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German Pages 152 Year 2016
Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht Band 4
Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts
Herausgegeben von Stefan Korte, Markus Ludwigs, Alexander Thiele und Heide Wedemeyer
Duncker & Humblot · Berlin
KORTE/LUDWIGS/THIELE/WEDEMEYER (Hrsg.)
Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts
Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht Herausgegeben von Ralf Brinktrine und Markus Ludwigs
Band 4
Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts
Herausgegeben von Stefan Korte, Markus Ludwigs, Alexander Thiele und Heide Wedemeyer
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Printed in Germany ISSN 2198-0632 ISBN 978-3-428-14901-8 (Print) ISBN 978-3-428-54901-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84901-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Das Jahrhundertprojekt Energiewende prägt ebenso wie die Bewältigung der Finanzkrise den Diskurs unter Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern und stellt die europäische Einigung vor immense Herausforderungen. Schlaglichter bilden zum einen die umstrittene Frage nach der Konformität der Förderung erneuerbarer Energien mit dem EU-Beihilfenrecht sowie die europarechtlichen Regelungen zum beschleunigten Netzausbau. Zum anderen ist mit der Bankenunion ein neues Kapitel der Bankenaufsicht in Europa aufgeschlagen worden, das durch einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus, eine ergänzte Einlagensicherung und einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus geprägt wird. Einige der mit diesen Themen verbundenen Rechtsprobleme dokumentiert der vorliegende Band „Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts“. Er ist aus einem Symposium hervorgegangen, das der Würzburger Lehrstuhl von Professor Dr. Markus Ludwigs in Zusammenarbeit mit der Vereinigung Göttinger Europarechtler e.V. (VGE) organisiert hat. Es fand am 27./28. Februar 2015 an der Universität Würzburg statt. Den Anlass der Veranstaltung bildete das zehnjährige Bestehen der VGE, eines gemeinnützigen Vereins aus Europarechtlern mit Wurzeln in Göttingen. Entsprechend der Vereinsziele soll der Band auch zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses beitragen, indem eine besonders herausragende Arbeit aus einem begleitend zum Symposium durchgeführten Seminar an der Universität Würzburg aufgenommen wurde. Unser besonderer Dank gilt den engagierten Referenten und Diskussionsteilnehmern sowie den Förderern der Tagung. Danken möchten wir zudem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Würzburg für die wertvolle Unterstützung bei der Planung und Durchführung der Veranstaltung. Besonders zu erwähnen ist hier Frau Cornelia Böhland. Wichtige Hilfe bei der redaktionellen Betreuung des Bandes haben Frau Hannah Amann, Frau Anke Jäger, Frau Annalena Wegmann und Herr Daniel Kuhn geleistet. Dem Verlag Duncker & Humblot, namentlich Herrn Dr. Florian R. Simon, LL.M., sei für die gewohnt vorzügliche Zusammenarbeit bei der Entstehung dieses Bandes herzlich gedankt. Berlin, Göttingen und Würzburg, im Januar 2016 Stefan Korte
Markus Ludwigs
Alexander Thiele
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Inhaltsverzeichnis Markus Ludwigs Begrüßung und Einführung in das Tagungsthema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Karsten Bourwieg Die Energiewende als Herausforderung für die Bundesnetzagentur im europäischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Matthias Knauff Die Förderung erneuerbarer Energien im Lichte des europäischen Beihilferechts
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Stefanie von Landwüst Beschleunigter Netzausbau durch Unionsrecht – Die TEN-E-Verordnung Nr. 347/2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Mathias Hanten Bankenstabilisierung durch die nationale und europäische Bankenaufsicht. Lehman 2.0 – eine deutsche Case Study . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Alexander Thiele Krise der Europäischen Integration? Die Bankenunion als Beleg für die Handlungsfähigkeit der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tobias Pascher Die Europäische Zentralbank in der Bankenunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Christopher Langer Tagungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Verzeichnis der Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
Begrüßung und Einführung in das Tagungsthema Von Markus Ludwigs, Würzburg Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie, auch im Namen meiner Mitveranstalter, sehr herzlich zu unserem zweitägigen Symposium „Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts“ begrüßen. Ihrem großen Interesse an der Veranstaltung ist es geschuldet, dass wir uns kurzfristig für den Umzug vom kleineren Hörsaal II hier in die Neubaukirche entschieden haben.
I. Hintergrund der Veranstaltung Gestatten Sie mir, vor der kurzen thematischen Einführung noch einige wenige Sätze zum Hintergrund der Veranstaltung zu sagen. Wie Sie der Ankündigung entnehmen konnten, wird das Symposium von meinem Würzburger Lehrstuhl in Kooperation mit der Vereinigung Göttinger Europarechtler e.V. ausgerichtet. Diese letztgenannte Vereinigung ist ein gemeinnütziger Verein, der sich aus Europarechtlern zusammensetzt, die ihre Wurzeln in Göttingen haben und durch fortwährende Befassung mit europarechtlichen Fragen zum wissenschaftlichen Diskurs beitragen wollen. Dieser Zweck wird vor allem durch jährliche Vortragsveranstaltungen verwirklicht, die bislang freilich vereinsintern ausgerichtet wurden. Aus Anlass unseres 10jährigen Bestehens entstand die Idee zu diesem heute und morgen stattfindenden öffentlichen Symposium. Wir freuen uns sehr, dass die Themenwahl Ihr Interesse geweckt hat. Eine besondere Freude ist es uns zudem, dass auch Herr Kollege Götz, der Doktorvater einer Vielzahl von Vereinsmitgliedern und damit gewissermaßen unbewusster spiritus rector der Vereinigung, nach Würzburg gekommen ist!
II. Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts Lassen Sie sich mich nun zu den Themen unseres Symposiums kommen: Das Jahrhundertprojekt Energiewende prägt ebenso wie die Bewältigung der Finanzkrise den Diskurs unter Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern und stellt die europäische Einigung vor immense Herausforderungen. Dies lässt sich anhand einer Vielzahl konkreter Ereignisse und Maßnahmen aus den letzten Monaten, Wochen und Tagen veranschaulichen.
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1. Energiewende Wenn wir unsere Aufmerksamkeit zunächst auf die Energiewende richten, so ist im August letzten Jahres nach zähem Ringen zwischen Brüssel und Berlin das neue EEG 2014 in Kraft getreten (BGBl. I S. 1066). Hiermit verbunden ist ein Paradigmenwechsel weg von festen Einspeisetarifen und hin zu einem stärker marktbezogenen Fördersystem mit einer verpflichtenden Direktvermarktung (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 34 EEG) und der umfassenden Einführung von Ausschreibungen zur Ermittlung der Förderhöhe bis 2017 (§ 2 Abs. 5 EEG). In seinen Schlussfolgerungen zur Tagung vom 23./24. Oktober 2014 (EUCO 169/ 14) formulierte dann der Europäische Rat die neuen Energie- und Klimaziele der EU. Danach sollen bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 40 % reduziert (im Vergleich zu 1990), der Anteil erneuerbarer Energien auf mindestens 27 % erhöht und die Energieeffizienz um mindestens 27 % (gemessen an den Prognosen für 2030) gesteigert werden. In der letzten Woche schließlich wurde berichtet, dass Deutschland Anfang Februar 2015 eine Klage beim EuG gegen die verfahrensabschließende Entscheidung der Kommission zum EEG 2012 erhoben hat (Rs. T-47/15), um den Beihilfecharakter des deutschen Fördersystems für Ökostrom klären zu lassen. Vom Ausgang dieses Verfahrens hängt maßgeblich ab, ob der deutsche Gesetzgeber hier noch über einen substantiellen Gestaltungsspielraum verfügt oder auf den Nachvollzug europarechtlicher Vorgaben beschränkt bleibt. Von höchster Aktualität ist schließlich das Mitte dieser Woche (25. Februar 2015) angenommene „Paket zur Energieunion“. In drei Mitteilungen – einschließlich einer Roadmap zur Umsetzung der geplanten Aktivitäten – legt die EU-Kommission hier ihre politische Agenda für die nächsten Jahre vor. 2. Finanzkrise Fast noch beeindruckender ist die Schlagzahl der Ereignisse im Bereich der Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise. So hat am 4. November 2014 mit dem Single Supervisory Mechanism (SSM) ein neues System der Bankenaufsicht in Europa die Arbeit aufgenommen. Mit der erfolgten Übertragung von Regulierungs- und Aufsichtsaufgaben auf die Europäische Zentralbank (EZB) soll die Grundlage für einen sicheren und soliden Finanzsektor im Binnenmarkt geschaffen werden. Des Weiteren hat Generalanwalt Cruz Villalón am 14. Januar 2015 seine Schlussanträge zum OMT-Beschluss der EZB vorgelegt (Rs. C-62/14). Darin schlägt er dem EuGH vor, den vom Bundesverfassungsgericht (Vorlagebeschl. v. 14. 1. 2014 – 2 BvR 2728/13 u. a.) kritisch beäugten, theoretisch unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen notleidender Euroländer im Grundsatz für kompetenzgemäß zu erklären. Nur wenige Tage später, am 22. Januar 2015, kündigte die EZB in einer Pressemitteilung
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ein neues Ankaufprogramm zur Bekämpfung der vermeintlichen Deflationsgefahr mit einem Gesamtvolumen von 1,14 Billionen Euro bis Ende September 2016 an („Quantitative Easing“) – dies entspricht 60 Mrd. Euro monatlich. Tagesaktuell sind schließlich die Diskussionen um die Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland. Nachdem die von der griechischen Regierung geplanten Reformmaßnahmen am Dienstag (24. Februar 2015) das Plazet der Eurogruppe gefunden haben, zeichnet sich hier immerhin eine gewisse Atempause ab.
III. Programm des Symposiums 1. Energiewende Themen über Themen also, aus denen das Programm unseres Symposiums eine Auswahl der europarechtlich bedeutsamsten Problemkomplexe in den Mittelpunkt stellt. Wir freuen uns sehr, dass es gelungen ist, hierfür ausgewiesene Experten aus Wissenschaft und Praxis als Referenten zu gewinnen. Am heutigen ersten Tag der Veranstaltung wird die Energiewende im Zentrum stehen. Den Anfang macht Herr Karsten Bourwieg von der Bundesnetzagentur (BNetzA) in Bonn. Herr Bourwieg ist dort Referatsleiter für Rechtsfragen (der) Energieregulierung und Erneuerbare(n) Energien, Entflechtung und Grundsatzfragen der Energieverbraucher. In seinem Vortrag beschäftigt er sich mit den aus der Energiewende resultierenden Herausforderungen für die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde. Dabei wird er einen Überblick zur Regulierung im Energiebinnenmarkt geben, die Ziele der Klima- und Energiepolitik skizzieren und die europarechtlichen Regelungen zum beschleunigten Netzausbau aus der Sicht des Regulierers diskutieren. Im Anschluss an den Eröffnungsvortrag wird sich Herr Kollege Matthias Knauff von der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit der Förderung erneuerbarer Energien im Lichte des EU-Beihilferechts befassen. Hiermit ist die wohl umstrittenste und juristisch bedeutendste Frage des Energiewende-Rechts angesprochen. Denn der steuernde Zugriff der Europäischen Kommission hängt entscheidend davon ab, ob das deutsche System der Ökostromförderung tatbestandlich überhaupt als Beihilfe zu qualifizieren ist. Nur wenn man dies bejaht, ist die Bundesrepublik Deutschland von einer im Ermessen der EU-Kommission stehenden Beihilfegenehmigung abhängig. Es verwundert daher nicht, dass gerade um den Beihilfecharakter des EEG heftig gerungen wird. Den jüngsten Beleg hierfür liefert die Anfang Februar erhobene Klage Deutschlands vor dem EuG. Nach einer Kaffeepause werden wir uns dann nochmals aus stärker planungsrechtlicher Perspektive mit den europarechtlichen Regeln für den Netzausbau beschäftigen. Als Referentin hierfür konnte Frau Dr. Stefanie von Landwüst, Rechtsanwältin der Kanzlei Redeker Sellner Dahs, gewonnen werden. In ihrem Vortrag wird
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Frau von Landwüst den Schwerpunkt auf die planungsrechtlichen Aspekte der TENE-Verordnung (EU) Nr. 347/2013 legen. Kurz gesagt geht es um die Identifizierung sog. Vorhaben von gemeinsamem Interesse, die bestimmte Kriterien erfüllen müssen und innerhalb ambitionierter Fristen zu genehmigen sind. Den rechtlichen Rahmen hierfür wird uns Frau von Landwüst in ihrem Referat näherbringen. Der heutige erste Veranstaltungstag schließt mit einem Empfang, zu dem Sie alle sehr herzlich eingeladen sind. Dieser Empfang, wie auch die gesamte Tagung wäre im Übrigen ohne die großzügige Unterstützung unserer Drittmittelgeber und Sponsoren, namentlich der Erwin-Stein-Stiftung, der Juristen Alumni Würzburg, dem Verlag Duncker & Humblot sowie der Zeitschriften EWS (Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht) und RdE (Recht der Energiewirtschaft) in dieser Form nicht möglich gewesen. 2. Finanzkrise Nach der Befassung mit dem Jahrhundertprojekt Energiewende am ersten Tag unseres Symposiums, gilt das Interesse am morgigen Samstag dem zweiten europarechtlichen Großthema unserer Zeit. Den Eröffnungsvortrag zur Instabilität der Finanzmärkte bestreitet mein Würzburger Kollege Peter Bofinger. Er ist – in mittlerweile dritter Amtszeit (was eine seltene Ehre bedeutet) – Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und ein führender Experte auch zum Themenkomplex der Finanz- und Eurokrise. Wir freuen uns sehr über Ihre Teilnahme und sind gespannt darauf, zu erfahren, wie Sie, lieber Herr Bofinger, als „Wirtschaftsweiser“ die Ursachen für die Instabilität der Finanzmärkte einschätzen und welche Rezepte Sie hierfür ausstellen werden. Im unmittelbaren Anschluss hieran gewährt uns Herr Dr. Michael Sturm Einblicke in die Herausforderungen und Entscheidungsprozesse der Europäischen Zentralbank (EZB). Hierfür ist er als stellvertretender Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen und Zusammenarbeit bei der EZB geradezu prädestiniert. In seinem Vortrag wird Herr Sturm die Gründe der gegenwärtigen Krise aufzeigen und die geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank vor dem Hintergrund ihrer geldpolitischen Strategie und ihres Mandats erläutern. Nach einer Kaffeepause werden wir uns dann der Europäischen Bankenunion widmen. Als erster Referent hierfür konnte Herr Dr. Mathias Hanten gewonnen werden. Herr Hanten ist Partner der Anwaltskanzlei DLA Piper in Frankfurt am Main* und verfügt über eine besondere Expertise u. a. auf den Gebieten der Banken- und Wertpapieraufsicht sowie der Einlagensicherung. Er wird in seinem Referat die stabilisierende Kraft der europäischen und nationalen Bankenaufsicht beleuchten.
* Seit 1. Oktober 2015 ist Herr Dr. Hanten Partner und Leiter der Financial-ServicesInstitutions-Gruppe von Deloitte Legal, Frankfurt a. M.
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Unsere Tagung schließt mit einem unmittelbar anschließenden Vortrag meines Mitveranstalters Alexander Thiele. Herr Dr. Thiele ist Privatdozent an der Universität Göttingen und sowohl durch zahlreiche Schriften als auch durch seine Lehrbefugnis auf dem Gebiet des Finanzrechts besonders ausgewiesen. Im Schlussakkord unseres Symposiums wird er der Frage nachgehen, inwieweit die Bankenunion einen Beleg für die fortbestehende Handlungsfähigkeit der EU liefert. Meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich hoffe es ist mir gelungen, Vorfreude auf die kommenden Vorträge und Diskussionen zu wecken. Uns allen wünsche ich jetzt eine erfolgreiche Tagung und gebe das Wort weiter an den ersten Referenten. Lieber Herr Bourwieg, wir freuen uns auf ihren Vortrag!
Die Energiewende als Herausforderung für die Bundesnetzagentur im europäischen Kontext Von Karsten Bourwieg, Bonn
I. Die Energiewende im europäischen Kontext Die Energiewende in Deutschland und die Ziele der Klima- und Energiepolitik bis 2030 der EU zur Vollendung des Energiebinnenmarktes stellen zwei Seiten der gleichen Medaille dar. Daher gibt es auch in Europa die Erkenntnis, dass zur Erreichung der Klimaziele und der übrigen Versorgungssicherheitsziele der gemeinsamen Union ein beschleunigter, europäischer Netzausbau dringend erforderlich ist. Verbindliches Ziel der EU ist zum einen die Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent unter den Stand von 1990. Zum anderen soll eine verbesserte Energieeffizienz zu allen Zielen der EU-Energiepolitik beitragen und um mindestens 27 Prozent steigen. Um den gleichen Prozentsatz soll ebenfalls bis zum Jahre 2030 der Anteil an erneuerbaren Energien erhöht werden. Dabei steht das Ziel eines voll funktionsfähigen und vernetzten Energiebinnenmarktes im Vordergrund. Die vorrangige Aufgabe besteht darin, eine unzureichende Verbindung von Mitgliedstaaten an die europäischen Gas- und Stromnetze zu verhindern und einen Synchronverbund der Mitgliedstaaten innerhalb der kontinentaleuropäischen Netze sicherzustellen.1 Zur Erreichung und Beschleunigung dieser Ziele werden u. a. „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ (sog. Projects of Common Interest; PCI) von der EU identifiziert und gefördert. Vor diesem Hintergrund beleuchtet der Beitrag insbesondere neue internationale Handlungsformen der europäischen Kooperation im Zuge der Durchführung von Vorhaben von gemeinsamem Interesse. Das Thema zeigt exemplarisch und aktuell den europäischen Einfluss auf nationale energierechtliche Entscheidungen und die Aufgaben der Bundesnetzagentur.
1 Europäischer Rat, SN 79/14; abrufbar unter: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/ cms_data/docs/pressdata/de/ec/145377.pdf (abgerufen am 05. 02. 2015).
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II. Projects of Common Interest 1. Überblick Als wenig beleuchtete Frage stellt sich beim europäischen Umbau der Netze im Binnenmarkt die regulatorische Aufgabe der Bundesnetzagentur im Zusammenspiel regionaler Entscheidungen mit anderen Stellen und neuer Kompetenzen der Europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) nach der seit Juni 2013 gültigen EU-Verordnung Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2013 zu den Leitlinien für die europäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 713/2009, (EG) Nr. 714/2009 und (EG) Nr. 715/2009 (TEN-E Verordnung)2 dar. Deshalb soll diese institutionelle Frage hier ausführlich dargestellt werden. Ziel der Verordnung ist das Erreichen der energiepolitischen Ziele der EU, insbesondere die Vollendung des Energiebinnenmarktes und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit, sowie die Förderung der Entwicklung erneuerbarer Energien als auch der Energieeffizienz.3 Zur Erreichung dieser Ziele bedarf es europaweit eines effektiven und beschleunigten Netzausbaus.4 Im Rahmen dessen ist es möglich, bestimmte Netzausbauprojekte der Energieinfrastruktur als „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ (engl. Projects of Common Interest, PCI) zu kennzeichnen. Als PCI wird nach der Begriffsdefinition des Art. 2 S. 1 Nr. 4 TEN-E VO (EU) Nr. 347/20135 ein Vorhaben bezeichnet, „das für die Realisierung der in Anhang I aufgeführten vorrangigen Energieinfrastrukturkorridore und -gebiete erforderlich ist und das Bestandteil der in Artikel 3 genannten Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse ist.“
Vorteile der Kennzeichnung als PCI sollen unter anderem ein beschleunigtes Planungs- und Genehmigungsverfahren, damit einhergehende niedrigere Verwaltungs2
Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 713/2009, (EG) Nr. 714/ 2009 und (EG) Nr. 715/2009, ABl. 115 v. 25. 04. 2013; abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/ LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2013:115:0039:0075:DE:PDF (abgerufen am 15. 01.2015). 3 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 5 und 7 der Verordnung (EU) Nr. 347/2013. 4 Bundesnetzagentur: „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“; abrufbar unter: http:// www.bundesnetzagentur.de/DE/Allgemeines/DieBundesnetzagentur/Internationales/Energie/ PCI/pci-node.html (abgerufen am 08. 01. 2015). 5 Sofern nicht anders angegeben, handelt es sich bei den in diesem Abschnitt genannten Vorschriften um Artikel der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 713/2009, (EG) Nr. 714/2009 und (EG) Nr. 715/2009, ABl. 115 v. 25. 04.2013, S. 39 ff.
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kosten (vgl. Art. 7), mehr Transparenz und Einbeziehung der Öffentlichkeit (Art. 9) sowie die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe (CEF)“ sein. Dafür stehen für den Zeitraum 2014 bis 2020 Mittel mit einem Gesamtvolumen für alle Projekte von insgesamt 5,85 Mrd. EUR (Art. 15) zur Verfügung. Im Rahmen der finanziellen Unterstützung gibt es die Möglichkeit der Gewährung von Finanzhilfen und die Unterstützung durch Finanzierungsinstrumente, die in Zusammenarbeit mit Finanzinstitutionen bereitgestellt werden. Die Finanzierungsinstrumente können in Form von Darlehen mit erweiterten Konditionen, Projektanleihen und Eigenkapitalinstrumenten realisiert werden.6 Voraussetzungen für die Kennzeichnung als ein Vorhaben von gemeinsamem Interesse sind gem. Art. 4, dass (1) das Vorhaben für mindestens einen bzw. eines der vorrangigen Energieinfrastrukturkorridore und -gebiete erforderlich ist, (2) der potenzielle Gesamtnutzen (Marktintegration, Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit) die Kosten langfristig übersteigt und (3) das Vorhaben alternativ (a) die Grenzen zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten direkt quert oder (b) sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befindet und erhebliche grenzüberschreitende Auswirkungen hat oder (c) die Grenze von mindestens einem Mitgliedstaat und einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums quert. Die Aufstellung der PCI-Liste erfolgt in einem sogenannten „Bottom-up“-Prozess.7 Die Projektträger, in der Regel ein oder mehrere Transportnetzbetreiber in einem Mitgliedsstaat, schlagen zunächst ihre jeweiligen Projekte vor. Daran anschließend bewerten sogenannte „regionale Gruppen“, bestehend aus den Mitgliedstaaten, der Kommission, den Regulierungsbehörden, den Übertragungsnetzbetreibern und Vorhabenträgern sowie der Europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (engl. Agency for the Cooperation of Energy Regulators, im Folgenden: ACER), die einzelnen Projekte auf Übereinstimmung mit den Kriterien sowie auf ihren europäischen Nutzen. Anhand dieser Bewertung beschließen letztendlich die Kommission und die Mitgliedstaaten als Entscheidungsgremium die regionalen PCI-Listen. Diese regionalen Listen werden anschließend in einer unionsweiten Liste zusammengeführt und von der Kommission verabschiedet und als delegierter Rechtsakt erlassen.8 6 Memo der EU-Kommission vom 14. 10. 2013; abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/ press-release_MEMO-13 – 880_de.htm (abgerufen am 08. 01. 2015). 7 Vgl. Memo der EU-Kommission vom 14. 10. 2013; abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/ press-release_MEMO-13 – 880_de.htm (abgerufen am 08. 01. 2015). 8 Bundesnetzagentur: „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“; abrufbar unter: http:// www.bundesnetzagentur.de/DE/Allgemeines/DieBundesnetzagentur/Internationales/Energie/ PCI/pci-node.html (abgerufen am 08. 01. 2015).
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Die erste Liste von Vorhaben vom gemeinsamem Interesse ist am 14. 10. 2013 veröffentlicht worden und umfasste 248 Projekte und wird alle zwei Jahre aktualisiert.9 Der Großteil der Vorhaben betrifft Stromübertragungs- und Gasfernleitungen. 2. Art. 12 der TEN-E VO (EU) Nr. 347/2013 – „Cross-Border-Cost-Allocation“ a) Regelungsinhalt Art. 12 der TEN-E VO (EU) Nr. 347/2013 regelt die Möglichkeit und die Voraussetzungen der Kostenaufteilung zwischen Netzbetreibern verschiedener Mitgliedstaaten bei Investitionen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen10 (Cross-Border-Cost-Allocation [CBCA]). Voraussetzung hierfür ist wiederum die Festlegung eines Investitionsvorhabens als PCI durch die EU-Kommission. Art. 12 sieht die Möglichkeit vor, dass sämtliche oder Teile der Kosten für PCIs unter den betroffenen Mitgliedstaaten (MS) aufgeteilt werden können, sofern das Vorhaben eine positive Nettoauswirkung auf diese hat (Art. 12 Abs. 1). Trägt jeder beteiligte Netzbetreiber seine Kosten selbst, ist kein Verfahren nach Art. 12 einschlägig. Es ist aber denkbar und in der Verordnung auch vorgesehen, dass aufgrund einer vorhabenspezifischen Kosten-Nutzen-Analyse (Art. 11) eine von den eigenen Investitionskosten abweichende Kostentragung getroffen werden wird. b) Zielrichtungen der Zahlungsbegehren Im Hinblick auf die Zielrichtung der verschiedenen Zahlungsbegehren lassen sich aus Sicht eines Mitgliedstaates die folgenden vier Fallgruppen unterscheiden: Fallgruppe 1: grenzüberschreitendes Projekt mit überschießender Kostentragung in einem Mitgliedstaat In MS A und in mindestens einem der benachbarten Mitgliedstaaten (B) ist mindestens ein Transportnetzbetreiber (TNB) als Vorhabenträger für das Projekt verantwortlich. Über die eigenen Investitionskosten hinaus sollen aufgrund des überproportionalen Nutzens der Maßnahme für MS A Kosten für die Investition im dem Drittstaat B durch die Netznutzer in A mit getragen werden. Fallgruppe 2: grenzüberschreitendes Projekt mit Zuzahlung an einen Vorhabenträger aus anderen Mitgliedstaaten Gleiche Situation wie in Fallgruppe 1, aber: Aufgrund des überproportionalen Nutzens soll ein Teil der Investitionskosten des Vorhabenträgers in A aus Drittländern (z. B. B) getragen werden. Fallgruppe 3: Projekt mit positiver Nettoauswirkung auf andere Mitgliedstaaten ohne Vorhabenträger – mit Zuzahlung an einen investierenden Vorhabenträger
9 Vollständige Liste der PCI-Projekte abrufbar unter: http://ec.europa.eu/energy/infrastruc ture/pci/doc/2013_pci_projects_country.pdf (abgerufen am 08. 01. 2015). 10 Recommendation of the Agency for the Cooperation of Energy Regulators No 07/2013 of 25 September 2013 regarding the cross-border cost allocation requests submitted in the framework of the first union list of electricity and gas projects of common interest.
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In Mitgliedstaat A und gegebenenfalls einem anderen Mitgliedstaat B sind ein oder mehrere Transportnetzbetreiber als Vorhabenträger für das Projekt verantwortlich. Das Vorhaben hat eine positive Nettoauswirkung auf zumindest einen anderen Mitgliedstaat C, ohne dass dort direkt eine Investition getätigt wird. Aus Mitgliedstaat C sollen die Transportnetzbetreiber in A als Vorhabenträger Kostenbeiträge erhalten. Fallgruppe 4: Projekt mit positiver Nettoauswirkung auf einen Mitgliedstaat ohne eigene Vorhabenträger – Kostentragung in A für Vorhabenträger eines anderen Mitgliedstaates B In MS A gibt es keinen Netzbetreiber als Vorhabenträger. Für das Vorhaben wird aber eine positive Nettoauswirkung auf A ermittelt. In einem oder mehreren benachbarten Mitgliedstaaten (B, C oder D) sind ein oder mehrere Netzbetreiber als Vorhabenträger für das Projekt verantwortlich. Aufgrund des ermittelten Nutzens der Maßnahme für MS A sollen „von MS A“ Kosten in Drittstaaten (B, C oder D) getragen werden.
c) Ablauf des Verfahrens einer Kosten-Nutzen-Allokation Das Verfahren stellt sich vereinfacht im Ablauf wie folgt dar:
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d) Rechtliche Herausforderungen Im Hinblick auf die Durchführung des Verfahrens sieht sich die Bundesnetzagentur ganz neuen Formen der Entscheidungsfindung gegenüber. Zum einen stellt sich die Frage, welche Rechtsnatur die Entscheidung der Regulierungsbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten gem. Art 12 Abs. 4 S. 1 besitzt und wie weit der Regelungsgehalt geht (vgl. Nr. 6 beim Ablauf des Verfahrens). Der Frage der Rechtsnatur kommt für Zwecke der Durchsetzung behördlicher Entscheidungen sowie des Rechtsschutzes dagegen ihre Bedeutung zu. Bezogen auf Nr. 8 des Verfahrensablaufes ist noch zu hinterfragen, wie sich die zu treffende gemeinsame europäische Entscheidung von den national zu treffenden (Umsetzungs-) Entscheidungen abgrenzt, insbesondere von Anträgen und Entscheidungen zu sog. Investitionsmaßnahmen nach § 23 ARegV. aa) Rechtsnatur der Entscheidung nach Art. 12 Abs. 4 S. 1 Das Augenmerk vertiefter Betrachtung soll in diesem Beitrag auf die Rechtsnatur der „koordinierten Entscheidungen“ bzw. der „einvernehmlichen Vereinbarung“ gelenkt werden. Dabei lautet der Wortlaut des Art. 12 Abs. 4 wie folgt: „Innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des letzten Antrags bei den betroffenen nationalen Regulierungsbehörden treffen die nationalen Regulierungsbehörden nach Anhörung der betroffenen Vorhabenträger koordinierte Entscheidungen über die Aufteilung der von jedem Netzbetreiber für das jeweilige Vorhaben zu tragenden Investitionskosten sowie über ihre Einbeziehung in die Nutzungsentgelte. Die nationalen Regulierungsbehörden können beschließen, nur einen Teil der Kosten aufzuteilen oder die Kosten auf ein Paket mehrerer Vorhaben von gemeinsamem Interesse aufzuteilen.“ (Art. 12 Abs. 4 S. 1) „Bei Entscheidungen über die grenzüberschreitende Kostenaufteilung bemühen sich die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden nach Anhörung der betroffenen Übertragungsnetzbetreiber um eine einvernehmliche Vereinbarung, die, ohne darauf beschränkt zu sein, auf den in Absatz 3 Buchstaben a und b angegebenen Informationen beruht.“ (Art. 12 Abs. 4 S. 5)
Der erste Gedanke könnte sein, dass durch die Entscheidungen von Behörden der Mitgliedstaaten auch diese formell verpflichtet werden. Die Bindung z. B. der Bundesrepublik Deutschland als Kostenträgerin/Zahlungsverpflichtete ist in der VO jedoch nicht angelegt. Zahlungsverpflichtet sind in jedem Fall die Transportnetzbetreiber (Art. 12 Abs. 1). Diese haben das Recht, die Kosten an ihre Netznutzer weiterzugeben. Die Bundesnetzagentur hätte nach hiesiger Auffassung auch gar keine Befugnis, bindende internationale Verträge für die Bundesrepublik Deutschland im Energiesektor zu schließen. Art. 12 Abs. 4 S. 5 verwendet den Begriff der „einvernehmlichen Vereinbarung“. An anderer Stelle wird von einer „Kostenaufteilungsentscheidung“ (Art. 12 Abs. 5 S. 2) – Singular – gesprochen. Art. 12 Abs. 4 S. 1 wiederum ordnet „koordinierte
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Entscheidungen“ – Plural – an. Trifft an Stelle der betroffenen Regulierungsbehörden allerdings ACER die Kostenaufteilungsentscheidung, dann ergeht eine einheitliche „Entscheidung“ gegenüber allen betroffenen Regulierungsbehörden und TNB (Art. 12 Abs. 6 Satz 2). Sucht man nach einer vergleichbaren Regelung im bestehenden Energieregulierungsrecht, so stößt man auf § 57 EnWG. § 57 Abs. 2 und 3 EnWG erwähnen Vereinbarungen mit anderen Regulierungsbehörden. § 57 Abs. 2 EnWG statuiert die Möglichkeit, dass die Bundesnetzagentur bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben auch Sachverhalte und Entscheidungen von Regulierungsbehörden anderer Mitgliedstaaten berücksichtigen kann, sofern ein inländischer Bezug besteht. Die Regelung dient der Verhinderung, bei grenzüberschreitenden Sachverhalten widersprüchliche Regulierungsentscheidungen zu treffen.11 Durch § 57 Abs. 3 EnWG wird zudem die Möglichkeit für die Bundesnetzagentur eröffnet, mit Zustimmung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie allgemeine Kooperationsvereinbarungen mit Regulierungsbehörden anderer Mitgliedstaaten zu schließen, um die Zusammenarbeit bei der Regulierungstätigkeit zu verstärken. Mit der Einführung des § 57 Abs. 3 EnWG wurden die Artikel 38 Abs. 3 der EU-Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie (Richtlinie 2009/72/EG12) und Artikel 42 Abs. 3 der EU-Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie (Richtlinie 2009/73/EG13) umgesetzt.14 Diese Fallgruppen sind allerdings aufgrund ihres speziellen Bezugspunktes nicht auf die „koordinierte Entscheidung“ gem. Art. 12 Abs. 4 S. 1 anwendbar. Aufgrund dessen erscheint eine Ergänzung von § 56 EnWG um Entscheidungen und Vereinbarungen für die Aufgaben nach der VO (EU) Nr. 347/2013 sinnvoll und erforderlich. Man könnte noch zu der Auffassung kommen, die betroffenen Regulierungsbehörden legen ihre Einigung wiederum ACER vor (Art. 12 Abs. 5 a.E.) und ACER entscheide letztlich verbindlich im Rahmen ihrer Entscheidungskompetenzen. Dagegen spricht aber: ¢ der Wortlaut von Art. 12 Abs. 4, der von einer Entscheidung der betroffenen Regulierungsbehörden ausgeht, ¢ dass die betroffenen Regulierungsbehörden mit einer eigenen Anhörung ein eigenes Verwaltungsverfahren durchführen (Art. 12 Abs. 4) und
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Danner/Theobald/Werk/Theobald, EnWG § 57 Anhang. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:211 :0055:0093:de:PDF (abgerufen am 05. 02. 2015). 13 Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:211 :0094:0136:de:PDF (abgerufen am 05. 02. 2015). 14 Danner/Theobald/Werk/Theobald, EnWG § 57 Anhang. 12
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¢ der Wortlaut von Art. 12 Abs. 5, der ACER als Entscheidungsinstitution vorsieht, wenn sich die Behörden nicht einigen oder die Behörden ACER anrufen. Für die weiteren Darstellungen wird davon ausgegangen, dass es sich auch bei der einvernehmlichen Kostenaufteilung durch die betroffenen Regulierungsbehörden i.S.d. Art. 12 Abs. 4 um eine einheitliche Entscheidung auf Basis einer Einigung der betroffenen Regulierungsbehörden handelt. Dies scheint eine neue Entscheidungsform zu sein: Nachgeordnete Behörden der Mitgliedstaaten entscheiden auf Basis einer verbindlichen Ermächtigungsgrundlage europäischen, unmittelbar für die Mitgliedstaaten geltenden Sekundärrechts mit Wirkung gegen private Rechtssubjekte dem Grunde nach. Zur Konkretisierung bedarf es in jedem Fall noch einer nationalen Umsetzungsentscheidung. bb) Gegenstand und Verfahren der europäischen Kostenaufteilungsentscheidung (1) Adressat Wer sind die Verpflichteten der Kostenaufteilungsentscheidung? Es liegt praktisch gesehen nahe, dass Adressaten der Entscheidung der betroffenen Regulierungsbehörden auf europäischer Ebene Transportnetzbetreiber als Vorhabenträger und Antragsteller oder als betroffene Netzbetreiber aufgrund der positiven Nettoauswirkung im jeweiligen Mitgliedstaat sind (Art. 12 Abs. 1 und Abs. 4). Alternativ könnte man zu der Auffassung kommen, dass durch die gemeinsame Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörden nur diese unmittelbar verpflichtet werden, nämlich eine nationale Umsetzungsentscheidung nach Art. 12 Abs. 5 zu treffen. Dafür könnte sprechen: ¢ Eine solche Vereinbarung hätte den Charakter multilateraler zwischenbehördlicher Verträge o. ä., käme jedenfalls Handlungsformen näher, die die Binnenmarktrichtlinien kennen und die in § 57 Abs. 3 EnWG Eingang gefunden haben. ¢ Die einvernehmliche Einigung oder auch die Entscheidung von ACER bedarf in jedem Fall der Umsetzung in eine nationale Entscheidung mit Wirkung auf die Kostenregulierung [siehe unter II.2.d)cc)]. ¢ Das Unternehmen wird durch die europäische Entscheidung noch nicht unmittelbar verpflichtet. Der vorliegend etwas unklare Rechtsschutz [siehe unter II.2.d) ee)] gegen die europäische Entscheidung wäre bei einer erstmaligen Außenwirkung der nationalen Umsetzungsentscheidung klarer. Dagegen spricht allerdings, ¢ dass vorliegend ein Antrag von Netzbetreibern zu Grunde liegt, an dem sich die Entscheidung zu orientieren hat.
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¢ dass den Antragstellern dann kein Rechtsschutz gegen eine von ihrem Antrag abweichende Kostenaufteilung insgesamt zugänglich wäre, sondern nur gegen die unternehmensbezogene nationale Umsetzungsentscheidung. ¢ dass die Entscheidung von einer netzbetreiberspezifischen Kostenzuordnung ausgeht. Fraglich ist auch, ob nicht die Mitgliedstaaten selbst Adressaten des Antrags und der Entscheidung der Gruppe der betroffenen Regulierungsbehörden sein müssten. Aus verschiedenen Formulierungen in Art. 12 kann gelesen werden, dass eine Kostenaufteilung zwischen den Mitgliedstaaten zu erreichen ist. In Art. 12 Abs. 5 S. 3 heißt es beispielsweise, dass die an ACER übermittelten Informationen detaillierte Gründe enthalten müssen, auf welcher Basis „die Kosten auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt wurden (…)“. In Art. 12 Abs. 3 S. 3 wird aufgeführt, dass der Investitionsantrag mit einer „Kosten-Nutzen-Analyse (KNA; engl. Cost-Benefit-Analysis) gemäß der nach Artikel 11 entwickelten Methode und unter Berücksichtigung der grenzüberschreitenden Vorteile der betroffenen Mitgliedstaaten“ zu übermitteln ist. Genauso wie diese beiden Vorschriften bezieht sich auch Art. 12 Abs. 4 S. 4 auf die Mitgliedstaaten. Hier ist formuliert, dass bei der Entscheidung über die grenzüberschreitende Kostenaufteilung die „wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Kosten und Nutzeffekte des Vorhabens bzw. der Vorhaben in den Mitgliedstaaten (…) berücksichtigt“ werden. Umstände, die bei wirtschaftlich handelnden Rechtssubjekten wie den Transportnetzbetreibern nur schwerlich einfließen können. Im Ergebnis können allerdings nationale Regulierungsbehörden die Mitgliedstaaten schon aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht zu einer Kostentragung verpflichten. Es spricht daher mehr dafür, dass die genannten Formulierungen einfach unpräzise getroffen sind und Wirkungen in Mitgliedstaaten beschreiben und diese nicht als Rechtssubjekte und Träger von Rechten und Pflichten adressieren. Art. 12 Abs. 1 stellt dagegen fest, dass die Investitionskosten von den betroffenen TNB, respektive den Netznutzern zu tragen sind. Verpflichtete der Entscheidung von ACER sind neben den TNB auch die nationalen Regulierungsbehörden, die mittels Art. 12 Abs. 5 zur nationalen Umsetzungsentscheidung verpflichtet sind. (2) Entscheidungsvoraussetzungen (a) Antragsverfahren Es handelt sich um ein Antragsverfahren. Im Falle mehrerer Vorhabenträger ist der Antrag zwingend gemeinsam einzureichen (Art. 12 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3). Gegenstand der Entscheidung kann mithin nur der gemeinsame Antrag der Antragsteller sein. Dieser soll einen gemeinsamen Kostenaufteilungsvorschlag der Vorhabenträger (Art. 12 Abs. 3 Satz 3) beinhalten und ggf. eine vorhabenspezifische
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Kosten-Nutzen-Analyse nach Artikel 11 für die Beteiligung Dritter Transportnetzbetreiber aufgrund einer positiven Nettoauswirkung (Art. 12 Abs. 3 S. 3 lit. a). Fraglich ist, ob die Vorhabenträger nicht nur einen gemeinsamen Antrag, sondern auch zwingend einen einheitlichen Vorschlag für die Kostenaufteilung untereinander vorzulegen haben. Denn Art. 12 Abs. 3 S. 3 lit. c) spricht von der Möglichkeit, dass es keine Einigung der Vorhabenträger gibt. Es spricht fachlich viel dafür, dass die Vorhabenträger zu einem gemeinsamen Kostenaufteilungsvorschlag in ihrem Antrag kommen müssen. So ist Grundlage der Kostenaufteilung eine einheitliche, vorhabenspezifische KNA (siehe auch Erwägungsgrund 36). Der Vorhabenbegriff der VO beinhaltet zwingend die gesamte Maßnahme des PCI. Erwägungsgrund 37 erhebt die Anforderung nach einem klaren und transparenten Verfahren für grenzüberschreitende Kostenaufteilung. Es kann angesichts eines zwingend gemeinsamen Antrags nicht mehr von einer Entscheidung über den Antrag ausgegangen werden, wenn der gemeinsame Antrag alternative Kostenaufteilungsvorschläge enthält. Daher sollte von einem gemeinsamen Kostenteilungsvorschlag ausgegangen werden. Allerdings gibt es bei der grenzüberschreitenden CBA mehr als eine richtige Antwort, da, wie im deutschen Netzentwicklungsplanprozess auch, mit verschiedenen Entwicklungsszenarien gerechnet wird über die Entwicklung der europäischen Erzeugungskapazitäten und Lasten. Daher kann es durchaus zu erheblich divergierenden und interpretationsfähigen Kosten und Nutzen für die Mitgliedstaaten kommen. Auch könnte durch eine fehlende Einigung zwischen den Vorhabenträgern der gesamte europäische PCI-Prozess mit grenzüberschreitender Kostentragung zum Erliegen kommen. Der Wortlaut des Art. 12 Abs. 3 Satz 3 lit. c), wonach ein „stichhaltige[r] Vorschlag für die grenzüberschreitende Kostenaufteilung“ enthalten sein soll, „falls15 die Vorhabenträger diesbezüglich zu einer Einigung gelangen“, lässt den Schluss zu, dass ein solcher nicht zwingender Bestandteil eines Antrags zur Kostenaufteilung sein muss. Es muss daher wohl davon ausgegangen werden, dass die Kommission und ggf. ACER davon ausgehen, im Zweifel anstelle der Vorhabenträger die Kostenaufteilungsentscheidung zu treffen. (b) Zulässigkeit des Antrags Die Zulässigkeitsvoraussetzungen finden sich in Art. 12: (aa) ein gemeinsamer Antrag bei mehreren Vorhabenträgern [siehe oben II.2.d) bb)(2)(a)].
15 Vgl. auch die englische Fassung: „if the project promoters agree“. Abrufbar unter: http:// eur-lex.europa.eu/legal-content/en/TXT/?uri=celex:32013R0347 (abgerufen am 05. 02. 2015).
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(bb) ein sog. „Geschäftsplan“, der die Auslastung und Refinanzierung des Vorhabens darstellen soll. Für Gasinfrastrukturprojekte ist demnach auf Basis einer Marktnachfrage nachzuweisen, dass das Vorhaben „wirtschaftlich notleidend“ ist. Art. 12 Abs. 2 S. 2 lautet: „Absatz 1 gilt für ein Vorhaben von gemeinsamem Interesse, das unter die in Anhang II Nummer 2 genannten Kategorien (Anm. des Verf.: Gasinfrastrukturprojekte) fällt nur, wenn bereits eine Bewertung der Nachfrage am Markt durchgeführt wurde, die ergeben hat, dass die auf effiziente Weise angefallenen Investitionskosten voraussichtlich nicht von den Entgelten getragen werden.“
Jedenfalls für die Fallgruppen 3 und 4, in denen ein TNB an einem Teil der Kosten beteiligt werden soll, ohne Vorhabenträger zu sein, spricht einiges dafür, dass die fehlende Wirtschaftlichkeit der vorhabenbezogenen Investitionsrechnung Voraussetzung für den Antrag der Vorhabenträger ist. Erwägungsgrund 35 lautet: „Die Kosten für die Entwicklung, den Bau, den Betrieb oder die Instandhaltung eines Vorhabens von gemeinsamem Interesse sollten generell vollständig von den Nutzern der Infrastruktur getragen werden. Vorhaben von gemeinsamem Interesse sollten für eine grenzüberschreitende Kostenaufteilung in Betracht kommen, wenn eine Bewertung der Marktnachfrage oder der erwarteten Auswirkungen auf die Tarife ergibt, dass die Kosten voraussichtlich nicht durch die von den Nutzern der Infrastruktur entrichteten Tarife gedeckt werden können.“
Wie dies im System regulierter Netzkosten eintreten kann, ist fraglich. Kosten für den bedarfsgerechten Netzausbau werden im System der Regulierung immer erstattet. Netzbetreiber tragen kein Mengenrisiko, sie verteilen ihre Kosten immer auf die jeweils transportierte Menge Energie. Es verbleibt allenfalls ein Effizienzrisiko, d. h. das Risiko, dass solche Investitionen sich durch einen angewandten Effizienzvergleichsmechanismus negativ auf die unternehmensspezifische Effizienz auswirken. Es ist daher wahrscheinlicher, dass der europäische Verordnungsgeber von der fehlenden Durchsetzbarkeit der sich aus den Kosten ergebenden Preise im heimischen Markt ausgeht – ganz im Sinne von Art. 12 Abs. 4 S. 4 (siehe oben). Dies würde die politische Einflussnahme auf die Preisbildung voraussetzen – ein Umstand, der im Interesse der Investitionssicherheit in europäische Infrastrukturen unbedingt zu vermeiden ist. (cc) Anhörung aller betroffenen TNB durch die Vorhabenträger (Art. 12 Abs. 3 S. 1). (dd) Ein Antrag an alle betroffenen Regulierungsbehörden (Art. 12 Abs. 3 S. 3). Dieser Antrag ist nach allgemeinen Regeln des nationalen Verwaltungsverfahrens und mangels anderweitiger Regeln jedenfalls der Bundesnetzagentur auch in deutscher Sprache zu übermitteln (§ 8b VwVfG). (ee) Vollständigkeit hinsichtlich des Gegenstands des Antrags gem. Art. 12 Abs. 3 Satz 3. Dies bedeutet:
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¢ vorhabenspezifische KNA, ¢ Geschäftsplan (siehe oben), ¢ Antrag/Vorschlag für eine Kostenaufteilung. (3) Gegenstand der europäischen Entscheidung Wie oben dargestellt, wird vorliegend davon ausgegangen, dass es sich auch bei der einvernehmlichen Kostenaufteilung durch die betroffenen Regulierungsbehörden i. S. d. Art. 12 Abs. 4 um eine einheitliche Entscheidung auf Basis einer Einigung der betroffenen Regulierungsbehörden handelt. Dies scheint eine neue Entscheidungsform zu sein [siehe oben unter II.2.d)aa)]. Die Entscheidung ist verbindlich für die Umsetzungsrechtsakte der betroffenen Regulierungsbehörden (Art. 12 Abs. 5). Dabei soll die Entscheidung binnen sechs Monaten ergehen (Art. 12 Abs. 4 Satz 1). Auslöser der Frist ist nach dem Wortlaut der „Eingang des letzten Antrags bei den betroffenen Regulierungsbehörden“. Aufgrund des Regelungszusammenhangs ist davon auszugehen, dass immer einzelne, vorhabenbezogene Verfahren geführt werden, da in jedem PCI-Projekt unterschiedliche nationale Regulierungsbehörden betroffen sein können. Die Entscheidung beinhaltet zwei Elemente (Art. 12 Abs. 4 Satz 1): a) die Entscheidung über die Aufteilung der von jedem Netzbetreiber für das jeweilige Vorhaben zu tragenden Investitionskosten und b) die Entscheidung über ihre Einbeziehung in die Netzentgelte und der Anrechnung anderer Kostendeckungsbeiträge. Die Entscheidung über die Aufteilung der Kosten erfolgt, wie bereits erwähnt, anhand der Kosten-Nutzen-Analyse gem. Art. 11. Die Methoden zur Berechnung wurden von ENTSO-E entwickelt. Dabei stehen vier verschiedene Berechnungsmethoden zur Verfügung.16 Problematisch ist jedoch, dass im Rahmen der Anwendung der vier Methoden es zu sehr unterschiedlichen Nettoauswirkungen für die verschiedenen Staaten kommen kann. Zur Vermeidung der Beteiligung einer Vielzahl von Regulierungsbehörden beschloss ACER in seiner „ACER-Recommendation“ eine 10 Prozent-Hürde. Demnach erfolgt eine Beteiligung eines Mitgliedstaates an der Kostenaufteilung dann nicht, wenn nach der Anwendung der Berechnungsmethoden die positive Nettoauswirkung für den jeweiligen Mitgliedstaat 10 Prozent nicht übersteigt (sog. „No loser, no compensation“-Prinzip).17 16 Hinsichtlich der Einzelheiten vergleiche ENTSO-E „Scenario Outlook and Adequacy Forecast 2014 – 2030“. Abrufbar unter: https://www.entsoe.eu/Documents/SDC%20docu ments/SOAF/140602_SOAF%202014 – 2030.pdf (abgerufen am 05. 02. 2015). 17 Recommendation of the Agency for the Cooperation of Energy Regulators No 07/2013 of 25 September 2013. Page 6 of 23. Abrufbar unter: http://www.acer.europa.eu/Official_docu
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Dennoch besteht die Möglichkeit der Beteiligung einzelner Mitgliedstaaten lediglich aufgrund einer Berechnungsmethode. Ein solcher Fall ist im Rahmen der KNA für das PCI „Gas LitPolLink“ eingetreten. Nach Ansicht des Vorhabenträgers sei aufgrund positiver Nettoauswirkung auf Grundlage lediglich einem positiven Ergebnis der 4 angewandten Methoden zur Berechnung der Kosten-Nutzen-Analyse eine Kostenbeteiligung durch Deutschland geboten gewesen. Da sich die zuständigen Regulierungsbehörden nicht innerhalb der 6-Monatsfrist einigen konnten, ging die Entscheidungskompetenz auf ACER über. Diese verneinte jedoch die Pflicht zur Kostenbeteiligung Deutschlands.18 Bis Ende 2015 soll eine Überarbeitung der ACER-Recommendation insbesondere hinsichtlich der Cost-Benefit-Analysis erfolgen. Die Entscheidung hinsichtlich des Punktes (a) betrifft ausweislich der gesetzlichen Regelung nur die Investitionskosten. Damit ist klargestellt, dass Betriebskosten nicht der Aufteilung unterliegen (s. auch Art. 12 Abs. 1 S. 1). Nach dem Wortlaut soll die Entscheidung mithin eine netzbetreiberbezogene Kostentragungsquote enthalten. Dies ist insbesondere in den o.g. Fallgruppen 1 und 2 möglich, wenn zwischen den Vorhabenträgern nur eine von den tatsächlichen Investitionskosten abweichende Kostentragung getroffen werden soll. Dies ist auch möglich, wenn für einen Mitgliedstaat ein positiver Nettonutzen ausgewiesen wird und in diesem Mitgliedstaat nur ein Transportnetzbetreiber existiert. Fraglich ist, wie die Entscheidung aussieht, wenn die unternehmensspezifische Zuordnung auf europäischer Ebene nicht möglich ist, da die KNA die positiven Nettoauswirkungen nicht unternehmensspezifisch ausweist. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn es viele und wenig homogene TNB auf Ebene eines Mitgliedstaates gibt und diese nicht Vorhabenträger sind. So könnte es z. B. hinsichtlich der 17 Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) im Gasbereich in Deutschland vorkommen. Es wird vorliegend angenommen, dass die Entscheidung in diesem Fall ebenfalls eine Kostentragung aller TNB eines Mitgliedstaates enthalten kann. Die Kostenaufteilung auf nationaler Ebene bleibt dann der nationalen Umsetzung vorbehalten. Die Entscheidung zu Punkt (b) enthält auf europäischer Ebene die Aufteilung, welcher Anteil der Investitionskosten durch Netzentgelte auf der einen und durch andere Finanzierungsbeiträge auf der anderen Seite aufgebracht werden kann oder soll. Als andere Finanzierungsbeiträge weist die VO – Engpasserlöse oder sonstige Entgelte, – Einnahmen im Rahmen des nach Art. 13 der VO (EU) Nr. 714/2009 eingeführten Ausgleichsmechanismus (ITC-Mechanismus) aus (Art. 12 Abs. 1 und Abs. 4 S. 3). ments/Acts_of_the_Agency/Recommendations/ACER%20Recommendation%2007 – 2013.pdf (abgerufen am 05. 02. 2015). 18 Decision of the Agency for the Cooperation of Energy Regulators No 01/2014. Abrufbar unter: http://www.acer.europa.eu/Official_documents/Acts_of_the_Agency/Individual%20deci sions/ACER%20Individual%20Decision%2001 – 2014.pdf (abgerufen am 05. 02. 2015).
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Dabei können Vorschläge zur grenzüberschreitenden Tragung von Investitionskosten ebenfalls nur teilweise anerkannt werden oder auf „ein Paket mehrerer Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ aufgeteilt werden (Art. 12 Abs. 4 S. 2). Wie das genau ausgestaltet werden könnte und dabei ein klares und transparentes Verfahren für die grenzüberschreitende Kostenaufteilung (Erwägungsgrund 37) erhalten werden kann, muss sich noch erweisen. Ergänzend scheint die Wirkung einer Kostentragung durch Netzentgelte auf die Verbraucher quasi als ermessensleitende Erwägung in die Entscheidung mit einzubeziehen sein. So sollen bei der Kostenaufteilung die „wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen (…) Nutzeffekte des Vorhabens“ und „die möglicherweise erforderliche finanzielle Unterstützung“ berücksichtigt werden (Art. 12 Abs. 4 S. 4 und Erwägungsgrund 37 S. 2 und 3). Gleichzeitig sollen die Aufteilungsregelungen den Ausbau von PCI maximal fördern. In welcher Sprache die Entscheidung ergeht, ist nicht geregelt. Im Grunde müssten die Regelungen für europäische Rechtsakte mindestens entsprechend Anwendung finden, d. h. eine Übersetzung in die europäischen Amtssprachen jedenfalls der betroffenen Mitgliedstaaten erfolgen. Wie das praktisch durchgeführt wird, ist auf europäischer Ebene zu klären. Praktisch würden solche Entscheidungen im Zweifel auf Englisch verfasst. Für eine nationale Umsetzung wäre jede betroffene Regulierungsbehörde verpflichtet und angehalten, die Entscheidung in die nationale Amtssprache zu übersetzen. cc) Gegenstand und Verfahren der nationalen Umsetzungsentscheidung Art. 12 Abs. 5 verpflichtet die nationalen Regulierungsbehörden, die Kostenaufteilungsentscheidung national umzusetzen. Dabei sind nur „tatsächlich angefallene“ Kosten zu berücksichtigen. Daraus kann geschlossen werden, dass Plankosten nicht anzusetzen sind. Jedenfalls ist ein Ist-Abgleich vorzunehmen. Ein Problem für die nationale Umsetzungsentscheidung stellt sich bei der abstrakten Kostenzuordnung an die TNB in Deutschland im Rahmen der europäischen Entscheidung [vgl. II.2.d)bb)(3)]. Dabei ist zwischen zwei Möglichkeiten zu unterscheiden. Möglichkeit 1: Es gibt Anhaltspunkte aus der KNA für den festgestellten positiven Nettonutzen bei einzelnen TNB. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Kosten-Nutzen-Analyse nach Art. 11 der Verordnung nicht netzbetreiberspezifisch, sondern länderspezifisch erfolgt. Anhang 5 Nr. 11 lautet z. B.: „Durch die Analyse werden die Mitgliedstaaten ermittelt, auf die das Vorhaben positive Nettoauswirkungen hat (Begünstigte), ebenso wie die Mitgliedstaaten, auf die das Vorhaben negative Nettoauswirkungen hat (Kostenträger). Jede Kosten-Nutzen-Analyse enthält Sensi-
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tivitätsanalysen für den Input-Datensatz, das Datum der Inbetriebnahme verschiedener Vorhaben in demselben Analysegebiet und andere relevante Parameter.“
Möglichkeit 2: Es gibt keinerlei unternehmensspezifische Anhaltspunkte für einen Sondernutzen bei einem oder mehreren nationalen TNB. Dann muss die Kostenzuordnung gleichmäßig über alle erfolgen. Für diese nationale Kostenzuordnung auf verschiedene mögliche Kostenträger gibt die VO keine Anhaltspunkte oder Rechtsgrundlage. Auch das nationale Recht gibt der Bundesnetzagentur keine Rechtsgrundlage, einen spezifischen oder alle Netzbetreiber zu verpflichten, externe Kosten zu tragen und dies in der Erlösobergrenze abzubilden. Ein vergleichbarer Fall liegt ggf. bei der Kostentragung aus der SoS-VO (EU) Nr. 994/2010 im Gas vor. Hier sieht § 54a Abs. 3 S. 2 EnWG wenigstens eine Festlegungskompetenz für die Bundesnetzagentur hinsichtlich der Kostenaufteilung nach Art. 6 Abs. 8 VO (EU) Nr. 994/2010 ausdrücklich vor. Im Rahmen der Möglichkeit 2 – Verpflichtung aller – gibt es im EnWG und den VOen für Belastungsausgleiche Strom wiederholt den Maßstab der Kostenverteilung gem. § 9 KWKG. Dieser orientiert sich am Letztverbraucherabsatz der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB). Er ist bei Fehlen anderer Maßstäbe ein vernünftiger Standard. Es bedarf für seine Anwendung als Kostenverteilungsmaßstab im vorliegenden Fall aber einer gesetzlichen Anordnung. dd) Verhältnis eines Antrags nach Art 12 Abs. 3 zu einem Antrag nach § 23 ARegV Beide Verfahren, einmal für eine nationale Investitionsmaßnahme nach § 23 ARegV und zum anderen für eine europäische Kostenaufteilung, stellen zwei unterschiedliche Antragsverfahren für den Vorhabenträger dar. Die Frage nach dem Verhältnis der Anträge stellt sich nur in den Fallgruppen 1 und 3, in der jedenfalls ein deutscher Vorhabenträger eigene Investitionen tätigt. Man könnte die Auffassung vertreten, der Antrag nach §23 ARegV sei geradezu eine Voraussetzung für einen Antrag auf europäische Kostenaufteilung. Dies wäre dann der Fall, wenn die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme national gefährdet oder das Ergebnis auf die Tarife national unzumutbar wäre [siehe oben II.2.d)bb)(2)(b) lit. b)]. Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, so besteht immer die Möglichkeit, nur einen Teil der Investitionskosten für eine europäische Kostenaufteilung anzumelden. Für den verbleibenden Teil wäre stets ein Antrag auf eine Investitionsmaßnahme zulässig.
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In jedem Fall ist eine Doppelförderung zu vermeiden. Daher ist in der Fallgruppe 1 sicherzustellen, dass kostenmindernde Erlöse aus einer europäischen Kostenaufteilung vorhabenbezogen in der genehmigten Investitionsmaßnahme bei der Ist-Abrechnung kostenmindernd berücksichtigt werden. Es ist nicht erkennbar, dass Anträge nach § 23 ARegVund Art. 12 Abs. 3 in einem Alternativverhältnis stünden und der eine Antrag den anderen unzulässig werden ließe. Die zeitlichen Abläufe sind völlig andere und könnten vielmehr zur Verunsicherung der Investoren führen. Dies ist mit der VO nicht bezweckt. ee) Rechtsschutz (1) Rechtsschutz gegen die Entscheidung der betroffenen Regulierungsbehörden Fraglich ist, welches Gericht zuständig ist, wenn sich die Beschwerde gegen die einvernehmliche Vereinbarung der nationalen Regulierungsbehörden (National Regulators Agency, NRA) richtet. Auf welche Weise gegen die Entscheidung vorgegangen werden kann, ist in der Verordnung nicht näher geregelt. Es ist daher zu prüfen, welche Mechanismen generell zur Verfügung stehen, wenn es um die Anfechtung von Entscheidungen eines NRA-Gremiums geht. Soweit ersichtlich, gibt es jedoch bislang kein entsprechendes Reglement, das nähere Vorgaben zum Prozess der Entscheidungsfindung und Anfechtung von durch mehrere NRAs getroffenen Vereinbarungen enthält. Es ist daher in Erwägung zu ziehen, ob nicht die ACER als Beschwerdeinstanz angerufen werden könnte. Hierfür spricht jedenfalls die Aufgabenzuweisung in Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 zur Gründung der ACER.19 Nach Art. 7 Abs. 3 S. 1 dieser Verordnung schafft die Agentur einen Rahmen für die Zusammenarbeit der nationalen Regulierungsbehörden. Zudem wird die ACER in Art. 7 Abs. 3 S. 3 ermächtigt, entsprechende Empfehlungen an die Kommission zu richten, wenn sie verbindliche Regeln für eine derartige Zusammenarbeit für erforderlich hält. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die ACER ohnehin die entscheidende Instanz ist, wenn eine Einigung der NRAs nicht zustande kommt. Des Weiteren ist § 57a EnWG zu entnehmen, dass die Bundesnetzagentur die ACER um eine Stellungnahme bitten kann, wenn es darum geht, ob die von einer anderen nationalen Regulierungsbehörde getroffene Entscheidung in Einklang mit einer in § 57a EnWG näher benannten Verordnung steht. Inwieweit eine entsprechende Ergänzung erforderlich ist, ist zu prüfen. Angesichts dieser Aspekte ist davon auszugehen, dass die ACER auch ohne formal vorgesehenes Verfahren als Beschwerdeinstanz angerufen werden kann. 19 Verordnung (EG) Nr. 713/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, ABl. 211 v. 14. 08. 2009, S. 1 ff.
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(2) Rechtsschutz eines TNB oder einer NRA bei Nichteinhaltung der Entscheidung der betroffenen Regulierungsbehörden durch einen anderen TNB oder eine andere NRA Ein anderer Aspekt betrifft die Frage, wie zu verfahren ist, wenn sich eine nationale Regulierungsbehörde nicht an die gemeinsame, einvernehmliche Vereinbarung hält und damit die Umsetzung scheitert. Es ist möglich, dass die Vereinbarung entweder gar nicht oder fehlerhaft umgesetzt wird. Wie in diesem Fall vorzugehen ist, wird in der Verordnung ebenfalls nicht explizit geregelt. Fraglich ist, ob wiederum die ACER als Beschwerdeinstanz zuständig sein könnte. Eine Gesamtbetrachtung des Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009, der die Aufgaben im Zusammenhang mit den nationalen Regulierungsbehörden regelt, lässt jedenfalls den Schluss zu, dass die ACER befugt ist, sich für die Einhaltung und Umsetzung der internen Einigungsvereinbarung des betroffenen NRA-Gremiums einzusetzen. Neben den bereits im Vorabsatz zitierten Vorschriften des Art. 7 Abs. 3 sei insoweit auch auf den Art. 7 Abs. 3 S. 2 hingewiesen. Nach dieser Bestimmung fördert die ACER die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Regulierungsbehörden und trägt dem Ergebnis dieser Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung ihrer Stellungnahmen, Empfehlungen und Beschlüsse gebührend Rechnung. In Art. 7 Abs. 4 heißt es weiter, dass ACER auf Antrag eine Stellungnahme zu der Frage abgibt, ob eine von einer Regulierungsbehörde getroffene Entscheidung den in Abs. 4 näher bestimmten Vorschriften entspricht. Zwar ist die hier maßgebliche Verordnung zur transeuropäischen Energieinfrastruktur nicht explizit aufgeführt. Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 wurde zeitlich vor der Energieinfrastrukturverordnung erlassen. Zudem sei darauf hingewiesen, dass die Energieinfrastrukturverordnung in Art. 12 Abs. 6 S. 6 die Geltung der Art. 19 und 20 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 anordnet. Die Art. 19 und 20 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 beziehen sich auf die Möglichkeit, Beschwerde gegen Entscheidungen der ACER einzulegen. Dies kann als Argument gegen eine Heranziehung von Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 verwendet werden. Für die ACER als Beschwerdeinstanz spricht, dass die ACER im Falle des Nichtzustandekommens einer Einigung zwischen den NRAs selbst entscheiden muss und diese Entscheidung dann auch durchsetzen kann. Wenn die ACER nun nicht die Entscheidung übernimmt, sollte sie zumindest befugt sein, der einvernehmlichen Vereinbarung der NRAs zur Umsetzung zu verhelfen. Eine nicht umgesetzte Vereinbarung kann auch als gescheiterte Vereinbarung gewertet werden. Fraglich ist dann allerdings, ob ACER an die erste, einvernehmliche Entscheidung der betroffenen Regulierungsbehörden gebunden ist oder ob sie die „notleidende“ Umsetzungsvereinbarung nach eigenen Maßstäben ändern kann.
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(3) Rechtsschutz gegen eine Entscheidung von ACER Falls zwischen den NRAs keine einvernehmliche Vereinbarung zustande kommt, geht die Entscheidungsbefugnis auf die ACER über. Durch Verweis auf Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009, auf die die Energieinfrastrukturverordnung in Art. 12 Abs. 6 S. 7 verweist, finden die allgemeinen Regelungen zu Beschwerden der nationalen Regulierungsbehörden gegen Entscheidungen der ACER Anwendung. Die Beschwerde wird bei der ACER eingereicht und vom Beschwerdeausschuss beschieden. Gegen eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses wiederum kann gemäß Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 beim Gericht erster Instanz oder beim Gerichtshof Klage erhoben werden. Welches der beiden Gerichte im konkreten Fall zuständig ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (v. a. Art. 256, Art. 263, Art. 265) und der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union (v. a. Art. 51). (4) Beschwerde gegen die nationale Umsetzungsentscheidung Wenn ein Netzbetreiber gerichtlich gegen die verbindliche Umsetzungsentscheidung der Bundesnetzagentur vorgehen möchte, ist das Oberlandesgericht Düsseldorf das zuständige Beschwerdegericht. Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 75 Abs. 4 EnWG i.V.m. § 106 Abs. 1 i.V.m. § 91 GWB. Innerhalb eines solchen Verfahrens kann inzident die Rechtmäßigkeit der einvernehmlichen Vereinbarung zwischen den NRAs oder der Entscheidung der ACER überprüft werden. Das Oberlandesgericht hat insoweit die Möglichkeit, ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH durchführen zu lassen.
Die Förderung erneuerbarer Energien im Lichte des europäischen Beihilferechts Von Matthias Knauff, Jena
I. Einleitung In der Diskussion um die Energiewende hat das Beihilferecht über lange Zeit hinweg keine zentrale Rolle gespielt. Zwar wurde seine Maßstäblichkeit nicht in Frage gestellt; jedoch standen und stehen die vielfältigen politischen, technischen, ökonomischen und administrativen Herausforderungen des Umbaus der Energieversorgung in Deutschland und Europa berechtigterweise im Zentrum des öffentlichen Interesses. Diese Wahrnehmung änderte sich jedoch Ende 2013, als die Kommission erhebliche Bedenken gegen die Beihilferechtskonformität des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (2012) äußerte und ein Prüfverfahren einleitete.1 Zwar bemühte sich die Bundesregierung, hiergegen politisch und juristisch2 vorzugehen. Ein durchschlagender Erfolg blieb ihr jedoch verwehrt. Im November 2014 traf die Kommission ihre Entscheidung, welche die Befürchtungen im Hinblick auf ein Ende des deutschen Fördermodells jedoch nicht bestätigte.3 Vielmehr erklärte sie das EEG 2012 als im Wesentlichen beihilferechtskonform. Allerdings lässt die Entscheidung, gegen die die Bundesregierung Klage zum EuG erhoben hat,4 durchaus eine gewisse politische Überformung der rechtlichen Erwägungen erkennen. Bereits im April 2014 erließ die Kommission zudem die im Folgenden näher in den Blick zu nehmenden Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014 – 20205, die bereits als Maßstab für das im gleichen Jahr erlassene und als neue Beihilfe von der Bundesregierung bei der Kommission notifizierte und von dieser genehmigte EEG 2014 dienten.6 Wenngleich die beihilferechtliche Problematik in der Diskussion um die Energiewende seither wieder in den Hintergrund getreten ist, geben die vorstehend genannten Ereignisse Anlass, das Verhältnis von Beihilferecht und der Förderung erneuer1
C(2013) 4424 final. Klage v. 28. 2. 2014, Rs. T-134/14, ABl. 2014 C 142/40. Die Klage wurde zwischenzeitlich zurückgenommen. 3 C(2014) 8786 final. 4 Rs. T-47/15, ABl. 2015 C 127/31. 5 ABl. 2014 C 200/1. 6 C(2014) 5081 final. 2
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barer Energien, welche nur einen – wenn auch wichtigen – Ausschnitt der Energiewende bildet, näher in den Blick zu nehmen. Dies soll im Folgenden aus spezifisch beihilferechtlicher Perspektive geschehen. Als Ausgangspunkt ist diesbezüglich festzustellen, dass die politisch unumstrittene (und auch europarechtlich auf Grundlage der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG7 [im Folgenden: Erneuerbare-Energien-Richtlinie] grundsätzlich gebotene) Notwendigkeit der Förderung erneuerbarer Energien zwei beihilferechtliche Problemdimensionen aufwirft, welche in der Diskussion um die Beihilferechtskonformität des EEG klar zu Tage getreten sind. Zum einen stehen Maßnahmen im Fokus, welche der Unterstützung der Anbieter erneuerbarer Energien dienen, da diese im Markt bislang nicht wettbewerbsfähig sind (erste beihilferechtliche Dimension). Damit die Energiewende ohne eine „Überbelastung“ der Wirtschaft erfolgen kann, werden von den Mitgliedstaaten zum anderen Entlastungsmaßnahmen zugunsten von Unternehmen in Bezug auf die Finanzierung der Fördermaßnahmen für erneuerbare Energien ergriffen (zweite beihilferechtliche Dimension). Zwar müssen beide Problemdimensionen in Anbetracht der Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten nicht zwingend verbunden sein; vielfach sind sie es jedoch. Zudem weisen sie einen gegenständlich bedingten inneren Zusammenhang auf, der eine separate Betrachtung nicht angemessen erscheinen lässt. Dies gilt umso mehr in Anbetracht der ehrgeizigen Ziele der EU für die Energiewende. So soll die Versorgung mit elektrischer Energie bis zum Jahr 2050 zu (mindestens) 80 % des Gesamtverbrauchs aus erneuerbaren Energien erfolgen.8 Dies wird ohne erhebliche Fördermaßnahmen weder in Bezug auf den Ausbau erneuerbarer Energien möglich noch im Hinblick auf die gerade dadurch bedingten Belastungen von Unternehmen politisch durchsetzbar sein. Angesichts dieser Perspektive steht auch nicht zu erwarten, dass das Beihilferecht seine Bedeutung im Kontext der Energiewende verlieren wird. Im Gegenteil: Die in neuerer Zeit zunehmende Zahl der einschlägigen Entscheidungen der Kommission9 und der EU-Gerichte10 legen nahe, dass die Energiewende soeben in der beihilferechtlichen „Normalität“ ankommt. 7
ABl. 2009 L 140/16, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2015/1513, ABl. 2015 L 239/1. 8 KOM(2011) 112 endg., S. 6; Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung vom 28. September 2010, S. 5 (abrufbar unter http://www. bundesregierung.de/ContentArchiv/DE/Archiv17/_Anlagen/2012/02/energiekonzept-final. pdf?__blob=publicationFile&v=5 – Internetzitate v. 10. 6. 2015). Landesrechtlich ist vereinzelt sogar eine vollständige Umstellung der Strom- und Wärmeversorgung bis 2050 auf erneuerbare Energien vorgesehen, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 Bremisches Klimaschutz- und Energiegesetz, Brem.GBl. 2015 S. 124. 9 Siehe exemplarisch aus neuerer Zeit die Entscheidungen C(2012) 565 final, C(2013) 514 final, C(2014) 1315 final, C(2014) 2246 final, C(2014) 5074 final, C(2014) 5079 final, C(2014) 5083 final, C(2014) 7287 final, C(2014) 8822 final. 10 EuGH, Urt. v. 26. 9. 2013, Rs. C-195/12 – Industrie du bois de Vielsalm; Urt. v. 19. 12. 2013, Rs. C-262/12 – Association Vent De Colère!; Urt. v. 1. 7. 2014, Rs. C-573/12 – Ålands
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II. Art. 107 AEUV als Maßstab Mangels speziellerer Regelungen dient Art. 107 AEUVals der an Fördermaßnahmen im Kontext der Energiewende anzulegende beihilferechtliche Maßstab. Von Bedeutung sind somit die (beschränkte) Reichweite des Beihilfebegriffs, das grundsätzliche Beihilfeverbot und (vor allem) die möglichen Ausnahmen hiervon. 1. Beihilfeeigenschaft staatlicher Fördermaßnahmen Art. 107 Abs. 1 AEUV legt die tatbestandlichen Merkmale von Beihilfen abschließend fest. Als Beihilfe gilt danach jede Maßnahme, die unter Verwendung staatlicher Mittel konkrete Unternehmen oder Branchen begünstigt, potenziell den Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann. Sämtliche dieser Merkmale müssen kumulativ vorliegen. Andernfalls ist die Maßnahme begrifflich nicht als Beihilfe zu qualifizieren. Zwar ist im Interesse der Wirksamkeit (effet utile) des Beihilferechts eine weite Auslegung der einzelnen Merkmale möglich und grundsätzlich auch geboten.11 Eine rein wirkungsorientierte Interpretation des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist jedoch ausgeschlossen.12 Gleichwohl erfüllen zahlreiche staatliche Maßnahmen, die (auch) in Bezug auf die Energiewende Verwendung finden, diese begrifflichen Voraussetzungen. Im Hinblick auf die Förderung erneuerbarer Energien wirft insbesondere deren erste beihilferechtliche Dimension spezifische Fragen auf. a) Förderung als bloße Kompensation? Bezogen auf die erhöhte Vergütung für die Einspeisung ökologisch erzeugten Stroms wurde im Beihilfeprüfverfahren von der Bundesregierung und wird teilweise auch in der Literatur unter Verweis auf die Altmark Trans-Rechtsprechung des EuGH13 vertreten, es fehle diesbezüglich bereits an der Begünstigung, sodass begrifflich keine Beihilfe vorliege.14 Der EuGH hat in dieser Entscheidung folgende Voraussetzungen aufgestellt, unter denen Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – im konkreten Fall Verkehrsleistungen – tatbestandlich nicht als Beihilfe zu qualifizieren sind: vindkraft; Urt. v. 26. 11. 2014, Rs. C-66/13 – Green Network; EuG, Urt. v. 11. 12. 2014, Rs. T-251/11, Rn. 53 ff. – Österreich/Kommission. 11 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 107 AEUV Rn. 10 m.w.N. 12 Dahingehend aber v. Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 1/2015, Art. 107 AEUV Rn. 30. 13 EuGH, Urt. v. 24. 7. 2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747. 14 So etwa Ismer/Karch, ZUR 2013, 526 (530 ff.); dagegen Kröger, Die Förderung erneuerbarer Energie im Europäischen Elektrizitätsbinnenmarkt. Binnenmarktintegration erneuerbarer Energien durch Europäisierung nationaler Fördersysteme, 2015, S. 184 ff.
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Matthias Knauff „Erstens ist das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut worden, und diese Verpflichtungen sind klar definiert worden; zweitens sind die Parameter, anhand derer der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufgestellt worden; drittens geht der Ausgleich nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken; viertens ist die Höhe des erforderlichen Ausgleichs, wenn die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt worden, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen (…) ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.“15
Diese Rechtsprechung erfasst Fördermaßnahmen nach dem (Muster des) EEG schon deshalb nicht, weil es an der notwendigen Betrauung der Stromeinspeiser fehlt.16 Zwar ist der Betrauungsbegriff bislang nicht abschließend geklärt. Es bedarf aber jedenfalls der hoheitlichen Aufgabenzuweisung an ein konkretes Unternehmen,17 die im Falle des EEG nicht erkennbar ist. Grundsätzlich ausgeschlossen erscheint eine derartige Betrauung, die in verschiedenen Formen erfolgen kann, allerdings nicht. Zwar folgen derzeit die Erzeuger von Ökostrom v. a. ökonomischen Anreizen und agieren ausschließlich aufgrund eigener Entscheidung. Allerdings könnte ihnen die Aufgabe der Erzeugung und Einspeisung durchaus staatlich im Wege der Betrauung zugewiesen werden. Ein autonomer „Ausstieg“ wäre dann jedoch nicht ohne Weiteres möglich.18 Weniger Schwierigkeiten bereitet die Qualifikation der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen und dessen Einspeisung in das Netz als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung i. S. d. Altmark Trans-Rechtsprechung. Die Kommission setzt diesen Begriff mit demjenigen der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse gleich und geht davon aus, es handle sich um „die Erbringung von Dienstleistungen, die ein Unternehmen, wenn es im eigenen gewerblichen Interesse handelt, nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen übernommen hätte“ und die „zum Wohle der Bürger oder im Interesse der Gesellschaft als Ganzes erbracht werden“.19 Diese Voraussetzungen las15
EuGH, Urt. v. 24. 7. 2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747 Rn. 95 – Altmark Trans. Zutreffend Behlau, in: Müller (Hrsg.), 20 Jahre Recht der Erneuerbaren Energien, 2012, S. 336 (349). 17 Vgl. zu Art. 106 Abs. 2 AEUV EuGH, Urt. v. 27. 3. 1974, Rs. 127/73, Slg. 1974, 313 Rn. 19/22 – BRT/SABAM II; Urt. v. 14. 11. 1981, Rs. C-172/80, Slg. 1981, 2021 – Züchner; Urt. v. 11. 4. 1989, Rs. 66/86, Slg. 1989, 803 Rn. 55 – Ahmed Saeed Flugreisen; Urt. v. 23. 10. 1997, Rs. C-159/94, Slg. 1997, I-5815 Rn. 59 – EDF/GDF. 18 Vgl. Stadler, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, Art. 106 AEUV Rn. 58. 19 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, ABl. 2012 C 8/2, Rn. 47, 50. 16
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sen sich – solange die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien teurer als diejenige auf konventionellem Wege ist und ein mitgliedstaatlicher Wille zur Energiewende feststellbar ist20 – theoretisch durchaus bejahen. Auch unter der Voraussetzung einer Betrauung gerade mit diesen Verpflichtungen müssen zum Entfallen der Beihilfeeigenschaft mangels Begünstigung die spezifischen Vorgaben des EuGH für die (im Einzelfall) zulässige Höhe der Ausgleichsleistungen und ihre Berechnung erfüllt werden. Dies mag ungeachtet der damit einhergehenden Schwierigkeiten durchaus rechtlich konstruierbar sein, entspricht aber keineswegs den derzeit praktizierten Fördermodellen. Fördermaßnahmen zugunsten erneuerbarer Energien lassen sich daher nach derzeitigem Entwicklungsstand grundsätzlich nicht als „Nichtbeihilfen“ nach der Altmark Trans-Rechtsprechung qualifizieren. b) Umlage- statt Steuerfinanzierung Einen weiteren Ansatzpunkt für die Qualifikation von Fördermaßnahmen zugunsten erneuerbarer Energien als Nichtbeihilfen bietet die PreussenElektra-Entscheidung des EuGH21. Dieser entschied im Hinblick auf das deutsche Stromeinspeisungsgesetz, dem Vorläufer des EEG, dass eine wirtschaftliche Begünstigung der Einspeiser ökologisch erzeugten Stroms durch eine darauf bezogene Abnahmepflicht seitens der Energieversorgungsunternehmen zu Mindestpreisen mangels Tangierung staatlicher Mittel keine Beihilfe darstelle. Diese inhärente Beschränkung des Beihilfebegriffs hat zur Folge, dass die Beihilfeeigenschaft einer staatlichen Fördermaßnahme letztlich von deren juristischer Konstruktion abhängig ist.22 Der angestrebte wirtschaftliche Erfolg lässt sich durch einen Mitgliedstaat in geeigneten Konstellationen mithin auf verschiedenen, beihilferechtlich unterschiedlich zu beurteilenden Wegen erreichen. Während bei einer vorübergehenden staatlichen Vereinnahmung der auszuwerfenden Mittel eine Beihilfe zu bejahen ist, ist dies bei einer bloßen gesetzlichen „Organisation“ der Begünstigung von Privaten durch Private nicht der Fall. Allerdings besteht diesbezüglich eine bedeutsame Einschränkung: Handelt es sich bei den die Begünstigung vornehmenden Privaten um eine sog. „benannte Stelle“, gilt dies nicht. Nach der Steinike & Weinlig-Entscheidung des EuGH steht ein staatlich kontrollierter Privater hinsichtlich der für die Begünstigung eingesetzten Mittel dem Staat gleich.23 Mithin ist für die beihilferechtliche Bewertung von Be20 Zur grundsätzlichen Kompetenz der Mitgliedstaaten zur Bestimmung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse siehe Art. 1 des Protokolls (Nr. 26) über Dienste von allgemeinem Interesse. 21 EuGH, Urt. v. 13. 3. 2001, Rs. C-379/98, Slg. 2001, I-2099. 22 Vgl. Kröger (Fn. 14), S. 221 f. 23 EuGH, Urt. v. 22. 3. 1977, Rs. 78/76, Slg. 1977, 595: „[21] Das in Artikel 92 Absatz 1 enthaltene Verbot erfasst sämtliche staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfen, ohne dass danach zu unterscheiden ist, ob die Beihilfe unmittelbar durch den Staat oder durch von ihm zur Durchführung der Beihilferegelung errichtete oder beauftragte öffentliche oder private Einrichtungen gewährt wird. Bei der Anwendung des Artikels 92 sind im We-
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günstigungen im Rahmen eines Umlageverfahrens entscheidend, inwieweit der Staat Einfluss auf den begünstigenden Privaten nimmt. Dies war nach der Konzeption des Stromeinspeisungsgesetzes jenseits der gesetzlichen Abnahme- und Vergütungspflicht der Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Hinblick auf ökologisch erzeugten Strom nicht der Fall. Moderne Fördermechanismen beschränken sich darauf jedoch gerade nicht. Die Kommission hat im Hinblick auf das EEG 2012 in ihrem Eröffnungsbeschluss, auf den sie in ihrer abschließenden Entscheidung explizit verweist24, ausgeführt, „dass der Staat die Verwaltung der betreffenden Mittel kontrollieren, steuern und beeinflussen kann: Der Staat interveniert sowohl auf der Ebene des Vorteils (Einspeisevergütung) als auch auf der Ebene seiner Finanzierung (des gesamten Mechanismus der EEG-Umlage). Der Staat hat nicht nur definiert, wem der Vorteil gewährt werden soll, welche Förderkriterien gelten und wie hoch die Förderung ausfällt, sondern er hat auch die finanziellen Mittel zur Deckung der Kosten der Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen und Grubengas bereitgestellt. Anders als es in der Rechtssache Doux Elevage der Fall war, stammt die EEG-Umlage vom Staat und ist keine private Initiative der [Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB)]. Der Staat hat Ziel und Zweck der Umlage definiert: Sie dient der Finanzierung einer vom Staat ausgearbeiteten Förderpolitik und nicht einer von den ÜNB beschlossenen Aktion. Den ÜNB steht es nicht frei, die Umlage nach ihrem Ermessen festzulegen, sie werden vielmehr streng dabei überwacht, wie sie die Umlage berechnen, erheben und verwalten. Auch die Vermarktung des EEG-Stroms ist Gegenstand der Überwachung durch den Staat. Die Bestimmungen über die Festsetzung der EEG-Umlage stellen sicher, dass die Umlage für genügend finanzielle Deckung sorgt, um die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien und Grubengas sowie die Kosten für die Verwaltung des Systems bezahlen zu können. Mehr ist nicht möglich. Die ÜNB können die EEG-Umlage nicht zur Finanzierung anderweitiger Tätigkeiten nutzen; die Finanzflüsse sind über separate Bankkonten abzuwickeln. Die Kommission kommt (…) daher zu dem Schluss, dass die ÜNB seitens des Staates mit der Aufgabe betraut wurden, die EEG-Umlage zu verwalten, und dass die Erlöse aus der EEG-Umlage staatliche Mittel darstellen.“25 sentlichen die Auswirkungen der Beihilfe auf die begünstigten Unternehmen oder Erzeuger und nicht die Stellung der für die Verteilung und Verwaltung der Beihilfe zuständigen Einrichtungen zu berücksichtigen. [22] Eine staatliche Maßnahme, die bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse begünstigt, verliert die Eigenschaft eines unentgeltlichen Vorteils nicht dadurch, dass sie ganz oder teilweise durch Beiträge finanziert wird, die von Staats wegen von den betreffenden Unternehmen erhoben werden.“ 24 C(2014) 8786 final, Rn. 99: „The State has defined the purpose and destination of the surcharge: it serves to finance a support policy developed by the State and is not an action decided by the TSOs. The TSOs are not free to establish the surcharge as they want and are strictly monitored in the way the surcharge is calculated, levied and managed. The way they sell the EEG electricity is also monitored by the State. The provisions governing the establishment of the EEG-surcharge ensure that the surcharge provides sufficient financial cover to pay for the support for EEG electricity as well as for the costs stemming from the management of the system. Those provisions do not allow for the collection of aditional revenue beyond the coverage of those costs. The TSOs are not allowed to use the EEG-surcharge to finance any other type of activity, and financial flows are to be kept on separate accounts (recital 137 of the Opening Decision).“ 25 C(2013) 4424 final, Rn. 137 f.
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Dieses Verständnis der Kommission wird den Zwecken des Beihilferechts ebenso gerecht wie es sich in die maßgebliche Rechtsprechung, zuletzt die Entscheidung des EuG zum österreichischen Ökostromgesetz26, einfügt.27 Insbesondere trägt die PreussenElektra-Entscheidung keine weitgehenden Herausnahmen wettbewerbsrelevanter Fördermaßnahmen aus dem Beihilfebegriff. Der EuGH führte darin vielmehr explizit aus, dass die Erfassung der „aus staatlichen Mitteln gewährten“ Beihilfen in Art. 107 Abs. 1 AEUV dazu dient, „in den Beihilfebegriff die unmittelbar vom Staat gewährten Vorteile sowie diejenigen, die über eine vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtung gewährt werden, einzubeziehen.“ Sobald also „privatfinanzierte“ Fördermaßnahmen einer intensiveren Einflussnahme staatlicher Stellen unterliegen, steht die durch die PreussenElektra-Entscheidung offenbar gewordene inhärente Beschränkung des Beihilfebegriffs gerade nicht in Frage. Für die Energiewende bedeutet dies insbesondere, dass zwar einfache Abnahme- und Vergütungspflichten zugunsten erneuerbarer Energien nicht notwendig dazu führen, dass die Begünstigungen der Erzeuger von Ökostrom als Beihilfen zu qualifizieren sind. Je anspruchsvoller die rechtliche Konstruktion jedoch gestaltet wird und je stärker der Einfluss des Staates (und damit die – regelmäßig beabsichtigte – politische Steuerung) auf die die Begünstigung vornehmenden Unternehmen (einschließlich der Organisation der notwendigen Mittel) wird, desto weniger lässt sich eine Fördermaßnahme als „Nichtbeihilfe“ ansehen. 2. Beihilfeverbot und potenziell einschlägige Ausnahmen Sofern Fördermaßnahmen tatbestandlich als Beihilfen zu qualifizieren sind, greift das grundsätzliche Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV ein. Zweck- oder gegenstandsbezogene Differenzierungen bestehen diesbezüglich nicht. Zugleich unterliegen sie der Kontrolle durch die Kommission nach Art. 108 AEUV. Die Realisierung derartiger Fördermaßnahmen ist gleichwohl möglich, sofern sie einer der zahlreichen Ausnahmen vom Beihilfeverbot unterfällt. Art. 107 Abs. 3 AEUV normiert eine Mehrzahl fakultativer Ausnahmen vom grundsätzlichen Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Im Hinblick auf Fördermaßnahmen wie die EEG-Umlage (deren Beihilfeeigenschaft vorausgesetzt) wie auch deren Begrenzung für energieintensive Unternehmen kommt vor allem eine Rechtfertigung als Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse nach Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 1 AEUV in Betracht. Die Kommission stellt gleichwohl maßgeblich auf Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV ab. Mangels tatbestandlicher Einschlägigkeit ist dagegen eine Rechtfertigung auf Art. 107 26 EuG, Urt. v. 11. 12. 2014, Rs. T-251/11, Rn. 53 ff. – Österreich/Kommission; vgl. auch EuGH, Urt. v. 17. 7. 2008, Rs. C-206/06, Rn. 65 ff. – Essent. 27 Koenig/Schramm, in: Löwer, Europäische und internationale Aspekte der Energierechtsreformdebatte, 2014, S. 23 (27 ff.); a.A. Kröger (Fn. 14), S. 219 ff.; Behlau (Fn. 16), S. 336 (362 f.).
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Abs. 3 AEUV konkretisierender sekundärrechtlicher Grundlage ausgeschlossen.28 Insbesondere enthält die Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG29 als europarechtliches Äquivalent zum EEG bislang keine diesbezüglichen Aussagen. a) Rechtfertigung als Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 1 AEUV gestattet der Kommission die Zulassung von „Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“. Die Vorschrift normiert nur zwei Tatbestandsmerkmale: Es muss sich erstens um eine tatbestandliche Beihilfe i. S. v. Art. 107 Abs. 1 AEUV handeln, die von einem Mitgliedstaat gewährt wird. Zweitens muss ein gesamteuropäisches Interesse an ihrer Gewährung bestehen, das aus der Bedeutung des Vorhabens folgt, welches gefördert wird. Im Hinblick auf Fördermaßnahmen zugunsten der Erzeuger erneuerbarer Energien sowie Ausnahmen von der Inanspruchnahme hierzu zugunsten energieintensiver Unternehmen kommen diesbezüglich zwei Ansatzpunkte in Betracht. Zum einen könnten die mit den Maßnahmen verfolgten Ziele des Klimaschutzes und der Förderung erneuerbarer Energien rechtfertigende Wirkung entfalten, zum anderen die Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen für die betroffenen Unternehmen. aa) Klimaschutz und Ausbau erneuerbarer Energien als wichtige Vorhaben der EU (1) Stellenwert und normativer Niederschlag Die zentrale Bedeutung des Klimaschutzes und der damit einher gehende Ausbau erneuerbarer Energien in Recht und Politik der EU stehen heute außer Frage. Dies zeigt sich bereits auf der Ebene des Primärrechts. Art. 191 Abs. 1 AEUV nimmt die „Bekämpfung des Klimawandels“ als Ziel der Umweltpolitik der Union explizit in Bezug. Die „Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen“ wird zudem in Art. 194 Abs. 1 lit. c AEUVals Ziel der Energiepolitik benannt. In beiden Fällen handelt es sich um spezifische Ausprägungen des grundsätzlichen Bekenntnisses der EU zum Umweltschutz in Art. 11 AEUV. Noch deutlicher tritt die Bedeutung des Klimaschutzes und erneuerbarer Energien im Sekundärrecht zu Tage. Neben der zu Klimaschutzzwecken auf eine Senkung der CO2-Emissionen abzielenden Treibhausgasemissionshandelsrichtlinie 2003/
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Weder die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (EG) Nr. 800/2008, ABl. 2008 L 214/3, noch die De-Minimis-Verordnung (EG) Nr. 1407/2013, ABl. 2013 L 352/ 1, enthalten entsprechende Regelungen. 29 ABl. 2009 L 140/16.
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87/EG30 ist insbesondere auf die Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG zu verweisen. Diese gibt eindeutig zu erkennen, dass eine mitgliedstaatliche Förderung erneuerbarer Energien im Ausgangspunkt aus europarechtlicher Perspektive nicht nur als legitim, sondern als geboten anzusehen ist.31 Auch die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (EG) Nr. 800/2008 enthält spezifische Regelungen über Umweltschutzbeihilfen im Hinblick auf die Förderung erneuerbarer Energien (Art. 23) und bringt dadurch unmittelbar in beihilferechtlichem Kontext deren hohen Stellenwert zum Ausdruck. Dies korrespondiert mit einer Vielzahl von Programmen, Erklärungen und anderen rechtlich unverbindlichen Äußerungen der Organe der EU. Exemplarisch sei auf die Mitteilung der Kommission „Energie 2020 – Eine Strategie für wettbewerbsfähige, nachhaltige und sichere Energie“32 und deren aktuelle Fortentwicklung33 verwiesen. Infolge dessen ist im Hinblick auf den Klimaschutz und den Ausbau erneuerbarer Energien einschließlich ihrer Förderung das Vorliegen eines wichtigen Vorhabens im gemeineuropäischen Interesse aus einer materiell-rechtlichen Perspektive heraus zu bejahen.34 (2) Notwendigkeit mitgliedstaatsübergreifender Manifestation? In ihrer bisherigen Praxis hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass Ausnahmen auf Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 1 AEUV nur dann in Betracht kommen, wenn sich das gemeinsame europäische Interesse in einer mitgliedstaatsübergreifenden Kooperation niederschlägt.35 Allein eine materielle Begründung wurde mithin nicht als ausreichend angesehen. Der EuGH hat diese Auffassung in seiner Entscheidung in der Rechtssache Exécutif régional Wallon/Kommission im Jahr 1988 bestätigt und ausgeführt: „[22] Die Kommission geht in der Praxis bei Beihilfen davon aus, daß ein Vorhaben nur als von gemeinsamem europäischem Interesse im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b qualifiziert werden kann, wenn es Teil eines von den Regierungen verschiedener Mitgliedstaaten unterstützten zwischenstaatlichen europäischen Programms ist oder zu einer zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten abgestimmten Unternehmung gehört, durch die 30
ABl. 2003 L 275/32 i. d. F. der Richtlinie 2009/29/EG, ABl. 2009 L 140/63, zuletzt geändert durch Beschluss (EU) 2015/1814, ABl. 2015 L 264/1. 31 Art. 1 S. 1: „Mit dieser Richtlinie wird ein gemeinsamer Rahmen für die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen vorgeschrieben.“ 32 KOM(2010) 639 endg. 33 COM(2014) 15 final. 34 Siehe auch allgemeiner zum Umweltschutz Müller-Graff, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg, Europäisches Unionsrecht, 2012, Art. 107 AEUV Rn. 32. 35 Vgl. Kreuschitz, in: Montag/Säcker, Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) III: Beihilfen- und Vergaberecht, 2011, Art. 107 AEUV Rn. 686 ff. m.w.N.
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Matthias Knauff eine gemeinsame Gefahr wie die Umweltverschmutzung bekämpft werden soll. [23] Durch die Festlegung dieser Handlungsrichtlinie (…) hat die Kommission keinen offenkundigen Ermessensfehler begangen.“36
Diese Entscheidung ist jedoch in ihrem historischen Kontext zu sehen. Vor mehr als 25 Jahren war die europäische Integration deutlich weniger weit vorangeschritten als heute. Vielmehr wurde im Jahr der genannten Entscheidung des EuGH mit der Einheitlichen Europäischen Akte das Primärrecht erstmals grundlegend geändert, um eine vertieftere Integration zu ermöglichen, die seither sehr umfassend realisiert wurde. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Sekundärrecht, das weder quantitativ noch qualitativ mit seiner heutigen Ausprägung vergleichbar war. Ein Interesse, welches nicht auf einen Mitgliedstaat begrenzt war, musste sich daher nahezu unvermeidlich in der Form einer mehrere Mitgliedstaaten umfassenden Kooperation jenseits des positiven Europarechts niederschlagen. Derartige Formen mitgliedstaatlicher Zusammenarbeit bilden jedoch im Korpus des heutigen Integrationsrechts einen Fremdkörper. Gemeineuropäische Interessen schlagen sich heute gerade typischerweise im Sekundärrecht nieder, welches für eine Ergänzung durch zwischenmitgliedstaatliche Vereinbarungen nur noch in geringem Maße Raum lässt. Für die Interpretation des Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV ist dieser Wandel von entscheidender Bedeutung. In der Sache handelt es sich bei der Forderung nach einer mitgliedstaatsübergreifenden Kooperation als Ausweis eines gemeineuropäischen Interesses um die Aufstellung eines zusätzlichen Erfordernisses, welches in der Formulierung der Norm keine Grundlage findet. Zwar steht außer Frage, dass ein solches gemeinsames Interesse in einem derartigen Fall besonders deutlich zu Tage tritt. Die nach Sinn und Zweck der Freistellungsmöglichkeit notwendige materielle Rechtfertigung findet darin ihren Ausdruck. Diese wird jedoch in gleicher Weise, wenn nicht sogar noch besser sichtbar, wenn sie dem Europarecht selbst zu entnehmen ist. Das Festhalten an der überkommenen Auffassung der Kommission würde daher in Anbetracht dessen eine Verwirklichung dieses sekundärrechtlich positivierten gemeineuropäischen Interesses, welches durch Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV gefördert werden soll, erheblich und überdies mit weiterem Fortschreiten der europäischen Integration zunehmend erschweren. Jedenfalls dann, wenn, wie vorliegend, sich das gemeineuropäische Interesse auf europäischer Ebene vielfach normativ und in sonstiger Form niedergeschlagen hat, besteht keine Veranlassung, hierfür zusätzlich einen weiteren formalen Anknüpfungspunkt zu fordern.37
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EuGH, Urt. v. 8. 3. 1988, verb. Rs. 62 und 72/87, Slg. 1988, 1573. So i. E. auch Cremer (Fn. 11), Art. 107 AEUV Rn. 54; Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilferecht, 2013, Kap. 1 Rn. 1170; implizit Kühling, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 107 AEUV Rn. 119. 37
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(3) Förderungsbeiträge Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 1 AEUV lässt das Vorliegen eines gemeinsamen europäischen Interesses an einem Vorhaben nicht als Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Ausnahme vom Beihilfeverbot genügen. Vielmehr müssen die in Frage stehenden Maßnahmen einen Beitrag zu seiner Förderung leisten. Es ist daher zu fragen, ob dies zum einen für die Förderung erneuerbarer Energien der Fall ist, zum anderen aber auch für Ausnahmen von der Inanspruchnahme zugunsten energieintensiver Unternehmen. (a) Förderung erneuerbarer Energien Der Förderungsbeitrag erneuerbarer Energien zum Klimaschutz wirft keine grundsätzlichen Probleme auf und wird primär- wie auch sekundärrechtlich vorausgesetzt.38 In Deutschland hat das EEG den Ausbau erneuerbarer Energien in erheblichem Maße befördert und ist daher als Instrument zu qualifizieren, das zu einer Senkung der CO2-Emissionen in Deutschland beizutragen geeignet ist.39 Wenngleich die Wechselwirkungen mit dem Emissionshandel in der normativen Ausgestaltung auf europäischer wie mitgliedstaatlicher Ebene nur unzureichend berücksichtigt werden, führt der Ausbau erneuerbarer Energien jedenfalls dazu, dass bei der Stromerzeugung weniger Treibhausgase entstehen als bei der Verstromung konventioneller Primärenergieträger. Dies ist vor dem Hintergrund des technischen wie juristischen Erkenntnisstandes als hinreichender Förderungsbeitrag anzusehen. (b) Ausnahmen für energieintensive Unternehmen Weitaus problematischer ist, ob die Ausnahmen für energieintensive Unternehmen ebenfalls einen Förderungsbeitrag im Hinblick auf Klimaschutz und die Stärkung erneuerbarer Energien leisten. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Ausnahmeregelung nicht isoliert, sondern in ihrem Gesamtzusammenhang zu bewerten ist und sie insoweit positive Wirkungen entfaltet. (aa) Möglichkeit und Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung Das EU-Beihilferecht nimmt im Ausgangspunkt einzelne Maßnahmen und deren Wirkungen in den Blick. Dies zeigt sich vor allem an der Legaldefinition von Beihilfen in Art. 107 Abs. 1 AEUV. Die rechtliche Beurteilung einer staatlichen Maßnahme als tatbestandliche Beihilfe hängt allein davon ab, ob die hierfür normativ vorgegebenen Merkmale erfüllt sind. Es stellt sich daher die Frage, ob im Hinblick auf ihre Rechtfertigung auch mittelbare Wirkungen berücksichtigt werden können. Sofern dies nicht der Fall ist, scheitert die teilweise Befreiung von energieintensiven Unternehmen von finanziellen Inanspruchnahmen wie der EEG-Umlage auf 38
Siehe oben II.2.a)aa)(1). Zur tatsächlichen Entwicklung siehe http://www.umweltbundesamt.de/themen/klimaenergie/erneuerbare-energien/erneuerbare-energien-in-zahlen. 39
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Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV im Hinblick auf das Ziel des Klimaschutzes und die Förderung erneuerbarer Energien. Bei isolierter Betrachtung hat eine solche Ausnahme für die begünstigten Unternehmen zur Folge, dass diese Elektrizität günstiger beziehen können und somit bei ihrer Produktion geringeren Einsparanreizen unterliegen, so dass sie unter Umständen weniger klimaschonend tätig werden, als dies bei einer uneingeschränkten Zahlungsverpflichtung der Fall wäre. Zugleich beteiligen sie sich infolge der partiellen Befreiung nur zu einem geringen Maße an der Finanzierung des Ausbaus erneuerbarer Energien. Gegen eine solche isolierte Betrachtung bestehen jedoch erhebliche Bedenken sowohl grundsätzlicher Natur als auch im konkreten Einzelfall. Diese gründen zum einen in der Fassung des EU-Beihilferechts sowie seinen Bezügen zu und Wechselwirkungen mit anderen Bereichen des Europarechts. Zum anderen handelt es sich bei der Ausnahmeregelung um eine mitgliedstaatliche Maßnahme, die Bestandteil eines Gesamtkonzepts darstellt, welches als Einheit zu verstehen ist. a) Fassung der Ausnahmetatbestände Die in den Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV normierten zwingenden und fakultativen Ausnahmen vom Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV lassen erkennen, dass die Berücksichtigung von Umständen, die über die unmittelbaren Wirkungen der in Frage stehenden Beihilfe hinausweisen, beihilferechtlich durchaus von Relevanz sein können. Dies ist bei der Interpretation von Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV von Bedeutung. Zwar können mittelbare Wirkungen bei einzelnen Ausnahmetatbeständen nach deren Fassung keine Berücksichtigung finden, da sie die beihilferechtlich zulässigen Zielsetzungen klar definieren. Dies ist der Fall bei Art. 107 Abs. 2 S. 1 lit. b und Abs. 3 lit. d AEUV. Die Mehrzahl der Ausnahmeregelungen ist jedoch dahingehend formuliert, dass sie die Berücksichtigung mittelbarer Wirkungen der Beihilfe ermöglichen und teils sogar erfordern. Letzteres gilt insbesondere für die Regionalförderung, die Förderung von Wirtschaftsgebieten sowie die Kulturförderung gemäß Art. 107 Abs. 3 lit. a, c Alt. 2, d AEUV. Die Wirkungen von Beihilfen zielen in diesen Fällen stets nicht nur auf das konkret geförderte Unternehmen ab. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch Art. 107 Abs. 3 lit. e AEUV zu nennen, der keinerlei Begrenzung der Zielsetzungen und Wirkungsweisen derjenigen Beihilfen enthält, deren Vereinbarkeit mit dem Vertrag vom Rat beschlossen wird.40 Im Lichte dieses normativen Gesamtzusammenhangs betrachtet, ist auch Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 1 AEUV eine Offenheit für die Berücksichtigung mittelbarer Wirkungen von Beihilfen zu entnehmen. Der Begriff der „Förderung“ (der auch in den vorstehenden Kontexten verwendet wird) enthält gerade kein Erfordernis einer un-
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Vgl. Müller-Graff (Fn. 34), Art. 107 AEUV Rn. 35.
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mittelbaren Maßnahme-Erfolgs-Kausalität.41 Nach Sinn und Zweck seiner Verwendung in der Norm zielt er darauf ab, zur Realisierung des jeweiligen wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischem Interesse beizutragen. Dies kann jedoch in Abhängigkeit von der gewählten Konstruktion gerade auch durch mittelbare Wirkungen einer Beihilfe geschehen, die einer Berücksichtigung daher zugänglich sind. Für ein solches Verständnis spricht schließlich auch die systematische Verknüpfung mit Beihilfen, die der „Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“ (Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 2 AEUV) dienen. In einer solchen Situation ist eine isolierte Betrachtung von Beihilfen und ihren Wirkungen regelmäßig nicht möglich. Vielmehr ist der Gesamtzusammenhang notwendig in den Blick zu nehmen. b) Erreichung von Zielen durch Beihilfen und Nichtbeihilfen Für eine Berücksichtigungsfähigkeit mittelbarer Wirkungen von Beihilfen im Hinblick auf deren Zulassung nach Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 1 AEUV spricht darüber hinaus, dass das Europarecht heute in verschiedenen Zusammenhängen die Verfolgung von Zielen durch einen Mix aus Beihilfen und anderen in gleicher Weise finanzwirksamen Förderungsformen („Nichtbeihilfen“) anerkennt. Im Zentrum steht dabei die Zielerreichung. Die zu dieser führenden Wege können jedoch erheblich variieren. Dies ist besonders deutlich im Hinblick auf die mitgliedstaatliche Finanzierung der Dienst(leistung)e(n) von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die heute ungeachtet der mitgliedstaatlichen Gestaltungsspielräume ein anerkannter Wert der EU sind, vgl. Art. 14, 106 Abs. 2 AEUV, Art. 36 EuGrCh, sowie die punktuelle sekundärrechtliche Ausgestaltung etwa durch die Universaldienstrichtlinie 2002/22/EG42. Zuletzt hat das aktuelle „DAWI-Paket“ der Kommission43 – basierend auf der den Beihilfecharakter bestimmter Fördermaßnahmen ablehnenden und dadurch den Beihilfetatbestand teilweise unscharf werden lassenden Altmark Trans-Entscheidung 41 Eine kontextual denkbare Gleichsetzung mit dem sekundärrechtlichen Begriff der Förderregelung i. S. v. Art. 2 lit. k der Richtlinie 2009/28/EG kommt schließlich schon aus normhierarchischen Gründen nicht in Betracht. 42 ABl. 2002 L 108/51, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2015/2120, ABl. 2015 L 310/1. 43 Mitteilung über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, ABl. 2012 C 8/4; Beschluss 2012/21/EU über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, ABl. 2012 L 7/3; Mitteilung: Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, ABl. 2012 C 8/15; Verordnung (EU) Nr. 360/2012 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen, ABl. 2012 L 114/8.
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des EuGH44 – das zulässige Nebeneinander verschiedener Förderungsinstrumente zur Erreichung eines Ziels verdeutlicht. Dass dieses Ziel (anders als bei den Mechanismen des EEG) mit der jeweiligen klar definierten Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse unmittelbar durch die Fördermaßnahme erreicht werden soll, ist ausschließlich auf die Eigenarten des Sachbereichs zurückzuführen. Konzeptionell zwingend ist dies nicht. (bb) Wirkungen von Ausnahmen für energieintensive Unternehmen Im Lichte der vorstehenden Erwägungen stellt sich damit die Frage, ob Ausnahmen wie die exemplarisch in den Blick zu nehmende EEG-Ausgleichsregelung Förderungswirkungen auf die Ziele des Klimaschutzes und zugunsten erneuerbarer Energien entfalten. Hierzu sind ihre spezifische rechtliche Konstruktion und daran anknüpfend ihre Auswirkungen auf die Senkung der CO2-Emissionen sowie die Vermeidung einer Verlagerung von Umweltbeeinträchtigungen in Form des Carbon Leakage in den Blick zu nehmen. a) Exemplarisch: Die EEG-Ausgleichsregelung im Kontext Die partielle Befreiung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage bildet einen integralen Bestandteil des EEG. Dieses zielt in Übereinstimmung mit europarechtlichen Normen darauf ab, die Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern. Bei der Ausgestaltung der Förderregelungen, deren Verwendung Art. 3 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2009/28/EG explizit zulässt, verfügen die Mitgliedstaaten über erhebliche Ausgestaltungsspielräume. Dies verdeutlicht die Legaldefinition der Förderregelung in Art. 2 lit. k der Richtlinie 2009/28/EG als „ein Instrument, eine Regelung oder einen Mechanismus, das bzw. die bzw. der von einem Mitgliedstaat oder einer Gruppe von Mitgliedstaaten angewendet wird und die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen dadurch fördert, dass die Kosten dieser Energie gesenkt werden, ihr Verkaufspreis erhöht wird oder ihre Absatzmenge durch eine Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energie oder auf andere Weise gesteigert wird. Dazu zählen unter anderem Investitionsbeihilfen, Steuerbefreiungen oder -erleichterungen, Steuererstattungen, Förderregelungen, die zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen verpflichten, einschließlich solcher, bei denen grüne Zertifikate verwendet werden, sowie direkte Preisstützungssysteme einschließlich Einspeisetarife und Prämienzahlungen“. Die Vielzahl der darin angesprochenen Förderungsmöglichkeiten verdeutlicht, dass es weder einen numerus clausus der Förderungsformen gibt, noch den Mitgliedstaaten bestimmte Ausgestaltungen von Fördermaßnahmen vorgegeben oder untersagt sind.45 In der Bundesrepublik Deutschland wurde ein Fördermechanismus eingerichtet, der die Erzeuger derartiger Energien dadurch begünstigt, dass die Netzbetreiber einer 44 EuGH, Urt. v. 24. 7. 2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747; siehe auch schon EuGH, Urt. v. 22. 11. 2001, Rs C-53/00, Slg. 2001, I-9067 Rn. 23 ff. – Ferring. 45 Näher Lehnert/Vollprecht, ZUR 2009, 307 (311 f.).
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Abnahmepflicht unterliegen und zudem eine erhöhte Einspeisevergütung zahlen müssen. Letztere wird durch die sog. EEG-Umlage finanziert, die von grundsätzlich allen Stromverbrauchern zusätzlich zum Marktstrompreis zu zahlen ist. Der EuGH hat diese Konstruktion als beihilferechtlich unbedenklich angesehen.46 Die Ausnahme zugunsten energieintensiver Unternehmen („besondere Ausgleichsregelung“), welche diese unstreitig in erheblichem Maße finanziell entlastet bzw. einer andernfalls eintretenden Belastung entzieht, ist Bestandteil des von der Bundesrepublik Deutschland unter Nutzung der ihr europarechtlich eingeräumten Gestaltungsspielräume geschaffenen Fördermechanismus. Es handelt sich nicht um eine eigenständige Maßnahme, sondern vielmehr um eine Teilregelung über die Finanzierung der erhöhten Einspeisevergütung für die Erzeuger erneuerbarer Energien, der ein negativer Ansatz zugrunde liegt. Ohne das Konzept einer grundsätzlich alle Stromverbraucher umfassenden EEG-Umlage hätte die Ausgleichsregelung keinen Sinn und war dementsprechend unabhängig von dieser auch nicht vorgesehen. Dies verdeutlicht, dass sie weniger auf eine Begünstigung bestimmter Unternehmen abzielt (was bereits bei der Frage der Erfüllung des Beihilfetatbestands zu berücksichtigen ist), als auf eine sinnvolle Gesamtregelung zur Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland, die sich nicht in eindimensionaler Vereinfachung auf eine undifferenzierte Heranziehung aller Stromverbraucher beschränkt, sondern zugleich versucht, der Komplexität des Wirtschaftslebens Rechnung zu tragen. Dass der deutsche Gesetzgeber dabei nicht vollständig auf die Einbeziehung der Wirtschaft auf die EEG-Umlage verzichtet und diese ausschließlich privaten Letztverbrauchern auferlegt hat,47 kann im Hinblick auf die übergreifende Zielsetzung keine beihilferechtliche Sanktionierung zur Folge haben. Vielmehr darf auch eine beihilferechtliche Bewertung zumindest im Hinblick auf die Möglichkeit einer Rechtfertigung der Ausgleichsleistung, sofern diese als tatbestandliche Beihilfe qualifiziert wird, deren Kontext und damit das europarechtlich als legitim anerkannte und geteilte Ziel der Förderung erneuerbarer Energien zum Zwecke des Klimaschutzes nicht ausblenden, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. In Anbetracht dessen ist für die beihilferechtliche Bewertung entscheidend, inwieweit sich die EEGAusgleichsregelung als Bestandteil des Fördermechanismus des EEG positiv auf die Ziele des Klimaschutzes und des Ausbaus erneuerbarer Energien auszuwirken geeignet ist. b) Senkung der CO2-Emissionen Dass der deutsche CO2-Ausstoß heute ungeachtet auftretender Schwankungen deutlich unter dem Wert von 1990 liegt, ist wesentlich auf das EEG zurückzuführen. Allerdings trägt die besondere Ausgleichsregelung hierzu nicht unmittelbar bei. 46
EuGH, Urt. v. 13. 3. 2001, Rs. C-379/98, Slg. 2001, I-2099 – PreussenElektra. In diesem Falle läge zweifelsfrei keine tatbestandliche Beihilfe i. S. v. Art. 107 Abs. 1 AEUV vor, so auch EuGH, Urt. v. 8. 11. 2001, Rs. C-143/99, Slg. 2001, I-8365 Rn. 33 ff. – Adria-Wien. 47
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Vielmehr werden die begünstigten Unternehmen gerade von der Pflicht zur Leistung der EEG-Umlage in voller Höhe befreit, sodass ihr Finanzierungsbeitrag prozentual geringer ausfällt als derjenige anderer Zahlungsverpflichteter. Gleichwohl ist er nach der gesetzlichen Ausgestaltung vorhanden, da § 64 EEG einer vollständigen Befreiung im Regelfall entgegensteht. Mithin leisten auch die von der EEG-Ausgleichsleistung profitierenden Unternehmen einen Beitrag zur Zielerreichung, mag dieser auch politisch für zu gering erachtet werden.48 Überdies erfolgt die Reduzierung nach § 63 EEG nur, „soweit hierdurch die“ in § 1 Abs. 1 EEG49 definierten, mit den europarechtlichen Regelungen korrespondierenden „Ziele des Gesetzes nicht gefährdet werden“, deren zentrale Bedeutung damit auch im Hinblick auf die EEG-Ausgleichsregelung normativ hervorgehoben wird. Zwar hat die Kommission in ihrem Beschluss zum österreichischen Ökostromgesetz unter Verweis auf die bis 2014 geltenden Leitlinien zu Umweltbeihilfen noch die Auffassung vertreten, dass „Betriebsbeihilfen, die in Form von Ermäßigungen parafiskalischer Abgaben gewährt werden, kein geeignetes Instrument bilden, um den Umweltschutz zu verbessern.“50 Den neuen Leitlinien für staatliche Umweltschutzund Energiebeihilfen 2014 – 2020 liegt diesbezüglich jedoch eine andere Wertung zugrunde.51 c) Vermeidung des Carbon Leakage Unmittelbare Klimaschutzwirkungen können Ausnahmen zugunsten energieintensiver Unternehmen bei der Inanspruchnahme zur Finanzierung von Förderbeiträgen zugunsten erneuerbarer Energien insoweit entfalten, als sie deren Wegzug in Drittstaaten mit deutlich geringeren Umweltstandards zu verhindern geeignet sind. Das Klimaschutzziel durch eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes ist notwendig global zu verwirklichen, sodass etwaige Verlagerungseffekte in die juristische Gesamtbewertung einzubeziehen sind. Beihilfen, die dazu dienen, derartige Verlagerungen zu verhindern, sind als nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV im Hinblick auf das Klimaschutzziel rechtfertigungsfähig zu qualifizieren. Diese Rechtsauffassung wird im Ausgangspunkt auch von der Kommission geteilt. Explizit heißt es in ihrer Entscheidung zum österreichischen Ökostromgesetz: „Um sicherzustellen, dass die Beihilfen Auswirkungen auf den Umweltschutz haben, sollte die Beihilfe darauf ausgerichtet sein, das Risiko zu mindern, dass Unternehmen 48 Vgl. Bundesnetzagentur, Evaluierungsbericht zur Ausgleichsmechanismusverordnung, 2012, S. 21 f. 49 Die Vorschrift lautet: „Zweck dieses Gesetzes ist es, insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbeziehung langfristiger externer Effekte zu verringern, fossile Energieressourcen zu schonen und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien zu fördern.“ 50 K(2011) 1363 endg., Rn. 163; siehe auch C(2013) 4419 final, Rn. 206 ff. 51 Rn. 119, zu den Voraussetzungen im Einzelnen Rn. 124 ff.
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aus bestimmten Wirtschaftszweigen ohne eine Reduzierung der Kostenbelastung ihren Standort in ein Land außerhalb der EU verlagern.“52 Die Kommission stellt für die Rechtfertigung gleichwohl einen sehr strengen Maßstab auf. Voraussetzung für eine Rechtfertigung von Beihilfen im Hinblick auf die Vermeidung des Carbon Leakage ist allerdings, dass derartige Verlagerungseffekte feststellbar sind. Dabei handelt es sich letztlich um eine tatsächliche Fragestellung, deren Beantwortung der rechtlichen Bewertung vorgelagert ist. Eine realistische Gefahr von Standortverlagerungen ohne derartige Ausnahmen ist (wohl) gegeben.53 bb) Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft als Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (1) Stellenwert und normativer Niederschlag Nach § 63 Nr. 1 EEG begrenzt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auf Antrag „die EEG-Umlage für Strom, der von stromkostenintensiven Unternehmen selbst verbraucht wird, um den Beitrag dieser Unternehmen zur EEGUmlage in einem Maße zu halten, das mit ihrer internationalen Wettbewerbssituation vereinbar ist, und ihre Abwanderung in das Ausland zu verhindern“. Es steht allerdings außer Zweifel, dass die Wahrung und Stärkung spezifisch der in Deutschland produzierenden (und allein von der EEG-Ausgleichsregelung erfassten) Unternehmen kein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV ist.54 Gleichwohl ist das in § 63 Nr. 1 EEG benannte Ziel für die mögliche Rechtfertigung der Beihilfe in Form der partiellen Befreiung von der EEG-Umlage nicht völlig unbeachtlich. So anerkennt auch die Kommission, dass „[d]ie Energiekosten (…) ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Branchen und für die Attraktivität eines Standorts für diese Branchen [sind]. Weltweite Unterschiede bei den Preisen schlagen auf die Kostenstruktur energieintensiver Sektoren durch und haben direkte Auswirkungen auf den globalen Wettbewerb und die globale Wettbewerbsfähigkeit.“55 Die Bewahrung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen im Hinblick auf die Möglichkeit der Rechtfertigung von Verschonungsbeihilfen ist im umweltrechtlichen Kontext nicht stets als unbeachtlich zu qualifizieren. Richtigerweise ist die Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft auch als wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse i. S. v. 52
K(2011) 1363 endg., Rn. 184. Vgl. Heymann/Berscheid, Carbon Leakage: Ein schleichender Prozess, 2013 (http:// www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE%20PROD/PROD0000000000326197/Car bon+Leakage%3 A+Ein+schleichender+Prozess.pdf). 54 Vgl. EuGH, Urt. v. 15. 12. 2005, Rs. C-148/04, Slg. 2005, I-11137 Rn. 72 ff. – Unicredito Italiano. 55 C(2013) 7243 final, S. 13; siehe auch die Mitteilung der Kommission „Energy prices and costs in Europe“, COM(2014) 21 final, S. 13 ff. 53
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Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV anzuerkennen. Hierfür spricht nicht zuletzt das für die EU vorgegebene Ziel einer „Stärkung (…) ihrer Volkswirtschaften“ in der Präambel zum EUV sowie die in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 S. 2 EUV enthaltene Bezugnahme auf „eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“. Da nach dem Primärrecht Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen der Mitgliedstaaten zu vermeiden sind, setzt Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV für die Rechtfertigung von Beihilfen zu diesem Zweck notwendig sowohl einen internationalen Bezug als auch das Fehlen von relevanten Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU voraus. (2) Förderungsbeiträge und wettbewerbliche Auswirkungen Für die Bewertung von Ausnahmen wie der EEG-Ausgleichsregelung bedeutet dies zunächst, dass der globale Wettbewerb in den Blick zu nehmen ist. Diesbezüglich werden die begünstigten Unternehmen von einer ihre Möglichkeiten auf dem Weltmarkt als Anbieter oder Nachfrager verschlechternden Belastung teilweise ausgenommen. Dies dient ihrer Stärkung und steht damit in Übereinstimmung mit den europarechtlichen Zielsetzungen, die auch durch zahlreiche – im Vergleich zur EEGAusgleichsregelung teils deutlich intensivere – europarechtlich unbedenkliche mitgliedstaatliche Maßnahmen der Exportförderung56 verfolgt werden. Dass die Förderungswirkung sich nicht zugunsten der gesamten produzierenden Wirtschaft der EU auswirkt, sondern nur auf bestimmte, in Deutschland ansässige Unternehmen, ist der fehlenden europaweiten Harmonisierung des Umweltenergierechts geschuldet und somit im Hinblick auf die territorial beschränkten Rechtsetzungsbefugnisse der Mitgliedstaaten ebenso unvermeidlich wie unschädlich. Darüber hinaus kann die EEG-Ausgleichsregelung einer Rechtfertigung auf Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV nur zugänglich sein, wenn sie die Wettbewerbsposition der begünstigten Unternehmen im Binnenmarkt nicht in relevanter Weise verbessern. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Unternehmen für die verbrauchte elektrische Energie den börslich bestimmten Marktpreis für Strom einschließlich der anfallenden Steuern zuzüglich der verbleibenden Belastung durch die reduzierte EEG-Umlage zahlen. Wettbewerbliche Marktpreise werden im Kontext des Beihilferechts jedoch grundsätzlich als unproblematisch angesehen.57 Würde die EEG-Umlage in Deutschland nicht oder generell nicht von produzierenden Unternehmen erhoben, würde sich die Frage nach einer Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt unabhängig von der Höhe des Marktpreises nicht stellen. Dies ist – entgegen der Auffassung des EuG58 – bei der beihilferechtlichen Bewertung der EEG-Ausgleichsregelung von zentraler Bedeutung. Allein der Umstand, dass eine zu diesem Marktpreis hinzutretende Mehrbelastung nicht bzw. nur in geringem Umfang erfolgt, 56
Dazu im Überblick Kreuschitz (Fn. 35), Art. 107 AEUV Rn. 701 ff. Vgl. EuGH, Urt. v. 24. 7. 2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747 Rn. 93 – Altmark Trans; sowie die Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand, ABl. 1997 C 209/3. 58 EuG, Urt. v. 11. 12. 2014, Rs. T-251/11, Rn. 111 ff. – Österreich/Kommission. 57
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führt nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt59, da infolge dessen eine Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen von Unternehmen des in Deutschland produzierenden Gewerbes unterbleibt, sondern ist allein als Nichtveränderung ihrer Wettbewerbsposition zu qualifizieren.60 Zwar mag dadurch der zu zahlende Strompreis für in Deutschland ansässige Unternehmen geringer ausfallen als in einigen anderen EU-Mitgliedstaaten. Dies ist jedoch allein Folge der beihilferechtlich neutralen Marktentwicklung, die auch Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten begünstigt, die in Deutschland über Produktionsstandorte verfügen. Infolge dessen sind beide Kriterien für eine Möglichkeit der Rechtfertigung der EEG-Ausgleichsregelung im Hinblick auf die Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft erfüllt. Eine Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 1 AEUV kommt daher auch insoweit in Betracht. cc) Ermessen der Kommission Auf Grundlage der vorstehenden Erwägungen kann eine Rechtfertigung sowohl von Fördermaßnahmen zugunsten erneuerbarer Energien, die als tatbestandliche Beihilfen zu qualifizieren sind, als auch von Ausnahmen wie der EEG-Ausgleichsregelung nach Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 1 AEUV erfolgen, da sie mit Klimaschutz/ Ausbau erneuerbarer Energien und Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zwei wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse fördern. Hinsichtlich der Zulassung verfügt die Kommission allerdings über ein Ermessen, bei dessen Ausübung ihr ein weiter Spielraum zukommt.61 59 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob es innerhalb Deutschlands zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen von der EEG-Ausgleichsregelung profitierenden und von dieser nicht erfassten Unternehmen kommt. Diese ist jedoch verfassungsrechtlich, nicht aber europarechtlich zu beantworten, vgl. dazu Kahl/Bews, Ökostromförderung und Verfassung. Eine Untersuchung anhand des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2014, 2015, S. 156 ff.; Manssen, WuV 2012, 170 ff. 60 Insoweit zutreffend auch Schlacke/Kröger, NVwZ 2013, 313 (316). Der EuGH, Urt. v. 8. 11. 2001, Rs. C-143/99, Slg. 2001, I-8365 Rn. 41 – Adria-Wien, hat mit Blick auf den Beihilfetatbestand jedoch ausgeführt: „Für die Anwendung des Artikels 92 EG-Vertrag kommt es nicht darauf an, ob sich die Situation des durch die Maßnahme angeblich Begünstigten im Vergleich zur vorherigen Rechtslage verbessert oder verschlechtert hat oder ob sie im Gegenteil unverändert geblieben ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 1988 in der Rechtssache 57/86, Griechenland/Kommission, Slg. 1988, 2855, Rn. 10). Es ist lediglich festzustellen, ob eine staatliche Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, bestimmte (…) ,Unternehmen oder Produktionszweige‘ im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag gegenüber anderen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, zu begünstigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache C-75/97, Belgien/Kommission, Slg. 1999, I-3671, Rn. 28 bis 31).“ Eine Übertragung dieser Wertung auf die Rechtfertigungsebene ist jedoch nicht zwingend. 61 Siehe nur Cremer (Fn. 11), Art. 107 AEUV Rn. 46 ff.; Kreuschitz (Fn. 35), Art. 107 AEUV Rn. 523 ff.; Götz/Martínez Soria, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, Stand 10/2014, H.III. Rn. 133 ff., jeweils m.w.N.
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Bei ihrer Entscheidung ist die Kommission insbesondere verpflichtet, das spezifisch europäische Interesse zu wahren.62 Sie hat ihr Verständnis hiervon insbesondere in den Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen niedergelegt. Soweit darin eine Übereinstimmung von mitgliedstaatlichen Maßnahmen mit dem Beihilferecht positiv festgestellt wird, stehen Vertrauensschutz und Gleichbehandlung einer Abweichung hiervon entgegen.63 Jenseits dessen vermögen die Leitlinien aber aufgrund ihrer Regelungsnatur als „Soft Law“ keine Sperrwirkung zu entfalten. Vielmehr kann eine davon unabhängige Bewertung sogar geboten sein, wenn sie bei einer Gesamtbetrachtung dem europäischen Interesse besser Rechnung trägt.64 Dies erscheint auch im Hinblick auf den Entwicklungsstand des europäischen Rechts der erneuerbaren Energien65 nahe liegend, soweit die Leitlinien keine expliziten Aussagen enthalten. Obwohl die Richtlinie 2009/28/EG gemäß ihrem Art. 1 darauf abzielt, „ein[en] gemeinsame[n] Rahmen für die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen vor[zuschreiben]“, ist ihre harmonisierende Wirkung vergleichsweise gering ausgeprägt. Infolge dessen ist es den Mitgliedstaaten nicht nur gestattet, sondern bis zu einer politischen Einigung auf eine EU-weit einheitliche Regelung sogar aufgegeben, eigene Fördersysteme zu etablieren, die unvermeidlich divergieren.66 Zwar besteht dabei eine uneingeschränkte Bindung an das allgemeine Europarecht einschließlich des Beihilferechts, wie auch Art. 3 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie hervorhebt. Gleichwohl ist gerade die unspezifische Fassung der ErneuerbareEnergien-Richtlinie geeignet, Konflikte zwischen mitgliedstaatlichem Recht und Europarecht hervorzurufen. Mitgliedstaatliche Vorschriften wie das EEG sind bislang die zentralen Normen zur Realisierung der europäischen Klimaschutzziele. Sie müssen zugleich eine Abwägung dieser mit den betroffenen Wirtschaftsinteressen vornehmen, die ihrerseits europarechtlich über ein eigenes Gewicht verfügen. Es liegt in der Natur derartiger Abwägungen, dass es nicht nur ein einziges „richtiges“ Ergebnis geben kann. Infolgedessen können auch die Bewertungen mitgliedstaatlicher und europäischer Akteure auseinanderfallen. Die Zuweisung dieser Abwägung gerade an die Mitgliedstaaten durch die Richtlinie 2009/28/EG ist auch bei der beihilferechtlichen Würdigung der getroffenen Maßnahmen zu berücksichtigen. Dies spricht insbesondere dagegen, bei der beihilferechtlichen Beurteilung von Ausnahmen wie der EEG-Ausgleichsregelung, die einen erkennbaren Beitrag zum 62 EuGH, Urt. v. 17. 9. 1980, Rs. 730/79, Slg. 1980, 2671 Rn. 24 – Philipp Morris; Urt. v. 11. 9. 2008, Rs. C-75/05P und C-80/05P, Slg. 2008, I-6619 Rn. 59 – Kronofrance; MüllerGraff (Fn. 34), Art. 107 AEUV Rn. 26. 63 EuGH, Urt. v. 11. 9. 2008, Rs. C-75/05P und C-80/05P, Slg. 2008, I-6619 Rn. 60 – Kronofrance; Kreuschitz/Wernicke, in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 6. Aufl. 2013, Art. 107 Rn. 51. 64 Vgl. auch Cremer (Fn. 11), Art. 107 AEUV Rn. 57. 65 Dazu vergleichend mit dem europäischen Energieeffizienzrecht Knauff, in: Müller (Fn. 16), S. 408 (422 ff.); zu Letzterem ausführlich Knauff, Die Verwaltung 47 (2014), S. 407 ff. 66 Vgl. Calliess/Hey, in: Müller (Fn. 16), S. 223 (247 f.); ausführlich Kröger (Fn. 14), S. 124 ff.
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Klimaschutz zu leisten vermögen, jedenfalls bei der Frage nach ihrer Rechtfertigung am Maßstab des Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 1 AEUVeinen besonders restriktiven Maßstab anzulegen. Es liegt vielmehr – auch unter Berücksichtigung vergleichbarer sekundärrechtlicher Vorgaben in anderem Kontext, die auch spezifisch energieintensive Unternehmen betreffen67 – nahe, Förderkonzepte zugunsten erneuerbarer Energien unter Einschluss wirtschaftsentlastender Maßnahmen als Möglichkeit der Realisierung europarechtlich als legitim angesehener und überdies teilweise vorgegebener Ziele zu qualifizieren, mögen sie sich aus Sicht der Kommission auch nicht als „Ideallösung“ darstellen. Eine solche kann jedoch nicht im Wege der Beihilfeaufsicht, sondern muss mittels Sekundärrechtsetzung durchgesetzt werden. b) Rechtfertigung als Beihilfe zur Förderung der Entwicklung von Wirtschaftszweigen nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV Folgt man der vorstehend vorgeschlagenen Auslegung des Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 1 AEUV, bedarf es des Rückgriffs auf den bislang zur Rechtfertigung von Beihilfen zur Förderung erneuerbarer Energien sowie von Ausnahmen für energieintensive Unternehmen von hiermit verbundenen Belastungen von der Kommission herangezogenen68 Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV nicht mehr. Dies gilt umso mehr, als die Heranziehung dieser Vorschrift zunehmend weniger überzeugt. Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV ermöglicht die Zulassung von „Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige“. Diese Entwicklungsperspektive fehlt jedoch, wenn die geförderten Unternehmen ohne grundlegende Innovationen in einem entwickelten Markt tätig sind. In Bezug auf die Förderung erneuerbarer Energien scheint dieser Zustand jedenfalls für die Stromerzeugung durch Onshore-Windkraft (bald) erreicht. In Anbetracht der gebotenen engen Auslegung der Vorschrift69 noch problematischer stellt sich das wirtschaftszweigbezogene Entwicklungserfordernis im Hinblick auf Ausnahmen für energieintensive Unternehmen dar.70 Gegen deren Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV sprechen sowohl die Verschiedenheit der begünstigten Unternehmen, deren einzige Gemeinsamkeit ihre gesetzliche Qualifikation als energieintensiv ist, sodass sie kaum als „Wirtschaftszweig“ qualifiziert werden kön67 Siehe insb. Art. 6, 17, 19 Stromsteuerrichtlinie 2003/96/EG, ABl. 2003 L 283/51, i. d. F. der Richtlinie 2004/75/EG, ABl. 2004 L 195/31, deren Erwägungsgrund 28 konstatiert: „Bestimmte Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen könnten sich vor allem wegen der unzureichenden Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene, wegen der Gefahr einer niedrigeren Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene oder aus sozialen oder umweltpolitischen Erwägungen als erforderlich erweisen.“ 68 Siehe nur die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014 – 2020, Rn. 23 ff. 69 EuG, Urt. v. 14. 1. 2004, Rs. T-109/01, Slg. 2004, II-127 Rn. 75 – Fleuren Compost. 70 Ebenso im Hinblick auf den Umweltschutzbeitrag Ekardt, EurUP 2013, 197 (203), unter Abgrenzung von Kommissionsentscheidungen zu Ausgleichsmechanismen in Luxemburg und den Niederlanden.
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nen, als auch deren fehlende Entwicklungsbedürftigkeit im Sinne einer Auf- oder Ausbaunotwendigkeit.71
III. Konkretisierung: Die EU-Beihilfeleitlinien Umwelt und Energie (2014) Die Kommission hat ihre derzeitige Auffassung bezüglich der beihilferechtlichen Voraussetzungen für eine Förderung erneuerbarer Energien wie auch für Ausnahmen zugunsten energieintensiver Unternehmen in ihren Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014 – 2020 dargelegt. Als Kommissionsmitteilung kommt diesen keine rechtliche, wohl aber eine faktische Verbindlichkeit zu.72 Die EEG-Novelle des Jahres 2014 erfolgte bereits unter Berücksichtigung der Leitlinien. Korrespondierend damit meldete die Bundesregierung das novellierte EEG als neue Beihilfe an, obwohl sie vor dem Hintergrund der PreussenElektra-Entscheidung des EuGH anders als die Kommission der Auffassung war und ist, dass die Förderung erneuerbarer Energien mittels des im EEG vorgesehenen Umlagemechanismus keine tatbestandliche Beihilfe sei.73 Die sehr umfangreichen Leitlinien erfassen eine Vielzahl von Beihilfemaßnahmen. Anders als die Entwurfsfassung74 enthalten sie jedoch keine Aussagen in Bezug auf Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV. Die vorgesehenen Ausnahmen sind vielmehr entgegen der vorstehend vorgeschlagenen Interpretation sämtlich auf Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV gestützt.75 Grundsätzlich entfällt die Anmeldepflichtigkeit von Einzelbeihilfen nach Art. 108 Abs. 3 AEUV, die auf der Grundlage einer angemeldeten Beihilferegelung gewährt werden, unterhalb spezifischer Schwellenwerte und bei wettbewerblicher Vergabe.76 Darüber hinaus legen die Leitlinien einige allgemeine Anforderungen an Beihilfen fest, welche diese erfüllen müssen, damit die Kommission sie als zulässige Umwelt- und Energiebeihilfen qualifiziert. Sie müssen danach einen Beitrag zu einem genau definierten Ziel von gemeinsamem Interesse leisten, 71
Vgl. v. Wallenberg/Schütte (Fn. 12), Art. 107 Rn. 177. Näher Knauff, Der Regelungsverbund: Recht und Soft Law im Mehrebenensystem, 2010, S. 323 ff.; Thomas, EuR 2009, 423 ff.; ausführlich Adam, Die Mitteilungen der Kommission: Verwaltungsvorschriften des Europäischen Gemeinschaftsrechts? Eine Untersuchung zur rechtsdogmatischen Einordnung eines Instruments der Kommission zur Steuerung der Durchführung des Gemeinschaftsrechts, 1999; Pampel, Rechtsnatur und Rechtswirkungen horizontaler und vertikaler Leitlinien im reformierten europäischen Wettbewerbsrecht, 2005; Walzel, Bindungswirkungen ungeregelter Vollzugsinstrumente der EU-Kommission. Mit Schwerpunkt auf Mitteilungen, Leitlinien und Rahmen der Kommission im EG-Wettbewerbsrecht, 2008; Brohm, Die „Mitteilungen“ der Kommission im europäischen Verwaltungsund Wirtschaftsraum, 2012. 73 Vgl. C(2014) 5081 final, Rn. 5. 74 http://ec.europa.eu/competition/consultations/2013_state_aid_environment/index_en. html. 75 Rn. 23 ff. 76 Rn. 20. 72
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erforderlich und geeignet sein, einen Anreizeffekt zu bewirken, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, übermäßige negative Auswirkungen auf Handel und Wettbewerb vermeiden und transparent sein. Diese – grundsätzlich nicht zu beanstandenden – Anforderungen werden in den Leitlinien jeweils umfassend erläutert.77 Ergänzend zu diesen allgemeinen Anforderungen stellen die Leitlinien sowohl besondere Voraussetzungen für Beihilfen zur Förderung erneuerbarer Energien als auch für Ausnahmen für energieintensive Unternehmen auf. Die Kommission hält eine Genehmigung diesbezüglicher Beihilfen nur dann für zulässig, wenn diese alle in den Leitlinien aufgestellten Vorgaben erfüllen.78 1. Besondere Voraussetzungen für Beihilfen zur Förderung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen Trotz bestehendem Sekundärrecht, insbesondere der Erneuerbare-EnergienRichtlinie, geht die Kommission von einem Marktversagen aus, „das mit Hilfe von Beihilfen zur Förderung von erneuerbaren Energien behoben werden kann.“79 Diesbezüglich hält die Kommission sowohl Investitions- als auch Betriebsbeihilfen für grundsätzlich zulässig.80 Diesbezügliche Beihilferegelungen (einschließlich mitgliedstaatlicher Gesetze) dürfen eine zehnjährige Geltungsdauer nicht überschreiten.81 Das ebenfalls vorgesehene Verbot ihrer Beschränkung auf den eigenen Mitgliedstaat82 erscheint allerdings vor dem Hintergrund der neueren EuGH-Rechtsprechung83 zweifelhaft. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Beihilfen gehen die Leitlinien in ihren Anforderungen deutlich über die bewusst neutral gefasste Erneuerbare-Energien-Richtlinie hinaus. Nach Ansicht der Kommission sollten „Beihilfen für Strom aus erneuerbare Energiequellen (…) grundsätzlich zur Integration des Marktes für Strom aus erneuerbaren Energiequellen beitragen.“84 Wie dies zu erreichen ist, legt die Kommission ausführlich und detailgenau dar und knüpft die Zulassung derartiger Beihilfen an die uneingeschränkte Beachtung dieser Vorgaben. Ab 1. 1. 2016 dürfen danach Beihilfen aufgrund von Beihilferegelungen nur zusätzlich zum tatsächlich erzielten Marktpreis als Einspeiseprämie gewährt werden. Die Beihilfeempfänger unterliegen zudem einer Standardbilanzausgleichsverantwortung, soweit es wettbewerbliche 77
Rn. 30 ff. So ausdrücklich in Bezug auf Fördermaßnahmen zugunsten erneuerbarer Energien Rn. 124. 79 Rn. 115. 80 Rn. 119. 81 Rn. 121. 82 Rn. 122. 83 EuGH, Urt. v. 1. 7. 2014, Rs. C-573/12 – Ålands Vindkraft. 84 Rn. 123. 78
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Intraday-Märkte für Regel- und Ausgleichsenergie gibt. Anreize für die Erzeugung zu negativen Preisen dürfen nicht gesetzt werden. Während der Übergangsphase 2015/16 sind zudem mindestens 5 % der Beihilfen für neue Anlagen wettbewerblich zu vergeben. Die wettbewerbliche Vergabe wird ab dem 1. 1. 2017 verpflichtend vorgegeben. Folge ist eine Anerkennung der Beihilfen durch die Kommission als verhältnismäßig und wettbewerbskonform. Ausnahmen sind nach den Leitlinien nur möglich, wenn die Teilnehmerzahl im Wettbewerb zu gering wäre, die Beihilfekosten insgesamt höher ausfielen oder die Projektrealisierungsraten zurückgingen. Eine Beschränkung des Vergabewettbewerbs auf einzelne Technologien ist überdies unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Gleiches gilt für Ausnahmen für kleinere Anlagen. In jedem Falle darf die Höhe der Beihilfen nicht über die vollständige Abschreibung der Anlagen hinausgehen; erhaltene Investitionsbeihilfen sind dabei zu berücksichtigen.85 2. Ausnahmen für energieintensive Unternehmen Ausnahmen zugunsten energieintensiver Unternehmen in Bezug auf die Inanspruchnahme zur Finanzierung der Förderung erneuerbarer Energiequellen sind ebenfalls in den Leitlinien vorgesehen und an die Beachtung spezifischer Voraussetzungen geknüpft. Sie geben damit zu erkennen, dass das Europarecht auch in der Interpretation der Kommission für eine gesamtheitliche Betrachtung von Förderregelungen unter Einbeziehung von Erleichterungen für einzelne Akteure offen ist. Beihilfen für energieintensive Unternehmen sind danach nur möglich im Hinblick auf höhere Energiekosten, die nachweislich durch die Förderung erneuerbarer Energien verursacht wurden. Eine Bestimmung möglicher Begünstigter erfolgt zum einen nach der Branchenzugehörigkeit der Unternehmen gemäß Anhang 3 der Leitlinien. Zum anderen werden Unternehmen erfasst, deren Energiekosten (bei Übereinstimmung mit Effizienzanforderungen) 20 % übersteigen, sofern die Sektorintensität des EU-Handels mit Drittstaaten mehr als 4 % beträgt. Begünstigte Unternehmen müssen zudem grundsätzlich einen Eigenanteil von mindestens 15 % tragen. Eine Reduktion dieses Eigenanteils ist jedoch zulässig auf 4 % der Bruttowertschöpfung des Unternehmens oder auf 0,5 % der Bruttowertschöpfung bei Unternehmen mit einer Stromintensität von mehr als 20 %. Zwingend erforderlich ist in diesen Fällen eine gleichmäßige Anwendung der Ausnahmen.86 Die Möglichkeit einer vollständigen Freistellung sehen die Leitlinien nicht vor. Die Entlastung dieser Unternehmen von Inanspruchnahmen zu Finanzierungsbeiträgen zur Förderung erneuerbarer Energien kann nach Auffassung der Kommission entweder durch eine Freistellung von Belastungen oder durch jährlich an die Unternehmen zu zahlende Pauschalbeträge vorge-
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Rn. 124 ff. Rn. 189 f.
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nommen werden. Eine Kombination beider Modelle ist nach den Leitlinien möglich; eine Überkompensation darf jedoch nicht erfolgen.87
IV. Fazit Im Ergebnis sind sowohl eine Förderung erneuerbarer Energien als auch eine darauf bezogene Entlastung energieintensiver Unternehmen beihilferechtlich zulässig. Dogmatisch überzeugender erscheint es, dieses außer Streit stehende Ergebnis statt auf Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUVauf lit. b der Vorschrift zu stützen, wenngleich es dazu einer Neuinterpretation der Regelung bedarf. Perspektivisch erscheint es jedenfalls im Hinblick auf Formulierung wie Sinn und Zweck der Regelung über Entwicklungsbeihilfen nicht zielführend, diese weiterhin als Freistellungsgrundlage heranzuziehen, wenn zugleich für Beihilfen für Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse eine Vorschrift existiert, deren „Passgenauigkeit“ allein an ihrer bisherigen Interpretation durch die Kommission scheitert, die jedoch in ihrem historischen Kontext zu sehen und keineswegs zwingend ist. Unabhängig davon erweist es sich als problematisch, dass es sowohl im Primärals auch im Sekundärrecht an unmittelbar einschlägigen Normen hinsichtlich der Ausgestaltung der Fördermechanismen fehlt. Weder Art. 194 AEUV noch die Erneuerbare-Energien-Richtlinie enthalten diesbezüglich einschlägige Vorgaben. Mag dies auch Ausdruck einer subsidiaritätsorientierten Politik und Rechtsgestaltung sein, hat es doch eine mitgliedstaatliche Regelungsvielfalt zur Folge, die zu Rechtsunsicherheit führt. In der Kommission ist vor diesem Hintergrund ein Umdenken erkennbar. Aus der aktuellen Mitteilung über eine Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie wird deutlich, dass angedacht ist, den Bereich stärker im Wege der Sekundärrechtsetzung zu harmonisieren.88 Allerdings bedarf es hierzu der notwendigen politischen Mehrheiten im Rat und im Europäischen Parlament. Deren Herstellung dürfte in Anbetracht der Vielzahl der bereits etablierten mitgliedstaatlichen Fördermodelle keine leichte Aufgabe darstellen.89 Die bestehende Regelungslücke füllt die Kommission mit ihren Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen aus. Ungeachtet ihrer fehlenden Rechtsverbindlichkeit bewirken sie eine faktische Rechtssicherheit.90 Exemplarisch bringen sie damit die Funktionsweise von Soft Law der Kommission, aber auch dessen spezifische Probleme zum Ausdruck. Unklar ist zum einen das Verhältnis zum Primär- und Sekundärrecht der EU. Formal ist dieses schon aufgrund seiner Verbindlichkeit zwar vorrangig. Jedoch erscheint überaus zweifelhaft, ob sich detaillierte 87
Rn. 192. COM(2015) 80 final, S. 12. 89 Zu Europäisierungsmöglichkeiten Kröger (Fn. 14), S. 286 ff. 90 Grundsätzlich positiv insoweit Müller-Graff (Fn. 34), Art. 107 AEUV Rn. 26.
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Verhaltensanforderungen und höchst konkrete Beurteilungsmaßstäbe, wie die in den Leitlinien enthaltenen, aus dem vorhandenen Normenbestand im Wege der Auslegung ableiten lassen. De facto handelt es sich vielmehr um eine eigenständige Regelsetzung durch die Kommission, die ihre Durchsetzungsstärke aus der Zuständigkeit der Kommission für die Beihilfekontrolle nach Art. 108 AEUV als Urheber der Regelungen gewinnt. Zum anderen werfen die Leitlinien – wiederum insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Detailgenauigkeit und des darin formulierten Anspruchs einer abschließenden Regelung – auch die Frage nach ihrem Verhältnis zum nationalen Recht auf. Zwar nehmen sie mangels Rechtscharakters nicht am Vorrang des Europarechts91 teil. Tatsächlich haben die Leitlinien jedoch bereits als Maßstab für die Beurteilung des neuen EEG gedient,92 sodass sich dieses in seinen beihilfebezogenen Bestandteilen als „Leitlinienumsetzungsgesetzgebung“ darstellt.93 Ob dies bei einer fehlenden europarechtlichen Harmonisierung der verfassungsrechtlich gebotenen und europarechtlich vorausgesetzten Gestaltungsfunktion des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers vor dem Hintergrund einer faktischen Alternativlosigkeit hinreichend Rechnung trägt, ist überaus fraglich. Die europäische Gerichtsbarkeit hat jedenfalls Gelegenheit, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Die European Renewable Energies Foundation (EREF) hat im September 2014 Klage gegen die Leitlinien erhoben.94 Sie rügt im Wesentlichen eine fehlende Zuständigkeit der Kommission, eine Verletzung der Begründungspflicht, eine Unverhältnismäßigkeit der zwingenden Ausschreibung und einen Ermessensmissbrauch. Unabhängig davon, ob und in welchem Umfang diese Klagegründe im Einzelnen berechtigt sind, ist zu hoffen, dass EuG und EuGH diese Klage zum Anlass nehmen, ihre ausgeprägte Kontrollzurückhaltung gegenüber Soft Law der Kommission95 aufzugeben und inhaltlich zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen.
91 Grundlegend EuGH, Urt. v. 15. 7. 1964, Rs. 6/64, Slg. 1964, 1251 (1270) – Costa/ENEL; Urt. v. 17. 12. 1970, Rs. 11/70, Slg. 1970, 1125 Rn. 3 – Internationale Handelsgesellschaft. 92 Vorherige informelle Einflussnahmen der Bundesrepublik Deutschland auf die Fassung der Leitlinien ändern daran nichts, da diese auch als Maßstab für gesetzliche Regelungen anderer Mitgliedstaaten dienen können und sollen. 93 Dazu Knauff (Fn. 72), S. 518 ff. 94 Rs. T-694/14, ABl. 2014 C 409/56. 95 EuG, Urt. v. 20. 5. 2010, Rs. T-258/06, Slg. 2010, II-2027 – Deutschland/Kommission; dazu Knauff/Schwensfeier, EuZW 2010, 611 ff.
Beschleunigter Netzausbau durch Unionsrecht – Die TEN-E-Verordnung Nr. 347/2013 Von Stefanie von Landwüst, München
I. Einleitung Nicht nur auf nationaler Ebene hat die Energiewende den Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlasst, auch die Europäische Union hat Maßnahmen für einen beschleunigten Netzausbau ergriffen und die Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/ EG und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 713/2009, (EG) Nr. 714/2009 und (EG) Nr. 715/2009 (TEN-E-Verordnung) erlassen. Die Verordnung zielt unter anderem darauf ab, die nationalen Genehmigungsverfahren für ausgewählte Vorhaben von gemeinsamem Interesse (VGI) zu vereinheitlichen und die Verfahrensdauer zu verkürzen. Hierfür sieht die Verordnung verschiedene Mechanismen vor, etwa Vorgaben für die Organisation des Genehmigungsverfahrens, die Beteiligung der Öffentlichkeit oder die Dauer und Durchführung des Genehmigungsverfahrens.
II. Grundlagen der TEN-E-Verordnung 1. Hintergrund Die EU-Kommission hat am 17. 10. 2010 eine Mitteilung mit dem Titel „Energieinfrastrukturprioritäten bis 2020 und danach – ein Konzept für ein integriertes europäisches Energienetz“ vorgelegt.1 Hierin hat sie eine neue Energieinfrastrukturpolitik gefordert, um die Netzentwicklung auf europäischer Ebene für den Zeitraum bis 2020 und danach zu optimieren und zu koordinieren, damit die EU ihre energiepolitischen Kernziele – Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit – erreichen kann.2 Diese Politik sei notwendig, da die Energieinfrastruktur 1 Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Energieinfrastrukturprioritäten bis 2020 und danach – ein Konzept für ein integriertes europäisches Energienetz“, KOM (2010) 677 endg., v. 17. 10. 2010. 2 Vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 3 der VO Nr. 347/2013.
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Europas modernisiert und ausgebaut sowie über die Grenzen hinweg ein Verbund der Netze geschaffen werden müsse. Es müsse sichergestellt werden, dass die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten in der Praxis funktionieren kann, der Energiebinnenmarkt vollendet, isolierte Regionen mit dem europäischen Energienetz verbunden, alternative Versorgungs- bzw. Transitrouten und Energiequellen erschlossen werden und sich erneuerbare Energiequellen entwickeln und mit herkömmlichen Quellen in Wettbewerb treten können.3 Ein Jahr später, am 19. 10. 2011, folgte dann der Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über Leitlinien für transeuropäische Energieinfrastruktur.4 Diese Verordnung soll einen rechtlichen Rahmen bieten, um den Ausbau der transeuropäischen Energieinfrastrukturen (Transeuropäische Energienetze – TEN-E) voranzutreiben und die soeben genannten energiepolitischen Ziele zu fördern und zu erreichen. Neben Regelungen zum Genehmigungsverfahren für prioritäre Infrastrukturvorhaben enthält die Verordnung Regelungen zum Regulierungsrecht sowie zu Möglichkeiten einer finanziellen Förderung der VGI durch Zuschüsse, projektbezogene Anleihen oder Sicherheiten aus dem EU-Haushalt über die Fazilität „Connecting Europe“.5 Dies zielt auf die Besserstellung der VGI bei der Regulierung und Finanzierung, um auch auf diese Weise den Netzausbau und die Vollendung des Energiebinnenmarkts zu fördern und zu beschleunigen.6 Die TEN-E-Verordnung wurde im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Art. 294 AEUV) erlassen und ist am 01. 06. 2013 in Kraft getreten.7 2. Kompetenzgrundlage Die Verordnung ist gestützt auf Art. 171, 172 AEUV. Planung und Bau von Energieinfrastruktur fällt zwar nicht in den Kompetenzbereich der Europäischen Union, sondern unterliegt der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Mit dem Vertrag von Maastricht wurden jedoch primärrechtliche Kompetenzvorschriften geschaffen, die u. a. die Errichtung transeuropäischer Energienetze zum Ziel haben. Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind diese Kompetenztitel in Art. 170 bis 172 verortet. Art. 170 Abs. 1 AEUV verschafft der EU die Befugnis, zur Verwirklichung des Europäischen Binnenmarkts (Art. 26 AEUV) zum Auf- und Ausbau transeuropäischer Energienetze beizutragen. Art. 171 Abs. 1 AEUV ermächtigt die EU, „Leitlinien“ aufzustellen, in denen die Ziele, die Prioritäten und die Grundzüge 3
Vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 3 der VO Nr. 347/2013; KOM (2011) 658 endg., S. 2. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zu Leitlinien für transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG, KOM (2011) 658 endg., v. 19. 10. 2011. 5 Giesberts/Tiedge, Vorhaben von gemeinsamem Interesse nach der TEN-E-Verordnung: Anforderungen, Verfahren, Rechtsschutz, EurUP 2013, 166, 172 f. 6 Siehe auch Erwägungsgründe Nr. 16, 37, 38 und 42 der VO Nr. 347/2013. 7 ABl. EU L 115/39 v. 25. 04. 2013. 4
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der im Bereich der transeuropäischen Netze in Betracht gezogenen Aktionen erfasst und VGI ausgewiesen werden können. Auf diesen Kompetenznormen beruht die Verordnung. Der Auffassung, die Verordnung beruhe nicht auf der richtigen Kompetenzgrundlage – als richtige Kompetenzgrundlage wird etwa Art. 194 AUEV genannt – ist nicht zuzustimmen.8 Der Inhalt der Verordnung geht nicht über das hinaus, was mit „Leitlinien“ geregelt werden kann. Die TEN-E-Verordnung konnte auf Art. 170 ff. AEUV gestützt werden, da sie zwar konkrete und vollzugsfähige Regelungen enthält, sich inhaltlich aber noch in dem von Art. 171 AEUV vorgegebenen Rahmen hält.9 Die Planung und Genehmigung von Energieinfrastrukturanlagen verbleibt im Ergebnis bei den Mitgliedstaaten. Auch das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 3 EUV) wird durch die nur beschränkte Zahl der betroffenen Projekte sowie den grenzüberschreitenden Bezug, den ein VGI haben muss, gewahrt.
III. Ziel und Inhalt der Verordnung Die Verordnung umfasst bestimmte Kategorien von Energieinfrastrukturen für die Übertragung, Verteilung und Speicherung von Strom oder Gas sowie für den Transport von Erdöl oder CO2, die sich in der EU befinden oder die EU mit mindestens einem Drittstaat verbinden (vgl. Art. 2 Nr. 1 TEN-E-Verordnung). In der TEN-EVerordnung werden zunächst für den Zeitraum bis 2020 zwölf transeuropäische Korridore und Gebiete für Strom- und Gasnetze sowie Erdöl- und CO2-Transportinfrastruktur ausgewiesen, deren prioritäre Umsetzung durch die Straffung der Genehmigungsverfahren, die Erleichterung der Regulierung und die Sicherstellung der Durchführung entsprechender Vorhaben durch finanzielle Unterstützung durch die EU erfolgen soll. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass sämtliche Mitgliedstaaten an das europäische Energienetz angeschlossen sind und der Energiebinnenmarkt vollständig hergestellt werden kann. Die Infrastrukturkorridore sind in Anhang I der Verordnung aufgeführt. Die TEN-E-Verordnung regelt neben der Auswahl der VGI ihre Planung und Genehmigung, enthält wie bereits dargelegt aber auch Regelungen zur Regulierung und finanziellen Förderung. Das Augenmerk dieses Beitrags soll dabei auf dem planungsrechtlichen Inhalt der Verordnung liegen – der Darstellung und Bewertung der vorgeschlagenen Regelungen zur Auswahl der VGI sowie zur Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens.
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So etwa Erbguth/Schubert, Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur, EurUP 2014, 70, 73 ff.; zum Meinungsstand siehe Leidinger, Genehmigungsrechtliche Fragestellungen beim Netzausbau im Zusammenhang mit der TEN-E Verordnung und Anpassungsbedarf in Deutschland, DVBl. 2015, 400, 401 f. 9 Ebenso Giesberts/Tiedge, EurUP 2013, 166, 167; Leidinger, DVBl. 2015, 400, 401; zur Wahl der Rechtsform Verordnung siehe aber unten IV.1.
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1. Vorhaben von gemeinsamem Interesse Die in Anhang I der TEN-E-Verordnung bestimmten Infrastrukturprioritäten sollen durch „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ (VGI – vgl. Legaldefinition in Art. 2 Nr. 4 TEN-E-Verordnung, engl.: „Projects of Common Interest“ – PCI) umgesetzt werden. Voraussetzungen eines VGI ist gem. Art. 4 der Verordnung insbesondere, dass das Vorhaben für die Realisierung der in Anhang I aufgeführten vorrangigen Energieinfrastrukturkorridore und -gebiete erforderlich ist und der potenzielle Gesamtnutzen langfristig die Kosten des Vorhabens übersteigt. Weiterhin müssen an einem VGI mindestens zwei Mitgliedstaaten beteiligt sein – entweder dadurch, dass das Vorhaben die Grenze eines oder mehrerer Mitgliedstaaten direkt quert oder dadurch, dass es sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates befindet und „erhebliche grenzüberschreitende Auswirkungen“ i.S.d. Anhangs IV Punkt 1 der TEN-E-Verordnung hat (z. B. Erhöhung der Übertragungskapazität des Stromnetzes um mindestens 500 MW gegenüber der Situation ohne Inbetriebnahme des Vorhabens oder Schaffung einer Stromspeicherkapazität, die eine jährliche Nettostromerzeugung von mindestens 250 Gigawattstunden ermöglicht). Daneben kann ein Vorhaben auch von gemeinsamem Interesse sein, wenn es die Grenze mindestens eines Mitgliedstaates und eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraums quert. Darüber hinaus nennt Art. 4 Abs. 2 der TEN-E-Verordnung spezifische Kriterien für die einzelnen Energieinfrastrukturkategorien, die ein VGI erfüllen muss. 2. Auswahl der Vorhaben von gemeinsamem Interesse Die TEN-E-Verordnung sieht in Art. 3 ein mehrstufiges Auswahlverfahren zur Ermittlung und verbindlichen Festlegung dieser VGI vor: Schritt 1: Zwölf regionale Arbeitsgruppen identifizieren für zwölf regionale Korridore und thematische Gebiete energiewirtschaftlich vorrangige Projekte (vgl. Anhang III der Verordnung). Schritt 2: Die regionalen Gruppen erstellen jeweils eine regionale Liste mit Vorschlägen für VGI. Projekte werden auf Antrag der jeweiligen Vorhabenträger geprüft. Jeder Vorschlag bedarf der Genehmigung durch die Mitgliedstaaten, deren Hoheitsgebiet das Vorhaben betrifft. Schritt 3: Die Kommission erstellt auf Basis der regionalen Listen eine EU-weite Liste mit den VGI, sog. „Unionsliste“. Die regionalen Gruppen setzen sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten, der nationalen Regulierungsbehörden, der Übertragungsnetzbetreiber, der Kommission, der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) und des Europäischen Verbunds der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-Strom) zusam-
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men. Entscheidungsbefugnisse haben jedoch nur die Kommission und die Mitgliedstaaten. Die erste Unionsliste wurde als delegierte Verordnung (Art. 290 AEUV) von der Kommission am 14. 10. 2013 erlassen und ist am 10. 01. 2014 in Kraft getreten.10 Die Unionsliste muss alle zwei Jahre aktualisiert werden. EU-weit wurden rund 250 Vorhaben in die Unionsliste aufgenommen. Sie enthält 20 VGI im Strombereich, 5 VGI im Gasbereich und 2 VGI im Ölbereich, die direkten Bezug zu Deutschland haben. Die zweite Evaluierungsrunde für die Unionsliste hat im Dezember 2014 begonnen. 3. Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung Ein maßgebliches Ziel der TEN-E-Verordnung ist, das Genehmigungsverfahren für die VGI zu beschleunigen, um eine schnellere Entscheidungsfindung zu erreichen und damit eines der größten Hemmnisse für den zügigen Netzausbau abzubauen. Neben der Beschleunigung der Genehmigungsverfahren soll weiterhin eine transparentere Entscheidungsfindung durch eine Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung erreicht werden (vgl. Art. 8 bis 10 TEN-E-Verordnung).11 a) Vorrangstatus der VGI Mit der Aufnahme in die Unionsliste ist die energiepolitische Erforderlichkeit – im Terminus des deutschen Fachplanungsrechts gesprochen: der Bedarf – der Vorhaben festgestellt (Art. 7 Abs. 1 TEN-E-Verordnung). Im Genehmigungsverfahren sind die Unterlagen von den zuständigen Behörden so zügig zu bearbeiten wie rechtlich möglich (Art. 7 Abs. 2 TEN-E-Verordnung). Die VGI erhalten gem. Art. 7 Abs. 3 TEN-E-Verordnung den „national höchstmöglichen Status“, wenn ein solcher im nationalen Recht vorgesehen ist. Im Bereich der Stromübertragungsnetze erfolgt dies in Deutschland durch die Aufnahme eines VGI in den Bedarfsplan zum Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) bzw. das Gesetz über den Bundesbedarfsplan (BBPlG). b) Organisation des Genehmigungsverfahrens Für weiteres Beschleunigungspotenzial sollen die Regelungen zur Organisation des Genehmigungsverfahrens in Art. 8 TEN-E-Verordnung sorgen. Gem. Art. 8 Abs. 1 TEN-E-Verordnung muss jeder Mitgliedstaat eine zuständige nationale Behörde benennen, die für die Erleichterung und Koordinierung des Genehmigungsver10 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1391/2013 der Kommission vom 14. 10. 2013 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur in Bezug auf die Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse, ABl. EU L 349/28 v. 21. 12. 2013. 11 KOM (2011) 658 endg., S. 8 f.
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fahrens für VGI verantwortlich ist, d. h. Ansprechpartner für die EU-Kommission, Behörden aus anderen Mitgliedstaaten und andere Behörden des Mitgliedstaates ist. Mit der Benennung einer einzelnen zentralen Anlaufstelle kommt das sog. One-Stop-Shop-Modell zur Anwendung. Deutschland hat die Bundesnetzagentur als zuständige Behörde benannt.12 Die Verordnung sieht weiter vor, dass die Verantwortung dieser zentralen Behörde für einzelne VGI oder eine bestimmte Kategorie von VGI auf eine andere Behörde übertragen und die Aufgaben der zentralen Behörde von dieser anderen Behörde wahrgenommen werden können (Art. 8 Abs. 2 TENE-Verordnung). Für die Durchführung des Genehmigungsverfahrens – in der TEN-E-Verordnung als „umfassende Entscheidung“ bezeichnet – gibt die Verordnung in Art. 8 Abs. 3 drei Schemata vor, zwischen denen die Mitgliedstaaten die Wahl haben: Das „integrierte Schema“ sieht vor, dass die zuständige Behörde (Art. 8 Abs. 1 TEN-E-Verordnung) die einzige rechtsverbindliche Entscheidung erlässt. Nach dem „koordinierten Schema“ kann die umfassende Entscheidung mehrere rechtsverbindliche Einzelentscheidungen anderer betroffener Behörden enthalten, die von der zuständigen Behörde i.S.d. Art. 8 Abs. 1 TEN-E-Verordnung koordiniert werden. Nach Ablauf einer von ihr gesetzten Frist soll hier die zuständige Behörde die Einzelentscheidung einer anderen Behörde ersetzen können, wenn diese nicht fristgemäß entschieden hat und keine angemessene Begründung für die Verzögerung vorbringen konnte. Die zuständige Behörde i.S.d. Art. 8 Abs. 1 TEN-E-Verordnung erhält die Befugnis, die Einzelentscheidung einer anderen Behörde außer Acht zu lassen, wenn nach ihrer Ansicht diese Entscheidung nicht hinreichend begründet sein sollte. Erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt wurde das dritte Schema, das „Kooperationsschema“. Hierbei werden die erforderlichen Einzelentscheidungen durch die jeweils zuständigen Fachbehörden getroffen. Die zuständige Behörde i.S.d. Art. 8 Abs. 1 TEN-E-Verordnung hat keine eigenen Entscheidungsbefugnisse, sondern überwacht die Einhaltung der in der TEN-E-Verordnung vorgesehenen Verfahrensfristen und kann den anderen Behörden ggf. Fristen setzen. Sind Entscheidungen in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten erforderlich, müssen die jeweils zuständigen Behörden zusammenarbeiten (Art. 8 Abs. 5 TEN-E-Verordnung). c) Durchführung und Fristen für das Genehmigungsverfahren Art. 10 Abs. 1 der TEN-E-Verordnung sieht ein zweiphasiges Genehmigungsverfahren vor. Der erste Abschnitt wird als „Vorantragsabschnitt“ (Art. 10 Abs. 1 lit. a) TEN-E-Verordnung) bezeichnet und bezieht sich auf den Zeitraum zwischen dem Beginn des Genehmigungsverfahrens und der Annahme der eingereichten Antragsunterlagen durch die zuständige Behörde. Das Genehmigungsverfahren beginnt, wenn die Genehmigungsbehörde eine vom Vorhabenträger einzureichende schriftli12 Bekanntmachung über die zuständige Behörde nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 v. 22. 05. 2014, BGBl. I S. 576.
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che Mitteilung des Vorhabens einschließlich Vorhabenbeschreibung schriftlich bestätigt hat. Das Datum der Unterschrift der Bestätigung markiert den Beginn des Genehmigungsverfahrens, d. h. des Vorantragsabschnitts. Die zuständige Behörde muss im Vorantragsabschnitt festlegen, welche Antragsunterlagen vom Vorhabenträger einzureichen sind (Umfang, Detaillierungsgrad etc.). Es muss ferner ein Durchführungsplan für das Genehmigungsverfahren aufgestellt werden und die Genehmigungsbehörde muss die eingereichten Antragsunterlagen auf Vollständigkeit überprüfen. Das Vorantragsverfahren ist binnen einer Frist von zwei Jahren durchzuführen. Der zweite Abschnitt des Genehmigungsverfahrens ist das „formale Genehmigungsverfahren“, das vom Datum der Annahme der Antragsunterlagen bis zum Erlass der Genehmigung reicht (Art. 10 Abs. 1 lit. b) TEN-E-Verordnung). Hierfür ist eine Frist von maximal eineinhalb Jahren vorgesehen. Die Gesamtdauer des Genehmigungsverfahrens darf gem. Art. 10 Abs. 2 TEN-EVerordnung dreieinhalb Jahre nicht überschreiten. Ausnahmsweise kann die Frist einer oder beider Abschnitte vor Fristablauf um höchstens neun Monate für beide Abschnitte insgesamt verlängert werden, so dass die absolute Verfahrenshöchstdauer vier Jahre und drei Monate beträgt. Eine gesonderte Fristenregelung ist gem. Art. 10 Abs. 3 TEN-E-Verordnung für Mitgliedstaaten vorgesehen, in denen die Festlegung des Trassenkorridors oder des Vorhabenstandorts nicht im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erfolgt, wie z. B. in Deutschland mit der Aufteilung in die Bundesfachplanung/das Raumordnungsverfahren und das Planfeststellungsverfahren. Das Trassenfindungsverfahren ist innerhalb einer gesonderten Frist von sechs Monaten ab Einreichung der Antragsunterlagen abzuschließen. Die für das Genehmigungsverfahren vorgesehene Möglichkeit zur Fristverlängerung um neun Monate verringert sich in diesem Fall auf sechs Monate, einschließlich des Trassenfindungsverfahrens. Die Maximalfrist für Mitgliedstaaten mit vorgelagertem Trassenfestlegungsverfahren beträgt somit insgesamt nur vier Jahre für die Durchführung des Trassenfindungsverfahrens und des anschließenden Genehmigungsverfahrens. Rein formell steht Mitgliedstaaten mit vorgelagertem Trassenfestlegungsverfahren damit eine kürzere Frist zur Verfügung. Faktisch können sich Behörden und Vorhabenträger bei einem vorgelagerten Trassenfestlegungsverfahren aber mehr Zeit lassen. Denn in der Verordnung nicht geregelt ist der Zeitraum zwischen der Beendigung des Verfahrens zur Trassenfestlegung und dem Beginn des Genehmigungsverfahrens, in Deutschland also zwischen der Bundesfachplanung/dem Raumordnungsverfahren und dem Beginn des Planfeststellungsverfahrens. Es besteht somit eine „Frist-Lücke“.13 13 Dietrich/Steinbach, (Kein) Änderungsbedarf im Energie- und Netzausbaurecht aufgrund der neuen TEN-E Verordnung?, DVBl. 2014, 488, 492; Linßen/Aubel, (Noch) schnellerer Netzausbau durch die neue TEN-E VO?, DVBl. 2013, 965, 968, 970; a.A. Leidinger, DVBl. 2015, 400, 406.
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d) Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung Vorgesehen ist weiterhin, dass der Vorhabenträger zur Verbesserung der Transparenz und der Öffentlichkeitsbeteiligung innerhalb von drei Monaten nach Beginn des Vorantragsverfahrens ein Konzept für die Öffentlichkeitsbeteiligung erstellen und der zuständigen Behörde vorlegen muss. Zudem ist vor der Einreichung der Antragsunterlagen mindestens eine Anhörung der Öffentlichkeit durch den Vorhabenträger oder die zuständige Behörde durchzuführen (Art. 9 Abs. 3 und Abs. 4 TEN-E-Verordnung). Anhang VI der TEN-E-Verordnung enthält Leitlinien für die durchzuführende Öffentlichkeitsbeteiligung. Zudem sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ein Verfahrenshandbuch für das für die VGI geltende Genehmigungsverfahren zur Information der Öffentlichkeit zu erstellen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Bundesnetzagentur hat im Mai 2014 ein entsprechendes Handbuch im Internet veröffentlicht.14 e) Projektverzögerungen Die TEN-E-Verordnung enthält weiterhin ein Regelungsregime bei Projektverzögerungen. Sollte die zulässige Verfahrensdauer von maximal dreieinhalb Jahren überschritten werden und wird eine Fristverlängerung um höchstens neun Monate erforderlich, so muss die zuständige Behörde (Art. 8 Abs. 1 TEN-E-Verordnung) die von dem in Verzug befindlichen Vorhaben betroffene regionale Gruppe informieren und Maßnahmen aufzeigen, mit denen das Genehmigungsverfahren mit der geringstmöglichen Verzögerung abgeschlossen werden kann (Art. 10 Abs. 2 TEN-EVerordnung). Konkrete Handlungsbefugnisse für die regionale Gruppe sind hingegen nicht vorgesehen. Bei Durchführungsschwierigkeiten kann die Kommission gem. Art. 6 TEN-E-Verordnung zeitlich befristet einen europäischen Koordinator benennen, der die Durchführung des Vorhabens fördern und unterstützen soll. f) Umwelt- und Naturschutzrecht Die umfangreichen fachlichen und rechtlichen Untersuchungen zur Prüfung der Umweltverträglichkeit eines Vorhabens sowie zur Vereinbarkeit mit dem europäischen und nationalen Naturschutzrecht haben einen nicht unerheblichen Anteil an der langen Dauer vieler Genehmigungsverfahren. Die TEN-E-Verordnung will auch hier eine Beschleunigung erreichen. Zur Verringerung des Verwaltungsaufwands und Einhaltung der in Art. 11 TEN-E-Verordnung festgesetzten Fristen verpflichtet die Verordnung daher die Mitgliedstaaten, innerhalb von neun Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung Maßnahmen zur Straffung der Umweltverträglichkeitsprüfungen zu ergreifen – wobei die aus den entsprechenden europäischen Richtlinien resultierenden Verpflichtungen jedoch nicht berührt werden dürfen 14 Verfahrenshandbuch zum Planfeststellungsverfahren von Vorhaben von gemeinsamem Interesse (PCI), abrufbar unter http://www.netzausbau.de/SharedDocs/Downloads/DE/2014/ PCI-Verfahrenshandbuch.pdf?__blob= publicationFile (Stand: 7/2015).
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(Art. 8 Abs. 4 TEN-E-Verordnung). Die Kommission hat unverbindliche Leitlinien zur Unterstützung der Mitgliedstaaten zur Straffung der Umweltverträglichkeitsprüfung zu veröffentlichen, was zwischenzeitlich geschehen ist.15 Weiterhin ist in Art. 7 Abs. 8 TEN-E-Verordnung vorgesehen, dass die VGI als Vorhaben gelten, die in energiepolitischer Hinsicht von öffentlichem Interesse sind. Die zuständige Behörde muss somit im Genehmigungsverfahren nicht mehr im Einzelfall prüfen bzw. nachweisen, ob ein öffentliches Interesse an dem Vorhaben besteht. Zudem können VGI als Vorhaben von „überwiegendem öffentlichen Interesse“ i.S.d. Art. 6 Abs. 4 der FFH-Richtlinie (vgl. § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG) und Art. 4 Abs. 7 der Wasserrahmen-Richtlinie (vgl. §§ 31 Abs. 2, 44 Satz 1 und 47 Abs. 3 WHG) gelten, sofern die entsprechenden materiell-rechtlichen Voraussetzungen der beiden Richtlinien erfüllt sind.
IV. Bewertung der Verordnung Der Erlass der TEN-E-Verordnung ist ein richtiger und wichtiger Schritt zur Förderung des grenzüberschreitenden Netzausbaus. 1. Wahl der Rechtsform Die TEN-E-Verordnung enthält wie aufgezeigt ein detailliertes Genehmigungsregime, das von den Mitgliedstaaten angewandt werden muss und demnach ihre Verfahrensautonomie einschränkt.16 Gleichwohl bedarf die Verordnung in einigem Umfang der Umsetzung der Mitgliedstaaten. Dies betrifft z. B. die von den Mitgliedstaaten zu benennende zentrale Behörde oder die Vorgaben zur Straffung der Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Kommission führt in ihrer Begründung zum Verordnungsvorschlag aus, dass es den Mitgliedstaaten überlassen werde, ihre eigenen Verfahren gemäß ihren nationalen Rechtssystemen so zu konzipieren, dass sie die Anforderungen der TEN-E-Verordnung erfüllen.17 Aus rechtlicher Sicht problematisch an der Verordnung ist die Wahl der Rechtsform der Verordnung. Die Kommission begründet ihre Entscheidung damit, dass nur durch eine Verordnung die rechtzeitige Umsetzung der Energieinfrastrukturprioritäten bis zum Zieljahr 2020 gewährleistet werden kann.18
15 Streamlining environmental assessment procedures for energy infrastructure Projects of Common Interest, abrufbar unter http://ec.europa.eu/environment/eia/pdf/PCI_guidance.pdf (Stand: 7/2015). 16 Guckelberger, Schnellerer Energienetzausbau durch Unionsrecht?, DVBl. 2014, 805, 808. 17 KOM (2011) 658 endg., S. 8. 18 KOM (2011) 658 endg., S. 9.
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Gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV ist eine Verordnung abstrakt-generell, in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar. Das vorgesehene Verfahrensregime zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens und stärkeren Beteiligung der Öffentlichkeit gilt hingegen nicht in dem Sinne unmittelbar, dass durch die Verordnung abschließend ein neues, neben dem bestehenden nationalen Verwaltungsverfahren geltendes Verfahrensrecht für europäische VGI eingeführt wird, dem ohnehin Kompetenzgesichtspunkte entgegenstehen würden; auch könnte die Schaffung eines originären unionsrechtlichen Verfahrensrechts nur schwerlich als „Leitlinie“ (Art. 171 Abs. 1 AEUV) bezeichnet werden. Demgemäß soll lediglich ein rechtlicher Rahmen festgelegt werden, den die Mitgliedstaaten in ihr nationales Rechtsregime einbinden, sei es durch die Schaffung eines neuen, parallelen Regelungsregimes oder durch Implementierung in das bereits bestehende nationale Verfahrensrecht.19 Inhaltlich stehen die Vorgaben der Verordnung somit mit den aus Art. 171 Abs. 1 AEUV folgenden Kompetenzen der EU im Einklang, da die nationalen Verwaltungsverfahren nach den Maßgaben der Verordnung (nur) angeglichen werden sollen.20 Allerdings hätte es für das Ziel der Mindestangleichung nationaler Verwaltungsverfahren einer Verordnung als Rechtsform für Leitlinien i.S.d. Art. 171 Abs. 1 AEUV nicht bedurft. Fraglich ist darüber hinaus, ob es sich bei einer Verordnung überhaupt um eine zulässige Rechtsform für Leitlinien i.S.d. Art. 171 Abs. 1 AEUV handelt.21 TENLeitlinien sind rechtlich verbindlich.22 Sie sind jedoch nicht aus sich heraus im Sinne einer Vollzugsfähigkeit anwendbar, sondern legen die Ziele, Prioritäten und Grundzüge der im Bereich der TEN in Betracht gezogenen Aktionen fest und weisen VGI aus. Adressaten sind mithin die Mitgliedstaaten, die auf die Umsetzung der Rahmenvorgaben der TEN-Leitlinien hinzuwirken haben (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV).23 Unter diesen Gesichtspunkten dürfte eine Verordnung nach Art. 288 Abs. 2 AEUV nicht die zulässige Rechtsform für die Aufstellung derartiger Leitlinien darstellen. In Erwägung zu ziehen wäre die Rechtsform der Richtlinie nach Art. 288 Abs. 3 AEUV.24 Denn auch Richtlinien geben ein verbindliches Ziel vor, gelten aber nicht unmittelbar, sondern bedürfen der Umsetzung in nationales Recht. Allerdings enthalten TEN-Leitlinien im Unterschied zu Richtlinien auch unmittelbar verbindliche Elemente, etwa die ausgewiesenen VGI, was gegen die Wahl der Richtlinie als Rechtsform sprechen könnte.
19
KOM (2011) 658 endg., S. 8. Siehe oben II., 2. 21 Siehe dazu Armbrecht, Infrastrukturplanung auf europäischer Ebene, DVBl. 2013, 479, 482 f. 22 Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rn. 2734; Schäfer/Schröder, in: Streinz, EUV/ AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 171, Rn. 4; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 171, Rn. 3. 23 Schäfer/Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl.2012, Art. 171, Rn. 7. 24 Bogs, Die Planung transeuropäischer Verkehrsnetze, 2002, S. 159; Calliess, in: Calliess/ Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 172, Rn. 7 ff. 20
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Als richtige Rechtsform erscheint daher der Beschluss i.S.d. Art. 288 Abs. 4 AEUV.25 So ergingen auch frühere Leitlinien für die TEN stets als Entscheidung i.S.d. Art. 249 Abs. 4 EGV, welche durch die Rechtsform des Beschlusses ersetzt worden ist. Beschlüsse sind in allen ihren Teilen verbindlich und richten sich allein an einen oder mehrere Mitgliedstaaten. Insofern kommt ein Beschluss und seine Rechtswirkungen den Leitlinien i.S.d. Art. 171 Abs. 1 AEUV am nächsten. Berücksichtigt werden müssen freilich die inhaltlichen Vorgaben der Art. 170 ff. AEUV, so dass eine völlige Gleichsetzung mit dem Beschluss nach Art. 288 Abs. 4 AEUV nicht zulässig ist. So darf nicht von einer absoluten Verbindlichkeit in der Weise ausgegangen werden, dass sämtliche VGI auch tatsächlich verwirklicht werden müssten. Die Planungshoheit verbleibt bei den Mitgliedstaaten. Vielmehr handelte es sich bei Beschlüssen über TEN-Leitlinien um eine planungsrechtliche Sonderform dieser Rechtsform.26 2. Tatsächliches Beschleunigungspotenzial und Fristvorgaben Die Straffung und Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für vorrangige Vorhaben von europäischem Interesse ist zur Erreichung der mit der TEN-E-Verordnung verfolgten Ziele sachgerecht, wenngleich die Beschränkung der Verfahrensdauer auf maximal dreieinhalb bzw. vier Jahre und drei Monate sehr ambitioniert ist und fraglich erscheint, ob sich diese Beschränkung als praxistauglich erweist. Denn bedenkt man nur, dass in Planfeststellungsverfahren nicht selten eine Vielzahl von Einwendungen erhoben werden, die abgearbeitet und erörtert werden müssen, erscheint eine Frist von eineinhalb Jahren für das Genehmigungsverfahren kaum haltbar. Nicht zu vergessen sind auch etwa erforderlich werdende Planänderungen, die zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung führen können. Da vom Unionsgesetzgeber die Handlungsform der Verordnung gewählt wurde, sind die Fristvorgaben jedoch zwingend zu beachten. Die Mitgliedstaaten sind gem. Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der aus der Verordnung folgenden Verpflichtung zu ergreifen. a) Konsequenzen bei Fristüberschreitung Fraglich sind jedoch die Konsequenzen, die sich bei Nichteinhaltung der Fristvorgaben ergeben.27 Angesichts der zwingenden Vorgaben der TEN-E-Verordnung 25 Armbrecht, DVBl. 2013, 479, 483; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 172, Rn. 7. 26 Bogs, Die Planung transeuropäischer Verkehrsnetze, 2002, S. 161; Calliess, in: Calliess/ Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 172, Rn. 7; Neumann, in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 6. Aufl. 2012, Art. 171, Rn. 3; vgl. auch Jürgensen, Gemeinschaftlicher und nationaler Grundrechtsschutz bei der Realisierung transeuropäischer Verkehrsnetze, 1998, S. 69. 27 Zu den Fristenregelungen der TEN-E-Verordnung siehe auch Guckelberger, DVBl. 2014, 805, 809 f.
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haben die Mitgliedstaaten oder die Vorhabenträger keine Dispositionsbefugnis über die Fristen, etwa durch eine Verzichtserklärung des Vorhabenträgers. Keine geeignete Lösung ist ferner diejenige, dass die zuständige Behörde die Genehmigung des Vorhabens ablehnt, wenn sie merkt, dass die Fristen nicht haltbar sind. Erforderlich wäre dann ein Neubeginn des Verfahrens. Dies wäre mit dem Beschleunigungszweck der TEN-E-Verordnung nicht zu vereinbaren. Andererseits wäre es gewiss abwägungsfehlerhaft, wenn die Genehmigungsbehörde das Vorhaben zulassen würde, um die Frist einhalten zu können, ohne aber die Rechtmäßigkeit und Auswirkungen des Vorhabens etwa auf Rechte Dritter oder andere schutzwürdige Belange abschließend geprüft zu haben. Dies eröffnete zudem nach nationalem Recht Klagemöglichkeiten für Dritte, die wiederum zu einer Verzögerung der Bestandskraft der Genehmigung und der Realisierung des Vorhabens führten. Einzig richtige Lösung kann daher sein, das Genehmigungsverfahren trotz Fristüberschreitung zu Ende zu führen und so schnell wie möglich abzuschließen. b) Sanktionierung von Verstößen gegen Fristvorgaben Problematisch ist weiterhin die Sanktionierung von Verstößen gegen die Verfahrensdauer. Denn die Praxis zeigt, dass Fristüberschreitungen ohne Konsequenzen häufig der erwünschten Beschleunigungswirkung einer Regelung entgegenstehen. Die TEN-E-Verordnung sieht folgende Sanktionen vor: Verlängert die zuständige Behörde im Einzelfall zulässigerweise die Frist nach den Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 der TEN-E-Verordnung, muss sie die zuständige regionale Gruppe hierüber informieren und Maßnahmen vorlegen, die getroffen wurden oder zu treffen sind, um das Genehmigungsverfahren möglichst schnell abzuschließen. Auf Verlangen der regionalen Gruppe muss die Behörde ihr regelmäßig über die Fortschritte berichten. Eine Regelung über das Verfahren, wenn auch die Fristverlängerung nach Art. 10 Abs. 2 TEN-E-Verordnung ausgeschöpft wurde, enthält die Verordnung nicht. Nach ihrem Sinn und Zweck und dem Beschleunigungsgedanken muss Art. 10 Abs. 2 TEN-E-Verordnung in diesem Fall aber entsprechende Anwendung finden.28 Die Sanktionswirkung dieser Regelung dürfte jedoch beschränkt sein. Die Berichtspflicht gegenüber der regionalen Gruppe kann zwar den Druck auf die zuständige Behörde, das Verfahren zügig abzuschließen, erhöhen, mehr aber auch nicht. Denn die regionale Gruppe hat kein Weisungsrecht gegenüber dem Mitgliedstaat und kann keine Maßnahmen zur Behebung der Verzögerung verbindlich vorschreiben.29 Ein gewisses Sanktions- oder eher Beschleunigungsmittel ist ferner die Benennung eines europäischen Koordinators durch die Kommission, wenn es bei einem 28 29
Ebenso Guckelberger, DVBl. 2014, 805, 811. Armbrecht, DVBl. 2013, 479, 481.
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VGI erhebliche Durchführungsschwierigkeiten gibt (Art. 6 TEN-E-Verordnung).30 Erforderlich ist allerdings das Einvernehmen des betroffenen Mitgliedstaates. Zudem hat der Europäische Koordinator nur unterstützende und fördernde Funktion – mit Blick auf die Verfahrensautonomie wohl zu Recht, allerdings ist damit die Wirksamkeit auch dieses Mittels fraglich.31 c) Fristvorgaben bei abschnittsweiser Zulassung Ein weiteres Problem stellt die abschnittsweise Zulassung eines Vorhabens dar. Im deutschen Planungsrecht ist unumstritten, dass ein Vorhaben in mehreren Planungsabschnitten zugelassen werden kann, siehe etwa § 6 Satz 4 und § 19 Abs. 1 Satz 2 NABEG.32 Die in die Unionsliste aufgenommenen VGI bezeichnen jeweils ein „Gesamtvorhaben“ (Anfangs- bis Endpunkt). Auch nach der Begriffsdefinition in Art. 2 Nr. 3 der TEN-E-Verordnung ist unter „Vorhaben“ das Gesamtvorhaben zu verstehen. Dem Wortlaut nach beziehen sich auch die Fristenregelungen in Art. 10 Abs. 2 und 3 der Verordnung auf das Gesamtvorhaben, wenn z. B. der Vorhabenträger gem. Art. 10 Abs. 1 lit. a) der zuständigen Behörde das „Vorhaben“ mitteilen muss. Müsste man die Fristvorgaben tatsächlich auf die Genehmigung des vollständigen Vorhabens beziehen, wären diese Fristen bei der Vorhabengenehmigung in mehreren Abschnitten nicht haltbar. Der Begriff des Vorhabens in Art. 10 TEN-E-Verordnung ist daher einschränkend auszulegen und auf den jeweils zu genehmigenden Planungsabschnitt zu beziehen. Denn die TEN-E-Verordnung enthält zwar keine Aussage zur Abschnittsbildung, allerdings sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum eine abschnittsweise Zulassung eines VGI nicht zulässig sein sollte. Zudem enthält Art. 10 TEN-E-Verordnung Fristenregelungen für das „Genehmigungsverfahren“ zwischen Mitteilung des Vorhabens und Erteilung der Genehmigung. Art. 10 muss daher auch so verstanden werden können, dass er sich auf ein konkretes Genehmigungsverfahren bezieht, d. h. bei einer abschnittsweisen Zulassung auf den jeweils zur Genehmigung beantragten Planungsabschnitt.33 Eine andere Auslegung wäre praxisfern. 3. Öffentlichkeitsbeteiligung Die vorgesehene frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung kann dazu beitragen, die Akzeptanz der Projekte in der Bevölkerung zu fördern, wobei – wie man in Deutsch30 Zur Rechtsfigur des Europäischen Koordinators siehe Guckelberger/Geber, Die Rechtsfigur der „Europäischen Koordinatoren“ für die Durchführung von Energieinfrastruktur-Vorhaben von gemeinsamem Interesse, DVBl. 2015, 329 ff. 31 Siehe auch Leidinger, DVBl. 2015, 400, 407, mit Hinweisen auf Rechtsschutzmöglichkeiten. 32 Siehe allgemein zur Abschnittsbildung: Steinberg/Wickel/Müller, Fachplanung, 4. Aufl. 2012, S. 228 ff. 33 Zurückhaltender: Leidinger, DVBl. 2015, 400, 407.
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land sieht – auch umfassende Informationsveranstaltungen letztlich überzeugte Gegner von Stromtrassen auch nicht von ihrer Notwendigkeit überzeugen können. 4. Straffung der Umweltverträglichkeitsprüfungen Die Bestrebung, zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren die Umweltverträglichkeitsprüfungen zu straffen, ist zweifelsohne positiv zu bewerten. Fraglich ist jedoch, auf welche Weise die Mitgliedstaaten eine derartige Straffung und Beschleunigung der Umweltverträglichkeitsprüfung erreichen und gleichzeitig die Einhaltung der materiell-rechtlichen Vorgaben der UVP-Richtlinie gewährleisten können. Denn angesichts des Untersuchungs- und Prüfungsaufwands für die Feststellung der Umweltverträglichkeit, einschließlich Vereinbarkeit mit dem Natura 2000 Rechtsregime sowie den unionsrechtlichen Regelungen zum Artenschutz erscheint eine Straffung ohne gleichzeitige Berührung oder gar Beeinträchtigung der z. B. aus der UVP- oder FFH-Richtlinie folgenden Verpflichtungen schwer umsetzbar. Ob der von der Kommission erstellte Leitfaden tatsächlich eine Hilfestellung für die Mitgliedstaaten darstellt und zugleich einen Ansatzpunkt für die Straffung der Umweltverträglichkeitsprüfung schon auf europäischer Ebene bietet, muss sich noch zeigen. In seiner tatsächlichen Wirkung beschränkt bleiben muss weiterhin Art. 7 Abs. 8 der VO, der die VGI zu Vorhaben von „überwiegendem öffentlichen Interesse“ im Sinne von Art. 6 Abs. 4 der FFH-RL und Art. 4 Abs. 7 der WRRL erklärt. Diese Vorgabe hat letztlich nur deklaratorische Bedeutung, denn eine umfassende Prüfung etwa der Voraussetzungen für eine Ausnahme von den Maßgaben des Art. 6 der FFH-RL bzw. im deutschen Recht der Voraussetzungen einer Abweichungsentscheidung gem. § 34 Abs. 3 BNatSchG ist nach wie vor erforderlich. Im entsprechenden Genehmigungsverfahren müsste daher gleichwohl bewertet werden, ob tatsächlich zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses an der Realisierung des Vorhabens bestehen und zumutbare Alternativen nicht gegeben sind, mithin eine Zulassung des VGI trotz einer erheblichen Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets oder ausgewiesenen Europäischen Vogelschutzgebiets gerechtfertigt ist. Der Prüfungsumfang verringert sich somit im Ergebnis nicht. Wesentliche Beschleunigungseffekte dürften durch die Regelung damit nicht erzielt werden können.
V. Blick auf das deutsche Recht 1. „National höchstmöglicher Status“ Abschließend soll noch kurz ein Blick auf die Auswirkungen der TEN-E-Verordnung auf das deutsche Genehmigungsregime für die Genehmigung von Energieinfrastruktur geworfen werden, hierbei beschränkt auf Stromleitungen.
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Der gem. Art. 7 Abs. 3 der TEN-E-Verordnung den VGI einzuräumende „national höchstmögliche Status“ wurde durch die Aufnahme von Höchstspannungsleitungen in den EnLAG-Bedarfsplan und das Bundesbedarfsplangesetz nach § 12e EnWG umgesetzt.34 Die energiepolitische Notwendigkeit dieser Vorhaben ist damit gesetzlich festgestellt. Für Leitungen, die dem NABEG unterfallen, wurden zudem Fristenregelungen geschaffen, z. B. gem. § 20 Abs. 3 für die Festlegung des Untersuchungsrahmens. Zudem räumt das NABEG den Leitungen in seinem Anwendungsbereich in der Abwägung ein besonderes Gewicht ein. So wird in § 1 Satz 3 festgestellt, dass diese Leitungen aus Gründen eines überwiegenden öffentlichen Interesses erforderlich sind. Den Deutschland betreffenden VGI der ersten Unionsliste wurde auch tatsächlich dieser „national höchstmögliche Status“ eingeräumt, denn es handelt sich sämtlich um Vorhaben, die im Bundesbedarfsplan bzw. im EnLAG-Bedarfsplan enthalten sind. Allerdings muss sichergestellt werden, dass auch VGI künftiger Unionslisten diesen Status erhalten. Von Relevanz ist hier, dass der Anwendungsbereich der TEN-E-Verordnung auch für rein lokale Vorhaben mit grenzüberschreitender Bedeutung eröffnet ist. Dementsprechend ist künftig ggf. eine Anpassung des deutschen Rechts erforderlich, um sicherzustellen, dass VGI in den Bundesbedarfsplan aufgenommen werden (können). 2. One-Stop-Shop Entsprechend der Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 1 TEN-E-Verordnung hat die Bundesregierung, die Bundesnetzagentur als „zuständige Behörde“ benannt. Anders als zu erwarten gewesen, hat die Bundesregierung allerdings für die Durchführung des Verfahrens nicht das integrierte Schema – das dem deutschen Planfeststellungsverfahren mit formeller Konzentrationswirkung entspricht – gewählt, sondern nennt in der Bekanntmachung das Kooperationsschema. Begründet wird dies mit der föderalen Struktur der Bundesrepublik, denn für nicht länderoder grenzüberschreitende Vorhaben im Anwendungsbereich des NABEG i.V.m. der Planfeststellungszuweisungsverordnung sowie für Vorhaben nach dem EnLAG ist nicht die Bundesnetzagentur zuständige Planfeststellungsbehörde, sondern die jeweils zuständige Landesbehörde. An dieser Stelle wäre auch eine andere Lösung möglich gewesen, denn für grenzoder länderüberschreitende Vorhaben im Anwendungsbereich des NABEG ist die Bundesnetzagentur zuständige Behörde, so dass hier das integrierte Schema zur Anwendung kommt. Die Aufgabenteilung zwischen Bundesnetzagentur als benannte Behörde nach der TEN-E-Verordnung und den Ländern als Genehmigungsbehörde nach nationalem Recht hätte über Art. 8 Abs. 2 der Verordnung geregelt werden können, nach dem die Befugnisse der zuständigen Behörde für einzelne oder eine bestimmte Gruppe von Vorhaben durch andere Behörden wahrgenommen werden kön-
34
Vgl. Dietrich/Steinbach, DVBl. 2014, 488, 490.
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nen.35 Die zuständige Landesbehörde hätte so den Planfeststellungsbeschluss anstelle der Bundesnetzagentur im Rahmen des integrierten Schemas treffen können. Denn auch hier wird die Genehmigung nur durch eine (Landes-)Behörde getroffen. Für Sonderfälle, etwa verfahrensbeendende Entscheidungen verschiedener Behörden mehrerer Bundesländer, hätte dann neben dem integrierten Schema für die Regelfälle das Kooperationsschema angewandt werden können, bei dem die Bundesnetzagentur die Einzelentscheidungen der Behörden koordiniert.36 Anhaltspunkte, die gegen ein Nebeneinander von integriertem Schema und Kooperationsschema sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.37 Zu erwähnen ist noch die Übergangsregelung in Art. 19 UA 2 TEN-E-Verordnung, nach der die Vorschriften zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens nicht für bereits im Genehmigungsverfahren befindliche Vorhaben, für die vor dem 16. 11. 2013 die Antragsunterlagen eingereicht wurden, gelten. Diese Übergangsregelung greift für 11 der 20 deutschen VGI im Bereich Strom und zwei der fünf VGI im Gasbereich.
VI. Fazit Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Verordnung zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur mit dem vorgesehenen Inhalt zwar begrüßenswert und in Anbetracht der Erforderlichkeit eines zügigeren Netzausbaus auch notwendig ist, sich in der Praxis aber zeigen muss, ob die angestrebten Beschleunigungseffekte tatsächlich erreicht werden können. Für die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben ist das deutsche Netzausbausystem mit NABEG, EnWG und EnLAG gut gerüstet. Da die Unionsliste der VGI jedoch kontinuierlich fortgeschrieben wird, bedarf es künftig ggf. Anpassungen des nationalen Rechts.
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Vgl. Linßen/Aubel, DVBl. 2013, 965, 967 f.; Dietrich/Steinbach, DVBl. 2014, 488, 493. Dietrich/Steinbach, DVBl. 2014, 488, 493. 37 Vgl. auch Leidinger, DVBl. 2015, 400, 404. 36
Bankenstabilisierung durch die nationale und europäische Bankenaufsicht Lehman 2.0 – eine deutsche Case Study Von Mathias Hanten, Frankfurt a.M.* Im Rahmen der Bankenunion1 wurde, neben dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) und einer ergänzten Einlagensicherung auch ein einheitlicher Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism – SRM) geschaffen. Letzterer soll, im Zusammenspiel mit der Umsetzung der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie („BRRD“)2, eine geordnete Bankenabwicklung erlauben. Ziel des Mechanismus ist es, sicher zu stellen, dass Kreditinstitute und andere Einheiten, die in seine Zuständigkeit fallen und die in ernste Schwierigkeiten geraten, effektiv und unter Minimierung der Kosten für Steuerzahler und Realwirtschaft abgewickelt werden.3 Diese Abwicklungsstruktur ist neu und in der Aufsichtspraxis noch nicht erprobt. Mit diesem Beitrag soll ein – vielleicht etwas ungewöhnliches – Gedankenexperiment unternommen werden. Es wird gefragt, ob die Bankenunion und speziell der SRM nebst Umsetzung der BRRD, hätte es die Instrumente vor der Finanzmarktkrise bereits gegeben, die Krise verhindert, abgeschwächt oder zumindest unwahrscheinlicher gemacht hätten. * Den Überlegungen für diesen Beitrag liegen ein Vortrag auf dem Symposium „Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts“ an der Universität Würzburg im Februar 2015, ein Vortrag während eines Symposiums an der Eberhard Karls Universität Tübingen im Oktober 2013 und ein Vortrag bei der 2nd European Banking Conference, die vom Verband der Auslandsbanken in Frankfurt am Main im September 2015 organisiert wurde, zu Grunde. 1 Zum Terminus und zur rechtlichen Struktur etwa Busch/Ferrarini, European Banking Union, 2015, passim, sowie Binder/Gortsos, The European Banking Union, 2015, passim. 2 Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. 2014, Nr. L 173, S. 190. 3 Zur Gesamtproblematik der grenzüberschreitenden Koordination der Bankenabwicklung in der EU zuletzt ein Arbeitspapier von Binder aus dem September 2015, http://papers.ssrn. com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2659158 mit dem Titel „Cross Border Coordination of Bank Resolution in the EU: All Problems resolved?
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Diese Betrachtungsweise ist in der juristischen Arbeit eher ungewöhnlich, aus Sicht des Verfassers aber zumindest einen Versuch wert. Ich höre bereits die Einwände gegen den Ansatz: Zunächst hätte es weder die Bankenunion und schon gar nicht den SRM ohne die Finanzmarktkrise gegeben. Diese seien doch gerade Folgen der Krise. Zudem sei weder tatsächlich noch hypothetisch feststellbar, was für den Fall, dass die Bankenunion bereits vor der Krise bestanden hätte, passiert wäre. Gegen beide Einwände möchte ich im Vorgriff Folgendes vortragen: Einem weisen Gesetzgeber sollte es nicht verboten sein, zur Abwehr einer möglichen Krise Vorkehrungen zu treffen. Die Probleme, die sich aus der Finanzkrise ergaben, also Kapitalmangel, Liquiditätsmangel, Abwicklungsbedarf bei Banken, sind keinesfalls neu. Diese Diskussion wurde spätestens 1992 vom Basel Committee durch das Papier „The Insolvency Liquidation of a Multinational Bank“ anlässlich der Insolvenz der Bank of Credit and Commerce International angestoßen. Ein vorausschauender Gesetzgeber hätte also ohne weiteres bereits vor der Finanzkrise auf den Gedanken einer Bankenunion verfallen können. Der diesen Überlegungen zu Grunde liegende Gedanke – Forschungsansatz wäre wohl zu hoch gegriffen – stammt von dem bedeutenden Althistoriker Alexander Demandt4, der die Frage „Was wäre geschehen wenn …?“ als legitime Frage in die Geschichtswissenschaft einführte. Demandt legitimierte für die Geschichtswissenschaft die – kontrafaktische – Frage, was geschehen wäre, wenn bestimmte historische Ereignisse eingetreten oder nicht eingetreten wären. Diese Methode der kontrafaktischen Frage scheint mir nicht nur legitim, sondern – recht besehen – notwendig, um historische Kausalitäten zu identifizieren. Sie scheint mir ferner auch in der juristischen Betrachtung fast geboten, um der, jedenfalls in Deutschland verfassungsrechtlich erforderlichen Eignungsanforderung an Gesetze zu genügen.5 Anders gesagt: Die Bankenunion muss danach befragt werden, ob sie geeignet (gewesen) wäre, die Finanzmarktkrise einzuschränken oder gar zu verhindern. Für den Verfasser stellte sich daher zunächst das Problem, welcher – hypothetische und spezielle – Sachverhalt betrachtet werden sollte, um der Frage des „Was wäre gewesen, wenn die Bankenunion, speziell der SRM bereits vor der Finanzmarktkrise in Kraft gewesen wäre“ beispielhaft nachzugehen und sie mit Anschauung zu füllen. Da sich der Beitrag zunächst an eine deutschsprachige Leser- und Zuhörerschaft richtete und richtet, sollte ein inländischer Anknüpfungspunkt gewählt werden. Um den Abwicklungsmechanismus zu testen, musste darüber hinaus auch ein Abwick4 Ungeschehene Geschichte, Ein Traktat über die Frage: Was wäre geschehen wenn …?, Erstauflage 1984, mehrere Neuauflagen, zuletzt Neuausgabe im Jahr 2011. 5 Zum Hintergrund auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 2005.
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lungssachverhalt gewählt werden. Um die weitere Wirkungsweise des SSM und des SRM zu betrachten, musste die inländische Anknüpfung durch einen – zusätzlichen – Auslandssachverhalt ergänzt werden. Diese Kriterien sprachen dafür, die Insolvenz der Lehman Brothers Bankhaus AG („LBB“) zum Gegenstand zu machen. Um das Gedankenexperiment ins Werk zu setzen, soll zunächst der tatsächliche Lehman-Sachverhalt und seine Abwicklung mit den Mitteln vor Inkrafttreten des SRM oder besser, mit den Mitteln, die zum Zeitpunkt der Insolvenz der LBB verfügbar waren, beschrieben werden (I.). Danach sollen die Instrumente der Bankenunion, insbesondere des SRM nach Umsetzung der Richtlinie zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten dargestellt werden (II.) Sodann soll der kontrafaktische Fall gebildet werden, dass der SRM – deutlich vor der Insolvenz des LBB bereits zur Anwendung hätte kommen können (III.) In dieser Betrachtung soll eingeschätzt werden, ob der SRM einen Mechanismus bereithält, der die Möglichkeit der geordneten Abwicklung, gemessen am faktischen Fall, verbessert hätte. Nach dieser Betrachtung soll zusammenfassend überlegt werden, ob und wie der Gedanke von Alexander Demandt für die Zwecke einer Effizienzprüfung von europäischen Gesetzen, also entlang dem Titel des Würzburger Symposiums „Bewältigung von Herausforderungen des Europarechts“, zu dem Ergebnis führt, dass die Bankenunion die Insolvenz der Bank 2.0 verhindert hätte.
I. Der tatsächliche Sachverhalt Im Vorgriff auf den Sachverhalt wird zunächst die Struktur der Gruppe, der die LBB angehörte, dargestellt.
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Im Zuge der Finanzmarktkrise musste die Lehman Brothers Holding Inc. – eine börsennotierte US-Bank („Inc.“) – zunächst 3,3 Milliarden US-Dollar abschreiben. Im April 2008 konnte noch eine Kapitalerhöhung in Höhe von 4 Milliarden US-Dollar und im Juni eine weitere in Höhe von 5 Milliarden US-Dollar durchgeführt werden. Die angeschlagene Inc. hatte am 10. September 2008 verlauten lassen, dass sie Verluste in Höhe von 3,9 Milliarden US-Dollar für das dritte Quartal 2008 erwarte. Richard S. Fuld, damaliger CEO der Inc., kündigte den Verkauf eines Mehrheitsanteils an der Investmentsparte, die Ausgliederung von Gewerbeimmobilien und weiterer illiquider Vermögenswerte an. Als zusätzliche Maßnahme wurde die in Aussicht gestellte Dividende auf 0,05 US-Dollar pro Aktie verringert. Nachdem Verkaufsbemühungen nach Ablauf weniger Tage scheiterten, musste für die Inc. im September 2008 Insolvenz nach Chapter 11 beantragt werden. Da das United States Treasury („UST“) bereits drei große Banken, und zwar Bear Stearns, Fannie Mae und Freddie Mac gestützt hatte, war der politische Druck, weitere Banken nicht aufzufangen, so groß geworden, dass sich der US Finanzminister Henry Paulson entschloss, keine weitere Unterstützung bereitzustellen, was – entgegen dem bisherigen Grundsatz „Too Big To Fail“ – die Insolvenz der Inc. ermöglichte. Die Finanzmarktkrise verlief in Deutschland etwas anders.6 Lehman Brothers war auch in Deutschland mit einer Tochtergesellschaft der Inc., der bereits erwähnten LBB in Frankfurt am Main vertreten. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erließ am 15. September 2008 gegenüber der LBB ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot. Außerdem untersagte sie dem Institut im Rahmen eines Moratoriums, Zahlungen entgegenzunehmen, die nicht zur Tilgung eigener Schulden bestimmt waren. Am 28. Oktober 2008 stellte die BaFin den Entschädigungsfall für die LBB nach Maßgabe des damals geltenden Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes fest. Am 13. November 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der LBB eröffnet. Den Antrag hierzu hatte die nach dem KWG allein antragsberechtigte BaFin gestellt. Wie zwischenzeitlich bekannt wurde, können die Gläubiger der AG mit einer nahezu vollständigen Befriedigung ihrer Ansprüche, also mit einer Insolvenzquote von annähernd 100 % rechnen. Zu den Hauptgläubigern der Lehman Brothers Bankhaus AG zählen neben der Bundesbank der Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken sowie auf die Verwertung von Darlehensforderungen spezialisierte Hedge Fonds. 6 Eine sehr kurze und prägnante Übersicht findet sich bei Rudolf, in: Lindenlaub/Burhop/ Scholtyseck (Hrsg.), Schlüsselereignisse der deutschen Bankengeschichte, 2013, S. 478 (485 f.).
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1. Der Sachverhalt, der in die Insolvenz der LBB führte Der Vergleich der Bilanzen der LBB, die jeweils zum 12. November 2008 und zum 12. November 2012 aufgestellt wurden, lässt auf einen Wertberichtigungsbedarf der Aktivposition „Forderungen an Kunden“ und „Forderungen an Kreditinstitute“ in Höhe von rund 8 Mrd. Euro schließen. Dieser Wertberichtigungsbedarf war, soweit einschätzbar, auf die Bewertung von Schuldverschreibungen zurückzuführen. Es liegt nahe, dass die LBB komplexe Asset Backed Securities („ABS“) aus der Gruppe der Inc. erworben hat, die im November 2008 nicht mehr werthaltig und nicht mehr liquide waren. Die Gruppe der Inc. wickelte darüber hinaus ihre geldpolitischen Geschäfte mit dem Eurosystem bis zur Insolvenz über die LBB ab. Zum Zeitpunkt der Insolvenz beliefen sich deren Verbindlichkeiten aus geldpolitischen Geschäften gegenüber der Deutschen Bundesbank auf rund 8,5 Mrd. Euro. Die LBB hatte dem Eurosystem damals vor allem die benannten, komplexen ABS verpfändet, um die geldpolitischen Refinanzierungsgeschäfte zu besichern. Diese ABS erfüllten die damaligen Bedingungen des Eurosystems für die Annahme als geldpolitische Sicherheit. Die Bundesbank hatte diese Wertpapiere nach der Insolvenz der LBB zunächst aus der Insolvenzmasse abgesondert und nach eigener Strategie verwertet. Aufgrund der Komplexität der ABS hat deren Verwertung mehr als vier Jahre in Anspruch genommen. Durch Verkäufe sowie durch Zins- und Tilgungseinnahmen konnte die Bundesbank bis Ende 2012 rund 7,4 Mrd. Euro erlösen. Von der Ausgangsforderung über rund 8,5 Mrd. Euro standen damit noch rund 1,1 Mrd. Euro aus. In den Jahren der Verwertung sind anrechenbare Zinsforderungen und Kosten in Höhe von insgesamt rund 0,8 Mrd. Euro entstanden. Zusammen mit der Einnahmendifferenz von 1,1 Mrd. Euro ergab sich eine Restforderung von rund 1,9 Mrd. Euro, welche die Bundesbank Anfang 2013 im deutschen Insolvenzverfahren der LBB anmeldete. Die Inc. hatte aus ihrer Verpflichtung nach dem Statut des Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken (ESF)7 die Verbindlichkeiten der AG gegenüber Kunden8 garantiert. Darüber hinaus bestand wohl eine weitere Garantie in Bezug auf die geldpolitischen Geschäfte. Daher waren sowohl der ESF als auch die Bundesbank zudem Gläubiger im amerikanischen Insolvenzverfahren über das Vermögen der Inc. Im Laufe des Jahres 2013 zeichnete sich ab, dass die Quotenzahlungen aus beiden Insolvenzverfahren ausreichen würden, um die gesamte Restforderung zu decken. Aus dem amerikanischen Insolvenzverfahren der AG hat die Bundesbank rund 7
Das Statut des ESF verlangt eine Freistellungszusage des- oder derjenigen, der oder die das Kreditinstitut, welches am ESF mitwirkt, beherrscht oder beherrschen, § 5 Abs. 10 des Statuts des ESF. 8 Also die Bilanzposition 2 der RechKredV, § 21 Abs. 2 RechKredV.
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0,5 Mrd. Euro erhalten, aus dem deutschen Insolvenzverfahren der AG rund 1,4 Mrd. Euro. 2. Die Abwicklung des Sachverhalts einschließlich der Entschädigung der Einlagegläubiger Die Mitwirkung der LBB am ESF bewirkte, dass der Fonds sich, obwohl rechtlich nicht verpflichtet9, veranlasst sah, alle Inhaber aus Forderungen, die zu Recht in der Bilanzposition „Verbindlichkeiten gegenüber Kunden“ erfasst waren, zu entschädigen. Der zur Entschädigung anstehende Betrag belief sich auf eine Summe, die aus den vorhandenen Mitteln des ESF nicht bedient werden konnte. Um diese Entschädigung zu ermöglichen, gründete der Bundesverband deutscher Banken e.V. die Sicherungseinrichtungsgesellschaft deutscher Banken GmbH (SdB), ein Finanzdienstleistungsinstitut, das mit einer Erlaubnis nach § 32 KWG versehen war. Die SdB ließ sich mit einer Garantie des Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) ausstatten und emittierte Schuldverschreibungen, die – garantiert vom SoFFin – von den Kreditinstituten, die am ESF mitwirken, gezeichnet wurden. Die Garantie der SoFFin bewirkte, dass die Schuldverschreibungen in der Bilanz der zeichnenden Institute mit 0 zu gewichten, also nicht mit Eigenmitteln zu unterlegen waren. Mit dem Emissionserlös wurden die entschädigungsberechtigten Kunden der AG entschädigt. Durch die Zahlung der Entschädigung ging der Anspruch der entschädigungsberechtigen Kunden auf die SdB über, mit der Folge, dass diese, anstelle der entschädigten Kunden der LBB, Insolvenzgläubigerin werden konnte. Die Garantie des SoFFin wurde vom ESF, ebenso wie von der Bundesregierung und der Europäischen Kommission als Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV bewertet. Das von der Bundesregierung und vom ESF initiierte Notifizierungsverfahren hatte Erfolg.10
II. Die „Was wäre gewesen wenn …“ Fragestellung Der hypothetische Sachverhalt setzt voraus, dass die gegenwärtige Rechtslage, also wie sie am 1. Oktober 2015 bestand, auf den LBB Sachverhalt im November 2008 Anwendung findet. 9 Die Regelung § 6 Abs. 10 des Statuts des ESF lautet: „Ein Rechtsanspruch auf ein Eingreifen oder auf Leistungen des Einlagensicherungsfonds besteht nicht.“ Dieser Ausschluss des Rechtsanspruches wird von deutschen Gerichten durchaus ernst genommen, vgl. etwa LG Berlin, WM 2010, 1742 mit Anm. von Hanten, WuB Februar 2011 (WuB I L 3. § 6 SEF 1.11). 10 Vgl. http://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/229209/229209_1016794_34_2.pdf.
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Zunächst wäre zu fragen, ob die LBB, die wir für Zwecke des hypothetischen Sachverhalts „Bank 2.0“ nennen wollen, jetzt noch der Aufsicht der BaFin unterläge oder der EZB zur Beaufsichtigung zugeordnet wäre. Ferner wäre zu fragen, ob es zum Überschuldungstatbestand gekommen wäre und schließlich, wie in einem solchen Fall die Abwicklung abgelaufen wäre.
III. Die aktuelle Rechtslage auf Grundlage der europäischen Gesetzgebung Kurz zum Hintergrund der europäischen Gesetzgebung: Die Bankenunion basiert auf einem rechtlichen Dreieck, bestehend aus einem einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM)11, einem einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism – SRM)12 sowie einem einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund – SRF). Dieses – institutionelle und, wegen des VO–Charakters, unmittelbar geltende – Dreieck wird inhaltlich durch die, teilweise in nationales Recht umzusetzenden, Vorgaben des CRD IV Pakets und der BRRD ausgefüllt. 1. Zuordnungstatbestand – Wäre die Bank 2.0 Gegenstand der Aufsicht durch die EZB gewesen? Die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden (National Competent Authorities – „NCAs“) ziehen ihre Ermächtigung zur Beaufsichtigung der CRR Institute im Rahmen des SSM aus dem unmittelbar anwendbaren Unionsrecht. Ähnliches gilt für die von der Europäischen Kommission auf Grundlage von Entwürfen der European Banking Authority (EBA) zu erlassenden technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards (RTS). 11 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. 2013, Nr. L 287, S. 63 („SSMVO“); Verordnung (EU) Nr. 468/ 2014 der EZB vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der EZB und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmen-VO), ABl. L 2014, Nr. L 141, S. 1, dazu etwa Hanten/Heljula, JIBFL, April 2015 (http://blogs.lexisn exis.co.uk/loanranger/wp-content/uploads/sites/9/2015/05/JIBFL_2015_Vol30_Issue04_Online OnlyB_Hanten.pdf). 12 Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. L 225 vom 30. 7. 2014, S. 1 („SRMVO“). Zur Frage der Bankenabwicklung unter Geltung europäischen Rechts sehr lesenswert Geier, in: Geier, Bankenrestrukturierung, dort: Überblick Abwicklung nicht-systemrelevanter Kreditinstitute, Manuskript liegt vor, die Veröffentlichung ist für 2016 geplant.
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Mit Inkrafttreten der CRR ergaben sich für Kreditinstitute wesentliche neue Anforderungen in Bezug auf Eigenmittel, Governance, Großkredit, Liquidität, Verschuldungsobergrenze und Kreditrisiken unmittelbar aus dem Unionsrecht. Darüber hinaus trifft die CRD IV Regelungen über die Aufnahme und Ausübung des Bankgeschäfts, die Definition der zuständigen Behörden, die Grundsätze für die Bankenaufsicht und die Zusammenarbeit der Behörden. Ferner enthält die Richtlinie Sanktionsbefugnisse der Aufsichtsbehörden bei Verstößen gegen die Verordnung und die Richtlinie, Anforderungen an die Unternehmensführung von Banken und Wertpapierfirmen einschließlich der Vergütungsregeln sowie Regelungen zu zusätzlichen Kapitalanforderungen in Form sogenannter Kapitalpuffer. Diese Richtlinie wurde im Wesentlichen durch das CRD IV – Umsetzungsgesetz in deutsches Recht umgesetzt. Soweit NCAs die Aufsicht unmittelbar selbst wahrnehmen, das heißt bei Maßnahmen gegenüber weniger bedeutenden Instituten, können und müssen sie sich sowohl auf das unmittelbar auf diese Institute anwendbare Unionsrecht, also etwa die CRR, als auch auf das jeweilige nationale Recht stützen. Im Rahmen des SSM muss aber auch die EZB für den Erlass ihrer Beschlüsse gegenüber den von ihr beaufsichtigten bedeutenden Instituten das jeweilige zur Umsetzung von EU-Richtlinien erlassene nationale Recht anwenden. Interessant ist der Fall, in dem die EZB eine Regelung der CRR anders auslegt als eine NCA. In diesen Fällen kann es dazu kommen, dass die gleiche Regelung gegenüber von der EZB unmittelbar beaufsichtigten Instituten anders ausgelegt wird, als gegenüber Instituten, die von einer NCA überwacht werden. Die Aufsicht durch die EZB erfolgt durch Einstufung des beaufsichtigten Unternehmens nach Maßgabe der SSM RahmenVO.13 Voraussetzung für die Zuordnung als von der EZB zu beaufsichtigendes Kreditinstitut ist ein Beschluss der EZB auf Grundlage der SSM RahmenVO. Der Beschluss über die Einstufung als „bedeutendes Unternehmen“ kann gemäß Art. 39 Abs. 3 der SSM RahmenVO entweder aufgrund ¢ seiner Größe (lit.a) in Verbindung mit Artt. 50 bis 55 SSM RahmenVO; ¢ seiner Relevanz für die Wirtschaft der Union oder eines teilnehmenden Mitgliedstaats (lit. b) in Verbindung mit Artt. 56 bis 58 SSM RahmenVO; ¢ seiner Bedeutung in Bezug auf die grenzüberschreitenden Tätigkeiten (lit. c) in Verbindung mit Artt. 59 und 60 SSM RahmenVO; ¢ bei direkter öffentlicher finanzieller Unterstützung (lit. d) in Verbindung mit Artt. 61 bis 64 SSM RahmenVO oder ¢ der Einstufung als eines der drei bedeutendsten Kreditinstitute im relevanten Mitgliedsstaat (lit. d) in Verbindung mit Artt. 65 und 66 SSM RahmenVO erfolgen. 13
EZB/2014/17; zum Zuordnungsverfahren etwa Lackhoff, JIBLR 2013, 454.
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Die absoluten Größenzahlen hätten eine Zuordnung der Bank 2.0 nicht gestattet; der Umfang der grenzüberschreitenden Aktiva dürfte jedoch eine Zuordnung gemäß Art. 39 Abs. 3 lit. c) in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 SSM RahmenVO erlaubt haben. Diese müssten 5 Milliarden Euro übersteigen, wobei deren grenzüberschreitender Anteil wiederum 20 % übersteigen müsste. Diese Voraussetzungen sind in Ansehung des hohen ABS Anteils der Bilanz der Bank 2.0 zu bejahen. Aus diesem Grunde dürfte die Einstufung als bedeutendes Institut und damit eine direkte Beaufsichtigung durch die EZB zumindest nahe liegen. Es ist allerdings bereits fraglich, ob die bloße Beaufsichtigung durch eine andere Aufsichtsbehörde als die BaFin den Überschuldungstatbestand abgewandt hätte. Es spricht zunächst einmal nichts dafür, dass die Aufsichtsqualität der EZB ohne weiteres besser als die einer NCA, hier etwa der BaFin oder der Bundesbank, wäre. Aufgrund ihrer Befugnisse im Rahmen der laufenden Aufsicht kann die EZB jedenfalls ¢ Institute verpflichten, Risikokomponenten und Risiken, die nicht vom einschlägigen Aufsichtsrecht erfasst sind, mit zusätzlichen Eigenmitteln zu unterlegen, Art. 16 Abs. 2 lit. a) SSMVO; ¢ die Verstärkung von Regelungen, Verfahren, Mechanismen und Strategien verlangen, Art. 16 Abs. 2 lit. b) SSMVO; ¢ die Vorlage eines Plans für die Wiedereinhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen innerhalb einer bestimmten Frist verlangen, Art. 16 Abs. 2 lit. c) SSMVO; ¢ den Instituten eine bestimmte Rückstellungspolitik oder Behandlung ihrer Aktiva vorschreiben, Art. 16 Abs. 2 lit. d) SSMVO; ¢ die Geschäftsbereiche, Tätigkeiten oder das Netz von Instituten einschränken oder begrenzen oder die Veräußerung von Geschäftsfeldern verlangen, die für die Solidität des Instituts mit zu großen Risiken verbunden sind, Art. 16 Abs. 2 lit. e) SSMVO; ¢ eine Verringerung des mit den Tätigkeiten, Produkten und Systemen von Instituten verbundenen Risikos verlangen, Art. 16 Abs. 2 lit. f) SSMVO; ¢ Instituten vorschreiben, die variable Vergütung auf einen Prozentsatz der Nettoeinkünfte zu begrenzen, wenn diese Vergütung nicht mit der Erhaltung einer soliden Eigenmittelausstattung zu vereinbaren ist, Art. 16 Abs. 2 lit. g) SSMVO; ¢ von den Instituten verlangen, Nettogewinne zur Stärkung der Eigenmittel einzusetzen, Art. 16 Abs. 2 lit. h) SSMVO; ¢ Ausschüttungen an Aktionäre, Gesellschafter oder Inhaber von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals einschränken oder, sofern dies nicht ein Ausfallereignis für das Institut darstellt, auch untersagen, Art. 16 Abs. 2 lit. i) SSMVO;
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¢ zusätzliche oder häufigere Meldungen, auch über die Eigenmittel- und Liquiditätslage, vorschreiben, Art. 16 Abs. 2 lit. j) SSMVO; ¢ besondere Liquiditätsanforderungen, einschließlich Beschränkungen von Laufzeitkongruenzen zwischen Aktiva und Passiva, vorschreiben, Art. 16 Abs. 2 lit. k) SSMVO; ¢ ergänzende Informationen verlangen, Art. 16 Abs. 2 lit. l) SSMVO; ¢ jederzeit Mitglieder des Leitungsorgans von Instituten abberufen, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen nicht entsprechen, Art. 16 Abs. 2 lit. m) SSMVO. Diese Aufsichtsbefugnisse gehen, auch in ihrer Konkretisierung, über das Aufsichtsinstrumentarium des KWG hinaus, sodass bei Feststellung der Schieflage sicher aufsichtsrechtliche Abhilfe zu schaffen sein könnte. Das setzt allerdings voraus, dass die EZB rechtzeitig über die Problematik bei der Bank 2.0 unterrichtet würde. Die Stresstests unter Anwendung der Richtlinien zum Supervisory Review and Evaluation Process („SREP“)14 lassen eine solche Kenntnis erwarten. 2. Veränderte Anforderungen im Rahmen von CRD IV an das Risikomanagement und Anwendung von CRD IV, sowie Sanierungs- und Abwicklungspläne Materiell-rechtliche Änderungen, die die Bank 2.0 grundsätzlich daran hindern würden, komplexe ABS zu erwerben, sind nicht eingetreten. Im Rahmen der Richtlinienvorgaben kommt, gemessen am alten Recht, eine veränderte Instituts-Governance und Kontrolle, sowie die Erstellung von Sanierungsund Abwicklungsplänen zur Anwendung (Art. 74 CRD IV). Darüber hinaus wird die Vergütungspolitik des Instituts überwacht (Art. 75 und Artt. 92 bis 96 CRD IV) und das Risikomanagement intensiviert (Artt. 76 bis 87 CRD IV). Schließlich wurden Regelungen zum Kapitalpuffer sowie zu den Kapitalerhaltungsmaßnahmen getroffen (Artt. 128 bis 142 CRD IV). Im Rahmen der CRR, also auf der Verordnungsebene, wurden die Eigenmittelanforderungen in Bezug auf Umfang und Qualität angehoben (Artt. 25 bis 91 und auch Artt. 92 bis 386 CRR), die Großkreditregelungen verschärft (Artt. 387 bis 403 CRR). Darüber hinaus wurden die Liquiditätsanforderungen erhöht (Art. 411 bis 428 CRR). Diese neuen Regelungen, angewandt auf die Bank 2.0, verlangen vom Institut, im Rahmen der Sanierungs- und Abwicklungsplanung eine bessere Risikoeinschätzung, 14 https://www.eba.europa.eu/documents/10180/935249/EBA-GL-2014 – 13+(Guidelines+ on+SREP+methodologies+and+processes).pdf.
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was dazu führen kann, dass die signifikanten Investitionen in komplexe ABS, in Kenntnis des Abwicklungsrisikos, nicht im historischen Umfang erfolgt wären. Unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Lage haben alle CRR-Kreditinstitute, dies sind Institute, die wegen ihres Erlaubnisumfangs – zumindest sowohl Einlagen- als auch Kreditgeschäft – unter die CRR fallen sogenannte Sanierungspläne zu erstellen.15 Die Sanierungspläne zielen auf Erleichterung der Krisenbewältigung und die Möglichkeit der laufenden Überwachung der Stabilitätskennziffern. Nach § 13 Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) muss der Sanierungsplan das Geschäftsmodell, die wesentlichen Geschäftsaktivitäten sowie die kritischen Funktionen des Instituts darstellen. Darüber hinaus muss der Plan Handlungsoptionen aufzeigen, um die finanzielle Stabilität im Krisenfall wiederherzustellen. Auf den hypothetischen Fall angewandt, hätte ein Sanierungsplan der Bank 2.0 die Klumpenrisiken aus den komplexen ABS und ein daraus resultierendes Abschreibungspotential erkennen lassen. Unterstellt, der Sanierungsplan hätte den tatsächlichen Abschreibungsbedarf und die eingeschränkte Unterstützungsfähigkeit der Aktionärin erkannt, hätte die Bilanzposition der komplexen ABS abgebaut werden müssen. Kritiker der Sanierungs- und Abwicklungsplanung machen allerdings geltend, dass die ex ante Risikoeinschätzung, die, recht besehen, hellseherische Fähigkeiten erfordert, nicht wirklich zu leisten ist und qualifizieren die Sanierungs- und Abwicklungsplanung als „Theoretical Exercise“.16 Darüber hinaus hätte die Bank 2.0 mehr und bessere Eigenmittel vorhalten müssen, was die Risikotragfähigkeit verbessern würde. 3. Die Abwicklung nach Maßgabe des SRM, der BRRD, insbesondere unter Anwendung des Bail-in Soweit es sich um eine Abwicklungssituation handelt, ist die Anwendung des Single Resolution Mechanism („SRM“) sowie die Anwendung der besonderen Abwicklungsinstrumentarien zu prüfen.17 a) Single Resolution Mechanism („SRM“) Der SRM basiert auf der SRMVO, die den institutionellen Rahmen einer einheitlichen Abwicklung von CRR Instituten schafft. 15
Zu den Sanierungsplänen, §§ 12 ff SAG und etwa Engelbach/Friederich, WM 2015, 662. De Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2015, Rn. 10.01 ff. (p. 336 – 372). 17 Im Einzelnen: Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259; Gortsos, in: Binder/Gortsos, The European Banking Union, 49 ff., sowie Grieser/Mecklenburg/Schenck, in: Grieser/Heemann, Europäisches Bankenaufsichtsrecht, 2015, 965 ff. 16
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Die vom SRM betroffenen Institute sind identisch mit den Instituten, die unter den SSM fallen. Ob CRR Institute, die in den Anwendungsbereich der SRMVO fallen, zugleich in den Anwendungsbereich des SAG einzubeziehen sind, ist strittig. Da die Bank 2.0, wie oben ausgeführt, Gegenstand des SSM wäre, wäre das Institut zugleich Gegenstand des SRM. b) BRRD, insbesondere Bail-In aa) Durch das SAG wurde die BRRD in nationales Recht umgesetzt. Das Instrumentarium des SAG lässt sich dreiteilen18: Zunächst sind, unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des Instituts, Sanierungs- und Abwicklungspläne zu erstellen. Soweit sich die Finanzlage des Kreditinstituts verschlechtert, kann die zuständige Aufsichtsbehörde Maßnahmen der Frühintervention ergreifen. Sobald Ausfall droht, kann die Behörde Abwicklungsmaßnahmen treffen. Die drei Abwicklungsvoraussetzungen sind in § 62 Abs. 1 SAG geregelt und verlangen Bestandsgefährdung (Nr. 1), Verhältnismäßigkeit zwischen Abwicklungsziel (en) und Abwicklungsmaßnahme(n) (Nr. 2) und fehlende Anwendbarkeit alternativer Maßnahmen zur Beseitigung der Bestandsgefährdung (Nr. 3). Die Bestandsgefährdung liegt nach § 63 Abs. 1 SAG vor, wenn kumulativ ein massiver Verstoß gegen die Erlaubnisanforderungen vorliegt, eine Überschuldung in naher Zukunft zumindest bevorsteht oder bereits vorliegt und Zahlungsunfähigkeit unmittelbar bevorsteht oder vorliegt. Alle Kriterien wären im Fall der Bank 2.0 gegeben, sodass nur zu fragen ist, welches Abwicklungsinstrument in Betracht kommt. Da es sich hier um Maßnahmen des öffentlichen Rechs handelt, ist, sowohl nach europäischem, als auch nach deutschem Recht das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Beide Rechtsordnungen wenden die Kriterien der Eignung und Erforderlichkeit an. Um diesen Kriterien zu genügen, müssen zunächst die Zwecke der Abwicklung bestimmt werden. Insoweit haben der europäische und der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der SRMVO, der BRRD und des SAG einen Katalog von Abwicklungszielen und -grundsätzen geschaffen. Die SRMVO definiert in Art. 14 Abs. 2 lit. a) bis d) die folgenden Abwicklungsziele: – – – –
Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen, Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität, Schutz öffentlicher Mittel und Schutz der Gelder und Vermögenswerte der Kunden. 18
Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662.
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Die BRRD, dort in Art. 31 Abs. 2, sieht die Ziele ähnlich; der nationale Gesetzgeber beschränkt sich in § 67 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SAG auf die Abwendung einer Systemgefährdung und den Schutz öffentlicher Mittel. Als Abwicklungsinstrumente kommen die Unternehmensveräußerung, die Übertragung auf ein Brückeninstitut, die Ausgliederung von Vermögenswerten oder das Bail-In Instrument als Instrument der Gläubigerbeteiligung in Betracht. Die beiden erstgenannten Instrumente, also Unternehmensveräußerung und Einschaltung eines Brückeninstituts, könnten im Fall der Bank 2.0 in Ansehung der hohen Insolvenzquote zielführend sein, allerdings ist die Refinanzierung der Übertragung zumindest schlecht vorstellbar. Das Gleiche gilt, praeter propter für die Ausgliederung von Vermögenswerten, sodass als „schärfstes Schwert“ der Bail-In in Betracht zu ziehen ist. Der Bail-In gibt der Abwicklungsbehörde die Möglichkeit durch Verwaltungsakt bestehende Aktiva des Instituts abzuschreiben oder Fremdkapitalbestandteile in Eigenkapital umzuwandeln. Technisch ist hierbei nur ein Numerus Clausus der Verbindlichkeiten eines Instituts kraft Gesetzes vom Bail-in ausgenommen. Dieser Numerus Clausus umfasst Einlagen, die im Rahmen der obligatorischen, europäischen Einlagensicherung gesichert werden, besicherte Verbindlichkeiten, Verbindlichkeiten aus der Verwahrung von Kundenvermögen und Treuhandverbindlichkeiten, sehr kurzlaufende Verbindlichkeiten (kleiner sieben Tage), und Verbindlichkeiten gegenüber Mitarbeitern aus Lieferung oder Leistung und gegenüber den obligatorischen, also staatlichen, Einlagensicherungssystemen. In Ansehung der Struktur der Passivseite der Bank 2.0, die für Zwecke unseres Gedankenspiels mit der Bilanz anlässlich der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der LBB übereinstimmen soll, liegt ein Bail-In in Gestalt der Umwandlung der Verbindlichkeiten gegenüber Kunden und der verbrieften Verbindlichkeiten nahe. Da die gesamte Passivposition Verbindlichkeiten gegenüber Kunden sowie Verbindlichkeiten gegenüber institutionellen Gläubigern umfasst, können gedeckte, also durch die staatliche Mindesteinlagensicherung gesicherte, Einlagen ausgeschlossen werden, sodass der Bail-In zu einer fast vollständigen Umwandlung der Passivseite der Bank 2.0 in haftendes Eigenkapital führen würde. Damit wäre zumindest die Überschuldung tatbestandlich ausgeschlossen. Fraglich bleibt, ob durch die historische Weigerung, LBB Interbanken Kredite zur Verfügung zu stellen, nicht eine zumindest vorübergehende Zahlungsunfähigkeit zu besorgen wäre. bb) Allerdings fragt sich noch, wie und ob die Entschädigung der Kunden durch die private Einlagensicherung in der Praxis erfolgen würde. Der Einlagensicherungsfonds entschädigt nach seinem Statut, dort § 6 Abs. 1, ausschließlich Gläubiger der Passivposition 2 der RechKredV („Verbindlichkeiten
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gegenüber Kunden“). Damit stellt sich das Problem, dass diese Verbindlichkeiten gegenüber Kunden durch einen, den Bail–In anordnenden, Verwaltungsakt in Positionen der Eigenmittel, Artt. 25 ff. CRR umgewandelt würden und damit nicht mehr zu den Verbindlichkeiten gegenüber Kunden zählen würden und damit nicht mehr gesichert wären. Eine solche Verfahrensweise würde allerdings der bisherigen Entschädigungspraxis des Einlagensicherungsfonds widersprechen, da der Entschädigungsumfang einem Verwaltungsermessen, das sich im Erlass des Verwaltungsakts nach § 101 SAG äußert, unterliegt.
IV. Fazit Zusammenfassend spricht also einiges dafür, dass es für die Bank 2.0, jedenfalls in Deutschland, auf Grundlage der Vorgaben der Bankenunion nicht mehr zur Insolvenz gekommen wäre. Stresstests hätten zu einer besseren Einschätzung der Risiken der Aktivseite geführt; die Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen hätten das laufende Geschäft der Bank besser ausgestattet und insbesondere einer Zahlungsunfähigkeit vorgebeugt. Die Möglichkeit der Anwendung des Bail-In hätte den Überschuldungstatbestand vermieden. Unser kleines Gedankenspiel: Wie ist die – kontrafaktische – Frage: Was wäre geschehen, wenn die Bankenunion in der heutigen Form bereits im Oktober 2008 bestanden hätte?“ zu beantworten? Es spricht vieles dafür, dass die Bank 2.0 nicht in die Insolvenz geraten wäre. Ob das Ergebnis, in Ansehung der verblüffenden, tatsächlichen Insolvenzquote der LBB ein substantiell anderes gewesen wäre, kann offenbleiben. Das Gedankenspiel zeigt jedoch, dass die Bankenunion Werkzeuge vorhält, um Finanzmarktkrisen in der Form ab 2008, wenn schon nicht auszuschließen, so doch zumindest unwahrscheinlicher zu machen.
Krise der Europäischen Integration? Die Bankenunion als Beleg für die Handlungsfähigkeit der EU Von Alexander Thiele, Göttingen*
I. Die Integrationskrise als Gemeinplatz Die These von der Krise der europäischen Integration findet gegenwärtig viele Unterstützer. Zuletzt hat Joschka Fischer Ende 2014 mit einem Buch Aufmerksamkeit erregt, das mit dem Titel „Scheitert Europa?“1 nur wenig Raum für interpretatorischen Spielraum im Hinblick auf die Statusanalyse zulässt.2 Die Mitgliedstaaten, so die Anhänger der Krisenthese, zögen sich zunehmend in ihren politischen Primärraum – den Nationalstaat – zurück und mieden supranationale Arrangements. Symptomatisch wird insoweit auf den Fiskalpakt und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verwiesen – beides in der Tat völkerrechtliche und damit formal3 au* Der Autor ist Akademischer Rat a.Z. am Institut für Allgemeine Staatslehre und Politische Wissenschaften an der Universität Göttingen und vertritt im Sommersemester 2015 einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Ruhr-Universität in Bochum. 1 J. Fischer, Scheitert Europa?, 2014. 2 Auch bei Fischer wird dabei gleich zu Beginn des Buches auf die Singularität gerade dieser Krise hingewiesen: „Scheitert Europa? Diese Frage schien vor dem Jahr 2009 völlig realitätsfern zu sein, denn die EU war bis dahin ein über die Jahrzehnte hinweg fortdauerndes Erfolgsprojekt […]“ (a.a.O. , S. 11). Tatsächlich wurde diese Frage aber schon lange vor 2009 immer wieder aufgeworfen, zuletzt im Jahr 2005 nach dem Scheitern des Verfassungsvertrags. In der Folge leistete sich die EU sogar eine ausdrückliche Reflexionsphase. Und auch in dieser Zeit entstanden zahlreiche Krisenbücher, etwa von Guy Verhofstadt oder Gunter Verheugen. Aber auch zuvor verlief die europäische Integration alles andere als geradlinig, sondern wurde immer wieder von Krisen überschattet – erinnert sei etwa an die Politik des leeren Stuhls oder die „tote Zeit“ zwischen 1965 und 1985. Wenn eine Singularitätsfeststellung im Sinne Fischers gleichwohl immer wieder am Anfang solcher Krisenbücher steht, soll dies wohl jeder Relativierung oder eventuellen Gelassenheit im Hinblick auf den Zustand der Union von vornherein vorbeugen. Richtiger wird eine solche Feststellung dadurch indes nicht. Dass sich die Union in einer gewissen Krise befindet, soll dadurch allerdings ebenfalls nicht geleugnet werden. 3 Tatsächlich besteht indes zwangsläufig eine enge Beziehung zum übrigen Unionsrecht. Siehe zum Fiskalpakt auch A. Thiele, The German Way of Curbing Public Debt: The Constitutional Debt Brake and the Fiscal Compact – Why Germany has to Work on its Language Skills, European Constitutional Law Review 11 (2015), 29 ff. Siehe auch K. Lenaerts, Europas Wirtschaftsverfassung und die Finanzkrise: Eine neue konstitutionelle Gewichtung?, DVBl. 2014, 1417 (1417), der insoweit von „semi-intergouvernementalism“ spricht.
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ßerhalb des Unionsrechts stehende Verträge. Aus der Perspektive des Rechtswissenschaftlers womöglich noch gravierender scheint hingegen der vielfältig damit verbundene Hinweis auf die schwindende Bedeutung des Rechts generell, aber insbesondere des Europarechts. Europäische Vorgaben würden – so die nicht zuletzt in der FAZ, aber auch in der Fachöffentlichkeit immer wieder verbreitete Ansicht – in regelmäßigen Abständen und ohne größere Sanktionen missachtet oder schlicht ignoriert. Das betreffe keineswegs nur die EZB, deren OMT-Programm nunmehr zumindest gerichtlich vom EuGH überprüft wird,4 sondern auch und gerade die Mitgliedstaaten selbst, die den europäischen Vorgaben im Bereich des Staatsschuldenrechts nur selten genügten. Die Kommission müsse diesem Spiel dabei wohl oder übel machtlos zusehen. Mit vertiefenden Integrationsschritten könne in der gegenwärtigen Situation insofern kaum gerechnet werden. Stattdessen sei vielmehr zu fragen, wie es mit der europäischen Idee zukünftig überhaupt weitergehen könne oder ob die Integration nicht ggf. bereits heute an ihre faktischen Grenzen gestoßen sei oder diese sogar bereits überschritten habe. Nun wird man gewisse Krisensymptome der europäischen Integration in der Tat kaum leugnen können. Die Eurokrise hat (leider) nationale Ressentiments geweckt, deren Überwindung man bereits einige Jahrzehnte zuvor erhofft hatte – der Erfolg rechtsgerichteter „nationaler“ Parteien in zahlreichen Mitgliedstaaten der EU bei den letzten Europawahlen im Jahr 2014 wird niemanden sonderlich glücklich machen.5 Und mit der UKIP findet sich in Großbritannien sogar eine Partei, die sich den Austritt aus der EU sogar zum vornehmlichen Ziel gemacht hat, das sie seit einigen Jahren auch keineswegs erfolglos vorantreibt – der Ausgang des bereits angekündigten Referendums im Jahre 2017 ist jedenfalls sehr viel offener als man sich dies noch vor einigen Jahren hätte vorstellen können. Und zuletzt scheinen einige Staaten mit den notwendigen ökonomischen Reformen tatsächlich überfordert, wenn sie dabei zugleich die strengen Vorgaben des europäischen Staatsschuldenrechts einhalten sollen.6 Und dennoch bedarf die weitverbreitete These von der umfassenden europäischen Integrationskrise gleich in mehrfacher Hinsicht einer gewissen Relativierung. Ganz so schlimm wie in der Öffentlichkeit suggeriert steht es um die EU und auch den Integrationsgedanken nämlich nicht. Vier Aspekte sollten insoweit berücksichtigt werden. Erstens ist der Bruch des Europarechts keineswegs so offenkundig, umfassend und dauerhaft, wie dies in der Öffentlichkeit den Eindruck haben mag. Nicht zuletzt die No-Bail-Out-Klausel des Art. 125 AEUV ist im Rahmen der Krisenbewältigung tatsächlich nicht verletzt worden, was der EuGH durch eine Plenumsentscheidung aller 28 Richterinnen und Richter in der Rs. Pringle ausdrücklich und richtigerweise 4
BVerfG, Beschluss vom 14. 1. 2014, 2 BvR 2728/13. Siehe auch T. Risse, Solidarität unter Fremden? Europäische Identität im Härtetest, in: C. Calliess (Hrsg.), Europäische Solidarität und nationale Identität, S. 115 ff., der freilich Grund für vorsichtigen Optimismus sieht. 6 F. Schorkopf, Die EU zwischen Vertragsunion und Maßnahmestaat: Ist Europa ein rechtsstaatsfähiger Raum oder Raum problembezogenen Einzelfallhandelns?, S. 9. 5
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festgestellt hat7 – ein Urteil, welches (wohl wegen des unpassenden Tenors) gerade in der deutschen Öffentlichkeit allerdings bisweilen schlicht ignoriert wird. Und ob der EuGH die eher zweifelhaften Ausführungen des BVerfG zur Europarechtswidrigkeit des OMT-Programms der EZB akzeptieren wird, bleibt abzuwarten.8 Auch insoweit gilt aber jedenfalls, dass sich mit guten Gründen vertreten lässt, dass die EZB ihren rechtlichen Handlungsrahmen nicht überschritten hat9 – was zuletzt auch der Schlussantrag des Generalanwalts deutlich gemacht hat und nunmehr auch vom EuGH bestätigt worden ist.10 Wahrlich offenkundige Rechtsbrüche betreffen damit zweitens praktisch ausschließlich den Bereich des europäischen Staatsschuldenrechts. Gerade dieser Bereich erweist sich indes auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten – und zwar auch in Deutschland – als nicht immer sonderlich krisenfest.11 Mit anderen Worten: Dass in Zeiten finanzieller Engpässe entsprechende, auch verfassungsrechtliche Begrenzungen eher weniger denn mehr Steuerungskraft entfalten und zum Teil sehenden Auges verletzt werden, ist keineswegs ein spezifisches Problem des Unionsrechts. Das macht die Verstöße gegen europäische Vorgaben aus rechtswissenschaftlicher Sicht zwar nicht tolerabel, relativiert diese aber doch ganz erheblich. Insoweit scheint es durchaus treffend mit Frank Schorkopf die Frage aufzuwerfen, ob der Politikraum Europa nicht zumindest in solch hochpolitischen Bereichen möglicherweise schlicht zu verrechtlicht ist und sich dadurch letztlich selbst schadet.12 Die Lösung wäre dann nicht in einem Beharren auf bestehende Regelungen, sondern in deren partiellen Abschaffung zu suchen – eine Frage, die hier allerdings nicht vertieft werden soll. Drittens ist die EU auch im Rahmen der Krisenbewältigung nicht völlig untätig geblieben – ein Umstand, auf den der deutsche Rich7 EuGH, Rs. C-370/12. Zur Auslegung des Art. 125 AEUV siehe auch W. Heun/A. Thiele, Verfassungs- und europarechtliche Zulässigkeit von Eurobonds, JZ 2012, 973 (978 ff.). 8 Dazu auch die kritischen Anmerkungen von W. Heun, Eine verfassungswidrige Verfassungsgerichtsentscheidung – der Vorlagebeschluss des BVerfG vom 14. 1. 2014, JZ 2014, 331 ff., sowie A. Thiele, Friendly or Unfriendly Act? The „Historic“ Referral of the Constitutional Court to the ECJ Regarding the ECB’s OMT-Program, German Law Journal 15 (2014), 241 ff., sowie M. Wendel, Kompetenzrechtliche Grenzgänge: Karlsruhes Ultra-viresVorlage an den EuGH, ZaöRV 74 (2014), 615 ff. 9 Ausführlich dazu A. Thiele, Das Mandat der EZB und die Krise des Euro, S. 1 ff., sowie A. Thiele, Die EZB als fiskal- und wirtschaftspolitischer Akteur?, EuZW 2014, 694 ff. 10 Wie das Bundesverfassungsgericht auf dieses Urteil reagieren wird bleibt abzuwarten. Es erscheint aber eher unwahrscheinlich, dass es nun tatsächlich den offenen Konflikt mit Luxemburg suchen wird. 11 Vgl. etwa die Ausführungen bei H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 94: „Das Ergebnis dieser unzureichend definierten Verschuldungsregel war, dass die Verschuldungsgrenzen in Art. 115 GG kaum eingehalten wurden. Zwischen 1991 und 2005 zählten Ökonomen 68 Verstöße gegen Art. 115 GG respektive die entsprechenden Ländervorschriften. Juristische Konsequenzen hatte das für die jeweiligen Regierungen nicht.“ Ob tatsächlich in all diesen Fällen ein normativer Verstoß vorlag, soll an dieser Stelle freilich nicht vertieft werden, dürfte allerdings zu bezweifeln sein. Dass aber jedenfalls der Zweck des Art. 115 GG partiell verfehlt wurde, sollte im Ergebnis unstrittig sein. 12 F. Schorkopf, Die EU zwischen Vertragsunion und Maßnahmestaat: Ist Europa ein rechtsstaatsfähiger Raum oder Raum problembezogenen Einzelfallhandelns?, S. 1 ff.
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ter am EuGH Thomas von Danwitz zu Recht hingewiesen hat.13 So sind zahlreiche und zugleich bedeutende Maßnahmen zur Überwindung der Krise in Form von klassischem europäischem Sekundärrecht ergangen. Thomas von Danwitz spricht insoweit zutreffend von einem „parallelen Einsatz von vertragsrechtlichen und supranational angeordneten Instrumenten.“14 Die EU war mithin ein durchaus bedeutender „Krisenakteur“ und „Krisenbewältiger“. Zuletzt und viertens aber hat es sogar während der Krise einige bemerkenswerte Integrationsschritte gegeben, die bei einer Gesamtbewertung des Status Quo schlicht nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. So sollte etwa die Benennung europäischer Spitzenkandidaten für den Posten des Kommissionspräsidenten schon bei der nächsten Europawahl ganz selbstverständlich sein. Ob dies auch für die partielle Hierarchisierung der Kommission gilt, wie sie der ehemalige Spitzenkandidat und jetzige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erstmals eingeführt hat, bleibt abzuwarten – es spricht allerdings Vieles dafür. Vor allem aber sind im Bereich des Finanz- und Kapitalmarktrechts bisweilen sehr geräuschlos zahlreiche EU-Regelungen ergangen, die noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen wären. Neben Verschärfungen des materiellen Aufsichtsrechts15 betrifft dies vornehmlich die Errichtung der sog. Bankenunion, deren erste Säule – der einheitliche Aufsichtsmechanismus SSM – bereits am 4. November 2014 seine Tätigkeit aufgenommen hat, obwohl die Idee einer solchen Bankenunion überhaupt erst Mitte 2012 zum ersten Mal artikuliert wurde. Im Folgenden soll denn auch am Beispiel dieses einheitlichen Aufsichtsmechanismus dargelegt werden, dass die Krise der europäischen Integration keineswegs so umfassend ist, wie dies bisweilen behauptet wird.16 Es bedarf mithin einer außerordentlich differenzierten Betrachtung, wenn man vermeiden will, aus einer verfehlten Analyse zwangsläufig die falschen Schlüsse für die weitere Entwicklung zu ziehen.
II. Die Chronologie der Bankenunion und des SSM17 Noch vor wenigen Jahren wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, bedeutende Aufsichtsbefugnisse auf die europäische Ebene, geschweige denn auf die EZB zu übertragen. Tatsächlich verhielten und verhalten sich praktisch alle Staaten weltweit 13 T. v. Danwitz, Der Gerichtshof in der Finanzkrise, in: P. Jung/J. Schwarze, Finanzmarktregulierung in der Krise, S. 1 (2 ff.). 14 T. v. Danwitz, Der Gerichtshof in der Finanzkrise, in: P. Jung/J. Schwarze, Finanzmarktregulierung in der Krise, S. 1 (5). 15 Siehe insoweit die keineswegs abschließende Aufzählung bei T. v. Danwitz, Der Gerichtshof in der Finanzkrise, in: P. Jung/J. Schwarze, Finanzmarktregulierung in der Krise, S. 1 (2 ff.). 16 Vgl. auch J. Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 178 (2014), 443 (446). 17 Ausführlich zur Bankenaufsicht im SSM C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5.
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sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, Finanzaufsichtsbefugnisse an internationale Institutionen abzugeben. Im internationalen Bereich sucht man verpflichtende Vereinbarungen in diesem Bereich mehr oder weniger vergeblich – angesichts der Sensibilität der Materie und der notwendig von den Nationalstaaten zu tragenden Kosten fehlerhafter Aufsicht wird hier beinahe alles durch formal unverbindliches soft law geregelt.18 Das galt bis zuletzt sogar innerhalb der EU. Obwohl das Bedürfnis nach europäischer Aufsicht also von einigen Stimmen durchaus artikuliert wurde, waren die Mitgliedstaaten nicht bereit, die entscheidenden Zügel in diesem Bereich aus der Hand zu geben.19 An eine supranationale Aufsicht war schon gar nicht zu denken. Auch die Staatsschulden- und Eurokrise sollten dies daher zunächst nur unwesentlich ändern. Zwar wurde vor dem Hintergrund der Finanzkrise bereits zum Januar 2011 das bestehende europäische Aufsichtssystem ESFS errichtet.20 Die wesentlichen Aufsichtsakteure blieben insoweit aber die mitgliedstaatlichen Behörden; direkten Kontakt mit Marktteilnehmern haben die drei European Supervisory Authorities (ESA) weiterhin allenfalls in sehr seltenen Ausnahmefällen.21 Erst als die Schwächen rein nationaler Aufsicht aufgrund der Probleme einiger Banken der Eurozone evident wurden,22 kam es zu einer durchaus als radikal zu bezeichnenden Wende innerhalb der Mitgliedstaaten, die man in Anlehnung an die „Energiewende“ vielleicht als „Aufsichtswende“ bezeichnen könnte. Die sich ausbreitende Staatsschulden- und Eurokrise wirkte hier also unzweifelhaft als Katalysator, den freilich die EU auch zu nutzen wissen musste. Nachdem Angela Merkel im Frühjahr 2012 schließlich deutlich gemacht hatte, dass eine direkte Rekapitalisierung von Banken der Eurozone durch den ESM nur in Betracht komme, wenn und soweit zugleich eine effektive zentralisierte und damit europäische Aufsicht sichergestellt sei,23 präsentierte der damalige EU-Ratspräsident Herman van Rompuy bereits Ende Juni 2012 einen ersten Entwurf für verbesserte Strukturen der WWU,24 dessen zentrale Elemente einerseits aus einer einheitlichen europäischen Bankenaufsicht und andererseits 18 Siehe zu den Gründen im Einzelnen A. v. Aaken, Transnationales Kooperationsrecht nationaler Aufsichtsbehörden als Antwort auf die Herausforderung globalisierter Finanzmärkte, in: C. Möllers/A. Voßkuhle/C. Walter, Internationales Verwaltungsrecht, S. 219 (222 ff.), sowie A. Thiele, Finanzaufsicht, S. 488 ff. 19 Siehe auch J. Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 178 (2014), 443 (447 f.). 20 Überblick zu diesem bei A. Thiele, Finanzaufsicht, S. 494 ff., sowie C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 4 ff. Ausführlich N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, 2012. 21 A. Thiele, Finanzaufsicht, S. 529 f. 22 Dies betraf insbesondere Spanien, vgl. C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 7. 23 Vgl. auch C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 12, sowie C. Waldhoff/P. Dieterich, Einführung einer gemeinsamen Bankenaufsicht auf EU-Ebene – ein Überblick, EWS 2013, 72 (72). Siehe auch C. Calliess/C. Schoenfleisch, Die Bankenunion, der ESM und die Rekapitalisierung von Banken, JZ 2015, 113 ff. 24 Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion, Bericht des Präsidenten des Europäischen Rates Herman van Rompuy v. 26. 6. 2012, EUCO 120/12.
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aus einem gemeinsamen Rahmen für die Einlagensicherung und die Restrukturierung von Banken bestehen sollten.25 Anschließend ging dann alles bemerkenswert schnell.26 Der Europäische Rat begrüßte die Pläne (einschließlich des vorgesehenen und überaus optimistischen Zeitplans zu deren Umsetzung) bereits auf seiner nächsten Tagung und erteilte der Kommission das Mandat, Umsetzungsmaßnahmen hinsichtlich eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus zu erarbeiten und Gesetzgebungsvorschläge zu unterbreiten. Bereits drei Monate später (!) präsentierte die Kommission ihren „Fahrplan für eine Bankenunion“27 und legte zwei Verordnungsentwürfe vor, von denen der erste den hier behandelten einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) beinhaltete.28 Über die grundsätzliche Installierung des SSM bestand auf Seiten aller Beteiligten denn auch erstaunliche Einigkeit, was mit der EZB interessanterweise auch die Institution betraf, die diese neue Aufgabe zukünftig wahrnehmen sollte. Hinsichtlich der Details – etwa im Hinblick auf den Umfang der zu beaufsichtigenden Institute und der Berichtspflichten gegenüber dem Europäischen Parlament – bestanden allerdings noch einige Streitfragen, so dass sich auf die endgültige Fassung der SSM-Verordnung „erst“ im Oktober 2013 geeinigt werden konnte. Das Legislativpaket trat nur einen Monat später in Kraft. Die EZB hat dementsprechend, wie in der Verordnung vorgesehen, ihre Arbeit am 4. November 2014 als neue Bankenaufsichtsbehörde der Eurozone29 aufgenommen – die einjährige Übergangsphase seit Inkrafttreten der Verordnung wurde für notwendige Vorarbeiten, nicht zuletzt für einen Stresstest der systemrelevanten Bankinstitute genutzt.30 Von der ersten Erwähnung der Bankenunion bis zur Verabschiedung der SSM-Verordnung verging gleichwohl nur wenig mehr als ein Jahr. Aufgrund der bisherigen Haltung der Mitgliedstaaten erweist sich ein solcher Paradigmenwechsel31 in so kurzer Zeit als zweifellos bemerkenswert32 – immer25 Vgl. auch C. Manger-Nestler, Die Bankenunion. Einheitliche Mechanismen zur Bankensicherung und -abwicklung, in: H.-J. Blanke/S. Pilz, Die „Fiskalunion“, 299 (305). 26 Siehe auch J. Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 178 (2014), 443 (444): „[…] wurde zügig umgesetzt.“ 27 Zur Genese des Begriffs „Bankenunion“ siehe auch J.-H. Binder, Auf dem Weg zu einer europäischen Bankenunion? Erreichtes, Unerreichtes, offene Fragen, ZBB 2013, 297 (297 f.). 28 Siehe dazu C. Manger-Nestler, Die Bankenunion. Einheitliche Mechanismen zur Bankensicherung und -abwicklung, in: H.-J. Blanke/S. Pilz, Die „Fiskalunion“, S. 299 (306). 29 Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass auch Nicht-Eurostaaten am SSM teilnehmen, vgl. Art. 7 der SSM-VO. Das dürfte indes tatsächlich eine theoretische Möglichkeit bleiben, vgl. C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 13. Faktisch handelt es sich beim SSM also um die Aufsichtsstruktur der Eurozone. 30 Zudem bedurfte es auch großer Anstrengungen, um innerhalb eines Jahres ausreichend qualifiziertes Personal zu akquirieren. Siehe auch C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 18. 31 Siehe auch J.-H. Binder, Auf dem Weg zu einer europäischen Bankenunion? Erreichtes, Unerreichtes, offene Fragen, ZBB 2013, 297 (298): „[…] grundlegende Neuausrichtung der etablierten Strukturen für die Bankenaufsicht […].“ 32 Siehe auch CEPS Task Force Report 2014: ECB Banking Supervision and Beyond, 2014, S. 27: „Marging 18 different supervisory authorities into one operational structure is a
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hin scheuten die Mitgliedstaaten zuvor praktisch jede Form verbindlicher Regelungen, soweit diese finanzielle Auswirkungen haben konnten. Ähnliche Aufsichtsstrukturen sucht man in der restlichen Welt jedenfalls weiterhin vergeblich – auch wenn angesichts der fortbestehenden Relevanz der mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden wohl (noch) nicht von einer wahrhaft supranationalen Aufsicht gesprochen werden sollte.33
III. Bewertung der Bankenunion Wenn die Errichtung der Bankenunion allerdings als Beleg für eine jedenfalls nicht gänzlich fehlende Handlungsfähigkeit der Europäischen Union herhalten soll, wird man sich mit einem schlichten Verweis auf die Geschwindigkeit ihrer Umsetzung kaum begnügen können. Schnelligkeit ist für sich genommen kein besonders überzeugendes Qualitätsmerkmal, solange nicht das, was konkret beschlossen worden ist, zugleich mehr oder weniger sinnvoll erscheint. Oder anders ausgedrückt: Eine schlechte Entscheidung wird nicht dadurch besser, dass sie jedenfalls schnell getroffen worden ist. Insofern bedarf es auch an dieser Stelle einer solchen „Sinnhaftigkeitskontrolle“ der Bankenunion. Dabei zeigt sich, dass der Zentralisierungsschritt selbst einer solchen ohne Weiteres standhalten kann (1.). In der Ausgestaltung im Detail zeigen sich indes einige problematische Bereiche (2.), die das positive Gesamturteil des „Projekts Bankenunion“ freilich nur unwesentlich zu schmälern vermögen (3.). 1. Generelle Zweckmäßigkeit der Übertragung Ist die Übertragung von Bankenaufsichtsbefugnissen auf die europäische Ebene überhaupt als sinnvoll anzusehen? Dies ist offenkundig die entscheidende Frage, wenn es um die generelle Bewertung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus gehen soll. Mit einem pauschalen Verweis auf die allgemeine Zweckmäßigkeit weiterer Kompetenzübertragungen als Ausdruck der europäischen Idee wird man dabei kaum argumentieren können. Tatsächlich dürfte denn auch nicht nur bei Integrationskritikern die Einsicht vorherrschen, dass weitere Übertragungen von Kompetenzen auf die europäische Ebene einer bereichsspezifischen individuellen Rechtfertigung bedürfen. Normativ verankert ist diese Anforderung ohnehin im Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EUV.34 Zu fragen ist folglich, ob bzw. inwieweit die Europäisierung der Bankenaufsicht auf der mitgliedstaatlichen Ebene nicht ausreichend, sondern wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auch besser auf Unionsebene zu verwirklichen ist. monumental task. Not only does it pose pure operational challenges, but also political and cultural ones as well.“ 33 Siehe insoweit A. Thiele, Finanzaufsicht, S. 529 f. 34 Dazu ausführlich C. Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl., 1999.
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Insofern ist zunächst festzustellen, dass die bisherige, im Kern mitgliedstaatliche Bankenaufsicht tatsächlich mit einigen Defiziten behaftet scheint. Zwar geht der Vorwurf eines die Finanzkrise hervorrufenden pauschalen nationalen Aufsichtsversagens zumindest partiell ins Leere. Wie der weiterhin bestehende gigantische Schattenbankenbereich zeigt, lagen die vielfältigen Ursachen der Finanzkrise oftmals in Bereichen, auf die die Bankenaufsicht gerade keinen Zugriff hatte.35 Die Finanzkrise war insoweit vornehmlich eine Regulierungskrise, indem der der Aufsicht vorgegebene Aufsichtsmaßstab (insbesondere Basel II) bereits defizitär war.36 Richtig ist zwar, dass die Bankenaufsicht an einigen Stellen stärker hätte zupacken können. Angesichts der zum damaligen Zeitpunkt vorherrschenden ökonomischen Ideologie, an der sich sowohl der Aufsichtsmaßstab, aber auch praktisch alle anderen Finanzaufsichtsbehörden weltweit orientierten, erscheint es aber mehr als fraglich, ob eine europäische Aufsichtsbehörde hier wirklich anders, also gewissermaßen „strenger“ und damit auch „besser“ im Sinne des Subsidiaritätsprinzips agiert hätte. Dieser Nachweis wäre aber erforderlich, wenn man allein aufgrund dieser Erfahrungen mit der Finanzkrise eine Übertragung auf die europäische Ebene unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips befürworten wollte. Sowohl in der Finanzkrise als auch insbesondere in der anschließenden Eurokrise zeigte sich jedoch eine andere Schwachstelle rein nationaler Aufsichtsstrukturen, die letztlich mit der besonderen Vertrauensgeprägtheit der Finanzmärkte zusammenhängt.37 Um möglichen Vertrauensverlusten vorzubeugen, besteht nämlich aus der Perspektive der nationalen Aufsicht ein vitales Interesse daran, bestehende Risiken und Probleme des nationalen Finanzmarkts vertraulich zu behandeln und dort, wo dies nicht möglich ist, zumindest herunterzuspielen.38 Einen wirklichen Vorwurf kann man den nationalen Behörden dabei kaum machen, denn tatsächlich befinden sie sich in dieser Situation gewissermaßen in einer Zwickmühle: An sich müssten sie die Probleme offensiv angehen, um auf diesem Wege deren Beseitigung einzuleiten. Tun sie dies, droht aber angesichts der Intransparenz der Finanzmärkte die Gefahr, dass Investoren den nationalen Finanzmarkt zukünftig meiden. Dadurch aber wiederum kann die Stabilität des nationalen Finanzmarkts in sehr viel schwerwiegenderer Weise beeinträchtigt werden, als dies ohne ein offensives Vorgehen der Fall wäre. In einer solchen Situation kann es für eine nationale Behörde gerade vor dem Hintergrund ihres Auftrags – Sicherstellung der Stabilität des nationalen Finanzmarkts39 35
Eine ausführliche Analyse findet sich im Final Report of the National Commission on the Causes of the Financial and Economic Crisis in the United States, 2011. Siehe auch den Überblick bei W. Heun, Der Staat und die Finanzkrise, JZ 2010, 53 ff. 36 Zu den verfehlten Risikomodellen siehe A. Thiele, Divergierende Risikomodelle und der Gesetzgeber. Anforderungen an das Recht am Beispiel des „Weltrisikos“ Finanzmarkt, ZG 2010, 127 ff. 37 Zur Vertrauensgeprägtheit der Finanzmärkte siehe A. Thiele, Finanzaufsicht, S. 79 ff. 38 Siehe auch J.-H. Binder, Auf dem Weg zu einer europäischen Bankenunion? Erreichtes, Unerreichtes, offene Fragen, ZBB 2013, 297 (300 f.). 39 Ausführlich zu den Zwecken der Finanzaufsicht A. Thiele, Finanzaufsicht, S. 64 ff.
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– mithin vollständig rational sein, die eigene Finanzmarktsituation gegenüber Dritten zu beschönigen, bestehende Defizite zu tolerieren, nicht einzugreifen und dabei zu hoffen, dass sich diese auf andere Weise erledigen werden (sog. „supervisory forbearance“).40 Genau dies scheint denn auch im Rahmen des ersten Stresstests der EBA der Fall gewesen zu sein, bei dem die Angaben der nationalen Behörden – nicht zuletzt der spanischen – den Praxistest letztlich nicht bestehen sollten.41 Eine wirklich realistische Einschätzung der Situation auf den Finanzmärkten und ein Ende der Nachsicht gegenüber „nationalen Champions“42 wird man daher nur durch eine Übertragung dieser Aufgaben auf eine Instanz erlangen können, die mit den einzelnen mitgliedstaatlichen Finanzmärkten nicht in dieser Weise verwoben ist, mit anderen Worten durch deren Europäisierung.43 Diese Zusammenhänge werden denn auch von praktisch kaum einer Seite ernsthaft bestritten. Vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips erweist es sich dabei auch als richtig, dass die EZB primär für diejenigen Banken verantwortlich zeichnet, bei denen eine Fehleinschätzung zu gravierenden Folgen für den gesamten europäischen Finanzmarkt führen könnte. Dementsprechend sieht auch die SSM-Verordnung vor, dass sich die EZB jedenfalls primär um diese systemrelevanten Banken kümmert. Ebenso richtig ist es allerdings, dass die EZB jederzeit die Möglichkeit hat, auch andere Banken in ihre Zuständigkeit zu überführen, sofern dies aus ihrer Sicht erforderlich erscheint. Denn ob bzw. inwieweit eine Bank tatsächlich systemrelevant ist, ist und bleibt eine Frage des Einzelfalls, lässt sich nicht pauschal und unwiderruflich mit Wirkung für die Zukunft festlegen und hängt insbesondere keinesfalls allein von der Größe des jeweiligen Instituts ab. 2. Problematische Bereiche Als Zwischenergebnis lässt sich somit festhalten, dass sich die Europäisierung der Bankenaufsicht als solche als zweckmäßig und sinnvoll erweist. Das gilt allerdings nicht für jedes Detail der Ausgestaltung dieser Übertragung. Im Folgenden sollen daher einige Bereiche des SSM kritisch beleuchtet werden. Die Ausführungen verstehen sich keineswegs als abschließend, zwangsläufig ließe sich also noch sehr viel mehr Umstrittenes finden, was bei einem Projekt wie der Bankenunion allerdings auch kaum verwunderlich erscheint. Der Fokus liegt hier indes auf den Bereichen, denen vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Bewertung des SSM eine besondere 40
Vgl. M. Lehmann/C. Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2 (8). 41 Siehe auch T. Tröger, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) – Allheilmittel oder quacksalberische Bankenregulierung?, ZBB 2013, 373 (377). 42 T. Tröger, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) – Allheilmittel oder quacksalberische Bankenregulierung?, ZBB 2013, 373 (377). 43 Siehe auch J.-H. Binder, Auf dem Weg zu einer europäischen Bankenunion? Erreichtes, Unerreichtes, offene Fragen, ZBB 2013, 297 (301 f.), der freilich auch aufzeigt, an welche Bedingungen das Gelingen europäischer Aufsicht geknüpft ist.
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Bedeutung zukommen dürfte. Das betrifft zum einen die Frage der Rechtsgrundlage [a)] und zum anderen inwieweit mit der EZB eigentlich die richtige Institution mit der Bankenaufsicht beauftragt wurde [b)]. Drittens stellt sich die Frage, ob es mit dem SSM tatsächlich gelungen ist, den verfälschenden Einfluss nationaler Aufsichtsbehörden effektiv zu beseitigen [c)]. Zuletzt sollen kurz einige Rechtsschutzfragen aufgegriffen werden [d)]. a) Die Rechtsgrundlage der Übertragung, Art. 127 Abs. 6 AEUV Kompetenzfragen sind Machtfragen. Vor diesem Hintergrund werden Kompetenzübertragungen auf die Europäische Union auch und gerade aus Deutschland mit einem gewissen Argwohn betrachtet und dieser Argwohn hat mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung44 aus normativer Perspektive auch durchaus seine Berechtigung. Mit Art. 127 Abs. 6 AEUV findet sich allerdings eine ausdrückliche Rechtsgrundlage, die die Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB prinzipiell gestattet. Diese Norm, die als lex specialis im Übrigen einen Rückgriff auf Art. 114 AEUV oder gar Art. 352 AEUV ausschließen dürfte,45 erlaubt indes allein die Übertragung „besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute“.46 Rechtlich umstritten47 ist hier damit nicht das „Ob“ der Übertragung an sich, sondern allein der Umfang der zulässigerweise auf die EZB zu übertragenden Aufgaben, was mithin unter „besondere Aufgaben“ zu subsumieren ist.48 Eine historische Analyse der Entstehungsgeschichte des Art. 127 Abs. 6 AEUV49 erweist sich dabei im Ergebnis als nicht wirklich weiterführend.50 Und kaum überzeugend erscheint es zudem, wenn zur Lösung dieser 44 Zu diesem A. Thiele, Europarecht, S. 134 ff., sowie T. Oppermann/C. D. Classen/ M. Nettesheim, Europarecht, § 11, Rn. 3 ff. 45 Vgl. auch C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 19; J. A. Kämmerer, Bahn frei der Bankenunion? Die neuen Aufsichtsbefugnisse der EZB im Lichte der EU-Kompetenzordnung, NVwZ 2013, 830 (835). Mit anderer Begründung lehnen auch C. Waldhoff/P. Dieterich, Einführung einer gemeinsamen Bankenaufsicht auf EU-Ebene – ein Überblick, EWS 2013, 72 (75 ff.) die Art. 114 und Art. 352 AEUV als taugliche Rechtsgrundlagen ab. Siehe speziell zu Art. 352 AEUV auch T. Oppermann/C. D. Classen/ M. Nettesheim, Europarecht, § 11, Rn. 8 ff. 46 In der englischen Version des Vertragstextes ist von „specific tasks“ die Rede. 47 Die bestehenden Zweifel könnte Marktteilnehmer damit in der Tat dazu verleiten, einzelne SSM-Maßnahmen bereits unter Hinweis auf die Primärrechtswidrigkeit des gesamten SSM anzugreifen, vgl. J.-H. Binder, Auf dem Weg zu einer europäischen Bankenunion? Erreichtes, Unerreichtes, offene Fragen, ZBB 2013, 297 (305). 48 Vgl. auch C. Manger-Nestler, Die Bankenunion. Einheitliche Mechanismen zur Bankensicherung und -abwicklung, in: H.-J. Blanke/S. Pilz, Die „Fiskalunion“, S. 299 (314). 49 Zur generellen Möglichkeit der historischen Auslegung des europäischen Primärrechts siehe A. Thiele, Europäisches Prozessrecht, § 3, Rn. 6 f. 50 Siehe zur historischen Debatte, inwieweit die EZB Aufsichtsfunktionen wahrnehmen sollte, die dann zur Einführung des heutigen Art. 127 Abs. 6 AEUV geführt hat, H. James, Making the European Monetary Union, S. 313 ff. Nicht zuletzt die Bundesbank stand einer
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Auslegungsfrage auf die Unterscheidung der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik zwischen Aufgaben und Befugnissen zurückgegriffen wird, aus der einige Autoren ableiten wollen, dass lediglich unterstützende bzw. beratende Aufgaben (ohne Eingriffsbefugnisse) auf die EZB übertragen werden dürften.51 Abgesehen von der Tatsache, dass solche Hilfsaufgaben von der EZB – allerdings im Rahmen des ESZB52 – bereits aktuell nach Art. 127 Abs. 5 AEUV wahrgenommen werden dürfen und müssen, erscheint es doch mehr als fraglich, ob diese speziell deutsche Differenzierung auch den europäischen Verträgen zugrunde liegt.53 Eine Analyse des übrigen Vertragstextes erweckt eher den Eindruck, dass die Begriffe Aufgaben, Befugnisse und Rechte als Synonyme zu verstehen sind, jedenfalls aber nicht streng systematisch unterschieden werden.54 Und auch aus der Tatsache, dass Art. 127 Abs. 5 AEUV lediglich davon spricht, dass das ESZB zur Bankenaufsicht „beitragen“ soll, lassen sich für die Interpretation des Art. 127 Abs. 6 AEUV im Ergebnis keine Schlüsse ziehen.55 Denn Art. 127 Abs. 6 AEUV bezieht sich allein auf die EZB und gerade nicht auf das ESZB. Im Rahmen des SSM wird die EZB folglich auch nicht als Teil des ESZB, sondern gewissermaßen in eigenständiger Funktion tätig. Und das erscheint auch richtig, denn andernfalls könnte die EZB den nationalen Zentralbanken auch im Bereich der Bankenaufsicht Weisungen erteilen, obwohl diese möglicherweise gar nicht in die nationale Bankenaufsicht involviert sind. Insofern ist auch ein Verweis auf Art. 25.1 der EZB-Satzung nicht weiterführend,56 da dieser allein die bereits bestehende „beratende“ Bankenaufsicht innerhalb des ESZB, nicht aber die der EZB nach Art. 127 Abs. 6 AEUV näher ausgestaltet.57 Entsprechendes solchen Übertragung sehr kritisch gegenüber, vgl. H. James, a.a.O. , S. 291 f. Siehe auch J. Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 178 (2014), 443 (451). 51 C. Manger-Nestler, Die Bankenunion. Einheitliche Mechanismen zur Bankensicherung und -abwicklung, in: H.-J. Blanke/S. Pilz, Die „Fiskalunion“, S. 299 (314 f.); M. Herdegen, Europäische Bankenunion: Wege zu einer einheitlichen Bankenaufsicht, WM 2012, 1889 (1891); C. Waldhoff/P. Dieterich, Einführung einer gemeinsamen Bankenaufsicht auf EUEbene – ein Überblick über die Rechtsprobleme, EWS 2013, 72 (75); M. Lehmann/C. Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2 (6). 52 Die Übertragung von Aufsichtsbefugnissen nach Art. 127 Abs. 6 AEUV erfolgt hingegen allein an die EZB und gerade nicht an das ESZB, weshalb sich weder aus Art. 127 Abs. 2 AEUV noch aus Art. 127 Abs. 5 AEUV konkrete Rückschlüsse auf die Reichweite der Übertragungskompetenz nach Art. 127 Abs. 6 AEUV ziehen lassen. Siehe auch nächste Fußnote. 53 Wie hier auch C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 23. Siehe auch J. Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 178 (2014), 443 (452). 54 C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 23. 55 So aber C. Waldhoff/P. Dieterich, Einführung einer gemeinsamen Bankenaufsicht auf EU-Ebene – ein Überblick, EWS 2013, 72 (75) 56 So erneut C. Waldhoff/P. Dieterich, Einführung einer gemeinsamen Bankenaufsicht auf EU-Ebene – ein Überblick, EWS 2013, 72 (75). 57 Im Übrigen spricht Art. 127 Abs. 5 AEUV davon, dass das ESZB zur Aufsicht der zuständigen nationalen Behörden beiträgt. Durch die Errichtung des SSM ist diese Zustän-
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gilt demnach auch, soweit einige Autoren die Begrenzung auf Hilfsfunktionen unter Rückgriff auf die primären Aufgaben des ESZB nach Art. 127 Abs. 2 AEUV zu begründen versuchen. Denn auch wenn die Bankenaufsicht dort in der Tat nicht genannt wird, wird die EZB im Rahmen des SSM eben nicht als zentrale Behörde des ESZB, sondern außerhalb desselben tätig.58 Übertragbar nach Art. 127 Abs. 6 AEUV sind damit also durchaus auch bedeutende aufsichtliche „Kernaufgaben“, die mit ebenso bedeutenden Eingriffsbefugnissen einhergehen – andernfalls wäre eine effektive europäische Aufsicht auch gar nicht denkbar und Art. 127 Abs. 6 AEUV letztlich überflüssig.59 Richtig ist aber andererseits, dass der EZB gestützt auf Art. 127 Abs. 6 AEUV nicht sämtliche, sondern eben nur „besondere“ Aufsichtsaufgaben übertragen werden dürfen.60 Eine Abschaffung der mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden durch Übertragung aller Aufsichtsaufgaben könnte auf diese Norm also nicht gestützt werden, wird mit dem SSM indes weder intendiert noch herbeigeführt. Unzulässig ist damit allerdings nicht nur die formelle Abschaffung der mitgliedstaatlichen Behörden, sondern auch die Errichtung eines institutionellen Systems, in dem die nationalen Aufsichtsbehörden ihrerseits und umfassend auf eine bloße Hilfszuständigkeit reduziert werden und damit eines Zustands, der einer solchen Abschaffung zumindest faktisch sehr nahe kommt. Art. 127 Abs. 6 AEUV lässt sich nach dieser Lesart folglich eine Art materielle Bestandsgarantie nationaler Aufsichtsbehörden entnehmen; den nationalen Aufsichtsbehörden müssen also zu jedem Zeitpunkt signifikante Aufgaben von einigem Gewicht verbleiben.61 Vor diesem Hintergrund ist es zwar richtig, wenn in der Literatur darauf verwiesen wird, dass der EZB im Rahmen des SSM eine Art „aufsichtsrechtliche Primärverantwortung“ zukommt und die ausschließlichen Zuständigkeiten der EZB zudem aufsichtliche Kernkompetenzen wie die Zulassung von In-
digkeit aber gerade auf die EZB übergegangen. Insofern lässt sich auch aus diesem Grund aus Art. 127 Abs. 5 AEUV letztlich keine Übertragungsbegrenzung nach Art. 127 Abs. 6 AEUV auf reine Hilfsfunktionen begründen. 58 Richtig ist allerdings, dass die Übertragung von Aufsichtsaufgaben nach Art. 127 Abs. 6 AEUV die Erfüllung der der EZB im Rahmen des ESZB zugewiesenen Aufgaben nicht beeinträchtigen darf. Eine ähnliche materielle Begrenzung von Aufgabenübertragungen findet sich auch im nationalen Recht in Bezug auf die Bundesbank, siehe A. Thiele, Finanzaufsicht, S. 412 ff. 59 Ebenso J. Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 178 (2014), 443 (452). 60 Siehe auch J. Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 178 (2014), 443 (452) sowie C. Manger-Nestler/R. Böttner, Ménage à Trois? – Zur gewandelten Rolle der EZB im Spannungsfeld zwischen Geldpolitik, Finanzaufsicht und Fiskalpolitik, EuR 2014, 621 (624). 61 Diese Argumentation weist insofern eine gewisse Nähe zur Maastricht-Rechtsprechung des BVerfG im Hinblick auf die Grenzen von Kompetenzübertragungen auf die europäische Ebene auf. Danach müssen dem Deutschen Bundestag stets signifikante Aufgaben von einigem Gewicht verbleiben.
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stituten sowie den Entzug der Banklizenz umfassen.62 Gleichwohl nimmt die EZB auch diese Aufgaben keineswegs ohne wesentliche Unterstützung der mitgliedstaatlichen Behörden wahr. EZB und nationale Aufsichtsbehörden bilden vielmehr ein durchaus komplexes Behördennetzwerk, in dem beiden Teilen – also EZB und nationalen Aufsichtsbehörden – weiterhin wesentliche Aufsichtsaufgaben verbleiben.63 Deutlich wird dies etwa in den nach Art. 3 der SSM-Rahmenverordnung64 zu bildenden „gemeinsamen Aufsichtsteams“, die für die tägliche Aufsicht über die systemrelevanten Institute zuständig sind. Insbesondere die genannten Lizenzentscheidungen trifft die EZB daher nicht allein, sondern unter maßgeblicher Vorbereitung durch die nationalen Behörden, die im Übrigen auch die maßgeblichen Akteure im europäischen Aufsichtsgremium (Supervisory Board) bilden. Zuletzt besteht über die Regelung des Art. 6 Abs. 5 der SSM-Verordnung zwar eine theoretische Zuständigkeit der EZB für alle Institute innerhalb der Eurozone, da die EZB ihre Zuständigkeit über die Großbanken hinaus im Einzelfall jederzeit erweitern kann. Tatsächlich wird sich die Aufsicht der EZB aber schon aus personellen Gründen auf die ca. 130 Großbanken beschränken, denen eine systemische Relevanz zukommt, während im Übrigen tatsächlich die nationalen Aufsichtsbehörden verantwortlich zeichnen. Insgesamt dürfte sich die bestehende Ausgestaltung des SSM damit als vertragskonform darstellen65 – ob sie sich möglicherweise bereits am „äußersten Rand“ des Art. 127 Abs. 6 AEUV befindet,66 soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. b) Die EZB als richtiger Aufsichtsakteur? Die EZB hat sich praktisch von der ersten Erwähnung der Bankenunion an als quasi natürliche europäische Aufsichtsbehörde ins Spiel gebracht. Angesichts der Regelung des Art. 127 Abs. 6 AEUV scheint dies auch naheliegend, so dass die anderen Gesetzgebungsakteure einschließlich des Europäischen Rates vergleichsweise schnell in diesem Sinne überzeugt werden konnten – eine Vertragsänderung wäre zeitnah auch nicht zu realisieren gewesen.67 Dass die EZB die Aufsicht übernehmen sollte, wurde anschließend im Grunde von keiner Seite mehr ernsthaft in Frage gestellt. Und in der Tat hätte auch die Suche nach bzw. die Errichtung einer gesonderten 62 Siehe C. Manger-Nestler, Die Bankenunion. Einheitliche Mechanismen zur Bankensicherung und -abwicklung, in: H.-J. Blanke/S. Pilz, Die „Fiskalunion“, S. 299 (315); C. Manger-Nestler/R. Böttner, Ménage à Trois? – Zur gewandelten Rolle der EZB im Spannungsfeld zwischen Geldpolitik, Finanzaufsicht und Fiskalpolitik, EuR 2014, 621 (628). 63 Ausführlich zum SSM siehe C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5. Überblick auch bei A. Thiele, Finanzaufsicht, S. 519 ff. 64 Verordnung EU Nr. 468/2014 der EZB, ABl. Nr. L 141/1. 65 Wie hier J. Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 178 (2014), 443 (453). Anders wohl C. Waldhoff/P. Dieterich, Einführung einer gemeinsamen Bankenaufsicht auf EU-Ebene – ein Überblick, EWS 2013, 72 (75). 66 So C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 22. 67 Vgl. auch J.-H. Binder, Auf dem Weg zu einer europäischen Bankenunion? Erreichtes, Unerreichtes, offene Fragen, ZBB 2013, 297 (305).
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Institution ggf. erhebliche zeitliche Verzögerungen mit sich gebracht. Gleichwohl dürfen diese äußeren Umstände nicht verdecken, dass die Frage, inwieweit eine Zentralbank mit dem vorrangigen Ziel der Preisstabilität Aufgaben der Finanzaufsicht wahrnehmen soll, ökonomisch außerordentlich umstritten ist. Vor dem Hintergrund der frühzeitigen Festlegung der beteiligten europäischen Organe ist eine entsprechende Debatte im Zusammenhang mit dem SSM indes allenfalls am Rande, und wenn, dann kaum „ergebnisoffen“ geführt worden. Der ökonomische Disput dreht sich dabei nicht um die Frage, ob die Zentralbank überhaupt an der Bankenaufsicht beteiligt werden sollte. Dies wird aufgrund der vielfältigen Verknüpfungen der Zentralbank mit dem Finanzmarkt und den einzelnen Instituten praktisch einhellig befürwortet. Umstritten ist allein, ob es sich als sinnvoll erweist, gerade die Zentralbank auch zum maßgeblichen Aufsichtsorgan zu machen oder ob deren Tätigkeit nicht auf informatorische Zuarbeit begrenzt werden sollte.68 Als problematisch werden in diesem Zusammenhang vor allem mögliche Interessenkonflikte genannt, in die eine Zentralbank geraten könnte, wenn sie neben der Preisstabilität formell auch für die Sicherung der Finanzmarktstabilität verantwortlich zeichnet.69 Und tatsächlich sind ohne Weiteres Szenarien denkbar, in denen aufsichtliche Argumente für eine Beschränkung der Kreditvergabe sprechen, während die Wahrung der Preisstabilität an sich das Gegenteil erfordert (oder andersherum). Wie soll eine für beide Bereiche zuständige Institution in einer solchen Situation entscheiden? Mittelfristig könnte vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten zudem die Reputation der Zentralbank im Bereich der Geldpolitik leiden, wenn sie als verantwortlicher Akteur nicht in der Lage sein sollte, Finanzkrisen und Bankenzusammenbrüche zu verhindern – eine Aufgabe, die bisher keiner Institution längerfristig geglückt ist. Da die Funktionsfähigkeit einer Zentralbank aber ganz entscheidend auf diesem Vertrauen beruht, könnte auf diesem Wege deren originäre Aufgabe der Gewährleistung der Preisstabilität ganz erheblich erschwert werden. Auch wenn empirische Belege in diese Richtung fehlen, wird man ein durchaus beachtliches Risiko einer entsprechenden Übertragung auf die EZB insofern kaum leugnen können. Die Ausgestaltung des SSM versucht diesem Problem zumindest partiell aus dem Weg zu gehen, indem sie die Aufsichtsaufgaben zunächst dem bei der EZB angesie68 Siehe dazu auch A. Thiele, Finanzaufsicht, S. 198 ff. Historisch gesehen ist in diesem Disput auch der Grund für die Regelung des Art. 127 Abs. 6 AEUV zu sehen. Es konnte sich zum Zeitpunkt der Errichtung der Währungsunion eben nicht darauf geeinigt werden, inwieweit die EZB auch Aufsichtsaufgaben wahrnehmen sollte. Als Kompromisslösung wurde daraufhin Art. 127 Abs. 6 AEUV eingeführt, der eine spätere Übertragung durch Sekundärrecht ermöglichte, dafür aber einen einstimmigen Beschluss aller Mitgliedstaaten voraussetzte. 69 Vgl. K. Ueda/F. Valencia, Central Bank Independence and Macro-Prudential Regulation, IMF Working Paper 12/101, April 2012, S. 4: „From a policy perspective, our analysis suggests that a conflict between price and financial stability objectives may arise if pursued by a single institution.“ Siehe auch C. Waldhoff/P. Dieterich, Einführung einer gemeinsamen Bankenaufsicht auf EU-Ebene – ein Überblick, EWS 2013, 72 (77), sowie S. Lautenschläger, Wie ist das EU-Konzept zur Bankenunion zu bewerten?, ifo-Schnelldienst GG (01) 2013, S. 4.
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delten Aufsichtsgremium überträgt und damit eine gewisse funktionelle Trennung der beiden Bereiche innerhalb der EZB einführt. Dieses Supervisory Board ist für die Planung und Ausführung der der EZB im Rahmen des SSM übertragenen Aufgaben zuständig und besteht im Wesentlichen aus Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden.70 Hinzu kommen der Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende sowie vier weitere von der EZB benannte Vertreter, wobei der stellvertretende Vorsitzende nach Art. 26 Abs. 3 der SSM-Verordnung zwingend aus den Mitgliedern des Direktoriums der EZB auszuwählen ist.71 Schon dadurch wird deutlich, dass in personeller Hinsicht gerade keine vollständige Trennung der beiden Bereiche vorliegt. Die Überschneidungen sind aber noch sehr viel umfassender. Denn verbindliche Entscheidungen für die EZB darf aus institutioneller Perspektive nur der EZB-Rat bzw. dessen Direktorium treffen.72 Das gilt damit aber auch für den nach Art. 127 Abs. 6 AEUV übertragenen Bereich, so dass der EZB-Rat also auch hier das letzte Wort über die „Beschlussentwürfe“ des Aufsichtsgremiums hat.73 Zwar hat der EZB-Rat keine Möglichkeit, den Inhalt der Beschlüsse zu ändern; es besteht mithin ein reines Vetorecht.74 Gleichwohl wird der EZB-Rat dadurch zwangsläufig und umfassend über die aufsichtlichen Notwendigkeiten informiert. Zwar müssen die Sitzungen des EZB-Rats getrennt nach geldpolitischen und aufsichtlichen Tagesordnungen stattfinden, dennoch wäre es utopisch zu glauben, dass die Kenntnis über die Notwendigkeiten des jeweils anderen Bereichs im Rahmen der Entscheidungsfindung völlig unberücksichtigt bliebe. Die durchaus gut gemeinte organisatorische Trennung der beiden Bereiche stößt mithin auf unvermeidliche menschliche Grenzen und Schwächen.75 Ob bzw. inwieweit sich dieses Konfliktpotenzial tatsächlich realisieren wird, lässt sich gegenwärtig noch nicht vorhersagen. Hier hängt insoweit viel davon ab, wie die EZB mit ihrer neuen Aufgabe umzugehen weiß und ob es ihr gelingen wird, diesen Spagat ansprechend zu meistern. Dennoch: Die Gefahren sind und bleiben erheblich und sprechen dafür, die Übertragung auf die EZB lediglich als Zwischenlösung anzusehen. Mittelfristig sollte der Aufsichtsbereich der EZB 70 Siehe J. A. Kämmerer/P. Starski, Die Europäische Zentralbank in der Bankenunion oder – Vor Risiken und Nebenwirkungen wird gewarnt, ZG 2013, 318 (321 f.). 71 Siehe zur Zusammensetzung C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 35 ff. 72 Vgl. Art. 129 Abs. 1 AEUV. Siehe auch C. Manger-Nestler/R. Böttner, Ménage à Trois? – Zur gewandelten Rolle der EZB im Spannungsfeld zwischen Geldpolitik, Finanzaufsicht und Fiskalpolitik, EuR 2014, 621 (627) sowie CEPS Task Force Report 2014: ECB Banking Supervision and Beyond, 2014, S. 27. 73 Vgl. auch C. Manger-Nestler, Die Bankenunion. Einheitliche Mechanismen zur Bankensicherung und -abwicklung, in: H.-J. Blanke/S. Pilz, Die „Fiskalunion“, S. 299 (320 f.). 74 C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 48; C. Manger-Nestler/R. Böttner, Ménage à Trois? – Zur gewandelten Rolle der EZB im Spannungsfeld zwischen Geldpolitik, Finanzaufsicht und Fiskalpolitik, EuR 2014, 621 (630 f.). 75 Siehe J. A. Kämmerer/P. Starski, Die Europäische Zentralbank in der Bankenunion oder – Vor Risiken und Nebenwirkungen wird gewarnt, ZG 2013, 318 (322), sowie M. Lehmann/ C. Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2 (18).
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also wieder entzogen und auf eine vollständig eigenständige Behörde übertragen werden, die dann freilich eng mit der EZB kooperiert.76 Dazu bedürfte es wohl einer Vertragsänderung, die diesen Schritt ausdrücklich legitimiert. Die Errichtung einer solchen Aufsichtsbehörde, gestützt allein auf die Binnenmarktkompetenz des Art. 114 AEUV oder gar der Vertragsabrundungskompetenz des Art. 352 AEUV, schiene jedenfalls wenig sinnvoll und würde wohl von Seiten des Bundesverfassungsgerichts auch kaum wohlwollend zur Kenntnis genommen. c) Ende des Einflusses nationaler Aufsichtsbehörden? Wie dargelegt bestand ein wesentliches Motiv für die Errichtung des SSM darin, den verfälschenden Einfluss nationaler Aufsichtsbehörden im Hinblick auf die Bewertung der nationalen Finanzmärkte bzw. der dort tätigen Hauptinstitute zu beenden oder zumindest signifikant zu reduzieren. Dieses Motiv hätte an sich dafür gesprochen, die nationalen Aufsichtsbehörden zukünftig vollständig aus dem europäischen Aufsichtsprozess herauszuhalten, diese Aufgabe also nur noch durch europäische Behörden ausführen zu lassen. Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Instituten und der Komplexität der unterschiedlichen Aufsichtsaufgaben war dieser Schritt aber schon aufgrund personeller Probleme nicht gangbar und wurde daher richtigerweise auch zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Erwägung gezogen. Es war mithin von Anfang an klar, dass die Aufsichtstätigkeit der EZB auch im SSM nur gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden würde wahrgenommen werden können – und zwar auch und gerade hinsichtlich der unmittelbar von der EZB beaufsichtigten systemrelevanten Institute.77 So wird denn auch in der Begründung der SSM-Verordnung die umfangreiche, langjährige Erfahrung der nationalen Aufsichtsbehörden mit der Beaufsichtigung von Kreditinstituten und deren umfangreiches Fachwissen bezüglich der jeweiligen wirtschaftlichen, organisatorischen und kulturellen Besonderheiten betont.78 In Art. 6 der SSM-Verordnung wird diese notwendige Kooperation zwischen EZB und nationalen Aufsichtsbehörden im Einzelnen ausgestaltet. Im Ergebnis wird man danach davon ausgehen müssen, dass ein Großteil der täglichen Aufsichtsarbeit auch zukünftig von den nationalen Aufsichtsbehörden übernommen werden wird, die damit auch weiterhin durchaus beachtlichen Einfluss auf die Aufsichtsergebnisse und denkbare Aufsichtsschritte nehmen können. Vor dem Hintergrund des angestrebten Zwecks des SSM scheint dieses Ergebnis damit zunächst einmal eher enttäuschend. 76 Vgl. auch M. Lehmann/C. Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2 (8 f.). 77 Siehe T. Tröger, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) – Allheilmittel oder quacksalberische Bankenregulierung?, ZBB 2013, 373 (382); A. Thiele, Finanzaufsicht, S. 522 f.; C. Manger-Nestler/R. Böttner, Ménage à Trois? – Zur gewandelten Rolle der EZB im Spannungsfeld zwischen Geldpolitik, Finanzaufsicht und Fiskalpolitik, EuR 2014, 621 (628). 78 37. Begründungserwägung der SSM-Verordnung.
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Gleichwohl dürfen dabei zwei Dinge nicht außer Betracht bleiben. Zum einen dürfte es angesichts der Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums zukünftig jedenfalls sehr viel schwerer sein, rein nationale Erwägungen unverblümt in den Entscheidungsprozess einzubringen. Die Schonung nationaler Finanzmärkte wird als Argument für ein zögerliches Einschreiten trotz festgestellter Defizite jedenfalls kaum vorgebracht werden können – genau diese Gefahr aber bestand bei der Beaufsichtigung durch nationale Behörden, deren tatsächliche Entscheidungsmotivation ja nie nach außen kommuniziert wurde. Die von den nationalen Behörden präsentierten Ergebnisse werden sich aber auch im Übrigen einer sehr viel stärkeren Rationalitätskontrolle ausgesetzt sehen. Das schließt (zu) optimistische Annahmen zwar nicht aus, dürfte aber zumindest allzu große Abweichungen der Analysen vom tatsächlichen Ist-Zustand verhindern. Zum anderen ist in der SSM-Rahmenverordnung in Art. 3 vorgesehen, dass für die Beaufsichtigung bedeutender (systemrelevanter) Institute gemeinsame Aufsichtsteams gebildet werden, die aus Vertretern der EZB und der nationalen Aufsichtsbehörden zusammengesetzt sind. Die nationalen Aufsichtsbehörden agieren damit auch im Bereich der täglichen Aufsicht nicht völlig losgelöst von der EZB.79 Eine allzu einseitige bzw. nachsichtige Vorgehensweise wird dadurch auch organisatorisch erheblich erschwert. Wenngleich die nationalen Aufsichtsbehörden also weiterhin maßgeblich an der Aufsichtstätigkeit innerhalb der Eurozone beteiligt sind, dürfte sich der Einfluss nationaler Interessen im Rahmen des SSM also gleichwohl deutlich zur bisher bestehenden Situation reduziert haben.80 d) Rechtsschutzfragen Rechtsschutzfragen spielen im Bereich des Bankenaufsichtsrechts bisher nur eine untergeordnete Rolle; die Zahl gerichtlicher Auseinandersetzungen hält sich jedenfalls sehr in Grenzen. Dieser Befund überrascht angesichts der Bedeutung der hier getroffenen Entscheidungen sowohl für die Gesellschaft als auch für die einzelnen Institute. Tatsächlich liegt der Grund dafür allerdings weder an einer zu schwachen Aufsicht, die Konflikte vermeidet, noch daran, dass gegen das in vielerlei Hinsicht
79 Siehe auch CEPS Task Force Report 2014: ECB Banking Supervision and Beyond, 2014, S. 28 f., auch zur Frage der „Aufsichtssprache“. 80 T. Tröger, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) – Allheilmittel oder quacksalberische Bankenregulierung?, ZBB 2013, 373 (385 f.) zweifelt indes daran, dass für die handelnden Beamten ausreichend Anreize bestehen, tatsächlich zu einer qualitativ hochwertigen Aufsicht unter Führung der EZB beizutragen und erkannte Aufsichtsdefizite auch tatsächlich „nach oben zu tragen“. Auf dieses besondere Problem soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Die Einrichtung gemeinsamer Aufsichtsteams, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Trögers Beitrag noch nicht bekannt war, dürfte einige seiner Bedenken allerdings beseitigt haben. Weiterhin skeptisch hingegen M. Lehmann/C. Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2 (10).
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informelle Handeln der Aufsichtsbehörden81 kein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet ist. Hintergrund bildet vielmehr erneut die besondere Vertrauensgeprägtheit der Finanzmärkte, die die Finanzinstitute öffentliche Prozesse scheuen lässt. Allein die Einräumung üblicher, durchaus weitreichender Rechtsschutzoptionen vermag adäquaten tatsächlichen Rechtsschutz auf Seiten der Finanzmarktakteure daher oftmals nicht zu erzeugen – und diese Probleme stellen sich im Grundsatz auch im Rahmen der europäischen Bankenunion. Die Ausgestaltung des SSM versucht diesem Problem durch die Einrichtung eines administrativen Überprüfungsausschusses zu begegnen, der bei der EZB angesiedelt ist, aus fünf unabhängigen und im öffentlichen Interesse handelnden Mitgliedern besteht und von jeder natürlichen oder juristischen Person angerufen werden kann, die Adressat eines EZB-Beschlusses oder durch einen solchen unmittelbar und individuell82 betroffen ist.83 Das Überprüfungsverfahren selbst findet dabei grundsätzlich nur schriftlich statt; nach Art. 14 des auf Art. 24 Abs. 10 der SSM-Verordnung gestützten Durchführungsbeschlusses der EZB84 findet eine mündliche Anhörung nur in Einzelfällen statt, an der Dritte allerdings nicht partizipieren dürfen.85 Die Durchführung dieses besonderen Vorverfahrens ist zwar nicht zwingend, es besteht also auch die Möglichkeit einer direkten Klage vor dem EuGH.86 Angesichts der im Vergleich zu einem gewöhnlichen gerichtlichen Verfahren gewährleisteten stark erhöhten Vertraulichkeit dürfte dieses Verfahren jedoch erheblichen Anklang bei den Marktteilnehmern finden. Gegenüber dem aus dem deutschen Recht bekannten Widerspruchsverfahren spricht dabei auch die besondere Besetzung mit unabhängigen Fachleuten dafür, dass mit diesem Ausschuss ein erster Schritt getan wurde, um die spezifisch finanzmarkttypischen Rechtsschutzprobleme effektiv zu lösen. Die besondere Struktur des SSM als Verwaltungsverbund zwischen nationalen Behörden und EZB begründet freilich ein neues, die Zuweisung der Rechtsschutz81 Zu den Gründen für das informelle Handeln siehe A. Thiele, Informelles Handeln der BaFin. Erscheinungsformen, Gelingensbedingungen und Probleme, in: B. Paal/D. Poelzig, Effizienz durch Verständigung, i.E. 82 Die Zulässigkeit einer Beschwerde vor dem Überprüfungsausschuss hängt damit von den gleichen Voraussetzungen ab wie eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV. Da im Rahmen des SSM davon auszugehen ist, dass vornehmlich die Adressaten dieser Beschlüsse entsprechende Beschwerden einlegen wollen, wird diese Hürde zumindest in der Regel aber keine besonderen Probleme aufwerfen. Siehe ausführlich zur Klagebefugnis privater Kläger im Rahmen der Nichtigkeitsklage A. Thiele, Europäisches Prozessrecht, § 7, Rn. 36 ff. 83 Siehe dazu Art. 24 der SSM-Verordnung 1024/2013. Siehe auch M. Lehmann/C. Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2 (19). 84 Beschluss der EZB zur Einrichtung eines administrativen Überprüfungsausschusses und zur Festlegung der Vorschriften für seine Arbeitsweise, EZB/2014/16, ABl. EU Nr. L 175/47. 85 Siehe Art. 14 Abs. 3 des Beschlusses EZB/2014/16. 86 Vgl. Art. 24 Abs. 11 SSM-Verordnung. Siehe auch C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 248.
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ebenen betreffendes Rechtsschutzproblem, das sich in anderen Bereichen bisher nicht gestellt hat, da es auf eine Besonderheit des materiellen Finanzaufsichtsrechts zurückzuführen ist. In den keineswegs seltenen europäischen Verwaltungsverbünden gilt insoweit grundsätzlich der prozessuale Trennungsgrundsatz. Danach ist die nationale Gerichtsbarkeit zuständig, soweit nationale Behörden verbindlich nach außen gehandelt haben, während die europäische Gerichtsbarkeit zuständig ist, soweit die europäische Behörde (hier also die EZB) nach außen gehandelt hat. Prozessual verklammert werden beide Ebenen durch das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV.87 In materieller Hinsicht setzt dies allerdings voraus, dass die europäische Gerichtsbarkeit allein solche Handlungen überprüft, die auch allein auf europäischen Regelungen beruhen. Nationales Recht ist hingegen grundsätzlich kein Gegenstand, dessen Einhaltung gerade die europäische Gerichtsbarkeit überprüfen könnte. Wenn die EZB im Rahmen des SSM also zumindest theoretisch sämtliche Finanzinstitute beaufsichtigen und über deren Tätigkeit mit Beschlüssen entscheiden kann, setzt dies folglich die umfassende Harmonisierung auch des relevanten materiellen Bankrechts voraus. Genau dazu ist es aber bisher noch nicht gekommen, wenngleich durch die CRR88 und die CRD IV89 zuletzt wichtige Schritte in diese Richtung getan worden sind.90 Finanzinstitute müssen im Rahmen ihrer Tätigkeit mithin Anforderungen erfüllen, die teils europarechtlich und teils national determiniert sind und über beides soll nun vorrangig die EZB entscheiden. So heißt es in Art. 4 Abs. 3 der SSM-Verordnung, dass die EZB das einschlägige Unionsrecht und, wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, die nationalen Rechtsvorschriften anwendet. Nun mag dieses nationale Recht zwar durch Unionsrecht determiniert sein. Gleichwohl müsste der EuGH bei der Überprüfung eines solchen auf umgesetzten Richtlinien beruhenden „Mischbeschlusses“ jedenfalls formal auch über das jeweilige nationale Recht entscheiden, was diesem aber an sich generell verwehrt ist: „Den Prüfungsmaßstab für Unionsgerichte bildet allein das Unionsrecht und nicht das nationale Recht.“91 Im Bereich der Zulassung und des Entzugs der Zulassung für die Tätigkeit eines Kreditinstituts nach Art. 14 der SSM-Verordnung finden sich darüber hinaus auch nationale 87 C. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5, Rn. 246; M. Lehmann/C. Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2 (19). Zum Vorabentscheidungsverfahren siehe A. Thiele, Europäisches Prozessrecht, § 9; M. Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 740 ff.; U. Karpenstein, Das Vorabentscheidungsverfahren, in: S. Leible /J. P. Terhechte, EnzEur 3, § 8. 88 Verordnung EU Nr. 646/2012 (Capital Requirement Regulation, CRR). 89 Richtlinie Nr. 2013/36/EU (Capital Requirements Directive IV, CRD IV). Die CRD IV legt dabei lediglich Mindeststandards fest, über die die Mitgliedstaaten also auch hinausgehen dürfen. 90 Siehe dazu den Überblick bei M. Kirchhartz, Europäisches Bankaufsichtsrecht 1.0: Das CRD IV-Paket und seine Auswirkungen auf das Kreditwesengesetz, GWR 2013, 395 ff. Siehe aber auch CEPS Task Force Report 2014: ECB Banking Supervision and Beyond, 2014, S. 35. 91 E. Peuker, Die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften durch Unionsorgane – ein Konstruktionsfehler der europäischen Bankenaufsicht, JZ 2014, 764 (768).
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Regelungen, die in keiner Weise europarechtlich vorgegeben sind. Gleichwohl ist es aus formaler Perspektive auch hier die EZB, die den relevanten Beschluss trifft. Die Tatsache, dass dies auf Grundlage eines „Beschlussentwurfs“ der nationalen Behörde geschieht (vgl. Art. 14 Abs. 2 der SSM-Verordnung), ändert daran zunächst einmal nichts. Damit ist aber prozessual auch nicht die nationale, sondern die europäische Ebene für die Überprüfung zuständig, so dass der EuGH über einen Beschluss befinden müsste, der seine Grundlage jedenfalls auch in nationalen Regelungen findet, was aber wiederum gegen das prozessuale Trennungsprinzip verstoßen würde. Andererseits wäre es aus rechtsstaatlicher Perspektive nicht hinnehmbar, wenn die Vereinbarkeit mit nationalem Richtlinienrecht und sonstigen nationalen Vorgaben dann überhaupt keiner gerichtlichen Überprüfung mehr zugänglich wäre. Die bestehende Ausgestaltung ist denn auch bereits als verfassungs- und europarechtswidrig eingestuft worden.92 Eine Lösung dieses besonderen Problems bestünde einerseits darin, das gesamte materielle Bankenaufsichtsrecht auf dem Verordnungswege zu harmonisieren, was sich angesichts des Umfangs und der Bedeutung der Regelungen jedoch Jahre hinziehen dürfte. Ob es zudem wirklich notwendig erscheint, sämtliche nationalen Besonderheiten zu beseitigen, erscheint im Übrigen nicht als sicher, so dass auch das Subsidiaritätsprinzip einer wirklich umfassenden Harmonisierung entgegenstehen könnte. Als richtig erweist sich daher eine Ausgestaltung des SSM, bei der allein die nationalen Behörden nach außen in Erscheinung treten.93 Die Beschlüsse würden dann auch von nationalen Gerichten überprüft, die bei Fragen des Unionsrechts den EuGH anrufen könnte. Die Gefahr einer „Renationalisierung“ der Aufsicht würde durch eine solche Konstruktion im Ergebnis nicht begründet. Denn im Innenverhältnis ist die EZB bereits heute befugt, den nationalen Behörden verbindliche Anweisungen zu erteilen (vgl. Art. 9 Abs. 3 der SSM-Verordnung) und entsprechende Anweisungen wären dann auch in diesen Bereichen möglich. Insofern wäre für den Inhalt der zu treffenden Beschlüsse dann auch weiterhin die EZB materiell verantwortlich.94 Und auch die Übernahme des sinnvollen administrativen Überprüfungsausschusses wäre bei einer solchen Konstruktion ohne Weiteres denkbar. 92
E. Peuker, Die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften durch Unionsorgane – ein Konstruktionsfehler der europäischen Bankenaufsicht, JZ 2014, 764 ff. Kritisch bereits J.-H. Binder, Auf dem Weg zu einer europäischen Bankenunion? Erreichtes, Unerreichtes, offene Fragen, ZBB 2013, 297 (309). 93 Anders hingegen J. Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 178 (2014), 443 (482), der für eine generelle Zuständigkeit der europäischen Rechtsschutzebene plädiert und dies dadurch sicherstellen will, dass alle Beschlüsse (auch diejenigen der nationalen Behörden) der EZB zugerechnet werden. Das Problem der fehlenden Überprüfungskompetenz spricht er insoweit allerdings nicht an und dürfte die vorgeschlagene Lösung letztlich als undurchführbar erscheinen lassen, sofern am prozessualen Trennungsprinzip festgehalten werden soll. Eine Konzentration des Rechtsschutzes, wie Ruthig sie vorschlägt, ist also richtig, müsste aber aufgrund der materiellen Ausgangslage auf der nationalen Ebene erfolgen. 94 So bereits E. Peuker, Die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften durch Unionsorgane – ein Konstruktionsfehler der europäischen Bankenaufsicht, JZ 2014, 764 (771).
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3. Die Bankenunion als Erfolgsprojekt? Erweist sich die erste Säule der Bankenunion trotz dieser hier nur skizzierten Vorbehalte gleichwohl als Erfolgsprojekt? Im Ergebnis wird man dies bejahen müssen. Die durch sie geschaffenen neuen Aufsichtsstrukturen lassen durchaus die Hoffnung zu, dass die Finanzmärkte in Zukunft weniger krisenanfällig sind, auch wenn eine vollständige Abkopplung von den nationalen Behörden nicht erfolgt ist – allerdings realistischerweise auch nicht erfolgen konnte.95 Ob eine solche tatsächlich sinnvoll wäre, bedürfte ohnehin einer näheren Untersuchung. Dieser generelle Befund und insbesondere die prinzipielle Arbeitsfähigkeit der EZB werden auch von so gut wie keiner Seite ernsthaft bezweifelt. Im Übrigen erscheint es kaum verwunderlich, dass bei der Errichtung einer solch vollständig neuen Aufsichtsstruktur nicht alles gleich gelingt. Hier ist es vielmehr Aufgabe der Wissenschaft, insbesondere der Ökonomie und Rechtswissenschaft, auf Konstruktionsdefizite hinzuweisen, aber zugleich auch Lösungen anzubieten. Die Bankenunion als solche bleibt auch in ihrer aktuellen Ausgestaltung gleichwohl ein bemerkenswerter Erfolg europäischer Integrationsgeschichte.96
IV. Fazit und Ausblick Es bleibt viel zu tun und bei einigen der hier genannten Punkte – insbesondere beim Rechtsschutz – sollte zügig über eine Modifikation der bestehenden Ausgestaltung nachgedacht werden. Insgesamt aber erweist sich die Errichtung der ersten Säule der Bankenunion als überaus bedeutender und noch vor wenigen Jahren undenkbarer Integrationsschritt.97 Und auch deren zweite Säule – der einheitliche Abwicklungsmechanismus (SRM) – nimmt bereits sehr konkrete Formen an und wird voraussichtlich bereits ab 2016 unter der Leitung der bisherigen BaFin-Chefin Elke König seine Tätigkeit aufnehmen.98 Von einer umfassenden Krise der europäischen 95 Skeptischer hingegen J.-H. Binder, Auf dem Weg zu einer europäischen Bankenunion? Erreichtes, Unerreichtes, offene Fragen, ZBB 2013, 297 (310), der davon ausgeht, dass eine einheitliche Aufsicht erst nach der Lösung zahlreicher anderer Probleme sinnvoll wäre. Mit dem von der EZB seitdem durchgeführten Stresstest dürften sich indes einige Vorbehalte Binders mittlerweile erledigt haben. 96 Anders aber die Bewertung bei T. Tröger, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) – Allheilmittel oder quacksalberische Bankenregulierung?, ZBB 2013, 373 (395), der von einem „quacksalberischen Versuch“ spricht, „Problemlösungsfähigkeit vorzutäuschen“. 97 Siehe auch C. Calliess/C. Schoenfleisch, Die Bankenunion, der ESM und die Rekapitalisierung von Banken, JZ 2015, 113 (121): „Der europäischen ,Bankenunion‘ kommt im Kontext der Bewältigung der europäischen Finanz- und Staatsschuldenkrise zentrale Bedeutung zu.“ 98 Siehe dazu K.-P. Wojcik/J. Ceyssens, Der einheitliche EU-Bankenabwicklungsmechanismus: Vollendung der Bankenunion, Schutz des Steuerzahlers, EuZW 2014, 893 ff. Der Einheitliche Abwicklungsfonds (SRF) wird ebenfalls ab 2016 mit Kapital ausgestattet. Eine entsprechende politische Einigung über die Einzahlungsmodalitäten konnte im Dezember 2014 erzielt werden.
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Integration kann also schon aus diesem Grund keine Rede sein. Mit der Errichtung der Bankenunion hat die Europäische Union vielmehr ihre spezifische Existenzberechtigung und Handlungsfähigkeit in diesem Bereich mehr als deutlich unter Beweis stellen können. Das heißt andererseits nicht, dass alles so bleiben kann wie bisher. Natürlich muss gerade über die zukünftige Rolle der Europäischen Union und den möglichen Fortgang der Integration offen und intensiv debattiert, diskutiert und gestritten werden. Dabei dürfen allerdings die Erfolge der Union – neben der Bankenunion ließen sich noch weitere aufzählen – nicht einfach vergessen werden. Simplifizierende Pauschalierungen gilt es also zu vermeiden, wenn über die Zukunft der Integration gesprochen wird. Dafür, das sei als letzte Bemerkung gestattet, ist sie schlicht zu wichtig.
Die Europäische Zentralbank in der Bankenunion Von Tobias Pascher, Würzburg
I. Die Europäisierung des Aufsichtsrechts Die Durchführung des Unionsrechts obliegt nach Art. 291 Abs. 1 AEUV im Grundsatz den Mitgliedstaaten. Gleichzeitig verlangt der auch hinsichtlich des Bankgeschäfts stark integrierte gemeinsame Binnenmarkt zu seiner reibungslosen Funktion nach europaweiter Kooperation und gemeinsamen Standards.1 Um einheitliche Aufsichtskriterien zu gewährleisten, erfolgte bereits ab den 1970er Jahren – in größerem Umfang mit der ersten Bankenkoordinierungsrichtlinie 19772 – die Harmonisierung des Aufsichtsrechts durch Richtlinienerlass. Dadurch wurde zwar ein gewisser Mindeststandard erreicht, das materielle Recht und die Kontrolldichte unterschieden sich jedoch weiterhin von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat.3 Als Reaktion auf die Finanzkrise der Jahre 2007 – 2009 wurden die Anforderungen an Eigenkapital und Risikomanagement der Banken erhöht, und das Europäische System der Finanzaufsicht (European System of Financial Supervision – ESFS) nahm zum 1. Januar 2011 seine Arbeit auf. Mittels des zu entwickelnden einheitlichen Regelwerks („single rule book“) soll die mitgliedstaatliche Aufsicht koordiniert und auf ein gemeinsames Niveau gehoben werden.4 Abgesehen von wenigen Eingriffsrechten5 lag und liegt die Durchführung der Aufsicht im Rahmen des EFSF jedoch weiterhin in den Händen der Mitgliedstaaten. Die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden des EFSF (European Supervisory Authorities – ESA) fungieren lediglich als „Aufsicht über die Aufsicht“6 und „Koordinierungsgremien nationaler Behörden“7. 1
Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (319); Thiele, Finanzaufsicht, 2014, S. 492. Richtlinie 77/780/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute v. 12. Dezember 1977, ABl. Nr. L 322, 30. 3 Vgl. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, 2015, S. 137 f.; Thiele (Fn. 1), S. 494 f. 4 Ohler (Fn. 3), S. 139 f.; Peters, WM 2014, 396 (397). 5 Z. B. Art. 17 Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission v. 24. November 2010, ABl. Nr. L 331, 12. 6 Walla, BKR 2012, 265 (266). 2
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In der Staatsschuldenkrise 2010 – 2013, die wenigstens teilweise Resultat der Finanzkrise war8, scheiterte die neue Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA) an der Erstellung korrekter Stresstests für krisengeschüttelte spanische Banken.9 Am 29. Juni 2012 forderten die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten daher die Europäische Kommission dazu auf, Vorschläge für eine europaweite Bankenaufsicht auszuarbeiten.10 Der daran anknüpfende Kommissionsvorschlag11 setzte sich neben der Vereinheitlichung der Bankenaufsicht für die Schaffung einer weitergehenden europäischen Bankenunion ein. Gleichzeitig nahm die Kommission in einer Mitteilung an Rat und Parlament eine nähere begriffliche Konkretisierung dieser Bankenunion vor.12
II. Begriff der Bankenunion und Rolle der EZB Die Europäische Bankenunion setzt sich aus einem einheitlichen Aufsichts- (SSM – Single Supervisory Mechanism) und einem einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM – Single Resolution Mechanism) zusammen. Beide Mechanismen fußen auf dem einheitlichen Regelwerk (single rulebook), das u. a. Eigenkapitalvorschriften, verstärkte Anlegerschutzvorschriften sowie Präventions- und Abwicklungsmaßnahmen für insolvente Banken umfasst. Im Folgenden soll ein eingehender Blick auf den SSM geworfen werden. Dieser wurde bei der EZB angesiedelt, weshalb die Zentralbank als „Herzstück des SSM“13 angesehen werden kann. Zunächst werden der Aufsichtsmechanismus und die zugrundeliegende Verordnung betrachtet. Anschließend wird thematisiert, welche rechtlichen und rechtspolitischen Probleme aus der Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB erwachsen, ob also der SSM angesichts des Subsidiaritätsprinzips auf europäischer Ebene installiert werden durfte und ob er auf tauglicher Kompetenzgrundlage geschaffen wurde. Auch auf Grenzen der Aufgabenübertragung aus der Rechtsprechung des EuGH und auf einen möglichen Konflikt des SSM mit dem Demokratieprinzip wird eingegangen. Schließlich werden Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Entscheidungen der Zentralbank skizziert.
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Thiele (Fn. 1), S. 506. Berger, WM 2015, 501 (501); ausführlich: Thiele (Fn. 1), S. 492. 9 Brandi/Gieseler, BB 2012, 2646 (2647); Ohler (Fn. 3), S. 140 f. 10 Rat der Europäischen Union, Gipfelerklärung der Mitglieder des Euro-Währungsgebiets v. 29. Juni 2012, SN 2999/12. 11 Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank v. 12. 09. 2012, COM(2012) 511 final. 12 Europäische Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat – Fahrplan für eine Bankenunion v. 12. 09. 2012, COM(2012) 510 final. 13 Thiele (Fn. 1), S. 521. 8
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III. Der einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) Mit der SSM-VO14 werden „Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute“ auf die EZB übertragen. Damit ändert sich die Kompetenzverteilung zwischen der mitgliedstaatlichen und der europäischen Ebene. Bisher wurde die Aufsicht, gestützt auf gemeinsame Mindeststandards, national durchgeführt. Jetzt erfolgt – für das Gebiet des Wirtschaftsrechts durchaus ungewöhnlich15 – der direkte Vollzug wesentlicher Aufsichtsaufgaben auf europäischer Ebene. Diese Kompetenzverlagerung wurde – im Einklang mit den Präsidenten des Europäischen Rates, der Kommission und der EZB16 – von den Vertretern der Euro-Staaten im Rat der Europäischen Union als Gegenleistung für die direkte Bankenrekapitalisierung aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) eingefordert17, um Bankenaufsicht und Haftung auf derselben Ebene anzusiedeln.18 Die SSM-VO markiert somit nach der Gründung der drei europäischen Aufsichtsbehörden am 1. Januar 2011 den nächsten Schritt der europäischen Integration. Zum 4. November 2014 nahm der SSM seine Arbeit auf. Im Folgenden wird ein Überblick über die Zuständigkeiten, den institutionellen Aufbau und die Beschlussfassung der neuen Bankenaufsicht bei der EZB gegeben. 1. Zuständigkeit/Aufgaben der EZB Nach Art. 2 Nr. 9 und Art. 6 Abs. 1 SSM-VO besteht der SSM aus der EZB und den national zuständigen Behörden der teilnehmenden Mitgliedstaaten. Art. 1 Abs. 5 SSM-VO stellt klar, dass diese nationalen Behörden weiterhin in allen Bereichen die Bankenaufsicht wahrnehmen, in denen der EZB keine Kompetenzen übertragen wurden. Sie sollen mit ihrem Fachwissen und der vorhandenen Infrastruktur die praktische Durchführung der Aufsicht ermöglichen.19 Auch in ihrem eigenen Kompetenzbereich sind die nationalen Aufsichtsbehörden der Zentralbank im Wege der mittelbaren Aufsicht unterstellt. Für die Frage nach der direkten EZB-Zuständigkeit wird zunächst ein Blick auf den von der SSM-VO ausdrücklich definierten Verantwortungsbereich geworfen. Im Anschluss wird die mittelbare Aufsicht betrachtet.
14 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank v. 15. Oktober 2013, ABl. Nr. L 287, 63. 15 Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (319); Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (447). 16 Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion – Bericht des Präsidenten des Europäischen Rates Herman Van Rompuy v. 26. Juni 2012, EUCO 120/12. 17 Erwägungsgrund 12 SSM-VO; Gipfelerklärung der Mitglieder des Euro-Währungsgebiets (Fn. 10). 18 Ceyssens, NJW 2013, 3704 (3705). 19 Vgl. Thiele (Fn. 1), S. 523.
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a) Örtliche Zuständigkeit Örtlich erstreckt sich die Zuständigkeit gem. Art. 4 Abs. 1 SSM-VO auf alle Kreditinstitute in den teilnehmenden Mitgliedstaaten, also nach Art. 2 Nr. 1 SSM-VO auf Banken in der Währungsunion sowie in EU-Mitgliedstaaten, die eine enge Zusammenarbeit mit der EZB i.S.d. Art. 7 SSM-VO vereinbart haben. Bei Mitgliedstaaten deren Eignung für den Beitritt zur Währungsunion nicht durch Ratsbeschluss festgestellt wurde, handelt es sich nur um eine mittelbare Zuständigkeit, da Art. 139 Abs. 2 lit. e i.V.m. Art. 132 AEUV die verbindliche Wirkung von Rechtsakten der EZB hier ausschließt.20 b) Sachliche Zuständigkeit In sachlicher Hinsicht listen Art. 4 und Art. 5 SSM-VO die Befugnisse abschließend auf. aa) Aufgaben und Befugnisse der EZB Insbesondere sind die Zulassung von Kreditinstituten, die Anwendung und Überprüfung der unionsrechtlichen Eigenkapitalvorschriften und Verschuldungsgrenzen, das Risikomanagement, die Sanierung von Banken und der Entzug der Genehmigung erfasst. Die nationalen Aufsichtsbehörden sind hier zwar weiterhin mit der Aufgabenwahrnehmung betraut, handeln aber als der EZB untergeordnete Ausführungsorgane.21 bb) Begrenzung der sachlichen Zuständigkeit: Bedeutende Kreditinstitute Dieser sachliche Anwendungsbereich wird durch die Beschränkung auf sog. „bedeutende Kreditinstitute“ gem. Art. 6 Abs. 4 UA 2 – 5 SSM-VO weiter eingegrenzt. Als „bedeutend“ werden Geschäftsbanken eingestuft, die eine Bilanzsumme von mehr als 30 Mrd. Euro bzw. von mehr als 5 Mrd. Euro, wenn die Bank mindestens 20 % der Wirtschaftsleistung eines Mitgliedstaats ausmacht, aufweisen. Die Einstufung kann auch auf Anzeige der nationalen Aufsicht oder bei wesentlicher grenzüberschreitender Tätigkeit erfolgen. Institute, die Hilfen des EFSF oder ESM erhalten oder beantragt haben sowie die drei bedeutendsten Banken jedes Mitgliedstaats, sind in jedem Fall erfasst (Art. 6 Abs. 4 UA 4, 5 SSM-VO).
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Ceyssens, NJW 2013, 3704 (3706); Ohler (Fn. 3), S. 148 f. Vgl. z. B. Art. 14 SSM-VO wonach die Zulassung von Kreditinstituten durch nationale Behörden erfolgt, ein entsprechender Beschluss aber von der EZB angenommen werden muss. 21
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Eine Liste der bedeutenden und weniger bedeutenden Kreditinstitute hat die EZB am 4. September 2014 veröffentlicht.22 Diese Liste soll mindestens einmal jährlich aktualisiert werden und zählt momentan 120 „bedeutende“ und damit überwachte Kreditinstitute. Diesen Bankhäusern stehen zwar mehrere hundert Institute unterhalb der Relevanzschwelle gegenüber, gleichzeitig verfügen sie aber über mindestens 85 % des gesamten mitgliedstaatlichen Bankvermögens.23 Auch ohne ein Überschreiten der Bedeutungsschwelle kann die EZB gem. Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO die Aufsicht über einzelne Institute jederzeit von sich aus oder auf Antrag einer nationalen Aufsichtsbehörde an sich ziehen, sollte dies zur Sicherstellung hoher Aufsichtsstandards erforderlich sein. Das in Art. 6 Abs. 7 lit. a SSMVO vorgesehene Rahmenwerk zur Konkretisierung der Ausübungsmodalitäten dieser Erweiterungskompetenz sieht hierbei zwar einige Faktoren vor, welche die EZB bei Kompetenzausübung in Erwägung ziehen muss, – insbesondere sind die Größe und die internationale Verflechtung des Kreditinstituts zu berücksichtigen – stellt ansonsten aber keine weiteren Voraussetzungen auf (Art. 67 Abs. 2 SSM-Rahmenverordnung24). Zwar wird die Zentralbank von der Erweiterungskompetenz im Regelfall keinen Gebrauch machen25, und die Vorschrift könnte sich als zahnloser Tiger entpuppen, da die finanzielle und personelle Ausstattung der EZB für die Bankenaufsicht begrenzt ist. Andererseits kann die Zentralbank ihre Aufsichtstätigkeit nach Art. 30 SSM-VO kostendeckend bei den Banken in Rechnung stellen. Teils wird deshalb aus Art. 28 i.V.m. Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO sogar die Verpflichtung zum Aufbau einer Personalreserve abgeleitet, die die Übernahme der Aufsicht für weniger bedeutende Banken ohne zeitliche Verzögerung ermöglichen soll.26 Die SSM-VO gesteht der EZB daher größtmögliche Freiheiten bei der praktischen Festlegung ihres direkten Aufsichtsbereichs zu. cc) Erweiterung der sachlichen Zuständigkeit: Die mittelbare Aufsicht Über ihre direkten Kompetenzen hinaus übt die EZB in Bereichen, in denen den Mitgliedstaaten gem. Art. 6 Abs. 6 SSM-VO die Zuständigkeit verbleibt, also im Bereich der weniger bedeutenden Kreditinstitute, mittelbare Aufsicht aus. 22
Europäische Zentralbank, Liste bedeutender beaufsichtigter Unternehmen und Liste weniger bedeutender Institute v. 4. 9. 2014, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/ other/ssm-listofsupervisedentities1409de.pdf. 23 Goyal et al., A banking union for the euro area, 2013, S. 13 (gehen von ca. 80 % aus); Ligere, JIBLR 2015, 30(2), 121 (122) (geht von knapp 85 % aus); Ohler (Fn. 3), S. 150 (geht unter Berücksichtigung von Tochterunternehmen von wesentlich mehr als 85 % aus). 24 Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der EZB zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus v. 16. April 2014, ABl. Nr. L 141, 1. 25 Thiele (Fn. 1), S. 522. 26 Tröger, EBOR 2014, 15(4), 449 (469).
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Sie ist für das Funktionieren des SSM verantwortlich (Art. 6 Abs. 1 S. 2; Art. 6 Abs. 5 lit. c i.V.m. Abs. 7 lit. c SSM-VO). Damit wird eine Vorrangstellung der Zentralbank als Koordinations- und Kontrollinstanz der Bankenaufsicht begründet. Die EZB erlässt Verordnungen, Leitlinien und allgemeine Weisungen gegenüber der nationalen Aufsicht und ist zu Untersuchungen und Prüfungen vor Ort befugt (Art. 6 Abs. 5 lit. d i.V.m. Art. 10 – 13 SSM-VO). Sie erscheint durch diese indirekte Kompetenzerweiterung als die übergeordnete Instanz der Bankenaufsicht.27 Zum einen hat sie eigene Aufsichtskompetenzen, andererseits beaufsichtigt sie nationale Behörden bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen. Selbstständig handelt die nationale Aufsicht nur noch im Rahmen der Aufgaben, die der EZB ausdrücklich nicht übertragen wurden. Das sind Fragen der Bankenabwicklung, der Überwachung von Zahlungsdienstleistungen, des Schutzes vor Geldwäsche und des Verbraucherschutzes.28 2. Die Wahrnehmung der Aufsicht (Das Aufsichtsgremium) Innerhalb der EZB wird die Planung und Ausführung der Aufgaben gem. Art. 26 Abs. 1 SSM-VO in materieller Hinsicht29 von einem Aufsichtsgremium übernommen. Geldpolitische und aufsichtsrechtliche Zuständigkeiten werden damit auf zwei verschiedene Einrichtungen unter einem Dach übertragen. Gem. Art. 19 SSM-VO genießt das Aufsichtsgremium Unabhängigkeit und hat im objektiven Unionsinteresse zu handeln. a) Zusammensetzung Das Gremium setzt sich aus einem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter, vier Vertretern der EZB und jeweils einem Vertreter der nationalen Aufsichtsbehörde aus den 19 Mitgliedstaaten der Währungsunion30 zusammen (Art. 26 Abs. 1 UA 1 SSM-VO). Es wird also von Vertretern der nationalen Aufsicht dominiert. Der Vorsitzende, der gem. Art. 26 Abs. 3 UA 1 SSM-VO aus „dem Kreis der in Banken- und Finanzfragen anerkannten und erfahrenen Persönlichkeiten“31 auszuwählen ist, wird vom EZB-Rat nach Anhörung des Aufsichtsgremiums vorgeschlagen.32 Der Vorschlag bedarf der Billigung durch das Europäische Parlament, die Ernennung erfolgt durch den Rat. Die Unabhängigkeit des Vorsitzenden wird durch die 27
Vgl. Berger, WM 2015, 501 (502). Thiele (Fn.1), S. 523; 28. Erwägungsgrund SSM-VO. 29 Vgl. Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (321). 30 Bergmann/Mickel, Handlexikon der Europäischen Union, 5. Aufl. 2015, „Währungsunion (WU)“. 31 Momentan mit Danièle Nouy eine Vertreterin der nationalen Bankenaufsicht (EZB, Pressemitteilung vom 16. Dezember 2013, https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2013/html/ pr131216_2.de.html, zuletzt abgerufen am 18. 10. 2015). 32 Vgl. ausführlich Ohler (Fn. 3), S. 152. 28
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fünfjährige, nicht verlängerbare Amtsperiode und das Erfordernis einer Rekrutierung außerhalb des EZB-Rats gewährleistet. Nach demselben Modus wird auch der stellvertretende Vorsitzende ernannt. Er hingegen muss zwingend dem EZB-Direktorium entstammen und übt dieses Amt auch nach seiner Ernennung weiter aus. Der Stellvertreter ist Bindeglied zwischen aufsichtsrechtlicher und finanzpolitischer Funktion der Zentralbank. Er ist als Mitglied des Direktoriums nach Art. 283 Abs. 1 AEUV auch Teil des EZB-Rats. Die vier EZB-Vertreter werden gem. Art. 26 Abs. 5 SSM-VO vom EZB-Rat ernannt. Nach Art. 1 Abs. 1 Beschluss EZB/2014/433 werden die gleichen Qualifikationen wie für den Vorsitzenden gefordert. Die Vertreter dürfen keine Aufgaben in direktem Zusammenhang mit der Geldpolitik wahrnehmen und müssen auch sonstige Interessenskonflikte mit ihrer Gremiumsmitgliedschaft – z. B. durch Beschäftigung bei nationalen Aufsichtsbehörden – vermeiden (Art. 1 Abs. 4 Beschluss EZB/ 2014/4). In der Konsequenz wird ihnen in Art. 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 SSM-VO das volle Stimmrecht zugestanden. Die EZB-Vertreter werden sich daran messen lassen müssen, inwieweit sie diese Unvoreingenommenheit auch praktisch wahren.34 Eine weitere personelle Verschränkung ergibt sich aus der Beteiligung nationaler Zentralbankvertreter im Aufsichtsgremium. Sind die Bankenaufsicht und die Zentralbank eines Mitgliedstaats institutionell getrennt, so darf der Vertreter der Aufsichtsbehörde gem. Art. 26 Abs. 1 UA 2 SSM-VO einen Vertreter der Zentralbank, also ggf. auch den Zentralbankpräsidenten als Mitglied des EZB-Rats (Art. 283 Abs. 1 AEUV), in das Aufsichtsgremium mitbringen. Bei Abstimmungen haben beide Vertreter eine gemeinsame Stimme, müssen ihr Stimmverhalten also absprechen.35 Es ergibt sich die theoretische Möglichkeit für den Zentralbankvertreter, sowohl im Aufsichtsgremium als auch im EZB-Rat auf eine Entscheidung Einfluss zu nehmen. b) Fazit zur Zusammensetzung Dass der Verordnungsgeber eine in jeder Hinsicht konsequente Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht für unmöglich hielt, wird an der Formulierung „in direktem Zusammenhang mit der geldpolitischen Funktion“ aus Art. 25 Abs. 5 SSM-VO klar. Ein gewisser Zusammenhang zwischen beiden Bereichen besteht zwangsläufig, werden sie unter einem Dach wahrgenommen. Und tatsächlich bestehen personelle Verschränkungen zwischen Aufsichtsgremium und EZB-Rat. Jedenfalls in personeller Hinsicht sind Geldpolitik und Bankenaufsicht also keinesfalls 33 Beschluss der EZB v. 6. Februar 2014 über die Ernennung von Vertretern der EZB für das Aufsichtsgremium (EZB/2014/4), ABl. Nr. L 196, 38. 34 Vgl. etwa Luc Coene, der ohne zeitliche Unterbrechung vom EZB-Rat ins Aufsichtsgremium wechselte (EZB, Pressemitteilung vom 19. Februar 2015, https://www.bundesbank. de/Redaktion/DE/Downloads/Presse/EZB_Pressemitteilungen/2015/2015_02_19_mitglied_auf sichtsgremium_ssm.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am 18. 10. 2015). 35 Ohler (Fn. 3), S. 153.
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konsequent getrennt. Die Anordnung des Art. 25 Abs. 2 UA 2 SSM-VO, das mit der Bankenaufsicht befasste Personal müsse organisatorisch vom restlichen EZB-Personal getrennt sein, scheint sich daher nicht auf die leitenden Gremiumsmitglieder zu erstrecken.36 Die personellen Überschneidungen tragen zu einem durchaus vorteilhaften Informationsfluss zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht bei, dürfen allerdings nicht zu voreingenommenen Entscheidungen zulasten eines der beiden Kompetenzbereiche führen. c) Beschlussfassung Gem. Art. 26 Abs. 8 SSM-VO erarbeitet das Aufsichtsgremium – nach Vorbereitungsarbeiten eines Lenkungsausschusses (Art. 26 Abs. 10 SSM-VO) – Beschlussentwürfe. Diese sind dem EZB-Rat vorzulegen, der ein Widerspruchsrecht hat. Ein „destruktives Letztentscheidungsrecht“37 verbleibt also beim EZB-Rat, auch wenn dieser davon wohl nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen wird.38 Die Beschlüsse haben reine Binnenwirkung und richten sich allein an den EZB-Rat39, der wegen Art. 129 Abs. 1 AEUV zentrales Entscheidungsorgan der EZB bleibt. Dieser muss einen Widerspruch aus geldpolitischen Erwägungen begründen. Es wird also eine Überordnung der Geldpolitik vorgenommen. Aufsichtsrechtliche Entscheidungen sollen autonom ausgearbeitet, können jedoch aus geldpolitischen Gründen abgewendet werden. Die Aufgabentrennung soll einerseits Interessenkonflikte verhindern, andererseits führt sie zu einer Unterordnung des Aufsichtsgremiums unter die Tätigkeit des primärrechtlich vorgesehenen EZB-Rats. Dieser hat allerdings keine Befugnis zur Modifikation, kann Beschlüsse nur annehmen oder ablehnen, wodurch eine materielle Aufgabentrennung verwirklicht wird.40 d) Rechenschaftspflichten Art. 20 Abs. 1 SSM-VO normiert die Rechenschaftspflicht der EZB gegenüber Parlament und Rat. Diese Rechenschaftspflicht war Bedingung des Parlaments für die Zustimmung zur SSM-VO41. Die Zentralbank erstellt nach Art. 20 Abs. 2 SSM-VO einen jährlichen Bericht über ihre Arbeit. Der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums muss sich nach Abs. 5 Anhörungen vor dem Parlament und nach Abs. 8 vertraulichen Ausschussgesprächen stellen. Weiter muss die EZB Parlamentsfragen 36
Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (322). Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (322). 38 Thiele (Fn. 1), S. 522. 39 Ohler (Fn. 3), S. 155. 40 Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (471). 41 Europäisches Parlament, Parlament unterstützt Pläne für EU-Bankenaufsichtssystem – Pressemitteilung vom 22. 05. 2013, http://www.europarl.europa.eu/news/de/news-room/con tent/20130521IPR08733/html/Parlament-unterst%C3 %BCtzt-Pl%C3 %A4ne-f%C3 %BCr-EUBankenaufsichtssystem, zuletzt abgerufen am 18. 10. 2015. 37
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beantworten (Abs. 6) und ist gem. Abs. 9 zur loyalen Mitwirkung an parlamentarischen Untersuchungen verpflichtet. Das Parlament und die EZB haben – wie in Art. 20 Abs. 9 SSM-VO vorgesehen – am 6. November 2013 eine interinstitutionelle Vereinbarung über die praktische Umsetzung der Rechenschaftspflicht und die Durchführung der Kontrolle geschlossen.42 Demnach ist im Rahmen des Jahresberichts insbesondere auf die Kooperation mit den nationalen Behörden, die Trennung zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht und das eingesetzte Aufsichtspersonal einzugehen. Es werden Informationspflichten vereinbart, die sich allerdings auf Beschlussentwürfe beschränken. Dafür werden Anhörungen und vertrauliche Gespräche mit Parlamentariern eingehend geregelt. Diese dürfen über alle Aspekte des SSM geführt werden. Auch der Einsatz von Untersuchungsausschüssen gem. Art. 226 AEUV wird näher behandelt, wenn auch nicht in aller Ausführlichkeit konkretisiert. Inwieweit das Parlament in der Praxis von sich aus Untersuchungen durchführen wird, muss sich jedoch erst zeigen.43 Das „memorandum of understanding“ zum SSM zwischen EZB und Rat vom 8. Januar 2014 beinhaltet ähnliche Regelungen wie die Übereinkunft mit dem Parlament. Auch mit der EBA ist die Zentralbank in einen Dialog getreten, um die Repräsentanz der Nicht-Euro-Staaten innerhalb der EZB ausreichend zu sichern.44 Die EZB unterliegt im Rahmen der Bankenaufsicht außerdem der Kontrolle durch die EBA, soweit sie an Stelle der nationalen Aufsicht agiert (Erwägungsgrund 4, 12; Art. 1 Nr. 2 EBA-Änderungs-VO45 bzw. Art. 2 Abs. 3 lit. f EBA-VO46 n.F.). Die praktische Reichweite einer solchen Aufsicht ist jedoch noch unklar und könnte auch durch Kooperationsvereinbarungen abgeschwächt werden.47
42
Interinstitutionelle Vereinbarung (2013/694/EU) zwischen dem Europäischen Parlament und der EZB über die praktischen Modalitäten für die Ausübung der demokratischen Rechenschaftspflicht und die Kontrolle über die Wahrnehmung der der EZB im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus übertragenen Aufgaben, ABl. Nr. L 320,1. 43 Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (469). 44 Ligere, JIBLR 2015, 30(2), 121 (123). 45 Verordnung (EU) Nr. 1022/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) hinsichtlich der Übertragung besonderer Aufgaben auf die Europäische Zentralbank gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 v. 22. Oktober 2013, Abl. Nr. L, 287, 5. 46 Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission v. 24. November 2010, Abl. Nr. L, 331, 22. 47 Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (469).
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3. Zusammenfassung Die EZB übt klar umgrenzte Kompetenzen in einem beliebig erweiterbaren Zuständigkeitsbereich aus. Sie ist gegenüber verschiedenen Institutionen, vor allem dem Parlament, rechenschaftspflichtig. Mit der Aufgabenwahrnehmung ist ein spezielles Aufsichtsgremium betraut. Damit wird zwar eine gewisse Entkopplung von der geldpolitischen Tätigkeit erreicht. Die Trennung ist allerdings nicht in jeder Hinsicht konsequent. Daher ergeben sich verschiedene rechtliche Probleme. 4. Rechtliche Probleme Die Übertragung der o.g. Kompetenzen durch die SSM-VO stößt immer wieder auf Kritik. Dem Unionsgesetzgeber wird die Überschreitung der rechtlichen Grenzen vorgeworfen. Im Folgenden wird ein Überblick über rechtliche Probleme im Zusammenhang mit der SSM-VO gegeben. Es wird auf einen möglichen Konflikt der neuen Strukturen im SSM mit dem Primat der Preisstabilität und mit der primärrechtlichen Position des EZB-Rats als zentrales Entscheidungsorgan eingegangen. Angesichts des Subsidiaritätsprinzips wird die Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers beleuchtet und die Reichweite der zugrunde liegenden Kompetenznorm analysiert. Abschließend zu den Rechtsproblemen folgt die Untersuchung der Kompatibilität des SSM mit der EuGH-Rechtsprechung und dem Demokratieprinzip. a) Die EZB im Spannungsfeld zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht Anfangs wurde die Verortung der Bankenaufsicht bei der EBA, dem ESM oder bei einer neu zu gründenden Organisation diskutiert.48 Dass schlussendlich die EZB mit der Aufsicht betraut wurde, erweckt rechtliche Bedenken. Es eröffnen sich Interessenskonflikte zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht.49 So haben zwar beide Betätigungsfelder ein funktionsfähiges Bankensystem zum Ziel, der Fokus liegt aber entweder auf der Preisniveau- oder der Systemstabilität.50 Die Bankenaufsicht wird in diesem Spannungsfeld durchgeführt. Primärrechtlich setzt Art. 127 Abs. 1 S. 1 AEUV die Preisstabilität als wichtigste Aufgabe der EZB fest. Dieses Ziel wird teilweise als gefährdet angesehen.51
48
Herdegen, WM 2012, 1889 (1897 ff.); Waldhoff/Dieterich, EWS 2013, 72 (74). Thiele (Fn. 1), S. 198 ff. 50 Ohler (Fn. 3), S. 157. 51 Ioannidou, in: Beck (Hrsg.), Banking Union for Europe, 2012, S. 87 (93 f.); Kämmerer/ Starski, ZG 2013, 318 (326 f.); Peters, WM 2014, 396 (399); Thiele, GewArch 2015, 157 (157); Waldhoff/Dieterich, EWS 2013, 72 (77). 49
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aa) Kritik an der Bankenaufsicht bei der EZB Wo große räumliche Nähe der Bankenaufsicht zu den beaufsichtigten Instituten besteht, kann sog. „regulatory capture“ entstehen, das heißt unvoreingenommene Entscheidungsfindung nicht mehr möglich sein.52 Dieser Interessenskonflikt kann sich auch für die EZB ergeben. So kann die Erhöhung des Leitzinses zur Wahrung der Preisstabilität notwendig sein, aber andererseits die Lage beaufsichtigter Banken verschlechtern.53 Die EZB befände sich im Konflikt zwischen ihren beiden Zuständigkeitsbereichen, womit eine Gefährdung des Primats der Preisstabilität vorläge. Weiter wird ein Reputationsverlust der EZB im Bereich der Geldpolitik befürchtet, sollte die Zentralbank der Aufgabe, zukünftige Finanzkrisen zu verhindern, nicht gewachsen sein.54 Diese Kritik stellt zwar in erster Linie auf die rechtspolitische Überlegung, das Ansehen der Zentralbank dürfe nicht kompromittiert werden, ab. Allerdings könnten sich hieraus auch rechtliche Probleme ergeben, sollte der Primat der Preisstabilität durch einen Reputationsverlust beeinträchtigt werden. bb) Vorteile einer Bankenaufsicht durch die EZB Es gibt allerdings auch diverse Argumente, die für die Verortung der Bankenaufsicht bei der EZB sprechen. Durch den Status der Zentralbank als EU-Organ im Sinne der Verträge (Art. 13 Abs. 1 EUV) konnte die EZB die neuen Aufgaben innerhalb des unveränderten Vertragswerks übernehmen.55 Aus dieser rechtlich soliden Basis folgt die nötige Autorität bei der Wahrnehmung der Aufsichtsaufgaben. Der Kombination von Geldpolitik und Aufsichtskompetenzen werden wegen entstehender Kooperationsmöglichkeiten auch positive Synergieeffekte beigemessen.56 Grenzüberschreitende Bankentätigkeit kann durch den weiten Blickwinkel besser überwacht werden.57 Auch ist die Zentralbank letzte Anlaufstelle für Banken, die zur Aufrechterhaltung ihrer Geschäfte schnell eine größere Menge Geld benötigen. Um über diese Kreditvergaben adäquat entscheiden zu können, muss die EZB über die finanzielle Lage der anfragenden Bank genauestens informiert sein. Eigens gesammelte Informationen sind dabei am verlässlichsten.58
52
Beck, in: ders. (Fn. 51), S. 37 (39). Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (327); Peters, WM 2014, 396 (399 f.). 54 Ioannidou, in: Beck (Fn. 51), S. 87 (93 f.); Thiele, GewArch 2015, 157 (157). 55 Ferran/Babis, The European Single Supervisory Mechanism, University of Cambridge Faculty of Law Research Paper No. 10/2013, S. 3, abrufbar unter: http://ssrn.com/ab stract=2224538; Wymeersch, The European Banking Union, Financial Law Institute Working Paper Series WP 2012 – 07, S. 6, abrufbar unter: http://ssrn.com/abstract=2171785. 56 Goyal et al. (Fn. 23), S. 14; Herdegen, WM 2012, 1889 (1890). 57 Ioannidou, in: Beck (Fn. 51), S. 87 (89); Wymeersch (Fn. 55), S. 4. 58 Ioannidou, in: Beck (Fn. 51), S. 87 (90). 53
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cc) Stellungnahme Zweifelsohne gibt es potentielle Interessenskonflikte zwischen Bankenaufsicht und Geldpolitik. Der europäische Gesetzgeber war sich dessen aber durchaus bewusst. In der Folge ist in Art. 25 Abs. 2 SSM-VO die Trennung der Aufgabenwahrnehmung in Geldpolitik und Bankenaufsicht angeordnet. Art. 25 Abs. 3 SSM-VO sieht den Informationsaustausch zwischen den Funktionsträgern vor, um mögliche Synergieeffekte zu nutzen. Auch das Aufsichtsgremium (siehe oben) ist Ausdruck der Bedenken und entzieht die materielle Entscheidungskompetenz dem EZB-Rat, der lediglich in formeller Hinsicht als Beschlussorgan verbleibt. Selbst diese formellen Kompetenzen müssen gem. Art. 25 Abs. 4 SSM-VO getrennt von der Geldpolitik wahrgenommen werden. Die Schlichtungsstelle in Abs. 5 soll schließlich Konflikte zwischen beiden Bereichen ausräumen. Diese Regelungen lassen Problembewusstsein und den Willen zu verantwortungsvollem Handeln innerhalb des Spannungsfelds erkennen. Inwieweit sie in der Praxis Probleme bei der Durchführung von Geldpolitik und Bankenaufsicht lösen werden, hängt stark vom Verhalten der betreffenden Organe, insb. des EZB-Rates mit seiner Doppelfunktion, ab. Die SSM-VO zeigt jedoch Sensibilität bzgl. der Problematik. Zumindest in Zeiten funktionsfähiger Finanzmärkte sollte, angesichts der gesetzgeberischen Vorkehrungen, verantwortungsvolles Handeln im Spannungsfeld zwischen Geldpolitik und Finanzmarktstabilität möglich sein. Inwiefern die Bankenaufsicht, wie teils befürchtet59, in Systemkrisen die Stabilitätskriterien vernachlässigen wird, um das Bankensystem aufrechterhalten zu können, muss sich erst noch zeigen. Gerade in solchen Krisenzeiten ist die Aufsicht besonders gefordert. Ihre Aufgabe ist es, ungeachtet der Geldpolitik, durch das konsequente Ausüben von Druck auf Kreditinstitute in Schieflage, eine Besserung herbeizuführen.60 Sie wird hier allerdings insofern entlastet, als die Zentralbank nicht als alleiniger Akteur der Krisenbekämpfung herangezogen wird. Der SRM übernimmt als eigenständige Institution die Abwicklung maroder Banken, die EZB agiert nur als Randfigur.61 Dennoch mögliche Interessenskonflikte müssen aus den primärrechtlichen Erfordernissen heraus im Sinne der Preisstabilität gelöst werden.62 In der konkreten rechtlichen Ausgestaltung werden Bedenken bzgl. der Verortung der Bankenaufsicht bei der EZB jedoch ausgeräumt. b) Konflikt mit Art. 129 Abs. 1 AEUV Die materielle Zuständigkeit des Aufsichtsgremiums könnte eine Verletzung des Art. 129 Abs. 1 AEUV bedeuten. Nach Art. 129 Abs. 1 AEUV ist der Rat der EZB deren zentrales Entscheidungsorgan. Dem EZB-Rat verbleibt nach der SSM-VO 59
Ioannidou, in: Beck (Fn. 51), S. 87 (91 f.). Ioannidou, in: Beck (Fn. 51), S. 87 (91). 61 Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (331). 62 Herdegen, WM 2012, 1889 (1893 f.). 60
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zwar die formelle Vertretungsbefugnis für alle Angelegenheiten unter dem Dach der EZB, also auch für die Bankenaufsicht. Seine inhaltliche Mitwirkung ist allerdings durch die alleinige materielle Zuständigkeit des Gremiums stark eingeschränkt. Ihm verbleibt lediglich ein Vetorecht (siehe oben). Laut dem primärrechtlichen Art. 127 Abs. 6 AEUV können Aufsichtskompetenzen auf die EZB übertragen werden. Die Schaffung des Aufsichtsgremiums und damit eine weitgehende Entmachtung des EZB-Rats im neuen Zuständigkeitsbereich ist aber nicht vorgesehen.63 Art. 127 Abs. 6 AEUV enthält allerdings neben der prinzipiellen Möglichkeit zur Aufgabenübertragung keinen neuen institutionellen Rahmen zur Wahrnehmung der Bankenaufsicht.64 Um den Primat der Preisstabilität nicht zu gefährden (siehe oben), müssen daher bei Gebrauch des Art. 127 Abs. 6 AEUV die übertragenen Aufgaben durch Ausgestaltung des Verfahrens von der geldpolitischen Funktion getrennt werden. Die Grenzen des Art. 129 AEUV sind zugunsten dieser Aufgabentrennung weit auszulegen.65 In Grenzfällen kann der EZB-Rat weiterhin durch sein Vetorecht unerwünschte Entscheidungen verhindern. Der Status als formelles Entscheidungsorgan bewegt sich also innerhalb der Grenzen des Art. 129 Abs. 1 AEUV. c) Art. 127 Abs. 6 AEUV als taugliche Kompetenzgrundlage Nachdem der europäische Gesetzgeber Ende 2010 das europäische Finanzaufsichtssystem auf Grundlage des Art. 114 AEUV geschaffen hatte66, bediente er sich bei der Übertragung der Aufsicht auf die EZB der spezielleren67 Kompetenzgrundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV. Nach Art. 127 Abs. 6 AEUV kann der Rat bei einstimmigem Beschluss durch Verordnung besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB übertragen. EZB und Europäisches Parlament sind hierbei anzuhören. Mit der SSM-VO wurden auf dieser Ermächtigungsgrundlage weitreichende Kompetenzen übertragen (siehe oben). Teilweise wird angenommen, die Grenzen des Art. 127 Abs. 6 AEUV seien dadurch überdehnt worden. Andere sehen die SSM-VO als den weitreichendsten Verordnungserlass, der noch von der Kompetenzgrundlage gedeckt sei.68 Argumentiert
63
Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (324). Ferran/Babis (Fn. 55), S. 15; Lackhoff, JIBLR 2014, 29(1), 13 (26 f.). 65 Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (331 f.). 66 Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken v. 24. November 2010, Abl. Nr. L 331, 1. 67 Kämmerer, NVwZ 2013, 830 (835); Ohler (Fn. 3), S. 145; Waldhoff/Dieterich, EWS 2013, 72 (74). 68 Ohler (Fn. 3), S. 146. 64
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wird von beiden Seiten mit Wortlaut und Systematik der Vorschrift, da eine historische Auslegung der Kompromissformel als wenig zielführend erachtet wird.69 aa) Besondere Aufgaben Nach allgemeiner Auffassung ist durch die Beschränkung auf „besondere Aufgaben“ eine allgemeine Zuständigkeit der EZB für die Bankenaufsicht a priori ausgeschlossen.70 Eine Ansicht schließt aus der Formulierung allerdings, nur wenige, vereinzelte Aufsichtsfunktionen seien übertragbar. Der ähnliche Wortlaut in der englischen und französischen Fassung wird begründend angeführt.71 So spricht der englische Vertragstext von „specific tasks“, in der französischen Fassung ist von „missions spécifiques“ die Rede. Dieser Ansicht wird, angesichts eines gewissen Interpretationsspielraums des deutschen und teils auch des anderssprachigen Wortlauts, die Gefahr einer „Überinterpretation des Tatbestandsmerkmals“ entgegengehalten.72 „Besonders“ könne auch formell im Sinne bestimmter Aufgaben gemeint sein und damit der Abgrenzbarkeit zu nationalen Aufgaben dienen.73 Letzterem ist beizupflichten. Der englische und französische, wie auch der spanische Vertragstext, der von „tareas específicas“ spricht, können gleichermaßen in diesem Sinne verstanden werden. Das Merkmal der „besonderen Aufgaben“ ist als Bestandsschutz für mitgliedstaatliche Aufsichtsbehörden zu verstehen. Solange diesen ein klar umgrenzter Kompetenzbereich verbleibt, sind die Grenzen des Art. 127 Abs. 6 AEUV gewahrt. Die SSM-VO vertritt in Erwägungsgrund 15 einen ähnlichen Interpretationsansatz. „Besondere Aufgaben“ seien solche, die zur Gewährleistung wirksamer Aufsicht zwingend auf europäischer Ebene durchzuführen sind. Es wird also ein „verschärftes“ Subsidiaritätsprinzip zur Definition herangezogen. Die SSM-VO nimmt zweierlei Beschränkungen der Zuständigkeit der EZB vor (siehe oben). Einerseits wird ihr Aufgabenbereich konkretisiert, andererseits werden die beaufsichtigten Banken bestimmt. Die Beschränkung auf bedeutende Kreditinstitute erfolgt dabei inkonsequent. Die Zentralbank kann den Kreis der beaufsichtigten Institutionen über die Kriterien hinaus erweitern. Diese Problematik kann aber durch eine enge Auslegung der Erweiterungskompetenz des Art. 6 Abs. 5 lit. b 69 Ceyssens, NJW 2013, 3704 (3706); Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (451); Thiele, GewArch 2015, 111 (115). 70 Brandi/Gieseler, BB 2012, 2646 (2650); Häde, EuZW 2011, 662 (662); Lackhoff, JIBLR 2014, 29(1), 13 (14); Ohler (Fn. 3), S. 145; Thiele, GewArch 2015, 111 (116). 71 Herdegen, WM 2012, 1889 (1891); Waldhoff/Dieterich, EWS 2013, 72 (75). 72 Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (452). 73 Ceyssens, NJW 2013, 3704 (3706); Kämmerer, NVwZ 2013, 830 (834); Lackhoff, JIBLR 2014, 29(1), 13 (14).
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SSM-VO als ultima ratio gelöst werden.74 Die einzelnen Kompetenztitel sind dagegen klar umrissen. Es verbleibt hinreichender Handlungsspielraum für die nationale Aufsicht, die darüber hinaus eine Mitverantwortung für die Beaufsichtigung ausländischer Banken im Rahmen des Aufsichtsgremiums erhält. In gewisser Hinsicht werden ihre Kompetenzen daher sogar erweitert. Die SSM-VO überträgt lediglich „besondere Aufgaben“. bb) Zusammenhang mit der Bankenaufsicht Teilweise wird unter Heranziehung des Gesetzeswortlauts vertreten, übertragbare Aufgaben „im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht“ schlössen eine Übertragung der Aufsicht selbst aus. Der Wortlaut erfasse nicht die Übertragung der Bankenaufsicht, sondern spreche nur von Ergänzungsaufgaben, die mit dieser in Zusammenhang stehen.75 Nach anderer Ansicht verfehlte die Vertragsbestimmung ihren Zweck der Sicherung der Finanzmarktstabilität, sollte die Aufsicht nicht übertragbar sein. Als Anwendungsbereich verbliebe lediglich das Verfassen von Berichten, die die Zentralbank ohnehin anfertigen müsse.76 Die Formulierung scheint den Anwendungsbereich eher zu erweitern denn zu beschränken. Es wird eine Übertragung von Aufgaben auf dem Feld der Bankenaufsicht gestattet. Damit werden neben der Aufsicht selbst auch Annexkompetenzen zu ihrer Wahrnehmung eingeschlossen. Ein Ausschluss der Übertragbarkeit ergibt sich daraus nicht. cc) Aufgaben statt Befugnisse Weiter spricht die Vorschrift von „Aufgaben“ und nicht von „Befugnissen“. Parallel zur Unterscheidung von „Aufgaben“ und „Befugnissen“ im deutschen Verwaltungsrecht wird daher teilweise angekommen, lediglich unterstützende und beratende Aufgaben ohne Eingriffsbefugnis seien übertragbar.77 Auch im Verordnungstext ist an verschiedener Stelle von „Aufgaben“ und „Befugnissen“ die Rede, was zu der Annahme führt, der Verordnung liege eine ähnliche Unterscheidung zugrunde, die Bankenaufsicht sei nicht übertragbar.78 Die Gegenauffassung führt an, jede Aufgabe enthalte auch die Befugnis zu ihrer Wahrnehmung.79 Eine systematische Trennung der beiden Begriffe sei dem Verord74
Ohler (Fn. 3), S. 146. Kämmerer, NVwZ 2013, 830 (833). 76 Über Unterstützungsaufgaben: Kämmerer, NVwZ 2013, 830 (833); Wymeersch (Fn. 55), S. 7. 77 Brandi/Gieseler, BB 2012, 2646 (2650); Herdegen, WM 2012, 1889 (1891 f.); Waldhoff/ Dieterich, EWS 2013, 72 (75). 78 Brandi/Gieseler, BB 2012, 2646 (2650); Herdegen, WM 2012, 1889 (1891). 79 Kämmerer, NVwZ 2013, 830 (832 f.). 75
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nungstext nicht zu entnehmen.80 Außerdem werden – legte man diese Unterscheidung zugrunde – „Aufgaben“ auch bereits im Rahmen des ESZB von der EZB wahrgenommen. Letzterer Ansicht ist zuzustimmen. Art. 127 Abs. 6 AEUV verfehlte seinen Zweck, wären nur Unterstützungsaufgaben übertragbar. Der Artikel wurde als Kompromissformel81 wegen der Uneinigkeit der Gesetzgeber bzgl. der Möglichkeit und Reichweite zukünftiger europaweiter Aufsicht verabschiedet. Beschränkte er sich auf Unterstützungsaufgaben, stünde von vornherein eine Entscheidung gegen die europäische Aufsicht fest. dd) Verhältnis zu Abs. 5 Teilweise wird Art. 127 Abs. 5 AEUV als Übertragungsschranke angesehen.82 Nach Abs. 5 trägt das Europäische System der Zentralbanken zur Durchführung von Maßnahmen der für die Bankenaufsicht zuständigen Behörden bei. Sollte diese Formulierung als Kompetenzschranke in dem Sinne, dass lediglich eine bestehende Behörde unterstützt werden könne, zu lesen sein, verbliebe angesichts der Unterstützungsaufgaben der EZB (siehe oben) kaum noch ein Anwendungsbereich für Art. 127 Abs. 6 AEUV. Allerdings wird die EZB mit dem SSM eigenständig und gerade nicht als Teil des ESZB, tätig.83 Abs. 5 ist deshalb dahingehend zu interpretieren, dass eine unterstützende Funktion des ESZB auf dem Gebiet der Bankenaufsicht in jedem Fall besteht. Darüber hinaus sind aber weitere Kompetenzen übertragbar. Dies entspricht auch dem Status des Art. 127 Abs. 6 AEUV als Kompromissformel (siehe oben). ee) Fazit Die SSM-VO bewegt sich, insbesondere wegen der Möglichkeit, die beaufsichtigten Kreditinstitute nach Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO frei zu definieren, an der äußersten Grenze dessen, was noch von Art. 127 Abs. 6 AEUV gedeckt ist. Eine allzu ausufernde Interpretation von Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO führt daher zu einer Überschreitung der Grenzen des Art. 127 Abs. 6 AEUV und des Begriffs der „besonderen Aufgaben“ selbst in seiner weitesten Auslegung. Die Vorschrift ist als ultima ratio zu verstehen, von der nur Gebrauch gemacht werden darf, sollte ein Absinken des Aufsichtsstandards drohen. Ein solcher gefährdeter Aufsichtsmaßstab ist abseits der in Art. 67 Abs. 2 SSM-Rahmenverordnung aufgelisteten Faktoren nicht denkbar. Sollte das Kreditinstitut weder kurz davor stehen, die Kriterien für bedeutende Institute zu erfüllen, noch mit anderen Banken – auch als Tochterunternehmen – verflochten sein oder Hilfen des EFSF oder ESM beantragt oder erhalten haben, während die natio80 Lackhoff, JIBLR 2014, 29(1), 13 (14); Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (452); Thiele, GewArch 2015, 111 (115). 81 Lackhoff, JIBLR 2014, 29(1), 13 (14). 82 Herdegen, WM 2012, 1889 (1891 ff.). 83 Thiele, GewArch 2015, 111 (115).
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nale Aufsicht gleichzeitig ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrnimmt (Art. 67 Abs. 2 lit. a bis f SSM-Rahmenverordnung), so ist von einer Gefährdung nicht auszugehen. Eine enge Auslegung des Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO verlangt daher das positive Vorliegen mindestens eines der Faktoren aus § 67 Abs. 2 SSM-Rahmenverordnung, nicht nur deren Berücksichtigung, bei Übernahme der Aufsicht für ein weniger bedeutendes Kreditinstitut. Anders als der Zuständigkeitsbereich der EZB werden die übertragenen Kompetenzen klar definiert. Die SSM-VO kann daher zwar grundsätzlich auf Art. 127 Abs. 6 AEUV gestützt werden, steht allerdings nicht auf einem in jeder Hinsicht soliden rechtlichen Fundament. d) Das Subsidiaritätsprinzip Die SSM-VO auf Grundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV ist als binnenmarktrechtliche Vorschrift einzuordnen.84 Eine ausschließliche Unionszuständigkeit ist nicht gegeben. Insbesondere ist eine solche nicht gem. Art. 3 Abs. 1 lit. b AEUV anzunehmen, da sich diese Zuständigkeit für die Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln nach allgemeiner Auffassung nur auf die unter der Überschrift „Wettbewerbsregeln“ in Kapitel 1 von Titel VII des dritten Teils des AEUV genannten Vorschriften beziehen kann.85 Die SSM-VO fällt daher gem. Art. 4 Abs. 2 lit. a AEUV in den mit den Mitgliedstaaten geteilten Zuständigkeitsbereich. Sie muss gem. Art. 5 Abs. 3 EUV wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkung besser auf Unionsebene als auf mitgliedstaatlicher Ebene zu verwirklichen sein, unterliegt mithin dem Subsidiaritätsprinzip. In Erwägungsgrund 87 der SSM-VO wird auf das Subsidiaritätsprinzip dahingehend eingegangen, dass das Verordnungsziel, die Sicherstellung der kohärenten Anwendung eines einheitlichen Regelwerks, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend zu verwirklichen sei. Die europäische Ebene sei zu bevorzugen, da der Zusammenbruch von Kreditinstituten in einem Mitgliedstaat über den gemeinsamen Binnenmarkt auch negative Konsequenzen für andere Mitgliedstaaten mit sich bringen könne. Tatsächlich stand die nationale Bankenaufsicht immer wieder in der Kritik. aa) Zweifel an einer besseren Verwirklichung auf europäischer Ebene Allerdings wird die Finanzkrise nicht einhellig einem generellen Versagen der mitgliedstaatlichen Behörden zugeschrieben. Vielmehr werden auch ein Regulierungsgefälle zwischen nördlichen und südlichen Mitgliedstaaten und ein der Auf84
Kämmerer, NVwZ 2013, 830 (833). Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 3 AEUV, Rn. 7; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Loseblattsammlung, Stand 04/2015, Art. 3 AEUV, Rn. 12; Obwexer in Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 3 AEUV, Rn. 2. 85
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sicht entzogener Bereich der Schattenbanken angeführt.86 Dass man auf europäischer Ebene strengere Aufsichtsmaßstäbe konsequenter angewandt hätte, sei unwahrscheinlich.87 Darüber hinaus wird erst die Praxis zeigen, inwieweit sich die EZB als von den nationalen Finanzmärkten unabhängige Instanz bewährt. Systemrelevante Banken sind oftmals diejenigen, welche innerhalb der EU grenzüberschreitend operieren (vgl. „Liste beaufsichtigter Unternehmen“, Fn. 22). Mittelfristig könnte sich der nationale Konflikt deshalb auf die europäische Ebene übertragen. Einerseits wird der Blickwinkel vergrößert, andererseits beschäftigt sich der SSM nur mit den größten Instituten, die auch auf europäischer Ebene Potential für Interessenskonflikte bergen. Auch die strukturelle Abhängigkeit der Staaten von den Banken, die sie beaufsichtigen müssen, deren Schuldner sie aber auch sind, wird durch eine Europäisierung nicht gelöst.88 Es gibt also durchaus Gründe, die einen Vorteil der europäischen Bankenaufsicht zumindest anzweifeln lassen. bb) Die Vertrauensgeprägtheit der Finanzmärkte Dennoch gibt es entscheidende Argumente, die für eine europäische Bankenaufsicht sprechen. Ein Problem nationaler Aufsicht ist die besondere Vertrauensgeprägtheit der Finanzmärkte und damit die Neigung der Behörden, Unregelmäßigkeiten im eigenen Mitgliedstaat auszusitzen, um die Verunsicherung von Investoren zu vermeiden und die Finanzmarktstabilität zu sichern. Konsequentes Auftreten aus einer gewissen Distanz ist hier oftmals eher dazu geeignet, die Finanzinstitute zum Handeln zu bewegen.89 cc) Stellungnahme Demokratisch legitimierte Aufsicht ist ohne eine gewisse Verwicklung mit dem Bankensektor weder auf mitgliedstaatlicher noch auf europäischer Ebene vorstellbar. Durch die Europäisierung wird allerdings größere Unvoreingenommenheit erreicht. Dies gilt auch für das – teilweise kritisch gesehene90 – eher Output-legitimierte Demokratieverständnis im SSM. Die Output-Legitimation zieht die Ergebnisse von Entscheidungsprozessen, welche im Einklang mit dem Gemeinwohl stehen müssen, zur demokratischen Rechtfertigung von Hoheitsgewalt heran.91 Input-Legitimation rechtfertigt dagegen die Aus86
Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (446); Thiele, GewArch 2015, 111 (114). Thiele, GewArch 2015, 111 (114). 88 Ohler (Fn. 3), S. 143 f. 89 Ioannidou, in: Beck (Fn. 51), S. 87 (89); Peters, WM 2014, 396 (398); Thiele, GewArch 2015, 111 (114). 90 Insofern kritisch: Gärditz, DÖV 2010, 453 (457). 91 Nettesheim, in: GHN, Loseblattsammlung, Stand 04/2015, Art. 10 AEUV, Rn. 45; Scharpf, Regieren in Europa, 1999, S. 16. 87
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übung öffentlicher Gewalt mit Partizipations- und Teilhabemöglichkeiten der Bürger im Prozess der Entscheidungsfindung.92 Legitimationsketten von der hoheitlichen Instanz bis hin zum Wähler stehen hier im Zentrum des Demokratieverständnisses.93 Input-basierte Rechtfertigungselemente sind im SSM nur schwach ausgeprägt. Die Bankenaufseher sind durch verhältnismäßig lange Legitimationsketten94 an die einzelnen Bürger rückgekoppelt. Die EZB ist gegenüber dem gewählten Europäischen Parlament rechenschaftspflichtig (s. u.), eine über die Kontrolle hinausgehende Mitwirkungsbefugnis des Parlaments existiert jedoch nicht. Angesichts dieser wenigen Input-Elemente bedarf die Aufsicht zusätzlicher Output-Legitimation, muss also im Interesse des Gemeinwohls handeln. Die Bankenaufseher orientieren sich daher am Wohlergehen von Staaten und Bürgern, die auch als Kreditnehmer der beaufsichtigten Banken auftreten. Interessenskonflikte, die sich aus dieser Doppelfunktion des Bürgers als Kreditnehmer und legitimierendes Bezugsobjekt der Bankenaufsicht ergeben, werden durch Verlagerung auf die europäische Ebene gelöst. Wird der Kreis der legitimierenden Staaten vergrößert, so ist die Aufsicht angehalten, im Interesse des gesamten europäischen Bankensektors zu handeln, wird mithin nicht von mitgliedstaatlichen Partikularinteressen geleitet, sondern vermittelt zwischen den nationalen Zentralbankvertretern. Diese Unvoreingenommenheit erscheint mit Blick auf die o.g. Vertrauensgeprägtheit der Finanzmärkte noch entscheidender. Aus diesem Grund ist die Bankenaufsicht besser auf Unionsebene als auf mitgliedstaatlicher Ebene zu verwirklichen, was auch an dem partiellen Scheitern nationaler Bankenaufsicht in der Finanzkrise (siehe oben) sichtbar wird. Die SSM-VO ist mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar. e) Die Meroni-Entscheidungen Eine weitere rechtliche Grenze für die Bankenaufsicht wird in den Meroni-Entscheidungen bzw. der daraus extrahierten Doktrin gesehen. aa) Anwendbarkeit der Meroni-Doktrin In den Entscheidungen „Meroni I“ und „Meroni II“ aus dem Jahr 1958 hat der EuGH Kriterien für die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Einrichtungen, die in den Gründungsverträgen nicht vorgesehen sind, geschaffen. Übertragene Befugnisse dürfen nicht weitreichender sein als diejenigen, die die Verträge der über92
Nettesheim, in: GHN, Loseblattsammlung, Stand 04/2015, Art. 10 AEUV, Rn. 45; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 9 EUV, Rn. 11; Scharpf (Fn. 91), S. 16. 93 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 173 AEUV, Rn. 12. 94 Wolfers/Voland, BKR 2014, 177 (183).
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tragenden Behörde zuweisen.95 Die neue Einrichtung darf keine Entscheidungs-, sondern nur genau umgrenzte Ausführungsbefugnisse erhalten. Bei deren Ausübung ist sie von der übertragenden Behörde zu beaufsichtigen. Ihr darf kein Ermessensspielraum verbleiben.96 Eine Beeinträchtigung des institutionellen Gleichgewichts durch Sekundärrechtsakte soll damit ausgeschlossen werden.97 Der Meroni-Doktrin lagen andere Umstände als die Probleme im Rahmen der Bankenunion zugrunde. Eine Auslagerung von Kommissionskompetenzen in einen kontrollfreien Bereich sollte verhindert werden.98 Hier jedoch werden neue Aufgaben auf die Union übertragen.99 Für eine Beeinträchtigung des institutionellen Gleichgewichts spielt es indes keine Rolle, ob Aufgaben auf neue oder auf bestehende Einrichtungen übertragen werden.100 Beide Varianten verschieben das Kräfteverhältnis zwischen den Institutionen. Grundsätzlich ist die Doktrin auch im vorliegenden Fall anwendbar. bb) Fortwirken der Meroni-Doktrin Inwieweit die Grundsätze jedoch auch mehr als fünfzig Jahre nach den EuGHEntscheidungen als laufende Rechtsprechung zu werten sind, ist umstritten. Nach einer Ansicht sei die Fortwirkung zumindest zweifelhaft.101 Der EuGH habe die Kriterien bei der Neugründung zahlreicher Agenturen immer zurückhaltender angewandt.102 Nach anderer Ansicht ergebe sich die Fortwirkung aus der unveränderten Zuständigkeit der Kommission für den Vollzug des Unionsrechts (Art. 17 Abs. 1 S. 5 EUV, Art. 291 Abs. 2 AEUV).103 Von dieser Quelle indirekter demokratischer Legitimation dürfe man sich durch Kompetenzübertragung nicht allzu weit entfernen. Der Grundgedanke des institutionellen Gleichgewichts sei auf die heutige Union übertragbar.104 Jedenfalls in dieser Hinsicht sei die Doktrin – auch nach der jüngeren EuGH-Rechtsprechung – weiterhin zu berücksichtigen.105 95 EuGH Rs. C-9/56, Slg. 1958, 11, S. 40 – Meroni I; EuGH Rs. C-10/56, Slg. 1958, 53, S. 79 – Meroni II. 96 EuGH Rs. C-9/56, Slg. 1958, 11, S. 44 – Meroni I; EuGH 13. 6. 1958; EuGH Rs. C-10/ 56, Slg. 1958, 53, S. 81 – Meroni II; v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 320 f. 97 Kämmerer, NVwZ 2013, 830 (834). 98 EuGH Rs. C-9/56, Slg. 1958, 11, S. 36 – Meroni I; EuGH Rs. C-10/56, Slg. 1958, 53, S. 75 – Meroni II; vgl. Häde, EuZW 2011, 662 (663). 99 Herdegen, WM 2012, 1891 (1893). 100 Kämmerer, NVwZ 2013, 830 (834). 101 Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (454). 102 EuGH, Rs. C-217/04, EU:C:2006:279 – ENISA; Priebe, EuZW 2015, 268 (269) unter Verweis auf EuGH, Rs. C-270/12, EU:C:2014:18 – Vereinigtes Königreich gegen EP und Rat. 103 Ludwigs, DVBl. 2011, 61 (65). 104 Priebe, EuZW 2015, 268 (269).
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Dem ist zuzustimmen. Zwar zeigt der EuGH die Tendenz, die Meroni-Voraussetzungen zugunsten der Rechtspraxis weit zu fassen. Dies ist allerdings kein genereller Bruch mit der Doktrin. Obwohl sich die SSM-VO eher auf praktische denn rechtliche Erwägungen stützt106, soll die „Kraft des Faktischen“107 rechtliche Grundsätze nicht verdrängen, sondern lediglich ihrer Auslegung dienen. cc) Rechtfertigung und Ergebnis Eine gewisse Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts durch Sekundärrechtsakt sieht jedoch Art. 127 Abs. 6 AEUV vor.108 Die Meroni-Doktrin verbietet ausdrücklich nur solche Übertragungen, die in den Verträgen keine Stütze finden.109 Zur Wahrung der Doktrin müssen gem. der Leerverkaufs-Entscheidung (Fn. 105) auch ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten gegen EZB-Entscheidungen bestehen. Die gerichtliche Kontrolle wurde mit dem Lissabon-Vertrag erweitert, Lücken wurden geschlossen (vgl. Art. 263 Abs. 1 S. 2, Abs. 5; Art. 265 Abs. 1 S. 2 AEUV; Art. 47 GrCh).110 Der SSM wahrt die Grenzen der Doktrin. Die Fortexistenz der Meroni-Doktrin war dennoch ein entscheidendes Argument für die Installierung der Bankenaufsicht bei der EZB nach Art. 127 Abs. 6 AEUVund entgegen einer Ausweitung der EBA.111 Die Position der EZB als Trägerin der Bankenaufsicht hat ihren Grund daher nicht zuletzt in der Meroni-Doktrin. f) Unabhängigkeit und demokratische Legitimation Durch die SSM-VO trat die Bankenaufsicht als weitere Aufgabe neben den Kernbereich112 (Art. 127 Abs. 2 AEUV) der EZB-Zuständigkeit, die Geldpolitik. Die Zentralbank genießt bei der Aufgabenwahrnehmung ein besonderes Maß an Unabhängigkeit, das hinsichtlich des Demokratieprinzips besonderer Rechtfertigung bedarf.
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EuGH, Rs. C-270/12, EU:C:2014:18, Rn. 41 f. – Vereinigtes Königreich gegen EP und Rat; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 13 EUV, Rn. 47, 56; Wojcik, EuZW 2014, 893 (895). 106 Ferran/Babis (Fn. 55), S. 2. 107 Wittinger, EuR 2008, 609 (620). 108 Kämmerer, NVwZ 2013, 830 (834); Wymeersch (Fn. 55), S. 6. 109 EuGH Rs. C-9/56, Slg. 1958, 11, S. 44 – Meroni I; EuGH Rs. C-10/56, Slg. 1958, 53, S. 82 – Meroni II. 110 Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (454 f.). 111 Ohler (Fn. 3), S. 143. 112 Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (320).
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aa) Das Gebot der Unabhängigkeit auf dem Gebiet der Bankenaufsicht Für das Gebiet der Währungspolitik folgt die Unabhängigkeit der EZB unstreitig aus Art. 130 AEUV. Woraus sie sich in der Bankenaufsicht ergibt, ist allerdings umstritten. Teilweise wird Unabhängigkeit auf diesem Gebiet auch abgelehnt. Nach einer Ansicht bezieht sich Art. 130 AEUV ausschließlich auf die Funktion der Zentralbank als Währungshüterin. Zusätzlich übertragbare Aufgaben wie die Bankenaufsicht seien nicht erfasst.113 Teilweise will diese Auffassung die Unabhängigkeit anderweitig herleiten. Sie führt insoweit an, durch Richtlinienvorgaben kristallisiere sich die behördliche Unabhängigkeit als Prinzip des europäischen Verwaltungsrechts heraus, das durch Art. 19 SSM-VO in Bezug genommen werde.114 Nach anderer Auffassung erstreckt sich das primärrechtliche Gebot der Unabhängigkeit wegen Art. 127 Abs. 6 AEUV auch auf die Kompetenzen des EZB-Rats im Rahmen der Bankenaufsicht.115 Art. 19 SSM-VO erweitere diese Unabhängigkeitsgarantie auf das Aufsichtsgremium.116 Die primärrechtlich vorgesehene EZB-Kompetenz könne nach Art. 127 Abs. 6 AEUV durch sekundärrechtliche Übertragung aktiviert werden. Eine Bereichsausnahme für die Bankenaufsicht sei Art. 130 AEUV nicht zu entnehmen.117 Weiterhin sei die Unabhängigkeit auch in Art. 282 Abs. 3 S. 3 AEUV angelegt. Und auch Art. 283 Abs. 2 UA 2 AEUV verlange Erfahrung in Bankfragen neben der währungspolitischen Expertise der Mitglieder des EZB-Direktoriums. Der AEUV ziehe also nicht nur die Geldpolitik zur Rechtfertigung der Unabhängigkeit heran.118 Die Systematik des Vertrags spricht für letztere Ansicht. Wenn in Art. 130 AEUV auf die Wahrnehmung der durch die Verträge übertragenen Befugnisse – ohne einen auf die Währungspolitik beschränkenden Zusatz – abgestellt wird und im selben Kapitel Art. 127 Abs. 6 AEUV die Übertragung weiterer Befugnisse vorsieht, so wird dadurch klar, dass auch diese Befugnisse von der Unabhängigkeitsgarantie erfasst sein sollen. Dies wird auch an der Parallelität zum Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV deutlich. Hier ist von einer Verletzung auszugehen, verstößt ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung „aus den Verträgen“. Dieser Begriff der Verpflichtung „aus den Verträgen“ ist weit auszulegen und umfasst – wegen der Kommissionspflicht zur Durchsetzung des gesamten Unionsrechts aus Art. 17 Abs. 1 S. 2 113
Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (327 f.); Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (462). Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (460 ff.). 115 EZB, Stellungnahme v. 27. 11. 2012, ABl. Nr. C 30, 6, Nr. 1.6; Ferran/Babis (Fn. 55), S. 16; Herdegen, WM 2012, 1889 (1894); Kempen, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 127 AEUV, Rn. 16; Ohler (Fn. 3), S. 52. 116 Ohler (Fn. 3), S. 168 f. 117 Herdegen, WM 2012, 1889 (1894). 118 Selmayr, in: Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 282 AEUV, Rn. 115. 114
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EUV und der korrespondierenden mitgliedstaatlichen Verpflichtung aus Art. 4 EUV – neben dem Primärrecht auch das Sekundärrecht.119 Wenn nun Sekundärrechtsakte von der Formulierung „aus den Verträgen“ erfasst werden, muss selbiges erst recht für die Formulierung „durch die Verträge“ gelten, deren Wortlaut im Verständnis „durch die Verträge“ erlassenen Sekundärrechts einer solchen Auslegung nicht entgegensteht. Die Herleitung der Unabhängigkeit aus Art. 130 AEUV bedeutet jedoch nicht, dass die praktische Ausgestaltung dieses Gebots nicht auch durch das entstehende europäische Verwaltungsrecht, insb. das Recht der unabhängigen Regulierungsbehörden120, beeinflusst werden könnte. bb) Das Gebot der Unabhängigkeit Weder Organe und Einrichtungen der EU noch Regierungen der Mitgliedstaaten dürfen gem. Art. 130 AEUV die Entscheidungsfindung in der EZB beeinflussen. Die Zentralbank darf auch keine Weisungen dieser Stellen entgegennehmen. Ebenso resultiere nach einer Ansicht aus der Unabhängigkeit als Verwaltungsbehörde gem. Art. 298 Abs. 1 AEUV das Verbot, auch für die Kommission, der EZB durch Weisungen eine generelle Aufsichtspolitik aufzuerlegen121. Im Sinne einer prinzipiellen Bindung der Verwaltung an die Vorgaben der politisch legitimierten Institutionen122 führe die Verkürzung von Weisungsrechten allerdings zur Notwendigkeit einer Rechtskontrolle durch die Kommission dahingehend, ob sich die Verwaltungseinheit innerhalb ihrer Aufgaben bewegt.123 Nach anderer Ansicht genieße die Verwaltung zwar besagte Weisungsfreiheit, deren genaue Reichweite im Verhältnis zur Exekutive sei allerdings unklar.124 Diese Unklarheit und generell politische Unabhängigkeit der Verwaltung seien aufgrund entstehender Legitimationsprobleme durchaus kritisch zu bewerten.125
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Ehricke, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 258 AEUV, Rn. 6; Karpenstein, in: GHN, Loseblattsammlung, Stand 04/2015, Art. 258 AEUV, Rn. 25. 120 Zur grundsätzlichen Möglichkeit eines Nebeneinanders von Art. 130 AEUV und allgemeinen Grundsätzen des europäischen Verwaltungsrechts: Ruthig, ZHR 178 (2014), 443, (461). 121 Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (329); Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (467 f.). 122 Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (329); Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 298 AEUV, Rn. 8. 123 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 298 AEUV, Rn. 5. 124 Reithmann, in: Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 298 AEUV, Rn. 14 f. 125 Gärditz, DÖV 2010, 453 (461).
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Daran anknüpfend zweifelt eine dritte Ansicht angesichts der Einbindung der Verwaltung in den hierarchischen europäischen Überbau an der Reichweite der Unabhängigkeit.126 Abseits der Frage, in welchem Umfang der Verwaltung im Allgemeinen gem. Art. 298 Abs. 1 AEUV gegenüber der Exekutive Unabhängigkeit zugestanden wird, ist diese jedenfalls für die EZB auf dem Gebiet der Bankenaufsicht in vollem Umfang anzuerkennen. Dies ergibt sich aus Art. 19 Abs. 1 SSM-VO, welcher als Konkretisierung von Art. 298 Abs. 1 AEUV für den Bereich des SSM zu verstehen ist. Solange sie sich innerhalb ihrer Kompetenzen bewegt, genießt die EZB im Rahmen des SSM daher neben Art. 130 AEUVauch wegen Art. 298 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 19 Abs. 1 SSM-VO Unabhängigkeit und damit Weisungsfreiheit gegenüber der Exekutive. Daneben tritt weiterhin eine gewisse Unabhängigkeit im Verhältnis zur Legislative, die mit der Fortentwicklung des europäischen Verwaltungsrechts durch weitere Ermessensspielräume auszugestalten sein wird.127 cc) Rechtfertigungsbedürfnis hinsichtlich des Demokratieprinzips Nach Art. 10 Abs. 1 EUV beruht die Arbeitsweise der Union auf dem Prinzip der repräsentativen Demokratie. Gleichzeitig bildet die Unabhängigkeit der Zentralbank eine Barriere zwischen der EZB und den demokratischen Legitimationsträgern. Die Unabhängigkeit besteht zwar nur innerhalb der primärrechtlichen Grenzen, alle Maßnahmen können gem. Art. 9 Abs. 1 EUV, Art. 263 ff. AEUV nachgeprüft werden.128 Es wird allerdings eine gewisse Entkopplung von der Verantwortlichkeit vor einem Parlament vorgenommen. Diese Entkopplung bedarf angesichts der Tatsache, dass die Legitimationskette des Aufsichtsgremiums selbst für EU-Verhältnisse außergewöhnlich lang ist129, besonderer Rechtfertigung. Im Bereich der Geldpolitik wird die Unabhängigkeit mit dem Primat der Preisstabilität (Art. 3 Abs. 3 UA 1 EUV, Art. 119 Abs. 2, Art. 127 Abs. 1 AEUV)130, der die Lösung der Bankentätigkeit von politischen Interessen in besonderer Weise verlangt131, gerechtfertigt. Hier jedoch werden, anders als in der Geldpolitik, hoheitliche Durchsetzungsbefugnisse übertragen.132 Diese übertragenen Befugnisse sind denkbar weit. Die Kernmaterien des europäisierten Wirtschaftsrechts wurden bisher im Wege des indirekten Vollzugs von den Mitgliedstaaten durchgeführt. Nun übernimmt 126
Ruffert, in: Hatje/Schwarze (Hrsg.), Der Reformvertrag von Lissabon, 2009, S. 31 (45). Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (466 f.). 128 Ohler (Fn. 3), S. 169. 129 Wolfers/Voland, BKR 2014, 177 (183). 130 Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (320). 131 Beck, in: ders. (Fn. 51), S. 37 (39 f.); Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (323); Ohler (Fn. 3), S. 169. 132 Ohler (Fn. 3), S. 169; Wolfers/Voland, BKR 2014, 177 (182). 127
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die EZB ihren Vollzug direkt.133 Man entfernt sich also vom mitgliedstaatlichen Legitimationsträger. Teilweise wird angeführt, es sei kein hochrangiger Belang des Primärrechts gegeben, der diese Aufgabenübertragung rechtfertige. Insbesondere liege kein mit der Geldwertstabilität vergleichbares Erfordernis vor.134 Die SSM-VO erkennt das besondere Rechtfertigungsbedürfnis in Erwägungsgrund 85 an und schlägt eine Vertragsänderung vor, um den SSM auf festeren demokratischen Boden zu stellen. dd) Rechtfertigung Die Rechtfertigung der Unabhängigkeit ergibt sich auch aus dem aktuellen Primärrecht. In formeller Hinsicht rechtfertigt Art. 130 AEUV die Einschränkung der demokratischen Verantwortlichkeit. In materieller Hinsicht werden nur konkrete Befugnisse durch den über die nationalen Parlamente mittelbar legitimierten Rat übertragen.135 Außerdem ist die EZB gegenüber dem Parlament rechenschaftspflichtig (siehe oben). Zwar wird die parlamentarische Kontrolle teils als nicht ausreichend angesehen136, und es ist unklar, inwieweit das Parlament eigene Untersuchungen durchführen wird. Die Rechenschaftspflichten gehen jedoch über die Anforderungen in der Währungspolitik hinaus (Art. 284 AEUV).137 Die EZB ist zur Bereitstellung von Informationen verpflichtet. Außerdem ist das Parlament bei Rechtsverstößen gem. Art. 263 Abs. 2 AEUV privilegiert klagebefugt und kann daher die Prüfung von Zentralbankentscheidungen am Primärrecht veranlassen. Der EZB werden also einerseits weitreichende Befugnisse übertragen, durch die Kontrolle an mehreren Stellen wird jedoch auch in diesem Kompetenzrahmen demokratische Legitimation hergestellt. Nicht zuletzt mit Erwägungsgrund 85 der SSMVO zeigt der Gesetzgeber Problembewusstsein. Allerdings wird erst die Praxis zeigen, inwiefern das europäische Parlament durch Analyse des ungehinderten Informationsflusses eine hinreichende Kontrolle der EZB gewährleisten kann. Die zugestandenen Rechte müssen auch effektiv ausgeübt werden, wozu nicht zuletzt die Mitwirkung der EZB notwendig ist. Eine Stärkung der Rechenschaftspflichten durch Vertragsänderung – wie in Erwägungsgrund 85 der SSM-VO vorgesehen – wäre sicherlich wünschenswert. ee) Vereinbarkeit der SSM-VO mit dem Grundgesetz Gleichermaßen ist die SSM-VO mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar. 133
Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (447). Herdegen, WM 2012, 1889 (1894 f.). 135 Ohler (Fn. 3), S. 169. 136 Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (468); Wolfers/Voland, BKR 2014, 177 (182). 137 Selmayr, in: Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 282 AEUV, Rn. 117. 134
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Ob das erlassene Zustimmungsgesetz138 i.S.d. Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG dazu notwendig war, oder ob die erforderliche Zustimmung bereits mit dem Gesetz zum Vertrag von Maastricht139, der Art. 127 Abs. 6 AEUV ins Vertragswerk einführte140, erfolgte, kann dahinstehen.141 Jedenfalls stellt weder das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht – auch vor dem Verständnis der Reichweite einer möglichen Aufsichtsübertragung – noch das Zustimmungsgesetz zur SSM-VO einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 S. 2, 79 Abs. 3 GG dar. Das Demokratieprinzip aus Art. 20 GG wird aufgrund der Kombination aus mittelbarer demokratischer Legitimation und Rechenschaftspflichten, ebenso wie auch das Demokratieprinzip aus Art. 10 Abs. 1 EUV, nicht verletzt. g) Fazit zu den rechtlichen Problemen Auch wenn die auf die EZB übertragenen Befugnisse denkbar weit sind und sich an den Grenzen des rechtlich Möglichen bewegen, ging der Gesetzgeber im Wissen um diese Grenzen umsichtig vor. Mittelfristig könnte ein sichereres rechtliches Fundament, das insbesondere Unstimmigkeiten hinsichtlich der Rechtsgrundlage und der demokratischen Legitimation ausräumt, dennoch zu einer größeren Akzeptanz des SSM beitragen. 5. Rechtsschutz Auch die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, die nun abschließend behandelt werden soll, ist für die Wahrung der rechtlichen Grenzen, insbesondere der Meroni-Doktrin (siehe oben), maßgeblich. Die sprachliche Ausgestaltung der SSM-VO lässt weiten Raum für ihre Auslegung. Rechtliche Streitigkeiten zwischen EZB, nationaler Aufsicht und den beaufsichtigen Instituten könnten die Folge sein.142 Es ist daher entscheidend, inwieweit Rechtsschutz gegen Maßnahmen des SSM möglich ist. 138 Gesetz zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank v. 25. Juli 2013, BGBl. II 2013, 1050. 139 Gesetz zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union v. 28. Dezember 1992, BGBl. II, 1251. 140 Selmayr, in: Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 127 AEUV, Rn. 43. 141 Gegen die Notwendigkeit: Mayer, Stellungnahme im Finanzausschuss am 3. 6. 2013, S. 3 ff., http://www.jura.uni-bielefeld.de/lehrstuehle/mayer/dokumente/Stellungnahme_GesetzEZB.pdf, zuletzt abgerufen am 15. 10. 2015; wohl für ein Zustimmungsgesetz, da die neuen Aufsichtsaufgaben im Primärrecht lediglich „angelegt“ seien: Wolfers/Voland, BKR 2014, 177 (180 f.); anders: Kämmerer/Starski, ZG 2013, 318 (327 f.), welche die Zustimmung zu einer unabhängigen Bankenaufsicht über Art. 23 Abs. 1 GG als Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG bewerten. 142 Ohler (Fn. 3), S. 143, der die Zuständigkeitsverteilung durch Art. 6 Abs. 4 SSM-VO als kaum verständlich bewertet.
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Die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der EZB unterliegen gem. Art. 19 Abs. 1 EUV, Art. 263 ff. AEUV der vollständigen Kontrolle durch den EuGH. Weder Art. 130 AEUV143 noch die Unabhängigkeit als Verwaltungsbehörde schließen die Überprüfbarkeit aus.144 Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich auf die Frage, ob die EZB innerhalb der primärrechtlichen Grenzen handelt. Innerhalb dieser Grenzen verbleibt ihr Ermessen, was Erwägungsgrund 64 der SSM-VO auch für das interne Überprüfungsverfahren klarstellt. Der richtige Beklagte bestimmt sich nach dem unionsrechtlichen Trennungsprinzip145, das auch daran, dass EZB-Entscheidungen durch nationale Aufsichtsbeschlüsse durchgeführt werden (Art. 6 Abs. 5 lit. a UA 1 SSM-VO), manifest wird. Rechtsakte von Organen und Institutionen der EU sind auf europäischer Ebene anzugreifen. Die nationale Gerichtsbarkeit ist zuständig für Streitigkeiten über den mitgliedstaatlichen Vollzug. Bei Klagen gegen Handlungen des SSM ist die EZB die richtige Beklagte (Art. 35.1 ESZB-Satzung). Für Nichtigkeitsklagen natürlicher und juristischer Personen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV ist im ersten Rechtszug das Gericht gem. Art. 256 Abs. 1 UA 1 AEUV zuständig.146 Untätigkeitsklage kann nach Art. 265 UA 3 AEUV, 256 Abs. 1 UA 1 AEUV vor dem EuG erhoben werden. Für Klagen von Unionsorganen gegen Handlungen oder unterlassene Beschlussfassungen ist der EuGH zuständig (Art. 51 Abs. 2 Satzung EuGH). Bei Streitigkeiten über Maßnahmen nationaler Behörden – auch solche, die auf Weisungen der EZB beruhen, – ist dagegen vor der nationalen Gerichtsbarkeit vorzugehen.147 Bei Unklarheiten über den Stand des Verfahrens – beispielsweise bei gestuften Verfahren wie dem Zulassungsverfahren nach Art. 14 SSM-VO – kann es sinnvoll sein, Rechtsschutz sowohl vor dem EuGH als auch vor dem nationalen Gericht zu suchen.148 Gleiches muss wohl für die Fälle gelten, in denen die europäische Gerichtsbarkeit eigentlich nationales Recht als Prüfungsmaßstab heranziehen müsste, ihr selbiges aufgrund allgemeiner Grundsätze allerdings verwehrt bleibt.149 Nach Art. 4 Abs. 3 SSM-VO wendet die EZB zur Sicherstellung des Aufsichtsstandards neben dem Unionsrecht auch Umsetzungsakte von Richtlinien und Verordnungen an, die als mitgliedstaatliches Recht keinen gem. Art. 19 Abs. 3 EUV tauglichen Entscheidungsmaßstab für die europäische Gerichtsbarkeit bilden. Insofern müsste eine Ausnahme vom Trennungsprinzip geschaffen werden. Auch die Amtshaftung richtet sich nach dem Trennungsprinzip. Die Kompensation von Schäden erfolgt nach Art. 340 AEUV, die nationale Aufsicht muss sich nach 143
Ohler (Fn. 3), S. 169. Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (470). 145 Berger, WM 2015, 501 (504); Ohler (Fn. 3), S. 227; Thiele, GewArch 2015, 157 (159). 146 Berger, WM 2015, 501, (505). 147 Herdegen, WM 2012, 1889 (1896); Ohler (Fn. 3), S. 227. 148 Berger, WM 2015, 501 (504 ff.); Lackhoff, JIBLR 2014, 29(1), 13 (28). 149 Dazu: Thiele, GewArch 2015, 157 (159). 144
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innerstaatlichem Recht verantworten.150 Auf europäischer Ebene ist nach Art. 268, Art. 256 Abs. 1 UA 1 AEUV das EuG zuständig. Art. 24 Abs. 5 SSM-VO sieht für Adressaten der EZB-Beschlüsse einen administrativen Überprüfungsausschuss vor, der die Beschlüsse gem. Art. 24 Abs. 1 SSMVO auf ihre Vereinbarkeit mit der Verordnung prüft. Wegen Art. 4 Abs. 3 SSMVO sind auch sekundärrechtliches Aufsichtsrecht, nationales Umsetzungsrecht und das Primärrecht zu berücksichtigen.151 Mitsamt seiner Stellungnahme überweist der Ausschuss den Beschluss zurück an das Aufsichtsgremium (Art. 24 Abs. 7 SSMVO). Die Kontrolle vor dem Überprüfungsausschuss als unabhängiges Gremium innerhalb der EZB schließt den Zugang zum EuGH nicht aus, sondern ist als Vorverfahren i.S.d. Art. 263 Abs. 5 AEUV zu verstehen.152 Teilweise wird angeführt, aus Effizienzgründen sei das Vorverfahren zwingend durchzuführen.153 Art. 24 Abs. 11 SSM-VO lässt allerdings erkennen, dass es lediglich ein fakultatives Angebot an den Kläger ist.154 Wegen seiner Effektivität und Beteiligtenfreundlichkeit ist es als weitere Rechtsschutzebene positiv zu bewerten.155 Bedenken bzgl. des effektiven Rechtsschutzes zur Erfüllung der Meroni-Kriterien (siehe oben) werden durch die umfassenden Prüfungsmöglichkeiten ausgeräumt. Der SSM bewegt sich auch diesbezüglich innerhalb der rechtlichen Grenzen.
IV. Ergebnis und Ausblick Mit der Übertragung umfangreicher Kompetenzen auf die EZB wurde ein neuer, bislang unerprobter Aufsichtsmechanismus geschaffen. Nachdem der bestehende rechtliche Rahmen zwar bis an seine Grenzen ausgereizt, jedoch nicht überschritten wurde, gilt es für die Zukunft, die geschilderten Regeln in der praktischen Anwendung mit Leben zu füllen.156 Ende 2014 war man noch ganz überwiegend mit dem Aufbau des SSM als Vorbereitungsmaßnahme für die künftige Aufsichtstätigkeit beschäftigt.157 Die praktische Umsetzung und der Jahresbericht 2015 bleiben daher mit Spannung zu erwarten. Auch der Umgang nationaler Gerichte mit der Kompetenz150
Ohler (Fn. 3), S. 227. Ohler (Fn. 3), S. 228. 152 Ruthig, ZHR 178 (2014), 443 (470 f.). 153 Selmayr, in: Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 282 AEUV, Rn. 118. 154 Berger, WM 2015, 501 (504 f.); Lackhoff, JIBLR 2014, 29(1), 13 (27); Thiele, GewArch 2015, 157 (159). 155 Thiele, GewArch 2015, 157 (159). 156 Vgl. Bundesfinanzministerium, Die Europäische Bankenunion, https://www.bundesfi nanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2014/06/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3 – 2-eu ropaeische-bankenunion.html?view=renderPrint, zuletzt abgerufen am 18. 10. 2015. 157 Vgl. EZB, Jahresbericht 2014, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ ssmar2014.de.pdf, zuletzt abgerufen am 18. 10. 2015. 151
Die Europäische Zentralbank in der Bankenunion
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übertragung wird entscheidend für die Fortentwicklung der Bankenunion sein. Eine im Juli 2014 erhobene, gegen den SSM gerichtete Verfassungsbeschwerde ist vor dem BVerfG anhängig (Az. 2 BvR 1685/14).158 Um etwaigen Unstimmigkeiten zu begegnen, sollten sich die Regierungen der Mitgliedstaaten erneut mit den primärrechtlichen Grundlagen der Bankenunion auseinandersetzen und den SSM – besonders hinsichtlich der demokratischen Legitimation – durch Vertragsänderung auf ein sicheres rechtliches Fundament stellen.
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Bergmann/Mickel (Fn. 30), „Bankenunion“.
Tagungsbericht* Von Christopher Langer, Würzburg Zentrale Themen der Tagespolitik mit europarechtlicher Prägung standen auf dem Programm des Symposiums „Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts“, das am 27./28. 02. 2015 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg stattfand. Experten aus Wissenschaft und Praxis referierten auf Einladung von Prof. Dr. Markus Ludwigs, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Europarecht, sowie der Vereinigung Göttinger Europarechtler e.V. zu den aktuellen Herausforderungen der Energiewende sowie der Bewältigung der Finanzkrise. Neben Netzausbau und Beihilfenkonformität der Förderung erneuerbarer Energien bildeten u. a. die aktuellen Bemühungen der EZB zur Stabilisierung der Finanzmärkte sowie eine Fallstudie zum neu geschaffenen Regime der Bankenaufsicht den Mittelpunkt der Veranstaltung.
I. Einleitung Die Dekanin der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg Frau Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger begrüßte die zahlreichen Tagungsteilnehmer in der Festaula der Neubaukirche. Sie hob hervor, dass, anders als bei manch anderem Streitpunkt in der politischen Diskussion, die Themenschwerpunkte der Veranstaltung „Energiewende und Finanzkrise“ einer rechtlichen Regulierung sehr wohl zugänglich seien. Aus juristischer Perspektive stelle gerade dies einen faszinierenden Ansatz dar. Zudem bestehe, wie das Beispiel Griechenland zeige, neben interdisziplinären Einflüssen wie etwa aus dem Bereich der Ökonomie, ein Konflikt zwischen Politik und Recht. Kieninger drückte ihre große Freude aus, dass die Vereinigung Göttinger Europarechtler e.V. anlässlich ihres 10-jährigen Bestehens die Universität Würzburg zum Veranstaltungsort des Symposiums zur Erörterung dieser Problemfelder gewählt hat. Prof. Dr. Markus Ludwigs stellte im Anschluss die Vereinigung Göttinger Europarechtler e.V. als Netzwerk von Wissenschaftlern mit Ursprung in Göttingen vor, die sich dem europarechtlichen Diskurs verschrieben haben. Im Rahmen der Themeneinführung zum Jahrhundertprojekt „Energiewende“ erwähnte Ludwigs den Wandel des EEG von einem Regime fester Einspeisevergütungen hin zu stärker marktbezo*
Geringfügig veränderte Fassung des Tagungsberichts aus EWS 2015, S. 91 ff.
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genen Fördermechanismen, die neuen Energie- und Klimaziele des Europäischen Rates für 2030, die Klage der Bundesregierung zum Gericht der EU bzgl. des deutschen Fördersystems (EEG 2012) sowie den Kommissionsvorschlag vom 25. 02. 2015 für eine „Europäische Energieunion“. Hinsichtlich des Themenblocks „Finanzkrise“ verwies Ludwigs auf die Einführung der neuen europäischen Bankenaufsicht sowie die Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón zum OMT-Beschluss der EZB. Hierbei stehe zur Debatte, ob der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB kompetenzgemäß sei. Mit Spannung bleibe im Übrigen abzuwarten, ob die Ankündigung eines erweiterten Programms zum Ankauf von Vermögenswerten durch die EZB mit dem enormen Umfang von 1,14 Billionen Euro bis Ende September 2016 zu einer Beruhigung der Finanzmärkte führen werde. Gleiches gelte für die Frage eines „Grexit“, der trotz zwischenzeitlich erzielter Kompromisse weiterhin auf der Tagesordnung steht.
II. Themenblock I: Energiewende 1. Die Energiewende als Herausforderung für die Bundesnetzagentur Im ersten Vortrag erläuterte Herr Karsten Bourwieg, Referatsleiter für Energierecht bei der Bundesnetzagentur (BNetzA), zunächst die Aufgaben der Bundesoberbehörde im Bereich der Energiewende. Neben der klassischen Regulierung im Bereich von Strom und Gas stehe das Thema Netzausbau und Versorgungssicherheit zunehmend im Fokus der ca. 280 Mitarbeiter der Energieregulierung. Für den transeuropäischen Netzausbau setze die TEN-E-Verordnung der EU (Nr. 347/2013) ein einheitliches Regelungsregime. Dementsprechend sei die Energiewende nicht ein rein deutsches Projekt, sondern diene auch der Verwirklichung der EU-Klimaziele durch Schaffung eines voll funktionsfähigen und vernetzten Energiebinnenmarktes. Kernpunkt der TEN-E-VO seien die derzeit europaweit ca. 250 Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (VGI). Hierbei liefere Art. 12 der VO im Rahmen einer Cross-Boarder-Cost-Allocation einen Ausgleich für die transnationale Leitungsnutzung. Am Beispiel litauischer oder britischer Projekte erläuterte Bourwieg das Prozedere und die Fragen zur Kostenbeteiligung anderer am Bau beteiligter Mitgliedsstaaten und solcher, denen auf Basis der Kosten-NutzenAnalyse ein positiver Netto-Nutzen ausgewiesen wird. Nach den Empfehlungen der europäischen Energieagentur ACER ist Voraussetzung für ein solches Verfahren ein Drittnutzen, der 10 % der Kosten übersteigt, sowie eine negative Kosten-NutzenBilanz des Netzbetreibers im Ursprungsland. Der von der TEN-E-VO vorgesehene Verfahrensablauf sehe hierzu zunächst eine „koordinierte Entscheidung“ der beteiligten nationalen Regulierungsbehörden (NRA) vor. Dabei entschieden nachgeordnete Behörden der Mitgliedstaaten auf Basis einer verbindlichen Ermächtigungsgrundlage europäischen, unmittelbar für die Mitgliedstaaten geltenden Sekundärrechts mit Wirkung gegen private Rechtssubjekte, was die Frage aufwerfe, ob es sich um eine neue Entscheidungsform der EU handele. Hinsichtlich der divergenten
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nationalen Regelungsregime sowie fehlender Vorgaben bezüglich einer kooperativen Entscheidungsfindung stellte Bourwieg die These auf, dass eine Übereinkunft im Dialog der NRAs häufig nur schwer zu erzielen sein dürfte und die Entscheidung demnach entsprechend der TEN-E-VO auf ACER übergehe. Adressat der Maßnahmen von ACER sei wiederum die jeweilige NRA, der die Umsetzung im nationalen Recht obliege. Rechtschutz gewähre zunächst die Beschwerdestelle der ACER, gegen deren Entscheidung der Rechtsweg zu den Gerichten der EU offen stehe. Für die Umsetzung auf der nationalen Ebene existiere eine spezielle Zuständigkeit des OLG Düsseldorf. Bourwieg schloss mit der These, dass die EU mit den durch die TEN-E-VO gewährten weitreichenden Befugnissen für ACER eine neue Entscheidungsform gewählt hat, deren wissenschaftliche Analyse erst am Anfang stehe.
2. Die Förderung erneuerbarer Energien im Lichte des europäischen Beihilferechts Während die Herausforderungen der Energiewende in politischer, technischer, ökonomischer und administrativer Hinsicht schon länger diskutiert werden, identifizierte Prof. Dr. Matthias Knauff (Universität Jena) die EU-Beihilfenkonformität als neuere Fragestellung. In den Fokus rückte diese, als die Kommission im Dezember 2013 das EEG 2012 auf den Prüfstand stellte. Knauff unterschied hierzu im deutschen System zwei beihilferechtlich relevante Dimensionen. Zum einen führe die fehlende Wettbewerbsfähigkeit der neuen Technologien zu einem Förderbedarf mittels Einspeisevergütungen. Zum anderen werde versucht, eine Überbelastung der deutschen Wirtschaft durch Ausnahmetatbestände bei der EEG-Umlage (beispielsweise für energieintensive Industriebetriebe) zu vermeiden. Den rechtlichen Rahmen zur europäischen Beihilfenkontrolle böten Art. 107 AEUV sowie die Beihilfeleitlinien Umwelt und Energie der Europäischen Kommission. In Rahmen der ersten Dimension argumentiere die Bundesregierung, dass im nationalen System der Einspeisevergütung schon gar keine Beihilfe vorliege. Dabei führe sie an, dass die Zahlungen im Wege der EEG-Umlage ausschließlich zwischen Privaten erfolgten. Weiterhin stelle die Bundesregierung auf die Preußen Elektra-Judikatur ab. Hiergegen wendete Knauff sich in seinem Vortrag, indem er darauf hinwies, dass das für die Annahme einer Beihilfe zentrale Kriterium der Staatlichkeit der Mittel lediglich von der juristischen Konstruktion abhängig sei. Schließlich kontrolliere, steuere und beeinflusse der Staat über das EEG die Zahlungsströme. Nach Ansicht von Knauff bildet vielmehr die Entscheidung Steinike & Weinling den richtigen Bezugspunkt. Auf dieser Grundlage halte er es durchaus für wahrscheinlich, dass die Klage der Bundesregierung vom 02. 02. 2015 gegen die Kommission zum EEG 2012 scheitern werde. Weiterhin subsumierte er auch die Befreiungen für energieintensive Industriebetriebe (2. Dimension) als Ausnahme von Belastungen unter den Beihilfebegriff. Dieser Ansicht sei wohl auch die Bundesregierung, da das EEG 2014 gemäß Art. 108 AEUV notifiziert wurde. Die erforderliche Ausnahme in beiden Dimensionen auf Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV zu stützen, halte er für wenig überzeugend. Schließlich
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sei der Wirtschaftszweig der erneuerbaren Energien zwischenzeitlich am Markt etabliert. Hingegen könne Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV fruchtbar gemacht werden. In seinem Schlussfazit stellte Knauff die im EEG 2014 enthaltenen Beihilfen als europarechtskonform fest. Hierzu sei eine Neuinterpretation des Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV möglich. Auf lange Sicht sei jedoch zur Vermeidung weiterer Klagen und Unsicherheiten eine europarechtliche Harmonisierung der Fördermechanismen überlegenswert. 3. Beschleunigter Netzausbau durch Unionsrecht – Die TEN-E-Verordnung Nr. 347/2013 Die unionsrechtlichen Vorgaben zum Netzausbau standen im Mittelpunkt des Vortrags von Frau Dr. Stefanie von Landwüst (Kanzlei Redeker/Sellner/Dahs, München). Die auf Art. 172 AEUV gestützte TEN-E-VO diene der Umsetzung der energiepolitischen Ziele Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit sowie Versorgungssicherheit. Die Verordnung verfolge die konkreten Ziele, den Netzausbau auf europäischer Ebene zu beschleunigen und die Öffentlichkeitsbeteiligung zu verbessern. Den Kernpunkt bildeten hierbei nach Art. 7 der VO die Vorhaben von gemeinsamem Interesse (VGI). Zur Beschleunigung der nationalen Genehmigungsverfahren würde diesen ein Vorrangstatus eingeräumt. Gleichzeitig hätten die Mitgliedsstaaten eine zentrale Behörde zu benennen (in Deutschland: BNetzA) und das Verfahren in einem Zeitraum von 3,5 Jahren (zzgl. einer Verlängerungsoption von maximal 9 Monaten) abzuschließen. Frau von Landwüst bewertete die Intention der Verordnung grundsätzlich positiv, wenngleich zur Vermeidung eines Konflikts mit Art. 172 AEUVals Rechtsform vorrangig eine Richtlinie bzw. ein Beschluss zu wählen gewesen wäre. Das tatsächliche Beschleunigungspotential sieht sie hingegen kritisch. Ein Zeitraum von maximal 4 Jahren und 3 Monaten sei gerade im Hinblick auf das zweite Ziel – Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit – sehr ambitioniert. Eine Straffung der Genehmigungsabläufe berge im Hinblick auf Erfordernisse, wie etwa die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen, die Gefahr von Abwägungsdefiziten. Fraglich sei zudem die Geltung der Fristen bei abschnittsweiser Vorhabengenehmigung wie es das deutsche Planfeststellungsverfahren vorsehe. Insofern sei wohl eine entsprechende Auslegung des Art. 10 der VO erforderlich. Als weiteren Schwachpunkt identifizierte von Landwüst unzureichende Sanktionsmöglichkeiten bei Fristversäumnissen. Den in der Verordnung vorgesehenen Berichtspflichten sowie der Bestellung eines europäischen Koordinators fehle es an effektiver Wirkung zur Beschleunigung des Verfahrens. In ihrem Schlussfazit hob von Landwüst die Notwendigkeit von Leitlinien im mitgliedstaatsübergreifenden Planungsverfahren hervor. Die Praxistauglichkeit müsse die TEN-E-Verordnung allerdings erst noch unter Beweis stellen. Deutschland sei mit den im NABEG und EnLAG vorgegebenen Strukturen jedenfalls gut gerüstet, den Praxistest zu bestehen.
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4. Resümee Zum Abschluss des ersten Veranstaltungstages dankte der Mitveranstalter PD Dr. Stefan Korte (Freie Universität Berlin) den Referenten für die interessanten Beiträge und anschaulichen Einblicke in das europarechtliche Regelungsregime der Energiepolitik. In Zusammenfassung der zahlreichen Diskussionsbeiträge hob er hervor, dass Leitlinien in der Praxis durchaus notwendig seien. Gleichwohl bestünden gegen eine hiermit intendierte Feinsteuerung des mitgliedstaatlichen Handelns, wie sie etwa in den Beihilfeleitlinien für Umwelt und Energie oder der Einrichtung von europäischen Agenturen (ACER) zum Ausdruck kämen, juristische Bedenken.
III. Themenblock II: Finanzkrise 1. Warum sind Finanzmärkte so instabil Im Anschluss an eine kurze Einführung in die Themen des zweiten Tages und eine Vorstellung der Referenten durch die Mitveranstalter Prof. Dr. Ludwigs und PD Dr. Alexander Thiele (Universität Göttingen) sprach der „Wirtschaftsweise“ Prof. Dr. Peter Bofinger (Universität Würzburg) zum Thema „Warum sind die Finanzmärkte so instabil?“. Bofinger startete mit der Feststellung, dass die aktuelle Instabilität der Finanzmärkte quasi „aus dem Nichts“ entstanden wäre. Insofern sei auch die finanzökonomische Wissenschaft von der Krise überrascht gewesen. Dies veranlasste ihn zu der provokanten Frage an das Auditorium, warum es der Ökonomie so schwer gefallen sei, die Gefahren zu erkennen. Zur Beantwortung zeichnete Bofinger einen Kurzabriss über den Verlauf der Turbulenzen an den Finanzmärkten, angefangen bei der Subprime-Krise in den USA über die Bankenkrise bis hin zur aktuellen Staatsschuldenkrise. Als eine Schlüsselursache identifizierte er das im Wege der „Great Moderation“ der Jahre 2000 bis 2007 verlorene Risikobewusstsein von Banken und Ökonomen. Eine zu exzessive Kreditvergabe der Banken habe für eine Aufblähung der Realwirtschaft gesorgt. Während im finanzwissenschaftlichen Modell der „guten Bank“ Spareinlagen die Voraussetzung für eine Kreditvergabe darstellen, hätten die Banken in den Jahren nach dem Jahrtausendwechsel zunehmend Kredite vergeben und dadurch erst Einlagen durch eine Erhöhung der Bilanzsummen kreiert. Ein funktionierender Interbankenmarkt und das gegenseitige Vertrauen der Akteure habe dieses System zunächst am Laufen gehalten. Klassische Bremsen der Kreditwirtschaft wie eine restriktive Leitzinsgestaltung durch die Notenbanken und strenge Eigenkapitalvorschriften (Abkehr von risikogewichteten Aktiva) hätten versagt bzw. noch nicht existiert. Im Gegensatz zu den im Wege einer ex-post-Betrachtung identifizierten Ursachen litten die Finanzmärkte aktuell an einer systemischen Krise durch eine restriktive Kreditvergabe der Banken an die Privatwirtschaft und Fluktuationen im Interbankenmarkt. Für den Euroraum ergebe sich hierbei ein Teufelskreis, angefangen bei der Bankenkrise, deren Lösung durch die Mitgliedsstaaten zu einer Staatsschuldenkrise
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führte und nun in einer makroökonomischen Krise gipfelt. Dies beeinflusse wiederum den Interbankenmarkt negativ. Als Anlass für die prekäre Lage des Euroraumes identifiziert Bofinger hierbei das gewissermaßen „neu entdeckte“ Insolvenzrisiko von Staaten. Aus diesem Grund blickte er in seinem Schlussfazit auch mit einer gewissen Skepsis auf das aktuelle Vorhaben der EZB hinsichtlich des erweiterten Programms zum Ankauf von Anleihen (sog. quantitative easing „QE“). Dessen Wirkkraft auf die Kreditvergabebereitschaft der Banken sei mit Blick auf die durch die „0-Zins-Politik“ bereits „kostenlos“ verfügbaren Kredite eher zu bezweifeln. 2. Die Krise im Euroraum als Herausforderung für die EZB Anknüpfend an seinen Vorredner schilderte Dr. Michael Sturm (stellv. Abteilungsleiter EZB) die konkreten Herausforderungen der Krise im Euroraum für das Handeln der EZB. Er betonte, dass alle geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbank an deren Mandat aus Art. 127 AEUV (Preisstabilität) ausgerichtet seien. Der EZBRat definiere Preisstabilität als einen Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex für den Euroraum von mittelfristig unter, aber nahe 2 %. Die besonderen Umstände im Zuge der globalen Finanzkrise und der Krise im Euroraum erforderten besondere Maßnahmen, um das Mandat zu erfüllen. Gleichzeitig gebe es Grenzen der Geldpolitik, die keine „Allzweckwaffe“ zur Lösung diverser wirtschafts- und finanzpolitischer Probleme sein könne. Als Ursache der Krise im Euroraum identifizierte Sturm Fehlentwicklungen im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik in einzelnen Mitgliedstaaten sowie im privaten Finanzsektor, in Kombination mit Schwächen im institutionellen Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion. So habe der Maastricht-Vertrag z. B. keine europäische Bankenaufsicht und -abwicklung oder Mechanismen zur Krisenbewältigung wie den ESM vorgesehen. Die komplexe Krise, die gleichzeitig eine Banken-, Staatsschulden- und Wirtschaftskrise in Teilen des Euroraums gewesen sei, mit unterschiedlichen Ausprägungen in einzelnen Mitgliedstaaten, habe die Geldpolitik vor große Herausforderungen gestellt. Dazu gehörte insbesondere die Fragmentierung der Finanzmärkte, was dazu führte, dass der Leitzins als geldpolitisches Standardinstrument die Finanzierungsbedingungen für die Realwirtschaft in Teilen des Euroraums nicht mehr ausreichend steuern konnte. Daher habe die EZB, so Sturm, neben einer Senkung der Leitzinsen eine Reihe von Sondermaßnahmen ergriffen, um unter schwierigen Umständen ihr Mandat zu erfüllen. Dieses Mandat sei symmetrisch, d. h. Abwärtsrisiken im Hinblick auf Preisstabilität müssten genauso adressiert werden wie Aufwärtsrisiken. In Anbetracht der sehr schwachen Preisentwicklung im Euroraum in jüngster Zeit habe die EZB vor der Herausforderung gestanden, eine zu lange Phase mit zu niedrigen Inflationsraten zu vermeiden. Angesichts des Erreichens der effektiven Zinsuntergrenze habe sich die EZB daher im Januar 2015, ähnlich wie zuvor z. B. die Zentralbanken der USA, Großbritanniens oder Japans, zu einem erweiterten Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (mit einem Volumen von monatlich 60 Milliarden Euro bis voraussichtlich September 2016) entschlossen. Sturm unter-
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strich die Treue der EZB zu ihrem Mandat mit dem Hinweis auf die Inflationsrate im Euroraum seit Einführung des Euro. Diese habe (von Januar 1999 bis Januar 2015) bei unter, aber nahe 2 % gelegen, im Einklang mit der Definition des EZB-Rats, und sei damit sogar niedriger gewesen als in Deutschland in den Jahrzehnten zuvor zu Zeiten der D-Mark. Allerdings wies Sturm deutlich darauf hin, dass die grundlegenden wirtschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen des Euroraumes nicht alleine mit den Mitteln der Geldpolitik zu bewältigen seien. Hierfür seien insbesondere strukturelle Reformen in den Mitgliedstaaten, aber auch eine Weiterentwicklung des institutionellen Rahmens der Wirtschafts- und Währungsunion notwendig. 3. Stabilisierung durch die europäische und nationale Bankenaufsicht – Eine fiktive Fallstudie Im Anschluss an die theoretischen Analysen der ersten Vorträge des Tages präsentierte Dr. Matthias Hanten (Partner der Kanzlei DLA Piper) eine Fallstudie zum Thema „Lehman 2.0“ für den Insolvenzfall eines Bankhauses im Bereich der EU. Hierbei wurde die Abwicklung der deutschen Tochter des Unternehmens Lehman Brothers (Lehman Brothers Bankhaus AG) nach altem Recht einer vergleichbaren Situation nach Inkrafttreten der Bankenabwicklungsrichtlinie 2014/59/EU und deren Umsetzung in deutsches Recht gegenübergestellt. Nach einem Kurzabriss über die Historie des „Lehman-Crashes“ als Resultat eines entstandenen Wertberichtigungsbedarfs auf strukturierte Wertpapiere schilderte Hanten detailliert die Schritte des Insolvenzverfahrens nach altem Recht. Nach Durchführung dieses Verfahrens trat angesichts einer Insolvenzquote von ca. 96 % zutage, dass bereits das alte Recht – dank Mechanismen wie dem Einlagensicherungsfond der deutschen Banken – in der Lage war, Folgen vitaler Probleme des Finanzsektors abzumildern. Inwieweit somit das Regime der Bankenabwicklungsrichtlinie der EU, die neben einem einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) auch einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) sowie eine harmonisierte Einlagensicherung implementierte, eine Änderung bzw. Verbesserung darstellt, erläuterte Hanten in seinen weiteren Ausführungen. Mit den Instrumenten des öffentlichen Rechts sei demnach im Insolvenzfall eine qualitative Änderung der Passivseite der Bilanz des betroffenen Bankhauses vorgesehen. Durch Verwaltungsakt der Bankenaufsicht würden im Wege eines sog. „Bail in“ die Gläubiger zu Eigentümern des Bankhauses. Insoweit würden Forderungen in Eigenkapital umgewandelt und somit – dank Einlagensicherung – ein dem alten Recht vergleichbares Ergebnis erzielt. Wenngleich demnach bereits nach altem Recht für den Insolvenzfall Lehmann aus der Ergebnisperspektive ein zufriedenstellendes Resultat erzielt wurde, betonte Hanten in seinem Schlusswort dennoch die Verbesserungen durch die europäische Rechtsetzung. Flankierende Maßnahmen wie restriktive Eigenkapitalvorschriften, eine verstärkte Risikoüberwachung und Einschnitte im Vergütungssystem hätten zur Folge, dass sich eine Bank „Lehman 2.0“ nicht ohne weiteres in eine vergleichbare
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Risikosituation begeben könne. Gleichwohl sei zu bedenken, dass bedingt durch den bestehenden Investitionsdruck alternative Investmentprodukte entstünden. Dieses neue Marktsegment sei nach wie vor nicht reguliert, womit eine weitergehende und vertiefte Überwachung zur Beschränkung neuer Risiken nötig sei. 4. Die Integration in der Krise? – Die Bankenunion als Beleg der Handlungsfähigkeit der EU Mit einer kritischen Auseinandersetzung zu der These, die Integration innerhalb der EU sei zu Ende und die Staaten würden sich angesichts der Staatsschuldenkrise in den nationalen Bereich zurückziehen, leitete PD Dr. Alexander Thiele (Universität Göttingen) seinen Vortrag zur sog. Bankenunion ein. Eben diese sei ein Beleg dafür, dass eine Krise auch als Katalysator zur Weiterentwicklung des Integrationsprozesses dienen könne. Die Erfahrungen der Finanzkrise hätten gezeigt, dass die nationalen Aufsichtsbehörden bisweilen zu nachsichtig agiert hätten, sei es um ihre „nationalen Champions“ zu schonen oder um eine Verschärfung der Situation für angeschlagene Konzerne zu verhindern. Einem Kurzabriss über die bemerkenswert kurze Entstehungsgeschichte und zügige rechtliche Umsetzung ließ Thiele eine Analyse möglicher Problemfelder der Bankenunion folgen. Keinen Konflikt gebe es, entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht, bei der Wahl der Rechtsgrundlage in Art. 127 Abs. 6 AEUV. Mit dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus SSM würden nationale Aufsichten keineswegs abgeschafft. Insoweit bestehe also Vertragskonformität. Kritischer sei allerdings die Rolle der EZB als Aufsichtsakteur zu sehen. Im Rahmen ihres Mandats zur Sicherung der Preisstabilität werde eine Ausweitung der Kreditvergabe angestrebt, während die Aufgabe als Aufseher in diesem Bereich eher Restriktionen erfordere. Insofern befürwortet Thiele zur Wahrung der Reputation die Übertragung der Aufsicht auf eine eigene, streng mit der EZB kooperierende Behörde. Weiterhin warf er die Frage auf, inwieweit der Einfluss nationaler Aufsichtsbehörden, den Zielvorgaben entsprechend, wirksam begrenzt wurde. Dies sei durch eine Verschränkung der Zuständigkeit, mithin aufgrund der Organisationsstruktur des SSM gelungen. Im Bereich des Rechtschutzes bestehe laut Thiele die Problematik, dass die EZB aktuell zum Teil nationales Recht vollziehe. Eine einheitliche Überprüfung durch die europäische Gerichtsbarkeit würde demnach eine vollständige Harmonisierung des materiellen Bankenrechts voraussetzten, was trotz der jüngsten Maßnahmen (Capital Requirement Regulation [VO Nr. 575/2013] und Capital Requirements Directive IV [RL 2013/36/EU]) noch nicht geschehen sei und im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip auch fragwürdig erscheine. Demnach sei ein Modus des SSM zu befürworten, bei dem nach außen ausschließlich nationale Aufsichtsbehörden handeln. Eine gerichtliche Überprüfung erfolge dann vor den nationalen Gerichten, die in Bezug auf europarechtliche Fragestellungen ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV durchführen können bzw. müssen. Ungeachtet der angesprochenen Problemfelder befand Thiele, dass die EU im Angesicht der Finanzkrise ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt habe. Keines-
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wegs sei ein Bedeutungsverlust des Rechts zu verzeichnen. Vielmehr sei die Bewältigung der Folgen der Finanzkrise eine „Chance für das Recht“ und ein Katalysator für eine weitere Integration der Europäischen Union. 5. Resümee Mit einem Dank an die Referenten und das interessierte Auditorium leitete Mitveranstalterin Dr. Heide Wedemeyer (Senatskanzlei Freie und Hansestadt Hamburg) ihre Schlussworte ein. Die Veranstaltung habe mit den disziplinübergreifenden Vorträgen und kontroversen Diskussionen die Aktualität der gewählten Themen und die Bedeutung des Europarechts für die Lösung zentraler tagespolitischer Fragen unter Beweis gestellt. Die Ergebnisse des Symposiums werden der wissenschaftlichen Öffentlichkeit als Diskussionsbeitrag im Rahmen eines Tagungsbandes zur Verfügung gestellt, der in der Reihe „Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht“ bei Duncker&Humblot erscheinen wird.
Verzeichnis der Autoren Karsten Bourwieg, Referatsleiter Energierecht, Bundesnetzagentur, Bonn Dr. Mathias Hanten, M.B.L. – HSG (St. Gallen), Partner und Leiter der Financial-Services-Institutions-Gruppe von Deloitte Legal, Frankfurt a. M. Prof. Dr. Matthias Knauff, LL.M. Eur., Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Öffentliches Wirtschaftsrecht, und geschäftsführender Direktor des Instituts für Energiewirtschaftsrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Dr. Stefanie von Landwüst, Rechtsanwältin und Senior Associate, Kanzlei Redeker Sellner Dahs, München Christopher Langer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht (Prof. Dr. Markus Ludwigs) an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Prof. Dr. Markus Ludwigs, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Europarecht, Julius-Maximilians-Universität Würzburg Tobias Pascher, Student der Rechtswissenschaften an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele, Akademischer Rat a.Z. am Institut für Allgemeine Staatslehre und Politische Wissenschaften, Georg-August-Universtät Göttingen, Vertreter eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Ruhr-Universität Bochum im Sommersemester 2015