbrief ausgestellt hat. Mittelbar aber wird dafür auch von Bedeutung das Verhältnis, welches zwischen der Beklagten und dem Bankier Sch. durch Abschluß des auf die Ausstellung des Kreditbriefes gerichteten Vertrages entstanden ist. Es dient zur Aufklärung der Sache, wenn man zuerst den Fall annimmt, daß der Kreditbrief auf den Bankier Sch. selbst ausgestellt werden, dieser also selbst der Anweisungsempfänger sein sollte. Alsdann würde sich folgendes ergeben: wer sich durch Vertrag mit einem anderen verpflichtet, für diesen einen Kreditbrief auszustellen, ihn bei einem Dritten zu „akkreditieren", erfüllt seine Verpflichtung nicht schon mit der Ausstellung und Aushändigung des Briefes; er hat sich auch verbunden, seinerseits dasjenige zu tun, was nach den
143 Umständen für den Erfolg der Akkreditierung erforderlich ist, und dasjenige zu unterlassen, was diesen Erfolg unsicher macht oder ausschließt. Insbesondere geht sein Versprechen nicht bloß auf den einmaligen Akkreditierungsakt, sondern umfaßt auch die Aufrechterhaltung der Anweisung für die zugesagte Zeitdauer. An sich also verletzt der Widerruf der Akkreditierung das vertragliche Recht des Gegners. Das Berufungsgericht will nun freilich der Beklagten im Verhältnis zu Sch. die Befugnis des Widerrufes zusprechen, weil „nach der im Geschäftsverkehr allgemein bestehenden Auffassung" der Aussteller eines Kreditbriefes die Haftung nur so lange übernehmen wolle, als er Deckung besitze, und im vorliegenden Falle sich ergeben habe, daß die Beklagte für den nach dem Kreditbriefe dem Kläger zu gewährenden Kredit von Sch. nicht mehr gedeckt gewesen sei. Allein eine solche allgemeine Auffassung des kaufmännischen Verkehrs anzunehmen (§ 346 HGB.), erscheint als willkürlich. Die Auslegung im einzelnen Falle kann zu diesem Ergebnisse führen; aber nicht gerechtfertigt ist es, ohne weiteres einen solchen Vertragswillen zu unterstellen, und von einer Rechtsregel dieses Inhalts, welche weit über die Bestimmungen in §§ 321, 610 B G B . hinausgehen würde, kann vollends keine Rede sein. Eine konkrete Feststellung des tatsächlichen Vertragswillens hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Die feststehenden Tatsachen würden auch einer Auslegung im Sinne der reprobierten allgemeinen Verkehrsauffassung nicht nur nicht günstig sein, sondern sie geradezu ausschließen. Denn die Beklagte hatte für ihr Risiko tatsächlich bereits Deckung erhalten. Allerdings, da zwischen Sch. und der Beklagten ein echtes Kontokorrentverhältnis bestand, nicht so, daß gerade der künftige bedingte Anspruch der Beklagten aus der Honorierung ihres Kreditbriefes im voraus speziell beglichen war, aber doch so, daß mit Rücksicht darauf Sch. sein Aktivkonto bei der Beklagten entsprechend erhöht hatte. Diesen sachlichen Zusammenhang zwischen der Ausstellung des Kreditbriefes und der Leistung des Sch. auf sein Depotkonto nimmt auch das Berufungsgericht an. Dann aber ist die Schlußfolgerung unvermeidlich, der Vertragswille bei diesem Geschäfte sei dahin gegangen, daß die Verpflichtung zur Akkreditierung auf Grund der so erhöhten und in dieser Erhöhung als genügend anerkannten Deckung übernommen sein solle. Dem aber würde es widersprechen, wenn man der Beklagten das Recht des Widerrufs, mit dem Berufungsgericht, deshalb zubilligen wollte, weil die von Sch, gegebene Deckung sich später als unzulänglich herausstellte oder doch herauszustellen schien. Auch schon im Verhältnisse zu Sch. würde daher die Beklagte zum Widerrufe an sich nicht berechtigt gewesen sein. Aber bei der Unterstellung, daß Sch. der Akkreditierte war, würde doch ein anderer Grund den Widerruf gerechtfertigt haben. Denn nachdem Sch. in
144 Konkurs gefallen war, würde, unter dieser Voraussetzung, die Honorierung des Kreditbriefes eine (mittelbare) Erfüllungsleistung der Beklagten an den Gemeinschuldner gewesen sein, und zu einer solchen, sie nicht befreienden Leistung wäre die Beklagte nicht verpflichtet gewesen (§ 8 KO.). In Wirklichkeit ist nun aber nicht Sch. der Akkreditierte, sondern der Kläger, der mit der Geklagten keinen Vertrag geschlossen hat. Wollte mein deshalb dem Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte verweigern, so daß er auf den tatsächlichen Erfolg beschränkt blieb, den die Präsentation des Kreditbriefes haben würde, so wäre eine so prekäre Rechtsstellung, die in jedem Augenblicke von der Willkür der Beklagten abhing, jedenfalls mit den Zwecken des Klägers, wie jedes Reisenden, der sich einen Kreditbrief auf fremde Plätze verschafft, unvereinbar. Diese wollen unzweifelhaft auch die Sicherheit haben, daß der Briefaussteller seinen Zahlungsauftrag nicht zurückziehe. Der Kläger hat denn auch den Gesichtspunkt geltend gemacht, in der Vereinbarung des Sch. mit der Beklagten über seine Akkreditierung sei ein Vertrag zu seinen Gunsten zu finden, und das Berufungsgericht hat diesen Gesichtspunkt adoptiert. Es heißt auf Seite 8 des Instanzurteils: „Nun wird behauptet, durch den zwischen Sch. und der Beklagten abgeschlossenen Auftragsvertrag habe der Kläger nach dem Willen der Vertragschließenden unmittelbar das Recht erworben, die Kreditgewährung zu fordern. D i e s i s t v o l l s t ä n d i g r i c h t i g . " Damit wird offenbar ein Vertrag zugunsten des Klägers im Sinne des § 328 BGB. bejaht; der Kläger soll ein unmittelbares Forderungsrecht auf die von der Beklagten versprochene Vertragsleistung erworben haben. Diese Auffassung entspricht auch durchaus dem festgestellten Tatbestande. Geht man aber davon aus, so ist die Folge nicht, wie das Berufungsgericht meint, daß der Widerruf des Kreditbriefes das klägerische Forderungsrecht zerstört hat, sondern vielmehr, daß er dem Kläger gegenüber nicht berechtigt war und die Beklagte zum Schadensersatze verpflichtet. Denn wenn nach der Feststellung des Berufungsgerichtes der Vertrag zwischen Sch. und der Beklagten in diesem Sinne als ein Vertrag zugunsten des Klägers abgeschlossen war, so konnte der Kläger aus eigenem Rechte auch verlangen, daß die Beklagte die Akkreditierung ihrer Vertragspflicht gemäß aufrecht erhalte. Daß nun in der Person des Klägers ein Grund vorgelegen habe, der sie zum Widerrufe berechtigen konnte, hat die Beklagte selbst nicht behauptet. Der § 334 BGB. aber, wonach ihr die Einwendungen aus dem Vertrage mit Sch. auch gegenüber dem Kläger zustanden, kann sie deshalb nicht schützen, weil nach dem früher Ausgeführten der Widerruf auch im Verhältnis zu Sch. vertraglich nicht berechtigt war. Daß dem Sch. gegenüber, wenn er selbst der Anweisungsempfänger gewesen wäre,
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Anweisung
ans einem anderen, nicht vertraglichen G r u n d e — der Konkurseröffnung — die Beklagte berechtigterweise den Auftrag hätte zurückziehen können, stellt nicht eine unter § 334 fallende Einwendung dar. Hiernach verstößt es gegen das Gesetz, wenn das Berufungsgericht in Bestätigung des ersten Urteils die Klage abgewiesen hat. Vielmehr rechtfertigen die festgestellten Tatsachen den Anspruch des Klägers auf Schadensersatz aus dem Grunde, weil die Beklagte der übernommenen Verpflichtung zuwider seine Akkreditierung bei der German Savings Institution zurückgenommen hat." . . .
RGZ. 88, 134 Vertragsverhältnis innerhalb eines Akkreditivs? III. Z i v i l s e n a t . 1. Landgericht Bremen.
Urt. v. 25. Februar 1916. II. Oberlandesgericht
Hamburg.
Durch Schreiben an die Beklagte vom 2. Februar 1912 hatte die O. Spar- und Leihbank die Klägerin bei der Beklagten mit täglich 30000 M. akkreditiert und gebeten, davon bis 31. Dezember 1912 Vormerkung zu nehmen. Dieses Kreditverhältnis war in Vollzug gesetzt und je auf Jahresfrist verlängert worden. Die Abhebungen der Klägerin waren anfänglich auf handschriftliche, alsbald aber auf gedruckte je von der Klägerin unterschriebene Doppelquittungen erfolgt mit den Eingangsworten „Von der D. Bank, Filiale B., für Rechnung der 0 . Spar- und Leihbank", und zwar zu großem Teile durch Dritte, denen die Klägerin solche Quittungen zahlungshalber übergeben hatte. Mit den abgehobenen Beträgen belastete die Beklagte die 0 . Spar- und Leihbank, und diese wiederum schrieb die ihr so von der Beklagten als abgehoben aufgegebenen Posten zu Lasten der Klägerin. Am 7. April 1914 hat ein früherer Angestellter der Klägerin T. auf eine solche Doppelquittung über 15 000 M., deren Unterschrift er gefälscht hatte, bei der Beklagten 15 000 M. erhoben. Die Beklagte hat den Standpunkt eingenommen und festgehalten, daß auch diese Abhebung zu Lasten der Klägerin gehe. Die Klägerin begehrt deshalb Feststellung, daß die Zahlung der 15 000 M. am 7. April 1914 nicht zu ihren Lasten erfolgt sei, eventuell daß die Beklagte aus dieser Zahlung keine Ansprüche gegen die Klägerin herleiten könne. Das Landgericht entsprach dem Hauptantrage der Klägerin. Der Berufungsrichter wies die Klaganträge ab, den Hauptantrag aus formellen, hier nicht weiter in Betracht kommenden Gründen, den Hilfsantrag als sachlich unibegründet. Die Revision ist erfolglos geblieben. Zivil». Sdiuldrrrlil 8
10
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Schuldrecht, Besonderer Teil
Gründe: „Die zutreffende Annahme des Berufungsrichters, daß die Klägerin in betreff der Verwahrung der seit lange vor dem 7. April 1914 allein üblichen, auch von Dritten zu präsentierenden Quittungsformulare ein Verschulden trifft, wird von der Revision nicht angegriffen; . . . rechtsirrig sei aber, daß der Berufungsrichter das Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien annehme. Diese Annahme ist jedoch frei von Rechtsirrtum und die allein zutreffende. Zwar drückt die Fassung „Die Klägerin habe selbst einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung bis zu 30 000 M. täglich erworben, solange die O. Bank die Akkreditierung nicht zurückgezogen habe" den richtigen Gedanken in einer zu engen Weise aus. Ein das materielle Verhältnis zwischen der [Beklagten und der O. Bank irgendwie überwindendes und in solchem Sinne stärkeres und selbständiges Recht der Klägerin gegen die Beklagte bestand allerdings nicht. Falls das Verhältnis zwischen der Beklagten und der O. Bank von beiden Teilen oder von einem Teile aufgelöst oder abgebrochen wurde, hörte auch jeder Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf, nicht nur dann, wenn die 0 . Bank die Akkreditierung zurückzog. Aber solange das Akkreditiv zwischen der Beklagten und der O. Bank bestand und in Vollzug bleiben sollte, also innerhalb dieses Verhältnisses, war der Klägerin freilich ein selbständiger Anspruch gegen die Beklagte erwachsen, eben auf wirklichen Vollzug der der Klägerin auf Grund des Ersuchens der O. Bank von Seiten der Beklagten gewährten Krediteinräumung. Diese Krediteinräumung war von der Beklagten nicht nur der O. Bank, sondern auch der Klägerin selbst durch die tatsächliche und sogar jahrelange Handhabung zugestanden. Der Tatbestand hat mit dem Rechte der Anweisung, insbesondere der angenommenen Anweisung nichts zu tun; er wird vom Berufungsrichter auch nicht als Vertrag zugunsten eines Dritten aufgefaßt. Er weist vielmehr alle Merkmale eines Vertrags zwischen der Beklagten und der Klägerin selbst auf. Zweck und Absicht der Akkreditierung bestand nicht darin, daß die Klägerin die Beträge als Einkassierungsbevollmächtigte der O. iBank für diese bei der Beklagten erheben sollte, sondern darin, daß die Klägerin die Abhebungen für sich selbst in eigenem Namen machte, daß also die Beklagte der Klägerin selbst Zahlungen machte, gegen nachfolgende entsprechende Belastung der O. Bank. Darauf ging das Ersuchen der 0 . Bank an die Beklagte. Daß die O. Bank der Beklagten Deckung zusagte und leistete, war nur der stützende Untergrund der Zahlung der Beklagten an die Klägerin selbst. Es sollte sich also ein Zahlungsgeschäftsverkehr zwischen der Beklagten und der Klägerin selbst entwickeln, und ein solcher hat sich entwickelt: die Parteien wirkten zusammen zur Erreichung eines von
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Anweisung
ihnen beiden gewollten rechtsgeschäftlichen Erfolges, nämlich zur Verwirklichung des Akkreditivs, welches durch Deckung von selten der akkreditierenden Bank gerade die fortlaufenden Zahlungen an die Klägerin selbst, gerade diese insoweit selbständigen Rechtsbeziehungen zwischen der ¡Beklagten und der Klägerin selbst ins Leben rufen wollte. Wie notwendig diese Auffassung ist, ergibt sich aus RGZ. Bd. 65 S. 117; diese Entscheidung hat sogar in einem Geldanweisungsverkehr öffentlich-rechtlicher und nur durch das Gesetz, durch § 97 GewUnfVG., begründeter Art ein Vertragsverhältnis erblickt. Das bestehende Vertragsverhältnis verpflichtete die Parteien gegeneinander zur Sorgfalt in der Vorbereitung und Ausführung der Auszahlungen." RGZ. 102, 155 1. Ist die Vereinbarung, daß der Käufer dem Verkäufer bei einer von diesem bezeichneten Bank ein Akkreditiv zn eröffnen habe, als Bedingung anzusehen, mit deren Erfüllung der Vertrag steht oder fällt 7 2. Genagt solchenfalls der Käufer seiner Vertragspflicht, wenn er mit der Akkreditmtellung eine kleine Bankzweigniederlassung beanftragt, deren Vertreter der im Vertrage bestimmten Bank unbekannt sind? Ist letztere berechtigt, eine Bestätigung der Akkreditivstellung durch die Hauptniederlassung zu fordern? II. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 22. April 1921.
I. Landgericht II Berlin, Kammer für Handelssachen. II. Kammergericht daselbst.
Im Verlaufe brieflicher Verhandlungen schrieb der 'Beklagte dem Kläger am 10. Oktober 1919, daß er für ihn 5 Waggons Wiesenheu zum Preise von 18,50 M. für den Zentner, „Kasse vorher per Draht an NationaLbank Berlin-Charlottenburg direkt unwiderrufliches Akkreditiv" notiert habe. Er bitte um sofortige Ueberweisung an seine Bank und erwarte Gegenbestätigung resp. Auftrag sowie Frachtbriefe. Auf dieses am 15. Oktober bei ihm eingegangene Schreiben ersuchte der Kläger am gleichen Tage den Beklagten um Verladung der 5 Waggons für seine Rechnung an S. in Saarbrücken. Er fügte hinzu, daß die Ueberweisung drahtlich bei der Bank des Beklagten eingegangen sei. Tatsächlich will der Kläger noch am 15. Oktober durch die Zweigstelle der Pfälzer Bank zu Rockenhausen bei der Nationalbank Berlin-Charlotteniburg zugunsten des Beklagten ein Akkreditiv in Höhe von 9500 M. eröffnet haben. Am 18. Oktober teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß er bisher ohne Antwort auf sein Schreiben vom 10. Oktober geblieben sei und daher das Heu anderweit verkauft habe. Der Kläger erhob am 23. Oktober Einspruch, wies darauf hin, 10*
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Schuldrecht, Besonderer Teil
daß er am 15. Oktober seine S a n k mit der sofortigen Zahlung an die Nationalbank gegen Vorlegung der Duplikatfrachtbriefe beauftragt und dem Beklagten Verladungsanweisung erteilt habe, und ersuchte um prompte Verladung. Der Beklagte erwiderte am 27. Oktober, daß er entgegen dem Inhalte seines Schreibens vom 10. Oktober bis jetzt kein Geld erhalten und daher soeben die 5 Waggons anderweitig weggegeben habe. Der Kläger bestimmte nunmehr dem Beklagten am 30. Oktober gemäß § 326 BGB. eine lOtägige Nachfrist. Der Beklagte antwortete am 3. November, daß das Akkreditiv noch nicht eröffnet sei, und er daher den Auftrag streiche. Mit der Klage beansprucht der Kläger Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 4800 M. nebst Zinsen. Der Beklagte stützte seinen Antrag auf Klagabweisung u. a. darauf, daß er vom Vertrage zurückgetreten sei, weil der Kläger der vertraglich ihm auferlegten Bedingung, sofort vor Verladung den Kaufpreis drahtlich zu überweisen, nicht nachgekommen sei. Erst am 5. November sei das Akkreditiv eröffnet worden. Der Kläger bestritt beide Behauptungen. Landgericht und Kammergericht wiesen die Klage ab. Auch die Revision blieb erfolglos. Aus den
Gründen:
. . . Einwandfrei hat das Berufungsgericht dargelegt, daß der Beklagte nicht berechtigt war, wegen verspäteter E r ö f f n u n g des Akkreditivs ohne Fristbestimmung vom Vertrage zurückzutreten. Die Vereinbarung alsbaldiger Eröffnung eines Akkreditivs durch den Käufer kann als Bedingung in Betracht kommen, mit deren pünktlicher Erfüllung der Vertrag nach der Absicht der Parteien stehen und fallen soll. Es braucht aber jene Vereinbarung eine solche Bedeutung nicht zu haben. In den letzthin vom Reichsgericht entschiedenen Fällen (vgl. RGZ. Bd. 92 S. 388 und Bd. 96 S. 257) handelte es sich einmal um die Lieferung aus dem neutralen Auslande zu beziehender Ware; im anderen Falle hatten die Parteien eine kurze feste Frist für die Eröffnung des Akkreditivs vereinbart. Hier dagegen steht ein Inlandsgeschäft in Frage und ist für die Stellung des Akkreditivs keine feste Frist festgesetzt. Das Berufungsgericht hat überdies festgestellt, daß der Beklagte auf die buchstäbliche Erfüllung der Pflicht sofortiger Akkreditivstellung kein besonderes Gewicht gelegt und erst nach mehrfachem Briefwechsel am 3. November, also etwa 2 ^ Wochen nach dem Vertragsabschlüsse, seinen Rücktritt erklärt hat. Diese Erwägung beruht auf reiner Tatsachenwürdigung und läßt keinen Rechtsirrtum erkennen. Es wäre danach Pflicht des Beklagten gewesen, die Vorschrift des § 326 BGB. zu beobachten, zumal — wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend betont — der Ausnahmefall des Abs. 2 nicht gegeben war.
149 Von der Revision wird nun aber die A u f f a s s u n g des angefochtenen Urteils b e k ä m p f t , daß dem K l ä g e r mangels Verzugs des Beklagten ein Anspruch auf S c h a d e n s e r s a t z wegen Nichterfüllung nicht zustehe. Der K l ä g e r hat am 23. Oktober auf Lieferung gemahnt und dem Geklagten am 30. Oktober eine zehntägige Nachfrist gemäß § 326 'BGB. bestimmt. E s fragt sich, ob diese Mahnung und Fristbestimmung nach Fälligkeit der Lieferpflicht des B e k l a g t e n erfolgt sind und ob, wenn dies nicht zutrifft, aus besonderen Gründen der K l ä g e r einer Wiederholung der Mahnung und Fristbestimmung überhoben war. A u s dem festgestellten Sachverhalt, insbesondere aus der von der Nationalbank eingezogenen A u s k u n f t geht hervor, daß die Verzögerung der Angelegenheit durch d a s Verlangen der B a n k nach einer Bestätigung der Akkreditivstellung abseiten der Pfälzer Bankzentrale in Ludwigshafen verursacht worden ist. Diesem Verlangen ist, wie die P f ä l z e r Bank am 14. November mitteilt, erst am 29. Oktober stattgegeben worden. Die B e s t ä t i g u n g wird also E n d e Oktober oder A n f a n g November bei der N a t i o n a l b a n k eingelaufen sein. Die Revision rügt, daß d a s Berufungsgericht d a s von der Nationalbank eingeschlagene Verfahren a u s dem G r u n d e dem K l ä g e r zur L a s t gelegt habe, weil er sich der Bank als Erfüllungsgehilfin bedient habe. Diese R ü g e beruht offenbar auf einem Mißverständnisse. Das Berufungsgericht hat in seinen Gründen nicht die Nationalbank, sondern die P f ä l z e r B a n k als Erfüllungsgehilfin des K l ä g e r s im Auge gehabt. Der in Betracht kommende S a t z : „Die Einholung der Bestätigung der B a n k in Ludwigshafen durch die Nationalbank ist aber ein Umstand, den der K l ä g e r zu vertreten hat, wenn er sich der Bank zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bediente" wird durch die vorangehenden A u s führungen völlig verständlich. Dort legt das Berufungsgericht d i r , daß eine Akkreditivstellung, welche eine glatte Erledigung der Angelegenheit nicht gewährleiste, der Vertragsabsicht nicht entspreche, daß aber im vorliegenden F a l l e tatsächlich die bloße Eröffnung des Akkreditivs durch Vermittelung der Pfälzer Bank, Zweigstelle in Rockenhausen, nicht genügt habe. Diese Ausführungen sind keineswegs rechtsirrtümlich. Die E r ö f f n u n g eines Akkreditivs erfolgt üblicherweise durch Rimessen oder durch den Kreditauftrag einer B a n k , welche bei der beauftragten B a n k ein Guthaben hat oder K r e d i t genießt. K e i n e Bank wird den K r e d i t a u f t r a g zur Ausführung bringen, wenn sie nicht entweder gedeckt ist oder den Auftraggeber als kreditwürdige Persönlichkeit kennt. Im vorliegenden F a l l e hatte die Nationalbank, da sie die Unterschriften der Zweigstelle Rockenhausen nicht kannte, eine Bestätigung oder — wie die Pfälzer B a n k sich in ihrem Schreiben vom 14. November ausdrückt — Beglaubigung der Bankzentrale in Ludwigshafen verlangt, und diese ist dann am 29. Oktober von der letztgenannten abgesandt worden. D a s Verfahren der
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Nationalbank war zweifellos berechtigt. Da ihr keine Barwerte übersandt wurden, verlangte sie Sicherung für ihren Erstattungsanspruch. Eine solche Sicherung konnte ihr nur eine Verpflichtung gewähren, deren Wirksamkeit für sie sofort erkennbar war. Unmöglich kann einer Bank zugemutet werden, die Unterschriften aller Leiter von kleinen Zweigstellen zu kennen. Es kann aber auch keinen Geschäftsgebrauch geben, der jemanden zwänge, auf unsichere Gewähr hin einem Dritten Zahlung zu leisten oder Kredit zu eröffnen. Somit war es Pflicht des Klägers, entweder die Nationalbank mit entsprechender Rimesse zu versehen oder, wenn er eine 'Bank zur Vermittelung der Akkreditivstellung in Anspruch nahm, dafür Sorge zu tragen, daß der Bank, bei welcher das Akkreditiv zu eröffnen war, keine Zweifel über die Ungefährlichkeit des Geschäfts aufzukommen brauchten. Diese«Pflicht ist der Kläger nicht nachgekommen, und es bedurfte daher auch keiner 'Beweiserhebung über die Frage, ob das Akkreditiv bereits am 15. Oktober drahtlich und brieflich von der Pfälzer Bank Rockenhausen eröffnet worden ist. Hatte andrerseits der Kläger die Tatsache zu vertreten, daß die Eröffnung des Akkreditivs erst Anfang November ordnungsmäßig erfolgt und dem Beklagten bekannt gegeben worden ist, so war, da er nach dem Vertrage vorzuleisten hatte, sein Anspruch auf Lieferung des Heus auch erst in diesem Zeitpunkte fällig geworden. . . . RGZ. 105, 32 Hat der Käufer, der den Kaufpreis auf Verlangen des Verkäufers an dessen Bank mit dem Auftrag uberwiesen hat, den Betrag an den Verkäufer gegen Duplikatfrachtbrief auszufolgen, es zu vertreten, daß die Bank diesem die irrige Auskunft gibt, das Geld sei nicht eingegangen? VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Aachen.
Urt. v. 15. Juni 1922. II. Oberlandesjjcricht
Köln.
Die Beklagte kaufte am 17. Juni 1919 von der Klägerin 5000 kg Kartoffelmehl für 450 M. die 100 kg. Klägerin brachte die Ware am 22. August 1919 auf den Weg, rief sie aber wieder zurück und erklärte nach Beobachtung der Vorschriften des § 326 iBGB. den Rücktritt vom Vertrag, weil die Beklagte nicht, wie vereinbart, ein unwiderrufliches Akkreditiv in Höhe der Kauf summe beim Sch.'sehen Bankverein in K. gestellt habe. Sie hat die Beklagte auf Zahlung der Versendungskosten verklagt. Die Beklagte hat die Klage bestritten und widerklagend Schadensersatz verlangt. Sie behauptet, es sei nur bedungen gewesen, daß sie den Kaufpreis nach Abgang der Ware an die genannte Bank überweise, die ihn der Klägerin gegen Duplikatfrachtbrief ausliefern
Anweisung
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werde; Beklagte habe den Betrag bereits am 20. August 1919 an Sch. überweisen lassen; wegen des unberechtigten Rücktritts der Klägerin habe sie sich zu weit höherem Preis eindecken müssen. Das Landgericht, Kammer für Handelssachen, hat die Klage abgewiesen und die Klägerin gemäß der Widerklage verurteilt. Das Oberlandesgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Aus den G r ü n d e n : Das Berufungsgericht führt folgendes aus: Dahin stehen könne, ob vereinbart war, daß die (Beklagte ein unwiderrufliches Akkreditiv bei Sch. vor der Lieferung zu stellen hätte, wie die Klägerin behaupte, oder ob die Beklagte, wie ihr Bestätigungsschreiben vom 17. Juli 1919 laute, nur verpflichtet war, den Betrag nach Abgang der Ware an Sch. zu überweisen, der ihn dann an die Klägerin gegen Duplikatfrachtbrief ausliefern sollte. Die Beklagte sei nicht einmal der von ihr behaupteten Verpflichtung nachgekommen. Die Klägerin habe die Ware am 22. August 1919 abgesandt und dies der Beklagten mitgeteilt, die daraufhin den Kaufpreis an Sch, zu überweisen hatte. Das sei aber nicht in ordnungsmäßiger Weise bewirkt worden. Denn Sch. habe der Klägerin auf wiederholte Anfragen bis zum 27. August 1919 mitgeteilt, daß kein Akkreditiv gestellt sei. Erst am 5. September 1919 habe ihr Sch. den Eingang des Restes von 17 500 M. (5000 M. waren rechtzeitig angekommen) angezeigt. Der Beweisantrag der Beklagten, daß sie bereits am 20. August 1919 durch ihre Bank den Rest in einem Scheck unter Beifügung eines Begleitschreibens über seine Verwendung überwiesen habe, sei unerheblich. Denn die Beklagte habe es zu vertreten, wenn die Klägerin vom Eingang des Geldes nicht rechtzeitig unterrichtet wurde. Da sie sich verpflichtet hatte, die Kauf summe durch Sch. zu überweisen, der sie gegen Duplikatfrachtbrief an die Klägerin gelangen lassen sollte, habe sie sich dieser Bank zur Erfüllung ihrer Zahlungsverbindlichkeit bedient. Sie allein sei durch diesen Auftrag mit der Bank in ein Vertragsverhältnis getreten, auf Grund dessen letztere verpflichtet war, die Klägerin vom Eingang des Geldes zu benachrichtigen. Habe die Bank das nicht getan, so gehe es zu Lasten der Beklagten. Hieran werde auch dadurch nichts geändert, daß Sch. der Bankier der Klägerin war. Diese habe über den überwiesenen Betrag erst verfügen können, nachdem sie der Bank den abgestempelten Duplikatfrachtbrief ausgehändigt hatte, und erst in diesem Zeitpunkt seien zwischen ihr und der Bank hinsichtlich des vorliegenden Geschäfts rechtliche Beziehungen entstanden. Die Annahme des Berufungsgerichts ist bedenkenfrei, daß nach dem Inhalt des unterstellten Vertrags die Beklagte das Versehen bei
152 Sch. zu vertreten habe, das darin bestanden haben soll, daß der von der Bank der Beklagten ihm übersandte Scheck und das Begleitschreiben an verschiedene Abteilungen geleitet worden seien, wo man nicht gewußt habe, was damit anzufangen sei. Das Bestätigungsschreiben der Beklagten vom 17. J u l i 1919 enthält über die Zahlung nachstehende Erklärung: „Wir bitten Sie uns zu benachrichtigen, wann die Ware abgeht, und werden wir Ihnen dann den Betrag von M. 22 500 durch die F i r m a C. G . & Co. in A. an den Sch.'schen Bankverein überweisen, der Ihnen denselben gegen Duplikatfrachtbrief ausliefern wird." Nach der ständigen, die A u f f a s s u n g der Handelskreise wiedergebenden Rechtsprechung des Reichsgerichts hat der Käufer, der ein Akkreditiv bei der Bank des Verkäufers zu dessen Gunsten gegen Duplikatfrachtbrief stellt, dafür zu sorgen, daß das Akkreditiv rechtzeitig gestellt wird, was erst geschehen ist, wenn die Bank den Verkäufer benachrichtigt, daß das G e l d eingegangen sei und zu seiner Verfügung stehe. Versehen der B a n k hierbei hat der Akkreditierende zu vertreten, auch wenn er das Akkreditiv auf Verlangen des Käufers bei dessen B a n k gestellt hat (RGZ. Bd. 102 S. 155; 103 S. 376; J W . 21 S. 312; VI 277/21; VI 408/21; VI 439 21; VI 522 21). Die Bedingung der Akkreditivstellung bei der Bank des Verkäufers, die u. U. für den in der Wahl der B a n k unfreien Käufer gefährlich werden kann, verfolgt den Zweck, dem Verkäufer mit der Absendung der Ware die Barzahlung zu sichern. Wie in so manchen andern neuzeitlichen Geschäftsbedingungen prägt sich darin die wirtschaftliche Uebermacht aus, die der Verkäufer gegen den Käufer gewonnen hat. Die gleichen Grundsätze greifen bei der streitigen Verkaufsbedingung Platz, die vielfach in der abgekürzten F o r m „Banküberweisung gegen Duplikatfrachtbrief" im gleichen Sinne wie „Akkreditiv gegen Duplikatfrachtbrief" und wahlweise mit dieser Klausel gebraucht wird. Mögen Akkreditiv und Ueberweisung rechtlich verschiedene Begriffe sein, und Ueberweisung für sich allein regelmäßig nur den tatsächlichen Zahlungsvorgang bedeuten, der zwischen dem Ueberweisenden und der Empfang9bank keine rechtlichen Beziehungen schafft, so entsteht doch dadurch, daß der K ä u f e r den K a u f p r e i s an die Bank des Verkäufers mit der A u f l a g e überweist, ihn dem Verkäufer gegen Duplikatfrachtbrief auszufolgen, zwischen dem Käufer und der Bank ein Auftragsverhältnis, kraft dessen die B a n k den Betrag dem Verkäufer nur gegen Aushändigung des Duplikatfrachtbriefs zahlen oder gutschreiben soll. Der Auftrag umfaßt nach der Natur der Sache auch die seine Ausführung vorbereitenden Handlungen, insbesondere, was hier in Betracht kommt, die Pflicht der Bank, dem Verkäufer keine falschen Angaben über den Eingang des überwiesenen Geldes zu machen.
153 Im Verhältnis zwischen dem Käufer und dem Verkäufer ist die Bank, als mit der Zahlung beauftragt, Erfüllungsgehilfin des Käufers, und dieser hat für ihr Versehen in Ausführung des Auftrags einzustehen. Ebensowenig wie ein Dritter, der mit der Bank in keiner Verbindung stand, durch die Tatsache allein, daO die Ueberweisung zu seinen Gunsten erfolgte, in ein Vertragsverhältnis mit der Bank getreten wäre, ist dies bei dem Verkäufer der Fall, wenn er auch im übrigen mit der Bank Geschäfte gemacht und die Ueberweisung an sie gefordert hatte. Hiernach hat die Beklagte den angeblichen Irrtum des Sch.'sehen Bankvereins zu vertreten und die Klägerin war zum Rücktritt von dem Vertrag berechtigt. RGZ. 105, 48 1. Welche rechtlichen Beziehungen entstehen zwischen dem Auftraggeber und einer beauftragten Bank, wenn der Auftrag dahin geht, eine andere Bank zur Akkreditivbestellung zu veranlassen? Inwieweit haftet die zuerst beauftragte Bank dem Auftraggeber, wenn die zweite Bank die ihr erteilten Anweisungen nicht befolgt hat? 2. Kann Klage erhoben werden aui Entlastung eines Kontos um einen bestimmten Geldbetrag? I. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht
Altona.
Urt. v. 17. Juni 1922. II. Oberlandesgericht
Kiel.
Der Kläger bat durch Schreiben vom 3. November 1919 die beklagte Bank, die Firma S. in Hamburg bei der Dr. Bank in Hamburg (der Nebenintervenientin) dergestalt zu akkreditieren, daß dem S. gegen Einlieferung von Schiffspapieren über Verladung von Förderkohle für den Kläger auf jede Tonne bis zur Gesamtmenge von 300 t der Betrag von 160 M., insgesamt also ein Beirag von höchstens 48 000 M. gezahlt würde. Das Akkreditiv sollte Gültigkeit bis zum November einschließlich haben. In Erfüllung dieses Auftrags schrieb die Beklagte am 6. November 1919 der Dr. Bank, sie bitte im Auftrage des Klägers, zu Lasten ihres Kontos die Firma S. mit 48 000 M. zu akkreditieren gegen Einlieferung von Schiffspapieren... über Förderkohlen, und zwar seien für die Tonne 160 M. zu zahlen; es komme also eine Höchstliefermenge von 300 t in Frage; das Akkreditiv habe Gültigkeit bis zum 18. des Monats einschließlich. Nachträglich wurde das Akkreditiv dahin geändert, daß die Zahlung an den Vorzeiger der Konnossemente (nicht nur an S.) erfolgen sollte. Am 13. November zahlte die Dr. Bank gegen Uebergabe eines Konnossements über 200,180 kg Steingrus 32 028,80 M. und am 21. November gegen Uebergabe eines zweiten Konnosements über 130,980 kg Steingrus weitere 20 956,80 M., zusammen also 52 985,60 M. Ueber-
154 bringer der Konnosemente und Empfänger der Zahlungen war ein gewisser J. Entsprechend den Zahlungen wurde die Beklagte von der Dr. Bank belastet; die Beklagte wiederum belastete den Kläger mit einer ähnlichen Summe, nämlich 53 012,10 M. Mit der Klage beantragt der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, sein Konto von dieser Summe zu entlasten. Er stützt seinen Antrag darauf, daß 1. die Konnossemente nicht über Förderkohlen, sondern über Steingrus gelautet hätten, daß 2. die zweite Zahlung nach Ablauf des Akkreditivs geleistet sei und daß 3. die gesetzte Höchstgrenze überschritten sei. Das Landgericht gab der Klage in Höhe von 20 956,10 M. (der zweiten von der Dr. Bank geleisteten Zahlung) durch Teilurteil statt. Das Oberlandesgericht wies die Klage zur Höhe von 15 971,20 M. ab und hielt im übrigen das erstinstanzliche Urteil aufrecht. Der Kläger und die Nebenintervenientin legten Revision ein, ersterer mit, letztere ohne Erfolg. Gründe: Das Berufungsgericht hat zunächst angenommen, daß die vorliegende Klage, mit deren Antrag der Kläger Entlastung seines bei der Beklagten geführten Kontos von einem bestimmten Betrage fordert, eine Feststellungsklage sei. Die Parteien seien vom Gericht darauf hingewiesen worden, daß diese Kennzeichnung der Klage in dem Antrage keinen klaren Ausdruck gefunden habe, sie hätten jedoch übereinstimmend erklärt, daß sie an der gewählten Fassung festhalten wollten. Danach habe das Gericht die mit dem Antrage übereinstimmende Formel des Urteils der ersten Instanz bestehen lassen. Die Revision macht geltend, daß ein so unklarer Antrag habe abgewiesen werden müssen. Dem steht jedoch entgegen, daß der Antrag in sich keineswegs unklar ist. Er sagt völlig genau, was er beansprucht, nämlich, daß die Beklagte das Konto des Klägers entlasten solle. Ob das nun rechtlich als eine Verurteilung zu einer Handlung oder als eine begehrte Feststellung aufzufassen ist, darüber brauchte sich die Klage nicht zu äußern. Uebrigens stehen der Annahme des Berufungsgerichts, daß es sich um eine Feststellung handelt, keine Bedenken entgegen: es ist dem Sinne nach die Feststellung verlangt und teilweise erfolgt, daß die Belastung zu Unrecht geschehen ist. Zur Sache selbst hat das Berufungsgericht ausgeführt: Der Brief des Klägers mit der Bitte um Akkreditivstellung zugunsten der Firma S. (oder später des Vorzeigers der Konnossemente) habe eine doppelte Bedeutung. Er enthalte zunächst den Auftrag, die Dr. Bank um Vornahme der Zahlung zu ersuchen, und weiter den Auftrag, ihr die zu zahlenden 48 000 M. zur Verfügung zu stellen. Diese beiden Aufträge habe die Beklagte ausgeführt, und dadurch sei ein unmittelbares Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Dr. Bank zustande gekommen. Unter diesen Umständen sei es ausgeschlossen, daß die
Anweisung
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beklagte Baak für ein etwaiges Verschulden der Dr. ßank wie für das eines Erfüllungsgehilfen aufzukommen habe. Infolgedessen könne die Beklagte vom Kläger Erstattung ihrer Aufwendungen fordern. Als Aufwendung in diesem Sinne sei ein Betrag von 48 000 M. anzusehen, den die Dr. iBank aus dem bei ihr befindlichen Guthaben der Beklagten entnommen habe. Der Ueberschuß könne dagegen dem Kläger nicht in Rechnung gestellt werden, weil insoweit der Auftrag überschritten sei. Bei dieser Ausführung ist zunächst auffällig, daß eine verschiedene Behandlung der behaupteten drei Ueberschreitungen des klägerischen Auftrags eintritt; die Ueberschreitung der gesetzten Höchstgrenze des zu zahlenden Betrags soll der Beklagten, die Ueberschreitung hinsichtlich der Zeit und der in den Konnossementen enthaltenen Warenbezeichnung dem Kläger — wenigstens einstweilen — zur Last fallen. Es kann den Ausführungen aber auch im übrigen in entscheidenden Punkten nicht beigetreten werden. Sowohl die Revision des Klägers als auch die der Nebenintervenientin (der Dr. ßank) leugnen, daß unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Dr. Bank entstanden s.ind. In der Tat sind solche auch nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht stützt seine Ansicht darauf, daß die Beklagte der Dr. Bank am 6. November 1919 geschrieben habe, im Auftrage des Klägers bitte sie, . . . mit 48 000 M. zu akkreditieren. Allein diese Erwähnung des Auftraggebers hat nicht die ihr vom Berufungsgerichte -beigelegte Bedeutung. Bei jeder Giroüberweisung zwischen zwei Banken und in zahlreichen anderen Fällen wird erwähnt, in wessen Auftrag oder für wessen Rechnung die Zahlung geleistet oder ein Auftrag weitergegeben wird, ohne daß irgendwelche unmittelbaren Rechtsverhältnisse entstehen sollen. Im Gegenteil wäre es geradezu auffällig, wenn in solchen Lagen die eine Bank zu dem Kunden der anderen Bank in unmittelbare Beziehungen treten würde. Damit stimmt auch die weitere Behandlung der Sache, die in diesem Falle eingetreten ist und in ähnlichen Fällen stets eintritt. Die Dr. Bank hat nicht etwa dem Kläger ein Konto eröffnet und ihn mit dem gezahlten Betrage belastet, sondern sie hat die 'Beklagte belastet. Auch die Beklagte hat nicht etwa im Namen und für Rechnung des Klägers der Dr. Bank 48 000 M. überwiesen, sondern sie war stillschweigend einverstanden, daß die zu zahlenden Beträge aus ihrem (der Beklagten) Guthaben entnommen würden. Danach bleibt in der Tat für die Annahme unmittelbarer Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Dr. Bank kein Raum. Aus diesen Gründen kann die Beklagte den Kläger nicht darauf verweisen, daß er seine Ansprüche aus eigenem Rechte gegen die Dr. Bank geltend machen möge. Richtig ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Dr. Bank nicht als Erfüllungsgehilfin der Beklagten anzusehen ist.
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Schuldrecht, Besonderer Teil
Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Auftragsschreiben des Klägers. Der Kläger hat nicht geschrieben, daß die ¡Beklagte ihrerseits zugunsten der Firma S, ein Akkreditiv in Hamburg bei einer von ihr (der Beklagten) auszuwählenden 'Bank eröffnen möge, sondern er hat geschrieben, daß die 'Beklagte die Firma S. bei der Dr. Bank in Hamburg akkreditieren möge. Es war der Beklagten also genau vorgeschrieben, was sie zu tun hatte, und deshalb kann der Brief — mangels entgegenstehender Behauptungen des Klägers — n u r dahin ausgelegt werden, daß die Beklagte der Dr. Bank die vom Kläger festgesetzten Anweisungen zu erteilen hatte. Darin erschöpfte sich der ihr gswordene Auftrag. Die schwierige und bisher nicht geklärte Frage, wann bei Bankgeschäften, bei denen )
Gesetz, betr. die geineinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen, vom 4. Dezember 1899 §§ 11, 12**). V. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht
Hannover.
Urt. v. 4. Januar 1911. II. Oberlandesgericht
Celle.
Die Beklagte hatte im Jahre 1904 mit Genehmigung der zuständigen Staatsbehörde Schuldverschreibungen im Gesamtbetrage von 600 000 M. ausgegeben. Mit Rücksicht auf ihre spätere mißliche Vermögenslage und behufs Vermeidung eines Konkurses wurde in einer Gläubigerversammlung vom 15. Februar 1908 die Ablösung der sämtlichen Schuldverschreibungen beschlossen. Die Ablösung sollte hiernach in der Weise erfolgen, daß den Obligationsgläubigern für je 1000 M. Schuldverschreibung ein Freikux der Beklagten ausgehändigt und daß außerdem auf den Nennwert der Schuldverschreibungen insgesamt 20 v. H. in vier Teilbeträgen von je 5 v. H., für deren letzten der Fälligkeitstermin auf den 1. Juli 1909 bestimmt war, gezahlt werden sollten. Trotz dieses Beschlusses klagte der Kläger, der Schuldverschreibungen der Beklagten über insgesamt 32 000 M. besaß, auf Zahlung der hiervon am 2. Januar 1908, 1 Juli 1908 und 2. Januar 1909 fällig gewordenen je 800 M. (zusammen 2400 M.) Zinsen nebst Verzugszinsen, sowie weiter als Zessionar des Kaufmanns S., der Schuldverschreibungen der Beklagten in Höhe von 10 000 M. besaß, auf Zahlung der aus diesen zu denselben drei Terminen fällig gewordenen Halbjahrszinsen von je 250 M. (zusammen 750 M.) nebst Verzugszinsen. Die Beklagte widersprach auf Grund des Beschlusses vom 15. Februar 1908 nicht nur der Klage, sondern begehrte auch widerklagend die Feststellung, daß der Kläger bezüglich seiner Schuldverschreibungen nicht zum vollen Nennbetrage, sondern nur nach Maßgabe des Beschlusses der Gläuhigerversammlung vom 15. Februar 1908 forderungsberechtigt sei. *) Geringere Bedeutung. **) J e t z t i. d. F. der VO. v. 24. 9. 32 — R G B l . I S. 447 (483).
Schuldverschreibung auf den Inhaber
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Das Landgericht sowohl wie das Oberlandesgericht nahmen die Ungültigkeit des Gläubigerbeschlusses vom 15. Februar 1908 an und wiesen deshalb durch Teilurteil die Widerklage ab. Hiergegen richtete sich die Revision der Beklagten und Widerklägerin, die aber zurückgewiesen worden ist. In seinem Schlußurteile hatte inzwischen das Oberlandesgericht den Klaganspruch, soweit er auf Zahlung von 2400 M. Zinsen nebst Verzugszinsen aus den eigenen Schuldverschreibungen des Klägers gerichtet war, abgewiesen, und zwar auf Grund eines am 19. April 1909 gefaßten neuen Gläubigerbeschlusses, wonach die am 2. J a n u a r 1908, 1. Juli 1908 und 2. J a n u a r 1909 fällig gewordenen Zinsen der Beklagten erlassen, ferner die Zinsen für die Zeit vom 1. J a n u a r 1909 bis zum 31. Dezember 1915 der Beklagten bis zu dem letztgenannten Termine gestundet und endlich Amortisationsauslosungen für den gleichen Zeitraum ausgeschlossen sein sollten. Dieses Urteil war rechtskräftig geworden. Sodann war der Streit wegen der von S. abgetretenen Zinsen beim Landgerichte fortgesetzt worden. Vor diesem hielt der Kläger nicht nur den Anspruch auf die bisher schon eingeklagt gewesenen, am 2. Januar 1908, 1. Juli 1908 und 2. Januar 1909 fälligen drei Halbjahresraten (zusammen 750 M.) nebst Verzugszinsen aufrecht, sondern beanspruchte nunmehr auch Zahlung mehrerer erst vom 1. J u l i 1909 ab fällig gewordenen Zinsraten, und zwar sowohl auf Grund weiterer Zession von seilen S.'s wie auf Grund seiner eigenen Schuldverschreibungen. Das Landgericht wies diese Ansprüche des Klägers — hauptsächlich auf Grund des auch von ihm für gültig erachteten Gläubigerbeschlusses vom 19. April 1909 — ab. Die Berufung des Klägers und seine Revision sind zurückgewiesen worden. Aus den
Gründen:
„Keine der beiden Revisionen konnte Erfolg haben. I. Dies gilt zunächst von der Revision gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts vom 29. April 1909, -womit sich die Beklagte über die Abweisung ihrer Widerklage b e s c h w e r t . . . . Die Beklagte verlangt mit ihrer Widerklage die Feststellung, daß der Kläger auf Grund seiner Schuldverschreibungen nicht zu deren vollem Nennbetrage von 32 000 M„ sondern lediglich nach Maßgabe des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 15. Februar 1908 forderungsberechtigt sei. Das Berufungsgericht hat, ebenso wie das Landgericht, dieses Verlangen abgewiesen, weil nach § 12 Abs. 3 des hier anzuwendenden Reichsgesetzes vom 4. Dezember 1899 auf die dem Nennwerte der Schuldverschreibungen entsprechenden K a p i t a l ansprüche durch Beschluß der Versammlung nicht verzichtet werden
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Schuldrecht, Besonderer Teil
könne, der Beschluß vom 15. Februar 1908 aber einen solchen Verzicht in sich schließe und daher nach § 134 B O B . nichtig sei. Die Revision rügt Verletzung der § § 1 1 und 12 des Gesetzes vom 4. Dezember 1899. . . . Indes war dem Berufungsgerichte in seiner Beurteilung des Beschlusses vom 15. Februar 1908 durchaus beizutreten. Das Gesetz vom 4. Dezember 1899 verfolgt, wie aus seinem Inhalte und seiner Begründung, vgl. stenogr. Bericht über die Verh. des Reichstages 1898 1900, Ank g e b a n d 2 S. 907 flg., hervorgeht, hauptsächlich den Zweck, den Besitzern der meist weit zerstreuten und in unbekannten Händen befindlichen Schuldverschreibungen größerer wirtschaftlicher Unternehmungen die Wahrung ihrer, gemeinsamen Interessen dadurch zu erleichtern, daß es unter gewissen Voraussetzungen (§ 1) den von einer Gläubigerversammlung gefaßten Beschlüssen verbindliche Kraft für alle Gläubiger beilegt. Unter besonderen weiteren Voraussetzungen, die sich teils auf den Zweck der Beschlußfassung (§ 11 Abs. 1), teils auf die zu einer gültigen Beschlußfassung erforderliche Mehrheit beziehen (§ 11 Abs. 2), gestattet das Gesetz in § 11 der Gläubigerversammlung sogar Beschlüsse, die eine Aufgabe oder Beschränkung von Rechten der Gläubiger zum Gegenstande haben. Als zulässigen Inhalt solcher Beschlüsse, durch die die Rechte der Gläubiger eine Schmälerung erfahren, nennt das Gesetz selbst beispielsweise die Ermäßigung des Zinsfußes und die Bewilligung einer Stundung. Die Motive des Gesetzes (S. 912 zu § 10 des Entwurfs) bezeichnen als weitere Beispiele solcher die Rechte der Gläubiger beeinträchtigender Beschlüsse die Einräumung eines Vorrechts, die teilweise oder gänzliche Aufgabe eines Pfandrechts, sowie den Verzicht auf sonstige Sicherungsmaßregeln. Aber sie fügen sofort hinzu: „Anders verhält es »ich mit solchen Beschlüssen, die eine Herabsetzung der Kapitalforderungen aus den Schuldverschreibungen zum Gegenstande haben. Abgesehen von dem F a l l e des Konkurses, für den § 16 Abs. 5 des Entwurfs" (jetzt § 18 Abs. 6) „eine besondere Bestimmung trifft, will der Entwurf einen soweit gehenden Eingriff in die R e c h t e der einzelnen Gläubiger nicht gestatten. . . . Auch aus 'Billigkeitsrücksichten muß die Pflicht der einzelnen Gläubiger, sich unter Verzicht auf eigene Rechte dem Willen einer Mehrheit von anderen Gläubigern zu fügen, eine bestimmte sachliche Grenze haben. Der Entwurf sucht diese dort, wo dem Gläubiger der Verlust von Kapitalforderungen angesonnen wird (§ 10 Abs. 4 ) . " Dieser § 10 Abs. 4 des Entwurfs ist ohne jede Aenderung Gesetz geworden; mit ihm stimmt wörtlich überein die Vorschrift in § 12 Abs. 3 des Gesetzes:
167 „Auf die dem Nennwerte der Schuldverschreibungen entsprechenden Kapitalansprüche kann durch Beschluß der Versammlung nicht verzichtet werden." Daß gegen diese gesetzliche Bestimmung der Beschluß der Gläubigerversammlung vom 15. Februar 1908 verstößt, ist unzweifelhaft, da ihm zufolge alle Obligationsgläubiger der Beklagten, insbesondere auch die gegen den Beschluß stimmende Minderheit, achtzig Prozent des Nennwertes ihrer Forderungen ohne weiteres für immer verlieren sollten. Unbeachtlich ist der Einwand der Revision, daß von einem Verzichte, wie er nach § 12 Abs. 3 unstatthaft sei, begrifflich nur dann die R e d e sein könne, wenn ein Recht ohne Gegenleistung aufgegeben werde, daß aber im vorliegenden F a l l e der Beschluß vom 15. Februar 1908 den Gläubigern in den ihnen zugebilligten 20 v. H. des Nennwertes ihrer Forderungen, sowie in dem ihnen für je 1000 M. Schuldverschreibung zugesagten K u x e eine Gegenleistung gewähre. Denn es ist, wie auch der Vorderrichter zutreffend ausführt, zunächst schon unrichtig, daß der Verzicht begrifflich das Fehlen einer Gegenleistung für die Aufgabe des Rechtes des Verzichtenden erfordere. Unentgeltlichkeit ist von jeher kein notwendiges Erfordernis des Rechtsbegriffs „Verzicht" gewesen; vielmehr ist es mit dem Wesen des Verzichts sehr wohl vereinbar, daß von der anderen Seite eine Gegenleistung bewirkt wird. Dem entspricht auch der Sprachgebrauch des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wie sich aus vielen Stellen (vgl. u. a. §§ 1491 Abs. 2, 1501 Abs. 1) ergibt. Im übrigen waren die durch den 'Beschluß vom 15. Februar 1908 den Gläubigern zugebilligten 20 v. H. des Nennwerts überhaupt keine Gegenleistung, sondern nur ein kleiner Teil von dem, was schon ohnedies den Gläubigern rechtlich gebührte und von ihnen beansprucht werden konnte; und ob der K u x einer Gewerkschaft, die sich in so mißlicher Vermögenslage befindet, daß sie, wie die Beklagte, ihren Obligationsgläubigern des große Opfer eines Verzichts auf 8 0 v . H . ihrer Kapitalforderungen zumuten muß, überhaupt als eine Gegenleistung von einigem tatsächlichen Werte angesehen werden darf, kann selbst dann, wenn der K u x , wie im vorliegenden Falle, einstweilen von Zubußen befreit war, zum mindesten sehr zweifelhaft sein. Der Verstoß des Beschlusses gegen die Vorschrift des § 12 Abs. 3 hat gemäß § 134 ¡BGB. die Nichtigkeit zur Folge. Die lediglich auf diesen Beschluß gestützte Widerklage ist daher mit Recht von den Vorinstanzen abgewiesen worden. . . . II. Ebenso unbegründet war aber auch die Revision des Klägers gegen das letzte Berufrungsurteil, wodurch die sämtlichen Klagansprüche, so wie sie zuletzt noch geltend gemacht wurden, abgewiesen worden sind.
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Schuldrecht, Besonderer Teil
Das Berufungsgericht unterscheidet bei der Begründung seiner Entscheidung zwischen dem Ansprüche, den der Kläger, nach rechtskräftiger Abweisung seiner Klage auf die im J a h r e 1908 und Anfang 1909 fällig gewesenen eigenen Halbjahreszinsen, in der späteren mündlichen Verhandlung auf die vom 1. J u l i 1909 ab fälligen e i g e n e n Zinsen erhoben hatte, und dem Ansprüche auf die von S. a b g e t r e t e n e n Zinsen. ¡Bezüglich des ersten dieser Ansprüche stellt es an die Spitze seiner Gründe Ausführungen, wonach die Erhebung dieses neuen Anspruchs in der Form, wie sie erfolgte (lediglich durch Vortrag in der mündlichen Verhandlung), aus prozessualen Gründen unzulässig sei. Es führt aus, daß es sich bei dem hier in Rede stehenden Verlangen des Klägers nicht um eine Klagerweiterung, sondern um einen nach Grund und Gegenstand völlig neuen Anspruch handle, und scheint, ebenso wie das Landgericht, der Meinung gewesen zu sein, daß diese Nachforderung nur im Wege einer gemäß § 253 ZPO. zu erhebenden besonderen Klage habe geltend gemacht werden können. Jedenfalls weist das Berufungsgericht die Klage insoweit, als mit ihr die Zahlung von Zinsen aus den eigenen Schuldverschreibungen des Klägers verlangt wird, in erster Linie als prozessual unzulässig ab. Gleichwohl prüft es im folgenden jenen Anspruch sachlich und weist ihn sodann auf Grund des Gläubigerbeschlusses vom 19. April 1909 auch als materiell unbegründet ab. Den Anspruch betreffs der S.'sehen Zinsen erklärt es lediglich auf Grund des Beschlusses vom 19. April 1909 für sachlich unbegründet. Der Klaganspruch hätte als sachlich unbegründet abgewiesen werden müssen, weil seiner Geltendmachung der Gläubigerbeschluß vom 19. April 1909 entgegensteht, ein Beschluß, der — wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt — auch die Hinfälligkeit des Anspruchs auf die S.'sehen Zinsen zur Folge hat. Vergebens sucht der Kläger die formelle, wie die materielle Gültigkeit dieses Beschlusses zu bemängeln. 2. Die Revision wiederholt ferner den Einwand, daß das Protokoll vom 19. April 1909 den § 9 Abs. 2 insofern verletze, als es die „Art der Beschlußfassung" nicht genügend angebe. Auch dieser Einwand ist nicht gerechtfertigt. Unter der „Art der Beschlußfassung", die nach § 9 Abs. 2 im Protokolle mitanzugeben ist, kann, ebenso wie nach § 259 Abs. 2 HGB., nur die Art und Weise verstanden werden, w.ie der Beschluß selbst in der Versammlung zustande gekommen ist, d. h. in welcher Weise (ob mündlich, schriftlich, durch Handerheben oder mittels welcher sonstigen Betätigung) abgestimmt worden ist und welche Stimmenzahl sich dabei für die eine und die andere Meinung ergeben hat; nur diese Vorgänge bei der Beschlußfassung selbst ge-
Schuldverschreibung auf den Inhaber
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hören zu der „Art der Beschlußfassung". Sie sind aber in dem Protokolle vom 19. April 1909 in genügender Weise beurkundet, wenn es dort heißt: „ E s wurde in namentlicher" — also mündlicher — ,.Abstimmung mit 439 000 M. dafür -und mit 45 000 M. dagegen beschlossen." . . . 3. Unbegründet ist endlich auch der letzte formelle Einwand, den die Revision geltend macht, daß nämlich bei der Berufung der Gläubigerversammlung vom 19. April 1909 die §§ 6 und 7 des Gesetzes vom 4. Dezember 1899 insofern verletzt seien, als nicht auch der Zweck des zu fassenden Beschlusses, nämlich der nach § 11 erforderliche Zweck der Abwendung einer Zahlungseinstellung oder des Konkurses der Beklagten, mit bekannt gemacht worden sei. Denn wenngleich nach § 7 Abs. 1 der „Zweck der Versammlung" bei der Berufung bekannt gemacht werden soll, so sind doch mit diesem Zwecke, wie sich alsbald aus Abs. 2 desselben Paragraphen ergibt, nur die Gegenstände der beabsichtigten Anträge und der beabsichtigten Beschlußfassung, m. a. W. die Tagesordnung der einberufenen Versammlung, gemeint; nirgends aber ist im Gesetze vorgeschrieben, daß hierüber hinaus auch der wirtschaftliche Zweck, der ökonomische Effekt, der mit dem demnächst zu fassenden Beschlüsse erreicht werden soll, bei der Berufung der Gläubigerversammlung mit veröffentlicht werden müsse. Das Gesetz mutet dem um seinen wirtschaftlichen Fortbestand kämpfenden Schuldner nicht zu, durch ausdrückliches Ausschreiben, daß er vor der Zahlungseinstellung oder dem Konkurse stehe, seine Lage mehr als unbedingt nötig zu verschlechtern. 4. In materieller Hinsicht soll, wie die Revision einwendet, der Beschluß vom 19. April 1909 um deswillen ungültig sein, weil er nicht, wie es § 11 Abs. 1 des Gesetzes erfordere, zur Abwendung einer Zahlungseinstellung oder des Konkurses der Beklagten gefaßt worden sei. Indes kann . , . schon der tatsächlichen . . . Feststellung nicht entgegengetreten werden, die der Vorderrichter . . . dahin trifft, daß, ebenso wie der bereits früher für nichtig erklärte Beschluß vom 15. Februar 1908, auch der Beschluß vom 19. April 1909 jedenfalls nach der Absicht der Mehrheit der versammelten Gläubiger (subjektiv) zum Zwecke der Abwendung einer Zahlungseinstellung oder des Konkurses gefaßt worden sei. Die Feststellung rechtfertigt aber auch die Entscheidung des Vorderrichters, daß § 11 Abs. 1 nicht verletzt und der Beschluß vom 19. April 1909 wegen solchen Mangels nicht ungültig sei. Denn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 fordert nicht, daß die Zahlungseinstellung oder der Konkurs nach Lage der Vennögensverhältnisse (objektiv) tatsächlich in Aussicht gestanden habe; es genügt vielmehr, daß die Mehrheit der Gläubiger mittels des von ihnen gefaßten Beschlusses einem nach ihrer subjektiven Auffassung drohenden Kon-
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Schuldrecht, Besonderer Teil
kurse oder einer Zahlungseinstellung haben zuvorkommen und sie haben abwenden wollen. Vgl. K ö n i g e , Kommentar zu dem Gesetz vom 4. Dezember 1899 S. 20 Anm. 30 und S. 54 oben. 5. Fehl geht auch der fernere Einwand der Revision, daß am 19. April 1909 die Schuldverschreibungen der damaligen Mehrheitsgläubiger nicht mehr im Umlaufe, sondern bereits im Besitze der Beklagten gewesen seien, oder daß doch jenen Gläubigern in Höhe der 95 v. H. ihrer Schuldverschreibungen, bezüglich deren sie damals — und zwar in Höhe von 80 v. H. durch Empfang von Kuxen, in Höhe von 15 v. H. durch Empfang der bis dahin fällig gewordenen, im Beschlüsse vom 15. Februar 1908 festgesetzten drei Raten von je 5 v. H. — befriedigt gewesen seien, ein Stimmrecht nicht mehr zugestanden habe, weil in Höhe jener 95 v. H. ihre Forderung unter allen Umständen erloschen gewesen sei. Allerdings hatten nach § 11 Abs. 3 des Gesetzes am 19. April 1909, als der Beschluß gefaßt wurde, bei der ¡Berechnung des Nennwertes der umlaufenden Schuldverschreibungen ( § 1 1 Abs. 2) solche außer Ansatz zu bleiben, die sich im Besitze der Beklagten (der Schuldnerin) befanden, d.h. von ihr als ihr gehörend besessen wurden (§ 872 BOB.), und für die nach § 10 Abs. 4 das Stimmrecht ausgeschlossen war (ruhte). „Im Umlaufe" befanden sich aber alle von der Beklagten ausgegebenen Schuldverschreibungen so lange, als sie nicht von ihr zwecks Tilgung der Schuld wieder zurückerworben waren. Im vorliegenden Falle hatte indes von den Schuldverschreibungen der Mehrheitsgläubiger nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts . - • die Beklagte am 19. April 1909 noch keine einzige wieder zurückerworben. Sie waren mithin damals noch sämtlich im Umlaufe und nicht im Besitze der Beklagten, sondern im Besitze der damaligen Mehrheitsgläubiger. W a r dies aber der Fall, so waren für die Berechnung der Mehrheit nach § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 2 des Gesetzes nur die Nennwerte jener (bei der Abstimmung vertretenen) Schuldverschreibungen maßgebend, einerlei ob auf diese schon Teilleistungen von der Beklagten erfolgt waren oder nicht. Der von der Revision herangezogene § 362 BGB., wonach das Schuldverhältnis insoweit erlischt, als die geschuldete Leistung an den Gläubiger ibewirkt wird, kann hier nicht zur Anwendung kommen. Denn entscheidend für die Gültigkeit des Beschlusses vom 19. April 1909 ist nicht, ob und inwieweit der einzelne Inhaber einer Schuldverschreibung noch materiell Gläubiger war und ob und inwieweit seine Forderung noch bestand; entscheidend ist vielmehr lediglich, inwieweit die Gläubiger stimmberechtigt waren. Das Stimmrecht bemißt sich aber, wie das Gesetz in den §§ 10 und 11 bestimmt, lediglich nach dem Nennwerte der noch im Umlaufe befindlichen
171 Schuldverschreibungen. Eine andere Art der Berechnung konnte auch vom Gesetze nicht angeordnet werden, da es der Gläubigerversammlung weder zugemutet noch gestattet werden konnte, festzustellen, ob und eventuell welche Teilleistung etwa der Schuldner dem einzelnen Gläubiger bereits gemacht hatte und inwieweit hierdurch das materielle Gläubigerrecht des einzelnen SchuldverschreibungsInhabers erloschen war. 6. Unzutreffend ist es endlich, wenn die Revision den Beschluß vom 19. April 1909 seines Inhaltes wegen auch deshalb als ungültig bezeichnet hat, weil der Ausschluß der Amortisation durch Auslosung bis zum 31. Dezember 1915 einer Stundung der Kapitalan&prüche der Obligations-Inhaber gleichkomme und weil nach § 12 Abs. 3 des Gesetzes auch eine Stundung von Kapitalforderungen als unstatthaft gelten müsse. Was die Revision hier ausführt, wird ohne weiteres widerlegt durch den Wortlaut des § 11 Abs. 1, wonach der Beschluß der Gläubigerversammlung die Bewilligung einer Stundung aussprechen kann, ohne Unterschied, ob es sich dabei um Zins- oder um Kapitalansprüche handelt. Im übrigen gilt auch hier das unter I. Gesagte, daß die Macht der Gläubigerversammlung ihre sachliche Grenze erst da findet, wo den Gläubigern der Verlust von Kapitalforderungen angesonnen werden soll. — Die sämtlichen Bemängelungen des Beschlusses vom 19. April 1909 erweisen sich sonach als hinfällig. Der Beschluß hatte . . . auch die in § 11 Abs. 2 des Gesetzes geforderte Mehrheit für sich, und er ist deshalb . . . mit Recht von der Vorinstanz für gültig erachtet worden." . . . RGZ. 90, 211 1. Verpflichtung des durch die Gläubigerversammlung auf Grund des Gesetzes vom 4. Dezember 1899 bestellten Vertreters der Gläubiger von Teilschuldverschreibungen, die Eintragung der diesen zugesicherten Hypotheken zu veranlassen und zu fibernehmen. 2. Zulässigkeit der allgemeinen Arglisteinrede gegenüber der Berufung auf die Nichtigkeit eines Beschlusses der Gläubigerversammlung? 3. Gehen mit der Uebertragung der Rechte aus Orderteilschuldverschreibungen durch Uebergabe der mit Blankoindossament versehenen Papiere auch Schadensersatzansprüche über, die dem bisherigen Gläubiger gegen den Gläubigervertreter zustehen? BGB. §§ 662, 677, 1189.
HGB, § 364.
Gesetz, betr. die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen, vom 4. Dezember 1899 (RGBl. S. 691) §§ 3, 7, 11, 14, 16.
172
Schuldrecht, B e s o n d e r e r Teil
III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht I Berlin.
Urt. v. 11. Mai 1917. II. Kammergericht
daselbst.
Der Kläger beansprucht als angeblicher Besitzer von 55 mit Blankoindossament versehenen Order-Teilschuldverschreibungen der Akkumulatoren- und Elektrizitäts-Werke-Aktiengesellschaft vormals W. A. B. & Co. zum Nennbeträge von je 1000 M., die er im Jahre 1910 erworben haben will, von der Beklagten Ersatz des Schadens in Höhe von 4500 M., der ihm nach seiner Behauptung dadurch erwachsen ist, daß die Eintragung einer im Oktober 1903 zugesicherten Sicherungshypothek von 20 000 M. für die Teilschuldverschreibungen auf dem in München-Thalkirchen belegenen Grundbesitze der Schuldnerin unterblieben und infolge anderweitiger Belastung dieses Grundbesitzes im Oktober 1909 und dessen Zwangsversteigerung im Februar 1913 unmöglich geworden ist. Er gründet seinen Anspruch vor allem auf Verschulden der Deutschen Genossenschaftsbank von S., P. & Co., deren Vermögen als Ganzes ohne Liquidation durch Fusionsvertrag vom 9. Mai 1904 auf die Beklagte übertragen worden ist. Diese Bank war die erste Gläubigerin der indossablen Teilschuldverschreibungen und nach den Anleihebedingungen vom März 1901 befugt, auf Grund der §§ 3, 7 des Reichsgesetzes, betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen, vom 4. Dezember 1899 die Versammlung der Gläubiger einzuberufen und die Gegenstände der Beschlußfassung anzukündigen. In einer von ihr einberufenen Gläubigerversammlung vom 10. Oktober 1903, in der ihr Direktor Dr. M. den Vorsitz führte, wurde einstimmig beschlossen, das Angebot der Schuldnerin auf Eintragung von Sicherungshypotheken in Höhe von zusammen 1 Million Mark, nämlich von je 400 000 M. auf den Grundstücken der Schuldnerin in Berlin und in Altdamm und von 200 000 M. auf dem Münchener Grundbesitz, und auf Verpfändung von Anteilen an Gesellschaften m. b. H. anzunehmen und den § 8 der Anleihebedingungen aufzuheben, durch den die Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den Betrag des jeweilig eingezahlten Aktienkapitals beschränkt und die Schuldnerin verpflichtet wurde, bis zur völligen Rückzahlung der in die Order-Teilschuldverschreibungen zerlegten Anleihe keine neue Anleihe mit besseren Rechten der Gläubiger oder besseren Sicherheiten aufzunehmen. Ferner wurde in dieser Gläubigerversammlung die Deutsche Genossenschaftsbank „zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihe in Gemäßheit des § 1189 BGB. mit der Befugnis, mit Wirkung für und gegen jeden späteren Gläubiger über Hypotheken und Pfänder Verfügungen zu treffen", bestellt und der Umfang ihrer Befugnisse genauer bestimmt, ihr insbesondere die ausschließliche Befugnis zur Geltendmachung der Hypotheken- und Pfandrechte übertragen, während den Inhabern der Teilschuldverschreibungen das Recht zur selb-
173 ständigen Geltendmachung ihrer persönlichen Rechte aus den Schuldverschreibungen gegen die Schuldnerin belassen wurde. Der Kläger begründet seinen Schadensersatz vor allem damit, daß die Deutsche Genossenschaftsbank auf Grund des Beschlusses vom 10. Oktober 1903 verpflichtet gewesen sei, die Eintragung der Sicherungshypotheken zu erwirken, und diese Pflicht schuldhaft verletzt habe. . . . Das Landgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht dagegen erklärte den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Revision der Beklagten ist zurückgewiesen worden. Gründe: ,,1. Die Revision bekämpft in erster Linie die Annahme des Berufungsgerichts, daß in der Gläubigerversammlung vom 10. Oktober 1903 ein Auftragsverhältnis zwischen den Gläubigern der Schuldverschreibungen und der Deutschen Genossenschaftsbank von S. P. & Co. begründet worden sei, durch das die letztere verpflichtet wurde, im Interesse der ersteren die Eintragung der Hypotheken auf den Grundstücken der Schuldnerin zu veranlassen und zu überwachen. Diese Annahme ist jedoch die Gültigkeit des Beschlusses vom 10. Oktober 1903 zunächst vorausgesetzt — nicht zu beanstanden. Daß durch die Bestellung eines Vertreters durch die Gläubigerversammlung auf Grund des Gesetzes vom 4. Dezember 1899, mag dieser ein Grundbuchvertreter i. S. des § 1189 BGB. sein oder andere Befugnisse haben sollen, und durch die Annahme seitens des Bestellten diesem nicht nur eine nach außen wirkende Vertretungsmacht übertragen, sondern regelmäßig zugleich ein ihn verpflichtendes Vertragsverhältnis zwischen ihm und den Gläubigern begründet wird, bestreitet die Revision nicht; dies kann auch keinem Zweifel unterliegen. Dem Rechte des Vertreters, die ihm übertragenen Befugnisse für die Gläubiger wahrzunehmen, entspricht grundsätzlich die Pflicht, von ihnen im Interesse der Gläubiger, soweit erforderlich, Gebrauch zu machen, zumal wenn den Gläubigern die eigene Wahrnehmung ihrer Rechte nicht möglich oder durch den Beschluß der Gläubigerversammlung entzogen ist, wie dies in dem Beschlüsse vom 10. Oktober 1903 hinsichtlich der Hypotheken- und Pfandrechte geschehen ist. Die Revision greift aber die Ansicht des Berufungsgerichts an, daß die Pflichten der Deutschen Genossenschaftsbank sich auf die Veranlassung und die Ueberwachung der Eintragung der Sicherungshypotheken erstreckt haben. Sie hebt vor allem hervor, eine solche Pflicht sei in dem Protokolle vom 10. Oktober 1903 nicht zum Ausdrucke gekommen, und es liege nichts dafür vor, daß ein Bedürfnis zur Ueberwachung der Eintragung an diesem Tage erkannt und zum Gegenstande des Auftrags gemacht worden sei. Das ist jedoch nicht
174 erforderlich; ein Auftrag kann allgemein dahin erteilt werden, alle eine bestimmte Angelegenheit betreffenden Maßnahmen im Interesse des Auftraggebers vorzunehmen, auch solche, für die sich erst nachträglich ein Bedürfnis herausstellen sollte. Daß hier auch die Ueberwachung der Eintragung der zugesicherten Hypotheken nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Pflicht der Deutschen Genossenschaftsbank anzusehen ist, dafür spricht, daß nach der Feststellung des Berufungsgerichts die Gläubiger der Teilschuldverschreibun^gen gegen die Zusicherung der Hypotheken auf ihre Rechte aus § 8 der Anleihebedingungen verzichtet haben und deshalb ein besonderes Interesse an der Ueberwachung der Bewirkung der Gegenleistung der Schuldnerin hatten sowie daß die Eintragung der Hypotheken auf den Namen der Genossenschaftsbank als der ersten Gläubigerin zu erfolgen hatte und ihr die Geltendmachung der Hypothekenrechte ausschließlich übertragen war, jene Ueberwachung also naturgemäß ihre Sache war. Die weiteren Angriffe der Revision gegen die diesen Punkt betreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts sind gleichfalls unbegründet. Der Angriff, die Genehmigung des Vorstandes der Deutschen Genossenschaftsbank decke nur die Uebernahme derjenigen Pflichten durch den einen Gesamtvertreter (Dr. M.), welche sich aus dem b e u r k u n d e t e n Beschlüsse der Gläubigerversammlung ergäben, erledigt sich damit, daß nach dem Gesagten die hier fragliche Pflicht aus dem beurkundeten Beschluß erhellt. Die Schlüsse ferner, die der Berufungisrichter aus dem späteren Verhalten der Beklagten selbst und aus der Fassung der späteren notariellen Urkunden zieht, liegen auf tatsächlichem Gebiete. Ebensowenig rechtsirrig ist die Verwertung der Bestellung der Genossenschaftsbank zur Vertreterin gemäß §§ 3, 7 des Gesetzes vom 4. Dezember 1899 in den Anleihebedingungen, wenn die dadurch eingeräumte Vertretungsmacht auch nur beschränkt war, und ihrer Bestellung zur Vertreterin der Gläubiger bezüglich der zugesicherten Pfandrechte an Geschäftsanteilen von Gesellschaften m. b. H. durch den Beschluß vom 10. Oktober 1903. Endlich steht es der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht entgegen, daß dieser Beschluß die Genossenschaftsbank zu Verfügungen über die Sicherungshypotheken und die Pfänder für befugt erklärt, soweit es sich um die Ausführung von Anweisungen des auf Grund des Gesetzes vom 4. Dezember 1899 etwa bestellten Vertreters handelt; denn dieser Satz bezieht sich nur auf den Fall, daß die Genossenschaftsbank Grundbuchvertreterin gemäß § 1189 BGB. bleiben, dagegen an ihrer Stelle ein anderer Gläubigervertreter gemäß dem Gesetze vom 4. Dezember 1899 (vgl. dessen § 16) bestellt werden sollte. 2. Die Beklagte behauptet nun aber die Nichtigkeit des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 10. Oktober 1903 wegen
Schuldverschreibung auf den Inhaber
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Verstoßes gegen § 11*) A b s . 1, 2 des G e s e t z e s vom 4. Dezember 1899. Indessen auch wenn ihr darin Recht zu geben und daraus auch die Nichtigkeit des in dieser Versammlung nach dem Gesagten begründeten Vertragsverhältnisses zu folgern wäre, so würde daraus nicht mit der Revision der Wegfall der Pflichten der Deutschen Genossenschaftsbank herzuleiten sein, vielmehr würden ihr die gleichen Pflichten als Geschäftsführerin ohne Auftrag obliegen. Die Schuldnerin hat nämlich die Eintragung der Hypotheken zugunsten der Genossenschaftsbank als Vertreterin der Gläubiger am 19. Oktober und 25. November 1903 bewilligt und die Verpfändung der Anteile an den Gesellschaften m. b. H. erklärt, und die Genossenschaftsbank hat nach der Feststellung des Berufungsgerichts die Nachrichten von der Eintragung der Sicherungshypotheken auf den Berliner und Altdammer Grundstücken entgegengenommen. S i e ist, e b e n s o wie s p ä t e r die Beklagte selbst, als Vertreterin der Gläubiger aufgetreten in der Meinung, durch den allgemein für gültig erachteten uhd im übrigen ausgeführten Beschluß zur Vertreterin bestellt zu sein, und haftet daher bei Nichtigkeit des Vertrags gemäß § 677 B G B . Die Nichtigkeit des Gläubigerversammlungs-Beschlusses kann auch nicht etwa auf Grund der Erwägung zur Abweisung der K l a g e führen, daß damit die Verpflichtung der Schuldnerin zur Bestellung der Sicherungshypotheken entfallen sei und sie daher auch nicht von der Deutschen Genossenschaftsbank dazu angehalten werden konnte. Denn d a s Berufungsgericht stellt fest, die Schuldnerin hätte, wenn die Genossenschaftsbank die Eintragung der Hypothek auf dem Thalkirchener Grundstücke von ihr bestimmt verlangt und gar mit einer Gläubigerversammlung gedroht hätte, die Eintragung bewirkt und es nicht zu einer neuen Beunruhigung ihrer Verhältnisse durch eine neue Gläubigerversammlung kommen lassen. Uebrigens lassen auch die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht den Einwand der Nichtigkeit des Beschlusses vom 10. Oktober 1903 zurückweist, keinen Rechtsverstoß erkennen. E s findet zwar in der Aufhebung des § 8 der Anleihebedingungen durch diesen Beschluß einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 des G e s e t z e s vom 4. Dezember 1899, der die Nichtigkeit des Beschlusses zur F o l g e hat (vgl. dazu auch RGZ. Bd. 75 S. 261), es spricht aber der B e k l a g t e n die Berechtigung ab, die Nichtigkeit geltend zu machen, weil dem die Einrede der Arglist entgegenstände. E s ist in der Tat mit Treu und Glauben unvereinbar, wenn die zur Wahrung der Rechte der Gläubiger bestellte Vertreterin sich nachträglich, nachdem der allgemein für gültig erachtete Beschluß im übrigen ausgeführt, insbesondere die Aufgabe der Rechte der Gläubiger von der Schuldnerin verwertet und sie auch als Vertreterin der Gläubiger aufgetreten ist, auf die *) Vgl. jetzt VO. v. 24. 9. 32. — RGBl. I S. 447 (483).
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Schuldrecht, Besonderer Teil
Nichtigkeit des 'Beschlusses beruft, um die Haftung für den schuldhaften Verstoß gegen die ihr aus der Annahme der Vertretung erwachsenen Pflichten abzulehnen. Das Vorliegen eines Verstoßes gegen § 11 Abs. 2 des Gesetzes vom 4. Dezember 1899 ferner verneint der Berufungsrichter auf Grund der tatsächlichen Feststellung, daß der Beschluß mit der erforderlichen Mehrheit gefaßt worden sei. Zur Ausübung des Fragerechts hatte er zu diesem Punkte keinen Anlaß; er konnte annehmen, daß der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten alles bekannte Sachdienliche vorgetragen hätte, da kein Zweifel darüber beistehen konnte, worauf es in dieser Hinsicht ankam. Die Revision hat auch nichts vorgebracht, was bei Ausübung des Fragerechts noch weiter vorgetragen sein würde. Die Revision glaubt endlich noch die Nichtigkeit der Bestellung der Deutschen Genossenschaftsbank zur Vertreterin gemäß § 1189 auf die Ausführungen des Kammergerichts in dem Beschlüsse vom 26. Juni 1913 (KGJahrb. Bd. 42 S. 276, RJAmt-Entsch. Bd. 13 S. 106) stützen zu können. Hier wird aber die Zustimmung sämtlicher Teilschuldverschreibungsgläubiger nur zu der nachträglichen, d. h. nach der Eintragung der Hypothek erfolgenden Bestellung eines Grundbuchvertreters für erforderlich erklärt, weil sie eine Beschränkung der Rechte der Hypothekengläubiger oder doch jedenfalls eine Inhaltsänderung der Hypothek enthalte; in dem vorliegenden Falle ist jedoch die Bestellung vor der Eintragung der Sicherungshypotheken erfolgt. 3. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Deutsche Genossenschaftsbank die ihr nach dem Gesagten obliegende Verpflichtung schuldhaft verletzt hat, wird von der Revision nicht angegriffen und ist frei von Rechtsirrtum. . . . 4. Schließlich ist auch die Befugnis des Klägers zur Geltendmachung des eingeklagten Schadensersatzanspruchs ohne Rechtsverstoß bejaht worden . . . Gegenüber den Ausführungen, daß nicht nur der jetzige Gläubigervertreter, sondern auch der einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger zur Geltendmachung des Anspruchs befugt sei, daß jenem namentlich nicht durch den Beschluß der Gläubigerversammlung vom 6. September 1913 die ausschließliche Befugnis zur Geltendmachung der Rechte der Gläubiger übertragen sei, rügt die Revision nur die Nichtausübung des Fragerechts hinsichtlich des Beweisantrags auf Vernehmung des Justizrats N. als Zeugen darüber, daß der Sinn des Beschlusses vom 6. September 1913 nach einmütiger Absicht aller Beteiligten der gewesen sei, es solle kein Gläubiger sein« Rechte selbständig wahrnehmen dürfen. Diesen Beweisantrag lehnt der Berufungsrichter ohne Rechtsirrtum mit der Begründung ab, eine dahingehende Absicht der Beteiligten habe in dem Beschlüsse keinen Ausdruck gefunden. Auch ein materiellrechtlicher
Vorlegung von Sachen
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Irrtum ist in den Ausführungen nicht enthalten (vgl. Ges. vom 4. Dezember 1899 § 14 Abs. 2). Daß endlich der Kläger, obwohl er nach seiner Behauptung erst 1910 die Teilschuldverschreibungen erworben hat, den Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte geltend machen kann, ist mit dem Berufungsgericht auf Grund von dessen Feststellungen mit der Begründung zu bejahen, daß nach den Umständen des vorliegenden Falles mit der Uebergabe der mit Blankoindossament versehenen Teilschuldverschreibungen nicht nur die Rechte aus den indossierten Papieren (§ 364 HGB.) auf den Kläger übergegangen seien, sondern auch der Schadensersatzanspruch als mitübertragen gelten müsse, weil der Kläger die Papiere gerade mit Rücksicht auf ihre dingliche Sicherstellung und einschließlich der dinglichen Rechte erworben habe und der Vormann sich daher etwaige Schadensersatzansprüche hinsichtlich der mangelnden Wahrung der Rechte der Gläubiger bezüglich der dinglichen Sicherstellung nicht habe vorbehalten, sondern diese habe mit übertragen wollen. Daß, wie die Revision geltend macht, dem Kläger und seinem Vormanne bei dem Erwerbe der Teilschuldverschreibungen von dem Bestehen rein persönlicher, schuldrechtlicher Schadensersatzansprüche möglicherweise nichts bekannt gewesen ist, ist ohne Belang; nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte kann die Uebertragung dahin gedeutet werden, daß alle etwaigen Rechte des Vormanns hinsichtlich der Teilschuldverschreibungen, auch solche, die ihm und dem Erwerber nicht bekannt waren, mit übertragen werden sollten, und ob sie so auszulegen ist, hat der Tatrichter zu entscheiden." . . .
Vorlegung von Sachen RGZ. 76, 239 Welche rechtliche Bedeutung hat die Ausstellung und Weiterbegebung von Lieferscheinen? Welche Wirkung hat der Vermerk auf einem solchen Scheine, daß die Lieferung gegen Zahlung einer bestimmten Summe erfolgen soll? II. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t
Hamburg.
Urt. v. 5. Mai 1911. II. O b e r l a n d e s g e r i c h t
daselbst.
Die Beklagte verkaufte der Klägerin 30 000 kg Harburger Leinkuchen zum Preise von 4275 M. Zwecks Erfüllung ihrer Lieferungispflicht übergab sie der Klägerin drei Lieferscheine, die, unter dem 13. Januar 1908 von der Firma E. & K. ausgestellt und an die Firma Harburger Oelwerke B. & M. gerichtet, übereinstimmend lauteten: „Liefern Sie ä Conto unserer Kontrakte an Herrn E. & Cie. (Beklagte) Zi»ili.
SdiuldrrAt
8
iL'
178 10 000 kg Leinkuchen." Die Klägerin gab diese Lieferscheine weiter an Cö. & Gl., von denen sie an F. M. übergingen. F. M., der die Leinkuchen zum Preise von je 1470 M. für 10 000 kg an eine dänische Firma weiterverkauft hatte, wünschte, daß diese Firma den Kaufpreis bei dem Empfange der Ware bezahle und setzte daher jedem der drei von ihm an die dänische Firma weiter gegebenen Lieferscheine die Worte hinzu: „gegen Zahlung von M. 1470". Die Folge davon war, daß die dänische Firma den in den Scheinen angegebenen Betrag von insgesamt 4410 M. an die Harburger Oelwerke bezahlte, worauf diese ihr die 30 000 kg Leinkuchen übersandten. Die dänische Firma hatte jene 4410 M. in ihrem Avisbriefe bezeichnet als dienlich zur Zahlung der 30 Tons Leinkuchen „au/ Lieferschein an E. & K.", wie Klägerin behauptet, oder ,,auf Lieferschein E. & K.", wie die Beklagte behauptet. Die Harburger Oelwerke brachten den von der dänischen Firma bezahlten Betrag zunächst der Firma E. & K., ihrer Käuferin, gut, und diese wiederum übersandte der Beklagten, die von ihr zu 3990 M. gekauft hatte, eine quittierte Rechnung vom 28. Januar 1908 mit dem Bekenntnis, gegen den Rechnungsbetrag 4410 M. erhalten zu haben. Mit Brief vom 1. Februar 1908 ersuchte die Firma E. & K. die Harburger Oelwerke, ihr eine rektifizierte Faktura, d. h. eine solche ohne Quittungsvermerk zu erteilen, weil M. F. ihr erklärt habe, der Betrag von 4410 M. sei bei den Harburger Oelwerken für seine Rechnung bezahlt worden. Nachdem die Firma E. & K. hierauf eine neue Faktura ohne den Zahlungsvermerk von 4410 M. seitens der Harburger Oelwerke erhalten hatte, bat sie mit Schreiben vom 4. Februar 1908 die Beklagte, die der letzteren übersandte Faktura vom 28. Januar 1908 zu stornieren und legte gleichzeitig eine neue Faktura im Betrage von 3990 M. bei, mit dem Ersttchen um Ueberweisung dieses Betrages. Die Klägerin, von der Auffassung ausgehend, daß die Kaufpreisschuld der Beklagten gegenüber E. & K. durch die Zahlung der dänischen Firma und die daraufhin seitens der Harburger Firma erfolgte Kreditierung zugunsten von E. & K. getilgt sei, daß die Zahlung überhaupt für Rechnung der Firma E. & K. und aller Nachmänner erfolgt sei, mithin jeder Verkäufer in Höhe des gezahlten Betrages für seine Forderung an den unmittelbaren Nachmann als befriedigt gelte, erhob Klage auf Zahlung des Betrages, um den der von E. & K. der Beklagten ursprünglich gutgebrachte Betrag von 4410 M. die Kaufpreisschuld der Klägerin gegenüber der Beklagten von 4275 M. überstieg. Die Beklagte dagegen verlangte widerklagend Zahlung dieses letzteren Kaufpreises, weil die dänische Firma lediglich für Rechnung ihres Verkäufers M. F. bezahlt habe.
Vorlegung von Sachen
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Durch Urteil des Landgerichts wurde die K l a g e abgewiesen, und auf die Widerklage die Klägerin verurteilt, der Beklagten 4275 M. nebst Zinsen zu zahlen. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen, ebenso die von ihr eingelegte Revision, letztere aus folgenden Gründen: „Mit der Revision ist nur die Entscheidung über die Widerklage angegriffen. Der Berufungsrichter hat die Widerbeklagte für verpflichtet erachtet, den mit der Widerklage geforderten Kaufpreis zu zahlen. Um diesen Preis hatte die Widerbeklagte von der Widerklägerin 30000 kg Leinkuchen g e k a u f t und daraufhin von der letzteren die drei von der Firma E . & K. ausgestellten, an die Harburger Oelwerke gerichteten Lieferscheine über je 10 000 kg Leinkuchen erhalten. Diese Lieferscheine sind als Anweisungen im Sinne der §§ 783 flg. B G B . anzusehen, wodurch E. & K. ihren Verkäufer, die Harburger Oelwerke, anwiesen, eine Q u a n t i t ä t Leinkuchen, vertretbare Sachen, an einen Dritten, die Widerklägerin, die die gleiche Quantität von E. & K. gekauft hatte, zu liefern. Diese Anweisung hat die Widerklägerin ihrem Käufer, der Widerbeklagten, übertragen, letztere wiederum ihrem Käufer, der Firma Cö. & Gl., und diese ihrem Käufer M. F . Dieser aber, der die gleiche Q u a n t i t ä t Oelkuchen an eine dänische F i n n a verkauft hatte, übertrug ebenfalls seiner Käuferin die Anweisungen, änderte sie jedoch insofern, als er in den T e x t der Anweisungen einen Zusatz einfügte, inhalts dessen die Lieferung nur gegen Zahlung des von ihm mit der dänischen Firma vereinbarten Kaufpreises von je 1470 M. für 10 000 kg erfolgen sollte. Die Widerklägerin und alle ihr folgenden V e r k ä u f e r gaben ihrem Uebertragungswillen dadurch Ausdruck, daß sie auf die Rückseite der Lieferscheine nach Art der Blankoindossamente nacheinander ihren Namen schrieben. E s ergibt sich, daß mit der Lieferung der 30 000 kg Leinkuchen seitens des Angewiesenen, der Harburger Oelwerke, an die dänische Firma, die letzte Inhaberin der Anweisungen, die Verpflichtungen aller Verkäufer zur Lieferung der W a r e erfüllt sind (§§ 783, 788 BGB.). Dagegen ergibt sich aus dem Wesen d e s von M. F . hinzugefügten Zahlungsvermerks nicht, daß durch die Zahlung der dänischen Firma die Kaufpreisforderungen aller auf den Lieferscheinen angegebenen Verkäufer getilgt sind. Der Vermerk besagt lediglich, daß nach dem Willen seines Urhebers die angewiesene Lieferung nur ausgeführt werden soll gegen Zahlung eines bestimmten B e t r a g e s an den zur Lieferung Angewiesenen, der damit zugleich ermächtigt wird, diesen Betrag für den Urheber des Vermerks in Empfang zu nehmen. Im vorliegenden F a l l e war M. F. der Urheber. Da aber 12«
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der Zahlungsvermerk in den Text aufgenommen war, wurde der Anschein hervorgerufen, als wenn er von dem Aussteller der Anweisungen hineingesetzt wäre. Da der Aussteller, E. & K., sich ferner mit der Hinzufügung des Vermerks durch M. F. diesem gegenüber einverstanden erklärt hatte, wenn auch unter Ablehnung der Folgen, so mußte er sich den Oelwerken gegenüber so behandeln lassen, als wenn er der Urheber des Vermerks wäre. Die Oelwerke durften daher den von der dänischen Firma gezahlten Betrag für E. & K. in Empfang nehmen. Sie haben dies getan, den Betrag auf ihre Forderung gegen E. & K. verrechnet und letzterer Firma eine quittierte Rechnung, datiert vom 28. J a n u a r 1908, übersandt. Den Betrag durften sie als Zahlung auf die Rechnung nur kraft einer ihnen gegenüber erfolgten Willenserklärung von E. & K. ansehen, die in der Einfügung des Zahlungsvermerks oder in der widersruchslosen Annahme der Quittung gefunden werden kann. E. & K. haben nun in gleicher Weise ihrem Käufer, der Widerklägerin, eine quittierte Rechnung übersandt. Ob durch die widerspruchslose Annahme dieser Quittung eine Befreiung der Beklagten von ihrer Kaufpreisschuld gegenüber E. & K. eingetreten ist, und ob diese Befreiung später durch die widerspruchlose Annahme des Schreibens von E. & K. vom 4. Februar 1908 wieder rückgängig gemacht ist, ist für das in erster Linie von der Widerbeklagten gegen die Widerklage geltend gemachte Verteidigungsmittel, daß die Kaufpreisforderung der Widerklägerin gegen sie infolge der Zahlung der dänischen Firma getilgt sei, unerheblich. Denn eine solche Tilgung hätte, da eine Zahlung an die Widerklägerin nicht erfolgt ist, nur eintreten können kraft rechtsgeschäftlicher Verfügung der Widerklägerin, Eine solche liegt aber nach der eigenen Behauptung der Widerbeklagten nicht vor. Eine Vereinbarung durch widerspruchslose Annahme der Quittung kommt nicht in Frage, da .die Widerklägerin der Widerbeklagten eine Quittung nicht übersandt hat. In Betracht kommt noch eine Vereinbarung, die nach dem von der Widerbeklagten behaupteten Handelsgebrauch im Falle, daß ein mit einem Zahlungsvermerk versehener Lieferschein weiter begebe* wird, dahin anzunehmen sein soll, daß durch die Zahlung des letzten Inhabers des Lieferscheins der Aussteller des Scheins und jeder folgende Nachmann wegen ihrer Kaufpreisforderung gegen den unmittelbaren Nachmann in Höhe des gezahlten Betrages für befriedigt gelten sollen. Diese Wirkung ist übrigens, wie die Revisionsbeklagte zutreffend hervorgehoben hat, schon begründet im Wesen des sogenannten Kassalieferscheines, d. h. eines solchen, in dem bereits der Aussteller, der erste Verkäufer, den Fabrikanten zur Lieferung nur gegen Zahlung angewiesen hat. Denn hier hat der erste Verkäufer auch seinen Käufer angewiesen, — und das Gleiche hat jeder getan, der den Kassa'iicferschein weiter übe:tragen hat — den ihm gebühren-
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den Kaufpreis an den zur Lieferung Angewiesenen zu zahlen. Zahlt nun der letzte Inhaber, so sind in Höhe des gezahlten Betrages die Kaufpreisforderungen des Ausstellers und seiner sämtlichen Nachmänner, die als Verkäufer den Kassalieferschein weiter übertragen haben, getilgt, weil ihrer Anweisung gemäß der Kaufpreis bezahlt ist, wenn auch nicht durch ihren unmittelbaren Käufer. Aber weder liegt hier eine aus der Weiterbegebung eines Kassalieferscheins zu entnehmende Anweisung der Widerklägerin an ihren Käufer, die Widerbeklagte, vor, noch kann der behauptete Handelsgebrauch zur Anwendung kommen, weil die Kassaklausel den Scheinen erst durch M. F. hinzugesetzt ist, nachdem die Widerklägerin die Lieferscheine bereits der Widerbeklagten übertragen hatte. Da die Widerklägerin diesem von M. F. gemachten Zusätze weder zugestimmt noch denselben nachträglich genehmigt hat, braucht sie sich auch nicht behandeln zu lassen, als hätte sie die Lieferscheine mit Zahlungsvermerk weiterbegeben. Mangels einer rechtsgeschäftlichen Verfügung der Widerklägerin der Widerbeklagten gegenüber ist es unerheblich, ob E. & K. für ihre Kaufpreisforderung gegenüber der Widerklägerin als befriedigt zu gelten haben. Daraus würde die Tilgung der Kaufpreisschuld der Widerbeklagten nicht herzuleiten sein. In zweiter Linie hat die Widerbeklagte gegen die Widerklage vorgebracht, daß die Widerklägerin, weil ihre Kaufpreisschuld gegenüber der Firma E. & K. getilgt sei, sich auf Kosten der Widerbeklagten bereichern würde, wenn sie gegen diese noch ihre Kaufpreisforderung geltend machen könnte. Die Widerbeklagte stellt sich hier auf den Boden, daß zwar nicht i h r e Kaufpreisschuld, wohl aber diejenige der Widerklägerin getilgt sei. Selbstverständlich kann eine grundlose Bereicherung der Widerklägerin nicht darin gefunden werden, daß sie den ihr rechtlich zukommenden Kaufpreis empfängt. Die weitere Ausführung des Berufungsrichters aber, eine Bereicherung könne höchstens vorliegen, wenn die Widerklägerin ihren Verkäufer nicht bezahle, läßt unbeachtet, daß nach der ihrem Bereicherungsanspruche zugrunde liegenden Behauptung der Widerbeklagten, die der Berufungsrichter selbst als richtig unterstellt, die Widerklägerin gar nicht in die Lage kommt, ihren Verkäufer, E. & K., zu bezahlen, weil sie ihm nichts mehr schuldet. Mag auch, bei Unterstellung der von der Widerbeklagten behaupteten Sachlage, die Widerklägerin durch die Befreiung von ihrer Kaufpreisschuld gegenüber E. & K. bereichert sein, so läßt sich doch ein Anspruch der Widerbeklagten daraus nicht herleiten, da weder auf ihre noch auf Kosten ihrer angeblichen Zedentin, der Firma Cö. & GL, die Bereicherung der Widerklägerin erfolgt sein würde."
Schuldrecht, Besonderer Teil
RGZ. 117, 332 In welchem Umfang kann ein früherer Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft, dem für eine Reihe von Jahren nach seinem Atisscheiden vertragsmäBig ein Anteil am bilanzmäßigen Reingewinn zugesichert war, zur Nachprüfung der ihm vorgelegten Bilanzen die Einsicht der Geschäftsbücher verlangen? BGB. § 810. II. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Hamburg.
Urt. v. 28. Juni 1927. II. Oberlandeffgericht daselbst.
Der am 5. Januar 1921 gestorbene E. war früher Mitinhaber der Speditionsfirma J. R. in Hamburg. Im Jahre 1917 schied er aus dem Geschäft aus, das vom Beklagten allein übernommen wurde. Nach dem Auseinandersetzungsvertrag vom 18. Juli 1917 sollte er noch nach seinem Ausscheiden vom bilanzmäßigen Reingewinn bis zum 31. Dezember 1922 10 «/o und bis zum 31. Dezember 1925 12 «/j. o^ erhalten. Von der nach den bisherigen Grundsätzen aufzumachenden jährlichen Bilanz sollte dem E. oder seinen Erben unverzüglich nach Fertigstellung eine Abschrift mitgeteilt werden und er oder seine Erben sollten das Recht haben, zur Prüfung der Richtigkeit der Bilanz das Geheimbuch der Firma einzusehen. Im August 1923 übersandte der Beklagte den Klägern (den Erben des E.) eine Abschrift der Bilanz vom 11. jenes Monats, wonach der Gewinnanteil des Nachlasses für 1922 12 178 368 M. betrug. Die Kläger verlangen nunmehr unter anderem Einsichtnahme in die Geschäftsbücher der Firma zur Prüfung der Richtigkeit der für die Jahre 1920 bis 1923 auszukehrenden Gewinnanteile. Der Beklagte tritt diesem Verlangen entgegen, da ausdrücklich abgemacht sei, daß nur das Geheimbuch vorgelegt werden solle. Das Landgericht hat die Entscheidung von der Leistung eines den Klägern zugeschobenen Eides darüber abhängig gemacht, daß zwischen dem verstorbenen E. und dem Beklagten nicht vereinbart worden sei, es solle nur das Geheimbuch, nicht aber die Geschäftsbücher überhaupt vorgelegt werden. Auf Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht den Anspruch auf Einsichtnahme in die Geschäftsbücher abgewiesen. Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Aus den G r ü n d e n : . . . Wenn das Berufungsgericht ein Recht der Kläger, zur Nachprüfung der Bilanzen die Handelsbücher einzusehen, aus allgemeinen Gründen verneint, so ist das nicht gerechtfertigt. Zwar können sich die Kläger nicht auf den § 118 HGB. berufen, da der Erblasser in der
183 hier in Betracht kommenden Zeit nicht mehr Gesellschafter war. Wohl aber läßt sich erin solches Recht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auf den § 810 BGB. gründen. Diese Vorschrift räumt demjenigen, der an der Einsichtnahme in eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde ein rechtliches Interesse hat, das Recht auf solche Einsicht ein, wenn in der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist. Für die Anwendung des § 810 genügt die rechtliche Beziehung der Beurkundung auf das fragliche Rechsverhältnis; es braucht sich nicht um solche Urkunden zu handeln, die das ganze Rechtsverhältnis umfassend beurkunden. Die Vorschrift des § 810 darf nicht zu eng ausgelegt werden (RGZ. Bd. 56 S. 109, Bd. 87 S. 10; WarnRspr. 1908 Nr. 465). Eine solche rechtliche Beziehung der Beurkundungen in den Handclsbüchern des Beklagten ' zu dem zwischen den Parteien bestehenden Gewinnbeteiligungsverhältnis ist hier vorhanden. Bei einem Eiinzelkaiufmann, an dessen Unternehmen wie hier andere Personen mit Kapital oder auch nur mit Ansprüchen auf anteiligen Gewinn beteiligt sind, dienen die Handelsbücher auch der Feststellung der Gewinnanteile. Im Schrifttum und in der Rechtsprechung (vgl. die bei S t a u b - B o n d i Anm. 5 zu § 65 HGB. angeführten Entscheidungen und RGZ. Bd. 87 S. 10) ist demgemäß für die ähnlichen Verhältnisse gewinnbeteiligter Angestellter anerkannt, daß ihnen ein Recht nicht nur auf Vorlegung der Bilanz, sondern auch auf Einsicht in die Handelsbücher und Papiere zusteht, soweit solche Einsicht zur Nachprüfung der Richtigkeit der Bilanzangaben erforderlich ist. Dabei wird mit Recht auch auf eine entsprechende Anwendung des § 338 HGB. hingewiesen. Hiernach könnten die Kläger auch ohne besondere vertragsmäßige Einräumung schon aus allgemeinen Gründen vom Beklagten die Einsicht in die Geschäftsbücher und Papiere zur Nachprüfung der Richtigkeit der Bilanz und der Gewinnberechnung verlangen. Die Auslegung des Auseinandersetzungsvertrags in dem Sinne, daß den E.schen Erben nur dais Recht auf Einsicht des Geheimbuchs habe eingeräumt werden sollen, ist beeinflußt durch die rechtsirrige Auffassung, es stehe aus allgemeinen Gründen einem solchen Gewinnbeteiligten kein Rechtsanspruch auf Einsicht zu, und ist deshalb zu beanstanden. Den Vorzug verdient vielmehr die Auffassung des Landgerichts, daß dann, wenn die E.schen Erben kraft ausdrücklicher Abrede das Geheimbuch sollten einsehen dürfen, das Recht der Einsicht in die offenen Handelsbücher als selbstverständlich vorausgesetzt sei. Das Oberlandesgericht hat sich auch über den Inhalt des Geheimbuchs nicht ausgesprochen; es ist deshalb nicht erkennbar, ob es für sich allein überhaupt eine geeignete Grundlage für eine Nachprüfung der Bilanz bildete. Der Rechtsstreit ist aber auch hinsichtlich des Anspruchs auf Einsicht in die Geschäftsbücher und Papiere noch nicht zur Entscheidung reif,
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Denn es bleibt nach dem bisherigen Vorbringen zweifelhaft, ob für die Jahre 1920/21 und 1923 bis 1925 ein solcher Anspruch besteht. Voraussetzung für ihn bildet ein rechtliches Interesse an der Einsicht. Ob ein solches Interesse vorliegt, muß nach den Umständen des einzelnen Falles unter billiger Würdigung der beiderseitigen Interessen geprüft werden. Dem Interesse des Gewinnbeteiligten an der Einsicht steht dasjenige des Geschäftsherm an der Geheimhaltung seiner Handelsbücher und Geschäftsbeziehungen gegenüber. Nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsüblichkeit kann die Nachprüfung einer Bilanz durch Einsicht in die Geschäftsbücher nur binnen einer angemessenen Frist nach Vorlegung der Bilanz verlangt werden. Ein solcher Anspruch ist, wenigstens für den Regelfall, ausgeschlossen, wenn die Bilanz und die auf ihrer Grundlage aufgestellte Gewincberechnung anerkannt und die geschuldeten Gewinnanteile vorbehaltlos angenommen sind. Die Parteien haben bisher, abgesehen von der Berechnung des Jahres 1922, in dieser Beziehung nichts vorgebracht. Es wird deshalb noch aufzuklären sein, wie die Kläger sich gegenüber der Vorlegung der Bilanzen und der Auszahlung der Gewinne in den anderen Jahren verhalten haben. RGZ. 165, 146 Kann man znr Ermittlang seiner Vorfahren nnd ihrer Sippe von dem Besitzer die Vorlegung hierfür bedeutsamer Urkunden znr Einsicht verlangen? BGB. § 810 IV. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 2. November 1940. I. Landgericht
Hirschberg i. Rgb.
II. Oberlandesgericht
Breslau.
Die Parteien sind Brüdersöhne. Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Sammlung von Urkunden und Aufstellungen, die sich auf die Sippe v. B. beziehen und deren größerer Teil schon im Besitze des Großvaters der Parteien war. Er hat sie zunächst seinem Sohne Georg gegeben. Nach dem Ableben beider sind sie an den Vater des Beklagten, dem bei der Erbteilung mit seinen Geschwistern auch der elterliche Grundbesitz zugefallen ist, und von ihm an den Beklagten selbst gekommen. Mit der Klage hat der Kläger in erster Reihe die Feststellung seines Allein- oder doch Miteigentums an dem „Familienarchiv", mindestens aber eines Besitz- oder doch Mitverfügungsrechtes daran erstrebt, in zweiter Reihe die Verurteilung des Beklagten zur Hinterlegung der Urkundensammlung bei dem Staatsarchiv in Berlin oder einer anderen von diesem zu bezeichnenden Stelle zur Einsicht und Benutzung durch alle Mitglieder der Familie v. B., äußerstenfalls aber die Verurteilung des Beklagten zur Heraus-
Vorlegung von Sachen
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gäbe der beim Tode seines Onkels Georg schon vorhandenen Urkunden an ihn. Der Beklagte bestreitet, daß dem Kläger irgendein Recht auf die Urkundercsammlung zustehe, die vielmehr sein, des Beklagten, Eigentum sei, meint aber auch, daß der Kläger ein etwaiges Recht darauf, weil er sich von der Familie losgesagt habe, verwirkt habe; übrigens erklärt er sich bereit, dem Kläger die Einsicht in das Archiv auf dem Staatsarchiv in Breslau zu ermöglichen (wo es schon einmal hinterlegt war), sobald die Urkundensammlung von dem Familienforscher, dem er sie zur Bearbeitung übergeben habe, nach Erledigung dieser Aufgabe zurückkomme. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht -die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision hat der Kläger unter entsprechender Einschränkung des bisherigen Klagebegehrens beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm gemäß § 810 BGB. die Einsicht in das v. B.;sche Familienarchiv zu gewähren. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. Gründe: Mag auch das, was der Kläger in den ersten Rechtsgängen begehrt hat, zu weit gegangen sein, wie denn die Revision die Klage nicht in diesem Umfang aufrechterhält, so hätte das Berufungsgericht doch prüfen müssen, ob nicht in dem, was der Kläger mit seinem Vorgehen erstrebte, ein berechtigter Kern steckte, und gegebenenfalls auf eine sachentsprechende andere Fassung der Klageanträge hinwirken sollen. Ein Hauptziel, das der Kläger verfolgte, war, wie die Revision zutreffend darlegt, sich zum mindesten die Möglichkeit der Einsicht in das „Familienarchiv" zu verschaffen; darauf war insbesondere sein Verlangen nach Hinterlegung der Urkundensammlung beim Preußischen Staatsarchiv in Berlin gerichtet. Der Bedeutung der Erforschung und Pflege der blutmäßigen Beziehungen der Volksgenossen entspricht es aber, daß die Mittel zur Feststellung der Sippenzusammenhänge und Sippengeschichte keinem Volksgenossen durch die Eigennützigkeit eines anderen vorenthalten werden dürfen. Deshalb muß, in rechtsschöpferischer Erstreckung des in § 810 BGB. enthaltenen Grundsatzes auf diesen Lebensbereich, heute jedem Volksgenossen gegen den Besitzer einer Urkunde, die sippenkundlichen Einzigkeitswert für ihn hat, ein Anspruch auf ihre Vorlegung zur Einsicht zugebilligt werden. Dieser Anspruch erfaßt also nicht etwa standesamtliche Bescheinigungen und ähnliche Unterlagen, die der Volksgenosse sich in gleicher Art leicht selber beschaffen kann, oder Auszüge, Zusammenstellungen und dergleichen, die er selbst sich anzufertigen oder durch einen Sachverständigen anfertigen zu lassen in der Lage ist. Wohl aber bezieht er sich auf alle Urkundenurschriften und alle solche Abschriften, Auszüge und dergleichen, deren Unterlagen verlorengegangen, nicht auffindbar
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oder sonstwie nicht erreichbar sind, sofern deren Einsicht zur Ermittelung der Vorfahren und ihrer Sippe von Wert sein kann. Ort, Zeit sowie Art und Weise der Vorlegung bestimmen sich nach § 811 Abs. 1, § 242 BGB.; Gefahr und Kosten treffen gemäß § 811 Abs. 2 den, der die Vorlegung verlangt. Ob er darüber hinaus, namentlich bei umfangreichen Urkunden/Sammlungen, deren Zusammenstellung und pflegliche Aufbewahrung besondere Aufwendungen 'erfordert hat, gehalten ist, dem Besitzer für die Urkundenbenutzung eine Entschädigung zu gewähren, kann dahingestellt bleiben, da jene Voraussetzungen hier nach dem Parteivortrag offenbar nicht vorliegen. Dieser Vorlegungsanspruch könnte dem Kläger auch nicht etwa dadurch verlorengegangen sein, daß er, wie der Beklagte einwendet, alle Bande zwischen ihm selbst nebst seiner engeren Familie und den anderen Sippenangehörigen zerschnitten hat; denn er setzt keine Familienbeziehungen zu dem Urkundenbesitzer voraus. Das Berufungsurteil kann demnach, soweit es mit der Revision angefochten ist, nicht aufrechterhalten werden. Da Ort, Zeit und Umfang der Vorlegung erst noch mit den Parteien erörtert und deren Voraussetzungen geprüft werden müssen, ist es erforderlich, die Sache in diesem Umfange zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ungerechtfertigte Bereicherung RGZ. 54, 137») t Wie hat nach Aulhebung eines gegenseitigen Vertrags wegen arglistiger Täuschung die Ausgleichung der beiderseitigen Ansprüche zu geschehen? Kommen dabei Aulrechnungs- und Zurfickbehaltungsgrundsätze zur Anwendung? BGB. §§ 123, 142, 823, 249, 812, 393, 273. V. Z i v i 1 s e n a t. I. Landgericht Breslau.
Urt. v. 14. März 1903. II. Oberlandesgericht
daselbst.
Durch gerichtlichen Vertrag vom 2. Oktober 1900 hatte der Beklagte das ihm gehörige Rittergut Sch. nebst Grundstück Nr. 37 R. für 300 000 M. an den Kläger verkauft. Die Auflassung erfolgte am 5. Oktober 1900. Am 9. April 1901 erklärte der Kläger dem Beklagten brieflich die Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums und Betrugs. Er erhob sodann Klage auf Entgegennahme der Rückauflassung, Rückzahlung der angezahlten 50 240 M. samt 4 Prozent Zinsen seit dem 5. Oktober 1900, Vergütung der besonders zu er*) Vgl. auch Bd. 167 S. 257, 259 ( a b d r u c k t unter „Bürgerliches Recht, Rccht der Schuldverhältnisse, Aufrechnung").
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mittelnden Unkosten und Löschung des eingetragenen Kaufgeldrestes zu 4 8 0 0 0 M. Der erste R i c h t e r erkannte auf Abweisung der Klage. In seiner Berufung wiederholte der Kläger seinen Klagantrag, den er a b e r dahin ausdehnte, daß der Beklagte auch verurteilt werden solle, ihn von der Verpflichtung aus d e r Uebernahme der auf den Kaufgegenständen hypothekarisch eingetragenen 2 0 1 7 6 0 M. nebst Zinsen zu befreien. In zweiter R e i h e stellte er den Antrag, daß des B e k l a g t e n Verurteilung wenigstens Zug um Zug gegen R ü c k g a b e der Grundstücke mit Hypothekbelastung und Amortisationsfonds n a c h d e m S t a n d e v o m 5. O k t o b e r 1 9 0 0 erfolge. Der R i c h t e r verurteilte durch Teilurteil den Beklagten nach dem erweiterten ersten Klagantrag, jedoch mit Weglassung der Zinsen aus den rückzuzahlenden 50 240 M. und der vom Kläger verlangten Rückerstattung seiner Unkosten, worüber er weitere Verhandlung und Berücksichtigung der vom B e k l a g t e n geltend gemachten Gegenansprüche vorbehielt. Auf Revision des B e k l a g t e n ist dies Teilurteil aufgehoben, und die S a c h e an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden. Aus den
Gründen:
. . . „Das Oberlandesgericht erklärt den Kaufvertrag unter Annahme rechtzeitig erfolgter Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § § 123, 124, 142 B G B . für nichtig. F ü r den Fall, daß es zu einem solchen Ausspruch kommen sollte, hatte der Beklagte, um damit eine Bestätigung des Vertrags durch den Kläger (nach § 144 B G B . ) darzutun, oder doch seine Aufrechnungs- und Zurückbehaltüngsrechte geltend zu machen, vorgetragen, daß Kläger während seiner Besitzzeit Sicherungshypotheken zu 1500 M., 5000 M. und 4655,52 M. im Grundbuch habe eintragen lassen, ferner den Amortisationsfonds für ein Darlehen von mehr als 10000 M. verpfändet, mehr als notwendig Vieh veräußert, Faschinen aus dem W a l d wegverkauft und Inventarpfändungen erlitten habe. B e k l a g t e r ist der Meinung, daß der Kläger ihm Zug um Zug alle Leistungen, die er erhalten, und die aus dem Grundstück gezogenen Nutzungen zurückgewähren müsse. Insbesondere müsse er das Gut und den Amortisationsfonds von den durch ihn verursachten Belastungen befreien, die ihm überlassene E r n t e im W e r t e von mindestens 27 000 M., das beim Verkauf vorhandene Heu im W e r t e von 5950 M., d a s Gesamtinventar einschließlich des Grummets und zweiten Schnitts Kleeheu zum Anschlag von 56 405 M. zurückerstatten, ferner die aus dem G u t e seit dem 1. O k t o b e r 1900 gezogenen Nutzungen, die auf mindestens 10 000 M. jährlichen Reinertrags zu veranschlagen seien, und ebenso eine Entschädigung für das Bewohnen des Schlosses mit jährlich mindestens 2000 M. h«rauszahlen.
188 Demgegenüber verneint das Berufungsgericht eine Bestätigung des Vertrags durch den Kläger; es erachtet Aufrechnung nach § 393 BGB. und Zurückbehaltung nach § 273 daselbst für ausgeschlossen und erläßt, wie angegeben, Teilurteil mit der Schlußbegründung: „Es empfahl sich daher, zunächst über die erwähnten, sofort liquiden Ansprüche des Klägers einer- und die von ihm selbst beantragte Rückgewährung des Grundstücks andererseits sofort durch Teilurteil nach § 301 CPO. Entscheidung zu treffen, während die Entscheidung über die übrigen Ansprüche des Klägers, die damit verbundenen Gegenforderungen des Beklagten und über die Kosten des Rechtsstreits dem demnächst zu erlassenden Schlußurteil vorzubehalten waren." Die Revision gegen die vorgeschriebene Entscheidung hat sich als begründet erwiesen. Es wurden von ihr folgende Angriffe erhoben: 1. . . . 2.
. . .
3. Da § 529 CPO. nicht entgegengestanden habe, hätten die Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsansprüche des Beklagten berücksichtigt werden müssen. Die §§ 393, 273 BGB. und § 301 CPO. seien vom Vorderrichter verletzt worden. . . . Jedenfalls muß der Angriff zu 3 durchdringen und zur Aufhebung des Berufungsurteils führen. Unzweifelhaft hat die Klage einen doppelten gesetzlichen Grund. Sie stellt sich ebenso als Klage aus unerlaubter Handlung nach § 823 BGB., wie als Bereicherungsklage nach §§ 812 flg. daselbst dar. Der Anspruch aus § 823 geht auf Ersatz des aus der widerrechtlichen Handlung entstehenden Schadens, d. i. — gemäß § 249 B G B . — auf Wiederherstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. A u s dieser gesetzlichen Begriffsbestimmunig des Schadens ergibt sich von selbst und es ist auch in der Rechtswissenschaft anerkannt, daß er nicht einseitig nur nach Höhe der aus dem Vermögen des Beschädigten in das des Schädigers übergegangenen Vermögensteile, sondern nur unter Ausgleichung aller beiderseitigen aus derselben Wurzel entsprungenen Vermögens-Ab- und -Zugänge festgesetzt werden kann. Zum Teil erkennt sogar der Kläger selbst diesen Grundsatz an, indem er gegen Zuerkennung seiner Klagansprüche die in sein Eigentum übergegangenen Liegenschaften zurückgeben will. Er kann aber überhaupt nicht einzelne Ansprüche und Gegenansprüche zum Zwecke ihrer vorläufigen Erledigung herausgreifen, muß sich vielmehr die Wiedelherstellung des g a n z e n früheren Zustandes und somit eine schon nach dem Gesetz und ohne Zuhilfenahme der Aufrechnungs-
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Grundsätze nach §§ 387 flg. BGB. eintretende Abweichung der beiderseitigen Vorteile und Nachteile aus dem Kaufvertrag (compensatio lucri et damni) gefallen lassen. Vgl. Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch Bd. 2 S. 18, 19, 608. . . . Ist aber eine derartige Abgleichung trotz des Umstandes, daß auf der einen Seite eine vom Gesetzgeber mit manchen besonderen Nachteilen belegte unerlaubte Handlung vorliegt, nach §§ 823, 249 BGB. geboten, so muß ähnliches noch mehr in Ansehung der, durch unerlaubte Handlung an sich nicht bedingten, Bereicherungsklage gelten. Allerdings verordnet der hierfür grundlegende § 812 BGB. nur einfach, daß, wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zur Herausgabe verpflichtet ist. Hiernach könnte es scheinen, daß der Herausgabeanspruch unabhängig von etwaigen Gegenansprüchen besteht, daß letztere selbständig geltend gemacht und dann nach den Grundsätzen über Aufrechnung und Zurückbehaltung beurteilt werden müßten. Aber dies ist nicht der Sinn des Gesetzes. Wie sich schon aus der Ueberschrift des Titels: „ungerechtfertigte B e r e i c h e r u n g " ergibt, und wie insbesondere auch aus § 818 Abs. 3 gefolgert werden muß, wonach die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz bei nicht mehr gegebener B e r e i c h e r u n g ausgeschlossen ist, kann und muß unter dem nach § 812 herauszugebenden „etwas" nicht etwa ein beliebiger einzelner aus dem Vermögen des Einen in das des Anderen hinübergeflossener Wert, sondern nur die Gesamtheit des Hinübergelangten unter gleichzeitiger Berücksichtigung der dafür gegebenen Werte und der auf dem Empfangenen ruhenden Lasten verstanden werden. Vgl. Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch Bd. 2 S. 837. Nun hat der Beklagte, wie oben angegeben, verschiedene derartige aus dem als nichtig angefochtenen Kaufvertrag ihm erwachsene Nachteile, dem Kläger daraus zugekommene Vorteile gegenüber der Klage in bestimmter Weise geltend gemacht. Diese seine Behauptungen sind zum Teil von selbst glaubhaft, zum Teil unter Beweis gestellt, sie sind geeignet, eine Minderung der äußerlich durch die Anzahlung der 50 240 M., durch die Hypothekübernahme usw. bewirkten Vermögensmehrung auf des Beklagten Seite zu begründen; sie müssen auch zum Zwecke der Herstellung des früheren Zustandes gemäß § 249 BGB. von selbst in Rechnung gezogen werden und können nicht — auch nicht vorläufig —, wie der Berufungsrichter will, außer Berücksichtigung bleiben. Besonders deutlich ergibt sich dies in Ansehung des erwähnten mit der Klage zurückgeforderten Bargeldbetrags, der sich durch gegenüberstehende, vom Kläger gezogene Bargeldwerte von selbst mindern kann, aber auch hinsichtlich des —• ohnedies nebensächlichen und un-
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erheblichen — Antrags auf Löschung der 48 000 M. und des Verlangens der Befreiung von der Hypothekübernahme muß das Nämliche gelten. Auch diese Ansprüche können nicht losgelöst vom Gesamtrechtsverhältnisse für sich betrachtet und abgeurteilt werden, sondern sie bilden nur unselbständige Glieder bei Feststellung des wiederherzustellenden früheren Zustandes und der dem Beklagten grundlos zugeflossenen Bereicherung. Nach dem Ausgeführten hat der Beklagte, indem er seine Gegenansprüche geltend machte, in Wirklichkeit nicht Aufrechnungs- und Zurückbehaltungs- E i n r e d e n vorgebracht, wenn er dies auch selbst sagte, sondern er hat damit den Klaganspruch, den er in erster Reihe schon seinem Grunde nach bekämpfte, in zweiter Reihe auch nach seiner Höhe bestritten. Eis können daher die Grundsätze über Aufrechnung und Zurückbehaltung, namentlich die §§ 393, 273 BGB. überhaupt nicht Anwendung finden. Sie mögen dann voll zur Geltung kommen, wenn der Schadens- und Bereicherungsklage damit nicht zusammenhängende Ansprüche entgegengesetzt werden; dort, wo die beiderseitigen Vorteile und Nachteile auf derselben Grundlage beruhen, haben sie keinen Raum. Der Vorderrichter hat somit die §§ 812, 823, 393, 273 BGB., ferner aber auch den § 301 CPO. dadurch verletzt, daß er, obschon noch kein Teil des Klaganspruchs zur Endentscheidung reif war, Teilurteil erließ.
RGZ. 58, 204 Begeht der, der einem anderen Vermögensvorteile zu dem Zwecke zuwendet, damit dieser sich zum Schweigen über eine von ersterem begangene strafbare Handlung verpflichte, und der, der eine aus dieser Absicht gegebene Zuwendung annimmt, einen VerstoB gegen die guten Sitten? § 817. BOB VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Freiberg.
Urt. v. 30. Mai 1904. II. Oberlandesgericht Dresden.
Der zugrunde liegende Sachverhalt ergibt sich aus den folgenden Gründen: „Der Beklagte hat nicht bestritten, dem Erblasser der Kläger im Jahre 1892 aus rückständigen Kaufgeldern die eingeklagten 3500 M. nebst Zinsen schuldig geworden zu sein, aber eingewendet, daß ihm die Schuld im April 1900 vom Gläubiger durch Vertrag erlassen sei. Dieser Verteidigung gegenüber ist von den Klägern geltend gemacht, der Beklagte habe durch die Annahme der durch den (übrigens bestrittenen) Erlaßvertrag ihm gemachten Zuwendung gegen die guten
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Sitten verstoßen und sei darum zur Zahlung der erlassenen Schuld verpflichtet. Das Landgericht hat nicht angenommen, daß der Beklagte gegen die guten Sitten verstoßen habe, und ist auf Grund einer Würdigung des Beweisergebnisses dazu gelangt, dem Beklagten bezüglich des Abschlusses des Erlaßvertrages einen richterlichen Eid aufzuerlegen. Das Berufungsgericht hat diese Beweiswürdigung gebilligt, aber den Beklagten verurteilt, weil die Berufung der Kläger auf § 817 B G B . durchgreife. Ueber die Umstände, unter denen der Erlaßvertrag zum Abschluß gelangt ist, und den Zweck, der mit ihm verfolgt wurde, ist vom Berufungsgericht folgendes festgestellt. L., der Erblasser der Kläger, der beim Beklagten wohnte, hatte mit dessen siebenjährigem Sohne und dessen 16jährigem Knecht K. unzüchtige Handlungen vorgenommen und fürchtete, der Beklagte könne eine Strafanzeige machen, oder die Sache könne sonst durch ihn ruchbar werden. Um ihn zum Schweigen zu bestimmen, gab er ihm die Schuldscheine über die 3500 M. zurück und erließ ihm die Schuld. Daß der Beklagte ihn dazu durch die Drohung mit einer Strafanzeige bestimmt hätte, ist nicht erwiesen, vielmehr für glaubhaft erachtet, daß der Beklagte zwar vorher L. zur Rede gestellt und ihm gesagt hat, er werde ihn anzeigen, falls eine Schädigung des Kindes hervortreten werde, daß er aber nicht darauf angespielt hat, L. solle ihm Geldvorteile gewähren, insbesondere ihm seine Schuld erlassen. Eine Schädigung des Kindes ist auch nicht eingetreten, und der Beklagte hatte bis zu dem Tage, wo der Erlaßvertrag geschlossen wurde, freiwillig geschwiegen. Das Berufungsgericht würdigt diesen Tatbestand dahin, daß L. die 3500 M. dem Kläger zugewendet habe, um dessen künftiges Schweigen über die von ihm begangene strafbare Handlung zu erkaufen, und daß der Beklagte stillschweigend mit ihm über diese Zweckbestimmung des Erlasses einverstanden gewesen sei. Die Darstellung des Beklagten, L. habe ihm die 3500 M. aus Dankbarkeit für das bisherige Schweigen geschenkt, wird als unglaubwürdig abgelehnt. Von dieser Auffassung aus gelangt der Berufungsrichter zu dem Ergebnis, daß der Beklagte durch die Annahme der Zuwendung zu dem von L. bestimmten Zwecke gegen die guten Sitten verstoßen habe. Dem durch die strafbare Handlung verletzten Sohne des Beklagten sei ein Körper- oder Vermögensschade nicht erwachsen. Allerdings mache der eigennützige Zweck, der den Beklagten zum Abschluß des Vertrages bestimmt habe, allein diesen noch nicht nach § 817 B G B . anfechtbar. Aber es komme hier hinzu, daß der Beklagte die Geldbelohnung angenommen habe dafür, daß er den L. nicht wegen einer strafbaren Handlung zur Anzeige bringe. Das stehe mit den herrschenden sittlichen Anschauungen um so mehr in Widerspruch, selbst wenn der Beklagte ohnehin willens gewesen sei, keine Anzeige zu
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machen, als ihm eine nach den Verhältnissen der Beteiligten besonders hohe Belohnung zugewendet sei. Die Kläger könnten sich daher auf § 817 Satz 1 mit Erfolg berufen. Der Satz 2 daselbst stehe ihnen nicht entgegen; denn dem, der nach Begehung einer strafbaren Handlung einen anderen, der davon Kenntnis habe, zum Schweigen zu bestimmen suche, damit er vor einer entehrenden Strafe bewahrt bleibe, könne der Vorwurf des Verstoßes gegen die guten Sitten nicht gemacht werden. Dieser Ausführung ist darin beizutreten, daß der Beklagte durch die Annahme des Schweigegeldes gegen die guten Sitten verstoßen hat. Die allgemeine Abgrenzung des Begriffs dieses Verstoßes ist zweifelhaft und nicht unstreitig. Vgl. die Nachweise bei J a c o b i , in I h e r i n g s Jahrbüchern Bd. 41 S. 68 flg. Aber es ist nicht Anlaß, zu den verschiedenen Meinungen Stellung zu nehmen; denn für die Entscheidung des einzelnen Falles ist doch dessen besondere tatsächliche Gestaltung in erster Linie maßgebend, und es ist richtig, daß ein solcher Verstoß vorliegt, wenn der Beklagte, dem ein Ersatzanspruch irgendeiner Art gegen L. nicht zustand, sich durch Vertrag verpflichtete, den Täter der strafbaren Handlung nicht zur Anzeige zu bringen. Allerdings lag dem Beklagten weder die rechtliche, noch die sittliche Pflicht ob, eine solche Anzeige zu machen. Aber ein anderes ist es, sich um einer Geldbelohnung willen zu der Unterlassung der Anzeige, und ganz besonders bei einer Straftat der hier vorliegenden Art, v e r t r a g l i c h zu verp f l i c h t e n . Es kann zugegeben werden, daß auch in einem solchen Falle Nebenumstände hinzutreten können, die dem Vertrage die Bedeutung eines Verstoßes gegen die guten Sitten zu nehmen geeignet sind. Vgl. S t a u d i n g e r , Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuche 2. Aufl. Bd. 1 S. 403. Indessen in dem hier zur Entscheidung stehenden F a l l e sind solche den Beklagten rechtfertigende oder entschuldigende Umstände nicht gegeben. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die vertragliche Bindung des Beklagten l e d i g l i c h den Zweck gehabt, den Täter der strafbaren Handlung der Bestrafung endgültig zu entziehen, und darum ist es unerheblich, daß der Beklagte sich zu einer Unterlassung vertraglich verpflichtete, zu der er vorher freiwillig entschlossen war, und die an sich keinen Verstoß gegen die guten Sitten ausmachte. Vgl. Entsch. des R.G.'s in Zivils. Bd. 33 S . 3 3 7 (338). Zu Unrecht hat dagegen der Berufungsrichter die Frage verneint, ob auch L. durch die Hingabe der dem Beklagten gewährten Belohnung gegen die guten Sitten verstoßen habe. Der allgemeine Satz,
Ungerechtfertigte Bereicherung
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daß ein solcher Verstoß nicht vorliege, wenn nach der Begehung einer strafbaren Handlung der Täter einen Zeugen zum Schweigen bestimme, um vor entehrender Strafe bewahrt zu bleiben, kann nicht gebilligt werden. Freilich ist bei dem sog. Schweigevertrag die Lage des Gebers und des Empfängers nicht notwendig gleich, und es läßt sich nicht sagen, daß, wenn der Empfänger gegen die guten Sitten verstoße, das gleiche für den Geber geltem müsse, der ihn zu der Annahme der Belohnung bestimme. Die Lage des einzelnen Falles muß vielmehr auch hier wieder ausschlaggebend sein. Es lassen sich Umstände denken, unter denen es nicht sittlich verwerflich erscheint, wenn der Täter einer strafbaren Handlung sich die Straflosigkeit sichern will, indem er das Schweigen eines Zeugen erkauft. Wenn er es tut, weniger um sich der gesetzlichen Strafe zu entziehen, als um seine Angehörigen vor den schweren Nachteilen zu beschützen, die seine Verurteilung für sie bewirken müßte, so kann, je nach der Art seiner Straftat, die Möglichkeit einer Entschuldigung zugelassen werden. Aber im vorliegenden Falle stehen solche Umstände L. nicht zur Seite. Die Revisionsbeklagten haben geltend gemacht, L. habe nicht, um der Strafe, sondern um der bösen Nachrede zu entgehen, also zur Wahrung seiner äußeren Ehre, dem ¡Beklagten die Schuld erlassen, und das verstoße nicht gegen die guten Sitten. Allein dem steht entgegen, daß das Berufungsgericht auf Grund tatsächlicher, auch rechtlich bedenkenfreier Wüdigung des Sachverhalts angenommen hat, L. habe aus Furcht vor der beim Ruchbarwerden seiner Tat möglichen Bestrafung gehandelt. Ist hiernach L. bei dem Erlaß der Schuld gleichfalls ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last gefallen, so ist die Rückforderung nach § 817 Satz 2 B G B . ausgeschlossen. Deswegen war das angefochtene Urteil aufzuheben, und in der Sache selbst das die Klage bedingt abweisende Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen."... RGZ. 60, 24 Ist, wenn ein Postbeamter in seiner amtlichen Eigenschaft eine Postanweisung unter der Adresse einer Person, der er Geld schuldet, abfertigt, ohne den angewiesenen Betrag bei der Postkasse einzuzahlen, der Postfiskus berechtigt, den an den Adressaten gezahlten Betrag von diesem wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückzufordern? VI. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 12. Januar 1904. I. Landgericht Leipzig.
II. Oberlandesgericht Dresden.
Aus den G r ü n d e n : „Am 13., 14. und 16. April 1902 hat der damalige Verwalter des Postamtes in B., Ernst T., neun Postanweisungen über zusammen Ziril». SAnldreAt 8