Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Band 29 [Reprint 2022 ed.] 9783112678480, 9783112678473


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German Pages 468 [488] Year 1912

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Table of contents :
Inhalt
I. Bürgerliches Recht.
a. Reichsrecht
1. Gesetzliche Vertretung der evangelischen Landeskirche in Rechtsstreitigkeiteu über Ansprüche ans Ruhegehalt
2. Aufsichtspflicht des Gegenvormunds. Haftung der Hinterlegungsstelle bei Aushändigung dem Mündel gehöriger Inhaberpapiere
3. Verbot eines ärztlichen Standesvereins an seine Mitglieder, mit einem Nichtmitgliede zu verkehren. Sittenwidrigkeit trotz Überzeugung von der Rechtmäßigkeit des Handelns
4. Wahrung der Ausrechnungsfrist des § 41 KO. durch Eventualaufrechnung im Prozesse
5. Kaun in einem vom Konkursverwalter aufgenommenen Aktivprozesse der Gemeiuschuldner selbst gegen das Urteil der ersten Instanz rechtswirksam Berufung einlegen, wenn ihm der Konkursverwalter erklärt hat, daß er ihm deu Anspruch freigibt?
6. Unwirksamkeit der Ermächtigung des überlebenden Ehegatten zum Widerruf gemeinschaftlicher letztwilliger Verfügungen
7. Was ist im Sinne der Befreinngsvorfchrift zu btr. Steifst. 711 des preußischen Stempelsteuergesetzes vom 31. Juli 1895/30. Juni 1909 unter einem zu gewissen Zeiten wiederkehrendeu Entgelt und unter einem 1500 M nicht übersteigenden Jahresbeiträge der Gegenleistong zu verstehen?
8. Berwirkung der Vertragsstrafe, wenn die Leistung in einem Unterlassen besteht. Erfüllungsgehilfe
9. Findet die Tarifnr. 11 d zum Reichsstewpelgesetz vom 15. Juli 1909 auch auf den Fall Anwendung, daß eine Aktiengesellschaft als Aktiouärin einer anderen deren Vermögen nach den §§ 305, 306 HGB. als Ganzes erworben hat und die Umschreibnng der dazu gehörenden Grundstücke aus ihren Namen als Eigentümerin beantragt?
10. Ist in Preußen der Rechtsweg für Streitigkeiten über Mißbrauch der nach einem AnSeinavderfetzvngs-Rezeß gemeinschaftlich gebliebenen Benntzung eines Grundstücks zulässig?
11. Unfallversicherung. Zugehörigkeit eines landwirtschaftlichen Tagelöhners zum Betrieb eines Dreschunternehmers
12. Sittenwidrige Schädigung. Ersatzanspruch des bloß mittelbar Geschädigten
13. Bedarf es zur Verlegung einer Trinkhalle nach einer anderen Gemeinde einer neuen Schankerlaubnis?
14. Können gegen den preußischen Fiskus von den Anliegern des Oderstromes Ersatzansprüche wegen solcher Nachteile erhoben werden, die ihren Grundstücken durch die nach dem Gesetze vom 6. Juni 1888 angeorduete Aufstauung des Flusses erwachsen sind?
15. Ist es zulässig, auf erhobene« Widerspruch im Mahnverfahren durch die nachträgliche Erklärung, es werde im Wechselprozesse geklagt, das Verfahren in dieser Prozeßform fortzuseyen?
16. Eintragung der einer offenen Handelsgesellschaft zustehenden Hypothek auf den Namen eines Teilhabers
17. Grundstücksveräußerungsverträge. Form. Örtliches Recht
18. Stellt die unterlassene Anwendung der §§ 68, 74 Abs. 3 ZPO. eine Verletzung des Gesetze- in bezug auf das Verfahren dar? Bedarf die deshalb erhobene Rüge der schriftlichen RevisionSbcgründnng gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 2b ZPO.?
19. Preußisches Feldmesser-Reglement als Schutzgesetz
20. Wird der Stellenvermittler als Mieter durch das Verbot des Filialbetriebs im Grundstücke vom Mietzinse befreit
21. Verhinderung des Eintritts einer Bedingung
22. Haftung des Reichsfiskus für Beamte (Lotsen) des Kanalamts. Entlastungsbeweis. Dienstliche Stellung des Betriebsdirektors
23. Sind Einzahlungen auf Kuxe steuerfrei, weuu sie zur Erhaltung des Betriebs eines Bergwerks dienen, dessen sämtliche Kuxe sich in der Hand der ansschreibendeu Gewerkschaft befinden?
24. Erhöhung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft mit mehreren Gattungen von Aktien
25. Notweg. Begriff der ordnungsmäßigen Benutzung eines der notwendigen Verbindung entbehrenden Grundstücks
26. Pfändung einer Treuhandhypothek
27. Hastet das nur mit einem Pfandbriesdarlehn belastete Grundstück auch für ein zur Ausgleichung der Kursdifferenz bewilligtes Zuschußdarlehn
28. Aufrechnung im Konkurse zwischen älteren Forderungen eines Gläubigers und den vom Konkursverwalter geltend gemachten Ansprüchen wegen Nichterfüllung
29. Ruht nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 des Maunschaftsversorgungsgesetzes vom 31. Mai 1906 das Recht auf den Bezng der Rente um bezüglich der Renteateile über 60/100 der Vollrente oder auch bezüglich der Renteateile aater 21/100 der Vollreute?
30. Ist die Erhebung des durch das preußische Stempelsteuergesetz in der Fassung vom 30. Juni 1909, Tankstelle 25 „Anmerkung" zum Buchstaben a, verordneten Stempels ausgeschlossen, wenn die Eintragung der inländischen Zweigniederlassung in das Handelsregister zwar nach dem Iukrasttreteu jenes Gesetzes erfolgt, der ausländische Gesellschaftsvertrag aber vor diesem Zeitpunkte geschloffen ist? Preuß. StempStGes. vom 31. Juli 1895/30. Juni 1909 § 34.
31. Voraussetzungen eines rechtswirksameu Vorbehalt- nach § 94 de- RStempGes. vom 15. Juli 1909
32. Wie bestimmt sich der Stempel für die Erlaubuiserteilung zum ständigen Betriebe der Schankwirtschaft, wem die beiden Personen, denen zusammen diese Erlanbni- erteilt ist, die einzigen Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft sind, die zurersten Klaffe der Gewerbesteuer veranlagt ist, der aber die Schankwirtschaft nicht gehört?
33. Schließt die im Strafverfahren zugesprochene Buße weitere Ansprüche des Verletzten gegen andere, als die verurteilten Personen aus?
34. Ist § 47 Nr. 2 der Dienstanweisung des Muß. Kriegsministers für die Remontedepot-Admiuistratiouen vom 12. Juni 1897, wonach der Administrator das Depot nach außen vertritt, eine revisible Rechtsnorm?
35. Berlagsvertrag. Ist die Abrede gültig, daß dem Verleger ein Vorrecht auf künftige Kompositionen des Urhebers zusteht?
36. Klagerecht einer Aktiengesellschaft gegen den Erwerber einer Namensaktie vor seiner Eintragung in das Aktienbuch
37. Wirkung des rechtskräftigen Urteils gegen den Rechtsnachfolger des vuterlegenev Beklagten bei entsprechender Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Recht- zugnnsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten.
38. Änderungen des Hypothekenrangs. Einfluß auf Zwischenrechte. Wirkungen des Wegfalls eines vorgetretenen Rechtes
39. Anspruch der Aktiengesellschaft aus der Aktienzeichnung. Anmeldung im Konkurse des Aktionärs
40. Haftung des Reichsfiskus für den schuldhaften Zusammenstoß eines Kriegsschiffes mit einem Kauffahrteischiffe
41. Gesellschaft m. b. H. Haftung des Erwerbers eines Geschäftsanteils für rückständige Stammeinlagen. Einreden aus dem kausalen Erwerbsgeschäfte
42. Erstreckt sich der Patentschutz auf zur Zeit der Anmeldung bereits bekannte und benutzte Äquivalente?
43. Begriff der Quittung im Sinne der Tarifur. 10 Abs. 2 des Reichsstempelgesetzes vom 15. Juli 1909.
44. Sittenwidriges Handeln eines Gläubigers, der sich nach Bewilligung eines Akkord- vom Schuldner hinterher volle Befriedigung versprechen läßt. Rechte aus der Drohung nach Ablauf der Anfechtungsstist
45. Zustellung von Anwalt zu Anwalt; Beiseheu bei Datierung des Empfangsbekevutniffes. ZPO. 88 188 Abs. 4, 198 Abs. 1 u. 2.
46. Haftung des Erben für Verzugssolgen während des Laufes der Ausfchlagungsfrist und bei Gebrauch der aufschiebenden Einreden. Mitwirkendes eignes Verschulden
47. Wirkt die Erklärung des Konkursverwalters, einen noch laufenden zweiseitigen Vertrag nicht erfüllen zu wollen, auch über die Beendigung des Konkursverfahrens hinaus?
48. Wann bedarf die Vollmacht zur Abschließung eines Kaufvertrags der Form des § 313 BGB ?
49 Berteilungsstelle für Gerichtsvollzieheraufträge. Haftung der Beamten
50. Was ist unter „Ausschreibung" vou Einzahlungen (Zubußen) im Sinne der Tarifnr. Id Abs. 2 des Reichsstempelgeseyes vom 15. Juli 1909 zu verstehen? Wann ist die Ausschreibung als erfolgt anzunehmen?
51. Was ist unter einem nicht zu ersetzenden Nachteile zu verstehen?
52. Elektrische Überlandzentralen. Widerrechtlicher Eingriff in ftemden Gewerbebetrieb
53. 'Sachlicher Umfang der Rechtskraft. Auslegung des früheren Urteils
54. Handelsrechtliche Lieferungsgeschäfte als Differenzgeschäfte
55. Wird ein unwirksamer Vergleich durch Erfüllung wirksam?
56. Ist die Pfändung von dem Gläubiger selbst gehörenden, im Gewahrsam de- Schuldner- befindlichen Sachen zulässig und wirksam? Verzicht auf da- Eigentum?
57. Tierhaftung des Metzgers für Schlachtvieh
58. Verwendung von Ortsnamen bei Bezeichnung nicht aus diesen Orten stammenden Bieres, wenn eine deutliche Angabe der wahren Braustätte hinzugefügt ist („Pilsener Bier")
59. Ist Militäranwärter, wer den Zivilverforgungsschein durch den Dienst in der Landgendarmerie erworben hat?
60. Was ist unter Vermietung zu gewerblichtu oder beruflichen Zwecken im Siuue der Tarisst. 481 Abs. 2 de- preuß. Stempelsteuergesetzes vom 30. Juni 1909 zu verstehen?
61. Ist für die Ausgleichuugspflicht der Zuschüffe von Bedeutung, ob sie zugleich unter den Begriff der Ausstattung fallen? BGB. § 2050 Abs. 1, 2. 1624.
62. Wirksamkeit eines vor dem 1. Januar 1900 vereinbarten Verzichts auf die Einrede der Verjährung
63. Ermäßigung der Stammeinlage durch Vergleich zwischen der Gesellschaft m. b. H. und einem Gesellschafter
64. Ist, wenn die Voraussetzung des § 37 Abs. 1 Nr. 3 des preußische« Euteignungsgesetzes vom 11. Juui 1874 vorliegt, auf Hinterlegung der Entschädigungssumme statt der geforderteu Zahlung von Amts wegen und auch uoch in der Revisiousiustauz zu erkenuen?
65. Zur Auslegung gemeinschaftlicher gemäß § 2269 Abs. 1 BGB. errichteter Testamente
66. Sittenwidrigkeil einer Ringbildung zur Erhöhung der Bierpreise ohne Rücksicht auf laufende Verträge mit den Bierabnehmern
67. Ist § 181 BGB. anwendbar bei Vornahme familienrechtlicher Rechtsgeschäfte? Gilt §311 auch bei Übertragung eines ftemden Vermögens?
68. Zahlung einer Nichtschuld an den Prokuristen des vermeintlichen Gläubigers. Bereicherung des Prinzipal
69. Ausgleichungspflicht unter Gesamtschuldnern. Schadensersatzpflicht des hiermit in Verzug kommenden Schuldners. Eignes Verschulden des andern Schuldners
70. AusstatLungsschutz und Warenzeichenrecht. Verlust des Schutzes durch langjährigen Milgebrauch der Konkurrenten
71. Ist bei Bestimmung der Enteiguungseutschädigung der individuelle Wert zu berücksichtigen, den da- Grundstück nicht für dm Eigentümer selbst, sondern für einen dritten Kauflustigen hatte, wenn dieser zur Zahlung eines entsprechend höheren Kanfpreisebereit war?
72. Was ist unter dem Aufstellen eine- Musikwerk- auf einem öffentlichen Platze zu verstehen?
73. Bestand des Rechtsgeschäfts trotz teilweiser Nichtigkeit
74. Verpfändung von Forderungen. Ersetzt Vorlegung der Verpfändungsurkunde durch den Pfandgläubiger die Anzeige des Gläubigers an den Schuldner? Konversion
75. Rücktritt von einem Teile des Vertrags
76. Fahrzeughalter eines Kraftwagens. Inbetriebsetzung ohne Wissen und Willen des Halter-. Schadensersatz und Schadenstragungspflicht im Verhältnisse mehrerer am Unfall auch als Verletzte beteiligter Halter und Wagenführer. Eignes Verschulden
77. Unlauterer Wettbewerb. Gewährung von Sonderrabatt. Legitimation zur Unterlassungsklage
78. Patentfähigkeit eines Verfahrens zur Erzeugung von Geschmacksmustern. Bewermng der ästhetischen Wirkung
79. Kann Priorität eine- erteilten Patentes nach dem Zeitpunkte einer früheren erfolglosen Patentanmeldung beansprucht werden?
80. Gesellschaft m. b. H. Inwieweit sind Lieferungsverpflichtungen der Gesellschafter in den Gesellschaftsvertrag aufzunehme
81. Verpflichtet die Freilegung de- von der Fluchtlinie getroffenen Gebäudeteils die Gemeinde, im Enteignungsverfahreu das ganze Gebäude zu übernehmen, auch wem die Freilegung nicht zum Zwecke des Um- oder Neubaues erfolgt ist?
82. Unterliegen die sog. Reiseschecks bet American Express Company zu New-Aork dem Wechselstempel ach § 24 der Wechselstempelgesetzes vom 10. Juni 1869 bzw. § 27 des Gesetzes vom 15. Juli 1909?
83. Überleitung der rheinischen ehelichen Gütergemeinschaft in die Fahrnisgemeinschaft nach Bürgerlichem Gesetzbuche. Hastet die Frau für ältere vom Manne begründete Gemeinschaftsschulen? Kann sie noch jetzt der Gemeinschaft entsagen? Wie gestaltet sich die Haftung der Erben der Frau
84. Eintragung von Findelkindern in das Standesregister. „Neugeborene Kinder"
85. Teilaufrechnung gegen eine Hypothekenforderung
86. Beurteilung des Rückkaufgeschäfts nach den Vorschriften über das Pfandleihgeschäft
87 Kann ein abgeschlossenes richterliche- Protokoll über Errichtung einer öffentlichen Urkunde dadurch wirksam werden, daß die unterbliebene Feststellung der Vorlesung, Genehmigung und eigenhändigen Unterschrift nachträglich vom Richter zur Urschrift beurkundet wird?.
88 Gute Sitten. Verzicht des Gläubiger- auf seine Forderung, um den Schuldner dadurch zur Nichtverweigerung seines Zeugniffes zu bestimmen
89. Grundgerechtigkeit mit dem Inhalt, einen Entwäfferangskanal zu unterhalten, nach preußischem Rechte. Welche rechtliche Bedeutung hat die dem berechtigten Grundstück obliegende Bei Pflichtung, die Hälfte der UaterhaltSkostea zum tragen? Preuß. ALR.I.22 §§ 11, 12, 30 flg.
90 Vörsentermingeschäste in nicht zugelaffenen Wertpapieren an ausländischen Börsen. Spieleinwand
91. Liegt Klagändemng vor, wen die Anfechtung einer Pfändung in der Klage auf Nr. 1, demnächst aber auf Nr. 2 des § 30 KO. gestützt wird?
92. Hypothek auf dem Anteil eines Miterbeu au einem Nachlaßgrundstücke vor der Erbteilung uach preußischem Rechte. Steht dem Hypothekengliiubiger, wenn das Grundstück zwangsweise versteigert wird, Recht am Verstetgerungserlöse zu?
93. Urheberrecht des Künstlers an einem Freskogemälde im Falle von Übermalungen, die der Eigentümer daran vornehmen läßt
94. Erlöschen der gesetzlichen Eigentumsbeschränkuugeu zugunsten älterer Windmühlen durch stillschweigende Eiuwilliguug des Berechtigten
95 Börsentermingeschäft. Rückforderung einer geleisteten Vorprämie
96 Verein-recht. Kann die vom Vorstände verweigerte Anerkennung der Wahl eines Mitgliedes in ein Bereinsorgan durch Klage gegen den Verein erzwungen werden
97 Kann Herabsetzung einer Versicherungsrente verlangt werden, weil die fortdauernde völlige Erwerbsunfähigkeit zum Teil auf anderen Ursachen, als auf dem Unfälle beruhe?
98 Gute Sitten. Unlauterer Wettbewerb (Kognakstaschen-Ausstattung) .
99 Auslegung des Gründungsvertrags einer Gesellschaft m. b. H. Heranziehung privatschristlicher Urkunden
100. Begriff der Wertangaben der Steuerpflichtigen im Sinne de- § 27 Abs. 3 prenß. Stemp. StGes. vom 31. Juli 1895. 2. Zur Auslegung des § 6 Abs. 12 dieses Gesetzes. 3. Kann auf Beschwerde de- Steuerpflichtigen die höhere Steuerbehörde den Stempel noch erhöhen?
101 Beschränkung eines Patents in Ausübung von Hoheitsrechten. Natur solcher Beschränkungen. Zulässigkeit des Rechtsweg- für Entschädigungsansprüche
102 Teilweise Nichtigkeit, wenn mehrere gleichzeitig abgeschlossene und besonder- beurkundete Geschäfte zusammen ein einheitliches Ganze bilden. Beweislast
Register
A. Sachregister
B. Gesetzesregister
C. Zusammenstellung der Entscheidungen nach der Zeitfolge
Zusammenstellung der im neunundsiebzigsten Bande, der neuen Folge neunundzwanzigsten Bande, mitgeteilten Entscheidungen nach Oberlandesgerichtsbezirken
Berichtigungen
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Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Band 29 [Reprint 2022 ed.]
 9783112678480, 9783112678473

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Entscheidungen des Reichsgerichts. Herausgegeben von

-en Mitgliedern des Gerichtshofes und der Neichsanumttfchaft.

Entscheidungen des

Reichsgerichts in

Zivilsachen. Neue Folge.

Wennundzwanzigster Aland. Der ganzen Reihe nrunundstrbzigster Band.

Leipzig, Verlag von Veit & Comp. 1912

Die Rechtsprechung der Gbrrlandrsgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts. Herausgegeben von

V. Mugdan,

-s-R. Falkmann,

und

Senat-präsident am Kammergericht.

Kammergericht-rat,

Wöchentlich erscheint eine Nummer.

"^ie ö

Preis des Halbjahrs 6

50 sy.

„Rechtsprechung der Oberlandcsgerichte" bringt Urteile

und Beschlüsse aus dem gesamten Gebiete des Zivilrechts,

nicht bloß aus dem bürgerlichen Recht, sondern auch aus dem Prozeßrecht, der freiwilligen Gerichtsbarkeit, einschließlich

der

Gerichtskosten, der Anwalts- und Notariatsgebühren usw.

Die

Entscheidungen werden, namentlich in wichtigeren Sachen, mög­

lichst rasch und nicht etwa in Spruchform, sondern nach Boran­

schickung eines kurzen Tatbestandes mit den Entscheidungsgründen veröffentlicht. In den Urteilen aller Instanzen, sowie in den Kommentaren

wird beständig

aus

Ihre Bedeutung

die

Bezug genommen.

„Rechtsprechung"

wird durch die Erhöhung der Zuständigkeit

der Amtsgerichte noch gewinnen und zur Einheitlichkeit ihrer

Rechtsprechung wesentlich beitragen. Sie ist selbst auf denjenigen

Gebieten

für Praxis und

Wisienschaft von größter Wichtigkeit, wo die Oberlandesgerichte nicht die letzte Instanz bilden, weil der Kreis der von diesm

entschiedenen Streitfragen weit ausgedehnter ist, als derjenige

deS Reichsgerichts.

Sie

ist dadurch für den Praktiker aller

Instanzen ein unentbehrliches Nachschlagewerk. Leipzig.

Veit St Comp.

Literarischer Anzeiger Entscheidungen des Reichsgerichts. zu den

Verlag von Beit & Comp. in Leipzig. Der „Literarische Anzeiger" erscheint in zwanglosen Nummern und bildet eine unent­ geltliche Beilage der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen und in Straf­ sachen. Für seinen Jnbalt ist ausschließlich die Verlagsbuchhandlung verantwortlich. Preis der einmal gespaltenen Petitzeile 60

Verlag von Veit & Comp. in Leipzig

Schriften von Rudolf Buchen: Die Lebensanschauungen der großen Denker. Eine Entwicklungsgeschichte des Lebensproblems der Menschheit von Plato bis zur Gegenwart. Zehnte Auflage, gr. 8. 1912. geh. 10 geb. 11^.

Der Wahrheitsgehalt der Religion. Dritte, umgearbeitete Auflage, gr. 8.

1912.

geh. 9

geb. 10 jft»

Können wir noch Christen sein? 8.

geh. 3

1911.

60

geb. 4 Jh 50 -A.

Der Kampf um einen geistigen Lebensinhalt. Neue Grundlegung einer Weltanschauung. Zweite, neugestaltete Auflage,

gr. 8. 1907. geh. 6 Jt, 40

geb. 7

50

Euckens Schriften sind Bekenntnisbiicher in des Wortes tiefster Bedeutung, sie gehören zu denen, die nicht mit Tinte, sondern mit Blut geschrieben worden sind, sie sind nicht Pro­ dukte wissenschaftlicher Untersuchungen, sondern persönlichsten Lebens und Erlebens. — Nur in den Feierstunden des Lebens, wenn der Geist sich gesammelt und die Seele sich selbst ge­ funden hat, ist es möglich, solche Bücher zu verstehen und zu genießen. Dann aber werden wir immer wieder zu ihnen zurückkehren und aus dem. lauten Tageslärm und aus den seelen­ erniedrigenden Welthändeln zu innen flüchten, daß sie uns wieder zu Bewußtsein bringen, was uns ein Denker wie Eucken in seiner Art so eindringlich gelehrt' und gezeigt hat.

Griechische Denker. Eine Geschichte der antiken Philosophie. Von

Theodor Gomperz. Drei Bände. Lex. 8.

geh. 33

geb. in Halbfranz 40

50

Das Werk von Gomperz hat sich in der philosophischen und philologischen Welt schon so eingebürgert und seine Vorzüge sind so allgemein bekannt, daß jedes Wort zu seiner Empfehlung überflüssig ist: Vorzüge, die besonders in der Verbindung scharfer Erfassung aller einzelnen Gedanken mit einer universalen Übersicht über die Entwicklung der Philosophie alter und neuer Zeit sowie in dem klaren und selbständigen Urteil über die verschiedenen Richtungen des menschlichen Denkens bestehen.

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1911. geb. in Ganzleinen 6 o o

Salomon Reinach, Mitglied des Institut de France, hat die von ihm an 0o der Ecole du Louvre zu Paris gehaltenen kunstgeschichtlichen Vorlesungen oo o u. d. T.: „Apollo, Histoire generale des arts plastiques“ veröffentlicht. o Die in Paris zum ersten Male im Jahre 1904 erschienene Original­ oo ausgabe hat eine ganze Reihe von Auflagen erlebt. Sie ist in fast alle oo modernen Sprachen übersetzt worden. Die deutsche Ausgabe darf der oo gleichen günstigen Aufnahme sicher sein, wie sie dem Werk überall zuteil o. geworden ist. C ' __ . biblio'' Ganz ’besonders wird man auch*_ die sorgfältigen ° 1 " 1 zum Mittelalter ' ' ' ' o graphischen Angaben, namentlich und' zu der Neuzeit, die o anderswo in dieser Ausführlichkeit zusammengestellt wohl nicht zu finden oco sind, zu schätzen wissen. o o

',SBZ?g^r?Sort Strang Mahlen in Merlin W. 9 Finger. — Reichsgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb dem Neckte an Namen (§ 12 BGB.) und § 826 BGB. landesgerich lsrat. Vierte Auflage. 1911.

vom ?. Ium 1909 nebst Erläutert von (ihr. Finger, Ober­ Geh. 12 M. Geb. 14 M.

Goldmann-^ilienthal. — Das Bürgerliche Gesetzbuch

systematisch dargestellt von Justizrat E. Goldmaun und Justizrat L. Lilienthal, Rechtsanwälten und Notaren in Berlin, unter Mitwirkung von Dr. L. Sternberg, Rechtsanwalt in Berlin. Zweiter Band: Sachenrecht. 1912. Geh. 1(5 M. Geb. 18 M. (Erster Band: Allgemeiner Teil und Recht der Schuldverhältnisse. Geh. 19 M. Geb. 21 Bl.)

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Greiff. — Reichsstempelgesetz

vom lö. Juli 1909 mit sämtlichen Aussührnngsbestimmnngen für das Reich und für Preußen nebst den Reichsstempel-Nebengesl tzen unter Benicksiü tigung der Verwaltungsvorschriften der größeren Buildesstaaten ei läutert von Dr. Erich lürciff, Regierungs ­ rat, Justlt.ar bei der Oberzolldirektion in Berlin. 1912. Geh. lö M. Geb. 16 M.

Güthe. — Die Grundbuchordnung für das Deutsche Reich Ansführungsbestimmuugen. Erläutert von Auflage. 2 Bände. 1911.

Dr. Georg Güthe,

und die preußischen Kammergerichtsrat. Zweite Geh. 42 M. Geb. 48 M.

Jaeckel. — Reichsgesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangs­ verwaltung vom 24. Marz 1897 (Fassung von 1898) nebst dem Einführungsgesetz und den für Preußen ergangenen Ausfuhrungs- und Kostenbestimmungeu. Mit Kommentar von Dr. Paul Jaeckel, Reichsgerichtsrat. Vierte Auflage neu bearbeitet von Dr. Georg Güthe, Kammer­ gerichtsrat.

lyi2.

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Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichts­ barkeit, in Kosien-, Stempel- und Strafsachen von R. Johow-s-, Geh. Oberjustizrat, und V. Ring, Senatspräsident am Kammergericht. 42. Band. 1912. Geh. 6 M. Geb. 7,50 M.

Jahrbuch des Deutschen Rechtes. Unter Mitwirkung von Dr. A. Vrückmann und Dr. Th. OlShausen herausgegeben von Dr. Hugo Reumann, Justizrat, Rechtsanwalt am Kammergericht und Notar. 10. Jahrg. 1912. Geh. 27 M. Geb. 30 M.

Mügel. — Die Preußischen Kostengesetze

vom 25. Juli 1910.

kostengesetz und Gebührenordnung für Notare. mit Kostentabellen herausgegeben von Dr. Oskar Mügel» im Justizministerium.

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— Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen. Gesammelt, bearbeitet und herausgegeben iu Verbindung mit E. Friedrichs, Amtsrichter, Dr. Heinrici, Landrichter, Dr. Olshausen, Regierungsiat, von Dr. Hugo Neumann, Justizrat. Bürgerliches Gesetz­ buch.

2 Bände.

------ Zweite Folgt.

1910. 2 Bände.

1912.

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Geb. 49 M. Geb. 41 M.

Tlshausen. — Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Dr. Justus Olshausen, W^rkl. Geheim n Rat. Neunte, umgearbeitete Auflage

Von

uuier Berück -chtiguug des Gesetzes vom 19. Juni 1912. Nebst einem Anhänge, enthaltend die Strafbestimmmlgen der Konkursorditung von Oberreichsanwalt Dr. A. Zweigert. 2 Bände. 1912. Geh. 37 M. Geb. 43 M.

v. 3iOl)tfd)cibt. — Gewerbeordnung für das Deutsche Reich

iu ihrer neuesten Fassung mit sämtl. Ausf> hrungsbestimmiingen für das Neid) und für Preußen sowie mit dem Kiuderschutzge'etz, dem Stelleuvermittleruesetz, d m Hausarbeitgesetz und dem Gew rbegerichtsg setz. Für den Gebraua? in Preußen erläutert voll Kurt v. Rohrscheidt, Geh. Regiernngsrai. Zweite Auflage. Zwei Bände. 1912. Geh. 43 Ni. Geb. 49 M.

Skonietzki-Gelpcke.



Zivilprozeßordnung und

Gerichtsverfafsungsgesetz

fiir das Deutsche Reich nebst den Einführungsgesetzen und den preußischen Ausführungsgesetzen. In Verbindung mit Dr. W. Kraemer, Rechtsanwalt, und Dr. A. Schulze, Landrichter, erläutert van Richard Skonietzki, Reichsgerichtsrat, und Dr. Max Gelpcke ch, Rechtsanwalt und Notar. Erster Band. 1911. Geh. 24 M. Geb. 27 M. Zweiter Band. Lfg. 1. Geh. 3 M.

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Nr.

2. Aufsichtspflicht des Gegenvormunds.

Haftung der Hinterlegungsstelle

bei Aushändigung dem Mündel gehöriger Jnhaberpapiere

....

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3. Verbot eines ärztlichen Standesvereins an seine Mitglieder, mit einem Nichtmitgliede zu verkehren. Sittenwidrigkeit trotz Überzeugung von

der Rechtmäßigkeit des Handelns......................................................................17 4. Wahrung der Ausrechnungsfrist des § 41 KO. durch Eventualaufrech­

nung im Prozesse?................................................................................................. 24 6. Unwirksamkeit

der Ermächtigung

des überlebenden Ehegatten zum

Widerruf gemeinschaftlicher letztwilliger Verfügungen....................................32 8. Verwirkung der Vertragsstrafe, wenn die Leistung in einem Unterlassen

besteht.

Erfüllungsgehilfe...................................................................................... 36

11. Unfallversicherung. Zugehörigkeit eines landwirtschaftlichen Tagelöhners

zum Betrieb eines Dreschunternehmers.......................................................... 51 12. Sittenwidrige Schädigung.

Ersatzanspruch

des bloß

mittelbar Ge­

schädigten.........................................................................................................................55 16. Eintragung der einer offenen Handelsgesellschaft zustehenden Hypothek

auf den Namen eines Teilhabers......................................................................74

17. Grundstücksveräußerungsverträge. Form.Örtliches Recht .... 19.

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Preußisches Feldmesser-Reglement alsSchutzgesetz.......................................... 85

Sette

Nr. 20. Wird der Stellenvermittler als Mieter durch das Verbot des Filial­

betriebs im Grundstücke vom Mietzinse befreit?........................................... 92 21. Verhinderung des Eintritts einer Bedingung.........................................

22. Haftung des Reichsfiskus für Beamte (Lotsen) deS Kanalamts.

des

Grundkapitals

einer

96

Ent-

Dienstliche Stellung des Betriebsdirektors ....

lastungsbeweis. 24. Erhöhung

.

101

Aktiengesellschaft mit mehreren

Gattungen von Aktien...............................................................................................112 25. Notweg.

Begriff der ordnungsmäßigen Benutzung

eines der not­

wendigen Verbindung entbehrenden Grundstücks..............................................116

26. Pfändung einer Treuhandhypothek.......................................................................121 27. Hastet

das

nur

mit einem Pfandbriesdarlehn belastete

Grundstück

auch für ein zur Ausgleichung der Kursdifferenz bewilligtes Zuschußdarlehn?.......................................................................................................................124 28. Aufrechnung im Konkurse zwischen älteren Forderungen eines Gläubigers

und den vom Konkursverwalter geltend gemachten Ansprüchen wegen Nichterfüllung................................................................................................................ 129

83. Schließt die im Strafverfahren zugesprochene Buße weitere Ansprüche

des Verletzten gegen andere, als die verurteilten Personen aus? 85. Berlagsvertrag.

.

.

148

Ist die Abrede gültig, daß dem Verleger ein Vor­

recht auf künftige Kompositionen des Urhebers zustehl?.............................. 156 86. Klagerecht einer Aktiengesellschaft gegen den Erwerber einer Namens­ aktie vor seiner Eintragung in das Aktienbuch............................................... 162 38. Änderungen des Hypothekenrangs.

Einfluß auf Zwischenrechte.

Wir­

kungen des Wegfalls eines vorgetretenen Rechtes......................................... 170 89. Anspruch der Aktiengesellschaft aus der Aktienzeichnung.

Anmeldung

im Konkurse des Aktionärs...................................................................................174

40. Haftung des Reichsfiskus für den schuldhaften Zusammenstoß eines

Kriegsschiffes mit einem Kauffahrteischiffe .......... 41. Gesellschaft m. b. H.

178

Haftung des Erwerbers eines Geschäftsanteils

für rückständige Stammeinlagen.

Einreden aus dem

kausalen Er­ 182

werbsgeschäfte ............................. 42. Erstreckt sich der Patentschutz auf zur Zeit der Anmeldung bereits be­

kannte und benutzte Äquivalente?

.................................................................186

Nr.

Sette

44. Sittenwidriges Handeln eines Gläubigers, der sich nach Bewilligung

eines

vom

Akkord-

sprechen läßt.

Schuldner

hinterher

volle

Befriedigung

ver­

Rechte aus der Drohung nach Ablauf der Anfechtungs-

stist.............................

194

46. Haftung des Erben für Verzugssolgen während des Laufes der Ausfchlagungsfrist und bei Gebrauch der

aufschiebenden Einreden.

Mit­

wirkendes eignes Verschulden...................................................................................201

47. Wirkt die Erklärung des Konkursverwalters, einen noch

laufenden

zweiseitigen Vertrag nicht erfüllen zu wollen, auch über die Beendigung

des Konkursverfahrens hinaus? ............................................................................. 209 48. Wann bedarf die Vollmacht zur Abschließung eines Kaufvertrags der

Form des § 313 BGB ?.........................................................................................212 49

BerteilungSstelle amten

für

Gerichtsvollzieheraufträge.

Haftung

der

Be­

.............................................................................................................................216

52. Elektrische Überlandzentralen.

Widerrechtlicher Eingriff

in

ftemden

Gewerbebetrieb...........................................................................................................224

....

234

55. Wird ein unwirksamer Vergleich durch Erfüllung wirksam? ....

240

57. Tierhaftung des Metzgers für Schlachtvieh...............................................

246

54. Handelsrechtliche Lieferungsgeschäfte als Differenzgeschäfte

58. Verwendung von Ortsnamen bei Bezeichnung nicht auS diesen Orten

stammenden Bieres, wenn eine deutliche Angabe der wahren Brau­

stätte hinzugefügt ist („Pilsener Bier")........................................................... 250

61. Ausgleichung-pflicht von Zuschüssen, die zugleich unter den Begriff der

Ausstattung fallen (BGB. § 2050)..................................................................

266

62. Wirksamkeit eines vor dem 1. Januar 1900 vereinbarten Verzichts auf

die Einrede der Verjährung.................................................................

268

63. Ermäßigung der Stammeinlage durch Vergleich zwischen der Gesell­

schaft m. b. H. und einem Gesellschafter........................................................... 271

65. Zur Auslegung gemeinschaftlicher gemäß § 2269 Abs. 1 BGB. er­ richteter Testamente.....................................................................................................277 66. Sittenwidrigkeil einer Ringbildung zur Erhöhung der Bierpreise ohne Rücksicht auf laufende Verträge mit den Bierabnehmern .

....

279

67. Ist § 181 BGB. anwendbar bei Vornahme familienrechtlicher Rechts­

geschäfte? Gilt §311 auch bei Übertragung eines ftemden Vermögens?

282

Nr.

Seile

68. Zahlung einer Nichtschuld an den Prokuristen des vermeintlichen Gläu­ Bereicherung des Prinzipal-............................................................ 285

bigers.

69. AusgleichungSpflicht unter Gesamtschuldnern.

Schadensersatzpflicht des

hiermit in Verzug kommenden Schuldners.

Eignes Verschulden des

andern Schuldners.....................................................................................................288

70. AusstatLungsschutz und Warenzeichenrecht.

Verlust des Schutzes durch

langjährigen Milgebrauch der Konkurrenten..................................................... 292

73. Bestand des Rechtsgeschäfts trotz teilweiser Nichtigkeit ................................... 303 74. Verpfändung von Forderungen.

Ersetzt Vorlegung der Verpfändungs­

urkunde durch den Pfandgläubiger die Anzeige des Gläubigers an den

Schuldner?

Konversion.........................................................................................306

75. Rücktritt von einem Teile des Vertrags...........................................................310

76. Fahrzeughalter eines Kraftwagens.

Inbetriebsetzung ohne Wissen und

Schadensersatz und Schadenstragungspflicht im

Willen des Halter-.

Verhältnisse mehrerer am Unfall auch als Verletzte beteiligter Halter

Eignes Verschulden

und Wagenführer.

77. Unlauterer Wettbewerb.

........................................................... 312

Gewährung von Sonderrabatt. Legitimation

zur Unterlassungsklage...............................................................................................321 78. Patentfähigkeit

mustern.

eines

zur Erzeugung

Verfahrens

von

Geschmacks­

Bewermng der ästhetischen Wirkung............................................... 328

79. Kann Priorität eine- erteilten Patentes nach

dem Zeitpunkte einer

früheren erfolglosen Patentanmeldung beansprucht werden? ....

80. Gesellschaft m. b. H.

Inwieweit sind

Lieferungsverpflichtungen

330

der

Gesellschafter in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen?..............................332

83. Überleitung der rheinischen ehelichen Gütergemeinschaft in die Fahrnis­

gemeinschaft ältere

nach

Bürgerlichem Gesetzbuche.

vom Manne

begründete

Hastet

die

Gemeinschaftsschulen?

noch jetzt der Gemeinschaft entsagen?

Frau

für

Kann

sie

Wie gestaltet sich die Haftung

der Erben der Frau?................................................................................................345 84. Eintragung von Findelkindern in das Standesregister.

„Neugeborene

Kinder".............................................................................................................................357 85. Teilaufrechnung gegen eine Hypothekenforderung.............................. 86. Beurteilung des Rückkaufgeschäfts

Pfandleihgeschäft

.

359

nach den Vorschriften über das

.........................................

361

Seite

Nr.

87. Kann ein abgeschlossenes richterliche- Protokoll über Errichtung einer

öffentlichen Urkunde dadurch wirksam werden, daß die unterbliebene

Feststellung der Vorlesung,

Genehmigung und eigenhändigen Unter­

schrift nachträglich vom Richter zur Urschrift beurkundet wird?.

88. Gute Sitten.

.

.

866

Verzicht des Gläubiger- auf seine Forderung, um

den Schuldner dadurch zur Nichtverweigerung seines Zeugniffes zu

bestimmen.............................

90. Börsentermingeschäste

ländischen Börsen.

in

371 nicht

zugelaffenen Wertpapieren an

aus­

Spieleinwand ..........................................................................351

93. Urheberrecht des Künstlers an einem Freskogemälde im Falle von Übermalungen, die der Eigentümer daran vornehmen läßt . . . *. 95. Börsentermingeschäft.

96. Verein-recht.

Rückforderung einer geleisteten Vorprämie .

.

397 406

Kann die vom Vorstände verweigerte Anerkennung der

Wahl eines Mitgliedes in ein Bereinsorgan durch Klage gegen den Verein erzwungen werden?...................................................................................409

97. Kann Herabsetzung einer Versicherungsrente verlangt werden, weil die völlige Erwerbsunfähigkeit zum Teil auf anderen Ur­

fortdauernde

sachen, als auf dem Unfälle beruhe? 98. Gute Sitten.

.

...................................................... 412

Unlauterer Wettbewerb (Kognakstaschen-Ausstattung)

99. Auslegung des Gründungsvertrags einer Gesellschaft m. b. H.

415

.

Heran­

ziehung privatschristlicher Urkunden.......................................................................418

101. Beschränkung eines Patents in Ausübung von HoheitSrechten.

Natur

solcher Beschränkungen. Zulässigkeit des Rechtsweg- für Entschädigungs­ ansprüche

......................................................................................................................427

102. Teilweise Nichtigkeit, wenn mehrere gleichzeitig abgeschlossene und be­ sonder- beurkundete Geschäfte zusammen ein einheitliches Ganze bilden.

Beweislast............................................................................................................

.

434

b. Landesrecht. 10. Preußisches Recht. stücks.

Streitigkeiten über Mißbrauch eines Rezeßgrund­

Recht-weg...................................

16. Preußische- Recht.

46

Klagerecht de- Gläubigers gegen den Hinterleger

auf Auszahlungsbewilligung............................................................................. 17. GrundstückSveräußerungSverträge nach hessischem Recht

.....

74 78

Nr.

Seite

Unter welchen Umständen ist die Gemeinde ver­

81. Preußische- Recht.

pflichtet, nach Freilegung des von der Fluchtlinie getroffenen Gebäude­

teils da- ganze Gebäude zu übernehmen?.................................................. 337 89. Grundgerechtigkeit nach preuß. Recht.

Duldung und anteilige Unter­

375

haltung eines EntwäfferungSkanalS.......................................

92. Preußische- Recht.

Hypothek auf dem Anteil eines Miterben am

Anspruch deS Gläubiger- auf den BersteigerungS-

Nachlaßgrundstück.

erlös?......................................................................................................................392 Windmühlen.

94. Preußisches Recht.

Windes.

Schutz

gegen

Entziehung

des

Verlust des Schutze- durch stillschweigende Einwilligung

.

402

II. öffentliche- Recht. 1. RuhegehaltSansprüche der Geistlichen einer ausländischen, der Landes­

kirche angeschlossenen

7. Preußischer Stempel.

evangelischen Gemeinde.

Gesetzliche

Zulässigkeit des Rechtsweg-

....

deutschen

Vertretung der Landeskirche.

1

Allgemeiner Vertragsstempel....................................34

9. Reichsstempel, wenn eine Aktiengesellschaft das Vermögen einer andern

als Ganzes erworben hat und Auflassung der Grundstücke erwirkt

.

43

11. Unfallversicherung. Zugehörigkeit eines landwirtschaftlichen Tagelöhners zum Betrieb eine- Dreschunternehmers............................................................... 51

13. Stempelsteuer.

Schankerlaubnis.

Gewerbebetrieb......................................... 61

14. Schadensersatzanspruch der Anlieger gegen den StaatsfiskuS wegen Auf­ stauung eines Fluffes (Oder)?...........................................................................64

19. Sind preußische Feldmesser Beamte?................................................................85

23. Reichsstempel für Einzahlungen auf Kuxe.................................................. 108 29. Ruhen der Militärrente neben der Zivilpension.............................................133

30. Preuß. Stempel zum ausländischen Gesellschastsvertrage bei Errichtung einer Zweigniederlassung im Jnlande..............................................................137

Zahlung mit Vorbehalt........................................................ 140

31. Reichsstempel.

Erlaubniserteilung zum Schankbetrieb an die Teil­

32. Preuß. Stempel.

haber einer offenen Handelsgesellschaft............................................

143

43. Reichsstempel für Quittungen. Deren Begriff. Umgehung des Scheck­ stempels?

.

.

.

.............................................

191

Rr. 45. Vergleich über Zuschüsse zu den Volksschulkosten.

Seite Zulässigkeit des

Rechtswegs................................................................................................................ 197 50. Reichsstempel. Ausschreibung von Zubußen....................................................219

59. Militäranwärter.

Dienst in der Landgendarmerie.

Berechnung des

Witwengeldes nach dem Kommunalbeamtengesetze......................................255

60. Preußischer Stempel.

Vermietung zu gewerblichen oder beruflichen

Zwecken......................................................................................................................261 Verurteilung zur Hinterlegung der Entschädi­

64. Enteignungsverfahren.

gungssumme, obgleich Zahlung gefordert war.............................................275

71. Enteignungsentschädigung.

Berücksichtigung

des

individuellen,

für

einen bestimmten Kauflustigen in Betracht kommenden Kaufwerts des

Grundstücks............................................................................................................296 72 Preußischer Stempel.

82. Wechselstempel.

Musikwerke................................................................... 800

Reiseschecks...............................................................................842

86. Pfandleihgewerbe undRückkaufsgeschäfte.......................................................... 861

100. Preußischer berechnung. pflichtigen

Beanstandung

Stempel.

von

Wertangaben.

Wert­

Erhöhung des Stempels auf Beschwerde deS Steuer­ ................................................................................................................ 424

HL Gerichtliches Verfahren. 5. Einlegung der Berufung durch den Gemeinschuldner, nachdem ihm der

Konkursverwalter den eingeklagten Anspruch freigegeben hat 12. Feststellungsinteresse.

...

27

Schadensermittelung.....................................................55

15. Übergang vom Mahnverfahren zum Wechselprozesse....................................69 18. Streitverkündung.

Wirkung im Nachprozesse.

34. Zum Begriffe der revisiblen Rechtsnorm.

Revisionsbegründung

81

Dienstanweisung des preuß.

Kriegsministers für die Remontedepot-Administrationen............................ 154 37. Urteilswirkung gegen dm Rechtsnachfolger des unterlegenen Beklagten nach Vorschriften des bürgerlichen Rechts........................................................165

45. Zustellung von Anwalt zu Anwalt................................................................... 197

51. Nicht zu ersetzender Nachteil im Sinne von ZPO. § 719 Abs. 2 .

53. Umfang der Rechtskraft.

Auslegung des früheren Urteils

.

223

....

230

Sette

Nr.

56. Pfändung dem Gläubiger selbst

gehörender,

im Gewahrsam des

Schuldners befindlicher Sachen...................................................................... 241 64. Verurteilung zur Hinterlegung, obgleich Zahlung gefordert war .

.

275

91. Klagänderung, wenn die Klage auf Nr. 1 und später auf Nr. 2 § 30 KO. gestützt ist?........................................................................................................390

Sachregister......................................................................................................................... 440 Gesetzesregister

................................................................................................................... 449

Zusammenstellung nach derZeitfolge .. ......................................................................... 460

Zusammenstellung nach Oberlandesgerichtsbezirken. ................................................. 467 Berichtigungen................................................................................................................... 468

1. 1. Gesetzliche Vertretung der evangelischen Landeskirche in RechtSstreitigkeiteu über Ansprüche ans Ruhegehalt. 2. Zulässigkeit deS Rechtsweg- gegen Entscheidungen de- Evangelischeu Oberkircheurat» wegen solcher Ansprüche. 3. Rechtliche Stellung der Geistlichen einer der Landeskirche angeschlosseueu deutschen evangelischen Gemeinde im Auslande. Preuß. Ruhegehaltsordnung für die Geistlichen der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen vom 26. Mai 1909 § 9 (KG. u. VOBl. S. 87). Allerh. BO. vom 26. Mai 1909 (das. S. 69). StaatSges., bett. daS Ruhegehalt der emeritierten Geistlichen, vom 15. März 1880 Art. 4 Abs. 2 (GS. S. 216) u. vom 26. Mai 1909 Art. 9. Abs. 3 (GS. S. 113). Ges. v. 24. Mai 1861 §§ 1. 2. 5 (GS. S. 241). Kirchenges., bett, die mit der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen in Verbindung stehenden deutschen Kirchengemeinden außer­ halb Deutschlands, vom 7. Mai 1900 §§ 8,11,17 (KG. u. VOBl. S. 27). Kirchenges.» bett, die Dienstvergehen der Kirchenbeamten usw., vom 16. Juli 1886 §§ 6,11, 17, 46—48 (KG. u. VOBl. S. 81). Kirchenges., bett. daS Ruhegehalt der emeritierten Geistlichen, vom 26. Januar 1880 (KG. u. VOBl. S. 87). III. Zivilsenat. Urt. v. 15. Dezember 1911 i. S. Evangel. Landes­ kirche (Bekl.) w. L. (Kl.). Rep. III. 58/11. I. IL

Landgericht I Berlin.

Kammergericht daselbst.

Der Kläger war durch Berufungsurkunde de- Evangelischen Oberkirchenrats zu Berlin im Jahre 1902 als Pfarrer auf die PfarrEntsch. in Zivils. N. F. 29 (79). 1

stelle der deutschen evangelischen Kirchengemeinde zu Salonik (Türkei) berufen worden. In der Urkunde war ihm zugesichert, sofern er nach

sechsjähriger untadelhafter Amtsverwaltung in Salonik in das Vater­ land zurückzukehren verlange, ihm zu der Verleihung einer evan­ gelischen Pfarrstelle im Jnlande nach Kräften gern förderlich und behilflich zu sein. Anderseits wurde vorbehalten, ihn aus Gründen seiner Gesundheit oder anderen zwingenden Ursachen, nötigenfalls auch früher von Salonik wieder abzuberufen.

Auf seinen Antrag

wurde ihm der Zutritt zum PensionSfondS der evangelischen Landes­ kirche vom 1. Oktober 1902 ab gestattet, und der von ihm zu ent­

richtende Pfarrbeitrag festgesetzt.

Bis zum 1. Mai 1908 hatte er die

ihm übertragene Pfarrstelle inne.

Schon vorher hatten Verhand­

lungen darüber stattgefunden, daß er die Pfarrstelle in Salonik auf­

geben solle. Auf eine Anfrage des Oberkirchenrats, ob er eine Stelle im inländischen Kirchendienst annehmen wolle, antwortete er am 28. April 1908, er stelle sich zum 1. Mai zur Verfügung. Da eine geeignete Pfarrstelle nicht frei geworden war, verfügte der Ober­ kirchenrat durch Erlaß vom 7. Mai 1908, daß der Kläger vom 1. Mai 1908 ab vorübergehend in den Ruhestand versetzt werde, und daß sich der JahreSbetrag der ihm aus dem PensionSfondS der evan­

gelischen Landeskirche bewilligten Ruhegehalts auf 1800 Jl belaufe.

Unter dem 17. Juli 1908 wurde dem Kläger vom Oberkirchenrate mitgeteilt, daß er für die zum 1. August 1908 frei werdende Pfarr­

stelle in G. in Aussicht genommen fei. Er bat darauf am 26. Juli 1908, feine Versetzung in den dauernden Ruhestand zu veranlassen, da sich seine Gesundheit bettächtlich verschlechtert habe. Der Oberkirchenrat lehnte am 11. August 1908 den Antrag ab, weil

er den Kläger nicht für dienstunfähig erachtete, und setzte ihm eine Frist von 8 Tagen, nach deren Ablauf angenommen werde, daß er

auf die weitere Verwendung im Dienste der Landeskirche verzichte und daß sein Verhältnis zum landeskirchlichen PensionSfondS erlösche. Da der Kläger die Annahme des ihm durch das Konsulat zu­ gegangenen Schreibens verweigerte, wiederholte der Oberkirchenrat am 25. August 1908 seine Aufforderung und setzte eine Ausschluß­

frist bi- zum 7. September 1908. Durch Erlaß vom 9. Oktober 1908

eröffnete er dem Kläger, daß die vorübergehende Versetzung in den Ruhestand mit Wirkung vom 1. September 1908 ab aufgehoben und

1. Pension deutscher evangelischer Geistlichen im AuSlande.

3

von demselben Zeitpunkt an sein Verhältnis zum landeskirchlichen

Pensionsfonds unter Aufhebung seiner Rechte erloschen sei, da eine Erklärung auf die Verfügungen vom 11. und 25. August von ihm

bisher nicht eingegangen sei, und Dienstunfähigkeit bei ihm nicht vorliege. Der Kläger hält da- Verfahren des Oberkirchenrats, sein Aus­ scheiden aus dem Dienste der evangelischm Landeskirche durch Setzung

einer Ausschlußfrist herbeizuführen, für ungesetzlich und behauptet, daß er zur Ausübung eines Pfarramts dauernd unfähig sei. DaS Landgericht verurteilte die Beklagte, an den Kläger das 1. September 1908 gezahlte vorläufige Ruhegehalt über diesen Zeitpunkt hinaus weiter zu zahlen. Die Berufung der

ihm bis zum

Beklagten wurde mit einer hier nicht in Betracht kommenden Maß­

gabe zurückgewiesen. Die Revision gewiesen aus folgenden

der Beklagten

wurde zurück­

Gründen: „I. Die gesetzliche Vertretung der evangelischen Landeskirche steht in Beziehung auf den hier allein streitigen Anspruch auf Ruhegehalt

dem Evangelischen Oberkirchenrate zu, da diesem die Verwaltung

und Vertretung des im Eigentum der Landeskirche verbleibenden Pensionsfonds der evangelischen Landeskirche obliegt (vgl. § 9 der

Ruhegehaltsordnung vom 26. Mai 1909, Allerh. VO. v. 26. Mai 1909

und Staatsgesetz vom 26. Mai 1909).

II. Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist von der Beklagten schon im ersten RechtSzuge nicht mehr beanstandet worden, aber von Amts

wegen zu prüfen.

Nach Art. 4 Abs. 2 des Ruhegehaltsges. vom

15. März 1880 — Art. 9 Abs. 3 des StaatSges. vom 26. Mai 1909 — findet wegen der Ansprüche auf Ruhegehalt der Rechtsweg gegen die Entscheidungen des Evangelischm OberkirchenratS nur nach Maßgabe des Gesetzes vom 24. Mai 1861 statt. Die Verfolgung des erhobenm Anspruchs im Rechtsweg ist daher nach Maßgabe der §§ 2 flg. dieses

Gesetzes an sich zulässig (§ 1).

Nach § 2 muß die Klage bei Verlust

deS Klagerechts innerhalb sechs Monaten, nachdem dem Beamten die Entscheidung des Verwaltungschefs bekannt gemacht worden ist, an­ gebracht werden.

Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß

die Erlasse des Evangelischen Oberkirchenrat- vom 11. und 25. August

1908 nicht als Entscheidungen im Sinne des § 2 aufgefaßt werden

1*

können, weil sie den Fortfall der Ruhegehalts nur für dm Fall, daß

der Kläger sich binnen einer ihm gesetzten Ausschlußfrist nicht erkläre, also nur bedingt und befristet, in Aussicht stellen.

Erst der Erlaß

vom 9. Oktober 1908 enthält durch Entziehung deS Ruhegehalt- die

den Kläger beschwerende Entscheidung. Die Frist von sechs Monatm lief nach § 2 von Bekanntmachung dieses ErlasieS an den Kläger. Hieran kann der Umstand, daß der Erlaß die Rechte des Klägers mit Wirkung vom 1. September 1908 ab für aufgehoben erklärt,

nicht- ändern, weil der Evangelische Oberkirchenrat nicht befugt war, eine» von der gesetzlichen Bestimmung abweichenden Zeitpunkt für den Beginn der Frist festzusetzen. Die Frist von sechs Monaten ist daher durch die am 20. März 1909 erfolgte Zustellung der Klage gewahrt.

Der Einwand der Revision, daß die maßgebende Entscheidung bereit­ in dem Erlasse vom 7. Mai 1908 zu finden sei, ist unbegründet.

Dieser Erlaß hatte die vorübergehende Versetzung deS Klägers in den Ruhestand und die Bewilligung deS Ruhegehalts zum Inhalt, nicht die Entziehung des Ruhegehalts, gegen welche die Klage sich richtet.

Die Behauptung der Beklagten, daß der Erlaß vom 9. Ok­ tober 1908 einer Nachprüfung im Rechtsweg entzogen fei, ist nicht

zutreffend.

Nach § 5 deS Gesetzes vom 24. Mai 1861 sind die Ent­

scheidungen der Disziplinar- und Verwaltungsbehörden darüber, ob

und von welchem Zeitpunkt ab ein Beamter aus seinem Amte zu ent­

fernen, einstweilen oder definitiv in bett Ruhestand zu versetzen sei, für die Beurteilung der vor den Gerichtm geltend gemachten ver-

mögenSrechtlichen Ansprüche maßgebend. Unter der „Entfernung auS

dem Amt" im § 5 ist lediglich die als

Disziplinarmaßregel von

den Disziplinarbehörden oder ausnahmsweise krast besonderer Be­ stimmung von den Verwaltungsbehörden verhängte Entfernung auS dem Amte zu verstehen.

Eine besondere Bestimmung, kraft deren

der Evangelische Oberkirchenrat zur

Entziehung

deS

Ruhegehalts

berechtigt gewesen wäre, besteht aber nicht und ist namentlich weder

im § 11 noch im § 17 deS Kirchengesetzes vom 7. Mai 1900 ent­ halten.

Nach § 11 kann der Zutritt zum Pensionsfonds der Landes­

kirche den Geistlichen der angeschloffenen Gemeinden von der Kirchen-

behörde gestattet werden, wofern die Entscheidung über die etwaige Pensionierung der Kirchenbehörde überlassen wird. Erlaß vom 7. Mai 1908, durch

den

der

Hiernach ist der

Kläger

nach

vorher-

gegangener Abberufung von seinem Amt in Salonik mit einem Ruhe­ gehalte von 1800 JH vorübergehend in den Ruhestand versetzt wurde, für die Gerichte maßgebend. Bon einer der Kirchenbehörde zustehenden Entscheidung über die Entziehung des Ruhegehalt- ist aber im § 11 keine Rede. Der § 17 des Kirchengesetzes vom 7. Mai 1900 bestimmt nur, daß der Evangelische Oberkirchenrat unter Mitwirkung de- Generalsynodalvorstander bestrgt ist, au- erheblichen Gründen, namentlich bei Mängeln in der Dienstführung der Geistlichen, durch welche da- Interesse der Gemeinde oder der Landeskirche gefährdet wird, de« Geistlichen zm Verwendung in einem- anderen kirchlichen Amte von seiner Stelle abzuberufen oder vorübergehend in den Ruhe­ stand zu versetzen. Auch hier wird die Kirchenbehörde nicht für berechtigt erklärt, den vorübergehend in dm Ruhestand versetzten Geistlichm, der die Übernahme eines anderen ihm angetragenm Kirchenamtes ablehnt, mit Ausschluß des förmlichen Disziplinar­ verfahrens unter Entziehung des Ruhegehalts zu entlassen. Nur die Abberufung des Klägers von seiner Stelle in Salonik und seine vorübergehende Bersetzung in den Ruhestand ist nach § 17 der Nach­ prüfung im Rechtsweg mtzogen. Die Abberufung zur Verwendung in einem anderen kirchlichm Amt ist nach der Begründung zu 8 17 des Entwurfs (KG. u. BOBl. 1897 S. 266) als eine Ergänzung zu 8 8, also als eine Maßnahme im Jnterefle der Aufsicht und Disziplin der Kirchenbehörde gedacht. Für die Behauptung der Be­ klagten, daß nach § 17 die Kirchenbehörde in weiterem Umfang und bezüglich der hier streitigm Fragen von dm Schranken des Disziplinar­ verfahrens befteit sei, bietet weder daS Gesetz nach dessen Begründung dm geringsten Anhalt. in. In der Sache selbst ist die Annahme deS Berufungsgerichts rechtsirrtümlich, daß die Geistlichen der evangelischen Landeskirche den prmßischm StaatSdienem gleichständen, und daß der Geistliche durch seine Ordination in ein dauernde- Verhältnis zur Landeskirche trete, die für ihn zu sorgen habe. Dem Berufungsgericht ist aber im Er­ gebnisse darin beizutreten, daß dem Kläger sein Ruhegehalt nicht durch Verfügung deS Evangelischen Oberkirchenrat- mtzogen werden konnte. Bei dem Mangel einer hierzu berechtigenden besonderen Bestimmung greifen die allgemeinen Grundsätze Platz. Nach 8 8 deS Kirchengesetzes vom 7. Mai 1900 stehen sowohl die Geistlichen

der der Landeskirche angeschlossenen Gemeinden, wie die für ihre Person angeschlossenen Geistlichen unter der Aufsicht und Disziplin der Kirchenbehörde.

DaS Kirchengesetz vom 16. Juli 1886 findet

sinngemäß Anwendung.

Die Gemeinde Salonik ist

eine

an die

Landeskirche angeschlossene deutsche evangelische Gemeinde (vgl. die Zusammenstellung in den Verhandlungen der 4. ordentlichen General­

synode Bd. 4 — 1898 — S. 1102). Nach § 17 des Kirchengesetzes vom 16. Juli 1886 muß der Entfernung aus dem Kirchenamt ein

förmlicher Disziplinarverfahren vorhergehen (vgl. auch § 11); der § 48

des Gesetze- findet keine Anwendung, weil er nur die Entlastung der auf Probe, auf Kündigung oder sonst auf Widerruf angestellten Kirchenbeamten betrifft, und der Kläger zu diesen nicht gehört.

Die Revision macht geltend, daß der Kläger nach seiner Ab­ berufung auS seiner Stellung in Salonik nicht mehr Kirchenbeamter sei, und daß deshalb eine Dienstentlassung auf Grund des Kirchen­

gesetzes vom 16. Juli 1886 nicht in Frage kommen könne. Dieser Einwand ist nicht begründet. Der Kläger wurde durch den Erlaß des Evangelischen OberkirchematS vom 22. Februar 1902 nicht lediglich

zum Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Salonik ernannt und berufen, sondern gleichzeitig in ein Dienstverhältnis zur evangelischen

Landeskirche Preußens gebracht, da der Evangelische Oberkirchenrat ihm einerseits Pflichten bezüglich seines Seelsorgeramts auferlegt,

anderseits ihm die Anerkennung und den Schutz „als eine- Geistlichen der evangelischen Landeskirche- zugesichert und sich vorbehalten hat,

den

Kläger

aus

Gründen seiner Gesundheit

oder

anderen

zwingenden Ursachen auch vor Ablauf von sechs Jahren von Salonik

wieder abzuberufen.

Nach § 17 des Kirchengesetzes vom 7. Mai

1900 ist der Evangelische Oberkirchenrat befugt, den Geistlichen zur

Verwendung in einem anderen kirchlichen Amte von seiner Stelle

abzuberufen

oder

vorübergehend

in den Ruhestand

zu

versetzen.

Hieraus geht hervor, daß der Kläger auch nach seiner Abberufung von der Stelle in Salonik ein dem Evangelischen Oberkirchenrat als seiner vorgesetzten Dienstbehörde unterstellter Beamter der evan­ gelischen Landeskirche und als solcher zur Übernahme eine- ihm an­

getragenen anderen Kirchenamtes verpflichtet ist, wenn er sich nicht

im Falle grundloser Weigerung der Entlassung aus dem Dienst­

verhältnis

und damit

dem

Verluste

seines Ruhegehaltsanspruchs

aussetzen will. Den bei deutschen Kirchengemeinden außerhalb Deutsch­

lands angestellten Geistlichen soll nach btpi Kirchengesetz vom 7. Mai 1900 ein dauerndes Rechtsverhältnis gewährleistet werden, indem ihre Abberufung nicht schlechthin, sondern zur Verwendung in einem

anderen kirchlichen Amte zu geschehen hat und, wenn eine solche Verwendung nicht möglich ist, ihre vorübergehende Versetzung in den

Ruhestand erfolgen soll.

Daraus ergibt sich eine dauernde Stellung

im Dienste der Landeskirche.

Dem Kläger verblieben nach seiner

Abberufung aus der Stelle in Salonik aber auch seine Rechte, die er durch den ihm gestatteten Zutritt zum Pensionsfonds der evan­

gelischen Landeskirche erworben hatte. Durch diesen Zutritt gemäß § 11 des Kirchengesetzes vom 7. Mai 1900 wurde er in Beziehung auf Ruhegehalt den in dem Pfarramt einer Kirchengemeinde in Preußen auf Lebenszeit angestellten Geistlichen gleichstellt (vgl. die Begründung zu §§ 8, 9,10,11 des Entwurfs des Kirchenges. vom 7. Mai 1900, KG. u. VOBl. 1897 S. 261 flg., § 1 des Kirchenges.

vom 26. Januar 1880, KG. u. VOBl. S. 37, 49, 113). Auch die vorübergehende Versetzung des Klägers in den Ruhestand unter Be­ willigung eines Ruhegehalts von 1800 Jl nach § 4 Abs. 2 des Kirchenges. vom 26. Januar 1880 hatte nicht die Aufhebung seines

Dienstverhältnisses zur Landeskirche zur Folge;

denn er war aus

diesem Dienstverhältnisse nicht gleich den endgültig in den Ruhestand versetzten Beamten mit Ruhegehalt ausgeschieden, sondern stand auch

ferner zur Verfügung des Evangelischen Oberkirchenrats zur Ver­ wendung in einem anderen kirchlichen Amt und hat Anspruch auf

Zahlung deS Ruhegehalts bis zur gesetzmäßigen Beendigung des vorübergehenden Ruhestandes.

Da- Rechtsverhältnis ist ähnlich dem

des Staatsbeamten, der in den einstweiligen Ruhestand versetzt ist. Es ist deshalb gerechtfertigt, die in betreff der Staatsbeamten be­

stehende Gesetzgebung und Rechtsprechung zur Auslegung der im § 17 des Kirchenges. vom 7. Mai 1900 vorgesehenen Versetzung in den Ruhestand heranzuziehen (§ 87 Ziff. 2 des Ges., betr. die Dienst­ vergehen usw., vom 21. Juli 1852, Allerh. Erl. vom 14. Juni 1848

und 24. Oktober 1848, Entsch. deS RG.'s in Zivils. Bd. 51 S. 307). Nach der Begründung zu § 17 des Entwurfs zum Gesetz

vom

7. Mai 1900 gründet sich das Recht, die Geistlichen vorübergehend in den Ruhestand zu versetzen, auf die Erfahrung, daß oftmals die

der Gesundheit nachteiligen Wirkungen deS tropischen Klimas nach der Rückkehr in die Heimat fortfallen und daher die Voraussetzungen Die Bestimmung bed § 17

der Pensionierung nicht mehr vorliegen.

soll daher der Unzuträglichkeit entgegentreten, daß ein Geistlicher, der wieder völlig dienstfähig geworden ist, eine Pension im Mindest­ beträge von 1800 Jt bezieht, ohne daß die Möglichkeit bestände, seine Kräfte für den Dienst der Kirche weiterhin in Anspruch zu nehmen.

Nach alledem ist die Auffassung, daß der Kläger als Kirchenbeamter im Dienste der Landeskirche steht, gerechtfertigt. Der Evangelische Oberkirchenrat ist auch selbst in seinem Erlasse vom 11. August 1908 hiervon auSgegangen, indem er erklärt, daß der Kläger, wenn er die ihm gesetzte Frist nicht innehalte oder die Annahme der Pfarrstelle

ablehne, damit auf die weitere Verwendung im Dienste der Landes­

kirche verzichte und au- diesem Dienst, unbeschadet der §§ 46 und 47 deS kirchlichen DisziplinargesetzeS vom 16. Juli 1886, auSscheide.

Ist also der Kläger Kirchenbeamter, so steht der Anwendung deS DisziplinargesetzeS ein Bedenken nicht entgegen. Daß der Geistliche im Falle einer grundlosen Weigerung, da- ihm angetragene Amt

zu übernehmen, sich eines Dienstvergehen- schuldig macht, und daß in solchem Falle auf Dienstentlassung im Disziplinarverfahren er­

kannt werden darf, ist nicht zweifelhaft.

ES genügt ans die ähn­

lichen Bestimmungen in § 6 deS Kirchenges. vom 16. Juli 1886

hinzuweisen.

Die Revision macht zur Rechtfertigung deS von ihr vertretenen

StandpunfteS noch geltend: wäre der Kläger, ohne vorübergehend in de» Ruhestand versetzt zu sein, alsbald zur Übernahme einer anderen Stelle aufgefordert worden, und hätte er sie ausgeschlagen,

dann würde sein Amt erloschen sein, und er würde keinen Anspruch auf Ruhegehalt und überhaupt kein Klagerecht gegen die Landeskirche

gehabt haben; an der Sache könne es aber nichts ändern, wenn der Oberkirchenrat den Kläger vorübergehend in den Ruhestand versetzt

habe.

Diese Ausführung geht fehl.

Aus den oben angegebenen

Gründen ist ersichtlich, daß der Evangelische Oberkirchenrat auch in

dem von der Revision unterstellte» Falle nicht befugt gewesen wäre, den Kläger ohne Disziplinarverfahren zu entlasten.

Im übrigen

gelangt die Revision zu unrichtigen Schlußfolgerungen, well der von ihr unterstellte Fall ander- geartet ist als der vorliegende Fall.

Wenn der Kläger, wie er behauptet und unter Beweis stellt, wegen Abnahme seiner körperlichen Kräfte zur Erfüllung seiner Amtspflichten unfähig ist, so steht ihm auf Grund seine- Zutritts zum PensionSsondS der Landeskirche Ruhegehalt zu, auch wenn er nicht vorübergehend in den Ruhestand versetzt wäre. Der Evangelische Ober­ kirchenrat bleibt aber, solange nicht die dauernde Dienstunfähigkeit auch für dar Inland festgestellt ist, nach § 17 deS Kirchenges. vom 7. Mai 1900 zu seiner Verwendung in einem anderen kirchlichen Amte befugt, wenn die Dienstfähigkeit wiederhergestellt ist. Die Behauptung der Revision, daß die vorübergehende Ver­ setzung deS Klägers in den Ruhestand ihr Ende erreicht habe durch die Ermöglichung einer anderen Anstellung deS Klägers, durch Ein­ tritt deS bestimmten Endtermins, durch rechtswidrige Vereitelung deS Eintritts der gesetzten Bedingung, ist nach den obigen Ausführungen unbegründet. Ob die Angabm deS Klägers über seinen Gesundheits­ zustand der Wahrheit entsprechen, ist für den vorliegenden Rechts­ streit unerheblich und im Disziplinarverfahren festzustellen."

1. Verpflichtung deS GegenvormundeS zur Aufsicht über die sichere Anlegung des Mündelvermögens. 2. Haftung der Hinterlegungsstelle wegen der ohne Genehmigung des GegenvormundeS oder des BormnndschaftSgerichtS erfolgten Herausgabe der Juhaberpapiere des Mündels au den Vormund. BGB. 88 1799, 1812, 1814, 1819.

2.

IIL Zivilsenat. Urt v. 5. Januar 1912 LS. A. (Kl.), G. u. Stadt­ gemeinde B. (Nebeninterv.) w. R. (Bekl.). Rep.III. 62/11. I. IL

Landgericht Breslau. Oberlandesgericht daselbst.

Die Mutter der Kläger, Frau R., verwitwet gewesene A., war in bett Jahren 1903 bis 1905 ihre Vormünderin. Sie hatte einen Teil deS Mündelvermögens, nämlich prozentige Schlesische Pfand-

briefe im Nennwerte von 31000 am 26. Oktober 1903 bei der Städtischen Bank in B. hinterlegt und dabei zwar angegeben, daß die Hinterlegung für die A.'sche Bormundschaftssache erfolge. Auf der von ihr unterzeichneten Hinterlegungserklärung befand sich jedoch der von einem Beamten der städtischen Bank herrührende Vermerk: „Nach der mit den R.'schen Eheleuten gepflogenen Verhandlung ist obige BormundschastSsache eine befreite und die Niederlegung der Wertpapiere eine reine Privatsache." Die von der Städtischen Bank ausgestellte Niederlegungsbescheinigung enthielt das Anerkenntnis der Bank, daß sie von der Frau R. für die A.'fche BormundschastSsache die innen verzeichneten Wertpapiere unter den auf der Rückseite diese- Scheine- abgedruckten Bedingungen zur Aufbewahrung er­ halten habe, und den Vermerk, daß die Herausgabe der hinterlegten Wertpapiere an die Hinterlegerin erfolgen solle. Auf der Rückseite waren die Bedingungen für die Niederlegung von Wertpapieren be­ hufs Aufbewahrung und Verwaltung bei der Städtischen Bank zu B. abgedruckt. Im Februar 1905 wurde Dr. G., ein Better der Vormünderin, zum Gegenvormund der Kläger bestellt. Die Vor­ münderin hob die hinterlegten Pfandbriefe in der Zeit vom 30. Mai 1904 bis 27. Oktober 1905 bei der Städtischen Bank ab, und zwar die letzten Stücke am 20. Juni 1905 und 27. Oktober 1905 im Nenn­ werte von je 5000 Jt\ sie verkaufte die Wertpapiere und gab den Erlös ihrem Ehemann als Darlehen. Ihre Angabe, daß die Vor­ mundschaft eine befreite sei, war unwahr. Die Kläger konnten nur einen Teil ihrer Forderung beitreiben und gerieten mit dem Betrage von 26168,63 JH in Verlust. Sie verlangen Ersatz dieser Betrages nebst 4°/0 Zinsen seit dem 1. Januar 1906 von dem Beklagten, der damals , als Vormundschaftsrichter beim Amtsgericht in B. seine Aufsichtspflicht fahrlässig verletzt habe. Das Landgericht und das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab, weil dem Beklagten eine Fahrlässigkeit nicht zur Last falle, das Reichsgericht hob jedoch das Urteil des Berufungsgerichts auf und sprach aus, daß der Beklagte bett Klägern für den durch Abhebung der Pfandbriefe entstandenen Schaden haste, aber — da ihm nur Fahrlässigkeit zur Last falle —, nur dann» wenn die Kläger nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermöchten. Das Berufungs­ gericht hat nach anderweiter Verhandlung die Berufung auf Grund

der

Annahme

daß

zurückgewiesen,

der

Gegenvormund

und

die

seien. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger, der Nebenintervenienten Städtische Bank den Klägern

ersatzpflichtig

Dr. G. und der den Klägern in der Revisionsinstanz als Neben­

intervenientin beigetretenen Stadtgemeinde B. Die Revisionen würben zurückgewiesen.

Aus den Gründen:

„ 1. Die dem Gegenvormund obliegende Aufsicht über die Ver­ mögensverwaltung des VormnndeS umfaßt die Verpflichtung, daß er sich möglichst bald nach seiner Bestellung über das vorhandene

Mündelvermögen und über die sichere Anlegung der dazu gehörigen

Die Behauptung der Revision, daß die Verzögernng bis zum 16. Juni 1905 bedeutungslos gewesen Wertpapiere Kenntnis verschafft.

sei, ist unzutreffend. Wenn auch in der Zeit vom 27. Februar bis zum 20. Juni 1905 von dem Depot nichts abgehoben wurde, so würde der Gegenvormund doch, wenn er in diesem Zeitraume der

Sache nachgegangen wäre, die am 20. Juni und 27. Oktober 1905 erfolgten Abhebungen verhütet haben. Die von der Revision her­ vorgehobenen Umstände, die den Mangel einer Verschuldens des

GegenvormundeS dartun sollen, sind in dem angefochtenen Urteile

gewürdigt worden.

Daß das Berufungsgericht die von dem Gegen­

vormunde behauptete Zusicherung des Beklagten, seinerseits die Sache

aufzuklären und dem Gegenvormnnde schriftlichen Bescheid zu geben, Durch eine solche Zu­

nicht besonders erwähnt hat, ist unerheblich.

sicherung wurde der Gegenvormund seiner Verpflichtung, sich selbst Gewißheit zu verschaffen, nicht überhoben. Wie wenig sachdienlich die vom BorumndschastSrichter, dem Beklagten, an die Vormünderin

gerichteten vielfachen Ersuchen um Einsendung deS Hinterlegungs­

scheins waren, hat der Erfolg gezeigt.

Der Gegenvormund mußte,

wie das Berufungsgericht mit Recht sagt, nachdem seine Zweifel in

betreff der Sperrung des Depots durch die am 16. Juni 1905 statt­ gehabte Unterredung mit dem Beklagtm nicht beseitigt waren, nun­ mehr

auf

unverzügliche

Einsichtnahme

in

die

Niederlegungs­

bescheinigung bedacht sein. ... DaS Berufungsgericht hat mit Recht

angenommen, daß der von dem jetzigen Vormund und Gegen­ vormunde der Kläger erklärte Verzicht auf Rückgriffsansprüche gegen

den stüheren Gegenvormund Dr. G. dem Beklagten gegenüber ohne

Bedeutung ist, da dessen Haftung nicht durch Handlungen der Kläger oder ihrer gesetzlichen Vertreter über den

ursprünglichen Umfang

hinaus erweitert werden kann.

Unrichtig ist die Behauptung der Revision, daß eS nach § 889 Abs. 1 Satz 2 BGB. für die Frage,

ob der Verletzte nicht aus andere Weise Ersatz zu erlangen vermag,

auf die Zeit deS Urteils in dem Rechtsstreite gegen beit Beamten ankomme.

Maßgebend ist vielmehr der Zeitpunkt, in dem der Ver­

letzte von dem Eintritte des Schadens Kenntnis erlangt hat (Urteil des

Reichsgerichts

vom

1. Februar 1904

bei Gruchot,

Bd. 48

S. 929 flg., 983).

2. Das Berufungsgericht hat sodann angenommen, daß die Städtische Bank in B. den Klägern hastet, soweit nicht in dem von den Klägern gegen sie geführten Borprozesse der dort geltend ge­ machte Teilanspruch von 5000 JK, rechtskräftig abgewiesen worden ist. Auf Grund deS Inhalts der RiederlegungSbescheinigung und deS Niederlegungsantrags stellt eS ohne Rechtsirrtum fest, daß die Vor­ münderin den Verwahrungsvertrag im Namm der Mündel mit der

Bank geschloffen hat.

ES führt sodann weiter a«S: habe somit die

Forderung auf Rückgabe der hinterlegtm Pfandbriefe den Klägern

zugestandm, so habe die Herausgabe der Pfandbriefe an die Vor­ münderin, wenn sie die Befteiung der Städtischen Bank von ihrer vertraglichm Verpflichtung gegenüber dm Klägern zur Folge haben

sollte, der Genehmigung deS Gegenvormundes oder deS Vormund­

schaftsgerichts bedurft (§ 1812 BGB.). Hieran ändere der Umstand nichts, daß die Hinterlegung der Pfandbriefe bei der Städtischm

Bank nicht gemäß § 1814 BGB. mit der Bestimmung geschehen sei, daß die Herausgabe nur mit Gmehmigung des BormnndschastSgerichtS verlangt werden könne; denn durch die §§ 1814, 1819 werde § 1812

hinsichtlich der zum Mündelvermögen gehörenden Jnhaberpapier nicht

schlechthin außer Anwmdung gesetzt, sondern der dm Forderungen und Wertpapieren deS Mündels schon durch § 1812 gewährte Schutz

gegen Verfügungen des Vormundes werde bei Jnhaberpapieren dahin erweitert, daß eS, wmn sie mit der im § 1814 bezeichneten Be­ stimmung hinterlegt seien, ausnahmsweise zur Verfügung über daS Wertpapier oder die Forderung gegen die Hinterlegungsstelle, statt

der Genehmigung deS GegenvormundeS, derjenigm deS Vormund-

schaftSgerichtS bedürfe.

Die Städtische Bank sei zu der Herausgabe

der Pfandbriefe an die Vormünderin auch nicht auf Grund einer bei

der Hinterlegung getroffenen besonderen Abrede berechtigt gewesen. Denn wenn man eine solche in dem Vermerk auf dem Niederlegungs­ antrag in Verbindung mit § 3 der Niederlegungsbedingungen finden

wollte, so sei fie doch den Klägern gegenüber unwirksam, weil sie nach § 1812 BGB. der Genehmigung des Gegenvormundes oder

deS Vormundschaftsgerichts bedurft hätte, an der eS unstreitig fehle.

Die Städtische Bank könne daher jetzt noch, soweit nicht die rechts­ kräftige Entscheidung des früheren Prozesses entgegenstehe, aus dem Verwahrungsvertrag in Anspruch genommen werden.

Hieran ändere

sich auch dadurch nichts, daß der Vertreter der Bank bei Abschluß

deS Verwahrungsvertrag- auf die Angabe der Fra« R.» sie fei be­

freite Vormünderin, vertraut habe.

In jedem Falle habe eS die Bank

zu vertreten, daß sie die Frau R. als befreite Vormünderin be­ handelt habe, ohne einen urkundlichen Nachweis hierüber zu verlangen. WaS die Kläger von der Städtischen Bank verlangen könnten, betrage

noch immer so viel, daß es unter Hinzurechnung des von dem Neben­ intervenienten Dr. G. zu leistenden Ersatzes die eingrklagte Forderung

erreiche. Die von

der Revision der Kläger

und

der

beiden Neben­

intervenienten hiergegen erhobenen Einwendungen sind nicht begründet.

Unzutreffend ist zunächst der Einwand» daß die Städtische Bank zur Herausgabe der Pfandbriefe an die Vormünderin als Hinterlegerin berechtigt gewesen sei, weil nach dem Inhalte der NiederlegungS« bescheinigung die Herausgabe der hinterlegten Wertpapiere an die

Hinterlegerin erfolgen sollte.

Die Bestimmung deS § 1812 BGB.,

wonach der Vormund über ein Wertpapier deS Mündels nur mit Genehmigung des Gegenvormundes verfügen kann, sofern nicht nach

den 88 1819—1822 die Genehmigung des Bormundschaftsgerichts

erforderlich ist, macht im Falle der Zuwiderhandlung nicht nur den

Vormund verantwortlich, sondern auch den Dritten, der da- von ihm in Verwahrung genommene Wertpapier

dem Vormund

ohne die

erforderliche Genehmigung herausgibt. Der 81812 enthält zwingendes

Recht und konnte durch eine Vereinbarung der Vormünderin mit der

Bank, daß die Herausgabe an die Hinterlegerin erfolgen solle, nicht adgeändert werden; er beschränkt im Interesse der Sicherheit des

Mündels gegen Veruntreuungen die Bertretungsmacht des Vormundes

bei Vornahme der bezeichneten Rechtsgeschäfte Dritten gegenüber, indem er sie von der Genehmigung deS GegenvormundeS oder des

Vormundschaftsgerichts oder des MitvormundeS (§ 1812 Abs. 2, 3 Die Revision führt sodann aus: ein Ver­ schulden der Bank liege nicht vor; nach § 1852 könne der Vormund

BGB.) abhängig macht.

von den Beschränkungen des § 1812 befreit werden; eine Befteiung

gelte als angeordnet, wenn die Bestellung eines GegenvormundeS

ausgeschlossen ist;

neben der Mutter der Kläger

sei damals ein

Gegenvormund nicht bestellt gewesen; sie habe sich im Besitze der

Wertpapiere befunden und habe bei der Hinterlegung dem die Wert«

Papiere in Empfang nehmenden Beamten der Bank erklärt, daß sie befreite Vormünderin und daß die Niederlegung der Wertpapiere eine reine Privatsache sei; die Bank habe infolgedesien den in ihren NiederlegungSbedingungen vorgesehenen Sperrvermerk in ihren Empfangsschein nicht ausgenommen. Diese Ausführungen sind un­ erheblich. Die Städtische Bank mußte davon auSgehen, daß die Vormundschaft keine befreite sei, da dies der Regel entspricht, und sie mußte sich, wie daS Berufungsgericht mit Recht annimmt, die von der Vormünderin behauptete Befreiung urkundlich nachweisen lassen.

Hätte sie, wenn nicht schon bei Empfangnahme der Pfandbriefe, so doch wenigstens vor deren Aushändigung an die Vormünderin ur­

kundlichen Nachweis gefordert, so würde sie erfahren haben, daß die

von der Vormünderin behauptete Befreiung der Vormundschaft der

Wahrheit

nicht

entsprach.

DaS

Verschulden

der

Beamten

der

Städtischen Bank besteht darin, daß sie unter Außerachtlassung der

im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Erklärung der Vormünderin vertraut und sich über die gesetzlichen Vorschriften hinweggesetzt haben. Von der hierdurch begründeten Schadensersatzpflicht wird die Bank auch dadurch nicht frei, daß, wie die Revision geltend macht» ihr Verfahren in der Folgezeit nicht beanstandet worden ist.

Die Einwendungen, welche die Revision der Städtischen Bank

im Anschluß an den § 1814 BGB. erhebt, sind für die Entscheidung der Sache nicht von Bedeutung.

Denn die Tatsache, daß die Vor­

münderin die ihren Mündeln gehörenden Pfandbriefe nicht mit der

Bestimmung hinterlegt hat,

daß deren Herausgabe nur mit Ge­

nehmigung des BormundschaftSgerichlS verlangt werden könne, hat lediglich die Folge, daß diese besondere Bestimmung deS § 1814 BGB.

bei dem Mangel ihrer Voraussetzung keine Anwendung findet.

Es

verbleibt aber bei der Anwendung der allgemeinen Vorschrift des § 1812 BGB., wonach zur Herausgabe der Pfandbriefe die Ge­

nehmigung des Gegenvormundes und, so lange ein solcher nicht bestellt

war, die Genehmigung des VormundschaftSgerichts erforderlich war. Hierzu kommt folgendes: Die Städtische Bank in B. gehört zu den

Hinterlegungsstellen, die auf Grund des — gemäß Art. 144—146 des EinfGes. z. BGB. erlassenen — Art. 85 des AusfGes. z. BGB. für die Fälle der §§ 1082, 1392, 1667, 1814, 1818, 2116 durch

den gemeinschaftlichen Erlaß vom 17. Dezember 1899 (IMBl. 1899 S. 805) bestimmt worden sind.

Für die Auswahl dieser Anstalten

als Hinterlegungsstellen war der Gesichtspunkt maßgebend, daß sie

nach ihrer Verfassung und der Sicherheit, die sie bieten, für den

Zweck geeignet sind, und daß die von ihnen aufgestellten Hinter­ legungsbedingungen die Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften ihren Beamten zur Pflicht machen, sei es, daß dies von vornherein der Fall ist, oder daß eS unter der Einwirkung der Staatsbehörden ge­ schieht, wenn sie zu Hinterlegungsstellen bestimmt werden (vgl. Begr. zum

Entw.

eines

Ausführungsgesetzes,

Verhandlungen

deS

Ab­

geordnetenhauses S. 182 zu Art. 83 des Entw.). Die „Bedingungen für die Niederlegung von Wertpapieren behufs Aufbewahrung und Verwaltung

bei

der

Städtischen

Bank

zu

B."

bestimmen

nun

im § 4: „Erfolgt die Niederlegung der Wertpapiere in einer Vormundschafts- oder Pflegschaftssache (§§ 1814, 1818 BGB. oder zu­

gunsten eines Dritten, insbesondere in den Fällen des Art. 85

preuß. AusfGes. z. BGB. und der § 1082 BGB. (Nießbrauch)

§ 1392 (Vermögen der Ehefrau), § 1667 (Kindesvermögen), § 2116 (Erbschaft), so werden die eingehenden Zins« und Dividendenbeträge

dem Vormunde oder nießbrauchberechtigten Dritten auf sein Ver­ langen auSgezahlt. Dagegen kann über die Wertpapiere selbst oder über Beträge, die a«S Kapitalszahlungen herrühren, nur mit

schriftlicher

Genehmigung deS Bormundschaftsgerichts

oder

des

Eigentümers oder deS Nacherben, und zwar nur unter Vorlegung

der Niederlegungsbescheinigung und nach verfügt werden.

Diese Sperrung

legungsbescheinigung vermerkt."

erfolgter Legitimation

wird auf

der Nieder­

Nach dieser Bestimmung deS § 4 konnte die Vormünderin nur mit schriftlicher Genehmigung deS Vormundschaftsgerichts die Heraus­

gabe der Wertpapiere verlangen,

und die Angestellten der Bank

durften sie ohne solche Genehmigung nicht Herausgeber».

Denn der

§ 4 schreibt die- ganz allgemein vor und fordert nicht, daß die Hinterlegung mit der Bestimmung geschehen sein müßte, daß die

Herausgabe nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ver. langt werden könne. Der § 4 enthält gegenüber dem § 3, wonach die Legitimation dessen, der unter Vorweisung der NiederlegungSbescheinigung die Wertpapiere abhebt, nicht geprüft zu werden braucht, die speziellere Bestimmung und somit eine Ausnahme vom § 3.

Der

Schlußsatz des § 4 hat nicht die Bedeutung, daß, wenn die Sperrung

nicht auf der Niederlegungsbescheinigung vermerkt wird, die Bank von ihrer Verpflichtung frei werde, sondern hat nur den Zweck die

Sperrung kenntlich zu machen und dadurch Versehen, die sonst im

Geschäftsverkehr leicht vorkommen könnten, zu verhüten. Den in dem Schlußsätze vorgesehenen Vermerk vorzunehmen, ist Sache der Beamten der Bank.

Diese Verpflichtung lag ihnen auch im vor­

liegenden Falle ob, da die Erklärung der Vormünderin, daß die Vormundschaft eine befreite sei, bei dem Mangel eines Nachweises nicht zu beachten war.

Mit Unrecht beruft sich die Revision auf die

in dem Urteile des erkennenden Senats vom 15. Februar 1910 ent­

haltene Erwägung, daß der Sperrvermerk von der Bank für erforder­

lich erachtet werde» um die VersügungSbeschränkung des Vormundes kenntlich zu machen, und daß eine mit dem Sperrvermerke nicht ver­

sehene Hinterlegungsbescheinigung

eine Sicherheit

Abhebung der Wertpapiere nicht gewähre.

gegen

unbefugte

Jenes Urteil betrifft nur

die Haftung des verklagten BormundschaftSrichters und findet ein Verschulden desselben darin, daß er die vorerwähnte Erwägung nicht

angestellt hat.

Das Verschulden und die Haftung der Städtischen

Bank war damals vom Berufungsgerichte noch gar nicht erörtert worden."...

3. 1. Unter welchen Umständen ist in dem Beschluß eine- ärzt­ lichen StandeSvereinS, wodurch seinen Mitgliedern der berufliche Verkehr mit einem dem Vereine nicht angehörigen Arzte verboten wird, ein Verstoß wider die gnten Sitten zu erblicken? 2. Ist die Uuerlaubtheit einer gegen die guten Sitten ver­ stoßenden Handlung ausgeschlossen, weil der Täter überzeugt gewesen ist, rechtmäßig zur Wahrung erlaubter Interessen zu handeln? BGB. 8 826. VI. Zivilsenat. Urt. v. 8. Februar 1912 i.S. Dr. M. (Kl.) w. Ärztl. BezirkSverein F. (Bell.). Rep. VI. 234/11. I. II.

Landgericht Frankental. Oberlandesgericht Zweibrücken.

Der Kläger wurde im Jahre 1906 von dem praktischen Arzte Dr. K. in L., der vor Jahren von dem verklagten Vereine vom be­ ruflichen Verkehr ausgeschlossen worden war, als Assistent aus­ genommen «nd ließ sich später mit Zustimmung der Dr. K. alpraktischer Arzt in L. selbständig nieder. Nach § 18 der Satzungen de- verklagten Verein- ist mit einem au- dem Verein ausgeschlossenen Arzte jeder kollegiale Verkehr, da- ist insbesondere der Verkehr zu Konsultation-» und Operation-zwecken, zu meiden, dringende Fälle ausgenommen. In gleicher Weise soll gegen außerhalb de- VereinStehende verfahren werden, sofern ihr Verhalten die- notwendig er­ scheinen läßt. Nachdem der Vorsitzende de- Verein- im Januar 1908 dem Kläger, der kein Verein-mitglied war, eröffnet hatte, daß er sich durch den Verkehr mit Dr. K. denselben Folgen auSsetze wie Dr. K., wurde nach längerem Briefwechsel zwischen den Parteien durch Beschluß der Mitgliederversammlung de- Verein- vom 6. Juni 1909 den Mitgliedern der kollegiale Verkehr mit dem Kläger ver­ boten, solange er den Verkehr mit Dr. K. nicht aufgebe. Ferner teilte der Verein Ende 1909 den Fakultäten Heidelberg nnd Straß­ burg, bett Krankenhäusern Mannheim und WormS, den staat­ lichen Bahn-, Post- und Forstkrankenkassen die Liste der durch ihn vom kollegialen Verkehr ausgeschlossenen Ärzte mit. Die beiden Vordergerichte haben die Klage de- Kläger- auf Enisch. in Zivils. 91. F. 29 (79). 2

Aushebung des Verkehrsverbots abgewiesen.

Das Berufungsurteil

ist aufgehoben und die Sache zurückoerwiesen worden aus folgenden

Gründen:

„Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, mußte durch das von dem verklagten Verein an seine Mitglieder in bindender

Weise erlassene Verbot, mit dem Kläger, von dringenden Fällen ab­

gesehen, beruflich zu verkehren, sowie durch die Bekanntgabe des Verbot- an die oben bezeichneten Krankenkaffen, Krankenhäuser und

Fakultäten dem Kläger die förderliche Ausübung seines Berufs er­

schwert und sein Erwerb fühlbar beeinträchtigt werden.

Der Aus­

schluß vom beruflichen Verkehr enthält weiter die Erklärung, daß

der Ausgeschloffene nicht mehr würdig sei, als gleichgeachteter Standesgenösse angesehen zu werden. Das Verkehr-verbot mußte daher über den Kreis der Ärzte hinaus da- persönliche Ansehen de- Klägers und

damit

zugleich

seinen

Erwerb

gefährden.

Natürlich konnte

nicht unbemerkt bleiben, daß die Berufsgenossen de- Klägers ein Zusammenarbeiten mit ihm ablehnten, und diese Tatsache war für

alle diejenigen, welchen die Einzelheiten der in Frage kommenden Vorgänge nicht bekannt wurden, geeignet, bett Glauben zu erwecken,

daß er sich eines Verhaltens schuldig gemacht habe, das ihn des beruflichen Verkehr- mit seinen Berufsgenossen unwürdig erscheinen

lasse.

In ähnlicher Weise mußten die Mitteilungen an die genannten

Stellen wirken, zumal darin keine Angaben über die Umstände ent­ halten waren, die zu dem Ausschlüsse der Kläger- vom beruflichen Verkehre geführt hatten.

Einwandfrei hat das Berufungsgericht fest­

gestellt, daß der Kläger auch Schaden in seinem Erwerb erlitten hat,

und daß ihm der verklagte Verein vorsätzlich, um ihn zum Abbruch der Beziehungen zu Dr. K. zu bestimmen, den Schaden zugefügt, mindestens

das Bewußtsein des schädlichen Erfolges seiner Maßnahme gehabt hat.

Hiermit hat sich freilich der Beklagte noch keine Gerichtsbarkeit

und Strafgewalt im eigentlichen Sinne über den Kläger angemaßt, wie die Revision meint. Er hat lediglich seinen Mitgliedern untersagt, mit dem Kläger beruflich zu verkehren. Mag dieses Verbot von dem Kläger als Übel empfunden werden, so war eS doch keine Strafe im Sinne der Satzungen der Beklagten. Das von der Revision angezogene

Urteil des Reichsgerichts, Jur. Wochenschr. 1905 S. 315, paßt des­ halb nicht hierher.

3.

Ausschluß eines Arztes vom beruflichen Verkehr.

Gute Sitten.

19

Es soll nun keineswegs verkannt werden, daß ein ärztlicher Verein, der, wie der Beklagte, nach seinen Satzungen und der ihm

durch die staatliche Anerkennung zugewiesenen Stellung Hüter der ärztlichen Standesehre sein und die Interessen dieses Standes inner­ halb seines Bezirks wahren soll, auch berechtigt sein muß, zur Er­ füllung seiner Aufgabe gegen einen Arzt, mag er Vereinsmitglied

sein oder nicht, strenge, seine ärztliche Betätigung schädigende Maß­ regeln zu ergreifen und wenn nötig in der Öffentlichkeit deutlich

von ihm abzurücken.

Aber gerade diese dem Beklagten eigene Auf­

gabe und Stellung und die Macht, die ihm vermöge der Zahl seiner Mitglieder, der Stärke seiner Organisation und des Rückhalt- an dem (sog. Leipziger) Verbände deutscher Ärzte gegenüber dem einzelnen

Ärzte zu Gebote steht, legt ihm die Pflicht auf, bei dem Vorgehen gegen einen solchen besonnen und maßvoll zu verfahren und unter

billiger Berücksichtigung der berechtigten Interessen de- Betroffenen jede Maßnahme zu vermeiden, die der Ausübung seines der gemeinen

Wohlfahrt dienenden Beruf- in durch die gegebene Sachlage nicht

unbedingt

gebotener

Weise

Schranken

auferlegt oder Hindernisse

bereitet. Vgl. Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 66 S. 143 flg. und Bd. 68

S. 186 flg. Bon diesem Standpunkt

aus kann nach dem,

was bisher

fest­

gestellt ist, das Vorgehen des Beklagten gegen den Kläger nicht als

gerechtfertigt oder auch nur als sittlich erlaubt oder erträglich er­

achtet werden. Schon die Anschauung des Beklagten, die sich durch die seinem Beschlusse vorau-gegangenen schriftlichen

Verhandlungen

mit dem

Kläger hindurchzieht, daß sich der Kläger, der kein Mitglied war, bezüglich des Verkehrs mit Dr. K. den Vereinssatzungen und dem

Vereinswillen zu unterwerfen und des eigenen Befindens darüber zu begeben habe, war unberechtigt.

Der Beklagte durfte dem Kläger

nicht ansinnen, sich damit zu begnügen, daß der Verein „schwer­

wiegende Gründe" habe, von ihm die Aufgabe des Verkehrs mit Dr. K. zu verlangen, ohne daß ihm diese Gründe angegeben wurden. Weder aus freien Stücken noch auf die Bitte des Klägers um Über­

lassung des gegen Dr. K. vorliegenden Materials hat sie ihm der Beklagte mitgeteilt.

Der Beklagte hat auch nicht behauptet, daß der 2*

Kläger auf anderem ihm zugänglichen Wege eine verlässige Dar­

stellung des AusschlusieS K.'S, der über 15 Jahre zurückliegen soll, zur Gewinnung eines selbständigen Urteils hätte erlangen können. Ohne die Vorstellungen des Klägers zu beachten, daß er dem Dr. K.

wegen der von ihm erhaltenen Förderung Dank schulde und nicht verräterisch gegen ihn handeln dürfe, daß der Beklagte ihn nicht

alsbald nach Antritt der Assistentenstelle von dem AuSschlusie deS Dr. K. unterrichtet habe, daß Kläger nunmehr seit einem Jahre

selbständig sei, sich eine Existenz geschaffen habe und im Begriffe stehe, einen Hausstand zu gründen, hat der Beklagte den Kläger vor die Wahl gestellt, den Verkehr mit Dr. K. aufzugeben oder L. zu verlassen, und sodann, als der Kläger sich dem nicht fügte, den Verruf über ihn beschlossen.

Wohl stand eS jedem BereinSmitgliede frei, den

Verkehr mit dem Kläger zu meiden, weil dieser sich von Dr. K. nicht

trennte. Daraus folgt aber keineswegs, daß der Verein seinen Mit­ gliedern unter dem Zwange satzungsmäßiger Ungehorsamsfolge eine solche Meidung zur Pflicht machen, noch weniger, daß er eS unter­ nehmen durfte, dem Kläger die Praxis und den beruflichen Verkehr

durch die erwähnte Mitteilung an außerhalb des Vereins stehende Stellen zu unterbinden. Ein derart schwerer Eingriff in die gesell­

schaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse deS Klägers war nur

zulässig, wenn das über ihn verhängte BerkehrSverbot in der Tat auf triftigen Gründen beruhte. Die Untersuchung, ob dies der Fall war, hat das Berufungs­

gericht aus folgenden Erwägungen unterlassen.

Nach der unwider­

legten Angabe deS Beklagten habe Dr. K. sein bei Abtretung seiner

L.'er Praxis gegebenes Ehrenwort gebrochen, nach L. nicht zurück­ zukehren und dort keine Praxis mehr auSzuüben.

Dies rechtfertige,

daß Dr. K. vom beruflichen Verkehr ausgeschlossen wurde.

Die

Isolierung deS Dr. K. sei nur durchführbar, wenn auch vereinsfremde Ärzte, die das Verkehrsverbot nicht beobachteten» ausgeschlossen würden. DaS Ziel der Beklagten fei also nicht sittenwidrig gewesen.

DaS

Mittel deS Verkehrsverbots stehe auch in keinem Mißverhältnisse zu

dem verfolgten Zweck und zu der Verfehlung deS Klägers.

Dieser

habe erkennen müssen» daß Dr. K. von seinen Kollegen gemieden wnrde, und, wenn er sich dem Verfemten trotzdem anschloß, auf die

eigene Gefahr gehandelt, daß ihn daS gleiche Schicksal treffe.

3.

Ausschluß eines Arztes vom beruflichen Verkehr.

Gute Sitten.

21

Hier ist nicht zu entscheiden, ob der dauernde Ausschluß des Dr. Ä. berechtigt ist oder nicht, und er mag davon ausgegangen

werden, daß das Ziel des Beklagten, den Ausschluß des Dr. K. zu sichern, nicht unstatthaft war.

Dagegen kann dem Berufungsgerichte

darin nicht beigetreten werden, daß nach dem, was vorliegt, die Verruf-erklärung gegen den Kläger mit den einschneidenden Folgen,

die für ihn schon eingetreten und künftig zu besorgen sind, in einem gerechten Verhältnisse zu seiner angeblichen Verfehlung und zu dem Zwecke des Beklagten steht.

Wie das Berufungsgericht feststellt, hat der Kläger selbst keine ehrenrührige oder standeSunwürdige Handlung begangen. Es nimmt

sogar an, daß ihm unter den obwaltenden Umständen der Verkehr mit Dr, K. kaum als Verletzung der StandeSehre angerechnet werden könne. AuS der Einschränkung des BerkehrSverbotS auf die Dauer des Verkehrs des Klägers mit Dr. K. ergibt sich ohne weiteres, daß ihm auch der Beklagte, außer der Aufrechterhaltung dieser Be­ ziehungen, nichts vorzuwerfen weiß. Nun sind gewiß Fälle denkbar, wo schon der gesellschaftliche oder berufliche Verkehr eines Arztes mit einem Berufsgenossen von bemakelter Vergangenheit oder an­

rüchiger Lebensführung

oder Berufsbetätigung

die Standeswürde

verletzt und ein Einschreiten der Standervertretung erfordert.

Dem

Dr. K. wird zur Last gelegt, daß er unter Bruch seiner Ehrenworts

nach L. zurückgekehrt sei und dort seine Praxis wieder ausgenommen

habe.

Der Kläger hat bestritten, daß Dr. K. sich gegen die Standes­

ehre vergangen habe. Nach dem Erörterten stellt sich die Aus­ stoßung und Schädigung des Kläger- zunächst als rechtswidrig und

unerlaubt dar.

Der Beklagte hat den Gegenbeweis zu führen, daß

die Maßnahme von guten Gründen getragen und sittlich zulässig

gewesen sei.

Hiernach wird da- Berufungsgericht festzustellen haben,

wann, au- welchem Anlaß und wem gegenüber Dr. K. fein Ehren­ wort gegeben, wann und unter welche» Verhältnissen er nach L. zurückgekehrt ist.

Für die Würdigung de- Verhalten- des Dr. K.

könnte in Frage kommen, ob, worauf da- Vorbringen des Beklagten

die Vermutung lenkt, die damalige Abnahme der Ehrenworts rechtlich oder sittlich unanfechtbar war (vgl. Entsch. des RG.'S in Zivils.

Bd. 68 S. 231). Sodann sollen die Vorgänge, die den Ausschluß der Dr. K. im Gefolge gehabt haben, ein halbe- Menschenalter zurück-

Er wird festzustellm sein, ob Dr. K. auch später zur Be­

liegen.

mängelung seine- beruflichen oder gesellschaftlichen Auftreten- Anlaß gegeben oder sein Vergehen durch untadelhafte Führung gut zu machen

gesucht hat, auch welcher persönliche Ansehen er zu L. in der seinem

Stande entsprechenden Gesellschaftsklasse genoß,

deren Urteil dem

Kläger als ein gewisser Maßstab hat dienen können. Würde die erneute Verhandlung ergeben, daß der Verkehr der

Kläger-

mit Dr. K. keine Verletzung

der Stande-ehre oder

der

Standeswürde bildet, so müßte die Verruf-erklärung gegen den Kläger als sittlich unerlaubt befundm werden.

Sie würde der innern Be­

rechtigung entbehren und nur als unstatthafter Ausfluß eines Macht­

gefühls gelten können, da- den Beklagten zu beherrschen scheint, und da- er auch BereinSfremden gegenüber, denen er seinen Willen auf­

zwingen will, zum Ausdrucke zu bringen sucht. Daß der Beklagte, wenn er nicht zu Mitteln wie die Verrufserklärung greift, den strengen Ausschluß deS Dr. K. nicht durchführen kann, gibt ihm für sich allein noch nicht die Befugnis, frembe Existenzen durch gesell­ schaftliche Ächtung und wirtschaftliche Schädigung auf- Spiel zu

setzen. Jetzt schon ist an dem Verfahren de- Beklagten zu beanstanden,

nicht nur, worauf schon hingewiesen wurde, daß er den staatlichen Kassen,

bett

genannten Krankenhäusern

und Fakultäten von dem

Verrüfe deS Kläger- ohne Beifügung der Gründe Kenntnis gegeben

Nach dem Beschlusse deS Vereins war der Kläger nur so lange von dem be­ hat, sondern vor allem die Fassung der Bekanntgabe.

rufliche» Verkehr ausgeschlossen, als er den Verkehr mit Dr. K. nicht

aufgab. In der Bekanntmachung des BerkehrSverbotS ist diese be­ deutsame Einschränkung, die den Leser sofort erkennen ließe, daß an dem Kläger persönlich kein Makel haste, weggelassm und der Kläger

dm drei andern Ausgeschlossenen gleichgestellt worden. wird

markt.

Dr. K.

vom

Beklagten

als

Von diesen

Ehrenwortbrüchiger

gebrand-

Bon dem zweiten, Dr. T., hat der Kläger behauptet, daß er

zu zehn Monaten Gefängnis

verurteilt wordm sei.

dritte beschuldigt wird, ist nicht ersichtlich.

Westen der

Vermutlich ist er eben­

falls wegen Verletzung der StandeSehre ausgeschloffen worden.

Die

unterscheidung-lose Gleichstellung mit den Dreim enthält eine empfind­

liche Ehrenkränkung für den Kläger und

verstärtt den Eindruck,

3.

Ausschluß eines Arztes vom beruflichen Verkehr.

Gute Sitten.

23

als sei die Behandlung, die seine Angelegenheit erfahren hat, nicht

allein von der gebotenen leidenschaftslosen Gerechtigkeit eingegeben ....

... Da- Berufungsgericht hält die Mitteilung des Verkehrs­ verb otS an die auswärtigen Krankenhäuser und Fakultäten für sitten­ widrig, gesteht aber dem Beklagten zu, daß er deS guten Glaubens gewesen sei, in Wahrung berechtigter Jntereffen zu handeln, und

vertritt die Ansicht, daß dieser gute Glaube die Sittenwidrigkeit einer Handlung ausschließe, m. a. W. daß der Borwurf der sittlichen Ver­ werflichkeit einer Handlung unverttäglich sei mit der ehrlichen Über­

zeugung deS Täters, rechtmäßig in Verfolgung eines erlaubten Inter­ esses zu handeln. Diese Ansicht, die geeignet ist, die künftige Entscheidung deS

Berufungsgerichts über das ganze Vorgehen des Beklagten gegen den Kläger zu beeinflussen, ist rechtsirrig. Zur Erfüllung des Tat­ bestandes deS § 826 BGB. ist nur ein objektiver Verstoß gegen die guten Sitten erforderlich. In der Verblendung eine- hefttgen Kampfer,

vornehmlich auf wirtschaftlichem Gebiete, wird häufig derjenige, welcher

seine Macht in rücksichtsloser Weise, wie sie dem AnstandSgefühle billig denkender Menschen widerstrebt, zur Niederringung deS Gegner­ gebraucht, nicht einsehen, daß seine Ziele oder seine Mittel anstößig

sind, sondern überzeugt sein, nur sein berechtigte- Interesse auf er­

laubtem Wege zu wahren. Der Zweck deS § 826, solchen Kampfes­ auswüchsen entgegenzutreten, soweit sie für ein gedeihliche- Zusammen­ leben der Menschen nicht erträglich sind, würde nicht erreicht werden

können, wenn dem Täter das Bewußtsein von der Sittenwidrigkeit

seines Tun- innewohnen müßte.

Daß dieser Bewußtsein nicht zu

den Merkmalen deS § 826 gehört, verkennt auch da- Berufungs­ gericht an sich nicht.

ES glaubt jedoch anscheinend, seine Auffassnng

auS den Urteilen des Reichsgerichts Entsch. in Zivils. Bd. 71 S. 112,

Warneyer 1909 Nr. 506 und auS Anm. 2 RGRKomm. zu § 826 herleiten zu dürfen.

Die bezogene Stelle in diesem Kommentare mag

zu Mißverständnissen Anlaß bieten.

AuS dem Zusammenhalt mit

den vorausgehenden und nachfolgenden Sätzen erhellt jedoch, daß kein Recht-satz im Sinne des Berufungsgericht- ausgesprochen werden

sollte. In den beiden Fällen, die den angeführten Urteilen zu Grunde läget», beruhte die Überzeugung de- Täters von der Erlaubt-

heit der streitigen Maßnahmen auf einem tatsächlichen Irrtum,

und er Wird gesagt, daß eine sittlich verwerfliche Handlung bei einem Verhalten nicht vorliege, das einer irrtümlichen gutgläubigen An­

nahme entspringe.

Davon kann hier nicht wohl gesprochen werden.

EntstehungSursache, Bedmtung und Wirkung deS Verrufs waren dem Beklagten in jeder Richtung bekannt. Nur so viel ist zuzugeben, daß

es nach der besondern Gestaltung einer Einzelfalles auf die Gesinnung deS Täters, also auf das subjektive Verhalten ankommen kann. Von dieser Art ist aber nach dem, was bisher frstgestellt ist, der vor­ liegende Fall nicht."...

4.

Wird die Aufechtungsfrist deS § 41 KO. durch eine Eventual­

aufrechnung im Prozesse gewahrt?

III. Zivilsenat.

Urt. v. 16. Februar 1912 i. S. E. Ehefrau (Kl.

u. Widerbekl.) w. E. & Co. Konk. (Bell. u. Widerkl.). Rep. III. 32/11. I.

n.

Landgericht Weimar. OberlandeSgericht Jena.

Aus den Gründen: „Am 19. März 1909 wurde über das Vermögen der Kommandit­ gesellschaft E. & Co. in A. das Konkursverfahren eröffnet. Die Klägerin, Ehefrau des persönlich haftenden Gesellschafters M. E. und

Kommandttistin der Gesellschaft, war als Prokuraträgerin tätig ge­ wesen und meldete eine Gehaltsforderung von 2187,50 jä ... als bevorrechtigte Konkursforderung an. Später ... erhob sie Fest-

stellungsklage nach § 146 KO. gegen den widersprechenden Konkurs­

verwalter.

Dieser bestritt, daß die Klägerin gegen Gehalt angestellt

gewesen sei, machte geltend, ihr sei der Erlös aus den Abfällen der

Fabrikation, so seien ihr in der Zeit vom 15. April 1908 bis zur Konkurs­ eröffnung allein 5981,00

von der Firma Gebr. E. gezahlte Gelder,

überlassen worden, focht diese Zuwendung als unentgeltliche Verfügung

nach § 32 KO. an und machte den darauf gestützten Rückgewähr­ anspruch zunächst unter Vorbehalt der Widerklage in der mündlichen

Verhandlung vom 20. Januar 1910 in der Höhe der Klageforderung durch eventuelle Aufrechnung, später in der mündlichen Verhandlung

vom 28. April 1910 in voller Höhe durch Widerklage geltend.

Die

erste Instanz erklärte die Auftechnung für unzulässig und gab sowohl

der Klage al- der Widerklage in vollem Umfange statt Berufung der Klägerin

Auf die

die Anschlußberufung deS Beklagten

und

wurde die Klage abgewiesen und die Verurteilung zur Widerklage

nur teilweise aufrecht erhalten. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die völlige Abweisung der Widerklage und die Wiederherstellung deS

ersten Urteil- bezüglich der Klage. Soweit eS sich um die Klage handelt, ist die Entscheidung de(Wird näher ausgeführt.) „Dagegen wird die Entscheidung über die Widerklage von der

Berufungsgericht- nicht zu beanstanden.* Revision mit Recht angegriffen.

Den Gegenstand der Widerklage

bildet der au- der Anfechtung einer unentgeltlichen Verfügung nach §§ 32, 37 KO. abgeleitete Rückgewähranspruch. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 KO. kann die Anfechtung nur binnen Jahresfrist seit der

Eröffnung deS Konkursverfahrens erfolgen.

In welcher Weise da-

AnfechtungSrecht au-geübt werden muß, ob insbesondere eine außer» gerichtliche Erklärung genügt oder ob gerichtliche Geltendmachung

erforderlich ist, damit die Frist gewahrt wird, ist bestritten.

Da-

Reich-gericht hat die Frage wiederholt erörtert und in mehreren

Urteilen, so z. B. der VII. Senat in den Entsch. in Zivils. Bd. 58 S. 44, der II. Senat ebenda Bd. 62 S. 199 und in diesem Punkte

zustimmend der V. Senat ebenda Bd. 52 S. 334 für die Anfechtung

außerhalb de- Konkurse-, auch für da- seit dem 1. Januar 1900 geltende Recht ausgesprochen, daß zur Fristwahrung gerichtliche Geltendmachung erforderlich ist.

Gerichtlich geltend gemacht ist da-

Anfechtungsrecht aber nur dann, wenn e- im Prozeß in einer Art

und Weife verwertet wird, die nach dem Willen des Anfechtenden dazu bestimmt ist, den au- der anfechtbaren Handlung abgeleiteten Rückgewähranspruch

zu

verwirklichen.

Die Geltendmachung

muß

daher erfolgen durch Klage (Widerklage) oder durch Einrede (Gegen­ einrede). Vgl. auch Jäger, KO. § 41 Anm. 6 und § 29 Anm. 59flg.

3./4. Aust. Zur Wahmng der Frist genügte daher nicht, daß der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 1910, also noch innerhalb der Frist, erklärte, daß er die Zuwendung nach § 32

KO. anfechte; ebensowenig war von Belang, daß er fich die Erhebung einer Widerklage vorbehielt.

Die Widerklage selbst aber wurde erst

in der mündlichen Verhandlung vom 28. April 1910, also nach Ab­

lauf der Frist, erhoben.

Fraglich könnte nur sein, ob nicht die Frist für die Geltend­ machung deS Rückgewähranspruchs dadurch gewahrt ist,

daß der

Beklagte den Anspruch in der mündlichen Verhandlung vom 20. Ja­ nuar 1910, also noch innerhalb der Frist, gegenüber der bestrittenen

Klageforderung eventuell zur Aufrechnung stellte.

DaS Berufungs­

gericht hat dies für dm Umfang der Eventualaufrechnung, also in Höhe der Klagefordemng angenommen und unter Hinweis auf die

Analogie der für die Verjährung in § 209 Abf. 2 Nr. 3 BGB. ge­ troffenen Bestimmung ausgeführt, die Wirksamkeit der Anfechtung

werde weder dadurch beeinträchtigt, daß die Aufrechnung nur eventuell

erklärt worden sei, noch dadurch, daß der Beklagte im Prozesse nach

Ablauf der Frist von der Aufrechnungseinrede zur Widerklage, von der Verteidigung zum Angriff übergegangen sei. ES kann dahin­ gestellt bleiben, ob und inwieweit letztere- zutreffend ist; in der Be­ urteilung der Eventualaufrechnung ist dem Berufungsgerichte jedenfalls nicht beizutreten.

Die gerichtliche Geltendmachung

deS Anfechtungsrechtes kann

auch im Wege der Aufrechnung geschehen; denn auch sie ist dazu

bestimmt, den aus der anfechtbaren Handlung abgeleiteten Rück­ gewähranspruch zu verwirklichen. Der Beklagte hat aber hier die

Ausrechnung nicht schlechtweg erklärt, sondern die Klageforderung an und für sich bestritten und nur eventuell aufrechnen zu wollen erklärt. Diese Erklärung ist dahin zu verstehe«, daß der Beklagte die Aufrechnung überhaupt nur für den Fall der Entscheidung deS

Gerichts unterbreiten, sie nur für den Fall zum Prozeßstoffe machen wollte, daß die Klageforderung wider Erwarten vom Gericht als begründet erachtet werden sollte.

In diesem Sinne war die Auf­

rechnungserklärung zwar trotz § 388 BGB. zulässig.

Vgl. Planck, BGB. § 390 Bem. 4b und 5; v. Standinger, BGB. § 388 Attm. 2; Senffert, ZPO. § 300 Anm. 2, Stein, ZPO. § 300 II. C 2; Jäger, KO. § 53 Anm. 1. Sie hatte aber, wie jede andere Eventualerklärung im Prozesse, für diesen nur dann Wirksamkeit, wenn der vorausgesetzte Eventualfall

eintrat; denn nur für diesen Fall war sie nach dem eigenen Willen

des Anfechtenden abgegeben.

Vgl. Stein, ZPO. vor § 128 V. 9.

Nur für diesen Fall war daher auch die Aufrechnung gerichtlich geltend gemacht und zur Wahrung der Frist des §41 KO. geeignet.

Dieser Fall ist aber nicht eingetreten.

Die Klage ist vom Gerichte

nicht als begründet erachtet, sondern als unbegründet abgewiesen

worden.

Durch die Eventualaufrechnung ist also auch die Frist des

§ 41 KO. nicht gewahrt worden. An diesem aus dem Erfordernisse

der gerichtlichm Geltend­

machung und der Bedeutung von Eventualerklärungen im Prozesse

folgenden Ergebnisse kann auch der Hinweis auf § 209 Abs. 2 Nr. 3 BGB. nichts ändern.

Die Novelle vom 17. Mai 1898 hat die

Verjährungsfrist des früheren § 34 KO. im Anschluß an § 124 BGB.

absichtlich durch eine Ausschlußfrist ersetzt «nd dadurch, daß sie auf

den Lauf der Frist einzelne für die Verjährung geltende Vorschriften für entsprechend anwendbar erklärt hat, zum Ausdrucke gebracht, daß

im übrigen eine entsprechende Anwendung der für die Verjährung geltenden Vorschriften nicht stattfinden soll. AuS der Analogie des tz 209 Abs. 2 Nr. 8 BGG., die sich allerdings gerade auf die Eventual­ aufrechnung im Prozesse bezieht (vgl. Planck, BGB. 8 209 Bem. 2a und v. Staudinger, BGB. § 209 Anm. 8 zu Nr. 3), läßt sich daher

nichts für die hier streitige Frage ableiten, ob die vom Beklagten abgegebene Eventualerklärung genügt, um die Frist des § 41 KO.

zu wahren. Die Versäumung der für die Geltendmachung des Anfechtungs­

rechte- gesetzten AuSschlußstist hatte den Untergang des Anfechtungs­ rechtes zur Folge. Die Widerklage ist daher unbegründet. Dem­ gemäß ist daS Berufungsurteil, soweit dadurch die Klägerin auf die

Widerklage verurteilt worden ist, aufzuheben «nd auf die Berufung der Klägerin das Urteil der ersten Instanz dahin abzuändern, daß der Beklagte mit der Widerklage im vollem Umfange abgewiesen

wird." . . .

5. Kaun in einem vom Konkursverwalter aufgenommenen Aktiv­ prozesse der Gemeiuschuldner selbst gegen das Urteil der ersten Instanz rechtswirksam Berufung einlegen, wenn ihm der Konkurs­ verwalter erklärt hat, daß er ihm deu Anspruch freigibt? KO. §§ 6, 114. ZPO. § 265.

VIL Zivilsenat. Urt. v. 1. März 1912 i. S. B. (Kl.) w. Sch. (Bell).

Rep. VII. 423/11. I. II.

Landgericht Hamburg. Oberlandesgericht daselbst.

Mit der Klage wurde Verurteilung deS Beklagten zur Zahlung von 10000 JH, nebst Zinsen an den Kläger begehrt. Im Laufe der ersten Instanz wurde über das Vermögen des Klägers der Konkurs

eröffnet. Das hierdurch unterbrochene Verfahren wurde vom Konkurs­ verwalter ausgenommen. Dem Anträge des Beklagten entsprechend

wie- daS Landgericht die Klage ab. Bor Ablauf der Berufungs­ frist richtete der Konkursverwalter durch Schreiben vom 19. Juli 1910 an die Rechtsanwälte A. und E. 3., die den Gemeinschuldner und auch den Konkursverwalter in der ersten Instanz als Prozeßbevoll-

mächtigte vertreten hatten, die Erklärung, daß er den Anspruch dem Gemeinschuldner freigebe. Darauf legte der Gemeinschuldner rechtzeitig Berufung gegen die landgerichtliche Entscheidung ein.

Das Auf die Revision deS Klägers ist dieses Urteil aufgehoben und die Sache an Oberlandesgericht verwarf die Berufung als unzulässig.

das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden.

Gründe: „Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß dem Konkursverwalter, nachdem er einmal das durch die Konkurseröffnung unterbrochene Verfahren aufgenommen hatte, nicht daS Recht

zugestanden habe,

ohne Zustimmung des Beklagten aus dem Prozesse wieder auSzu-

scheiden und deffen Fortfühmng dem Gemeinschuldner zu überlassen. Gegen daS landgerichtliche Urteil hätte deshalb nur der Konkurs­

verwalter Berufung einlegen können. Da er daS nicht getan habe sei das Urteil mit Ablauf der Berufungsfrist rechtskräftig geworden. Diese Auffassung

beruht auf einer Verkennung

der Rechts-

Wirkung, die die an den Gemeinschuldner gerichtete Freigabeerklärung

deS Konkursverwalters mit sich brachte. Von der sachlichen Wirkung dieser Erklärung kann die Befugnis zur Prozeßführung nicht un­ berührt bleiben. Das Prozeßführungsrecht und die Prozeßführungs-

pflicht deS Konkursverwalters haben ihre Grundlage in dem ihm durch daS Gesetz (§ 6 KO.) übertragenen Verwaltung-- und Berfügungsrechte an dem zur Konkursmasse gehörigen Vermögen des

Gemeinschuldners. Dieses Vermögen bleibt auch in der Konkursmasse

Vermögen des Gemeinschuldners, und eS bedurfte deshalb einer beson­ deren gesetzlichen Bestimmung, um die Verwaltung und die Verfügung dem Gemeinschuldner zu entziehen (§ 6 Abs. 1) und dem Verwalter zu

verleihen (§ 6 Abs. 2).

Auf Vermögen deS Gemeinschuldners, das

nicht in die Konkursmasse fällt, findet diese Bestimmung, wie der Wortlaut deS Gesetzes klar ergibt, keine Anwendung; insoweit hat

also nach wie vor der Konkurseröffnung der Gemeinschuldner selbst daS BerwaltungS- und Verfügungsrecht und damit auch die Partei­ rolle im Prozesse.

Voraussetzung

Die Zugehörigkeit zur Konkursmasse bildet die

und

die

Grenze

für

die Befugnis

des Konkurs­

verwalters. Darauf beruht eS, daß in dem Augenblicke, wo durch Be­ endigung des Konkurses die Konkursmasse als solche und damit die Zu­

gehörigkeit deS Vermögens zu ihr zn bestehen aufhört, die Befugnisse deS Verwalters erlöschen und der Gemeinschuldner Irast seine- nun­ mehr wieder freigewordenen BerwaltungS- und BerfügungSrechtS ohne

weiteres als Partei in anhängige Prozeffe eintritt. Vgl. Entfch. des RT.'S in Zivils. Bd. 52 S. 334 und Bd.73 S.314. Auf AuSnahmefälle, in denen die ProzeßführnngSbefugniS deS Ver­

walters auch nach Beendigung deS Konkurses fortdauert, weil eS sich um eine NachverteilungSmasie handelt, braucht hier nicht eingegangen zu werden.

Daß der Konkursverwalter nach seinem pflichtmäßigen Ermeffen befugt ist, einzelne an sich zur Konkursmasse gehörige Vermögens­ stücke davon auszuscheiden und dem. Gemeinschuldner durch eine an

ihn gerichtete Erklärung freizugeben, ist nicht zu bezweifeln und in

§ 114 KO. vorausgesetzt.

Mit der Freigabeerklärung hört in dem

Zeitpunkte, wo sie dem Gemeinschuldner zugeht, die Zugehörigkeit zur

Konkursmasse auf.

Der rechtliche Zustand, der durch die Beendigung

der Konkurses für daS ganze in die Konkursmasse gefallene Vermögen deS Gemeinschuldners eintreten würde,

erklärung Auffassung

wird durch die Freigabe-

für den freigegebenen Gegenstand herbeigeführt.

hat

auch im Gesetze

Diese

erkennbaren Ausdruck gefunden.

Denn wie nach Eintragung des KonkurSvermerkS in das Grundbuch (§ 113 KO.) auch die Beendigung der Konkurses durch Aufhebung oder

durch Einstellung einzutragen ist (§§ 116, 163, 190, 205), so ist daS

gleiche durch die schon erwähnte Bestimmung des § 114 auch für den Fall der Freigabe deS betreffenden Grundstücks aus der Konkurs­

masse vorgesehen.

Die Beendigung deS Konkurses im ganzen kann

freilich nur durch eine Entscheidung des Gerichts erfolgen, während die Freigabe eines einzelnen Gegenstandes, wie erwähnt, dem Ver­ walter zusteht.

Hierdurch wird aber nichts daran geändert, daß die

Freigabe in Ansehung der freigegebenen Gegenstandes die Bedeutung

und Wirkung der Konkursbeendigung hat. Hieraus folgt, daß in einem bezüglich dieses Gegenstandes anhängigen Prozesse der Gemein­

schuldner mit der Freigabe ebenso ohne weiteres an die Stelle des Verwalters als Partei eintritt, wie es geschehen würde, wenn der Konkurs im ganzen beendet würde. Nach § 265 ZPO. hat die Veräußerung der in Streit be­ fangenen Sache oder die Abtretung des geltend gemachten Anspruchs

auf den Prozeß keinen Einfluß, und der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozeß als Haupt­

partei an Stelle des Rechtsvorgängers zu übernehmen.

Für eine

auch nur entsprechende Anwendung dieser Vorschrift bietet der vor­

liegende Fall keinen Raum.

Durch die Freigabeerklärung hat der

Konkursverwalter nicht, wie das Berufungsgericht annimmt, sein Ver-

waltungS- und BerfügnngSrecht bezüglich des fteigegebenen Anspruchs

auf den Gemeinschuldner übertragen, sodaß dieser insoweit im Sinne

des § 265 als Rechtsnachfolger des Konkursverwalters zu gelten hätte.

Der Gemeinschuldner macht durch die Fortsetzung des Pro-

zesies sein Forderungsrecht geltend, das nie aufgehört hatte, fein

Recht zu sein, wenn es auch durch die Konkurseröffnung seiner Ver­

waltung und Verfügung entzogen worden war.

Diese Einschränkung

seiner Rechtsstellung ist durch die Freigabe weggefallen, und damit ist der Gemeinschuldner wieder in die freie und unbeschräntte Aus­ übung seines Rechts, nicht aber als Rechtsnachfolger in das Recht

eines andern, eingetreten.

Es hätte einer besonderen gesetzlichen Be­

stimmung bedurft, wenn der Konkursverwalter nach der Freigabe,

trotz des damit verbundenen Erlöschen- seines Berwaltungs- und BerfügungSrechtS, zur Fortsetzung eines über den sreigegebenen Gegen­ stand anhängigen Rechtsstreits noch befugt sein sollte.

Indem das

Gesetz eine solche Bestimmung nicht trifft, gibt es zu erkennen, daß der Gemeinschuldner vermöge seines frei gewordenen Berwaltungs-

und Verfügungsrechts nunmehr dm Prozeß fortzusetzen hat.

Der

Gegner, zu dem der Konkursverwalter durch die Aufnahme der Ver­ fahrens allerdings in ein prozessuales Rechtsverhältnis eingetreten

war, muß sich den Wechsel der Parteirolle ebenso gefallen lassen,

wie er eS nach dem früher Dargelegtm müßte, wenn der Konkurs

im ganzen beendet worden wäre.

Auch darin ist nicht, wie das Berufungsgericht meint, ein „un­ haltbares Ergebnis" zu finden, daß durch eine Abänderung des land­

gerichtlichen Urteils in der höheren Instanz der Konkursverwalter,

wiewohl in der höheren Instanz nicht mehr beteiligt, von der ihm durch die Entscheidung des Landgerichts auferlegtea Kostenpflicht be­

freit werden würde. Auch solange der Konkursverwalter den Prozeß führte, handelte eS sich darin immer um Vermögen des Gemein-

schuldnerS, und auch die Kostenentscheidung wirkte auf dieses Ver­

mögen.

Die Befreiung des Konkursverwalters von der ihm auf­

gebürdeten Kostenlast würde ebenfalls eine Wirkung auf das Vermögen

des Gemeinschuldners sein, und eS kann deshalb daraus, daß diese Befreiung von dem in dm Prozeß eingetretenen Gemeinschuldner erwirkt werden würde, ein Rückschluß auf die Unhaltbarkeit dieses

Eintritts nicht gezogen »erben.

DaS Berufungsgericht hat noch den Fall angeführt, daß durch

kostspielige Beweiserhebungen, die der Gegner vorschußweise bezahlt hat, die Hinfälligkeit deS vom Konkursverwalter verfolgten KlaganspruchS außer Zweifel gestellt wäre, daß nunmehr der Verwalter,

um eine Haftung der zahlungsfähigen Konkursmasse für die Prozeß­

kosten zu verhüten, den Anspruch

dem zahlungsunfähigen Gemein­

schuldner freigebm und daß er somit, wenn er hierdurch rechtswirksam

auS dem Prozesse auSschiede, den nachher obsiegenden Gegner um

die Erstattung seiner AuSlagm bringen könnte.

Dieses Bedenken

beruht indes auf einer Voraussetzung, deren Richtigkeit erst noch zu

prüfen wäre, auf der Voraussetzung nämlich, daß, wenn der Gegner mdgültig obsiegt, der Konkursverwalter nicht für die bis zu seinem

Ausscheiden mtstandenen Kosten mit der Konkursmasse zu haften

hätte.

Hierauf näher einzugehen, ist im gegenwärtigm Abschnitte

deS Prozesses kein Anlaß." ...

6.

Kam ein Ehegatte den überlebenden Ehegatten wirksam

znm

Widerrufe der letztwilligen Verfügungen des Zaerstverstorbenen er­ mächtigen?

BGB. 8 2065. IV. Zivilsenat.

Urt. v. 4. März 1912 i. S. M. T. u. Gen. (Bekl.) w. K. T. (Kl.).

I. II.

Rep. IV. 428/11.

Landgericht Braunschweig. Oberlandesgericht daselbst.

Die Eltern der Parteien, von denen der Vater im Jahre 1906, die Mutter im Jahre 1908 verstorben ist, hatten im Jahre 1895

ein gemeinschaftlicher Testament errichtet» worin sie ihre sämtlichen sechs Kinder zu Erbm ernannten und verfügten, der Überlebende bleibe bis an sein Ende „Eigentümer über unser gesamte- Vermögen*.

Nach

dem Tode beider Ehegatten sollten gewisie weitere Bestimmungen in Kraft treten, „sofern der überlebende, wozu er berechtigt sein soll, keine Änderungen vornimmt*.

Bezüglich de- Klägers Karl T. war den

Beklagten im gemeinschaftlichen Testamente die Gewährung des lebens­ länglichen Unterhalts in besonder- reichlichem Umfange zur Pflicht

gemacht.

Die zuletzt verstorbene Mutter der Parteien verfügte in

einem am 10. Dezember 1907 errichteten Testament unter Berufung auf ihre Berechtigung, Änderungen an dem älteren Testamente vor­

zunehmen: „DaS für meinen Sohn Karl" (den Kläger) „Bestimmte erkläre ich für ungültig" und bemaß demnächst den ihm zu gewähren­ den Lebensunterhalt wesentlich ungünstiger. Der Kläger forderte von den Beklagten Auskunft über den Bestand des Nachlasses der Eltern

und HerauSzahlung de- Pflichtteils. Das Landgericht wies die Klage ab.

Dar Oberlandesgericht

verurteilte die Beklagten zur Auskunftserteilung.

Beklagen

wurde

Auf Revision der

da- Berufungsurteil aufgehoben und die Sache

zurückverwiesen.

AuS den Gründen:

„Da beide Erblasser erst nach dem 1. Januar 1900 verstorben

sind, so ist, wie auch der Berufungsrichter nicht verkennt, Inhalt

und Wirksamkeit des im Jahre 1895 errichteten gemeinschaftlichen Testaments nach dem Rechte deS Bürgerlichen Gesetzbuches zu be-

urteilen, wenn auch zum Zwecke der Willenserforschung beider Erb» lasser die Berücksichtigung deS zur Zeit der Testamentserrichtung

geltenden älteren Rechts geboten sein kann. Bgl. Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 59 S. 84, Bd. 76 S. 22. Der Berufungsrichter legt das streitige Testament dahin aus, daß

damit der überlebende Ehegatte zum Vorerben deS Zuerstverstorbenen, die Kinder aber, darunter auch der Kläger, zu Nacherben berufen

worden feien. Diese Nacherbenstellung sei jedoch dem Kläger dadurch

wieder entzogen worden, daß die überlebende Mutter, die Borerbin,

ein Jahr nach dem Tode deS VäterS unter Bezugnahme auf die im gemeinschaftlichen Testament ihr erteilte Ermächtigung in einem neuen Testamente die Erbeinsetzung deS Klägers für ungültig erklärt

und ihn lediglich als Vermächtnisnehmer bedacht hat. In dieser Eigenschaft sei er nicht verhindert, daS Vermächtnis auSzuschlagen, statt dessen den Pflichtteil zu fordern und gemäß § 2314 BGB. von den verklagten Erben Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu

verlangen. Mit Recht erblickt die Revision hierin eine Verletzung deS § 2065 Abs. 1 BGB. Sein Wortlaut ergibt und die EntstehungS» geschichte (Mot. Bd. 5 S. 30, Prot. Bd. 5 S. 18flg) bestätigt, daß es dem deutschen Gesetzgeber, zum Teil im bewußten Gegensatze zu älteren

Sonderrechten, auf strenge Durchführung deS Grundsatzes ankam, bei letztwilligen Verfügungen solle eine Vertretung deS Erblassers

weder im Willen noch in der Erklärung des Willens statthaft sein.

Auch die Testierfreiheit finde ihre Schranke darin, daß dem Erblasser

nicht gestattet sein könne, daS Schicksal seines und damit deS Familien­ vermögens nach seinem Tode nicht von seinem, sondern von eines

anderen Willen abhängig zu machen.

Soweit der Gesetzgeber bei

Vermächtnissen und Auflagen gewisse Milderungen zulassen wollte, sind in den 88 2151 bis 2156, 2192, 2193 BGB. Bestimmungen

getroffen. Dagegen ist von dem Grundsätze nicht- preisgegeben, daß die Erbeinsetzung auf dem eigenen, von ihm selbst erklärten Willen

deS Erblassers beruhen muß und daß sie, wenn sie einmal erklärt ist, auch von Dritten nicht willkürlich wieder umgestoßen werden

kann. Konnte mithin der Erblasser den überlebenden Ehegatten zu Änderungen feines letzten Willens nicht wirksam ermächtigen, so ist auch

daS

hierauf gegründete Testament der Mutter wirkungslos,

6ntfOOJt nicht übersteigt, ist nach den maßgebenden Feststellungen

des BernfungSrichters hier erfüllt.

Eine besondere Angabe über die

Höhe dieses JahreSbetragS im Vertrage ist nicht nötig.

Sie würde

auch nicht zu berücksichtigen sein, wenn sie im Widerspruch stände mit dem Betrage, der sich aus dem sachlichen Inhalte der Vertrags­

bestimmungen als JahreSentgelt bestimmen ließe. Diesen Vertrags­ inhalt legt der Berufungsrichter ohne Rechtsirrtum dahin aus, daß es sich hier um eine Vereinbarung mit einer einfachen Zeitungs­

austrägerin handelt, die ihre Arbeit in dem ihr zugewiesenen Bezirke ohne nennenswerte Hilfe selbst verrichtet. Daraus, daß Frau B., um jährlich 1500 Jt zu verdienen, nach den Preisfestsetzungen des Ver­ trag- an jedem Tage mehr als 1000 Exemplare austragen müßte,

was offenbar unmöglich ist, schließt der Berufungsrichter mit Recht, daß im Streitfälle daS Entgelt hinter dem Betrage von 1500 JK, zurückbleibt.

Ohne Bedeutung ist es hiernach, daß sich die Zahl der

der Austrägerin zugewiesenen Abonnenten aus dem Vertrage nicht ergibt, überdies genügt eS aber, entgegen den Ausführungen des BerufungSrichterS, nach der ständigen Rechtsprechung des Reichs­

gerichts zur Anwendung einer Befreiungsvorschrift, die, wie die hier in Betracht kommende, im öffentlichen Interesse gegeben ist, wenn

sich ihre Erfordernisse objektiv feststellen lassen, mag sich auch ihr Vor­

handensein nicht unmittelbar auS der Urkunde, sondern nur auS den tatsächlichen Umständen ergeben, unter denen sie errichtet ist.

(Entsch. des RG. in Zivils. Bd. 53 S. 214 und 287, Bd. 65 S. 356.) Der Steueranspruch des Beklagten ist hiernach unbegründet."

8.

1. Verwirkung der Vertragsstrafe, wenn die geschuldete Leistung in einem Unterlassen besteht. 2. Erfüllungsgehilfeuschaft bei Unterlassungsverbiudlichkeiteu. BGB. §§ 339. 278.

III. Zivilsenat, litt. v. 8. März 1912 L S. R. u. Gen. (Kl.) w. W. (Bekl.). Rep. III. 291/11. I. IL

Landgericht Hildesheim. OberlandeSgericht Celle.

Der Kläger R., der Beklagte und ein Molkereibesitzer M., an

dessen Stelle später der Kläger S. trat, schlossen am 7. September 1904 einen Vertrag, wodurch sie die Milchbezugsquellen eines bestimmten

größeren Bezirks unter sich verteilen und den Wettbewerb im Milch­

bezug unter einander ausschließen wollten.

In dem Vertrage erklärte

der Beklagte, daß er auf das Recht verzichte, direkt oder indirekt für seine Molkerei Milch auS sechs bestimmten Ortschaften zu ver­ werten.

Ebenso verzichteten die anderen Vertragschließenden auf da-

Recht, Milch aus näher bezeichneten Ortschaften zu erwerben.

Fall­ einer der Vertragschließendm „diesen Bestimmungen zuwider" Milch

aus einer vom Verzicht betroffenen Ortschaft bezöge, verwirkte er nach dem Vertrag eine Strafe von 10 000 Jl an jeden der beiden anderen

Vertragschließenden.

Im Jahre 1907 wurde im BertragSgebiete die

Genoffenschaftsmolkerei P. gegründet, die am 1. Januar 1908 Milch­ lieferungsverträge u. a. mit Stallbesitzern auS den dem Beklagten verbotenen Ortschaften abschloß. Sie konnte den Betrieb aber erst am 1. Februar 1908 eröffnen und verkaufte deshalb im Januar die gesamte ihr aus diesen und anderen Ortschaften gelieferte Milch teils

nach H., teils an den Beklagten. Bon diesem verlangten die Kläger die

Vertragsstrafe. Er machte geltend, er habe nicht gewußt, daß er Milch auS den ihm durch den Vertrag verschlossenen Orten er­

halte, habe ausdrücklich mit der Molkerei P. bedungen, daß ihm keine Milch aus diesen Orten geliefert werden dürfe, und habe sich

vom GenoffenschaftSvorstande darüber eine schriftliche Erklärung aus­ stellen lassen.

Das Landgericht wies die Klage ab.

Der Beklagte habe Um­

stände bewiesm, die es ausschlössen, daß eine bewußte oder frei ge­ wollte Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht angenommen werden könne.

DaS Oberlandesgericht machte die Entscheidung von

einem richterlichen Eide des Beklagten über seine Kenntnis von dem Vorhandensein verbotener Milch unter der ihm gelieferten abhängig. In

den Entscheidungsgründen

handlung"

wurde auSgeführt,

die „Zuwider­

setze begrifflich ein bewußtes Handeln voraus.

Zuwiderhandlung habe der Gläubiger zu beweisen.

Solche

Nun sei hier

bewiesen, daß der Beklagte Milch aus den ihm verschloffenen Orten

erhalten, ferner, daß er gewußt habe, die Molkerei P. beziehe Milch aus diesen Orten.

Da er nach dem Vertrag auch indirekten Bezug

habe vermeiden müssen, so habe er den Beweis zu führen, daß er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt angewandt habe, um den Empfang verbotener Milch zu verhüten. Ein Garantieversprechen enthalte der Vertrag nicht, für ein solches sei auch sonst von den Klägern nichts vorgebracht. Für etwaiges Verschulden der Molkerei­ genossenschaft oder ihrer Angestellten habe der Beklagte nicht ein­ zustehen, da er sich ihrer nicht zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit gegenüber den Klägern bedient habe. Die Revision wurde zurückgewiesen a«S folgenden Gründen: ... „Nach § 339 Satz 2 BGB. tritt, wenn die geschuldete Leistung in einem Unterlassen besteht, die Verwirkung der Bertrag­ strafe mit der Zuwiderhandlung ein. Die Bedeutung dieser Vorschrift ist in der Recht-lehre bestritten. Die zurzeit herrschende Meinung geht dahin, die Vorschrift deS § 339 Satz 2 besage, daß bei einer Verpflichtung zum Unterlassen ein Verschulden nicht Voraussetzung der Verwirkung sei. Vgl. Planck, Erl. 2 zu 8 339; Oertmann, Sinnt. 2b zu § 339, RGRKomm. Sinnt. 4; Schollmeyer in HölderS Kommentar II, 1 Sinnt. 2c zu § 339; Staub-Könige, 8. Aufl. Sinnt. 8 zu 8 848 HGB; Dernburg, Bürgerliches Recht II, 1 8 104, I, 2; EnnecceruS, Lehrbuch deS Bürgerlichen Rechts 4./S. Aufl. I, 2 S. 92. Dagegen erfordern auch im Falle deS Satzes 2 ein Verschulden: Titze, Unmöglichkeit der Leistung S. 103; v. Staudinger, Sinnt. 4, Kuhlenbeck, Sinnt. 2 zu 8 339; Lehmann, UnterlasiungSpflicht, in Fischers Abhandlungen zum Privatrecht und Zivilprozeß Bd. 15 Heft 1 S. 299. Von den Rechtslehrern, die das Erfordernis deS Verschuldens verneinen, geben zu, daß die Verwirkung nicht eintritt, wenn der Glänbiger selbst die Zuwiderhandlung verschuldet hat: Planck, Oertmann, Staub, Dernburg. EnnecceruS und Dernburg, von Planck und Oertmann mißbilligt, leugnen die Verwirkung außerdem dann» wenn die Zuwiderhandlung durch höhere Pflichten, z. B. die Rettung eines Menschen, geboten war. Zwar nicht schuldhaftes, aber bewußtes Handeln fordert Oertmann (8 2 b, ß), ebenso v. Staudinger, Anm. 4, ähnlich Murray in der Deutsch. Jur.-Ztg. 1906 Sp. 760. Die Rechtsprechung hat sich zu der Frage folgendermaßen ge-

Das Bayrische Oberste Landesgericht (Senfs. Arch. Bd. 56 Nr. 245) verlangt, daß die Zuwiderhandlung bewußt und frei ge­

stellt:

wollt sei. Der V. Zivilsenat des Reichsgerichts hat in den Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 55 S. 78 ausgesprochen, gerade die Gegen­

überstellung der beiden Sätze in § 339 ergebe, daß, wenn die ge­ schuldete Leistung in einem Unterlassen bestehe, die Strafe mit der Zuwiderhandlung verwirkt sei, ohne Rücksicht darauf, ob den Schuldner

ein Verschulden trifft oder nicht. Der VI. Senat (Bd. 63 S. 116) läßt es dahingestellt, ob diese Ansicht zutrifft, oder ob nicht vielmehr Satz 2 den Gläubiger nur vom Nachweise des Verschuldens befreit, dem Schuldner aber vachläßt, den Mangel eines solchen als Befreiungsgrund geltend zu machen und zu beweisen. Der erkennende

Senat hat in der Sache Rep. III. 112/07 die Annahme, eine bewußte und frei gewollte Zuwiderhandlung sei zu erfordern, als bedenklich bezeichnet, hatte aber keinen Anlaß, näher darauf einzugehen. Die herrschende Meinung stützt sich hauptsächlich darauf, daß Satz 2 in Gegensatz trete zu Satz 1, der Verzug, also Verschulden

(§ 285 BGB.) fordere, und auf die Begründung zum Entwurf des

BGB., wo eS (Bd. 2 S. 278) heißt, die „Materie- fei im Einklang mit dem gemeinen Recht usw. dahin geordnet, „daß, wenn die Ver­ bindlichkeit in einem Unterlassen besteht, die Strafe schon mit der

Zuwiderhandlung, ohne Rücksicht aus ein hierbei unterlaufenes Ver­

schulden des Schuldners, in allen anderen Fällen aber erst verwirkt ist, wenn der Schuldner in Verzug kommt.

... Nur in den erst­

erwähnten Fällen ist in Abweichung von allgemeinen Grundsätzen

ein Verschulden des Schuldners nicht verlangt.

... Auch die Vor­

schrift des § 422 (des Entwurfs) ist selbstverständlich keine absolute,

sie muß weichen, wenn nach den Umständen eine andere Intention

der Parteien sich ergibt.

Dieselbm können z. B. in den im ersten

Satze bezeichneten Fällen eine Garantieübernahme des Schuldners

vereinbart haben.

Die Annahme, daß eine solche bei der Verbind­

lichkeit zu einem Unterlassen der mutmaßlichen Absicht der Bertrag-

schließendm entspreche, rechtfertigt die abweichende Behandlung dieses Falles.Welche Bedeutung die Motive für die Auslegung des § 339 BGB.

haben, in dessen Fassung jedenfalls die Verwirkung ohne Verschulden

nicht so deutlich und zweifelsfrei wie in den Motiven zum Ausdruck

gekommm ist, mag unerörtert bleiben. Es bleibt die Möglichkeit, daß das Gesetz gerade mit Rücksicht auf die in den Motiven er­ wähnten „allgemeinen Grundsätze« einen anderen Standpunkt für seine Auslegung verlangt, und daß die Gegensätzlichkeit von Satz 2

und 1 nicht sowohl in dem Tatbestandsmerkmale des Verschuldens, als darin besteht, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, wohl

bei der Verpflichtung zum Tun, nicht bei der zum Unterlassen könne

von einem Verzüge die Rede fein. Es könnte danach in Frage kommen, ob die Vorschrift de- § 339 Satz 2 nicht vielmehr dahin zu verstehen ist, daß eine weder bewußte noch schuldhafte Zuwider­

handlung die Verwirkung der Bertragstrafe nicht herbeiführt.

Allein diese Frage braucht im vorliegenden Falle nicht ent­ schieden zu werden. § 339 ist unzweifelhaft kein zwingende-, sondern nachgiebiges Recht. Was in dieser Hinsicht von den Motiven in besonderer Anwendung auf Satz 1 gesagt ist, gilt auch für Satz 2. Die Vorschrift, wie sie auch auSzulegen sein mag, muß anderweiter

Vereinbarung weichen. Den Vertrag vom 7. September 1904 legt da- Berufungs­

gericht dahin au-, daß „ein über die allgemeinen Rechtsgrundsätze hinausgehendes Garantieversprechen" von den Vertragschließenden nicht gewollt sei. Die Auslegung ist möglich, oer Vertragsstrafe

aber auch zutreffend.

Die Vertragschließenden, die ja einer den

anderen in gleicher Weise banden und alle gleichmäßig von der Ge­ fahr der Verwirkung

einer außerordentlich hohen Strafe bedroht

waren, haben jedenfalls keine nackte ErfolgShastung beabsichtigt.

In

den Vertragsbestimmungen sprechen die Beteiligten den Verzicht aus auf das Recht, Milch au- bestimmten Ortschaften zu „erwerben" oder zu „verwerten".

Die Strafe wird als verwirkt bezeichnet, wenn

einer der Vertragschließenden den Bestimmungen zuwider Milch auS einer

der Ortschaften

„bezieht".

gegeben für eine Tätigkeit.

Norm und Strafe sind danach

Die Verwirkung setzt voraus, daß der

Zuwiderhandelnde in bestimmter Weise tätig wird entgegen der über*

nommenenen Verpflichtung zur Unterlassung.

Diese Verpflichtung

ging dahin, weder direkt noch indirekt Milch auS den verbotenen Orten zu verwerten (erwerben) oder zu beziehen.

bei

der

Innehaltung

dieser

Der Beklagte mußte

Vertragsbestimmung

nach

Treu und

Glauben unter Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt

verfahrm.

Er mußte Vorkehrungen treffen, die geeignet waren, ihn

gegen den Bezug von Milch aus jenen Orten zu sichern.

Richt nur

hatte er Milch abzulehnen, von der er wußte, daß sie aus den ver­

schlossenen Orten stammte, er mußte namentlich auch dem Zwischen­

handel gegenüber Sorge tragen, daß ihm keine solche Milch geliefert werde.

Rach Treu und Glauben konnte ihm aber auf Grund des

Vertrag- nicht angesonnen werden, dafür einzustehen, daß die Ein­

bringung verbotener Milch in seinen Betrieb geradezu unmöglich

wurde.

Eine solche Gewähr hat er eben nach der Vertragsauslegung

nicht übernommen. Er tat vielmehr genug, wenn er sich durch ernstgemeinte Vertragsabreden mit der Molkerei P. — und diese Eigenschaft hatten nach der Feststellung des OberlandeSgerichtS die

getroffenenen Abmachungen — gegen ein ihn straffällig machendeEinbringen von Milch schützte. Schuldhafte Verletzung der Ab­ machung begründete ihm gegenüber eine Schadensersatzpflicht der Molkereigenossenschaft. Daß er dieser Pflicht, wie die Revision will,

nicht durch Beredung einer Vertragsstrafe besonderen Nachdruck ge­

geben hat, ist unter keinen Umständen ein Verschulden.

Auch das

Verlangen, daß er den Geschäftsbetrieb der Molkerei hätte ständig überwachen sollen, überspannt die Anforderungen an die im Verkehr erforderliche Sorgfalt. Also durch den Vertrag, wenn auch abweichend von der Vor­

schrift des § 339 BGB., waren die Berwirkungsvoraussetzungen in dem Sinne bestimmt, daß erst straffällig sein sollte, wer der Vorschrift

zuwider gehandelt hatte, wissend oder schuldhaft verbotene Milch bezogen, solche unter Außerachtlassung der nach Treu und Glauben gebotenen Vorsichtsmaßregeln aus dem Zwischenhandel übernommen

harte. Von

diesem Gesichtspunkt aus kann ein Vertragsverschulden

nicht darin erblickt werden, daß der Beklagte nicht wegen der Mög­

lichkeit eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Vertragsbruchs durch die Molkerei P. den Milchbezug von dorther gänzlich unterließ.

Wissent­

licher Bezug verbotener Milch machte ihn dagegen -straffällig.

Mit

Recht hat deshalb das Berufungsgericht den richterlichen Eid über

die Kenntnis für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend sein

lassen.

Durch schuld haften Bezug wurde die Strafe unter allen

Umständen verwirkt.

Der Schuldner hat nach § 278 BGB. ein Ber-

schulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbind­ lichkeit bedient, in gleichem Umfange zu vertreten wie eigenes. Daß sich der Schuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit einer anderen

Person bedient, ist an sich auch dann denkbar, wenn die Verbindlich­ keit in einem Unterlassen besteht.

Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 63 S. 116, RGRKomm. Anm. 4, Oertmann, Anm. 3o zu tz 278. Allein für die Annahme, daß sich der Schuldner einer andere» Person

zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit,

sei eS zum Tun, sei eS zum

Unterlasten, bediene, ist stets notwendige Voraussetzung, daß sowohl

die Gehilfenschaft als auch der Umstand, daß der Schuldner sich des anderen .bediene", irgendwie deutlich in die Erscheinung treten.

Da­

wird bei Unterlassung-verbindlichkeiten vornehmlich der Fall sein in Ansehung der Angestellten deS Schuldner- (Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 63 S. 117), hier also des Gesindes des Beklagten oder seiner Ehefrau oder der Personen, die er etwa al- Vermittler von Milchankäufen benutzte. Die Revision meint, daS Vorstandsmitglied O. der Molkereigenossenschaft sei für die Vertragsverbindlichkeit deS Be­

klagten gegenüber den Klägern, den Bezug verbotener Milch zu Unter­ lasten, Erfüllungsgehilfe deS Beklagten gewesen. Das Berufungs­

gericht lehnt die Annahme mit der Bemerkung ab, die Stellung des GenosienschastSvorstandeS zum Beklagten fei keine entsprechende ge­

wesen, er habe nicht dem Beklagten geholfen, die Milch von den

Landwirten zu kaufen, sondern er habe im Namen der Genossenschaft gekauft und an den Beklagten weiter verkauft.

Daß eine Erfüllungsgehilfenschaft der Molkereigenossenschaft P. nicht angenommen ist. erscheint zutreffend.

Im Urteile vom 12. Mai

1908, Rep. II. 548/07, hat der II. Zivils. deS RG.'S ausgeführt, der

Lieferant deS Verkäufers sei jedenfalls dann nicht dessen Erfüllungsgehilfe

im Sinne deS § 278, wenn er dem Verkäufer die Ware geliefert habe und wenn dann der Verkäufer die ihm gelieferte Ware an den Auch im vorliegenden Falle hatte der selbständige Vertrag zwischen der Genossenschaft und dem Beklagten

Käufer weitergeliefert habe.

nichts zu tun mit der durch den Vertrag vom 7. September 1904 begründeten Verpflichtung des Beklagten gegen die Kläger.

Mit

Recht betont die Revisionsbeantwortung, daß O. persönlich als ErfüllungSgehilfe nicht in Frage kommen könne, da er nur als Ver«

tretet der Molkerei gehandelt habe. Nach dem landgerichtlichen Tat­ bestände hat der Beklagte behauptet, O. sei vom Vorstande der Genossenschaft mit Erledigung der Sache beauftragt gewesen. Ein Bestreiten dieser Behauptung durch die Kläger ergeben die Tatbestände der beiden ersten RechtSzüge nicht, im Revisionsverfahren kann eS nicht nachgeholt werden (§ 561 ZPO.). Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat „O. mündlich wie schriftlich namens der Genossenschaft dem Beklagten die (von ihm verlangte) Zusichernng gegeben."...

9. Findet die Tarifnr. 11 d zum ReichSstewpelgesetz vom 15. Juli 1909 auch auf den Fall Anwendung, daß eine Aktiengesellschaft als Aktiouärin einer anderen deren Vermögen nach den §§ 305, 306 HGB. als Ganzes erworben hat und die Umschreibnng der dazu gehörenden Grundstücke aus ihren Namen als Eigentümerin beantragt? VIL Zivilsenat. Urt. v. 8. März 1912 i. S. B.'er MaschinenbauAktienges. (Kl.) w. preuß. FiSkuS (Bekl.). Rep. VII. 424/11. I. II.

Landgericht Cöln. Oberlandesgericht daselbst.

Die Klägerin schloß im April 1909 mit der C.'er MaschinenbauAktiengesellschaft einen Vertrag, durch den diese ihr Vermögen als Ganzes auf die Klägerin gegen Gewährung von Aktien derselben unter Ausschluß der Liquidation übertrug. Bon den 1273 Aktien der C.'er Gesellschaft besaß die Klägerin zur Zeit deS Vertragsschlusses 748 Stück. Zu dem Vermögen der übertragenden Gesellschaft gehörten Grundstücke, die im September 1910 zufolge Antrags der Klägerin auf diese als neue Eigentümerin umgeschrieben wurden. Zu dem Vertrage hatte der beurkundende Notar, soweit jene Grund­ stücke in Frage kommen, nur den Landesstempel verwendet. DaS Grundbuchamt berechnete für die Umschreibung deS Eigentums 1. den AuflafsungSstempel nach Tarifnr. lld zum Reichsstempelgesetz vom 15. Juli 1909; 2. den Auflassungsstempel nach Tarifst. 8 zum Preuß. StempStGes. vom 31. Juli 1895/30. Juni 1909 und zog beide Bettäge von der Klägerin ein. Diese forderte die ent-

richtete Summe

nebst Prozeßzinsen

im Rechtswege

zurück.

DaS

Landgericht erachtete die Erhebung des Landesstempels für nicht ge»

rechtfertigt und erkannte insoweit zugunsten der Klägerin, wieS aber

im übrigen die Klage ab.

Auf die Berufung der Klägerin und die

Anschlußberufung des Beklagten WieS das OberlandeSgericht die Klage

im vollen Umfange ab. Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen. Gründe. „1. WaS die Reichsstempelabgabe betrifft, so ist die Rüge der

Revision, daß der Berufungsrichter die Tarifnr. 11 ä zum RStempGes. vom 15. Juli 1909 zu Unrecht angewendet habe, nicht begründet. Nach Abs. 2 dieser Tarifnummer unterliegt der Antrag auf Um­ schreibung von Gesellschaftseigentum auf den Namen eines Gesell­ schafters dem Auflassungsstempel auch dann, wenn nach den Vor­

schriften deS bürgerlichen Rechtes eine Auflassung nicht erforderlich ist. Der Wortlaut der Vorschrift ist klar. Er gestattet zunächst nicht eine Einschränkung auf bestimmte Gesellschaften dergestalt, daß etwa

Aktiengesellschaften ausgenommen wären. Auch die Aktionäre sind Gesellschafter der Aktiengesellschaft und werden als solche im Handels­ gesetzbuch bezeichnet (vgl. § 178 und die Überschrift vor den §§210f(g.:

„Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter").

Ebenso­

wenig ist unterschieden, ob der Gesellschafter, auf den Grundeigentum

der Aktiengesellschaft übergeht,

alle Aktien oder nur einige Stücke

oder vielleicht nur eine Aktie besitzt. Die Begründung (s. Heinitz 3. Aufl. Anm. 2 zu Tarifs!. 8 zum preuß. StempStGes. vom 31. Juli 1895/30. Juni 1909) hat freilich nur die Fälle im Auge, daß der Teilnehmer an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung

sämtliche Geschäftsanteile erwirbt.

Aber sie geht ersichtlich davon

aus, daß nur in solchen Fällen das Eigentum an den Grundstücken der Gesellschaft ohne weiteres, also ohne Auflassung auf den Gesell­

schafter übergehe.

Ob dies zutrifft, kann dahingestellt bleiben.

Jeden­

falls kann über die Absicht des Gesetzes kein Zweifel bestehen: auch die nicht der Auflassung bedürftigen Erwerbsvorgänge sollten dem AuflassungSstempel

unterliegen.

Die Fassung deS Gesetze- lautet

denn auch allgemein.

Die Revision vertritt bett Standpunkt, daß die Umschreibung in einem inneren Zusammenhang« mit der Gesellschaftereigenschaft deS Erwerbers stehen müsse und daß bei Stellung deS Antrags

auf Umschreibung müßten.

noch verschiedene RechiSsubjekte vorhanden sein

Dieser Standpunkt ist unhaltbar.

Beständen zur Zeit

deS Umschreibungsantrages noch verschiedene RechiSsubjekte, so wäre

nicht

abzusehen,

wie

sich

hätte vollziehen können.

ein Eigentum-wechsel

ohne Auflassung

Gerade der Umstand, daß unter gewissen

Voraussetzungen daS Eigentum unvermittelt durch die für rechtSgeschäftliche Übertragungen von Grundstücken vorgeschriebeve AuflassungSform erworben werden konnte und daß der Erwerber als

Rechtsnachfolger deS eingetragenen Eigentümers in der Lage war, im Wege der Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB. § 22 GBO.)

feine Eintragung als nunmehriger Eigentümer herbeizuführen, war

Auch die Fälle der bloßen Buchberichtigung, in denen da- Grundbuch mit der für den Gesetzgeber der Anlaß zu der Steuervorschrift.

wirklichen Rechtslage in Einklang gebracht werden soll nnd nicht erst durch die Eintragung auf Grund der Auflassung Eigentum erworben wird, sollten von dem Stempel getroffen und damit eine Lücke deS Gesetze- ausgefüllt werden. Daß wiederum für den Erwerb von Gesellschaftseigentum durch einen Gesellschafter im Wege der Gesamt­

rechtsnachfolge eine Ausnahme hätte geschaffen werde» sollen, davon steht im Gesetze nichts. DaS in der Begründung angeführte Beispiel

behandelt im Gegenteil einen Sachverhalt, der nach der Meinung des Verfassers als Gesamtrechtsnachfolge zu kennzeichnen war.

In­

wiefern noch ein weiterer innerer Zusammenhang deS Erwerbes mit

der Beteiligung des Erwerbers an der Gesellschaft erforderlich sein sollte, als die Tatsache, daß der Erwerber Gesellschafter ist, hat die

Revision nicht darzulegen vermocht.

Es ergibt sich hiernach, daß,

wenn eine Aktiengesellschaft als Aktionärin einer anderen deren Ver­

mögen gemäß den §§ 305, 306 HGB. als Gesamtrechtsnachfolgerin

erworben hat und nunmehr die Buchung des eingetragenen Erwerb­ auf dm Blättern der zu jenem Vermögen gehörenden Grundstücke beantragt, die Abgabe nach Tarifnr. 11 ä zu mtrichten ist.

Die Erhebung des Reichsstempels wird auch nicht durch die Vor­ legung deS FustonSvertragS erübrigt.

Dieser ist im April 1909, also

vor dem Inkrafttreten deS Reichsgesetzes, geschlossen und daher, wie der Senat für gleichliegmde Fälle bereits ausgesprochen hat (Entsch. deS

RG.'S in Zivils. Bd. 74 S. 42; Urteil vom 6. Oktober 1911 Rep. VII. 74/11), nicht geeignet, den Reichsstempel für dm nach dem 1. August 1909

gestellten Umschreibungsantrag zu beseitigen.

Anzuerkennen ist, daß

der letztere nicht zu entrichten gewesen wäre, sofern die Klägerin

keine Aktie» der' aufgenommenen Gesellschaft besessen hätte. DaS Bedenken, das diese- Ergebnis zu erwecken vermöchte, schwindet in» besten angesichts des unzweideutigen Wortlauts de- Gesetzes und der Erwägung, daß sich der gegenwärtige Rechtsstreit auf die Übergangs­

Fällt der Erwerb des Vermögens einer Aktiengesell­

zeit bezieht.

schaft durch eine andere, die nicht Aktionärin jener ist, nach den §§ 305, 306 HGB. in die Zeit nach dem Inkrafttreten deS Reichs«

stempelgesetzeS, so ist zwar der Antrag auf Umschreibung stempel­ frei, aber der Fusionsvertrag unterliegt dem Stempel in der gleichen Höhe (Tarifnr. 11b). Nur wenn der Fusionsvertrag vor dem 1. August 1909 geschlossen und der Umschreibungsantrag später gestellt war, konnte daS bezeichnete Ergebnis eintreten. 2. Aber auch der Landesstempel ist vom Berufungsrichter mit

Recht gefordert worden."

(Wird näher ausgeführt.)

Ist in Preußen der Rechtsweg für Streitigkeiten über Miß­

10.

brauch

der nach einem AnSeinavderfetzvngS-Rezeß gemeinschaftlich gebliebenen Benntzung eines Grundstücks zulässig? Preuß. AuSeinandersGes. vom 2. April 1887 § 6.

Preuß. ZuständGes. vom 1. August 1883 § 18. V. Zivilsenat.

Urt. v. 9. März 1912 i. S. 1. Rezeßbeteiligte von P.,

2. Freiherr v. M., 3. Propst von P. (Kl.) w. G. (Bell.).

Rep. V.

452/11. I.

II.

Landgericht Posen. Oberlandesgericht daselbst.

In dem am 3. Januar 1855 bestätigten AuSeinandersetzungS«

und AblösungSrezesse der Stadt P., bei dem neben den städtischen Grundbesitzern unter anderen auch die dortige katholische Propstei

und der Besitzer der Herrschaft P. mit dem dazu gehörigen Bor­ werk I. sowie mit einem früheren Bürgergrundstücke beteiligt waren, ist in § 10 bestimmt:

„Der Plan Nr. 75 der Karte ist zur Sand-

grübe für die gemeinschaftliche Benutzung sämtlicher Separation-«

Jnteressentm bestimmt.

Derselbe liegt bei dem der Pfarr-Propstei

gehörigen Plan Nr. 16 am Wege nach Groß-K. und enthält 5 Morgen 36 Quadratruten." In Gemäßheit des prmßischen Gesetzes vom 2. April 1887, betreffend die durch

ein Auseinandersetzungsverfahren

begründeten

gemeinschaftlichen Angelegenheiten, ist durch Beschluß der Königlichen

Generalkommission in B. vom 21. September 1908 dem jedesmaligen Bürgermeister der Stadt P. die Verwaltung der in den §§ 9—15 des Rezesses erwähnten gemeinschaftlichen Rechte und Grundstücke, sowie die Vertretung der daran nach dem Rezesse beteiligten Eigen« tümer

und

bereit

Rechtsnachfolger Dritten gegenüber

übertragen

worden. Der Beklagte, der Eigentümer eine- Trennstücks von einem zur Separation gezogenen, damals einem gewissen B. gehörigen Grund­ stück ist, betreibt die Herstellung von Brunnen« und Kanalisations­

röhren, Platten und Dachsteinen aus Zement und entnimmt seit dem Februar 1910 den Sand dazu,

wöchentlich

10—12 zweispännige

Fuhren, aus der gemeinschaftlichen Sandgrube. Die Kläger bestreiten

dem Beklagten daS Recht, Sand zu anderen als den Zwecken des

Rezeßgrundstücks, insbesondere zur gewerblichen Verwertung zu ent­ nehmen, weil davon eine baldige Erschöpfung der Sandgrube und eine Beeinträchtigung der übrigen Beteiligten zu besorgen sei, und

klagten mit dem Anträge» den Beklagten zu verurteilen, daß er die Entnahme von Sand zur fabrikmäßigen Herstellung von Zement­ Der Beklagte erhob die Einrede der Un­ zulässigkeit des Rechtswegs und verweigerte die Verhandlung zur gegenständen unterlasse.

Hauptsache.

Das Landgericht hat die Einrede verworfen, daS Ober­

landesgericht aber hat sie für begründet erachtet und die Klage wegen Unzulässigkeit der Rechtswegs abgewiesen.

Die Revision der Kläger

ist zurückgewiesen worden.

Gründe: „§ 6 Abs. 1 deS Gesetzes vom 2. April 1887 bestimmt: „Ist dem Gemeindevorstande (nach §§ 2, 9) die Vertretung über­ tragen, so untersteht derselbe in dieser Beziehung der Kommunal­

aufsichtsbehörde.

Insoweit ihm die Verwaltung übertragen ist,

finden die Vorschriften, welche für Gemeindeangelegenheiten be-

züglich der Verwaltung, der Aufsicht deS Staates und der den Mitgliedern zustehenden Rechtsmittel gelten, sinngemäße Anwendung."

Aus dieser Vorschrift folgert der Berufungsrichter unter Bezugnahme

auf § 34 (richtiger § 18) des preuß. ZustGes. vom 1. August 1883 und

auf daS Urteil Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 47 S. 314, daß für den vorliegenden Rechtsstreit der Rechtsweg ausgeschlossen und nur

daS Verwaltung-- und Verwaltungsstreitverfahren zulässig sei. Run liegt freilich, wie die Revision mit Recht hervorgehoben hat, der vorliegende Fall nicht ganz so, wie der in der angezogenen Entscheidung behandelte. Dort war eine Anordnung deS mit der Verwaltung deS gemeinschaftlichen Grundstücks betrauten GememdeVorstehers ergangen und die zwangsweise Durchführung deS Verbots, die streitige Kiesgrube zu benutzen, unter Androhung einer Strafe in

Aussicht gestellt worden. Hiergegen konnte sich der damalige Kläger nach dem dort zur Anwendung gelangenden § 34 des ZustGes. nur durch Einspruch beim Gemeindevorstand und durch Klage im VerIm vorliegenden Fall ist eine An« ordnung deS Gemeindevorstehers nicht ergangen und es ist nicht un­

waltungSstreitverfahren schützen.

bedenklich, die Kläger darauf zu verweisen, weil in Fällen, wie dem vorliegenden, dem Gemeindevorsteher das Recht» seine Anordnungen im ZwangSwege durchzusetzen, nach der Praxis der Verwaltungsbehörden

und BerwaltungSgerichte nicht zugestanden wird. Die preußischen Landesverwaltungsgesetze vom 26. Juli 1880 (§ 68, 69) und vom 30. Juli 1883 (§ 132, 133) haben allerdings

neben den Ortspolizeibehörden auch dem Gemeindevorsteher daS Recht eingeräumt, die in Ausübung der „obrigkeitlichen Gewalt" von ihnen getroffenen Anordnungen zwangsweise durchzusetzen.

DaS preußische

Oberverwaltungsgericht aber hat schon aus der Stellung, die diese

Vorschriften inmitten der Gesetze über die Organisation der allge­ meinen Landesverwaltung einnehmen, gefolgert, daß bei den obrig­

keitlichen Verfügungen deS Gemeindevorstehers nur an Maßnahmen

auf dem Gebiete der allgemeinen Landesverwaltung, in Landeshoheits­

fachen, staatlichen Angelegenheiten gedacht fei und nicht an Maß­ nahmen in reinen Gemeindeangelegenheiten, insbesondere auf dem Gebiete der Vermögensverwaltung.

Vgl. Entsch. des OVG. Bd. 9 S. 57, 61, Bd. 37 S. 106flg., Bd. 41 S.165flg.; v. Brauchitsch (Studt, Braunbehrens), LandeS-BerwGes.

§ 132 Anm. 258; Keil, LandgemO. § 88 Anm. 1 C a und b; Kluckhuhn, Recht der Wirtschaftswege, Anm. 2V zu Z6 deS Ges.

vom 2. April 1887 (S. 245). Nur für das Gebiet der Gemeindeabgaben (Steuern und Naturaldienste) ist von jeher eine Ausnahme gemacht worden (Entfch. des OBG.'S

Bd. 9 S. 57, jetzt § 90 der Kommunal-AbgGes. vom 14. Juli 1893) und so unterliegt auch für die zur Unterhaltung gemeinschaftlicher Rezeßgrundstücke ausgeschriebenen Leistungen (§ 6 Abs. 2—4 deS Ges. vom 2. April 1887) die Zulässigkeit deS Verwaltungszwanges keinem Bedenken.

Vgl. Entfch. de- RG.'S (VII. Zivils.) Bd. 48 S. 431. Entsch. deS

OBG.'S Bd. 21 S. 143, 149flg., Bd. 23 S. 71. Au- den Bemerkungen in der Begründung des Gesetzes vom 2. April 1887 (Drucks, des Herrenhauses 1887 Bd. 1 Nr. 5) könnte man allerdings entnehmen, daß man dem Gemeindevorsteher weitergehende

Befugnisse zugeschrieben hat. So heißt es bei der Erörterung der Frage, ob durch Vollmachten geholfen werden könne, S. 11: „Für privatrechtliche Verhältnisse kann das Verwaltungszwangsverfahren, dessen sich die Gemeindevorstände nach § 132 deS LandeS-VerwGes. nur zur Durchsetzung ihrer in Ausübung der obrigkeitlichen Gewalt

getroffenen ... Anordnungen bedienen können, ohne weiteres nicht zur Anwendung gebracht, auch durch Vertrag nicht eingeführt werden." S. 12:

„Ebenso kann ... das Fehlen eines Organs für die Ver­

waltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu großen Unzuträglichkeiten führen. Die willkürliche Ausbeutung der zur gemeinschaft­ lichen Benutzung ausgewiesenen Anlagen, wie Lehm-, Sand- und Mergelgruben, Kalk- oder andern Steinbrüchen und dgl. hindert die Erzielung des bei ordnungsmäßiger Benutzung möglichen

Ertrags

und führt zur baldigen Erschöpfung. ... Der in solchen Fällen regel­

mäßig allein offene Rechtsweg bietet unter den angedeuteten tatsäch­ lichen Verhältnissen ... beinahe unüberwindliche Hindernisse."

S. 14:

„Nur dem Gemeindevorstande kann das für eine erfolgreiche Ver­

waltung jener Angelegenheiten unentbehrliche Recht eingeräumt werden, die Beteiligten im Wege des BerwallungSzwangSverfahrenS zur Er­

füllung der gemeinschaftlichen Verpflichtungen anzuhalten." Anderseits kann man einwenden, daß ohne ausdrückliche gesetz­

liche Bestimmung an dem bestehenden RechtSzustande nicht- geändert Entsch. in Zivils. 91. F. 29 (79).

4

werden konnte und daß man bei der Begründung des Gesetzentwurfs

möglicherweise nur an das auf S. 20 der Begründung hervorgehobene

Recht, ausgeschriebene Geldbeiträge von den Beteiligten beizutreiben,

gedacht habe, daß dementsprechend auch die Bemerkung des Re­ gierung-kommissars (Stenogr. Berichte des Abgeordn.-Hauses 1887 Bd. 2 S. 640), wonach Exekution nicht bloß wegen Geld, sondern

auch wegen „Handlungen" zulässig sein sollte, nur Naturaldienste im Auge gehabt habe.

Alle diese den Ausschluß des Rechtswegs nach §18 Abs. 1 und 2

des ZustGes. betreffenden Fragen konnten jedoch im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben, weil jedenfalls § 18 Abs. 3 des ZustGes.: „Der Entscheidung im BerwaltungSstreitverfahren unterliegen des­ gleichen Streitigkeiten zwischen Beteiligten über ihre in dem öffent­

lichen Rechte begründete Berechtigung ... zu den im Abs. 1 bezeich­ neten Nutzungen" ... den Rechtsweg ausschließt. (Vgl. Entsch. des OVG.'S Bd. 41 S. 166, 167.) Daß im vorliegenden Falle *bie

Parteien, sowohl die sämtlichen Kläger, als auch der Beklagte, zu den an der gemeinschaftlichen Sandgrube Beteiligten gehören und daß der Streit die Berechtigung zur Nutzung der Sandgrube betrifft,

unterliegt keinem Zweifel.

Zweifelhaft könnte nur sein, ob in den Fällen des Ges. vom 2. April 1887 der § 18 (34) Abs. 3 des ZustGes.

finngemäße Anwendung finden kann. Vgl. Kluckhuhn, Recht der MrtschastSwege I §34 V 4 (S. 142), und Komm, zum Ges. vom 2. April 1887 § 1 Anm. 2c a. E. (S. 199),

§ 6 Anm. 2G.H. (S. 247, 248.) Unter Bezugnahme auf das Urteil des erkennenden Senats in Gruchots Beitr. Bd. 42 S. 1070 wird geltend gemacht, die Klage

einzelner Teilhaber gegen die Gesamtheit, oder umgekehrt die der

Gesamtheit oder einzelner Teilhaber gegen andere, wegen übermäßiger Benutzung, insbesondere zu gewerblichen Zwecken, betreffe Jndividual-

(Sonder-) Rechte der einzelnen Teilhaber und unterliege nach wie vor dem Rechtswege.

§§ 18, 34 Abs. 3 des ZustGes. setzten voraus,

daß die Nutzungsrechte im öffentlichen Recht ihren Ursprung hätten

und seien bei Privatrechten, wie sie hier vorliegen, unanwendbar, zumal da nach § 7 des LandeS-VerwGes. die Entscheidungen im Ber­

waltungSstreitverfahren unbeschadet aller privatrechtlichen Verhältnisse ergingen.

Diese Erwägungen konnten jedoch nicht für durchschlagend erachtet werden. Daß eS sich bei den durch AuSeinandersetzungSrezesse begrün­

deten Gemeinschaften um Privatrechtsverhältnisse handelt, ist niemals,

insbesondere auch nicht von den Gesetzgebern des Gesetze- vom 2. April 1887 . verkannt worden.

(Vgl. die Begründung a. a. O. und den

Komm.-Ber. deS Abgeordn.-HauseS 1887Anl.Bd.3Nr.80 S.1787flg.)

Demungeachtet haben Zweckmäßigkeitsgründe und der Umstand, daß sich die Miteigentümer der Gemeinschaften zumeist mit den Gemeinde-

mitgliedern oder doch einer Klasse dieser Mitglieder decken,

dazu

geführt, bei diesen Gemeinschaften die Privatinteressen dem öffent­

lichen Interesse unterzuordnen und die Verwaltung jener Privatgerecht, same der der öffentlichrechtlichen Gemeindeangelegenheiten gleichzustellen.

Insoweit daher die Privatrechte in dem die Grundlage der Gemein­ schaften bildenden oder sie ausgestaltenden Rezesse ihren Grund haben, stehen sie den Gemeindeangelegenheiten und den Bürgergerechtsamen, die im öffentlichen Recht ihre Grundlage haben, gleich. Dementsprechend kann auch § 7 deS LandeS-VerwGes. für das Gebiet deS Ges. vom

2. April 1887 nur eine entsprechend engere Bedeutung haben.

So­

weit demnach der Streit die rezeßmäßige Regelung und die daraus hergeleiteten Befugnisse, insbesondere auch deren Umfang betrifft, unterliegt er dem BerwaltungSstreitverfahren, soweit dagegen andere besondere Privatrechtstitel (Sonderrechte) vorliegen, würde § 7 des

Landes-BerwGes. Platz greifen.

nicht

nur

die

Rechtsprechung

Auf diesem Standpunkte steht auch

deS

VII. Zivilsenats

deS Reichs­

gerichts, Entsch. in Zivils. Bd. 47 S. 318, sondern auch die deS er­

kennenden Senates: Entsch. Bd. 51S. 339, Urt. vom 20. Februar 1911

Rep. V. 270/10. Das Erkenntnis in GruchotS Beitr. Bd. 42 S. 1070 hat nicht den Fall der Verwaltung, sondern nur den der Vertretung in gemeinschaftlichen Angelegenheiten im Auge.

DaS Berufungsurteil stellt sich hiernach als zutreffend dar." ...

11. In welchem versicherungspflichtigen Betrieb ist der landwirt­ schaftliche Tagelöhner beschäftigt, der beim Ausdreschen des Getreides feines Dienstherr«

vom Dreschmaschinenuaternehmer

einleger verwendet wird? LandwUnfVersGes. §§ 146, 147, 151.

GewUnfVersGes. §§ 135, 136, 140.

al»

Getreide­

VI. Zivilsenat.

I. II.

Urt. v. 11. März 1912 i. S. R. (Kl.) w. L. (Bell.). Rep. VI. 411/11.

Landgericht Straßburg. Oberlandesgericht Colmar.

Aus den Gründen: „Der Landwirt SB. hatte dem Beklagten den Ausdrusch seineGetreide- gegen 3 M Stundenlohn übertragen. Der Beklagte mußte die Maschine stellen, den Betrieb leiten, zwei Einleger zum Einlegen de- Getreide- in die Maschine mitbringen und sie entlohnen. Da­ gegen mußte SB. die Kohlen liefern und die Zuträger zum Zutragen de- Getreide- und Wegtragen de- Strohe- stellen und entlohnen. Auf Geheiß W.'S sollte der Kläger, einer seiner Tagelöhner, bei der Dreschmaschine als Zuträger mit helfen. Der Beklagte be­ schäftigte aber den Kläger auf dessen Bitte und ohne Einspruch des dabei anwesenden SB. auf der Maschine selbst. Am Vormittage reichte der Kläger, auf der Maschine stehend, dem Einleger da- Ge­ treide zum Einlegen al- dessen Gehilfe zu. Am Nachmittage war er selbst al- Einleger tätig; der Beklagte war in eine Wirtschaft gegangen, hatte die Besorgung der Maschine dem Einleger M. über­ tragen, ihn von der Maschine heruntergenommen und angeordnet, da- Einlegen sollten der zweite Einleger und der Kläger allein schaffe». Bei dieser auf Weisung des Beklagten verrichteten Tätigkeit als Ein­ leger, al- er, auf der Maschine stehend, mit der Gabel die Gerste unmittelbar in die Maschine einlegte, rutschte der Kläger in die Walzen hinein. Da- Berufungsgericht stellt fest, der Beklagte habe den Unfall dadurch schuldhaft verursacht, daß er die ihm vermöge seine- Ge­ werbes obliegende Aufmerksamkeit verletzt habe, und verneint ander­ seits, daß dem Kläger ein eigene- Verschulden zur Last falle, dadie Haftung des Beklagten nach § 254 BGB. auch nur mindern könnte. Danach hält da- Berufungsgericht den Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB. verb. mit § 230 Abs. 2 StGB, an sich für verpflichtet, dem Kläger den unversicherten Schaden, soweit er die Entschädigung au- der Unfallversicherung übersteigt, zu ersetzen. Aber e- weist diesen Anspruch, abgesehen von dem Vermögen-schaden für die ersten

13 Wochen, seit dem Unfälle deshalb ab, weil der Kläger den Unfall

zugleich im versicherungspflichtigen Betriebe des Beklagten als eines selbständigen, in das Kataster der Süddeutschen Eisen- und Stahl-Be­

rufsgenossenschaft eingetragenen Dreschmaschinenunternehmers erlitten habe. Danach sei der Beklagte nicht ein in den §§ 146, 147 Landw.UnfBerfGes. und in den §§ 135, 136 GewUnfBersGes. bezeichneter Dritter im Sinne des § 151 LandwUnfBersGes. und des § 140 GewUnfBersGes. und er habe daher auch nicht nach der erwähnten

Vorschrift des § 823 Abs. 2 BGB. für den Schaden zu haften, wegen dessen dem Kläger ein öffentlichrechtlicher Schadensersatz­ anspruch zusteht. Hierzu führt das Berufungsgericht folgendes aus: Zwar habe

die landwirtschaftliche Berufsgenoffenschaft für Unter-Elsaß ihre Ver­

sicherungspflicht anerkannt, aber diese, allerdings zwischen dem Kläger und dem Landwirte W. bindende Entschließung lasse die Frage offen, ob etwa der Beklagte als Dritter nach sonstigen Gesetzesvorschriften zu

hasten habe.

Der Beklagte sei selbständiger Dreschmaschinen­

unternehmer gewesen» und zwar sowohl dem Kläger als dem W. gegenüber. Der Betrieb sei für seine Rechnung gegangen; er habe die Ausgaben zu leisten gehabt und ihm sei der Unternehmergewinn

zugeflossen.

Ihm allein habe auch über den gesamten eigenilichen

Betrieb der Maschine, unabhängig von W.» die Verfügung zugestanden.

Mit W. habe er über den Ausdrusch einen Werkvertrag, keinen Dienst­

vertrag geschlossen. Was aber den Kläger angehe, so sei dieser, ohne aus dem landwirtschaftlichen Betriebe W.'s auszuscheiden,

auf der

Dreschmaschine als Einleger beschäftigt worden; damit seien der Kläger,

der Beklagte und auch W. einverstanden gewesen.

Also sei der

Kläger in einer unmittelbar auf den Dreschbetrieb gerichteten Tätig­ keit im Betriebe des Beklagten beschäftigt worden und habe dessen

besonderen Anordnungen über die Bedienung der Maschine unter» standen.

Habe auch W. dem Kläger den Lohn zahlen müssen, so

habe er sich doch um die Bedienung der Maschine nicht zu kümmern

gehabt.

Danach habe der Kläger den Unfall zugleich im Sinne des

§ 91 LandwUnfBersGes. im versicherungspflichtigen Dreschmaschinen­ betriebe des Beklagten erlitten.

Die Revision dagegen meint, der Beklagte sei bei dem Unfälle im Sinne

des

§ 146 LandwUnfBersGes.

nicht

Arbeitgeber

des

Klägers gewesen.

Zwischen den Parteien sei ein Vertrag, wonach

der Kläger dem Beklagten unentgeltliche Dienste leisten sollte, nicht

geschlossen worden; vielmehr sei der Kläger auf der Maschine nur tätig gewesen, um seiner Dienstpflicht gegenüber W. nachzukommen.

Hiernach sei für den Kläger allerdings der Beklagte ein Dritter

gewesen. Die Revision ist nicht begründet.

Zwar erlitt der Kläger den

Unfall alS Tagelöhner W.'S in dessen landwirtschaftlichem Betrieb

und bezieht auch daraufhin von der landwirtschaftlichen Beruft« genossenschast eine Unfallrente. Aber damit ist die Frage nicht ent­

schieden, ob nicht etwa der Kläger den Unfall auch im gewerblichen Dreschmaschinenbettiebe deS Beklagten erlitten hat. Sie wäre zweifellos zu verneinen, wenn der Kläger am Unfalltage nur die ihm ursprüng­ lich von W. zugedachte Tätigkeit eines bloßen Zuträger- verrichtet

hätte.

Denn

die

vom

Landwirte

dem

Lohndrescher

als Hilfs­

personen zugewiesenen Zuträger haben mit dem eigentlichen Be­ triebe der Maschine nichts zu tun und zählen in dieser Tätigkeit

lediglich zu den gewöhnlichen landwirtschaftlichen Arbeitern.

Das­

selbe würde anzunehmen sein, wenn der Kläger hauptsächlich und

vorwiegend als Zuträger geholfen

und etwa

nur ganz vorüber­

gehend dm Einleger vertteten und auf kurze Zeit abgelöst hätte, z. B. solange dieser die Maschine schmierte.

Dmn durch eine solche

nur ganz gelegmtliche Aushilfe bei dem eigentlichen Maschinenbetriebe

würde der Kläger, wenn er wesentlich als landwirtschaftlicher Zu-

träger beschäftigt blieb, noch keineswegs in ein besondere- ArbeitLVerhältnis

und ebensowenig

in eine persönliche Abhängigkeit zum

Beklagten getreten sein (vgl. Urteil deS Senats vom 19. Mai 1909,

Rep. VI. 263/08., Sache aber hier.

Warneyer 1909 Nr. 461).

Anders

liegt die

Denn hier wurde der Kläger überhaupt nicht als

Zuttäger verwendet, sondern fortdauernd bis zum Unfall auf der Maschine selbst beschäftigt, vormittags als Einlegergehilfe und nach­ mittag- zur Zeit des Unfalls als eigentlicher Einleger.

Der Kläger

war also durchweg nur mit Berrichtungm bettaut, die regelmäßig dem eigentlichen Maschinenpersonal obliegen.

Diese Art seiner Ber-

wendung entsprach auch dem einmütigen Willen der Beklagtm und

der Landwirts W.

Dabei hatte der Kläger ausschließlich den An­

weisungen deS Beklagten, der den Maschinenbetrieb leitete, zu folgen,

während sich W. in keiner Weise um die Maschine zu kümmern hatte. Eine solche von der Leitung des Beklagten ausgehende und abhängige

Tätigkeit deS Klägers stellt allerdings eine versicherungspflichtige Be­

schäftigung im gewerblichen Lohndreschbetriebe des Beklagtm dar und

begründet im versichemngSrechtlichen Sinne zwischen beiden ein Arbeits­ verhältnis in diesem Gewerbeunternehmen. Daß dieses ArbeitSverhältnis,

wie die Revision meint, auf einem besonderen Vertrage

zwischen den Parteien beruhen mässe und daß ferner der Kläger für seine Verrichtungen auf der Maschine vom Beklagten entlohnt werden

müsse, ist für die Annahme eines verstcherungSrechtlichen ArbeitsverhälnisseS nicht unbedingt erforderlich. Die Ausführungen, daß der Kläger bei seinen Verrichtungen auf der Maschine im Gewerbe­ betriebe des Beklagten beschäftigt gewesen ist, lassen somit nirgends Rechtsirrtum erkennen (vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 74 S. 222). Hat hiernach die Beschäftigung des Klägers, bei der er als Ein­

einen

leger den Unfall erlitten hat, auch für den zur Süddeutschen Eisenund Stahl-Berufsgenossenschaft gehörenden Dampfdreschbetrieb des Beklagten stattgefunden, so ist der Beklagte gegenüber dem Kläger

kein Dritter im Sinne des § 151 LandwUnfBersGes. und des

§ 140 GewUnfBersGes., der ihm gemäß § 823 BGB. den unver­ sicherten Schaden zu ersetzen verpflichtet wäre. Das Berufungsgericht

hat daher insoweft die Klage mit Recht abgewiesen."

12. SchadenSersatzanspruch deS bloß mittelbar Geschädigten. Schadens­

ermittelung.

FeststellnngSinteresse.

BGB. § 826. ZPO. § 287. 256.

VI. Zivilsenat.

Urt v. 11. März 1912 i.S. F. (Kl.) w. B. (Bell.).

Rep. VI. 442/11. L II.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Zwischen der Firma M. F., deren Inhaberin die Ehefrau des

Klägers ist, und dem Beklagten war unter dem 1. September 1908,

zunächst mit Wirkung bis zum 31. August 1923, ein Vertrag ge­ schlossen worden, wonach erstere alle ihr zugehenden Bestellungen an gewissen Waren der Firma deS Beklagten gegen eine in Prozenten der Kaufpreises bemessene Vergütung zur Ausführung zu überweisen

Im Frühsommer 1909 wurde dar Verhältnis von feiten

hatte.

des Beklagten gelöst, wie der Kläger behauptet, ohne rechtfertigenden Gmnd.

Der Kläger verlangte Schadensersatz, weil der Beklagte durch seinen Reisenden W. bei der Kundschaft rechtswidrig verbreitet habe, der Kläger habe dem Beklagten Gelder unterschlagen und sei deshalb

von ihm entlasten worden. Der durch da- behauptete Verhalten des Beklagten verursachte Schade wurde vom Kläger für das erste Jahr auf 7500 Jt beziffert und näher dahin begründet, eS seien im Geschäfte der Firma M. F. monatlich 700—800 Jl weniger an Einnahmen erzielt worden, seitdem wegen der vom Beklagten verbreiteten üblen Nachrede die stüheren Kunden deS Klägers von diesem „abgesprungen" seien. Der Beklagte wandte an erster Stelle ein, zur Geltendmachung

dieses Schadens sei der Kläger nicht aktiv legitimiert, weil der Schade nach dem Klagvorbringen im Geschäfte der Firma M. F. entstanden wäre, dessen Inhaberin die Ehefrau deS Klägers fei, während dieser selbst nur als GeschästSangestellter darin tätig sei.

Demgegenüber

wurde für den Kläger vorgetragen: abgesehen von dem der Firma M.F.

durch daS Verhalten des Beklagten entstandenen Schaden klage der Kläger den Schaden ein, der ihm persönlich als dem „Verleumdeten" entstanden sei.

Er sei, für seine Familie sorgend, in der Firma M. F.

tätig gewesen, und ihm persönlich sei durch die „Verleumdungen" die Möglichkeit

Anspruch

genommen,

weiter

zu

verdienen.

Somit

habe

sein

auf Schadensersatz nicht- zu tun mit einer eventuellen

Klage der Firma M. F.

DaS Berufungsgericht beschränkte seine Entscheidung auf die

Fragen der Aktivlegitimation deS Klägers und der Zulässigkeit der Feststellungsklage und verneinte beide.

Einen Schaden,

den der

Kläger als GeschästSangestellter der Firma M. F. erlitten habe, habe er nicht geltend gemacht.

Mangels ausreichender Grundlagen für

seinen Schadensanspruch könne auch ein rechtliche- Interesse an als­ baldiger Feststellung einer SchadenSersatzpflicht nicht anerkannt werden.

Die Revision deS Klägers wurde für begründet erachtet.

Au- den Gründen: „Darüber, in welchem ehelichen Güterrechte der Kläger und

seine Ehefrau leben, haben die Borinstanzen eine Feststellung nicht getroffen.

Daß der Kläger, soweit der gesetzliche Güterstand des

Bürgerlichen Gesetzbuchs in Frage kommt (§ 1380 BGB.» Art. 45 preuß. AG. z. BGB.), nicht etwa kraft ehemännlichen VerwaltungS- und

Nutznießung-rechts den Schaden einklagen kann, der im Geschäfts­

betriebe seiner Ehefrau entstanden ist, ergibt ohne weiteres § 1367

BGB., wonach der Erwerb der Frau aus dem selbständigen Betrieb eines ErwerbSgeschäftS VorbehaltSgut ist, auf daS sich die Verwaltung

und Nutznießung des Mannes nach § 1365 BGB. nicht erstreckt. Wenn im übrigen der Kläger, wie er ausdrücklich erklärt, den ihm erwachsenen Schaden ersetzt verlangt, so ist nicht zu verkennen, daß der geltend gemachte Schade nach der vorliegenden Klagebegründung in erster Linie im Erwerbsgeschäfte der Ehefrau des Klägers in die Erscheinung getreten ist, mithin insofern zunächst ihrem, nicht seinem Vermögensbereiche zugehört. Die Frage ist, ob und inwieweit der klagende Ehemann auf Grund dieser Darlegungen einen ihm er­

wachsenen Schaden überhaupt geltend machen kann.

Die Vorinstanzen haben für ihre Beurteilung bisher nur die Vorschrift des § 826 BGB. herangezogen; nicht minder könnten dafür auch § 824 BGB. und weiter § 823 Abs. 2 BGB. verb. mit § 186 StGB. (Entsch. deS

RG.'S in Zivils. Bd. 60 S. 5, 16) inS Auge zu fassen sein.

Für

die Frage indessen, ob der Kläger für seine Person überhaupt ge­

schädigt ist, kommt eS bei der gegenwärtigen Lage der Sache auf diese weiter möglichen rechtlichen Gesichtspunkte nicht entscheidend an.

Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung kann sich daher auf

die Anwendung

deS § 826 BGB. beschränken.

Daß dessen Tat­

bestand schlüssig behauptet ist, kann nicht bezweifelt werden."

(Wird

auSgeführt.) „DaS scheint auch daS Berufungsgericht nicht verkannt zu haben. Die vom Kläger geltend gemachte Schadensfolge aber, daß er infolge deS Verhaltens des Beklagten in seinem durch die Tätigkeit im Ge­

schäfte der Firma M. F. erzielten Verdienste geschmälert sei, erscheint dem Berufungsgericht unbeachtlich. Der zur Begründung beigefügte

Satz, „es mag richtig sein, daß der Kläger mittelbar einen Schaden insofern erlitten hat, als ihm materiell die Einnahme der Firma M. F.

zugeflossen wäre; aber hierbei handelt eS sich nur um tatsächliche

Interessen, nicht um verletzte Rechte", ist nach mehreren Richtungen

recht-irrig. Zunächst kann keine Rede davon sein, daß nach § 826 BGB.

zum Schadensersätze nur die Verletzung bestimmter Rechte verpflichte. Eine derartige Beschränkung findet im Gesetze, das nur schlechthin von der Zufügung eines Schadens spricht, keine Grundlage. Der fehlsame Satz der angefochtenen Urteils beruht anscheinend auf einer Vielmehr genügt, wie auch

Verwechselung mit § 823 Abs. 1 BGB.

Rechtsprechung

in der

des

Reichsgerichts

schon

wiederholt

aus­

gesprochen und in der Rechtslehre anscheinend nicht bestritten ist, zur

Anwendung

weitesten

des

§ 826 BGB.

jede

Sinne (§§ 249 flg. BGB ),

also

Schadenszufügung im jede nachteilige Ein­

wirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit, auch die Be­ einträchtigung einer bloß tatsächlichen Erwerbsaussicht, des Kund-

schastSverhältnisfeS und ähnliches (Dgl. RGRKomm. z. BGB. § 826 Anm. 4 u. die das. angef. Rechtsprechung; auch die Kommentare

von v. Staudinger, Oertmann und Planck zu § 826).

Demnächst scheint das Berufungsgericht, wie die Bezeichnung

deS vom Kläger geltend gemachten Schadens als eines mittelbaren nahe legt, anzunehmen, daß den Anspruch aus § 826 ein „un­

mittelbar" Geschädigter erheben, daß dagegen ein bloß „mittelbarer" Schade auf Grund des § 826 nicht erstattet verlangt werden könne. Auch diese Rechtsansicht kann nicht gebilligt werden. Rach § 823 Abs. 1 BGB. ist ersatzberechtigt derjenige, dessen

Recht oder RechtSgut verletzt ist, nach Abs. 2 daselbst derjenige, dessen Schutz daS verletzte Schutzrecht bezweckt.

Handlung

Vermögensschaden erleidet,

Wer durch die unerlaubte

ohne Träger deS verletzten

Rechtes oder RechtSguteS nach Abs. 1 zu sein oder ohne unter dem

Schutze deS Schutzgesetzes nach Abs. 2 zu stehen, dem kommt ein Ersatzanspruch nicht zu.

In diesem Sinne ist es anerkannten Rechtens,

daß schadensersatzberechtigt nach § 823 BGB. nur der unmittelbar

Geschädigte ist (Prot. II, 571).

BGB.

ist

Nur im Umfange der §§ 844, 845

ein Schadensersatzanspruch auch solchen Personen ein­

geräumt, die durch die unerlaubte Handlung bloß mittelbar ge­ schädigt sind (Entsch. d. RG.'S in Zivils. Bd. 55 S. 30).

Die Vorschrift des tz 826 BGB. ist indessen viel allgemeiner

gefaßt als § 823.

Hier werden nicht bestimmte Personen bezeichnet,

denen Rechtsansprüche wegen sittenwidrigen Handelns gewährt werden. Schlechthin jeder, der durch solches Handeln Schaden leidet, kann ihn

ersetzt verlangen, sofern er ihm nur vorsätzlich zugefügt worden ist. ES wäre auch gar kein innerer Grund dafür erkennbar, warum ein Verhalten, sofern eS überhaupt gegen die guten Sitten verstößt, nur

gewissen Personen gegenüber eine Schadensersatzpflicht begründen sollte,

anderen gegenüber dagegen nicht (vgl. v. LiSzt, Delikt-obligation S. 99). Wenn daher in v. StaudingerS Kommentar zum BGB. § 826 Bem. 4 gelehrt wird: „Ersatzberechtigt ist lediglich derjenige, gegen

den die illoyale Handlung sich richtet und der durch sie unmittelbar geschädigt ist", so ist dies mindestens irreführend. Sofern damit der Kreis der Schadenssatzberechtigten im Sinne der bereits im vor­

stehenden zurückgewiesenen Recht-ansicht eingeengt werden soll, genügt eS, aus daS bereit- Au-geführte zu verweisen. Sollte aber etwa im übrigm damit für § 826 ein unmittelbarer Kausalverlauf erfordert werden, so würde die- erst recht der inneren Berechtigung entbehren und ohne ersichtlichen Grund über die Voraussetzungen auch des

§ 823 BGB. hinausgehen.

Denn danach gibt da- Bürgerliche

Gesetzbuch (Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 57 S. 355) einen An­ spruch auf Schadensersatz in der Regel zwar nur dem im bereits er­ örterten Sinne unmittelbar Geschädigten, legt aber darauf kein Ge­

wicht, ob der eingetretene Schade eine unmittelbare oder nur eine mittelbare Folge der Handlung des Dritten ist. In der a. a. O.

angeführten Entscheidung deS Reichsgerichts vom 6. Juli 1908 (Rep. VI. 539/1907, abgedruckt bei Warneyer 1908 Nr. 632) ist eine vom

Ausgeführten abweichende Rechtsansicht nicht vertreten, sondern ledig­ lich ausgesprochen, daß Schaden eingetreten sein muß, daß eS nicht genügt, wenn solcher bloß eintreten kann.

Auch der in v. Stau-

dinger'S Kommentar a. a. O. angeführte Satz au- Prot. II, 576,

wonach man in der zweiten Kommission darüber einig war, daß „nur derjenige einen Anspruch aus Schadensersatz haben solle, gegen den

die illoyale Handlung sich richtet,, nicht auch ein mittelbar Betroffener", könnte nicht eine Auslegung rechtfertigen, die im Wortlaute des Ge­

setzes keine Stütze findet.

Im

übrigen

aber

kann

jener Satz

aus

den

Protokollen,

anders verstanden, eine auch für den Inhalt de- geltenden Gesetzes

zutreffende Auffaflung zum Ausdruck bringen.

Es trifft nämlich

das Erfordernis der Unmittelbarkeit der SchadenSznfügung in einem anderen Sinn auch für § 826 BGB. zu, und zwar inbezug auf

die subjektive Seite des Tatbestands.

Vorsätzlich schädigen kann

der sittenwidrig Handelnde nnr dann, wenn er sich dessen bewußt

ist, daß der andere den Schaden leiden werde, wobei eS genügt, wenn der hat,

Handelnde den schädlichen Erfolg als möglich vorausgesehen aber

um

den

zunächst

verfolgten

Zweck zu erreichen,

die

Handlung mit allen als möglich vorausgesehenen Folgen auf sich nehmen will. Auch bezüglich des ferner stehenden „ mittelbar * Geschädigten muß daher dem Schädiger das Bewußtsein und der Wille der Schädigung nachgewiesm werden, muß sich die illoyale Handlung gegen jenen gerichtet haben. In diesem Sinne wird der Schädiger allerdings nicht haften, soweit vom Schaden jemand nur „mittelbar" betroffen worden ist, d. h. bezüglich dessen sich der Schädiger diesen Erfolg seines Handelns nicht mehr vorgestellt hat.

Diese Rechtsansicht ist auch in der Rechtsprechung des Senats schon mehrfach znm Ausdruck gekommen, so Jur. Wochenschr. 1903 Beil.

S. 142 Nr. 313 und in den insoweit nicht veröffentlichten Ent­ scheidungen Rep. VI. 164/05 und 211/09.

Aus der Rechtslehre

seien als zustimmend angeführt Planck § 826 BGB. Bem. 4, Dern-

burg II2 § 393 11,4 und Goldmann-Lilienthal S. 889. Daß

hierbei der Handelnde im einzelnen weiß, wer der durch sein Ver­ halten Geschädigte ist, ist nicht zu erfordern.

ES genügt, daß er daS

Bewußtsein hatte, er werde daS Vermögen eines anderen schädigen.

Konnte er nicht übersehen, wen gerade der Verlust treffen werde, so richtete sich sein Vorsatz gegen jeden, den er durch seine vorsätzliche

Handlung bewußt gefährdete

(Entsch. deS RG.'S Rep. VI. 47/06;

217/09). Unerörtert kann hiernach bleiben, ob der Kläger in Ansehung des durch Verringerung der Geschäftseinnahmen der Firma M. F.

erwachsenen Schadens überhaupt mit Recht als nur mittelbar ge­ schädigt bezeichnet worden ist.

Bei der erneuten Beurteilung der

Sache wird eS lediglich darauf ankommen, ob die Schädigung deKlägerS im ausgeführten Sinne vom Borsatze deS Beklagten mit­

umfaßt war. Seiner Höhe nach wird dieser Schade vom Berufungs­ gerichte durch Schätzung zu ermitteln sein. Nach den vom Reichs-

gericht in fester Rechtsprechung zu § 287 ZPO. entwickelten Grund­ sätzen (vgl. Entsch. de- RG.'S in Zivils. Bd. 9 S. 418, Bd. 10 S. 78,

405, Bd. 25 S. 78; Warneyer 1909 Nr. 534) darf, wenn daGericht auch nur im allgemeinen zu der Überzeugung gelangt, daß

ein Schade entstanden ist, nicht wegen mangelnder Substanzierung eine- bestimmten Betrags der ganze Anspruch abgewiesen werden,

sofern nur nicht alle Unterlagen für eine Schätzung fehlen, was hier nicht wird gesagt werden können. Aus allem Ausgeführten ergibt sich endlich ohne weiteres, daß dar Berufungsgericht auch mit Unrecht dem Kläger das rechtliche FeststellungSintereffe im Sinne der § 258 ZPO. abgesprochen hat.

Die Erwerbseinbuße im eheweiblichen Geschäft ist auch bezüglich deS vom Kläger geltend gemachten künftigen Schadens eine nicht schlechthin abzuweisende Unterlage, und nachdem der SchadcnSanspruch für das erste Jahr wie geschehen bestritten worden ist, erscheint ein aus­ reichendes Interesse an dem verlangten FeststellungSauSspruche ge­ geben.". ..

13.

1.

Bedarf

eS

zur

einer

Verlegung

Trinkhalle

nach einer

anderen Gemeinde einer neuen Schankerlaubnis? 2.

Ist unter

Gewerbebetrieb

im

Sinne

der

Tarifst. 22c

des preuß. StempStGef. nur der konzessionierte Einzelbetrieb zu verstehe«? GewO. § 33.

Preuß. StempStGef. vom 26. Juni 1909 Tarifst. 22c. AusfBest. vom 16. August 1910 Ziff. 53.

VII. Zivilsenat.

Uri v. 12. März 1912 i.S. Sch. (Kl.) w. preuß.

SteuerfiskuS (Bekl.). I.

n.

Rep. VII. 436/11.

Landgericht Cöln. OberlandeSgericht daselbst.

Der Kläger, der in M. eine Trinkhalle besaß, wünschte diese nach der

Gemeinde N. zu verlegen und beantragte beim KreiSauSschuß, ihm dazu die Schankerlaubnis zu erteilen. Durch Beschluß des KreiSauSschuffeS

tourbe diesem Anträge stattgegeben und der Kläger aufgefordert, für

den Erlaubnisschein 50 Jt Stempel zu entrichten.

Er zahlte dm

geforderten Betrag, erhob dann aber Klage auf Rückzahlung und

machte geltend, daß eS einer Erlaubnis überhaupt nicht bedurft hätte, da er die Konzession für eine Trinkhalle schon besessen habe. Keines­ falls sei er zur Entrichtung eines Stempels von 50 JL verpflichtet

gewesen.

Allerdings gehöre sein gesamter Gewerbebetrieb zur 8. Ge­

werbesteuerklasse; für den Stempel zur Erlaubniserteilung könne aber nur der konzessionierte Gewerbebetrieb in Betracht kommen.

wurde

Klage

abgewiesm;

Berufung

und

Revision

Die

blieben ohne

Erfolg.

Gründe: „Nach Tarifst. 22c des preuß. StempStGes. vom 26. Juni

1909 unterliegen Erlaubniserteilungen zum ständigen Betriebe der Schankwirtschaft (§ 83 GewO.) einem Stempel von 50 JL, wenn der

Gewerbebetrieb in die 8. Gewerbesteuerklasse gehört. Der Kläger macht in erster Linie geltend, daß es sich im vorliegenden Falle nicht um den Beginn eines neuen oder die Erweiterung eines bestehenden

Gewerbes, sondern um die bloße Verlegung einer schon konzessionierten Trinkhalle handle und daß deshalb eine Erlaubnis nicht erforderlich gewesen sei. ES könnte sich zunächst fragen, ob diese Ausführungen gegenüber der Tatsache, daß Kläger die Erlaubnis freiwillig und

ohne jeden Vorbehalt vachgesucht hat, überhaupt erheblich sind. Allein auch wenn man diese Frage zu seinem Gunsten bejaht, so ist doch

der Anspruch auf Rückzahlung des Erlaubnisstempels jedenfalls um deswillen unbegründet, weil es in der Tat einer neuen Erlaubnis

bedurft hatte.

Die dem Kläger früher erteilte Erlaubnis bezog sich

auf eine ganz bestimmte Schankstätte, nämlich auf eine Trinkhalle an

einem bestimmten Punkte der Gemeinde M.

In Zukunft wollte

der Kläger die Schankwirtschaft in einer Trinkhalle betreiben, die an einem anderen Orte, und zwar an einem bestimmten Punkte der Ge­ meinde N. aufgestellt werden Schankwirtschaft konnte

sollte.

Die Erlaubnis zu dieser

er jedoch nicht

schon unter Hinweis auf

die Tatsache beanspruchen, daß er eine gleiche Erlaubnis für M.

besessen hatte.

ES mußte vielmehr jetzt wieder von neuem geprüft

werden, ob die in N. aufzustellende Trinkhalle nach Beschaffenheit

und Lage den polizeilichen Anforderungen genügte und ob auch gegen bett Kläger persönlich Bedenken nicht vorlagen. Hätte sich bei dieser

13.

Schankerlaubnis.

Erlaubnisstempel.

Gewerbebetrieb.

63

Prüfung ergeben, daß e8 in irgend einem wesentlichen Punkte an den

gesetzlichen Voraussetzungen fehlte, so hätte die Erlaubnis zur Schank­

wirtschaft in N. versagt werden müssen. Vgl. Urteil des OBerwGer. vom 30. Juni 1881 (bei Reger, Entsch.

Bd. 1 S. 359) und Urteil des Reichsgerichts, IV. SrafsenatS, vom 2. Juni 1885 (ebenda, Entsch. Bd. 9 S. 219).

Die Revision beruft sich für die gegenteilige Ansicht auf v. Schicker,

4. Aufl. S. 137 Note 7 c. Allein hier ist nur gesagt, daß sich ein Wechsel im Lokal, eine Verlegung oder sonstige Änderung in bezug auf das Lokal, bloß als Änderung eines Teile- der Konzession und daß sich die Erlaubnis zu einer solchen Änderung nicht als eine völlig

neue Konzession darstelle, sodaß nur diejenigen Berhältnisie von neuem zu prüfen seien, welche durch die Änderung betroffen würden. Wenn aber überhaupt eine neue Prüfung erforderlich ist, die an sich zur Versagung der Erlaubnis führen kann, so ist klar, daß die auf Grund einer solchen Prüfung erteilte Erlaubnis auch sachlich eine neue Er­ laubnis und nicht eine bloße Formalität ist. Übrigens erkennt

v. Schicker selbst an, daß nach der herrschenden Praxi- die Erlaubnis zur Verlegung einer Schankwirtschast in ein anderes Lokal in jeder Beziehung als eine völlig neue Konzession aufgefaßt wird. (Vgl. auch Landmann, 6 Aufl. Bd. 1 S. 325 Note 8c und d.)

Eine weitere Rüge der Revision betrifft die Auslegung des

Wortes Gewerbebetrieb in Tarifst. 22 c.

der Ansicht,

daß

darunter

Der Berufungsrichter ist

nicht der konzessionierte Einzelbetrieb,

sondern der gesamte Gewerbebettieb des Antragstellers zu verstehen

sei.

Die Revision beruft sich demgegenüber auf Nr. 53 der AuS-

führungsbestimmungen vom

16. August 1910, woraus nach ihrer

Meinung hervorgehen soll, daß für die Bemessung der Höhe deS

Stempels, nur

der Inhalt

deS Erlaubnisschein-

könne. Dem ist nicht beizutreten.

maßgebend

sein

Allerdings ist in Nr. 53 a. a. O.

bestimmt, daß die Erlaubniserteilungen vor der Aushändigung mit

einem Stempel von 1,50 JH zu versehen sind, sofern nicht der die Erlaubnis Nachsuchende die Verwendung eines höheren Stempels selbst beantragt, und eS soll durch die Verwendung eine- Stempels

von 1,50 Jl die Versteuerung derjenigen Erlaubnisscheine al- erledigt gelten, welche zum Betriebe von Gewerben erteilt werden, bei denen

von

vornherein

mit

Sicherheit

anzunehmen

ist,

daß weder der

jährliche Ertrag 1500 Jl, noch das Anlage- und Betriebskapital 3000 JH, erreicht. Allein es ist nicht ersichtlich, wie aus dieser Be­ stimmung gefolgert werden könnte, daß es für die Bemessung des Erlaubnisstempels auf den sonstigen Gewerbebetrieb nicht ankomme. Sie bezieht sich in ihrem Schlußsatz offenbar nur auf diejenigen Fälle, in welchen außer dem konzessionspflichtigen ein anderer steuerpflichtiger Gewerbebetrieb nicht in Frage kommt. Im übrigen kann auf das Urteil des erkennenden Senats vom 18. April 1902 (Entsch. in Zivils. Bd. 51 S. 202) verwiesen werden. Diese- Urteil beschäftigt sich zwar mit Tarisst. 22 c des früheren Stempelsteuergesetzes vom 31. Juli 1895, allein was dort über den Ausdruck Gewerbebetrieb gesagt ist, trifft auch für da- jetzt geltende Gesetz zu." ...

14. Können gegen den preußischen FiSkuS von den Anliegern des Oderstromes Ersatzansprüche wegen solcher Nachteile erhoben werden, die ihren Grundstücken durch die nach dem Gesetze vom 6. Juni 1888 angeorduete Aufstauung des Flusses erwachsen sind? Einl. z. Pr. ALR. § 75. Preuß. Kab.-Order vom 4. Dezember 1831 (GS. S. 255). Preuß. Gesetz vom 6. Juni 1888, betr. die Verbesserung der Oder usw. (G.S. S. 238). VII. Zivilsenat. Urt. v. 12. März 1912 i. S. preuß. Fiskus (Bekl.) w. K.'sche Eheleute (Kl.). Rep. VII. 475/11. I.

II.

Landgericht Oppeln.

Oberlandesgericht Breslau.

Die Strombauverwaltuug von Schlesien hat auf Grund des Ge­ setzes vom 6.Juni 1888, betr. die Verbesserung der Oder usw. (GSS.238) zur Verbesserung der Schiffahrt in der Oder Stauwerke angelegt, u. a. auch die Staustufe in Sowade, vermittels deren der Stand des OderwafferS während einer gewissen Zeit im Jahre erhöht wird. Die Kläger sind Eigentümer des Grundstückes Blatt N.476 ©., zu welchem

Acker und Wiesen gehören. Nach ihrer Behauptung bewirkt die Stau­ anlage da- Steigen de- Grundwassers und schädigt infolgedessen die davon betroffenen in der Nähe der Oder belegenen Grundstücke, ins­

besondere auch das ihrige. Sie forderten klagend Schadensersatz in Höhe von 6062,50 Jt nebst Prozeßzinsen. Das Landgericht erkannte

nach dem Klagantrage.

Das OberlandeSgericht hat den Klägern

einen Eid auferlegt und für den Fall der Leistung den Klaganspruch

dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, für den Fall der Nicht­ leistung, auch nur von feiten eines der Kläger, die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Fiskus ist die Klage abgewixsen worden. Gründe: „Der erste Revisionsangriff, der unrichtige Anwendung des § 75

Eial. z. ALR. rügt, ist begründet. Ja feststehender Rechtsprechung ist anerkannt, daß die §§ 70, 75 Einl. z. ALR. in dem Falle keine Anwendung finden, wenn das Privat­

eigentum einzelner Mitglieder des Staates durch eine Maßregel der Gesetzgebung benachteiligt wird oder verloren geht und in dem diesen Eingriff verursachenden Gesetze vom Staat eine Entschädigung nicht zugesagt ist. Vgl. Entsch. des OTrib. Bd. 32 S. 160;

Entsch. des RG.'s in

Zivils. Bd. 45 S. 252, Bd. 60 S. 326; Gruchot Bd. 43 S. 950,

Bd. 49 S. 1132; Urteil des V. Zivilsenat- vom 4. Dezember 1909 Rep. V. 67/09 bei Warneyer Erg. Bd. 3 Nr. 84.

Diese Rechtsprechung hat ihre Grundlage in der die landrechtlichen Bestimmungen einschränkenden Kabinettsorder vom 4. Dezember 1831, die mit dem Staaisministerialberichte vom 16. November 1831 als Anlage in der Gesetzsammlung veröffentlicht worden ist (GS. S. 255).

Nur auf Anordnungen der Verwaltungsbehörden soll sich die in § 75 Einl. festgesetzte Entschädigungspflicht beziehen, nicht auf Verletzungen

des Privateigentums, die auf dem Willen des Gesetzgebers beruhen. Es heißt in dem Berichte de- Staatsministeriums: „Jedesmal .... wenn der Landesherr erforderlich gefunden hat, eine Maßregel der

inneren Verwaltung unmittelbar durch einen Akt der Gesetzgebung anzuordnen, und wenn hierbei ein Bedürfnis vorhanden gewesen ist,

dem Privatinteresse vorzusehen, ist die Verpflichtung zum Schadens­

ersatz aus dem Staatsvermögen besonders festgesetzt worden. .. Der Berufungsrichter bezweifelt denn auch nicht, daß, wenn es sich entsch. in Sieilf. N. F. 29 (79).

5

im gegenwärtigen Fall um einen auf da- Gesetz vom 6. Juni 1888 zurückzuführenden Eingriff handle, der Anspruch der Kläger nicht

gerechtfertigt sei.

Er ist aber der Meinung, daß nicht daS Gesetz»

sondern die Staat-regierung die von den Klägern als schädlich be» zeichnete Anlage angeordnet habe und daß reine VerwaltungSmaß»

regeln in Frage ständen.

Dabei hat jedoch der Berufungsrichter

die Tragweite de- Gesetze- verkannt.

Die Kläger erblicken die sie benachteiligende Einrichtung in den Stauwerken, die in der Oder hergrstellt sind, insbesondere in der Anlage

der Staustufe Sopade. ES ist also zu prüfen, ob diese Aufstauung der OderstromS eine unmittelbar auf das Gesetz sich gründende Maßnahme gewesen ist, oder lediglich eine sich zwar im Rahmen deS Gesetze-

haltende, aber doch al- Ausfluß des freien Ermessen- zu betrachtende Verfügung der Verwaltungsbehörde, nämlich deS mit der Ausführung

des Gesetze- betrauten Minister- der öffentlichen Arbeiten. Schon der Wortlaut des Gesetzes deutet auf die Beantwortung der Frage im

ersteren Sinne. In Z 1 wird die Staat-regierung ermächtigt, u. a. „zur Verbefferung der Schiffahrt auf der Oder von Bre-lau bis Kofel" eine gewiffe Summe nach Maßgabe der Projekte zu verwenden, die von dem Minister der öffentlichen Arbeiten festzustellen sind. Die Mittel werden also nicht schlechthin, sondern im Hinblick auf be­

stimmte Pläne und zu deren Ausführung bewilligt. Daß dabei nicht

an Entwürfe gedacht war, die erst in Zukunft vvn der berufenen Stelle nach pflichtmäßigem Ermessen auszuarbeiten sein sollten, geht

unzweideutig auS der Begründung deS Gesetzentwurfs hervor (Drucks. deS Hause- der Abg. 1888 Bd. 4 Nr. 206).

Bereits in dem Gesetze

vom 9. Juli 1886, betr. den Bau neuer Schiffahrtskanäle und die

Verbesserung vorhandener Schiffahrtsstraßen (GS. S. 207), war die

Verbesserung der Schiffahrt auf der Oder von Breslau bis Kofel im

Sinne der Kanalisierung de- Stromes vorgesehen.

diese Aufgabe konnten

Die Milte! für

damals noch nicht zur Verfügung gestellt

werden, weil dar Projekt noch nicht ausgearbeitet war.

war die- aber geschehen.

Inzwischen

Die Begründung zu dem Entwürfe deS

Gesetzes vom 6. Juni 1888 legt in ausführlicher Weife dar, wie die

Lösung der schon durch daS Gesetz von 1886 gegebenen Aufgabe

erfolgen solle.

ES heißt, daß die für den Verkehr mit größeren

Schiffen erforderliche Vertiefung deS Stromes nicht mittels der ge»

14.

Schadensersatzanspruch gegen'Aufstauung eines FluffeS.

67

wöhnlichen Regulierung durch Einschränkungswerke, sondern nur durch die Kanalisierung, d. h. Aufstauung de- Strome- durch Nadelwehre und Überwindung de- vereinigten Gefälle- durch Kammerschleußen

erreicht werde. Ferner ist unter Bezugnahme auf eine beigefügte Übersichtskarte gesagt, daß die Zahl der Staustufen auf zwölf fest­

gesetzt sei, und die Karte weist auch schon die Staustufe Sowade auf. Wollten sonach die Träger der Gesetzgebung die Verbesserung der

Schiffahrt auf der oberen Oder nach Maßgabe eine- jedenfalls in seinen Grundzügen vorliegenden Projekt- und war nach diesem Pro­ jekte jene Verbesserung nur durch die Kanalisierung» d. h. durch die

Aufstauung de- Strome- zu erreichen, so umfaßte der gesetzgeberische Wille auch die Errichtung der Staustufen al- derjenigen Maßnahme, ohne welche die Absicht de- Gesetze- nicht zu verwirklichen war. Mithin läßt sich die Folgerung nicht von der Hand weisen, daß die

demnächst au-geführte Stauanlage ihr Dasein nicht dem Entschluß einer Verwaltungsbehörde, sondern der Anordnung de- Gesetzgeber­ verdankt. Ermächtigte dieser die Staat-regierung zur Verwendung der au-geworfenen Summe für den bezeichnete« Zweck, so ergab sich

daraus auch die Verpflichtung zur zweckgemäßen Verausgabung, und wenn die Aufstauung durchgcführt wurde, so geschah die- auf Grund

Davon erhellt nicht-, daß sie etwa unsachgemäß oder anders, als vorgesehen, bewirkt worden wäre. de- Gesetze-.

Der Fall liegt wesentlich ebenso, wie der vom V. Zivilsenat durch das Urteil vom 31. Mai 1899 entschiedene Rechtsstreit (Gruchot Bd.43

S. 950), in dem das Gesetz vom 20. Juni 1888, betr. die Regulierung der Stromverhältnisse in der Weichsel und Nogat (GS. S. 251) in

Betracht kam. Dort war die schädigende Beseitigung der Sommerdeiche eine notwendige Folge der in dem Gesetze § 1, c angeordneten Durch«

deichung der Danziger Weichsel und der Zurückverlegung der linkS«

seitigen Stromdeiche in Verbindung mit der vorgesehenen weiteren Änderung de- Stromprofils, und hier diente die Anlegung der Stau­ stufen unmittelbar der vom Gesetze für geboten erachteten Berbefferung der Schiffahrt auf der oberen Oder.

Hat nun diese Aufstauung ein

Steigen de- Grundwaffer- in den benachbarten Ländereien und damit

deren Verwässerung herbeigeführt, so steht der Schade im untrenn­

baren ursächlichen Zusammenhänge mit der Ausführung de- Gesetze-, und Ersatz kann nur insoweit begehrt werden, al- da- Gesetz selbst 6*

ihn zudilligt.

Diese- enthält

Entschädigung der Anlieger.

indes

nicht-

über

die Frage der

ES geht im Gegenteil au- der Be»

gründung hervor, daß man sie in- Auge gefaßt, aber einen Rechts» anspruch auf Schadensersatz nicht anerkannt hat.

ES ist dort, nach­

dem die Art der Aufstauung deS Stromes näher erörtert worden ist,

wörtlich bemerkt: „Die zu erwartenden Hebungen deS Binnenwasser-

standeS, namentlich in den Ländereien, welche in' der Nähe der Stau­ stufen liegen, sollen durch Aufhöhung der Flächen und deren Ent­

wässerung in daS Unterwasser möglichst unschädlich gemacht werden. Für solche Benachteiligungen aber, welche sich dessenungeachtet nicht

vermeiden lassen, sind angemessene Entschädigungssummen vor­ gesehen ... .* Man hat also an die Möglichkeit einer nachteiligen Einwirkung der beabsichtigten Anlage gedacht, den Beteiligten aber zum Ausgleich deS Nachteils nicht etwa einen privatrechtlichen Ersatz«

anspruch gegen den FiSkuS eingeräumt, vielmehr AufhöhungS- und Entwässerung-arbeiten geplant, von denen man den Ausgleich erhoffte, und erst wenn und soweit die davon erwartete Wirkung ausbleiben sollte, eine angemessene Entschädigung auS den verfügbaren Mitteln

in Betracht gezogen.

Daß dieser Standpunkt gebilligt worden ist,

beweist der Umstand, daß daS Gesetz über die Schadloshaltung der

Angrenzer nichts enthält und dadurch ein Privatrecht auf solche ausschließt. Auch insofern stimmt daS Gesetz vom 6. Juni 1888 mit dem die Weichsel und Nogat betreffenden Gesetze vom 20. Juni 1888 überein. In anderen ähnlichen Gesetzen ist die EntschädignngSfrage be-

sonders geregelt, so in dem Gesetz über die Befugnisse der Strom­

bauverwaltung vom 20. August 1883 (GS. S. 333) §§ 8, 9,11, ferner in dem Gesetze, betr. Maßnahmen zur Verhütung von Hochwasser­

gefahren in der Provinz Schlesien vom 3. Juli 1900 (GS. S. 171)

§§10 bis 13 und in dem Wasserstraßengesetze vom 1. April 1905 (GS. S. 179) §§ 12, 13, 14.

In dem Entwürfe des Gesetze-,

betr. den Nogatabschluß, vom 20. Juli 1910 (GS. S. 131), das der Staatsregierung für gewifle Anlagen nach Maßgabe der von

den zuständigen Ministern festzustellenden Entwürfe die Mittel zur Verfügung stellte, war ein Bestimmung (§ 3 Abs. 1 Satz 1) ausge­ nommen, welche die Ersatzpflicht für Schäden, die trotz fehlerfreier

Ausführung durch die in § 1 bezeichneten Anlagen hervorgerufen würden, ausdrücklich ausschloß. Nach der Begründung (Drucks. deS

Abgeordnetenhauses 1910 Bd. 6 S. 4014) sollte damit nicht etwa ein

neuer Rechtszustand geschaffen, sondern nur (zur Beseitigung von Be­

denken der zur Ausführung der Arbeiten heranzuziehenden Deichverbände) dem, was ohnehin Rechtens sei, nochmals Ausdruck gegeben werden.

In dem Gesetze selbst (§ 3) ist dann eine Ersatzpflicht in

sehr beschränktem Umfange festgesetzt; der Bezirksausschuß soll darüber

unter Ausschluß deS Rechtswegs entscheiden. Auch dieser Überblick zeigt, daß der Gesetzgeber in den Fällen,

in denen er eine Entschädigung für die nachteiligen Folgen der von ihm angeordneten Anlagen hat gewähren wollen, dies besonders aus­ gesprochen und näher bestimmt hat. Dem Berufungsrichter wäre beizutreten, wenn die Ausführung der Verbesserungsarbeiten dem Ermessen

der Verwaltungsbehörden überlassen worden wäre und man nicht

sagen müßte, daß die Anordnung der Aufstauung durch daS Gesetz erfolgt sei (vgl. Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 49 S. 241). Aus nachbarrechtlichen Gesichtspunkten (§ 906 BGB.) läßt sich ein Schadens­ ersatzanspruch

nicht

herleiten,

da

außer

Zweifel

steht,

daß

die

schädigende Maßnahme im öffentlichen Interesse getroffen worden ist.

Nach Art. 109 EinfGes. zum BGB. bleiben die landesgesetzlichen Vor­

schriften über derartige Maßnahmen unberührt, insbesondere also auch die Vorschriften, welche die Ersatzpflicht ausschließen, sofern dieBe-

fchränkung oder Entziehung des Privateigentums auf Gesetz beruht."...

15.

Ist es zulässig, auf erhobene« Widerspruch im Mahnverfahren

durch die nachträgliche Erklärung, es werde im Wechselprozesse ge­ klagt, daS Verfahren in dieser Prozeßform fortzuseyen? ZPO. 88 592, 602, 604, 693 Abs. 2, 696, 697.

I. Zivilsenat.

Urt. v. 13. März 1912 i. S. Bank in P. (Kl.) w.

W. (Bett.). I. II.

Rep.I. 423/11.

Landgericht Elbing, Kammer für Handelssachen. OberlandeSgericht Marienwerder.

Die Klägerin hatte beim Amtsgerichte Stuhm gegen dm Be­

klagten einen Zahlungsbefehl auf Zahlung von 5000 J? nebst 572 v. H. Zinsen vom 30. Januar 1909 an auf Grund zweier ihr angeblich zu-

stehenden Hypothekenforderungen und eine- über die gleichen For­

derungen ausgestellten Solawechsels vom 30. Januar 1908 erwirkt. Der Beklagte legte Widerspruch ein.

Die Klägerin beantragte mit

Schriftsatz, den Rechtsstreit an das Landgericht Elbing zu verweisen. Durch Beschluß vom 30. Juni 1911 entsprach dar Amtsgericht diesem Anträge.

Die Klägerin erhob hierauf mit Schriftsatz vom 4. Juli

1911 auf Grund des erwähnten Wechsels Klage im Wechselprozeß

und beantragte Verurteilung de- Beklagten zur Zahlung von 5000 M nebst 6 v. H. Zinsen vom 31. Juli 1909 sowie zur Tragung der Kosten deS Rechtsstreits einschließlich der Kosten deS Mahnverfahrens.

DaS • Landgericht

verurteilte nach kontradiktorischer Verhand­

lung den Beklagten diesem Anträge entsprechend.

DaS Oberlandes» gericht aber wie- die Klage als in der gewählten Prozeßart unstatt­ haft ab.

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Aus dm Gründen:

„DaS OberlandeSgericht führt aus, die erstinstanzliche Art der Verhandlung der Sache im Wechselprozesse wäre nur zulässig ge­ wesen, wenn der sich seiner äußeren Form nach als Wechselklage dar­

stellende Schriftsatz vom 4. Juli 1911 wirklich eine neue und selb­

ständige Wechselklage wäre.

Dies sei jedoch nicht anzunehmen.

Viel­

mehr müsse aus dem Umstande, daß in diesem Schriftsatz auf den vorauSgegangmm Zahlungsbefehl, bett Widerspruch und den Ver-

weisungSbeschluß ausdrücklich Bezug genommen worden, auch bean­ tragt ist, dem Beklagten die Kosten des Mahnverfahrens aufzuerlegen, gefolgert werdm, der Schriftsatz sei lediglich eine Ladungsschrift, bestimmt, da- eingeleitete Mahnverfahren durch Überführung in das gewöhnliche Prozeßverfahren fortzusetzen.

Der Vertreter der Klägerin

sei offenbar der irrigen Meinung gewesen, eS komme noch § 697 ZPO. a. F. zur Anwmdung, der, wenn gegen einen Zahlungsbefehl mit

landgerichtlichem Objekte Widerspruch erhoben war, zur Fortsetzung

deS Verfahrens eine förmliche Klage erforderte.

Sei aber der Schrift­

satz ,vom 4. Juli 1911 lediglich als Ladung aufzufassen, so sei der Übergang zum Wechselprozeffe, nachdem die Klage mit Zustellung deS

Zahlungsbefehls im ordentlichen Verfahren anhängig gewordm fei,

unzulässig gewesen, und zwar selbst dann, wmn der Beklagte hiermit einverstanden gewesen wäre und eine Rüge nach § 295 ZPO. nicht erhoben hätte.

Vgl. Gaupp-Stein (8./9. Ausl.) § 593 Anm. L; Stein, Novelle zur ZPO. § 696 Anm. III, 4; Neukamp, ZPO. § 593 Anm. 1. Die letztere Ansicht des Oberlandesgerichts ist jedenfalls zutreffend. Allerdings kann auch das Mahnverfahren zur Geltendmachung von Wechselansprüchen benützt werden. (Vgl. Enisch. des RG.'s in Zivils. Bd. 14 S. 32.) Aber der Kläger, der diesen Weg wählt, verzichtet damit auf die Verfolgung seines Anspruchs im Wechselverfahren, weil da- Mahnverfahren den zwingenden Vorschriften des Wechselprozesses nicht entspricht. Nach § 604 ZPO. „muß* die im Wechselprozesse erhobene Klage schon die Erklärung enthalten, daß im Wechselprozeffe geklagt werde. Der Klage „müssen* nach §§ 593, 602 die zum Beweise der klagebegründenden Tatsachen dienenden Urkunden in Ur- oder Ab­ schrift beigefügt werden. Die Nachholung in einem späteren Schriftsatz ist wirkungslos. (Vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 3 S. 377, Bd. 5 S. 351, Jur. Wochenschr. 1901 S. 159 Nr. 7.) Mit der Zustellung des Zahlungsbefehls treten die Wirkungen der Rechtshängigkeit ein (§ 693 ZPO). Aber nicht nur die materiellrechtlichen, sondern auch die prozeßrechtlichen (vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 25 S. 398). Die Klage ist, wenn rechtzeitig Widerspruch erhoben wurde, als mit der Zustellung des Zahlungsbefehls beim Amtsgericht er­ hoben anzusehen (8 696 Abs. 1 ZPO). Unter der Herrschaft des Rechtes, das bis zum 1. April 1910 in Geltung war, haben Rechtsprechung und Literatur in den Fällen des § 696 a. F. einen Übergang vom Mahnverfahren in den Wechsel­

prozeß durch eine in die Ladung aufgenommene Erklärung, es werde nunmehr im Wechselprozeffe weiter prozessiert, allgemein für unzulässig und unwirksam erachtet. Vgl. Entsch. des LLG.'S Dresden im Sächf. Arch. Bd. 13 S. 599, Kommentare zur ZPO. von Gaupp-Stein, § 696 Anm. 4; Seuffert, § 696 Anm. 2b; Struckmann und Koch, § 696 Anm. 1; Petersen, § 696 Anm. 2; Stein, Urkunden und Wechselprozeß S. 152. Man nahm an, daß die Klage mit Zustellung des Zahlungsbefehls als im ordentlichen Prozeß erhoben anzusehen sei. In dem Ent­ wurf I einer Deutschen Zivilprozeßordnung, sog. Justizministerialentwurf (Berlin 1871), wird S. 420 für Ansprüche mit amtSgerichtlichrr Zuständigkeit hervorgehoben, daß dm Weg zu dem etwa vom Kläger

beliebten Urkundenprozesie nunmehr nur die Zurücknahme der Klage und die Erhebung einer neuen Klage biete, da für den Urkunden­

prozeß daS Gesuch um Erlaß des Zahlungsbefehls nicht als Grund­ lage dienen könne. Für die Fälle, in denen eine wegen deS Anspruchs zu erhebende

Klage vor die Landgerichte

hebung

einer

gehört,

besonderen Klage

vor.

schrieb § 697 a F. die Er­

Bon dieser

Klage

wurde

von der in der Literatur herrschenden Meinung angenommen, daß

sie auch eine Wechselklage sein könne. Die Richtigkeit dieser Ansicht, die nicht unbestritten war (vgl. Skedl, DaS Mahnverfahren S. 138), kann hier dahingestellt bleiben.

Denn durch die Novelle vom 1. Juni

1909 ist die nachträgliche Erhebung einer besonderen Klage auch bei landgerichtlicher Zuständigkeit deS Anspruchs nicht mehr vorgesehen.

Vielmehr tritt nach Verweisung der Sache ans Landgericht auf erhobenen

Widerspruch gerade das Verfahren ein, das bisher für Ansprüche mit amtsgerichtlicher Zuständigkeit durch § 696 a. F. vorgeschrieben

war: der Kläger oder der Beklagte hat zur mündlichen Verhandlung zu laden. Da § 604 Abs. 1 ZPO. eine zwingende Formvorschrift enthält, die als solche auch keine entsprechende Anwendung gestattet, so ist es in diesem Abschnitte des Verfahrens ausgeschlossen, daß der

Kläger in den Fällen des § 696 a. F. etwa noch in dem Antrag

auf Terminsbestimmung oder in den Fällen deS § 697 n. F. noch in der Ladung zur mündlichen Verhandlung, wirksam erklärt, er klage

im Wechselprozeß und setze damit den nach § 696 ZPO. mit Zustellung

deS Zahlungsbefehls anhängig gewordenen Rechtsstreit im Wechsel­

prozesse fort.

Der Gesetzgeber hat für die Verfolgung von Wechsel­

ansprüchen ein besonderes Verfahren im Anschluß an den Urkunden­

prozeß vorgesehen, das durch Abkürzung der EinlassungSfristen, durch billigere Kosten und niedrigere Gebühren der Rechtsanwälte aus­ gezeichnet ist (vgl. § 604 ZPO., § 25 GKO., § 19 GebO. f. RA.). Durch Verbindung

des Mahnverfahrens mit dem Wechselprozesie

würde die Verfolgung von Ansprüchen aus Wechseln nur kompliziert,

verlangsamt und verteuert (vgl. auch § 38 GebO. f. RA).

Die

Praxis hat denn auch schon seither von der an und für sich bestehenden

Möglichkeit, sich zur Verfolgung von Wechselansprüchen zunächst des Mahnverfahrens zu bedienen, nur in ganz beschränktem Maße Ge­ brauch gemacht.

So sind beispielsweise nach den Ergebnissen der

bayerschen Justizstatistik für die Jahre 1905—1909 von den in den

einzelnen Jahren erwirkten Zahlungsbefehlen nicht einmal 1 v. H. für

Ansprüche auS Wechseln erwirkt worden. DaS an den Widerspruch im Mahnverfahren sich auschließende weitere Verfahren kann nach dem Ausgeführten nur das ordentliche Verfahren sein. Für einen Übergang auS diesem in da- Wechsel­ prozeßverfahren vermag sich, wie das Oberlandesgericht zutreffend

auSgesührt hat, die Klägerin auch nicht auf die Vorschrift des § 295

ZPO. zu berufen. Die Unterlassung der Prozeßrüge kann nicht dazu führen, einen Konventionalprozeß im Einzelfalle zuzulassen, den das

Gesetz nicht kennt (vgl. Entsch. der RG.'s in Zivils. Bd. 5 S. 352). War insoweit der Auffassung des Oberlandesgerichts beizutreten,

so konnte doch die Auslegung, die es dem Schriftsätze vom 4. Juli 1911 gegeben hat, nicht gebilligt werden.

Der Senat erachtet viel­

mehr die Ansicht, daß dieser Schriftsatz nicht als selbständige Wechsel­

klage beurteilt toetben könne, als auf RechtSirrtum beruhend.

Ge­

wiß sprechen die vom Oberlandesgericht hervorgehobenen Umstände auf den ersten Anblick dafür, daß die Klägerin das Mahnverfahren

habe fortsetzen wollen. Tatsächlich hat sie aber eine selbständige Wechselklage erhoben, die allen Erforderniffen einer solchen entspricht,

und wenn sie darin außerdem auf den Zahlungsbefehl, den Wider­ spruch und den Verweisung-beschluß verweist und die Kosten des Mahn­

verfahrens beansprucht, so macht dies die an sich gültige Klagerhebung nicht zu einer ungültigen.

Es darf in Ermangelung jeder tatsäch­

lichen Unterlage nicht davon auSgegangen werden, daß der erst­ instanzliche Anwalt der Klägerin die Vorschrift der Prozeßnovelle nicht gekannt und nur auS Versehen, weil er die Vorschrift des § 697 a. F. noch für anwendbar erachtete, anstatt einer bloßen Ladung eine Wechselklage zugestellt habe. Überdies ist nicht die sub­

jektive Meinung oder Rechtsauffaffung jenes Parteivertreters ent» scheidend, sondern das, waS objektiv geschehen ist. Die neue Wechselklage weicht auch in der Begründung und im Anträge von dem Zahlungsbefehl ab. In diesem wird der Anspruch auf zwei „Forde­

rungen im Grundbuch" und den Wechsel vom 30. Januar 1908 ge­ stützt und werden 5000 JK, nebst 5% v. H. Zinsen verlangt.

In der

Wechselklage ist der erste Klagegrund natürlich weggelassen und werden

wechselmäßige Zinsen von 6 v. H. beansprucht. Die Beifügung des Ber-

Weisungsbeschlusses kann erfolgt sein, um den Anspruch auf die Kosten deS Mahnverfahrens urkundlich zu belegen. Diese Kosten kann die Klägerin im Falle ihres Obsiegens nur beanspruchen, wenn sie nach dem Grundsätze de- § 91 ZPO. als zur zweckentsprechenden RechtsVerfolgung notwendig zu erachten sind. Da dar Oberlandesgericht daS dem Schriftsätze vom 4. Juli 1911 sich anschließende Verfahren für gesetzlich unzulässig erachtet und des­ halb die Klägerin abgewiesm hat, konnte eS in eine sachliche Wür­ digung deS Streitstoffs nicht eintreten. Hierüber ist vom Berufungs­ gericht zunächst zu verhandeln und zu entscheide». Die Sache mußte daher unter Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses an das OberlandeSgericht zurückoerwiefen werden."

16. 1. Ist eine für den allein zeichnungSberechtigten Teilhaber einer offenen Handelsgesellschaft bestellte Höchstbetragshypothek gültig, wenn hierdnrch in Wahrheit die Forderungen der offenen Handels­ gesellschaft selbst gesichert werden sollten? 2. Unter welchen Voraussetzungen kann der Gläubiger gegen den Hinterleger auf Bewilligung der Auszahlung des hinterlegten BettageS klagen? BGB. §§ 1118, 1115, 1190, 372, 880. Preuß. HinterlO. v. 14. März 1879 § 30. V. Zivilsenat. I. II.

Urt. v. 13. März 1912 i.S. Cz. Ehel. (Bell.) w. L. Witwe (Kl.). Rep. V. 443/11.

Landgericht Thorn. Oberlandesgericht Marienwerder.

Am 27. Dezember 1909 ließ P. auf seinem Grundstücke G. für die Klägerin, die Teilhaberin der offenen Handelsgesellschaft E. L. und für sie allein zeichnungsberechtigt ist, wegen aller ihrer Forde­ rungen aus einem eröffneten Bar- nnd Wechselkredit eine HöchstbetragShypothek von 15000 Jl eintragev, die in Wahrheit die Firma E. L. wegen ihrer Forderungen sichern sollte. Diese Forderungen erkannten die Eheleute P. am 9. März 1910 in Höhe von 19678,20^ (für Wechselschulden) schriftlich an. ES wurden davon 5000 Jl be-

Für

zahlt.

vier

noch

geschuldeten Wechsel

erwirkte

die Firma

E. L. rechtskräftige Urteile, die zusammen nebst Kosten 15385,43 X Gesamtforderungen ergaben. Für die Beklagten, als nunmehrige

Eigentümer des Grundstücks G, hinterlegte am 10. August 1910 der mitvn klagte Ehemann ohne Rücknahmeverzicht 15000 X bei der RegierungShauptkasfe in M. deshalb, weil 1. der Gläubiger unsicher

sei und 2. vier andere Personen (als angebliche Wechselzahler usw.) in Gesamthöhe von 9600 X nebst Zinsen und Kosten Ansprüche auf die Sicherungshypothek geltend machten. Witwe L. erhob Ende Dezember 1910 Klage auf Zahlung der Hypothek aus dem Grund­ stück, in zweiter Reihe auf Einwilligung des verklagten Ehemannes (als alleinigen Hinterlegers) in Auszahlung der hinterlegten 15000 X nebst HinterlegungSzinsen an die Firma E. L. Der erste Richter

wieS die Klage ab, weil er die Klägerin nicht für klagebefugt er­ achtete, obschon ihm eine Zustimmungserklärung der Firma E. L. vom

4. März 1911 zur Klagerhebung vorgelegt worden war. DaS Berufungsgericht gab der Klage auf AuSzahlungSbewilligung statt. DaS Reichsgericht hob auf und verwies die Sache zurück. Gründe:

„Der Berufungsrichter stellt fest, daß an sich zwar die offene Handelsgesellschaft E. L. Gläubigerin der Forderungen war, die den

Gegenstand des jetzigen Rechtsstreites bilden, daß aber die Beteiligten, nämlich

die Klägerin und der Hypothekbesteller P.,

übereinstimmung

und

in Willens­

absichtlich aus Zweckmäßigkeitsgründen,

die

Klägerin — nicht die offene Handelsgesellschaft — als Hypothek, gläubigerin eintragen ließen, damit sie, die ohnedies allein die Ge­ schäfte der Gesellschaft führte, nach außen hin allein die Verfügung

über die Hypothek hätte.

Bon den Revisionsklägern wird die Klage-

befugn iS der Klägerin deshalb bezweifelt, weil auch nach den Fest­ stellungen des OberlandeSgericht- die Hypothek nicht dem wahren

Gläubiger bestellt fei, man sie daher für ungültig erachten könne. Aber eine Hypothek ist, wie das Reichsgericht schon mehrfach aus­ gesprochen hat, nicht deshalb nichtig oder anfechtbar, weil der Gläubiger

nicht ganz richtig bezeichnet, die Hypothek z. B. der Kürze halber für

den Bevollmächtigten statt für den Geschäftsherrn oder nur für einen,

statt, wie gewollt, für mehrere Gläubiger bestellt ist. Vgl. Entfch. der RG.'S in Jur. Wochenschr. 1898 S. 272 91.42;

Rep. V. 236/09 vom 9. April 1910 (Recht 1910 Nr. 2561); Turnau-Förster zu § 1115 S. 739 oben Bd. 1. Überdies stellt der Vorderrichter fest, daß die offne Handels­ gesellschaft E. L. ihre betreffenden Forderungen durch die Urkunde vom 4. März 1911 ausdrücklich an die Klägerin in fiduziarischer Weise übertragen hat. Aus diese Weise ist nunmehr jedenfalls For­ derung und Hypothek in einer Hand vereinigt und ist die Hypothek vollständig ausgefüllt worden. Ist somit der erste Revistonsangriff hinfällig, so mußte doch der zweite Erfolg haben, womit Verletzung des § 380 BGB. gerügt wird. DaS Oberlandesgericht nimmt an, daß die Beklagten wegen nicht auf Fahrlässigkeit beruhender Ungewißheit über die Person deS Gläubigers (gemäß § 372 BGB.) ursprünglich zur Hinterlegung be­ rechtigt waren. In der Hinterlegungsurkunde vom 10. August 1910 sind folgende weitere Ansprüche auf die Sicherungshypothek an­ gegeben: 1. A. K.'s in Höhe von 2300 Jl und Kosten, 2. A. P.'S in Höhe von 4000 Jt nebst Zinsen und Kosten, 3. F. P.'S in Höhe von 1600 Jt, 4. Th. P.'S in Höhe von 1700 JL Hiernach steht nicht nur fest, daß die Beklagten gesetzlichen Grund zur Hinterlegung hatten, sondern auch weiter, daß sie nicht nur für die Klägerin hinter­ legt haben, sondern zugleich auch für die vier Genannten, die auf die Hypothek Ansprüche erheben, daß also auch diese an der Hinter­ legung beteiligt sind. Das Gegenteil könnte nur dann angenommen werden, wenn in dem allein maßgebenden Hinterlegungsschein aus­ drücklich die Klägerin allein als die Person bezeichnet wäre, für die hinterlegt ist. DieS ist aber nicht der Fall (vgl. daS Urteil des RG.'S Rep. V. 145/10 vom 11. Februar 1911). Es ergibt sich hieraus von selbst, daß die vier Genannten nicht als nichtvorhanden behandelt und daß die Beklagten nicht ge­ zwungen werden können, vor Feststellung der Nichtberechtigung jener vier der Klägerin allein die Auszahlung des hinterlegten Be­ trags zu bewilligen. Dadurch würden sich ja die Beklagten des Schutzes gegen Doppelbezahlung berauben, den ihnen § 372 BGB. gewährt. Hiermit stimmt auch § 380 BGB. überein. Nicht nur an dieser Stelle, sondern auch in Art. 145 EinfGes. z. BGG. ermächtigt da- Reichsgesetz die Landesgesetzgebungen zum Erlasse von Hinterlegungsordnungen. Für den gegebenen Fall kommt § 30 preuß.

HinterlO. vom 14. März 1879, ergänzt in Art. 84 preuß. AusfGes. z. BGB. in Betracht. Er lautet: „Das Gesuch um Auszahlung darf unbeschadet § 24 (über Hinterlegung im Arrestverfahren) nicht zurück­ gewiesen werden, 1. wenn durch rechtskräftige Entscheidung die Be­ rechtigung zum Empfang festgestellt ist oder die Auszahlung von der zuständigen Behörde angeordnet ist; 2. wenn der Antrag auf eine von der zuständigen Behörde auf die Hinterlegungsstelle aus­ gestellte Anweisung sich gründet; 3. wenn die Auszahlung durch Er­ klärung sämtlicher Beteiligter bewilligt ist*... Schon nach dem Wortlaute des § 380 BGB. allein ist die Klägerin nicht ohne weiteres befugt, von den Beklagten Auszahlungs­ bewilligung zu verlangen. Denn es ist, wie gezeigt, nicht für sie allein, sondern zugleich für die vier genannten anderen angeblichen Gläubiger hinterlegt worden. Sie ist also zurzeit nicht „Gläubiger" im Sinne des § 380 und muß erst nachweisen, daß sie alleinige Forderungsberechtigte ist. Aber eS ergibt sich auch aus § 30 Abs. 1 Nr. 3 preuß. HinterlO., daß zum Nachweise der Empfangsberechtigung des Gläubiger- eine diese Berechtigung anerkennende Erklärung des Schuldners — als eines der Beteiligten — notwendig ist. Ist aber diese Voraussetzung des § 380 BGB. gegeben, so ist nach dessen Vorschrift die Klage auf Auszahlungsbewilligung entsprechend der Klage auf die Leistung selbst zu behandeln. Auch der zu unter­ stellenden, im gegebenen Falle sogar wirklich zunächst erhobenen Leistungsklage auf Zahlung der Sicherungshypothek aus dem Grund­ stücke ständen die etwa auf §§ 1164, 774, 426 BGB. gestützten Ein­ wendungen der Beklagten gegenüber, daß die Hypothekforderung wegen Zahlung der vier Genannten ganz oder teilweise auf diese ühergegangen sei. Vor Beseitigung dieser Einwendungen könnten die Beklagten nicht zur Leistung verurteilt werden. In entsprechender Weise kann jetzt nach § 380 BGB. die Klägerin mit Erfolg auf Auszahlungsbewilligung nur dann klagen, wenn sie nachweist, daß sie alleinige Forderungsberechtigte ist, daß die Ungewißheit, wodurch die Beklagten zur Hinterlegung gemäß § 372 BGB. berechtigt wurden, nicht mehr besteht, daß insbesondere, nachdem von der offenen Handels­ gesellschaft E. L. als Beteiligter nach Obigem keine Rede mehr fein kann, die vier im Hinterlegungsscheine benannten angeblichen Forderungsberechtigten dies nie gewesen oder daß sie inzwischen

weggefallen sind

(vgl. Planck,

Komm. § 880 Anm. 2).

Dieser

Beweis ist bisher nicht einmal angetreten, geschweige denn geführt worden. Zwar sagt da- Berufungsurteil am Schlüsse: „Wie die Rechts­

lage aber ist, steht die hinterlegte Snmme der Klägerin zu." Aber nach

dem Zusammenhänge kann sich dieser Satz nur auf das Verhältnis zwischen der Klägerin und der von ihr vertretenen offenen Handels­

gesellschaft beziehen.

Keinesfalls genügt er zur Beseitigung der vom

Vorderrichter überhaupt nicht geprüften vier anderen Ansprüche.

Die Nichtbeachtung dieser Rechtssätze muß zur Aufhebung des

Berufungsurteils führen, endgültig kann jedoch nicht erkannt werden. Die Ansprüche K.'S und der drei angeblichen Gläubiger P. ergeben zusammen nur 9600 Jl Hauptgeld.

Darüber hinaus wäre an sich der hinterlegte Betrag schon jetzt für die Klägerin frei. Inder muß noch festgestellt werden, wie hoch sich die zu einzelnen dieser Ansprüche geltend

gemachten angeblichen Zinsen- und Kostenansprüche belaufen. Sodann aber hat die Klägerin in den vorigen RechtSzügen die Rechtmäßigkeit jener vier Ansprüche überhaupt bestritten und auch darüber muß vor dem Berufungsgerichte noch weiter verhandelt und entschieden werden. Eine Verletzung des § 373 BGB. ist mit Unrecht gerügt worden, da nichts dafür vorliegt, daß von der in dieser Gesetzesstelle ein­

geräumten Befugnis Gebrauch gemacht worden ist."...

17.

Hat ein in den Formen des § 313 BGB. geschlossener Gründ«

stückSveriinßernngSvertrag obligatorische Wirkung für in solchen RechtS-

gebieten belegene Grundstücke, wo hierfür «ach Art. 189 EinfGes.

z. BTB. noch besondere Formvorschriften bestehen, wenn der Vertrag außerhalb jenes RechtSgebietS an einem Orte des Deutschen Reichs geschloffen ist, wo die Formen des § 313 BGB. anSreichen?

BGB. 8 313. EinfGes. z. BGB. Artt. 189, 11.

V. Zivilsenat.

Urt v. 13. Mär; 1911 i.S. R. (Kl.) w. N. (Bekl.).

Rep. V. 446/11. I. II.

Landgericht Gießen. Oberlandesgericht Darmstadt.

17. Grundstücksveräußerungsverträge. Örtliches Recht.

79

Ja einem notariellen Verträge hat der Kläger u. a. den Be­

klagten bevollmächtigt, für ihn eine Besitzung in der Zwangsver­ steigerung zu erstehen,

was geschehen ist.

In demselben Vertrag

hatte sich der Kläger verpflichtet, dem Beklagten tauschweise einen Teil dieser Besitzung, nämlich eine darauf befindliche Billa mit einem Garten, gegen eine dem Beklagten gehörige Liegenschaft unter gegenseitiger Übernahme der hppothekarischen Belastungen zu über­ lassen.

Dabei hatte stch, ebenfalls in diesem Vertrage, der Beklagte

verpflichtet, die dem Kläger von jener Besitzung verbleibenden Teile

innerhalb von zwei Jahren von den übernommenen Hypotheken im Betrage von 43000 Jl zu befreien. Da dies nicht geschehen ist, verlangt der Kläger Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe

von 12500 JH und hilfsweise Verurteilung des Beklagten zur Herbei­ führung der Befreiung sowie zum Ersätze deS durch die Verzögerung der Erfüllung entstandenen Schadens. DaS Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Kläger- wie auch feine Revision hatten keinen Erfolg.

Gründe: »Der Kläger klagt aus einer Verpflichtung, die der Beklagte in einem

von

preußischen Notar

einem

in Frankfurt a./M. am

29. Oktober 1908 beurkundeten Vertrag übernommen hat. Wäh­ rend da- Landgericht die Klage abgewiesen hat, weil der drei selbständige Verträge enthaltende Vertrag, soweit er einen Tausch­

vertrag

über

in L.

liegenden

hessischem Rechte nichtig sei,

dieser

Frage

Stellung

zu

Grnndbesitz in

sich schließe,

nach

hat da- Berufungsgericht, ohne zu

nehmen,

die

Berufung

deS

Klägers

deshalb zurückgewiesen, weil mit der Aufhebung des Tauschvertrags

durch

einen

späteren

Vertrag

die

vom

Beklagten

übernommene

Verpflichtung zur Befreiung gewisser Grundstücke von den darauf lastenden Hypotheken ebenfalls als aufgehoben anzusehen sei. Da in erster Linie die Entstehung des Klaganspruchs bestritten ist,

so erschien eS geboten, vorerst zu prüfen, ob nicht bereit- die vom Landgericht

ausgeführte

Nichtigkeit

deS

grundlegenden

Vertrags

zur Abweisung der Klage und damit zur Zurückweisung der Re­ vision führt.

Diese Frage war indes, im Gegensatze zum Land­

gerichte, zu verneinen.

Nach der landgerichtlichen Feststellung gilt

für L. noch da- alte rechtshessische Grundbuchrecht, da die Anlegung

des Grundbuchs für die Gemarkung L. überhaupt noch nicht in An­ griff genommen

ist.

Die für einen derartigen Fall in Art. 189

EinfGes. z. BGB. angcordnete vorläufige Geltung der bisherigen Ge­

setze, betrifft aber nicht die obligatorischen Grundgeschäfte, sodaß die

Vorschrift des § 313 BGB. über den Formzwang bei Veräußerungs­ verträgen über Grundstücke auch da gilt, wo das Grundbuch noch nicht als angelegt anzusehen ist (Entsch. deS RG.'s in Zivils. Bd. 64

S. 39).

Das Landgericht folgert aber aus der Eigenart des alt­ das die scharfe Trennung deS ding­

hessischen Grundbuchrechts,

lichen Vertrags vom obligatorischen Kaufgeschäft nicht kenne, daß der vorliegende Vertrag den alten hessischen Gesetzen unterstehe, d. h. dem

Gesetze vom 4. August 1871, betr. die verbindende Kraft der Jmmo-

biliarveräußerungsverträge, dessen hierauf sich beziehenden Vorschriften in Art. 31 des Hess. Gesetzes, die Anlegung deS Grundbuchs betr., vom

16. März 1899 noch besonders aufrechterhalten sind, wonach für die Beurkundung des im § 313 BGB. bezeichneten Vertrags bis zu dem Zeitpunkt, in welchem da- Grundbuch als angelegt anzusehen ist, die Gerichte und die OrtSgerichte ausschließlich zuständig sind. (S. Best, die hessischen Gesetze usw. z. Ausführung des BGB. Bd. 4 S. 32.)

Mag dies auch zutreffen für im Gebiete des Großherzogtums Hessen abgeschlossene,

an sich der Formvorschrift des § 313 BGB. unter­

worfene Verträge, so gilt es doch nicht für anderwärts abgeschlossene

Verträge. Der grundlegende Vertrag ist von einem preußischen Notar in Frankfurt a. M. beurkundet. Nach Art. 11 EinfGes. z. BGB. bestimmt

sich die Form des Rechtsgeschäfts nach den Gesetzen, welche für ba­ den Gegenstand des Rechtsgeschäfts bildende Rechtsverhältnis maß­

gebend sind.

Es genügt jedoch die Beobachtung der Gesetze des

Ortes, an dem das Rechtsgeschäft vorgenommen worden ist. Da für

Frankfurt a. M. die Formvorschriften des § 313 BGB. gelten, so ist der Vertrag vom

28. Oktober 1908

formgerecht

abgeschlossen,

denn der Abs. 2 des Art. 11 bezieht sich nur auf dingliche Rechts­

geschäfte (vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 63 S. 20). Es handelt sich hier nicht darum, ob der Vertrag vom 29. Oktober 1908 ein

formgültiger Veräußerungsvertrag ist, wie ihn da- althessische Grund­ recht für die Übertragung des Eigentums an einem Grundstücke neben der Jngrossation erfordert, sondern darum, ob jener Vertrag seiner Form nach zur Erzeugung eines Schuldverhältniffes geeignet war.

Ebensowenig steht Art. 141 EinfGes. z. BGB. diesem Ergebnis ent­ Denn wenn danach den Lände-gesetzen überlassen ist, zu

gegen.

bestimmen, daß für die Beurkundung von Rechtsgeschäften, die nach

dm Vorschriften des BGB. gerichtlicher oder notarieller Beurkundung

bedürfen, entweder nur die Gerichte oder nur die Notare zuständig sind, so bezieht sich dies doch nur auf Rechtsgeschäfte, die inner­ halb

daß

des betreffmden Landes beurkundet hier

sind.

die Vorschriften deS BGB. und nicht

Die Feststellung,

des irrevisiblen

hessischen Recht- zur Anwendung zu kommen haben, verletzt auch nicht die §§ 549, 562 ZPO., da hierüber das Revisionsgericht zu befinden hat (Jur. Wochenfchr. 1905, S. 219 Sp. 2). ES ist daher zu prüfen, ob die von der Revision gegen die

Begründung de- Berufungsurteils erhobenm Angriffe gerechtfertigt (ES wird dann ausgeführt, daß dies nicht der Fall ist.)

sind."

18.

Stellt die unterlassene Anwendung der §§ 68, 74 Abs. 3 ZPO. des Gesetze- in bezug auf das Verfahren dar?

eine Verletzung Bedarf

die deshalb erhobene Rüge der schriftlichen RevisionSbcgründnng gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 2b ZPO.?

VI. Zivilsenat.

Urt. v. 14. März 1912 i.S. E. L. (Kl.) w. Stadt­

gemeinde G. (Bekl.). I. II.

Rep. VI. 289/11.

Landgericht Gotha. Oberlandesgericht Jena.

Die Klägerin war vor dem Hause deS Kommerzienrats Sch. in G., Lindenau-Allee, infolge von Schneeglätte gefallen und hatte sich hierbei körperlich verletzt. In einem Borprozeffe hatte sie Schadens­

ersatzansprüche gegen den Hauseigentümer Sch. erhoben, weil dieser den vor seinem Grundstücke befindlichen Plattengang nicht habe be­ streuen lassen. Durch rechtskräftiges Urteil der Landgerichts zu Gotha

war jedoch ihre damalige Klage mit der Begründung abgewiesen

worden, daß eine Streupflicht für die Anlieger der Lindenau-Allee nicht bestehe.

Nunmehr nahm die Klägerin die Stadt G. wegen

Schadensersatz in Anspruch, weil diese verpflichtet gewesen sei, für

das Streuen in der Lindenau-Allee bei Schneeglätte zu sorgen. DaS Entlch. in Zivils. N. F. 29 (79).

6

Landgericht erklärte durch Zwischenurteil den Anspruch der Klägerin

auf Ersatz des Schadens dem Grunde nach für gerechtfertigt. Beklagte legte gegen dies Urteil Berufung ein.

Die

Bom Oberlandes­

gerichte wurde die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Auf die Revision der Klägerin wurde das Be­

rufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückoerwiesen aus folgenden

Gründen: „In dem Borprozesse gegen den Kommerzienrat Sch. hatte die

Klägerin der jetzt verklagten Stadtgemeinde G. den Streit verkündet;

letztere war auch der Klägerin damals beigetreten. ... Das Land­

gericht hat die Klage gegen den Kommerzienrat Sch. aus der Er­

wägung abgewiesen, daß die Straßenpolizeiordnung für den Stadt­ bezirk G. vom 8. Juni 1880, die den Anliegern die Streupflicht auferlege, nur insoweit bindend sei, als sie sich auf eine bestehende Observanz stütze. Eine solche Observanz habe sich in G. aber nur

für diejenigen Straßen gebildet, welche von alters her städtisch waren, nicht aber für die Domänen- und Staatsstraßen, in denen die herzog­

liche Chausseebauverwaltung bis zum Jahre 1906 die Reinigung und auch das Bestreuen bei Glätte besorgt habe.

Die Lindenau-Allee

sei bis zum Jahre 1905 Domänenstraße gewesen, bei der Domänen­

teilung im Jahre 1905 sei sie Staatsstraße geworden; durch Vertrag vom 19. Februar 1906 seien die Staatsstraßen innerhalb des städti­

schen Weichbilds in das städtische Verkehrsnetz ausgenommen worden.

Es erscheine nicht angängig, die Observanz ohne weitere- auch auf die Staatsstraßen auszudehnen, die erst im Jahre 1906 in das städtische Eigentum übergegangen seien. Daher sei eine Streupflicht

für die Anlieger der Lindenau-Allee nicht anznnehmen. DaS Oberlandesgericht erachtet sich im gegenwärtigen Rechts­ streite durch diese Entscheidung nicht für gebunden.

Trotz der im

Borprozeß erfolgten Streitverkündung spricht es jenem Urteile die Wirkung der Rechtskraft für das Verhältnis der jetzigen Prozeß­

parteien ab, weil ein Fall der Streitverkündung im Sinne des § 72 ZPO. überhaupt nicht vorgelegen habe. In der sachlichen Beurtei­ lung weicht da- Oberlandesgericht in dem entscheidenden Punkte von

der in dem Urteil des Borprozesses niedergelegten Auffassung des Landgerichts insofern ab, als es annimmt, daß sich die in der Stadt G. für die alten städtischen Straßen entstandene Observanz nach Über-

gang der Domanial- und Staatsstraßen in das städtische Eigentum

ohne weiteres auch auf diese nunmehr städtisch gewordenen Straßen erstreckte.

Infolgedessen seien auch in der Lindenau-Allee seit dem

Jahre 1906 die Anlieger, nicht aber die Stadt G. streupflichtig ge­

worden. Die Revision bekämpft die Anschauung des Berufungsgerichts, wonach die Observanz auch auf die im Jahre 1906 in daS Eigentum der Stadt G. übergegangenen Straßen zu erstrecken sei. In der münd­ lichen Verhandlung hat die Revisionsklägerin auch noch die in der

schriftlichen RevistonSbegtündung nicht enthaltene Rüge erhoben, das

Berufungsgericht habe verkannt, daß die Entscheidung des Vorprozesses infolge der Streitverkündung auch für die jetzige Beklagte bindend sei.... In der Sache selbst mußte die Revision aus dem von ihr erst in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Gesichtspunkt Er­

folg haben, daß die Entscheidung des BorprozeffeS auch für den gegenwärtigen Rechtsstreit bindend sei. ...

DaS Berufungsgericht, daS dem Standpunkte der Beklagten beigetreten ist, eine die Anlieger verpflichtende Observanz bestehe auch für die Lindenau-Allee, und daS sich damit in bewußten Gegensatz

zu der Entscheidung deS Landgerichts im Borprozesie gesetzt hat, erachtet sich durch diese Entscheidung im vorliegenden Falle um des­

willen nicht für gebunden, weil ein Fall zulässiger Streitverkündung im Borprozeß überhaupt nicht vorgelegen habe.

Denn § 72 ZPO.

lasse die Streitverkündung nur unter der Voraussetzung zu, daß eine

Partei für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs

der Rechts­

streits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaube oder den Anspruch eines Dritten besorge. Keiner dieser Fälle sei hier gegeben gewesen. Diese

Auffassung des Berufungsgerichts ist recht-irrig. Wie der erkennende

Senat bereits in dem Urteile vom 28. Oktober 1911 (Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 77 S. 360) näher ausgeführt hat, fallen unter tz 72

ZPO. auch Schadensersatzansprüche, mittels deren die den Streit ver­ kündende Partei wegen desselben Schadens aus unerlaubter Handlung,

auf dessen Ersatz sie zunächst einen anderen in Anspruch genommen hat, für den Fall, daß sie diesem gegenüber unterliegen sollte, den

StreitverkündungSgegner auS einem selbständigen Recht-grunde haftbar machen will.

Auf die ausführliche Begründung jener Entscheidung

6*

kann hier verwiesen werden (vgl. auch Gaupp-Stein, ZPO. 10.Sufi.

§ 12 Sinnt. III2, a).

Danach ist der Berufungsrichter zu Unrecht in

eine erneute Prüfung der Frage eingetreten, ob die für die älteren Straßen G.'S festgestellte Observanz sich auch auf die Lindenau-Allee

erstrecke und ob demnach den Anliegern der letzteren in Gemäßheit der Straßenpolizeiordnung die Streupflicht obliege. Vielmehr war für die Entscheidung des gegenwärtigen Prozesses davon auszugehen, daß eine Streupflicht der Anlieger der erwähnten Straße nicht bestehe. Es fragt stch nur noch, ob dem hiernach an und für sich be­

gründeten Revisionsangriffe der Erfolg um deswillen zu versagen sei,

weil die Rüge lediglich prozessualer Natur und die Klägerin deshalb dieses, in der schriftlichen Revisionsbegründung nicht geltend gemachten RevisionSgrundeS gemäß §§ 554, 559 ZPO. verlustig gegangen sei.

Diese Frage ist indes zu verneinen.

Allerdings handelt es sich um

Vorschriften der Prozeßordnung, die der Berufungsrichter nicht oder nicht richtig angewendet hat. Aber die hierdurch begangene Gesetzes­

verletzung hat keinen Bezug auf das Verfahren des Berufungsgerichts,

sie betrifft vielmehr lediglich den Inhalt der von ihm erlassenen Ent­ scheidung. Die Vorschriften der § 74 Abs. 3 und § 68 ZPO., die der Vorderrichter hier nicht für anwendbar erachtet hat, treffen Be­ stimmung darüber, inwieweit die Entscheidung deS Rechtsstreits, in dem die Streitverkündung erfolgt ist, gegenüber dem Dritten, dem die Hauptpartei den Streit verkündet hat, materielle Rechtskraft schafft. ES wird daselbst für die Regel die bindende Kraft deS Urteils dieses

ProzefleS für den späteren Prozeß zwischen dem Streitverkünder und

dem Dritten festgesetzt. Der Richter deS späteren Prozesses, der ver­ kennt, daß er durch das Urteil im Vorprozeffe gebunden ist, macht

sich keiner Gesetzesverletzung in bezug auf daS Verfahren schuldig. Er befindet sich vielmehr in Rechtsirrtum über die Tragweite der Rechtskraft der früheren Urteils und begeht, wenn er daS darin

bereits entschiedene Rechtsverhältnis einer erneuten Prüfung unter­

wirft, einen Fehler in der Urteilsfindung, indem er die von ihm zu treffende Entscheidung auf einer falschen Grundlage aufbaut. Ebenso hat

die rechtsirrtümliche Auslegung deS § 72 ZPO. durch den Berufungs­ richter den Gang deS Verfahrens in dem gegenwärtigen Rechtsstreit in keiner Weise beeinflußt, wohl aber beruht der sachlich unrichtige Inhalt der

Entscheidung deS Berufungsgerichts auf der unzutreffenden Auffassung

dieser Gesetzesvorschrift. Denn daS Oberlandesgericht hat verkannt, daß bei dem Verhältnisse der beiden in Betracht kommenden Schadens­

ersatzansprüche gegen den Anlieger und die verklagte Stadtgemeinde

zu einander die Voraussetzungen einer Streitverkündung im Borprozesse allerdings gegeben waren und daß deshalb diese Streitverkündung die

Wirkung der Erstreckung der Rechtskraft der dort ergangenen Urteils auf die jetzigen Prozeßparteien haben mußte.

Der Irrtum über die

Zulässigkeit der Streitverkündung hat den Borderrichter zu einer un­

richtigen Beurteilung der Rechtsfolgen der Streitverkündung, zu einer Verkennung des Umfang- der materiellen RechSkraft des im Bor­ prozesse ergangenen Urteil- geführt.

Diese Gesetzesverletzung betrifft

nicht daS Verfahren, sondern die rechtliche Würdigung deS abzuurtei­

lenden Tatbestandes und bedurfte deshalb keiner Rüge in der schrift­ lichen Revisionsbegründung. Vielmehr hätte das Revisionsgericht diesen RevistonSgrund nach § 559 Satz 2 ZPO. auch von Amts wegen berücksichtigen müssen (vgl. auch Urteil deS erkennenden Senats vom

3. Februar 1912 Rep. VI. 868/11).

Hiernach war daS angefochtene

Urteil aufzuheben."

19. 1. Sind die nach dem preußischen Feldmeffer« Reglement vom 2. März 1871 (GS. S. 101) vereidigten und angestellten Feldmesser Beamte im Sinne de- § 839 BGB.? 2. Sind die §§ 10 und 12 diese- Reglement- Schutzgesetze im Sinne de- § 823 Abs. 2 BGB.? Gew.O. 88 86, 53.

III. Zivilsenat.

Urt. v. 15. März 1912 i. S. Bürgermeisterei C.

(Kl.) w. R. (Bell.).

Rep. III. 212/11.

I. Landgericht München-Gladbach. II. Oberlandcsgericht Düsseldorf. Die Klägerin gab im Dezember 1904 dem Bauunternehmer C.

in Rh. ein Darlehn von 25000 Jl, zu dessen Sicherheit ihr ein dem C. gehörige- Hausgrundstück verpfändet werden sollte. Die Be­ willigung und Eintragung dieser Hypothek erfolgte jedoch irrtümlich

nicht auf diesem Hausgrundstücke, sondern auf einem gleichfalls dem

C. gehörigen unbebauten Grundstücke von geringem Werte mit der

Parzellennummer 5314/550.

Im Jahre 1905 forderte die Klägerin

von C. die Erteilung der ihr bei Beleihungen vorgeschriebenen Bau­ bescheinigung. C. wandte sich deshalb an den Beklagten, einen ver­

eidigten Landmesser, und dieser stellte am 12. Mai 1905 eine Be­ scheinigung dahin aus, daß auf der Parzelle 5314/550 das Wohn­

haus A-Str. 92 errichtet sei. Die Klägerin behauptet, daß der Be­ klagte bei der Ausstellung dieser unrichtigen Bescheinigung grob fahrlässtg gehandelt habe, und macht ihn für den Schaden verantwortlich, den sie dadurch erlitten habe, daß sie im Vertrauen auf die Richtig­ keit der Bescheinigung davon abgesehen habe, sich anderweite Sicher­ stellung ihrer Darlehnsforderung zu erwirken, was damals noch möglich gewesen wäre. Sie leitet die Schadensersatzpflicht aus einem

BertragsverhältniS oder vertragsähnlichen Berhältnisie her, in das der Beklagte durch die Ausstellung der Bescheinigung mit ihr ge­ treten sei, sowie aus den Bestimmungen der §§ 823 Abs. 2 und

839 BGB. Das Landgericht wieS die Klage ab, weil ein Verschulden des Beklagten nicht erwiesen sei.

Das Berufungsgericht wies die Be­ aus

rufung der Klägerin zurück, weil der Schadensersatzanspruch

keinem der drei von ihr geltend gemachten RechtSgründe hergeleitet

werden könne.

Auf die Revision der Klägerin ist daS Berufungs­

urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden.

Die An­

nahme des Berufungsgerichts, daß ein BertragsverhältniS zwischen

den Parteien nicht entstanden sei, ist gebilligt. Aus den Gründen: ... „Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, daß die gemäß dem preuß. Reglement für die öffentlich anzufiellenden Feldmesser vom 2. März 1871 vereidigten und angestellten Feldmesser als solche

nicht Beamte im Sinne des § 839 BGB. sind.

Vor dem Erlasse

jenes Reglements find die Feldmesser in Preußen allerdings im all­ gemeinen als Beamte angesehen worden» und zwar auch dann, wenn sie für Private arbeiteten (s. Erkenntnis deS Gerichtshofs zur Ent­

scheidung der Kompetenzkonflikte vom 8. April 1854 JMBl. S. 355).

Nach den jetzt geltenden Bestimmungen haben sie jedoch die Eigen­ schaft eines Beamten, insbesondere eines öffentlichen Beamten, wie

§ 839 BGB. vorauSsetzt,

nicht.

Für den Begriff eines solchen

Beamten ist im allgemeinen erforderlich, daß er zum Staate oder einer anderen öffentlichen Körperschaft in einem öffentlich-rechtlichen

Dienstverhältnisse steht, daß er ihnen Dienste leistet.

Ausnahmsweise

wird allerdings auch solchen Personen, die nur für den Einzelnen

tätig sind und dem Staate oder der Körperschaft unmittelbar ihre Dienste nicht widmen, die Eigenschaft eines Beamten beigelegt, wenn

die Rücksicht aus öffentliche Jntereffen dies ratsam erscheinen läßt, wie den Notaren und Gerichtsvollziehern» sofern letztere nicht schon als besoldete Beamte in unmittelbarem Dienstverhältnisse zum Staate

stehen.

Um aber solchen Personen die Eigenschaft eines Beamten

zuzuerkennen, genügt es nicht, daß die Ausübung des Berufes be­ sonders geregelt und behördlicher Aufsicht unterstellt ist, wie denn

auch die Beamteneigenschaft der Gerichtsvollzieher in 88 155, 156 GBG, die der preußischen Notare in Artt. 77flg. des preuß. Ges. über die freiwillige Gerichtsbarkeit ausdrücklich ausgesprochen ist. DaS die Stellung der Feldmesser ordnende Reglement von 1871 beruht, wie seine Änderungen und Nachträge, auf § 36 GewO, für

den Norddeutschen Bund vom 21. Juni 1869; § 36 Abs. 1 bestimmt,

daß daS Gewerbe der Feldmesser, Auktionatoren usw. zwar frei be­ trieben werden darf, daß aber die zuständigen Behörden auch ferner berechtigt bleiben, Personen, welche dieses Gewerbe ausüben wollen,

auf die Beobachtung der bestehenden Vorschriften zu beeidigen und öffentlich anzustellen. Daß hierbei nicht an eine Anstellung als Beomter gedacht ist, ergibt der Wortlaut deS Gesetzes, daS diese Personen

ausdrücklich Gewerbetreibende nennt, und der Umstand, daß die Rück­ nahme der erteilten Bestallung, d. h. die Rückgängigmachung der

»Anstellung", in der Gewerbeordnung selbst, in § 53, geregelt ist,

waS nicht geschehen konnte, wenn eS sich um die Aufhebung der

Stellung eines Beamten handelte.

Der Zweck der Bestimmung ist

vielmehr, wie in den Entsch. deS RG.'S in Straff. Bd. 4 S. 421 (S. 423) im Anschluß an die Bestimmung der Abs. 2 des § 36 aus­ geführt ist, in der Hauptsache der, eine Klasse von Gewerbetreibenden zu schaffen, bereu Handlungen gesetzlich eine besondere Glaubwürdig­

keit

beigelegt ist,

oder an deren Handlungen besondere rechtliche

Wirkungen geknüpft sind.

Die Bestallung dieser Gewerbetreibenden

erfolgt an sich nur im Interesse des Publikums, um diesem die

Möglichkeit zu gewähren, sich solcher Personen zu bedienen, denen gesetzlich bei Ausübung ihres Gewerbes eine besondere Glaubwürdig« feit beigelegt ist, oder die doch vermöge der öffentlichen Anstellung

für ihre Zuverlässigkeit und berufliche Tüchtigkeit eine besondere Ge-

währ bieten. ES herrscht denn auch in Rechtsprechung und Rechtslehre Übereinstimmung darüber, daß die öffentliche Anstellung im Sinne des § 36 GewO, nicht die Anstellung als Beamter bedeutet.

Vgl. außer der oben erwähnten Entscheidung ferner die Entsch. des RG.'S in Straff. Bd. 17 S. 291 flg, Bd. 18 S. 37 flg ; Entsch. deS preuß. OVG.'S Bd. 21 S. 336flg. und Landmann, Anm. 7 zu § 36 GewO. Die öffentliche Anstellung der Feldmesier in § 1 des Reglements vom 2. März 1871 ist aber lediglich die, welche § 36 GewO, im

Sinne hat. Das ergibt die ausdrückliche Verweisung auf § 36 GewO, in § 1 deS Reglements und die Bezugnahme auf die §§ 53, 54 GewO, in § 4 des Reglements in betreff der Zurücknahme der Bestallung.

Die öffentliche Anstellung der Feldmeffer im Sinne des § 36 GewO, erfolgt nach der Allgem. Berf. deS Ministers der öffentlichen Arbeiten usw. vom

27. April 1880

(Min. - Bl. f. d. i. Verw. S. 116)

durch die Vereidigung, ohne daß es eines besonderen Anstellungsaktes oder

der Erteilung eines Patentes bedürfte.

Nach den von den

Ministern der öffentlichen Arbeiten, fü: Landwirtschaft, Domänen

und Forsten und der geistlichen Angelegenheiten am 4. September 1882 erlassenen Prüfungsvorschriften für die öffentlich anzustellenden Land­

messer ist die Bestallung zum Landmesser von der Oberprüfungs­ kommission

auszustellen.

Diese

Bestallung

und

die auf Grund

derselben erfolgte Beeidigung begründet nach § 27 dieser Prüfungs­

vorschriften (Min.-Bl. f. d. i. Verw. S. 207) die in § 36 Gew.O.

bezeichneten Rechte der öffentlich angestellten Feldmesser.

Die Be­

eidigung ist nach der Zirkularverfügung deS Finanzministers, des Ministers für Handel und Gewerbe und des Ministers des Inneren vom 9. Juni 1883 (Min.-Bl. f. d. i. Verw. S. 143) nur auf die in

§ 36 GewO, gedachte »Beobachtung der bestehenden Vorschriften" zu richten, während nach den älteren Vorschriften die Feldmeffer den allgemeinen Beamtendiensteid leisteten.

der

Diesen Diensteid sollen nach

genannten Zirkularverfügung nur noch diejenigen Landmefler

leisten, welche von einer Staatsbehörde zu dauernden amtlichen Funk-

tionen bestellt werden und demgemäß von dieser Behörde als Beamte

zu verpflichten sind. Hier wird also zwischen der Bestallung zum Feld­

messer nach § 36 Gew.O. und der Anstellung als Beamter ausdrücklich unterschieden, zugleich aber hervorgehoben, daß der öffentlich angestellte

Feldmesser zu der Provinzialbehörde, in deren Bezirk er sein Ge­ werbe auSübt, in dem in § 3 deS Reglements erwähnten „selbst­ redend wie die Verpflichtung zur Aufsicht, so die Befugnis zur Ver­

hängung von Ordnungsstrafen in sich schließenden Disziplinarverhält­ nisse" steht.

Auch nach der hierin kundgegedenen Auffassung der Ver­

waltungsbehörden ist also auS der in § 3 des Reglements erfolgten Stellung der Feldmeffer unter die Disziplin der Regierungen nicht

zu entnehmen, daß sie Beamte wären. Dagegen ist die Revision insofern begründet, als sie, ent­ gegen dem Berufungsgerichte, den §§ 10 und 12 des Feldmesser­ reglements die Eigenschaft eines Schutzgesetzes im Sinne des 8 823

Abs. 2 BGB. Heimißt.

Dieses Reglement ordnet, wie vorstehend

bereits erwähnt, in den §§ 1—4 die Vereidigung und Anstellung die Führung der Aufsicht über sie und die Art der Zurücknahme ihrer Bestallung. Im Abschnitt II, §§ 5—22, ist der Feldmesser,

die Ausführung der Feldmefferarbeiten behandelt. daß

§ 5 bestimmt,

der Feldmeffer sich richtiger Instrumente bedienen muß und

für deren stete Richtighaltung verantwortlich ist.

Die

folgenden

88 6—9 betreffen die anzuwendenden Maße und die Angabe der Winkel.

§ 10 lautet:

„Der Feldmesser ist für die Richtigkeit aller

von ihm ausgeführten Arbeiten verantwortlich. Derselbe ist ver­ pflichtet, in jedem Spezialfalle die geeignetste und beste Methode

zur Ausführung aller Längen-, Flächen- und Höhenmessungen zu wählen, auch die Zeichnungen und Ausarbeitungen deutlich, korrekt,

vollständig, kunstgerecht und tadelfrei zu bewirken".

§ 11 behält der

Aufsichtsbehörde das Recht zum Erlasse besonderer Instruktionen und besonderer Kontrolle vor und gibt Sondervorschriften für einzelne

Arten von Arbeiten.

§12 bestimmt sodann: „Die Ermittlung aller

der Tatsachen und Angaben, welche durch die Natur de- Auftrags

bedingt werden, wie z. B. die Ermittlung von Grenzen, Namen der Besitzer von Grundstücken, Hochwasserständen und dergleichen mehr, müffen mit der größten Sorgfalt bewirkt und es muß dies durch

ausführliche Verhandlungen

und Erläuterungen

dargetan

werden.

Der Feldmesser ist für die Vollständigkeit solcher Ermittlungen und für die richtige Aufnahme und Darstellung der ihm gemachten An­

gaben in gleicher Weise verantwortlich, wie für alle seine übrigen

Arbeiten". DaS Berufungsgericht führt aus, daß diese Vorschriften die Verantwortlichkeit der Feldmesser, die ohnehin ihrem Auftraggeber gegenüber besteht, nur noch besonders hervorhöben.

Eine gesetzliche

Verantwortlichkeit in dem Sinne, daß der Feldmesser für alle Fehler

zivilrechtlich jedem Dritten gegenüber aufkommen müsse, habe daS Reglement nicht treffen wollen und können, weil eS dann materiell­ rechtliche Bestimmungen getroffen hätte, zu deren Erlaß eS nicht be­ fugt gewesen sei.

In erster Reihe aber bezwecke die Bestimmung deS § 10, die Verantwortung des Feldmessers seiner Anstellungs­

behörde gegenüber festzustellen, die nach § 4 des Reglements und Wenn hier­ durch mittelbar auch dem Einzelnen, der die Tätigkeit deS Feldmessers in Anspruch nehme, sowie dritten Personen, die sich auf die Richtig­ §§ 53, 54 GewO, die Bestallung zurücknehmen könne.

keit der Arbeiten verlassen, genützt werde, so sei dies doch nicht die

Zweckbestimmung der Vorschrift. Von diesen Ausführungen ist die Bemerkung, daß durch daS Feldmesserreglement eine zivilrechtliche Verantwortung Dritten gegen­ über dem Feldmesser nicht habe auferlegt werden sollen und können,

an sich zweifellos richtig, sie trifft aber nicht die Sache.

Die zivil­

rechtliche Verantwortung richtete sich nach den Bestimmungen deS

bürgerlichen Rechtes, zur Zeit deS Erlasses des Reglements also nach §§ 8, 10flg. ALR. I. 6, Artt. 1382, 1383 Code civil, die gleich­ mäßig eine allgemeine Haftung für Verschulden begründeten, und für daS gemeine Recht nach den Grundsätzen, die sich im Anschluß an

1. 3 § 1 Big. si mensor falsum modum dixerit XI, 6 über die Haftung der Personen entwickelt hatten, die ans Grund einer staat­ lichen Konzession, Approbation oder Anstellung dem Publikum ihre Dienste darbieten (vgl. Windscheid, Pand. Bd. 2 § 470). Reglement

brauchte

DaS

eine solche zivilrechtliche Verantwortung also

ebensowenig zu schaffen, als eS dies tun konnte.

Wohl aber wollte

und konnte eS die Pflichten der Feldmesser im einzelnen genau regeln

und nachdrücklich auf die genaueste und sorgfältigste Ausführung ihrer Arbeiten dringen, und zwar im Interesse nicht bloß ihrer Auf­ traggeber, sondern auch derjenigen Personen, welche im Vertrauen

auf die Richtigkeit der Arbeiten und Angaben der vereidigten und öffentlich angestellten Feldmeffer Rechtshandlungen vornehmen.

Daß

gerade da- Interesse auch solcher Personen bei dem Erlasse de-

Reglement- berücksichtigt worden ist, ergibt die Bestimmung de- .ß 23,

daß jeder, der an der Richtigkeit einer von einem öffentlich angestellten

Feldmesser gefertigten Feldmesserarbeit erweislich ein Interesse hat, eine Revision derselben verlangen kann.

Die genaue Regelung der

Pflichten der Feldmesser mußte die Durchführung eine- Schadens­

ersatzansprüche- wesentlich erleichtern, sofern ein Verstoß gegen diese Pflichten vorlag.

Die strenge Betonung der Verantwortung für die

Richtigkeit der Arbeiten in Verbindung mit der Regelung der disziplinären Aufsicht und der Möglichkeit einer Zurücknahme der Be­ stallung bei Vernachlässigung der Pflichten mußte zugleich und sollte

offenbar auch dahin wirken, daß die Feldmesser zuverlässig arbeiteten und daß die Interessen ihrer Auftraggeber wie auch aller derer, die

sich auf die Richtigkeit ihrer Arbeiten im Rechtsleben verließen, vor einer Schädigung nach Kräften bewahrt würden. Damit

aber

erfüllen

jene Vorschriften

die Voraussetzungen,

unter denen ein RechtSsatz als „ein den Schutz eine- anderen be­ zweckende- Gesetz" im Sinne de- § 823 Abs. 2 BGB. anzusehen ist. Selbstverständlich kann bei gesetzlichen Bestimmungen, die lange Zeit vor dem Entstehen de- Bürgerlichen Gesetzbuch- entstanden sind, nicht er­

fordert werden, daß sie sich äußerlich al- ein Schutzgesetz kennzeichnen,

daß sie zu dem Zwecke erlassen sind, einem zivilrechtlichen

noch

Schaden-ersatzanspruche zur Unterlage zu dienen. bei

Daran ist auch

den Bestimmungen de- Strafgesetzbuch- und der polizeilichen

Verordnungen au- alter Zeit, die von der Rechtsprechung al- Schutz­

gesetze im Sinne de- § 823 Abs. 2 erachtet worden sind, nicht ge­ dacht.

Der Kreis de- Schutzgesetzes 'ist auch mit Recht nicht auf

strafgesetzliche Bestimmungen beschränkt worden (vgl. Entsch. de- RG.'s

in Zivils. Bd. 51 S. 179, Bd. 63 S. 327, Bd. 77 S. 221).

Gleich,

gültig ist auch, ob da- Gesetz, unter dem selbstverständlich gemäß

Art. 2 EinsGes. z. BGB. jede Rechtsnorm zu verstehen ist, in die

Form eines Gebot- oder Verbot- gekleidet ist.

Wesentlich ist nur,

daß e- bestimmte Einzelinteressen zu schützen bezweckt, und zwar ist

mit der herrschenden Meinung (vgl. Entsch. des RG.'S in Zivils.

Bd. 59 S. 52 und S. 237/238, Urteil vom 1. November 1906

Rep. VI. 58/06 bei GruchotBd.52 S. 1008; Oertmann, 3./4.Aufl. Anm. 4 zu tz 823 BGB.) anzunehmen, daß die Gesetzesbestimmung

dem Schutze des Einzelinteresses nicht unmittelbar zu dienen braucht, sondem daß er genügt, daß sie zugleich auch dieses Interesse zu schützen bezweckt, wenn sie auch in erster Reihe dem Interesse der

Allgemeinheit dienen soll.

Doch kommt eS auf die Entscheidung

dieser Frage hier nicht an. Denn wenn das Feldmesserreglement in seiner Gesamtheit auch die Berhältniffe der Feldmesser im all­

gemeinen öffentlichen Interesse ordnet, so ist doch, wie oben ausgeführt, in den Bestimmungen, die den Feldmesiern die Verantwortung für die Richtigkeit ihrer Arbeiten auferlegen, gerade der Zweck ver­

folgt, neben den Auftraggebern auch diejenigen zu schützen, welche im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Arbeiten im Rechtsverkehr handeln, also einen bestimmten Kreis von Interessenten gegen Gefährdung und Schädigung zu schützen. Hierdurch unterscheiden sich die er­ wähnten Bestimmungen wesentlich nicht nur von bloßen Ordnungs­

vorschriften, die zweifellos nicht zu den Schutzgesetzen im Sinne deS § 823 Abs. 2 gehören, sondern auch von § 28 RAnwO., mit dem

das Berufungsgericht die Bestimmungen

vergleicht.

Denn

dieser

Paragraph spricht nur die allgemeine Verpflichtung des Rechtsanwalt-

gewiffenhaften Ausübung seiner Berufstätigkeit und zum all­ gemeinen achtungswürdigen Verhalten aus. An den Schutz be-

zur

stimmtet Personenkreise nicht gedacht.".

ist mit dieser Bestimmung augenscheinlich

20. Bildet ein auf Grund des StelleuvermittlergesetzeS vom 2. Juni 1910 (RGBl. S. 860) erlassene- Verbot der Errichtung von Zweig­ geschäften im Sinne de- § 552 BGB. einen in der Person des Mieter- (Stellenvermittlers) liegenden Grund? III. Zivilsenat, litt v. 15. März 1912 i.S. A. G m. b. H. (Kl.) w. U. (Bekl.). Rep. III. 289/11. I. II.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Die Beklagte hatte von dem Hausbesitzer P. in B. für die Zeit vom 1. Oktober 1907 bis zum 1. Oktober 1912 Wohnung-räume für einen in vierteljährlichen Raten von 600 JK, vorauszahlbaren jährlichen Mietzins von 2400 jH gemietet, um sie zum Betrieb einer Filiale ihre- ebenfalls in B. befindlichen Hauptgeschäft- al- Stellen­ vermittlerin zu verwenden. Am 1. Oktober 1910 trat das Stellen­ vermittlergesetz vom 2. Juni 1910 in Kraft. Durch Nr. 16 der auf Grund de- § 8 des Gesetzes vom preußischen Minister für Handel und Gewerbe am 16. August 1910 erlassenen Vorschriften für die gewerbsmäßigen Stellenvermittler (Min.-Bl. S. 455) wurde die Er­ richtung von Zweiggeschäften verboten. Die Beklagte mußte daher den Betrieb ihrer Filiale vom 1. Oktober 1910 an aufgeben. Sie erklärte unter Widerspruch de- Vermieter-, daß sie vom Vertrage zurücktrete, und verweigerte die Bezahlung de- Mietzinse- für die Zeit vom 1. Ostober 1910 an. Die Klägerin» die inzwischen an die Stelle de- früheren Vermieter- getreten ist, erachtet den Rücktritt für un­ gerechtfertigt und verlangt die Bezahlung der am 1. Oktober 1910 fällig gewesenen Mietzinsrate von 600 M, sowie die Feststellung, daß der Mietvertrag bi- zum 1. Ostober 1912 gültig sei. Die erste Instanz gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten wurde die Klage abgewiesen. Auf Revision der Klägerin wurde da- Be­ rufung-urteil aufgehoben und da- erste Urteil wiederhergestellt. Gründe: „Da- Berufungsgericht weist die Klage unter Bezugnahme auf die §§ 323, 536 und eine entsprechende Anwendung de- § 537 BGB. (vgl. Oertmann, BGB. § 552 Anm. 5 der 3./4. Aust.) mit der Begründung ab, der vertragsmäßige Gebrauch der Mietsache habe allein in dem jetzt verbotenen Filialbettiebe bestanden, und die Be­ klagte sei seit dem 1. Ostober 1910 an der Ausübung diese- Gebrauchdurch einen nicht in ihrer Person liegenden Grund verhindert (§ 552 BGB.). Diese Begründung ist nach beiden Richtungen un­ zutreffend. Das Berufungsgericht stellt fest, daß al- Zweck der Benutzung nur der Betrieb einer Filiale de- Stellenvermittlergeschäfts der Be­ klagten angegeben worden fei, und daß der Hausbesitzer den Miet­ vertrag erst abgeschlossen habe, nachdem er sich durch die Besichtigung de- Hauptgeschäfts überzeugt hätte, daß eine Störung für sein Hau-

nicht zu befürchten sei.

Die daraus gezogene Folgerung, der Betrieb

einer Filiale des Stellenvermittlergeschäfts habe de« allein vertrags­

mäßigen Gebrauch gebildet, ist aber nicht bloß tatsächlich bedenklich, sondern auch rechtsirrig.

Soll der Vermieter verpflichtet sein, den

Gebrauch der gemieteten Räume zum Betriebe der Stellenvermittlung

und zwar gerade zum Betrieb einer Filiale — nur der Filialbetrieb ist ja verboten — zu gewähren (§ 535 BGB.), dann muß die Über­ nahme einer gerade hierauf gerichteten Gewährungspflicht von beiden

Vertragsteilen, auch vom Vermieter, erkennbar gewollt fei«. Es genügt nicht, daß der Mieter nur diesen einzigen Gebrauch wollte und daß

diese Absicht dem Vermieter bekannt war. Daß aber ein solcher er­ kennbarer Vertragswille, insbesondere auch beim Vermieter, vorhanden war, ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch au- der Ver­ trag-urkunde, die von der Stellenvermittlung überhaupt nicht spricht,

und den von den Zeugen bekundeten Vorverhandlungen zu entnehmen. Auch die Bestimmung der BertragSurkunde (§ 2 am Schlüsse): „die gemieteten Räume dürfen nur zu dem beim Mieten angegebenen

Zwecke benutzt werden" spricht nicht für einen solchen Vertragswillen. Denn er fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß sich diese, nicht etwa hand­

schriftlich beigefügte, sondern im Formulare vorgedruckte Bestimmung auf den fraglichen Filialbetrieb beziehen sollte. Da da- Verbot der Ministerialvorschrift nur den Betrieb von Filialen eine- Stellen» vermittlergeschästeS betrifft, kann man also überhaupt nicht sagen, daß

der Beklagten der vertragsmäßige Gebrauch der Mietsache unmöglich geworden sei.

Aber anch wenn man die gegenteilige Auffasiung deS Berufungs­ gericht- zugrunde legt, ist seine Entscheidung nicht zu billigen.

Nach § 552 Satz 1 BGB. wird der Mieter von der Entrichtung deS Miet­ zinses nicht dadurch befreit, daß er durch einen in seiner Person

liegenden Grund an der Ausübung des ihm zustehendm Gebrauchs­ rechtes verhindert wird.

Die Vorschrift steht im Einklänge mit dem

früher geltenden Rechte und will mit Rücksicht darauf, daß an sich der Zufall den Vermieter betrifft, Zweifel darüber ausschließen, daß der Vermieter den MietzinS dann beanspruchen kann, wenn der Mieter nur ans einem in seiner Person liegendem Grnnde den Gebrauch auSzuüben verhindert ist. Vgl. Motive zum 1. Entw. BGB. § 518 Bd. 2 S. 400; ALR.

T. I, 21 § 299 und für das gemeine Recht Dernburg, Pand.

Bd. 2 § 111 zu Anm. 21, 22. Den Gegensatz zu den in der Person des Mieters liegenden Gründen bilden diejenigen, welche in der Person des Vermieters, und die­

jenigen, welche in objektiven d. h. weder die Person des Vermieters noch die des Mieters betreffenden Umständen liegen. Hier handelt eS sich um keine der beiden letzteren Arten.

DaS

Stellenvermittlergesetz sollte die Auswüchse beseitigen, die sich auS dem Gewerbebetriebe der Stellenvermittler ergeben hatten (Begr. zum Entw., Drucks. deS Reichstags 1909/1910 Nr. 231).

Seine

Bestimmungen und folglich auch die auf Grund des § 8 von den Landeszentralbehörden erlassenen Vorschriften richten sich gegen die

Stellenvermittler als solche. DaS Verbot deS Filialbetriebs traf also auch die Beklagte in ihrer persönlichen Eigenschaft als Stellen­ vermittlerin und bildet daher einen in ihrer Person liegenden Grund. Auf § 536 BGB. kann sich die Beklagte nicht berufen; denn an dem Zustande der Mietsache hat sich nichts geändert. Auch eine ent­ sprechende Anwendung deS § 537 ist ausgeschlossen.

§ 537 setzt

einen Fehler der Mietsache oder daS Fehlen zugesicherter Eigenschaften der Sache voraus, steht also im unmittelbaren Gegensatze zu den in

der Person deS Mieters liegenden Gründen, auf die sich § 552 be­

zieht, und könnte auf den Fall eine- gesetzlichen oder behördlichen Verbots nur dann entsprechend angewendet werden, wenn eS sich dabei nm irgendwelche Beziehungen (z. B. die örtliche Lage) der

Sache handeln würde.

Nur um solche Fälle handelt eS sich bei den

von Oertmann a. a. O. angeführten Beispielen und nur in solchen

Fällen war auch nach den früheren Rechten, denen sich daS bürger­

liche Gesetzbuch angeschlossen hat, der Mieter von der Zahlung deS

Mietzinses frei. Vgl. für daS gemeine Recht Dernburg, Pand. a. a. O. Anm. 21, auch Entfch. des RG.'S in Zivils. Bd. 4 S. 169.

DaS Verbot deS Filialbetriebs aber richtet sich unmittelbar gegen die Person deS Stellenvermittlers und betrifft nur mittelbar die

Benutzung der von ihm für diesen Betrieb gemieteten Sache.

Auf

§ 323 BGB. kann sich die Beklagte nicht berufen, weil die An­ wendung dieser allgemeinen Vorschrift hier durch die Sondervorschrift

der § 552 ausgeschlossen ist.

Vgl. RGRKomm. z. BGB, § 552 Anm. 1; v. Staudinger, § 552, I a. A.; Oertmann, § 552 Anm. 1. Da auch em Fall der außerordentlichen Kündigung (§§ 542flg.) nicht vorliegt, ist die Beklagte für die VertragSdauer an den Mietvertrag gebunden und zur Bezahlung des Mietzinse- verpflichtet. Den Ver­ mieter würde der Schaden nur dann treffen, wenn die Zulässigkeit des Filialbetriebs als stillschweigende Bedingung des Mietvertragzu betrachten wäre, oder wenn der Vermieter eine Garantie für die Zulassung übernommen hätte. Dafür bietet jedoch, wie schon die erste Instanz zutreffend erwogen hat, die Sachlage keinen Anhalt, und in der Berufungsinstanz ist eine abweichende Behauptung nicht aufgestellt worden."

21. 1. Arglistiges Verhindern des Eintritts einer ausschiebenden Bedingung dnrch die Vertragspartei, auf deren Handeln die Be­ dingung abgestellt ist. 2. Ja welchem Zeitpunkte hat gegebenenfalls die Bedingung al- eiugetreten zu gelten? BGB. § 162 Abf. 1. V. Zivilsenat. Urt v. 16. März 1912 L.S.P. W. (Kl.) w. K. (Bell.). Rep. V. 483/11. I. II.

Landgericht Schneidemühl.

Oberlandesgericht Posen.

Das Wirksamwerden des Vertrags, durch den der Kläger sein Grundstück an den Beklagten verkauft hatte, war nach § 5 davon ab­ hängig gemacht worden, daß der Beklagte die Konzession für den Hotelbetrieb und den vollen Schankbetrieb in der getauften Villa erhalte. Der Beklagte suchte die Konzession nach, ohne zuvor das Gebäude weiter ausgebaut und vergrößert zu haben. Sein Gesuch wurde vom KreiSauSschuß abgelehnt, weil für ein Hotel mit nur vier Fremden­ zimmern und für einen selbständigen Schankbetrieb kein Bedürfnis

vorliege.

Der Beklagte erklärte darauf den Vertrag als hinfällig.

Der Kläger machte geltend, der Beklagte habe den Eintritt der Be­ dingung wider Treu und Glauben vereitelt, weil er unterlassen habe,

die Villa in einen zum Hotelbetriebe geeigneten Zustand zu versetzen, wiewohl ausdrücklich verabredet worden sei, daß er auf die Villa ein zweite- Stockwerk aufsetzen solle.

Nur in dieser Voraussetzung sei

der Kläger auf § 5 des Vertrags eingegangen.

halb Elfüllung des Kaufvertrag-.

Er verlangte des­

Im Gegensatze zum Landgericht

hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen.

Die vom Kläger

dagegen eingelegte Revision wurde für begründet erachtet. Aus den Gründen: „ 1. Der Kläger will das treulose Verhalten deS Beklagten

darin gefunden wissen, daß er sich um die Genehmigung zu den be­

zeichneten Betrieben beworben hat, ohne zuvor, wie geplant gewesen sei, ein zweites Stockwerk aufgesetzt und damit die Villa zu einem brauchbaren Hotel eingerichtet zu haben. DaS Berufungsgericht meint dagegen, der Kläger könne mit seiner Behauptung überhaupt nicht gehört werden, weil der Vertrag über eine Verpflichtung des Beklagten, dar Haus auszubauen und die Genehmigung erst nach er­

folgtem Ausbau nachzusuchen, nicht- enthalte. Hätten die Parteien eine derartige Vereinbarung mündlich getroffen und

gleichwohl

neben dem notarielle» Vertrag als bindend gelten lassen, so würde der Vertrag mangel-

formgerechter Beurkundung aller Vertrags­ bestandteile gemäß § 313 BGB. im ganzen nichtig sein. ES vermißt endlich den Beweis dafür, daß die Parteien schon beim Vertrags­ schluß auf den Ausbau de- Gebäude- ein „rechtliches" Gewicht ge­

legt hätten und namentlich, daß der Beklagte sich nach der angegebenen Richtung hin wirklich hätte „binden" wollen. Diese Erwägungen beruhen auf einer Verkennung der Voraus­

setzungen der § 162 Abs. 1 BGB , um dessen Anwendbarkeit eS sich hier handelt.

Nach der angezogenen Bestimmung

soll eine auf­

schiebende Bedingung alS eingetreten gelten, rS soll also die Sache so angesehen werden, als wäre der Eintritt wirklich erfolgt, wenn die bedingungsweise verpflichtete Partei den Eintritt der Bedingung wider Treu und Glauben vereitelt hat.

Danach steht aber betreffs der Anwendbarkeit des § 162 Abs. '1 keineswegs in Frage, ob der bedingt Verpflichtete sich unredlich einer vertraglichen Verpflichtung entzogen Sntsch. in Zivils. R. F. 29 (79).

1

und ob er etwa- nicht getan hat, war er zu tun vertraglich gehalten war. Entscheidend ist vielmehr nur, ob er wider Treu und Glauben den Eintritt derjenigen Ereignisse- verhindert hat, welche- zur Be­ dingung gemacht worden war. War insbesondere der Eintritt deS Ereignisses davon abhängig, daß der bedingt Verpflichtete eine Hand­ lung vornahm, so kommt eS für die Anwendbarkeit de- Gesetze- nicht darauf an, ob er zur Vornahme der Handlung vertraglich verpflichtet worden ist, ob also dem anderen Teile ein klagbarer Anspruch auf die Leistung der Handlung entstanden war. ES genügt vielmehr schon, wenn die Vornahme der Handlung nach den Geboten von Treu und Glauben erforderlich war. Diese Annahme wird aber nur dann unzulässig sein, wenn eS nach der Absicht der Vertrags­ parteien in da- freie Belieben deS bedingt Verpflichteten gestellt sein sollte, wie er sich verhalten wolle (Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 63 S. 267), nicht auch dann, wenn die Parteien gerade davon ausgegangen sind, die Entscheidung über den Eintritt oder über den Ausfall der Bedingung fei unter allen Umständen herbeizuführen. Auch in derartigen Fällen dem bedingt Verpflichteten die Ausflucht zu gestatten, daß er sich zur Vornahme der Handlung im Vertrage nicht verpflichtet habe, wäre mit den Grundsätzen von Trm und Glauben unvereinbar. Dies wird namentlich dann zutreffen, wenn die Bedingung, wie im Streitfall, allein zugunsten deS bedingt Berpflichtetm vereinbart worden und mithin anzunehmen ist, daß sich der Gegner zur Bewilligung der Bedingung lediglich im Vertrauen darauf verstanden hat, der andere Teil werde die Entscheidung redlicherweise herbeiführen. In Fällen dieser Art wird eS endlich aber auch nicht in da- freie Belieben deS bedingt Verpflichteten gestellt fein, unter welchen Umständen er die Entscheidung herbeiführen, und wie er die nach Treu und Glauben gebotene Handlung vornehmen wolle. Nach den Anforderungen von Treu und Glauben wird er vielmehr, wenn­ gleich ihm nach dieser Richtung eine vertragliche Verpflichtung nicht auferlegt worden ist, ohne weitere- so handeln müssen, wie eS der bedingt Berechtigte nach Lage der Sache billigerweise erwarten konnte. Eine unredliche Vereitelung der Bedingung gemäß § 162 Abs. 1 BGB. kann deshalb auch schon dann in Frage kommen, wenn der bedingt Verpflichtete die gebotene Handlung äußerlich zwar vor­ genommen hat, wenn er eS jedoch nicht in der Weise getan hat, wie

sein Gegner zu erwarten berechtigt war, und wie er eS, um eine sachgemäße Entscheidung zu erwirken, redlicherweise hätte tun müssen. Von diesen Gesichtspunkten aus War auch der gegebene Fall zu

prüfen.

Dann war aber für die Erwägungen, aus denen das Be­

rufungsgericht die Behauptung des Klägers als unbeachtlich erklärt Dagegen mußte festgestellt Werden, ob

hat, überhaupt kein Raum.

der Beklagte, dem die von ihm tatsächlich nachgesuchte Konzession

verweigert worden ist, dieS Ergebnis, Wenn auch nicht durch Ver­ letzung einer vertraglichen Leistungspflicht, so doch durch eine un­ redliche Handlungsweise geflissentlich verursacht hat, indem er die Konzession unter Umständen nachsuchte, unter denen er eS bei einem

redlichen Verhalten dem Kläger gegenüber nicht hätte tun dürfen.

Bei dieser Ermittlung handelt eS sich somit nicht um eine Auslegung der Bestimmung deS § 5 des Vertrags, sondern lediglich um die

unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände (sei eS

aus der Zeit vor Abschluß deS Vertrags, sei eS aus späterer Zeit) zu treffende Feststellung, Wie sich der Beklagte redlicherweise hätte

verhalten müffen.

Wie die Sache gegenwärtig liegt, besteht allerdings

der Verdacht, daß eS ihm um die Erlangung der Konzession über­

haupt nicht ernstlich zu tun war, daß er sich vielmehr um die Ge­ nehmigung unter Umständen beworben habe, unter denen er selbst

auf ihre Erlangung gar nicht rechnete, und daß er sich jedenfalls

dessen bewußt war, er verfahre ander-, als der Kläger erwarten durfte. Daß sein Gesuch nur dann Aussicht auf Erfolg hatte, wenn der Behörde genügende Räumlichkeiten auch für den Hotelbetrieb nachgewiesen sein.

wurden,

kann

dem

Beklagten

unmöglich

entgangen

Auch erscheint die Annahme nicht ausgeschlossen, daß er sich

schon von vornherein selbst gesagt hat, für den Betrieb eines Hotels in dem nahe beim Bahnhöfe gelegenen Gebäude würden vier Fremden­ zimmer nicht ausreichend sein.

Endlich ist festgestellt, daß der Be­

klagte die nachgesuchte Konzession für beide Bettiebe wirklich erhalten

haben würde, wenn genügende Räumlichkeiten für ein Hotel nach­ gewiesen worden wären.

Es ist mithin nicht ohne weitere- ein­

leuchtend, Weshalb der Beklagte, wenn eS ihm um die Erlangung der Konzession Ernst War, dem KreiSauSschuffe nicht dargelegt hat,

daß er da- zum Hotel bestimmte Gebäude vergrößern und auf diese Weise eine Anzahl von Zimmern dazu gewinnen wolle. 7*

Daß er

bereit- auf Grund eine- solchen bloßen Nachweise- hätte zum Ziele kommen und die

Konzession wenigsten- unter Vorbehalt künftiger de- etwaigen Bauplan- hätte erhalten

sachgemäßer Ausführung

können,

läßt sich nach den geltenden RechtSgrundsätzen nicht be­

zweifeln

(Entsch.

de-

OLT.'S Bd. 1

S. 263, Bd. 2 S. 141).

Die- hätte der Beklagte, wenn ihm daran gelegen gewesen wäre,

auch leicht in Erfahrung bringen können. Hielt er e- dagegen nachträglich für geratener, vom Vertrage gänzlich loszukommen, dann konnte ihm als ein zweckdienlicher Weg erscheinen, die zu seinem

Gunsten vereinbarte Bedingung de- § 5 zum Scheitern zu bringen

und zu dem Ende sich um die Konzession geflissentlich in unzulänglicher Weise zu bewerben. Daß aber der Beklagte in Wirklichkeit nicht so

verfahren ist wie ursprünglich geplant war, und wie der Kläger nach Treu und Glauben erwarten durfte, dafür könnten diejenigen Vor­ gänge sprechen, welche zum Vertragsabschlüsse geführt haben.* (Wird näher dargelegt) „Inder könnte der Kläger mit seiner Behauptung, daß der Beklagte den Eintritt der Bedingung wider Treu und Glauben verhindert habe, nicht durchdringen, wenn e- dem Beklagten gelänge, triftige Gründe zur Rechtfertigung seine- nachträglichen Verhalten-

zu erbringen und auf diese Weise den Borwurf unredlichen Verhaltenzu widerlegen» wobei übrigen- auch rein subjektive Momente unter Umständen eine Rolle spielen könnten.* (Auch die- wird weiter auSgeführt.)

Menn der Kläger meint, nach Treu und Glauben hätte der Beklagte den geplanten Aufbau et ft wirklich fertig stellen müssen, ehe er sich um die Konzession bewarb, so geht das zu weit

Rach der-

ständigem Ermessen konnte sich der Beklagte, bevor er über die KonzessionSauSsichten einigermaßen Sicherheit erhielt, zu einer so erheb­ lichen Maßregel unmöglich entschließen.

Denn mit Versagung der

Fiel damit die Bedingung auS, und zerschlug sich zugleich der ganze Vertrag dann ergab sich

Konzession mußte er immerhin rechnen.

die Mißlichkeit, daß der Aufbau vergeblich gemacht war, und daß er vom Eigentumsrechte dcS Klägers ergriffen wurde (§§ 946, 94 BGB ).

Dann wären zwischen den Parteien neue Schwierigkeiten entstanden,

und eS hätte der Kläger einem Bereicherungsanspruche des Beklagten Folge geben "wüsten.

ES lag also auch nicht einmal im Interesse

d.S Klägers, daß der Beklagte die geplante Veranstaltung auf alle

Gefahr hin traf. Nur soviel hätte also der Kläger erwarten dürfen, daß sich der Beklagte Machst lediglich um eine ihm unter Vorbehalt zu erteilende Konzession bemühen werde.

2. Der Umstand, daß die Konzession auf diesem Wege auch schließt indes nicht auS, daß die

jetzt noch erreichbar sein mag,

Bedingung schon zur Zeit der Klageerhebung als gescheitert gelten durfte.

Der Beklagte hatte schon damals unzweifelhaft zu erkennen

gegeben, daß er keine weiteren Schritte mehr unternehmen wolle, und einen Zwang nach dieser Richtung konnte der Kläger auf ihn nicht ausüben.

Bei dieser Sachlage müßte aber davon ausgegangen werden,

daß die Bedingung bereit- in dem Zeitpunkte gescheitert war, in dem der Beklagte ihren Eintritt hätte herbei führen können und herbei­

geführt hätte, wenn er redlich gehandelt hätte (Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 2 S. 144; Mot. j. BGB. Bd. 1 S. 263). Von einer etwa jetzt noch schwebenden Bedingung kann also in keinem Falle mehr

die Rede sein."

22. 1. Haftet der Reichs fiskuS dem Reeder eines durch Berschuldeu eine- KanaUotseu beschädigten Schiffe- au- Vertrag, oder nur auunerlaubter Haudluug? 2. Ist e- von Einfluß auf die Haftung de- Reichsfiskus für Handlungen seiner Beamten, daß Reichsbeamte nur nach. Maß­ gabe de- Reichsbeamteugesetze- aus der Beamteustellung entfernt werden können? 3. Anforderungen an den Entlastung-beweis über die sorg­ fältige Auswahl der Angestellten, wenn der Verletzte die objektive Untüchtigkeit des Angestellte« zu der ihm aufgetragenen Benichtung uachgewiesen hat. 4. Ist der Betriebsdirektor des Kaiserlichen KanalamtS Ver­ treter des ReichsfisknS? BGB. 30, 31, 89, 276, 278, 823, 831. VI. Zivilsenat.

Urt. v. 18. März 1912 i.S. ReichSfiskuS (Bell.) w. D. (Kl.).

Rep. VI. 409/11.

I. n.

Landgericht Kiel. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kohlendampser „Mimi" der Klägerin, Kapitän Cl., wollte

am 12. November 1909 von Brunsbüttel her den Kaiser-WilhelmKanal durchfahren. Er war morgens 260 Uhr in Brunsbüttel ein­

getroffen, wurde durch den Hafenlotsen St. in die Schleuse gebracht und sollte von dort durch den Kanallotsen Sch. geführt werden. Auf der Fahrt geriet er an der Südseite des Kanals, nachdem er,

wie die Klägerin behauptet, vorher mit einem Ducd'Alben zusammen­ gestoßen war, auf Grund. Das Schiff erlitt mehrfache Beschädigungen und mußte in Holtenau auf der Reede liegen bleiben. Die Klägerin

berechnete ihren Schaden auf 17 204,62 JH und nahm auf deren Ersatz den verklagten ReichsfiSkus in Anspruch. DaS Landgericht erklärte den Anspmch dem Gmnde nach für gerechtfertigt, die Be­

rufung des Beklagten wurde zurückgewiesen.

Die Revision des verklagten ReichsfiSkus wurde zurückgewiesen aus folgenden

Gründen: „DaS Landgericht ist zur Verurteilung deS ReichsfiSkus ge­

langt, indem eS ein Verschulden des Kanallotsen Sch. für er­ wiesen annimmt, für daS der Beklagte nach § 278 BGB. hafte, da daS Rechtsverhältnis zwischen dem den Kanal durchfahrenden Schiff und dem den Zwangslotsen stellenden ReichsfiSkus vertrag­

liche Natur habe. DaS OberlandeSgericht lehnt diesen RechtSflandpunkt ab, kommt aber zu dem gleichen Ergebnisse der Verurteilung deS

Beklagten, indem eS den § 831 BGB. zur Anwendung bringt, den auch

hatte.

das Landgericht an zweiter Stelle für einschlagend erachtet Der Nordostseekanal sei, erwägt das Berufungsgericht, eine

öffentliche Verkehrsstraße, für die das Kanalamt die für seine Be­ nutzung maßgebmden Bestimmungen im öffentlichen Interesse erlassen

habe.

Dazu gehöre die Vorschrift der Führung durch einen Kanal-

lotsen» einen öffentlichen Reichsbeamten.

Die Kanalgebühr sei eine

öffentlichrechtliche Abgabe; die Anmeldung und Zulasiung deS Schiffes

zur Durchfahrt stelle nicht einen Vertragsabschluß dar; die Benutzung

geschehe auf Grund gesetzlich öffentlichrechtlicher Befugnis.

Auch die

Fassung deS Anmeldeformulars, die besage, daß die Bestimmungen

der Betriebsordnung für das Rechtsverhältnis zwischen der Kanal-

22.

Haftung deS ReichSfiSkuS für Beamte deS Kanalamts.

103

Verwaltung und dem Reeder „maßgebend sein sollen", lasse die schon an

sich zwingenden Bestimmungen der Betriebsordnung nicht als VertragsVereinbarung erscheinen.

Die Haftung des Beklagten für ein Ver­

schulden der Lotsen bei der Führung deS Schiffes bestimme sich deshalb nicht nach § 278 BGB., vielmehr sei § 831 BGB. maßgebend. Erwiesen sei nun, daß der Dampfer

„Mimi"

während der

Führung durch den Lotsen Sch. zunächst mit einem der Dued'Alben

zusammengestoßen sei, bei der Weiterfahrt einmal den Boden berührt habe und endlich auf die Kanalböschung aufgefahren sei und dadurch

Beschädigungen erlitten habe. Diese Unfälle habe Sch. durch ver­ schuldete Trunkenheit herbeigeführt. Der Dampfer „Mimi" sei aller­ dings kein leicht zu steuernde- Schiff, er habe aber den Kanal mehr­ fach ohne Unfall durchfahren und würde bei gehöriger Umsicht und Geschicklichkeit deS Lotsen ihn auch diesmal sicher durchfahren haben. Aber die Navigierung Sch'S sei unvorsichtig

gewesen, veranlaßt durch Trunkenheit deS an sich technisch qualifizierten Lotsen Sch. ...

Ein solcher Mann eigne sich nicht zu dem verantwortungsvollen Dienst eine- Kanallotsm. Wenn die Kanalverwaltung die Schiffer

zwinge,

ihre Schiffe

durch die ihnen zugewiesenen Zwangslotsen

führen zu fassen, dann müsse sie auch auf deren Auswahl die größte

Sorgfalt verwenden.

Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen,

daß ihm die Neigung des Sch. zum Trunk unbekannt geblieben fei.

Denn die Berichte nach dem Unfall hätten gezeigt, daß diese Neigung

des Sch. bereits vorher erkennbar zutage getreten und auch zur Kenntnis der Vorgesetzten gekommm sei. Die Kanalverwaltung hätte ihn deshalb in diesem Dienste nicht belassen dürfen. Die Revision rügt Verletzung de-

§ 831 BGB , der §§ 10,

73flg. RBeamtG. vom 31. Mai 1873 und deS 8 286 ZPO.

Da

der Kanallotse Reichsbeamter sei, könne er nur nach Maßgabe der

Disziplinarbestimmungen deS Reichsbeamtengesetzes entlaffen werden.

Möge der Beamte daher auch im Sinne des § 831 BGB. als mit der Ausführung einer Verrichtung betraut anzusehen sein, so dürfe

doch der hier nachgelaffene Entlastungsbeweis der sorgfältigen Auswahl

nur auf die Zeit der Anstellung bezogen werden.

Für die spätere

Zeit genüge der Nachweis, daß der Beamte eines Dienstvergehen-, da- zu seiner Entlassung hätte führen müssen, sich nicht schuldig gemacht habe.

Daß Sch. zur Zeit seiner Anstellung bereit- Trinker

gewesen sei, habe Klägerin nicht behauptet, und die vom Berufungs­

gerichte festgestellten späteren Vorgänge hätten eine Entlassung nicht Auch davon abgesehen, sei aber die Begründung

rechtfertigen können.

der Haftung des Beklagten aus § 831 BGB. unzulänglich. Daß Sch. einige Male außer Dienst angetrunken gewesen sei, könne nicht

zur Veranlassung werden, einen sonst tüchtigen und im Dienste ge­ wissenhaften Mann z« entfernen. Im Dienste habe sich Sch. nichtzu schulden kommen lassen; eS sei nur der Eindruck eine- Zeugen fest­

gestellt, daß er wohl etwa- getrunken habe.

Daß der Kanalver­

waltung die Trinkerneigung des Sch. vor dem Unfälle bekannt ge­ worden sei, sei nicht fefigestellt; ein Verdacht, den vorgesetzte Angestellte gehabt hätten, könne nicht der Kanalverwaltung als Mangel an Sorgfalt zur Last gelegt werden.

Der Revision war der Erfolg zu versagen. Es kann unerörtert bleiben, ob die Ablehnung einer Haftung deS verklagten Fiskus für den schuldhast handelnden Lotsen auf Grund

des § 278 BGB. durch das Berufungsgericht in jeder Beziehung gerechtfertigt erscheint, und ob nicht vielmehr die Annahme eines

Vertragsverhältnisses oder eines vertragsähnlichen Verhältnisses zwischen dem verklagten FiskuS, als dem BetriebSunternehmer deS Kaiser-

Wilhelm-Kanales, und dem den Kanal zur Durchfahrt in Anspruch nehmenden Schiffer, die zur Anwendung deS § 278 BGB. führen würde, für der Rechtslage entsprechend zu erachten ist, wie dies auch das Landgericht in seiner Entscheidung ausgeführt hat (vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 74 S. 254 und Bd. 65 S. 117). Denn

auch die vom Berufungsgericht allein zur Grundlage seiner Ent­ scheidung genommene Bestimmung des § 831 BGB. führt zur An­

erkennung der Schadensersatzverpflichtung des verklagten Fiskus für

den von dem Lotsen Sch. angerichteten Schaden. Revision

gegen

Die Angriffe der

die Erwägungen des Berufungsgerichts sind nicht

begründet. . Die Stellung lies Kanallotsen in der Kanalverwaltung, die Frage der Haftung des ReichSfiSkuS für vom Lotsen begangenene schuld­ haste oder rechtswidrige Handlungen ist in dem Urteile des Reichs­ gerichts Entsch. in Zivils. Bd. 74 S. 250, eingehend behandelt. ES

ist dort ausgesprochen worden, daß der Kanallotse unter den Begriff der „zu einer Verrichtung bestellten" Beamten — im Gegensatze zu

Haftung deS Reichsfiskus für Beamte deS Kanalamts.

22.

105

den Vertretern des Fiskus nach §§ 30, 31, 89 BGB. — falle, für bereit Handlungen der Fiskus im Rahmen der § 881 BGB. haste. Diese Rechtsstellung haben auch da- Landgericht wie das Berufungs­

gericht im gegebenen Falle dem Kanallotsen zugesprochen, und die Revision hat dagegen Angriffe nicht erhoben.

den

in

dem

angezogenen

Urteil

Sie hätten auch auS

ausgeführten

für begründet erachtet werden können.

Wird

Erwägungen nicht

aber hiervon auS-

gegangen, so kann für die Haftung des verklagten FiSkuS die innere Beamtenstellung des Lotsen nicht in Betracht kommen. Der Entlastungs­

beweis der sorgfältigen Auswahl nach § 831 BGB. ist hinsichtlich des Beamten wie hinsichtlich jedes anderen zu einer Verrichtung Bee stellten darauf zu richten, daß er zur Zeit der Bestellung zu dieser Verrichtung ohne Verachlässigung der erforderlichen Sorgfalt auSgewählt war. Er kann nicht zugunsten des Staates, mit Rücksicht auf dessen Gebundenheit an die einmal angestellten Beamten, an die Reichs­ beamten nach Maßgabe der §§ 10, 73flg. des RBeamtG., lediglich auf die Zeit der Anstellung abgestellt werden.

Damit würde eine

unterschiedliche Haftung des Geschäftsherrn, je nachdem dieser Staat

oder Privatperson ist, in die Anwendung deS § 831 BGB. ein­

geführt.

Daß der Staat einen Beamten nicht schlechthin entfernen,

sondern nur nach Maßgabe der gesetzlichen Disziplinarbestimmungen

gegen ihn vorgehen kann, mag unter Umständen zu Härten führen, kann aber dem Staate dritten Beschädigten gegenüber nicht zugute kommen.

Der Staat mag alsdann de» Beamten, wenn er zu ver­

antwortungsvoller Tätigkeit im Verkehr nach außen nicht mehr ge­

eignet ist, im inneren Dienste zu beschäftigen suchen.

ES ist aber

auch nicht schlechthin richtig, daß die Dienstbehörde auf einen Beamten, dessen Dienstführung nach einer bestimmten Richtung zu Bedenken Anlaß gibt, nur im Rahmen der Disziplinarbestimmungen einzuwiiken

vermöchte.

Strenge Aufsicht über die Führung deS seine Pflicht

vernachlässigenden Beamten wird in vielen Fällen genügen, den Be­

amten in der Pflicht zu erhalten und Dritte vor Schaden zu schützen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

ES kommt weiter in Frage,

ob hinsichtlich des Lotsen Sch.

der EntlastungsdeweiS deS § 831 BGB. für geführt zu erachten ist.

Die Gerichte beider Borinstanzen haben dies vereint, der Revisions­ angriff gegen die Erwägungen deS Berufungsgerichts war nicht für

begründet zu erachten.

In der Ordnung einer großen Verwaltung,

vor allem der staatlichen Verwaltungen, muß darauf gerechnet werden, daß Eigenschaften, die einen Beamten zur Führung bestimmter Ge­

schäfte, zumal verantwortungsvoller Geschäfte im äußeren Verkehr,

ungeeignet machen, zur Kenntnis der oberen Dienstbehörde kommen.

Es müssen Einrichtungen getroffen sein, die die Erlangung dieser Kenntnis gewährleisten.

Es ist richtig und entspricht der natürlichen

Sachlage, daß der Geschäftsherr den ihm nach § 831 BGB. ob­ liegenden Nachweis sorgfältiger Auswahl des Angestellten zuerst auf dessen Tüchtigkeit und auf seine Sorgfalt bei und zur Zeit der An­

stellung richtet. Sobald aber der Beschädigte den Nachweis geführt hat, daß sich in der Dienstzeit des Angestellten offenkundige Mängel

gezeigt haben, genügt der Dienstherr seiner Entlastungspflicht nicht mehr schon mit dem Nachweise, daß der Angestellte zur Zeit seiner Anstellung tüchtig und mit Sorgfalt au-gewählt war. Es entschuldigt ihn auch nicht, wenn er dartut, daß ihm die Mängel nicht bekannt geworden seien. Er muß vielmehr den Beweis führen, daß fie ihm ohne sein Verschulden entgangen sind, daß er also die dienlichsten Ein­

richtungen getroffen hat, um über die Leistungen und die Amtsführung

der Angestellten ständig unterrichtet zu werden, daß aber auch deren genaue Anwendung ihm nicht zur Kenntnis von den Pflichtwidrigkeiten

oder der Ungeeignetheit des Angestellten verholfen habe.1

Wenn also die

Trunkneigung deS Kanallotsen Sch. zur Kenntnis vorgesetzter Beamten

gekommen ist, die nicht Vertreter des Beklagten waren, wie die Revision gegen die Begründung deS Berufungsurteils einwendet, so wäre zu fragen, wie es ohne ein Verschulden der Vertreter kommm konnte,

daß keiner von ihnen von diesem für den verantwortungsvollen Dienst

des Lotsen erheblichen Mangel in der Person deS Sch. etwas erfahren hat, und für Aufklärung dieses Umstande- trifft die Beweislast den

Beklagten. Der Einwand der Revision trifft aber überhaupt nicht zu, wenn

die dem Sch. vorgesetzten Beamten, zu deren Kenntnis die gegen die Tauglichkeit deS Genannten vorliegenden Umstände gelangt waren, als Vertreter des Beklagten anzusprechen sind.

DaS gilt aber von

dem Betriebsdirektor, der unter dem 15. November 1909 an den

1 S8yl. Eni sch. dks R.G's in Zivils. Bd. 78 S. 107.

22.

Haftung des Rkicksfistus für Beamte deS Kanalamts.

107

Präsidenten des Kanalamt- berichtet hat, frühere Vorkommnisse hätten in ihm den Verdacht erregt, daß Sch. bei der in Rede stehenden

Schiff-führung de- Dampfer- „Mimi- betrunken gewesen sei.

Der

Betriebsdirektor war demnach au- früheren Borkommniflen über die

gegen Sch. vorliegenden Bedenkm vor dem Unfälle nicht ohne Kenntnis und war in der Lage,, gegen ihn einzufchrriten.

Eine besondere die

Verwaltung-organisation bestimmende Verordnung oder Verfügung, wie sie in dem Urteile deS erkennenden Senat- (Entsch. de- RG.'S in Zivils. Bd. 53 S. 276) als Grundlage der Entscheidung

be­

zeichnet ist, ob ein Beamter Vertreter deS Staat- nach §§ SO, 31,

89 BGB. oder Angestellter nach § 831 sei, ist für da- Kanalamt

nicht veröffentlicht. Der Allerhöchste Erlaß betr. die Einrichtung und den Geschäftsgang deS Kaiserlichen Kanalamtes vom 15. Juni 1895 (RGBl. S. 349) verweist hierfür auf die durch den zweiten Nachtrag gegebene Anleitung. In der Denkschrift de- Reichskanzler- zu diesem Nachtrag (Drucks. Nr. 327 de- Reichstag- 1894/95) ist die Einrichtung de» Kaiserlichen Kanal­

zum Reichshaushaltsplan für 1895/96

amt- und die Stellung de- Betriebsdirektor- umschrieben. Diese Denkschrift darf nach dem Gesagten in Verbindung mit dem ReichrhauShaltSgesetz al- die organisatorische Verwaltung-ordnung für da-

Kanalamt angesehen werden. Danach hat da- Kaiserliche Kanalamt Parallelstellung mit einer Eisenbahndirektion. Seine Aufgaben sind die Unterhaltung der Kanalanlagen, die Regelung deS Betriebs und Verkehr-, sowie die Bearbeitung der Recht-angelegenheiten für den Kanal und dessen Verwaltung. Da- Kanalamt selbst hat einen administrativ geschulten Vorstand (Präsidenten), ein wasserbautechnisches und ein juristisches Mitglied.

„Da- nautisch.technische Fach-, heißt eS weiter,

„findet seine Vertretung in einem dem Vorstände deS Kanalamts unterstellten, von letzterem selbst aber losgelösten Betriebsdirektors

dem die Leitung und Beaufsichtigung de- gesamten Schiffahrt-betriebeinschließlich deS Lotsenwesens und die Handhabung der Kanalpolizei

obliegt.

Recht-geschäftliche Amt-funktionen, wie sie zwar nicht da­

angeführte Urteil de- erkennenden Senat-, wohl aber da- auf dem­

selben Standpunkte stehende Urteil de- 1. Zivilsenats deS Reichs­

gerichts, Entfch. Bd. 74 S. 257, für einen Vertreter de- Staat- ver­ langt, sind nicht erwähnt, ergeben sich aber von selbst au- der allgemeinen Stellung.

Hiernach ist der Betriebsdirektor de- Kanal-

amtS, ebenso wie nach der mehrfach angezogenen Entscheidung des

erkennenden Senat- Bd. 53 S. 276 der mit weniger umfassender Ge­ walt ausgestattete Betrieb-inspektor der preußischen Eisenbahnen, al-

Vertreter de- Fi-ku- im Sinne von §§ 30, 31,89 BGB. anzusprechen.

Sein Dienstaustrag

führt " auf die Verwaltung-organisation selbst

zurück, die für ihn einen besonderen Geschäftszweig innerhalb der Ver­ waltung geschaffen hat.

Da- aber ist da- unterscheidende Merkmal

de- Vertreters gegenüber dem Angestellten nach § 831 BGB., dessen

Dienstauftrag erst durch die Vertreter der Körperschaft vermittelt wird.

Hiernach kann die Anwendung de- § 831 BGB. durch daBerufungsgericht und die daraus abgeleitete Haftung des verklagten

ReichSfirkuS für den durch den Kanallotsen Sch. dem Kläger zugefügten

Schaden nicht als rechtsirrtümlich erachtet werden." ...

23.

Sind Einzahlungen auf Kuxe steuerfrei,

weuu sie zur Er­

haltung des Betriebs eines Bergwerks dienen, dessen sämtliche Kuxe

sich in der Hand der ansschreibendeu Gewerkschaft befinden?

ReichSstempelgejftz vom 15. Juli 1909 Tarifnr. 1 d. VII. Zivilsenat.

Urt v. 19. März 1912 i S. preuß. FiSkuS (Bekl.)

w. Gewerkschaft M. (Kl.).

Rep. VII. 461/11.

I. Landgericht Hannover. II. Oberlandesgericht Celle. Die Klägerin, eine Gewerkschaft gothaischen Rechtes, btsitzt sämt­

liche Kuxe der preußischen» in M. bestehenden Gewerkschaft St. Sie hat im September und Oktober 1909 durch Geweikenbeschlüsse auf

ihre Kuxe Zubußen von zusammen 170000 jH ausgeschrieben, die zum größten Teil auch eingezahlt sind. Die Steuerbehörde forderte die in der Tarifnr. Id RStempGes. vorgesehene Abgabe, wogegen die Klägerin unter Hinweis auf die dort gegebene BefteinngSvorschrist

geltend machte, daß die Einzahlungen ausschließlich zur Erhaltung

des Betriebs des Bergwerks St. und zur Deckung von Betriebs­ verlusten bestimmt und verwendet worden seien.

Sie erhob Fest­

stellung-klage dahin, daß die Zubußen der Reich-steuer nicht unter-

lägen.

Da- Landgericht erkannte auf Abweisung der Klage.

In der

Berufungsinstanz räumte der Beklagte ein, daß 1000 JH von den

Zubußen für die Erhaltung de- Betrieb- deS Bergwerks St. ver­ wendet worden feien, worauf da- OberlandeSgericht durch Teilurteil in Ansehung diese- Betrag- die Steuerfreiheit der Klägerin feststellte.

Der Revision de- Beklagten wurde stattgegeben. Gründe: .... „In der Sache selbst rügt die Revison mit Recht Verletzung der Tarifnr. Id zum RStempGes. vom 15. Juli 1909.

Nach dieser

Vorschrift unterliegen zunächst Anteilscheine gewerkschaftlich betriebener Bergwerke (Kuxe, Kuxscheine) einem festen Stempel von 5 M. Im

zweiten Absätze der Tarifnummer ist eine fernere Besteuerung aller nach dem 1. August 1909 auf Werte der angegebenen Art aus­ geschriebenen Einzahlungen mit 3 v. H. vorgesehen, soweit solche nicht zur Deckung von Betriebsverlusten dienen oder zur Erhaltung deBetriebs in seinem bisherigen Umfange bestimmt sind und verwendet

werden.

Der Zweck de- Gesetze- ist, wie in den Eatsch. de- RG.'S

in Ziiils. Bd. 52 S. 189 für die entsprechende Bestimmung defrüheren Reichsstempelgesetzes vom 14. Juni 1900 dargelegt ist, die stärkere steuerliche Heranziehung der bergbaulichen Unternehmungen

der Gewerkschaften. Unerläßliche Voraussetzung für die Ent­ stehung einer Gewerkschaft ist auch nach dem Ciburg-Gothaischen Berggesetze vom 23. Oktober 1899 (GS. S. 135) der eigentümliche

Erwerb eine- Bergwerk- durch mehrere Mitbeteiligte (88 107flg.). DaS Gesetz geht, indem e- die gewerkschaftliche Verfassung nur den

Miteigentümern eines Bergwerks gewährt, davon aus, daß dieseBergwerk den Gegenstand deS Unternehmens bilde und mithin be­ trieben werde.

Die gewerkschaftlichen Anteile (Kuxe) beziehen sich

daher jedenfalls im Zeitpunkte der Entstehung der Gewerkschaft auf Bergwerk und sie werden als solche mit dem Feststempel belegt, wobei eS für diesen Stempel nicht darauf ankommt, ob

das

daS Bergwerk sich bereits im Betriebe befindet oder nicht.

Wenn

nun das Stempelgefttz dem Umstande Rechnung trägt, daß nach der Natur deS Bergwerksbetriebs daS erforderliche Kapital erst allmählich mit dem fortschreitenden Ausbau deS Bergwerks von den Gewerken

in $ arm von Z ubußen aufgebracht wird (vgl. da? angeführte Urteil deS Reichsgerichts), deshalb die Kuxscheine mit einem geringeren

Stempel besteuert und den höhere« Satz erst von den späteren, auf die Kuxe ausgeschriebenen Einzahlungen erhebt, so ist klar, daß eS

an sich nur den Betrieb des der Gewerkschaft gehörenden

dabei

Bergwerks im Auge hat.

Insofern dieser Zuschüsse erfordert und

soweit da- Kapital der Gewerkschaft zugeführt wird, soll nunmehr

die Besteuerung eintreten.

Dabei ist aber erwogen, daß die Ein­

zahlungen in vielen Fällen nur zur Deckung von Betriebsverlusten

oder zur Verhütung von solchen dienen und keine Erweiterung des

Betriebes herbeiführen. willigt

werden.

In diesem Umfange soll Steuerfreiheit be­

Daß auch hierbei lediglich an den Betrieb deS

eigenen Bergwerks gedacht ist, bedarf keiner besonderen Ausführung.

DaS Gesetz kann hiernach nur dahin verstandm werden, daß die auf Kuxe ausgeschriebenen Einzahlungen der nachträglichen Besteuerung unterliegen, wofern die Gewerkschaft nicht nachweist, daß der Tat­

bestand der Befreiung gegeben ist, d. h. daß die Zubuße zu dm an­ gegebenen, einen Kapitalzuwachs au-schließendm Zwecken für da-

Bergwerk bestimmt und wirklich verwendet ist.

Der nach dem AuS«

geführte» naheliegmde Einwand, daß die Steuerpflicht sich überhaupt

nur auf Einzahlungen für den eigenen Betrieb beziehe, schlägt nicht

durch.

Denn wenn auch dem Gesetze der Gedanke zugrunde liegt,

daß die Gewerkschaft Zubußen nur für ihr Bergwerk ausschreiben werde, so trifft doch sein Wortlaut alle Einzahlungen auf die gewerk­ schaftlichen Anteile.

verlangt werden.

Entscheidend ist, daß von den Gewerken Beiträge

Eine Untersuchung nach der Richtung, ob eS der

Beiträge für den eigenen Betrieb bedurfte, ist ausgeschlossen und

mußte, wofern daS Gesetz brauchbar sein sollte, ausgeschlossen bleiben. Rur wenn die Gewerkschaft ihrerseits dartut, daß die Beiträge jenem Betriebe zu deffm Erhaltung, oder zur Deckung von Betriebsverlusten tatsächlich zugeführt sind, entfällt die Steuerpflicht.

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so hat die Klägerin auf ihre Kuxe Zubußen ausgeschrieben und damit insoweit

den stempelrechtlichen Tatbestand der Tarifnr. Id Abs. 2 Satz 1 erfüllt. Es ist aber auch unstreitig, daß die Zubußen nicht durch dm Betrieb

deS Bergwerks, auf deffm Grundlage sie sich gebildet hat, bedingt wären, daß vielmehr dieses Bergwerk gar nicht betrieben wird und die erforderten Summen dem in Preußen belegenen Bergwerk der Gewerk­

schaft St. zugute kommen sollten und auch, soweit vom BerufungS»

richter entschieden ist, zugute gekommen sind.

ist somit nicht anwendbar.

Die Befreiung-vorschrift

Der Berufung-richter kommt zu einem

abweichenden Ergebnis durch die Erwägung, daß die Klägerin wirt­

schaftlich Eigentümerin bei Bergwerk- St. sei und daß daher durch

die Einzahlungen ihr Betrieb erhalten worden sei.

Allein wirtschaft­

liche Erwägungen Mögen bei der Auslegung de- Stempelgesetzes zu­

lässig sein, wenn diese- selbst erkennbar nicht den rechtlichen, sondern den wirtschaftlichen Gesichtspunkt in den Vordergrund stellt. Dietrifft aber für die Anwendung der Tarifnr. 1 d nicht zu.

Daß unter

dem Betriebe nach Abs. 2 auch eine mehr oder minder umfassenbe

Beteiligung an einem fremden Bergwerk-betriebe zu verstehen sei, läßt sich weder au- der Fassung noch au- der Entstehungsgeschichte der

Vorschrift herleiten.

Der Berufungsrichter erkennt selbst an, daß

durch die Bereinigung aller Kuxe in der Hand eine- Gewerken die Gewerkschaft nicht aufgelöst wird, sondern als selbständige Rechts­ persönlichkeit weiter besteht (Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 28 Der Umstand also, daß die Klägerin sämtliche Kuxe der Gewerkschaft St. besitzt, macht sie S. 202, Jur. Wochenschr. 1901 S. 317).

nicht zur Eigentümerin diese- Bergwerk-, sondern verleiht ihr nur einen maßgebenden Einfluß auf die Verwaltung. Sowohl zum Er­ werbe wie zum Betriebe des Bergwerks St. bedarf sie nach dem preußischen Gesetze vom 23. Juni 1909 (GS. S. 619) §§ 2, 8 der staatlichen Genehmigung.

Für

den Eigenbetrieb und desien Ge­

nehmigung bildet aber der Besitz der Kuxe nicht die geeignete Rechts­ grundlage, wie die Klägerin selbst der preußischen Bergbehörde gegen­

über betont hat.

Die Kuxe sind die gewerkschaftlichen Anteile an

dem Vermögen der eine juristische Person darstellenden Gewerkschaft St.

Diese und nicht der Kuxinhaber betreibt das Bergwerk und ist der

Bergwerksbesitzer im Sinne der §§ 65flg. des preußischen allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 mit allen Rechten und Pflichten

eines solchen. Darum sind die auf die Kuxe der Klägerin ausgeschriebenen

und bewirkten Einzahlungen, sofern sie für den Betrieb von St. verwendet sind, nicht für den Betrieb der Klägerin, sondern für einen fremden Betrieb verwendet.

Möglicherweise bestand für diese

Verwendung eine schuldrechtliche Verpflichtung.

Aber dies ändert

nicht- an der Tatsache, daß die auf Grund der Zubußebeschlüffe

eingegangenen Gelder zunächst Eigentum der Klägerin geworden sind und einen Kapitalzuwachs gebildet haben, der nicht ihrem Betriebe in der die Befreiung von der Steuer begründenden Weise zug-flossen ist.

DaS Landgericht macht mit Recht geltend, daß, wenn die Klägerin der preußischen Bergbehörde gegenüber sich zu ihren Gunsten auf da-

Fortbestehen der Gewerkschaft St. berufe, sie auch zu ihrem Nachteil es sich gefallen lassen müsse, wenn die Steuerbehörde sich auf den

gleichen Standpunkt stelle und Ausschreibungen der Klägerin nicht als solche der Gewerkschaft St. behandle.

Daraus folgt, daß daBerufungSurteil aufgehoben und die Berufung gegen daS landgerichtliche Urteil, soweit über den Streitstosi vom Berufungsrichter ent»

schieden ist, zurückgewiesen werden muß."...

21. Erhöhung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft mit mehreren

Gattungen von Aktien.

Kann der Zeichner, nachdem der Erhöhungs­

beschluß eiugetrageu und durchgesührt ist, seine Aktionäreigenschast

deswegen bestreiten, weil die verschiedenen Gattungen nicht getrennt

adgeftimmt Haden? HGS. § 278 Ads. 2.

I. Zivilsenat.

Urt. v. 20. März 1912 L S. Pl. Straßenbahn-

Aknenges. (Bekl.) w. Pr. (Kl.). I. II.

Rep. I. 68/11.

Landgericht Hagen. Oberlandesgericht Hamm.

Die verklagte Aktiengesellschaft wurde im Jahre 1895 zum Be­ triebe der Kleinbahn Bahnhof Pl -Stadt Pl. gegründet.

DaS Grund­

kapital betrug 340000 Jl und war eingeteilt in 175 Aktien Lit. A zu je 1000 Jl, 45 Aktien Lit. B zu je 1000 Jl, 110 Aktien Lit. C zu je 1000 Jl nnd 20 Aktien Lit. C zu je 200 Jl.

Im GesellschaftS»

vertrage waren für die Aktien verschiedene Rechte in betreff der Ver­ teilung deS Gewinnes festgesetzt.

Im Jahre 1900 dehnte die Gesell­

schaft ihren Betrieb auf eine neue Kleinbahnstrecke aus.

Zu diesem

Zwecke wurde laut GeneraloersammlungSbeschluß vom 23. Mai 1900

daS Aktienkapital um 310000 Jl erhöht, die in weitere 160 Aktien Lit. A zu je 1000 Jl und 150 Aktien Lit. C zu je 1000 Jl eingeteilt

wurden.

Der Kläger zeichnete hiervon am 14. November 1900

80000 Jl Aktien Lit. A und 14000 Jl Aktien Lit. C, zahlte die Ein­ lage und erhielt, nachdem auch der übrige Betrag gezeichnet und gezahlt und die Kapital-erhöhung in- Handelsregister eingetragen war, die Aktien ausgehändigt. Die Einlage auf die jungen Aktien wurde zum Bau der neuen Kleinbahnstrecke verwendet. Der Kläger erhielt für 1900 und 1901 Zinsen zu 4 v. H. Für die Geschäftsjahre 1902 bis einschließlich 1906 bezog er 4 v. H. bilanzmäßige Dividende. Nach der Gewinnverteilungsbilanz für 1907 entfielen auf die Aktien Lit. A nur 2 v. H. Dividende, auf die Aktien Lit. C nichts; nach der Bilanz für 1908 kam eine Dividende überhaupt nicht zur Verteilung. Eine Anfechtung der diese Bilanzen festsetzenden GeneralversammlungS» beschlüfse ist nicht erfolgt. Da Bedenken aufgetreten waren, ob die Aktien der erhöhten Kapitals deshalb nichtig seien, weil bei der Generalversammlung vom 23. Mai 1900 nicht gemäß § 278 Abs. 2 HGB. eine gesonderte Ab­ stimmung der Inhaber der Aktiengattungen der ersten Emission statt­ gefunden hatte, beschloß die Generalversammlung am 22. Dezember 1908, den Inhabern der neuen Aktien ihre Einlagen zurückzuzahlen. Der Kläger war hiermit einverstanden und erhielt am 30. Dezember

1908 gegen Rückgabe der Aktien seine Einlage von 94000 Jl nebst 4 v. H. Zinsen seit dem 22. Dezember 1908 mit 83,55 Jl zurück. Bei der Quittungsleistung machte er den Vorbehalt, daß ihm 4 v. H. Zinsen für 1907 und 1908 (abzüglich der für 1907 erhaltenen 2 v. H. Dividende von 80000 Jl und der empfangenen 88,55 Jl} nachgezahlt würden, waS die Beklagte ablehnte. Der Kläger erhob demgemäß

Klage auf Zahlung von 5836,45 Jl nebst 4 v. H. Zinsen seit dem 1. Januar 1909. Das Landgericht wies die Klage ab, daS Oberlandesgericht er­ kannte abändernd nach dem Klagantrage. Auf die Revision der Beklagten wurde die Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt. Aus den Gründen: „Zwar ist nicht zu bezweifeln, daß der Generalversammlungs­ beschluß vom 23. Mai 1900 insofern gegen § 278 Abs. 2 HGB. verstoßen hat, als unstreitig nicht eine gesonderte Abstimmung der Inhaber der mit Vorzugsrechten versehener Aktien der ersten Emission stattgefunden hat. Die Folgerungen aber, die der Berufung-richter Entsch. in Zivils. R. F. 29 (79). 8

hieraus zur Begründung der von ihm zuerkannten Klaganspruchs

zieht, können nicht gebilligt werden.

Der Berufungsrichter nimmt

an, dadurch, daß der Generalversammlungsbeschluß über die Erhöhung

des Aktienkapitals...nicht unter Beobachtung der Vorschrift des § 278 Abs. 2 HGB. zustande gekommen, sei eS der Beklagten von vornherein unmöglich gewesen, dem Kläger durch Zuteilung der von ihm ge­ zeichneten neuen Aktien die Stellung eines Aktionärs zu verschaffen.

Die Aktienzeichnung sei deshalb, weil sie eine von vornherein unmög-

liche Leistung der Beklagten zum Inhalte gehabt habe, gemäß § 306 BGB. nichtig gewesen. Die Beklagte habe im Hinblick auf die klare Bestimmung deS § 278 Abs. 2 HGB. die Unmöglichkeit ihrer Leistung

kennen müssen und sei deshalb nach § 307 BGB. in Höhe des sog. negativen Vertragsinteresses schadensersatzpflichtig. Der Kläger hätte, wenn er nicht im Vertrauen auf die Gültigkeit der Aktienzeichnung die Einlage von 94000 JH gemacht hätte, hiervon in den Jahren

1907 und 1908 anderweit 4 v. H. Zinsen beziehen können, so daß die in der Klage geforderte Summe ohne weitere- rechtlich begründet

erscheine.

Dem kann nicht gefolgt werden.

ES handelt sich hier nicht um

einen zwischen dem Kläger und der Beklagten vereinbarten Kauf von

Aktien, sondern um die Zeichnung von Aktien deS erhöhten Grund­ kapitals. Der Kläger hat ferner auf Grund der Zeichnung, nachdem auch der übrige Betrag deS erhöhten Grundkapitals gezeichnet und gezahlt und

die Kapitalerhöhung inS Handelsregisters eingetragen war, im Jahre 1900 die seiner Zeichnung und Einlage von 94000 M

entsprechenden Aktien der neuen Emission erhalten, seitdem davon die bilanzmäßigen Dividenden bezogen und auf Grund der Aktien bis

zum 30. Dezember 1908 an den Generalversammlungen teilgenommen. Bei dieser Sachlage kann nicht fraglich sein, daß er im Jahr 1900 Aktionär der Beklagten geworden und auch bis zur Rückgabe der

Aktien am 30. Dezember 1908 geblieben ist. Durch die Zeichnung und Übernahme von Aktien wird die Grundlage für die in den Verkehr tretende Aktiengesellschaft geschaffen, sei eS der ursprünglichen,

sei eS der durch das erhöhte Grundkapital veränderten Gesellschaft. Die Zeichnung der Aktien auch des erhöhten Grundkapitals ist ein

gesellschaftlicher Akt, der der Allgemeinheit gegenüber erklärt wird. ES handelt sich hierbei immer nur um eine gesellschaftliche Beteiligung

auf Grund der eigenen Erklärung des Zeichnenden, die, sobald die

Aktiengesellschaft so, wie sie in der durch den Erhöhungsbeschluß geschehenen Veränderung ins Handelsregister eingetragen, öffentlich bekannt gemacht und wirklich in den Verkehr getreten ist — und das war hier der Fall —, als konstitutiver Akt behufs Begründung der Aktiengesellschaft in der neuen Verfassung mit erhöhtem Grundkapital nicht dadurch in Frage gestellt werden konnte, daß bei dem der

Zeichnung

zugrunde

liegenden GeneraloersammlungSbeschlusse vom

23. Mai 1900 die Vorschrift des § 278 Abs. 2 HGB. nicht be­

obachtet war. Durch diesen Verstoß wurde die Beteiligung deS Klägers

Eine solche Folgerung ist im Gesetze nicht gezogen, kann auch schon im Hinblick auf § 213 HGB nicht als Aktionär nicht nichtig.

für begründet erachtet werden, wenn nicht die rechtliche und wirt­

schaftliche Existenz der Kapitalgesellschaft in Frage gestellt sein soll. Aus der Nichtbeobachtung der Vorschrift der § 278 HGB. ergibt sich nur, daß entweder der Generalversammlungsbeschluß in der Frist

deS § 271 HGB. hätte angefochten werden können, was unstreitig nicht geschehen ist, oder daß ein Sonderrecht der Inhaber der Aktien­ gattungen der ersten Emission verletzt ist, das diese auch ohne Ein­ haltung der Frist deS § 271 HGB. hätten geltend machen können.

Auch dies ist nicht geschehen.

Der Kläger kann sich auf das Sonder­

recht überhaupt nicht berufen. Kann hiernach nicht in Zweifel gezogen werden, daß der. Kläger von 1900 bis 1908 Aktionär der Beklagten gewesen ist, — wobei auch noch, da er in der genannten Zeit die Rechte als Aktionär stets

ausgeübt hat, der in § 189 Abs. 4 HGB. zum Ausdrucke gebrachte Gesichtspunkt sinngemäß in Betracht zu ziehen ist, — und daß diese Aktionäreigenschaft nicht nachträglich im Hinblick auf den unter Nicht­

beobachtung der Vorschrift des § 278 Abs. 2 HGB. zustande ge­ kommene Generalversammlungsbeschluß vom 23. Mai 1900 beseitigt werden kann, so erweist sich schon damit die zur Rechtfertigung des

zuerkannten Klaganspruchs vom Berufungsrichter aus §§ 306 und 307 BGB. gegebene Begründung als gänzlich unhaltbar, ohne daß auf sonstige dagegen noch bestehende Bedenken einzugehen wäre. DaS Berufungsurteil mußte hiernach aufgehoben werden.

Die

Sache ist aber auch zur Endentscheidung reif, da dem Landgerichte, daS die Klage abgewiesen hat, im Ergebnisse beizutreten war.

8'

Der

Kläger hatte weiter noch

den Klaganspruch wie folgt begründet:

1. nach den Satzungen der Beklagten seien den Inhabern der Aktien

4 v. H. Dividende garantiert, 2. die Beklagte sei um den geltend gemachten Betrag ungerechtfertigt bereichert. Der Berufungsrichter hat diese Begründung nicht geprüft, sie erweist sich aber ebenfalls als

unhaltbar.

Da der Kläger bis zum 30. Dezember 1908 Aktionär

war — und er fordert in der Klage nur Zinsen aus der Zeit bis

zum 30. Dezember 1908 —, so ist die Klagebegründung zu 1. schon im Hinblick auf § 215 HGB. hinfällig. Die zu 2. aber führt deshalb nicht zum Ziele, weil der Kläger als Aktionär bezüglich seines Aktien­

kapitals für die hier in Betracht kommende Zeit gegen die Beklagte nur Rechte nach Maßgabe der §§ 250, 254flg., 266flg., 268flg.,

271flg. und im übrigen gemäß §§ 215flg. HGB. Anspruch auf den satzungsgemäßen Gewinnanteil hatte. Er hat unstreitig ebensowenig wie andere Aktionäre die die Bilanz für 1907 und 1908 festsetzenden Generaloersammlungsbeschlüsse angefochten. Bei dem Beschlusse von 1908 war dies allerdings nicht mehr möglich, aber nur deshalb

nicht, weil sich der Kläger der Aktien am 30. Dezember 1908 entschlagen hat.

Dies ändert aber nichts daran, daß er als Aktionär

auch für 1908 nur Aktionäransprüche und nicht einen Bereicherungs­ anspruch hatte, wenigstens nicht in dem Sinne, wie er ihn erhoben

hat.

Denn der Kläger hat den Bereicherungsanspruch nicht etwa

so begründet, daß es nach der Vereinbarung über die Rückzahlung seiner Einlage so habe angesehen werden sollen, als sei er nie Aktionär

gewesen.

Bei einer solchen Begründung würde aber auch noch in

Frage gekommen sein, wie weit dieser Anspruch mit den Grundsätzen über die Kapitalherabsetzung nach §§ 288 flg. und § 213 HGB. in

Einklang zu bringen gewesen wäre."

25. Zum Begriffe der ordnungsmäßigen Benntznng eine- Grund­ stücks, für das die Dnldung eines Notwegs verlangt wird. BGB. § 917. V. Zivilsenat.

Urt v. 20. März 1912 i. S. H. (Bell.) w. Stadt­ gemeinde D. (Kl.). - Rep. V. 316/11.

I. II.

Landgericht Danzig. Oberlandesgericht Marienwerder.

Die klagende Stadtgemeinde ist Eigentümerin des sog. „Boden­ bruchs", eine- 164 ha großen Wiesen- und Weidegründstücks, dessen nördliche Seite an den Kladauwall grenzt, während die schmälere, östliche Seite an die Besitzung der Beklagten H. Blatt 7 an­ stößt. Der Bodenbruch, der seit wenigstens 1890 in größeren und kleineren Parzellen an verschiedene Personen verpachtet worden war und anfangs 1908 von neuem auf 12 Jahre in derselben Weise verpachtet worden ist, steht nach Westen hin durch einen zu dem Orte L. führenden Weg mit einer öffentlichen Straße in Verbindung. Nach Osten hin konnte früher der die Besitzung der Beklagten von Norden nach Süden durchschneidende öffentliche Landweg G.-W. über den Kladauwall erreicht werden. Die Benutzung der Kladauwaller wurde jedoch im Jahre 1907 von der zuständigen Deich­ behörde untersagt und nur noch für die Heuernte der JahreS 1908 freigegeben. Infolgedessen forderte die Klägerin von dem Beklagten die Einräumung einer NotwegS, der von der Nordostecke des BodenbruchS unterhalb des KladauwalleS zu dem Landwege G.-W. führen sollte. DaS Landgericht wies die Klage ab, wogegen das OberlandeSgericht dem Beklagten aufgab, der Klägerin einen Notweg von ihrem „Bodenbruch" über fein Grundstück H. Blatt 7 zum Gehen, Reiten, Fahren und Viehtreiben in einer Breite von 3 Metern, gegen eine jährlich im voraus zu entrichtende Rente, bis zum Landweg G.-W. zu gewähren. Auf die Revision des Beklagten wurde das Berusungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Gründe: „Das Berufungsgericht führt zwar aus, daß im Sinne des tz 917 Abs. 1 Satz 1 BGB. unter der ordnungsmäßigen Benutzung eines Grundstücks eine solche zu verstehen sei, wie sie sich aus der Größe, Lage, Kulturart und Umgebung des Grundstücks, ohne Rücksicht auf etwaige persönliche Bedürfnisse und spekulative Absichten» für den Eigentümer ergebe. Es meint jedoch, daß eine ordnungsmäßige Benutzung auch durch Verpachtung stattfinden könne, wenn nur fest­ stehe, daß nach den natürlichen Verhältnissen die pachtweise Ausnutzung des Grundstücks, sei es im ganzen, sei eS in einzelnen Parzellen, für

jeden Eigentümer zweckdienlich sei.

Dies sei aber hier der Fall. Auch

wenn man dem Sachverständigen P. darin beipflichten wolle, daß sich die zweckmäßige Ausnutzung einer 164 ha großen, zusammenhängenden

Wiesenfläche durch Einführung einer vom Grundstücke selbst oder

von der Nachbarschaft aus zu leitenden Weidewirtschaft bewerkstelligen

lasse, so könne doch die Klägerin auf diese Bewirtschastungsweise nicht beschränkt werden.

Die Verpachtung in Einzelparzellen an die

auf größeren Futtererwerb angewiesenen Gutsbesitzer der Nachbar­ schaft, wie sie seit vielen Jahren gehandhabt werde, stelle gleichfalls eine ordnungsmäßige Benutzung dar. Das Berufungsgericht sieht ferner als erwiesen an, daß zwei der gegenwärtigen Pächter, von denen der eine sich auf dem Pachtland angebaut habe, auf eine nahe

Verbindung mit den östlich gelegenen Ortschaften angewiesen seien, und es folgert schon hieraus die Notwendigkeit eines östlichen Ver­ bindungswegs an Stelle des von der Deichbehörde gesperrten Weges

über den Kladauwall, einerlei, ob die Verbindung nach Westen hin, wie die Klägerin behaupte, durch Überschwemmungen der Kladau

leicht unterbrochen werden könne, oder ob die Gefahr derartiger

Unterbrechungen nicht bestehe.

Einen zweiten Grund für die Not­

wendigkeit eines östlichen Verbindungswegs findet das Gericht mit der Klägerin darin, daß die Verpachtung zu angemessenenen Preisen nicht

zu erzielen sei, wenn die Bewohner der östlich gelegenen Ortschaften als Pächter nicht mehr in Betracht kämen. Diese Ausführungen werden von der Revision mit Recht be-

anstandet.

Nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB. kann, wenn einem

Grundstücke die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Ver­ bindung mit einem öffentlichen Wege fehlt, der Eigentümer von den

Nachbarn verlangen, daß sie bis zur Hebung des Mangels die Be­ nutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Ver­

bindung dulden.

Das Gesetz durchbricht damit zu Ungunsten der

Nachbarn den Grundsatz des § 903 BGB., daß der Eigentümer

eines Grundstücks andere von jeder Einwirkung darauf ausschließen kann.

Es beschränkt jedoch die Durchbrechung auf die Notlage eines

anderen Grundstücks und es räumt nur dem Eigentümer dieses anderen

Grundstücks

(oder

dem Träger

eines grundstücksgleichen

Rechts, § 1017 BGB., Artt. 63, 68 EinfGes. z. BGB.) die Besugnis ein, von den Nachbarn die Duldung eines NotwegS zu fordern.

Daher ist es zwar richtig, daß ein anderer, als der Eigentümer des notleidenden Grundstücks, z. B. der Pächter, die Nachbarn auf Ein­ räumung eines Notwegs nicht in Anspruch nehmen kann, und es ist nicht minder richtig, daß der Eigentümer hierzu auch dann befugt ist, wenn er sein Grundstück, statt es selbst zu bewirtschaften, einem Pächter zur Benutzung überläßt. Denn für die Beantwortung der Frage, ob einem Grundstücke die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege fehlt, ist es grundsätzlich gleichgültig, ob der Eigentümer, oder ein Pächter, oder ein anderer Berechtigter die Benutzung ausübt. Das Gesetz erkennt aber immer nur die Notlage des Grundstücks, nicht daS Be­ dürfnis deS einzelnen Eigentümers oder des zufällig sonst zur Be­ nutzung Berechtigten als schutzbedürftig an. Wenn es auch den Eigentümer, als den berufenen Settreter des Grundstücks, in allen Fällen zur Geltendmachung der Schutzbedürftigkeit gegenüber den Nachbarn für allein befugt erklärt, so gewährleistet es ihm doch nur die zur ordnungsmäßigen unmittelbaren Benutzung erforderliche Wegverbindung. Das Berufungsgericht irrt deshalb in der An­ nahme, daß der Eigentümer die Duldung eine- Notwegs auch dann beanspruchen könne, wenn er genötigt sei, sein Grundstück zu ver­ pachten, wenn er es aber ohne den Notweg nicht zu einem angemessenen Preise verpachten könne. Allerdings sind nach § 99 Abs. 3 BGB. Früchte einer Sache auch die Erträge, die die Sache vermöge eines Rechtsverhältnisse- gewährt, und man darf insofern wohl von einer Benutzung deS Grundstücks durch Verpachtung sprechen. Eine solche durch Begründung eines Rechtsverhältnisses vermittelte Benutzung ist jedoch keine ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks im Sinne des § 917 Abs. 1 Satz 1 a. a. O. Der Eigentümer kann die Duldungspflicht der Nachbarn durch eine willkürliche Handlung weder herbeiführen, noch vergrößern (Dgl § 918 Abs. 1 BGB.). Die Ver­ pachtung ist aber eine willkürliche Handlung des Eigentümers, weil ihre Notwendigkeit immer nur auf seinen persönlichen Verhältnissen beruhen kann. Läßt sich die unmittelbare Benutzung des Grundstücks ohne eine neue Wegeverbindung ordnungsmäßig bewerkstelligen, so kann der Eigentümer den Notweg weder für sich noch für seinen Pächter fordern, eben weil seinem Grundstück eine Wegeverbindung nicht fehlt. Mangelt dagegen dem Grundstücke die notwendige Ber-

bindung mit einem öffentlichen Wege, so sind die Nachbarn auch ohne Verpachtung zur Duldung des Notwegs verpflichtet und ihre Ver­

pflichtung kann durch die Verpachtung nicht vergrößert werden.

Ob

die Verpachtung im ganzen oder in einzelnen Teilen erfolgt, macht dabei keinen Unterschied.

Die Stellung der Nachbarn kann im Falle

der Teilverpachtung nicht ungünstiger sein» als im Falle der Teil­ veräußerung, für den § 918 Abs. 2 Satz 1 BGB. ausdrücklich be­ stimmt, daß die Eigentümer der Teile nur im Verhältnisse zueinander Anspruch auf einen Notweg haben. Das Berufungsgericht hätte demgemäß bei Entscheidung der

Frage,

ob

b nicht nur die Erwerbsunfähigkeitsrente, sondern auch die Dieustzeitrente betrifft (vgl. auch KommBer. Nr.433 S.157 zu Nr.4 S.4409).

Hieraus folgt aber nichts zugunsten des Klägers, da dieser Umstand nicht geeignet ist, eine andere Auslegung der Bestimmung zu begründen."

30.

Ist die Erhebung des durch das preußische Stempelsteuergesetz

in der Fassung vom 30. Juni 1909, Tankstelle 25 „Anmerkung"

zum Buchstaben a, verordneten Stempels ausgeschlossen, wenn die Eintragung der inländischen

Zweigniederlassung in das Handels­

register zwar nach dem Iukrasttreteu jenes Gesetzes erfolgt, der aus­ ländische Gesellschaftsvertrag aber vor diesem Zeitpunkte geschloffen ist?

Preuß. StempStGes. vom 31. Juli 1895/30. Juni 1909 § 34. VII. Zivilsenat. Urt. v. 22. März 1912 i. S. Societe F. (Kl.) w.

preuß. FiSkuS (Bekl.). I. n.

Rep. VII. 462/11.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Die Klägerin ist. am 7. Februar 1910 im Handelsregister des Amtsgerichts Berlin-Mitte als Zweigniederlassung der durch Gesellschastsvertrag vom Jahre 1901 mit dem Sitze in Paris errichteten

Sociöte F. eingetragen worden.

Im November 1910 ist die Klägerin

zur Entrichtung einer Stempelabgabe von 23000 JH aufgefordert worden, die sie am 8. Februar 1911 gezahlt hat und mit der vor­

liegenden Klage zurückfordert.

Das Landgericht hat die Klage ab­

gewiesen. Auch die Berufung der Klägerin worden. Ihre Revision hatte keinen Erfolg.

ist

zurückgewiesen

Aus den Gründen:

... „Der mit der Klage angefochtene Stempelansatz beruht auf der

durch

das Gesetz

vom 26./30. Juni 1909

dem preußischen

Stempelsteuergesetz eingefügten „Anmerkung" zur Tarifstelle 25a. Schon vorher waren Gesellschaftsverträge, je nach der Art der errichteten

Gesellschaften,

einem

Errichtnngsstempel

nach Maßgabe

stimmungen der Tarifst. 25 a und b unterworfen.

der

Be­

Bon ausländischen

Gesellschaften aber, die in Preußen eine Zweigniederlassung errichteten,

Wirde dieser Stempel nicht erhoben.

Zwar unterliegen der Stempel-

steuer nach § 2 des Gesetzes in dessen von jeher geltender Fassung auch die von Inländern oder von Ausländern im Ausland errichteten

Uckunden über Geschäfte, welche im Inlands befindliche Gegenstände

betreffen oder welche im Jnlande zu erfüllen sind.

Ob aber ein

Tatbestand dieser Art in dem Falle als gegeben angesehen werden tomte,

wenn von einer im Ausland errichteten

Gesellschaft eine

Zweigniederlassung

im

Geltungsbereiche des preußischen Stempel­

steuergesetzes begründet wurde, mußte Bedenken begegnen.

Da- ist

bei der Beratung deS Gesetzes vom 26./30. Juni 1909 auch von

der Regierung betont worden (vgl. S. 2, 3 des von der Sub-

kommisston der XV. Kommission des

Abg.-HauseS erstatteten Be­

richts Drucks. Nr. 560 E, 21. Legisl.-Per., II. Sess. 1908/1909). Gerade um diesen Bedenken zu begegnen und um die Lücke, die sich in dem bisherigen Gesetze bemerkbar gemacht hatte und die damit

verbundene Bevorzugung der ausländischen Gesellschaften zu beseitigen, ist auf Anregung der genannten Subkommission (vgl. S. 22, 23, 26, 28flg., 33 des KommBer., Drucks. Nr. 560A) das Gesetz durch die in der erwähnten „Anmeickm^" enthaltene neue Bestimmung er­ gänzt worden, die nach der Anmerkung Nr. 3 zur Tarifstelle 25 b auch

für die dort genannten Gesellschaften entsprechende Anwendung findet. Nach dieser neuen Bestimmung, soweit ihr Inhalt hier in Be­ tracht kommt, ist der in den Tarifstellen 25 a und b verordnete Errich­ tungsstempel auch von den im Auslande geschlossenen Gesellschafts­

verträgen, welche die Errichtung gleicher und ähnlicher Gesellschaften zum Gegenstände haben, zu erheben, sofern die Gesellschaften ihren Sitz im Jnlande nehmen oder im Jnlande eine Zweigniederlassung errichten; der Stempel wird aber nur erhoben, wenn die Eintragung in das Handelsregister erfolgt ist. In den Vorinstanzen hatte die Klägerin den Stempelansatz darum als unzulässig bezeichnet, weil ein beurkundeter Gesellschaftsvertrag

über

die Errichtung der Zweigniederlassung nicht vorliege.

diesen Einwand ist die Revision nicht mehr zurückgekommen.

Aus Er ist

auch verfehlt, weil das Gesetz einen besonderen GesellschaftSvertrag über die Errichtung der inländischen Zweigniederlassung nicht zur

Voraussitzung der Stempelpflicht macht. Wenn eS sich um eine Gesellschaft handelte, bei der auch der

ursprüngliche Errichtungsvertrag nach dem maßgebenden ausländischen Rechte der Beurkundung nicht bedurft hätte und auch nicht beurkundet

worden wäre, so würde die Frage entstehen können, ob dem ErrichtnngSstempel der strenge Charakter eine- Urkundenstempels überhaupt noch beizumessen sei und ob, wenn daS zu bejahen wäre, in der

Anmeldung der. Zweigniederlassung znm Handelsregister oder in der Registereintragung selbst die stempelpflichtige Urkunde erblickt werden

dürste.

Eines näheren Eingehens hierauf bedarf es indes im gegen­

wärtigen Falle nicht, weil nicht behauptet ist, daß der unstreitig im Jahre 1901 geschlossene Gesellschaftsvertrag der Societe F. nicht be­ urkundet worden sei.

Die hierauf bezüglichen Angaben in den Ur­

teilen der Borinstanzen sind vielmehr dahin aufzufassen, daß über

das Vorhandensein eines bmrkundeten Errichtungsvertrags der ge­

nannten Gesellschaft unter den Parteien kein Streit ist. Auch die Revision hat die Anwendung der neuen Stempelvorschrift nicht darum bekämpft, weil eine Bertragsurkunde überhaupt nicht bestehe, sondern

darum, weil der Gesellschaftsvertrag im Jahre 1901, also vor dem am l.Juli 1909 erfolgten Inkrafttreten des Gesetzes vom 26./80. Juni 1909, errichtet worden ist.

Für diesen Angriff glaubt die Revision eine Stütze zu finden in der Vorschrift des § 34 Abs. 1 des genannten Gesetzes, die wie folgt lautet: „Diese- Gesetz tritt mit dem 1. Juli 1909 in Kraft.

Bezüglich derjenigm Urkunden,

Stempelpflichtigkeit

erlangt

haben,

stimmungen zur Anwendung."

welche vor diesem Tage kommen die bisherigen Be­

Wäre der Standpunkt der Revision

al- zutreffend anzuerkennen, so würde sich, wie dar Berufungsgericht mit Recht hervorgehoben hat, ergeben, daß sämtliche vor dem 1. Juli

1909 errichteten ausländischen Gesellschaften für alle Zeit von der

Stempelpflicht befreit blieben, auch wenn die Verlegung des Sitzes in das Inland oder die Errichtung der inländischen Zweignieder­ lassung, die doch erst den Anlaß zur inländischen Besteuerung und

die Grundlage dafür geben, noch so lange nach jenem Tage erfolgen

würden. Daß das neue Gesetz eine derartige Beschränkung seiner Anwendbarkeit und eine so empfindliche Beeinträchtigung des für die Staatskasse erstrebten Erfolg- gewollt haben möchte, ist von vorn­

herein wenig wahrscheinlich.

Die Auffassung der Revision ist denn

auch mit Wortlaut und Sinn des Gesetzes nicht vereinbar.

Für

die Erhebung des inländischen Errichtungsstempels konnte dem Zeit­

punkte der im Ausland erfolgten Errichtung der Gesellschaft eine

maßgebende Bedeutung durch den Gesetzgeber füglich nicht beigelegt

werden, weil durch die Errichtung im Ausland ein jene Besteuerung rechtfertigendes Verhältnis zum Jnlande noch nicht eintritt.

Zwar

kann auch eine nur im Auslande bestehende Gesellschaft Geschäfte mit

dem Jnlande betreiben, und diese einzelnen Geschäfte oder die sie

betreffenden Urkunden werden, wenn die Voraussetzungen dafür zu­

treffen, mit den inländischen Abgaben zu belegm sein.

Inländische

Beziehungen solcher Art genügen aber nicht, um den ausländischen Gesellschaftsvertrag als solchen der inländischen Stempelpflicht zu

DaS diese Unterwerfung rechtfertigende Verhältnis zum Jnlande, der Eintritt der Gesellschaft als solcher in den Schutz­ unterwerfen.

bereich deS inländischen StaatSwesenS, wird erst durch die Verlegung des GesellschastSsitzeS in das Inland oder durch die Errichtung einer Zweigniederlassung im Jnlande hergestellt, und dieser Tatbestand hat

stempelrechtlich erst als erfüllt zu gelten, wenn die Eintragung in das inländische Handelsregister erfolgt ist. Diese Tatsache bezeichnet nach der ausdrücklichen Gesetzesbestimmung den Zeitpunkt, in dem der ausländische Gesellschaftsvertrag die inländische Stempelpflichtig-

leit erlangt.

Durch die Vorschrift deS § 34 aber sind von der An­

wendung deS neuen Gesetzes nicht diejenigen Urkunden ausgeschlossen,

welche vor dem 1. Juli 1909 errichtet sind,

welche

sondern diejenigen,

vor diesem Tage Stempelpflichtigkeit erlangt haben.

Die

klagende Zweigniederlaflung ist unstreitig am 7. Februar 1910 in da- Handelsregister deS Amtsgerichts Berlin-Mitte eingetragen worden. Um eine Urkunde, die vor dem 1. Juli 1909 Stempelpflichtigkeit er­ langt hat, handelt eS sich nach alledem nicht, und die Vorschrift des § 34 Abf. 1 a. a. O. steht somit der Revision nicht zur Seite.

Welcher der verschiedenen Gesellschaftsformen die Societe F. an­ gehört, ob sie der Aktiengesellschaft deS deutschen Rechts oder welcher

anderen sie „gleich oder ähnlich" ist (Anm. zur Tarifstelle 25a und Anm. Nr. 3 zur Tarifstelle 25 b), ist nicht festgestellt. Diese Frage be­

rührt jedoch nur den Betrag der Stempelabgabe. Daß aber, wenn die Stempelpflicht an sich als begründet anerkannt werden muß, der erforderte und gezahlte Betrag richtig bemessen ist, darüber besteht

kein Streit unter den Parteien."...

31. Voraussetzungen eines rechtswirksameu Vorbehalt- nach § 94 de- RStempGes. vom 15. Juli 1909. VH. Zivilsenat.

Urt. v. 22. März 1912 i. S. preuß. FiSkuS (Bekl.)

w. M. I. (Kl.).

Rep. VII. 477/11.

I. EL

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Der Kläger erstand am 15. Oktober 1910 in der Zwangsver­ steigerung ein Grundstück für daS Meistgebot von 420000 JL Hierfür wurden von der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts d«rch Kostenrechnung vom 17. Oktober 1910 5200 Jl Landesstempel mrd 3466,70 JL Reichsstempel erfordert. Dabei war ein Wert von 520000 Jl zugrunde gelegt. Der Kläger erhob hiergegen unter dem 24. Oktober 1910 Erinnerung, indem er geltend machte, daß der Grundstückswert nur 420000 Jl betrage. Die Erinnerung wurde jedoch durch Beschluß deS Amtsgerichts vom 31. Oktober 1910 zurückgewiesen. Der Kläger, der inzwischen, nämlich am 29. Oktober 1910, die Kostenrechnung durch Überweisung auf daS Reichsbank,

grrokonto der Gerichtskasse berichtigt hatte, erhob nunmehr Klage auf Rückzahlung von 1000 Jl Landes- und 666,65 Jl Reichsstempel. Nachdem sich der Anspruchim übrigen erledigt hatte, verlangte er nur »och die Rückzahlung von 316 Jl Reichsstempel. Der Beklagte wider­ sprach, weil der Kläger bei der Überweisung tönen Vorbehalt erklärt habe. In erster Instanz wurde der Beklagte nach dem ermäßigten Anträge verurteilt. Berufung und Revision blieben ohne Erfolg. Gründe: „Nach § 94 RStempGes. vom 15. Juli 1909 ist in Beziehung auf die Verpflichtung zur Entrichtung der in diesem Gesetze fest­ gestellten Abgaben der Rechtsweg zulässig. Die Klage muß jedoch bei Verlust des Klagerechts binnen 6 Monaten nach erfolgter Bei­ treibung oder mit Vorbehalt geleisteter Zahlung erhoben werden. Im vorliegenden Falle streiten die Parteien nur noch darüber, ob die vom Kläger am 29. Oktober 1910 geleistete Zahlung als eine mit Vorbehalt geleistete anzusehe» ist oder nicht. Der Berufungs­ richter hat die Frage bejaht. Er geht davon aus, daß der Vorbehalt auch schon vor der Zahlung erklärt werden und daß die Erklärung auch in konkludenten Handlungen liegen könne. ES müsse nur er­ hellen, daß der Zahlungspflichtige sich daS Recht auf Rückforderung habe wahren wollen. Diese Voraussetzung sei hier gegeben. Wenn Kläger am 25. Oktober 1910 Erinnerung erhoben und darin aus­ gesprochen habe, daß er die Stempelsteuer nur unter Zugrundelegung eine- Objekt- von 420000 Jl entrichten wolle, und wenn er dann

vier Tage später den erforderten Betrag gezahlt habe, so sei ohne

weiteres

anznnehmen,

daß

er durch

die Erinnerung sein Rück-

forderungsrecht für gewahrt erachtet und sich dessen durch die Zahlung

nicht wieder habe begeben wollen. DaS müsse auch den zuständigen richterlichen und Kassenbeamten bei Empfang der Überweisung zum

Bewußtsein gekommen sein.

Wenn Kläger nicht mehr den Willen

gehabt hätte, die Rückforderung zu betreiben, würde er seine Er­ innerung vor der Zahlung zurückgenommm haben.

Die Revision rügt Verletzung deS § 94 RStempGes. und des

§ 286 ZPO.

Zur Begründung wird auSgeführt, eS komme un­

zählige Male vor, daß der Zahlungspflichtige, obwohl er die Be­

rechnung beanstandet habe, sich später füge und die Forderung bezahle, um Weiterungen a«S dem Wege zu gehen. Die Erinnerung allein

könne sonach nicht genügen, denn der Vorbehalt müsse unzweideutig erklärt werden. Er müsse bei der Zahlung oder doch so gemacht werden, daß er im Augenblicke der Zahlung noch als wirksam zu erachten sei; hier sei aber nicht ohne weitere- ersichtlich, daß zur Zeit der Zahlung noch ein aufrechterhaltener Vorbehalt vorgelegen habe,

und eS habe deshalb auch nicht ohne vorherige Beweisaufnahme an­ genommen werden dürfen, daß den Beamten der Wille des Klägers, nur mit Vorbehalt zu zahlen, zum Bewußtsein gekommen sei.

In

Verbindung hiermit wird auch Nichtbeachtung des § 139 ZPO. gerügt.

Die erhobenen Rügen können nicht für begründet erachtet werden.

Zahlung mit Vorbehalt ist Zahlung unter einer auflösenden Be­

dingung (Entsch. deS R G.'S in Zivils. Bd. 7 S. 184).

Nach dem

Willen des ZahlungSleistcnden soll die Zahlung keine endgültige, un­

widerrufliche sein; sie soll vielmehr wieder rückgängig gemacht werden,

wenn sich demnächst herausstellen würde, daß eine Zahlungspflicht

nicht bestand.

Daß der Vorbehalt, um wirksam zu sein, ausdrücklich

erklärt werden müßte, ist in § 94 RStempGes. nicht vorgeschrieben; eS muß deshalb genügen, wenn der Schuldner irgendwie zu erkennen gibt, daß er die Zahlungspflicht bestreite.

Eine solche Willens­

erklärung kann unbedenklich auch schon vor der Zahlung abgegeben

werden.

Auch ist eS nicht erforderlich, daß sie gerade der Person

gegenüber abgegeben wird, die die Zahlung für den Gläubiger in

Empfang nimmt.

Wesentlich ist vielmehr nur, daß der Gläubiger

dem bei Forderungen des Fiskus der zur Entgegennahme von Wider­

sprüchen berufene Beamte gleichsteht, zur Zeit der Zahlung weiß,

daß ein schon vorher erhobener Widerspruch noch aufrecht erhalten wird.

Durch die am 25. Oktober 1910 erhobene Erinnerung hatte

nun der Kläger deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er die Richtig­ keit der Stempelforderung bestritt.

Allerdings konnte er diesen Wider­

spruch später wieder fallen lassen, und ein dahingehender Wille hätte

auch durch eine spätere Zahlung betätigt werden können; allein es

war auch möglich, daß trotz der Zahlung der Widerspruch aufrecht er­ halten werden sollte. Der Berufungsrichter hat angenommen, daß der

Kläger seinen Widerspruch nicht fallen lassen wollte. Dabei hat er erwogen, daß zwischen Einreichung der Erinnerung und der Zahlung

nur ein Zeitraum von wenigen Tagen lag und daß der Kläger über­ haupt nur zahlte, weil er sonst die Beitreibung zu gewärtigen gehabt hätte. Diese Erwägungen sind wesentlich tatsächlicher Art und lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Was aber den FiSkuS anbelangt, so ist festgestellt, daß diejenigen Beamten, welche mit der Erinnerung

deS Klägers befaßt waren, infolge der Zahlung vom 29. Oktober 1910 die Erinnerung noch nicht für erledigt hielten, und diese Feststellung

war prozessual zulässig, da bestimmte Gegenbehauptungen von feiten

deS Beklagten nicht aufgestellt waren."...

32.

Wie bestimmt sich der Stempel für die ErlaubuiSerteilung zum

ständigen Betriebe der Schankwirtschaft, wem die beiden Personen, denen zusammen diese Erlanbni- erteilt ist, die einzigen Gesell­

schafter einer offenen Handelsgesellschaft sind, die zvr ersten Klaffe der Gewerbesteuer veranlagt ist, zn der aber die Schankwirtschaft nicht gehört?

Preuß. StempStGes. vom 31. Juli 1895/30. Juni 1909 Tarifstelle 22 zu c.

VII. Zivilsenat. Urt. v. 22. März 1912 i. S. preuß. Fiskus (Bekl.) w. S. u. A. (Kl.). I. II.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Rep. VII. 19/12.

Die Kläger sind die beiden Gesellschafter der offenen Handels­

gesellschaft S. & Co., die zur L Klasse der Gewerbesteuer veranlagt ist.

Sie sind persönlich zur Gewerbesteuer nicht veranlagt und ge­

meinschaftliche Eigentümer eine- Hause-, da- zum Vermögen der

Handelsgesellschaft nicht gehört.

Im Erdgeschosse des Hauses wird

schon seit Jahren eine Schankwirtschaft betrieben.

AlS der Schank­

wirt Ende 1910 auszog, suchten die Kläger, um eine Unterbrechung de- Gewerbebetrieb- zu vermeiden, die Schankerlaubnis auf ihren eigenen Namen nach und erhielten sie. Einen Schankbetrieb richteten

sie indessen selbst nicht ein, überließen es vielmehr einem inzwischen gefundenen neuen Mieter, sich die Schankerlaubnis z« beschaffen. Die Kläger haben die ihnen erteilte Erlaubniskarte mit verstempelt. Der Beklagte forderte jedoch eine Abgabe von 500 JH, auf Grund

der Tarifstelle 22 zu c deS preuß. StempSt.Ges. vom 31. Juli 1895 deshalb, weil der Gewerbebetrieb der Handelsgesellschaft in die erste

Gewerbesteuerklasie gehört.

Die Kläger entrichteten diesen Betrag,

fordern ihn aber mit der Klage zurück.

Die Vorinstanzen erkannten entsprechend dem Klagantrag.

Auf

die Revision des Beklagten wurde das Berufungsurteil aufgehoben

und die Klage abgewiesen aus folgenden Gründen: „Dem Stempel der Tarifstelle 22 (Erlaubniserteilungen) unter c

des preußischen Stempelsteuergesetzes unterliegen unter anderen die Erlaubniserteilungen zum ständigen Betriebe der Schankwirtschast, und zwar nach der Novelle vom 30. Juni 1909 einem Stempel in

Höhe von 500 JK, dann, wenn „der Gewerbebetrieb- in die .... erste Gewerbesteuerklasse gehört.

Der erkennende Senat hat bereits

in seinem Urteile vom 18. April 1902 (vgl. Entsch. des RG.'s in

Zivils. Bd. 51 S. 202) eingehend dargelegt und auch später noch anerkannt, daß unter diesem Gewerbebetriebe der gesamte Gewerbe­

betrieb deS Inhabers der Erlaubnis auch dann zu verstehen ist, wenn der besondere Gewerbebetrieb, auf den sich die erteilte Erlaubnis be­

zieht, nur einen Teil deS Gesamtbetriebs darstellt, und daß hiernach auch für die Bemessung des Stempels der Tarifstelle 22 unter c die­ jenige Gewerbesteuerklasse entscheidend ist, zn welcher der gesamte

Gewerbebetrieb tatsächlich gehört. Der Stempelanspruch des Beklagten ist also nur dann begründet, wenn der gesamte Gewerbebetrieb der

Kläger in die erste Gewerbesteuerklasse gehört.

Letzteres trifft, wie

der Beklagte mit Recht annimmt, deshalb zu, weil schon der Gewerbe­

betrieb der offenen Handelsgesellschaft, deren Alleininhaber die Kläger

sind, zur ersten Gewerbesteuerklasse veranlagt ist.

Dies ergibt sich

auS folgenden Erwägungen.

Nach § 17 des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 werden mehrere Betriebe derselben Person als ein steuerpflichtiges Gewerbe

zur Steuer veranlagt. 3m § 18 ist weiter bestimmt, daß Gewerbe, die von mehreren Personen gemeinschaftlich betrieben werden, ebenso zu versteuern sind, als wenn sie nur von einer Person betrieben

würden.

Hiernach ist ein Gesamtgewerbebetrieb der beiden Kläger

hinsichtlich der Gewerbesteuerpflicht und damit auch der Stempelpflicht

auS der Tarifstelle 22 unter c als vorliegend anzunehmen, wenn sich ergibt, daß sowohl da- von der offenen Handelsgesellschaft betriebene Gewerbe, als auch die Schankwirtschaft, für die den Klägern die Er­ laubnis erteilt war, von derselben Mehrheit von Personen betrieben

wurde oder doch zu betreiben war. Denn es kann für die Stempel-

pflichtigkeit der Erlaubniserteilung keinen Unterschied machen, ob die

Kläger hinterher auf Grund der Erlaubnis den Betrieb der Schank­ wirtschaft begonnen, oder ob sie freiwillig unterlassen haben, die Er­ laubnis auszunutzen. In dem hier dargelegten Sinne werden die ßZ 17, 18 auch von der Anweisung der preußischen Finanzministers vom 4. November 1895 zur Ausführung des Gewerbesteuergesetzes

verstanden, die, soweit sie nicht mit dem Gesetze selbst in Widerspruch steht, allgemein bindende Kraft hat, weil in § 83 des Gesetzes der

Finanzminister mit dessen Ausführung beauftragt wird. Im Artikel 2 Nr. 1 dieser Anweisung ist nämlich bestimmt: „Bei der Besteuerung sind alle einzelnen Betriebe derselben Person oder Personenmehrheit (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Genossenschaft,

Verein usw.) ohne Rücksicht auf ihre Zahl, Art, Lage oder Firma als ein Gewerbe zu behandeln", und nach Nr. 3 daselbst wird zu­

treffend

für

die

Anwendung

dieses Grundsatzes

die

vollständige

Identität des Inhabers der verschiedenen Betriebe und bei Personen­ mehrheiten diejenige aller Mitglieder erfordert.

DaS Vorhandensein

einer solchen Identität hat daS Oberverwaltungsgericht (Entsch. des

OBG. in Staatssteuers. Bd. 8 S. 409) mit Recht verneint für den

Fall, daß der eine Betrieb von einer Gesellschaft mit beschränkter Entsch. in Zivils. N. F. 29 (79).

10

Haftung, der andere von einer offenen Handelsgesellschaft geführt

wurde, wobei dieselben Personen alleinige Mitglieder der beiden Gesell­ schaften waren.

Denn die Gesellschaft mit beschränkter Haftung hat

die Natur einer selbständigen, von den Mitgliedern verschiedenen Rechts­

person, während dies für die offene Handelsgesellschaft nicht zutrifft.

Im Streitfall hängt hiernach die Entscheidung davon ab, ob die offene Handelsgesellschaft S. & Co eine Personenmehrheit ist, die

identisch ist mit der Personenmehrheit, die durch die Gemeinschaft der beiden Kläger als Inhaber der Schankerlaubnis dargestellt wird

Der Berufungsrichter verneint sie aus dem Grunde, weil die offene Handelsgesellschaft zwar keine selbständige

Diese Frage ist zu bejahen.

Rechtsperson sei, aber doch ein selbständiges, von dem Vermögen der

einzelnen Gesellschafter getrenntes Vermögen besitze und weil deshalb der von den Klägern außerhalb der Gesellschaft geführte Gewerbe­ betrieb nicht als ein Teil deS Gewerbebetriebs der Gesellschaft an­

Dieser Grund ist nicht stichhaltig. Die Frage ist nicht dahin zu stellen, ob hier der Betrieb der Schankwirtschaft als ein

zusehen sei.

Teil deS Gewerbebetriebs der offenen Handelsgesellschaft anzusehen ist, sondern dahin, ob beide Betriebe Teile deS gesamten von der­

selben Personenmehrheit geführten Gewerbebetriebs sind. Auch wenn dieselbe Einzelperson mehrere untereinander selbständige Betriebe derart

führt, daß keiner der Betriebe ein Teil deS anderen ist, bleibt für die Höhe deS aus der Tarifstelle 22 unter c zu entrichtenden Stempels

die Gewerbesteuerklaffe maßgebend, zu der der gesamte Betrieb ver­

anlagt ist.

Entscheidend ist im vorliegenden Falle vielmehr die Ant­

wort auf die Frage, wer der Eigentümer des selbständigen Gesellschafts­

vermögens und damit deS von der Gesellschaft geführten Betrieber ist. AIS Eigentümer in diesem Sinne können nur die beiden Gesellschafter in ihrer Zusammenfassung angesehen werden. Denn weder hat die Ge­

sellschaft als solche selbständige Rechtspersönlichkeit, noch besteht außer den beiden Gesellschaftern irgend eine andere natürliche oder Rechts­ person, die als Eigentümer des Gesellschaftsvermögens in Betracht

kommen könnte.

Den Gesellschaftern steht dies Vermögen zur ge­

samten Hand zu, derart, daß der einzelne Gesellschafter zwar ein nach Bruchteilen inhaltlich geteilte- Eigentum an den einzelnen Gegen­ ständen nicht hat, daS Gesellschaftsvermögen ist aber, wie im § 718 BGB. ausdrücklich ausgesprochen ist, „gemeinschaftlicher Vermögen

der Gesellschafter". In dem Recht an diesem gemeinschaftlichen Ver­ mögen sind die Gesellschafter nach § 719 nur dahin beschränkt, daß

keiner über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen und an den ein­ zelnen dazu gehörigen Gegenständen verfügen kann und Teilung zu ver­ langen nicht berechtigt ist. Durch diese Einschränkungen wird aber die rechtliche Tatsache nicht beseitigt,. daß Herr über das Gesellschafts­

vermögen niemand anderes ist als die Mehrheit der Gesellschafter. Diese Tatsache wird auch dadurch nicht berührt, daß nach handels­

rechtlicher Vorschrift die offene Handelsgesellschaft vermöge der Selb­ ständigkeit ihres Vermögens unter ihrer Firma Rechte erwerben und

Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum erwerben und vor Gericht klagen und verklagt werden kann (§ 124 HGB). Die Firma ist nur der Name, unter dem die Gesellschafter selbst in ihrer Zusammenfassung im Handel ihre Geschäfte betreiben und die Unterschrift abgeben. Die Inhaber der offenen Handelsgesellschaft und ihres Betriebes sind hiernach mit den Inhabern der Schankerlaubnis völlig identisch. Daß

das Recht der Kläger am Gesellschaftsvermögen rechtlich anders or­ ganisiert ist, als das Recht derselben Kläger an dem Schankgewerbe­

betriebe, zu dem sie gemeinschaftlich die behördliche Erlaubnis nach­

gesucht und erhalten haben, macht keinen Unterschied. Die Stempelpflicht bemißt sich daher nach der Gewerbesteuerklaffe, zu der der gesamte Betrieb der Kläger gehört.

Sollte auch der gesamte Betrieb (ein­

schließlich des Schankbetriebs) nicht zur Gewerbesteuer veranlagt sein,

weil die Kläger den Schankbetrieb nicht begonnen haben, so ist da­ für die Entscheidung einflußlos, da schon ein Teil diese- gesamten

Betriebe-, nämlich der von der Gesellschaft geführte, zur höchsten

Gewerbesteuerklasse veranlagt ist. Die vorstehende Begründung steht in Übereinstimmung mit der in der Ausführungsanweisung im Artikel 2 Nr. 3 Abss. 2 und 3 aus­ gesprochenen Auffassung de- preußischen Finanzministers, wonach ein

Gewerbe zu veranlagen ist, wenn bei verschiedenen Gewerbebetrieben zweier offener Handelsgesellschaften deren Gesellschafter durchaus iden­ tisch sind, während das von einem Gesellschafter daneben auf eigene

Rechnung betriebene Gewerbe getrennt von dem der Gesellschaft zu

besteuern ist. Der streitige Stempelanspruch deS Beklagten ist hiernach gerecht­

fertigt und die auf Rückzahlung gerichtete Klage ist abzuweisen." io*

33.

Wird durch die Zuerkennung einer Baße im Strafverfahren

jeder weitere EntschädignngSanspruch des Verletzten nvr gegen den

Verurteilten ausgeschloffen, oder auch gegen andere, nicht verurteilte

Mittäter nud gegen solche Personen, welche für die dem Beschädigten

zugesügte Verletzung nur zivilrechtlich haftbar find? StGB. § 231 Abs. 2.

VI. Zivilsenat. Urt. v. 25. März 1912 L S. S. K. und K. (Kl.) w. Braunschweigische Kohlenliquidationsgesellschaft m. b. H. und Kr. (Bell.). I. II.

Rep. VI. 446/11.

Landgericht Braunschweig. Oberlandesgericht daselbst.

Am 27. August 1908 wurde der damals sieben Jahre alte Kläger zu 1 durch daS der Beklagten zu 1 gehörige Kraftfahrzeug über­

fahren, wodurch er erhebliche Verletzungen, namentlich am linken Ohr und am linken Auge erlitt, die andauernd seine Gesundheit be­ einträchtigen.

Der damals in Diensten der Beklagten zu 1 befind­

liche Führer des Kraftwagens L. ist wegen der dem Kläger zu 1 zugefügten Körperverletzung auf Grund des § 230 StGB, zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat und zugleich zur Zahlung einer

Buße von 4000 Jl an den Kläger z« worden.

1

rechtskräftig verurteilt

Der Kläger zu 1 und sein Vater, der Kläger zu 2, ver­

langen nun von der Beklagten zu 1 als Eigentümerin des Kraftwagen-, sowie von dem Beklagten zu 2, dem damaligen Geschäfts­ führer der Beklagten, der zur Zeit des Unfalls in dem Kraftwagen

fuhr und, obgleich er daS allzu rasche Fahren des Wagens bemerkte, dem Führer L. nicht Einhalt geboten hatte, eine Entschädigung, be­ stehend in einmaliger Zahlung einer Geldsumme und in Gewährung

einer Rente. Das Landgericht wies die Klage ab; die dagegen eingelegte Be­ rufung blieb in der Hauptsache ohne Erfolg.

Der Revision der

Kläger wurde stattgegeben und die Sache zurückoerwiesen aus folgenden Gründen:

„DaS angefochtene Urteil stützt die Abweisung der Klage lediglich

darauf, daß der erhobene Anspruch mit Rücksicht auf die dem Mit­

kläger zu 1 durch das rechtskräftige Urteil des Schöffengerichts gegen

den Wagenführer L. zuerkannte Buße von 4000 Jl gemäß § 231

Abs. 2 StGB, gegen die Beklagten nicht geltend gemacht werden könne.

Diese Ansicht beruht auf einer rechtsirrtümlichen Auslegung

des § 231 StGB.

Indem § 231 Abs. 1 StGB, bestimmt, daß „in allen Fällen der Körperverletzung auf Verlangen des Verletzten neben der Strafe

auf eine an denselben zu erlegende Buße bis zum Betrage von 6000 JH erkannt werden kann", erhellt zugleich, daß eine Buße über­ haupt nur dann zugesprochen werden kann, wenn gleichzeitig eine Strafe

verhängt wird, wenn also ein Verurteilter vorhanden ist.

Diese

enge Verbindung zwischen Strafe und Buße begründet die Annahme,

daß die sich an den Abs. 1

des § 231

anschließende Vorschrift

des Abs. 2:

„Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs aus", nur den Sinn haben soll, daß dann, wenn eine Person gemäß Abs. 1 zu Strafe und Buße verurteilt worden ist, gegen diese ein weiterer Entschädigungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann. Wie es demnach unbedenklich zulässig ist, gegen den frei­ gesprochenen Angeklagten im Zivilrechtswege einen Entschädigungs­ anspruch wegen der ihm zur Last gelegten Körperverletzung zu erheben,

so muß ein Gleiches gegenüber den Personen gelten, gegen die über­ haupt keine Anklage erhoben ist, sei eS, daß sie sich strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht haben, sei eS, daß aus sonstigen Gründen

eine Strafverfolgung gegen sie unterblieben ist.

Jedenfalls ist bei

dem Zusammenhänge der Bestimmungen in den Absätzen 1 und 2

deS § 231 die hier vertretene engere Auslegung schon nach dem Wortlaute des Gesetzes nicht bloß möglich, sondern sie liegt auch am nächsten.

Sie erscheint aber auS inneren Gründen auch als die allein

berechtigte. Dem gesetzgeberischen Gedanken, den zu einer Buße Verurteilten vor weiteren zivilrechtlich geltend zu machenden SchadevSersatzansprüchen zu schützen und somit eine doppelte Verhandlung über die­

selbe Straftat gegen dieselbe Person auszuschließen (vgl. Entsch. deS RG.'S in Straff. Bd. 44 S. 296), wird vollständig Genüge geleistet, wenn die im § 231 Abs. 2 StGB, festgesetzte Wirkung nur zu­

gunsten des Verurteilten eintritt.

Nach der gegenteiligen Ansicht,

wonach die zuerkannte Buße jeden weiteren Entschädigungsanspruch auch gegen Dritte auSschließen soll, würde die Bestimmung deS

Abs. 2 mit den im Gebiete deS Zivilrechts für Gesamtschuldverhält­

nisse

bestehenden

allgemeinen

Rechtsgrundsätzen

in

unvereinbaren

Widerspruch treten. Gerade der Umstand nämlich, daß die Buße, worüber in Rechtsprechung und Rechtslehre jetzt nahezu Überein­ stimmung herrscht, eine» zivilrechtlichen Charakter hat, Entsch. de- RG.'S in Straff. Bd. 12 S. 223; Bd. 15 S. 352

und 439; Bd. 24 S. 397; Bd. 31 S. 334; Bd. 38 S. 194; Bd. 44 S. 294; Rechtspr. des RG.'r Bd. 9, S. 171 und 279, führt zu dem Ergebnisse, daß das strafgerichtliche Urteil, soweit eS

eine Buße zuspricht, ähnlich wie daS zivilgerichtliche Urteil gemäß § 325 ZPO. nur unter den Parteien Wirkung habm kann. Hätte der Gesetzgeber der Zuerkennung einer Buße die ungewöhnliche, mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen unvereinbare Wirkung beilegen

wollen, daß dadurch auch die Entschädigungsansprüche gegen Dritte, am Strafverfahren gar nicht beteiligte, und sogar gegen solche Perfönen zum Erlöschen gebracht werden sollten, die, mangels einer von

ihnen begangenen strafbaren Handlung, zu dem Strafverfahren gar nicht zugezogen »erben konnten, so hätte die- eines ausdrücklichen Ausspruchs

im Gesetze bedurft.

Der mit Einführung der Buße ausgesprochener­

maßen verfolgte Zweck, dem Verletzten die Erlangung einer Ent­ schädigung zu erleichtern und eine Vermehrung der Prozesse zu verhüten,

Begr. zu den §§ 184, 225 des Entw. des StGB., Drucks. deS ReichtStagS Nr. 5, 1. LegiSl.-Per. Test. 1870 4. Bd., S. 115, würde geradezu vereitelt werden, wenn man dem § 231 Abs. 2 StGB,

die Auslegung geben wollte, die das Berufungsgericht seiner Ent­ scheidung zugrunde gelegt hat.

Denn für den Verletzten wäre eS

dann im höchsten Grade gefährlich, im Strafverfahren einen Antrag auf Buße zu stellen, da mit Zuerkennung einer noch so geringen Buße, die einer von mehreren für die verursachte Körperverletzung

haftbaren Personen auferlegt wird, der Anspruch gegen alle mit­ beteiligten oder aus besonderen Gründen mithastenden Personen zum Erlöschen gebracht werden würde. Der hier vertretene Standpuntt kommt übrigens auch mit voller

Klarheit in dem § 57 des Vorentwurfs zu dem neuen StGB, zum Ausdruck, der ganz allgemein bestimmt:

„Ist durch die strafbare Handlung dem Verletzten ein nach

bürgerlichem Recht zu ersetzender Schaden erwachsen, so hat das Gericht auf Verlangen des Beschädigten neben der Strafe auf Ersatz des Schadens zu erkennen, sofern dieser den Betrag von

20000 Jt nicht übersteigt und soweit seine Feststellung ohne Ver­

zögerung des Strafverfahrens möglich ist. Soweit der Schadensersatzanspruch zuerkannt ist, ist die Geltend­ machung eines weiteren Entschädigungsanspruchs gegenüber dem Verurteilten ausgeschlossen. Mehrere zum Schadensersatz Verurteilte haften als Gesamt­

schuldner." Hierzu bemerkt die Begründung (S. 195 und 196): „ES ist im

bisherigen Rechte bei § 231 Abs. 2 StGB, streitig geworden, tote weit die Wirkung dieser Vorschrift reicht, insbesondere ob, wenn von mehreren Teilnehmern einer strafbaren Handlung einer im Straf­

verfahren zur Zahlung einer Buße an den Verletzten rechtskräftig

verurteilt ist, dieser letztere deshalb an der Geltendmachung jeglichen Bußanspruchs gegen die nach § 830 BGB. mitverpflichteten anderen Teilnehmer verhindert ist, auch wenn der Verurteilte nicht zahlen kann

oder wenn der Schade nachträglich sich vergrößert hat.

Der Ent­

wurf verneint diese Frage und stellt sich demgemäß auf den Stand­

punkt, daß da- zuerkennende Urteil nur zwischen denjenigen Personen

wirken kann, zwischen denen in Abs. 2

es

ergangen ist.

Er schließt daher

die weitere Geltendmachung nur gegenüber dem Ver­

urteilten auS."

Daß der Vorentwurf nach der hier in Betracht kommenden Richtung hin nicht etwa neues Recht schaffen, sondern lediglich den

schon jetzt geltenden RechtSzustand hat aufrecht erhalten wollen, er­ gibt sich nicht bloß aus der soeben mitgeteilten Begründung, sondern auch aus dem Berichte deS Vorsitzenden der gegenwärtig zur Aus­

des Entwurf- eines neuen Strafgesetzbuchs eingesetzten Kommission, indem es darin heißt, daß die Kommission (bei Beratung arbeitung

des 8 57 des Vorentwurfs) beschlossen habe, die Zuerkennung eine-

Schadensersatzes

im Strafverfahren

solle

weitere

Entschädigungs­

ansprüche gegen den Verurteilten au-schließen, womit man das

hinsichtlich der Buße bestehende Recht (§ 188 Abs. 2 StGB.) auf­

recht erhalte (vgl. D. Jur.-Ztg. 1911 Sp. 1022).

DaS hier gefundene Ergebnis steht auch mit der Entstehungs­ geschichte

des Gesetze- nicht in Widerspruch.

Im Entwürfe des

jetzt geltenden Strafgesetzbuchs, durch den das Institut der Buße eingeführt wurde, ist eine dem jetzigen Abf. 2 deS § 231 entsprechende

Vorschrift überhaupt nicht enthalten. Nach der Begründung sollte er vielmehr auch demjenigen Verletzten, welchem eine Buße zu­

gesprochen war, freistehen, weitere Entschädigungsansprüche im ZivilrechtSwege zu verfolgen.

Dem trat erst der bei der 2. Beratung deS

Gesetzentwurfs eingeschaltete Abf. 2 deS § 231 (Sten. Verh. deS Reichstags 1870 Bd. 1 S. 651 flg., 688) entgegen, über dessen Be­ deutung und Tragweite die Antragsteller deS näheren sich nicht ge­ Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist also

äußert haben.

keinesfalls zu entnehmen, daß der vom Reichstag eingeschaltete Abs. 2

der § 231 StGB, eine weitere Tragweite haben sollte, als von dem

erkennenden Senat angenommen wird. Wenn demgegenüber das an­ gefochtene Urteil geltend macht, daß der Verletzte die Entschädigung für einen erlittenen Schaden nur einmal beanspruchen könne, daß auch der Gläubiger von mehreren zum Schadensersätze Verpflichteten die Leistung nur einmal zu fordern habe, und daß daraus folge, daß

von mehreren Mitverpflichteten nicht der eine die Buße, der andere aber einen davon rechtlich verschiedenen zivilrechtlichen Schadensersatz schuldm könne,

so ist dieser Satz nach mehrfacher Richtung hin

rechtsirrtümlich. Einmal nämlich steht er in unvereinbarem Wider­ sprüche mit dem von dem Berufungsgerichte selbst, im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts aufgestellten Satze, daß die Buße nichts anderes ist, als eine „privatrechtliche Entschädigung".

Sodann besteht das Wesen der gesamtschuldnerischen Haftung, um

die eS sich im vorliegenden Falle gemäß § 231 Abs. 3 StGB., §§ 830, 840 BGB. unzweifelhaft handelt, gerade darin, daß mehrere

Personen dem Gläubiger dieselbe Leistung dergestalt schulden, daß durch deren Tilgung von feiten der einen der andere Mitschuldner nur insoweit befreit wird, als die Tilgung reicht. ES ist

ferner

nicht

zutreffend,

wenn dar Berufungsgericht

geltend macht, daß der zivilrechtliche Anspruch regelmäßig auf eine Rente gehe (§ 843 BGB.), wogegen die Buße in Form eines Kapitals

zu zahlen fei, und daß deshalb die „unentwirrbare" Frage entstehe, ob

durch Zahlung der Buße auch der zur Zahlung einer Rmte

Verurteilte gemäß § 422 BGB. befreit werde.

Diese Frage ist

nicht unentwirrbar, sondern dahin zu lösen, daß der Rentenschuldner

von seiner Verpflichtung insoweit befreit wird, als durch Zahlung der Buße gleichzeitig eine Tilgung deS Rentenanspruchs ein getreten

ist.

ES bedarf dann allerdings einer besonderen Art der Berechnung,

für welchen Zeitraum die Zahlung eines Kapitals von bestimmter

Höhe

dem Gläubiger

die

ferner zugesprochene Rentenschuld tilgt

(vgl. Urteil deS erkennenden Senats vom 479/06).

1. Juli 1907, Rep. VI.

Daß aber bei mehreren gesamtschuldnerisch haftenden Per­

sonen die eine einen höheren, die andere einen geringerm Betrag zu zahlen hat, ist durchaus nichts Ungewöhnliches (vgl. Urteil deS er­

kennenden Senats vom 14. Oktober 1909, Jur. Wochenschr. S. 724

Nr. 17). Auch was das Bayerische Oberste Landesgericht in seiner Ent­

scheidung vom 19. Februar 1902 (Seuff.Arch. Bd.57 Nr. 215 S. 402) zu Gunsten der hier bekämpften Ansicht ausführt, kann als überzeugend nicht erachtet werden.

ES heißt in diesem Urteil:

„Das

Strafgesetzbuch mußte, indem eS die Zuerkennung einer Buße zuließ,

Bestimmung darüber treffen, in welchem Sinne der neue Anspruch gewährt werden sollte, ob neben dm sich aus dem bürgerlichen Rechte ergebenden Ansprüchm, oder wahlweise statt dieser; die Frage mußte

für

alle Ansprüche

entschieden

werden,

die

den Ersatz desselben

SchadmS zum Gegenstände haben, und die Entscheidung konnte nicht

für die Ansprüche gegen die bei derselben strafbaren Handlung Be­ teiligten oder für die Ansprüche gegen die überhaupt strafrechtlich

Verfolgbaren anders getroffen werden, als gegen die übrigen Ver­ pflichteten."

Diese Ausführungen werden von dem Gedanken beherrscht, als ob die Buße ihrem Wesen nach etwas andere- sei, als die zivilrecht,

liche Entschädigung, während, wie schon oben hervorgehoben wurde, in Rechtsprechung und Rechtslehre nahezu Übereinstimmung darüber

besteht, daß die zuerkannte Buße den zivilrechtlichen Entschädigungs­ anspruch deS Verletzten für den ihm durch den Verurteilten zu­ gefügten

Schaden

bildet.

ES

ist nicht

einzusehen,

weshalb der

Gesetzgeber, indem er ausnahmsweise aus praktischen Gründen die Geltendmachung dieses Entschädigungsanspruchs im Strafverfahren

zuließ, zugleich hätte bestimmen milffeit, daß, ebenso wie der dem

Verletzten gegen den Verurteilten zustehende Entschädigungsanspruch

durch die Zuerkennung einer Buße erlösche, so auch der dem Ver­ letzten zustehende Anspruch gegen die Mitverpflichteten zum Erlöschen gebracht werden sollte.

Der Satz: „Eine erkannte Buße schließt die

Geltendmachung eine- weiteren Entschädigungsanspruchs aus", bringt,

wenn die ausschließende Wirkung auf den zur Zahlung der Buße

Verurteilten beschränkt bleibt, den auch sonst geltenden Grund­ satz „ne bis in idem“ zum unzweideutigen Ausdruck. Dagegen gibt die Auslegung des Bayerischen Obersten Landesgerichts jenem

Satz eine Tragweite, an die, wie angenommen werden darf, der Gesetzgeber nicht gedacht hat und für die auch ein gesetzgeberisches

Bedürfnis nicht anzuerkennen ist.

ES muß deshalb als eine petitio

principii angesehen werden, wenn jene Entscheidung den Satz auf­

stellt, daß durch die Zuerkennung einer Buße nicht bloß die Ansprüche gegen den Vernrteilten, sondern auch gegen andere Personen aus­

geschlossen werden müßten.

Wenn sich schließlich das angefochtene Urteil auf die in der RechtSwisienschast hervorgetretenen Ansichten beruft, so kommt in Be­ tracht, daß eS hierbei fast durchweg an einer näheren und selbständigen

Begründung fehlt, indem sich die meisten Schriftsteller auf die Wieder­ gabe deS Gesetzestextes beschränken. Soweit aber die erörterte Frage eingehender behandelt worden ist, wird mindestens anerkannt, daß

die Vorschrift deS § 231 Abs. 2 StGB, sich nur auf die Ansprüche gegen die „deliktsfähigen* Personen erstreckt, also in Fällen, wie dem

vorliegenden, nicht Platz greift.

Oetker im GerichtSsaal Bd. 66 S. 321 flg., inSbes. S. 343, 344; ähnlich Mandry-Geib,

Der zivilrechtliche Inhalt der Reichs­

gesetze, 4. Aufl. § 48 Anm. V...

34.

Ist § 47 Nr. 2 der Dienstanweisung des Muß. Kriegsministers

für die Remontedepot-Admiuistratiouen vom 12. Juni 1897, wo­ nach der Administrator das Depot nach außen vertritt, eine revisible

Rechtsnorm? ZPO. § 550. Kais. VO. vom 28. September 1879.

II. Zivilsenat. Urt v. 26. März 1912 i. S. Reich--(Militär-)FiSkur

(Kl.) w. Zuckerfabrik G. (Bell.). L IL

Rep. IL 477/11.

Landgericht Lissa. Oberlandesgericht Posen.

Er handelte sich um die Frage, ob der Administrator H. des Remontedepots zu W. nach Maßgabe der in der Überschrift bezeich­ neten Dienstanweisung zur Entnahme von Vorschüssen auf Rüben­ eintragungen der Depotverwaltung Vertretungsmacht hatte.

Beide

Borinstanzen haben dies bejaht, die Revision wurde zurückgewiesen.

AuS den Gründen:

„An diese Frage knüpft sich die Vorfrage, ob die Dienstanweisung als eine Rechtsnorm im Sinne des § 550 ZPO. anzusehen ist und

der Nachprüfung der Revisionsgerichts unterliegt.

Die Frage ist zu

bejahen. Der Geltungsbereich der Dienstanweisung erstreckt sich über

den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus

auf mehrere preußische

Provinzen und entspricht somit in räumlicher Beziehung dem Er­

fordernisse der Kaiserlichen Verordnung vom 28. September 1879. Daß der preußische Kriegsminister als vorgesetzte Dienstbehörde der Remontedepot - Administrationen zum Erlaß der Dienstanweisung zu­

ständig war, ist von keiner Seite in Zweifel gezogen und kann einem begründeten Bedenken nicht unterliegen. Auch ihrem Inhalte nach stellt sich die Dienstanweisung als eine Rechtsnorm dar.

Der Be­

griff „Rechtsnorm" ist in den verschiedenen Bestimmungen, in denen

er vorkommt, gesetzlich nicht näher erläutert, überall aber gleich­ bedeutend. Vgl. § 12 EinfGes. z. ZPO., § 550 ZPO. in Verb, mit VO. vom

28. September 1879, § 7 EinfGes. z. StPO., § 376 StPO. Art. 2

EinfGes. z. BGB. usw. In

der Rechtssprache

umfaßt er,

ohne Rücksicht auf ihre Ent­

stehung und Erkenntnisquelle, jede Satzung, die, abgesehen von Pri­

vilegien, für Fälle bestimmter Art als Regel dient und objekives Recht schafft, somit einen Rechtssatz aufstellt, gleichviel ob dieser ge­

bietender, verbietender oder bloß berechtigender Natur ist. Nach fest­ stehender Rechtsprechung gehören zu den Rechtsnormen nicht bloß die Gesetze im engeren Sinne und das Gewohnheitsrecht, sondern auch alle gesetzmäßig zustande gekommenen Verordnungen, insbesondere auch

die innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen der Ver­

waltungsorgane, soweit sie sich als Recht-verordnungen darstellen.

Rechtsnormen sind unzweifelhaft solche Ministerialerlasse, die vermöge

gesetzlicher Ermächtigung zur Ausführung eines Gesetze- erlassen sind. Sie stehen, als wären sie Bestandteil des Gesetze- selbst, diesem an Kraft gleich. Dagegen sind als Rechtsnormen nicht anzusehen solche Verordnungen der Verwaltungsorgane, die mir den inneren Dienst der Beamten oder einen einzelnen konkreten Fall betreffen, sich somit bloß alS Berwaltungsvorschriften, aber nicht als Rechtsverordnungen

darstellen.

Ob nun die fragliche Dienstanweisung deS Kriegsministers der einen oder der anderen Gruppe der Verordnungen zuzuzählen ist,

kann immerhin zweifelhaft sein. Unverkennbar enthält sie zum größten Teile bloße, den inneren Dienst betreffende Verwaltungsvorschriften.

Durch die Bestimmung deS § 47 Nr. 2, wonach die Administratoren das Depot nach außen zu vertreten und die Interessen deS Depots

anderen Behörden und Personen gegenüber nach allen Richtungen wahrzunehmen haben, hat jedoch die Dienstanweisung auch eine für

den Rechtsverkehr mit dritten Personen und Behörden wichtige Be­ deutung. Damit hat der Kriegsminister in Ausübung seiner öffentlich-

rechtlichen Funktionen die jeweiligen Administratoren als Träger ihres Amte- mit einer Vertretungsmacht deS Fiskus innerhalb gewisser Grenzen auSgestattet.

Diese BertretungSmacht ist öffentlichrechtlicher

Natur und als solche wesentlich verschieden von einer bloßen privat­ rechtlichen Vollmacht, die einer Person durch bloß rechtSgeschäft-

lichen Akt erteilt wird.

Von diesem Gesichtspunkte kennzeichnet sich

die Dienstanweisung jedenfalls als eine Rechtsnorm ihrem Inhalte

nach und gerade dieser Teil der Dienstanweisung kommt für die Ent­ scheidung in Betracht." ...

35. Beurteilung der rechtliche« Gültigkeit eiuer BertragSbestimmuug, wodurch der Komponist bei Abschluß deS Verlagsvertrags über eine Oper dem Verleger eiu Bonecht auf seiue künstigeu Kompositionell eiuriiumt.

I. Zivilsenat.

Urt. v. 27. März 1912 i. S. F. (Bell.) w. I. (Kl.). Rep. 1.150/11.

I. II.

Landgericht Stuttgart. Oberlandesgericht daselbst.

In einem VerlagSvertrage über die damals noch unvollendete Oper .Der zerbrochene Srug" vom 8. Januar 1901 verpflichtete sich der Komponist I. (Kläger), seinem Verleger F. jeweils daS Vorrecht auf seine Kompositionen einzuräumen. In einem Nachtrage vom 5. Juni 1902 wurde für die Oper, welche I. „nach dem zerbrochenen Krug schreibt", eine Ausnahme gemocht, im übrigen aber die gedachte Verpflichtung auf ewige Zeiten bestätigt und für den Fall ihrer Umgehung eine Vertragsstrafe von 5000 Jl festgesetzt. In der Folge hielt der Kläger durch diese Vertragsbestimmungen seine persönliche und gewerbliche Freiheit für übermäßig beschränkt und erhob unter Hin­ weis auf 8§ 138, 310, 624 BGB. Klage mit dem Anträge, festzu­ stellen, daß der § 9 des Vertrags vom 8. Januar 1901 und Abs. 1 und 3 des Nachtragsvertrags nichtig, eventuell aufgelöst seien und daß er im Falle ihrer Umgehung nicht verpflichtet sei, die Vertrags­ strafe zu zahlen. Der Beklagte bekämpfte die Auffassung des Klägers über die angeblich unsittliche Natur der Vertragsbestimmungen. Die Parteien waren darüber einig, daß ihre praktische Handhabung bisher zu Beanstandungen nicht geführt hatte. Seine Operette „Die Förster­ christel" hatte der Kläger im November 1907 dem Beklagten an­ geboten, und, nachdem der Erwerb wenige Tage später vom Beklagte« abgelehnt war, frei hierüber verfügt. Ein weiteres Werk „DaS Musikantenmädel" hatte der Beklagte gegen ein festes Honorar von 15000 Jl und die üblichen Tanttemen vom Kläger erworben, nachdem eine Leipziger Firma ein Angebot von 18000 Kronen darauf gemacht hatte und dies dem Beklagten mitgeteilt worden war. DaS Landgericht erkannte auf Abweisung der Klage, daS Ober­ landesgericht abändernd, daß die vom Kläger übernommenen Ver­ pflichtungen nichttg seien. Die Revision deS Beklagten führte zur Wiederherstellung deS Urteils der ersten Instanz. Aus den Gründen: „In der ersten Instanz hat der Kläger das dem Beklagten durch § 9 deS Vertrags eingeräumte Vorrecht als ein Vorkaufsrecht im Sinne des § 504 BGB. darzustellen versucht. Mit zutreffenden Gründen hat der erste Richter die Unrichtigkeit dieser Beurteilung dargelegt. Abgesehen davon, daß eS sich hier um einen Verlags-

vertrag, nicht um einen Kauf handelt, setzt auch die Ausübung deS dem Beklagten eingeräumten Vorrechts nicht den vorherigen Absyluß eines Vertrags mit einem anderen Verleger voraus. Vielmehr beteiltet

das Vorrecht nicht mehr, als daß dem Beklagten ein neues Werk des Klägers zuerst zum Erwerb angeboten werden muß.

Der Käger

ist aber nur dann verpflichtet, mit dem Beklagten abzuschließen, venn dieser ihm gleich gute Bedingungen gewährt, wie ihm von awerer Seite gestellt sind.

In dieser Weise wird das Vorrecht von teiden

Parteien verstanden; in dieser Weise wurde es auch bisher ausgeübt. Deshalb diente es auch, wie das Oberlandesgericht trotz seiner dem

Standpunkte des Klägers günstigen Auffasiung nicht verkennen kmnte, dem Kläger als ein wirksames Mittel, seine Honoraransprüäe zu steigern.

Bezeichnend sind in dieser Hinsicht die eigenen Brief! des

Klägers. So schreibt er am 1. November 1909 mit Bezug aus eine neue Operette: „So viel kann ich Ihnen aber heute schon stgen: billig wird die Sache nicht werden; im Gegenteil; es wäre ratsan, viel Geld in den Beutel zu tun; denn es konkurrieren zwei erste Veilagsfirmen mit Ihnen, die sich's was kosten lassen." Das Oberlaides­

gericht hat gleichwohl geglaubt, von der bisherigen tatsächlichen Sach­

lage absehen zu müssen. Es hat angenommen, daß das dem Beklagten eingeräumte Vorrecht für die Zukunft eine übermäßige Beschrärkung der Entschließungsfreiheit des Klägers enthalte, daß es dem klüger eine Fessel anlege, die in noch unübersehbarer Weise Nachteile für

ihn zur Folge haben könne.

Als solche Nachteile bezeichnet >S die

Möglichkeit, daß beim Bekanntwerden des Vorrechts für dritte Ver­

leger der Anreiz zu Bewerbungen schwinden und dadurch ein Mmopol

für den Beklagten entstehen könne, oder daß ein finanzieller Nieder­ gang oder eine Minderung deS geschäftlichen Ansehens deS Belagten eintreten könne, daß sich Unstimmigkeiten zwischen den Parteen er­ eignen könnten, oder endlich, daß eine der Verbreitung der Werke

des Klägers ungünstige Ringbildung gegen den Verlag deS Belagten entstehen könne.

Die Revision des Beklagten hat dagegen ausgeführt, daß es sich

bei diesen Erwägungen des Oberlandesgerichts überall um Konbinationen handle, die bisher jeder tatsächlichen Unterlage ermangelten.

Die besonderen Verhältnisse des Musikoerlags brächten es mit sich,

daß die Verleger bestrebt seien, zu den Autoren in ein dauerndes

Rechtsverhältnis zu treten, und, indem sie sich ein Vorrecht auf deren künftige Werke sicherten, einen Ausgleich für das Risiko suchten, das

beim Musikoerlage wegen der mit der Vervielfältigung deS Werkes verbundenen höheren Kosten in der Regel ein viel größeres fei, als

bei dem Verlage wissenschaftlicher oder sonstiger literarischer Erzeug­ nisse.

Die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen sei bisher niemals

beanstandet worden.

Der Mnsikverleger, der mit einem noch un-

bekaunten oder wenig bekannten Komponisten abschließe, laufe Gefahr, große Geldopfer für ein erfolgloses Unternehmen aufzuwenden; erst

wenn sich der Komponist einen Namen oder eine gewisse Beliebtheit errungen habe, sei die Möglichkeit gegeben, für die gebrachten Opfer einen Ersatz zu erlangen.

Schneide man den Verlegern die Möglichkeit

ab, sich durch derartige, in der Praxis allgemein übliche Vorrechts­ verträge wenigstens die Aussicht eines künftigen Gewinns zu sichern, so schädige man damit mittelbar die Komponisten selbst. Unbekannte

anfstrebende Talente würden dann schwerlich Verleger finden, die bereit seien, daS Wagnis einer Erfolgs zu übernehmen, dessen Früchte ihnen entgehen würden. Der Vertreter deS Revisionsbeklagten ist

diesen Ausführnngen entgegengetreten.

Er hat bestritten, daß die

Verhältnisse int Musikoerlage hinsichtlich der vom Verleger zu über­ nehmenden Gefahren wesentlich anders lägen als bei dem sonstigen

Verlage. Seien derartige Vorrecht-verträge in dem behanpteten Um­ fang im Musikverlag üblich, so müsse dies als ein Mißbrauch be­

zeichnet werden. Dabei hat der Vertreter deS Revision-beklagten auf die Bestimmungen der österreichischen Urheberrechtsgesetzes vom 26. De­

zember 1895 in § 16 Abs. 3 verwiesen. An und für sich kann nichts Unsittliches darin gefunden werden, wenn ein Komponist, der sein Werk einem Verleger gegen Entgelt in Verlag gibt, dabei die Verpflichtung übernimmt, seine etwaigen künftigen Kompositionen jeweils zuerst diesem Verleger anzubieten,

vorausgesetzt, daß dadurch weder die freie Schaffenskraft deS Urhebers beeinträchtigt, noch die Konkurrenz anderer Bewerber ausgeschlossen wird.

Bei der hier in Frage stehenden Vorrechtseinräumung ist

weder daS eine noch das andere der Fall. Daß die freie und indi­ viduelle Entwickelung seines künstlerischen Schaffens dnrch die Be­

stimmung deS § 9 und des Nachtrags irgendwie behindert werde, vermag der Kläger selbst nicht zu behaupten. Der vorgelegte Brief«

wechsel ergibt aber auch, daß der Wettbewerb anderer Berleger beim

Erwerbe der Werke des Klägers durch sein Abkommen mit dem Be­

klagten nicht hintangehalten wurde.

ES steht dem Kläger auch frei,

sich um solchen Wettbewerb zu bemühen, und er ist nur für den Fall verpflichtet, dem Beklagten den Vorzug zu geben, daß ihm dieser die gleichen Vorteile bietet wie ein etwaiger Mitbewerber.

Berück­

sichtigt man, daß daS Verhältnis zwischen Urheber und Verleger

der Natur der Sache nach in vielen Fällen kein rein geschäftliches,

sondern zugleich ein persönliches ist, daß es sich häufig zu einem Vertrauensverhältnis entwickelt, das auf der Gemeinsamkeit der Inter«

essen beruht, so kann nicht- diesem Verhältnis Widersprechendes, nichts Unsittliches und auch nichts (wie das Oberlandesgericht meint) gegen

die öffentliche Ordnung Verstoßendes darin gefunden werden, wenn die Beteiligten bestrebt sind, durch vertragliche Bindungen ihr Ver­

hältnis zu einem dauernden zu gestalten. Was an dem vorliegenden Vertrage auffällt, und waS auch an­

scheinend das Oberlandesgericht verleitet hat, wegen der angeblichen Unübersehbarkeit der in näherer oder entfernterer Zukunft möglicher­ weise eintretenden Gefahren ihn als gegen das „soziale Empfinden" und gegen die „öffentliche Ordnung" verstoßend anzusehen, das ist der Umstand, daß er nach seinem Wortlaute „für ewige Zeiten" ge­ schlossen ist.

Nun ist aber von vornherein klar, daß dieser Ausdruck

nicht wörtlich ausgelegt werden kann. Denn abgesehen von der Frage,

ob ein Vertragschließen für ewige Zeiten überhaupt rechtlich möglich

ist, kann es doch keinesfalls hier in Frage kommen, wo es sich um zeitlich begrenzte Urheberrechte handelt.

Die Bestimmung kann also

nur den Sinn haben, daß der Vertrag geschloffen ist für die Lebens­

dauer des Autors und die darüber hinausgehende gesetzliche Schutz­ frist seiner Werke.

Aber auch in dieser zeitlichen Begrenzung ist es

selbstverständlich, daß ein solcher Vertrag keineswegs unter allen Um­ ständen für die ganze ursprünglich ins Auge gefaßte Zeitdauer ein­

gehalten werden muß.

Vielmehr liegt eS in der Natur derartiger

Verhältnisse, daß sie aus wichtiger Ursache gelöst werden können, wenn ihre Fortsetzung nach den besonderen Umständen des Falls den Beteiligten nicht mehr zugemutet werden kann. Das Oberlandes­

gericht selbst hat hervorgehoben, daß gegenüber sogenannten positiven

Vertragsverletzungen dem Vertragstreuen Teile nach allgemeinen Rechts-

grundsätzen der Rücktritt vom Vertrage gestattet sein würde. Erst kürzlich hat der Senat in der Sache Rep. I. 354/11 (vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 78 S. 298) ausdrücklich die in einem „Ver­

trag mit Autoren" enthaltene Bestimmung für unsittlich und nichtig erklärt, wonach selbst im Falle beliebiger Vertragsverletzungen dem

Vertragstreuen Teile nur ein Recht auf Vertragsstrafe zustehen, der Vertrag selbst aber unter allen Umständen fortbestehen sollte.

Auch abgesehen von Vertragsverletzungen kann die Anwendung des dem § 626 BGB. zugrunde liegenden Grundsatzes dazu führm, die Kün­

digung eines unhaltbar gewordenen Verhältnisses herbeizuführen, das persönliche Dienstleistungen der Beteiligten zum Gegenstände hat und

nur auf Grund persönlichen Vertrauens begründet werden und ge­ deihen kann. Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen die vom Oberlandesgericht

ausgesprochenen Befürchtungen, die Bestimmung deS § 9 des vor­ liegenden Vertrag- nebst Nachtrag könne zur Zeit noch unübersehbare

Nachteile für den Kläger zur Folge haben, nicht begründet.

Auch

würde die Erwägung allein, daß ein Vertrag möglicherweise später

Nachteile für den einen Kontrahenten nach sich ziehen kann» nicht auSreichen, ihn für unsittlich oder als gegen die öffentliche Ordnung

verstoßend zu kennzeichnen. Eine derartige Beschränkung der Vertrags­ freiheit kennt das Gesetz nicht. Sie müßte als eine unzulässige und unerträgliche Bevormundung empfunden werden.

DaS österreichische Urheberrechtsgesetz vom 26. Dezember 1895,

worauf der Vertreter des Klägers besonders hingewiesen hat, bestimmt in 816 Abs.3, daß ein Vertrag, durch welchen jemand die Urheberrechte

an seinen künftigen Werken überhaupt oder einer ganzen Gattung derselben zu übertragen verspricht, kraft Gesetzes jederzeit kündbar ist;

das Kündigungsrecht, auf das nicht verzichtet werden kann, steht

beiden Teilen, zu; die Kündigungsfrist beträgt ein Jahr, es sei denn eine kürzere vereinbart.

Das österreichische Gesetz erklärt hiernach

einen derartigen Vertrag keineswegs für nichtig.

Es hat nur ein beiderseitiges unverzichtbares Kündigungsrecht zum Schutze gegen etwaige Benachteiligungen eingeführt. Der deutsche Gesetzgeber ist dem österreichischen Vorbilde nicht gefolgt.

Hieraus ist aber nicht

zu folgern, daß ein solcher Vertrag, weil er „eine unzulässige Selbst­

beschränkung der Persönlichkeit" enthält, Entsch. in Zivils. N. F. 29 (79).

wie Gierke

nichtig sei,

11

(Deutsches Privatrecht Bd. 1 S. 805 Anm. 6) annimmt. Vielmehr hat es der deutsche Gesetzgeber nicht für notwendig gehalten, in dieser

Hinsicht besondere, die BertragSfreiheit beschränkende Vorschriften auf­ zustellen. Er hat offenbar die unser BerkehrSrecht beherrschenden

Grundsätze von Treu und Glauben und von dem Schutze jedes einzelnen gegen unsittliche wirtschaftliche Ausbeutung (vgl. §§ 157, 138 BGB.) für hinreichend gehalten, um etwaigen Auswüchsen auf diesem Gebiet im Einzelfalle wirksam zu begegnen.

Vgl. hierzu Dernburg.Kohler, Das bürgerl. Recht § 16, IV; Allfeld, Komm. z. Lit. Urh. Ges. S. 91; Riezler, Deutscher Ur­

heber- und Erfinderrecht S. 89; Osterrieth, Kunstschutzgesetz

§ 10 C. III. Der vorliegende Vertrag enthält überhaupt keine endgültige Ver­ pflichtung zur Übertragung der künftigen Werke des Kläger-, sondern nur die Verpflichtung, solche Werke dem Beklagten anzubieten und bei Gewährung gleich günstiger Bedingungen, wie sie dem Kläger von dritter Seite gemacht werden, dem Beklagten den Vorzug zu gewähren. Die von dem Oberlandesgerichte gehegten Befürchtungen für eine

künftige Benachteiligung des Klägers können zum Teil schon auf Grund dieser Vertragsbestimmung selbst, wie sie von den Parteien übereinstimmend au-gelegt wird und auch in Anwendung der §§ 157, 242 BGB. aus gelegt werden muß, widerlegt werden.

Denn wenn der Verleger finanziell unsicher wird, wenn er an seinem geschäftlichen

Ansehen Einbuße erleidet, wenn der Verbreitung seiner Verlagswerke eine Ringbildung entgegensteht, dann wird er dem Autor eben nicht die gleichen Vorteile und Garantien mehr bieten können, die diesem

von dritter Seite gewährt werden." ...

36. Kann nach dem Verkauf einer auf Namen kantenden Aktie die Aktiengesellschaft gegen den neuen Aktionär Ansprüche aus dem GesellschastSverhältnis im Klagewege geltend machen, bevor der Übergang der Aktie ins Aktienbuch eingetragen ist? HGB. § 223.

L Zivilsenat.

Urt. v. 27. März 1912 L S. E. u. Gen. (Bekl.) w.

Aktiengesellschaft Zuckerfabrik M. (Kl.).

Rep. I. 349/11.

I. II.

Landgericht Hildesheim. Oberlandesgericht Celle.

Die Klägerin behauptete, daß der Erblasser der Beklagten eine ihrer auf Namen lautenden Aktien durch Kauf erworben, auch ihr

gegenüber die Verpflichtung übernommen habe, auf seinem Pachtlande nach Maßgabe der Statuten Zuckerrüben zu bauen und ihr zu liefern.

Die Beklagten bestreiten, daß die Verhandlungen ihre- Erblassers mit dem Eigentümer der Aktie zu einem solchen Abschlüsse geführt hätten.

U. a. berufen sie sich darauf, daß sie selbst in daS Aktienbuch der Klägerin nicht eingetragen seien und daß die Klägerin, wenn ihr

Erblasser eingetragen sei, die Eintragung eigenmächtig und gegen seinen Widerspruch vorgenommen habe. Die Beklagten wurden verurteilt, nach Maßgabe der Statuten Zuckerrüben zu bauen und der Klägerin zu liefern.

Zu dem er­

wähnten Einwand heißt eS in den

Gründen: ... „Daraus, daß die Beklagten nicht in das Aktienbuch der klagenden Gesellschaft eingetragen sind, sowie daraus, daß nach Be­ hauptung der Beklagten ihr Erblasser von der Klägerin gegen dessen ausgesprochenen Willen eingetragen ist, können Einwendungen gegen

den Klageanspruch nicht hergeleitet werden.

Die in dieser Beziehung

vorgebrachte Rüge verkennt die Bedeutung der § 223 Abs. 3 HGB. Die Eintragung inS Aktienbuch entbehrt jeder rechtsbegründenden Wirkung.

Wäre dem nicht so, wäre vielmehr anzunehmen, daß sich

der Eintritt des neuen Aktionärs in die Gesellschaft dieser gegenüber erst durch die Umschreibung vollendet, dann würde freilich im Falle

eines Verkaufs der Aktie die Gesellschaft bis zur Umschreibung Rechte

gegen den neuen Aktionär überhaupt nicht geltend machen können. Denn der Verkauf erfolgt unter Dritten und vermag als solcher obligatorische Beziehungen zwischen dem Käufer und der Gesellschaft nicht zu schaffen.

Diese könnte sich nur an den bisherigen Aktionär

halten, der allein in der Lage wäre, die Umschreibung zu betreiben. Aber so liegt eS rechtlich nicht.

Vielmehr vollzieht sich der Eintritt

de- neuen Aktionärs in den gesellschaftlichen Verband durch den Verkauf und die Übereignung deS Papiers. DaS gilt, gleichviel ob

die Aktie auf den Inhaber lautet, oder auf Namen. Richtig ist, daß sich, wenn die Umschreibung der Aktie auf An-

li*

trag des Käufers erfolgt, in diesen Vorgängen zwischen dem Käufer

und der Gesellschaft ein Rechtsgeschäft vollzieht, daS unter Umständen

unerläßliche Voraussetzung für Ansprüche der Gesellschaft sein mag. So lag eS in dem Falle der vom Beklagten angezogenen Entscheidung

deS Reichsgerichts Jur. Wochenschr. 1906 S. 433 Nr. 23, wo die Gesellschaft einen gegen den Zeichner der Aktie erwachsenen Anspruch auf Einzahlungen auf daS Grundkapital gegen den Rechtsnachfolger

geltend machte. Für diesen Anspruch kam eS darauf an, ob die erfolgt war und ob sie erfolgt war auf Antrag

Umschreibung

gerade der Käufers der Aktie.

Hier dagegen, wo eS sich einerseits

nicht um rückständige Leistungen auS der Zeit vor dem Erwerbe der Aktie handelt, anderseits der Abschluß deS hier in Frage kommenden NebenvertragS in anderen Vorgängen zu finden ist, kommt eS nur darauf

an,

welche Bedeutung der Umschreibung als solcher bei­

zulegen ist.

Vollendet fich der Eintritt in den gesellschaftlichen Verband durch den Erwerb der Aktie, ohne daß eS einer rechtsgeschäftlichen Be­ teiligung der Gesellschaft bedarf, so beschränkt sich einerseits die Be­

deutung deS § 223 Abs. 3 HGB. darauf, daß er in eigenartiger Weise über die Legitimation des Aktionärs bestimmt.

Nur der ein­

getragene Aktionär kann die Rechte auS der Aktie geltend machen und

nur er kann von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden.

(Vgl. K. Lehmann, DaS Recht der Aktiengesellschaften Bd. 2 S. 99, 107flg.).

Anderseits erwirbt die Gesellschaft ohne ihr Zutun gegen

ihren neuen Gesellschafter unmittelbar den Anspruch darauf, daß er die

zur Berichtigung

deS Aktienbuches

erforderlichen Erklärungen

abgibt.

ES kann daher nur in Frage kommen, ob die Klägerin vorliegendenfallS nicht

müssen.

hierauf

zunächst hätte ihren Anspruch richten

DaS ist indes abzulehnen.

Die aktienrechtliche Legitimation

hat Bedeutung für den geschäftlichen Verkehr.

Sieht sich aber die

Gesellschaft in der Lage, ihre Ansprüche gegen den Aktionär im Wege der Klage gellend zu machen, so muß ohnehin, wie über den Anspruch

selbst, so über die Passivlegitimation gerichtlich entschieden werden.

In letzterer Beziehung ein selbständiges vorbereitendes Verfahren oder auch nur eine Vorabentscheidung zu fordern wäre ein Formalismus,

wofür man vergeblich nach einer Rechtfertigung sucht."...

37. Wirkung des rechtskräftigen Urteils gegen den Rechtsnachfolger des vnterlegenev Beklagten bei entsprechender Anwendung der Vor­ schriften des bürgerlichen Recht- zngnnsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten. ZPO. § 325.

V. Zivilsenat. UrL v. 30. März 1912 i. S. T. (Bekl.) w. M.(Kl.). Rep. V. 460/11. I.

n.

Landgericht Gnesen.

Oberlandesgericht Posen.

Der Beklagte T. hatte sein Grundstück an die Witwe S. auf­ gelassen und übergeben und die Witwe S. war al- Eigentümerin eingetragen worden. T. behauptete, daß die Auflassung nur zum Schein erfolgt sei, und machte mittels einer am 18. Oktober 1907 beim Landgericht erhobenen Klage sein Eigentum geltend. Durch Urteil des Oberlandesgerichts wurde die Witwe S. verurteilt, das Grundstück an T. herauszugeben und darein zu willigen, daß dieser als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werde. In der Be­ gründung wurde auSgeführt, daß die auf die Scheinnatur der Ver­ äußerung an die Witwe S. gestützte Klage zur Zeit ihrer Erhebung nach den §§ 985, 894 BGB. begründet gewesen und daß sie nach § 265 ZPO. auch begründet geblieben sei, obgleich die Witwe S. auf Grund eines am 17. Oktober 1907 mit dem jetzigen Kläger M. geschlossenen notariellen Kaufvertrags das Grundstück nach Erhebung der Klage diesem übergeben und eS mittels Auflasiung vom 21. Oktober 1907 ihm übereignet habe. Nach Eintritt der Rechtskraft wurde dem T. auf Grund der §§ 325, 727 ZPO. gegen M. eine vollstreck­ bare Ausfertigung deS Urteils erteilt. M. bestritt, daß die Voraus­ setzungen für die Erteilung der Vollstreckungsklausel gegen ihn ge­ geben seien und wurde gegen T. mit dem Anträge klagbar, die Zwangsvollstreckung auf Grund der Vollstreckungsklausel für unzu­ lässig zu erklären. T. beantragte die Abweisung der Klage, indem er geltend machte, daß M. beim Erwerbe des Grundstücks sowohl sein, de- T., Eigentum gekannt, wie auch von Erhebung seiner Klage, gegen die Witwe S. Kenntnis gehabt habe, war M. in Abrede stellte. Das Landgericht erkannte nach dem Klagantrage, während

das Oberlandesgericht die Entscheidung von einem dem M. über

seine Kenntnis von der Rechtshängigkeit auferlegten richterlichen Eide abhängig machte. Auf die Revision des T. wurde das Berufungs­ urteil aufgehoben und die Sache in die Vorinstanz zurückverwiesen.

Gründe: „DaS Berufungsgericht geht, gleich dem Landgerichte, davon aus, daß der Kläger das Grundstück von der Witwe S. erst er­ worben habe, nachdem die gegen diese gerichtete Klage deS jetzigen

Beklagten auf Herausgabe und Auflassung des Grundstücks (richtiger:

auf Zustimmung zur Berichtigung deS Grundbuchs durch feine Wieder­ eintragung als Eigentümer) rechtshängig geworden fei.

Während

aber das Landgericht annimmt, das vom Beklagten gegen die Witwe S.

erstrittene rechtskräftige Urteil würde gegen den Kläger, als deren Rechtsnachfolger, nur dann wirken, wenn er beim Erwerbe das Eigentum des Beklagten gekannt hätte, soll es nach der Ansicht des Berufungsgerichts allein darauf ankommen, ob dem Kläger zur Zeit

seines Erwerbes die Rechtshängigkeit des vom Beklagten gegen die

Witwe S. erhobenen Herausgabe- und Berichtigungsanspruchs bekannt gewesen ist. DaS Berufungsgericht führt aus, daß sich nach der Regel deS § 325 Abs. 1 ZPO. die Wirkung des gegen die Witwe S.

ergangenen rechtskräftigen Urteils auch gegen den Kläger richte, daß aber nach § 825 Abs. 2 daselbst die Vorschrift deS § 892 BGB. zu seinen Gunsten entsprechende Anwendung finde, und daß, wie aus § 325 Abs. 3 Satz 1 ZPO. hervorgehe, die entsprechende Anwendung

des § 892 BGB. dahin führen müsse, an die Stelle der Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs die Kenntnis von der Rechtshängig­ keit des Herausgabe- und Berichtigungsanspruchs zu setzen. Dem rechtskräftigen Urteile sei also die Wirkung gegen den Kläger schon

dann und nur dann zu versagen, wenn er beim Erwerbe die Rechts­ hängigkeit nicht gekannt habe.

Die Ansicht des Berufungsgerichts,

daß die Erstreckung der Urteilswirkung gegen den Erwerber deS in Streit befangenen Grundstücks ausschließlich von seiner Kenntnis der Rechtshängigkeit zur Zeit des Erwerbes abhänge, kann jedoch ebenso­ wenig gebilligt werden, wie die des Landgerichts, daß allein die

Kenntnis von dem Nichteigentum des Veräußerers entscheide.

Viel­

mehr erfordert die richtige Auslegung des Gesetzes die Berücksichtigung

der einen Kenntnis ebensogut wie die der andern.

Daß bereits die Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 der Kenntnis des Erwerbers einer in Streit befangenen Sache von der

Rechtshängigkeit selbständige Bedeutung beigelegt hätte, erhellt nicht. Nach der Fassung des Gesetzes sollte die Bestimmung, daß die Ent­ scheidung in der Sache selbst auch gegen den Rechtsnachfolger wirk­ sam und vollstreckbar sei (§ 236 Abs. 3 ä. F.), insoweit nicht zur

Anwendung kommen, als ihr Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den Erwerb beweglicher Sachen, über den Erwerb auf Grund

des Grund- oder Hypothekenbuchs und über den Erwerb in gutem Glauben entgegenständen (§ 238 Satz 1 ä. F).

Der Schutz, den das

bürgerliche Recht dem bösgläubigen Erwerber wegen eines Mangels im

Rechte feines Vorgängers versagte, wurde ihm danach auf alle Fälle auch in Ansehung der Urteilswirkung verweigert. Den bösgläubigen

Erwerber hat aber die Novelle vom 17. Mai 1898 nicht besser gestellt. Wie die Begründung (S. 109) ergibt, sollte der jetzige § 325

Abs. 2: »Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden ent­ sprechende Anwendung"

dm bisherigen § 238 Satz 1 ersetzen und gleich diesem zum Aus­ drucke bringen, daß der gutgläubige Erwerber, der nach bürgerlichem Rechte gegen einen Mangel tot Rechte seines Vorgängers geschützt

sei, auch das Urteil nicht gegen sich gelten zu lassen brauche.

Aus

der Begründung allein würde nun allerdings nichts gefolgert werden dürfen, wenn § 325 Abs. 2 in Wirklichkeit zum Ausdruck brächte,

daß in Fällen von der Art des hier vorliegenden (vgl. § 892 BGB. — eines Eingehens auf die Fälle, in denen das bürgerliche Recht die Kenntnis und die auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis,

wie z. B. in § 932 BGB., einander gleichstellt, bedarf es nicht) nicht die Kenntnis des Rechtsnachfolgers von dem Mangel im Rechte

seines Vorgängers, sondern ausschließlich seine Kenntnis von der Rechtshängigkeit in Betracht käme.

keineswegs.

Das sagt jedoch § 325 Abs. 2

Der Zusammenhang zwischen ihm und dem folgenden

Absatz 3 Satz 1 läßt zwar mit ziemlicher Sicherheit erkennen, daß

das rechtskräftige Urteil schon dann gegen den Rechtsnachfolger der unterliegenden Partei wirksam sein soll, wenn er zur Zeit des Er­ werbes die Rechtshängigkeit kannte.

Damit ist indes die Kenntnis

von der Rechtshängigkeit nicht an die Stelle der Kenntnis vom Mangel im Rechte des Vorgängers, sondern neben diese Kenntnis

gesetzt worden.

hängigkeit

Denn wenn schon die Kenntnis von der Rechts­

daS Urteil gegen den Rechtsnachfolger wirksam machen

soll, so muß eS um so mehr im Falle seiner Kenntnis von dem Rechts-

mangel

gegen

Vorschriften

ihn wirken.

deS

Die „entsprechende"

Anwendung der

bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, welche

Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, besteht nicht darin, daß

in bezug auf die Urteilswirkung nur die Kenntnis von der Rechts­

hängigkeit (oder, wo das bürgerliche Recht die Kenntnis nnd die auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis einander gleichstellt, viel­

leicht auch eine solche Unkenntnis von der Rechtshängigkeit) maßgebend ist, sondern darin, daß in bezug auf die Urteilswirkung die Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Kenntnis vom Rechtsmangel gleich­

steht, daß also das Urteil gegen denjenigen Rechtsnachfolger der unterliegenden Partei wirkt, welcher zur Zeit seines Erwerbs weder den

Rechtsmangel, noch die Rechtshängigkeit kannte (oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte). Der Umstand, daß bei dieser Ausfassung die Bestimmung deS § 325 Abs. 3 Satz 1 vielleicht entbehrlich wäre

(vgl. dagegen Hellwig, Rechtskraft S. 196 bei und in Anm. 17), vermag einen Grund für die gegenteilige Meinung um so weniger ab­ zugeben, als diese Bestimmung einerseits zur Verdeutlichung deS § 325

Abs. 2 dient und anderseits dessen Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 herstellt. Nähme man mit dem Berufungsgericht an, die Kenntnis

des Rechtsnachfolgers der unterliegenden Partei von ihrem Nicht­ eigentum hätte lediglich materiell-rechtliche Wirkung, vereitelte also seinen Eigentumserwerb,

mache

aber nicht das Urteil gegen ihn

wirksam, so würde man zu dem unbefriedigenden Ergebnisse gelangen, daß der mit seiner Klage gegen den Veräußerer durchgedrungene

wahre Eigentümer gegen den bösgläubigen Erwerber, der die Rechts­ hängigkeit nicht kannte, von neuem klagen müßte.

DaS Berufungs­

gericht billigt dieses Ergebnis anscheinend deswegen, weil eS glaubt, daß sich bei Erstreckung der RechtSkrastSwirkung gegen den böSgläubigen Erwerber die Beweislast umkehre.

Dem ist jedoch nicht so.

Dem obsiegenden Kläger wird allerdings die Vollstreckungsklausel

gegen den Erwerber der in Streit befangenen Sache auf den bloßm Nachweis der Rechtsnachfolge hin erteilt (§ 727 ZPO.), und der

Erwerber wird dadurch genötigt, wenn er die Erteilung der BollstreckungSklausel für unzulässig hält, seinerseits gemäß § 768 ZPO. klagbar zu werden. In dem Rechtsstreit über die Zulässigkeit der Bollstreckungsklausel liegt aber alsdann der Beweis der Bösgläubigleit des Vollstreckungsschuldners» und zwar sowohl hinsichtlich der Kenntnis von dem Nichteigentum des Veräußerers, wie in betreff der Kenntnis von der Rechtshängigkeit, — die eine und die andere Kenntnis sind in § 325 Abf. 2 ZPO. einander gleichgestellt —, dem BollstreckungSgläubiger ob. DaS Berufungsgericht hat hiernach einerseits darin gefehlt, daß eS der unter Beweis gestellten Behauptung deS Beklagten, der Kläger habe das Nichteigentum der Witwe S. gekannt, keine Bedeutung beigelegt hat, und anderseits darin, daß eS vom Kläger den Beweis gefordert hat, er habe beim Erwerbe deS Grundstücks die Rechts­ hängigkeit nicht gekannt. Aus der unrichtigen Verteilung der Beweislast ist indes dem Beklagten ein Grund zur Beschwerde nicht erwachsen. Er hat zwar gerügt, daß daS Berufungsgericht unter­ lassen habe, ihn danach zu stagen, ob er den in einem Schriftsätze für die Kenntnis deS Klägers von der Rechtshängigkeit angekündigten Beweis antreten wolle. Die Rüge geht aber fehl, weil der Schriftsatz erst nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingereicht worden ist (§ 561 ZPO.) und weil der von ihm vorher angetretene Beweis erhoben war, zur Ausübung des Fragerecht- also kein Anlaß mehr vorlag. Seine weitere Rüge, daß da- Berufungs­ gericht die Aussage des von ihm benannten Zeugen N. unrichtig gewürdigt habe, ist, soweit die Kenntnis deS Kläger- von der Rechts­ hängigkeit in Frage kommt, nach § 561 ZPO. gleichfalls unbegründet. Trotzdem muß daS angefochtene Urteil seinem ganzen Umfange nach aufgehoben werden, weil der etwaige Beweis der Kenntnis deS Klägers von dem Nichteigentum der Witwe S. zur Abweisung der Klage führen müßte, auch wenn der Kläger die Rechtshängigkeit nicht ge­ kannt haben sollte."

38.

Könne« Zwischenrechte ans Raugänderungen, wodurch sie

1.

nicht betroffen werden, Nachteil oder Vorteil haben?

2.

Wie wirkt der gänzliche oder teilweise Wegfall eines durch

verschiedene Raugänderungen vorgetretenen Rechts gegenüber dem,

der diesem Recht zuerst, und gegenüber dem, der ihm später den

Bonang eingeräumt hat? BGB. § 880. V. Zivilsenat.

Urt. v. 30. März 1912 i. S. Fr. (Kl.) w. Fr. Bank

und R. (Bekl.).

Rep. V. 477/11.

I.

Landgericht III Berlin.

n.

Kamrnergericht daselbst.

Auf dem B.'schen Grundstück in Ch., das am 6. Mai 1909 dem

Beklagten R. zugeschlagen worden ist, hasteteten bei Einleitung der Zwangsversteigerung, am 17. Februar 1909, folgende hier in Betracht kommenden Hypotheken: Nr. 8. 23700 Jl mit 5 v. H. verzinsliches Kaufgeld, ursprünglich einem Maurermeister P. gehörig, und

a) in Höhe von 8000 Jl laut Eintragung vom 9. Oktober 1908 der Beklagten Fr.'er Bank mit Vorrecht vor dem Überrest,

b) in Höhe von 15700 M laut Urkunde vom 8. Februar 1909 dem Beklagten R. abgetreten. Nr. 9. 35000 Jl mit 5 v. H. Zinsen für Baumaterialien und Arbeiten einer Frau K., wovon

a)

10000 Jl einer Firma F. W. M. Söhne abgetreten waren und später durch weitere Übertragungen auf eine Frau H.

übergingen,

b) 15000 Jl mit gleichen Rechten später, am 10. Mai 1909,

dem Kläger abgetreten wurden, c) 10000 Jl mit Rang hinter a und b einem Kaufmann W. M. zustande». Nr. 10. 280000 Jl mit 6 v. H. verzinsliches Baugelddarlehn für die RH.-W. Bodenkreditbank in C.,

Nr. 11. 10000 Jl mit 5 v. H. verzinslich, für Baumaterialien und Arbeiten der Frau K., später einem Kaufmann M. C.

in Sch. abgetreten.

Die Hypothek Nr. 8 hatte laut Eintragung vom 9. September 1908 der Hypothek Nr. 9 von 35000 Jl, diese wiederum laut Ein­ tragung vom 26. September 1908 der Post Nr. 10 und laut Ein­ tragung vom 20. November 1908 der Post Nr. 11 den Vorrang eingeräumt.

Am 11. Februar 1909 bewilligten auch die Gläubiger

der Hypothek Nr. 8 den Borrang für die 280000 M der Nr. 10, war am 17. März 1909 im Grundbuch eingetragen wurde. Die Rh.-W. Bodenkreditbank beanspruchte jedoch nach einer Erklärung vom

14. Mai 1909 nur 18 026,85 M nebst Zinsen und Kosten, der Rest auf Antrag des Eigentümer- B. am

261973,15 Jl wurde

von

10. Juni 1909 gelöscht.

In dem Verteilungstermine vom 16. Juni 1909 sind angesetzt worden unter

Ziff. 13: aus der Post Nr. 10 insgesamt „

14:



n

15:

v

h

1b:



8a

n

n

n

ff

ff

n „

ff „

„11

n

8d ff 11 Zinsen

ff



tf





9a nur noch

„ 20/21: ,

tf

tf

tf

8b



. 18424,25 Jl

.

.

. 16 093,33 „

.

.

.

weitere .

„ 17: „ „ 18/19: „



.

.

8380,01 „ 125,- ,

. . 10097,22 „ . . 5 638,74 „ UNd 172,22 „ . . 8 528,94 „ und 187,50 „

zusammen 67 647,21 Jl

Mit dem Reste von 9b: 15145,83 — 8528,94 = 6616,89 Jl ist der Kläger ausgefallen. Er hat jedoch gegen die! vorgängige Berücksichtigung der Liquidate Nr. 14 und 15 Widerspruch eingelegt und, nachdem diese hinterlegt worden waren, gegen die Fr.'er Bank und

gegen R. rechtzeitig Klage erhoben.

Die Klage gegen die Bank ist

durch ein nicht weiter in Betracht kommende- Urteil erledigt. Gegenüber dem Beklagten R. hat sich der Kläger, abgesehen

von den Eintragungen im Grundbuch, auch auf eine Vereinbarung zwischen den ursprünglichen Gläubigern der Hypotheken Nr. 8 und 9,

P. und Frau K., berufen, von der der Beklagte beim Erwerbe seineHypothekenanteils Kenntnis gehabt haben soll.

Danach habe die

Hypothek der Frau K. (Nr. 9) unmittelbar hinter der aufzunehmmden Baugelderhypothek zu stehen kommen sollen.

Der Kläger, der seinen

Ausfall (durch Abzug der Hebung vom Kapital) auf 6471,44 Jl be­ rechnet, beantragt, den Beklagten zu verurteilen, daß er die Aus­ zahlung dieses Betrag- und der davon aufgelaufenen Hinterlegungs­

zinsen aus der Streitmasse zugunsten des Kläger- bewillige.

Das Landgericht hat nach diesem Antrag erkannt, das Kammer­ gericht aber hat die Klage durch Teilurteil in Höhe von 5987,88 Jl nebst Zinsen abgewiesen und den Kläger verurteilt, in die Aus­ zahlung diese- Betrag- samt Hinterlegung-zinsen an den Beklagten zu willigen.

Auf Revision de- Kläger- hat da- Reichsgericht die Berufung

de- Beklagten in Höhe von 5987,88 Jl nebst Hinterlegungszinsen zurückgewiesen. Gründe:

... „Das Landgericht hielt den TeilungSplan an sich für Es nahm an, bei Einleitung der Zwangsversteigerung sei

richtig.

die Reihenfolge der Hypotheken folgende gewesen:

Nr. 10 an Stelle von Nr. 9 in Höhe von 35000 Jl, Nr.

8 mit 23700 Jl,

Nr. 10 mit dem Reste von 245000 Jl,

Nr. 11 mit 10000 Jl, Nr.

9 mit 35000 Jl.

Dadurch, daß nachträglich auch Nr. 8 der Nr. 10 den Vorrang

eingeräumt habe, hätten nur die 245000 Jl der Nr. 10 mit den 23700 Jl der Nr. 8 den Rang getauscht, die Stellung der Nr. 9 aber sei unverändert geblieben, so daß sie hinter Nr. 8 und Nr. 11

anzusetzen gewesen sei. Daran habe auch der spätere Verzicht von Nr. 10 nicht- geändert. Erheblich aber sei die behauptete Verein­

barung, die ebenso wie die Kenntnis de- Beklagten erwiesen sei. Da- Kammergericht hat dieser Vereinbarung Bedeutung nur hinsichtlich de- noch zu weiterer Entscheidung zurückgestellten Be­

trag- von 483,56 Jl (Anteil von 805,93 Jl) beigemessen, in Höhe de- Reste- der eingeklagtm 6471,44 Jl, also in Höhe von 5987,88 Jl, aber die Klage unter allen Umständen für unbegründet erachtet. Der

TeilungSplan sei insofern unrichtig, al- nach dem Verzichte von Nr. 10 an erster Stelle (mit Vorrecht vor Nr. 8) der Rest von 35000 Jl für Nr. 9 anzusetzen gewesen sei. Aber sowohl hierbei, al- auch bei

Berücksichtigung der Vereinbarung, die der Kläger geltend gemacht

habe, sei in Betracht zu ziehen, daß Nr. 9, nicht auch Nr. 8, ihren Vorrang zugunsten von Nr. 11 aufgegeben habe.

fälle

Von dem Aus­

der Posten Nr. 9a b, im Gesamtbeträge von

11028,15 X

seien daher die 10222,22 X der Nr. 11 abzuziehen und es blieben

für Nr. 9a und b zusammen höchstens 805,93 X, für 9b 3/6 — 483,56 X. Diese Ausführungen greift die Revision mit Recht als unzu­ treffend an.

Sieht man zunächst ab von der behaupteten Verein­

barung und von der BorrangSeinräumung, die Nr. 8 nachträglich zu­ gunsten von Nr. 10 erklärt hat, so würde sich allerdings die Klage

als

unbegründet darstellen.

Der Teilnngsplan wäre dann zwar

insofern unrichtig, als Nr. 8 unmittelbar hinter dem von Nr. 10 in

Anspruch genommenen Restbeträge von 18 424.25 X angesetzt worden ist, da Zwischenrechte nach § 880 Abs. 5 BGB. durch Rangände­

rungen nicht berührt werden und davon weder Nachteil noch Vorteil haben dürfen. Der von Nr. 10 nicht in Anspruch genommene Be­ trag von 35000 X wäre daher zugunsten von Nr. 9 wieder frei geworden. Vgl. Planck, Anm. 4b Abs. 1 a. E. zu § 880 BGB.; Turnau-

Förster, Bd. 1 Anm. II 6 zu tz 880 S. 175; Jäckel, Anm. 9

zu § 45 ZwBG.

Aber da Nr. 9 auch der Nr. 11 den Vorrang eingeräumt hatte, so wären für Nr. 11 10 2 22,22 X und für Nr. 9 nur noch 6353,58 X nebst dem entsprechenden Zinsen- und Kostenbeträge anzusetzen ge­ wesen, Beträge, die hinter den tatsächlich zur Hebung gelangten Be­

trägen

von zusammen

14527,40 X erheblich zurückblieben.

Zu­

gunsten von Nr. 9 hätte sich infolgedeffen nichts geändert.

Legt man jedoch die Vereinbarung zugrunde, wonach Nr. 9

unter allen Umständen unmittelbar hinter Nr. 10 und vor Nr. 8 zu Hebung kommen sollte, so würden von den hinter 18424,25 X voll

anzusetzenden 35000 X nebst Zinsen und Kosten zwar wiederum 10000 X nebst Zinsen und Kosten der Nr. 11 anheimfallen, der

Rest von 25000 X nebst Zinsen und Kosten aber wäre den 25000 X der Nr. 9a und b zuzuteilen und nur die nachstehende Nr. 9c müßte hinter Nr. 8 zurücktreten.

Zu demselben Ergebnisse, gelangt man aber, wie die Revision

mit Recht hervorgehoben hat, auch dann, wenn man von der Ver-

einbamng zwar absieht, aber die nachträgliche BorrangSeinräumung von Nr. 8 zugunsten von Nr. 10 in Betracht zieht. Es ist rechtSirrtümlich und verstößt gegen § 880 Abs. 5 BGB., wenn die Border­ richter aus der früheren Vorrangseinräumung von Nr. 9, die Nr. 8 nichts angeht und ihr keinen Vorteil bringen darf, herleiten wollen, daß Nr. 8 nur noch dem Reste von 245000 M den Vorrang ein­ geräumt habe. In der Tat war den ganzen 280000 Jl der Vor­ rang gewährt und eS standen demnach der Nr. 8 35000 Jl plus 280000 Jl, nach dem teilweisen Verzicht von Nr. 10 noch 35000 Jl (mit Zinsen und Kosten) und 18 424,25 Jl vor (vgl. hierzu die zu demselben Ergebnisse gelangenden Ausführungen des III. Zivilsenats Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 64 S. 100 flg.). Auch in diesem Falle sind also von den 35000 Jl nebst Anhang zwar 10000 Jl n. A. für Nr. 11, der Rest von 25000 Jl n. A. ist aber für Nr. 9a und 9b anzusetzen. Da eS hiernach auf die Vereinbarung gar nicht ankommt und der den Gegenstand der angefochtenen Berufungsurteils bildende Teil­ betrag von 5987,88 Jl fraglos dem Kläger zukommt, so war das Berufungsurteil vom 24. Oktober 1911 aufzuheben und die Berufung deS Beklagten R. gegen das landgerichtliche Urteil in Höhe deS erwähnten Betrags und der Hinterlegungszinsen zurückzuweisen."...

39. 1. Ist der Anspruch der Aktiengesellschaft auS der AktienZeichnung oder Aktieuübervahme ein Anspruch aus zweiseitigem Vertrag im Sinue von § 17 KO.? 2. Kanu die Aktiengesellschaft, wenn der Aktionär in KonkurS gerat, die rückständige Einlage zur Konkursmasse anmelden, oder ist sie auf das KaduzieruugSverfahreu nach § 219 HGB. und auf Geltendmachuug eines etwaigen Ausfalls gegen die KonkurSmaffe beschränkt?

I. Zivilsenat. Urt. v. 3. April 1912 i. S. Konkursverwalter F. (Bell.) w. Konkursverwalter K. (Kl.). Rep. 1.178/11. L II.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Im Jahre 1906 beschloß die Generalversammlung der B.'er Aktiengesellschaft „Hilfsverein Deutscher Lehrer* (im folgenden Hilft»

verein genannt) die Erhöhung ihres Grundkapitals.

Nachdem die

neuen Aktien gezeichnet waren, wobei sich die Zentral-Militär- und

Darlehenskasse für Lehrer, Aktiengesellschaft in B. (hier als Zentral­ kasse bezeichnet), beteiligt hatte, wurde die durchgeführte Erhöhung in

daS Handelsregister eingetragen.

In der Folge wurde über das

Vermögen beider Gesellschaften das Konkursverfahren eröffnet.

Im

Konkurse der Zentralkasse meldete der klagende Konkursverwalter des Hilfsvereins die rückständige Zeichnungssumme an. Da die Forde­ rung bestritten wurde, erhob er Feststellungsklage.

Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt.

Die Revision des

Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden

Gründen: „Der Kläger fordert Erfüllung der durch die Zeichnung über­ nommenen Verpflichtung. Daß sich der Hilfsverein, dessen Grund­ kapital erhöht wurde, im Konkurse befindet, steht der Forderung nicht entgegen. Die versprochenen Einzahlungen müssen auch zur Konkursmasse der Aktiengesellschaft geleistet werden. Der Beklagte hat eingewendet, die Schulden der Gesellschaft könnten auch ohne die geforderten Das war an sich schlüssig; denn da die Gesellschaft durch den Konkurs aufgelöst wurde (§ 292 Nr. 3 HGB.),

Einlagen gedeckt werden.

mithin produktive Zwecke nicht weiter verfolgen konnte, brauchten die

Gesellschafter nur insoweit noch zu leisten, als eS durch den Zweck der Abwickelung der Gesellschaft geboten war. Die Einrede scheitert aber an der tatsächlichen Feststellung des Berufungsrichters» daß die

Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger viel mehr noch als die Klag­

summe erfordert.

Größere Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob für den er­ hobenen Anspruch auch der Konkurs der Aktionärin, der Zentralkasse, belanglos ist.

Der Beklagte bestreitet das mit dem Hinweise darauf,

daß er die Aktienurkunden verlangt und der Kläger deren Herausgabe verweigert hat.

Aus dieser Tatsache glaubt er verschiedene Ber-

teidigungSgründe herleiten zu können, die von der Revision sämtlich

auftecht erhalten werden. Vor allem ist dem Berufungsrichter darin beizupflichten: ein

Anspruch auf Aushändigung der Aktienurkunden steht dem Aktionär,

bevor er die Aktien voll eingezahlt hat, überhaupt nicht zu.

Ver­

geblich beruft sich die Revision auf § 179 Abf. 4 HGB.. wonach Namen-aktien, sofern nur die gezahlten Teilbeträge in den Urkunden

zum Ausdrucke gelangen, vor der vollen Leistung der Einzahlungen auSgegebm

werden dürfen.

Diese Vorschrift, die gegenüber dem

Art. 215c Abf. 3 der Novelle vom 18. Juli 1884 eine Neuerung

bedeutete, gibt nur den Aktiengesellschaften, nicht aber den Aktionären

Sie will den Bedürfnissen derjenigen Gesellschaften ent­

ein Recht.

gegenkommen, welche, wie die Versicherung-vereine, ihr in Namen-aktien zerlegte- Grundkapital zum größten Teil al- Garantiefonds behandeln, an dessen Einforderung regelmäßig nicht gedacht wird. Solche Gesellschaften sollten der Notwendigkeit überhoben »erben, sich

mit der Ausgabe von Interim-scheinen zu begnügen (vgl. die Denkschrift

zum HGB. S. 119flg).

Ob von der hierin liegenden Vergünstigung

Gebrauch gemacht wird, ist Sache der Generalversammlung. Hat die Versammlung, wie hier, einen dahingehenden Beschluß nicht gefaßt, so kann der einzelne Aktionär daran nicht- ändern.

ES kann mithin

auch nicht verlangt werden, daß die Aktie gegen Zahlung der bloßen

Konkursdividende auSgehändigt wird.

In gleichem Sinne hat der

erkennende Senat schon 1880 entschieden, al- da- ADHGB. Art. 222

Nr. 1 und die Novelle vom 11. Juni 1870 über die Notwendigkeit der Bolleinzahlung von Aktien vor der Au-gabe mit Bezug auf

NamenSaktien noch nichts bestimmten (Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 2 S. 264).,

Der hilfsweise vorgebrachte Angriff der Revision — Verletzung deS § 273 Abf. 1 BGB. — geht hiernach schon deshalb fehl, weil

eS bei der Weigerung des Beklagten, die Aktien voll einzuzahlen, an der Voraussetzung deS § 273, einem fälligen Ansprüche deS Schuldners,

gebricht.

der

ES braucht daher nicht untersucht zu werden, ob gegenüber

Klage

auf

Feststellung

einer

KorkurSforderung

ein Zurück­

behaltungsrecht vom Konkursverwalter geltend gemacht werden könnte.

Nicht erledigt ist aber durch daS Gesagte der Angriff, der in erster Linie erhoben ist, daß ein zweiseitiger Vertrag vorliege, kraft dessen

§ 17 KO. Platz greifen müsse.

Die Aktienzeichnung, behauptet die

Revision, sei ein Versprechen gegen Gegenleistung; der Zeichner über­

nehme die Einlageverpflichtung gegen die Zusage der Gewährung von Aktionärrechten.

Seien zur Zeit der Konkurseröffnung über

dar Vermögen des Aktionärs weder die Aktien geliefert noch die Einlagen gezahlt, so hänge die Erfüllung des Vertrag- vom Willen

des Konkursverwalters ab.

Lehne er, wie hier, die Vollzahlung

ab, so sei die Aktiengesellschaft darauf angewiesen, nach § 26 KO.

Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. In der Tat hatte der Senat in der angezogenen Entscheidung

Bd. 2, indem er sich damals noch dem ROHG. Bd. 19 S. 233, Bd. 25 S. 292 anschloß, die Aktienzeichnung für einen gegenseitigen Vertrag erklärt. Aber diese Anschauung wird von der reichsgerichtlichen Rechtsprechung, auch der de- I. Zivilsenats, schon längst nicht mehr geteilt. In einer Reihe von Urteilen ist dargelegt, daß die Aktien­ rechte mit der Aktiengesellschaft selber, mit ihrer Eintragung ins Handelsregister — oder im Falle der Kapitalerhöhung mit der Ein­ tragung der erfolgten Erhöhung — entstehen, vgl. z. B. Entsch. der RG.'s in Zivils. Bd. 31 S. 21, Bd. 34 S. 115, Bd. 41 S. 13, Bd. 52 S. 423, Bd. 55 S. 67. In dem Augenblicke, wo die Gesellschaft oder die Kapitalerhöhung

ins Leben tritt, ist die Verpflichtung zur Gewährung der Aktienrechte

kraft Gesetzes erfüllt.

Die Aktienurkunden, auf die allerdings die

Aktionäre ein Recht haben, dienen nur zur Legitimation.

Sieht man von der Vollzahlung als Bedingung diese- Rechts auf die Urkunde ab, so wird im übrigen seine Grundlage nicht durch die Aktienzeichnung

oder Aktienübernahme, sondern durch die Aktionäreigenschaft gebildet.

Das durch das Rechtsgeschäft hervorgerufene Rechtsverhältnis ist in Wahrheit der Grund; man fordert die Aktie, weil man Aktionär ist,

nicht weil man das Versprechen erhalten hat, Aktionär werden zu

dürfen.

Die Meinung, daß hiernach § 17 KO. ausscheiden muß,

wird auch von den meisten Schriftstellern vertreten.

Wenn in neuester

Zeit Brand, Komm, zum HGB. § 216 Anm. 5, zur Rechtfertigung

der Gegenansicht bemerkt, daß doch die Aktiengesellschaft auch nach

Berschaffung des Mitgliedsrechts verpflichtet bleibe, dem Aktionär

die jedesmalige Dividende zu gewähren und ihn zum Mitstimmen in den Generalversammlungen zuzulassen, so schlägt dies nicht durch. Was hier entgegengehalten wird, sind Einzelrechte, die in dem Aktionär­ recht als Ganzem enthalten sind.

Ihre tatsächliche Verwirklichung

kann, wie an anderen Umständen, so auch am Widerstande der Organe

der Aktiengesellschaft scheitern. Evtsch. in Zivils. N. F. 29 (79).

Rechtlich bedarf es aber keiner Ge12

Währung von feiten der Aktiengesellschaft, um diese Rechte zur Ent­

stehung gelangen zu lassen. Zu prüfen bleibt hiernach nur noch der letzte Einwand, daß

der Kläger nach § 219 HGB. habe verfahren müssen.

In dieser

Beziehung steht der Revision die Autorität JaegerS, Komm, zur

KO. § 17 Anm. 5, zur Seite, der die vorgängige Kaduzierung vor Anmeldung einer Forderung im Konkurse des Aktionärs für unum­ gänglich notwendig ansieht.

gründung.

Indes fehlt es hierfür an der Be­

Daraus, daß die Aktiengesellschaft weder berechtigt noch

verpflichtet ist, die Aktie gegen die Konkursdividende auSzuhändigen, folgt der Satz JaegerS nicht. Ist der Anspruch auf die Einlage eine

Forderung aus einseitigem Rechtsverhältnis, so kann er auch im

Konkurse deS Aktionärs geltend gemacht werden. Ob die Aktien­ gesellschaft den säumigen Aktionär seines Anteilsrechts für verlustig

erklären will, um die Aktie anderweit zu verwerten, oder ob sie eS ihm beläßt und die gewöhnlichen Schritte zur Beitreibung ihrer Forderung ergreift, ist im allgemeinen ihrem Beliebe» anheimgestellt. Hätte beim Konkurse deS Aktionärs etwas anderes gelten sollen, so hätte dieS bestimmt werden müssen.

Kann eS doch auch für die Konkursmasse deS Aktionärs unter Umständen, z. B. wenn die Aktien

über dem Ausgabekurse stehen, von Bedeutung werden, wenn sie sich

durch freiwillige Vollzahlung (vgl. § 6 KO.) das Aktienrecht erhalten kann. Freilich wird die Wahl der Aktiengesellschaft, wenn der Aktionär

in Konkurs ist, in der Regel zugunsten der Kaduzierung getroffen werden.

Daß aber auch die Gesellschaftsinteressen eine Anmeldung

der Einlageforderung ratsam erscheinen lassen können, zeigt gerade der vorliegende Fall.

Sind die Aktien wertlos, so wird der Gesell­

schaft daran gelegen sein, die mit der Kaduzierung verbundenen Weitläufigkeiten und Kosten zu vermeiden."...

40. L Haftet der Reichsfiskus für die Folge« eine- von dem Kommandauteu eines Kriegsschiffs schuldhaft herbeigeführten Zusammen­ stoßes mit einem Kauffahrteischiff auch dann, wenn sich der Komman­ dant in der Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt befand?

2.

Wie gestaltet fich die Beschränkung der Haftung des Fiskus? EinfGes. zum HGB. Art. 7. EinfGes. zum BGB. Art. 77.

I. Zivilsenat,

I. II.

litt. v. 3. April 1912 L S. Reichsfiskus (Bell.) w. H. (Kl.). Rep. I. 184/11. Landgericht Kiel. Oberlandesgericht daselbst.

Am 10. Juli 1908 fand vor der Kieler Föhrde ein Zusammen­ stoß zwischen dem Motorschoner deS Klägers „San Antonio" und S. M. Schiff „Lübeck" statt. Das Kriegsschiff befand sich auf einer ÜbungSfahrt. Unstreitig war beim Zusammenstöße der Motorschoner unter Segel und hielt Kurs. Der Beklagte hat dem Kläger auf beit ihm erwachsenen Schaden einen größeren Betrag entrichtet, die weitergehenden Ansprüche aber abgelehnt. Der Kläger stützte seinen Anspruch auf Verschulden deS Kommandanten der „Lübeck" und be­ hauptete ferner, daß der Staatssekretär des Reichsmarineamtes den Anspruch anerkannt habe. Das Landgericht stellte fest, daß die Schuld an dem Zusammenstöße die Führung der „Lübeck" treffe, und erklärte durch Zwischenurteil den Anspruch deS Klägers dem Grunde nach für berechtigt. Der Berufungsrichter hob das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Dem angeblichen Anerkenntnisse deS Beklagten sprach er Bedeutung ab, weil der Beklagte, wenn er nicht ohnehin schulden sollte, anfechten könnte. Er trat dem Borderrichter darin bei, daß der FiskuS für den durch Verschulden der Schiffsleitung der „Lübeck" verursachten Kollisionsschaden aufzukommen habe, hob aber daS Urteil der ersten Instanz auf, weil nicht feststehe, daß der dem Kläger erwachsene Schade mit dem bereits Gezahlten nicht voll vergütet sei und somit die Voraussetzung eines Zwischenurteils nach § 304 ZPO. nicht vorliege. Die Revision deS Beklagten wurde zurückgewiesen. Gründe: (ES wird zunächst auSgeführt, daß ein die Rechtsfrage er­ ledigendes Anerkenntnis des Beklagten nicht vorliegt. Dann wird fortgefahren):

„Er ist daher auf die Rechtsfrage einzugehen, ob und inwiefern

der

Fiskus

für Kollisionsschäden hastet,

welche

schuldhafterweise

durch ein Kriegsschiff herbeigesührt worden sind. Der erkennende Senat hat in der Sache Rep. I. 49/09, Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 72 S. 347 für das bis zum 1. Oktober 1909 in Geltung ge­

wesene Recht die Frage — soweit preußisches Recht zur Anwendung zu kommen habe — für den Fall verneint, daß es sich bei dem

Kriegsschiff «m eine in Ausübung staatlicher Hoheitsrechte unter­ Bei nochmaliger Prüfung der Frage ist der Senat indes nicht in der Lage, an dieser Auffassung festzuhalten.

nommene Fahrt handelt.

ES handelt sich um das Verständnis deS Art. 7 EinfGes. zum HGB., wonach Vorschriften des Handelsgesetzbuches, insbesondere auch die §§ 734 flg., über die Haftung im Falle des Zusammenstoßes von

Schiffen, auch Anwendung finden sollen, wenn die Verwendung eines

Schiffes zur Seefahrt nicht des Erwerbe- wegen erfolgt. ES stagt sich, ob damit eine positive Bestimmung des Inhalts hat getroffen werden sollen, daß der FiSkuS für Kollisionsschäden privatrechtlich

aufzukommen hat, die durch staatliche Fahrzeuge in Betätigung öffent­ licher Gewalt verursacht werden, ob insbesondere — worauf eS im vorliegenden Fall ankommt — damit gesagt ist, daß in Ansehung

deS ReichSfiSkuS und für die bezeichnete Materie der allgemeine Satz deS preußischen StaatSrechtS beseitigt sein soll, wonach der Staat

wegen Handlungen seiner Beamten, die in Ausübung der ihnen an­ vertrauten öffentlichen Gewalt vorgenommen sind, nicht ans Ent­

schädigung in Anspruch genommen werden kann. In Betracht kommt hierfür zunächst Art. 77 EinfGes. zum BGB.,

wonach die Regelung der Haftung deS Staates für Pflichtverfäumnisie der Beamten bei Ausübung der öffentlichen Gewalt wegen ihreS

ZufammenhangS mit dem öffentlichen Rechte von der reichsrechtlichen Kodifikation

deS

bürgerlichen

Rechts ausgeschlossen bleiben

sollte.

ES hat indes Art. 7 EinfGes. zum HGB. nicht bloß seinem Wort­ laute nach auch für Kriegsschiffe Geltung, sondern eS war besonderer

Anlaß vorhanden, die Vorschriften der §§ 734 bis 739 HGB. auch

auf die von Kriegsschiffen verschuldeten Fälle eines Zusammenstoßes zu erstrecken.

Um die Gefahren der Seefahrt tunlichst zu verringern,

sind in der Seestraßenordnung Vorschriften gegeben, die für alle

Fahrzeuge auf See Geltung haben.

Dagegen galten die Vorschriften

deS Handelsgesetzbuchs über die Haftung im Falle des Zusammen-

stoße- von Schiffen nur für solche Schiffe, die des Erwerbes wegen

zur Seefahrt verwendet wurden.

Diese Beschränkung führte, wie in

der Denkschrift zum Entwürfe des Handelsgesetzbuches hervorgehoben

wird, zu unbefriedigenden Ergebnissen, und gerade deshalb, also um

jene Beschränkung zu beseitigen, ist die entsprechende Bestimmung im Art. 7 EinfGes. zum HGB. erlassen worden.

dahin

beziehe,

eingeschränkt

so

würde

werden, ihr

daß

praktische

sie

sich

Müßte sie gleichwohl

auf Kriegsschiffe nicht

Bedeutung

und

damit

geberischer Wert so gut wie gänzlich genommen werden.

gesetz-

Denn eS

würde die rechtliche Gleichstellung der auf denselben Wasserstraßen

unter den gleichen internationalen Regeln verkehrenden Schiffe gerade da versagt sein, wo vor allem die Unterscheidung

empfunden wurde.

als ungerecht Die Bestimmung im Art. 77 EinfGes. zum BGB.

fordert solches nicht und kommt gegenüber der durch Art. 7 EinfGes. zum HGB. getroffenen reichsgesetzlichen Regelung überhaupt nicht m Betracht. WaS dessen Tragweite anlangt, so ist übrigen- zu be­ achten, daß Fälle vorkommen können, wo die sonst gegenüber anderen

Schiffen gebotenen Regeln der Vorsicht von einem Kriegsschiff nicht befolgt werden dürfen, weil andere und höhere Rücksichten deS Staats­ oder Völkerrechts in Frage stehen.

Alsdann würde der Zusammen­

stoß nicht verschuldet sein und nur für den Ersatz deS Schadens aus

einem durch Verschulden einer Person der Besatzung hervorgegangenen Zusammenstöße sind die §§ 734flg. HGB. gegeben, also für Fälle, in denen eine Kollision Folge davon war, daß die Vorschriften der

Seestraßenordnung oder der guten Seemannschast, obwohl sie hätten

befolgt werden müssen, schuldhafterweise nicht befolgt worden sind. Ebensowenig ist eine Einschränkung des Art. 7 EinfGes. zum HGB. deshalb geboten, weil das zu unhaltbaren Ergebnissen führen

würde.

Richtig ist eS, daß sich für die Anwendung auf Fälle der

vorliegenden Art

aus

seiner Fassung Schwierigkeiten ergeben,

da

von einem Schiffsgläubigerrechte und einer Haftung nach Maßgabe des § 486 Abs. 1 Nr. 8 HGB, folgeweise also von einer wörtlichen

Anwendung deS § 734 HGB, in Ansehung von Kriegsschiffen nicht die Rede sein kann.

Hieraus ergibt sich indes nur die Notwendigkeit,

die Vorschrift deS § 734 entsprechend anzuwenden.

Und auS der

Unmöglichkeit, ein Kriegsschiff zur Zwangsversteigerung zu bringen,

folgt, daß der Fiskus persönlich haften muß, während aus der Be­ stimmung, daß der Reeder im Falle des § 734 nur mit dem See­

vermögen haftet, t>ie Folgerung geboten ist, daß der Fiskus für eine

von einem Kriegsschiffe verschuldete Kollision nur bis zum Belaufe desjenigen Wertes zu haften hat, welchen das Kriegsschiff zu der Zeit

unmittelbar nach dem Zusammenstöße besaß.

hat im vorliegenden Falle keine Bedeutung.

Diese Beschränkung Denn der Vertreter

des Reichs hat sich dem Kläger gegenüber bereit erklärt, ihn zu be­ friedigen, soweit seine Ansprüche dem Grunde und dem Umfange

nach gerechtfertigt seien.

Versteht man unter „Umfang" füglich den

Umfang des dem Kläger nachweisbar erwachsenen Schaden-, so liegt in dem Schreiben ein Verzicht auf die Geltendmachung der seerecht­ lichen Haftungsbeschränkung."

41.

Haftung des Erwerbers eine- Geschäftsanteils der Gesellschaft

mit beschränkter Haftung für rückständige Stammeinlagen.

Einrede«

au- dem Rechtsgeschäfte, das dem Erwerbe des Geschäftsanteils zu­ grunde liegt. Gesetz, betr. die Gesellschaften m. b.H., vom 20. Mai 1898 § 16 Abs. 3.

III. Zivils enat. Urt. v. 20. Februar 1912 i.S. B. (Kl. u. Widerbell.) w. den Verwalter im Konkurse der Firma W., Gesellsch. m. b. H. (Bekl. u. Wider«.). I. II.

Rep. III. 179/11.

Landgericht Halle a. S. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Aus den Gründen: ... „ Der Kläger war von der Gesellschaft m. b. H. W. als Oberingenieur bis zum 31. Juli 1909 angestellt mit einem in monat­

lichen Raten von 500 Jl zahlbaren Gehalt von jährlich 6000 JL

Er hat bis zum 7. Juni 1909 Dienste geleistet und fordert nunmehr

teils als Masseschuld, teils mit Vorrecht GehaltSrestbeträge.

Diese

Klageforderung ist so, wie sie im zweitinstanzlichen Anträge beschränk wurde, vom Beklagten nicht mehr bestritten. Gegenforderung des Beklagten.

In Streit ist nur die

W. hat nämlich durch notariellen

Vertrag vom 20. Juni 1908 von den Gesellschaftsanteilen 21000 Jt

an den Kläger abgetreten.

Dadurch, meint der Beklagte, sei die

41.

Gesellsch. m. b. H.

Erwerb etneS Geschäftsanteils.

Einreden.

183

Haftung deS Klägers für die rückständigen 65% von 21000 JC, also für 13650 JH begründet. Diese Gegenforderung macht der Beklagte in Höhe der Klageforderung durch Aufrechnung oder durch Zurückbehaltung, zum Restbeträge durch Widerklage geltend. DaS Landgericht hat die Gegenforderung abgewiesen, weil die Abtretung der 21000 M an den Kläger nur eine Verpfändung für dessen zukünftige GehaltSansprüche gewesen sei, und zweitens, weil auch bei Annahme einer Sicherheitsabtretung diese Abtretung durch eine» notariellen Vertrag vom 10. Oktober 1908 wieder aufgehoben worden sei. Der Berufungsrichter dagegen ist nach dem Zusammenhänge deS privatschriftlichen Vertrag- vom 19. Juni 1908, der notariellen Abtretung vom 20. Juni 1908 und des notariellen Vertrags vom 31. August 1908 überzeugt, daß eine Sicherheitsabtretung, keine Ver­ pfändung, beabsichtigt gewesen sei. Er hält weiter dafür, daß die Wiederaufhebung der Abtretung durch Vertrag vom 10. Oktober den Kläger von seiner durch § 16 Abs. 3 GmbHGes. begründeten Einzahlungspflicht nicht zu befreien vermöge. So kommt er unter Abzug der Klageforderung von der Gegenforderung zur Verurteilung deS Klägers als Widerbeklagten in Höhe von 10833 Jl. Diese Entscheidung wird von der Revision mit Recht angegriffen; sie ist unhaltbar, sie beruht auf unrichtiger Anwendung deS § 16 Abs. 3 deS Gesetzes. Die Revision hat ausgeführt, eS liege hier ein Zwischending zwischen Verpfändung und endgültiger Abtretung vor. Die Sicherheits­ abtretung unterscheide sich von endgültiger Übereignung nicht nur im

Motiv. Hier seien die Abtretungsparteien von vornherein darüber einig gewesen, daß die Übereignung, sei eS dinglich, sei eS obligato­ risch, hinfallen sollte. Demgegenüber erachtet der Prozeßbevoll­ mächtigte deS Beklagten die vom Berufungsrichter getroffene Fest­ stellung, daß eine Abtretung» nicht eine Verpfändung sowohl erklärt, als auch wirklich gewollt war, für genügend und die Gegenforderung ohne weiteres begründend. Denn eS handle sich um ein höheres Prinzip, und zwar um die Sicherheit des Verkehr- und um das Interesse der Gläubigerschaft. Diese Anschauung verkennt den durchgreifenden Unterschied zwischen der Stammeinlageverpflichtung der Gesellschaftsgründer, §§ 3, 12 deS Gesetzes, und der Haftung des späteren Erwerbers

eines Stammanteils für die auf diesen Anteil rückständigen Leistungen,

§ 16 Abs. 3 deS Gesetzes.

Die Verpflichtung

der

Gesellschafts­

gründer entsteht durch eine abstrakte Beteiligungserklärung, deren

ausschließliche Maßgeblichkeit und objektive Endgültigkeit, als einer zur öffentlichen Kenntnis bestimmten Kundgebung, durch das öffent­

liche Interesse geboten wird (vgl. für daS Aktienrecht Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 9 S. 39).

Die Haftung des späteren Erwerber-

aber tritt zu der durch den Gründungsakt für die Aufbringung deS

Stammkapitals geschaffenen Sicherheit hinzu, weil der ursprüngliche Gesellschafter sich durch eine Veräußerung seines Geschäftsanteils von

seiner Einlagepflicht nicht befreien kann. Die Befreiung des späteren Erwerbers von seiner Haftung erschüttert also nicht die ursprüngliche Grundlage der Gesellschaft, sie verursacht nicht eine Abschwächung der der Gesellschaft bei ihrer Entstehung unabänderlich mitgegebenen

Sicherheit für die Aufbringung deS Stammkapitals. Bereits das Urteil deS I. Zivilsenats des Reichsgericht- vom 7. Juli 1897, aus­ zugsweise veröffentlicht in D. JurZ. 1897 S. 385, hat die Ver­ schiedenheit der Rechtslagen klargelegt und daraus den Schluß ge­ zogen: „es erscheint nicht gerechtfertigt, dem Erwerber eines Geschäfts­

anteils gegenüber der Einzahlungsklage Einreden zu versagen» die nicht durch die ausdrücklichen Vorschriften deS Gesetzes, § 19, aus­ geschlossen sind, insbesondere also auch Einreden, die auS dem Rechts­

geschäfte hergeleitet sind, daS dem Erwerbe zugrunde lag".

Diesem

Urteil und seiner Begründung ist der II. Zivilsenat Entsch. des

RG.'S, in Zivils. Bd. 68 S. 312, Bd. 76 S. 313 beigetreten, und

auch der jetzt erkennende Senat erachtet Begründung und Ergebnis für durchaus zutreffend. In den bezeichneten drei Urteilen hatte es

sich

um

Anfechtung

deS

Erwerbs

eine-

Geschäftsanteils

Irrtums und wegen arglistiger Täuschung gehandelt.

wegen

Wenn aber

für WillenSmängel auf daS kausale, dem Erwerbe zugrunde liegende Rechtsgeschäft zurückgegangen werden darf und muß, so ergibt sich

folgerichtig daS Zurückgreifen auf das Kausalgeschäft in seiner Ge­ samtheit als zulässig und notwendig, falls und soweit nach allgemeinen Grundsätzen (Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 57 S. 95, Bd. 69

S. 16, Bd. 70 S. 89) Zusammenhang und Einheitlichkeit von Kausal­

geschäft und dinglicher Verfügung (Abtretung) anzunehmen sind. ES kommt dann auf die RechtSgültigkeit und auf den gesamten Inhalt

des Kausalgeschäfts an.

Darum hat schon daS Urteil Entsch. deS

RG.'s in Zivils. Bd. 76 S. 311 den Erwerb eines Geschäftsanteils einer Gesellschaft m. b. H. für nichtig erklärt, weil die davon untrenn-

bare (§ 139 BGB.) kausale Rückkaufsnebenabrede wegen mangelnder Form ungültig war.

Und darum eben spricht daS oben angezogene

Urteil vom 7. Juli 1897 ganz allgemein aus, daß dem Erwerber

eines Geschäftsanteils gegenüber der Einzahlungsklage die aus dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte hergeleiteten Einreden zustehen.

Es reicht also nicht aus, daß der Berufungsrichter die drei Ver­

träge vom 19. Juni, 20. Juni und 31. August 1908 in ihrem Zu­

sammenhänge nur prüft, um zu entscheiden, ob Sicherheitsabtretung oder Verpfändung vorliegt. Es war vielmehr weiter zu prüfen, in welcher Form und mit welchem juristischen Gehalt eine Sicherheits­

abtretung gewollt war. Zunächst nämlich ist unzweifelhaft die Ab­ tretung vom 20. Juni von W., dem damals einzigen Gesellschafter

(vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 68 S. 174), und von allen Beteiligten gewollt lediglich als Vollzug und Verwirklichung der

kausalen Abmachung vom 19. Juni, die nach dem vom Berufungs­ richter für glaubhaft erachteten Zeugnis des D. mit Wissen und Einverständnis des W. getroffen war, und der kausalen Abrede vom 31. August, die nach eben diesem Zeugnisse die wirkliche Willens­ meinung aller Beteiligten ausdrückte.

Und der gegen § 15 Abs. 4

des Gesetze- verstoßende Formmangel der prioatschriftlichen Abmachung

vom 19. Juni ist geheilt durch die formrichtige dingliche Verfügung vom 20. Juni (Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 65 S. 39 und

Urteil vom 1. Juli 1909, Rep. VI. 143/09).

Die Einheitlichkeit

und Untrennbarkeit des kausalen und des dinglichen Geschäfts find

also gegeben.

Auch der Berufungsrichter geht davon aus, daß nach

Inhalt und Veranlassung der Verträge sicherlich D. und K. an Stelle W.'s dauernd Gesellschafter werden sollten, daß dagegen der

Kläger nur bis zur Beendigung seines Anstellungsvertrags für seine Gehaltsforderungen sichergestellt werden sollte.

Aus dem kausalen

Geschäft können sich aber verschiedene Formen der Sicherheitsabtretung ergeben, die einen verschiedenen rechtlichen Gehalt haben, und für die streitige Einzahlungspflicht des Klägers zu verschiedenen Ergeb­

nissen führen könnten.

Die Sicherheitsabtretung kann gewollt sein

als eine aufschiebend bedingte oder als eine auflösend bedingte oder

als eine unbedingte mit nur obligatorischer Rückgabeverpflichtung

(vgl. Entsch. deS RG.'s in Zivils. Bd. 59 S. 191). Die Prüfung der zwei kausalen Abreden vom 19. Juni und 81. August ergibt nun unzweifelhaft als den wirklichen, trotz des ungeschickten Wortlaut­ deutlich erkennbaren Willen der Beteiligten, daß die Abtretung an den Kläger nur eine aufschiebend bedingte sein sollte."...

(Dies wird näher auSgeführt und dann fortgefahren:) „Diese- fein bedingtes Recht, das ihm lediglich zur Sicherung

seiner zukünftigen Gehaltsansprüche auS dem Dienstvertrag eingeräumt war, konnte der Kläger, wie auf der Hand liegt, jederzeit aufgeben. DaS hat er in dem notariellen Vertrage vom 10. Oktober 1908 un­

Er war damals noch nicht Gesellschafter, er hatte nur kraft der aufschiebend bedingten Abtretung die Anwartschaft, eS zweideutig getan.

zu werden; auf diese Anwartschaft verzichtete er, und dieser Verzicht war selbstverständlich keine Rechtshandlung der in § 19 des Gesetzes bezeichneten Art. Daraus ergibt sich, daß die Gegenforderung des

Beklagten unbegründet ist; der Kläger ist Erwerber im Sinne des § 16 Abs. 8 des Gesetzes nicht geworden."...

Erstreckt fich der Patentschutz

42.

auch

auf

solche

Äquivalente,

welche zur Zeit der Patentanmeldung bereit- in öffentlichen Druck­

schriften beschrieben oder im Julande offenkundig benutzt waren und welche

bei

verständiger

Beurteilung

al-

vom Schutzbereich aus­

geschloffen angesehen werden konnten? Patentgesetz § 4.

I. Zivilsenat. Urt v. 2. März 1912 L S. 91. S. (Kl.) w. CH. F. H., G. m. b. H. (Bekl.). I. n.

Der

Rep. I. 490/10.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Kläger

ist

Patentanspruch lautet:

Inhaber

deS

Patents

Nr. 118992.

„Verfahren zur Herstellung

eines

Der Staub-

absorbierungsmittels, dadurch gekennzeichnet, daß man Bulkanöl in

einem Gefäß stetig «mrührt und während des Umrührens Roman­ oder Portlandzement nach und nach hinzufügt, bis sich eine gleichmäßige, sandartige, fettige Masse bildet, der dann vorteilhaft etwas

Mirbanöl hinzugesetzt wird."

Die Beklagte bringt unter der Be-

zevchnung „Helikal- Kehrpulver" ein Staubabsorbierungsmittel in den

Verkehr, dar aus Mineral, Sandöl und Holzmehl besteht. Der Kläger war der Ansicht, daß dadurch in seine Schutzrechte eingegriffen werde. Den Hauptklagantrag richtete er darauf, der Beklagten zu unter­

sagen, das bezeichnete Gemenge gewerbsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten und zu gebrauchen.

Die erste Instanz er­

kannte gemäß diesem Anträge, wogegen die zweite Instanz die Klage

Die Revision wurde zurückgewiesen.

abwies.

AuS den Gründen:

... „DaS Kammergericht hat dem Urteil aber noch eine zweite Unterlage

gegeben.

ES

stellt auf Grund eingehender EinzelauS-

führungen fest, der dem Kläger zustehende Patentschutz sei streng auf die Verwendung der im Patentansprüche genannten Stoffe zu be­ schränken, jedenfalls liege die Verwendung von £)I in Verbindung mit Sand oder Sägemehl, anstatt mit Zement, außerhalb der Schutz­ bereichs des Patents. Diese zweite Urteilsgrundlage ist durch die

Angriffe der Revisiou nicht erschüttert worden, vielmehr ist dm Aus­ führungen der Kammergerichts im Ergebnisse zuzustimmen.

'

In dem Ansprüche des PatmtS 118992 werden als Stoffe, die mit dem Öl zu mischen sind, lediglich zwei Artm von Zement

bezeichnet.

Auch in der Patentschrift ist von anderen mit dem Öl

zu vermengenden Stoffen keine Rede.

Dies allein würde allerdings

noch nicht ausschließen, in den Schutzbereich des Patents auch solche StaubabsorbierungSmittel zu ziehen, bei welchen der Zement durch ähnliche, insbesondere mineralische Stoffe ersetzt würde.

Rach bett

Umständen des vorliegenden Falles kann dies aber nicht gebilligt

werden.

Für die Bestimmung des SchutzumfangS von Patenten ist

eS erheblich, ob die Erfindung innerhalb eines technisch noch nicht bearbeiteten Gebietes liegt, oder ob sie auf einem von der Technik

bereit- beschlagnahmten Felde wirksam werden soll. Im ersten Falle kann sich ein allgemeiner Gedanke deS Patents frei entfalten, im zweiten Falle dagegen ist diese Entfaltung durch das Borbekannte gehemmt und ist oft nur noch für besondere erfinderische Neuheiten, für bestimmte Verbesserungen Raum frei geblieben.

Im ersten Falle

muß namentlich auch anerkannt werden, daß der geschützte ErfindungS-

gedanke

über

die im Patentansprüche

bezeichnete bestimmte AuS-

führungSform hinausgreifen kann» ohne auf ein Gebiet zu geraten,

das nach dem Stande der Technik bereit» als der Allgemeinheit er­ schlossen zu gelten hat.

Dabei ist es in der Regel nicht erforderlich,

die Willensrichtung des Patentanmelders näher zu erforschen; denn die Rechtsprechung hat sich über bett, auch im Urteil des Berufungs­

gerichts ausgesprochenen, Satz geeinigt, daß der Anmelder im Zweifel

so viel hat anmelden wollen, als ihm nach dem Stande der Technik, nach der Tragweite seiner Erfindung unter Schutz gestellt werden konnte.

Handelt es sich aber um ein Gebiet, das von der Technik,

sei eS der höheren, sei es der Technik des täglichen Lebens, bereit­ beherrscht wird, so sind der ausdehnenden Auslegung eines Patent­ engere Schranken gesetzt.

Ist hier die besondere Ausführungsform

einer Vorrichtung oder eines Verfahrens unter Patentschntz gestellt,

so steht sie innerhalb der Grenzen schon bekannter allgemeiner Ge­

danken und kann meisten- nur noch für sich als einzelne besondere Neuheit Anspruch auf Schutz erheben.

Im gegenwärtigen Streitfälle hat nun da- Kammergericht zu­ nächst darauf hingewiesen, daß von alter- her die mit Wasser an­ gefeuchteten Stoffe Sand und Sägemehl als staubabsorbierende Mittel beim Abkehren von Fußböden in offenkundigem Gebrauche gewesen

sind. DaS Gericht hat sodann weiter festgestellt, „daß, wenn die Verwendung eines StaubabsorbierungSmittels aus Öl in Verbindung

mit Saud und Sägemehl oder einem der letzten beiden Stoffe zur Zeit der Patentanmeldung auch noch nicht Allgemeingut der Technik

gewesen sein sollte, dennoch die Herstellung und Verwendung solcher Mittel in weitem Umfange bekannt gewesen ist".

Die Revision greift

freilich die Beweiswürdigung an, die zu dieser Feststellung geführt hat, und behauptet, daß eine allgemeine Übung, Staubabsordierungs« mittel aus Öl und Sand herzustellen, nicht bekundet worden sei. Allein darauf kommt es nicht an, vielmehr genügt die Tatsache, daß Öl und Sand vor der Anmeldung des Patents offenkundig im In­

land al- Staubabsorbierungsmittel benutzt worden sind.

Und den

Nachweis dafür als geführt anzusehen, unterliegt keinen Bedenken. Unter solchen Umständen konnte das Kammergericht ohne Rechts­

irrtum annehmen, daß nur die Mischung der im Patentansprüche bestimmt bezeichneten Stoffe, nämlich die Mischung von Öl mit Zement, nicht von Öl mit Sand und Sägemehl, innerhalb des Schutzbereichs des Patents liegt.

Über den Wortlaut des Patent-

anspruchs hinauszugehen, fehlte eS hier an ausreichendem Anlaß. DaS in diesem Sinne verstandene Patent beschränkt sich danach gegen­ über den bisher bekannten Staubabsorbierungsmitteln auf eine be­ stimmte Änderung, die eine Verbesserung darstellm sollte oder doch den

Anschein mit sich bringen konnte, daß sie eine Verbesserung enthalte.

Gegm diese Auffassung kann mit Recht nicht geltend gemacht werden, es habe sich nunmehr herausgestellt, daß in dem bezeichneten

Gemische der Sand eine ähnliche Wirkung habe wie der Zement,

daß aber ein Patent nicht auf eine« Schutzumfang beschränkt werden dürfe, in den nicht auch die Äquivalente fielen. Richtig ist so viel,

daß ein Patent, selbst wenn sich nachträglich ergibt, daß der von ihm getroffene Gegenstand vor der Anmeldung bereits freier Besitz der Technik war, damit noch nicht seine Kraft gegenüber Patent­ verletzungen einbüßt. Besteht ein Patent einmal zu Recht, so darf es nicht im Verletzungsstreite praktisch aller Wirksamkeit durch die

Feststellung entkleidet werden, daß eS im Hinblick auf da- zur Zeit

der Anmeldung wirklich Borbekannte gemäß § 2 PatG, nicht hätte

erteilt werden können. Irgend welcher Inhalt muß dem bestehenden Patent immer gewahrt werden. Von der anderen Seite ist aber folgende- zu beachten.

Ein Patent kann vom Patentanmelder und

Patentamte von vornherein auf eines von verschiedenen, einem ge­ wissen Zwecke dienenden Mitteln beschränkt werden. Dies geschieht

z. B. dann, wenn einige der Mittel schon in offenkundiger Benutzung stehen, ein andere- nicht, gerade dieses jedoch einen eigenartigen Erfolg Ein solches Patent muß dann auf das eine

zu versprechen scheint.

als neu herausgehobene Mittel beschränkt bleiben, mag auch nach­

träglich klar werden, daß den anderen vom Patente nicht erfaßten Mitteln eine wesentlich gleiche Wirksamkeit, wie dem im Patent­ ansprüche genannten, beiwohnt.

Das Gegenteil anzunehmen, wäre

offensichtlich ungerechtfertigt; es bedeutete, dem Patentanmelder ohne eigenes Verdienst, auf Grund einer formalistischm Auffassung über Äquivalente, ein gewerbliches Kampfmittel zum Schaden der All­

gemeinheit in die Hand zu geben.

In gleicher Weise kann sich die

Wirksamkeit eines Patents, nach deffen Wortlaut nur ein bestimmtes Mittel unter Schutz gestellt wird, beschränken, ohne daß unzwei­ deutige Einschränkungen oder Verzichte im Anmeldeverfahren hervorgetreten sind.

Die Erstreckung des Schutze- aus ähnlich wirkende

Mittel kann schon allein dadurch gehemmt werden, daß diese Mittel zur Zeit der Anmeldung des Patents bereit- in öffentlichen Druckschriften beschrieben oder im Inland offenkundig vorbenutzt waren. Selbst­ verständlich wäre e- unzulässig, vom Bereich eines Patents, in dem für den gesetzten Zweck ein bestimmte- Mittel genannt ist, ein völlig gleiches Mittel auszuschließen, das etwa nur einen anderen Namen hätte. DieS wäre in sich widerspruchsvoll; eS hieße die Wirksamkeit eines Patentes zugleich bejahen und verneinen. So würde rS nicht wohl zu rechtfertigen sein, im vorliegenden Falle den Schutz für die Verwendung von Romanzement zu versagen, wenn im Patentansprüche nur Portlandzement genannt worden wäre, vorausgesetzt, daß ver­ ständigerweise an eine unterschiedliche Wirkung dieser beiden Sorten von Zement überhaupt nicht hätte gedacht werden können. Dieführt aber keineswegs dazu, die Einschränkung de- Schutzumfangs eines Patents auch dann abzulehnen, wenn mit einer verschiedenen Wirkung der verschiedenen Mittel gerechnet werden konnte. Bei dem gegenwärtigen Patente kam eS nun darauf an, dem Öl eine möglichst große Ausbreitung an der Oberfläche zu geben.

ES erhellt daher ohne weitere-, daß von der Verwendung des pulver­ förmigen Zements wegen seiner feinen und regelmäßigen Körnung an fich ein besserer Erfolg erwartet werden durfte als von der Ver­ wendung gewöhnlichen Sandes. Die Beschränkung des Patents auf Zement im Gegensatze zu Sand enthielt danach nichts Widersinniges, lag vielmehr in den Grenzen verständiger Beurteilung. Der Aus­ schluß de- Sandes von dem Schutzkreise des patentierten Verfahren­ nimmt dem Patent auch nicht allen Inhalt. Da- Patent behält die Wirksamkeit, die von seinem Wortlaute klar bezeichnet wird und die ihm nach dem Werte deS ihm innewohnenden ErfindungSgehaltS zukommt. Dem Patent bleibt das Gebiet gewahrt, das nach dem Stande der Technik zur Zeit der Anwendung noch frei war. Wenn die gewerbliche Bedeutung deS Patents durch den nach wie vor zu­ gelassenen freien Vertrieb eines StaubabsorbierungSmittelS aus Sand und Öl wesentlich vermindert, wird, so teilt daS streitige Patent eine solche Lage mit vielen anderen Patenten, die ein einzelnes zu einem bestimmten Zwecke dienliches Mittel mit Beschlag belegt Haden, ohne indessen zu verhindern, daß durch andere im freien Verkehr befind­ liche ähnliche Mittel wesentlich gleiche Erfolge erzielt werden."

Begriff der Quittung im Sinne der Tarifur. 10 Abs. 2 des Reichsstempelgesetzes vom 15. Juli 1909. 2. Sind nut solche Quittungen dem Reichsstempel unterworfen, welche zur Umgehung des Scheckstempel- verwendet werden können?

43.

1.

VH. Zivilsenat. Urt. v. 19. März 1912 i.S. preuß. FiskuS (Bell.) w. Direttion der DiSkonto-Gesellsch. (Kl.). Rep. VII. 13/12. I. n.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Die Depofitenkasse der Klägerin in Berlin wurde am 1. Februar 1911 von Fra« R. durch Postkarte ersucht, ihr auS ihrem dort ge­ führten Guthaben 100 X nach Sch. zu senden. Die Klägerin schickte die 100 M durch Postanweisung mit dem Ersuchen, ihr den Empfang zu bestätigen. Am 6. Februar ging hierauf bei der Klägerin eine Postkarte der Frau R. folgenden Inhalts ein: „Hierdurch bestätige ich Ihnen den Empfang der am 2. Februar an mich gesandten 100 jK. R." Der Beklagte erblickt in diesem Schreiben eine Quittung im Sinne der Tarifnr. 10 RStempG. und forderte hierfür eine Abgabe von 10 A, die von der Klägerin entrichtet wurde. Mit der Klage fordert sie beren Rückerstattung. DaS Landgericht hat der Klage stattgegeben, daS Kammergericht hat die Berufung zurückgewiesen. Auf Revision des Beklagten wurde die Klage ab­ gewiesen auS folgenden Gründen: „Nach Tarifnr. 10 RStempG. unterliegen Schecks, die im In­ land ausgestellt sind oder im AnSland auf daS Inland ausgestellt sind, einer Stempelabgabe von je 10 In Abf. 2 ist dann be­ stimmt: „Den Schecks stehen gleich die Quittungen über Geldsummen, die aus Guthaben de- Ausstellers bei den im § 2 des Scheckgesetzes vom 11. März 1908 (RGBl. S. 70) bezeichneten Anstalten oder Firmen gezahlt werden, sofern die Quittung im Inland ausgestellt oder auSgehändigt wird." Der Stempel der Tarifnummer ist hier­ nach, wie auch die §§ 70 flg. RStempG. ergeben, ein Urkunden­ stempel, so daß für die Frage, ob die Postkarte vom 6. Februar der Abgabe des Abf. 2 der Tarifnummer unterliegt, der Inhalt der Urkunde maßgebend ist. Der Berufungsrichter faßt diesen Inhalt

dahin auf, daß eine Quittung in der Postkarte nicht enthalten sei und daß, falls man dies annehme, die Quittung doch nicht, wie Abs. 2 erfordere, ein dem Scheck gleichwertige- Surrogat sei. Aus diesen Gründen verneint er, daß ein Stempelanspruch vorhanden sei. Nach beiden Richtungen hin kann jedoch diesen Gründm nicht bei­ getreten werden.

Der Begriff der im Abs. 2 bezeichneten Quittungen ist derselbe

wie im bürgerlichen Recht.

Nach § 368 BGB. ist unter einer

Quittung ein einseitiges außergerichtliches schriftliches Zugeständnis de- Aussteller- dahin zu verstehen, daß er die Leistung empfangen hat. Da die Quittung ein Beweismittel für die Erfüllung einer Schuldverbindlichkeit darstellt, muß daraus diese Schuldverbindlichkeit hervorgehen (Mot. z. BGB. Bd. 2 S. 89). Diese Schuldverbind­ lichkeit ist hier mit dem Ansprüche der Frau R. auf Zahlung ihres

Guthaben- bei der Klägerin gegeben.

Daß die Zahlung der über­

sendeten 100 M aus dem Guthaben der Frau R. erfolgt ist, ergibt

die Postkarte nicht unmittelbar. Ihr Inhalt läßt nicht ohne weiteres erkennen, auf welche Schuld die Zahlung geschehen ist. Zur Fest­ stellung der rechtlichen Bedeutung ihres Inhalts bedarf sie daher der Auslegung.

Dabei sind neben den Gepflogenheiten des Bankverkehrs

die Umstände zu berücksichttgen, die vor und bei der Ausstellung im

Verhältnis der Klägerin zu Frau R. bestanden. stände weist die Postkarte selbst hin,

Auf diese Um­

indem darin die Ausstellerin

den Empfang „der am 2. Februar an mich gesandten" 100 Jl be­ Daß die am 2. Februar 1911 von der Klägerin an Frau

stätigt.

R. bewirkte Zusendung eine infolge ihres Ersuchens vom 1. Februar erfolgte Zahlung aus ihrem Guthaben war, ist unstreitig.

Die Post­

karte enthält hiernach eine Quittung im Sinne des § 368 BGB. und insbesondere eine Quittung über eine Zahlung aus einem Gut­ haben der Fra» R. bei der Klägerin.

Letztere ist eine der in § 2

*be8 Scheckgesetzes näher bezeichneten Bankier-Firmen.

Alle in Abs. 2

der Tarifnr. 10 bestimmten Erfordernisse einer reichsstempelpflichtigen Quittung sind daher gegeben.

Mit Rücksicht auf diese ihre objektive

rechtliche Bedeutung kommt e- hiernach nicht in Bettacht, ob die mit allen Recht-wirkungen einer Quittung bekleidete Postkarte nach der Meinung der Beteiligten nur die Natur eines Bestätigungs­

schreibens haben sollte und ob die Klägerin einer Quittung geschäftlich

nicht benötigte, da sie durch den Besitz des Ersuchungsschreibens und des PosteinlieferungSscheinS auch ohne die Postkarte vom 6. Fe-

bmar in der Lage war, den Beweis zu führen, daß sie am 2. Fe­ bruar 100 jH an Frau R. aus deren Guthaben gezahlt hatte. Die Stempelpflichtigkeit der Postkarte würde nach der Schlußvorschrist in der Spalte 4 der Tarifnummer nur dann ausgeschlossen sein,

wenn über dieselbe Zahlung von 100

schon eine Quittung be­

stände, für die der Stempel der Tarifnr. 10 bereits entrichtet wäre.

Da- ist aber nirgend- behauptet. Auch dafür läßt sich aus Tarifnr. 10 nichts entnehmen, daß nur solche Quittungen dem Reichsstempel unterworfen sein sollten, die zur Umgehung des Scheckstempels verwendet werden können, also

einen gleichwertigen Ersatz des Schecks darstellen. Wenn auch zu­ zugeben ist, daß die Einführung des Quittungsstempels, wie die Be­

gründung zur Novelle vom 15. Juli 1909 ergibt, zu dem Zweck erfolgte, eine Umgehung des Scheckstempels durch Verwendung nicht

stempelpflichtiger Quittungen zu verhindern» so folgt doch hieraus keineswegs, daß alle anderen, diesem Zwecke nicht dienenden Quittungen In erster Reihe entscheidet, wie überall, so auch im Stempelrecht über die Bedeutung und Tragweite einer

stempelfrei bleiben sollten.

Gesetzesvorschrift der Wortlaut und Sinn der Vorschrift selbst, soweit er sich daraus als klar und zweifellos ergibt.

Wortlaut und Sinn

lassen aber hier in keiner Weise erkennen, daß irgend ein Teil der

Quittungen über Geldsummen» die aus Guthaben des Ausstellers bei den in § 2 Scheckges. bezeichneten Bankier-Firmen gezahlt werden,

vom Stempel nicht getroffen werden sollte, falls sie im Inland aus­ Bei Beratung des Entwurfs in

gestellt oder auSgehändigt werden.

der 32. Kommission des Reichstags (82. Sitzung vom 25. Juni 1909) hat der Bevollmächtigte zum Bundesrat ausdrücklich und ohne Wider­

spruch

von

anderer

Seite

die

mit dem Gesetz übereinstimmende

Fassung der Tarifnr. 10 der Regierungsvorlage, dem klaren Wort­

laut entsprechend, dahin auSgelegt,

stempelpflichtig sollten

„alle"

Quittungen über Abhebungen auf ein vom Quittungsleistenden bei der zahlenden Anstalt oder Firma unterhattenes Konto „irgend welcher

Art, z. B. Kontokurrent-, Depositen-, Scheck-Konto" sein.

Wenn er

dann später noch hinzufügte, bei Streichung des Abs. 2 der Tarifnr. 10 würde der Scheckstempel sehr häufig umgangen werden, „auch" würde Entsch. in Zivils. N. F. 29 (79)

13

dadurch mindestens die Hälfte der finanziellen Erträgnisses der Steuer

in Frage gestellt werden, so kann dies, mit Rücksicht auf den Ge-

brauch des Worte- „auch", nur dahin verstanden werden, daß, ab­

gesehen von den zur Umgehung deS Scheckstempels geeigneten oder verwendeten Quittungen, finanzielle Erträgnisie auch aus anderen

Quittungen erstrebt wurden.

DaS ist um so mehr anzunehmen, als

regelmäßig alle Quittungen, die das Empfangsbekenntnis über eine Zahlung a«S einem Bankguthaben enthalten, im gegebenen Falle zur Umgebung des Scheckstempels verwendet werden können, ohne daß

aus ihnen zu erkennen wäre, ob sie in der Absicht der Umgehung

ausgestellt und zur Umgehung verwendet worden find. Die Ver­ handlungen der Kommission ergeben zwar, daß die Einführung einer „allgemeinen Quittungssteuer" vermieden werden sollte; von einer

solchen ist aber der durch den Abs. 2 bestimmte Quittungsstempel

weit entfernt. Daß im Tarif der Scheckstempel und der Quittungs­ stempel unter einer Nummer und unter der Überschrift „Schecks" zusammengefaßt sind, erklärt fich daraus, daß beide Arten von Ur­

kunden Zahlungen von Geldsummen au- Bankguthaben

betreffen

und daß den äußeren Anlaß zur Einführung des Quittungsstempels die Absicht bot, die Umgehung deS Scheckstempels zu verhindern.

Wenn endlich auf den Eingang des Abs. 2: gleich die Quittungen usw."

„Den Schecks stehen

hingewiesen wird, so hat durch diese

Fassung offenbar nur bestimmt werden sollen, daß die näher be­

zeichneten Quittungen hinsichtlich der Besteuerung den Scheck- gleich­

gestellt werden sollten, nicht aber, daß nur solche Quittungen Gegen­ stand der Besteuerung sein sollten, die im geschäftlichen Verkehr als

den Schecks gleichwertige Urkunden anzusehen seien."

44. Verstößt es gegen die guten Sitten, wenn fich ein Gläubiger, der fich, gleich den übrigen Gläubigern, mit dem Schuldner auf einen bestimmten Prozentsatz verglichen hat, hinterher vom Schuldner Zahlung des ganzen Restes seiner Forderung versprechen läßt? Rechte des Schuldners, der hierzu durch Drohung gezwungen worden ist, nach Ablauf der Anfechtungsfrist. BGB. ßs 123, 124, 142, 826, 85S.

VH. Zivilsenat.

I. n.

Urt. v. 29. März 1912 i. S. A. L Co. (Kl.) w. M. (Bell.). Rep. VII. 48/12.

Landgericht III Berlin. Kammergericht daselbst.

Die klagende Firma schloß am 11. Juni 1908 mit ihren Gläubigern einen Vergleich, wonach die Gläubiger auf 40 v. H. ihrer Forderungen verzichteten und sich mit einer Barzahlung von 60 v. H. begnügten. Der Beklagte, der zu diesen Gläubigern gehörte, war nebst einem anderen Gläubiger Kr. zum Treuhänder der Gläubiger bestellt worden. Beide Treuhänder ließen sich am 24. Juni 1908 von dem Inhaber der Klägerin eine Urkunde ausstellen, worin sich die Klägerin verpflichtete, ihnen den die Vergleichsquote übersteigenden Rest ihrer Forderungen, der bei dem Beklagten 5981,70 M betrug, zu zahlen. Die Klägerin behauptet, der Beklagte und Kr. hätten die Ausstellung der Urkunde unter Ausnutzung ihrer Notlage er­ zwungen, das Schuldversprechen sei daher nichtig. Sie beantragte mit der Klage, festzustellen, daß dem Beklagten gegen sie eine For­ derung aus dem Schuldbekenntnisse vom 24. Juni 1908 nicht zu­ stände. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und erhob Widerklage mit dem Anträge, die Klägerin zu verurteilen, an ihn 5981,70 Jl zu zahlen. Das Landgericht erkannte unter Abweisung der Widerklage entsprechend dem Klagantrage. Auf die Berufung der Beklagten wie- das Kammergericht die Klage ab und verurteilte nach dem Anträge der Widerklage. Diese Entscheidung wurde auf Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Aus dm Gründen: ... „Der Berufungsrichter prüft das Verhalten des Beklagten bei Erlangung des Zahlungsversprechens vom 24. Juni 1908 aus dem Gesichtspunkte des § 826 BGB. und kommt zu dem Ergebnis, ein Verstoß gegen die guten Sittm liege nicht vor, weil sich der Beklagte erst nach dem Zustandekommen des Vergleichs Zahlung deS Restes seiner Forderung habe versprechen lassen und ihm dabei eine Täuschung der Gläubiger nicht zur Last falle. Diese Begründung wird dem Sachverhalte nicht in ausreichender Weise gerecht. Nachdem der Beklagte den Vergleich vom 11. Juni 1908, dessen Ernstlichkeit 13*

nicht bestritten ist, geschlossen und zum Ausgleich seiner sämtlichen durch die Zahlung der 60 v. H. nicht getilgten Restforderungen die Quittung vom 18. Juni 1908 ausgestellt hatte, standen ihm irgend welche Forderungen gegen die Klägerin nicht mehr zu, auch dann

nicht, wenn er, wie er behauptet, als Treuhänder der Gläubiger

eine so umfangreiche Tätigkeit auSgeübt hätte, daß er hierfür den Rest seiner Forderungen als Entgelt hätte verlangen können.

Daß

ihm ein solches Entgelt neben den zu zahlenden 60 v. H. vor und bei dem Abschlüsse deS Vergleichs von allen Beteiligten versprochen

worden wäre, hat der Beklagte selbst nicht behauptet.

Wenn er sich

nun kurze Zeit nach Ausstellung der dem Vergleich entsprechenden

Ausgleichsquittung und noch bevor, wie die Klägerin behauptet, sämt­ liche Gläubiger die versprochenen 60 v. H. gezahlt erhalten halten, entgegen den Bestimmungen deS Vergleichs und ohne Zuziehung der mit ihren 60 v. H. noch nicht befriedigten Gläubiger, die Zahlung

deS Restes seiner Forderung, sei eS unentgeltlich, sei eS entgeltlich, von

der notleidenden Klägerin versprechen ließ, so kann den Umständen nach sehr wohl angenommen werden, daß der Beklagte hierdurch gegen die guten Sitten verstoßen hat. Ganz besonders fällt dabei, was der Berufung-richter außer acht gelassen hat, der Umstand inS Gewicht, daß zur Zeit der Ausstellung deS Schuldversprechens

der Beklagte noch Treuhänder der Gläubiger, also verpflichtet war, deren Interessen zu schützen. DaS Amt deS Treuhänder- hatte noch nicht aufgehört, denn noch waren nicht alle Gläubiger dem Vergleich

entsprechend befriedigt, und der Beklagte war noch im Besitze deS Hypothekenbriefs, den die Klägerin zur Durchführung de- Vergleich­ verwerten wollte,

sowie unstreitig auch im Besitz

eine-

anderen

Hypothekenbriefs über 80000 M, der zur Sicherheit der Gläubiger

wegen ihrer Ansprüche au- dem Vergleiche dienen sollte.

Unter

Berücksichtigung der gesamten Sachlage wird der Berufung-richter,

nach erneuter Verhandlung der Sache, zu prüfen haben, ob hier­ nach der Beklagte nicht sittenwidrig gehandelt hat, wenn er nach Abgeltung aller seiner Ansprüche sich die Zahlung eine- erheblichen

Geldbetrag- ohne Wissen der noch nicht befriedigten Gläubiger ver­ sprechen ließ und dadurch für die Klägerin die Möglichkeit erschwerte,

allen am Vergleiche beteiligten Gläubigern die versprochene Zahlung

zu leisten.

Endlich hat der Berufung-richter

auch die Behauptung der

Klägerin nicht genügend berücksichtigt, daß der Beklagte sie durch

eine unerlaubte Handlung, nämlich widerrechtlich durch Drohung, zur

Abgabe des Schuldversprechens bestimmt habe.

Der Berufungsrichter

verneint die Möglichkeit, diese Drohung zugunsten der Klägerin zu

verwerten deshalb, weil die für die Anfechtung wegen Drohung im

§ 124 BGB.

vorgeschriebene

Jahresfrist

bei der Klagezustellung

schon abgelaufen war. ES ist auch richtig, daß durch den Fristablauf für die Klägerin die Möglichkeit erloschen war, die Nichtigkeit

deS Abkommens vom 24. Juni 1908 wegen Drohung herbeizuführen (§ 142 BGB) und damit dessen Rechtserfolg absolut und in einer auch Dritten gegenüber wirksamen Weise zu beseitigen. Damit ent­ fällt aber für die Klägerin noch nicht die Befugnis, die infolge der

Drohung ihr zustehenden bloß obligatorischen Rechte gegen den­ jenigen, welcher durch die Drohung ihr gegenüber eine unerlaubte Handlung begangen hat, nach den Vorschriften deS Buch II Tit. 25

BGB. geltend zu machen.

Hat der Beklagte durch diese unerlaubte

Handlung sittenwidrig gehandelt, so kann die Klägerin nach § 826

Schadensersatz, also Beseitigung deS Schuldversprechens in seiner Wirkung gegenüber dem Beklagten verlangen (§ 249 BGB). Außerdem würde der Geltendmachung der Forderung a«S der Schuld­ urkunde die Vorschrift deS § 853 BGB. entgegenstehen, wonach der

Verletzte, gegen den jemand durch eine unerlaubte Handlung eine

Forderung erlangt hat, die Erfüllung „auch dann" verweigern kann, wenn der

Anspruch auf Aufhebung

In dieser Vorschrift

der Forderung verjährt

ist mit Notwendigkeit einbegriffen,

ist.

daß die

Weigerung, eine in der bezeichneten Art entstandene Forderung zu

erfüllen, auch ungeachtet deS Umstandes berechtigt bleibt, daß die Frist zur Anfechtung der Willenserklärung, auf der die Forderung beruht, verstrichen ist."

45.

1.

Zustellung vou Anwalt zu Anwalt; Beiseheu bei Datie­

rung des Empfangsbekevutniffes. ZPO. 88 188 Abs. 4, 198 Abs. 1 u. 2.

2.

Ist der Rechtsweg zulässig, wen« eine Gemeinde von einer

andere« auf Grund eines Vergleichs auf Zuschüsse zu den BolkSschulkosteu in Anspruch genommen wird? @83®. § 13. Prenß. Gesetz, Bete, die Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen, vom 28. Juli 1906 § 4. VII. Zivilsenat. Urt v. 2. April 1912 i. S. Stadtgemeinde F. (Bell.) w. Landgemeinde N. (Kl.). Rep. VIL 491/11. L n.

Landgericht Flensburg. Oberlandesgcricht Kiel.

Die Nagende Landgemeinde NiehuuS hatte seit dem Jahre 1903 gegen die Beklagte, die Stadtgemeinde Flensburg, auf Grund des § 53 KommAbgGes. Ansprüche auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten ihres Bolksschulwesens erhoben mit der Begründung, in NiehuuS, besonders in der damals noch zu ihr gehörigen, erst am 1. April 1909 auf Flensburg umgemeindeten Kolonie KlueS genössen zahlreiche Kinder Schulunterricht, die zu den Familien von Arbeitern gehörten, die in der Stadt Flensburg beschäftigt waren. Über die Höhe dieses Zuschusses stritten die Parteien lange im BerwaltungSstreitverfahren. Während die Sache noch bei dem Bezirksausschuß anhängig war, verglichen sie sich am 13. September 1909 dahin, daß sich die Beklagte verpflichtete, einen jährlichen Beitrag zu den Schullasten der Klägerin zu leisten. Der Berechnungsmaßstab hierfür wurde im Vergleiche festgelegt, danach wurde der Zuschuß für das Jahr 1903 auf 831 M berechnet und bezahlt. Die für die Jahre 1904 bis 1908 zu leistenden Zuschüsse betragen unstreitig 11338 Jt, die Beklagte ist aber nur bereit, denjenigen Teil der Vergleichssumme an die Klägerin zu zahlen, welche auf daS jetzige Gebiet der Gemeinde NiehuuS entfallen würde. Der Rest gebühre ihr selbst, da er auf daS seit dem 1. April 1909 der Stadt Flensburg einverleibte Gebiet von KlueS entfalle. Die Klägerin erhob Klage mit dem Anträge, die Beklagte zur Zahlung von 11338 Jl nebst Zinsen zu verurteilen. Die Beklagte bestritt die Zulässigkeit der Rechtswegs und beantragte gegebenenfalls die Abweisung der Klage. Das Landgericht verurteilte die Beklagte nach dem Klagantrage. Ihre Berufung wurde zurück­ gewiesen. Auch ihre Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

„Einer Prüfung der Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen

für die Wiedereinsetzung in den früheren Stand hier gegeben sind, bedurfte eS nicht, da die RevifionSfrist von der Beklagte« nicht ver­

säumt ist.

Die Revisionsschrift ist bei Gericht am 23. Dezember 1911

eingegangen.

Die Einlegung des Rechtsmittels ist also nur dann

rechtzeitig erfolgt, wenn die Zustellung de- Berufung-urteils nicht

vor dem 23. November 1911

bewirkt worden ist.

Die Zustellung

der Ausfertigung des Berufung-urteils ist von Anwalt zu Anwalt

gemäß § 198 Abs. 1 ZPO. erfolgt. Auf der von der Klägerin überreichten Urieilsausfertigung ist vom Prozeßbevollmächtigten der

Beklagten, dem Rechtsanwalt Dr. K>, bescheinigt, daß die Zustellung des Urteils an ihn am 22. November 1911, einem gesetzlichen Feier­ tage, nämlich am Bußtage, geschehen ist. Wäre die Zustellung wirk­ lich an diesem Tage bewirkt worden, so hätte ungeachtet des Feier­ tags nach § 188 Abs. 4 ZPO. die Revision-frist schon am 22. No­ vember zu laufen begonnen und die Revision wäre daher als verspätet eingelegt anzusehen. Das Prozeßgericht hat sich aber davon überzeugt, daß die Behauptung der Beklagten, die Zustellung sei durch Übergabe der beglaubigten Abschrift des Urteils an Rechts­

anwalt Dr. K. erst am 23. November erfolgt und die Datierung des schriftlichen Empfangsbekenntnisses dieses Anwalts vom 22. November,

anstatt vom 23. November, beruhe auf einem bloßen Versehen, dem

wirklichen Sachverhalt entspricht. Dafür spricht schon der Umstand, daß

die gemäß § 198 Abs. 2 letzter Satz vom zustellenden Anwalt Dr. E. dem Dr. K. ausgestellte Bescheinigung über die Zustellung, die sich auf

der von der Beklagten überreichten Urteil-abschrift befindet, vom 23.November 1911 datiert ist. überdies hat die Klägerin in der münd­

lichen Verhandlung auf die unter Beweisantritt aufgestellte Behauptung der Beklagten, Dr. K. habe die versehentlich vom 22. November datterte Zustellungsbescheinigung erst am 23. November unterschrieben, ohne da- unrichtige Datum zu bemerken, sich dahin geäußert, sie wolle

hierauf eine Erklärung nicht abgeben. Diese Behauptungen müssen hier­

nach als unbestritten gelten.

Daß gegen die Richtigkeit der Datierung

de- Empfangsbekenntnisses des Prozeßbevollmächtigten die Führung des

Gegenbeweises zulässig sei, hat das Reichsgericht bereits wiederholt an­ erkannt (Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 14 S. 349, Bd. 51 S. 163).

Erweist sich hiernach die Revision als zulässig, so war sie doch sachlich nnbegründet.

Mit Unrecht erhebt zunächst die Beklagte die

Einrede dex Unzulässigkeit deS Rechtsweg- aus § 4 deS Gesetzes be­

treffend die Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen vom 28. Juli

1906 (GS. S. 335). In dieser Vorschrift ist bestimmt, daß über die Vermögensauseinandersetzung, die infolge der Bildung, Änderung oder Auflösung

der Schulverbände

aufsichtsbehörde beschließt.

notwendig

wird,

die Schul-

Im Streitfall handelt es sich aber nicht

um eine derartige verwaltungsmäßige Vermögensauseinandersetzung» sondern um die Geltendmachung einer von der Beklagten durch den

Vergleich vom 13. September 1909 übernommenen schuldrechtlichen Zahlungsverpflichtung. Zwar können über gegenseitige Rechte und Pflichten, die lediglich im öffentlichen Rechte wurzeln, von bett Be­

teiligten Vergleiche auch in der Weise geschlossen werden, daß die

hieraus sich ergebenden neuen Rechtsbeziehungen wiederum lediglich dem öffentlichen Recht angehören und deshalb hierüber im Streitfall

unter Ausschluß der Gerichte lediglich von den Verwaltungsbehörden oder Verwaltung-gerichten zu entscheiden ist.

Das wird regelmäßig

dann zutreffen, wenn die öffentlichrechtlichen Beziehungen der Be­

teiligtest zueinander nicht bloß für einen einzelnen Fall, der bereits der Vergangenheit angehört, sondern dauernd für die Zukunst ge­ regelt werden sollen.

Der hier maßgebende Vergleich bezweckte aber

nur, den unter den Parteien bestehenden Streit endgültig in der Weise zu beseitigen, daß ihre vermögensrechtlichen Beziehungen unter­ einander für einen Zeitraum geregelt werden sollten, der zur Zeit deS Vergleichsabschlusses bereits der Vergangenheit angehörte.

Die

Regelung erfolgte dahin, daß die Beklagte sich für das Jahr 1903 zur Zahlung einer bestimmten Summe, nämlich eines Zuschusses zu den Kosten der Volksschule der Klägerin in Höhe von 831 Jü ver­ pflichtete, und daß für die folgenden Jahre bi- zu der damals schon

erfolgten Eingemeindung von KlueS in Flensburg der Maßstab für

den jährlich zu leistenden Zuschuß derartig festgestellt wurde, daß sich der Betrag deS Zuschusses auf Gruud leicht zu ermittelnder tat­

sächlicher Berhältniffe (der Schulausgaben der Klägerin, der Schüler­ zahl, de- Staatszuschusses zur Schulkaffe usw.) durch eine einfache

Berechnung bestimmen ließ. Die Parteien wollten hiernach offenbar mittels rechtsgeschäftlicher Erklärungen gewisse feste und unabänderliche

Einnahmeposten für die Klägerin zur Entstehung bringen, die dem öffentlichrechtlichen Streit entzogen sein sollten und ohne weiterer als

Forderungsrechte der Klägerin gegen die Beklagte in den Haushaltplan

Damit war der von der

der Klägerin eingestellt werden konnten.

Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zuschuß im gegenseitigen

Einverständnis für die Zeit von 1903 bis zum 1. April 1909 auf

eine privatrechtliche Grundlage gestellt (Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 57 S. 350 und Bd. 67 S. 291.)

Die auf dieser Grundlage

unter den Parteien entstehenden Stteitigkeiten sind bürgerliche RechtS-

streitigkeiten im Sinne des § 13 GVG.» über welche die Gerichte zu

entscheiden haben.

Würde eS sich im jetzigen Rechtsstreite lediglich

um den Zuschuß für das Jahr 1903 handeln, also um die von der Beklagten bereits geleistete Zahlung von 831 Jl, so würde die Zu­ lässigkeit deS Rechtswegs von der Beklagten wohl kaum bestritten

worden sein.

Von der Pflicht zur Zahlung dieser bestimmten Summe

kann aber, soweit die Zulässigkeit deS Rechtswegs in Frage kommt,

nichts anderes gelten, als von dem auf derselben rechtlichen Grundlage

ruhenden Anspruch auf Zahlung eine- objektiv bestimmbaren Zu­ schusses für die späteren Jahre, zumal die Richtigkeit der der Klage­

forderung zugrunde liegenden Berechnung dieses ZufchuffeS von der

Beklagten nicht bestritten ist. In der Sache selbst beschränkt sich die Revision darauf, die

Auslegung anzugreifen, die der Berufungsrichter dem Vergleiche ge­

geben hat. Der Angriff kann einen Erfolg nicht haben... (wird ausgeführt). Ob bei der nach § 4 deS Gesetzes vom 28. Juli 1906 erforderlichen Vermögensauseinandersetzung zwischen den Parteien der Vergleich vom 13. September 1909 zu berücksichtigen sein wird oder, falls sie schon erfolgt sein sollte, zu berücksichtigen gewesen wäre,

ist hier nicht zu erörtern." 1. Treffen den Erben die Folgen deS BerzvgS, wenn er während des LanfeS der AnSschlagvngSfrist oder während der Ber-

46.

wtigerungsfrist des § 2014 BGB. die

Erfüllung

einer

Nachlaßverbindlichkeit vnterläßt?

2.

Mitwirkendes eignes Verschulde«. BGB. §§ 1958, 1959, 1979, 2014, 2015.

ZPO. 88 305, 782.

fälligen

III. Zivilsenat.

Urt v. 3. April 1912 i. S. R. (Bell.) w. K. (Kl?.

Rep. III. 259/11. I. II.

Landgericht Landsberg a. W. Kammergericht Berlin.

Der Kläger verpachtete durch Vertrag vom 19. Dezember 1907 dem Erblasser der Beklagten, G. R., „sein Materialwarengeschäft mit

voller Schankwirtschast" für die Zeit vom 1. Januar 1908 bis zum

1. Juli 1911. starb G. R.

Vor Antritt der Pacht, am 28. Dezember 1907, Der Kläger forderte von den Beklagten die Erfüllung

des Vertrag- und insbesondere auch, daß ste gemäß der Bestimmung

des § 7 des Vertrags, der lautete:

„Der Pächter verpflichtet sich

ausdrücklich, da- Geschäft bis zum Schluffe der Pachtzeit ordnungs­

gemäß zu führen und darf dasselbe nicht früher selbst verlassen", das Geschäft weiter führten. Als sich die Beklagten dessen weigerten, klagte er auf Zahlung des vereinbarten Pachtzinses bis zum 1. Oktober 1908, von welchem Zeitpunkt ab er die Geschäftsräume anderweit vermietet hatte, und auf Ersatz des Schadens, der ihm durch den

Nichtbetrieb des Geschäfts in der Zwischenzeit und die dadurch ver­ ursachte Wertminderung deS Grundstücks entstanden sei. DaS Landgericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung deS ge­

forderten Zinses, jedoch nur bis zum 1. Juli 1908, und wies den Anspruch auf Schadensersatz wegen mangelnder Substanziierung ab. DaS Berufungsgericht verurteilte die Beklagten auch zur Zahlung

des Zinses für die Zeit vom 1. Juli bis 1. Oktober 1908 und er­ klärte den Schadensersatzanspruch für dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen, soweit sie die Verurteilung zur Zahlung von Pachtzinsen betraf, dagegen wurde dar Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als es den Schadensersatz-

anspruch wegen Unterlassung deS Geschäftsbetriebs für gerechtfertigt erklärte. Aus den Gründen: „Dagegen rügt die Revision mit Recht, daß da- Berufungs­

gericht nicht näher geprüft hat, ob die Beklagten die Nichterfüllung der Verpflichtung des § 7 des Vertrag- zu vertreten haben, obwohl eine besondere Veranlassung zur Prüfung dieser Frage gegeben war

durch die schon in erster Instanz geltend gemachten Einwendungen

der Beklagten, daß sie vor Annahme der Erbschaft und während der

Frist des § 2014 BGB. zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit nicht verpflichtet und mangels der polizeilichen Genehmigung zum Schank­

betrieb auch nicht in der Lage gewesen wären.

Diese Einwendungen

sind auch zum Teil berechtigt. Der Erbe, dem noch die Ausschlagungsfrist läuft, gerät nicht

schon dadurch in Leistungsverzug, daß er eine ihm gegenüber außer­ gerichtlich geltend gemachte Forderung eines Nachlaßgläubigers un­ befriedigt läßt.

Dies ist mit Strohal (Komm, von Planck, 3.Aufl.,

Anm. 1 zu 8 2017 BGB.) und mit Herzfelder (der D. Jur.-Z. 1905 Sp. 62 die Gegenmeinung vertreten hatte), bei Staudinger, 5./6. Aufl., Anm. 1 zu 8 1958 BGB. gegen Müller, D. Jur.'Z.

1905 Sp. 687, und Kipp, Erbrecht, 4./5.Aufl., § 50 Anm. 7 (S. 126)

anzunehmen. Das Gegenteil kann nicht daraus gefolgert werden, daß 8 1958 BGB. nur von der gerichtlichen Geltendmachung des

gegen den Nachlaß gerichteten Anspruchs spricht und daß 8 1959 Abs. 3 einem Rechtsgeschäfte, das gegenüber dem Erben als solchem vorgenommen werden muß und das vor der Ausschlagung dem Ausschlagenden gegenüber vorgenommen ist, auch nach der Aus­

schlagung Wirksamkeit gibt.

Denn vor Annahme der Erbschaft fehlt

es, sofern nicht ein Nachlaßpfleger bestellt ist, an einer zur Erfüllung der Nachlaßverbindlichkeiten berufenen Person. Der Erbe ist vor

Annahme der Erbschaft zur Sorge hierfür nicht verpflichtet; seine Befugnis, wirksam über Nachlaßgegenstände zu verfügen, ist beschränkt:

8 1959 Abs. 2 BGB.

Dem Nachlaßgläubiger steht gegen ihn ein

Anspruch überhaupt nicht zu (Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 60 S. 179).

Der Nachlaßgläubiger kann die ihm hierdurch drohenden

Nachteile durch deu Antrag auf Bestellung eines Nachlaßpflegers

gemäß § 1961 vermeiden.

Danach haften die Beklagten für den

Schaden nicht, der dem Kläger entstanden ist durch den Nichtbetrieb des Geschäfts bis zu dem Zeitpunkte, mit dem die Frist zur Aus­ schlagung der Erbschaft für die Beklagten ablief, oder mit dem sie

die Erbschaft angenommen haben. Sie haften aber auch ferner nicht für den Schaden, der ent­ standen ist durch den Nichtbetrieb der Schankwirtschaft bis zu dem Zeitpunkte, wo sie die Genehmigung zum Schankbetriebe hätten er­

lange» können.

Auf die Konzession, die dem früheren Inhaber des

Geschäft-B. erteilt worden war, durften sie nach § 33 GewO, da-

Schankgewerbe nicht betreiben.

Die Einwilligung, die B. dem Erb-

lasier der Beklagte» gegeben hatte, da- Schankgewerbe einstweilen auf seine Konzession zu betreiben, war nichtig (Errtsch. de- RG.'S in

Zivils. Bd. 63 S. 145).

Die Verpflichtung, die Genehmigung zum

Schankbetriebe nachzusuchen, lag nicht dem Kläger, wie die Beklagten

behauptet haben, sondern ihnen selbst ob, aber erst vom Augenblicke

der Annahme der Erbschaft oder de- Ablauf- der Ausschlagung-frist ab. Ob die Beklagten, solange sie der Genehmigung zum Betriebe der Schankwirtschast entbehrten, doch im übrigen da- Geschäft hätten

weiter führen müssen, wird zu prüfen sein. Ob die Beklagten auch für dm Schaden nicht hafte», der dem

Kläger durch Unterlassen der Fortführung de- Geschäft- innerhalb de- Zeitraum- entstanden ist, während dessen den Beklagten die Frist de- § 2014 BGB. lief, hängt von der Beantwortung der zweifel­

haften und streitigen Frage ab, ob die Geltmdmachung der „auf­ schiebenden Einreden" der §§ 2014, 2015 BGB. die Verzug-folgen au-schließt. Der erkennende Senat »entehrt diese Frage in Über­

einstimmung mit der Meinung, die von Ecciu- bei Gruchot Bd. 43 S. 607, Bd. 44 S. 899, Sb. 49 S. 156/157 aufgestellt, von Herz, selber, D. Jur.-Z. 1905 Sp. 61/62 und bei Staudinger, Komm.

5 /6. Aufl., Anm. 1 zu 88 2014, 2015, Müller, D. Jur.-Z. 1905 Sp. 685, Fuchs im Recht 1905 Sp. 339 und 425, Kretfchmar, Erbrecht § 73 S. 354, RGRKomm. Anm. 4 zu 8 2014 und von Friedburg, die rechtliche Natur der aufschiebenden Einreden de-

Erben, vertreten, neuerdings auch von Strohal bei Planck, Komm. 3. Aufl., Borbem. vor 88 2014 flg. (ander- Strohal, Erbrecht, 3. Aufl., Bd. 2 S. 228) aufgenommen und eingehend begründet worden

ist. ES ist zuzugeben, daß die Begründung dieser Meinung in manchen Punkten anfechtbar ist, und daß der Wortlaut des Paragraphen an

sich, wie auch die Entstehungsgeschichte, für die Gegenmeinung zu

sprechen scheinm, die zunächst allgemein geteilt wurde, aber auch noch neuerdings ftstgehaltm wird.

So u. a. von Planck, als bim Heraus­

geber der Kommentars, auch in der 3.Aufl. imGegmfatz zu Strohal, dem Bearbeiter des betreffenden Teiles, von Cosack, Lehrbuch deS

d. bürgerl. Rechts (5. Aufl.) Bd. 2 8 409 III, 2 S. 798; Dernburg-

Engelmann, Bürger!. Recht (3, Aufl.) Bd. 5 8 168 zu VI, S. 485;

Neumann (». Aufl.) Anm. 2a zu § 2014; Kipp, a.a.O. § 81IV, S. 208.

Die Gegenmeinung hat auch eine eingehende Begründung

gefunden in der Dissertation von v. Winterfeld, Die aufschiebenden Einrede« der Erben und der Leistungsverzug. Aber weder der Wortlaut de- Gesetze- noch seine Entstehungs­ geschichte zwingen zu der Annahme, daß der Leistung-verzug durch die Geltendmachung dieser Einreden ausgeschloflen werde. Die Be­ stimmungen der 88 2014, 2015 sind int Zusammenhänge mit denen der 88 305 und 782 ZPO. zu würdigen, die aus den Beratungen

derselben für die zweite Lesung de- Bürgerlichen Gesetzbuchs berufenen In diesem Zusammenhänge lassen sich die Bestimmungen der 88 2014, 2015 sehr wohl dahin verstehen,

Kommission hervorgegangen sind.

daß der Erbe während jener Fristen nur berechtigt sein soll, das endgültige Ausscheiden von Nachlaßgegevständen aus der Nachlaß­ masse zu verweigern und zu verhüten, ohne daß damit die Haftung, wenigstens der Nachlaßmasie, für die durch die Nichterfüllung der

Nachlaßverbindlichkeiten den Gläubigern erwachsenden Nachteile aus­

geschlossen wird.

Daß die Mehrheit der Kommission (f. Prot. Bd. 5

S. 790/791) der Meinung war, es empfehle sich, den von diesen Einreden Gebrauch machenden Erben nicht die BerzugSfolgen tragen

zu lassen, kann um so weniger von entscheidender Bedeutung sein, als die Mehrheit selbst die Frage angeregt hat, ob diese ihre Meinung

nicht in der Fassung der Bestimmungen besonders zum Ausdruck

zu bringen sei, während die Redaktionskommission, der die Prüfung dieser Frage überlassen wurde, der Anregung keine Folge gegeben

hat. Die Mehrheit der Kommission meinte den Ausschluß der BerzugS­ folgen damit zu rechtfertigen, eS wäre eine unbillige Härte für den

Erben, ihn diesen Folgen zu unterwerfen, und eS sei auch im Interesse

der Gläubiger gelegen, daß der Erbe von den Einreden Gebrauch mache, damit nicht die Gläubiger, deren Forderungen fällig wären, besser gestellt würden, als die anderen.

Ein Interesse daran, daß der

Erbe von diesen Einreden Gebrauch mache, haben jedoch die anderen Gäubiger nur dann, wenn der Nachlaß zur Befriedigung sämtlicher Nachlaßverbindlichkeiten einschließlich der durch den Verzug entstandenen

nicht ausreicht.

Reicht der Nachlaß hierzu aus, so hat nur der Erbe

ein Interesse an der Geltendmachung der Einredm.

Und diese-

Interesse ist sicherlich dann kein berechtigte-, wenn er erkennt oder

doch bei genügender Sorgfalt erkennen müßte, daß der Nachlaß zur

Erfiillung sämtlicher Nachlaßverbindlichkeiten nicht hinreicht.

Weder

8 226 noch § 242 BGB. würden, von seltenen Ausnahmefällen

abgesehen, den Gläubiger schützen, wenn der Erbe auch hier die Ein­

reden der §8 2014, 2015 geltend machen könnte, ohne die Verzugs­ folgen fürchten zu müssen. Das Gesetz aber macht keinen Unterschied, ob die Erbmasse zur Deckung der Nachlaßschulden hinreicht oder nicht.

Ist der Nachlaß zwar hinreichend, läßt sich die- aber vom

Erben trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht übersehen, so muß der Erbe allerdings im Interesse der anderen

Gläubiger und um sich vor der persönliche» Inanspruchnahme, vgl. 88 1978, 1979 BGB., zu schützen, die Berichtigung der Nachlaß­ verbindlichkeiten einstweilen verweigern. Aber keineswegs ist es un­ billig, dem Erben, der ja beim Gebrauche der gesetzlichen Mittel zur

Beschränkung seiner Haftung nicht mit seinem persönlichen Bermögm, sondern nur mit der Nachlaßmasse hastet, die Folgen der Nicht­ erfüllung einer an sich zu Recht bestehenden Verbindlichkeit auf­ zuerlegen. Die Unübersichtlichkeit de- Nachlasses wird häufig vom

Erblasser verschuldet sein.

Aber selbst wenn dies nicht der Fall ist,

entspricht es durchaus nicht nur der Billigkeit, sondern auch den un­

bedingten Anforderungen eines ordnungsmäßigen Verkehrs, daß nicht der Nachlaßgläubiger sondern der Erbe die nachteiligen Folgen dieser

Unüberstchtlichkeit trägt. Die Rechtsfälle, in denen sich die Rechtsprechung der OberlandeSgerichte mit der hier erörterten Frage zu befassen hatte, ließen,

soweit ermittelt, mit einer unten zu erwähnenden Ausnahme die Bedeutung und Tragweite der Frage nicht genügend erkennen.

Es

handelte sich hierbei nur um die Frage, ob der Erbe, der von den Einreden der 88 2014, 2015 Gebrauch macht, damit im Sinne des

8 93 ZPO. zur Erhebung der Klage des Nachlaßgläubigers Ver­

anlassung gibt.

Dies ist vom Kammergericht (Rechtspr. OLG. Bd. 2

S. 388, Bd. 3 S. 131 und 434, Bd. 18 S. 318) und vom Ober­

landesgerichte BreSlau (Zeitschr. der Anwaltskammer Breslau 1905 S. 11) verneint, dagegen von den Oberlandesgerichten Marienwerder (Jur. Monatsschr. für Posen 1906 Bd. 9 S. 97) und Jena (Bl. für

RechtSpfl. in Thür. 1908 S. 193) bejaht worden.

Auch die in der

Wissenschaft mehrfach erörterte Frage der Verzugszinsen ist nicht von

gleicher Bedeutung wie die, ob der Erbe für den durch die unter­

lassene Erfüllung während der Fristen der §§ 2014, 2015 ent­

standenen Schaden haftet, d. h. sowohl für den Schaden wegen ver­

zögerter Erfüllung, als auch wegen nunmehr eingetretener Unmög­ lichkeit der Erfüllung. Die Nichteinlösung eines Wechsels zum Fälligkeitstermine, die Nichterfüllung eines LiefemngSvertragS durch

die Erben können den wirtschaftlichen Zusammenbruch deS Nachlaß­ gläubigers herbeiführen.

Ein Rechtfall, in dem die Berufung auf

die Einrede des § 2014 BGB. eine schwere Schädigung des Gläubigers

zur Folge hatte, ist Gegenstand des Urteils des OberlandeSgerichtS BreSlau (angef. Zeitschr.

1902 S. 43).

Der Erbe ist dort für

schadensersatzpflichtig erklärt worden, doch ohne daß zu der hier

streitigen Frage grundsätzlich Stellung genommen wäre. Ist in solchen Fällen die Anerkennung der Schadensersatzpflicht des Erben ein un­ abweisbares Bedürfnis, so kann auch die aus der hier vertretenen

Meinung zu ziehende Folgerung kein Bedenken erregen, daß der Erbe bei Geltendmachung der Einreden die für den Fall der Nichterfüllung oder der nicht rechtzeitigen Erfüllung vereinbarte Vertragsstrafe zu

zahlen hat (». Winterfeld, a. a. O. S. 50/51). strafe dient einem

Denn die Vertrags­

berechtigten Jntereste des Gläubigers und kann

sofern sie nicht von einem Kaufmann im Betriebe seines HandelsgewerbeS versprochen ist, nach § 343 BGB. auf den diesem be­

rechtigten Interesse entsprechenden Betrag ermäßigt werden. Aber auch dann, wenn der Nachlaß zur Befriedigung sämtlicher Nachlaßforderungcn nicht hinreicht — und nur diesen Fall scheint

die Mehrheit der Kommission im Auge gehabt zu haben —, führt nur die hier vertretene Meinung zu einem befriedigenden Ergebnis. Der Erbe wird und muß alsdann von den ihm zustehenden Ein­

reden Gebrauch machen, sofern es nicht irrtümlich den Nachlaß für ausreichend hält.

Macht er davon Gebrauch, so bleibt der Nachlaß

zur gleichmäßigen Befriedigung aller Nachlaßgläubiger zur Verfügung.

ES wird verhindert, daß der Gläubiger, dessen Forderung fällig ist, voll befriedigt werde, während andere später sich meldende Gläubiger leer auSgehen. Aber auch der Gläubiger, der an Stelle seiner ursprüng­

lichen Forderung eine Schadensersatzforderung geltend macht, oder dessen Forderung durch die verzögerte Erfüllung sich um den Betrag

der hierdurch entstandenen Schaden- vermehrt hat, wird nicht schlechter

gestellt als die anderen Gläubiger. Nachlaßglänbigern hintanzusetzen,

wie

Ihn gegenüber den sonstigen die- vom Standpunkte der

Gegenmeinung aus geschehen müßte, obwohl seine Forderungen, auch

wenn sie auf Verzugszinsen und Vertragsstrafen gerichtet sind, im

Konkurse gleichberechtigt sind mit den sonstigen nicht bevorrechtigten

Konkursforderungen, dazu fehlt jede innere Berechtigung.

ES würde

die- einer billigen Ausgleichung der Interessen deS Erben, seiner Gläubiger und der Nachlaßgläubiger widerstreben, die nach der Denk­

schrift zu dem dem Reichstage vorgelegten Entwürfe des BGB. (zu

Buch 5 VI, 4) mit diese» Bestimmungen und den ergänzenden der

ZPO. beabsichtigt war. Eine Schädigung der übrigen Nachlaßgläubiger tritt allerdings ein, wenn der Erbe den andringenden Gläubiger befriedigt und irrtümlich angenommen hatte, auch den Umständen nach annehmen

durfte, daß der Nachlaß zur Befriedigung aller Nachlaßverbindlichkeiten ausreiche, § 1979 BGB. Der Beweggrund deS Erben, durch Befriedigung des andringenden Gläubiger- die BerzugSfolgen zu ver­ meiden, kann aber hierbei irgendwelchm Einfluß nicht auSüben.

der Erbe annehmen durfte, daß der Nachlaß ausreiche, zu beurteilen.

Ob

ist objektiv

Läßt er sich durch das Bestreben, die BerzugSfolgen

zu vermeiden, zu einer voreiligen Beftiedigung eines andringenden Gläubigers verleiten, so tut er es auf seine Gefahr. Und eigene Fahrlässigkeit ist alsdann die Ursache seiner Haftung; diese Haftung enthält nichts Unbilliges.

Als begründet ist endlich auch die Rüge der Verletzung deS

§ 254 BGB. anzuerkennen.

Das Berufungsgericht nimmt an, dem

Kläger hätte nicht, wie die Beklagten wollen, zugemutet werden können, für eine anderweite Verpachtung des Geschäfts schon früher, als

er dies getan, zu sorgen, da er durch eine solche Verfügung seine Ansprüche

gegen

die Beklagte gefährdet hätte.

Anders wäre eS

vielleicht gewesen, wenn die Beklagten an den Kläger mit dem Ver-

gleichSvorschlage herangetrete» wären, daS Geschäft auf jeden Fall anderweit zu verpachten und den Prozeß weiterzuführen.

urteilung wird der besonderen Sachlage nicht gerecht.

Diese Be­

Die Beklagten

hatten die Rechtsgültigkeit des Vertrags bestritten, »nd zwar, wie zu

unterstellen, im guten Glauben.

den Vertrag gekündigt.

Sie hatten überdies für alle Fälle

Der Kläger mußte mit Bestimmtheit an-

nehmen, daß die Beklagten ohne richterliche- Urteil, dessen Erlaß vor Ablauf deS gekündigten Vertrag- schwerlich zu erwarten war, sich zur Fortführung deS Geschäft- nicht entschließen würden. Er mußte sich weiter sagen, die Übernahme deS Geschäfts durch die Be­ klagten auf eine kurze Zeit — nur da- kam allenfalls in Frage — könne ebensowenig seinen wie ihren Interessen förderlich sein, zumal wenn da- Geschäft, wie nahe lag, durch Stellvertreter geführt würde. Unter diesen Umständen war er verpflichtet, alle- zu tun, um eine anderweite Verpachtung deS Geschäft- sobald al- möglich zu bewirken. Seinen Ansprüchen gegen die Beklagten vergab er nicht-, wenn er diesen von der beabsichtigten anderweiten Verwertung deS GeschäftMitteilung machte und wenn diese hiergegen keinen Widerspruch er­ hoben. Danach ist ein mitwirkendes Verschulden deS Kläger- hin­ sichtlich deS ihm entstandenen Schaden- nicht von vornherein zu verneinen." ...

47. Wirkung der Erklärung des Konkursverwalter-, einen vom Gemeinschuldner und von dem anderen Teile noch nicht erfüllten zweiseitigen Vertrag nicht erfülle« zu wollen. Einfluß der Be­ endigung des Konkursverfahrens. KO. 88 17. 26. II. Zivilsenat. Urt. v. 12. April 1912 i.S. H. (Kl.) w. A. (Bekl.). Rep. II. 506/11. I. II.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Am 25. April 1908 kaufte der Beklagte von der Klägerin 1000 Stück Cambric, die er in Raten bi- spätesten- März 1909 abzunehmen hatte. Als am 12. Mai 1909 über sein Vermögen daKonkursverfahren eröffnet wurde, war die Abnahme erst zu einem kleinen Teile erfolgt. Die Klägerin meldete eine Schadensersatz« forderung von 14470 JH, wegen angeblich ohne Grund verweigerter Abnahme de- Reste- der Ware zum Konkurse an. In der An­ meldung bemerkte sie, daß die Schaden-ersatzforderung fortfallen würde, wenn der Konkursverwalter den Rest der Ware gegen Zahlung Entsch. in Zivil!. N. F. 29 (79)

14

des vereinbarte» Preise- abnähme. Die Forderung wurde im Prüfung-termine vom Verwalter bestritten, und die Klägerin erhob gemäß § 146 Abs. 2 KO. die Klage auf Feststellung. Demnächst kam ein recht-kräfliger Zwang-vergleich zustande, wonach die nicht­ bevorrechtigten Gläubiger 28% ihrer Forderungen erhalten sollten. Infolgedessen wurde da- Konkursverfahren aufgehoben, der Beklagte trat an Stelle de- Konkursverwalter- in den Prozeß ein, und die Klägerin beantragte nunmehr, den Beklagten zur Zahlung der auf die angemeldeten 14470 Jl entfallenden Zwangsvergleichssumme von 4051,60 M nebst Zinsen zu verurteilen. DaS Landgericht wie- die Klage ab. In der Berufungsinstanz begründete die Klägerin ihre Schadensersatzforderung damit, daß einmal der Beklagte schon vor Eröffnung des Konkurses die Restabnahme ohne Grund verweigert, daß sodann der Konkursverwalter durch sein Verhalten zu erkennen gegeben habe, die vollständige Erfüllung des Kaufvertrages verweigern zu wollen, und daß endlich der Beklagte nach Aufhebung des Kon­ kurses die Abnahme des Restes der Ware wiederum ohne Grund abgelehnt habe. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Dagegen wurde der Revision stattgegeben und die Sache an das Berufungsgericht

zurückverwiesen. AuS den Gründen: „DaS Berufungsgericht geht davon aus, daß man in dem Ber» halten de- Konkursverwalter- möglicherweise die Erklärung habe finden können, den zur Zeit der Konkurseröffnung sowohl vom Gemein­ schuldner (dem Beklagten), wie von dem anderen Teile (der Klägerin) erst teilweise erfüllten, zweiseitigen Vertrag vom 25. April 1908 nicht erfüllen zu wollen (§ 17 KO.), und daß infolgedessen die im Konkurs angemeldete Schadensersatzforderung von 14470 Jl der Konkurs­ masse gegenüber vielleicht begründet gewesen sei (§ 26 das.). Es meint aber, diese Schadensersatzforderung habe sich dadurch erledigt, daß nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsvergleichs die Auf­ hebung des Konkursverfahren- erfolgt sei. Die Klageforderung könne jetzt nur noch au- einem vertragswidrigen Verhalten des Gemein­ schuldners in der Zeit vor der Eröffnung oder nach der Aufhebung des Konkursverfahrens hergeleitet werden (§ 326 BGB.). Ein solches Verhalten de- Gemeinschuldners sei jedoch nicht erwiesen, die Klage sei deshalb unbegründet.

Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Voraussetzungen des § 326 GGB. nicht gegeben seien, wird von der Revision nicht

bemängelt.

Dagegen wendet sich die Revision, und zwar mit Recht,

gegen die Annahme, daß die infolge der Erfüllungsweigerung des

Konkursverwalters im Konkurse etwa begründet gewesene Schadens­ ersatzforderung der Klägerin aus § 26 KO. durch die Aufhebung des

Konkurses ihre Erledigung gefunden habe und deshalb gegen den Beklagten nicht geltend gemacht werden könne. Diese Ansicht findet namentlich in den vom Berufungsgericht angeführten Entsch. des RG.'s S. 49, Bd. 17 S. 80, Bd. 26 S. 94, Bd. 56 In diesen und in zahlreichen anderen Ent­ scheidungen (Bd. 22 S. 107, Bd. 49 S. 189, Bd. 63 S. 69, Sb. 64 S. 204, Bd. 73 S. 58) wird allerdings in Übereinstimmung mit den in Zivils. Bd. 11

S. 238 keinerlei Stütze.

Motiven der KO. (S. 86flg.) und mit der Begründung zur Novelle vom 17. Mai 1898 (S. 30) ausgesprochen, daß ein zur Zeit der Konkurseröffnung weder von dem Gemeinschuldner, noch von dem anderen Teile bereits vollständig erfüllter zweiseitiger Vertrag durch die Erfüllungsweigerung des Konkursverwalters

nicht

aufgehoben

werde, daß vielmehr infolge dieser Weigerung nur die Erfüllung des Vertrags unterbleibe, und daß aus der Nichterfüllung für den anderen

Teil eine Schadensersatzforderung erwachse, die als Konkursforderung

geltend zu machen sei.

Es ist aber nirgends davon die Rede, daß

der Vertrag trotz der Erfüllungsweigemng des Verwalters mit seinem früheren Inhalte bestehen bleibe, und noch weniger davon, daß mit

Aufhebung

des

Konkursverfahrens

Schadensersatzforderung erlösche.

die

im

Konkurse

entstandene

Wenn das Gesetz einerseits dem

Konkursverwalter die Befugnis beilegt, entweder die Erfüllung des zweiseitigen Vertrag- durch und an die Konkursmafle, oder die Nicht­ erfüllung zu wählen, und wenn es anderseits dem Bertragsgegner das Recht einräumt, den Konkursverwalter zur Vornahme der Wahl

zu nötigen und, falls dieser die Nichterfüllung wählt, Schadensersatz zu fordern, so bezweckt es damit offenbar, das Rechtsverhältnis für

alle Beteiligte

abschließend

herrschende Meinung

geht

zu regeln.

Die in

der

Rechtslehre

denn auch zutreffend dahin,

daß

die

Weigerung des Konkursverwalters, den noch von keiner Seite voll­ ständig erfüllten zweiseitigen Vertrag zu erfüllen, den Erfüllungs­

anspruch des Bertragsgegners endgültig und mit Wirkung über das 14*

Konkursverfahren hinaus in einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung verwandele, den Erfüllungsanspruch des GemeinschuldnerS dagegen endgültig auSschließe^ Hiernach hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, ob der Konkursverwalter die Erfüllung verweigert hatte, und im Bejahungs­ fälle, ob dadurch der Klägerin eine Schadensersatzforderung erwachsen war, und eS hätte, wenn es zur Bejahung auch dieser Frage gelangte, in Höhe der Zwangsvergleichssumme von 28°/0 (vgl. § 193 KO.) der Berufung stattgeben müssen (vgl. § 538 Nr. 3 ZPO.)."

48. Wann bedarf die Vollmacht zur Abschließuug eines Grundstücks­ kaufvertrags der in § 313 BGB. vorgeschriebenen Form? BGB. §§ 167 Abs. 2, 313. II. Zivilsenat. Urt. v. 12. April 1912 i. S. St. (Kl.) w. Ehel. K. (Bekl.). Rep. II. 26/12. I. n.

Landgericht Kiel. Oberlandesgerichl daselbst.

1 So namentlich die Kommentare von Jaeger, 2. Aufl. zu § 17 KO. Anm. 43flg., 49 flg.; Sarwey-Bossart, 4. Aufl. zu 8 17 Anm. 6; PetersenKleinfeller, 4. Aufl. zu § 17 Anm. 11; Wolff zu § 17 Anm 4; Willenbücher-Günther, 3. Aufl. zu § 17 Anm. 6; ferner Schellhas, Die Konkurs­ sachen in der gerichtlichen Praxis S. 302 bei und in Anm. 3; BreitlingSchöninger, Grundzüge des Konkursrechts 2.Aufl. S. 144; Voigt, Ter Einfluß des Konkurses auf die schwebenden Prozesse des Gemeinschuldners S. 117; Rintelen, Zur Frage der Nachhaltigkeit der Konkurswirkungen in Goldschmidts Zeitschr. Bd. 61 S. 148 flg., bes. S. 157 flg.; vgl. auch das auf Grund des § 16 preuß. KO. ergangene Urteil d. RG/S vom 17. Februar 1886, Rep. V 247/85, bet Bolze Bd. 2 Nr. 1999, sowie die Urteile vom 9. Juli 1892, Rep. V. 76/92, bei Bolze Bd. 15 Nr. 716; Seuffert's Arch. Bd. 48 Nr. 79, Jur.Wochenschr. 1892 (5. 371 Nr. 8, und vom 29. Juni 1898, Rep. I. 152/98, Entsch. in Zivils. Bdr41 S. 133; dag. Oetker, Über den Einfluß des Konkursverfahrens auf noch

nicht erfüllte zweiseitige Verträge, i. d. Zeitschr. f. D. Zivilprozeß, Bd. 14 S. 35; Seuffert, Deutsches Konkursprozeßrecht S. 190; Kohler, Leitfaden des Deutschen Konkursrechts S. 96; Förster-Eccius, Preuß. Privatr. 7. Aufl. Bd. 1 § 117 Anm. 3; abweichend Fitting, Reichs-Konkursrecht § 6; Hellmann, Lehrbuch des Deutschen Konkursrechts § 27. D. E.

In der notariellen Verhandlung vom 7. Januar 1910 erklärte der Bureauvorsteher Tr. in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter beider Parteien, daß er einen Kaufvertrag abschließe, inhaltS dessen die Beklagten ihre in der Gemarkung P. belegenen Grundstücke dem Kläger für den Preis von 40 500 Jl verkauften. Die Vollmacht ist enthalten in der privatschriftlichen Urkunde vom 6. Januar 1910, die der Bureauvorsteher Tr. abgefaßt hat und in der die Parteien, nachdem ein dem notariellen Vertrage vom fol­ genden Tage inhaltlich gleicher Kaufvertrag zwischen ihnen beurkundet ist, zum Schlüsse erklären: „Wir, die Verkäufer, und ich; der Käufer, bevollmächtigen hierdurch den Bureauvorsteher Tr., den notariellen Kaufvertrag mit rechtsverbindlicher Kraft für uns zu vollziehen." Die Klage auf Auflassung der Grundstücke gegen Zahlung des Kaufpreises hatte beim Landgericht Erfolg, wurde aber vom Ober­ landesgericht abgewiesen. Die Revision des Kläger- wurde zurück­ gewiesen aus folgenden Gründen:

„DaS Berufungsgericht erachtet dm notariellen Kaufvertrag vom 7. Januar 1910, auf den die Klage gestützt ist, für nicht verbindlich, weil die privatschriftliche Vollmacht vom 6. Januar 1910, auf Grund deren der Bureauvorsteher Tr. diesen Kaufvertrag erklärte, gemäß § 313 BGB. der gerichtlichen oder notariellen Urkunde bedurft hätte und mangels dieser Form nichtig sei. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß nach § 167 Abs. 2 BGB. die Vollmacht einer Form auch dann nicht bedarf, wenn sie zum Abschluß eines BeräußerungSvertrags über ein Grundstück erteilt ist. Rach seiner Auffassung stellen indes die in der privatschriftlichen Urkunde vom 6. Januar 1910 enthaltenen Erklärungen der Parteim nur ein einziges Rechtsgeschäft dar und zwar einen Kaufvertrag über Grundstücke. DaS Berufungsgericht führt in dieser Beziehung auS, daß zunächst ein fester Kaufvertrag zwischen den Parteien beurkundet sei und daß nichts darauf hindeute, dieser erste Teil der Urkunde solle nur eine Anweisung an den Bevollmächtigten über die von ihm festzustellenden Kaufbedingungen enthalten. ES nimmt ferner an, daß die unmittelbar folgende Bevollmächtigung von feiten der Verkäufer und deS Käufers nicht zwei selbständige, voneinander und vom Kauf­ vertrag unabhängige, nur äußerlich in einem Satze und im Anschluß

an den Kaufvertrag

abgegebenen

Vollmachtserklärungen

darstelle,

daß vielmehr beide Parteien sich gegenseitig zur Erteilung dieser Vollmachten verpflichtet haben und daß die Vollmachten einen Teil de- zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags selbst bilden. Weil

nun dieser Vertrag als Kaufvertrag gemäß § 313 BGB. mangels Beobachtung der dort vorgeschriebenen Form nichtig sei, so sei, schließt daS Berufungsgericht, auch die Vollmacht nichtig.

Diese Begründung entbehrt jedoch der erforderlichen tatsächlichen Grundlage insofern, als nicht einwandfrei festgestellt ist, daß die

Parteien in- dem Schriftstücke vom 6. Januar 1910 wirklich einen festen Kaufvertrag beurkunden wollten, und nicht vielmehr durch das,

was fie in dem Schriftstück als Kaufvertrag bezeichnen, den Inhalt der dem Bureauvorsteher Tr. erteilten Vollmachten näher bestimmen

wollten.

Der Ausführung des Berufungsgerichts im Eingänge seiner

Begründung, die Parteien hätten einen festen Kaufvertrag beurkundet,

steht die Ausführung am Schlüsse entgegen, daß die Parteien einig gewesen seien, mit der Errichtung der Urkunde vom 6. Januar 1910 sollten die Kaufbedingungen in derjenigen Form festgestellt werden, welche sie endgültig behalten sollten, und eS sollte ein Dritter bevoll­

mächtigt werden, um für die Parteien und an ihrer Stelle die Verein­ barungen „mit rechtsverbindlicher Kraft zu vollziehen". Dazu kommt,

daß zwar die Beklagten geltend gemacht hatten, sie seien der Meinung gewesen, einen festen Kaufvertrag abgeschlossen zu haben, weil sie den Bureauvorsteher Tr., der die privatschriftliche Urkunde ausgenommen

hatte, für einen Notar gehalten hätten, daß aber der Kläger dienicht nur bestritten, sondern auch behauptet hatte, wie er selbst, so hätten auch die Beklagten gewußt, die Kaufberedungen seien mangel-

der notariellen Form rechtsunwirksam.

Diese letztere Behauptung

ist, da das Berufungsgericht eine sie verneinende Feststellung nicht

getroffen hat, für die Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen.

Haben danach die Parteien einverständlich ihre in der Privatschrift niedergelegten Kaufverabredungen mangels der erforderlichen Form

nicht für rechtswirksam gehalten, so kann nicht angenommen werden, daß sie mit jenen Verabredungen einen festen Kaufvertrag schließen wollten.

Dann aber sind die Kaufoerabredungen als solche rechtlich

unwirksam, nicht auf Grund der § 313 BGB., sondern weil die Parteien mit diesen Erklärungen eine Verpflichtung zur Über-

tragung des Eigentums an den Kaufgegenständen nicht begründen

wollten.

Eben weil die Parteien sich bewußt waren, daß ihre Kauf­ vereinbarungen als solche mangel- der vorgeschriebenen Form nicht

rechtswirksam waren, wollten sie, wie daS Berufungsgericht feststellt, den Bureauvorsteher Tr. ermächtigen, an ihrer Stelle die Verein­ barungen mit rechtsverbindlicher Kraft zu vollziehen, wollten mithin dem Tr. eine rechtswirksame Vollmacht geben. Und indem sie sich gegenseitig zur Erteilung der Vollmacht an Tr. verpflichteten,

wollten sie damit ersichtlich in Umgehung der Formvorschrift deS

§ 313 BGB. eine gegenseitige Bindung bezüglich deS vereinbarten Kaufe- selbst herbeiführen. Eine solche Absicht der Umgehung würde nun zwar an sich die

Vollmachtserteilung noch nicht nichtig machen. Indes ist die Voll­ macht im vorliegenden Falle erteilt auf Grund eines Vertrags der Parteien, und zwar durch eine in dem Vertrage selbst enthaltene Erklärung, durch die zugleich, nach der rechtlich einwandfreien Fest­ stellung des Berufungsgerichts, der Wille der Parteien, sich gegen-

fettig zur Erteilung dieser Vollmacht zu verpflichten, zum Aus­ druck gebracht wurde. Diese gegenseitige Verpflichtung sind die Parteien eingegangen, um mittels der gleichzeitig dem Tr. erteilten

Vollmacht die Vollziehung der notariellen Beurkundung ihrer Kauf­ vereinbarungen durch den Bevollmächtigten zu sichern.

Die Eingehung

der Verpflichtung zu diesem Zwecke bedingt weiter den Willen beider

Parteien, daß eine jede der anderen gegenüber an die erteilte Voll­ macht gebunden, also insbesondere verpflichtet sein sollte, sie nicht zu widerrufen. Daraus ergibt sich aber, daß der rechtSgeschästliche Wille der Parteien dahin ging, schon durch daS formsreie Rechtsgeschäft der BollmachtSerteilung im Berhältniffe zueinander diejenige rechtliche

Bindung herbeizuführen, welche sie mittels der in derselben Urkunde

niedergelegten

Kaufvereinbarungen,

wenigstens

bezüglich

der

Be­

klagten, in Ermangelung der in § 313 BGB. vorgeschriebenen Form nicht herbeiführen konnten.

Durch den Vertrag also, wodurch sie

sich gegenseitig zur Erteilung der Vollmacht und deren Nichtwiderruf

verpflichteten, wollten die Parteien sich mittelbar als Käufer und

Verkäufer binden, insbesondere wollten sich die Bellagten verpflichten,

das Eigentum an ihren Grundstücken dem Kläger zu übertragen. Und zwar waren die gegenseitigen Pflichten der Parteien als Käufer und Verkäufer bereit- vollständig festgelegt m den Kaufberedungen, zu deren rechtsverbindlicher Vollziehung Tr. bevollmächtigt wurde, so daß der letztere bezüglich des Inhalts des Kaufvertrags lediglich als Vertreter in der Erklärung des Parteiwillens in Betracht kommen

konnte.

Wollten aber die Parteien durch ihren auf Erteilung und

Nichtwiderruf der Vollmacht gerichteten Vertrag sich binden, wie

wenn sie einen Kaufvertrag über die Gmndstücke der Beklagten bereits abgeschlossen hätten, sollte mithin ihr Vertrag nur den in eine andere

rechtliche Form eingekleideten Kaufvertrag enthalten, so ist der Ver­

trag mangels Beobachtung der in § 313 BGB. vorgeschriebenen Form nichtig (vgl. Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 50 S. 163flg.,

Bd. 62 S. 337, Bd. 76 S. 183). Wenn nun auch die Gültigkeit einer Vollmacht-erteilung an sich nicht abhängig ist von dem ihr zugrunde liegendm Rechtsverhältnisse, so kommt doch hier in Betracht, daß ein und dieselbe Erklärung der

Parteien in der privatschriftlichen Urkunde vom 6. Januar 1910 zu­ gleich die vertragliche gegenseitige Verpflichtung der Parteien zur Vollmachtserteilung und die letztere selbst enthält. Und zwar ist die Vollmacht dadurch erteilt, daß jede Partei der anderen gegenüber dje

Erklärung abgab, sie bevollmächtige den Bureauvorsteher Tr.

Eine

in dieser Weise erfolgte Vollmachtserteilung aber ist derart von der

vertraglichen Abmachung der Parteien abhängig gemacht und hiermit

dergestalt zu einer Einheit verbunden, daß sie unabhängig von der Ungültigkeit des Vertrags, insbesondere dem Vertragsgegner gegen­ über, für sich allein nicht zu Recht bestehen kann."

49.

Tritt die Partei zu den Beamten der Betteilung-stelle für

Gerichtsvollzieheraufträge, deren Vermittelung sie in Anspruch nimmt, in ein BertragSverhältviS?

Preuß. Gerichtsvollzieherordnung vom 31. März 1900 (JMinBl. S. 345) § 49.

III. Zivilsenat. Urt. v. 12. April 1912 i.S. B.(Kl.) w. K. u. Gen. (Bell.).

Rep. III. 244/11.

I. II.

Landgericht Düsseldorf.

Oberlandesgericht daselbst.

Die Klägerin forderte von zwei Gerichtsvollziehern und von

dem Justizfiskus Ersatz des Schadens, der ihr durch Verzögerung der

Zustellung einer Pfändungsaukündigung entstanden war. Der Gerichts­ vollzieher K., der als zweiter Beamter der Verteilungsstelle für GerichtSvollzieherausträge bei dem AmStgericht D. beschäftigt war,

hatte als solcher die zuzustellenden Schriftstücke am 23. November 1906 mittags gegen 1 Uhr in Empfang genommen.

Er wurde haftbar gemacht, weil er unterlasien habe, noch an demselben Tage selbst die

Zustellung zu bewirken. DaS Landgericht verurteilte den Beklagtm K.; das Berufungsgericht wies dagegen die Klage gegen ihn ab.

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Aus den Gründen: „DaS Berufungsgericht hat die Klage gegen den Gerichtsvoll­ zieher K. abgewiesen, weil dieser zu bet Klägerin in kein VertragSverhältnis getreten sei. Er hafte daher nur aus § 839 BGB. Diese

Haftung könne aber, da ihm nur Fahrlässigkeit zur Last falle, nach Abs. 1 Satz 2 dieses Paragraphen nicht geltend gemacht werden. Denn der Klägerin stehe ein Ersatzanspruch wegen ihres Schadens

gegen den mit dem Erlasse der Pfändungsankündigung beauftragten Rechtsanwalt W. zu, da auch diesen, oder doch seine Bureaubeamten, für die er nach § 278 BGB. einzustehen habe, ein Verschulden wegen

der Verzögerung der Zustellung treffe. Die Revision rügt, daß das Berufungsgericht zu Unrecht eine

vertragliche Haftung des Beklagten K. verneint habe.

Der Auftrag

sei der BerteilungSstelle, deren Beamter K. gewesen, erteilt

ES

habe ein Zwang zur Annahme der Auftrags bestanden; der Antrag

sei auch angenommen, aber unrichtig ausgeführt.

Diese Rüge geht

fehl; sie scheidet nicht, wie notwendig geschehen muß, zwischen den

Aufgaben deS Gerichtsvollziehers und denen der Verteilungsstelle für GerichtSvollzieherausträge.

Dieser BerteilungSstelle,

wie

sie

§ 49 Nr. 1 GBollzO. bei jedem Amtsgericht einzurichten ist,

nach

für

dessen Bezirk mehrere Gerichtsvollzieher bestellt sind, liegt es lediglich

ob, solche Aufttäge in Parteisachen, bei denen eine Vermittelung des

Gerichtsschreibers nicht zugelassen ist, entgegenzunehmen und an den

zuständigen Gerichtsvollzieher zu befördern (§ 49 Nr. 2).

Sie über-

nimmt nicht selbst die Erledigung der dem Gerichtsvollzieher zu über­ mittelnden Aufträge.

Das Gegenteil ist auch nicht aus der Be­

stimmung des § 51 Nr. 1 GBollzO. zu folgern, wonach die Er­ teilung deS Auftrags an die Verteilungsstelle unter Aushändigung der zur Ausführung des Auftrags erforderlichen Schriftstücke die

gleiche Wirkung hat, als ob der Auftrag dem zuständigen GerichtsVollzieher unmittelbar erteilt wäre.

Diese Bestimmung bezieht sich

vielmehr auf die Wirkungen de- dem Gerichtsvollzieher erteilten Auf­

Die Verteilungsstelle ist eine Einrichtung des Gerichts, ihre Geschäfte werden (§ 49 Nr. 1) einem oder mehreren Gerichtsschreibereibeamten übertragen. Die Ber-

trag- nach §§ 167, 754, 755 ZPO.

teilungSstellen als solche, nicht ihre einzelnen Beamten, übernehmen die Vermittelung deS Verkehrs der Partei mit dem Gerichtsvollzieher. In ein Vertragsverhältnis zu ihnen tritt daher die Partei ebenso

wenig, wie zu dem Gerichtsschreiber, dessen Vermittelung sie sich in den Fällen der §§ 166 flg. ZPO. bedient (vgl. über die Stellung deS Gerichtsschreibers Entsch. des RG.'s Bd. 17 S. 391, Bd. 46 S. 323, Bd. 47 S. 397).

Der Beklagte K. war im November 1906 als zweiter Beamter, Zugleich

Bureauhilfsarbeiter, bei der BerteilungSstelle beschäftigt.

war er durch Verfügung deS aufsichtführenden Richters dazu bestellt, eilige der Verteilungsstelle zugehende Aufträge, die aus irgend einem Grunde nicht rechtzeitig in die Hände des zuständigen Gerichtsvoll­

ziehers gelangen oder von diesem nicht mehr rechtzeitig erledigt werden

könnten, seinerseits auszuführen.

Jedoch sollte er hierzu vorher die

Zustimmung des ersten Beamten der Verteilungsstelle einholen.

Er

war also zunächst Beamter der Verteilungsstelle, hatte aber unter

bestimmten Voraussetzungen auch den Dienst eines Gerichtsvollziehers zu versehen.

Er hat nun am 23. November auf der Verteilungs­

stelle die von einem Schreiberlehrlinge des Rechtsanwalts W. über­ brachten zuzustellenden Schriftstücke in Empfang genommen, den Ein­ gangsstempel darauf gedrückt und sie in da- Fach des zuständigen

Gerichtsvollziehers gelegt.

Diese Handlungen sind solche, welche er

als Beamter der Verteilungsstelle vorzunehmen hatte, § 49 Nr. 2,

§ 51 Nr. 1 Satz 2, § 52 Nr. 2 GBollzO. Aufgabe der Berteilungs­

stelle war es auch, die Erledigung deS Auftrags nötigenfalls einem anderen, als dem zuständigen Gerichtsvollzieher zu übertragen, § 49

Nr. 4.

ES fiel daher auch in den Tätigkeitskreis deS Beklagten K. die Ge­

in seiner Eigenschaft als Beamter der Verteilungsstelle,

nehmigung deS ersten Beamten dazu nachzusuchen, daß er die als

eilig bezeichnete Zustellung selbst vornehme.

Handelte er, wie das

Berufungsgericht annimmt, schuldhaft, indem er dies unterließ, so

beging er dies Verschulden nicht als Gerichtsvollzieher, sondern als Beamter der Berteilungsstelle.

AlS Gerichtsvollzieher ist der Beklagte K. weder tätig geworden, noch hat er überhaupt den Auftrag zur Zustellung in dieser seiner

Eigenschaft als Gerichtsvollzieher erhalten oder angenommen. Übrigens würde ein Vertragsverhältnis auch dann nicht entstanden fein, wenn K. die Annahme des ihm zugegangenen Auftrag- pflicht­ widrig abgelehnt hätte."...

Was ist unter „Ausschreibung" vou Einzahlungen (Zubußen) im Sinne der Tarifnr. Id Abs. 2 des ReichsstempelgeseyeS vom 50.

15. Juli 1909 zu verstehen?

Wann ist die Ausschreibung als er­

folgt anzunehmen?

V1L Zivilsenat. Urt. v. 12. April 1912 i.S. Gewerksch. S.-W. (Kl.) w. sachs.-weimarsch. FiSkuS (Bekl.). Rep. VII. 493/11. I. II.

Landgericht Weimar. Oberlandesgericht Jena.

Die am 14. September 1908 abgehaltene Gewerkenversammlung der klagenden Gewerkschaft beschloß die Bewilligung einer Zubuße

von 2500 Jt für jeden Kux,

„ einziehbar nach Bedarf im Ermeffen

deS Grubenvorstandes, sofern eS dem Vorstande nicht gelingt, durch

Aufnahme einer Anleihe oder Ausdehnung des Bankkredits die Ge­

werken von der Zubnßeverpflichtung zu entlasten".

Durch Rund­

schreiben vom 16. September 1908 machte der Grubenvorstand den Gewerken Mitteilung von diesem Beschluß und forderte sie vorläufig zur Einzahlung von 1000 Jt Zubuße auf den Kux auf.

Hiervon

wurden je 500 Jt zu dem dafür bestimmten Zeitpunkte, dem 1. Ok­ tober 1908, eingezahlt.

Die für die beiden anderen Teilbeträge von

je 250 Jl bestimmten Zahlungstermine wurden mehrfach hinauSgeschoben; ihre Einzahlung fand am 1. Februar und am 1. April

1909 statt.

Inzwischen hatte der Vorstand an die Gewerken ein

Rundschreiben vom 9. November 1908 gerichtet, worin eS heißt: „Der Grubenvorstand hat beschlossen, schon jetzt Ihnen die Zahlungs­

termine für weitere Zubußen bekannt zu geben, und schreibt hiermit

drei Raten von je 500 Jl zum 15. März, 15. Juni und 1. Oktober nächsten JahreS aus." Auch diese Zahlungstermine wurden mehrfach verschoben.

Durch Rundschreiben vom 15. Oktober 1909 teilte der

Vorstand den Gewerken mit, daß eine Erhöhung deS bereits ge­

währten Kredits von den Banken nicht zu erlangen sei und daß deshalb der Vorstand genötigt sei, weitere 500 Jl von der be­ schlossenen Zubuße auf den Kux einzuziehen. Die entsprechenden

Einzahlungen erfolgten am 15. November 1909, sie betrugen zu­

sammen 450000 Jl. Hiervon sind 18500 Jl Reichsstempelabgabe erfordert und von der Klägerin am 10. Dezember 1909 unter Vor­ behalt bezahlt worden. Mit der vorliegenden Klage wird Zurück­ zahlung von 9000 Jl nebst 4% Zinsen seit dem genannten Tage gefordert. DaS Landgericht hat den verklagten FiSkuS diesem Begehren

gemäß verurteilt. Auf Berufung deS Beklagten hat aber das OberlandeSgericht die Klage abgewiesen. zurückgewiesen worden.

Die Revision der Klägerin ist

AuS den Gründen:

„Gegenstand des Streites ist die Frage, ob die am 15. No­

vember 1909 von den Gewerken der Klägerin eingezahlten Zubußen

von zusammen 450000 Jl der Stempelabgabe aus Tarifnr. Id (früher lc) Abs. 2 RStempGes. noch nach dem geringeren Satze von 1 v.H. gemäß den Gesetzesfafsungen vom 14. Juni 1900 (RGBl.

S. 275) und vom 3. Juni 1906 (RGBl. S. 695), oder schon nach dem höheren Satze von 3 v. H. gemäß der Gesetzesfassung vom 15. Juli

1909 (RGBl. S. 833) unterliegen.

Daß eS sich bei jenen Zubußen

um Einzahlungen handelt, auf die die genannte Tarifnummer über­ haupt Anwendung zu finden hat, begegnet keinem Bedenken und ist auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen, wie denn auch die

Klägerin schon in den Borinstanzen die Zurückzahlung nur bezüglich deS durch das letztgenannte Gesetz verordneten Mehrbetrags der Ab-

gäbe, nicht auch bezüglich deS den beiden älteren Gesetzen entsprechenden Stempelbetrags gefordert hat.

Ausnahmsweise ist die Abgabe nach

der Gesetzesvorschrift nicht z« erheben, soweit die Einzahlungen zur

Deckung von Betriebsverlusten dienen oder zur Erhaltung deS Betriebs in seinem bisherigen Umfange bestimmt sind und verwendet werden. Auch von diesen beiden Ausnahmefällen liegt aber hier unstreitig

keiner vor.

Dem

höheren Abgabesatze von 3 v. H. sind die in Betracht

kommenden Einzahlungen dann unterworfen,

wenn

sie nach dem

1. August 1909 ausgeschrieben sind (Tarifnr. Id Abs.2 in der Fassung

vom 15. Juli 1909).

ES bedarf für den vorliegenden Fall nicht

der Erörterung, ob sich nicht hier in das Gesetz, wie auch schon in dessen ältere Fassungen, ein ungenauer Ausdruck eingeschlichen hat und ob nicht an der angegebenen Stelle statt: „nach dem 1. August 1909", entsprechend dem wirklich gewollten Sinne gelesen werden muß: „nach dem 81. Juli 1909", da ja das neue Gesetz, abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Scheckstempel, am 1. August

1909 bereit- in Kraft war (§ 107).

Denn eine etwa gerade am

1. August 1909 erfolgte Ausschreibung der Einzahlungen kommt nicht

in Frage.

Die Ausschreibung der Zubußen ist nicht gleichbedeutend mit ihrer Beschließung.

Unter der Ausschreibung muß man nach dem

natürlichen und der BerkehrSauffassung entsprechenden Sinne dieses Worte- die Einforderung der beschlossenen Beiträge, die Aufforderung zu ihrer Einzahlung in oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkte,

verstehen.

Daß hiervon auch das Gesetz ausgeht, ist aus Abs. 3 der

Tarifnr. Id zu erkennen, wo für die (der Gewerkschaft auferlegte)

Entrichtung des Stempels eine zweiwöchige Frist „nach dem von der Gewerkschaftsvertretung festgesetzten Einzahlungstage"

bestimmt

ist mit der durch da- neue Gesetz hinzugefügten Maßgabe, daß, „so­

fern die Zahlung zu diesem Zeitpunkte nicht eingegangen ist", die zweiwöchige Frist von dem Eingänge der Zahlung zu rechnen ist.

Freilich kann die Aurschreibung mit der Beschließung der Beiträge verbunden werden.

Durch den Beschluß der Gewerkenversammlung

der Klägerin vom 14. September 1908 ist dies aber nicht geschehen. Nicht nur ist in diesem Beschluß ein Zeitpunkt für die Einzahlung nicht festgesetzt, sondern der Beschluß hat die Frage, ob überhaupt,

und damit auch wanu die an sich bewilligten Zubußen tatsächlich ein­ gezogen werden sollten, völlig im Ungewissen gelassen, sie ausdrücklich

„nach Bedarf" in das „Ermessen deS Grubenvorstands" gestellt und insbesondere die Ausschreibung davon abhängig gemacht, daß

„eS

dem Vorstand nicht gelingt, durch Aufnahme einer Anleihe oder

Ausdehnung deS Bankkredits die Gewerken von der Zubußeverpflichtung zu entlasten".

Der Beschluß enthielt demnach nur die Ermächtigung

deS Grubenvorstands zur Ausschreibung, nicht die Ausschreibung selbst. Ferner kommt daS Rundschreiben des Grubenvorstandes vom

16. September 1908 für den gegenwärtigen Rechtsstreit nicht in Betracht, weil e- zwar eine Zahlungsaufforderung enthält, aber nicht mit Bezug auf denjenigen Teil der bewilligtm Zubuße, um welchen

es sich hier handelt, sondern mit Bezug auf andere Teilbeträge dieser

Zubuße, nämlich mit Bezug auf die ersten 1000 Jl, deren Einzahlung in Teilen von 600, 250 und 250 M erfolgen sollte und noch vor Inkrafttreten deS Gesetzes vom 15. Juli 1909 erfolgt ist. Die in jenem Rundschreiben enthaltene Ausschreibung betrifft also nicht die Einzahlungen, über deren Berstempelung gegenwärtig zu ent­

scheiden ist. Dagegen kann der Revision zugegeben werden, daß eine Aus­ schreibung deS für den gegenwärtigen Rechtsstreit in Betracht kommenden

Zubußeteils von 500 Jl auf den Kux in dem Rundschreiben deS Grubenvorstands vom 9. November 1908 zu finden ist. Denn durch diese- Schreiben wurden den Gewerken für jene 500 Jl der 15. März 1909, und zugleich für den Rest der ganzen bewMgten Zubuße mit

ebenfalls je 600 Jl der 15. Juni und der 1. Oktober 1909 als „Zahlungstermine" bezeichnet und, sogar unter Anwendung des im

Gesetze gebrauchten Ausdrucks, mitgeteilt, daß der Grubenvorstand die genannten drei Beträge zu den angegebenen Terminen „ausschreibe".

Wäre an dieser vor dem 1. August 1909 geschehenen Ausschreibung

festgehalten worden, so würde der durch das Gesetz vom 15. Juli 1909 eingeführte höhere Stempelsatz nicht zur Anwendung kommen

können.

Allein jener Ausschreibung ist nicht nur nicht von den

Gewerken durch Einzahlung Folge gegeben

worden,

sondern der

Grubenvorstand selbst hat die zu den angegebenen Terminen erfolgte

Ausschreibung außer Kraft gesetzt, indem er die Termine verschob, und auch die hierin zu erblickende neue Ausschreibung hatte durch

erneute Verschiebung daS gleiche Schicksal.

Alle diese Einforderungen sind deshalb als nicht geschehen oder wenigstens als fallen gelassen anzusehen.

Erst daS Rundschreiben vom 15. Oktober 1909, durch

daS der Grubenvorstand den Gewerken mitteilte, daß der Versuch,

weiteren Kredit von den Banken zu erlangen, mißlungen und darum die Einziehung weiterer 500 Jl auf den Kux von der bewilligten Zubuße notwendig sei, enthielt eine Zahlungsaufforderung, die in

Kraft geblieben und der denn auch durch die zum 15. November 1909 bewirkten Einzahlungen Folge gegeben worden ist.

Bei dieser Sachlage müssen die früheren Ausschreibungen deS in Rede stehenden ZubußeteilS, soweit solche in den vor dem 1. August 1909 erlassenen Rundschreiben deS Grubenvorstands zu finden find, als beseitigt gelten, und eS ist rechtlich nicht zu beanstanden, sondern zu billigen, daß daS Berufungsgericht die maßgebende Ausschreibung

erst in dem Rundschreiben vom 15. Oktober 1909 erblickt und damit

den Tatbestand, auf den der neue Stempelsatz Anwendung zu finden hat, festgestellt hat. Die Tarifnr. Id des Gesetzes vom 15. Juli 1909 ist somit nicht, wie die Revision meint, verletzt, sondern richtig an­ gewendet." ...

51.

WaS ist unter einem nicht z« ersetzenden Nachteile zu ver­ stehen? ZPO. § 719 Abs. 2.

I. Zivilsenat. Beschl. v. 13. April 1912 i. S. Sch. (Bell.) w. M. (Kl.).

Rep. 1.139/12. I. II.

Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. Oberlandesgericht daselbst.

AuS den Gründen:

„Der Kläger hat ... ein Urteil erwirkt, wodurch der Beklagte

vorläufig vollstreckbar verurteilt

Zinsen ... zu bezahlen.

wurde, ... 19600 Jl nebst . ..

Die vom Beklagten eingelegte Berufung

wurde... zurückgewiesen und dieses Erkenntnis für vorläufig voll­ streckbar erklärt.

Der Beklagte hat Revision eingelegt und die Ein-

stellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO. beantragt.

Zur Begründung deS Antrags wird lediglich ausgeführt, daß der Kläger in Chicago ansässig ist; die Vollstreckung würde daher dem Beklagten einen unersetzlichen Nachteil bringen, da die Rückforderung

deS auf Grund des Urteils vom Beklagten Beigetriebenen im Aus­ lande verfolgt werden müßte, und der Erfolg einer etwaigen Zwangs­

vollstreckung unsicher fein müßte.

Im Gegensatze zu § 710 ZPO., der von „einem schwer zu er­ setzenden oder einem schwer zu ermittelnden Nachteile" spricht, im

Gegensatz auch zu § 917, der von einer „Vereitelung oder wesent­

lichen Erschwerung der Vollstreckung" redet und die Gefahr einer

solchen immer schon darin erblickt, daß da- Urteil im Auslande

vollstreckt werden müßte, verlangt daS Gesetz in § 719 die Glaub­

haftmachung, daß die Vollstreckung „einen nicht zu ersetzenden Nach­

teil bringen würde". Beim Vorliegen dieser Voraussetzung muß dem Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung allerdings statt­

gegeben werden, ohne Rücksicht darauf, ob das Urteil ohne oder nur gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers vorläufig vollstreckbar ist. Jene Voraussetzung nun, daß ein unersetzlicher Nachteil als

Folge der Vollstreckung glaubhaft gemacht wird, muß, wie sich aus der Gegenüberstellung der Erfordernisse in §§ 710 und 917 ergibt, in strengem Sinne auSgelegt werden.

ES muß glaubhaft gemacht

werden, daß die Vollstreckung zum Nachteile deS Revisionsklägers einen Zustand herbeiführt oder eine Wirkung auSlöst, die nachträglich

nicht wieder beseitigt oder ausgeglichen werden können. Die bloße Erschwerung der Rechtsverfolgung in den Bereinigten Staaten von

Nordamerika kann hierher nicht gerechnet werden. aber der Revisionskläger nicht behaupten.

Mehr

konnte

Sein Antrag war daher

als unbegründet ... zurückzuweisen."

52.

Zur rechtlichen Stellung der

elektrischeu

Überlaudzeulralen.

Widerrechtlicher Eiugriff in den Gewerbebetrieb eine- anderen.

BGB. §§ 823. 826.

GewO. § 10. VI. Zivilsenat. Urt. v. 13. April 1912 i. S. B. (Kl.) w. ElektrizitätSwerk deS E. (Bekl.).

Rep. VI. 371/11.

I. II.

Landgericht Gera. OberlandeSgericht Jena.

Der Kläger betreibt in Zw. eine Anstalt, die sich mit der Er­ richtung von elektrotechnischen Leitungsanlagen, besonders von An­

schlußanlagen und sog. Hausinnenleitungen, sowie mit dem Vertriebe

der dazu erforderlichen Materialien befaßt.

Die Beklagte betreibt in

B. eine ElektrizitätSzentrale, von der aus sie für eine Reihe der um ihren Sitz liegenden Ortschaften Elektrizität zur Beleuchtung und Arbeit liefert, indem sie die im Werk erzeugte Energie mittels Ber-

teilungSnetzeS den einzelnen Gemeinden und Abnehmern zuführt. Sie hat mit einer beschränkten Anzahl von JnstallationSfirmen Verträge abgeschlossen, wonach sie diesen „dar alleinige Recht zur Ausführung

von Hausinstallationen, der Lieferung von Motoren und sonstigen Stromverbrauchern nebst allem sonst noch erforderlichen Zubehör für Anlagen, die zum Anschluß an ihr Leitungsnetz kommen", je für be­ stimmt bezeichnete Orte erteilte, sich aber vorbehielt, in diesen Orten

nach alleinigem eigenen Ermessen eventuell selbst auch Installationen

auSzusühren.

Auf Energielieferungsverträge läßt sie sich nur mit

solchen Abnehmern ein, die sich bereit erklären, ihre Anschlußanlagen von diesen „konzessionierten" Installateuren Herrichten zu lassen.

An daS VerteilungSnetz der Beklagtm wurden auch die Ort­ schaften N. und T. angeschlossen.

Nachdem einige Einwohner dieser

Ortschaften wegen der Herstellung der hinter dem Elektrizitätszähler

liegenden Anschlußanlage

und

Lieferung

deS

dazu

erforderlichen

Materials sich an den Kläger gewendet hatten, bat dieser am 17. Juni 1910 die Beklagte um Mittellung ihrer Anschlußbedingungen, erhielt

aber die Antwort, daß die Beklagte nur Anlagen in Betrieb nehme,

die von den von ihr konzessionierten Installateuren auSgeführt seien. Der Kläger macht geltend, jenes Geschäftsgebaren der Be­ klagten führe zur vollkommenen Ausschaltung der freien Konkurrenz

und zu einem tatsächlichen JnstallationS- und Materialmonopül der Beklagten.

Er erblickt darin einen widerrechtlichen Eingriff in seinen

Gewerbebetrieb, eine Verletzung deS 8 10 GewO.» sowie einen Verstoß

gegen die guten Sitten.

Er erhob Klage mit dem Anträge, der Be­

klagten unter Androhung einer Strafe für jeden Zuwiderhandlungs­ fall zu untersagen, Vorschriften zu erlassen oder Handlungen vor­

zunehmen,

wodurch sein gesetzlich

«nlfti. in Btoilf. R.F. 29 (79).

gewährleistetes Recht 15

auf freie

Ausübung seiner Erwerb-tätigkeit, soweit sie sich ans die Herstellung von Anschlnßanlagen für die an das Verteilungsnetz der Beklagten anzuschließenden Abnehmer elektrischer Energie und auf die Lieferung der hierzu erforderlichen Materialien richte» in einem Maße beein­ trächtigt werde» da- über da- Interesse der Beklagten an einer be­ triebssicheren Ausführung hinauSgehe, insbesondere also die Lieferung elektrischer Energie davon abhängig zu machen» daß die Ausführung der Installationen und die Lieferung der Materialien durch die von der Beklagten bezeichnete Firmen erfolge. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen; auch die Revision deS Klägers ist zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen: ... „Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats kann ein widerrechtlicher Eingriff in den Gewerbebetrieb eine- anderen nur dann angenommen werden, wenn sich die Handlung unmittel­ bar gegen den Bestand deS Gewerbebetriebs richtet, wenn der Betrieb tatsächlich gehindert oder seine rechtliche Zulässigkeit verneint und seine Schließung oder Einschränkung verlangt wird, nicht aber schon dann, wenn die Handlung deS anderen bloß auf den Ertrag des Geschäfts nachteilig einwirkt (vgl. Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd.77 S. 217flg.). Der Revision kann darin nicht beigetreten werden» daß jene Voraussetzung im vorliegenden Falle gegeben sei. Die Beklagte hindert den Kläger an sich nicht, JnstallationSarbeiten in dm Ge­ bäuden vorzunehmen, deren Besitzer Anschluß an da- Leitungsnetz der Beklagtm wünschen» ebensowenig, ihnen die erforderlichen Materialien zu liefern. Sie bewirkt nur, indem sie diesen Personm die Lieferung elektrischm Stromes versagt, daß sie dem Kläger die JnstallationSarbeiten und die Lieferung der Materialien nicht übertragen. Da- ist kein unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb deS Klägers, sondern nur eine nachteilige Einwirkung auf den Ertrag des Geschäfts. Auf jeden Fall liegt kein widerrechtlicher Eingriff vor. Vom Standpunkte der Gewerbeordnung hat es die Beklagte vollständig in der Hand, wem und unter welchen Bedingungen sie den von ihr erzmgten elektrischen Strom liefern will, wie es über­ haupt in dem Belieben eines jeden Gewerbetreibenden steht, ob, mit wem und unter welchen Bedingungen er Kauf- und sonstige Verträge abschließm will.

Die Borinstanzen haben ferner dargelegt, daß in dem Geschäfts»

gebaren der Beklagten ein Verstoß gegen § 10 GewO, nicht ent» halten sei.

Sie führen in dieser Beziehung auS: Die Beklagte schaffe

kein ZwangS- und Bannrecht im Sinne jener Bestimmung, wenn sie

den Abnehmern elektrische Energie nur unter der Bedingung liefere, daß sie die HauSinstallationen durch die Beklagte oder die von ihr „konzessionierten" Firmen ausführen lassen, sondern nur ein, vielleicht im wirtschaftlichen Erfolg auf daS gleiche hinauslaufendes tatsäch­

liches Monopol, daS indessen sowohl hinsichtlich seiner Entstehung,

wie seiner rechtlichen Konstruktion nach sich von jenen Rechten wesent­ lich unterscheide und daher nicht unter die angezogene Bestimmung der Gewerbeordnung falle. Die Tatbestandsmerkmale eines ZwangSund Bannrechts seien hier nicht gegeben, wo jeder einzelne Energie­ abnehmer durch besonderen schuldrechtlichen Vertrag mit der Beklagten sich verpflichte, die Hausinstallation durch die Beklagte oder durch

die von ihr „konzessionierten" Firmen ausführen zu lassen, und wo jeder, der elektrische Energie anders woher beziehe oder selbst erzeuge,

die Hausinstallation durch jeden beliebigen Installateur ausführen

lassen könne.

Auch der hiergegen erhobene Angriff ist unbegründet.

Ein Zwangs- und Bannrecht ist die (in der Regel mit dem

Besitz eines Grundstücks verbundene oder einem dauernden Gemein­ wesen zustehende) Befugnis, von den Einwohnern eines bestimmten

Bezirks oder von gewissen Klassen dieser Einwohner zu verlangen,

daß sie die Anschaffung gewisser Bedürfnisse oder die Anfertigung gewisser Arbeiten bei keinem anderen bewirken, als dem Berechtigten

(Entsch. des RG.'s in Zivlls. Bd. 39 S. 150).

Es ist daher von

vornherein nicht verständlich, wenn der Kläger und mit ihm die Revision geltend macht, daß die Beklagte durch den Abschluß der

Verträge mit den von ihr „konzessionierten" Firmen für diese Zwangs­

und Bannrechte schaffe.

Denn durch den Abschluß der Verträge er­

halten diese Firmen nur Rechte gegen die Beklagte, nicht aber gegen Dritte, insbesondere nicht gegen die Einwohner eines bestimmten

Bezirks oder einzelne Klassen von Einwohnern.

Ebensowenig trifft

die Auffassung der Revision zu, daß die Beklagte Zwangs- und Bann­ rechte schaffe, wenn sie den Abnehmern nur unter der erwähnten

Bedingung elekttische Energie liefert.

Vom Standpunkte des Klägers

könnte nur in Frage kommen, ob die Beklagte selbst dadurch ein 15*

bereit- bestehendes Zwangs- oder Bannrecht auSübt.

zu verneinen.

Das ist jedoch

Der Beklagten steht nicht daS Recht zu, von bett Be­

sitzern der betreffenden Gebäude zu verlangen, daß sie die Installations­

arbeiten nur durch einen von ihr bestimmten Installateur oder von ihr selbst vornehmen lassen und die Materialien nur von diesem oder von ihr selbst beziehen.

Sie kann und will ihnen auch nicht ver­

bieten, sich an irgend einen beliebigen anderen Installateur zu wenden; daS ergibt sich schon daraus, daß sie sich jenes Recht von den

einzelnen Abnehmern vertragsmäßig ausbedingt.

Sie hat vielmehr,

und zwar auf Grund der ihr im § 1 GewO, gewährleisteten Freiheit im Betrieb ihres Gewerbes, nur daS Recht,

die Lieferung des von

ihr erzeugten elektrischen Strome- von Bedingungen abhängig zu

machen, darunter auch von der mehrfach erwähnten Bedingung.

DaS führt allerdings, weil sie im Hinblick auf das ihr von den Kommunal­ verbänden verliehene Recht zur Benutzung der öffentlichen Wege für ihren Betrieb ein

tatsächliches

Monopol

bezüglich

der Lieferung

elektrischen Stromes ausübt, tatsächlich dazu, daß ein Zwang auf die

Personen auSgeübt wird, die den Anschluß an daS Leitungsnetz der Beklagten begehren, aber doch nur deswegen, weil sie von der Be­ klagten eine Leistung erlangen wollen» zu der diese ihnen gegenüber rechtlich nicht verpflichtet ist. Ihre Rechtslage ist keine andere, als die eines jeden Gewerbetreibenden, zu dem ein anderer in ein Vertrags­ verhältnis treten will.

Diese tatsächliche Unmöglichkeit, von jedem be­

liebigen Installateur die Arbeiten vornehmen zu lassen, und die tatsäch­

liche Notwendigkeit, sich an bestimmte, von der Beklagten bezeichnete Installateure zu wenden, ist aber nicht Ausfluß einer ZwangSrechtS,

sondern Folge eines tatsächlichen ZwangszustandeS, wie er auch durch Vertrustung bestimmter Betriebszweige geschaffen werden kann.

Wenn

nun auch mit Rücksicht darauf, daß die Beklagte eine Art von tat­

sächlichem Monopol bezüglich der Lieferung elektrischen Stromes auS­ übt, die Erwerbsstände, die sich mit elektrotechnischen Installationen

sowie mit Lieferung von Installationsmaterial und Motoren befassen,

durch jener Geschäftsgebaren der Beklagten in ihrer gewerblichen Tätig­ keit wesentlich beeinträchtigt werden, so läßt sich doch nach dem Stande

der gegenwärtigen Gewerbegesetzgebung im Rechtswege eine Abhilfe nicht schaffen.

Jedenfalls liegt in dem Verhalten der Beklagten kein Ver­

stoß gegen § 10 GewO., der auf derartige gewerbliche Veranstaltungen

auch nicht etwa entsprechend anwendbar ist, so daß auf die erheblichen Bedenken gegen die Auffassung der Revision, daß diese Bestimmung ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. sei, nicht ein­ gegangen zu werden braucht. Mit Recht haben endlich die Borinstanzen auch verneint, daß die Voraussetzungen für Anwendung von § 826 BGB. und des § 1 UnlWettbewGes. gegeben seien. Ein Verstoß gegen die guten Sitten kann nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht schon deswegen angenommen werden, weil durch das Vorgehen der Beklagten zahlreiche Gewerbtreibende geschädigt werden. Das ist nur eine Folge des erlaubten wirtschaftlichen Kampfes. Auch die Vertmstung bestimmter Betriebszweige, die Errichtung großer Warenhäuser führen zu dem gleichen Ergebnis. Allerdings würde es bei dem tat­ sächlichen Monopol der Beklagten bezüglich der Lieferung elektrischen Stromes und bei der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Elektrizität auch für den einzelnen ein gegen die guten Sitten verstoßender Miß­ brauch der Vertragsfreiheit sein, wenn die Beklagte den Abnehmern unbillige und unverhältnismäßige Bedingungen vorschreiben wollte. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 62 S. 266, sowie das Urteil des erkennenden Senats vom 19./29. Dezember 1910 Rep. VI. 592/09. Die Borinstanzen haben aber zutreffend dargelegt, daß dies keines­ wegs der Fall ist. Die Abnehmer des elektrischen Stromes werden an der Person des Installateurs in der Regel überhaupt kein Interesse haben, wenn nur gut und preiswert geliefert wird. Aber auch die Beklagte hat an der guten und zuverlässigen Ausführung der hinter dem Elektrizitätszähler befindlichen Leitungen usw. ein wesentliche- Interesse, da eine mangelhafte Ausführung auf ihren eigenen Betrieb störend einwirken kann. Wenn der Kläger dieser von ihm selbst geteilten Ansicht gegenüber geltend macht, die Beklagte könne die Arbeiten überwachen und die Abstellung von Mängeln ver­ langen, so erweist sich doch dieses Mittel als umständlicher, zeit­ raubender und kostspieliger, wie wenn die Beklagte die Arbeiten, einschließlich der Lieferung der Materialien, selbst ausführt oder nur von bestimmten, ihr von vornherein als tüchtig und zuverlässig bekannten Firmen vornehmen läßt. Daß sie hierbei auf ihren eigenen wirtschaftlichen Vorteil bedacht ist, kann ihr nicht verargt werden. Ebensowenig kann in Betracht kommen, daß bei freiem Wettbewerbe

die Kosten der Installation geringer sein würden, vorausgesetzt, daß die Mehrkosten nicht unverhältnismäßig groß sind, daß die Beklagte nicht etwa ihr tatsächliches Monopol dazu mißbraucht, unverhältnis­ mäßig hohe Preise zu fordern oder fordern zu lassen.

Daß dies

aber der Fall wäre, ergibt die Darstellung de- Kläger- nicht; sie wird in ihrer Bedeutung wesentlich abgeschwächt durch den vom

Kläger selbst nicht verkannten Umstand, daß die Beklagte bei freiem Wettbewerbe bezüglich der Installation-arbeiten nicht in der Lage sein würde, den Strompreis so niedrig zu stellen, al- tatsächlich

geschehe."...

53.

'Sachlicher Umfang der Rechtskraft.

Auslegung des früheren

Urteils. VI. Zivilsenat.

Urt. v. 15. April 1912 i. S. B. (Kl.) w. Stadt­

gemeinde N. u. Gen. (Bekl.). I.

II.

.

Rep. VI. 481/11.

Landgericht Naumburg a. S.

Oberlandesgericht daselbst.

Im Laufe de- Jahre- 1906 ließ die verklagte Stadtgemeinde

durch die mitverklagte Gesellschaft eine elektrische Straßenbahn bauen. Au- diesem Anlasse lagerten am Abende de- 6. Oktober 1906 in der

großen Jakobstraße in N. an den Bordsteinen de-

Bürgersteig­

eiserne Straßenbahnschienen, die in der Folge in den Straßenkörper verlegt werden sollten. Beim Überschreiten de- Fahrweg- kam die Klägerin über solche Schienen zu Fall und erlitt einen Oberschenkel­ bruch. Sie führte den Unfall auf fehlerhafte Lagerung der Schienen zurück, machte dafür die beiden Beklagten verantwortlich und verlangte

bereit- in einem Borprozesse Schadensersatz, nämlich Erstattung der Heilungskosten und eine Rente.

Außerdem beantragte sie, festzustellen,

daß beide Beklagten al- Gesamtschuldner ihr allen weiteren vermögens­

rechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Schaden, der ihr au- dem Unfall erwachsen sei und noch erwachsen werde, zu ersetzen haben; eventuell möge die Verpflichtung beider Beklagten zur - Leistung an ihren Ehemann festgestellt werden. Diesem Klagebegehren ist nur teilweise entsprochen worden.

Insbesondere wurde der Anspruch auf

Rente für die Zeit vom Unfälle bis zur Erlassung de- Urteil- und der Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersätze des weiteren vermögenSrechtlichm Schaden- abgewiesen, weil die Klägerin, die nur im Hau-wesen tätig gewesen sei, durch eine auf den Unfall zurückzu­ führende Minderung ihrer Erwerb-fähigkeit überhaupt keinen Schaden erlitten habe. Ein solcher Schade könne vielmehr nur in der Person ihre- Manne- entstanden sein, der ihr nach § 1860 BGB. dm Unter­ halt zu gewähren habe. Da- die- aussprechende Urteil de- Berufungs­ gericht- im Borprozeß ist am 5. Dezember 1907 verkündet, die dagegen eingelegte Revision der Beklagten ist al- unzulässig verworfen worden. Mit der jetzt erhobenm Klage verlangte die Klägerin unter Berufung auf die Tatsache, daß ihr Ehemann inzwischen am 20. April 1908 verstorben und daß sie kraft Testammt- seine einzige Erbin sei, erneut die Rente, al- Ausgleich für ihre durch den Unfall ge­ minderte Erwerb-fähigkeit und für Vermehrung ihrer Bedürfnisse. Demgegenüber wendetm die Beklagtm an erster Stelle ein, dieser Anspruch sei der Klägerin bereit- durch da- Urteil de- Berufungs­ gericht- im Borprozesse rechtskräftig aberkannt wordm. Für die Zeit bis zum Tod ihre- Ehemanne- wurde der Klägerin ein Betrag zugesprochm, und zwar in ihrer Eigenschaft alErbin ihre- Ehemanne-, dem der geltend gemachte Anspruch insoweit allein zugestanden hätte. Im übrigen, gegmüber dem Ansprüche der Klägerin auf Rente für die Zeit vom Tod ihre- Ehemanne- ab er« achtete da- Berufungsgericht den Einwand der rechtskräftig ent­ schiedenen Sache auf Grund de- früheren Urteils für durchgreifend. Die Revision der Klägerin bestritt, daß durch da- ftühere Urteil über den jetzt erhobenen Rentenanspruch erkannt worden sei. Auch seien ihr durch die Rechtskraft nicht RechtSbehelfe abgeschnitten, die sich im Borprozesse gar nicht hätten geltmd machen lasten, weil die betreffmden Tatsachen im Zeitpunkte der letzten mündlichen Berhandlung noch gar nicht vorgelegen hätten. Die Revision wurde für begrüudet erachtet und die Sache zurückverwiesen. AuS den Gründen: „Der Klägerin steht der Einwand der Rechtskraft aus § 322 Abs. 1 ZPO. entgegen, wenn und soweit über ihrm Anspruch be­ reit- durch da- Urteil vom 5. Dezember 1907 erkannt worden ist. Das Berufungsgericht nimmt dies an, indem eS ausführt, die Klägerin

53.

232

Rechtskraft.

habe im Vorprozeß in ihren damaligen Antrag jeden überhaupt nur denkbaren Schaden einbeziehen wollen, der ihr ans dem Unfall ent­

standen sei oder noch entstehen werde.

Ihr Mann sei damals schon

so schwer erkrankt gewesen, daß sein Ableben nur noch eine Frage der Zeit gewesen wäre, daß mithin auch die durch den Todesfall

eintretende Gestaltung der Dinge ins Auge zu fassen gewesen sei. Dieser Schadensersatzanspruch sei ihr in vollem Umfange durch das

frühere Urteil aberkannt worden, das Urteil könne auf seine Richtig­ keit nicht nachgeprüft, der Schadensersatzanspruch könne nicht erneut geltend gemacht werden. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, daß da- Klagebegehren

der Klägerin im Vorprozeß in diesem umfassenden Sinne verstanden

werden konnte.

Inwieweit aber über den erhobenen Anspruch im

Borprozeß entschieden worden ist, dafür ist der Inhalt nicht des

Klagevorbringens allein, sondern des Urteils maßgebend, das Rechts­

kraft

geschaffen

haben soll.

Der Einwand

der Rechtskraft

aus

§ 322 ZPO. ist nicht schon dann begründet, wenn ein Anspruch im Vorprozeß erhoben war, sondern nur dann, wenn er aberkannt ist

(vgl. Entsch. deS RG.'s in Zivils. Bd. 73 S. 219). Nun hat das Urteil vom 5. Dezember 1907 inhaltlich seiner Entscheidungsgründe, die zur Nachprüfung des Urteils unbedenklich heranzuziehen sind, den hier in Rede stehenden Anspruch der Klägerin

deshalb abgewiesen, weil

„sie durch eine Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit überhaupt keinen

Schaden erlitten hat.

Nach § 1360 BGB. ist der Ehemann ver­

pflichtet, seiner Ehefrau nach Maßgabe seiner Lebensstellung, seines

Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu gewähren. Wenn also die Frau infolge eines Unfalls einen größeren Auf­ wand im Haushalt in Anspruch nehmen muß oder wenn sie außer­

stande ist, die bisherigen Arbeiten im Hauswesen des Manner zu

leisten, so erleidet nicht die Frau, sondern der Ehemann einen

Schaden, nur er ist also auch berechtigt, Ersatz hierfür in Form einer Rente zu fordern".

Hätte das Berufungsgericht im Vorprozesse den Klagantrag in dem

umfassenden Sinne verstanden, wie eS im vorliegenden Rechtsstreit ausführt, und könnte weiter dem Gericht im Borprozeß unterstellt

werden, es habe, wenn auch rechtsirrig, angenommen, mit der von

ihm gegebenen

Begründung die

Abweisung dieses Anspruchs

im

vollen Umfange gerechtfertigt zu haben, so wäre der Einwand der Rechtskraft in der Tat für begründet zu erachten.

Denn der Um­

stand, daß die entscheidenden Erwägungen deS rechtskräftigen Urteil­

emen Rechtsirrtum oder sonstige Unzulänglichkeiten aufweisen, kann dm Eintritt der Rechtskraft an sich weder hindern noch ihre Trag­

weite beeinträchtigen. Einer solchen Auslegung des Urteils vom 5. Dezember 1907

kann indes nicht beigepflichtet werden. Vielmehr ist davon auSzugehen, daß das Gericht den Antrag der Klägerin, soweit er hier in Betracht kommt, nur als auf Ersatz desjenigen Schadms gerichtet angesehen hat, welcher der Klägerin während bestehender Ehe er­

wachsen sei und erwachsen werde, wie schon die Begründung des Urteils nahelegt, die ja gerade auf das Bestehen der Ehe, auf die Unterhaltspflicht deS Mannes und mithin auf die Tatsache, daß der Mann noch lebe, abstellt.

An die im Witwenstande sich ergebenden Dem mag

Ansprüche der Klägerin war dabei gar nicht gedacht.

ein Mißverstehen deS Klagbegehren- zugrunde gelegen haben, mehr oder minder vielleicht hervorgerufen durch die eigenen Erklämngen der Klägerin. Die Beklagten waren dem Rentenbegehren der Klägerin

sogleich mit Bestreiten ihrer

„Aktivlegitimation*

und sie hatte darauf erwidert,

entgegmgetreten,

sie klage mit Einwilligung ihres

Mannes, sei auch dessen Generalbevollmächtigte und ihr Mann werde nicht auch noch im eigenen Namen Ansprüche an die Beklagten er­ heben.

Auch hatte sie ihrem Feststellungsantrage beigefügt, man

möge eventuell die Verpflichtung zur Leistung an ihren Ehemann aussprechen.

Es braucht hierauf weiter nicht eingegangen zu werden.

Auch wmn das Berufungsgericht im Vorprozefle den Klagantrag

mißverstandm hat, so ändert dies doch nichts daran, daß damals nicht über mehr, als über den der Klägerin während ihrer Ehe erwachsmen und noch erwachsenden Schaden befundm und nur inso­

weit über ihren Klaganspruch mtschieden worden ist.

Wenn die Klägerin jetzt auf die durch das Ableben ihres Ehe­ mannes rechtlich und tatsächlich veränderte Sachlage für die Zeit

vom Tode des Mannes an erneut ein Rentenbegehren stützt, so zieht sie damit die im Vorprozeß ergangene Entscheidung gar nicht in Zweifel.

Sie macht vielmehr auf Grund einer neuen rechtserheb-

lichen Tatsache einen Schadm geltend, der gegenüber der im Urteile vom 5. Dezember 1907 allein ins Auge gefaßten Schädigung ein neuer Schade ist. über diesen Schaden hat das Gericht überhaupt noch nicht erkannt; die Klägerin ist daher nicht gehindert, ihn geltend zu machen. Hiernach erscheint der Antrag der Revision auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gerechtfertigt. Der allgemeine Satz, auf den sie sich weiter berufen hat, die Rechtskraft stehe der Geltendmachung erst nachträglich eingetretener Tatsachen überhaupt nicht entgegen, braucht daher auf seine Berechtigung nicht näher geprüft zu werden."

54. Handelsrechtliche Lieftnmgsgeschäfte als Differenzgefchäste. BörsGes. vom 8. Mai 1908 §§ 67, 68. BGB. 8 764. II. Zivilsenat. Urt v. 16. April 1912 L S. I. I. jr. (Kl.) w. den Verwalter im Konkurse der Firma Gebr. B. (Bell.). Rep. II. 524/11. I.

Landgericht Göttingen.

IL

OberlandeSgericht Celle.

Die Klägerin stand mit der Firma Gebr. B. in R., über deren Vermögen am 8. Juni 1910 der Konkurs eröffnet worden ist, in einer Geschäftsverbindung, bei der die Firma Gebr. B. bald als Käuferin, bald als Verkäuferin größerer Mengm Getreide auftrat. Die Geschäfte erfolgten sämtlich zu den Berliner Schlußscheinbedingungen für Zeitgeschäfte in den betreffendm Getreidesorten. Seit Inkrafttreten des neuen Börsengesetzes vom 8. Mai 1908 ist bei allen diesen Geschäften der Tatbestand deS § 67 dieses Gesetzes erfüllt. Die Klägerin hat einen anerkannten Auszug über diese Ge­ schäftsverbindung seit 1. Mai 1908 vorgelegt. ES haben unter den Parteien Abrechmmgm stattgefunden, die gleichfalls anerkannt sind. Der Klägerin kommen danach 126725 jH gut. Diesen Betrag hat sie als Konkursforderung angemeldet und Klage auf Feststellung er­ hoben, nachdem der Konkursverwalter die Forderung bestritten hatte.

54. Handelsrechtliche Lieferung?- und DifferenzgrschSste.

235

Der Konkursverwalter wendet ein, sämtliche Geschäfte seien, so­

weit sie unter der Herrschaft der alten Börsengesetzes abgeschlossen worden sind, nach § 50 jenes Gesetzes, der bett börsenmäßigen Terminhandel in Getreide schlechthin verbiete, nichtig. Außerdem ebenso wie die unter der Herrschaft deS

aber seien die Geschäfte,

neuen Börsengesetze- abgeschlossenen Geschäfte, Differenzgeschäfte nach

§ 764 BGB. und § 68 deS neuen Börsengesetzes. Die Klägerin ist in allen Instanzen unterlegen.

Die Revision

ist zurückgewiesen worden auS folgenden Gründen:

„I. Der Berufungsrichter prüft nicht, ob die unter der Herr­ schaft deS Börsengesetzes vom 22. Juni 1896 getätigten Abschlüsse als Börsentermingeschäste nach ß 48 jenes Gesetzes aufzufassen seien.

Er prüft nur, ob diese Geschäfte Differenzgeschäfte nach § 764 BGB. sind. Er schließt sich damit stillschweigend dem Standpunkte deS ersten Richters an, daß diese Geschäfte, wenn sie Börsentermingeschäste waren, nach § 50 jenes Gesetzes als Börsentermingeschäste in Ge­

treide nichtig sein würden, daß sie aber, wenn sie keine Börsen­ termingeschäfte waren, keinerlei Rechtswirksamkeit besitzen, sobald ihr Charakter al- Differenzgeschäfte nach § 764 BGB. nachgewiesen ist. Dieser Ausgangspunkt

deS Berufungsrichters ist

zutreffend,

weil

allerdings die Klage abzuweisen ist, wenn die Geschäfte als Differenz­

geschäfte anzusprechen sind. Der Berufung-richter bejaht den Charakter der Geschäfte als Differenzgeschäfte und weist deshalb die Klage ab. Er brauchte sonach nicht noch zu untersuchen, ob auch die Klage nach

§§ 48, 50 deS alten Börsengesetzes abzuweisen wäre.

WaS die unter

der Herrschaft deS Börsengesetzes vom 8. Mai 1908 abgeschlossenen Getreidegeschäfte angeht, so ist dafür § 67 jenes Gesetzes maßgebend. Als

sog. handelsrechtliche

Lieferungsgeschäfte,

d. h. als Börsen­

termingeschäfte, sind sie gültig, wenn sie gemäß diesem § 67 abge­ schlossen worden sind. abgeschlossen.

Im Streitfälle sind alle Geschäfte demgemäß

AlS Börsentermingeschäste sind sie also rechtswirksam.

Sie sind aber trotzdem unwirksam, wenn sie Differenzgeschäste find,

d. h. wenn die Geschäfte zur Verdeckung ihre- Wesen- als Differenz­ geschäfte in die Formen von Börsentermingeschäste» nach § 67 deS Börsengesetzes

gekleidet

worden

sind.

§ 68 Börsenges. bestimmt

hierüber, daß solche Geschäfte schon dann als Differenzgeschäfte anzu-

sprechen find, wenn auch nur die Absicht deS einen Teiles auf Zahlung des Unterschieds zwischen dem vereinbarten Preise und dem Börsen­

oder Marktpreise der Lieferungszeit gerichtet ist, der andere Teil

diese Absicht aber kennt oder kennen muß.

Insofern stimmt der

§ 68 Börsenges. mit § 764 BGB. überein.

AuS dem bisher Erörterten folgt nun, daß sich sämtliche hier in Frage stehenden Geschäfte, mögen sie vor oder nach dem 1. Juni

1908, dem Tage des Inkrafttretens des neuen Börsengesetzes getätigt sein, hinsichtlich deS hier zu entscheidenden DifferenzeinwandeS gleich­ stehen.

II. Der Berufungsrichter stellt fest, daß sämtliche, hier streitigen Getreidedifferenzgeschäfte teils nach § 764 BGB., teils

Geschäfte

nach § 68 Börsenges. vom 8. Mai 1908 sind. AuS diesem Grunde weist er die Klage ab. Er führt dazu in Übereinstimmung mit dem ersten Richter auS: auf die Abschlüsse vom Mai 1908 bis Mai 1910 sei von der Firma Gebr. B. niemals etwas bezogen worden; in der Zeit von Ende Oktober 1907 bis Ende April 1908, also in einem Zeitraum von 7 Monaten, habe die Firma B. auf den Monat Mai 1908 14000 Tonnen Getreide für mehr als 3000000 Jl von der Klägerin gekauft, ohne jemals etwas abzu­

nehmen;

sämtliche unter den Parteien getätigten Abschlüsse

seien

ausnahmslos durch Gegengeschäfte und durch Belastung der sich

daraus ergebenden Differenz erledigt worden; die Firma Gebr. B. sei

ein Provinzialgetreidegeschäft gewesen,

desien Verhältnisse

die

Klägerin sehr wohl gekannt habe; sowohl die Abschlüsse im einzelnen,

die in die Hunderttausende gingen, wie die Abschlüsse in ihrer Zu­ sammenfassung und die erheblichen der Firma jeweils angerechneten Provisionen hätten mit der Leistungsfähigkeit der Firma Gebr. S,

in gar keinem Verhältnisse gestanden.

Dies habe die Klägerin selbst

dann erkannt, wenn man ihre Schilderung deS Geschäftsumfangs der Firma Gebr. B. zugrunde lege. AuS allen diesen Feststellungen hat der Berufungsrichter die Überzeugung gewonnen, daß die Parteien von vornherein sämtliche

Abschlüsse mit dem unzweideutig zum Ausdrucke gebrachten Willen

getätigt haben, eS sollte nur der Unterschied zwischen dem Vertrags­ preis und dem Börsenpreise der Lieferungszeit von dem verlierenden Teil an den gewinnenden bezahlt werden;

eine effektive Lieferung

54. Handelsrechtliche Lieferung«- und Differenzgeschäfte. sollte ausgeschlossen sein.

237

Einem am 23. April 1908 von der Firma

B. der Klägerin ausgestellten Revers, durch den sich die Klägerin

gegen einen etwaigen Differenzeinwand schützen wollte, legt der Be­ rufungsrichter keine Bedeutung bei, weil der ReverS nur zur Ver­

deckung deS Differenzspiels bestimmt gewesen sei.

Diese Erwägungen

der BerufuugSrichterS genügen an sich dem Gesetze und rechtfertigen

die Abweisung der Klage. III. Die Klägerin hat folgende Angriffe erhoben:

1. ES steht fest, daß die Getreideabschlüsse sämtlich nach den

Schlußscheinbedingungen der Berliner Produktenbörse, die nach Be­ kanntmachung deS Reichskanzlers vom 29. Mai 1908 (RGBl. S. 240)

die Genehmigung des BundeSratS erlangt haben» getätigt worden sind. Nach diesen Bedingungen steht die Lieferung derart in der Wahl des Verkäufers, daß dieser innerhalb deS Lieferungsmonats den Tag wählen darf, an dem er seine ErfüllnngSbereitschaft dem Käufer erklären oder, wie sich die Schluhscheinbedingungen aus­ drücken, dem Käufer die Ware andienen will.

Innerhalb sechs Tagen

nach dieser Bereitschaftserklärung deS Verkäufers muß der Käufer

die ihm so angediente Ware Zug um Zug gegen Zahlung abnehmen. welche die Klägerin unter diesen Be­ dingungen der Firma Gebr. B. zu bestimmten Preisen verkauft hatte,

Dieselben Getreidemengen,

hat diese unter denselben Bedingungen, jedoch zu anderen Preisen,

jeweils der Klägerin wieder zurückoerkauft.

Die sich danach er­

gebenden Preisunterschiede wurden dem einen oder dem anderen Teil

in Rechnung gestellt.

Dis Klägerin meint, bei diesem Verfahren fehle eS an einem Unterschiede zwischen einem Vertragspreis und einem Börsen- oder

Marktpreise der Lieferungszeit, wie ihn sowohl § 764 BGB. als auch § 68 Börsenges. im Auge habe.

Der hier in Betracht kommende

Preisunterschied sei ein Unterschied zwischm zwei Vertragspreisen,

nämlich zwischen dem Vertragspreise deS Grundgeschäfts und dem Vertragspreise deS Gegengeschäfts.

ES ständen sich somit zwei Ber-

tragSpreise gegenüber, nicht aber, wie es daS Gesetz ausdrücklich vor­

schreibe, ein Vertragspreis und ein Börsen- oder Marktpreis; von einem Börsen- oder Marktpreise sei somit gar keine Rede.

DaS

Vorhandensein eines Börsen- oder Marktpreise- sei aber die erste Voraussetzung zur Annahme eines DifferenzgeschästS.

Auf diesem

Wege gelangt die Klägerin zu dem Ergebnis, es sei die Annahme deS BernfungSrichterS unrichtig, daß als Stichtag der in des Ver­

käufers Wahl gestellte LieferungStag und dessen Börsenpreis unter

den Parteien maßgebend gewesen sei.

Denn nicht der Preis der

Lieferungszeit, sondern der Preis des Gegengeschäfts sei nach dem Parteiwillen der maßgebende gewesen.

Dieser Auffassung, die in der

Literatur neuerdings wieder mehrfach vertreten wird, kann nicht zu­ gestimmt werden. DaS Reichsgericht hat unter der Herrschaft deS alten Börsen­ gesetzes von jeher den Standpunkt eingenommen, daß im Falle einer

Verabredung, eS solle nicht zur Lieferung der Ware kommen, sondern

eS solle während deS schwebenden Engagements, nach der Technik der Börsengeschäfte, durch ein Gegengeschäft der Unterschied berechnet

und gezahlt werden, von vornherein gar kein Kauf geschlossen, son­ dern ein anderes Geschäft vereinbart fei.

Gegenstand dieses andern Geschäfts sei nicht eine Ware und ein hierfür zu zahlender Preis, sondern der in bestimmter Weise zu berechnende Preisunterschied. Auch das Gegengeschäft sei dann kein auf wirklichen Umsatz gerichtetes Geschäft, sondern das Gegengeschäft diene vielmehr nur dazu, den

Preisunterschied für einen bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln.

Die

Einkleidung in die Form von auf Effektiverfüllung lautenden Schluß­ scheinen sei nur zum Schein erfolgt und nicht ernstlich gemeint.

Vgl. Entsch. des RG.'S in Zivlls. Bd. 34 S. 90; Bolze Bd. 22 Nr. 465, Bd. 21 Nr. 499, Bd. 20 Nr. 526.

Von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlaß.

Irgend­

welche neue Gesichtspunkte sind hiergegen nicht vorgebracht, so daß

Die Klägerin entnimmt daraus Zweifel, daß unter den Parteien nicht unmittelbar ein bestimmter

eS an obigen Verweisungen genügt.

Stichtag vereinbart war, sondern daß der Verkäufer innerhalb des

vertragsmäßigen Lieferungsmonats jeweils den Lieferungstag zu wählen hatte und daß dem Käufer standen.

alsdann

sechs Tage zur Verfügung

Allein dadurch, daß der eine Vertragsteil den Stichtag zu

bestimmen hat, wird das Differenzgeschäft seines Charakters nicht entkleidet.

Denn zum Wesen des Differenzgeschäfts gehört nur, daß

sich der Stichtag genau bestimmen läßt. Das ist aber hier der Fall. 2. Die Klägerin erhebt gegen das Berufungsurteil das Be­ denken, durch dessen Erwägungen werde daS Arbitrage- oder Siche-

rungsgeschäft, wie es § 67 Börsenges. als eine berechtigte Geschäfts­ form anerkenne, unmöglich gemacht.

rechtigt.

Diese- Bedenken ist nicht be­

Denn § 68 Börsenges. will gerade einem Mißbrauche der

Form des wirtschaftlich berechtigten Zeitgeschäfts in Getreide ent-

gegentreten.

Der Berufungsrichter stellt mit dem ersten Richter einen

solchen Mißbrauch ausdrücklich fest, weil die Parteien die formular­ mäßigen Abschlüsse zur Verdeckung des Spiels benutzten und nicht ernstlich an einen Abschluß gemäß § 67 Börsenges. dachten.

3. Die Klägerin greift die Gründe an, die der Berufungsrichter für die Spielabstcht der Parteien angibt.

a) Sie rügt, der Berufungsrichter hätte von dem Standpunkt ausgehen müssen, daß eine Getreidefirma, wie die Firma Gebr. B., mit ihren Aufträgen ein ernstliche-, wirtschaftliche- Jnteresie verfolgt

habe. Desgleichen sei zu Gunsten der Klägerin anzunehmen, daß fle keine Scheingeschäfte mache; der Klägerin könne nicht zugemutet werden, die inneren Abfichten der mit ihr in Verbindung tretendm Firmen zu erforschen.

Auf diesen Borwurf ist zu entgegnen» daß

überhaupt im Verkehr davon auszugehen ist, es hätten die Parteien

ein rechtswirksames, ernstliches Geschäft gewollt.

Das Gegenteil muß

in jedem einzelnen Falle erst bewiesen werden. Den Beweis, daß hier die Parteien Differenzgeschäfte abgeschlossen haben, hält aber der Berufungsrichter für erwiese». Die für seine Überzeugung an­ gegebenen Gründe sind schlüssig. b) Die Klägerin behauptet, die börsenmäßigen Lieferungsgeschäste

könnten überhaupt nur auf Mai, Juli, September, Oktober und Dezember jeden Jahres abgeschlossen werden.

Deshalb habe der

Berufungsrichter dem Umstande, daß auf den Monat Mai 1908 so große Abschlüsse gemacht worden sind, keine so erhebliche Bedeutung

beimessen dürfen. Diese Behauptung ist in der gegenwärtigen Instanz Schon aus diesem Grunde kann die Klägerin hiermit nicht gehört werden, ganz abgesehen davon, daß sich nicht er­

neu vorgebracht.

kennen läßt, inwiefern sich durch den behaupteten Umstand an der Beurteilung etwa- ändern könnte.

c) Als Anzeichen gegen die Annahme von Differenzgeschäste» hatte die Klägerin geltend gemacht, daß sie sich jeweils durch Gegen­

geschäfte mit Dritten gedeckt habe; eine solche Deckung fasse darauf schließen, daß sie mit der Firma Gebr. B. keine Differenzgeschäste

abgeschlossen habe.

Die Klägerin fühlt sich beschwert, daß der Be­

rufungsrichter die für diese Deckungsgeschäfte von ihr angebotenm

Beweise nicht erhoben hat. Der Berufungsrichter lehnt das Beweiserbieten ab, weil sich aus den feststehende» Tatsachen die Differenz­ natur aller Geschäfte für ihn mit zwingender Kraft ergebe, so daß selbst der Abschluß von Deckungsgeschäften seine Überzeugung nicht

zu erschüttern vermöchte.

Mit dieser Begründung konnte der Be-

rufungSrichter den BeweiSantritt ablehnen.

Denn der Abschluß von

Deckungsgeschäften hat nur die Bedeutung eines mittelbar gegen die

Spielnatur

sprechenden

Umstandes

(vgl.

Jur. Wochenschr.

1899

S. 873 Nr. 29, 1896 S. 660 Nr. 19), wobei außerdem zu beachten

ist, daß Gegengeschäfte auch zur Abschwächung des Risikos als reine Spielgeschäfte gemacht werden können (Entsch. des RG.'S in Zivils.

Bd. 34 S. 90 und Urteil des erkennenden Senats vom 24. September 1909 II. 693/08, abgedr. im Bankarchiv Bd. 9 S. 45). Aus diesen Gründen ergibt sich die Zurückweisung der Revision, ohne daß auf

die weitere, gleichfalls angegriffene Darlegung des Berufungsrichters einzugehen ist, wonach es der zuletzt erwähnten Behauptung der Klägerin an der erforderlichen tatsächlichen Begründung fehlt."

55. Wird ein unwirksamer Vergleich durch Erfüllung während der Fortdauer des WillenSmaugelS wirksam? ' BGB. §§ 779, 2033, 2371. VII. Zivilsenat. Urt v. 16. April 1912 i.S.Z. (Bell.) w. Dr. (Kl.).

Rep. VII. 496/11. I. II.

Landgericht Erfurt. OberlandeSgericht Naumburg a. S.

Aus den Gründen:

„9hir in einem Punkte hat die Revision die Verletzung materiellen Rechts gerügt, jedoch ohne Erfolg.

Der Berufungsrichter hat an­

genommen, die Erfüllung des Vergleichs vom 10. Januar 1904

durch Hingabe der Nachlaßgegenstände an den Bellagten führe nicht dazu, daß der nach § 779 BGB. unwirksame Vergleich als hinterher wirksam geworden anzusehen sei.

Er hätte,

ebenso wie der An-

erkennungSvertrag vom 16. Oktober 1902, als Erbschaft-veräußerung nach § 2371 BGB. der gerichtlichen oder notarielle« Form bedurft,

sei aber nur privatschriftlich geschlossen und auch nicht dadurch gültig

geworden, daß er gemäß § 2033 in formgültiger Weise worden sei.

erfüllt

Ein allgemeiner Grundsatz, daß formungültigc Geschäfte

durch spätere Erfüllung gültig würdm, bestehe im Bürgerlichen Ge­

setzbuche nicht.

Die Sondervorschriften der §§ 818 und 518 Abs. 2

BGB., wonach die der gesetzlichen Form entbehrenden Verträge be» treffend die Übertragung de- Eigentum- an einem Grundstück, und die Verträge über Schenkung-versprechen hinterher im Falle der Er«

Mung geheilt werden, — die ersteren durch Auflassung und Ein­

tragung, die letzteren durch Bewirkung der versprochenen Leistung —,

könnten im vorliegenden, ander- gearteten Falle keine Anwendung finden. Ob dem Berufungsrichter in diesen Ausführungen überall beizutreten wäre, braucht hier nicht erörtert zu werden.

Denn nähme

man selbst an, der formlos geschlossene Vergleich könne, soweit seiner Wirksamkeit der Formmangel entgegensteht, in Hinsicht auf diesen Mangel durch formgültige Erfüllung geheilt werden, so hastet doch

dem Vergleich ein innerer Willen-mangel an, da nach der Feststellung de- Berufung-richter- der nach dem Inhalte de- Vergleich- al- fest­

stehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entsprach. Derselbe Willen-mangel haftete offenbar auch der Erfüllung de-

Vergleichs an. Der Beklagte selbst behauptet nicht, daß dieser Willen-mangel vor Erfüllung de- Vergleich- beseitigt gewesen sei. ES ist aber selbstverständlich, daß der Kläger die im Berufungs­ antrage bezeichneten Nachlaßwerte an den Beklagten nicht heraus­

gegeben hätte, wenn er gewußt hätte, daß da- Anerkenntnis und

der Vergleich unwirksam waren.

Die Erfüllung de- Vergleich- totmte

daher ebensowenig, wie nach § 779 BGB. der Abschluß de- Ver­

gleich-, eine neue Gmndlage für die Recht-beziehungen unter de»

Parteien bilden."

56. Ist die Pfändung von dem Gläubiger selbst gehörenden, im Gewahrsam de- Schuldner- befindlichen Sachen zulässig und wirksam? Verzicht auf da- Eigentum? ZPO. § 808 Abs. 1. «ntsch. in Zivils. 91.8. 29 (79).

III. Zivilsenat.

I. II.

Urt v. 17. April 1912 i. S. G. (Kl.) w. B. (Bell.). Rep. III. 441/11.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Die Klägerin beauftragte den verklagten Gerichtsvollzieher am 27. Juni 1909, ihren Titel gegen den Gastwirt A. in Berlin vom 21. Juni 1909 über 257 Jt nebst Zinsen zur Zwangsvollstreckung zu bringen. Der Beklagte verzögerte gröblich schuldhaft die Ausführung dieses als eilig erteilten Auftrags, so daß es dem Schuldner A. gelang, die in seinem Gewahrsam befindliche Restaurations­ einrichtung (Schankinventar) auf die Seite zu schaffen und zu ver­ äußern. Der am 10. Juli 1909 vorgenommene Pfändung-versuch blieb deshalb erfolglos. Die vom Landgerichte zugesprochene Schadens­ ersatzklage (auf 257 JH nebst Zinsen) wurde vom Berufungsrichter ab­ gewiesen, da von den im Gewahrsam de- Schuldners A. befindlichen Sachen nur das Schankinventar zur Befriedigung der Klägerin hätte führen können, dieses Inventar aber im Eigentum der Klägerin selbst gestanden habe. Die Pfändung dieses Inventars würde also ein Pfändungspfandrecht der Klägerin nicht erzeugt haben und wäre deshalb unzulässig gewesen. Das Reichsgericht hob auf Revision des Klägers dar BerufungSnrteil auf und stellte das Urteil des Land­ gericht- wieder her. Aus den Gründen: „Die aus dem Eigentum der Klägerin an dem Inventar ge­ zogene Folgerung wird von der Revision mit Recht angefochten. Durch schriftlichen Bertrag vom 31. Januar 1909 hatte die Klägerin ihr Schankgeschäft mit allem darin befindlichen Inventar an A. für 1000 JL verkauft und sich bis zur völligen Bezahlung des Preises da- Eigentum am Inventar Vorbehalten. Für den ihr nach Zahlung von 600 JC und nach anderweiten Abzügen noch zustehenden Kauf­ preisrest von 257 M hatte sie den vollstreckbaren Titel vom 21. Juni 1909 erlangt. Nach § 808 Abs. 1 ZPO. und § 57 Nr. 2 der preuß. Geschäftsanweisung für die Gerichtsvollzieher vom 1. Dezember 1899 (amtliche Ausgabe von 1903) war der Beklagte verpflichtet, da- im Gewahrsam deS Schuldners A. befindliche Inventar „als dem Schuldner gehörend" zu pfänden, „wenn ihm nicht", wie § 57 Nr. 2

hinzusetzt, „dar Gegenteil bekannt war". Dem Beklagten war da­ mals, wie die Akten unzweifelhaft ergeben, von dem Eigentum.der Klägerin nichts bekannt; er hat es erst in zweiter Instanz zur Grund­ lage einer Einwendung gemacht. Also mußte der Beklagte nach klarer Gesetzes- und Dienstvorschrift daS Inventar pfänden. Daß eS die Klägerin zur Versteigerung gebracht, und daß der Erlös zur Be­ friedigung der Klägerin auSgereicht hätte, ist vom Beklagten nicht bestritten. Die Klägerin hat demnach den Verlust erlitten ausschließ­ lich dadurch, daß der Beklagte die Pfändung versäumte. Allerdings würde die Klägerin an dem Inventar, weil und so­ lange eS in ihrem Eigentum stand, ein Pfändungspfandrecht nicht erworben haben (Entfch. des RG.'S in Zivils. Bd. 60 S. 72). Dar­ aus ergibt sich jedoch noch nicht die Unzulässigkeit der Pfändung. Ein Pfändungspfandrecht entsteht auch dann nicht, wenn im Gewahrfam deS Schuldners befindliche Sachen gepfändet werden, die im Eigentum eines Dritten stehen. Die Zivilprozeßordnung ist aber so weit davon entfernt, die Pfändung von Dritten gehörigen Sachen wegen NichtentstehenS deS Pfändungspfandrechts für unzulässig zu erklären, daß sie im Gegenteil den Dritten auf den ausschließlichen Weg der Klage verweist und erst auf diese Klage hin dem Prozeß­ gerichte die Einstellung oder Aufhebung der erfolgten Vollstreckungs­ maßregeln überträgt (§771 Abs. 3). Die Vorschrift des § 771 ist eine in den Motiven zu § 639 des Entwurfs der ZPO. noch be­ sonders begründete zwingende, öffentlichrechtliche Norm, und eS wäre eine völlige Verkennung des Umfangs der Obliegenheiten deS Ge­ richtsvollziehers, wenn ihm, einem dazu durchaus ungeeigneten Organe, die Entscheidung über Eigentum oder Nichteigentum des Schuldners an den in dessen Gewahrsam befindlichen Sachen zu­ geschoben werden wollte (Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 18 S. 391/392, Bd. 67 S. 312). Der Gerichtsvollzieher hat nicht die Befugnis, das Eigentum de- Dritten zu schützen, so daß die Rechts­ beständigkeit deS Nachsatzes, „wenn ihm nicht daS Gegenteil bekannt ist", in § 57 Nr. 2 preuß. GeschAnw. Bedenken unterliegt. Dem Gerichtsvollzieher als Beauftragten liegt nur ob, dem ihn beauftragenden Gläubiger ohne Verzug Kenntnis von den Tatsachen zu geben» die für das Eigentum eines Dritten sprechen. Immer ist eS dem Dritten allein überlassen, ob er den Weg der Klage nach §771 16«

ZPO. beschreiten, ober sich hinterher mit einer BereicherungS- ober Schabensersatzklage gegen beit bie Pfänbvng unb Versteigerung betreibenben Gläubiger begnügen will. Daß trotz bei Eigentums bei Dritten, also trotz bei Nichtentsteheni eines Pfändungspfandrechts für bett betreibenben Gläubiger, bas Verfahren zulässig unb wirksam ist, wirb nicht bezweifelt, insbesonbere nicht bei späteren BereicherungS- ober Schabensersatzklagen bei brüten Eigentümers, bie gerabe hierauf beruhen. Diese Zulässigkeit unb Wirksamkeit bei rein formalen Verfahrens ergibt sich positiv aus ber Zivilprozeßordnung, tttbem sie bem Dritten ben ausschließlichen Klageweg des § 771 er­ öffnet. Gerabe so liegt bie Frage, wenn bie gepfänbete Sache im Eigen­ tum bei Gläubiger- selbst steht. Der Gerichtsvollzieher kann nicht unb barf nicht entscheiben, ob bie Sache wirklich Eigentum bes Gläubigers ober SchulbnerS ist. Es wäre leicht möglich, baß bie VollstreckungSparteien gerabe barüber streiten, inbem beide Teile sich baS Eigentum zuschreiben, ebenso, baß ber Schulbner ein Eigentum bes Gläubigers nur vorschützte, um so bie Pfänbung als eine ver­ meintlich unzulässige zu hintertreiben. Die materielle Rechtslage unb beten Rechtsfolgen zu prüfen unb banach sein Verfahren einzurichten, ist auch hier bem Gerichtsvollzieher nicht aufgebürbet unb nicht ge­ stattet. Er hat auch hier lebiglich für bett formalen Bestaub bes Verfahrens zu sorgen unb außerbem nur noch seinem Auftraggeber bie etwa erforberlichen Nachrichten zu geben. Unb auch hier ist es ausschließlich Aufgabe bes SchulbnerS, ber bie bem pfänbenben Gläubiger gehörige Sache in Gewahrsam hat, bie nötigen Schritte zu tun, wenn er bie Pfändung ber Sache als eine Verletzung bes ihm etwa zustehenben Besitz, unb Benutzungsrechts erachtet. Er kann entweber eine Einwenbung an baS Bollstreckungsgericht richten gemäß § 766 ZPO., ber gerabe auch für btefen Fall anwenbbar ist (zutreffend Flechtheim im Archiv für Zivil- unb Strafrecht ber Rheinprovinz Bb. 104 S. 287 a. E. unb Rechtspr. bet OLG. Bb. 18 S. 400 Abs. 2), ober er kann gegen ben Gläubiger gerichtliche Klage erheben, wie in bem Hanseat. GerZtg. Bd. 17 S. 164 Nr. 89 mit­ geteilten Falle. Daß vorliegenb ber Schulbner A. eine solche Ein­ wenbung erhoben unb mit Erfolg erhoben hätte, hat ber Beklagte nicht behauptet, es ist auch nach bem tatsächlichen Verhalten A.'s

und nach dem zwischen ihm und der Klägerin bestehenden Rechts­

verhältnisse für völlig ausgeschlossen zu erachten.

Also hätte sich

auch hier, wie beim Eigentum eines passiv bleibenden Dritten, ein

formales Verfahren abspielen müssen und abgespielt, das ohne Ver­ letzung irgendwelcher Rechte irgend jemandes zur Befriedigung der Klägerin geführt haben würde. Die Zulässigkeit der Pfändung von dem Gläubiger selbst ge­ hörenden, im Gewahrsam deS Schuldners befindlichen Sachen ist also,

ohne daß eS hier einer Erörtemng über sonstige materiellrechtliche Folgen eines solchen Verfahren- bedarf (vgl. Sachs. Arch. Bd. 6 S. 232), mit Hess. Rechtspr. 1901 S. 61 und Jahrb. der Württemb. RechtSpfl.

Bd. 18 S. 171 zu bejahen (abweichend Seuff. Arch. Bd. 58 S. 125

und Rechtspr der OLG. Bd. 18 S. 400).

Die Zulässigkeit ergibt

sich wiederum au- dem durch die Zivilprozeßordnung selbst gestalteten

Verfahren; eine solche Pfändung verstößt insbesondere, ebensowenig wie die Pfändung von Dritten gehörigen Sachen, gegen eine zwingende

BerbotSnorm (vgl. über § 865 Abs. 2 Satz 1 ZPO. als eine der­ artige BerbotSnorm Jur. Wochenschr. 1904 S. 575 Nr. 10). Aber auch vom Standpunkte de- Berufungsrichters au-, daß die Klägerin eine wirksame Pfändung nur dann hätte durchsetzen können,

wenn sie auf ihr Eigentum verzichtet hätte, ist die angefochtene Ent­ scheidung unhaltbar.

Zuvörderst kann der Gläubiger auf sein Eigen­

tum verzichten nicht nur vor der Pfändung, sondern noch während der Vollstreckung bi- zur Versteigerung.

Um diese Möglichkeit, noch

nach der Pfändung auf ihr Eigentum zu verzichten, hat der Beklagte die Klägerin gebracht, vollend- dann, wenn sich, wie au- der Aus­ sage der Ehefrau und der Tochter de- Beklagten entnommen werden

könnte, der PfändungSaufttag nicht gerade auf da- Inventar richtete.

Dann konnte die Klägerin der Ansicht sein, daß sich noch andere

pfändbare und zureichende Gegenstände beim Schuldner vor finden

würden.

Dann hätte sie erst nach der Pfändung erfahren, daß da-

ihr selbst gehörige Inventar gepfändet war.

Sodann hängt e- aller­

dings von den Umständen de- einzelnen Falle- ab, ob in der Pfän­

dung oder doch in der Versteigerung der unter Vorbehalt deS Eigen­ tum- verkauften und übergebenen Sachen durch den Verkäufer ein Verzicht auf den Eigentumsvorbehalt liegt (Entsch. deS RG.'S in Zivils.

Bd. 66 S. 348).

Die Umstände des vorliegenden Faller find vom

Berufung-richter jedoch nicht richtig gewürdigt worden.

Verzichtete die

Klägerin nach der Pfändung deS Inventar- auf ihr Eigentum, so

konvaleSzierte damit die bisher nur formell

bestehende Pfändung

(Entsch. deS RG.'S in Zivils. Sb. 60 S. 73).

Die Klägerin erwarb

jetzt ein Pfändung-pfandrecht und gleichzeitig erfüllte sie damit die ihr gegenüber dem Käufer A. obliegende Verpflichtung zur Ber­

schaffung deS Eigentums (Entsch. des RG.'S in Zivils. Sb. 66 S.349). Sie war also gesichert gegen andere Gläubiger de- A. durch ihr vor­ gehende- Pfändung-pfandrecht und war auch gesichert gegen Ansprüche

de- A. au- § 325 BGB.

Darum und da die Klägerin au- dem

ganzen Kaufgeschäft unter Eigentum-vorbehalt überhaupt mehr nicht zu fordern hatte al- gerade die Titelsumme von 257 Jt, da da-

Inventar zur Deckung dieser Summe auSreichte und anderweite EigentumSprätendenten nicht vorhanden waren, konnte die Pfändung und Versteigerung deS Inventar- vonseiten der Klägerin nicht ander­

gemeint sein al- so, daß sie ihr weitergehendes Recht an dem ge­ pfändeten Inventar, also ihr Eigentum preiSgebe und sich mit dem Pfändungspfandrecht und dessen Ertrag begnüge; und anders als so konnte auch der Schuldner nach Lage der Sache da- Verfahren der

Klägerin nicht auffassen."...

57.

Findet § 833 Satz 2 BGB. auf Tiere Anwendung, die der

Metzger znm Zwecke de- Schlachtens md de- Verkaufs halt?

IV. Zivilsenat.

Urt. v. 18. April 1912 L S. M. (Kl.) w. F. (Bell.).

Rep. IV. 429/11. L II.

Landgericht Cöln. Oberlandesgerichl daselbst.

Der Kläger sowohl wie der Beklagte sind Metzgermeister in C.

Am 4. Oktober 1909 trieb der Beklagte einen Ochsen, den er kurz

vorher gekauft hatte, in den Schlachthof zu C., um ihn dort zu

schlachten.

Hierbei wurde der Kläger von dem Ochsen verletzt.

verlangt von dem Beklagten Schadensersatz.

Er

Da- Landgericht hat

den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Auf die

Berufung deS Beklagten wurde die Klage abgewiesen.

Die Revision

ist zurückgewiesen worden auS folgenden Gründen:

„ES handelt sich zunächst um die Frage, ob der zum Schlachten bestimmte Ochse als ein Haustier zu gelten hat, da- der Erwerbs­ tätigkeit des MetzgerS als Tierhalter- zu bienen bestimmt ist (§ 833

Satz 2 BGB ).

Das Berufungsgericht hat die Frage, die in Lite­

ratur und Rechtsprechung bestritten ist, im Gegensatze zum Land­ gerichte, bejaht.

Dieser Entscheidung ist beizutreten.

Von den Vertretern der gegenteiligen Ansicht wird geltend ge­ macht, man könne nur dann sagen, dar Tier „diene* der Erwerbs­

tätigkeit, wenn der Tierhalter Nutzungen oder Arbeitsleistungen des Tieres verwerte; das Tier müsse für den Tierhalter „geschästlicheHilfSmittel* sein und als solches der Erwerbstätigkeit des Tierhalters zur Förderung gereichen.

Die Vorschrift deS § 833 Satz 2 passe

aber nicht auf den Fall, daß das Tier, wie dies bei dem Viehhändler

und dem Metzger zutreffe, lediglich den Gegenstand eines An- und Verkaufsgeschäfts bilde, also nichts weiter als Handelsware sei. Diese Ansicht entbehrt der Begründung.

Insbesondere nötigt der

Wortlaut der Vorschrift nicht zu einer solchen Einschränkung. DaTier, da- der Metzger hält, um es zn schlachten und im geschlachteten Zustande zu veräußern, ermöglicht ihm die Ausübung seine- Geschäfts

und „dient* deshalb seiner Erwerb-tätigkeit ebensogut wie da- Tier, das der Landwirt lediglich zu Verkauf-zwecken züchtet und von dem

er keinen anderen Nutzen hat und erwartet, als den Erlös aus dem Verkaufe. ES liegt auch kein Grund zu der Annahme vor, das

Gesetz habe, wenn eS da- Erfordernis aufstellt,-das Tier müsse der Erwerbstätigkeit „dienen*, nur eine der menschlichen Tätigkeit analoge

Lebensäußerung deS Tieres im Auge, die dem Tierhalter förderlich

sei.

Nach dem Sprachgebrauch im allgemeinen und dem des Bürger­

lichen Gesetzbuchs im besonderen kann man selbst von einer leblosen Sache sagen, daß sie den Zwecken einer Person oder einer anderen Sache dient (vgl. §§ 97, 98 BGB.).

Die Faffung der Novelle

selbst läßt erkennen, daß die von den Gegnern gewollte Auslegung

unrichtig ist.

Die Novelle beschränkt nämlich die Haftung

auch

dann, wenn da- Tier dem Unterhalt de- Tierhalter- zu bienen be­ stimmt ist.

Das tut eS aber nicht nur dann, wenn eS Nutzungen

adwirst, also „Leben-äußerungen" von sich gibt, sondern auch wenn eS selbst ein Nahrung-mittel für bett Menschen bildet.

Daß auch dieser

letztere Fall von der Novelle getroffen werden soll, ist in der Begründung ausdrücklich anerkannt, indem dort gesagt ist, wenn da- Gesetz den Unterhalt-zweck besonder- berücksichtige, so habe e- dabei solche Fälle

im Auge, in denen da- Tier, z. B. eine Milchkuh oder ein zum

Schlachten bestimmtes Schwein nicht der Erwerb-tätigkeit, sondern dem Haushalte de- Tierhalter- dienen solle (Drucks, de- Reichstag-

1907/08 Nr. 538).

Wenn aber da- Halten de- Tiere- zwecks Ver­

brauchs den Tatbestand der AuSnahmevorfchrist erfüllt, so ist nicht ersichllich, we-halb da- Halten zum Zwecke einer mit dem de- Ver­

brauchs rechtlich und wirtschaftlich auf einer Stufe stehenden Ver­ äußerung (vgl. tz 92 BGB.) anders zu behandeln sein sollte. Ferner wird eingewendet, der Schutz der Novelle komme nur

dem Halter eine- solchen Tieres zugute, da- in ganz besonders engen Beziehungen zum Tierhalter stehe.

Diese fehlten aber beim Vieh­

händler, für den die Tiere nichts als Handelsware seien, und es sei

deshalb nicht einzusehen, warum die Haftung de- Tierhalters, der nicht mit Haustieren, sondern mit andere» Tieren handle, eine soviel

schärfere sein solle.

Richtig ist, daß daS Gesetz gewisse engere Be­

ziehungen zwischen dem Tierhalter und dem Tiere fordert.

DaS

findet darin seinen Ausdruck, daß eS die mildere Haftung nur ein­ treten läßt, wenn eS sich um Haustiere handelt, d. h. um zahme Tiere, die von dem Menschen in seiner Wirtschaft zu seinem Nutzen

gezogen und gehalten zu werden Pflegen.

ES mag auch zugegeben

werden, daß Tiere, die zwar ihrer Gattung nach Hau-tiere sind,

aber ausnahmsweise nicht als solche verwendet werden (Versuchstiere zu wissenschaftlichen Zwecken, Tiere zur Heilserumserzeugung) im Sinne

deS Gesetze- als Haustiere nicht in Betracht kommen.

So liegt die

Sache aber beim Viehhändler und Metzger keineswegs.

Diese halten

das Haustier gerade um der Eigenschaften willen, die e- als solche-

hat und derentwegen eS dem Menschen wert und deshalb verkäuflich ist, mag diese Eigenschaft auch nur darin bestehen, daß eS zur mmsch. lichen Nahrung geeignet ist.

Gibt eS doch Haustiere, deren Be­

deutung als solche sich in dieser Bestimmung erschöpft, die also weder

Arbeitsleistungen verrichten, noch auch nennenswerte Nutzungen ab­

werfen, z. B. das Schwein.

Hieraus ergibt sich zugleich, daß die

Revision unrecht hat, wenn sie meint, der zum Schlachten bestimmte

Ochse sei nicht zu den Haustieren zu rechnen. Verfehlt ist schließlich, wenn geltend gemacht wird, die hier vertretene Ansicht würde dazu führen, die Haftung für den von einem

Luxustier angerichteten Schaden verschieden zu beurteilen, je nachdem da- Tier zur Zeit des Schaden- von einem Viehhändler oder von

einer anderm Person gehalten worden ist. Dabei wird übersehen, daß die Frage, ob ein Tier al- Luxustier anzusehen ist, sich nicht ein für allemal au- der Natur des Tieres heraus bestimmt, sondern

daß eS dabei wesentlich auf die Person des Tierhalters ankommt. Ein vom Landwirt zu Zuchtzwecke« gehaltene- Vollblutpferd ist in

seiner Hand kein Luxustier, gewinnt aber diese Eigenschaft, wenn es in die Hände eines Rentner- übergeht, der es nur zu Spazierfahrten

Umgekehrt läßt sich der gegnerischen Ansicht der Vorwurf machen, daß sie unter Umständen zu schwierigen Unterscheidungen nötigt, die nicht im Sinne des Gesetzes gelegen haben können. Man benutzt.

denke nur an den Fall, daß ein Landwirt eine Anzahl Schweine

hält, von denen er einige verkaufen, andere selbst schlachten oder zu

Zuchtzwecken benutzen will. Wird durch die Tiere ein Schaden an­ gerichtet, so würde der Landwirt von der Ersatzpflicht nur dann be­

freit sein, wenn ihm der Nachweis gelänge, daß der Schade von Dar Gesetz

den zur letzteren Gattung gehörigen Tieren angerichtet ist.

würde hiernach leicht in Fällen versagen, für die es vor allem be­ rechnet war. Ergibt hiernach Wortlaut und Sinn der Novelle ihre Anwend­

barkeit auf den vorliegenden Fall, so spricht auch die Entstehungs­ geschichte entscheidend dafür.

Die auf einer Anregung des Reichs­

tags beruhende Novelle verfolgt den Zweck, die GefährdungShastung des ursprünglichen § 833 BGB. hinsichtlich derjenigen Haustiere zu milder«, welche, im Gegensatze zu den sog. LuxuStieren, den not­ wendigen

wirtschaftlichen

Bedürfniffen

der

Bevölkerung

dienen.

Namentlich war beabsichtigt» die klemm und mittleren landwirtschast-

lichen und gewerblichen Betriebe zu entlastm, die unter der alten

Vorschrift besonders gelitten hatten.

In der Begründung zur Novelle

ist ausdrücklich ausgesprochen, daß die neue Vorschrift sich dem Ge­

danken des Allgemeinen Landrecht- (I, 6 § 72) nähere, wonach der­

jenige, welcher ein Tier lediglich zu seinem Vergnügen halte, ohne

Rücksicht auf Verschulden haste. Demselben Gedanken ist bei den Verhandlungen deS Reichstags über das Gesetz wiederholt Ausdruck verliehen worden. Insbesondere äußerte der Staatssekretär deS Reichsjustizamts, bett Gegensatz zu den unter die Novelle fallenden Tieren bildeten die sog. LuxuStiere (Stenogr. Ber. 1907/08 S.2338). Zu den Luxustieren gehören aber die vom Metzger und Viehhändler zum Zwecke des Verkaufs gehaltenen Haustiere nicht, und daraus, daß es sich um gewerbliche Betriebe handelte, ist kein Gegengrund zu entnehmen, da man diese ebenso schützen wollte, wie die landwirt­ schaftlichen. Auch ihnen muß daher die Novelle zugute kommen/...

58. Ist die Verwendung auf einen Ortsnamen deutender Worte („tßUfenet") bei der Bezeichnung nicht ans diesen Otten stammenden Bieres zulässig, wenn durch Zusätze, insbesondere durch Angabe der Braustätte, klar gestellt ist, daß hiermit nur eine Beschaffenheitsangabe gemeint ist? Gesetz zum Schutze der Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894 § 16. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909 §§ 3. 5.

IL Zivilsenat. Urt. v. 19. April 1912 i. S. M. u. Gen. (Bekl.) w. Bürgerliches Brauhaus in Pilsen u. Gen. (Kl.). Rep. II. 450/11. I. II.

Landgericht III Berlin, Kammer für Handelssachen. Kammergericht daselbst.

Die Klägerinnen sind Brauereien, die ihren Sitz in Pilsen haben. Die Beklagtm vertreiben ein Bier, das von der Beklagten zu 3 in ihrer Zweigniederlassung mit der Firma »Radeberger ExportBierbrauerei, Zweigniederlassung der Dmtschen Bierbrauerei-Aktien­ gesellschaft in Radeberg" in der sächsischen Stadt Radeberg erzeugt und auf Wirtshausschildern, Fensterreklamen, Plakaten, Flaschen­ etiketten, Bieruntersätzen usw. vornehmlich mit „Radeberger Pilsener" bezeichnet wird. Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten auf Unterlaffung der Bezeichnung des betreffenden Bieres als „Pilsener" oder als „Radeberger Pilsener" sowie auf Verurteilung zum Schadens-

ersatze geklagt.

Die Beklagten haben im Wege der Widerklage be­

antragt: festzustellen, daß sie berechtigt sind, ihr in Radeberg nach

Art deS Pilsener Bieres erzeugtes Bier als „Radeberger Pilsener" oder als „Radeberger Pilsener, Radeberger Export-Bierbrauerei in

Radeberg bei Dresden" zu bezeichnen und demgemäß anznkündigen.

Das Landgericht hat aus die Klage den Beklagten untersagt, in Radeberg erzeugtes Bier oder Ankündigungm solchen Bieres mit

der Bezeichnung „Radeberger Pilsener" zu versehen, und sie zum Schadensersätze verurteilt, auf die Widerklage aber, unter Abweisung

deS weitergehenden Antrags, festgestellt: daß die Beklagten den Klägerinnen gegenüber berechtigt sind, dar in Radeberg nach Art des Pilsener Bieres erzeugte Bier in öffentlichen Ankündigungm als „Radeberger Pilsener aus der Radeberger Export-Brauerei in Rade­

Im zweiten Rechtszuge wurde zur Klage die Berufung der Beklagten gegen daS landgerichtliche Urteil mit einer hier nicht interessierenden Maßgabe zurückgewiesen. Die Widerklage wurde auf die Berufung der Klägerinnm gänzlich berg bei Dresden" zu bezeichnen.

abgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten ist das Berufungsurteil auf­ gehoben und die Sache zurückverwiesm worden. Aus den Gründen: „Der BemfungSrichter hat in Übereinstimmung mit dem Land­

gericht angenommen, daß der Ausdruck „Pilsener Bier" nicht eine bloße Beschaffenheitsangabe enthalte, sondem die Bedeutung einer

Herkunstsbezeichnung habe, also zum Ausdrucke bringe, daß daS be­

treffende Bier in Pilsen selbst gebraut sei.

Angriffe hiergegen sind

mit der Revision nicht erhoben; auch ist in dieser vom Reichsgerichte

wie für „Pilsmer" so auch für „Münchener" Bier bereits wieder­ holt gebilligten Annahme ein Recht-irrtum nicht enthalten. Der Berufungsrichter führt sodann aber weiter aus:

Bedeute „Pilsmer

Bier" nichts anderes wie: Bier auS Pilsen, so könne hieran dadurch

nichts geändert werden, daß dem Worte Pilsen, nach- oder voran­ gestellt,, noch ein zweiter Ortsname in adjektivischer Form beigefügt

werde (hier Radeberger Pilsener).

Denn ein Bier könne nicht zwei

Herkunftsorte (zwei Braustätten) habm; daS Bier aus Pilsen könne

nicht zugleich aus Radeberg

sein,

die Hinzufügung einer zweiten

Herkunftsangabe sei ein begriffliches und logisches Unding; sie sei

nicht geeignet, Verwechselungen zu verhüten, sondern könne nur zu

erhöhter Irreführung im Verkehr Anlaß geben.

Dementsprechend

sagt der Berufungsrichter bei den Erörterungen

zur Widerklage:

Wenn das Publikum nach seiner maßgebenden Allgemeinauffassung

unter Pilsener Bier nur Bier verstehe, daS in Pilsen gebraut sei, so gebe eS überhaupt keine Hinzufügung, welche diese Bedeutung des

Wortes Pilsener wieder aufheben und in unzweideutiger, jeden Zweifel ausschließender Weise zum Ausdrucke bringen könnte, daß das Pilsener Bier nicht aus Pilsen stamme.

Eben weil eS ein Bier mit zwei

Herkunftsorten nicht geben könne, so werde der maßgebende Teil des Publikums auch bei einer Bezeichnung wie „Radeberger Pilsener an­

der Radeberger Brauerei in Radeberg in Sachsen" (oder ähnlich) immer nur daS entscheidende Schlagwort Pilsener beachten und allen weiteren Zusätzen überhaupt keine Bedeutung beimessen. Diesen Ausführungen, die sich mit der neuerdings, im Gegensatze

zu früher, vertretenen Auffassung deS Patentamts über die Ein­

tragungsfähigkeit von Warenzeichen decken, Beschl. vom 24. November 1910, Gew. Rechtsschutz u. Urh.Recht

1911 S. 22; Beschl. vom 25. März 1911, Markensch. u. Wettbew. 1910/11

S. 319;

Beschl. vom 10. April 1911, Bl. f. Pat.-,

Muster- u. Zeichenw. 1911 S. 168, vermag der Senat für die Frage der Anwendbarkeit des § 16 WarenbezGes. und deS § 5 UnlWGes. nicht beizutretem

Sie stehen

im Gegensatze zu der bisherigen Annahme wie der Patentamts, so

auch der Gerichte, insbesondere deS Reichsgerichts.

Sicher kann ein

Bier nicht zwei Herkunftsorte haben; eS kann nicht zugleich in Pilsen und noch in irgend einem anderen Orte hergestellt sein.

Aber gerade

daS beweist allein schon, daß er sich, wenn bei der Bezeichnung von Bier in gleicher, deutlichster Weise Namen von zwei Orten genannt sind, und zwar von solchen, welche in den betreffenden Kreisen auch als Orte bekannt oder etwa sonst kenntlich gemacht find, unmöglich bei beiden Orten um Herkunftsbezeichnungen handeln kann.

Eben

weil die Angabe zweier Herkunftsorte ein begriffliche- und logisches Unding ist, muß bei Angaben über Bier, in denen sich zwei Orts­

namen befinden, der Name des einen Orts eine andere Bedeutung haben als der andere, und kann der eine von ihnen nicht Herkunstsangabe sein.

Außerordentlich häufig wird die regelmäßige Bedeutung

eines Worte- durch ein ihm hinzugefügtes Wort verändert. Da­ gilt für die Worte Pilsen, München, Dortmund, Nürnberg, Erlangen ebensowohl wie für andere Worte. ES ist daher auch nicht zutreffend, wenn der Berufungsrichter ganz allgemein hinstellt, es gebe über­ haupt keine Hinzufügung, welche die Bedeutung des Wortes „Pilsener" als in Pilsen gebrauten Bieres wieder aufheben und völlig zweifels­ frei machen könnte, daß das Bier nicht aus Pilsen stamme. Ob Zusätze, die einem Worte hinzugefügt sind, im Verkehr be­ achtet werden und welche Bedeutung ihnen im Verkehr beigemeffen wird, kann immer nur im einzelnen Falle entschieden werden, je nachdem wie sich die gesamte Angabe darstellt, insbesondere auch wie sie äußerlich gehalten ist und ob daS streitige Wort nach der Art, wie eS erscheint, überhaupt noch „Schlagwort" ist und noch als solches aufgefaßt werden kann. Es ist auch nach Sprachregeln und allgemeinem Sprachgebrauche nicht zu bezweifeln, daß es, wie die Revision ausführt, die Bedeutung einer Beschaffenheit-angabe haben kann, wenn bei der Bezeichnung einer Ware ein Ortsname gebraucht wird, und daß im Verkehr gerade mit dem Worte Pilsener, wiewohl eS für sich allein eine Herkunftsangabe enthält, in Verbindung mit anderen Worten vielfach nur auf die Beschaffenheit des Bieres hingewiesen wird. Gerade deshalb ist, entsprechend der ftüheren Auffassung des Patent­ amts über die Eintragungsfähigkeit von Warenzeichen, vgl. insbesondere Beschl. vom 10. Februar 1897, Bl. f. Pat.-, Muster- u. Zeichen». 1897 S. 75/76; vom 25. November 1898, ebendas. 1900 S. 356, gerichtsseitig, insbesondere auch vom Reichsgericht auf Grund des § 16 Abs. 2 WarenbezGes. sowie des § 1 Abs. 3 UnlWGes. vom 27. Mai 1896 (jetzt § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wett­ bewerb vom 7. Juni 1909) in feststehender Praxis angenommen worden, die Verwendung von Worten wie „Pilsener" oder „Münchener" fei bei der Bezeichnung nicht aus Pilsen oder aus München stammenden Bieres dann zulässig, wenn durch Zusätze, insbesondere durch die deutliche Angabe der Braustätte, in einer jeden Zweifel ausschließenden Weife klargestellt fei, daß mit dem Worte Pilsener oder Münchener nur eine BeschaffenheitSangabe, nur die Angabe gemacht werde, daß das Bier „nach Pilsener Art", „nach Münchener Art" gebraut fei. Urteil der Reichsgerichts vom 16. März 1900, Rep. II. 22/00;

vom 20. September 1901, Unl. Wettbew. Bd. 1 S. 45; vom

30. Oktober/13. November 1900, Bl. f. Pat.- usw. Wesen Bd. 10 S. 21; vom 17. Oktober 1902, Unl. Wettbew. Bd. 2 S. 42; grundsätzlich auf demselben Standpunkt Urteil des Reichsgerichts vom 14. Juni 1904, Unl. Wettbew. Bd. 3 S. 113/114;

vom

18. April 1904, Entsch. des RG.'S in Straff. Bd. 37 S. 136/137. Dieser Standpunkt ist vom Reichsgericht, soweit zu ersehen ist, niemals

verlassen worden, insbesondere auch nicht in dem vom Patentamt angeführten Urteile vom 7. Dezember 1909, Rep. II. 509/09, Jur.

Wochenschr. 1910 S. 121. Das Kammergericht hat bis in die neueste Zeit fortgesetzt auf demselben Standpunkte gestanden. Er allein entspricht auch den dabei für die gerichtlichen Ent« scheidungen in Betracht kommenden Bestimmungen des § 16 WarenbezGes.

und § 5 UnlWGes.

Wenn der Name des Ortes in deutlicher Weise

nicht zur Bezeichnung der Herkunft gebraucht ist, wenn er auf die Herkunft der Ware nicht hinweist, so liegt keine „fälschliche" Ver­ wendung des Namms (§ 16 WarenbezGes.), und keine „unrichtige"

Angabe (§ 3 UnlWGes.) vor.

Mit voller Sicherheit ist auch aus der

EutstehungSgeschichte des Gesetze- gegen dm unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909 zu entnehmen, daß die jetzige Auffassung des Kammer­ gerichts, die eS in Urteile» vom Oktober und November 1911 auch

noch ausdrücklich dahin formuliert hat: eS sei unzulässig, ein nicht in Pilsen gebraute- Bier mit einer Bezeichnung zu versehen, welche da- Wort „Pilsener" enthält, dem Gesetze nicht entspricht.

Bei dm

Reichstag--Kommissionsberatungen deS Gesetzentwurfs wurde, dm

häufigen

mißbräuchlichen

Verwendungen

von

um

Städtenamen

(namentlich München, Dortmund, Pilsen) zur Bezeichnung von an

anderen Orten hergestelltev Bieren entgegenzutreten, besonders für

Bier die Einfügung einer ergänzenden »eiteren Bestimmung beantragt:

„Im gewerbsmäßigen Verkehr mit Bier dürfen Ort-bezeich­ nungen nur zur Kennzeichnung der Herkunft verwendet werden.

Wer dieser Vorschrift zuwider bei der Benennung von Bier eine der Herkunst nicht entsprechende Ortsbezeichnung vorsätzlich oder fahrlässig verwendet, wird mit . . . bestraft."

Dieser Antrag, bei dessen Beratung übrigens von Regierungs­

seiten ausgeführt wurde, daß Bezeichnungen wie „Münchener Bier", „Pilsener Bier",

für anderweit gebrautes Bier,

nicht verwendet

werden dürfen, wenn nicht die anderweite Braustätte deutlich erkennbar gemacht werde, wurde abgelehnt (Drucks, des Reichstags 12. LegiSl.Per. t Sess. Nr. 1390 S. 47 flg.). Hingegen wurde für Wein in dem

zu

derselben Zeit zur

Beratung

stehenden Weingesetze vom

7. April 1909 in § 6 ausdrücklich vorgeschrieben: „Im gewerbsmäßigen Verkehre mit Wein dürfen geographische

Bezeichnungen

nur

zur Kennzeichnung

der Herkunft verwendet

werden. Die Vorschriften des § 16 Abs. 2 der Gesetzes zum Schutze

der Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894, und des § 1 Abs. 3

des Gesetzes zur Bekämpfung deS unlauteren Wettbewerbes vom

27. Mai 1896 finden auf die Benennung von Wein keine An­ wendung."

Also das, waS für Bezeichnungen von Wein gesetzlich bestimmt

wurde (und was der Berufung-richter als auch für Bier geltend annimmt), wollte der Gesetzgeber für Bier ersichtlich nicht bestimmen. Aus den vorstehend erörterten Gründen hat der Senat geglaubt,

bei der bisherigen Rechtsprechung deS Reichsgerichts bestehen bleiben zu müssen.

59.

Das führte zur Aufhebung der Berufungsurteils." ...

Ist Militäranwärter, wer den ZivilverforgungSschein durch den Dienst in der Landgendarmerie erworben hat?

Ges. vom 27. Juni 1871, betr. die Pensionierung und Versorgung

der Militärpersonen deS ReichSheereS und der Kaiserlichen Marine usw., in der Fassung deS Gesetzes vom 22. Mai 1893 (RGBl. S. 171)

8 107. Preuß. Kommunalbeamtenges. vom 30. Juli 1899 (GS. S. 141) 88 12, 15. Preuß. Ges., betr. die Fürsorge für die Witwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten vom HnsHsirlW

Preuß, Ges, betr. die Pensionierung der unmittelbaren Staatsbeamten, uum

27. März 1872 (®S. ®. 268) e OQ 27/Mai 1207 (GS. ®. 95)"" S

Mannschaftsversorgungsgesetz vom 31. Mai 1906 (RGBl. S. 593)

88 15, 16, 18, 23.

III. Zivilsenat.

Urt. v. 19. April 1912 i. S. H. (Bell.) w. Stadt­

gemeinde Oppeln (Kl.). I. II.

Rep. III. 486/11.

Landgericht Oppeln. Oberlandesgericht Breslau.

Der Ehemann der Beklagten hatte, ehe er in den Dienst der Klägerin trat, 9 Jahre und einige Monate im Heere und 9 Jahre

und 10 Monate in der preußische» Landgendarmerie gedient und war auS dem letzteren Dienste mit Pension entlassen worden.

Er ist dann

vom 1. Oktober 1892 bis zu seinem am 9. April 1907 erfolgten Tode als Polizeikommissar im Dienste der Klägerin angestellt gewesen. Die Parteien streiten darüber, ob bei Berechnung des Witwengelder,

das die klagende Stadtgemeinde der Beklagten nach § 15 Komm-

BeamtGes. vom 30. Juli 1899 in Verb, mit den Bestimmungen des Ges., betr. die Fürsorge für die Witwen und Waisen der unmittel­ baren Staatsbeamten vsw. vom zu zahlen hat, auch die Dienstzeit ihres Ehemannes im Heer und in der Gendarmerie zu berücksichtigen ist. Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit

den gemäß § 7 KommBeamtGes. erlassenen Vorentscheidungen deS BezirkauSschufleS und des ProvinzialrateS die Frage bejaht.

Das

Berufungsgericht hat dagegen die Verpflichtung der Klägerin zur Anrechnung

jener Dienstzeiten verneint, und zwar hinsichtlich der

Dienstzeit in der Gendarmerie, weil diese nach § 107 MilPensGes.

überhaupt nicht anzurechnen sei, hinsichtlich der Dienstzeit im Heere

aber um deswillen, weil der Ehemann der Beklagten eine unter Anrechnung der Militärdienstzeit als pensionsfähiger Dienstzeit fest­

gesetzte Pension nach

bereits

im

Zivilstaatsdienst

ctbient

habe,

wozu

§ 4 BeamtPensGes. vom 27. März 1872 auch der Dienst

der Gendarmen in der Landgendarmerie gehöre.

Em Anspruch auf

nochmalige Anrechnung der Militärdienstzeit bei seiner Pensionierung

habe ihm deshalb nach erneuter Anstellung nicht zugestanden.

Die

Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen auS folgenden

Gründen: „Ob diesem letzteren Entscheidung-grunde beizutreten ist, kann dahingestellt bleiben, denn jedenfalls erweist sich die angefochtene Ent-

scheidung auS folgenden Gründen in vollem Umfang als zutreffend.

Die Verpflichtung der Stadtgemeinden zur Anrechnung der Militär­

dienstzeit bei der Festsetzung der Pension ihrer Beamten bestimmt sich lediglich nach § 107 MilPensGes. vom 27. Juni 1871 i. K Fast, deGes. vom 22. Mai 1893, und seit dem Inkrafttreten de- sog.Mannschastr-

versorgung-gesetzeS vom 31. Mai 1906, dessen Bestimmungen jedoch im vorliegenden Falle nach seinem § 45 keine Anwendung finden, nach § 23 diese- Gesetzes. Vor dem Erlaß der Novelle vom 22. Mai 1893 bestand eine solche Verpflichtung in Preußen nicht (vgl. Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 37 S. 237).

DaS Kommunalbeamtengesetz vom 30. Juli 1899 hat (s. § 12 Abs. 2) an dem bestehenden Rechts­ zustand in dieser Beziehung nicht- geändert; § 28 deS Gesetzes be­

treffend die Pensionierung der unmittelbaren Staatsbeamten usw. vom 27. März 1872 i. d. Fass. deS Gesetzes vom 27. Mai 1907, auf den sich die Revision beruft, kommt für diese Frage überhaupt nicht m

Betracht; Abs. 2 und 3 dieses Paragraphen betreffen nicht die Be­ rechnung der Pension, sondern die Frage, wie weit eine früher er«

diente Pension neben der durch eine spätere Wiederanstellung ne« erdienten weiter zu zahlen ist. Der hiernach maßgebende § 107 ordnet die Anrechnung der Militärdienstzeit nur an bei de» Militäranwärter« und den hier nicht in Betracht kommenden forstversorgnngSberechtigten Personen

deS Jägerkorps.

Für die Bestimmung deS Begriff- der Militär­

dienstzeit sowohl als deS der Militäranwärter sind allein die Be­

stimmungen der Gesetzes selbst und sein Zweck maßgebend, der in der Überschrift und in der hiermit übereinstimmenden Faffnng

des § 1: „Für die Pensionierung und Versorgung der Militärpersonen deS Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine, sowie für die Be­ willigungen an die Hinterbliebenen solcher Personen gelten die

folgenden Vorschriften:"

klar zum Ausdruck kommt.

Rur der Dienst im Reichsheer und in

der Marine ist Militärdienst im Sinne deS § 107, nicht also der Dienst in der Landgendarmerie, die lediglich eine Einrichtung der

einzelne« Bundesstaaten ist (vgl. Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 28 S. 3 und 9, Bd. 44 S. 190, 192).

Daß die Mitglieder der Land­

gendarmerie im Sinne der Militärstrafgerichtsordnung als Personen des

Soldatenstandes

des

Entsch. in Zivils. N. F. 29 (79).

aktiven

Heere-

gelten,

sofern

17

sie

der

Militärstrafgerichtsbarkeit unterstellt sind (§ 2 Abf. 3 EinfGef. zur MilStrGO. vom 1. Dezember 1898 ^RGBl. S. 1289]), ist ebenso

ohne Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 107, wie der Umstand, daß die Landgendarmen etwa im Sinne des Landesrecht- als Militär­

personen auzusehen wären. Eine Verpflichtung der Kommunen zur Berücksichtigung der im Gendarmeriedienste verbrachten Zeit bei der

Pensionierung ihrer Beamten bestand danach in Preußen nach dem Gesetze nicht. Militäranwärter im Sinne de- Gesetzes sind »ach § 77 Abs. 1

in der Fassung der Novelle von 1893 die Inhaber des ZivilversorgungSscheinS.

Der Anspruch auf Erteilung dieses Scheins stand

aber nach dem Gesetze nur zu den als zivilversorgungsberechtigt an-

erkannten Invaliden, und zwar den Halbinvaliden, d. h. den zwar aber zum Garnisondienste noch fähigen Personen nur nach mindestens 12 jähriger Dienstzeit (§§ 58, für den Felddienst untauglichen,

61, 75 MilPensGes. vom 27. Juni 1871), und ferner nach § 10 des Gesetzes vom 4. April 1874, betreffend Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes vom 27. Juni 1871 (RGBl. S. 25), Unteroffizieren,

die nicht schon als Invaliden 12 jährigem aktiven Dienste.

versorgungSberechtigt

waren,

nach

Nur hinsichtlich dieser Personen, die

im Sinne deS Gesetzes allein als Militäranwärter angesehen werden können»

besteht

die

in

§ 107

ausgesprochene

Verpflichtung

der

Kommunen. Die vom BundeSrate beschlossenen Grundsätze für die Besetzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen mit Militäranwärtern führen

außer diesen Militäranwärtern, denen nach dem Gesetz ein Anspruch

auf den ZivilversorgnngSschein zusteht,

Milüäranwärtern auf.

noch andere Klaffen von

Dieser weitere Begriff der Militäranwärter

kommt für die Anwendung deS § 107 nicht in Betracht.

fugnis deS Bundesrats,

Eine Be­

die Verpflichtung der Kommunen zur An­

rechnung der Militärdienstzeit bei Pensionierung ihrer Beamten über den Rahmen deS Gesetzes hinaus zu schaffen, bestand nicht und kann insbesondere nicht daraus hergeleitet werden, daß dem BundeSrat in

§ 77 deS Gesetzes die Feststellung der allgemeinen Grundsätze über die Besetzung der Stellen mit Militäranwärtern übertragen worden ist.

Die Grundsätze ergeben aber anch, daß der BundeSrat die völlige

Gleichstellung dieser anderen. Klaffen von Militäranwärtern mit dm

Anwärtern im Sinne des Gesetze- nicht beabsichtigte, und sie befassen sich mit der Frage der Anrechnung der Militärzeit dieser Anwärter

bei der Pensionierung überhaupt nicht. Die am 7. und 21. März 1882 vom Bunde-rate beschlossenen Grundsätze (JMBl. S. 325) betreffen nur die Besetzung von Stellen

bei den Reichs« und Staatsbehörden, nicht bei den Kommunen, mit Militäranwärtern.

Hiernach kann der Zivilversorgung-schein unter

bestimmten Voraussetzungen auch solchen ehemaligen Unteroffizieren erteilt werden, die nur 9 oder 6 Jahre im Heer oder in der Marine

gedient haben und dann in eiitc militärisch organisierte Gendarmerie oder Schutzmannschaft eingetreten sind.

Diese erhalten aber (§ 1 der

Grundsätze Abs. 8 und 4) nicht, wie die Militäranwärter im Sinne

des Gesetzes, den Zivilversorgungsschein nach Anlage A, der Gültig­ keit für dm Reichsdienst und den Zivildienst aller Bundesstaaten hat, sondem nur die Bescheinigung nach Formular B oder C, die

nur für den Zivildienst des betreffenden Staates, der zu B außer­ dem auch für den Reichsdienst, nicht aber für den Dienst in den anderen Bundesstaaten gültig ist.

Für den Zivildienst aller Bundes­

staaten berechtigt dagegen, gleich dem durch den Dienst im Heere

oder der Marine zu erwerbenden Zivilversorgungsschein A, auch der

Versorgungsschein Al, der nach der Bekanntmachung des Reichs­ kanzler- vom 29. Januar 1895 (JMBl. S. 55) durch den Dienst in den Schutzgebieten de- Reiches erworben wird.

Mit der Be­

setzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen bei den Kommunal­

behörden befassen sich erst die besonderen, hierfür vom Bundesrat am 28. Juni 1899 beschlossenen Grundsätze (RZBl. S. 28).

Diese

sprechen eine Verpflichtung zur Besetzung der betreffenden Stellen

nur in Ansehung von Militäranwärtern im Sinne de- MilitärPensionsgesetzes aus.

§ 1 Abs. 2 lautet nämlich:

„Militäranwärter im Sinne dieser Grundsätze ist jeder Inhaber des Zivilversorgungsscheins nach Anlage A der Grundsätze für die

Besetzung der Subaltem- und Uaterbeamtenstellen bei den Reichr­ und Staatsbehörden mit Militäranwärtern vom 7./21.März 1882/

In 8 8 Nr. 1

ist dann weiter

bestimmt,

daß

die

dm Militär­

anwärtern vorbehaltenen Stellen auch verliehen werden können In­ habern des Zivilversorgungsscheins nach Anlage A1, B und C der Grundsätze vom 7./21. März 1882. Hier hält also auch der Bundes-

17*

rat an dem engeren Begriffe de- Militäranwärters fest, wie er sich aus dem Gesetz ergibt; er beschränkt die Anwendung des § 77 auf

diese Militäranwärter im engeren Sinne und stellt sie in Gegensatz zu den Inhabern der Zivilversorgungsscheine nach Formular Al, B und C, die Militäranwärter im Sinne des Gesetzes nicht sind.

Der Kläger kann, da er noch nicht 12 Jahre im Heere gedient hat, dm Zivilversorgungsschein nur durch den todteren Dienst in der Landgendarmerie, also nach Formular B, erlangt haben.

Denn

daß er als Ganzinvalide aus dem Heere geschieden wäre, ist nach dm Anforderungen, die an die körperliche Rüstigkeit der Gendarmm gestellt werden, auSgeschlossm.

Eine Verpflichtung, seine Militär­

dienstzeit bei seiner Pensionierung zu berücksichtigen, bestand somit nach § 107 für die Klägerin nicht.

Nach § 15 der Kommunal-

beamtengesetzeS kann daher auch bei der Festsetzung des Witwengeldes der Beklagten die Militärdienstzeit ihre- verstorbenen Ehemannes

nicht angerechnet werden. Bemerkt sei noch, daß auch bei Anwendung des Mannschaft-» versorgungSgesetzeS vom 31. Mai 1906 die gleiche Entscheidung ge­ troffen werden müßte. Diese- Gesetz hat, wie seine vollständige Überschrift „Gesetz über die Versorgung der Personen der Unter­ klassen deS ReichSheereS, der Kaiserlichen Marine und der Kaiser­ lichen Schutztruppen" ergibt, mit der Landgmdarmerie nichts zu tun.

Militäranwärter sind auch nach diesem Gesetze (§ 18) die Inhaber

deS ZivilversorgungSscheinS, und hierauf haben nach dem Gesetze nur

Anspruch Kapitulanten mit 12 jähriger Dienstzeit (§ 15) und solche mit kürzerer Dimstzeit, sofern'sie wegen körperlicher Gebrechen im. aktiven Dienste nicht mehr verwendet werden können und deshalb von der Militärbehörde entlassen werden (§ 16).

Die vom Bundes­

rat infolge diese- Gesetzes durch Beschluß vom 20. Juni 1907 er­ lassenen neuen Grundsätze für die Besetzung der Subaltern« und

Unterbeamtenstellen bei den Reichs» und Staatsbehörden und bei

den Kommunalbehörden (JMBl. S. 562) unterscheiden in ähnlicher Weise, wie die oben erwähnten von 1882 und 1899, besonders hin­ sichtlich der Besetzung der Stellen bei den Kommunalbehörden, zwischen

Militäranwärtern im Sinne deS Gesetze- und solchen, welche den Zivilversorgungsschein nach kürzerer Dimstzeit im Heere durch weiteren

Dienst in der Gendarmerie erworben haben.

Die letzteren haben

somit auch nach § 23 des Mannschaftsversorgungsgesetzes keinen Anspruch auf Anrechnung ihrer Militärdienstzeit bei der Festsetzung der ihnen aus dem Kommunaldienste gebührenden Pension."

60. Was ist unter Vermietung zu gewerblichtu oder beruflichen Zwecken im Siuue der Tarisst. 481 Abs. 2 de- preuß. Stempel­ steuergesetzes vom 30. Juni 1909 zu verstehen?

VIL Zivilsenat. Urt. v. 19. April 1912 i. S. preuß. Fiskus (Bell.) w. Stadtgemeinde S. (Kl.). Rep. VIL 2/12. I. Landgericht Stettin. II. Oberlandesgericht daselbst.

Die Parteien streiten über die Berstemprlung von drei Miet­ verträgen, an denen Klägerin als Vermieterin beteiligt war. Sie vermietete 1. Am 16. Juni 1908 an den Ruderklub Sport-Germania ein Grundstück zu Sportzwecken, 2. Am 27. Juni 1904 an den Staatsfiskus Räume zur Be­ nutzung als chemisches und tierärztliches Laboratorium, 3. Am 15. Dezember 1904 an denselben eine Baracke zur Be­ nutzung als Trichinenschauamt. Auf Verlangen der Steuerbehörde entrichtete sie für 1909 und 1910 zusammen 12,so Jl Stempel. Klägerin ist der Meinung, daß die Steuerermäßigung deS Abs. 2 der Tarisst. 481 StempStGes. vom 30. Juni 1909 Platz greife, weil es sich um Vermietungen zu gewerblichen und beruflichen Zwecken handle, und beantragte, den Beklagten zur Rückzahlung der hiernach zuviel bezahlten 5,so M zu verurteilen. Entsprechend dem Anträge der Beklagten wurde die Klage abgewiesen. Auf Berufung der Klägerin wurde der Beklagte unter teilweiser Änderung des ersten Urteil- verurteilt, an die Klägerin 4,50 JH zurückzuzahlen. Im übrigen wurde die Berufung zurück­ gewiesen. Auf Revision deS Beklagten wurde da- erste Urteil wieder hergestellt.

Aus den Gründen:

♦.. „Der Berufungsrichter führt aus, der Sprachgebrauch kenne den Begriff de- Berufs nicht

nur in dem Sinne, nach dem er

die selbstgewählte Tätigkeit eines Menschen bedeute, sofern sie dessen

Arbeitskraft ganz oder zum größten Teil in Anspruch nehme, sondern auch in dem weiteren Sinne, wonach er allgemein die Aufgaben

umfasse, zu deren Erfüllung jemand berufen sei.

Diese Aufgaben

ergäben sich bei einer juristischen Person aus ihrer Zweckbestimmung

und ihren BerwaltungSeinrichtungen. In Tarifst. 481 Abs. 2 StempStGes. sei nun das Wort in dem allgemeineren Sinne zu ver­ stehen, denn die Steuerermäßigung erscheine sachlich bei einer Ver­

mietung zur Erfüllung der Aufgaben einer juristischen Person ebenso

gerechtfertigt, wie bei einer Vermietung zu beruflichen Zwecken einer Die Förderung der Volksgesundheit gehöre nach

natürlichen Person.

öffentlichrechtlichen Bestimmungen zu den Pflichten der Staate-, bilde also seinen Beruf. Die Räume, in denen dieser Beruf erfüllt werde, dienten sonach beruflichen Zwecken. Anders liege die Sache bei dem

Ruderklub. Wenn auch nicht zu verkennen sei, daß ein solcher Klub eine gewisse Zweckbestimmung habe, so könne man doch nicht wohl

von einem Berufe sprechen, da der Klub nur die sportlichen Interessen

seiner Mitglieder bezwecke, die diese neben ihrer eigentlichen Berufstätigkeit als Nebenbeschäftigung verfolgten. Auch ein Gewerbebetrieb liege nicht vor, denn die Mitgliederbeiträge seien nur zur Deckung

der Unkosten bestimmt.

Der Berufungsrichter hatte hiernach die

Steuerermäßigung des Abf. 2 zugunsten der mit dem FiSkuS ge­

schloffenen Mietverträge für anwendbar erachtet, dagegen bezüglich des Mietvertrags mit dem Ruderklub, in Übereinstimmung mit dem

Landgericht, abgelehnt. Die Revision deS Tarifst. 481 Abs. 2.

verklagten

FiSkuS

rügt

Verletzung

der

Sie ist der Meinung, daS Wort „beruflich"

sei hier nur in demselben engeren Sinne zu verstehen, wie dar Wort

„Beruf" in den §§ 1610,1708,1885, 2050 BGB.

Danach bedeute

eS aber nicht den Inbegriff der Aufgaben, zu deren Erfüllung jemand

berufen sei.

die

an

den

Die Revisionsanschließung der Klägerin führt aus, auch Ruderklub

Zwecke bestimmt.

Ob

vermieteten

Räume

seien

für

berufliche

der Beruf ein gewinnbringender sei oder

Gewinn bezwecke, sei nicht entscheidend.

Die volle Steuer solle nach

60.

Preuß. Mietstempel.

Gewerbliche und berufliche Zwecke.

263

dem Willen des Gesetze- mir für Miete von Wohnungen gezahlt

werden. WaS da- Gesetz in Abs. 2 der Tarifst. 481 unter „gewerblichen

oder beruflichen" Zwecken versteht, dafür ist vornehmlich die Ent­

stehungsgeschichte von Bedeutung. Der Abs. 2 war in der Regierungs­ vorlage nicht enthalten. Die erste Anregung dazu gab der Abgeordnete Träger, der in der Sitzung vom 10. März 1909 eine Berücksichtigung

der Mieten zu Geschäftszwecken empfahl. ... (Prot. S. 3781). Der Abgeordnete Wolff trat ihm bei. Er bemerkte, der Unterschied zwischen

einer Wohnung und einem Geschäft-lokal sei in die Augen fallend. Die Wohnung diene dem Lebensbedürfnis, das Geschäftslokal dem gewerblichen Unternehmen. Werde der Mietvertrag über ein Geschäfts­ lokal hoch angesetzt, so werde dem Mieter gegenüber der Konkurrent gestärkt, der sein GeschästSlokal im eigenen Hause inne habe. ES

bestehe daher kein Interesse, diesem noch einen Vorsprung vor dem Mieter dadurch zu geben,, daß letzterer mit einem hohen Stempel belastet werde (Prot. S. 3789).

In der Kommission wurde zunächst

beantragt, die Mietverträge über unbewegliche Sachen, die gewerb­

lichen Zwecken dienten, den Mietverträgen über unbewegliche Sachen

zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung gleichzustellen.

Zur Be­

gründung wurde geltend gemacht, daß die Anmietung von Laden­

lokalen, Speichern, Remisen, Pferdeställen u. dgl. für gewerbliche Zwecke auch dann keine Luxusausgabe sei, wenn es sich um sehr hohe Mietbeträge handle.

ES sei ein gewaltiger Unterschied, ob sich

jemand in einer Großstadt eine Wohnung für 6000 Jl miete, oder

ob er für sein GeschästSlokal 6000 Jl Miete bezahlen müsse. ES sei kein Grund ersichtlich, warum auf dem Lande ein niedrigerer

Stempelsatz Platz greifen solle, als in der Stadt.

In beidm Fällen

diene die Anmietung bzw. Anpachtuug dem Erwerbe, und es müßten

daher gerechterweise die handwerksmäßig, kaufmännisch oder industriell

benutzten unbeweglichen Sachen den land- und forstwirtschaftlich be­ nutzten gleichgestellt werden (KommBer. über den Tarif S. 56). Andere

Anträge bezweckten die Begünstigung von Mieten über Sachen „zur

gewerblichen Benutzung" oder „zum Gebrauch als Geschäftsräume". Bezüglich der „Geschäftsräume" wurde jedoch eingewendet, die darin

liegende Beschränkung sei nicht

gerechtfertigt,

da

man vor allen

Dingen auch die Werkstätten der Handwerker, die Fabriken und be-

sonder- auch die großen Hotel-, die al- gewerbliche Pachtungen an«

zvsehen seien, mit einbeziehen müsse.

Die Kommission nahm schließlich

einen Antrag an, wonach bei der Miete von Räumen, die für ge-

werbliche oder berufliche Zwecke bestimmt seien, eine Steuerermäßigung

eintreten sollte.

Zur Erläuterung wurde im Bericht angeführt, der

Begriff „gewerblich" sei für zu eng erachtet worden; anderseits habe die in Vorschlag gebrachte Fassung

„Räume, die nicht zu Wohn­

zwecken bestimmt seien", Bedenken erregt, weil dann auch derjenige eine Begünstigung erlangt haben würde, Wohnung mittel- besonderen Mietvertrag-

welcher neben seiner eine Automobilgarage

oder einen Marstall gemietet habe. Deshalb habe man sich schließlich geeinigt, den Ausdruck zu wählen „gewerbliche oder berufliche Zwecke".

Einigkeit habe auch darüber geherrscht» daß der Arzt, der einen Teil

seiner Wohnung al- Konsultation-- oder Wartezimmer gebrauche, ebenso wie der Recht-anwalt hinsichtlich seiner Bureauräume, Berück­ sichtigung erfahren müsse (KommBer. S. 61). Bei der zweiten Beratung im Plenum bemerkte der Abgeordnete Dr. König in der Sitzung vom 2. Mai 1909, die Kommission habe eine Erleichterung

geschaffen, der, wie er glaube, da- Land draußen ebenso zustimmen werde, wie seine Fraktion-genossen. ES werde Billigung finden, daß man in dieser Hinsicht von der Regierungsvorlage abgewichen sei und geringere Sätze eingeführt habe. Er meine die mildere Besteuerung der den gewerblichen Zwecken dienenden Räume.

E- sei

da- sicherlich für die kleinen Gewerbetreibenden eine Frage von großer Bedeutung.

E- handle sich hier im eigentlichen Sinne um eine Mittel­

stand-frage, wenn bei dm Mieten für da- Handwerk, für den Geschäfts­

betrieb, für da-, wa- dem Manne seinen Unterhalt erwerben helfen

solle, nicht so weil gegangen werde, wie bei dem WohnungSmielstempel, der bei den Luxuswohnungen eine sehr beträchtliche Höhe

erreiche. Seine Freunde billigten es durchaus im Interesse der kleinen

Gewerbetreibenden, daß hier eine Milderung geschaffen sei. Er dürfe aber nicht bei den ganz kleinen Beträgen stehen geblieben werden;

auch bei dem heutigm Mittelstände, der sich au- anderen Kreism, als früher, zusammmsetze, die ihre Bureaus und Sprechzimmer mieten müßten, sei dafür zu sorgen, daß der Mietstempel nicht allzu hoch

anschwelle.

Deswegen müßten auch höhere Mietbeträge, soweit sie

Räume von Gewerbetreibmden und anderm Berufen beträfe«, z. B.

60.

Preuß. Mietstempel.

Gewerbliche und berufliche Zwecke.

265

die Bureauräume der Rechtsanwälte, milder besteuert werden ... (Prot. S. 6987). Ein anderer Abgeordneter erklärte, man habe nur

den einen Wunsch gehabt, den Begriff der gewerblichen Mieten nicht zu eng zu fassen, damit die Begünstigung auch denen zugute käme,

die Pensionate, ChambreS garnier usw. hielten (Prot. S. 6999).... Aus diesen Verhandlungen geht klar hervor,

daß man den

Begriff Beruf nicht in dem weitm Sinne aufgrfaßt hat, wie der

Berufung-richter. Gemeint warm nur Bemfe, die eine» Erwerb-zweck Die Hinzufügung der beruflichen zu den gewerblichen Zwecken sollte dazu dienen, außer den Gewerbetreibenden, die im verfolgen.

Verkehr mit ihren Kunden Lädm und Verkaufsräume zur Verfügung haben müssen, allen den Personen eine Erleichterung zu verschaffen,

die im Interesse ihre- Fortkommen- und ihre- Erwerb- genötigt find, noch besondere Aufwendungen an Mietzin- für geschäftliche Zwecke zu machen, wie z. B. Anwälte und Ärzte. Daß da- Wort „beruflich" in diesem engeren Sinne verstanden werden sollte, ist auch hinreichend dadurch zum Ausdrucke gebracht, daß gewerbliche

und berufliche Zwecke al- gleichwertig nebeneinander gestellt wurden.

Beruf ist an sich der weitere Begriff, jedenfalls im Sinne de- Vorder­ richter-. ES wäre aber mindesten- auffällig, wenn da- Gesetz zu­ nächst den engeren und im Anschluß daran noch den weiteren Begriff gebraucht hätte.

Betrachtet man nun den vorliegmden Sachverhalt von diesem Standpunkt au-, so ergibt sich folgende-:

1. Bei der Vermietung an den Ruderklub kommen gewerbliche Zwecke nicht in Frage.

Ebensowenig liegen aber berufliche Zwecke

im Sinne der Tarifst. 48 vor.

Denn wenn man auch in der Auf­

gabe de- Klub-, dem Rudersport seiner Mitglieder zu dienen, einen Beruf im weiteren Sinne finden wollte, so handelt e- sich doch

keinesfalls um einen Beruf, mit dem Erwerb-zwecke verfolgt werden, da die von den Mitgliedern erhobenm Beiträge nur zur Deckung

der Unkosten bestimmt sind. Die Ansicht der Revision, daß die Steuerermäßigung schon deshalb Platz greife» müsse, weil e- sich nicht um Räuyie zu Wohnzwecken handle, ist nach dem AuSgeführten

unzutreffend. 2. Bei den Vermietungen an den FiSkuS find gleichfalls weder

gewerbliche noch berufliche Zwecke anzunehmen.

Ein Gewerbebetrieb

von feiten deS FiSkuS wäre an sich nicht ausgeschlossen; man denke an Staatseisenbahnen, Preußische Seehandlung, Münchener Hofbräu, hau-, Straßburger Tabaksmanufaktur usw. (vgl. auch HGB. §§ 36, 452).' Im vorliegenden Falle kommt aber ein Gewerbebetrieb nicht in Frage, denn eS handelt sich um Räume, die zur dienstlichen Be­ nutzung für Beamte der Gesundheitspolizei bestimmt sind. Aber auch daS Vorhandensein von beruflichen Zwecken muß nach dem bereits Ausgeführten verneint werden. Schließlich mag noch bemerkt werden, daß daS in Entfch. des RG.'S in Zivils. Bd. 76 S. 225 veröffentlichte Urteil, das sich mit dem Begriffe des Berufs im Sinne des § 833 BGB. beschäftigt, der hier vertretenen Auffassung nicht entgegenstehl.

61.

Ist für die Ausgleichuugspflicht der Zuschüffe von Bedeutung, ob sie zugleich unter den Begriff der Ausstattung fallen? BGB. § 2050 Abs. 1, 2. 1624.

IV. Zivilsenat.

I. n.

Urt. v. 20. April 1912 i.S. Z. u. Gen. (Bell.) w. E. (Kl.). Rep. IV. 508/11.

Landgericht Meiningen. OberlandeSgericht Jena.

Aus den Gründen: ... „Die Revision wendet sich ferner dagegen, daß die Zuschüsse, welche die Klägerin mit Rücksicht auf ihre Verheiratung an Stelle der Mitgift vom Erblasser gewährt erhalten hat, nicht für ausgleichungSpflichtig erklärt worden sind. Unbestritten hat sich die Klägerin am 25. Oktober 1893 mit ihrem jetzigen Ehemanne, der damals Sekondeleutnant war und jetzt Hauptmann a. D. ist, ver­ heiratet. Der Erblasser R. I. hatte sich am 12. Mai 1893 verpflichtet, der Klägerin, soweit und solange die- nach den bestehenden militärdienftlichen Vorschriften erforderlich sei, jährlich eine Rente von 900 jl zu zahlen, und hat weiter am 5. Oktober 1893 die

Verpflichtung zur Zahlung einer jährlichen Rente von 2100 Jl, und zwar vorläufig bis zur Beförderung der künftigen Ehemannes zum

Hauptmann erster Klasse übernommen. Der Berufungsrichter wendet auf die demgemäß der Klägerin gemachten Zuwendungen die §§ 2052,

2050 BGB.

an,

da

der Erblasser

in

einem Erbvertrage

vom

1. August 1889 die Erbteile seiner Kinder im Verhältnis unter-einander in gleicher Weise, wie bei der gesetzlichen Erbfolge bestimmt hat.

Er stellt fest, daß die Zuschüsse zu dem Zwecke gegeben worden

sind, als Einkünfte verwendet zu werden (nicht um zur Kapital­

ansammlung zu dienen), und daß sie daS den VermögenSverhältnisien Er nimmt hiernach an, daß die Zuschüsse nicht auSgleichungSpflichtig sind, wenn­ des Erblassers entsprechende Maß nicht überstiegen haben.

schon sie der Klägerin wegen ihrer Verheiratung zur Erhaltung der Wirtschaft

gewährt und deshalb

als Ausstattung im Sinne des

§ 1624 BGB. anzusehen seien. In dieser Beurteilung kann dem Vorderrichter nur beigetreten werden. Die in der Rechtslehre streitige Frage, ob und inwieweit die in § 2050 Abs. 2 BGB. erwähnten Zuschüsse unter den Begriff der Ausstattung fallen (vgl. hierüber namentlich Planck, Anm. 2b/?

zu § 2050), ist für die Ausgleichungspflicht ohne Bedeutung. Der Begriff der Ausstattung bestimmt sich lediglich nach § 1624 BGB. Hinsichtlich der Ausgleichungspflicht ist aber in § 2050 Abs. 2 die klare Bestimmung getroffen, daß die hier behandelten Zu­ schüsse, die im wesentlichen den Zinsen eines MitgiftkapttalS gleich­

stehen (vgl. § 2055), nicht zur Ausgleichung zu bringen sind. Damit

ist, soweit diese Zuschüsse als Ausstattung anzvsehen sind, eine Aus­ nahme von der in § 2050 Abs. 1 aufgestellten Regel gemacht.

Der

im RGRKomm. Anm. 6 a. E. zu 8 2050 vertretenen gegenteiligen Ansicht, ans die sich die Beklagten berufen, daß die Zuschüsse, so­

weit sie eine Ausstattung enthaltm, unbegrenzt auSgleichungSpflichtig seien, kann nicht gefolgt werden.

Ist auch der Begriff der Aus­

stattung nach 8 1624 BGB. nicht auf die erstmalige Zuwendung

bei der Verheiratung oder Begründung der selbständigen Lebens­ stellung zu beschränken, sondern auch auf spätere zur Fortführung der Wirtschaft

gewährte Zuwendungen

und

Renten

auSzudehnen

(vgl. Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 67 S. 204flg., Urteil des er­ kennenden Senats vom 3. Mai 1906, Rep. IV. 508/05), so kann doch hieraus für die Ausgleichungspflicht, die in 8 2050 Abs. 2

ihre besondere Regelung gefunden hat, nichts hergeleitet werden.

Die vom Erblasser auf Grund der Verpflichtung-scheine vom Jahre 1893 der Klägerin gewährten Zuschüsse im Gesamtbetrag« von 26 194,95 würden daher nur auSgleichung-pflichtig sein, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hätte. ES kann keinem Zweifel unterliegen, daß § 2050 Abs. 3, der eine solche Anordnung gestattet, auch auf die in Abs. 2 gedachten Zuschüsse Anwendung findet, soweit sie der Ausgleichung-pflicht nicht unterliegen. Die Anordnung ist aber nur wirksam, wenn sie als eine der Zuwendung beigefügte Beschränkung bei oder vor der Zu­ wendung getroffen worden ist." ...

62. Gilt ein vor dem 1. Januar 1900 vereinbarter Verzicht ans die Verjährung-einrede nach dem 1. Januar 1900 noch fort? BGB. § 225. EinfGes. zum BGB. Art. 169.

V. Zivilsenat. Urt v. 20. April 19121S. EisenbahnfiSkus (Kl.) w. Gewerkschaft D. (Bekl.). Rep. V. 341/11. I.

II.

Landgericht Dortmund. OberlandeSgericht Hamm.

Der erste Richter hat die Beklagte nur zu 33 393,66 M Berg, schadenersatz verurteilt, zum Mehrbetrag aber die Klage abgewiesen. Beide Teile legten Berufung em. DaS OberlandeSgericht erachtete die Verjährungseinrede für durchschlagend, die Replik deS Verjährungs­ verzichts für unbegründet und wie- die Klage gänzlich ab. Vom Reichsgericht wurde da- Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. AuS den Gründen: ... „Verfehlt ist auch der weitere Revisionsangriff, womit abermals darauf hingewiesen wird, daß die Beklagte laut ihrer vor dem Amtsgericht D. am 3. November 1898 abgegebenen, vom FiSkuS angenommenen Erklärung ausdrücklich auf den Einwand der Ser« jährung gewisser Bergschadensersatzansprüche de- Klägers verzichtet habe. Diese Urkunde benennt besondere Bahnstrecken, für die ans

den Verjährungseinwand verzichtet wird, und eS ist zunächst keines­ wegs deutlich zu ersehen, ob sie sich auch auf die jetzt in Streit be­

fangenen Teile der Bahngleise mitbezieht. auf sich beruhen.

Diese. Frage kann aber

Allerdings waren derartige Verträge, wenn vor

Gericht geschloffen, nach §§ 565, 5661, 9 ALR. gültig, nur sollten sie, wenn sie Grundstücke und dingliche Rechte betrafen, auch in den Grund- und Hypothekenbüchern verzeichnet werden. Ob dies Er­ fordernis für den in Rede stehenden Verzicht galt und ob eS erfüllt

wurde, kann

ebenfalls

«nerörtert

bleiben.

Denn nach Art. 169

EinfGes. zum BGB. finden seit 1. Januar 1900 die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung auf die vor seinem

Inkrafttreten entstandenen, noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung, und § 225 BGB. bestimmt, daß die Verjährung durch Rechtsgeschäft

weder ausgeschlossen noch erschwert werden kann. SS kann keinem Zweifel unterliegen, daß § 225 dem vor 1900 erklärten Verjährungs­ verzichte vom 1. Januar 1900 ab die Wirksamkeit entzieht.

Er, wie

die Vorschriften über die Verjährung überhaupt, brachten zwingendes Recht, da sie nicht nur die Dauer der einzelnen rechtlichen Beziehungen zwischen den Berechtigte» und Verpflichteten beschränken, sondern damit zugleich dem Gemeinwohle dienen wollten. Auch dieses er­ fordert zum Zwecke der Vermeidung endloser und mit den Jahren immer schwieriger zu lösender Streitigkeiten,

zur Erzielung recht­

zeitiger Klagerhebung und geordneter Geschäftsführung,

zur Ent­

lastung der Gerichte usw., daß der Stteitbeginn nicht willkürlich ins Ungemessene hinaus geschoben wird. Deshalb verbietet § 225 BGB. den Ausschluß oder die Erschwerung, somit auch die Hinausschiebung

der Verjährung durch Rechtsgeschäfte, während er im Gegenteile die

Vereinbarung von Erleichterungen, insbesondere die Abkürzung der Verjährung gestattet.

Bei Abfassung dieser Bestimmung mußte sich

der Gesetzgeber angesichts entgegenstehender Vorschriften deS älteren

Recht-, namentlich auch der obenerwähnten deS preuß. Allgemeinen Landrechts bewußt feilt, daß dadurch Rechtsgeschäfte, die unter der

Herrschaft dieser früheren Gesetze über die Verjährung abgeschloffen worden waren, beeinträchtigt werden könnten.

Gleichwohl hat er im

Art. 169 EinfGes. zum BGB. mit den neuen BerjährungSvorschristen

überhaupt auch den § 225 BGB. auf altrechtliche Ansprüche für anwendbar erklärt.

Die Verletzung sog. wohlerworbener Rechte, die

ihm sonst im allgemeinen als Grund dagegen erschien, den neuen Gesetzen rückwirkende Kraft zu verleihen, fiel hier nicht inS Gewicht.

Al-

nennenswerter Vorteil für den Berechtigten kann eS nicht gelten, mit gerichtlicher Geltendmachung seiner fälligen Ansprüche möglichst lange zuwarten zu dürfen.

Der Verpflichtete aber,

der

auf die Vor»

schützung deS BerjährungSeinwandS für immer oder zeitweise ver» zichtet hatte, besaß damit allein noch keine Gewähr für Hinaus­

schiebung der Klage.

Dies alles konnten und mußten sich auch die

Beteiligten selbst im Hinblick auf die in Rede stehenden GcsetzeSstellen

sagen und sie konnten dementsprechend ihre weiteren Maßnahmen treffen.

Vgl. Mot. zum BGB. Bd. 1 S. 289, 345; Habicht, Die Ein­

wirkung usw. S. 151; Staudinger zu Art. 169 EinfGes. zum

BGB. Dem Gesagten steht nicht etwa Art. 170 EinfGes. zum BGB. entgegen, der die alten Gesetze als maßgebend für altrechtliche Schuld­ verhältnisse erklärt.

Er bezieht sich nur auf Entstehung, Inhalt,

Umfang und Wirkungen des Schuldverhältnisses, will aber den für Verjährung aller Ansprüche geltenden Art. 169 nicht einschränken. ES kann auch der Revision nicht zugegeben werden, daß die im vor­ stehenden dargelegte Rechtsansicht zur Rückwirkung des § 225 BGB.

auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1900 führen, also auch für diese Zeit Verjährungsverzichte ungültig machen müßte. Nur vom 1. Januar 1900 an schafft Art. 169 EinfGes. zum BGB. zwingende- Recht,

erst von da an beginnt die Verjährung, trotz des Verzichts darauf, zu laufen.

Ist somit die Entscheidung deS Vorderrichters über Unwirksamkeit

deS Verjährungsverzichts der Beklagten unter der Herrschaft der neue» Gesetze zu

billigen,

so muß

daraus,

wie da- Oberlandesgericht

wenigstens andeutet, auch gefolgert werden, daß an sich die Beklagte

auch nicht gegen die guten Sitten verstieß, wenn sie im gegenwärtigen Rechtsstreite trotz ihres Verzicht- vom 3. November 1898 die Ver­ Gesetzeskenntnis ist bei jedem vorauS-

jährungseinrede geltend machte.

zusetzen, und die Beklagte barste sie auch beim Kläger voraussetzen, ohne, wie deffen Revision jetzt meint, ihn darauf besonder- Hinweisen zu müssen, daß er nunmehr mit der Klagerhebung nicht mehr warten

dürfe, und daß sie die- nicht mehr verlange.

Ander- läge die Sache,

63. Gesellschaft m. b. H. Vergleich über die Stammeinlage.

271

unb darin ist dem Revision-kläger beizutreten, wenn dieser seine jetzt bestrittene Schadensersatzforderung der Beklagten bi- zu einer gewissen

Zeit gestundet hätte." ... (Dies wird weiter ausgeführt und daraus

der Grund zur Zurückverweisung der Sache abgeleitet.)

63.

Kann, außer dem Fall einer Herabsetzung de- Stammkapitals,

dnrch Vergleich zwischen der Gesellschaft mit beschrLukter Haftung und einem Gesellschafter dessen Stammeinlage ermäßigt werden? Gesetz, betr. die Gesellschaften m. b. H., vom 20. Mai 1898 § 19.

BGB. tz 779.

II. Zivilsenat.

Urt v. 23. April 1912 i. S. Chemische Fabrik R.,

G. m. b. H. (Kl.) w. Ludwig O. (Bekl.).

Rep. II. 19/12.

I. Landgericht Düsseldorf. II. Oberlandesgericht daselbst. Der Kaufmann O., in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigter

Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft Ludwig O. (der jetzigen Beklagten), und der Kaufmann B. schlossen am 26. Oktober 1909 einen notariellen Vertrag, durch den sie die klagende Gesellschaft mit

beschränkter Haftung, die im Laufe deS Rechtsstreits in Liquidation getreten ist, mit einem Stammkapital von 71000 M bei gleich hohen Stammeinlagen errichteten.

Die Stammeinlage der Beklagten sollte

dadurch geleistet werden, daß sie ihr bisher unter besonderer Firma betriebenes Fabrikgeschäft mit Außenständen als Sacheinlage zum vertraglich festgesetzten Werte von 35500 M in die Gesellschaft ein­

bringe. Für den Eingang der sich auf 22 500 M belaufenden Außen-

stände garantierte die Beklagte der Klägerin in der Weise, daß sie sich verpflichtete, den bis zum 30. Dezember 1909, trotz einer drei Tage vorher ergangenen Klagandrohung, nicht bezahlten Teil der Außen­

stände wieder selbst zu übernehmen und dafür der Klägerin Bar­ zahlung zu leisten.

Zu Geschäftsführern wurden O. und B. bestellt.

B. führte tatsächlich die Geschäfte allein und erließ alsbald an eine Reihe von Schuldnern der eingebrachten Geschäfts ZahlungS-

aufforderungen. Hiergegen erhob die Beklagte mehrfach Widerspruch,

weil vor Errichtung deS Gesellschaftsvertrags vereinbart worden sei,

daß die Beitreibung derGeschästSschulden frühestens nach sechs Wochen erfolgen dürfe, nachdem die Klägerin in den Wohnorten der Schuldner, denen dadurch Zeit und Gelegenheit gegeben werden sollte, die ihnen in Kommission gegebenen Waren zu verkaufen, durch Inserate Reklame gemacht haben werde. Die Klägerin leugnete die Verpflichtung zur Insertion. Am 4. Februar 1910 schlossen O. und B., O. als ver­ tretungsberechtigter Gesellschafter der Beklagten, einen zweiten notariellen Vertrag, worin eS heißt: „Durch übereinstimmenden Beschluß der Gesellschafter wird hiermit der Gesellschaftsvertrag vom 25. Oktober 1909, wie folgt, abgeändert: ... Die Garantie für die Außenstände durch Wiederübernahme bzw. Barzahlung soll in Fortfall kommen, sodaß etwaige Ausfälle an diesen Außenständen die Firma Chemische Fabrik R., G. m.b.H., allein treffen. AIS Gegenleistung für den Wegfall dieser Garantieübernahme zahlt die Firma Ludwig O. an die Gesellschaft mit beschränkter Haftung den Betrag von 8000 Jl. Diese Gegenleistung bleibt dieselbe, gleichgültig, wie hoch sich die Ausfälle an den Außen­ ständen belaufen." Nachdem im Juli 1910 die Beklagte die 3000 Jl an die Klägerin gezahlt hatte, erließ diese im Dezember 1910 Zahlungsaufforderungen an sämtliche GeschäftSschuldner. Sie erlitt infolge Nichteingangs der Außenstände einen Ausfall, der sich nach Abzug jener 3000 Jl auf mehr als 7000 Jl belief, und erhob auf Grund des Vertrags vom 25. Oktober 1909 Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 7000 Jl nebst 5°/0 Prozeßzinsen. Die Beklagte bestritt ihre Zahlungspflicht, weil Klägerin weder die Zahlungsaufforderungen rechtzeitig erlassen, noch die vereinbarten vorherigen Insertionen vor­ genommen habe, namentlich aber, weil der Klaganspruch durch den Vertrag vom 4. Februar 1910 vergleichsweise erledigt sei. DaS Landgericht erkannte auf Abweisung der Klage und daS Oberlandes­ gericht wies die Berufung der Klägerin zurück. Die Revision blieb

erfolglos. AuS dm Gründen: ... „Nach dem GesellschaftSvertrage vom 25. Oktober 1909 hatte die Beklagte ihre Stammeinlage von 35500 Jl dadurch zu

63. Gesellschaft m. b. H. Vergleich über die Stammeinlage.

273

leisten, daß sie ihr mit dem gleichen Betrage bewertetes Handels­ geschäft, mit Ausnahme der bekannten und der den Betrag von ins­ gesamt 1000 jK, übersteigenden unbekannten Passiven, in die Gesell­ schaft einbrachte. Den Gegenstand des Einbringens bildete also das Geschäft als Ganzes, während die zum Geschäftsvermögen gehörigen Außenstände nur einen unselbständigen Bestandteil der einzubringenden

Sachgesamtheit ausmachten (Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd.63S.57; Jur. Wochenschr. 1909 S. 15 Nr. 9).

Demnach kann darin, daß die

Beklagte für den Eingang der Außenstände garantierte, indem sie

sich verpflichtete, den bis zum 30. Dezember 1909 nach vorheriger

Klagandrohung nicht bezahlten Teil der Außenstände wieder zu über­ nehmen und dafür Barzahlung an die Klägerin zu leisten, nur die

Begründung einer Nebenverbmdlichkeit der Einlagepflicht (vgl. StaubHachenburg, zu 8 5 GmbHGes. Anm. 28, 43,3. Aufl., S. 95,103), nicht die einer sonstigen Verpflichtung im Sinne de- § 3 Abs. 2

GmbHGes. gefunden werden.

Wäre letztere- der Fall, so ergäbe

sich die Rechtswirksamkeit des Vertrags vom 4. Februar 1910, der auf einem „übereinstimmenden" Beschlusse der Gesellschafter beruht und unstreitig in da- Handelsregister eingetragen worden ist, ohne weiteres. Denn eine Stundung oder ein Erlaß der Stammeinlage

kommt bei Aufhebung einer Verpflichtung, die mit der Einlagepflicht

nicht zusammenhängt, überhaupt nicht in Frage (Staub-Hachenburg zu § 19 GmbHGes. Anm. 7, 3. Auf!., S. 233). Der Vertrag vom 4. Februar 1910 ist aber trotz der Verbindung der Garantie-

Es ist nicht richtig, daß er nur zwischen den Gesellschaftern der klagenden Gesellschaft

Übernahme mit der Einlagepflicht rechtswirksam.

und nicht zwischen dieser und der Beklagten geschloffen wäre.

Bon

den beiden Personen, die ihn errichtet haben, war O. vertretungs­ berechtigter Gesellschafter der Beklagten, während B. Geschäftsführer der Klägerin und als solcher zu deren Vertretung für sich allein befugt war.

Beider Stellung ist im Vertrage besonders hervor­

gehoben worden und B. hat, im Anschluß an die Vereinbarung des Fortfalls der Garantiepflicht gegen Zahlung von 3000 M, sogar aus­

drücklich erklärt, er erkenne als Geschäftsführer der Klägerin an, daß die Einbringung des Geschäft- der Beklagten nunmehr ordnungsmäßig, entsprechend dem Gesellschaftsvertrag, erfolgt sei und daß die Klägerin

weitere Forderungen irgendwelcher Art an die Beklagte nicht habe.... Entsch. in Sivils. N.F. 29 (79).

.18

Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß bei der wirtschaft­ lichen Bedeutung der Garantiepflicht deren Aufhebung einer teilweism

Aufgabe der Stammeinlage gleichkommt,

und

er muß

anerkannt

werden, daß ein Erlaß der Stammeinlage, ohne Herabsetzung des

Stammkapitals, auch in der Form des Vergleiches unzulässig ist, so­ fern nicht der Sache, sondern nur der Form nach ein Vergleich vor­ liegt. Dagegen ist ein ernsthafter Vergleich über die Stammeinlage nicht lediglich deshalb unwirksam, weil er zu einer Ermäßigung der Einlageforderung ohne Herabsetzung des Stammkapitals führt. Das

ergibt schon die Fassung deS Gesetzes vom 20. April 1892/20. Mai 1898. Denn während in 8 9 Abs. 2 hinsichtlich der Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Anmeldenden wegen unrichtiger Angaben

über die auf die Stammeinlagen gemachten Leistungen neben dem

Verzicht auch der Vergleich für unwirksam erklärt wird, soweit der

Ersatz zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, schließt § 19 Abs. 2 einen Vergleich über die Einlageforderungen der Gesellschaft nicht ausdrücklich aus. Ein solcher Ausschluß ist aber

auch nach dem Zwecke der Gesetzes keineswegs selbstverständlich. Er­ scheint die Einziehbarkeit der Einlageforderung ungewiß, so muß die

Gesellschaft in der Lage sein, auch ohne Herabsetzung deS Stamm-

kapital- einen ihr drohenden Verlust dadurch abzuwenden» daß sie vergleichsweise einen Nachlaß auf die Stammeinlage bewilligt (vgl. Staub-Hachenburg zu § 19 Anm. 9, 3. Ausl. S. 234; ParisiuS-

Crüger zu § 19 Anm. 3, 5. Ausl. S. 157). Daß er aber hier der Klägerin ausschließlich darum zu tun war, einen wegen der Zweifelhaftigkeit der Garantiepflicht der Be­

klagten zu befürchtenden Verlust von sich abzuwenden, und daß der Vertrag vom 4. Februar 1910 nicht, auch nicht teilweise, nur der

Form nach einen Vergleich enthält, hat das Berufungsgericht bedenken­ frei, insbesondere ohne Verletzung des § 779 BGB. fest gestellt.

Die

Revision meint zwar, die Voraussetzungen für den Abschluß eines

wirksamen Vergleichs hätten hier deswegen nicht vorgelegen, weil beide Teile von der irrigen Annahme der Gültigkeit des ReklameadkommenS, trotz seiner Nichtaufnahme in dm notariellen GesellschaftS-

vertrag, ausgegangen seien, und weil bei Kenntnis der Ungültigkeit

jenes Abkommens der durch den Vergleich beigelegte Streit nicht ent­ standen wäre.

Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend.

ES mag

richtig sein, daß das Reklameabkommen wegen der mit der Reklame für die Klägerin verbundenen Kosten zu seiner Gültigkeit der notariellen

Errichtung bedurft haben würde.

Allein aus der Formungültigkeit

des etwaigen Abkommens und aus der festgestellten Unkenntnis beider Teile von seiner Formbedürftigkeit folgt keineswegs, daß der nach

dem Inhalte deS Vergleichs als feststehend zugrunde gelegte Sach­

verhalt der Wirklichkeit nicht entsprochen habe. hat anscheinend keine der Parteien gedacht. mehr den Standpunkt vertreten, daß sie

An die Formfrage

Die Klägerin hat viel­ eine Verpflichtung zur

Reklame, wie sie die Beklagte behaupte, gar nicht eingegangen sei und daß sie deshalb durch Nichterfüllung dieser angeblichen Ver­ pflichtung ihre Garantieansprüche gegen die Beklagte nicht habe ver­ lieren können, während die Beklagte da- Gegenteil geltend gemacht hat. Außerdem erhellt daraus nicht, daß die Beklagte bei Kenntnis der Formbedürftigkeit deS Reklameabkommens ihre Garantiepflicht

nicht würde bestritten haben. Im Prozesse hat sie jedenfalls in erster Linie behauptet, daß ihre Garantiepflicht schon deshalb erloschen sei, weil die Klägerin unterlassen habe, die Geschäftsschuldner rechtzeitig

unter Klagandrohung zur Zahlung aufzufordern."

64.

Ist, wenn die Voraussetzung deS § 37 Abs. 1 Nr. 3 des

preußische« Euteignungsgesetzes vom 11. Juui 1874 vorliegt, auf Hinterlegung der Entschädigungssumme statt der geforderteu Zahlung von Amts wegen «ud auch uoch in der RevisiouSiustauz zu erkenuen?

VII. Zivilsenat.

Urt. v. 23. April 1912 L S. W. (Kl.) w. Stadt-

gemeinde B. (Bekl.). Rep. VII. 486/11. I. II.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Gründe:

... „Begründet war die Anschlußrevision der Beklagten, mittels deren die Hinterlegung (statt der Zahlung) des dem Kläger zu­

gesprochenen Betrages erstrebt wird.

Wie aus den Tatbeständen der

Vorderurteile hervorgeht, war vorgettagen, daß das enteignete Grund-

18*

stück außer mit einem Durchfahrt-recht mit Hypotheken im Gesamt­ betrag« von 154 671,30 JH belastet gewesen sei.

Die Beklagte hatte,

nachdem der Dringlichkeitsbeschluß erlassen war, die im Verwaltungs­ verfahren festgestellte Entschädigungssumme hinterlegt.

Darauf war

der Enteignungsbeschluß ergangen und die Beklagte als Eigentümerin

des enteigneten Grundstücks unter Löschung der eingetragenen Be­ lastungen gebucht worden.

Nach § 45 Abs. 2 EntGes. war rück­

sichtlich dieser Belastungen, insbesondere der Hypotheken, an Stelle deS Grundstücks die Entschädigung getreten.

ist

nicht

bloß

die

im BrrwaltungSverfahren

Unter Entschädigung festgesetzte

Summe,

sondern auch der im gerichtlichen Verfahren zuerkannte Mehrbetrag zu verstehen (vgl. Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 43 S. 303). Auch er haftet, wie jeder Teil der Grundstücks, in voller Höhe den Hypothekengläubigern, die daraus ihre Befriedigung suchen können. Wegen dieser Haftung und zum Schutze der Hypothekengläubiger bestimmt § 37 Abs. 1 Nr. 3 a. a. O., daß der Unternehmer verpflichtet

ist, die Entschädigungssumme zu hinterlegen, wenn (zur Zeit der Enteignung) Reallasten, Hypotheken oder Grundschulden auf dem Grundstücke haften.

Die Entschädigungssumme begreift auch hier,

wie näherer Begründung nicht bedarf, den erst gerichtlich festzusetzenden Betrag in sich. Wenn daS Gesetz den Unternehmer zur Hinterlegung verpflichtet, so ist damit klargestellt, daß ihm nicht freigegeben ist,

zwischen Zahlung oder Hinterlegung zu wählen, daß er vielmehr unter der Voraussetzung der Nr. 3 nur hinterlegen darf. DaS durch die Festsetzung der Entschädigung begründete Schuldverhältnis wird

lediglich durch Hinterlegung erfüllt.

Daraus ergibt sich, daß, wenn der Enteignete trotzdem Zahlung fordert, darin eine Zuvielforderung liegt, der gegenüber da- Gericht

(ohne daran durch § 308 ZPO. gehindert zu sein; vgl. Skonietzki, ZPO. Anm. 3 Abs. 2 zu 8 308) nur das Mindere, nämlich die Hinterlegung, als geschuldet zusprechen darf. ES bringt damit inner,

halb deS RahmmS der Parteianträge dasjenige zur Geltung, was

dem Gesetze gemäß ist.

Hiernach ist der Berufungsrichter darin zu

weit gegangen, daß er die Beklagte zur Zahlung und nicht bloß zur

Hinterlegung der ermittelten Summe verurteilt hat.

Wenn in tz 87

Abs. 3 a. a. O. gesagt ist, daß über die Rechtmäßigkeit der Hinterlegung ein gerichtliche- Verfahren nicht stattfinde, so bezieht sich

65. Gemeinschaftliche Testamente. Erbeinsetzung.

277

dies nur auf die im Verwaltungsverfahren zugelassene Hinterlegung,

nicht aber auf den Fall, daß erst das Gericht die Entschädigungs­ summe zu einem höheren Betrage festsetzt und eS sich dabei um die

Frage handelt, ob dieser Betrag zu zahlen oder zu hinterlegen sei. Darüber hat naturgemäß daS erkennende Gericht zu befinden und

sich auf den AuSsprvch zu beschränken, daß die Summe zu hinter» legen sei.

Mit der Frage,

in welchem Umfange sie den Real­

berechtigten gebühre, ist daS Prozeßgericht nicht befaßt.

Vielmehr

ist die- Sache des Verteilungsverfahrens (Art. 85 flg. preuß. AuSfGes. zum ZwBG.; Jäckel-Güthe 4. Aust. S. 762flg.), sofern nicht die Realberechtigten in die Auszahlung

an den Eigentümer

willigen

(§ 48 EntGes.) oder eine anderweite Vereinbarung unter den Be­ teiligten stattfindet. Hiernach war auf die Anschlußrevision der Be­ klagten daS Berufungsurteil unter entsprechender Aufhebung insoweit zu berichtigen, als nur auf Hinterlegung, nicht auf Zahlung zu er­

kennen war."...

65.

Zur Auslegung gemeinschaftlicher gemäß § 2269 Abs. 1 BGB.

errichteter Testamente.

VII. Zivilsenat.

Urt. v. 23. April 1912 t@. sächs. FiskuS (Bekl.)

w.K. (Kl.).

Rep. VII. 85/12.

I. Landgericht Dresden. n. Oberlandesgericht daselbst. AuS den Gründer:

... „Haben Ehegatten ein gemeinschaftlicher Testament errichtet, so ist für die Auslegung regelmäßig von dem auch der Vorschrift

deS § 2269 BGB. zugrunde liegenden (Prot. Bd. 5 S. 406, 407) Gedanken auSzugehen, daß die Ehegatten ihr Vermögen als ein ein­ heitliches ansehen, woraus sich dann ergibt, daß der überlebende als uneingeschränkter Herr des gesamten beiderseitigen Vermögen- und

die eingesetzten Berwandtm für den gesamten Nachlaß als Erben

des zuletzt versterbenden Ehegatten anzusehen sind.

Eine dahingehende

Absicht wird freilich als ausgeschlossen angesehen werden müssen,

wenn IIP Testamente die Verwandten des Mannes als Erben des

Nachlaste- des Mannes und die Verwandten der Frau als Erben

ihre- Nachlasses bezeichnet sind.

Im vorliegenden Testamente be«

stimmen aber die Erblasser, „daß nach unserem beiderseitig erfolgten Ableben zu unseren Erben"

die unter A aufgeführten Verwandten des Mannes und die unter B aufgeführten Verwandten der Frau „von der Berlassenschaft, die nach unserem erfolgten beiderseitigen Ableben" vorhanden ist, die unter A dergestalt eingesetzt sind, daß

genannten Erben die eine Hälfte, die unter B genannten die andere

Hälfte erhalten.

Diese Bestimmungen sprechen dafür, daß die Erb«

lasier die beiderseitigen Vermögensmassen zu einer einheitlichen Erb«

maste zusammengeworfen haben und daß von dieser Einheit, soweit beim Tode des Überlebenden davon noch etwas vorhanden ist, die beiderseitigen Verwandten

je

die Hälfte

erhalten sollten.

Es ist

wenigstens nicht abzusehen, von welcher anderen Einheit diese Hälften berechnet werden sollten. Wenn der Erblasser seinen Verwandten die Hälfte der nach dem beiderseitigen Ableben vorhandenen Nachlassen«

schast zuweist, so könnte hierin eine Verfügung über die von ihm herstammende gesonderte Vermögensmasse zugunsten dieser seiner Ver­ wandten nur daun gefunden werden, wenn sein Vermögen etwa der

Hälfte deS Gesamtvermögens beider Erblasser gleichgekommen wäre. Nach der in der Berufungsinstanz vorgetragenen, vom Berufungs­

richter aber nicht berücksichtigten Behauptung des Beklagten sollen jedoch von diesem Gesamtvermögen 36000 M vom Mann und nur 8000 M von der Frau hergerührt haben.

Hiernach wäre anzunehmen,

daß jeder der Ehegatten daS ihm zustehende Sondervermögen seinen Verwandten habe zuwenden wollen, wenn der Mann seinen Ver­

wandten etwa 9/n und die Frau ihren Verwandten etwa 2/n des

Gesamtnachlasses zugewiesen hätte.

DaS ist aber nicht geschehen.

Zur nochmaligen Prüfung des Inhalts des Testaments auf Grund der vorstehenden Erwägungen und unter Berücksichtigung der vor­

bezeichneten tatsächlichen Behauptung des Beklagten mußte die Sache in die Vorinstanz zurückverwiesen werden."

66.

Ist eine Vereinbarung gültig, wodurch sich mehrere Brauereien

wechselseitig verpflichten, «nbelümmert um die mit ihren Abnehmern

bestehenden Verträge von einem bestimmten Zeitpunkt an Bier nur zu einem festgesetzten Mindestpreise zu liefern?

BGB. § 138. I. Zivilsenat.

Urt. v. 24. April 1912 i. S. R. (Kl.) w. Bayerische

Bierbrauerei zum Karlsberg u. Gen. (Bekl.). I. II.

Rep. 1.176/11.

Landgericht Kaiserslautern. Oberlandesgericht Zweibrücken.

Der Kläger schloß mit mehreren Brauereien, darunter den Be­ klagten, am 4. Februar 1908 einen schriftlichen Vertrag, inhaltS dessen die Brauereifirmen sich verpflichteten, Aktien der in eine Aktien­

gesellschaft umzuwandelnden Brauerei des Kläger- zu übernehmen und ihr ein Betriebskapital zu überlassen. Der Kläger verpflichtete sich dagegen für seine Firma, „die vom Vereine Pfälzischer Brauereien beschlossenen Satzungen und Ausführungsbestimmungen am gleichen

Tage wie die anderen Brauereien anzuerkennen und durchzuführen allen denen gegenüber,

halten".

die

pflichtgemäß diese Bestimmungen ein­

Der erwähnte im Herbst 1907 gegründete Verein bezweckte,

eine Erhöhung de- BierpreiseS durchzusetzen.

Um den Kläger für

den Zweck de- Verein- zu gewinnen, wurde der Vertrag geschlossen. Der Bieraufschlag wurde am 19. Februar 1908 eingeführt.

Der

Kläger klagte auf Erfüllung der erwähnten Verbindlichkeiten.

Die

Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen.

Auch die Revision

de- Kläger- wurde zurückgewiesen, au- folgenden

Gründen: „Die Revision rügt Verletzung der § 138 BGB., § 286 ZPO.

Sie ist nicht begründet.

Der Vertrag vom 4. Febmar 1908 ist,

wie da- Oberlandesgericht im Gegensatze znr Auffassung de- ersten Richters mit Recht ausführt, kein sog. Borgründungsvertrag.

Die

Vertragschließenden verpflichteten sich darin nicht, eine Aktiengesell­ schaft zu gründen und bestimmte Kapitalanteile in Aktien zu über­ nehmen.

Vielmehr verpflichtete sich der Kläger (teilweise mit Hilfe

anderer Beteiligter), seine Brauerei in eine Aktiengesellschaft um­ zuwandeln, und die Beklagten verpflichteten sich, von der demnächst

unter zum Teil anderen Kontrahenten zu errichtende» Aktiengesellschaft eine bestimmte Anzahl von Aktien zu übernehmen, auch der Aktien­ gesellschaft ein Betriebskapital von 23000 Jl zu beschaffen und zu belassen. Der Beweggrund deS Vertrags war, wie da- OberlandeSgericht in unangefochtener tatsächlicher Feststellung darlegt, den Kläger mit seiner Brauerei zur Unterwerfung unter die Satzungen und AusführungSbestimmungen des Vereins Pfälzischer Brauereien zu bewegen. Diese Absicht wurde ausdrücklich zum Vertragsinhalt erhoben. Der Beitritt der klägerischen Brauerei war die Gegenleistung deS Kläger­ für die Beteiligung des Beklagten und für die finanzielle Unter­ stützung der von ihm für feine Brauerei zu gründenden Aktiengesell­ schaft. Damit ist der Beitritt deS Klägers zur Ringbildung zum wesentlichen BertragSinhalte gemacht.

Diesen Vertrag erklärt aber das Oberlandesgericht für einen unsittlichen, weil eS die Ringbildnng selbst für unsittlich erachtet. Die Unsittlichkeit wird nicht in der zur Erreichung eines höheren BierpreiseS erfolgten Ringbildung an sich, sondern darin gefunden, daß die Mitglieder deS Verein- sich verpflichteten, die Bierpreis­ erhöhung „unbekümmert um die bestehenden Verträge" mit Wirten oder Zäpflern durchzusetzen. So bestimmt § 1 der Ausführungs­ bestimmungen: „Abs. 1. Die Mitglieder des Vereins verpflichten sich unter­ einander und dem Verein gegenüber, an alle ... Kunden ... unbekümmert um laufende Verträge nur dann Bier. zu liefern, wenn der erzielte Preis ... mindestens 18 jfl, bzw. bei Zäpflern 22 jH per Hektoliter Lagerbier beträgt. ... Abs. 24. Die Verbandsbrauereien verpflichten sich, unbekümmert um ältere oder laufende Verträge, Wirten und Flaschenbierhändlern sowie Depotsinhabern, Großhändlern und Vertretern ..., welche diese Bedingungen nicht einhalten, so lange kein Bier zu liefern, bis sie sich denselben unterworfen haben.

Abs. 25. Wenn infolge dieser Vorschrift eine Bertragsbrauerei von einem Kunden wegen Vertragsbruch in Anspruch genommen wird, so werden diejenigen Beträge an Kapital, Zinsen und Soften, zu welchen die Brauerei verurteilt werden sollte, ihr aus der Verein-kasse zurückvergütet."

Da-

Oberlandesgericht

hat

mit Recht eine derartige „Ver­

pflichtung zum Vertragsbruch" für unsittlich und unverbindlich er­ klärt.

Da nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts zahlreiche

langfristige Bierlieferungsverträge liefen, so hatte diese Bestimmung auch keineswegs eine bloß nebensächliche Bedeutung.

Mit Recht hat

das OberlandeSgericht auch die als Gegenleistung des Kläger- ge­ kennzeichnete Übernahme dieser unsittlichen Verpflichtung der Vereins­ mitglieder gleichfalls als unsittlich erklärt und, bei der Bedeutung, die sie nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts für den ganzen

Vertragsabschluß vom Februar 1908 hatte, diesen selbst seinem ganzen Inhalte nach als gegen § 138 BGB. verstoßend beurteilt. Wen» die Revision ausführt, die ausdrücklich fcstgestellte miß­ liche Lage der Brauereien habe schnelles Handeln ohne Rücksicht auf die bestehenden langfristigen Verträge erfordert, und der vorgesehene Ersatz etwaiger Schadensaufwendungen beweise gerade, daß man die

Verträge erfüllen wolle, so erscheint das nicht zutreffend.

Niemand

kann, abgesehen von durchgreifenden öffentlichrechtlichen Interessen,

wie sie sich z. B. bei der Enteignung geltend machen, gezwungen werden, auf vertragliche Rechte zu verzichten und sich dafür mit dem

Schadensersatz in Geld zu begnügen. Eine allgemeine Verpflichtung,

entziehen, enthält deshalb etwas Sittenwidriges, auch wenn sich der Verpflichtete über feine SchadenSerfatzpflicht im klaren ist und für diesen Fall bereits Deckung vorgesehen

sich seinen BertragSpflichten zu

oder zugesagt hat. In dem von der Revision angeführten Urteile der VI. Zivil­

senats vom 26. Januar 1910 (Gewerbl. RechtSsch. und UrhR. 1910 S. 87) finden sich allerdings folgende Sätze:

„es ist richtig,

daß

ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht

schlechthin darin z« finden ist, daß sich jemand an der Verletzung vertraglicher Pflichten beteiligt, die einem anderen gegenüber Dritten

obliegen; das mag sogar von einer direkten Verleitung zum Ber-

tragSbruch gelten.

Allein in jedem Falle müffen die konkreten

Umstände nach jener Richtung hin gewürdigt werden." Der Verwertung dieser Ausführung für die Beurteilung des vor­ liegende« Streitfalles steht schon die Erwägung entgegen, daß eS sich bei den oben mitgeteilten AuSführnngSbestimmungen nicht bloß um eine Beteiligung an Vertragsverletzungen handelt, die andere gegen-

über Dritten begehen, sondern daß die Mitglieder de- Vereins sich

wechselseitig verpflichteten, im Interesse der Durchsetzung der BierPreiserhöhung unbekümmert um bestehende Verträge ihre eigenen Verpflichtungen nicht mehr z« erfüllen. Die Übernahme einer solchen Verpflichtung ist, weil gegen die Rechtsordnung verstoßend, nichtig."

67.

1.

§ 181 BGB.

Gilt

auch

für

familienrechtliche

Rechts­

geschäfte?

2.

Ist § 811 BGB. auch bei dem Verkauf eines fremden

Vermögens anwendbar?

II. Zivilsenat.

Urt v. 26. April 1912 i. S. Aktienges. Ewicherhütte

(Bekl.) w. Ehefrau P. (Kl.). I. II.

Rep. II. 515/11.

Landgericht Duisburg. Oberlandesgericht Düsseldorf.

Durch Vertrag vom 19. Juni 1909 kaufte die Beklagte von

dem Ehemanne der Klägerin „als alleinigem Gesellschafter" der Ge­ sellschaft mit beschränkter Haftung Maschinenfabrik „Rhenania" in

Düsseldorf deren Aktiven und erhielt außerdem von dem Ehemanne der Klägerin „bzw. der Maschinenfabrik Rhenania" übertragen die

alleinige unbeschränkte Ausbeutung des auf die Prestofeuerung, eine besondere Art von Dampfkesselfeuerung, mit deren Herstellung die Gesellschaft bis dahin befaßt war, erteilten Musterschutzes. Die Klägerin, die von ihrem Ehemanne desien Rechte aus dem Vertrage

vom 19. Juni 1909 abgetreten erhalten hatte, erhob Klage auf Zahlung des Restkaufpreises. Beide Vorderrichter erkannten der Klage gemäß.

Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen au-

folgenden

Gründen:

„Der zunächst von der Beklagten erhobene Einwand, daß die Klägerin nicht selbständig klagen könne, weil sie mit ihrem Ehemann

in westfälischer Gütergemeinschaft lebe, ist vom Berufungsgerichte für unbegründet erachtet wordm, weil die Klägerin durch notariellen Vertrag vom 12. Oktober 1909, also bevor ihr die eingeklagten An­ sprüche abgetreten wurden, mit ihrem Ehemanne Gütertrennung verein­

bart habe.

ES erklärt die Ansicht der Beklagten für unzutreffend, dieser

Vertrag sei ungültig, weil in der notariellen Verhandlung der Ehe­

mann der Klägerin allein Erklärungen abgegeben habe und zwar für sich und zugleich als Bevollmächtigter seiner Ehefrau.

ES stellt in

dieser Beziehung fest, daß der Ehemann der Klägerin durch ihre

Vollmacht vom 7. Oktober 1909 ausdrücklich ermächtigt war, der Klägerin gegenüber mit sich selbst in eigenem Namen einen Ehe­ vertrag abzuschließen und vor Gericht oder Notar zu vollziehen,

wodurch daS für ihre Ehe geltende bisherige GüterrechtSverhältniS aufgehoben und an dessen Stelle die vollständige Gütertrennung nach

deutschem Rechte festgesetzt werde. Demnach ist der Ehevertrag vom 12. Oktober 1909, bei dessen Abschluß der Ehemann der Klägerin diese gemäß § 181 BTB. vertreten durfte, in der in § 1434 BGB.

vorgeschriebenen Form geschlossen, wie daS Berufungsgericht zutreffend

ausgeführt hat.

Mit Unrecht bezeichnet die Revision § 181 BGB.

als verletzt, da 8 181 nicht nur bei dinglichen und obligatorischen

Verträgen

zur Anwendung kommt, sondern allgemein bei Rechts­

geschäften, also auch bei familienrechtlichen, sofern hierbei überhaupt

eine Vertretung durch Bevollmächtigte zulässig ist.

Gegenüber dem ferneren Einwande der Beklagten, der Vertrag vom 19. Juni 1909 sei mangels der in § 311 BGB. vorgeschrie­ benen Form nichtig, weil hierdurch daS gesamte Vermögen der Ge­

sellschaft mit beschränkter Haftung „Rhenania" übertragen sei, führt daS Berufungsgericht in erster Linie aus, daß nach Inhalt des Ver­ trag- nicht die „Rhenania", sondern der Ehemann der Klägerin der „Übertragende- sei. ES folgert die- aus der Faffung deS Vertrag-,

insbesondere aus den Eingangsworten, wonach der Vertrag zwischen

der Beklagten und dem Ehemanne der Klägerin abgeschlossen ist und daraus, daß der Ehemann auch allein als Verkäufer aufgeführt und als Gläubiger der aus dem Vertrage gegen die Beklagte hervor­

gehenden Forderungen bezeichnet ist.

DaS Berufungsgericht nimmt demnach an, daß in dem Vertrag

allein der Ehemann nnd Zedent der Klägerin daS gesamte Aktivvermögen der „Rhenania" verkauft hat.

Diese Annahme erachtet eS

für vereinbar mit dem Umstande, daß der Vertrag ohne Einschrän­

kung nicht nur von der Beklagten und dem Ehemanne der Klägerin, sondern auch von der Maschinenfabrik „Rhenania", Gesellschaft mit

beschränkter Haftpflicht, verrieten durch ihre beiden damaligen Ge-

schästSführer, unterschrieben ist. ES beruft sich darauf, daß die „Rhenania" nur einmal in dem ganzen Vertrag als handelnd er­ wähnt sei, nämlich bei Übertragung der alleinigen Ausbeutung dr­

auf die Prestofeuerung erteilten Musterschutzes, und daß diese Er­ wähnung nur habe zum Ausdruck bringen sollen, jene vom Ehemanne der Klägerin vorgenommene Übertragung geschehe mit Zustimmung der „Rhenania", auf deren Namen der Musterschutz eingetragen war. Demgemäß, und nur um ihre Zustimmung zum Vertrage zum Aus­ drucke zu bringen, habe auch die „Rhenania" den Vertrag mit unter­ schrieben. War nach diesm rechtlich einwandfreien Ausführungen deS Be­ rufungsgerichts allein der Ehemann der Klägerin Verkäufer der Bermögens der „Rhenania*, so war er der Beklagten obligatorisch ver­ pflichtet, ihr die einzelnen zu diesem Vermögen gehörenden Gegen­ stände. soweit eS bewegliche Sachen waren, zu übergeben und zu Eigentum zu Überträgen und soweit eS Rechte waren, sie ihr zu verschaffen. Der Verkäufer hat den Kaufvertrag erfüllt nur bezüg­ lich deS alleinigen unbeschränkten AuSbeutungSrechtS des für die „Rhenania" eingetragenen Musterschutzes, betreffend die Prestofeuerung, da er dieses Recht in dem Vertrage selbst der Beklagten mit Zu­ stimmung der „Rhenania" übertragen hat. Bezüglich der übrigen Vermögen-gegenstände hatte der Verkäufer den Kaufvertrag noch zu erMen. Die danach noch erforderliche Übertragung dieser Gegen»

stände an die Beklagte konnte der Verkäufer, da sie nicht ihm ge­ hörten, an sich rechtswirksam nicht vornehmen. Wohl konnte er dienach 8 185 BGB., wenn seine Übertragung mit Einwilligung der „Rhenania" al- der Berechtigten erfolgte. Diese EinwMgung, näm­ lich die vorherige Zustimmung der „Rhenania" zu der in Erfüllung de- Kaufvertrags vom Verkäufer vorzunehmenden Übertragung der zu ihrem Vermögen gehörenden einzelnen Gegenstände, hat die „Rhenania" nach Feststellung deS Berufungsgerichts dadurch erteilt, daß sie den Vertrag mitunterschrieb. In diesem Sinne ist die Fest­ stellung zu verstehen, daß die „Rhenania" durch ihre Mitunterschrift ihre Zustimmung zu dem Vertrage zum Ausdruck gebracht hat, was später noch dahin erläutert wird, daß die ^Rhenania" durch die Unterschrift ihrer beiden Geschäftsführer die Übertragung, also die Übertragung durch den Verkäufer, genehmigt habe.

Hat demnach die „Rhenania" eine obligatorische Verpflichtung, ihr Vermögen zu übertragen, nicht, auch nicht neben dem Verkäufer» übernommen, und ist sie überhaupt nicht als Vertragschließende auf­ getreten» hat sie vielmehr nur eine nach § 182 Abs. 2 BGB. form­ freie Zustimmung erklärt, so konnte §811 BGB, nicht zur An­ wendung komme«. Denn der Ehemann der Klägerin hat sich zwar verpflichtet, ein Vermögen zu übertragen, aber nicht sein Vermögen, sondern das Vermögen eines anderen, der „Rhenania"....

68.

Zahlung einer Nichtschuld a« den Prokuristen des vermeintlicheu Gläubigers. Bereicheruug des Prinzipals. BGB. §§ 812, 814, 818, 819.

II. Zivilsenat. Urt. v. 26. April 1912 i. S. Gebr. B.» G. m. b. H. (Bekl.) w. ReichSmilitärfiSkuS (Kl.). Rep. II. 517/11. I.

II.

Landgericht Dresden. Oberlandesgericht daselbst.

Die Firma Gebr. B., deren Aktiven und Passiven im Jahre 1909 auf die Beklagte übergegangen sind, lieferte dem Kläger nach und nach Tonröhren im Gesamtkaufpreise von 23038,21 Jl. Die Lieferungen erfolgten auf Grund dreier Verträge, die der Prokurist G. namenS der Firma Gebr. B. mit dem Kläger abgeschlossen hatte. Nach § 17 der maßgebenden „Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Garnisonbauten" sollten der Firma in an­ gemessenen Fristen auf Antrag, entsprechend dem jeweilig Geleisteten, bis zu der von den Garnison-Baubeamten mit Sicherheit vertretbaren Höhe Abschlagszahlungen gewährt und sollte alsbald nach Prüfung und Feststellung der von ihr einzureichenden Gesamtrechnung Boll­ zahlung geleistet werden. Diesen Abmachungen entsprechend erhielt der Prokurist G. auf die von ihm namenS der Firma Gebr. B. eingereichten Anträge und Rechnungen, die von dem zuständigen Militärbauamt II in D. gutgeheißen wurden» durch das dortige KriegSzahlamt eine Reihe größerer und kleinerer Beträge ausbezahlt, über deren Empfang er namenS der Firma Gebr. B. quittierte.

G. stellte jedoch wiederholt mehr Tonröhren in Rechnung, als tat­ sächlich geliefert worden waren, und ihm wurden infolgedessm in Teilbeträgen 5135,30 JH mehr gezahlt, als der Kaufpreis der wirk­ lich gelieferten Tonröhren ausmachte. Der Kläger nimmt nunmehr die Beklagte auf Erstattung dieser 5135,30 Jt nebst Zinsen in An­ spruch. Die Beklagte bestreitet ihre Zahlung-Pflicht. Sie behauptet, daß die Firma Gebr. B. von der Zuverlässigkeit des G. habe über­ zeugt sein dürfen, daß G. ohne ihr Wissen die nicht gelieferten Ton­ röhren in Rechnung gestellt und bezahlt erhalten und daß er daS zuviel erhaltene Geld alsbald dem beim Militärbauamt II beschäfttgten Bauführer U. zurückgegeben habe. G. habe dies alles auf Wunsch des U. getan, der seinerseits aus Veranlassung oder doch mit Wiffen deS Vorstands des Militärbauamts II, des Militär­ bauinspektor- K, gehandelt habe, um diesem zu ermöglichen, die so gewonnenen Mittel bei Ausführung eines anderen Baues zu verwenden, für den ihm zu geringe Mittel zur Verfügung gestanden hätten. DaS Landgericht erkannte nach dem Klagantrag und die Be­ rufung der Beklagten wurde verworfen. Auch die Revision blieb ohne Erfolg. AuS den Gründen: ... „Allerdings unterliegt es erheblichen Bedenken, ob sich die Verurteilung der Beklagten nach dem Klagantrag auS dem GesichtSpunkte deS vertraglichen Verschuldens rechtfertigen läßt. Von einer näheren Erörterung dieser PuntteS kann indes abgesehen werden, da jedenfalls in der Bejahung deS Klagegrundes der ungerechtfertigten Bereicherung eine Gesetzesverletzung nicht zu erkennen ist. Soweit die von G. namens der Firma Gebr. B. angefertigten Aufstellungen und Rechnungen sich über mehr Tonröhren verhielten, als verkauft und geliefert worden waren, bestand eine Zahlungsverbindlichkeit deS Klägers nicht. Da- Kriegszahlamt in D. zahlte also die zuviel in Rechnung gestellten Beträge zur Erfüllung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit des Kläger-, und eS zahlte sie nicht an G. für seine Person, sondern an die von G. in seiner Eigenschaft als Prokurist verttetene Firma Gebr. B. (vgl. § 49 HGB.). Dadurch erwuchs aber dem Kläger nach § 812 BGB. gegen diese Firma ein Be­ reicherungsanspruch, und zwar auch dann, wenn die Beamten deS

Militärbauamts II, der Bauführer U. und der Militärbauinfpektor K.,

wußten, daß der Kläger zur Zahlung nicht verpflichtet war (vgl. § 814 BGB.). Denn bei der Zahlung wurde der Kläger nicht durch

diese Beamten, sondern durch die Beamten deS Kriegszahlamts ver­ treten, und es ist nicht behauptet worden, daß auch diese Beamten

von dem Nichtbestehen der Verbindlichkeit deS Klägers Kenntnis ge­ habt hätten.

Auf der anderen Seite kannte G. beim Empfange der

5135,30 Jt den Mangel des rechtlichen Grundes, und die Beklagte kann sich deshalb nicht darauf berufen, daß die Firma Gebr. B.

den Mangel nicht gekannt habe (vgl. § 166 Abs. 1 BGB.). Infolge dieser Kenntnis war aber die Firma Gebr. B. vom Empfange an so zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Herausgabeanspruch deS Klägers sofort rechtshängig geworden wäre (vgl. §§ 819 Abs. 1,

818 Abs. 4 BGB.).

Demgemäß kann die Beklagte nicht geltend

machen, daß die Bereicherung der Firma Gebr. B. durch die Heraus­

gabe des Zuvielempfangenen an den Bauführer U. wieder fortgefallen

sei (vgl. §§ 275flg. BGB., §§ 292, 989 daselbst), und sie hat das Zuvielempfangene vom Zeitpunkte des Empfangs an mit 4% zu verzinsen (vgl. §§ 291, 288 Satz 1 BGB.). Ihr Einwand, daß der Herausgabeanspruch deS Klägers durch die Herausgabe des Zuvielempfangenen an den Bauführer U. erfüllt

worden sei, wird durch die einwandfreie Feststellung deS Berufungs­

gerichts beseitigt, daß U. weder zur Vertretung deS Klägers bei An­ nahme der Erfüllung eine Berechtigung gehabt, noch das ihm von G. herausgegebene Geld an den Kläger abgeführt habe.

Die Re­

vision bemängelt zwar diese Feststellung, well die Beklagte unter

Beweisantritt behauptet habe, daß U. zur Entgegennahme der Rück­ zahlungen ermächtigt gewesen sei.

Dabei übersieht sie indes, daß

nach den Behauptungen der Beflagten die Ermächtigung dem U.

von dem Militärbauinspektor K. erteilt sein soll, und daß K. zur

Erteilung der Ermächtigung namenS des Klägers ebensowenig befugt

war, wie er mit verbindlicher Wirkung für den Kläger eine Ver­ einbarung treffen konnte, kraft deren die Firma Gebr. B. für nicht gelieferte Tonröhren Zahlung vom Kläger fordern und erhalten sollte,

um daS zuviel empfangene Geld an das Militärbauamt II behufs

Verwendung bei anderen Bauten herauszugeben, für welche die vom

Kläger zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichten."

69. 1. Ist ein Gesamtschuldner gegenüber dem anderen znr Aus­ gleichung verpflichtet, ohne daß eS des Nachweises eines besonderen, unter ihnen bestehenden Recht-verhältniffe- bedarf? 2. In welchem Umfang ist der Gesamtschuldner, der mit Er­ füllung seiner AuSgleichnngSpflicht dem anderen Gefamtfchnldner gegenüber in Berzng kommt, diesem znm Schadensersätze verpflichtet? Mitverschnlden des anderen GesamtschnldnerS. BGB. 88 426, 286, 254 Ads. 2.

II. Zivilsenat. Urt. v. 26. April 1912 L S. K. (Kl.) w. Konkurs Z. (Bell.). Rep. II. 523/11. I. II.

Landgericht Neuwied. OberlandeSgericht Frankfurt a. M.

Durch eine bei der ZwangSversteigung der „Rottmannshöhe" am 18. März 1908 vor dem Amtsgericht R. abgegebene Erklämng zu Protokoll der Vollstreckungsgerichts hat sich die Ehefrau SB., die erste Hypothekengläubigerin war und dar Meistgebot abgegeben hatte, verpflichtet, ihre Rechte auS dem Meistgebot an die nachfolgenden Hppothekengläubiger, und zwar an die Klägerin zu zwei Dritteln, an den Erblasser deS von dem Beklagten verwalteten Nachlaßkonkurses, E., zu einem Drittel zu übertragen, wogegen diese beiden die Hypothek der Ehefrau SB. in Höhe von 55000 Jl, und zwar die Klägerin zu 2/s, E. zu x/3, zu übernehmen versprachen und sich verpflichteten, ans die Hypothek bis zum 15. April 1908 den Betrag von 6000 Jl und die rückständigen Zinsen aus der Hauptsumme, sowie bis zum 15. Mai 1908, nach Übertragung der Rechte aus dem Meistgebote, weitere 9000 Jl an die Ehefrau SB. zu zahlen. Im Namen des E. wurde diese Erklärung durch Rechtsanwalt Justizrat H., der von E. zu seiner Vertretung im Zwangsversteigerungsverfahren bevollmächtigt war, abgegeben. Die Klägerin behauptet, sie habe vor dem 15. April 1908 einen ihrem Anteile von zwei Dritteln entsprechenden Teil­ betrag der am 15. April 1908 zu zahlenden Beträge an den Bertteter der Eheftau SB. gezahlt, dagegen habe sich E. mit Zahlung seines Anteils in Verzug befunden. Deshalb sei die Ehefrau SB. von dem Vertrage zurückgetreten und habe sich auf Grund ihres Meistgebots den Zuschlag erteilen lassen. Die Klägerin habe infolgedessen durch

den Ausfall ihrer Hypothek einen Schaden in Höhe von 14000 M erlitten. Den auf Ersatz dieses Schadens gerichteten Klaganspruch hat

das Berufungsgericht zurückgewiesen.

Es geht zugunsten der Klägerin

davon aus, daß E. die in seinem Namm von Rechtsanwalt H. ab­

gegebene Erklärung genehmigt habe und daß dadurch ein Gesamt­ schuldverhältnis entstanden sei, auf Grund dessen die Klägerin und E. für die zu leistenden Zahlungen der Ehefrau W. gegenüber als Gesamtschuldner hasteten.

ES führt aus, als Gesamtschuldner seien

die Klägerin und E. gemäß § 426 BGB. einander zur Ausgleichung verpflichtet; auf Grund dieser Vorschrift hätte deshalb die Klägerin Ersatz verlangen können, falls sie über ihren Anteil hinaus die Ehe­ frau W. befriedigt hätte. Dagegen komme für die Frage, ob sie

von E., weil er seinen Anteil nicht geleistet habe, nicht nur Aus­ gleichung, sondern auch Ersatz der weiteren Schadens fordern könne, das abgesehen von der Gesamtschuld unter ihnen bestehende Rechts­

verhältnis al- maßgebend in Betracht.

Ein BertragSverhältniS habe

aber zwischen der Klägerin und E. nicht bestandm, weil die vor und nach dem 18. März 1908 über den gemeinschaftlichen Erwerb deS

Grundstücks und über die von einem jeden zu leistenden Zahlungen zwischen ihnen geführten Verhandlungen nicht zu

einer Einigung

geführt hätten. Der Revision wurde stattgegeben und die Sache zurückverwiesen

auS folgenden Gründen: „Die Revision rügt mit Recht Verletzung deS § 426 BGB.

Die im gemeinen Rechte herrschende Lehre, die eine AuSgleichungSpflicht unter mehreren Gesamtschuldnern nur dann anerkannte, wenn daS besondere unter ihnen bestehende Rechtsverhältnis einen Anspmch auf Ausgleichung begründete, und die deshalb dem die Ausgleichung

fordernden Gesamtschuldner den Nachweis deS Bestehens eines solchen Rechtsverhältnisses auferlegte (vgl. Windscheid-Kipp, 9. Ausl. Bd.2

§ 294 S. 206), ist in den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch aus­ drücklich abgelehnt worden (Mot. Bd. 2 S. 169).

In bewußtem

Gegensatze zu dieser Lehre hat sich das Bürgerliche Gesetzbuch, dem

Vorgang anderer Gesetzgebungen, namentlich des preußischen Land-

rechts (Tl. I Tit. 5 § 445; vgl. Koch, Anm. 37) und des Code civil Entsch. in Zivils. R. F. 29 (79).

19

Art. 1213 flg. folgend, auf den Standpunkt gestellt, daß mehrere

Gesamtschuldner, soweit sich nicht aus Gesetz oder Rechtsgeschäft ein

anderes ergibt, in einer Rechtsgemeinschaft stehen, auf Grund deren sie einander zu gleichen Anteilen verpflichtet sind, so daß derjenige,

welcher die anteilsmäßige Verpflichtung geltend macht, ein besonderes sie begründendes Rechtsverhältnis nicht zu beweisen braucht (§ 426

Abs. 1 Satz 1 BGB.). Diese Vorschrift bezieht sich aber nicht nur, wie dar Berufungsgericht annimmt, auf die der Befriedigung des Gläubigers nachfolgende Ausgleichung» sondern die RechtSgemeinschast

unter den Gesamtschuldnern besteht von vornherein und hat, wie die Motive a. a. O. hervorheben, die Bedeutung, daß jeder dem anderen gegenüber verpflichtet ist, seinem Anteil entsprechend zur Befriedigung deS Gläubigers mitzuwirken, also bei Fälligkeit der Schuld einen

seinem Anteil entsprechenden Betrag an den Gläubiger zu zahlen,

und dadurch so zu handeln, daß eS überhaupt nicht zu einem Rück­ griffe zu kommen braucht. Diese Auffassung hat als Willensmeinung deS Gesetzgebers hinreichend klaren AuSdmck gefunden in der Fassung

deS Gesetzes selbst dadurch, daß Abs. 1 deS § 426 allgemein und ohne Beschränkung auf den Fall deS Rückgriffs eine „Verpflichtung-

untereinander zu gleichen Teilen ausspricht, während Abs. 2 den besonderen Fall behandelt, daß ein Gesamt­ der Gesamtschuldner

schuldner den Gläubiger beftiedigi hat und für diesen Fall die weitere Vorschrift gibt, daß, soweit er (nach Abs. 1) Ausgleichung verlangen kann, die Forderung des Gläubigers auf ihn übergeht. Darüber,

daß das Gesetz in diesem Sinne aufzufaffen ist, besteht in der Rechtslehre und Rechtsprechung Übereinstimmung? Eine solche RechtSgemeinschast besteht allerdings nicht in den

Fällen der sog. unechten Solidarität, wo mehrere Personen lediglich zufällig und ohne

inneren Zusammenhang

gleichartige

Leistungen

einem und demselben Gläubiger in der Weise schulden, daß der wirt­ schaftliche Zweck der Schuldverpflichtungen durch einmalige Leistung an

den Gläubiger erreicht wird, und deshalb der Gläubiger nur einmal 1 Vgl. Dernburg, Bürger!. Recht. 4. Ausl. Bd. 2 Abt. 1 § 164II, III; EnnecceruS, Recht der Schuldverhältnisse 4,/5. Aufl. § 318II5 (S. 252) III, 1 (S. 253); Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse 3./4. Aufl. zu § 426 Bem. 1 (S.358); Planck 3.Aufl. zu 8 426 Bem. 1; v. Staudinger zu 8426 Bem. 1,2; Enlsch. des R>G.'s in Zivils. Bd. 61 S. 60. D. E.

Zahlung verlangen kann (vgl. Entsch. deS RG.'s in Zivils. Bd. 61 S. 60, Bd. 67 S. 130).

Um einen solchen Fall handelt es sich hier

aber nicht, da die Klägerin und E. gemeinschaftlich durch einen und

denselben Vertrag die Verbindlichkeit gegenüber der Ehefrau W. über­ nommen haben.

Die aus § 426 Abs. 1 sich ergebende Verpflichtung

besteht daher, ohne daß eS deS vom Berufungsgerichte vermißten Nachweises bedarf, daß unter den Gesamtschuldnern eine besondere

Vereinbarung über den gemeinschaftlichen Erwerb deS Grundstücks und über die Beitragsleistung zu den Zahlungen zustande gekommen ist, die zu diesem Zwecke an die Ehefrau W. zu leisten waren.

ES

genügt, daß eine Bestimmung, wodurch die Beitragspflicht deS E.

ausgeschlossen worden wäre, von dem dafür beweispflichtigen Be­ nicht dargetan, auch aus den Umständen nicht zu ent­

klagten

nehmen ist. Wenn aber E. der Klägerin gegenüber verpflichtet war, am

15. April 1908 ein Drittel der an diesem Tage fälligen Beträge an die Gläubigerin zu zahlen, und wenn er (wie für die Revisions­ instanz zu unterstellen ist)

mit Erfüllung

dieser Verpflichtung in

Verzug geraten ist, so hat er gemäß § 286 BGB. der Klägerin den ihr durch den Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen.

Abzulehnen

ist die in der Rechtsprechung der OberlandeSgerichte Bd. 8 S. 53 (vgl. auch Planck, 3. Ausl. zu § 426 Bem. 1 a. E.) vertretene Meinung, daß diese Schadensersatzpflicht sich auf den Ersatz der durch stärkere

Heranziehung des anderen Gesamtschuldner- diesem entstandene Mehr­

belastung beschränke, während sich die Frage, ob auch sonstige nach­ teilige Folgen, z. B. da- Ausbleiben der Leistung des Gläubiger-,

von dem säumigen Gesamtschuldner zu vertreten seien nach dem be­

sonderen zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisse richte. Diese Meinung findet im Gesetze keine Gmndlage. Sie würde zu der, wie oben dargelegt,

dem Gesetze nicht gerecht werdenden

Auffassung zurückführen, daß die a«S § 426 Abs. 1 sich ergebende

anteilsmäßige Verpflichtung der Gesamtschuldner untereinander sich auf Erstattung dessen beschränke, was ein Gesamtschuldner über seinen

Anteil hinaus an den Gläubiger geleistet hat.

Diese Verpflichtung

ist vielmehr in ihrem ganzen Umfange eine den gewöhnlichen Regeln

folgende Schuldverbindlichkeit im Sinne de- Bürgerlichen Gesetzbuch-, die auch durch Klage verfolgbar ist (vgl. Dernburg, Bürger!. Recht

1»*

4. Stuft. Bd. 2 Abt. 1 § 164III, 1).

Die allgemeinen Regeln des

Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Schadensersatzpflicht im Falle des Verzugs müssen also auch hierauf Anwendung finden.

So EnnecceruS, Recht der Schuldverh. § 318 S. 253III 1;

Schollmeyer, deSgl. in Hoelder'S Kommentar zum BGB. § 426 Bem. 3a; sowie namentlich Oertmann, deSgl. 3./4. Stuft, zu § 426 Bem. 1 (S. 358).

Eine andere Frage ist, ob im Falle der Säumnis eines Gesamt­

schuldners ein nach Lage der Umstände die Schadensersatzpflicht ganz oder teilweise ausschließendes Mitverschulden des anderen Gesamt­

schuldner- gemäß § 254 Abs. 2 BGB. etwa darin gesunden werden kann, daß er unterlassen hat, den Schaden dadurch abzuwenden, daß er seinerseits die ganze Schuld bezahlte.

Diese Frage wird auch für

den vorliegenden Fall bei der erforderlichen anderweiten Verhandlung

von dem Berufungsgericht zu prüfen sein."...

70.

Erlöschen de- Ausstattungsschutzes infolge langjähriger Mit-

beuutzung der AnSstattnng durch Konkurrenten.

Unterschied zwischen

AnSstattnngSschntz vnd Warenzeichenrecht. Gesetz zum Schutze der Warenbezeichnungen vom

12. Mai 1894

88 1, 12 und 15.

II. Zivilsenat.

Urt. v. 26. April 1912 i. S. W. (Bell.) w. G. (Kl.).

Rep. IL 2/12. I. II.

Landgericht Danzig, Kammer für Handelssachen. Oberlandesgericht Marienwerder.

DaS Landgericht hat die Beklagte verurteilt, anzuerkennen, daß die Klägerin bei dem Vertrieb ihrer Liköre znm Mitgebrauch der

vierkantigen Flaschen von goldbrauner Farbe mit Pergamentpapier­

verschluß deS Halse-, rotem Siegel auf diesem Verschluß, einer nahezu

quadratischen Etikette auf der Vorderseite der Flasche, welche die Firma des Produzenten und

die Sortenbezeichnung enthält,

mit

einem nahezu rechteckigen Brnstetikett, ans dem sich die Sortenbezeich­ nung insbesondere § Danziger Goldwasser" oder »Kurfürstlicher

Magenbitter" befindet, berechtigt ist. hatte keinen Erfolg.

Die Berufung der Beklagten

Auch ihre Revision wurde zurückgewiesen.

AuS den Gründen:

„DaS Landgericht hat auf Grund eigener Sachkenntnis gemäß

§ 18 GBG. festgestellt, daß die in feiner Urteilsformel näher be­ zeichnete Ausstattung bereits

feit Jahrzehnten

im Gebrauche

der

meisten Danziger und vieler auswärtiger Likörfabriken ist und daß sie in den Kreisen der Zwischenhändler, Detailhändler und der Kon­

sumenten von Likören lediglich als die für „Goldwasser" und „Kur­ fürstlichen

Magenbitter"

allgemein

übliche,

keineswegs

aber

als

Kennzeichen der Beklagten gilt. Diese Feststellung ist ganz allgemein bezüglich aller beteiligten Verkehrskreise, insbesondere auch der Kon­ sumenten getroffen und läßt für irgend einen Zweifel keinen Raum.

DaS Berufungsgericht hat im Eingänge seiner Gründe die Fest­

stellung des Landgerichts nach dem ihm vorgelegten Sachverhalt als

zutreffend anerkannt. Auf dieser Feststellung ruht der Schwerpunkt seiner Entscheidung. Bon diesem Ausgangspunkt aus sind die Er­ wägungen des Berufungsgerichts zu verstehen und in diesem Zu­

sammenhänge verstanden

geben sie zu rechtlichen Bedenken keinen

Anlaß. Zutreffend ist eS von dem Grundsätze auSgegangen, die Aus­

stattung, als eine äußere Zutat zur Ware oder als ein Kennzeichen

äußerer Art, genieße nach § 15 WarenzGes. nur dann den gesetzlichen Schutz, wenn sie innerhalb beteiligter BerkehrSkreise als besonderes Kennzeichen der Waren eines Geschäfts gelte und zwar noch in der

Gegenwart gelte.

Daß und inwieweit die- der Fall ist, hat die­

jenige Partei zu behaupten und erforderlichenfalls zu beweisen, welche

den Ausstattungsschutz für sich in Anspruch nimmt.

Zugunsten der

Beklagten unterstellt daS Berufungsgericht, daß ihr ursprünglich ein Sonderrecht an der streitigen Ausstattung zugestanden habe und daß sie lange Zeit hindurch die einzige Firma gewesen sei, die sich der

Ausstattung bedient habe.

ES sieht jedoch als bewiesen an, daß die

Ausstattung von einer großen Reihe von Firmen in Danzig und im

östliche» Deutschland seit

mehreren Jahrzehnten,

seit 30 Jahren verwendet worden sei.

mindestens aber

Hierbei nimmt eS die Mög­

lichkeit an, daß anfänglich diese Mitbenutzung der Ausstattung eine

mißbräuchliche gewesen sei «nd zu dem Zwecke erfolgt sein könne,

sich die Beliebtheit der Liköre des Lachs zunutze zu machen.

Es wird

dann aber auSgeführt, die Beklagte hätte diesem Mißbrauche ent­

gegentreten müssen, wenn sie nicht ihrer Vorzugsstellung habe ver­ lustig gehen wollen.

Sie habe jedoch niemals einen Versuch gemacht,

der Mitbenutzung der Ausstattung

seitens

ihrer Konkurrenten zu

steuern, obwohl ihr schon seit 1894 der Schutz des Warenzeichen­

gesetzes zur Seite gestanden habe und ihr die Mitbenutzung, nament­

lich

von

feiten

der

zahlreichen

Konkurrenten

an

ihrem eigenen

Wohnsitz in Danzig, seit Jahrzehnten nicht habe verborgen sein können.

Die von ihr angeführten Fälle strafrechtlicher Verfolgungen hätten nur Nachahmungen ihre- Warenzeichen- betroffen. Diese allgemeine, d. h. von einem großen Teile der in Betracht kommenden Gewerbe­ treibenden ungehindert geübte Mitbenutzung habe^ der Ausstattung, auch wenn sie früher im Sonderbesitze der Beklagten gestanden haben sollte, die Kraft genommen, ihre Ware von der der anderen Fabrikanten zu unterscheiden.

Daß dieser Zustand schon in der Gegenwart ein­

getreten sei, dafür sprächen die Auskünfte der Organe des Handels; die Feststellung der Kammer für Handelssachen sei daher unbedenk­

lich.

Demgegenüber könne eS auf die Meinung vereinzelter Personen

oder nicht bestimmt abgrenzbarer

Personenkreise

nicht

ankommen,

zumal da diese anscheinend in geschäftlichen Beziehungen zu der Be­ klagten ständen. Demgemäß stehe in der Allgemeinheit, in der sie geltend gemacht sei, der Beklagten nicht die Befugnis zu, den Ge­

Daher sei die Entscheidung

brauch der Ausstattung zu verbieten. deS Landgerichts gerechtfertigt.

Die Revisionsklägerin bekämpft die Entscheidung zunächst mit

der Aufstellung, die Entwickelung einer im besonderen Besitz einer Firma stehenden Ausstattung zu einer gemeinfteien könne nur nach denselben Grundsätzen beurteilt werden, die daS Reichsgericht für

die Entwickelung eines SonderzeichenS gestellt habe.

zu einem Freizeichen auf­

Diese Meinung kann nur mit den Einschränkungen

für richtig angesehen werden, die sich an- der Verschiedenheit der EntstehungSart und der

rechtlichen Natur

und des AuSstattungSschutzeS ergeben.

des Warenzeichenrechts

DaS Warenzeichen wird will­

kürlich gewählt und ist eigens zur Unterscheidung der Ware eine-

Gewerbetreibenden bestimmt. Fall.

Ihre Wahl

wird

Dies ist bei der Ausstattung nicht der

vielfach

durch

ZweckmäßigkeitSrücksichten

beeinflußt;

die Ausstattung dient in erster Linie anderen Zwecken,

insbesondere dem Zwecke, die Ware zu schützen und zu schmücken. DaS Warenzeichenrecht ist ein formelles Recht; eS beruht auf der Eintragung in die Rolle des Patentamts und begründet einen Schutz von internationaler Bedeutung gegen jedermann, der es ver­

letzt, einerlei, ob eS den beteiligten BerkehrSkreisen bekannt ist oder nicht.

ES berechtigt den Inhaber zum Gebrauche, verpflichtet ihn

aber nicht hierzu.

Dagegen genießt eine Ausstattung den Schutz

deS 8 15 WarenzGes. nur unter den darin vorgesehenen besonderen

Voraussetzungen, in objektiver sowohl als auch in subjektiver Be­ ziehung. Objektiv ist der AusstattungSschutz in seiner Entstehung dadurch bedingt, daß die Ausstattung als besonderes Kennzeichen der

Ware eines Gewerbetreibenden innerhalb beteiligter Verkehrskreise gilt, und solche Geltung wird regelmäßig erst durch längere Be­ nutzung der Ausstattung erlangt. Die Geltung kann sowohl in ört­ licher Beziehung, wie in Beziehung auf die Verschiedenheit der in Betracht kommenden BerkehrSkreise mehr oder minder ausgedehnt

oder beschränkt sein.

Wie die Entstehung, so ist auch die Dauer deS Ausstattungsschutzes durch Fortdauer der tatsächlichen Geltung der Ausstattung als eines besonderen Kennzeichens der Ware bedingt.

Um den Zustand tatsächlicher Geltung auftecht zu erhalten, wird der Besitzer der Ausstattung sie fortgesetzt verwenden müssen, sie

nicht in Vergessenheit geraten lassen dürfen.

In subjektiver Hinsicht

setzt der AusstattungSschutz eine Täuschungsabsicht deS Täters voraus.

Bei so erheblichen Verschiedenheiten verbietet sich ohne weitere- die unterschiedslose Anwendung der vom Warenzeichen geltenden Grund­

sätze auf den AusstattungSschutz.

DaS allerdings haben Ausstattung

und Warenzeichen miteinander gemeinsam, daß, wie die Ausstattung,

so auch das Warenzeichen durch allgemeinen Gebrauch die Bedeutung eine-Unterscheidungsmerkmals verlieren und GattungS- oder Qualitäts­

bezeichnung werden kann.

Aber auch diese ihre Eigenschaft äußert

sich bei beiden in verschiedenem Maße.

Da die Ausstattung lediglich

auf Grund ihrer tatsächlichen Geltung Schutz genießt, so ist sie der

Gefahr deS Untergangs durch die Mitbenutzung anderer in höherem Maße ausgesetzt, als dar Warenzeichen, das auf der Eintragung

beruht.

Will der Besitzer der Ausstattung dieser Gefahr vorbeugen,

so muß er sich ihre Verteidigung angelegen sein lasten und ihrem

Tut er das nicht, läßt

Mißbrauche mit Nachdruck entgegentreten.

er vielmehr lange Zeit hindurch eine große Anzahl von Konkurrenten die Ausstattung ungehindert benutzen, so daß diese ihre Eigenschaft als besonderes Kennzeichen einbüßt, so hat er den Verlust deS Aus-

stattungSschutzeS seiner eigenen Nachlässigkeit zuzuschreiben. lantibus scripta sunt

Jura vigi-

Hieran kann auch der Umstand nichts ändern,

daß ein unerheblicher Teil des Publikums der Meinung ist, die Ausstattung sei Sonderbesttz der Beklagten. Nur so viel ist der RevistonSklägeriu zuzugestehen, daß, um unlauteren Machenschaften

nach Möglichkeit entgegenzutreten, ein strenger Maßstab an die BeweiSführung anzulegen ist, ob eine Ausstattung, die erwiesenermaßen einmal Sonderbesitz gewesen ist, ihre tatsächliche Geltung als solche

verloren hat Dies gilt namentlich von einer mißbräuchlichen Be­ nutzung, die vor dem Inkrafttreten des Warenzeichengesetzes statt­

gefunden hat und gegen die ein Schutzmittel bis dahin nicht ge­ geben war. Ob nun die streitige Ausstattung ihre Geltung als Kennzeichen der Ware der Beklagten verloren hat, ist im wesentlichen eine der Nachprüfung des RevistonsgerichtS entzogene Tatfrage. Daß bei ihrer Entscheidung

das Berufungsgericht

beeinflußt worden wäre,

anschauungen

von unrichtigen Rechts­

läßt sich,

wenn man die

Gründe in ihrem Zusammenhänge versteht, nicht anerkennen." ...

71.

Ist bei Bestimmung der EnteiguungSeutschädigung der indi­

viduelle Wert zu berücksichtigen, den da- Grundstück nicht für dm

Eigentümer

selbst,

sondern für einen dritten Kauflustigen hatte,

wenn dieser zur Zahlung eines

entsprechend höheren Kanfpreise-

bereit war?

Preuß. Enteignungsgesetz vom 11. Juni 1874 §§ 1, 8.

VII. Zivilsenat. Urt v. 26. April 1912 i.S. preuß. Fiskus (Bekl.)

w. W. u. Gen. (Kl.) I. II.

Rep. VIL 14/12.

Landgericht Cöln. OberlandeSgericht daselbst.

AuS den Gründen:

... „DaS Berufungsgericht hat den Klägerinnen die geforderten 20 jK, für das Quadratmeter zugesprochen, weil, wie es feststellt, die Aktiengesellschaft „Maschinenbauanstalt Humboldt" die beiden er­

wähnten Parzellen für diesen Preis von den Klägerinnen gekauft haben würde, wenn nicht die Enteignung dazwischen getreten wäre.

Hierbei

handelte eS sich nicht um eine bloße Aussicht, deren Verwirklichung aus irgend einem Grunde noch hätte scheitern können, sondern daS Berufungsgericht sieht jene Tatsache auf Grund der Zeugenaussagen der beiden Direktoren des „Humboldt" als eine bestimmte und sicher

Diese Feststellung ist auf ihre tatsächliche Richtig­ keit in der RevistonSinstanz nicht nachzuprüfen. Rechtlich ist sie

feststehende an.

nicht zu beanstanden; insbesondere ist nicht ersichtlich und von der

Revision auch nicht nach Vorschrift deS § 554 Abs.3 Nr. 2b ZPO. dargelegt, inwiefern die Feststellung auf der gerügten Verletzung deS § 286 ZPO. beruhen sollte. ES ftagt sich demnach nur, ob eine Gesetzesverletzung, und namentlich die von der Revision behauptete Verletzung deS § 8 EntGef.,

in der Annahme zu finden ist, daß der Beklagte den Klägerinnen 20 M für das Quadratmeter zu zahlen habe, weil ohne die Ent­ eignung ein Verkauf um diesen Preis an den „Humboldt" zustande

gekommen sei» würde.

Richtig ist, daß eS in dem von der Revision

angeführten Urteile des Reichsgerichts vom 26. Januar 1900 VII 326/99 (Jur. Wochenschr. 1900 S. 198 Nr. 37) als sehr zweifelhaft bezeichnet worden ist, ob der Kaufpreis, der dem Ent­

eigneten durch den im damaligen Falle sogar schon abgeschlossenen, aber infolge der Enteignung nicht zur Ausführung gelangten Kauf­ vertrag vom Käufer bewilligt worden war, bei der Bestimmung der Enteignungsentschädigung als maßgebend zu berücksichtigen fei.

Frage ist damals nicht entschieden worden. ist ein bereits

bindend

abgeschlosiener

Die

Im gegenwärtigen Falle

Kaufvertrag zwischen

den

Klägerinnen und dem „Humboldt" bezüglich der in Rede stehenden

Parzellen nicht vorhanden; Her vom Berufungsgericht als erwiesen angenommene Sachverhalt ist aber wirtschaftlich einem bereit- ab­ geschlossenen Kaufvertrag als gleichwertig anzusehen.

DaS BemfungSgericht hat nun an einer Stelle seiner EntscheidungSgründe den Satz aufgestellt, die Enteignungsentschädigung

müsse dem Preise gleichkommen, den der Enteignete bei einem frei­

willigen Verkaufe erzielt haben würde.

In dieser Allgemeinheit ist

dies als Rechtswahrheit nicht anznerkennen, und wenn die Ent­

scheidung als lediglich auf jenem Satze beruhend anzusehen wäre, so würde daS Berufungsurteil der Aufhebung schwerlich entgehen können.

Bei einem fteiwilligen Verkaufe kann der Eigentümer unter

Umständen einen Preis erzielen, den der Käufer au- besonderer Vor­ liebe für da- Grundstück oder sonst aus Laune oder Willkür in

einem alles Maß übersteigenden Betrage bewilligt.

Daß ein Kauf­

preis solcher Art für die Bestimmung der Enteignungsentschädigung

nicht maßgebend sein könnte, unterliegt keinem Zweifel.

So wenig

der Eigentümer im Enteignungsverfahren einen Wert geltend machen kann, den nur er selbst, und auch er nur vermöge seiner besonderm

persönlichen Liebhaberei für daS Grundstück darin findet, so wenig können Umstände gleicher oder ähnlicher Art, die in der Person eines

Kauflustigen bestanden und diesen zur Bewilligung eines gesteigerten

Kaufpreise- bestimmt haben oder haben würden, maßgebende Be­ deutung beanspruchen.

Allein der erwähnte Satz aus den Entscheidung-gründen deS Berufungsgerichts ist, wie der Zusammenhang mit den ihm vorauf­

gehenden Ausführungen ergibt, nicht dahin zu verstehen, daß der Eigen­ tümer als Entschädigung im Enteignungsverfahren schlechthin und

unter allen Umständen den Betrag zu verlangen habe, den er bei

einem fteiwilligen Verkauf erzielt haben würde.

AuS den Zeugen­

aussagen der beiden Direktoren des „Humboldt" ergibt sich, daß die Aktiengesellschaft zur Erweiterung ihrer Fabrikanlagen dringend der Grundstücke der Klägerinnen, insbesondere auch der hier in Rede stehenden, nunmehr durch die Enteignung ihnen entzogenen bedurfte.

Auf Grund jener Zeugenaussagen hat denn auch daS Berufungs­ gericht festgestellt, daß die Maschinenbauanstalt „Humboldt" seit langm

Jahren mit der Absicht umging, „zum Zwecke ihrer dringend nötigen Ausdehnung" die erwähnten Grundstücke zu erwerben.

Demnach

wnrde der Kaufpreis, dm der „Humboldt" zu bewilligen bereit war,

in der Bemeffung feines Betrags nicht durch besondere persönliche

Liebhaberei

oder

ähnliche,

im

regelmäßigen Verkehr

als

preis­

bestimmend nicht in Betracht kommende Umstände beeinflußt, sondern durch das geschäftliche Interesse, daS der „Humboldt" an der Er-

Werbung gerade dieser Grundstücke, im Hinblick auf ihre seiner Be-

triebSstätte unmittelbar benachbarte Lage, hatte und haben mußte. Für ihn hatten die Grundstücke einen in seinen gewerblichen Ver­ hältnissen begründeten höheren Wert. Mit der neuen Anlage, für die die Enteignung erfolgt ist, steht dieser höhere Wert nach der

einwandfreien, von der Revision auch nicht bemängelten Feststellung des Berufungsgerichts in keinerlei Zusammenhänge, so daß eine An­ wendung des § 10 Abs. 2 EntGes., die in dem angeführten Urteile

vom 28. Januar 1900 den Entscheidungsgrund bildete, hier nicht in

Frage kommen kann. Wie aber nach der längst feststehenden Recht­ sprechung deS Reichsgerichts ein individueller Grundstückswert dieser Art im Enteignungsverfahren zu berücksichtigen ist, wenn er in der Person des Eigentümers selbst bestand und in desien gewerblichen Verhältnissen seine Grundlage hatte, so ist auch kein Grund vor­ handen, ihm diese Berücksichtigung zu versagen, wenn er in der Person

eines

dritten Kauflustigen bestand und dessen Bereitwilligkeit zur

Zahlung eine- entsprechend höheren Kaufpreises herbeigeführt hatte. In einem solchen Falle handelt eS sich überhaupt nicht um einen

an die Person des Eigentümers

und an dessen Verhältnisse ge­

knüpften individuellen Wert, sondern um dm dinglichen Wert deS

Grundstücks selbst, dm es für jedm Eigentümer habm würde, da

es der dritte Kauflustige, hier der „Humboldt", jedem Eigmtümer für den höherm Preis abgekauft haben würde, dieser höhere Preis also für jedm Eigentümer einen mit dem Grundstücke verbundenen Vorteil bildete.

Daran ändert nichts der Umstand, daß der höhere

Preis nur von einem einzigen Kauflustigen zu erlangen war, da eben festgestellt ist, daß dieser gekauft habm würde, wie anderseits auch festgestellt ist, daß die Klägerinnen nicht unter jenem Preise verkauft haben würden.

Es würde auch ohne Bedeutung sein, wenn etwa der „Hum­

boldt", wie eS nach den.Zeugenaussagen seiner Direktoren in einem

früheren Erwerbsfalle geschehen war, nach Erwerb der Gmndstücke um den Preis von 20 Jl für das Quadratmeter darauf alsbald eine

bedeutende Abschreibung in seinen Büchern vorgmommm hätte.

Ab-

gesehm davon, daß Aktimgesellschastm erfahmngsmäßig mit solchen Abschreibungen ost die Herstellung sogenannter stiller Reservm verbindm, würde sich im vorliegmdm Falle die Abschreibung auch

daraus erklären, daß der aufgewendete höhere Preis eben nur dem für dm „Humboldt" bestehenden Jndividualwert entsprochen haben

und daß für den, wenngleich fernliegenden, Fall einer Auflösung der Gesellschaft und ihre- Betriebe- und einer damit verbundenen Ver-

deSselbm Preises

äußemng ihres Grundbesitzes die Heimbringung vielleicht nicht zu erwarten gewesen sein würde.

Davon würde der

BerkaufSwert, den die Grundstücke nach dem vorhin Dargelegten im maßgebenden Zeitpunkte hatten, nicht berührt werden.

Die Berück-

sichtigung diese- BerkaufSwerteS verstößt nicht gegen die §§ 1, 8

EntGes., sondern steht mit den Grundsätzen, die die Rechtsprechung diesen Vorschriften entnommen hat, im Einklänge."

72.

Was ist unter dem Aufstellen eine- Musikwerk- auf einem öffentlichen Platze zu verstehen?

Preuß. StempStGes. vom 31. Juli 1895/30. Juni 1909 Tarifs!. 11a. VII. Zivilsenat. Urt. v. 26. April 1912 LS. preuß. FiSkuS (Bell.).

W. F. (Kl.). L II.

Rep. VIL 88/12.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Der Kläger ist Besitzer eines in B. auf einem sog. Rummel­ platz befindlichen Lichtbildertheaters.

Er hat für das Theater eine

mechanische Orgel zum Preise von 6500 Jt angeschafft, die so auf­ gestellt ist, daß sie mit einer Seite nach dem Platze zu steht, während die andere Seite, von der aus allein die Orgel in Betrieb gesetzt »erben kann, im Innern deS Theaters.liegt. Für die Orgel fordert der

Beklagte vom Kläger auf Grund der Tarifst. 11a preuß. StempStGes. eine Jahresstempelabgabe von 50 JC.

Der Kläger beantragte im

Wege der Klage, festzustellen, daß er zur Zahlung der Steuer nicht verbunden sei.

Das Landgericht wies die Klage ab.

Das Kammer­

gericht erkannte entsprechend dem Klagantrage. Auf die Revision deS Beklagten wmde da- Berufungsurteil aufgehoben aus folgenden Gründen:

„Nach Tarifst. 11a StempStGes. vom 30. Juni 1909 unter­ liegen der Stempelsteuer Jahreskarten „für jeden auf Bahnhöfen

oder anderen öffentlichen

Orten und Plätzen oder in Gast« und

Schankwirtschaften" zur Aufstellung gelangenden Musikautomaten oder für jedes „an den vorbezeichneten Stellen" zur Aufstellung gelangende

mechanische Musikwerk. Die Abgabe beträgt, wenn der Anschaffungs­ preis, wie im Streitfälle, höher als 4000 JK, ist, jährlich 50 JC. Die Parteien streiten darüber, ob hier der Ort der Aufstellung des Musik­ werks den Erfordernissen entspricht, von deren Vorhandensein die

Tarifstelle die Stempelpflichtigkeit abhängig macht. Ohne ausreichenden

Grund verneint dies der BerufungSrichter.

Das Musikwerk steht

mit der einen Seite im Lichtbildertheater des Klägers, mit der anderen Seite an dem sog. Rummelplatz. Es genügt zur Steuerpflicht, wenn die Aufstellung nach der einen oder nach der andere» Sette dem

Ob der Umstand, daß das Musikwerk mit einem Teile im Innern des Theaters aufgestellt ist, für sich allein schon Gesetz entspricht.

die Abgabenpflicht begründen würde, kann dahingestellt bleibm.

Denn

jedenfalls ist die Stempelpflichtigkeit dadurch entstanden, daß daMusikwerk am Rummelplatz aufgestellt ist.

Im Sinne der Tarifst. 11a ist, wie der erkennende Senat in dem Urteile vom 31. Januar 1911 (Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 75 S. 176) dargelegt hat, ein Ort als ein öffentlicher dann anzusehen, wenn er tatsächlich und bestimmungsgemäß oder doch nach dem Willen des Verfügungsberechtigten dem Publikum ohne Be­

schränkung auf gewisse Personenkreise zugänglich ist. male treffen bei dem Rummelplatz zu.

Diese Merk­

Er ist zwar ein im Privat­

eigentum stehender Ort, aber auch solche Orte sind öffentliche, wenn sie dem Publikum als solchem ohne Einschränkung zum freien Zutritt und Gebrauch überlassen sind. Dessen ungeachtet hält der Kläger die Voraussetzungen der Stempelpflichtigkeit für nicht erfüllt, weil nach dem Wortlaute der Tarifstelle da- Musikwerk abgabepflichttg

nur dann sei, wenn eS „auf" einem öffentlichen Platze aufgestellt sei, während hier die Aufstellung an dem Platze erfolgt sei.

aber nicht anerkannt werden,

daß

Es kann

die Tarifstelle die Aufstellung

gerade auf einem öffentlichen Platze vorauSsetzt.

Im Eingänge ist

zwar das Wort „auf" gebraucht, unter c aber, also gerade dort,

wo die Stempelpflichtigkeit der Musikwerke besonders geregelt ist, macht die Tarifstelle die Stempelpflichtigkeit von der Aufstellung „an den bezeichneten Stellen" abhängig.

Der Berufung-richter stellt da- Vorhandensein der erforderlichen

räumlichen Beziehung de- Musikwerks zum öffentlichen Platze des­ halb in Abrede, weil es unmöglich fei, von diesem Platze auS daS

Musikwerk in Betrieb zu setzen.

Dieser Umstand, der für Automaten

von Bedeutung sein kann, ist hier nicht ausschlaggebend.

Entscheidend

ist, ob daS Werk sich körperlich auf oder an dem Platze befindet

und ob es dort zu wirken bestimmt ist und wirken kann.

Auch

Nr. 4 der Tarifftelle ergibt, daß da- Hauptgewicht darauf zu legen ist, ob die Möglichkeit besteht, die Automaten oder Musikwerke u. dgl.

an den unter Nr. 1 bezeichneten Stellen auszunützen. Diese Mög­ lichkeit ist vorhanden, auch wenn daS Musikwerk etwa durch eine elektrische Leitung von weit her in Betrieb gesetzt wird. Der Be­ rufungsrichter führt gegen eine derartige Auffassung der Tarifftelle als Beispiel den Fall an, daß eine im Erdgeschoß eine- Vorderhauses wohnende Person ein Musikwerk am offenen Fenster ihrer Wohnung

derart spielen läßt, daß eS auch von den Vorübergehenden gesehen und gehört werden kann. Dies Beispiel beweist aber nichts zugunsten

des Klägers.

In dem bezeichneten Falle wird eine Stempelpflicht

regelmäßig deshalb ausgeschlossen sein, weil eS an der Absicht fehlen

wird, daS Musikwerk durch die Inbetriebsetzung zum Erwerb auSzunützen.

Sollte aber die Absicht, unmittelbar oder mittelbar durch

dar Musikwerk einen Erwerb zu erzielen, bestehen» so würde die

Annahme einer Stempelpflicht, je nach den Umständen des einzelnen Falles, gegeben sein, wenn das Musikwerk als ein an einer öffent-

lichen Straße aufgestelltes anzusehen ist. Für die Ausführung des Klägers, Voraussetzung der Steuer­

pflicht sei die selbständige Ertragsfähigkeit des Musikwerks, bietet die

Tarifstelle nach Wortlaut und Sinn keinen Anhalt.

Auch die wettere

Ausführung steht der Annahme der Stempelpflicht nicht entgegen, die

Besteuerung de- Musikwerk- habe eine unzulässige Doppelbesteuerung deS vom Kläger betriebenen Gewerbes zur Folge. Eine Doppel­

besteuerung desselben wirtschaftlichen Gegenstände-, derselben gewerb­ lichen Tätigkeit oder desselben Rechtsgeschäfts ist nur da ausgeschlossen,

wo sie vom Gesetz verbotm ist (vgl. z. B. das Reichsgesetz vom

18. Mai 1870 wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung und §§ 4, 24 RStempGes. vom 15. Juli 1909).

Sie ist aber selbstverständlich

zulässig, wenn sie im Gesetz angeordnet ist.

Dies ist hier geschehen.

Die Tarifstelle besteuert den gewerblichen Betrieb von Antomaten,

Musikwerken usw., obschon dieser Betrieb regelmäßig durch Personen erfolgt, die, wie dem Gesetzgeber bekannt sein mußte, noch ein ander­ weitiges steuerpflichtiges Gewerbe allgemeiner Art betreiben." ...

73.

Wann ist anzunehmen, daß ein Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenomme» sein würde?

BGB. § 139. I. Zivilsenat.

Urt. v. 27. April 1912 i.S. Sch. (Kl.) w. H. (Bekl.).

Rep. 1.177/11. I. II.

Landgericht 1 Berlin. Kammergericht daselbst.

Die Parteien sind alleinige Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft Farbwerk O. H. & Sch. zu L. Am 1./3. März 1909 ist unter ihnen ein Gesellschastsvertrag abgeschlossen worden, der nicht

gerichtlich oder notariell beurkundet, sondern nur von einem Notar beglanbigt worden ist.

Nach bat §§ 2 und 3 dieses Vertrags über­

trug der Beklagte verschiedene Gegenstände, darunter auch die Fabrik­ grundstücke Flur 21 Nr. 994/263,

994/254, 995/261, 996/262

Bd. 26 Blatt 26 der Steuergemeinde L., an die Gesellschaft für den

durch die Geschäftsbücher nachgewiesenen Wert von 250000 JH und „blieb mit diesem Kapital an der Gesellschaft beteiligt", während der Kläger „sich mit einem Kapital von 50000 M beteiligte*. Einige Tage nach dem Abschlüsse des Vertrags wurde die Gesellschaft in

dar Handelsregister des Amtsgerichts I. eingetragen, ohne daß vor­ her die Auflassung der bezeichneten Grundstücke erfolgt war. Diese Grundstücke sind auch später an die Gesellschaft nicht aufgelassen

worden.

Als darauf unter den Parteien verschiedene Rechtsstreitig,

ketten über das GesellschastSverhältnis entstanden waren, erhob der

Beklagte gegen die Ansprüche des Klägers u. a. den Einwand, daß

der ganze Gesellschaftsvertrag infolge der Ungültigkeit der GrundstückSübereignnng nichtig sei.

Das Kammergericht erkannte im Gegen-

satze zur ersten Instanz diesen Einwand als berechtigt an.

Auf die

Revision deS Kläger- wurde das Urteil ausgehoben au- folgenden Gründen: „Die Revision stellt zunächst der Nachprüfung anheim, ob die Vereinbarung im Gesellschaft-verträge, welche die Übertragung der

Grundstücke betrifft, der Formvorschrift deS § 313 BGB. unterliegt. Diese Nachprüfung kann jedoch zu einem dem Kläger günstigen Ergebnisie nicht führe». Denn die Ausführungen de- Berufungsgericht-

darüber, daß die Fabrikgrundstücke nach dem Willen der Parteien

der Gesellschaft übereignet, ihr nicht bloß 'zur Nutzung überlasten

werden sollten, sind im wesentlichen zutreffend.

Die Anwendung deS

§ 313 BGB. unterliegt daher keinem Zweifel. Ist hiernach der Teil deS Gesellschaft-vertrag-, der die Über­

eignung der Fabrikgrundstücke zum Gegenstände hat, in Ermangelung

der gesetzlichen Form nichtig, so entsteht die Frage, ob die Richtig­ keit diese- VertragSteilS die Nichtigkeit de- ganzen Vertrags nach sich gezogen hat.

Das Berufungsgericht hat diese Frage bejaht.

Der Revision ist zuzugeben, daß die dafür vom Borderrichter an­ geführten Gründe nicht haltbar sind.

Nach § 139 BGB. tritt bei

der Nichtigkeit eine- Teile- deS Rechtsgeschäfts die Nichtigkeit deganzen Geschäft- nicht ein, wenn anzunehmen ist, daß eS auch ohne

den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

ES kommt also darauf

an, ob die Parteien den Gesellschaft-vertrag auch dann noch ge­ schloffen hätten, wenn sie gewußt hätten oder doch damit gerechnet hätten, die nach dem Wortlaute deS Vertrag- zur Übereignung der

Fabrikgrundstücke vom Beklagten eingegangene Verpflichtung sei recht­ lich unverbindlich.

Wie schon in bett Motiven zum ersten Entwürfe

deS Bürgerlichen Gesetzbuches (Bd. 1 S. 222) hervorgehoben wird,

entscheidet der zur Zeit deS Vertragsschlusses vorhandene Wille der Parteien über den Bestand deS Vertrag-.

Dieser Parteiwille ist im

vorliegenden Falle zugunsten deS Vertragsbestandes mit genügender Deutlichkeit zutage getreten.

Als der Registerrichter bei

der An­

meldung der Gesellschaft auf den erwähnten Formmangel und seine

rechtliche Bedeutung aufmerksam machte, haben die Parteien nicht von der Eintragung der Gesellschaft in da- Handelsregister Abstand genommen, haben diese vielmehr trotz der Vorhaltung deS Amts­

richter- vornehmen lasten.

Die Behauptungen der Parteien weichen

73. Teilweise Nichtigkeit eines GesellschastSvertragS. in diesen Punkten nicht wesentlich voneinander ab.

305

Alsdann haben

die Parteien — worauf von der Revision mit Recht hingewiesen wird — sich als Gesellschafter betätigt und den GesellschastSvertrag mit Ausnahme der die Übereignung der Grundstücke betreffenden Vereinbarung ausgeführt.

Aus diesen Vorgängen muß entnommen

werden, daß sie diejenigen Vertragsbestimmungen, welche von der

Nichtigkeit nicht unmittelbar betroffen wurden, gelten lassen wollten. Dagegen spricht keineswegs, daß sie nach wie vor die Auflassung der Grundstücke im Auge behielten und daß sie wußten, der 6e* stehende Formmangel würde im Falle einer späteren Auflassung ge­ heilt werden.

Denn sie waren sich nicht minder auch dessen bewußt,

daß diese Heilung vorläufig noch nicht eingetreten war.

Und e-

widerspricht der ganzen Sachlage, ihnen den Willen unterzulegen, bi- zur Auflassung ohne alle vertragliche Grundlage gemeinsam die Farbenfabrik zu betreiben, so daß gegebenenfalls eine Auseinander­ setzung nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere nach den Grundsätzen über die Bereicherung, würde erfolgen müssen.

ES darf ohne weiteres angenommen werden, daß der Wille der Parteien zur Zeit der Anmeldung der Gesellschaft zum Handels­

register der gleiche war, wie bei dem kurze Zeit vorher erfolgten Abschlüsse deS Gesellschaftsvertrags. Selbst wenn aber der ursprüng­

liche Gesellschaftsvertrag im ganzen nichtig gewesen wäre, so könnte die- nicht zu einem anderen Endergebnisse führen. Denn e- bliebe immer die Tatsache bestehen, daß die Parteien bei der Anmeldungs­

verhandlung entschlossen waren und in der Folgezeit bei dem Ent­ schlüsse verharrten, die Farbenfabrik gemeinsam als Gesellschafter zu

betreiben.

Als stillschweigend gewollter GesellschastSvertrag

dann nur der Inhalt deS früher

hätte

abgeschlossenen Vertrag- unter

Ausscheidung der die Grundstücksübertragung betreffenden Bestim­

mungen in Betracht kommen können.

Diese Bestimmungen müßten

deswegen ausscheiden, weil von einem Rechtsgeschäft oder Vertrag

insoweit nicht gesprochen werden könnte, als die Parteien sich der

Nichtigkeit bewußt waren (vgl. Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 68 S. 322).

Er wäre indessen kein Grund ersichtlich,

auS dem der

übrige Vertrag-inhalt nicht wirksam sein sollte.

DaS Berufungsgericht meint, daß „die §§ 3 und 4 deS Ver­ trags das Eigentum der Gesellschaft an den eingebrachten GrundEntsch. in Zivils. R. F. 29 (79).

20

stücken notwendig vorauSsetzten*, so daß der Bestand eines Gesell­ schaftsverhältnisses auf der Grundlage der gültigen Vertragsbestim­ mungen unmöglich gewesen sei. Dem kann nicht zugestimmt werden. Insbesondere konnten die im § 4 deS Gesellschaftsvertrags festgesetzten Einlagenzinsen von 5% vorläufig im Hinblick auf die Nutzung der Fabrikgrundstücke dem Beklagten gewährt werden. Und wenn etwa der Beklagte die Grundstücke anderweit veräußerte, so boten die Vorschriften der §§ 133, 142 HGB. äußerstenfalls die nötigen Handhaben."...

74. 1. Ersetzt der Pfandgläubiger durch Vorlegung der BerpfändungSurkuude an den Schuldner der verpfändeten Forderung die Anzeige des Gläubigers an den Schuldner? 2. Kaun ein wegen fehlender Anzeige unwirksames Pfandrecht im Wege der Konversion wirksam werden? BGB. §§ 1279, 1280, 409, 140.

VIL Zivilsenat.

I.

Urt. v. 30. April 1912 i. S. R. (Kl.) w. A. u. W. (Bell.). Rep. VII. 484/11.

Landgericht I München.

n. Oberlandesgericht daselbst.

Die Beklagte A. hatte eine Forderung gegen die G.'schen Ehe­ leute in Augsburg. Zur Sicherhett hierfür verpfändeten ihr die Schuldner vier Lebensversicherungspolicen der Gesellschaft Concordia in C. über je 4000 JL Die Beklagte A. setzte die Concordia durch Vorlegung der Verpfändungsurkunde im Februar 1909 hiervon in Kenntnis; dagegen unterließ der Ehemann G., auf dessen Leben die Policen ausgestellt waren, der Versicherungsgesellschaft von der Ver­ pfändung Anzeige zu machen. Am 24. April 1910 verfiel G. in Konkurs. Das von den Beklagten beanspruchte Absonderungsrecht wurde vom Konkursverwalter nicht anerkannt. Unter Zustimmung aller Beteiligten käm mit der Concordia eine Vereinbarung dahin zustande, daß diese die vier Policen gegen Zahlung von 7075,80 JC zurückkaufte. Den Beklagten wurden ihre Ansprüche auf diesen Kaufpreis vorbehalten. Der Auszahlung an die Beklagten wider-

sprach jedoch der Kläger, dem G. am 28. September 1910 unter Zustimmung des Konkursverwalters seine Ansprüche auf den Kauf­

preis abgetreten hatte. Nachdem der gezahlte Betrag hinterlegt worden war, beantragte der Kläger in erster Instanz, die. Beklagten zu verurteilen, in die Auszahlung des Geldes an ihn zu willigen.

Die Beklagten beantragten Abweisung und erhoben Widerklage mit dem Anträge, bett hinterlegten Betrag ihnen zuzusprechen. Die Streitmesse wurde vom Landgerichte dem Kläger, vom Oberlandesgerichte

Auf Revision deS Klägers wurde da­

dm Beklagten zugesprochen. erste Urteil wieder hergestellt.

Gründe: „Soweit es sich um das von dm Beklagtm geltend gemachte Pfandrecht handelt, lassen die Erwägungen deS Berufungsrichters einen Rechtsirrtum nicht erkennen.

Mit Recht ist angenommen, daß die Beklagten ein Pfandrecht an der Forderung der G. gegen die Concordia nicht erworben haben. Die allgemeine Voraussetzung für

bett Erwerb eines dinglichen Rechtes, die Einigung, war allerdings gegeben, denn zwischen den Eheleuten G. und bett Beklagten hatte unstreitig Einverständnis darüber geherrscht, daß den Beklagten mit

Abschluß deS Vertrags ein Pfandrecht zustehen sollte.

Allein zur

Verpfändung von Forderungen, die, wie die in Rede stehende, durch

formlosen Vertrag übertragm werdm können, ist die Einigung allein

nicht genügend; vielmehr muß nach § 1280 BGB. noch die Anzeige deS Gläubigers an den Schuldner hinzukommen. Eine solche An­ zeige hat bis zur Abtretung der Forderung an dm Kläger nicht stattgefunden, demnach ist die von den Beteiligten gewollte Ver­ pfändung nicht wirksam geworden.

Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, daß die Beklagte A. der Concordia die BerpfändungSurkunde zur Kenntnis­

nahme vorgelegt hat.

Zwar ist für den Fall der Abtretung in

§ 409 Abs. 1 BGB. die Vorlegung der Abtretungsurkunde durch den neuen Gläubiger der Anzeige deS bisherigen Gläubigers gleich­ gestellt, und nach § 1274 sollen die für die Übertragung eine- Rechtes

geltenden Vorschriften im allgemeinen auch auf die Bestellung eines Pfandrecht- an einem Rechte Anwendung finden.

Aber gerade für

die Verpfändung einer Forderung mthält § 1280 eine Sondervor­

schrift, die nach § 1279 die Anwendbarkeit deS § 409 Abs. 1 auS20*

schließt,

übrigen- ist auch der Zweck der in den §§ 409 und 1280

vorgeschriebenen Anzeigen nicht der gleiche. Im Falle de- § 409 ist die Anzeige für den Übergang der Forderung auf den neuen Gläubiger, ohne Bedeutung, sie bezweckt vielmehr nur den Schutz de-

Schuldners.

Dagegen ist die Anzeige nach § 1280 für den Eintritt

der beabsichtigten Rechtsänderung wesentlich, ohne die Anzeige kann

das Pfandrecht nicht zur Entstehung kommen (vgl. Jur. Wochenschr. 1904 S. 485 Nr. 8). Auch die Behauptung der Beklagten, daß G. die Beklagte A. beauftragt habe, die Verpfändungsurkunde der Concordia vorzulegen, ist vom Berufungsrichter mit Recht für unerheblich erachtet worden.

Allerdings ist nicht zu bezweifeln, daß die Anzeige nach § 1280 auch

durch einen Stellvertreter erfolgen kann; ihre Wirksamkeit ist dann aber davon abhängig, daß sich der Stellvertreter als solcher zu er­

kennen gibt.

Die Beklagten haben jedoch nicht behauptet, daß der

Concordia bei Vorlegung der Urkunde erklärt worden wäre, die Vor­ legung erfolge namens der G.; die Concordia mußte demnach an­ nehmen, daß die Beklagte A. im eigenen Namen handelte.

Der Berufung-richter

hat

nun

aber,

trotz Verneinung des

Pfandrechts, die Streitmasse den Beklagten zugesprochen. Er ist der Meinung, daß der offensichtliche Wille der Eheleute G., den Be­

klagten eine Sicherheit zu gewähren, gemäß § 140 BGB. unter allen Umständen aufrecht zu erhalten sei.

Der Parteiwille sei deshalb

dahin auszulegen, daß die Beklagten die Forderung gegen die Con­ cordia als Zessionare G.'s hätten erwerben oder daß sie wenigstens

zur

Einziehung

hätte»

berechtigt sein sollen.

Bei Kenntnis der

„Nichtigkeit" der Verpfändung würdm sie eines dieser beiden Rechts­

geschäfte ausdrücklich vereinbart haben; ob sie schon bei Abschluß des Vertrags daran gedacht hätten, sei gleichgültig.

Die Beklagten hätten

sonach einen Rechtsanspruch auf die Forderung aus dem Versicherungs­

vertrag und damit auch auf den hinterlegten Erlös."

(Nach einer Ausführung über die Auslegung der Verpfändungs­

urkunde heißt es weiter:) „Was. nun den § 140 BGB. anbelangt, so wird von der Die dort vor­

Revision mit Recht unrichtige Anwendung gerügt.

geschriebene Umdeutung (Konversion) bezieht sich nur auf nichtige

Geschäfte.

Nach dem Sprachgebrauche des Bürgerlichen Gesetzbuchs

gehören aber zu den nichtigen nicht auch die unwirksamen Geschäfte. Unter nichtigen Geschästm versteht das Bürgerliche Gesetzbuch solche,

die, weil sie den gesetzlichen Erfordernissen nicht entsprechen, jeder Rechtswirksamkeit entbehren und von neuem, unter Beachtung deS Gesetzes, geschlossen werden müssen, wenn die Beteiligten dabei stehen bleiben wollen.

Verschieden von den nichtigen sind Geschäfte, die

zwar zunächst die beabsichtigte Rechtswirksamkeit nicht haben, aber unter gewissen Voraussetzungen, insbesondere beim Hinzutreten eines gewissen Tatbestandes, nachträglich wirksam werdm können, ohne daß sie von neuem vorgenommen zu werden brauchten, so insbesondere solche Fälle, in welchen zu den rechtSgeschästlichen Voraussetzungen

für die Entstehung eine- dinglichen Rechtes nach Vorschrift deS Ge­ setzes noch eine dem GefchäftSschluffe folgende Handlung der das Recht einräumenden Partei hinzutreten muß. Daß der Gesetzgeber in § 140 unter den nichtigen auch jene Geschäfte hätte mitverstehen

wollen, dafür liegt nicht der mindeste Anhalt vor.

Die Anwendung

der Konversion müßte auch gerade in einem Falle der vorliegenden Art, in dem die endgültige Unwirksamkeit deS Geschäft- erst durch freie Entschließung der einen Vertragspartei herbeigesührt ist, zu erheblichen

Bedenken Anlaß geben.

Die Anzeige deS Verpfänder- G. an die Con­

cordia hätte an sich jederzeit nachgeholt werden können, zunächst jedenfalls bis zur Eröffnung deS Konkurses (vgl. § 15 KO.).

Aber

auch nach der durch Zwangsvergleich erfolgten Beendigung des Kon­

kurses würde sie noch zulässig und wirksam gewesen sein, wenn G.

nicht schon während deS Konkurses, unter Zustimmung deS Konkurs­

verwalters, die Abtretung an den Kläger vorgenommen hätte.

Wenn

eS sich nun um Beantwortung der Frage handelt, ob G. bei Kennt­ nis der endgültigen Unwirksamkeit der Verpfändung zugunsten der

Beklagten die Geltung eines anderen Geschäfts gewollt haben würde,

so würde zunächst die Vorfrage entstehen, welche- der für diesen Willen in Betracht kommende Zeitpunkt ist, die Zeit deS Vertrags­ schlusses oder die Zeit des Eintritts der endgültigen Unwirksamkeit.

Für letzteren Zeitpunkt spricht, daß vorher von einer der Nichtigkeit gleichstehenden Unwirksamkeit und von der Kenntnis einer solchen keine Rede sein konnte.

ES ist aber selbstverständlich, daß G. bei

der Abtretung die Geltung eines anderen Geschäfts zugunsten der

Beklagten nicht mehr wollte, da er durch Vornahme der Abtretung

zugunsten des Klägers deutlich zu erkennen gab, daß. die Beklagten von jedem Zugriff auf die Forderung gegen die Concordia aus­ Käme eS jedoch ans den Zeitpunkt deS Vertragsschlusses an, so würde zwar an sich denkbar sein, daß G.

geschlossen werden sollten.

damals zugunsten der Beklagten auch die Geltung eines anderen

Geschäfts gewollt hätte; aber wenn man im Hinblick auf diese Mög­

lichkeit die Umdeutung bei unwirksamen Geschäften zulassen wollte, so müßte man sie grundsätzlich auch bei den nach §§ 119flg. anfecht­ baren Geschäften zulassen (vgl. § 142) und daS würde mit dem An­

fechtungsrechte nicht vereinbar fein. Ist hiernach anzunehmen, daß der Berufungsrichter den § 140 BGB. zu Unrecht auf ein nur unwirksames Geschäft angewendet hat,

fo unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung."...

75.

Rücktritt von einem Teile de- Vertrag-.

BGB. §§ 326, 325. I. Zivilsenat.

Urt. v. 1. Mai 1912 i. S. M. (Bekl.) w. M. & Co., G. m. b. H. (Kl.).

I. II.

Rep. I. 571/10.

Landgericht Cöln, Kammer für Handelssachen. Oberlandesgericht daselbst.

Der Beklagte und G. waren die persönlich haftenden Gesell­

schafter der offenen Handelsgesellschaft M^ G. & Co. zu C., welche

sich im August 1908 auflöste.

Zwischen den genannten Personen

und dem stillen Gesellschafter C. wurde am 22. August 1908 ein

Vertrag abgeschlossen, nach dem der Beklagte sofort aus der Gesell­ schaft ausschied, während G. für berechtigt erklärt wurde, daS Geschäft fortzuführen. Sodann unterwarf sich in einer weiteren BertragS-

bestimmung der Beklagte gegenüber den beiden anderen Vertrag­

schließenden einer im einzelnen näher bestimmten Konkurrenzklausel, an deren Übertretung Vertragsstrafen geknüpft wurden. Für die Eingehung der Konkmrenzklausel erhielt der Beklagte eine Vergütung

von 5000 Jl, zahlbar mit 2000 Jl sofort, mit 3000 Jl am 2. Januar 1909. Die Abmachungen sollten auch für beit Fall gelten, daß eine Gesellschaft znstande käme, welche zur Übernahme der Maschinen und Warenvorräte der Firma M, G. & Co. beabsichtigt war.

In diesem

Falle sollte auch die neue Gesellschaft die Rechte auS der Konkurrenz­

klausel verfolgen können. Diese Gesellschaft — die Klägerin — wurde demnächst gegründet. Bon den bezeichneten Summen wurden 2000 Jl sofort bezahlt. Als der Betrag von 3000 Jl nicht entrichtet wurde, setzte der Beklagte am 2. Januar 1909 eine Frist bis zum 4. Januar

mittag- 12 Uhr mit der Erklärung, daß er für den Fall der Nicht­ einhaltung der Frist den „Vertrag für aufgelöst halte". In dem jetzt anhängig gewordenen Rechtsstreite stritten die Parteien u. a. darüber, ob der Beklagte überhaupt berechtigt war» von dem die Konkurrenzklausel betreffenden Teile des Vertrag- zurückzutreten. Diese

Frage wurde von den Borinstanzen verneint.

Bom Reichsgericht ist

sie bejaht worden auS folgenden

Gründen: ... „Was den vom Beklagten erklärten Rücktritt vom Vertrage

betrifft, so nimmt da- Berufungsgericht an, die Abrede über das Konkurrenzverbot bilde einen einzelnen untrennbaren Bestandteil deVertrags vom 22. August 1908, so daß ein selbständiger Rücktritt

von dem die Konkurrenzklausel betreffenden Teile dieses Vertrags nicht für zulässig gehalten werden könne. Der hiergegen von der Revision gerichtete Angriff ist begründet. Der Vertrag besteht auS

zwei Teilen, die sich nicht nur äußerlich, sondern auch sachlich klar gegeneinander abheben.

Der erste Teil betrifft daS Ausscheiden des

Beklagten an- der offenen Handelsgesellschaft M., G. & Co.

Die

Vereinbarung hierüber hält sich auf dem gewöhnlichen Wege, nament­ lich werden dem Beklagten keine besonderen Vergünstigungen zuteil;

er „bleibt für den bi- zu seinem Ausscheiden entstandenen Geschäfts­ verlust nach Maßgabe des bisherigen GefellschastSvertragS haftbar".

Der zweite Teil des Vertrag- hat die Konkurrenzklausel zum Gegen-

stande.

Der Beklagte „erhält für die Eingehung der Konkmrenzklausel

eine Vergütung von 5000 Jl, zahlbar mit 2000 Jl sofort, mit 3000 Jl am 2. Januar 1909". Wenn daS Berufungsgericht, vornehmlich im

Hinblick auf die ausgemachten bis zu 10000 Jl ansteigenden Vertrags­ strafen, annimmt, daS an dem Konkurrenzverbote bestehende Interesse

sei auf mehr als 5000 JC bewertet worden, so steht dem nicht nur

die angeführte ausdrückliche Bertragsbestimmung, sondern auch der Umstand entgegen, daß dem Beklagten neben der erwähnten Vergütung von 5000 jK, im ersten Teile des Vertrag? kein weiterer Vorteil zu­ gesichert wird, der als ergänzende- Entgelt gedeutet werden könnte.

ES läßt sich also auch in dieser Beziehung ein innerer Zusammen­ hang zwischen bett beiden Vertragsteilen nicht nachweisen.

Der erste

und zweite Teil deS Vertrags unterscheiden sich ferner dadurch, daß die im ersten Teile enthaltenen Anordnungen, insbesondere nachdem die von vornherein in Aussicht genommene neue Gesellschaft gegründet

wordm war, alsbald zu vollendeten Tatsachen geführt haben,, die

rückgängig zu machen nach Lage der Umstände undurchführbar er­ scheint, wogegen die Wirkung der im zweiten BertragSteil aus­ gemachten Konkurrenzklausel auf die erhebliche Zeitdauer von zehn

Jahren berechnet ist.

Um so geringerem Bedenken unterliegt eS, der

über die Konkurrenzklausel getroffenen Vereinbarung Selbständigkeit

zuzuerkennen und eine dahingehende Parteiabsicht als ausgeschlossen anzusehen, daß beide Vertragsteile miteinander stehen und fallen sollten.

Es stand daher dem Beklagten das Recht zu, von der Ver­

einbarung, welche die Konkurrenzklausel betrifft, unter den Voraus-

setzungen der §§ 326, 325 BGB. zurückzutreten. Die vom Berufungs­

gericht angeführte Entsch. deS RG.'s in Zivils. Bd. 67 S. 103 sowie auch die bei Warneyer Rechtspr. 1909 Nr. 288 veröffentlichte Ent­

scheidung beruhen auf einem abweichenden Tatbestände.

Unter den

im gegenwärtigen Streitfall obwaltenden Umständen dem Beklagten den Rücktritt abzuschneiden, würde dem Zuge der Rechtsentwickelung Widerstreiten (vgl. auch Dornburg, Bürger!. Recht II § 97)." ...

76. 1. Wer ist Fahrzeughalter eines Kraftwagen-, der vom Eigen­ tümer zvr Ausbeffernng einem Kraftwagenhändler zugesandt wurde? 2. Wann ist ei« Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalter- in Betrieb gesetzt? 3. Verhältnis der Schadensersatz- und Schadenstragungspflicht der mehreren Kraftfahrzeughalter und Kraftfahrzeugführer unter­ einander, wenn der Halter des einen Kraftfahrzeugs der Verletzte ist.

76.

4.

Zusammenstoß zweier'Kraftfahrzeuge.

313

Hastmk nach Bürgerlichem Gesetzbuche uedeu der Haftung au- dem Kraftfahrzeuggesetze.

5.

Eigene- mitwirkendes Verschulden.

Arastfahrzeuggesetz vom 3. Mai 1909 §§ 7, 9, 12, 16, 17, 18,

BGB. §§ 254, 276, 278, 823, 831. VI. Zivilsenat.

Urt. v. 2. Mai 1912 i. S. SEB. u. Gen. (Bekl.) w.

Dr. S. u. Gen (Kl.). Rep. VI. 260/11. I. II.

Landgericht Torgau. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Am 27. September 1909 fuhren die beiden Kläger auf einem von dem Kläger Dr. S. bei der Cyklon-Automobilgesellschast in B.

soeben gekauften Motordreirad auf der Landstraße B.-W.; der Kläger P. war Chauffeur im Dienste der genannten Gesellschaft und wurde dem Kläger Dr. S. zur Führung de- Dreirades nach dem Wohnorte deS Käufers Q. mitgegeben. In der Nähe deS Gasthofs zur Stadt Mailand bei W. kam ein dem Beklagten W. gehöriger Kraftwagen,

auf dem die Beklagten A. und T. faßen, hinter dem Dreirad her­ gefahren. Der Kraftwagen überholte das Dreirad, dabei stießen beide Fahrzeuge zusammen, das Dreirad fuhr gegen einen Baum und

wurde zertrümmert, die Kläger wurden herausgeschleudert und S. erlitt erhebliche Verletzungen.

Den Hergang de- Unfalles stellt das

Berufungsgericht näher folgendermaßen fest: Auf der ziemlich gerade verlaufenden und

gut übersichtlichen,

aus

einem

4,so m breiten

Sommerwege, einem 4,30 m breiten Fahrdamm und einem 1,70 m breiten Bankett bestehenden Strecke der Landstraße feien die Beklagten

A. und T. zunächst in der Mitte der Fahrstraße hinter dem Dreirad hergefahren und dann nach links auf den Sommerweg ausgebogen, um das Dreirad der Kläger zu überholen.

P. habe den Kraftwagen

bemerkt «nd fei scharf rechts gefahren, während der Kraftwagen nun­ mehr de» Sommerweg wieder verlassen und auf dem festen Fahr­

damme seinen Weg fortgesetzt habe.

Nun sei aber beiden Fuhrwerken

ein Radfahrer entgegengefahren gekommen, was den Kläger P. ver­ anlaßte, mit dem Dreirad eine Wendung nach links nach der Straßen­ mitte zu machen.

Gleichzeitig fei aber der Kraftwagen infolge einer

Steuerdrehung des Beklagten T. nach rechts auSgebogen und so auf

da- Dreirad aufgestoßen, daS dadurch die Richtung verloren habe

und gegen einen Baum gefahren sei.

Die Kläger, von denen der

Kläger P. nach Abweisung feines Anspruch- durch das Landgericht Berufung nicht eingelegt hat, so daß dessen Anspruch auch für die

Revisionsinstanz nicht mehr in Betracht kommt, erhoben Klage auf Ersatz ihre- Schaden- gegen die drei Beklagten. DaS Landgericht hat die Klage des Kläger- S. gegen den Be­ klagten T. abgewiesen, gegen die Beklagten W. und A. aber, bis zum gesetzlichen Höchstbetrage nach Maßgabe des Krastfahrzeuggesetzes,

zur Hälfte dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung deS Kläger- S. wie der verurteilten Beklagten W. und A. erklärte dar Oberlandesgericht dm Anspruch des Klägers gegen alle drei Beklagtm als Gesamtschuldner dem Grunde nach für gerecht»

fertigt, gegm W. jedoch nur in dm Grenzen deS Kraftfahrzeuggesetzes und hinsichtlich des Sachschaden- nur zu 1(v Auf Revision der Beklagtm W. und A., der sich der Kläger Dr. S. angeschlossen hatte, wurde dar Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Aus den Gründen:

... ,1. Der Beklagte W. war Halter der Kraftwagens, der mit dem Dreirad« deS Klägers Dr. S. zusammengestoßen ist. Er war Eigentümer deS Wagens, hatte ihn zu seiner Benutzung erworben

und hielt ihn zu seiner Verfügung; hierdurch werden die Merkmale des Begriffs deS Fahrzeughalters eifttHt (Entsch. des RG.'s in Zivils.

Bd. 78 S. 179; Jur. Wochenschr. 1912 S. 89 Nr. 43).

W. hatte

diese Eigenschaft auch nicht dadurch verlorm und auf dm Beklagtm A. übertragen, daß er diesem seinen Kraftwagen durch die in feinen Dienstm stehenden Chauffeure K. und T. zum Zwecke einer an sich unerheblichen Ausbesierung — der Wagen zeigte Geräusche, derm Ursprung ermittelt und die abgestellt werden sollten — zugesendet

hatte.

Weil A. eine Probefahrt für zweckdimlich hielt, um dm Fehler

zu ergründen und diese Probefahrt mit dm beidm Chauffeuren des

Beklagten W. ausführte, glaubt W. sich auf die Bestimmung des

§ 7 Abs. 3 KraftfahrzG. berufm zu können, indem er diese Probefahrt

al- eine ohne sein Wissen und Willm von A. unternommene Inbetrieb­ setzung des Kraftwagen» angesehen wiffen will, die ihn al- Fahrzeug­

halter von der Verantwortung befreie.

Diese Anschauung ist irrig.

Di« Vorschrift des § 7 Abs. 3 will eine Haftung deS Fahrzeughalter­ für Handlungen Unberufener abwenden, die bei ihrer Betrieb-tätigkeit nicht den Herrschaft-willen deS Fahrzeughalter-, sondern ihren eigenen ausführen. „Ohne Wissen und Willen* ist deshalb gleichbedeutend mit „ gegen Wissen und Willen * (vgl. Entsch. de- RG.'S in Zivils. Bi». 77 S. 348). Wenn im gegebenen Falle W. den Kraftwagen einem Fachmanne zur AuSmittelung und Ausbesserung eine- Schadens an dem Wagen übersandte, so liegt eS in diesem Geschästsauftrage, daß der Fachmann alle zweckdienlichen Handlungen zur Ausführung vornehmen darf, auch eine Probefahrt. Sie entspricht, wie sich daBürgerliche Gesetzbuch in den an sich hier nicht einschlagenden Be­ stimmungen über die austraglose Geschäftsführung ausdrückt, dem mutmaßlichen Willen deS Fahrzeughalter-, sie liegt in seiner Willens­ richtung und ist deshalb nicht ohne Wissen und Willen deS Fahrzeug­ halter- unternommen. Die Haftung W.'S beschränkt sich aber nach der festgestellte» Sachlage nicht auf die Schadensersatzpflicht de- Fahrzeughalter- nach § 7 de- Gesetze-, wie da- Berufungsgericht angenommen hat. DaKraftfahrzeuggesetz läßt die nach den allgemeinen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs anderweit begründete Haftung bestehen (§ 16). Ein Verschulden nach §§ 823, 276 BGB. trifft den Beklagten W. nun allerdings nicht. Eine Haftung au- § 831 BGB. ist gleichfalls nicht begründet für die Person des A., dessen GeschästSherr er nicht war und der von ihm nicht zu einer Verrichtung bestellt war, sondern als selbständiger Unternehmer geschäftlich angegangen wurde. Aber dix Chauffeure deS Beklagten W. begleiteten die Fahrt, und der Chauffeur T. hat als solcher in objektiv verkehrter, subjektiv fahrlässig schuldhafter Weise in die Führung deS Wagens durch A. eingegriffen. T. war freilich zu dieser Fahrt besonder- von W. nicht bestellt. W. hatte aber doch den beiden Chauffeuren, die er mit dem Wagen zu A. schickte, die Obhut über den Wagen anvertraut, die sie mit ihren Fachkenntniffen als Chauffeure auSüben sollten. Daß sie A. auf der Probefahrt mit dem Wagen begleiteten, gehörte zu ihren allgemeinen Verrichtungen als der W.'schen Chauffeure. In Betätigung dieses von seinem Dienstherrn ihm erteilten Auftrage- hat T. auch gehandelt. Er hat mithin in Ausführung einer Verrichtung, zu der er von W. bestellt war, dem Kläger widerrechtlich einen Schaden

zugefügt, und der Beklagte W. hastet für ihn nach § 831 BGB.,

sofern er nicht beweist, daß er bei der Auswahl des T. zu den Ver­ eines KrastwagenführerS die im Verkehr erforderliche

richtungen

Sorgfalt beobachtet hat, oder daß der Schade auch bei Beobachtung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Den Sorgfaltsbeweis hat

der Beklagte W. auch angrtreten.

Vom Ausfälle des Beweises wird seine Haftung für den Unfall au- § 831 GBB. abhängig sein.

2. Der Beklagte A. hatte auf der mit dem W.'schen Kraftwagen veranstalteten Probefahrt die Führung deS Fahrzeugs tatsächlich übernommen; er hastet deshalb im Rahmm des Kraftfahrzeuggesetzes für dm Schaden des Klägers gemäß § 18 Abf. 1 des Gesetzes, so­ fern er nicht nachweist, daß der Schade ohne sein Verschulden ent»

standen ist.

Auf diesen Nachweis kommt e- aber nicht an, wenn ihm

vom Kläger eine unerlaubte Handlung nach 88 823, 276 BGB. nachgewiesen wird, die ihn für den Schaden im vollen Umfange haftbar macht. Eine solche Schadensersatzpflicht de- A. aus unerlaubter Hand­ lung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nimmt daS Berufungsgericht

an, und zwar soll er sich sowohl nach § 823 Abf. 1 wie nach § 823

Abf. 2 für den Unfall und den Schaden deS Klägers verantwortlich gemacht haben.

Der Beklagte bestreitet sowohl sein Verschulden nach

beiden Richtungen wie dessen Ursächlichkeit für den Unfall." ... (ES folgt die Erledigung von prozessualen Angriffen und heißt dann

weiter): ... „DaS Berufungsgericht erachtet ferner eine Schadens­ ersatzpflicht deS Beklagtm A. nach 88 823, 276 BGB. deshalb für

gegeben, weil er ebensogut wie der Leiter deS Dreirades den diesen entgegenfahrenden Radfahrer hätte sehen und damit hätte rechnm müssen, daß der Leiter deS dreirädrigen Kraftwagens nun damtt nach

links ausbiegen und so bis in die Mitte des festen Fahrweges kommm

würde.

A. machte dagegm geltend, der Leiter des Dreirades P.

habe sich wiederholt umgesehen, auch die Hupmsignale des W.'schen

Kraftwagens gehört, er habe also gewußt, daß hinter ihm ein Kraft­ wagen gefahren kam, hätte deshalb nicht so weit nach links auSbiegen dürfen, habe auch dazu gar keine notwendige Beranlasiung gehabt,

so daß er, A, mit einer solchm Bewegung deS von P. geleiteten

Dreiräder- nicht habe rechnen müssen.

Krastwagenverkehr mit sich bringt,

Bei den Gefahren, die der

wird nun gewiß

davon auS-

gegangen werden müssen, daß sich ein Kraftwagenlenker auf das richtige Handeln eine- anderen am Verkehr beteiligten FahrzeuglevtkerS nicht verlassen darf; jeder muß seinerseits das mögliche tun, um Unfällen und Verkehr-schwierigkeiten vorzubeugen. Nach der Auffassung des Sachverständigen L. hat „bie leidige Unsitte vieler Chauffeure, beim Überholen nur ja so dicht wie irgend möglich an dem anderen Wagen vorüberzufahren", den ganzen Unfall hervor­ gerufen, und würde ohne das Eingreifen T.'s der Ärafttoagen „glatt, aber auch nur knapp" an dem Dreiräder vorbeigekommen fein. Wenn die- zutrifft, dann wird ein ursächliches Verschulden auch des Be­ klagten A. zu dem Unfälle nicht von der Hand zu weisen sein. Er hat dann jedenfalls bei Steuerung des Kraftwagen- nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zur Vermeidung von Unfällen angewendet und durch seine Handlung die Gefahr mitgeschaffen, die im Zusammenhänge mit dem verkehrten Eingreifen T.'s, da- die ent­ scheidende letzte Ursache des Zusammenstoßes bildete, ben Unfall herbeigeführt hat. Daß A. das Eingreifen T.'s nicht voraussehen konnte und daß ohne diese- Eingreifen der Unfall vermieden worden wäre, schließt eine Ursächlichkeit des unsorgsamen Handelns des A. nicht auS. Voraussetzung ist jedoch die Feststellung, daß der Unfall vermieden worden wäre, wenn der Beklagte A. nicht schuldhafter­ weise zu nahe an dem Dreiräder des Klägers hätte vorbeifahren wollen. An und für sich hat der Beklagte A. richtig und sachgemäß den Wagen nach links gesteuert, und für das unerwartete falsche Eingreifen des T. ist er nicht verantwortlich zu machen. Nur wenn er selbst schon dadurch fehlerhaft gehandelt hat, daß er, absichtlich oder auS mangelnder Überlegung, zu knapp an dem Fahrzeuge des Klägers vorbei steuerte, dessen Linksbewegung er wahrnahm oder wahrnehmen mußte, und wenn durch dieses sein fehlerhaftes Handeln der schädliche Erfolg mit herbeigeführt worden ist, der sonst nicht eingetreten wäre, kann hiernach dem Beklagten A. eine unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB. zur Last gelegt werden. Auch in diesem Punkte fehlt es aber in dem Berufungsurteil an Fest­ stellungen, welche die Annahme des ursächlichen Verschuldens des A. für den Unfall rechffertigen könnten. 3. Der Kläger Dr. S. war Halter des Kraftfahrzeuges (Dreiräders), das der Chauffeur P. als Führer leitete. Dr. S. hatte daS

Fahrzeug käuflich erworben, eS war ihm in der Fabrik übergeben worden, er hatte es für feine Zwecke in Benutzung genommen, indem

er damit die Heimfahrt antrat, und hatte eS in seiner tatsächlichen

Gewalt.

Der Verkäufer gab ihm einen seiner Chauffeure mit, der

ihn mit dem Kraftwagen nach seinem Wohnorte Q. zurückfahren sollte. Schon dieser Sachverhalt ergibt, daß die Annahme de- Be­

rufungsgerichts nicht zutrifft, der Kläger Dr. S. habe für das Verschulden seine- Fahrzeugführers P. nur nach § 9 KraftfahrzG. für den durch den Zusammenstoß angerichteten Sachschaden einzustehen. Wenn durch einen Zusammenstoß zweier Kraftfahrzeuge einem der beteiligten Fahrzeughalter ein Schaden entsteht, so hängt nach § 17 Abs. 1 Satz 2 im Verhältnisse der Fahrzeughalter zueinander die

Verpflichtung zum Schadensersätze sowie dessen Umfang von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend

von dem einen oder dem anderen Teile verursacht wurde. Zu diesen zu berücksichtigenden Umständen gehört aber auch das Verhalten der beiderseitigen Fahrzeugführer

bei

dem Zusammenstoß als ein die

Ursächlichkeit mitbedingender Umstand.

Nicht nur die von beiden

Seiten zu vertretende BetriebSgesahr der beteiligten Kraftfahrzeuge, sondern auch die mehr oder weniger schuldhafte Handlungsweise der Fahrzeugführer ist für die Abwägung nach § 17 deS Gesetzes in Betracht zu ziehen; sie stellt eine Erhöhung der Betriebsgefahr dar, für die der Fahrzeughalter die Verantwortung zu übernehmen hat.

Diese Grundsätze für Abwägung der beiderseitigen Schadensersatz-

und SchadentragnngSpflicht gelten sowohl im Verhältnisse deS Klägers

Dr. S. zu dem Beklagten W. als dem Fahrzeughalter des anderen an dem Zusammenstöße beteiligten Kraftwagens, wie auch nach § 18

Abs. 3 des Gesetzes im Verhältnisse deS Klägers Dr. S. zu dem Be­ klagten A. als dem Führer jener Wagen-, sofern dieser nach § 18

Abs. 1 des Gesetze- zum Schadensersatz überhaupt verpflichtet ist;

also sofern er nicht dartut, daß ein zu dem Unfall ursächliches Verschulden auf seiner Seite nicht vorliegt.

Hiervon abgesehen, hat aber der Kläger. Dr. S. je nach den

Umständen da- Verhalten seine- Kraftwagenführers P. auch nach den allgemeinen Grundsätzen de- § 254 BGB. zu vertreten. Dies ebenso der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gegenüber, die etwa nach §§ 823, 831 BGB. begründet ist, wie auch gemäß §§ 9 und

18 Abs. 1 KraftfahrzG. gegenüber der Haftung deS Kraftfahrzeug»

Halters und KrastfahrzeugführerS.

Der erkennende Senat vermag

zwar nicht der Revision deS Beklagten A. darin beizustimmen, daß der Kläger Dr. S. für den Chauffeur P. wie für eine Person, deren er sich zur Erfüllung einer Verbindlichkeit bediente, infolge deS Schlußsatzes

des § 254 Abs. 2 BGB. einzutreten habe, worin eine entsprechende Anwendung deS § 278 für die Abwägung der Schadensersatzpflicht

nach 8 254 vorgesehen ist.

Er hält an der wiederholt ausgesprochenen

Auffassung fest, daß auch eine entsprechende Anwendung deS § 278 BGB. immer eine irgendwie bestehende Schuldverbindlichkeit vorauSsetzt, bereit Erfüllung in Frage steht, und daß von einer solchen in dem Verhältnisse der durch eine unerlaubte Handlung Verletzten zu

dem Schädiger auch nicht in einem übertragenen Sinne gesprochen

werden kann (vgl. Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 62 S. 346, Bd. 75 S. 257, Bd. 77 S. 211).

Hier hat vielmehr nach der vom erkennenden

Senate vertretenen Rechtsansicht (vgl. die beiden letztangeführten Ent­ scheidungen, sowie weiter Jur. Wochenschr. 1911 S. 944 Nr. 9, 1912 S. 138 Nr. 12) an die Stelle der Anwendung der § 278 auS dem Grundgedanken des Schlußsatzes des § 254 heraus, wonach der Be­

schädigte für seine Hilfspersonen in derselben Weise einstehen soll,

wie der Schädiger, die entsprechende Anwendung des § 831 BGB. der für das Gebiet der unerlaubten Handlungm dm

zu treten,

Maßstab bildet, wonach, abgesehen von den Fällen der Haftung der Körperschaftm für einen Vertreter gemäß 88 30, 31, 89 BGB.,

eine Person für rechtswidrige Schädigungen einzustehen hat, die eine von ihr abhängige andere Person verursachte. Nun war der Chauffeur P. zwar Dienstangestellter des Fahrzeugfabrikanten, von dem der Kläger Dr. S. seinen Kraftwagen gekauft hatte.

Für die

Fahrt» auf der sich der Unfall ereignete, war er aber vom Kläger Dr. S. im Sinne deS 8 831 BGB. zu der Verrichtung der Führung

deS Kraftfahrzeuges bestellt.

Diese Fahrt war nicht eine Unter­

nehmung deS Fabrikanten, sondern deS Klägers, der mit dem nmgekauften Wagen nach seinem Wohnorte fahren wollte, und der

Kläger Dr. S. war für diese Fahrt GeschästSherr des P., der von seinem Willen abhängig war.

Hat mithin P. durch schuldhaftes oder

auch nur objektiv fehlerhaftes Handeln den Schaden der Klägers

Dr. S. mit herbeigeführt, so muß sich Dr. S. nach § 254 BGB.

bei Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten und ihre-

Umfang- P.'s Handlungsweise gleich einem eigenen Verschulden nach richterlichem Ermesien der Umstände im Sinne des § 254 Abs. 1

BGB. anrechnen lassen,

sofern er nicht den dem Geschäftsherrn

in § 831 BGB. offen gelassenen Nachweis erbringt, daß er bei

Auswahl der bestellten Person die im Verkehr erforderliche Sorgfalt

beobachtet habe. Dieser von dem Kläger Dr. S. hinsichtlich der Auswahl der Person des P. zu führende Entlastungsbeweis wird indeffen nach Lage der Sache als erbracht angesehen werden dürfen, da das Berufungsgericht bei der Erörterung de- etwaigen eigenen Verschuldens des Klägers Dr, S. festgestellt hat, daß die Fabrik, bei der der Kläger da- Kraftfahrzeug erworben hatte, ihm einen ihrer Chauffeure für seine Heimfahrt zur Verfügung stellte.

Der Fabrik durste er ohne weitere Nachstage da- Vertrauen schenken, daß sie

ihm einen zuverlässigen Mann ausgesucht habe....

Ein eigene- mitwirkendes Verschulden deS Klägers Dr. S. hat Dagegen wendet sich die Revision

das Berufungsgericht verneint.

des Beklagten W.: in der Berufungsinstanz fei von beiden Beklagten geltend gemacht worden, daß auch der Kläger Dr. S. die Hupen­

signale deS Kraftwagens gehört und sich umgesehen, also wahrgenommen habe, daß ein Kraftwagen seinem Fahrzeuge folge. AuS diesen Tat­ sachen, selbst wenn sie erwiesen wären, wird aber zu Unrecht ein Verschulden deS Dr. S. selbst abgeleitet.

Er hatte soeben erst das

Fahrzeug gekauft; ihm war vom Fabrikanten ein sachkundiger Führer deS Wagens mitgegeben worden, dem er verträum durste und dem

er seinerseits, wie das Berufungsgericht zutreffmd annimmt, Vor­ schriften zu machen keine Veranlassung hatte.

Ein anderes wäre eS,

wenn Dr. S. den hinter ihm herfahrenden Kraftwagen wahrgenommen hätte, ersichtlicherweise P. aber nicht; dann hätte ihn Dr. S. hierauf

aufmerksam machen milffen.

Aber was Dr. S. gehört und gesehen

haben soll, hatte P. ebenso wahrgenommen; in welcher Weise er der Tatsache Rechnung trug, das durste Dr. S. ohne Verschulden dem

sachkundigen Ermessen deS P. überlassen." ...

77.

1. Kaun auch der zu Wettbewerbszwecken Handel«, der selbst kein Geschäft betreibt? 2. Ist das Gewähren von Sonderrabatt sittenwidrig? 3. UnterlaffnngSklage ans den §§ 1, 13 a. 14 des Wett­ bewerbgesetzes vom 7. Juni 1909. 4. Zusammentreffen der Tatbestände der 88 1 «-13 mit dem Tatbestände des § 14 Abs. 1 desselben Gesetzes.

II. Zivilsenat. Urt. v. 3. Mai 1912 i. S. des Vereins gegen Un­ wesen im Handel und Gewerbe in D. u. des Rechtsanwalts H. K. (Bell.) w. den Verein Dresdener Geschäftsinhaber (Kl.). Rep. II. 48/12. I. II.

Landgericht Dresden. OberlandeSgericht daselbst.

Der Beklagte ist ein rechtsfähiger Verein, der jedem unlauteren Wettbewerb entgegmtreten will. Im April 1911 richteten der verklagte Verein und sein mitverklagter Vorsitzender ein Rundschreiben an die Sonderrabatt gewährenden Geschäftsinhaber Dresdens. Darin wurden Versammlungen angekündigt, in denen das kaufende große Publikum über das Wese« der Sonderrabattgewährung aufgeklärt werden solle; es wurde zugleich darauf hingewiesen, eS werde sich nicht vermeiden lassen, daß die Namen der Sonderrabatt gewährendm Firmen ge­ nannt würden. Auch an den Anschlagsäulen wurde zum Besuch dieser Versammlungen mit dem Bemerken eingeladen, daß nach einem Bortrage deS Mitbeklagten über das sittenwidrige Wesen der Sonder­ rabattgewährung die Namen der Sonderrabatt gewährenden Firmen bekannt gegeben würden. Im redaktionellen Teile der Preffe war auf diese Versammlungen mit dem Bemerken hingewiesen worden, daß nach der Auffassung der Dresdner Handelskammer das Gebm und Nehmen von Sonderrabatt gegen die guten Sitten verstoße. Der klagende Verein verfolgt unter anderem satzungsgemäß den Zweck, die Agitation zu bekämpfen, die gegen die Gewährung von Rabatt an Mitglieder wirtschaftlicher Bereinigungen eingeleitet ist. DaS Landgericht verbot den Beklagten, entsprechend dem Klag­ antrage, bei Vermeidung einer Strafe von 1500 M für jeden Fall der Zuwiderhandlung, in Versammlungen oder in sonstigen öffent­ lichen Mitteilungen die Namen von Firmen, die Sonderrabatt geEntsch. in Zivils. N. F. 29 (79).

21

währen, in Verbindung mit Behauptungen des Inhalt- zu nennen,

die Gewährung von Sonderrabatt sei unzulässig oder unsittlich und

schließe eine Schädigung de- sonstigen kaufenden Publikum- in sich. Mit dem weitergehenden Klagantrage wurde der klagende Verein

abgewiesen.

Die Berufung der Beklagten war ohne Erfolg.

Die

Revision wurde zurückgewiesen au- folgenden Gründen: „Die Klage ist sowohl auf den 8 1

de- Wettbewerbgesetzes

vom 7. Juni 1909 als auch auf dessen § 14 gestützt.

1. Nach § 1 WettbewG. kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken deWettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten ver­

stoßen. Der an erster Stelle verklagte Verein und sein an zweiter Stelle verklagter Vorsitzender, ein Recht-anwalt, bestreiten nicht, daß sie ihre im Tatbestände festgestellten Handlungen

im geschäftlichen

Verkehr zu Zwecken de- Wettbewerbs vorgenommen haben. Die Beklagten können dies auch nicht bestreiten; denn der Angriff, den die Beklagten gemeinsam gegen die Inhaber der Sonderrabatt ge­ währenden Dresdener Geschäfte gerichtet haben, war bestimmt und

geeignet» die Kaufgelegenheit bei ihren den Sonderrabatt verweigern­

den Mitbewerbern al- allein sittlich einwandfrei und zugleich als wirtschaftlich vorteilhafter, wie bei den Sonderrabatt gewährenden

Mitbewerbern erscheinen zu lassen und diese zum Vorteil jener im Wettbewerb zurückzudtängen.

Der Berufungsrichter hat diesen Ge-

sichtSpuntt zutreffend hervorgehoben. Die Beklagten betrieben zwar selbst kein Gewerbe.

Allein zu

Wettbewerbszwecken im geschäftlichen Verkehr handelt auch der, welcher selbst kein Geschäft Betreibt, sondern einen Gewerbetreibenden durch sein Vorgehen begünstigen will (vgl. Entsch. deS RG.'S in Zivils.

Bd. 50 S. 108, in Strass. Bd. 32 S. 29).

Diese Voraussetzung ist

hier gegeben; denn der verklagte Verein und sein mitverklagter Vorsitzender haben im Interesse der BereinSmitglieder, und um diesen im

Wettbewerb einen Vorzug zu sichern, gehandelt.

Die Beklagten verteidigen sich gegen den Vorwurf, der vom Kläger auS einer angeblichen Verletzung des § 1 WettbewG. gegen sie hergeleitet wird, damit, daß sie lediglich an menschlichen Ein­ richtungen, nämlich an den mit der Gewährung von Sonderrabatt

notwendig verbundenen Einrichtungen, Kritik geübt hätten, indem sie

die Gewährung von Sonderrabatt als etwas Unsittliche- bezeichnet hätten. Diese Kennzeichnung der Gewährung von Sonderrabatt sei eine berechtigte; sei diese Kennzeichnung aber eine unberechtigte, so enthalte die geübte Kritik doch noch keinen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne de- § 1 WettbewG., weil sich die von ihnen vertretenen Anschauungen nachgewiesenermaßen mit denen vieler hoch­

geachteter Berufsvertretungen deckten.

Diesen wesentlichen Umstand

habe der Berufung-richter übersehen, indem er auf da- Vorgehen

der Beklagten den § 1 WettbewG. angewendet und der Unterlassungs­

klage stattgegeben habe. Der Berufungsrichter führt aus, die Beklagten hätten sich nicht

auf eine Kritik des Systems der Sonderrabattgewährung beschränkt,

sondern die einzelnen Kaufleute, die Sonderrabatt gewähren, der Öffentlichkeit als Personen namhaft gemacht, die den guten Sitten sowie der StandeSehre zuwiderhandelten und die übrigen Käufer ge­

flissentlich schädigten.

Die Beklagten hätten damit die Sonderrabatt

gewährenden Personen in beleidigender Weise öffentlich bloßgestellt

und zwar in dem Bewußtsein,

daß ihre Anschauungen über da-

Wesen des Sonderrabatts zurzeit keineswegs die allgemeinm seien; das Gewähren von Sonderrabatt sei vielmehr nicht unsittlich. Die

Beklagten hätten danach^ wenn sie sich auch zweifelsohne in vollem Glauben an die Richtigkeit ihrer allerdings irrigen Auffassung be­

funden hätten, sich unerlaubter Waffen im erlaubten Jntereffenkampfe bedient, indem sie bewußterweise nicht erweisliche, ehrenrührige Be­ hauptungen über bestimmte Personen in der Öffentlichkeit aufgestellt

hätten.

Damit hätten sich die Beklagten eine- sittenwidrigen Angriffs

im Sinne de- § 1 WettbewG. schuldig gemacht.

In einer der Ver­

sammlungen hätten die Beklagten in Verwirklichung ihrer öffentlichen

Androhung bereits eine der in Betracht kommenden Firmen, nämlich

die Firma R. B. jr. in D., genannt.

Die Androhung der Namhaft­

machung weiterer Firmen in ihrem Rundschreiben und in den Säulen­ anschlägen enthalte bereits eine Beeinträchtigung, deren weitere Ver­

wirklichung nicht abgewartet zu werden brauche.

So rechtfertige sich

der Unterlassungsanspruch des nach § 13 WettbewG. zur Vertretung seiner Mitglieder berufenen klagenden Vereins in dem zugesprochenen

Umfange.

Gegen diese Feststellungen und Ausführungen des Berufung-« richterS ist nichts zu erinnern. Irgend ein Rechtsverstoß ist nicht zu erkennen. Über die Frage, ob das Gewähren von Sonderrabatt

etwas Sittenwidriges enthält, hat sich bereits da- Urteil des er­ kennenden Senats in Entfch. deS RG.'S in Zivils. Sb. 78 S. 194 in verneinendem Sinne ausgesprochen. Eine Nachprüfung hat keine Veranlassung zur Änderung dieses Standpunkts gegeben. Ein be­

sonderer Angriff ist in dieser Beziehung auch nicht erhoben.

Die

Beklagten können gegen die Erwägungen deS Berufungsrichters nicht, wie sie tun, mit der Behauptung aufkommen, daß sie bloße Kritik

geübt hätten, und daß diese Kritik von Berufsvertretern, die in dem­ selben Jntereffenkampfe stehen, geteilt werde. Die Beklagten haben

sich eben nicht auf die Kritik eine- Systems beschränkt, sondern sie haben in der Öffentlichkeit ehrverletzende Angriffe gegen bestimmte Personen gerichtet.

AuS diesen Gründen erweist sich daS angefochtene Urteil als zu Recht bestehend, wenn man den § 1 WettbewG. an­

wendet. 2. Die Beklagten bekämpfen die Anwendbarkeit deS § 1, weil,

wie dem Berufungsrichter zugegeben werden solle, derselbe Tatbestand, erfülle, zugleich auch den Tatbestand deS § 14

der hier den § 1

WettbewG. in sich enthalte; sei aber die Anwendbarkeit der Sonder­

bestimmung deS § 14 gegeben, so werde dadurch die Anwendbarkeit

der allgemeinen Vorschrift deS § 1 ausgeschlossen.

Wäre diese Auf­

fassung der Beklagten richtig, so müßte die Klage abgewiesen werden, weil der klagende Verein ein Verband zur Förderung gewerblicher

Interessen ist, und solche Verbände nach § 13 WettbewG. nur in den dort ausdrücklich bezeichneten Fällen, wozu der Fall des § 14 nicht gehört, zur Erhebung der Unterlassungsklage befugt sind.

Der § 14 Abs. 1 WettbewG. vom 7. Juni 1909 entspricht hin­

sichtlich der hier in. Betracht kommenden Frage dem § 6 Abs. 1 deS alten Gesetze- vom Jahre 1896. § 14 Abs. 1 deS Gesetzes vom 7. Juni 1909 verleiht, ebenso wie dies Abs. 1 des § 6 des Gesetzes vom 27. Mai 1896 getan hatte, dem Verletzten die Unterlassungs­

klage gegen den, der zu Zwecken deS Wettbewerb- über das Er» werbSgeschäft eine- anderen, über die Person deS Inhabers oder

Leiters des Geschäfts, über Waren oder gewerbliche Leistungen eines anderen nicht erweisliche Tatsachen behauptet oder verbreitet, die ge*

eignet sind, den Betrieb des Geschäfts oder den Kredit des Inhabers zu schädigen. Diese Voraussetzungen würden hier gegeben sein.

Für

bett Geltungsbereich des § 6 Abs. 1 in dem älteren Gesetze wurde in Jur. Wochenschr. 1909 S. 670 Nr. 25 ausgesprochen: wer von

einem bestimmten Kaufmanne behaupte, er handele unfair, weil er

Sonderrabatt gewähre und damit seine sonstige Kundschaft Übervor­

teile, der behaupte eine Tatsache, an die er ein auf seine Unterlagen nachprüfbares Urteil knüpfe.

Wer ein Rundschreiben dieses Inhalts

an die Wirtschaftsvereine richte, denen Sonderrabatt gewährt werde, der bezeichne damit unmittelbar die Mitglieder dieser Wirtschafts­

vereine als Personen, die unfair handelten.

Dies um so gewisser,

Rabattgewährer durch andere Veröffentlichungen dem Publikum bekannt gegeben würden. Solche Tatsachen seien geeignet, den Betrieb des Geschäfts und den Kredit des Inhaber- zu schädigen. wenn

die

Wer solche Tatsachen behaupte, müsse sich auf Unterlassung der Be­

hauptung verurteilen lassen, wenn

er

den Beweis der Wahrheit Es

Derselbe Tatbestand liegt auch hier vor.

nicht erbringen könne.

findet also § 14 Abs. 1 WettbewG. Anwendung. Daß daS Gewähren von Sonderrabatt nicht unsittlich ist, wurde bereit- oben bemerkt.

Dort ist auch hervorgehoben,

daß die Gewährung von Sonder­

rabatt die kaufmännische StandeSehre nicht verletzt. sind somit außerstande,

den Beweis

Die Beklagten

ihrer Behauptungen zu er­

bringen. Ts wurde unter der Herrschaft deS § 6 Abs. 1 des Gesetzes vom 27. Mai 1896 aber auch erkannt, daß nur dem in § 6 Abs. 1 als verletzt Bezeichneten die Unterlassungsklage zustehe (Jur. Wochenschr. 1897 S. 477 Nr. 51).

Auch jetzt drückt sich da- Gesetz unzwei­

deutig in demselben Sinne auS. deS UnterlassungSanspruchS

treibenden ist klar.

Der Grund für diese Beschränkung

auf den einzelnen verletzten Gewerbe­

Der Tatbestand deS § 14 Abs. 1 WettbewG.

berührt nur private Interessen.

Verbänden zur Förderung gewerb­

licher Interessen wird, wie § 13 des Gesetzes zeigt, eine Klage auf

Unterlassung nur da zugestanden, wo man annehmen darf, daß daS allgemeine Interesse geschädigt werde, wenn eine Verfolgung deS Verstoßes gegen daS Gesetz lediglich dem Belieben deS unmittelbar

Betroffenen anheimgegeben werde.

Eine gegen § 14 des Gesetzes

verstoßende Handlung berührt daS allgemeine Interesse nicht; sie trifft

nur einzelne Personen in ihren Privatinterrsien.

Deshalb verbietet

sich der Versuch, den die erste Instanz unternommen hat, dem klagen­

den Verein ein Klagerecht mit der Begründung zu gewähren, eS sei eine allgemeine Ermächtigung der Mitglieder deS klagenden Vereins dafür zu unterstellen, daß der Verein in eigenem Namen für seine

Mitglieder die Unterlassung fordern dürfe.

Der BerufnngSrichter

hat diesen Versuch mit Recht, als dem ausdrücklichen Willen des

Gesetzes widersprechend, abgelehnt.

AuS § 14 Abs. 1 WettbewG. kann also der klagende Verein die Beklagten nicht in Anspruch nehmen, obgleich auch hier, wie oben zu 8 1 deS Gesetzes, davon auSzugehen ist, daß die Beklagten Wett­ bewerbszwecke im Sinne deS § 14 Abs. 1 verfolgt haben.

Der Be-

rufungSrichter hat sich im übrigen auf den Standpunkt gestellt, es

werde den Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen «ach dem Willen deS Gesetzes der ihnen aus den g§ 1 und 13 erwachsene

Unterlassungsanspruch nicht dadurch wieder entzogen, daß zugleich auch der Tatbestand deS §14 gegeben sei. An sich schon erscheint eS nicht einleuchtend, daß der Gesetzgeber eine Verkürzung, der Rechte deshalb eintreten lassen sollte, weil auch

noch ein zweites Gesetz, nämlich außer dem § 1 WettbewG. auch noch dessen § 14, verletzt worden ist. ES bedürfte zur Widerlegung

dieses Gedankens zwingender Gründe.

An solchen Gründen fehlt eS

nicht nur, sondern eS weisen alle Betrachtungen, die möglich sind, darauf hin, daß der § 1 in Verbindung mit § 13 neben dem 8 14

deS Gesetzes zur Anwendung zu bringen ist. Der Berufungsrichter hat hierfür das Entfch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 74 S. 434 veröffentlichte Urteil herangezogen.

Dort ist auSgeführt, daß die Be­

stimmungen deS Wettbewerbgesetzes von 1896 und desjenigen vom 7. Juni 1909 Bestimmungen von Sondergesetzen sind, die keine er­

schöpfende Regelung

gegenüber

den

allgemeinen Vorschriften

Bürgerlichen Gesetzbuch- über unerlaubte Handlungen geben,

des

und

daß deshalb die Anwendbarkeit der 88 824, 826 BGB. im Gebiete

deS unlauteren Wettbewerbs nicht ausgeschlossen ist.

In dem vor­

liegenden Falle handett es sich jedoch nicht um daS Verhältnis der

Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs

über unerlaubte Hand­

lungen zu den Bestimmungen des Wettbewerbgesetzes, sondern um das Verhältnis der Generalklausel deS 8 1 WettbewG. zu § 14

desselben Gesetzes, also um das Verhältnis einer einzelnen Vorschrift deS Wettbewerbgesetzes, die einen Sondertatbestand behandelt, zu der

Stellung des § 1.

Dieses Verhältnis läßt stch allein an- dem Zu­

sammenhänge der Einzelvorschriften deS Wettbewerbgesetzes zu dem in tz 1 an die Spitze deS Gesetzes gestellten Grundsatz erklären, wo­

nach alle im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken deS Wettbewerbs vor­ genommenen Handlungen von der UnterlaffungSklage erreicht werden

sollen.

Die Stellung,

die

dem 8 1 an der Spitze des Gesetzes

gegeben worden ist, sollte nach der Entstehungsgeschichte des § 1

schon äußerlich anzeigen, daß die m § 1 enthaltene Generalklausel

das gauze Gesetz beherrsche; sie soll überall da eiugreifen, wo die Einzelvorschriften deS Gesetzes nicht auSreichen. ES sollte aber nicht gesagt werden, daß da, wo die Einzelvorschriften deS Gesetzes einen für ihre Anwendung passenden Tatbestand vorfinden, nur diese unter

Ausschluß des K 1 anwendbar sein sollten. Melmehr wollte der Gesetzgeber dem § 1 seine Anwendbarkeit nicht versagen, wenn der

für ihn bestimmte Tatbestand zugleich auch noch die Verletzung einer

der nachfolgenden Einzelvorschriften darstellt. Anders würde die Rechtslage aufzufassen sein, wenn der Tatbestand deS § 1 begrifflich mit dem Tatbestände deS § 14 zusammenfallen würde. Alsdann wäre an ein vom Gesetzgeber gewolltes, alternatives Verhältnis zu denkeu.

Die Tatbestände der §§ 1 und 14 decken sich jedoch nicht.

Der § 14 schützt bestimmte einzelne Personen gegen Betriebs- und Kreditgewährung durch die Aufftellnng oder Verbreitung dahinzielen­

der, nicht erweislich wahrer Behauptungen, die Tatsachen zum Gegen­ stand haben müssen.

Der § 1 schützt dagegen nicht nur den einzelnen

Verletzte«, sondern auch unbestimmte Kreise gewerbetreibender Per­

sonen gegen die Gefährdung durch sittenwidrige Handlungen mit Wettbewerbszielen.

Weil es sich bei § 1

um Jnteressegruppen mit

weiten Abgrenzungen und um gefährdevolle Angriffe jeder Art handelt, die zugleich das allgemeine Interesse berühren, läßt § 13, ähnlich dem § 22 des Gesetzes, die Verbände zur Förderung gewerblicher

Interesse» als Vertreter der bedrohten Jnteressegruppen gelten.

Er­

füllt eine Handlung die VorauSsetzungm deS § 14 und zugleich auch

die weitergehenden Voraussetzungen deS 8 1, so hat dieses Zusammen­ treffen der zwei verschiedenen Tatbestände die Wirkung, daß sowohl

8 14 als auch 8 1 anwendbar werden.

In der Literatur ist diese Auffassung zwar nicht unbestritten; allein sie entspricht dem Wesen der Sache. Von dieser Ansicht aus hat der Berufungsrichter mit Recht, wie geschehen, erkannt."

78. Ist ein Verfahre« patentfähig, deffe» Erzeugnisse in GeschmackSmustern bestehen? Darf dei der Bewertnug der Erfindung die ästhetische Wirkung in Betracht gezogen werden? I. Zivilsenat. I.

Urt. v. 4. Mai 1912 i. S. H. (Bell.) w. K. (Kl.). Rep. L 415/11. Patentamt.

Der Beklagte war Inhaber des Hauptpatentes Nr. 188609 und des Zusatzpatents Nr. 202438. Die Patentansprüche lauteten: a) 188609: „Verfahren zur Herstellung von einfarbigen oder gemusterten Ziergeweben aus Metallringen für Geldbörsen oder dergl., da­ durch gekennzeichnet, daß das Gewebe aus einzelnen rauten­ förmigen Gewebeteilen zusammengesetzt wird, die einen Winkel unter sich bilden." b) 202438: „Verfahren zur Herstellung von einfarbigen oder gemusterten Ziergeweben aus Metallringen für Geldbörsen oder dergl. nach Patent 188609, dadurch gekennzeichnet, daß durch Zusammen­ fügen von Gewebeteilen in Form von Rauten und derm Teilen, welche derart aus dem bekannten Ringgewebe ausgeschnitten werden, daß ihre Umrißlinien stetig ineinanderhängende Ringe aufweisen, geometrisch regelmäßige und geradlinig begrenzte Geflechtstücke entstehen, die ihrerseits wiederum zu einem Gewebe vereinigt werden." Die Klägerin beantragte, beide Patente für nichtig zu erklären, weil sie im Grunde genommen nur Geschmacksmuster zum Gegenstände hätten und aus diesem Grunde nicht hätten erteilt werden sollen und weil, auch abgesehen hiervon, nach dem Borbekannten eine patentfähige Erfindung nicht anerkannt werden könne.

DaS Patentamt erklärte beide Patente für nichtig.

Die Bernfung

der Beklagten wurde zurückgewiesen auS folgenden

Gründen:

... »Dem Patentamt ist darin beizutreten, daß, obwohl daErzeugnis des patentierten Verfahrens ein Geschmacksmuster ist, doch die Zulässigkeit der Patentierung aus diesem Grunde nicht bestritten

werden kann.

Allerdings ist eS nicht möglich, ein individuelles Ge­

schmacksmuster in der Weise unter Patentschutz zu stellen, daß man daS Verfahren, durch das eS geschaffen ist, zum Patent anmeldet.

Wohl aber ist ein neue- technisches Berfahrm dem Patentschutze dann zugänglich, wenn dadurch der Weg zur Schaffung einer neuen Art, einer ganzen Gattung von Geschmacksmustern» die wieder unter sich individuell verschieden sein können, eröffnet wird.

DaS würde

im vorliegenden Falle zutreffen, wenn, wie eS nach der Beschreibung deS Patentes Nr. 188609 den Anschein hat, vor der Anmeldung

dieses Patentes der Effekt, der bei einfarbigen Gebrauchsgegenständen ans Ringgeflecht durch Winkelung der Ringreihen benachbarter Teil­ stücke entsteht, noch unbekannt gewesen wäre.

Denn dann hätte der

Anmelder diese- Patentes ein neues technisches Verfahren, Teilung deS Ringgeflechtes und Wiederzusammensetzung in geeigneter Weise,

angegeben, mittels dessen Geschmacksmuster mit einem neuen dekora­ tiven Effekt geschaffen wären, die untereinander wieder einer ver­

schiedenartigen Ausgestaltung fähig waren, wobei zu erwägen ist,

daß der ErfindungSgedanke deS Hauptpatentes, das an sich nur daeine auS zusammengesetzten Rauten bestehende Muster betrifft, auch den verschiedenartigen, im Zusatzpatente beschriebene» Mustern zugrunde liegt.

Der Anmelder

hätte dann die Bahn für eine neue und

mannigfaltige technische Betätigung eröffnet. Indessen kommt dieser Erfindung-gedanke in seiner Allgemeinheit

für die Aufrechterhaltung der Patente nicht in Betracht» weil er

bereit- durch die Muster der Firma L. B. & FilS offenbart war. Auch dort handelt eS sich um einfarbige Geflechte, bei denen ein

besonderer dekorativer Effekt dadurch hervorgerufen ist, daß eS auS dreieckigen und rautenförmigen Teilstücken zusammengesetzt ist, bei

denen die Ringreihen winkelig nebeneinander laufen. Die Entscheidung hängt daher lediglich davon ab, ob in der

besonderen Ausgestaltung diese- Verfahrens, wie sie in den Patenten

angegeben ist, eine patentwürdige Erfindung zu erblicken ist.- (ES wird ausgeführt, daß dies nicht der Fall ist.) ... „Dabei soll nicht verkannt werden, daß auch die nach dem angefochtenen Patent hergestellten Gewebe durch originelle und ge­ schmackvolle Musterung das ästhetische Gefühl befriedigen können. Insoweit beruht aber daS Verdienst des Herstellers nicht auf einem des Patentschutzes, sondern auf einem nur deS Musterschutzes fähigen Gedanken."...

79. Kanu der Patentinhaber eine frühere Priorität, als der An­ meldung entspricht, auf die das Pateut erteilt ist, damit begründen, daß dieselbe Erfindung ohue Erfolg von ihm oder einem Rechts­ vorgänger schon vorher zum Patent avgemeldet worden war? Patentgesetz § 2. I. Zivilsenat. Urt. v. 4. Mai 1912 t S. M. (Bell.) w. T. & SEB. und SB. K. (Kl.). Rep. I. 36/12. I.

Patentamt.

Am 2. August 1905 meldeten der Fabrikant F. und die Firma Gebr. F. eine Erfindung zum Patent an» die ein Verfahren zum Hervorheben von Ledernarben durch Färben zum Gegenstände hatte. Am 31. Mai 1906 wurde daS Recht auS der Anmeldung nach Über­ tragung auf Walter R. umgeschrieben. Gemäß Übertragung vom 27. März 1908 erfolgte am 7. April 1908 die weitere Umschreibung auf den Beklagten. Nach der Auslegung wurde Beweis über die von einem Einsprechenden behauptete offenkundige Vorbenutzung er­ hoben und alsdann laut Beschluß der Anmeldeabteilung das Patent versagt. Die Beschwerde deS Anmelders wurde durch Beschluß vom 10. März 1909 zurückgewiesen. Am 12. März 1909 meldete Alfred H. dasselbe Verfahren wiederum zum Patent an. Die Bekanntmachung wurde beschlossen, und da ein Einspruch nicht erfolgte, wurde am 28. Dezember 1909 dar Patent Nr. 218348 erteilt.

Auf Grund der Übertragungsurkunde vom 6. Januar 1910

wurde das Patent zufolge Verfügung der Anmeldeabteilung auf den jetzigen Beklagten umgeschrieben, gleichzeitig aber wurde der von ihm gestellte Antrag, dem Patente die Priorität der alten Anmeldung vom 2. August 1905 zuzuerkennen, abgelehnt und die hiergegen erhobene Beschwerde zurückgewiesen. Die Nichtigkeitskläger beantragten, daS Patent Nr. 218348 wegen offenkundiger Vorbenutzung im Jnlande für nichtig zu er­ klären. Sie meinten, daß das Patent schon auf Grund der Beweis­ erhebung im ersten Anmeldeverfahren gemäß den Gründen der An­ melde- und der Beschwerdeabteilung auch dieses Mal hätte versagt werden müssen, behaupteten aber für alle Fälle unter Benennung zahlreicher Zeugen und Beibringung von schriftlichen Zeugnissen offen­ kundige Vorbenutzung vor der zweiten Anmeldung. Der Beklagte war der Meinung, daß dem Patente die Priorität vom 2. August 1905 zukomme und daß daher nur eine offenkundige Borbenutzung vor diesem Tage in Betracht gezogen werden dürfe, die er nach wie vor bestritt. DaS Patentamt erklärte daS Patent für nichtig, indem eS offen­ kundige Borbenutzung vor der erste» Anmeldung für erwiesen erachtete. Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgendm Gründen: „Die Ansicht des Beklagten, daß seinem Patente die Priorität einer älteren, rechtskräftig zurückgewiesenen Patentanmeldung zuzuerkennen sei, ist rechtlich unzutreffend. Die Patentanmeldung gibt einen bedingten öffenllichrechtlichen Anspruch auf Patenterteilung» ab­ hängig davon, daß in dem gesetzlich geregelten Verfahren dieser An­ spruch zur Anmeldung gelangt. Sobald die Patentierung rechts­ kräftig versagt ist, ist die Anmeldung erledigt und so zu behandeln, als wenn sie nicht erfolgt wäre (Utt. des RG.'S vom 13. Januar 1900 Bl. f. P. M. u. Z. R. 1900 S. 149). Sie steht dann weder dem Anspruch auf Patenterteilung eines späteren Anmelders der­ selben Erfindung entgegen, noch können daraus irgend welche Rechte hergeleitet und auf andere übertragen werden. ES ist kein Grund ersichtlich, weshalb sich ein späterer Anmelder zu seinen Gunsten darauf sollte berufen dürfen, daß schon ein anderer vor ihm dieselbe Erfindung ohne Erfolg zum Patent angemeldet hat; eher könnte man

de lege ferenda daran denken, daß ihm eine solche frühere Patent­ WaS aber von diesem Falle gilt, gilt auch, wenn derselbe Erfinder, nachdem seine erste Anmeldung

anmeldung nachteilig sein müßte.

rechtskräftig zurückgewiesen ist, dieselbe Erfindung nochmal- anmeldet. Die nicht zu bestreitende grundsätzliche Zuläsfigkeit eines solchen Ver­

fahrens, dar unter Umständen, z. B. wenn die erste Beurteilung nachweisbar durch einen tatsächlichen Irrtum beeinflußt war, auch sachlich gerechtfertigt sein kann, beruht gerade darauf, daß beide An­

meldungen alS von einander unabhängig zu behandeln sind.

Mühte

man die zweite Anmeldung als Fortsetzung des ersten Verfahrens

ansehen, so würde ihr die rechtskräftige Abweisung der ersten Patent­ gesuchs entscheidend entgegenstehen. Im vorliegenden Falle war der Beklagte mit seinem Patent­ gesuche rechtskräftig abgewnsen, als da- jetzt angefochtene Patent auf

ihn

übertragen

wurde.

Irgend welche, wenn auch nur bedingte,

Schutzrechte konnte er damals aus der ersten Anmeldung nicht mehr herleiten. DaS erteilte Patent beruht auf einer zweiten, von der ersten Anmeldung unabhängigen Anmeldung, nach der sich die Neu­ heit der geschützten Erfindung gemäß § 2 PatGes. beurteilt. Uner­

heblich ist eS, ob zur Zeit der zweiten Anmeldung das erste Ver­ fahren noch nicht völlig erledigt war, weil eS noch der Zustellung

des die Beschwerde des Beklagten zurückweisenden Beschlusses bedurfte; denn der zweite Anmelder H. konnte aus der noch schwebenden An­ meldung des Beklagten keinerlei Rechte herleiten und die bedingten Schutzrechte des Beklagten endigten jedenfalls mit der Zustellung des Beschlusses.

Hiernach kommt eS darauf a«,

ob die Erfindung vor dem

12. März 1909 tat Inland offenkundig vorbenutzt ist*...

(ES wird ausgeführt, daß diese Frage zu bejahen ist.)

80. Inwieweit bedürfen Verpflichtungen der Mitglieder einer Gesell­ schaft mit beschränkter Haftung, ihre Produktion an ihre Gesellschaft abzuliefern, der Aufnahme in den Gesellschaftsvrrtrag? GmbHN. § 3 Abs. 2.

80. Gesellschaft m. b. H. Steuerungen der Gesellschafter. II. Zivilsenat.

383

Urt v. 10. Mai 1912 t S. der Firma Lüneburger

Kieselgurwerke (Kl.) w. die vereinigten deutschen Kieselgurwerke, Ge­ sellschaft m. b. H. (Bekl.).

Rep. II. 43/12.

I. Landgericht Hannover. II. Oberlandesgericht Celle. Die verklagte Gesellschaft ist eine Verkaufsvereinigung von Kiesel­ gurwerken.

Sie hat nach § 2 ihres Gesellschaftsvertrags die Ver­

wertung der in den Werken der Gesellschafter gewonnenen Kieselgur sowie den An- und Verkauf fremder Kieselgur und die Wahrung sonstiger

hiermit

im

Zusammenhänge

stehender

gemeinschaftlicher

zum Gegenstand ihres Unternehmens gemacht. Die Klägerin war seit Juli 1909 bis zum 31. Dezember 1910 Gesell­ schafterin der Beklagten. Die Beklagte hat mit der Klägerin wie Interessen

mit allen ihren Gesellschaftern neben dem notariellen soeben erwähnten

Gesellschaftsvertrag auch einen Lieferungsvertrag abgeschlossen. In diesem Lieferungsvertrag, der nur in privatschriftlicher Form ab­ geschlossen wurde, ist bestimmt, daß die Klägerin den Verkauf ihrer

Kieselgur der Beklagten für die Dauer des Vertrags überträgt und für diese Zeit jeglichem eigenen Handelsbetriebe mit Kieselgur ent­

sagt. Diesen Lieferungsvertrag hat die Klägerin auf den 31. Dezember

1910 gekündigt. Die Klägerin hat die Beklagte auf 2475,41 JH nebst 5°/0 Zinsen seit dem 15. Dezember 1910 für gelieferte Kieselgur verklagt.

Klagsumme wurde später erhöht.

Die

Die Beklagte hielt in beiden In­

stanzen dem Klaganspruche lediglich eine Gegenforderung von 10000 Jl

aufrechnend entgegen und machte dafür auch ein Zurückbehaltungs­ recht geltend.

In § 11 des Lieferung-Vertrags hatten die Parteien

nämlich vereinbart, daß die Klägerin, wenn sie dem LieferungSvertrage

zuwider Abschlüsse mache oder sonstwie gegen die Bestimmungen des

Vertrags verstoße, für jeden Einzelfall eine Vertragsstrafe in Höhe Die Beklagte hat in einer Gesellschaftsversammlung vom 10. März 1911 einen Beschluß gefaßt, von 1000-10000^ verwirkt habe.

wonach die Klägerin wegen Verletzung des soeben erwähnten tzll des Lieferungsvertrags in eine Strafe von 10000 M genommen werde.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Berufungs­ urteil ist auf Revision des Klägers aufgehoben worden aus folgenden

Gründen:

„Die Klägerin wendet ein, der Lieferungsvertrag, der da- Straf­

gedinge enthält, sei nichtig, weil sein Inhalt nach §§ 2 und 3 Abs. 2

des Gesetzes, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, in den Gesellschaftsvertrag hätte ausgenommen, also in gerichtlicher

oder notarieller Form hätte beurkundet werden müssen. Der hier maß­ gebende Abs. 2 des 8 3 des Gesetze- schreibt vor, daß eine Bestimmung,

wodurch den Gesellschaftern außer der Leistung von Kapitaleinlagen

noch andere Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden, in den Gesellschastsvertrag ausgenommen werden muß. Der erste Richter hatte dm Lieferungsvertrag als einen selb­ ständigen, von der Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit jedem

ihrer Gesellschafter geschlossenen Vertrag erklärt, der keinen Teil deGesellschaft-vertrags gebildet habe. Der BemfungSrichter hält diese Annahme für eine grundsätzlich verwerfliche. Die Übernahme der Verpflichtung seitens der Gesellschafter, ihre Produktion unter ge­

wissen Bedingungen an ihre Gesellschaft zu liefern, sei immer gesell­ schaftlicher Natur. AuS diesem Grunde bilde die Übernahme einer solchen Verpflichtung immer einen Teil

der Gesellschastsvertrag-,

weil alle Rechte und Pflichten der Gesellschafter auS dem Gesellschafts­ vertrag hervorgehen müßten. Doch bedürfe eS nicht der Aufnahme aller diese Übernahme regelnder Bestimmungen in den Gesellschafts­

vertrag; eS gmüge vielmehr der Vorschrift des § 3 GmbHG., wenn sich nur aus dem GesellschastSvertrage die Pflicht der Gesellschafter,

ihre Produktion der Gesellschaft zu liefern, grundsätzlich, sei eS auch

im Wege der Auslegung, entnehmen laste.

Die weitere Ausgestaltung

dieses im GesellschastSvertrage so festgelegten Grundsatzes, die Fest­ setzung der näheren Ausführungsbestimmungen (Preis, Kontingen­

tierung, Strafgedinge u. dgl.) behalten werden.

gegeben an.

dürfe

formloser Vereinbarung Vor­

Diesen F"2 sieht der BemfungSrichter hier für

Er führt auS, im GesellschastSvertrage, soweit er ihm

vorlag, sei zwar kein ausdrücklicher Ausspruch zu finden, daß die

Gesellschafter ihre Produktion der Gesellschaft zur Verfügung stellen

müßtm, allein nach dem im Tatbestand angegebenen Gegenstände des Unternehmens und desten Zwecke sei eS notwendige Voraussetzung,

daß die Gesellschafter die Erzeugnisse ihrer Kieselgurwerke der Be­ klagten zum Zwecke der Veräußerung zur Verfügung zu stellen hätten.

80. Gesellschaft m. b. H. Lieferungen der Gesellschafter.

885

Somit habe sich die Übernahme der Verpflichtung hierzu von selbst

verstanden und keiner ausdrücklichen Erwähnung bedurft.

Den Um­

fang der so übernommenen Verpflichtung hätten die Beteiligten ein­

schließlich de- hier streitigen Strafgedinges in Form privater Be­ urkundung, wie geschehen, festlegen können.

Auf diesem Wege kommt

der Berufungsrichter zur Annahme der Gültigkeit des sog. Lieferungs­

und des darin enthaltenen Strafgedinges. Diese Er­ wägungen des Berufungsrichters leiben an einem doppelten RechtSvertrags

irrtum, der zur Aufhebung des Urteils führt.

Im Gebiete deS Aktienrechts war eS schon vor Inkrafttreten des neuen Handelsgesetzbuchs anerkannt, daß den Gesellschaftern die Verpflichtung zu wiederkehrenden, nicht in Geld bestehenden Leistungen in Form von selbständigen Nebenverträgen auferlegt werden konnte, welche die Aktiengesellschaft mit ihren Mitgliedern adschließt. Wegen

solche Nebenverträge keiner Form. Die in diesen Verträgen auferlegten Verpflichtungen sind nicht gesell­

ihrer Selbständigkeit bedurften

schaftlicher Natur; sie sind den Gesellschaftern vertraglich ebenso auf­ erlegt, wie sie jedem Dritten durch Vertrag auferlegt werden können.

Nur dann war unter der Herrschaft deS alten Rechtes eine solche

Ordnung nicht als möglich angesehen worden, wenn der Inhalt solcher Verträge sich nicht von der gesellschaftlichen Verpflichtung loStrennen

ließ.

Auf diese durch die Rechtsprechung deS Reichsgericht- (Entfch.

in Zivils. Bd. 87 S. 140, Bd. 17 S. 5) geschaffene Rechtslage ist S. 132 der Denkschrift zum ersten Entwurf des neuen Handelsgesetz­

buchs und S. 141 der Denkschrift zu dem dem Reichstage vorgelegten Entwurf hingewiesen.

Dieser Rechtszustand hat nochmals seine An­

erkennung in dem Urteil Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 48 S. 106

gefunden. Das neue Handelsgesetzbuch hat in § 212 die Möglich­ keit geschaffen, die Übernahme solcher Verpflichtungen zu wieder­

kehrenden Leistungen als gesellschaftliche Verpflichtungen durch Auf­ nahme in den Gesellschaft-vertrag zu gestalten, ohne damit den vor

Inkrafttreten des neuen Handelsgesetzbuchs üblichen Weg der Ab­

schließung selbständiger Nebenverträge abzuschneiden. Nicht anders als auf dem Gebiete des Aktienrechts verhält es sich bei den Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

Der Sinn de-

Abs. 2 § 3 GmbHG. ist der, daß solche Lieferungsverpflichtungen, wenn sie gesellschaftlicher Natur sein sollen, gültig nur im Gesell-

schaftSvertrag auferlegt werden können.

Es ist somit rechtlich nicht

zu beanstanden, wenn die Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit jedem ihrer Gesellschafter Lieferungsverträge abschließt.

ständige Verträge sind sie formlos gültig.

Als selb­

Somit erweist sich der

Ausgangspunkt des Berufungsrichters, daß solche Lieferung-verträge

immer ein Bestandteil des GesellschaftSvertragS sein müßten und nur

in der Form de- GesellschaftSvertragS abgeschlossen werden könnten, als rechtsirrig/

DaS Berufungsurteil hat außerdem § 3 Abs. 2 GmbHG. durch seine Annahme verletzt, daß, wenn die Übernahme der Verpflichtung

zur Lieferung der Produktion dem Gesellschaftsrecht angehöre, nur die Aufstellung der grundsätzlichen Verpflichtung im Gesellschafts­ vertrag vorgenommen sein müsse und die weitere Ausgestaltung dieser

grundsätzlichen Verpflichtung in privatschristlicher Form vereinbart werden könne. Im Gegenteil bedürfe» alle die Übernahme einer gesellschaftlichen Pflicht und die Gewährung gesellschaftlicher Rechte regelnden Bestimmungen der Aufnahme in den GesellschastSvertrag, also der Beobachtung oer in § 2 GmbHG. vorgesehenen Form. Daß dem so sein muß, ergibt sich daraus, daß sonst der Gesellschafts­

vertrag unvollständig wäre.

Durch den bloßen Grundsatz, daß die

Gesellschafter die hier in Rede stehende Verpflichtung übernommen

haben, wären die wesentlichen Bestandteile dieser Verpflichtung und der damit im Zusammenhang« stehenden Rechte sowie die Erzwing­ barkeit beider nicht festgestellt und nicht feststellbar. Somit gehört auch der Umfang der Verpflichtung in den Gesellschaft-vertrag. Ins­

besondere gilt dies von Straffestsetzungen. § 8 deS österreichischen Gesetzes vom 6. März 1906 über Gesellschaften mit beschränkter Haftung bringt diesen Grundsatz mit aller Schärfe dahin zum Aus­ druck, daß der Umfang und die Preise der hier in Frage stehenden Leistungen sowie die auf dm Verzug gesetzten Strafen im Gesell«

schaftSvertrage genau bestimmt sein müssen. AuS dem bisher Erörterten ergibt sich, daß Strafgedinge gesell­ schaftlicher Art — und darum handelt eS sich hier nach der Ansicht

des Berufungsrichters — nicht formlos außerhalb des Gesellschafts­ vertrags vereinbart werden könnm (vgl. § 212 Abs. 2 HGB.).

AuS

diesen Gründen ist die Aufhebung deS angegriffenen Urteils aus­

zusprechen.

In der Sache selbst kann nicht erkannt werden. Denn zum Zwecke der Ermittelung, ob der Lieferungsvertrag einen Teil deS GesellschaftSvertragS bildet, also der gerichtlichen oder notariellen Form bedurft hätte, oder ob der Lieferungsvertrag ein selbständiger, formlos gültiger Vertrag ist, der keine gesellschaftlichen Rechte und Pflichten normiert, ist der Zusammenhang deS Lieferungsvertrags mit dem GesellfchastSvertrag aufzuklären. Dazu fehlt eS aber an allen Unterlagen. Den Instanzen waren die beiden Verträge weder in Urschrift noch in Abschrift unterbreitet. Den Jnstanzgerichten war auch der Inhalt der Verträge nicht vollständig angegeben. Der Tag der Eintragung der Beklagten zum Handelsregister (§ 11 GmbHN.) ist nicht bekannt. Alle diese Tatsachen sind aber für die streitige Frage deS Zusammenhangs von Bedeutung. Hieraus folgt die Zurückverweisung zum Zweck erneuter Verhandlung. Dieser Ver­ handlung muß auch die Erörterung der Frage vorbehalten bleiben, wie dar auf die Zahlung deS Kaufpreises gerichtete Begehren dann aufzufassen ist, wenn der Lieferungsvertrag mangels der Beobachtung der erforderlichen Form nichtig fei» sollte."...

81. Verpflichtet die Freilegung de- von der Fluchtlinie getroffenen Gebäudeteils die Gemeinde, im EnteignungSverfahreu das ganze Ge­ bäude zu übernehmen, auch wem die Freilegmg nicht zum Zwecke des Um- oder Neubaues erfolgt ist? Preuß. Fluchtliniengesetz vom 2. Juli 1875 § 13. Preuß. Enteignungsgesetz vom 11. Juni 1874 § 9. VII. Zivilsenat. Urt. v. 10. Mai 1912 i. S. M. (Kl.) w. Stadt­ gemeinde C. (Bekl.) Rep. VII. 75/12. I.

II

Landgericht Cöln.

Oberlandesgericht daselbst.

Der von der Beklagten festgestellte Fluchtlinienplan bezweckt die Verbreiterung der ArminiuSstraße. Die Fluchtlinie trifft die dem Kläger früher gehörigen Hausgrundstücke ArminiuSstraße 23 und dar Eckhaus Tempelstraße 16, soweit es an der ArminiuSstraße Entich. in Mails. N. 8-129 (79). 22

liegt.

Ein Streifen von 2,47 m Breite fällt in die Fluchtlinie.

Der Kläger hat den hiervon ergriffenen Teil des Hauses Tempel­

straße 16 durch teilweises Abreißer» des Gebäudes freigelegt.

In

dem nunmehr auf Antrag der Beklagten eingeleiteten Enteignungs­

verfahren wegen der freigelegten Fläche und einer zwischen beiden Häusern liegenbat Hoffläche hat der Kläger erfolglos die Übernahme beider Häuser verlangt.

erhobenen Klage aufrecht. Klage abgewiesen.

Dasselbe Verlangen hält er mit der jetzt

Beide Vorinstanzen haben insoweit die

Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesm

aus folgenden Gründen: „Bei der Prüfung, ob da- Übernahmeverlangen des Klägers

sachlich gerechtfertigt ist, geht das angefochtene Urteil zutreffend davon

aus, daß hierüber nicht nach dem Fluchtliniengesetz allein zu ent­ scheiden ist, sondern daß dessm von der Übernahmepflicht handelnde Bestimmung (8 13 Abs. 3) durch die Vorschriften ergänzt werden, die in 8 3 EntGes. über die Pflicht deS Unternehmers aufgestellt find, bei Teilenteignungen unter

bestimmten

Voraussetzungen auf

Verlangen des Enteigneten daS ganze Grundstück zu übernehmen. Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung deS Reichs­

gerichts, und es war deshalb, wie dies im angefochtenen Urteile ge­ schehen ist, geboten, das Verlangen des Klägers nach den Bestimmungen

beider Gesetze zu prüfen. 8 13 Abs. 3 FlLGes. gibt dem Eigentümer, der nach Abs.l a.a.O. zu Nr. 1—3 eine Entschädigung zu beanspruchen berechtigt ist, die Befugnis, die Übernahme des ganzen Grundstücks zu verlangen, wenn

es durch die Fluchtlinie entweder ganz oder soweit in Anspruch ge­

nommen wird,

daß

das Restgrundstück nach den baupolizeilichen

Vorschriften des Orts nicht mehr zur Bebauung geeignet ist.

An

diesem Tatbestände fehlt eS hier. (Wird ausgeführt mit dem Hinzu­ fügen, daß hiernach die Übernahmepflicht auf Grund be8 8 13 Abs. 3 mit Recht verneint ist. Sodann wird fortgefahren:) Verneint ist damit zugleich aus denselben tatsächlichen Gründen, daß die Über­

nahme nach 8 9 Abs. 1 EntGes. deswegen verlangt werden kann,

weil das Restgrundstück nach seiner bisherigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig benutzbar ist. Hauptsächlich aber handelt es sich darum, ob nach 8 9 Abs. 3 EntGes. eine Übernahmepflicht der Be-

klagten begründet ist. Dort ist bestimmt, daß bei Gebäuden, die teilweise in Anspruch genommen werden, die Übernahmepflicht jeden­

falls das ganze Gebäude umfaßt.

Das trifft nach den Ausführungen

deS Klägers hier zu, da die Fluchtlinie die beiden Häuser schneide und die Entschädigungspflicht der verklagten Gemeinde durch Frei­ legung der vom Grundstücke Tempelstraße 16 zur Straße beanspruchten Fläche nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 zur Entstehung gebracht sei. DaS Berufungsgericht gibt dem Kläger zu, daß, teilt äußerlich betrachtet, den Voraussetzungen des Gesetze- genügt sei; der Anspruch

deS Klägers scheitere

aber daran, daß die Freilegung nicht zum

Zwecke deS demnächstigen Neu- oder Umbaue- deS Restgebäudes in

den Grenze» der neuen Fluchtlinie erfolgt sei, sondern daß damit lediglich der Entschädigungsanspruch gegen die Stadtgemeinde habe zur Entstehung gebracht werden sollen. Als Erfüllung der Voraus­ setzung deS § 13 Abs. 1 Nr. 2 FlLG. sei eine zu solchem Zwecke erfolgte Freilegung nicht zu erachten und deshalb sei auch bei Mit­ anwendung des § 9 Abs. 8 EntGes. eine Übernahmepflicht der Be­

klagten nicht anzuerkennen. Zu Unrecht bezeichnet die Revision diese dem § 13 Abs. 1 Nr. 2 gegebene Auslegung als eine willkürliche, dem Gesetze nicht entsprechende.

Die Entstehungsgeschichte der auSzulegenden Gesetzesbestimmung ist im Berufungsurteil in derselben Weise, wie sie in früheren Urteilen

des Reichsgerichts (Entsch. in ZivUs. Bd.21 S. 212, 8b. 57 S.179)

dargestellt ist, wiedergegeben.

Die Billigkeit erfordert nicht, daß die

Enteignungspflicht der Gemeinde als sofortige und unmittelbare Folge

der Fluchtlinienfestsetzung eintritt.

Zunächst steht die Fluchtlinie nur

auf dem Papier, an der Benutzung der betreffenden Fläche in der bisherigen Weise ist der Eigentümer nicht gehindert. Nach § 11

des Gesetzes erhält die Gemeinde mit der Offenlegung eine- Flucht­ linienplanes das Recht, die durch die Straßenfluchtlinien für Straßen

und Plätze bestimmten Grundflächen dem Eigentümer zu entziehen. Es ist ihr aber nicht die Pflicht auferlegt, dieses Recht alsbald oder

binnen einer bestimmten Frist auszuüben.

Die Anlieger erwerben,

wie in einem Urteile des erkennenden Senats vom 9. Mai 1905 Rep. VII 473/04 ausgeführt ist, durch die Festsetzung der Flucht­ linie noch kein privates Recht

auf

deren Beibehaltung. 22*

Ander«

seit- soll sich die Gemeinde der Enteignungspflicht, auch wenn sie die Abtretung noch nicht beansprucht hat, doch nicht entziehen können,

vielmehr soll die Enteignung vom Eigentümer gefordert werden dürfen, sobald die Voraussetzungen vorliegen, die im § 13 Abs. 1 unter

Nr. 2 und 8 aufgestellt sind.

Nach dem Entwürfe sollte, wenn die

Fluchtlinie, wie die- hier der Fall ist, ein bebaute- Grundstück durch­ schneidet, das EvteignungSverfahren schon eingeleitet werden muffen,

wenn wegen der Fluchtlinie der Wiederaufbau von Gebäuden in den früheren Grenzen oder der Ausbau innerhalb der alten Fluchtlinie versagt werde.

Die Kommission hielt dar nicht für ausreichend, um

eine willkürliche Herbeiführung deS Entschädigungsverfahrens seitens deS Eigentümers auszuschließen. Er soll seine Absicht, zu bauen,

durch die Tat beweisen müssen. Darauf beruht die Bestimmung deS Gesetze- in Nr. 2 a. a. O. Um den Entschädigungsanspruch auS einer vorhandene Gebäude treffenden Straßen- oder Baufluchtlinie

zur Entstehung zu bringen, ist erforderlich, daß das Grundstück bis zur neuen Fluchtlinie von Gebäuden freigelegt wird. Die Freilegung ist die vom Gesetzgeber verlangte Betätigung deS ernstlichen Willens,

innerhalb der neuen Fluchtlinie zu bauen.

Daraus folgt, daß die

Freilegung, wenn sie den Tatbestand deS Gesetzes erfüllen soll, auch

geschehen muß, weil der Eigentümer zu bauen beabsichtigt und diese

Absicht durch die Freilegung beweist.

Besteht eine Bauadsicht nicht,

so fehlt daS, was die Freilegung beweisen soll, und folgerecht ist deshalb der Tatsache der Niederlegung allein auch nicht die recht­

liche Bedeutung beizumessen, die ihr nach Sinn 'und Zweck deS Ge­

setze- nur als ein seine Bauabsicht betätigendes Tun des Eigentümers zukommt.

Gegenteiliges ist,

wie daS Berufungsgericht

zutreffend

ausführt, aus dem Entsch. des RG.'S in Zivils. Bd. 57 S. 179 ab­ gedruckten Urteile des Senats nicht zu entnehmen.

Im vorliegenden Falle nun ist, wie das Berufungsgericht autatsächlichen Erwägungen feststellt,

die teilweise Niederlegung deS

HauseS Tempelstraße 16 lediglich deshalb erfolgt, um so die Beklagte zur Übernahme deS ganzen Grundstücks und zur Entschädigung hierfür zu zwingen.

Die Absicht, den stehengebliebenen Gebäuderest aus­

öder umzubauen, hat der Kläger nicht gehabt. Mit Recht hat des­ halb der Vorderrichter dem Kläger für die von ihm verlangte Über­

nahme die Berufung auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 FIL Z, in Verbindung

mit § 9 Abs. 3 EntGes. versagt. Ob bei dem Verhalten der Klägers, wie er der Berufung-richter feststellt, auch aus §§ 226, 826 BGB. die Zurückweisung des Übernahmeverlangens sich hätte rechtfertigen lassen, kann dahingestellt bleiben. Zu prüfen war aber noch, ob die vorstehend erörterte Rechts­ lage dadurch eine Änderung erfahren hat, daß von der Beklagten,

nachdem der Kläger die Freilegung vorgenommen hatte, die Ein­ leitung des Entschädigungsverfahrens beantragt ist. Ob die Beklagte hierzu verpflichtet war, braucht, da das Verfahren auf ihren Antrag tatsächlich eingeleitet ist, nicht entschieden zu werden. In Betracht kommt hier allein, ob in dem Antrag auf Einleitung deS Ent­ schädigungsverfahrens, weil er nach der Freilegung gestellt ist, rechtlich das Anerkenntnis zu finden ist, die Freilegung fei eine berechtigte Maßregel gewesen, und ob deshalb vom Kläger die Übernahme als

Faktor der Enteignungsentschädigung verlangt werde» kann. Auch da- ist zu Ungar sten des Kläger- zu verneinen. Die in der Recht­ sprechung deS Reichsgericht- vertretene Auffassung geht zwar dahin, daß eS bei Festsetzung der Enteignungsentschädigung, wenn ein Ge­ bäude von der Fluchtlinie getroffen und dadurch teilweise in An­ spruch genommen wird, auf die Lage der Verhältnisse bis zum Be­ ginne der Freilegung ankommt. Demgemäß ist denn auch in dem schon erwähnten Urteile (Bd. 57 S. 179) auSgeführt, der Grund­ eigentümer könne sich dadurch, daß er da- Gebäude bis zur Flucht­ linie niederlege, nicht gleichzeitig die Grundlage seine- Anspruch­ zerstören. Vorausgesetzt ist dabei aber eine Freilegung, die nicht willkürlich erfolgt, sondern, wie da- Gesetz verlangt, zur Betätigung der Bebauung-absicht geschehen ist. Fehlt eS hieran, so fallen die auS der berechtigten Niederlegung zu ziehenden Folgerungen auch für da- Enteignung-verfahren fort. Zu entschädigen ist der Eigen­ tümer dann nach der Lage deS Grundstück-, wie sie sich tatsächlich darstellt, und dem Anträge der Gemeinde auf Einleitung des Ver­ fahren- ist auch nur die Bedeutung beizumessen, daß sie damit die Abtretung deS, ohne ihr Zutun und ohne einen ihre Entschädigungs­ pflicht beeinflussenden Anlaß von Gebäuden freigewordenen Land­ streifen- für den öffentlichen Verkehr beansprucht. Bei der durch den Eigentümer willkürlich herbeigeführten Gestaltung deS Grundstück­ werden nicht mehr Gebäudeteile, sondem eS wird eine unbebaute

Fläche zur Straße in Anspruch genommen. Die Gemeinde hat des­ halb auch durch den Antrag auf Einleitung des EnteigimngSverfahrenS wegen der unbebauten Fläche eine aus der Freilegung herzuleitende Übernahmepflicht nicht anerkannt/ ...

82. Unterliegen die sog. Reiseschecks bet American Express Company zu New-Aork dem Wechselstempel «ach § 24 der Wechselstempelgesetzes vom 10. Juni 1869 bzw. § 27 des Gesetzes vom 15. Juli 1909?

VII. Zivilsenat. Utt v. 10. Mai 1912 i. S. American Express Company (Kl.) w. Hamb. FiSkuS (Bell.). Rep. VII. 99/12.

I. Landgericht Hamburg. II. Oberlandesgericht daselbst. Bon der American Express Company in New-Iork, einer von der Klägerin verschiedenen, aber mit ihr in engen geschäftlichen BeZiehungen stehenden Gesellschaft, werden sog. Travellers Cheques auSgegeben, die nach dem zu den Akten gebrachten Formulare dahin

lauten: 7449525 When Countersigned Below With This Signature: 19 .. American Express Company At Its Paying Agencies Will pay to the Order of.... $ 1000 In United States And Canada: Ten Dollars usw. (eS folgen die ver­ schiedenen Länder mit ihren Währungen, darunter auch Deutschland mit 41,es M} Countersigned (See Signature Above): Unterschrift Treasurer.

Die Klägerin hat in der Zeit vom 1. Januar 1905 bis zum 1. Oktober 1909 eine Anzahl von diesen Papieren an ihrem Wohn­ sitze teils eingelöst teils veräußert. Die Steuerbehörde erachtete die

Papiere für an Order lautende Zahlung-versprechen oder kaufmännische

BerpflichtungSscheine und forderte einen entsprechenden Stempelbetrag

von insgesamt 3379,20 JH, den die Klägerin unter Vorbehalt zahlte. Sie begehrte demnächst im Rechtswege die Erstattung nebst Zinsen. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.

In diesem Sinne

erkannte auch das Landgericht, und das Oberlandesgericht wie- die

Berufung der Klägerin zurück.

Auch die Revision der Klägerin

wurde zurückgewiesen.

Aus bett Gründen: „Der Berufungsrichter erachtet

in Übereinstimmung mit der

Steuerbehörde die im Tatbestände näher bezeichneten Urkunden (Reise­ schecks) nach § 24 WechsStempG. vom 10. Juni 1869 bzw. § 27

WechsStempG. vom 15. Juli 1909 als an Order lautende Zahlungs­ versprechen oder als indossable BerpflichtungSscheine über die Zahlung von Geld für stempelpflichtig. Diese Annahme verstößt nicht gegen daS Gesetz....

Der Augenschein zeigt, daß die Papiere von der

American Express Company in New-Dork, vertreten durch ihren Schatzmeister (Treasurer), ausgestellt sind, und der Wortlaut besagt,

daß die Gesellschaft bei ihren Zahlstellen, insbesondere auch bei denen im Deutschen Reiche, an die Order des ... eine bestimmte Summe zahlen wolle.

Die Angaben der Klägerin gehen nach den Fest­

stellungen des Berufungsrichters dahin, daß der Erwerber, Käufer

eine- Reiseschecks (um diesen Ausdruck der Kürze halber beizubehalten),

bereits beim Ankäufe seinen Namen obm an die dazu bestimmte Stelle

setze, auch als Nehmer, an dessen Order zu zahlen sei, im Texte be­

zeichnet werde.

Ob da- Datum (rechts oben) schon jetzt ausgefüllt

werde, hat Klägerin nicht bestimmt behauptet; sie vermutet es. Bei der Verwertung (Einkassierung) schreibe dann der Käufer (erster Er­

werber) wiederum seinen Namen unten links an die dazu bestimmte Stelle; es geschehe dies lediglich der Kontrolle wegen, ob der Scheck in den rechten Händen geblieben sei.

Die Verwertung erfolge häufig

auch nicht unmittelbar durch Einziehung des Betrags bei der Zahl­ stelle, sondern durch Hingabe in Zahlung an Hotelwirte,

Kauf­

Ein Indossament werde nie auf den Scheck gesetzt.

Wenn

leute usw.

der Berufungsrichter bei dieser Sachlage den Reisescheck in Wahrhett

nicht für einen Scheck, sondern für ein Zahlungsversprechen oder einen Verpflichtung-schein ansieht, so kann ihm darin nur zugestimmt

werden.

Der Scheck enthält nach

amerikanischem Recht eine Anweisung,

deutschem wie nach

englisch­

mittels deren der Aussteller

über ein Guthaben bei der bezogenen Bank usw. verfügt (vgl. Canstein, Arch. f. bürg. Recht Bd. 4 S. 313 flg.). Von einer

solchen Anweisung ist nach dem unzweideutigen Wortlaute der Ur­ kunde keine Rede.

Die American Express Company weist nicht einen

Dritten zur Zahlung an, sondern sie erklärt, daß sie bei ihren Zahl­

stellen (paying agencies) zahlen werde. Sie erteilt also ein Zahlungs­ versprechen und übernimmt die Verpflichtung, dieses Versprechen in der aus dem Papier ersichtlichen Höhe zu erfüllen.

Sie bedient sich

zur Einlösung der benannten Zahlstellen, die nicht al- Bezogene, sondern nur als Gehilfen oder Beauftragte der Gesellschaft in

New-Aork gelten können.

Indem sie überall- da die Papiere ein­

lösen will, wo sich solche Zahlstellen befinden, überläßt sie dem

Erwerber die Wahl des Ortes, an dem die Zahlung erfolgen soll; er bestimmt innerhalb der gezogenen Grenzen den Erfüllungsort.

Deshalb läßt sich auch nicht mit der Revision sagen, daß rechtlich

als Erfüllungsort nur der Sitz der Express Company in Amerika

zu betrachten sei und sonach, auch wenn die Urkunden als Ver­ pflichtungsscheine anzusehen seien, nach § 1 WechsStempG. in Verb, mit § 24 (27)

die Stempelfreiheit einzutreten habe, weil sie im

Ausland ausgestellt und nur dort zahlbar seien.

Sie sind, soweit

deutsche Zahlstellen in Betracht kommen, auch im Jnlande zahlbar

und deshalb greift die den ausländischen Wechseln und Verpflichtungs­ scheinen auch schon nach dem Stempelgesetze von 1869 gewährte Befreiung nicht Platz (vgl. Entsch. des RG.'S in Straff. Bd. 11

S. 109).

Die Rechtslage ist ähnlich dem Falle, daß eine Noten­

bank sich zur Einlösung ihrer Noten nicht nur an ihrem Hauptsitze,

sondern auch an dem Sitze ihrer Zweiganstalten oder sonstiger Geld­ institute verpflichtet.

Liegt sonach eine Anweisung der Express Company nicht vor, so kann auch von einer Anweisung des Käufers des Reiseschecks keine

Rede sein.

ES ist dies ohne weiteres klar, wenn er selbst den Be­

trag, über den das Papier lautet, einzieht. Aber auch wenn er eS weiter gibt, weist er seinen Nachmann nicht auf ein ihm zur Ver­ fügung stehendes Guthaben an, sondern er überträgt ihm die Rechte ou8 dem Papier.

Der Preis, den er beim Ankäufe des Schecks

gezahlt hat, verschafft ihm kein Guthaben, sondern ist lediglich die Gegenleistung für daS in der Urkunde verbriefte ZahlungSversprrchen. Ähneln nach dem AuSgeführten die Reiseschecks den Banknoten,

so unterscheiden sie sich von ihnen doch wesentlich dadurch, daß sie auf Namen lauten. Zahlung wird dem durch seine Unterschrift oben und unten auSgewiesenen Käufer oder btffeit Order zugesichert. Der Berufungsrichter nimmt an, daß der Nachmann auch ein Indossatar sein könne, wennschon die verbriefte Summe häufig dem Borzeiger ohne die Legitimation durch ein Jndoffament anstandslos gezahlt werden möge. Dagegen ist gleichfalls rechtlich nichts zu erinnern, von der Revision auch nichts vorgebracht. Ob im Einzelfalle von der Orderklausel Gebrauch gemacht wird, ist nicht von entscheidender Bedeutung. Handelt eS sich sonach um Verpflichtungsscheine (Zahlungs­ versprechen) an Order, so unterliegen sie auch der Versteuerung nach Maßgabe deS Wechselstempelgesetze-. ES mag zugegeben werden, daß die Reiseschecks, gleich den wirklichen Schecks und den Bank­ noten, als Ersatz der Barzahlung dienen. Aber diese wirtschaftliche Verwandtschaft vermag die Freilaffung der Reisescheck- vom Wechsel, stempel nicht zu rechtfertigen. Maßgebend ist die rechtliche Form, mittels deren der erstrebte Zweck verwirklicht wird, und diese ist die Form deS Verpflichtung-schein- an Order. Die Revision mußte demgemäß zurückgewiesen werden."

83. 1. Haften die Frau oder ihre Erben, nach Überleitnng der rheinischen Gütergemeinschaft in die FahruiSgemeiuschaft des Bürger­ lichen Gesetzbuchs, persönlich für die vor dem 1. Januar 1900 von dem Manne begründeten Gemeinschaft-schulden? Können sie sich hiervon dadurch befreien, daß sie nach rheinischem Rechte der Gütergemeinschaft entsagen? 2. Kann der Gläubiger einer vor dem 1. Januar 1900 gegen den Manu entstandenen Forderung den Erben der Frau Inventar­ stift bestimmen lasten, um sie gegebenenfalls für die Gemeinschafts­ schuld mit unbeschränkter Haftung in Anspruch zu nehme«? Preuß. AuSfGes. zum BGB. Artt. 56 §§ 1. 5; 59 8 8; 44.

IV. Zivilsenat.

Uri. v. 15. Mai 1912 i. S. R. u. Gen. (Bekt.) w. W. (Kl.).

I. n.

Rep. IV. 386/11.

Landgericht Coblenz. Oberlandesgericht Cöln.

Der Revision wnrde stattgegeben aus folgenden Gründen:

„DaS angefochtene Urteil beruht, wie von der Revision mit Recht gerügt wird, auf einer fehlsamen Anwendung der GesetzeS-

voischristen, die in Artt. 56 § 1 und 59 § 3 Abs. 1 preuß. AuSfGes.

z. BGB. vom 20. September 1899 enthalten sind. Die Klägerin ist durch Erbfolge und Erdteilung Gläubigerin einer vor dem Jahre 1900 entstandenen Forderung geworden, mit der ihr Vater Hubert H. bei der in Coblenz unter der Firma

Hubert H. & Sohn bestehenden offenen Handelsgesellschaft zu Buche stand. Einer der drei persönlich haftenden Gesellschafter dieser offenen Handelsgesellschaft war ihr Bruder Heinrich H., in dessen Ehe mit

Wilhelmine geb. H. gesetzliche Gütergemeinschaft nach den Vorschriften de- rheinischen Rechts

bestand.

Nachdem

diese Gütergemeinschaft

gemäß Art. 56 § 1 AuSfGes. in die Fahrnisgemeinschaft des Bürger­ lichen Gesetzbuchs übergegangen war, kam rS am 30. Juli 1901 zwischen der Klägerin und den drei Teilhabern der Firma Hubert

H. & Sohn zu einer Regelung deS Schuldverhältn isseS durch notariellen Vertrag. Heinrich H. und die beiden anderen Gesellschafter erkannten an, daß die Firma der Klägerin aus früheren Verpflichtungen, die dabei — so hieß e- in dem Vertrage — in ein Darlehn umgewandelt

wurden, 67000 jH verschulde. Unter näherer Festsetzung der VerzinsungS« und der Fälligkeitsbedingungen verpfändeten die Firmen­ inhaber der Klägerin 67 Geschäftsanteile einer Terraingesellschaft, erklärten

überdies,

der Klägerin persönlich Bürgschaft

zu

leisten

und unterwarfen wegen der Forderung die offene Handelsgesellschaft sowie sich selbst der sofortigen Zwangsvollstreckung.

Hierauf starb am 7. Januar 1902 Frau Wilhelmine H. geb. H. und wurde in

gesetzlicher Erbfolge von dem überlebenden Ehemann Heinrich H. und

von den sechs dieser Ehe entstammenden Kindern, nämlich den vier Beklagten, dem Dr. Karl H. und der Franziska H. beerbt.

Die Klägerin behauptet nun und der Berufungsrichter ist ihr darin beigetreten, daß sie, gestützt auf Art. 59 § 3 Abs. 1 AusfGes.,

die Beklagten als Erben der Wilhelmine H. geb. H. wegen der in der

Person

der

Ehemanns Heinrich H. entstandenen Schuldver­

pflichtung nach Maßgabe der Gesetze, die vor dem 1. Januar 1900 gegolten haben, in Anspruch nehmen könne.

In dieser Beziehung

war, wie der Berufungsrichter bemerkt, unter den Parteien unstreitig, daß durch den Vertrag vom 30. Juli 1901

die alte,

vor dem

1. Januar 1900 entstandene Schuld nicht getilgt und durch eine neue DarlehnSschuld ersetzt wurde, daß vielmehr die frühere Schuldver­ pflichtung bestehen blieb. Aus diesem Grunde aber folgt der Berufungsrichter nicht der sich anS Artt. 44, 56 § 1 AuSfGes. ergeben­

den Regel, wonach für den Güterstand einer am 1. Januar 1900 bestehenden Ehe, wenn darin Gütergemeinschaft nach den Vorschriften der rheinischen Rechts bestanden hatte, an deren Stelle die Vor­ schriften der Bürgerlichen Gesetzbuch- über die Fahrnisgemeinschaft getreten sind, sondern er geht von dem Vorbehalt au-, durch den in Ansehung ftüher entstandener Verbindlichkeiten der Ehegatten die bis­

herigen Gesetze anftechterhalten sind. Art. 59 lautet nämlich: „Für die nach den Artikeln 45 bis 58 eintretende Änderung des Güterstandes gelten folgende Vorschriften: ... § 3. In Ansehung der vor der Änderung deS Güterstandes

entstandenen Verbindlichkeiten der Ehegatten bestimmen sich die

Haftung deS eingebrachten Gutes, de- BorbehaltSguts und deS Gesamtguts sowie die persönliche Haftung der Ehegatten nach den

bisherigen Gesetzen.

Die- gilt auch für das Verhältnis der Ehe­

gatten untereinander. Soweit sich bei der allgemeinen Gütergemeinschaft die Frau nach den bisherigen Gesetzen durch die Ausschlagung ihre- Anteils

von der persönlichen Haftung befreien kann, erlischt die Haftung

mit der Beendigung der Gemeinschaft. * Die- führt den Berufungsrichter zu folgender Beurteilung der

Haftung-weise der Beklagten.

Die Erblasserin der Beklagten, Frau

Wilhelmine H., sei zwar bei ihren Lebzeiten nicht persönliche Schuld­ nerin der Klägerin gewesen, da es sich um eine nur von dem Manne vor der Überleitung begründete Gütergemeinschaftsschuld handele.

Dagegen sei mit ihrem Tode nach den maßgebenden Vorschriften

de- rheinischen Rechts und zwar gemäß Art. 1482 code civil eine persönliche Haftung der Erben für die Hälfte der Schuld getreten. Bon dieser Haftung hätten sich die Erben zwar dadurch befreien

können, daß sie nach Artt. 1456flg., 1466 der Gütergemeinschaft

entsagten. gefunden.

Eine solche Entsagung habe aber unstreitig nicht statt­ Die Überleitung der Güterstandes in das Güterrechts­

system des Bürgerlichen Gesetzbuchs sei insoweit als nicht geschehen anzusehen.

Auch von der Befugnis, ihre Haftung gemäß Artt. 1491,

1483 auf den Betrag der aus der Gütergemeinschaft bezogenen Vor­

teile zu beschränken, indem sie ein richtige- und getreues Inventar errichteten und Rechnung legten, hätten die Beklagten unstreitig keinen Der Berufungsrichter billigt jedoch, von der weiteren Erwägung aus, daß eine Verbindlichkeit in Frage stehe, die im Sinne des § 1967 Abf. 2 BGB. die Erben al- solche treffe, Gebrauch gemacht.

unter Anwendung des Art. 213 EinfGef. z. BGB. den Beklagten

die weitere Befugnis zu, sich auf die erbrechtliche Beschränkung ihrer Haftung nach §§ 1975flg. BTB. zu berufen.

Dem hierauf gestützten

Verteidigung-vorbringen der Beklagten gegenüber trete indessen die

Gegeneinrede der Klägerin in Wirksamkeit, daß die Beklagten infolge ungetreuer Jnventarerrichtung für die Nachlaßverbindlichkeiten gemäß

§ 2005 Abf. 1 Satz 1 BGB. unbeschränkt zu haften hätten. In dieser Beziehung steht unbestritten fest, daß, als der gegenwärtige Prozeß bereit- anhängig war, die Klägerin bei dem Nachlaßgerichte beantragt hat, den Erben der Frau Wilhelmine H. geb. H. gemäß

§ 1994 BGB. zur Errichtung des Inventars eine Frist zu setzen. Dem Anträge wurde entsprochen und das Inventar ist innerhalb der

gestellten Frist eingereicht, auf weiteres Verlangen der Klägerin über­

dies gemäß § 2006 BGB. auch mit dem Offenbarungseide bekräftigt worden.

Der

Berufungsrichter

hält

nun

die

Behauptung

der

Klägerin: die Beklagten hätten eine erhebliche Unvollständigkeit der

im Inventar enthaltenen Angabe der Nachlaßgegenstände absichtlich herbeigeführt, auch in der Absicht, die Nachlaßgläubiger zu benach­

teiligen» die Aufnahme nicht bestehender Nachlaßverbindlichkeiten be­ wirkt,

mit Bezug

auf die Beklagten Hubert H., Jakob H. und

Heinrich H. (den Sohn) für erwiesen, mit Bezug auf die Beklagte

Wilhelmine R. geb. H. dagegen für unerwiesen.

Dies führt ihn zu

folgendem Ergebnisse: er verurteilt, da die Klägerin bett Beklagten

gegenüber ihren Anspruch auf weniger als die Hälfte ihrer Forde­ rung, nämlich auf 30000 Jl nebst Zinsen eingeschränkt hat, die Be­ klagten als Gesamtschuldner zur Zahlung dieses Betrags, und zwar die erstgenannten drei Beklagten uneingeschränkt, die Frau Wil­ helmine R. dagegen mit dem Vorbehalte, daß sie wegen der Haupt­ summe, Zinsen und Kosten geltend machen dürfe, sie hafte nur mit der Beschränkung auf den Nachlaß ihrer am 7. Januar 1902 ver­ storbenen Matter Wilhelmine H. Der Berufungsrichter hat auf diese Weise die ehegüterrechtlichen Haftungsnormen deS rheinischen Rechts und die erbrechtlichen HaftungSnormen des Bürgerlichen Gesetzbuchs miteinander in eine derartige Verbindung gebracht, daß die den Beklagten auf erlegte Haftung von den Vorschriften sowohl deS alten als auch deS neuen Rechts beträchtlich abweicht. Wäre nämlich unter den Voraussetzungen deS gegenwärtigen Rechtsfalles rheinisches Recht anzuwenden gewesen, so hätte sich nach beendeter Gütergemeinschaft die Haftung nicht nur unter die beiderseitigen Gemeinschastsgenofsen je auf die Hälfte der Forderung teilen müssen, sondern sie wäre alsdann auch westerhin auf der Erbenseite, entsprechend den einzelnen Erbanteilen, in eine Haftung für Anteile an der Forderungshälfte zerfallen, wie denn auch jeder Erbe unabhängig von dem anderen der Gütergemeinschaft hätte entsagen und sich von feiner Anteilshaftung dadurch hätte befreien können (Artt. 1482, 1491, 873, 1220, 1475). Nur im Umfange solcher Bruchteile der Schuld würde sich, wenn die Ausschlagung unterblieb und den rheinischrechtlichen Vorschriften über die Inventur­ aufnahme nicht Genüge geschah, die Haftung auf das ganze Ver­ mögen des einzelnen Erben ausgedehnt haben. Im Gegensatz hierzu tritt nach neuem Recht irgend eine Bruchteilshaftung überhaupt nicht ein. Die in der Person deS Mannes entstandene GemeinschaftSschuld belastet, was die Haftung der Frau und ihrer Erben anlangt, in ihrem vollen Betrag auch nach beendeter Fahrnisgemeinschast zu­ nächst ausschließlich daS Gesamtgut (§§ 743, 744 ZPO ). Eine erweiterte Haftung trifft aber nach Maßgabe der §§ 1549, 1480 BGB. wie die Frau so auch deren Erben dann, wenn- es zwischen ihnen und dem Gemeinschastsgenofsen ohne vorherige Befriedigung des Gläubigers zu einer Teilung des Gesamtguts gekommen ist. Sie besteht in diesem Falle zwar ebenfalls für den ganzen Betrag der

Schuld, ergreift aber, wenn sich die Erbe» darauf berufen (§§ 786,

780 ZPO.), nicht den ganzen Nachlaß — mit dem im gegebenen Falle der Berufungsrichter die verklagte Frau R. immer noch hasten läßt —, sondern nur die

dem Nachlasse zugeteilten Gegenstände. Eine Unterverteilung, die von den Erben untereinander vorgenommen

wird, ändert daran nichts.

Diese Gegenüberstellung zeigt bereits, daß sich der Berufungs­ richter durch Art. 59 § 3 Abs. 1 AuSfGes. auf eine falsche Bahn

hat leiten lassen.

Die GesetzeSvorschrist bient dem Schutz erworbener

Rechte. Sie erweitert nicht, wie dies nach der Entscheidung der Berufungsrichters der Fall wäre, in Ansehung der vor der Über­ leitung des Güterstander entstandenen Verbindlichkeiten die Rechte

des Gläubigers über das hinaus, was ihm gebührte, wenn eS zu einer Änderung der Gesetzgebung nicht gekommen wäre. Sie bezieht sich nach den oben wiedergegebenen Eingangsworten des Art. 59 auf alle von der Überleitung betroffenen gesetzlichen Güterstände des ftüheren Rechts.

Überall da, wo für früher entstandene Verbindlich­

keiten eine persönliche Haftung der Ehegatten schon bestand, die nicht auf der Schuldverpflichtung selbst, sonder» auf den altrechtlichen

Normen deS Ehegüterrechts beruhte, soll sie in derselben Weise fort­ bestehen, auch wenn nach den an die Stelle der bisherigen Gesetze

tretenden Vorschriften deS neuen Rechts der Ehegatte persönlich nicht zu haften hätte.

Darin liegt eine landesrechtliche Ergänzung der

Vorschrift deS Art. 170 EinfGes. z. BGB., derzufolge die unein­ geschränkte Haftung eine- jeden Ehegatten, sofern sie sich auS dem

SchuldverhältniS ergibt, schon »ach Reich-recht bestehen bleibt.

Dazu

kommt, was die positive Bedeutung deS § 3 Abs. 1 anlangt, daß in

dessen zweitem Satze die bisherigen Gesetze auch insoweit aufrechterhalten sind, als sie sich bei den früher entstandenen Verbindlich­

keiten auf die Haftung der Eheleute im inneren Verhältnisse zueinander bezogen haben, wobei für daS rheinische Recht u. a. auf Art. 1431

zu verweisen ist.

Dagegen darf in Ansehung der Verhältnisses nach außen hin dem § 3 Abs. 1 Satz 1 nicht auch eine weitergehende Bedeutung bei­ gelegt werden; insbesondere nicht die Bedeutung, daß sich eine per­

sönliche Haftung der Ehegatten für früher entstandene Eheschulden nach altrechtlichen Vorschriften neu herausbilden könnte, nachdem an

deren Stelle grundsätzlich bereit- die Vorschriften de- Bürgerlichen

Gesetzbuchs getreten sind.

So auch bei der in die Fahrnisgemein-

schäft übergeleiteten Gütergemeinschaft de- rheinische» Recht-, wenn diese

nach

dem 31. Dezember 1899

endet.

Die Vorschriften deS

rheinischen Recht-, die sich auf die persönliche Haftung der Frau und ihrer Erben nach Beendigung der Gemeinschaft beziehen, stehen, wie

die Revision-begründung zutreffend hervorgehoben hat, in einem un«

trennbaren Zusammenhänge mit den Vorschriften

über

die Aus­

schlagung der Gütergemeinschaft sowie mit denen über die dingliche Wirkung

der Ausschlagung (Arlt. 1453, 1466, 1475, 1492).

ES

entstand nur eine durch Ausschlagung lösliche, nicht eine bedingungs­ lose Haftung der Frau oder ihrer Erben für die MaaneSschulden.

Wenn daher, wie die Revision geltend macht, das Ausschlagungs­ recht der Frau »ach der Überleitung de- Güterstande- fortgefallen ist, so

kann bei der Unteilbarkeit jener Vorschriften eine auf alt­

rechtlichen Normen beruhende persönliche Haftung der Frau oder ihrer Erben überhaupt nicht mehr eintreten, an Stelle der durch Aus­ schlagung löslichen nicht eine unlösliche Haftung entstehen, oder aber

Art. 59 § 3 Abs. 1 müßte den Zweck der bloßen Aufrechterhaltung

bestehender Gläubigerrechte gänzlich verfehlen. Nun trägt aber das Reichsgericht kein Bedenken, mit der Re­ vision anzunehmen,

daß, soweit die ehegüterrechtlichen Verhältniffe

sich ausschließlich nach gesetzlichen Vorschriften regeln, da- Recht der

Frau und ihrer Erben, auf die Gütergemeinschaft zu verzichten, mit dem Inkrafttreten deS neuen Recht- in der Tat beseitigt ist.

DaS

Ausführungsgesetz stellt den Güterstand der Ehen, in beiten gesetz­ liche Gütergemeinschaft nach rheinischem Recht bestanden hat, durch

Art. 56 § 1 nicht unter einen Teil, sondern unter die Gesamtheit

der Vorschriften deS Bürgerlichen Gesetzbuchs gemeinschaft.

über die Fahrnis­

Straft Gesetzes hat daher das Gemeinschaftsverhältnis

mit dem Inkrafttreten deS Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht nur für die

Zeit deS Bestehen- der Gütergemeinschaft, sondern auch für die Zeit nach deren Beendigung die ihm durch

gegebene Gestalt angenommen.

daS neue bürgerliche Recht

Es besteht also nach beendeter Güter­

gemeinschaft in Ansehung deS Gemeinguts nicht mehr die rheinisch­ rechtliche Gemeinschaft nach Bruchteilen, vielmehr dauert daS durch die Überleitung hergestellte GemeinschastSverhältniS zur gesamten Hand

nach beendeter Gütergemeinschaft Weiler fort (§§ 1549, 1442 Abs. 1, 1471 Abs. 2, 1472 BGB ).

Die Art und Weise, wie dieser Güter«

gemeinschaftSverhältniS sein Ende findet, kann sich daher grundsätzlich gleichfalls nur nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche richten. Dieses aber kennt nur eine Auseinandersetzung unter den Gemeinschaftsgenossen

(88 1471 flg.), nicht auch ein Ausscheiden auS dem Gemeinschafts­

verhältnisse durch einseitige Verzichtserklärung und mit der Wirkung,

daß sich die Rechte des Verzichtenden dadurch dinglich auf den zurück­ bleibenden GemeinschaftSgenosien übertragen könnten.

Daß mit der

Unterwerfung unter die Gütergemeinschaftssysteme deS Bürgerlichen

Gesetzbuchs da- Recht, auf die Gütergemeinschaft zu verzichten, ohne weitere- fortfiel, ist denn auch bei dem Zustandekommen deS AuSführungSgesetze- keineswegs verkannt, sondern wohl erwogen worden. Welche Stellung hierbei die preußische Landesgesetzgebung einigen

kleineren Partikularrechten gegenüber einnahm, wird weiterhin noch zu erwähnen sein.

In Ansehung der gesetzlichen Gütergemeinschaft

nach rheinischem Recht wurde die Frage in Betracht gezogen, ob

etwa die Frau nach Beendigung der Gütergemeinschaft den Gläu­ biger» und dem Manne gegenüber durch die Überleitung schlechter gestellt werde al- bisher.

Dies wurde unter Verweisung auf die

Vorschriften der §§ 1475, 1480, 1481 mit der Begründung ver­ neint, daß danach dar Bürgerliche Gesetzbuch ihr „für das beseitigte Verzichts- und Jnventarrecht" einen vollen Ersatz biete (Begr. deS

Entw.

zum

AuSfGes.,

Drucks. deS

Abg.-Hauses I. Sess.

1899

Nr. 84 Anl. S. 139, 140). Im Gegensatze zu der diesseitigen RechtSauffaflung glaubt der Berufungsrichter aus zwei besonderen Vorschriften deS Ausführungs­

gesetze- herleiten zu können, daß in Ansehung der früher entstandenen Verbindlichkeiten da- Recht der Frau und ihrer Erben, die Güter­ gemeinschaft auSzuschlagen, nach Maßgabe der früheren Gesetze fort­

bestehe.

Wäre da- richtig, so würde bei der schon hervorgehobenen

Unteilbarkeit

der hiervon handelnden Vorschriften de- rheinischen

Recht- auS dem Fortbestehen de- Verzicht-recht- allerdings der um­

gekehrte Schluß wie bei dessen Fortfall gezogen werden wüsten, daß nämlich eine persönliche Schuldverpflichtung für frühere Verbindlich­

keiten infolge verabsäumter Ausschlagung auch nach dem 31. De­

zember

1899

noch

entstehen

könne.

Die

Beweisführung

de-

Berufungsrichters beruht zunächst auf Art. 56 § 5 AuSfGes., welcher

lautet: „Ist bei einem der in den §§ 1 bis 3 bezeichneten Güterstände nach Art. 1514 des

rheinischen

Bürgerlichen Gesetzbuchs vereinbart,

daß die Frau im Falle deS Verzichts auf die Gütergemeinschaft ihr eingebrachteS Vermögen schuldenfrei zurücknehmen kann, so bleiben

für die Ausübung des Verzichts die bisherigen Gesetze maßgebend." Nach Art. 1514 war, wenn die Frau durch Ehevertrag sich aus«

bedungen hatte, das bei der Eingehung der Ehe oder nachher ein­ gebrachte Vermögen im Falle deS Verzichts auf die Gütergemeinschaft

ganz oder zum Teil zurückzunehmen, eine solche Bereinbamng wirk­ sam.

Der Berufungsrichter ist nun der Meinung, daß, wenn das

AuSführungSgesetz unter den Voraussetzvngen des Art. 1514 das

Verzichtsrecht fortbestehen lasse und die Art und Weise seiner Aus­ übung regele, dieses Recht auch im übrigen aufrecht erhalten sei. Dies trifft jedoch nicht zu. Als die Vorschrift des Art. 56 § 5 in das Gesetz ausgenommen wurde, geschah dies in der Erwägung, daß es

sich bei Art. 1514 um eine vertragsmäßige Regelung des ehelichen Güterrechts handele, die an den Grundsätzen der gesetzlichen Regelung nichts ändere, vielmehr nur Einzelheiten der gesetzlichen Regelung

betreffe.

In allen derartigen Fällen sollte nach der für alle gesetz»

lichm Güterstände gegebenm Vorschrift des Art. 59 § 5 die Vertrags­

festsetzung bei Bestand bleiben.

Da aber im Falle des Art. 1514

das Vertragsrecht der Frau an die Bedingung des Verzichts geknüpft war, so wollte man der Frau die Möglichkeit gewähren, diese Be­ dingung zu erfüllen.

Darum allein sollte es vermöge der besonderen

Vorschrift deS Art. 56 8 5 in Ansehung der Ausübung des Verzichts

bei der bisherigen Regelung verbleiben, insbesondere sollte also die durch § 69 Abs. 2 AuSfGes. z. GBGes. in der Faffnng des Gesetzevom 16. Mai 1887 (GS. S. 135) Art. I bestimmte Form der Er­ klärung bestehen bleiben (vgl. Begr. des Entw. a. a. O. S. 140fIg.).

Art. 56 §5 betrifft hiernach einen Ausnahmefall.

Fälle, in denen

die ehegüterrechtlichen Berhältniffe sich ausschließlich nach den Ge­ setzesvorschriften zu richten haben, sind davon nicht betroffen. Auch mittelbar lassen sich daraus für die Gestaltung des gesetzlichen Ehe­

güterrechts keine verallgemeinernden Schlußfolgerungen ziehen. Sodann verweist der Berufung-richter auf den oben bereit- im «ntsch. in Bifilf. R. F. 29 (79).

23

Wortlaute wiedergegebenen Absatz 2 deS Art. 59 § 3 und verwertet

ihn zu einem Umkehrschluß.

Sein Gedankengang ist der: wenn nach

dieser Vorschrift deS Absatzes 2 in besonderen Fällen der allgemeinen

Gütergemeinschaft die Frau der partikularrechtlich vorgesehenen Aus­ schlagung nicht mehr bedürfe, um von der persönlichen Haftung für

früher entstandene Verbindlichkeiten frei zu werden, dar gleiche aber für die Mobiliargemeinschast deS Code civil nicht vorgeschrieben sei,

so könne die Schulddefteiung im Gebiete deS rheinischen Rechts nach wie vor nur durch Ausschlagung erlangt werden; da- AuSschlagungSrecht sei also bestehen geblieben. Auch hierin kann dem Berufungs­ richter nicht beigetreten werden. Art. 59 § 3 Abs. 2 bezieht sich auf solche RechtSgebiete, in denen bei allgemeiner Gütergemeinschaft die

Eheschulden der Mannes zugleich eine persönliche Haftung der Frau begründeten.

Nach einigen dieser Partikularrechte (Osnabrück, Berden,

Fulda) blieb diese persönliche Haftung der Frau bedingungslos fort­

bestehen, auch wenn die Gütergemeinschaft beendet war, nach anderen (Lüneburg, Hildesheim, sowie im Geltungsgebiete deS Lübischen Rechts)

konnte sich die Fra« durch Ausschlagung ihres Anteils am Gesamt­ gute hiervon befreien.

Beim Zustandekommen des Ausführungs­

gesetzes wurde nun erwogen, daß es in den Gebieten der bedingungs­ losen Haftung für die Mannesschulden hierbei verbleiben müsse, weil eine Abschwächung der Haftung in die wohlerworbenen Rechte der

Gläubiger eingreifen würde (Begr. a. a. O. S. 115).

Dagegen sollte

durch die Vorschrift deS Art. 59 § 3 Abs. 2, mit der eS ausschließ­ lich auf die zweite Gruppe jener partikularrechtlichen Gütergemein­

schaften abgesehen war, der Fra« ein Ausgleich geboten werden dafür,

daß eine Ausschlagung deS Anteils nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nicht mehr zulässig ist.

Wiederum wurde im Hinblick auf § 1480

BGB. diese Neuerung für unbedenklich gehalten (vgl. Begr. a.a.O. S. 108, 115).

Vor allem aber beruhte die Beseitigung der persön­

lichen Haftung gerade ebenfalls auf der Annahme, daß das AuSfchlagungSrecht nicht etwa fortbestehe, sondern vermöge der überleitung in die neurechtliche Regelung ohne weiteres fortfalle.

Der

damit notwendigerweise verbundene gleichzeitige Fortfall der Eintritts

der Fra« in die persönliche Haftung schloß für daS rheinische Rechtsgebiet eine Vorschrift mit dem gleichen Inhalte wie § 3 Abs. 2 be­

griffsmäßig ans.

Vollends abzulehnen ist schließlich die Annahme, als sei nach der Überleitung de- Güterstandes ein Verzicht auf die Gütergemein­ schaft wenigsten- mit relativer Wirkung möglich, so nämlich, daß er

nur noch für daS Verhältnis zu den Gläubigern der ftüheren Zeit

eine Bedeutung habe.

Schon die Verworrenheit der RechtSzustandeS,

die sich daraus ergeben würde, daß daS dem Zugriffe der Gläubiger

unterliegende Ehegut bald als dem Manne allein, bald als den

GemeinfchastSgenoffen gemeinsam gehörig zu behandeln wäre, machen eine derartige GesetzeSauSlegung schlechthin unannehmbar. Nach alledem hasten die Beklagten für die Forderung der Klägerin nur nach Maßgabe der seit dem 1. Januar 1900 geltenden

GesetzeSvorschriften deS neuen Rechts.

Ihre Haftung erstreckt sich

zwar auf die ganze Forderung und nicht nur auf deren Hälfte, die

Beklagten sind jedoch weder persönliche Schuldner der Klägerin, noch

auch haften sie ihr mit dem ganzen Nachlaffe.

Denn selbst dann,

wenn sich die Voraussetzungen deS § 1480 BGB. erfüllt haben, hasten sie nur mit den dem Nachlaffe zugeteiltm Gegenständen.

ES

handelt sich daher auch nicht um eine Nachlaßverbindlichkeit im Sinne deS § 1967 BGB.

Nur

unter dieser Voraussetzung

wäre

die

Klägerin gemäß § 1994 Abs. 1 berechtigt gewesen, den Beklagten eine Jnventarftist setzen zu lasten und ihnen damit ein Verzeichnis der Nachlaßgegenstände und der Nachlaßverbindlichkeiten abzuverlangen.

Solange es nicht zu einer Teilung kam, war kein Gegenstand des Gesamtguts ein Nachlaßgegenstand im Sinne des Gesetzes.. Nur der

Anteil am Gesamtgute gehörte dem Nachlaffe an (vgl. §§ 1549,1442 Abs. 2, 1472 Abs. 1 BGB ). AuS einer Verletzung der Inventar­ pflicht konnte sich daher auch nicht gemäß § 2005 eine unbeschränkte

Haftung der Beklagten ergeben.

Die Erörterungen deS BerufungS-

richterS darüber, ob die Beklagten sich bei der Jnventarerrichtung der in § 2005 bezeichneten Verstöße schuldig gemacht haben, sind also für die Entscheidung ohne Bedeutung.

Damit erledigen sich zugleich

die dagegen gerichteten Prozeßangriffe der Revision.

Für eine vollständige Abweisung der Klage ist jedoch die Sache nicht spruchreif. Die Klägerin hat zunächst daS Recht, sofern eS.

nach Beendigung der FahrniSgemeinschast noch nicht zur Auseinander­ setzung gekommen ist, von den Beklagten die Duldung der Zwangs­ vollstreckung in daS Gesamtgut zu fordern.

Sie hätte in dieser

23*

Beziehung, da in dem notariellen Vertrage vom 30. Juli 1901 em vollstreckbarer Schuldtitel gegenüber dem überlebenden Gemeinschafts­

genossen Heinrich H. bereit- vorlag, den durch § 744 ZPO. vor­ gezeichneten Weg beschreiten können; die- auch nach dem inzwischen eingetretenen Tode des Heinrich H. und nachdem über dessen Nachlaß

der Konkurs eröffnet worden war (vgl. Gaupp-Stein zu § 727 unter III).

Bedenken bestehen aber auch nicht dagegen, daß anstatt

dessen entsprechend der Vorschrift des § 743 ZPO. durch Urteil de»

Beklagten die Verpflichtung auferlegt wird, sich die Zwangsvoll­ streckung in das Gesamtgut wegen der Klageforderung gefallen z« lassen (vgl. Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 46 S. 306, Gruchot Bd. 38 S. 183). Eine derartige Verurteilung ist nur dann auSgeschloffen, wenn die Auseinandersetzung beendet, ein Gesamtgut also

überhaupt nicht mehr vorhanden ist. Die Parteiauslassungen der Vorinstavze» machen in dieser Beziehung eine weitere Aufklärung deS Sachverhalts erforderlich. Die Klägerin hat sich sodann vorsorglich auch von ihrer Seite auf § 1480 BGB. berufen. Liegen die Voraussetzungen dieser GesetzeSvorschrist vor, was gleichfalls der weiteren Erörterung und Feststellung bedarf, so wird die Verurteilung

mit

dem

durch

§ 786

ZPO.

vorgeschriebenen

Vorbehalt

aus-

zusprechen fein. Die Rüge der Revision, eS sei vom Berufungsrichter übersehen, daß die Klägerin unstreitig durch den Verkauf der ihr am 30. Juli

1901 verpfändeten 67 Geschäftsanteile in Höhe von 20100 Jl be­ friedigt ist, versagt, weil, wie bemertt, die Beklagten in der vorhin

erörterten Art nicht bloß für die halbe, sondern für die ganze For­ derung haften, die geschehene Beftiedigung aber nur so weit reicht,

daß die Klägerin immer noch mehr zu fordern hat, als sie im Pro­ zesse beansprucht. ... Nebenher mag, da der Berufungsrichter in

Ansehung der Frau R. den von ihm ausgesprochenen Haftungs­

vorbehalt auf die Kostenpflicht ausgedehnt hat, auf das Urteil des Reichsgerichts

vom 11. November 1911

(Jur. Wochenfchr. 1912

S. 46 Nr. 47) verwiesen werden.

AuS den dargelegten, das materielle Recht betreffenden Gründen

mußte, obwohl die erhobenen Prozeßrügen versagten, auf Aufhebung

deS Berufungsurteils und Zurückverweisung in die Berufungsinstanz erkannt werden."

84.

Zum Begriffe des „ueugeboreuen Kindes" im Sinne des § 24 des PersonenstaudsgesetzeS vom 6. Febmar 1875.

IV. Zivilsenat.

I. H

Beschl. v. 15. Mai 1912 i. S. B. Rep. IV. 2/12.

Beschw.«

Amtsgericht Straßburg. Landgericht daselbst.

Am 1. September 1895 wurde auf dem Polizeirevier in St. von einer Frauensperson, die sich als Marie E, Tochter de- Bürger­ meisters in R. bezeichnete, ein etwa 1% Jahre alter Knabe über­ geben, der nach einem bei ihm befindlichen Zettel O. B. heißen und am 18. Februar 1894 geboren sein sollte. Die Frauensperson be­ hauptete, daS Kind kurz vorher in der M.kirche von einer anderen, ihr unbekannten Frauensperson mit der Bitte erhalten zu haben, eS kurze Zeit zu verwahren; die Person habe sich dann entfernt, sei aber nicht zurückgekehrt. Die sofort angestellten Ermittelungen be­ stätigten die Angaben der Überbringerin der Kindes über ihre eigene Persönlicheit nicht. Über die Herkunft des Kindes konnte nichts fest­ gestellt werden. Da- Kind ist der Waisenanstalt in St. überwiesen worden. Nunmehr ist bei dem Standesbeamten in St. der Antrag gestellt worden, die Auffindung des Kindes in daS Geburtsregister nach Maßgabe des § 24 PersStGes. einzutragen. Der Standes­ beamte hat die Einwägung abgelehnt, ist aber auf den Antrag deErsten Staat-anwalt- in Sttaßburg, als der Aufsichtsbehörde, durch Beschluß der Amtsgericht- in Straßburg auf Grund von 8 11 Abs. 3 de- genannten Gesetze- zur Eintragung angewiesen worden. Gegen diesen Beschluß hat nunmehr der Erste Staat-anwalt Beschwerde eingelegt mit der Begründung, daß der Findling als „neugeborenes Kind" im Sinne de- § 24 PersStGes. nicht angesehen werden könne. Da- Landgericht wie- die Beschwerde zurück. Auf weitere Beschwerde de- Ersten Staatsanwalts beschloß da- OberlandeSgericht, die Be­ schwerde dem Reichsgerichte vorzulegen. ES erachtet die Beschwerde für unbegründet, sieht sich aber im Hinblick auf § 28 Abs. 2 FrGG. an der Zurückweisung der Beschwerde gehindert durch einen Be­ schluß deS OberlandeSgericht- in Rostock (abgedr. Entsch. in Angel, der fteiw. Ger., RJAmt, Bd. 10 S. 107), in dem eine auSdehnende

Auslegung des Begriffe- de- „neugeborenen Kinde-"

abgelehnt ist.

E- wird ausgeführt, daß die Voraussetzungen des § 28 gegeben find

und heißt dann weiter in den

Gründen:

... „In der Sache selbst ist trotz der Zweifel, zu denen der Wortlaut den § 24 PersStGes. Anlaß gibt, der Ansicht des Ober» landesgerichts in Colmar beizutreten. Der § 24 stimmt wörtlich überein mit § 20 des preuß. Gesetze- vom 9. März 1874 (GS. S. 95).

Zweck der Eintragung ist nach den Motiven zu diesem Paragraphen (Nr. 84 Anl. z. d. stenogr. Ber. über die Berh. de- Abg.-Hause-,

Legi-lPer. 1873/74 Bd. 1 S. 348), übrigen- auch nach der Natur der Sache, die Feststellung der Momente und Merkmale, die dazu dienlich sein können, die Person und Herkunft de- aufgefundenen Kindes zu ermitteln. Im Sinne de- Gesetze- liegt also eine Ein­

tragung der Findelkinder in da- Geburtsregister in allen Fällen, wo da- Kind noch in einem Alter ist und unter Umständen gefunden

wird, daß e- rätlich erscheint, die Anhaltspunkte für die Ermittelung de- Personenstände- de- Kinde- für die Zukunft sicherzustellen.

Wie

da- Oberlandesgericht zutreffend darlegt, liegt eine solche Eintragung

sowohl im öffentlichen Interesse, al- auch im Interesse des Kindeselbst, da sonst jeglicher Ausweis über seine Persönlichkeit fehlen

würde. Wenn nun daS Gesetz selbst, im Anschluß an Art. 58 Code civil, der von „enfant nouveau-n6“ spricht, die Eintragung

nur für „neugeborene" Kinder vorsieht, so ist, wie da- Oberlandes­ gericht mit Recht hervorhebt, dieser Begriff an sich wenig bestimmt und einer verschiedmen zeitlichen Ausdehnung zugänglich.

Festgelegt

ist nur der Beginn des Zustande-, der eine Voraussetzung für die

Eintragung bilden soll, unbestimmt seine Dauer.

Es erscheint daher

nicht gerechtfertigt, wenn man bei der Auslegung des Gesetze- streng

am Wortlaute haften, den Begriff abstrakt und ohne Berücksichtigung de- Zwecke-, den daS Gesetz verfolgt, bestimmen vnd die Eintragungs­

fähigkeit, wie ein Teil der Schriftsteller tut, auf Kinder beschränken will, deren Alter vielleicht nach Stunden, höchsten- nach Tagen oder

Wochen, nicht aber nach Monaten oder gar Jahren zählt.

Eine­

gesetzlichen Anhalt- entbehrt auch die Meinung, daß die Vorschrift

auf Kinder zu beschränken sei, von denen angenommen werden müsse,

daß sie bisher verheimlicht und noch nicht zum Standesregister an«

gemeldet seien.

Denn die Möglichkeit, daß ein Kind bereits ein­

getragen ist, liegt auch vor, wenn die Auffindung kurz nach der

Geburt erfolgt, und die Möglichkeit der Eintragung der Geburt kann für die Feststellung der Persönlichkeit de- Kindes nichts nützen,

weil die Eintragung unbekannt ist; sie macht also die Eintragung der

Auffindung nicht überflüssig. Mrd nachträglich die Eintragung der Geburt deS Findlings ermittelt, so bieten die §§ 26, 65flg. PersStGes. eine Handhabe zur Löschung deS Eintrags über die Auffindung. Dar Oberlandesgericht in Rostock macht gegen die hier vertretene

Auffassung, abgesehen von dem Wortlaute deS Gesetzes, geltend, daß sie dazu führen müsse, auch andere Personen, die sich über ihre

Person nicht auSweisen könnten, z. B. Geisteskranke oder Taubstumme, in das Geburtsregister einzutragen.

Mit Recht führt demgegenüber

das OberlandeSgericht in Colmar aus, daß diese Folgerung schon

deshalb abzulehnen sei, weil e- sich »ach § 24 PersStGes. um neu­ geborene Kinder, also jedenfalls um Personen im frühesten KindeSalter handeln müsse.

Die Frage aber, ob ein Kind als „neugeboren"

im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist, kann immer nur nach Lage

der Umstände deS Einzelfalls entschieden werden, und es läßt sich

nicht als rechtSirrig bezeichnen, wenn im vorliegenden Falle das Amtsgericht und da- Landgericht die Frage bejaht haben, obwohl da- Findelkind schon etwa V/a Jahre alt war." ...

85,

Kaun gegen eine Hypothekenfordernvg nicht nnr mit einer

kleineren Gegenfordernug, sondern auch mit einem Teile davon aus­

gerechnet werden?

BGB. §§ 387, 389, 266, 242. V. Zivilsenat.

Urt. v. 15. Mai 1912 i.S. B. (Bekl.) w. 91 (Kl.).

Rep. V. 59/12. I. II.

Landgericht Magdeburg. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Mit der Behauptung, daß der Beklagte durch Verletzung eines

Wettbewerb-Verbots die im notariellen Kaufverträge vom 18. September

1909 für diesen Fall vereinbarte Berttagsstrafe von 6000 Jt ver­ wirkt habe, und mit der Erklärung, daß er mit einem Teilbeträge

der Strafforderung von 650 Jl gegen die für den Beklagten auf seinem Abdeckereigrundstück hypothekarisch eingetragene Restkaufgeldforderung von 21000 Jl aufrechne, begründete der Kläger den Klagantrag: dm Beklagten zu verurteilen, die Hypothek in Höhe von 650 Jl zur Löschung zu bringen. Der Beklagte erhob Widerklage mit dem Antrag auf Feststellung, daß dem Kläger ein Anspruch auf die Vertragsstrafe von 6000 Jl nicht zustehe. Die Entscheidung über diese Widerklage hat da- OberlandeSgericht von einem richterlichen Eide des Klägers abhängig ge­ macht, wogegen der Beklagte Reviston einlegte. Die Klage dagegen wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen, der Kläger schloß sich deshalb der Revision des Beklagten an. Seine Anschlußrevisio» ist zurückgewiesen worden. AuS dm Gründen: ... „Ohne Grund beanstandet die Anschlußrevision die Ent­ scheidung auf die Klage. Daß der Anspruch deS Klägers auf Einwilligung in die Löschung der Restkaufgeldhypothek in Höhe von 650 Jt begründet sein würde, wenn der Kläger den Beklagten in dieser Höhe befriedigt hätte, und daß eS auch dann zutresien würde, wenn die Beftiedigung durch Aufrechnung bewirkt wäre, erhellt aus § 1144 und § 1142 Abf. 2 BGB. und ist vom Berufungsgerichte nicht verkannt. ES nimmt aber an, daß eine Beftiedigung des Beklagten durch den Kläger in der angegebmm Höhe mittels Aufrechnung nicht stattgefunden habe, well der Kläger die von ihm gewollte Auftechnung vorzunehmen nicht in der Lage gewesen sei. Den entscheidenden, wenngleich erst an zweiter Stelle stehenden Grund für diese seine Annahme entnimmt eS dem 8 266 BGB. Dabei erkennt es an, daß bei der Auftechnung eine „Teilleistung" insofern statthaft sei, als nach § 389 BGB. auch mit einer kleinerm Forderung gegen eine größere Gegenforderung aufgerechnet werde« könne; eS meint jedoch, daß die kleinere zur Aufrechnung verwendete Forderung dann jedenfalls ihrem ganzen Betrage nach aufgerechnet werden müsse. Die gleiche Annahme wird von namhaften Schriftstellern1 vertreten. Unmittelbar auf § 266 1 Kohler, Kompensation und Prozeß in d. Zeitschr. für D. Zivilproz. 8b. 20 auf S. 18/14; Leonhard, Aufrechnung auf S. 154. D. E.

läßt sie sich freilich schon deshalb nicht stützen, weil die Aufrechnung mit einem Teil einer Forderung keine Teilleistung ist, «nd zweifel­ haft kann erscheinen, ob sie sich in ihrer Allgemeinheit überhaupt

rechtfertigen läßt.

Sie wird aber begründet, soweit aus einer solchen

Teilaufrechnung dem Gläubiger, gegen besten Forderung aufgerechnet werdm soll, Belästigungen erwachsen, auS dem Recht-gedanken, der dem § 266 und in allgemeiner Gestalt dem § 242 BGB. zugrunde

liegt.

Zu Teilleistungen ist der Schuldner deshalb nicht berechtigt,

well eine Leistung in Teilen, wo sie nicht nach dem besonderen In­

halte des Schuldverhältniffes geboten oder zulässig ist, den Gläubiger beschwert und deshalb nicht eine Leistung ist, wie Treu und Glauben Diese Rücksichtnahme auf Treu «nd Glauben ist nun nicht nur da geboten, wo der Schuldner seine Schuld durch Bewirkung

sie erfordern.

der geschuldeten Leistung, sondern auch da, wo er sie in anderer

Weise tilgt oder tilgen will, und ihr widerspricht eine auf bloßer Schuldnerwillkür beruhende stückweise erfolgende Tilgung der Schuld,

aus der dem Gläubiger Belästigungen erwachsen, nicht weniger, wenn sie mittels Aufrechnung mit Teilen einer Gegenforderung bewirkt

wird, als wenn sie durch Teilleistungen erfolgt.

Belästigungen er­

heblicher Art aber ergebe» sich für den Gläubiger einer Hypotheken­ forderung bei jeder stückweise erfolgenden Befriedigung, wenn er sich, wie im vorliegenden Falle, um Befriedigung durch den Schuldner-

Eigentümer handelt, aus den §§ 1142—1145 BGB., denn sie ver­

vielfältigt für ihn die insbesondere in dm §§ 1144 und 1145 Satz 2

bezeichneten Verpflichtungen. Rechtfertigt

sich

schon

hiemach

die Zurückweisung der vom

Kläger beabsichtigte« Teilaufrechnung und damit die Abweisung des Hauptantrages der Klage, so erübrigte sich ein Eingehm auf dm anderen vom Berufungsgericht dafür angegebmm Grund.«...

86.

Unter welche« Voraussetzungen unterliegt das Rückkanfgeschäft den für das Pfandleihgeschüft geltenden Vorschriften? GewO. 83 34, 38.

Pieuß. Gesetz, betr. daS Pfandleihgewerbe, vom 17. März 1881

88 l flS.

VL Zivilsenat.

Urt v. 15. Mai 1912 i. S. Fr. Konkurs (Kl.) w.

I. (Bekl.). I. II.

Rep. VI. 473/11.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Zwischen dem am 1. Oktober 1910 verstorbenen Kaufmann Fr. und dem Beklagten war am 7. Juli 1910 ein Vertrag zustande gekommen,

wonach Fr. an den Beklagten eine Reihe von Schmucksachen aus

Perlen und Diamanten zum Gesamtpreise von 10000 Jl verkaufte,

wogegen dem Fr. ein Rückkaufsrecht

eingeräumt

wurde,

das er

spätestens bis zum 31. Dezember 1910 gegen Zahlung eines Rückkauf-

preise- von 12200 Jl ausüben mußte.

Am 19. Dezember 1910

wurde der Konkurs über den Fr.'fchen Nachlaß eröffnet und der

Kläger als Konkursverwalter über den Nachlaß bestellt. Mit Schreiben vom 17. Januar 1911 teilte der Kläger dem Beklagten mit, daß er die von dem verstorbenen Fr. verkauften Schmucksachen wieder ein­

lösen wolle, was Beklagter als verspätet ablehnte. Kläger erhob deshalb Klage mit dem Anträge, den Beklagten zu verurteilm, die verkauften Schmucksachen gegen Zahlung eines Betrags von 10000 jH

herauSzugeben oder den Wert mit 40000 jH nebst Zinsen zu zahlen. In den Borinstanzen wurde die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägers ist da- Berufungsurteil aufgehoben worden au- folgenden

Gründen:

... „Mit Recht rügt die Revifion Verletzung der §§ 34, 38 GewO, und der Vorschriften des preußischen Gesetzes vom 17. März

1881 (GS. S. 265), betreffend das Pfandleihgewerbe, deren Anwend­ barkeit auf dm vorliegenden Fall zu prüfen da- Berufungsgericht

unterlaflen hat.

Hierzu war eS, auch ohne daß der Kläger auf die

entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen ausdrücklich hinwieS, schon um deswillen verpflichtet, weil der Kläger sowohl in der Klageschrift,

wie in der Berufungsbegründung behauptet hatte, der zwischen dem verstorbmen Fr. und dem Beklagten am 7. Juli 1910 abgeschlossene Vertrag sei ein verschleierter Pfandvertrag.

§ 34 Abs. 2 GewO,

bestimmt nun mit Bezug auf Geschäfte wie daS vorliegende: „AIS Pfandleihgewerbe gilt auch der gewerbsmäßige Ankauf be­ weglicher Sachen mit Gewähmng des Rückkaufsrechts".

Ferner schreibt § 38 Abs. 2 GewO, vor:

„Die ... hinsichtlich der Pfandleiher bestehenden landesgesetzlichen

Bestimmungen finden auf den im § 34 Abs. 2 bezeichneten Ge­ schäftsbetrieb Anwendung. Soweit eS sich um diesen Geschäfts­ betrieb handelt, gilt die Zahlung der Kaufpreises al- Hingabe des DarlehnS, der Unterschied zwischen dem KavfpreiS und dem

verabredeten RückkaufSpreiS als bedungene Vergütung für das Darlehn und die Übergabe der Sache als Verpfändung derselben

für daS Darlehn." Nach den hier mitgeteilten Bestimmungen hat daS Reich-recht die Personen, die gewerbsmäßig Rückkaufgeschäfte abschließen, den Pfandleihern in der Weise völlig gleichgestellt, daß die von ihnen abgeschlossenen Rückkaufgeschäfte mit einer jeden Gegenbeweis aus­

schließenden Recht-vermutung als Pfandleihgeschäfte in der vom Gesetze bestimmten Weise zu behandeln find. Daraus folgt weiter, daß eS seit Inkrafttreten der Novelle zur GewO, vom 23. Juli 1879 (RGBl. S. 267), durch die Abs. 2 deS § 34 und Abs. 2 des § 38 GewO, ihre jetzige Fassung erhalten haben, innerhalb deS Deutschen Reichs

Rückkaufshändler im Sinne des Gesetzes nicht mehr gibt und geben kann, daß vielmehr ihre geschäftliche Tätigkeit vom Gesetz al- die­ jenige eine- Pfandleihers charakterisiert wird.

Alle- die- gilt fteilich hinsichtlich des Rückkaufgeschäfts nnr dann wenn es sich um eitlen „gewerbsmäßigen Ankauf beweglicher

Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts" handelt, nicht dagegen dann,

wenn

Frage steht.

der

Abschluß

eine-

einzelnen

RückkanfgeschästS

in

Im vorliegenden Falle ist freilich nnr festgestellt, daß

der Beklagte daS eine der Klage zugrunde liegende Rückkanfgeschäst

abgeschlossen hat.

Gleichwohl unterliegt eS keinem Bedenken, auch

dieses Geschäft als ein unter die Vorschriften der §§ 34 Abs. 2, 38 Abs. 2 GewO, fallende- Geschäft zu charafterisieren.

Denn da

nach der Feststellung deS Berufungsgerichts der Beklagte ein „Pfand­

leiher" ist, also die Pfandleihe gewerbsmäßig betreibt, so ergibt sich

hieran-, daß auch daS hier vorliegende Geschäft in bot Rahmen seine- Geschäftsbetrieb- fällt (vgl. §§ 343, 344 Abs. 1 HGB.). Seit Inkrafttreten der Novelle vom 23. Jnli 1879 und der dadurch be­ wirkten Gleichstellung deS Rückkaufgeschäfts mit dem Pfandleihgeschäft

kann eS nämlich rechtlich leinen Unterschied begründen, ob der Pfand-

leiher sein Gewerbe durch Abschluß eigentlicher Pfandleihverträge oder

durch Abschluß von Rückkaufgeschäften, also verschleierten und kraft Gesetze- den Pfandleihverträgvn gleichgestellten Pfandleihgeschäften be­

tätigt. Jede- einzelne Rückkaufgeschäft, da- ein Pfandleiher abschließt, stellt die gewerbsmäßige Betätigung seine- PfandleihgewerbeS dar

und fällt deshalb unter die Vorschriften der §§ 34 Abs. 2 und

38 Abs. 2 GewO, (ähnlich schon Entsch. de- RG.'S in Straff. Bd. 4 S. 203:

„Es muß davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber

Rückkaufgeschäfte, soweit sie im Gewerbe der Pfandleiher und Rück­ kauf-Händler vorkommen, den einfachen Pfandgeschäften für die Frage de- Wucher- hat gleichstellen wollen"). Die Gewerbeordnung ist nun freilich in erster Linie dazu be­ stimmt, die öffentlichrechtlichen Verhältnisse der Gewerbetreibenden zu

regeln, so daß ihre Vorschriften hauptsächlich für da- Gebiet deDaneben aber enthält die Gewerbeordnung eine Reihe von Vorschriften, die in daGebiet de- bürgerlichen Recht- eingreifen und auch dazu bestimmt sind, privatrechtliche Verhältniffe zu regel«, wie die- z. B. hinsichtlich

Verwaltung-» und de- Strafrecht- Bedeutung haben.

der Vorschriften der §§ 10, 26,115,115a, 116—119b, 121—125, 126b, 127b, 127d, 127e, 127f, 127g, 133a—133k, 134 Abs. 1,

134 c, 139 k, 152 der Fall ist.

Daß in dieser Weise auch die Vor­

schriften der §§ 34 Abs. 2 und 38 Abs. 2 GewO, die privatrechtlichen Verhältniffe zu regeln bestimmt sind, kann nicht zweifelhaft sein. Die Vorschrift de- § 38 Abs. 2 Satz 2, worin gerade für da- Gebiet

de- bürgerlichen Recht- bestimmt ist, daß bei dem gewerbsmäßig ab­ geschlossenen Rückkausgeschäst die Zahlung de- Kaufpreise- al- Hin­

gabe de- Darlehn-, der Unterschied zwischen dem Kaufpreis und dem verabredeten Rückkaufspreis als bedungene Vergütung für da- Dar­ lehn und die Übergabe der Sache al- deren Verpfändung zu gelten

hat, läßt deutlich erkennen, daß die Gewerbeordnung beabsichtigt hat, die Rechtsstellung der Rückkaufshändler auch für da-Gebiet de- Privat-

rechts zu regeln. Die hier au- dem Wortlaut hergeleitete Auslegung de- Gesetzeentspricht Zwecke,

sowohl

wie

dem

Da-

Bundesgesetz

betr.

die

dem

au-

darin vom

der Entstehungsgeschichte

niedergelegten

Willen

14. November 1867

vertragsmäßigen

Zinsen,

wodurch

de-

erkennbaren

Gesetzgeber-.

(BGBl.

im

S. 159),

allgemeinen

die

Höhe der Zinsen

der freien Vereinbarung überlassen wurde, be­

stimmte im § 4:

„. .. Die Vorschriften für die

gewerblichen Pfandleihanstalten

werden durch diese- Gesetz nicht berührt." Durch diese Vorschrift wurden die

strengen

lande-rechtlichen

Zinsbeschränkungen für die Pfandleiher aufrecht erhalten, während

im übrigen sog. „ZinSfreiheit" eingeführt war.

Au- diesem Grunde

betrieben bie Pfandleiher, trotzdem sie an sich nach der Gewerbeordnung in der Fassung de- Gesetze- vorn 21. Juni 1869 einer Konzession

nicht bedurften, vielmehr lediglich dem § 35 GewO, unterstellt waren, ihr Gewerbe vielfach nicht in der Form der eigentlichen Pfandleihe, sondern in der de- Rückkaufgeschäfts, einer „verschleierten Pfandleihe". Die hierbei sich zeigenden Mißstände gaben dem Gesetzgeber bereit-

im Jahre 1876 Veranlassung, die Vorschrift de- § 860 Nr. 12 StGB., die sich in ihrer ursprünglichen Fassung nur auf die eigent­ lichen Pfandleiher bezog, durch die Novelle vom 26. Februar 1876 (RGBl. S. 25) auch auf die Rückkauf-Händler au-zudehnen, weil,

wie eS in der amtlichen Begründung (RT.-Druckf. Nr. 54 S. 58, 2. LegiSlPer. 3. Seff. 1875) heißt, die Rückkaufgeschäfte in der Regel verschleierte Pfandgeschäfte sind und der Beweis, daß sie die- sind,

schwer zu führen ist.

Dieser Standpunkt der Gesetzgebung erlangte

dann einen noch klareren Ausdruck in der Begründung der Novelle zur Gewerbeordnung vom 23. Juli 1879 (RGBl. S. 267), wodurch

die §§ 34 und 38 GewO., soweit sie sich auf die Pfandleiher und Rückkauf-Händler beziehen, ihre noch jetzt geltende Fasiung erlangt haben.

Er heißt nämlich dort (RT.-Drucks. Nr. 156, 4. LegiSlPer.

2. Sess. 1879 Bd. 3 S. 20flg.): „Pfandleiher und Rückkauf-Händler betreiben, der rechtlichen Form nach, verschiedene Geschäfte; wirt­

schaftlich stehen beide Gewerbe sich nahe, sie sind auf die Befriedigung gleicher Bedürfnisse gerichtet und für den Verkehr mit denselben Bevölkerung-klassen bestimmt" usw.

... Die gleichen Gedanken von der völligen rechtlichen Gleich­ stellung der Pfandleiher und Rückkauf-Händler sind in der Begründung zn dem Entwurf de- preußischen Gesetze- vom 17. März 1881 (GS.

S. 265), betr. da- Pfandleihgewerbe (Drucks, de- Herrenh. Nr. 5; Sten. Ber. Bd. 2 Anl. zu den Verh. de- Herrenh. Sefl. 1880/81

S. 20), ferner in dem Komm.-Ber. (Drucks. Nr. 30 de- Herrenh.

S. 275 und 276) und endlich in der Rede de- Berichterstatters Ada«in der Sitzung des Herrenh. vom 16. Dezember 1880 (a. a. O. Bd.l S. 31) zum Ausdrucke gelangt. Greifen also im vorliegenden Falle die §§ 34 und 38 GewO. Platz, so mußte dar Berufungsgericht gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 GewO, die hinsichtlich der Pfandleiher bestehenden Bestimmungen depreußischen Gesetze- vom 17. März 1881, betr. da- Pfandleihgewerbe, zur Anwendung bringen, die nach Art. 94 Abs. 1 EinfGes. z. BGB. durch da- Bürgerliche Gesetzbuch nicht berührt worden sind." ...

87. flamt ein richterliche- Protokoll über Errichtung einer öffent­ lichen Urkunde, worin die Feststellung fehlt, daß er vorgelesen, von den Beteiligten genehmigt nad von ihnen eigenhändig unterschrieben worden ist, von dem Richter durch nachträgliche Beifügung dieser Feststellung wirksam ergänzt WerdenGesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit § 177 Abs. 1 Satz 2. IL Zivilsenat. Urt v. 17. Mai 1912 i. S. A. W. (Kl.) und v. R. (Nebeninterv.) w. W. (Bell.). Rep.H. 50/12. I. IL

Landgericht Berden.

Oberlandesgericht Celle.

Au- dm Gründen: „Die Klägerin verlangt Auflassung der dem Beklagten gehörigen „Großbrinksitzerstelle" auf Grund einer am 6. August 1908 vor dem Amtsgericht B., da- durch den Nebenintervenienten Amtsrichter v. R. vertreten war, beurkundeten „Übergabevertrags". Die Klage ist von dem Berufungsgericht abgewiefm worden mit der Begründung, der Vertrag fei in Ermangelung der in § 313 BGB. vorgeschriebenen gerichtlichen oder notariellen Beurkundung nichtig, weil in dem darüber gemäß § 177 FrGG. errichteten Protokolle die in Abs. 1 Satz 2 daselbst vorgeschriebene Feststellung, daß da- Protokoll vorgelesen, von den Beteiligten genehmigt und von ihnen eigmhändig unter­ schrieben worden, nicht enthalten sei.

Die hiergegen

gerichtete Revision kann leinen Erfolg haben.

DaS Berufungsgericht hat festgestellt, daß daS Protokoll in seiner ursprünglichen Fassung, wovon der Klägerin eine Ausfertigung erteilt

worden ist, so lautete, daß nach Beurkundung der Vertragserklärungen

der Beteiligten und nach ihren Unterschriften lediglich der von dem Nebenintervenienten geschriebene Vermerk folgt „Beglaubigt tt. 9t.*.

Das Berufungsgericht erwägt zunächst ohne Recht-irrtum, daß in diesen Worten die von dem Gesetze verlangte dreifache Feststellung

jedenfalls nicht zu finden ist. der Ausdruck

„beglaubigt*

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob

als

hinreichende Feststellung, daß die

Unterschriften von den Beteiligten eigenhändig vollzogen worden sind,

angesehen werden kann.

Auch wenn man die- annimmt, fehlt noch

die weiter erforderliche Feststellung, daß daS Protokoll den Beteiligten vorgelesen und von ihnen genehmigt worden ist; die letztere Fest,

stellung kann durch *bte Feststellung der eigenhändigen Unterschrift

nicht ersetzt werden, da daS Gesetz ausdrücklich beide Feststellungen nebeneinander verlangt.

DaS Berufungsgericht hat aber weiter festgestellt, daß auf An­

trag der Klägerin in der Urschrift deS Protokolls am 20. Juli 1911 von dem Nebenintervenienten die Worte:

„Beglaubigt v. 9t.* ge­

strichen worden sind und daß folgender Zusatz gemacht worden ist:

„Diese- Protokoll, in welchem heute, am 20. Juli 1911, die nach den Unterschriften der Erschienenen folgenbat Worte »begl.« und

»v. R.« gestrichen worden sind, wurde, wie der oben genannte Richter

auf Grund klarer und vollständiger eigener Erinnerung heute,

bat

20. Juli 1911, bezeugt, in der Verhandlung vom 6. August 1908 den Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und mit den obigen

Namen-zügen, deS Großbrinksitzers H. W. und der Haustochter B. W.,

eigenhändig

unterschrieben,

v. R.*

DaS

Berufungsgericht

läßt

dahingestellt, wie die Sachlage zu beurteilen sein würde, wenn der Richter die Urkunde nicht alsbald nach ihrer Errichtung, sondern erst

am 20. Juli 1911

durch seine Unterschrift äußerlich abgeschlosien

und dabei die hier ftagliche Feststellung getroffen hätte, und wenn

vorher keine Ausfertigung erfolgt wäre.

ES erwägt, daß, nachdem

der 9tichter durch seine NamenSunterschtist die Urkunde äußerlich ab­ geschloffen und durch

den Vermerk:

„Zu den Akten* auch zu er­

kennen gegeben hatte, daß für ihn der Akt der Urkundenaufnahme

beendigt sei, nachdem ferner die Urkunde in die Gericht-schreiberei

gelangt und eine Ausfertigung davon erteilt war, der „Abschluß deS

Rechtsgeschäfts"

endgültig vollzogen

und

nicht-

mehr

nachgeholt

werden konnte, waS bis dahin nicht vorgenommen war, und daß die Willenserklärungen der Parteien, sofern sie an einem wesentlichen Formmangel litten, nicht durch einseitige Handlungen der Urkunds­

person, auch wenn diese im Einverständnis

eine- der Beteiligten

erfolgten» zu formgültigen gemacht werdm konnten.

Dar in der

Urkunde beurkundete Rechtsgeschäft sei deshalb trotz deS nachträglichen

Vermerk- nichtig, weil die Urkunde der im Gesetze vorgeschriebenen Form entbehre. Dieser RechtSauffasiung ist im Ergebnisse jedenfalls beizutreten.

Dabei ist davon auszugehen, daß, wie das Reichsgericht unter Auf­ gabe einer früher (in einem Urteile vom 11. Juli 1905, Jur. Wochenschr. S. 541 Nr. 33)

ausgesprochenen Ansicht nunmehr wiederholt an­

genommen hat, Entsch. deS RG.'S in Zivils. Bd. 62 S. 1, Bd. 63 S. 31flg.,

die in § 177 Abs. 1 Satz 2 FrGG., und ebenso für die Errichtung von Testamenten in § 2242 Abs. 1 Satz 2 BGB., erforderte Fest­

stellung, daß da- Protokoll vorgelesen, von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben worden ist, nicht selbst zu denjenigen Teilen der Protokolls gehört, welche nach § 177 Abs. 1 Satz 1 FrGG. und § 2242 Abs. 1 Satz 1 BGB. vorgelesen, von den Beteiligten genehmigt und unterschrieben werden müssen, und daß deshalb der Feststellungsvermerk den Unterschriften der Beteiligten im Protokolle

nachfolgen kann.

Hieraus wird aber auch weiter zu folgern sein,

daß, da da- Gesetz eine zeitliche Einheit der Akterrichtung (unitas

actus) nicht vorschreibt, diese Feststellung nicht notwendig im Laufe der Verhandlung selbst in Gegenwart der „Beteiligten" zu erfolgen

braucht, sondern auch nachher noch in Verbindung mit der in § 177

Abs. 3 vorgeschriebenen Unterschrift der bei der Beurkundung mit­

wirkenden Personm, im vorliegenden Falle also des beurkundenden Richters, erfolgen kann, wobei dahingestellt werden kann, welche zeit­

liche Grenze einer solchen nachträglichen Vollziehung eine- noch nicht

durch Unterschrift deS Urkundsbeamten abgeschlossenen Protokoll- ge­ zogen werden muß.

Im vorliegenden Falle handelt eS sich nicht um die Ergänzung

oder Berichtigung eines noch nicht vollzogenen Protokolls, sondern eS ist die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein durch die Unterschrift des beurkundenden Beamten bereits voll» zogenes Protokoll, dem eine wesentliche Förmlichkeit, nämlich die in § 177 Abs. 1 Satz 2 FrGG. vorgeschriebene Feststellung fehlt, durch nachträgliche Heilung dieses Mangels gültig werdm kann. Diese Frage war bereits unter der Herrschaft der preußischen Notariats­ ordnung vom 1. Juli 1845 bestritten. Weißler (DaS Notariat der preußischen Monarchie, Kap. 27III S. 257) führt aus, der Notar könne nicht nur seine Unterschrift nachbringen, sondern auch die Teile, die er allein auszustellen und zu zeichnen hat, also namentlich dain § 14 NotO. vorgeschriebene „Schlußzeugnis" — dessen Inhalt im wesentlichen bet in § 177 Abs. 1 Satz 2 des Reichsgesetzes vor» geschriebenen Feststellung entsprach — auch allein berichtigen und ergänzen, selbst wenn er sie schon unterschrieben habe, allerdings nur in der Form selbständiger Bescheinigungen (Nachtragsatteste). Er nimmt zur Begründung seiner Ansicht Bezug auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen hinsichtlich der Berichtigung der Hauptoerhandlungsprotokolle im Strafverfahren. Allein die Ansicht WeißlerS ist bereits vom Reichsgericht in einer unter der Herr­ schaft der preußischen Notariatsordnung ergangenen Entscheidung (Zivils. Bd. 43 S. 274) zurückgewiesen worden. Das Reichsgericht führt dabei aus, das notarielle Protokoll bilde ein Ganzes, wovon daS in § 14 vorgeschriebene Schlußattest und die Unterschrift des Notars ein wesentlicher Teil sei; mit der Unterschrift de- Notarsei der notarielle Akt beendigt, daS Protokoll geschloffen; daher bilde, wenn daS Schlußattest in einem besonderen nachfolgenden Akte «teilt werde, dieser Akt keinen Teil deS Protokolls, sei also keine öffentliche Urkunde. Hieraus ergebe sich, daß wesentliche Mängel deS Protokoll­ nicht durch nachträgliche Atteste deS Notars geheilt werden könnten. Diese Rechtsauffassung muß auch unter der Herrschaft deReichsgesetzeS über die Angelegenheiten der fteiwilligen Gerichtsbar­ keit als zutreffend erachtet werden. Allerdings kennt da-Reichsgesetz nicht, wie die preußische Notariatsordnung, ein besondere-, als solchebezeichnetes „Schlußzeugnis". Aber aus der Reihenfolge der in § 177 aufgestellten Formvorschriften und au- der Bedeutung der in Abs. 3 daselbst vorgeschriebenen Unterschrift der Urkundspersonen ergibt Entsch. in Zivils. R. F. 29 (79).

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sich, daß mit dieser Unterschrift der Akt der Protokollerrichtung als beendigt und daS Protokoll als abgeschloffen zu gelten hat. Eine Wieder­ eröffnung de- Protokoll- zum Zwecke der Hinzufügung weiterer Be­ urkundungen, die als Teile des Protokolls sich darstellen sollen, er­ fordert also zunächst die Beseitigung der Unterschrift deS Urkundsbeamten. Eine solche hat der Nebenintervenient durch Streichung der Worte: »Beglaubigt v. R." versucht. Diese Streichung war aber nnzulässig, da derjenige, welcher eine Unterschrift abgegeben hat, sie nach all­ gemeinen Recht-grundsätzen nnr so lange einseitig zurücknehmen kann, als er berechtigt ist, über die unterschriebene Urkunde zu verfügen. Im vorliegenden Falle ist festgestellt, daß der Richter durch den Vermerk: „Zu den Akten!" zu erkennen gegeben hat, daß er dm Akt der Urkundmerrichtung al- bemdet ansah, daß die Urkunde zur Gericht-schreiberei gelangt ist und daß sogar der Klägerin bereit­ eine Ausfertigung erteilt worden war, so daß die Urkunde vor der Streichung der Unterschrift bereits in unverkennbarer Weise in der Außenwelt in Erscheinung getreten ist. Jedmfallr war spätesten» von Erteilung der Ausfertigung ab die Zurücknahme der Unterschrift und damit die Wiedereröffnung des abgeschlossmm Protokolls ohne Zustimmung aller Beteiligten wirkungslos. Blieb aber die Unter­ schrift des Richters bestehen und damit das Protokoll abgeschloffm, so kann die nachträgliche Beifügung der in § 177 Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebenen Feststellung nur als ein besonderer Beurkundungsakt aufgefaßt werden, der keinen Teil de- Protokolls bildet. § 177 schreibt aber vor, daß die Feststellung „im Protokolle" zu erfolgen hat. Durch eine Feststellung in einem besonderen Akte wird diesem Formerfordernisse nicht genügt. Wenn die neuere Rechtsprechung deS Reichsgerichts in Straf­ sachen die nachträgliche Berichtigung eines abgeschlossenen SitzungS« Protokolls durch übereinstimmende Erklärungm des Vorsitzenden und deS Gericht-schreiber- in gewissen Grmzm zugelaffen und solche Erklärungen al- Teile des Protokolls angesehen hat, vgl. namentlich Entsch. in Strass. Bd. 19 S. 867, Bd. 21 S. 200, Bd. 24 S. 214; vereinigte Strafsenate Bd. 43 S. Iflg., so kann daraus nichts für die Zulässigkeit de- gleichen Verfahrengefolgert werdm bei Beurkundung von zivilrechtlichen Rechtsgeschäften, bei welchen ganz andere Gesichtspunkte, namentlich auch Rücksichten

der Verkehrssicherheit, in Betracht kommen müssen. Diese Rücksichten lassen e- nicht z«, daß eine sich als abgeschlossen darstellende vnd so bett Beteiligten zugänglich gemachte gerichtliche oder notarielle Ur* künde, der ein wesentliche- im Gesetze vorgeschriebenes Formerfordernis fehlt, desien Mangel die Nichtigkeit der beurkundeten Rechtsgeschäfts nach sich zieht, durch einseitige Feststellungen des beurkundenden Be­ amten» die noch dazu auf Grund einer immerhin unsicheren persön­ lichen Erinnerung erfolgen, nachträglich zu einer formgerechte« öffent­ lichen Urkunde wird und daß hierdurch das bisher nichtige Rechts­ geschäft Wirksamkeit erlangt. Durch eine solche Möglichkeit würden die berechtigten Interessen sowohl der BertragSparteien, wie auch dritter Personen, die sich auf die au- der Urkunde hervorgehende Nichtigkeit de- Rechtsgeschäft- verlaffen haben und »erfassen durften, in unerträglicher Weise gefährdet werden (so auch JahrbKG. Bd. 23 A