Encyklopädie der Rechtswissenschaft: Band 1, Hälfte 2 Rechtslexikon [3., durchgeseh. verb. und erhebl. verm. Aufl. Reprint 2020] 9783112378021, 9783112378014


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German Pages 925 [937] Year 1880

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Encyklopädie der Rechtswissenschaft: Band 1, Hälfte 2 Rechtslexikon [3., durchgeseh. verb. und erhebl. verm. Aufl. Reprint 2020]
 9783112378021, 9783112378014

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Encyklopädie der

Aechtsrvissenschaft in

systematischer und alphabetischer Bearbeitung.

Herausgegeben

unter Mitwirkung vieler Nechtsgelehrter von

Dr. Franz von Holtzendorsf, 0- ö. Professor der Rechte in München.

Zweiter Theil.

Rrchtslreikorr. Erster Band.

Dritte, durchgehends verbesserte und erheblich vermehrte Auflage.

Leipzig,

Verlag von Duncker & Hnmblot. 1880.

WechLsLeXikon. Herausgegeben

unter Mitwirkung vieler Rechtsgelehrter von

Dr. Zranz von Holtendorfs, o. ö. Professor der Rechte in München.

Drille, auf Grund der neuesten Reichsgesetzgebnng vollständig umgcarbeitete und unter

besonderer Berücksichtigung des Verwaltung»-- und des Handelsrechts bedeutend vermehrte Auflage.

(h'ftcr Band.

Angrfen

«fungible Sachen.

Leipzig, Verlag von fundet & Humblot.

1880.

Da» UebersetzuvgSrrcht wie alle andere» Rechte Mr da» Ganze und die einzelnen Theile Vorbehalten. Die Berlag-buchhaadluag.

A. Nagese», Andreas,L 5. VIII, 1826 -u Kopenhagen, wurde nach 1849 abge­ legtem Examen im Justizministerium beschäftigt, machte 1853 eine Reife nach Paris und London, 1855 an die Universität Kopenhagen berufen, z« deren hervorragendsten Lehrern er bald gehörte, betheiligt am Entwnrfe eines Stand. See» u. Handels­ rechts, Ehrendoktor d. Univ. Upsala 1877, f 26. X. 1879 zu Kopenhagen. Er gab mit Pros. GooS heraus: Bornemann, Foreläsninger ove Criminalrettens almindelige Del. Schriften: Om Overdragelee af Ejendomsret, Univ. Progr., Kbhvn. 1866. — Bemärkninger om Rettigheder over Ung, navnlig om Ejendomsrettens Begreb. (Univ. Progr.), 1871 u. 1872. — Ugeakrift for Retevleen 1871, n. 67 og 68. — Om nogle ved Konnoesementer forekommende Retsforhold (3. nordieke Juristmöde 1878).—FortegneUe over Retaeamlinger, Reteliteratur m. m. i Danmark, Norge, Sverig og til Dele Finland, Kbhvn. 1876. — Bidrag tit Lären om Interessentskab og til Fortolkningen af Firmaloven 23 Jan. 1862, Kbhvn. 1877. — Om Singuläreukcession i Formuerettigbeder inter vivo«; Kbhvn. 1879. git: Dagbladet 1879 n. 249, 250 (Gooe). — Goos in der Illustrere! Tidende n. 1049 (2. Nov. 1879). — Dagbladet 1878 n. 202. Teichmana.

Abandon, abandonniren — ein feerechtlicher Ausdruck in verschißenen Bedeutungen. Man versteht darunter zunächst wörtlich das Verlassen des Schiffs seitens deS Schiffer- und der Schiffsmannschaft, auch das Zurücklaffen ein­ zelner Schiffsleute während der Reise. — Ein wichtiges, dem See»R. eigenthüm­ liches Institut ist der bei der Seeversicherung zulässige A. (sranz.: „ddlaissement“; engl.: „abandonment“, Th. I. S. 547). Die Erklärung deS Berfichertea ersetzt hier gewiffermaßen den wirklichen Eintritt eines Totalverlustes. Sie begründet auf der einen Seite den Anspruch auf die volle BerficherungSsumme, währeich viel­ leicht nur ein Theil deS versicherten Gegenstandes wirklich verloren oder der Total­ verlust doch noch nicht gewiß ist; andererseits bewirkt sie dm Uebergang der Rechte deS Versicherten in Betreff des versicherten Gegenstandes auf den Versicherer, während sonst dieser Uebergang etfl mit der Zahlung der Versicherungssumme eintritt. Der Verkauf deS Schiffe- durch die Schiffer steht sachlich der Abandonnimng gleich. — Die Fälle, in denen der A. gestattet ist, werden in den Gesehen verschieden be­ stimmt. Der Hauptfall ist die Berschollenheit de- Schiffe-, welche angenommen wird, sobald innerhalb der gesetzlichen Fristen weder das Schiff den Be­ stimmungshafen erreicht hat, noch den Bethyligten Nachrichten über dasselbe zugegangm find. Der Verschollenheit stehen nach dem HGB. nur noch wenige FÄle gleich (Embargo, Ausbringung, Anhaltung durch Verfügung von hoher Hand, Nehmung durch Seeräuber). Nach dem Code com. und dem GB. von BuenoS-Ahretreten hinzu: Schiffbruch,. Strandung, andere Unfälle, Verlust oder Beschädigung von wenigstens Dreiviertel des Werthe- der versicherten Gegmstände. In der v. Holtzendorff, Enc. II. RechtSlexikon I. 3. Stuft 1

2 Hauptsache dem Code com. nachgebildet in dieser Materie find daS Spanische, Portug. u. Holl. R. Noch weiter geht daS Englische, am weitesten daS Amerikanische R. (Schaden über die Hülste deS Werths der versicherten Güter). — Damit der Versicherte zwar deliberiren, aber nicht weiter zum Nachtheil des Versicherers spekuliren kann, besteht sür die A-Erklärung gewöhnlich eine gesetzliche Frist — nach dem HGB. sechs bis nenn Monate, nach dem franzüfischen, in nenerer Zeit in diesem Pnnkte schon wieder angesochtenen Ges. von 1862 sechs bis achtzehn Monate; in England nnd Nordamerika ist Alles Frage deS konkreten Falles („in a reasonable time“); jedoch hält die Praxis auf sehr schleunige Erklärung. Einer Annahme deS A. bedarf eS nicht; die einseitige (bestimmte und bedingungslose), in der Regel schriftliche Erklärung deS Versicherten gegen den Versicherer ist un­ widerruflich. Auch durch spätere Umstände, z. B. Freigabe deS genommenen Schiffes, wird der A. nach d. HGB., d. Franz, und Rordamerikan. R. nicht ent­ kräftet. — Der Rechtsübergang auf den Versicherer vollzieht sich ohne weiteren UebertragungSakt; jedoch kann nach dem HGB. im Falle der Acception des A. ein besonderer „A.-Revers" verlangt werden. Eine der wichtigsten Streitfragen ist, ob bei einer Berficherung des Schiffes (EaSco) nothwendig auch die Fracht der betreffenden Reise (als Fracht) übergehe. DaS Englische R. bejaht die Frage, ebenso d. C. com. u. d. Span. HGB., soweit es sich nicht um schon vorher -e, löschte Güter handelt. DaS HGB. tritt zwar nicht der verneinenden Meinung von Pöhls u. A. bei, billigt die Fracht dem Versicherer aber auch nicht ganz, sondern (etwa Benecke folgend) nur zu dem nach den Grundsätzen von der Distanzfracht (s. diesen Art.) zu ermittelnden Theile zu, welcher erst nach der A.-Erklärung ver­ dient ist. Durch die letztere wird der Versicherte übrigens nicht unbedingt von der Sorge sür die Rettung der versicherten Sache frei; er hat vielmehr für Rechnung deS Versicherers so lange zu handeln, bis dieser auf die ihm rechtzeitig gemachte Anzeige von dem Unfälle weitere Ordre ertheilt oder doch di« weitere Sorge über­ nehmen kann; im Nothfalle kann er selbst zur Verwerthung der versicherten Gegen­ stände schreiten. — Der Versicherer hat seinerseits dem Versicherten einen totalen Verlust zu vergüten, d. h. die Versicherungssumme zu zahlen. Vorher find ihm jedoch die zur Rechtfertigung d. A. dienenden Urkunden zur Prüfung mitzutheilen und Anzeige von etwaigen Affekuranzen und von Bodmereischulden und sonstigen Belastungen (für welche der Versicherte Gewähr zu leisten hat) zu machen. — Ein A. des Rückversicherten gegenüber dem Rückversicherer setzt den A. deS Versicherten voraus. — Aus Billigkeitsrückfichten geben manche Seerechte — auch das HGB. — dem Versicherer gleichfalls ein Recht, welches einige Aehnlichkeit mit dem A. hat und zuweilen ebenso genannt wird. Um den Ver­ sicherer nämlich gegen die Bezahlung eine« die Versicherungssumme übersteigenden Schadens zu schützen, wird ihm die Besugniß beigelegt, sich nach Eintritt eines Unfalls durch Zahlung der vollen Versicherungssumme von allfn weiteren Ver­ bindlichkeiten aus dem Versicherungsverträge zu befreien, jedoch ohne da­ durch einen Anspruch auf die versicherten Sachen zu erlangen. — Partikularrecht­ lich, z. B. nach Preuß. R., hat bei Beschädigungen beweglicher Sachen der Be­ schädigte daS R., gegen Ueberlaffung der Sache den vollen Werth zu fordern. Ein auf Verträge, z. B. den Eisenbahnsrachtverkehr und daS Speditionsgeschäft, an­ wendbarer allgemeiner Rechtsgrundsatz ist daraus aber nicht zu entnehmen.

Lit.: A. D. HGB., Art. 452. 454. 468. 485. 553. 617. 845. 863. 865—875. (Alla. See­ versicherung« - Bedingungen §§ 116 — 126.) — Seemannsordnung § 71. — Preuß» A. LR., I, 6 § 91; II, 8 § 2330. — C. com., a. 216. 241. 310. 369—396. 431. (v. Duhn in Goldschmidt und Laband'S Zeitschr. f. d. ges. HR-, Bd. 14. S. 203—212). — Lewis, D. Deutsche See-R-, II, S. 339—355. — Mittermaier in Goldschmidt und Laband'Zeitschr. «d. 6, S. 502; Bd. 8, S. 505—510; Bd. 11, S. 333. — Meno Pöhl«, Dar­ stellung deS See-Assekuranz-Recht- nach Gem. und Hamb. R. und nach ben Gesetzen der vorzüg­ lichsten handelnden Staaten Europa'- und Amerika'-. Th. II (de- Hauptwerk- 4rer Bd.),

«bh-t — «3Merd*efrn.

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667-681 (S. 594—666). — Heise, HR-, S. 434. 435. — Jacobsen, See-R. deieden- und de- Kriege-, S. 65. 204. 375. — Veuecke, Syft. des See-Assekuranz- und Vodmereiweseu-. BollstLudig und zeitgemäß umgearbeitet von B. Nolte, Bd. II, S. 442— 565. 886. 887. — Teckleuborg, Svst. de-Geeverficheruug-wesm-, S. 10. 11. 75. 91 ff. 251. 257. 356—359. 428—432. — v. Kaltenborn, Grundsätze de- praktischen Earop. See-Recht-, Bd. I, S. 373; Bd. II, S. 19 20. 31. 35. 65. 127. 316. 317. — Boiat and Heineken, Nene- Arch. für HR.; Bd. III, S. 405 ff., 413 ff.; Bd. IV, S. 323 ff : «scher das. Bd. I, S. 395 ff. — Entsch. d. ROHS. XI, 294; XIII, 496; XV, 374; XVI, 42, 386, XVII, 61, 184; XVIII, 280; XXIII, 386; XXIV, 396 a. d. OAS. Lübeck bei Soldschmidt and Labaud, Zeitschr. Bd. 19, S. 254. — Emdrigon, Traitd des assurances, I, p. 403—411; II, p. 170—242. — Em Trigon, Contrat a la grosse, c. 3. sec. 11. — Pardessus, Cours de droit commercial, fil, do. 835—855. — Leone Levi, Internat Comm. Law 2. ed., II, p. 885—888. — Stephen, NewComm. on theLaws ofEngland 7.ed. (1874), II, p. 133. — J. Kent, Commentaries onAmerican law 12. ed. (1873), III, p. 319—335. Part. V. Lect. XLVIII, 3 (1.)].

g

R. Koch.

Abbat, Charte- Lord Tenterden, S 1762 zu Canterbury, barrister Don bedeutendem Rufe, 1816 puisne judge in Common Pleas, dann in der King’s Bench, 1818 Lord Chief Justice, 1827 Peer, f 4. XL 1882.

Schriften: Bules and Orders on the Plea aide of the C. of Kingsbench 1795. — Jurispr. and Practice of the C. of Great Sessions of Wales 1795. — The Law reL to Merchant Ships and Seamen 1802, 11. ed. Lond. 1867. Lit.: Allibone, Dictionary of English literature 1859. —Foss, Biographie Juridica 1870, p. 1—3. — Gates, Dict ot Biography 1867, p. 1109. /

Teichmann.

Abdtckereiwese«. Seit Einführung der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 kann in Deutschland jeder Thierbefitzer die Kadaver seiner gefallenen Hau-thiere unter Beachtung der betreffenden Vorschriften selbst wegschaffen und au-nützeu, soweit die- überhaupt zulässig ist. Zur Anlage einer Abdecherei ist in Deutschland (wie auch in Oesterreich) daher nur noch die polizeiliche Genehmigung «forderlich, und der Gewerbebetrieb einer Aufsicht nicht mehr unterworfen. Diejenigen, die daA.gewerbe betreiben, haben jedoch die Pflicht zur Anzeige bei Verdacht auf Seuche. Die polizeiliche Fürsorge tritt ein, wenn von den Kadavern schädliche Ein­ wirkungen auf die Luft oder Verbreitung eine- Kontagmm» zu befürchten ist. Me­ ist der Fall, wenn der Eigenthümer nicht im Stande (oder nicht Willen-) ist, die ihm gehörigen gefallenen oder getödteten Thiere unschädlich zu beseitigen; wenn die Eigenthümer unbekannt find und vor Allem und immer» wenn e- sich um an» steckende Krankheiten dieser Thiere gehandelt hat. Die betr. Bestimmungen find noch nicht einheitlich geregelt und zum Theil veraltet. In einzelnen Bundesstaaten find jedoch durch entsprechende Verfügungen vorzügliche, in anderen wenigsten­ genügende Vorschriften gegeben, um die Verhältniffe de- A. zu ordnen. Diese Bor­ schriften beziehen sich aus da» Abholen der Kadaver resp, der zu tödtenden Thiere bei Tollwuth, namentlich Roh; aus die Anlage und Instandhaltung der Wasenmeistereien (Kavillereien, Abdeckereien); auf die Tiefe der einzelnen Gruben und die Entfernung und Lage der Plätze zum Verscharren der Kadaver überhaupt; auf die Zeit de- Verscharren», da- Abhäuten, Oeffnen und Zerlegen der Kadaver und endlich auf deren technische Ausführung und Benutzung. Durch chemische Zerstörung oder hohe Hitzegrade (z. B. Dämpfen, Kochen) werden die Kadaver am zweckmäßigsten unschädlich gemacht; so in einer Reihe von Fabriken, wie Leimsiedereien, Dünger-, Seifen-, Ammoniak», BlutlaugensalzFabriken, welche zum Theil, manche sogar hauptsächlich Abdeckereigeschäste betreiben. Gesundheitsbedrohend kann die Industrie de- AstikolS (Produktion von Fliegen­ larven auS dem faulenden Fleisch für Geflügelfütterung) werdm, die sich bis in die Städte hineingezogen hat. Füttemng von Hunden, Schweinen rc. mit (trichinigem, finnenhaltigem) Fleische in den Abdeckereien erfordert ebenfalls ein Ein­ schreiten der Polizei.

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«de« - LdgeleUeter Besitz.

Besondere Borfchristen für die Beseitigung enthält da- Preuß. Gesetz vom 25. Juni 1875 betr. die Abwehr und Unterdrückung von Biehseuchen für Milz» brand § 31, Rotz § 37, Tollwuth §§ 48 u. 51. Bei Rinderpest müffen die er­ krankten Thiere vergraben werden. — Die Kadaver kleiner HauSthiere, Geflügel rc. werden meist nicht von den Bestimmungen über daS A. berührt. Wenn auch die Gerechtsame und entspr. die Prüfungen für Abdecker im Allgemeinep gefallen find, so giebt eS doch noch einzelne Orte, wo Zwangs- und Bannrechte für A. bestehen, die aber auf Antrag abgelöst werden können. Lit. ix. Gsgb.: Pappenheim, San.-Polizei, Artikel Abdeckerwesen. — Krau- u. Pichler, Encyklop. Wörterbuch der Staat--Arzneikunde rc. — Bericht über die IV. Bers. de- deutsch. Veterinär-Rathe-, Augsburg 1879. — Preuß. Ges. vom 25. Juni 1875 betr. die L-wehr und Unterdrückung von Biehseuchen und Instruktion vom 19. Mai 1876. — RGes. betr. vieRinderpest vom 7.April 1869; hierzu Revid. Jnstr. vom 9.Juni 1873(RGB. S. 147). — Baden: Mu. Berord. v. 17. August 1865. — Derf. der Ministerien für Handel und Med.Ang. in Preußen vom 13. Juni 1855. — Publieandum vom 29. April 1872 (Preußen). — Kornfeld

Abegg, Jul. Friede. Heinr., 8 27. III. 1796 zu Erlangen, studirte in Eüangen, Heidelberg, Landshut, machte unter Puchta und Feuerbach in Erlangen am Landesgerichte praktische Studien, hörte 1819 in Berlin Hegel, Göschen, Diener und Savignh, ging 1820 nach Königsberg, wurde 1824 ordentl. Prof, und wandte fich 1825 nach Breslau, wo er bis zu seinem Tode am 29. V. 1868 lehrte. Schriften: Ueber die Bestrafung der im Au-l. begangenen Berbrechen, LandSh. 1819. — Encykl. u. Method., KönigSb. 1823. — De antiquissimo jure crim. Rom., Regiom. 1823. — Grdr. zu Borles. über d. Erim.-Prz., KönigSb. 1825. — Syst. d. Erim.R. - Wiss., KönigSb. 1826. — De jurisprud. apud Romanos sub primis imperatoribus, Vrat 1827. — Unters. auS d. Gebiete d. StrafR.-Wiff^ BreSl. 1830. — Bem. über d. Stud. d. R.-Wiff., BreSl. 1831. — Hist.-prakt. Erört. auS d. Gebiete d. strafrechtl. Verfahren-, Bert. 1833. — Lehrb. d. Gem. Crim.-Prz., KönigSb. 1833. — Die verschiedenen Str.R.-Theorien, Neust. 1835. — Gesch. deS StrasR. der Brandend. Preuß. Lande, Neust. 1835. — Lehrb. d. StrafR.-Wiff., Neust. 1836. — De sententia condemnat. ex solis indiciis haud admittenda, Vrat. 1838. — Beitr. StrasPrr.-Gesgb., Neust. 1841. — Symb. ad hist jur. crim. impr. Acad. Frid. Alex, spectantes, Vrat. 1843. — Bers. e. Gesch. d. preuß. Lw.-Prz.-Gesgb., BreSl. 1848. — Beitr. über d. B. betr. Gins. d. mündl.-öff. Vers., Halle 1849. — D. relia. Element in d. PGO., Halle 1852. — Die Preuß. StrafGsgb. u. d. R.S-Lit. in ihrer gegenseit. Beziehung, Berl. 1854. — Gerecht, d. Deutschen StraM.-Wisi. d. Gegenwart, Braunschw. 1859. — Ueber Verjährung rechtskräftig erkannter Strafen, BreSl. 1862. - Ueber d. org. Zus. e. aus d. neuern Grdsätzen beruh. Einr. deS Strafverf. u. d. Gverf. mit d. mat. StrafR. u. d. StrafBG., Brem. 1863. — D. Frage über d. Zeitpunkt d. Vereidigung d. Zeugen im strafrechtl. Berf., Leipz. 1864. — Ueber d. Bedeut, d. sog. Lriminalstatistik, Wien 1865. — Der Entw. e. StrafPO. für Würt­ temberg, Alteub. 1839 ; — für d. Preuß. Staat, Leipz. 1865. — Krit. Bem. über d. Str.G.Eutww. von Württemberg, Neust. 1836; — von Baden (1836 u. 1839), Altenb. 1839; — von Preußen, Neust. 1844, Halle 1848. 1851; — von Bayern, Erlang. 1854; — von Norwegen, Neust. 1835; — von Sachfen, Neust. 1837, Leipz. 1853. — Ueber d. StrafPO.-Entw. von Württemberg (1832), Altenb. 1839. Er redigirte da- Archiv des Erim.R. N. F. u. gab heraus: Oobleri Interpretationen! C. C. C. et Remi Nemesin vulg. Abegg, Heidelberg 1837, sowie ein erste- Repertorium zu Hitzig'- Zeitschr. f. d. Kriminalrecht-pflege. Lit.: Holtzendorss'S StrafR.Ztg. 1868 S. 279. — Berner in Goltdammer'S Arch. XVI. S. 409—411. — Heinze in Holtzendorff- Handb. d. Deutschen Strafrecht- 1871, I. 308—310. — Allg. Deutsche Biographie I. 5—7, VII. 794. Teichmann.

Abgeleiteter Best-. In einer Reihe von Fällen, von denen einzelne be­ stritten find, wird im Röm. R. auch solchen Personen ein Besitz zugeschrieben, welchen der bewußte Wille, die betreffende Sache als Eigenthümer inne zu habm, fehlt, weil sie das Eigenthum anderer Personen anerkennen, von welchen ihnen der Besitz überlasten bleibt. Ihr animus ist also kein animus domini, keine V’i'Z'' deoTtötpvtog, sondern ein bloßer animus possidendi, gerichtet auf die ihnen überlassenen Rechte de» Besitze», aus da» jus possessionis. In diesem verschiedenen animus liegt da» Charakteristische de» Begriff». Da dieser Besitz ohne animus domini immer nur al» von einem EigenthumSbefitzer abgeleitet erscheint, hat ihm Savignh den Namen: a. B., im Gegensatze zum ursprünglichen Besitze de» EigenthumSbefitzer», gegeben, eine Bezeichnung, die keineswegs tadellos, aber

«Geleiteter Besitz.

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jedenfalls nicht schlechter ist, als die anderen neueching» vorgeschlagenen Bezeich­ nungen, wie anvertrauter, unregelmäßiger, uneigentlicher Besitz. Die Fülle, in welchen ein a. B. stattstadet, find bei aller sonstiger Verschie­ denheit solche, wo der Besitz vom EigmthumSbefitzer nicht sowol übertrage«, als widerruflich überlassen ist, und zwar, wenigstens in einig« Fäll«, mit der Anomalie, daß zwischen dem ursprünglich« und dem abgckeitetm Besitzer eine Theilung, resp, ein relativer Doppelbefitz eintritt. Somit ist der a. B., wen» auch nicht ein „Unding", so doch eine Singularität, woraus von selbst folgt, daß man seine Existenz nur da annehmen darf, wo fie sich auS dem Besetz ausdrücklich nachweisen läßt. Namentlich ist eS für da» Mm. R. zu verwerfen, wem», z. B. von Thibaut, behauptet wiü>, der a. B. könne an jed« Pächter willkürlich übertragen werd«, oder gar, er könne in jedem Falle gelten, in welchem ihn ein wirklicher Besitzer gelt« lasten will. 1) Der wichtigste Fall von a. B. ist der Befitz de» Pfandgläubigers, ursprünglich nur de» Faustpfandgläubiger» au» dem civilrechtlichen Pfaudvertrage, wa» aber später wol auf den apprehmdirend« Hypothekargläubiger ausgedehnt wurde. — Beim Faustpfandgläubiger läßt fich der a. B. au» der geschichtlich« Entwicklung de» Röm. Realkredit» und au» dem praktischen Bedürfniffe sehr leicht erklären. Al» der Gläubiger neben der umständlichen, steifen und objektiv be­ schränkten Manzipation sub pacto fidnciae einzig und allein auf da» pignus ange­ wiesen war, mußte er in der Aufbewahrung der ihm eingehändigt« Sache unab­ hängig vom Schuldner, ja gegen den SchuLner geschützt weid«: zu diesem Zwecke gab der Prätor ihm und nicht dem Schuldner die postestorischm Interdikte, und e» blieb auch später dabei, al» dem Gläubiger die Hhpothekarllage zu Gebote stand. Der Gläubiger also befitzt und übt, mit Ausnahme der Usukapion, alle Rechte de» Besitze» au». Den animos domini kann er aber selbstverständlich nicht hab«, und so ist sein Befitz nur ein abgeleiteter. — In Beziehung auf die Usukapion wich aber der Pfandschuldner noch al» Besitzer erklärt, so daß er die angefangene Usu­ kapion fortsetzt, wa» seinem Gläubiger nur vorthetlhaft sein kann, dem eine Vin­ dikation feit«» eine» Eigenthümer» fein Pfand entziehen würde; in dieser Beziehung ist der Pfandgläubiger Stellvertreter de» Schuldner». — Savignh sieht hierin eine bloße Fiktion de» Besitze» und lediglich eine Au»nahme von der Regel sine posses­ sives usucapionem procedere non posse. (1. 85 § 1 D. de pigneraticia 13, 7. 1. 1 § 15 de A. v. A. P. 41, 2.) 2) Wenn im Precarium (f. diesen Art.) nicht ausdrücklich bestimmt ist, daß der Prekarist bloßer Detentor und al» solcher Stellvertreter de» precario dans sein soll, so hat er selbst den Befitz an der geliehen« Sache, wa» au» dem ursprüng­ lichen Verhältnisse deS Precarii zum ager pnblicus leicht erklärlich, dem prak­ tischen Zwecke de» Geschäft» angemessen und für den Geber ungefährlich ist. Diesem bleibt auch hier der UsukapionSbefitz. Bekanntlich wurde gerade beim Precarium der Satz: plures eandem rem in solidem possidere non possunt, von dm älterm röm. Juristen nicht allgemein anerkannt. (1. 2 § 3 D. de precario 43, 26. 1. 8 § 5 de A. v. A. P. 41, 2.) 3) Bei der Sequestration (s. diesen Art.) kann von den streitend« Partei« auSbedungm werden, daß der Sequester den Befitz hab« soll. Die Abstcht ist hier negativ; die Folgen, welche der Besitz der einen Partei haben würde, sollen abgewetcket toetbm, so daß im älteren R. die Zeit der Sequestration für Vergleichung der Dauer deS beiderseitigen Befitze» nicht in Anrechnung kam (s. d. Art. Besitz eSfchutz, interdictum ntrubi), und die von der einen Partei etwa angefangene Usukapion unterbrochen wird. Natürlich kann der Sequester nicht ersitz«, da ihm der animns domini fehlt. (1. 39 de A. v. A. P. 41, 2. 1. 17 § 1 depositi 16, 3.) 4) Ob noch in anderen Fällen a. B. anzunehmen sei, ist außerordentlich be­ stritten. BrunS verneint e», f. Th. I, 379. Aeltere Ansichten, wonach der In-

Haber einer Personalservitut, insbesondere der Ufufruktuar, Besitzer der Sache sein sollte, ans die sich die Servitut bezog, hat Savignh endgültig beseitigt. Er selber rechnet aber noch de« Emphyteuta, und Andere auch den Superfiziar, zu den abgeleiteten Besitzern, wührmd Mehrere, z. B. Arndts, sie nur für Quasi­ besitzer de» dinglichen Recht» halten, dagegen wieder Andere für wirlliche ursprüng­ liche EigenthumSbefitzer des Grundstücks. 68 scheint indessen schwer zu leugnen, daß der Emphytenta einerseits den animus domini unmöglich haben lernt, anderer­ seits aber in den Quellen durchaus als Sachbefitzer behandelt wird; insbesondere erwirbt er die Früchte durch Trennung rc.; übrigen» läßt sich ein a. B. de» Emphyteuta sowol au» Nützlichkeit-rücksichten, al» durch die geschichtliche Analogie de» ager vectigalis mit dem ager publicus gar wohl erklären. (1. 15 § 1 D. qui satißdare 2,8. 1. 16 de servitatibus 8, 1. 1. 25 § 1 de usuris 22, 1. 1. 31 de pignoribus 20,1.) — Berechtigter ist der Zweifel in Beziehung aus den Su­ perfiziar. Doch wird auch ihm eine possessio bestimmt zugeschrieben, und daß ihm da» Interdikt uti possidetis nicht in seiner gewöhnlichen Festung gegeben wurde, sondern mit den euf die superficies passenden Worten, erklärt sich a«S der Natur der Sache von selbst. Auch kann es willkürlich scheinen, dem Emphyteuta den Be­ sitz einzuräumen, dem Superfiziar aber ihn zu verweigern. (1. 1 § 1 D. de snperficiebus 43, 18. 1. 1 § 5 de vi 43, 16. 1. 3 § 7 uti possidetis 48, 17. 1. 13 § 3 de pignoribus 20, 1.) — Bangerow hält sowol den Super» fiziar als den Emphyteuta sür abgeleitete Besitzer und schreibt in beiden Fällen dem Verpachter Usukapionsbefitz zu. Windfcheid erklärt sich gegen den a. B. deS Einen wie de» Anderen.

Wie e» auch mit diesen letzten zweifelhaften Fällen fein möge, der Begriff selbst de» a. B. ist nicht zu bestreiten; er war übrigen» längst schon, wenn auch noch ««Hat, von einzelnen Rechtsgelehrten erkannt worden, bevor ihm Savignh den Namen gegeben und einen bestimmten eigenen Platz im System angewiesen hat. — Dennoch giebt es Juristen, welche nicht nur den gemeinsamen Namen sür die ver­ schiedenen einschlägigen Fälle verwerfen, sondern dem Begriffe überhaupt jede Realität absprechen, theils aus Konsequenzmacherei, um ja keine Anomalien im Rechtsgebiete zu dulden, theils aus einer an sich ehrbaren Sucht, überall einen inneren Erklärung-grund herauszufinden, anstatt sich mit dem Nachweise des prak­ tischen BedürsniffeS oder der geschichtlichen Veranlassung zu begnügen. Im Gan­ zen haben dir Gegner deS a. B. mit ihren manchmal nicht ohne Scharfsinn, oft aber oberflächlich und fast immer einseitig geführten Angriffen doch bis jetzt nicht vermocht, die Hauptergebniffe der Savignh'schen Forschung zu erschüttern.

Eine ganz andere Frage, als die nach der Existenz des a. B., ist die, ob diese» Institut im Justin. R. nach vollständiger Ausbildung der Eeffion und nach Umbildung deS Interdictum utrubi nicht als etwas UeberflüffigeS, Entbehrliches erscheine? Und die Frage mag zu bejahen fein, denn im Justin. R. kann der Zweck, dem der a. B. dient, aus anderen Wegen ohne Anomalie erreicht werden. Heutzutage zeigt sich übrigens die Tendenz, „überhaupt dem bloßen Inhaber einer Sache schon al» solchem BefitzeSschutz zu gewähren" (ArndtS). — Im Preuß. LR. gehören die Fälle deS a. B. unter den weiteren Begriff de» unvoll­ ständigen Besitzes» der Demjenigen zusteht, welcher eine Sache oder ein Recht, zwar al» fremde» Eigenthum, aber doch in der Absicht, darüber für sich selbst zu verfügen, in sein Gewahrsam übernommen hat (Prmß. LR. I, 7, §. 6), wohin auch der Kommodatar, der Miether, der Pächter gehören, und überhaupt, diejenigen Inhaber, welche mit der Detention die Ausübung eines Recht» verbinden. Dem Franz. R. ist a. B. unbekannt; Precarium existirt nicht; der Faustpfand­ gläubiger, .der Antichrefist, der Sequester find bloße Detentoren; der Emphyteuta und der Superfiziar find Juris possessores.

A-lehmrutz der Geschmoreuea.

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Lit.: Saviguy. R. de- Besitzes, 7. Ausl. (Rudorfs), Wien 1865, §§ 23—25. — Brun-, Da- R. de- Besitze- im Mittelalter v. in der Gegenwart, Tüb. 1848. — S. auch rielouacki. Der Besitz nach dem Röm. R., Berlin 1854. — Bangerow, Lehrbuch, 7. Aup., 200 (1864). — Arndt-, Paudektm, § 135. — Briuz, Pandekten, § 139. — Baron, Pandekten, §§ 112, 182, 183. — Wiadscheid, Lehrbuch, 5. Anst., §§ 149, 154. — Rauda, Der Besitz nach Oesierr. R., 2. Ausl., § 1, Nr. 24. Don der »überfließeudeu und zerfahren«^ Besttzüt. gehören folgende Abh. besonder- hierher: a) Ueber den animos possidendi re.: Guyet, Abh., vL (1829); Linde'- Ztschr., IV. (1831). — Waruköuig, Arch. für civ. Praxi-, XIII. (1830). — Mandry, ebenda, LXHL (1879). — b) Ueber possessio civilis re.: Thon, Ä8. Museum, IV. (1830> — Stuteui-, Linde'-Ztschr., VII. (1834X — Thibaut, Arch. für cm. Pr., XVIII. (1835). Nachtrag, XXHL (1840). — Burchardi, Ibid. XX. (1837). — Waruköuig, Ibid. (1837). - Puchta (1839) m den Kleinen Schriften, 1851. — c) Ueber a. B. ex professo: Schröter, Linde'- Ztschr., n. (1829). — Bartel-, Ibid. VI. (1833). — Wollank, De derivata possessione, Jnauguraldiff., Berl. 1864. — Ueber den a. B. beim Precarium s. Puchta in Richter- krit. Zahrb. (1837). — v. d. Hagen, Ueber den nach 1. 15, § 4 de precario stattfindenden Besitz deprecario rogans und de- rogatus, Hamm 1840. — Bei der Emvhyteuse: Arndt-, Linde'Ztschr. N. K III. (1847). — Bei der Supersizie-: Emmerich, Ibid. XVII. (1860). — Van Wetter, TraitS de la possession, p. 64 ff, Gand 1868.— Degenkolb, Platzrecht8 11 ff. (1867). — Wächter in den Abh. der Leipz. Fakultät, I. (1868). Rivier.

Atleh«mry der Geschworene» (Rekusation). Das Englische R. faßt unter dem Begriff der A. (challenge) Alles zusammen, waS den Parteien und speziell dem Angeklagten einen negativen Einfluß aus die Besetzung der Geschworenen­ bank giebt. Daß die Jury von jeher, auch Eiviljurh war, daß fi« lange Zeit eine Mttelstellung -wischen einem Beweismittel (speziell Zeugniß) nnd einer Anstalt zur Prüfung deS Beweises war, hat auf die, diese Frage regelnden, komplizirten Be­ stimmungen Einfluß geübt. Da» Englische R. unterscheidet die A. auS bestimmten Gründen und die ohne Angabe von Gründen (peremptory challenge). Die erstere kann gegen die ganze Spruchliste gerichtet sein (challenge to the array) oder gegen den einzelnen Geschworenen (challenge to the polls); in letzterem Fall ist fie rät* weder aus gesetzliche AuSschließungSgründe bafirt (principal challenge), oder a«f näherer Beurtheilung unterworfene, die Unbefangenheit des Geschworenen zweifelhaft machende BermuthungSgründe (challenge to the favor). Ueber erstere entschechet der Gerichtshof (wenigstens wenn daS Faktische unbestritten ist); über letztere ent­ scheiden die schon zugelaffenen Geschworenen und in deren Ermangelung zwei vom Gericht ernannte Urtheiler (triers). Außerdem hat der Angeklagte bei allen schwereren Anklagen daS Recht 20, und wenn eS sich um Hochverrath handelt 85 Geschworene ohne Angabe von Gründen (peremptorily) zu verwerfen, und dieses Recht ist ihm so gewahrt worden, daß die Möglichkeit der Verbindung der Ver­ handlung gegen mehrere Angeklagte davon abhängt, daß fie fich bereit erklären, ihr ReknsationSrecht gemeinsam zu üben. Die gewöhnliche Annahme, daß die perem» torische Verwerfung nur dem Angeklagten -usteht, ist buchstäblich richtig; allein wo der Attorney - General selbst einschreitet, hat er da» Recht zu verlangen, daß bestimmte Geschworene vorläufig zur Seite gestellt werden (to stand aside) und erst wenn, abgesehen von den so Beseitigten, die ganze Liste erschöpft ist, ist er ver­ pflichtet, Gründe gegen dieselben vorzubringen. In Amerika, wo regelmäßig die Staatsanwaltschaft einschreitrt, wird auch für fie diese» Privileg (soweit eS nicht durch Statutarrecht beseitigt ist) in Anspruch genommen. — Im Uebrigen wird, etwa HochverrathSprozeffe ausgenommen, der obm geschilderte feierliche Apparat kaum je angewendet; ,,e» ist üblich", sagt Archbold, „daß der SerichtSbeamte beim Ausruf der Geschworenen eine billige Anzahl (a reasonable nnmber) Namen, gegen welche fich Ankläger oder Angeklagter ausgesprochen haben, einfach auSläßt, so lang« nur genug übrig bleiben, um eine Jury zu bilden." — In Schottland hat der Angeklagte daS Recht, fünf Geschworene ohne Angabe von Gründen zu verwerfen; will er mehrere verwerfen, so muß er bestimmte Gründe Vorbringen. Ein ähnliche» System wie da» schottische hatten die Französisches StrasPO. vom I. 1791 und vom I. IV. der Republik eingeführt; der Angeklagte konnte

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toldfonutt her Geschworene».

(allerdings mußte da» schon vor dem Lag der Schwurgerichtsverhandlung gescheh«) 20 Geschworene ohne Angabe von Gründen verweis«, wollte er »och mehrere ver­ werfen, so mußte er Gründ« angebeu, über welch« der Gerichtshof entschied. Roch vor der Zustellung der (ursprünglich 200 Ramm umfassenden) Liste an dm Angeklagten konnte der Ankläger 20 Ramm streichen. — Der Code d’Instruction criminelle hat nun das System durchgreifend geändert und die Verwerfung aus Gründen ganz beseitigt. Letztere» ist allerdings nur zum Theil richtig, soweit e» sich nämlich nicht um* gesetzliche Ausschließungsgründe handelt. Da die Gesetze ausdrücklich die Nullität der Hauptverhandlung daran knüpfen, wenn als Gefchwormer Jemand snngirt, dem gewiffe positive Eigenschaften fehlen (Nationalität, Alter) oder dem Gründe der Jnkapazität oder der Inkompatibilität entgegenstehen, so kann eS wol unmöglich verwehrt sein, diese Thatsachen zur Kenntniß de» Gerichtes zu bringen, zunächst dm Geschworenen selbst nicht (Hölie, § 603 III. p. 416); ja es scheinen selbst Fälle vorgekommen zu sein, wo auch noch nach der Beendigung der AuSloosung sogar eigentliche AblehnungS- (nicht blos AuSfchließungS-) Gründe, welche nm entdeckt wurdm, die Wirkung hatten, daß an die Stelle des betreffenden Ge­ schworenen ein Erfatzgeschworener trat, ja selbst daß die Verhandlung abgebrochen wurde (Hölie 1. c. 414. 415): allein eine ausdrückliche Vorkehrung für die Geltendmachung der Ausschließungsgründe ist nicht getroffen und die Geltmdmachung von Umständen, welche Mißtrauen gegen die Unbefangenheit des Ge­ schworenen zu erregen geeignet find, ist mit Bedacht auSgefchloffm wordm; die Parteien sollten dm Ersatz für dieses Recht eben in einer Anzahl ihnen eingeräumter peremtorischer A., bei denen eS der Angabe von Gründen nicht bedarf, ja dieselbe sogar untersagt ist, finden. DaS im Code d’Instr. eingeführte System ist im Wesmtlichm in die deutschen SchwurgerichtSgesehe und nach Oesterreich und Italien übergegangen; doch ist im Detail, welches speziell sowol in Oesterreich bei der Berathung der StrafPO. von 1873 (namentlich im Herrenhause) als in Italien, wo im I. 1874 ein neues Gesetz über die Jury zu Stande kam, einer eingehenden Sichtung unterworfen wurde, sowie in der neuesten Gesetzgebung des Deutschen Reiches Mannigfaches Verbeffert, und dabei eine wesentliche Annäherung herbei­ geführt worden. WaS dm Zeitpunkt betrifft, so ist durchaus die A. mit der am Tage der Hauptverhandlung stattfindenden Bildung der Geschworenmbauk durch AuSloosung (s. d. Art. Geschworene) in Berbindung gebracht. In Frankreich geht dieses Geschäft in nicht öffentlicher Sitzung in Gegenwart der Betheiligten vor fich, und daran hat man in Oesterreich schon 1850, gegenüber der in einigen deutschen Schwurgerichtsgesetzen eingetretenen Abweichung, festgehalten, und ebenso in der StrafPO. v. 1873, da man (Würth, S. 511) den auch von Hsli e als für das Französische R. maßgebend angesehenen Grund der Schonung der der Rekusation aus­ gesetzten Bürger für durchschlagend erachtete. Die deutsche R.Gesetzgebung folgt dagegen der entgegengesetzten, in der belgischen Praxis und in der Mehrzahl der deutschen Schwurgerichtsgesetze hervorgetretenen Richtung und behandelt den Vor­ gang als einen Theil der öffentlichen Hauptverhandlung. Ganz eigenthümlich ist die Bestimmung deS neuesten italienischen Gesetzes. Während in Frankreich e» als ein wesmtlicheS Erfordemiß erkannt wurde, daß bei der A. der Angeklagte die Ge­ schworenen vor Augm habe, weil ihm Personen bekannt sein können, deren Identität ihm der Name nicht verrieth, weil er sich auch von dem unmittelbaren Eindruck der persönlichen Erscheinung muß leiten laffm können, ist man in Italien zu dem ganz entgegengesetzten Vorgang gekommen. Nach Art. 36 u. 39 deS Ges. v. 8. Juni 1874 und Art. 23 der AusführungS-Verordn. v. 1. Sept. 1874 versammeln sich die Geschworenen vor der Sitzung in ihrem BerathungSzimmer und erscheinen dann zum Zweck der Konstatirung ihrer Vollzähligkeit (durch Namensaufruf) in der öffmtlichen.Sihung, in welcher der Angeklagte allerdings anwesend sein sollte (die Sache ist nicht ganz klar, s. Mel, S. 313) und werden dann wieder in ihr

VHetynmg der «eschwormm.

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Zimmer znrückgesandt. Nun wird in nicht öffentlicher Sitzung in Ab­ wesenheit der Geschworenen zurAuSloosung der Geschworenen geschritten, weil die damtt verbundene A. „jedem Einfluß entzogen bleiben soll, welchen die An­ wesenheit der abzulehnenden Personen aus die Ablehnenden zu üben ganz besonders geeignet ist" (Caeorati). Die A. hat in unseren neuesten Gesetzen durchaus den durch da» Französische R. vorgezeichneten Eharatter: peremtorifche Verwerfung einer begrenzten Zahl von Geschworenen, welch« ein Surrogat für die Gettendmachung eigentlicher A.gründe (f. d. Art. Ablehnung des Richters) bildet. Die Träger dieses Rechtes find der StaatSanwatt -und der Angeklagte. Der dnrch die That Verletzte ist nach Oesterreichischem R. zurA. berufen, wen« er als Privat- oder als Subfidiarankläger auftritt; lediglich als dem Strafverfahren stch anschließender „Privat» beteiligter" hat er das Recht nicht; immechin kann nach Oesterr. R. eine Mchrheit von Anklägern vorhanden sein und werden diese sodann in die der Anklage zu­ kommenden A. sich in gleicher Art zu theilen haben, wie mehrere Angeklagte. Rach Deutschem R. kann die A. nur vom Staatsanwalt geübt werden; ein Privat­ kläger als solcher kann nur (in Folge landeSgefetzlicher Ausnahme) vor daS Schwurgericht kommen und dann nie mit dem Staatsanwalt konkurriren (StrafPO. § 424 Abs. 2); der Nebenkläger ist von dem A.R. auSgeschloflen (StrafPO. § 437 Abs. 2). — Daß für den Angellagten auch der Vertheidiger daS Recht der A. üben könne, wird wol nicht mehr bezweifelt werdm (in den Motiven zur Deutschen StrasPO. ist eS ausdrücklich konstatitt); im Falle eines Wider­ spruches zwischen beiden Witt» hier aber wol der perfönliche Mlle deS Angeklagten entscheidend sein. — Für die Zahl der A. find folgende Regeln maßgebend. Die A. findet ihr« Maximalgrenze in der Anforderung, daß zwölf Geschworene und die ersorderlichen Ergänzungsgeschworenen (s. diesen Art.) aus der AuSloofuug hervorgehen müffen; die Differenz zwischen dieser Zahl und der Gesammtzahl der in die Urne zu legenden Namen der erschienenen Haupt- und HülfSgeschworeue« (s. diesen Art.), deren Zahl zwischen 24 und 80 variirrn kann (in Oesterreich können die Patteien sich auch aus eine geringere Zahl einigen), wird zwischen Staatsanwalt und Angeklagten so getheilt, daß bei ungerader Zahl letzterer eine A. mehr hat. Diese Zahl ist für beide Seiten unüberschreitbar, und findet nicht, wie man manch­ mal in Frankreich und Italien guSzulegm versuchte, ein Zuwach» der vom StaatSanwall nicht auSgeübten A. zu Gunsten eines Angellagten oder wenigsten» einer Mehrheit von Angeklagten statt. — Einig ist man ferner jetzt darüber, daß nicht wie in Frankreich der Angeklagte sich zuerst über Annahme oder A. des gezogenen Namens zu erllären hat, sondem der Staatsanwalt; nur muß man wol, wenn diese billige Begünstigung de» Angellagten nicht illusorisch werden soll, dm Satz de» § 283 Abs. 3 StrafPO.: „Die Erklärung kann nicht zurückgenommen werdm, sobald ein femerer Name gezogen ist" — so auSlegm, daß der Staat-anwalt die Annahme nicht zurücknehmen kann, sobald fich der Angeklagte ausgesprochen hat. — Für die Vettheilung des A.R. unter mehrere Angeklagte (in Oesterreich auch An­ kläger) entscheidet deren Uebereinkommen, wo und soweit jedoch dieses fehlt (Schwarze scheint nur eine Vereinbamng über alle A. zuzulaffen; da» würde aber dem Watte: „insoweit" im § 284 StrafPO. nicht entsprechen; Löwe fordett nur eine Vereinbarung aller Angellagten) da» Laos. Hier zeigt sich aber eine Differenz zwischen der Oesterreichischen und der Deutschen StrafPO. Erster« verfügt: „so entscheidet daS Loos über die Rtthenfolge, in welcher fie jedesmal da» Recht der A. auszuüben haben. Die A. durch einen Mitberechtigten gilt und zählt dann für Alle." E» haben fich also alle Mitangeklagten der Reihe nach über jeden gezogenen Namm auszusprechen und eS kann die Gesammtzahl der den Angeklagten zukommenden A. nicht dadurch vermindett werden, daß ein Angeklagter eine auf ihn fallende A. nicht auSübt; wohl aber kann der durch daS LooS Be»

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«dletzmmß des Lichters.

nachthelligte in die Lage kommen, gar keine 8L zu haben; dies ist aber bei einer großen Zahl Angeklagter unter allen Umständen möglich. Nach Deutschem N. werden die A. gleichmäßig vertheilt und über die A., bei welchen die- nicht möglich ist, sowie über die Reihenfolge der Erklärungen entscheidet da- Loos. Hier ist also Derjenige im Bortheil, dm die Reche später trifft.

Gsgb. n. Lit: Englische- R.: Archbold, Pleading and evidence in criminal cases. Book I, Part I. ch. V, Sect 1 (15. Ed. p. 139—146). — Wharton, Criminal Law of theU. S. Book IX. ch. H (2. Ed. p. 837—862). — Mittermaier, Da- mgüsche, schottische u. uordamcritcunjche Strafvers. (Erl. 1851), S. 381 ff. — Gneist, Die Bildung der Geschwormeugerichte (Berlin 1849), S. 98—107. — Glaser, Tngl.-schott. Sttafvers. (Wien 1850), S. 121—123; Derselbe, Auflage, Wahrfpr. u. Recht-mittel (Erl. 1866), S. 21, 90, 91. — Zacharia, Handb. d. D. StrafPrz., I. S. 348, 349. — Hölie, Traitd de l’Instr. crinL,Vni. § 603. — Macdonald, A practical treatise on the Criminal Law of Scot­ land (Edinb. 1867), p. 516, 517. — Französische-, Italienische- u. Deutsche- Rbi- zur neuesten Gesetzgebung: Code d’Instruction crimin., art 399—404. — H^lie, Traite de l’Instr. crimin., § 603 (1. Aust.), IX. p. 406—423. — Morin, Repertoire ver­ hör Becusation. — Trdbutien, Cours de droit erim. (1. Ed.), II. p. 359—362. — Dalloz, Repertoire de Legislation, Tome XXVIII (Paris 1854), p. 486 n. 1852; p. 496 n. 1889.— Anspach, Proc&L devant les Cours d’Ass. (Bruxelles 1858), p. 77—86. — Perrfcve, Manuel, (Paris 1861), p. 108—116. — Cubain, Procödure devant les Cours d’Ass. (Par. 1851), n. 205—220.— Casorati, LaNuovaLeggesulGiuri(1874). — Gneist, a. a.O. 124 ff. — Zacharia, Handb. de-D. StrasPrz.R., L 350—352. — Planck, Syft. S. 349. — Brauer, Deutsche Schwurger. - Ges., Abschn. XIX. — Walther, Lehrbuch deBayer. StrafPrz., S. 128, 129. — Stenglein in der Zeitschr. s. Recht-pfl. in Bayern IV, S. 144—151. — Würth, Oesterr. StrasPO. v. 1850, S. 512 ff. — Oppenhoff, Zu den §§ 90—92 der Preuß. Verordnung v. 1849 und zu Art. 69 de- Preuß. Ges. v. 1852 (dazu Materialien sBerliu 1852], in-bes. S. 770 ff., 829). — Oesterr. SttasPO. v. 1873 §§. 307—309. Die nach Paragraphen gereihtm Kommentare von S. Mayer, Rulf, Mitterbacher und Neumayer bei diesen Paragraphen. — Ullmasnn, Da- österr. Stras­ Prz.R. (Innsbruck 1879), S. 190. — StrasPO. für da- Deutsche Reich, §§ 281—305, und die nach Paragraphen gereihten Kommentare von Schwarze, Löwe, Doitu-, Dalcke, A. Keller, Thilo, v. Bomhard und Koller, Puchelt u. Dreyer. — Dochow, Der RStrasPrz., S. 206,207. — H. Meyer in Holtzendorff-Handb., II. S. 122, 123. — v. Bar, Systematik de- D. SttafPrz.R., S. 104, 105. Glaser. Ablehnung des Richters (Rekufation). Wenn bestimmte Thatsachen eintreten, welche unbedingt die Wirkung haben müssen, daß es bedenklich wird, einen bestimmten Richter an der Verhandlung oder Entscheidung über eine bestimmte Rechtssache theilnehmen zu lassen, so ist derselbe kraft kategorischer Anordnung de- Gesetze- aus­ geschlossen (s. d. Art. Ausschließung der Gericht-personen). Diese gesetzliche Vorsorge für sich allein genügt aber nicht. Wenn nämlich auch die Ausschließung krast öffentlichen Rechte- eintritt, von diesem Standpunkte au- sowol vom ausge­ schlossenen Richter al- auch von den mitwirkenden AmtSgenossen beachtet werden muß, und dieser Norm durch die eventuell eintretende Vernichtung de- Verfahren­ der erforderliche Schutz zu Theil wird, so kann e- doch auch der Partei nicht ver­ wehrt werden, dieselbe anzurusen und diese Anrufung (die exceptio jndicis in­ habilis), welche thatsächlich eine A. (PerhorreSzirung) enthält, muß auch in prozessualische Form gebracht werden. Ebenso muß dem ausgeschlossenen oder sich für ausgeschlossen erachtenden Richter eine Möglichkeit geboten sein, über seine Selbstablehnung eine Entscheidung herbeizuführen. Die- genügt aber noch nicht. Da er nicht möglich ist, alle Verhältnisse, welche eS bedenklich machen, daß ein Richter bei einer bestimmten Rechtssache einschreite, vorherzusehen, da eS nicht

möglich ist, den Kreis der Fälle der Ausschließung über da- Maß de- unbedingt Röthigen auSzudehnen, da endlich auch dem subjektiven Gefühl der Betheiligten ein gewisser Spielraum geloffen werden muß: so muß eS den Parteien gestattet sein, Thatsachen geltend zu machen, welche eS al- ein berechtigtes Verlangen derselben erkennen lassen, daß ein bestimmter Richter von der fie betreffen,

dm Sache ferngehalten werde.

Dies ist die A. d eS modernen Prozeßrechtes,

VHetyurag

M

Richter».

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in welche- weder ein peremtorischeS RekusationSrrcht, wie «in solche- auch ft* züglich der Richter öfter in Frage kam, noch ein demselben fast gleichkommende» Recht der Partei, ihren snbjcktiven Berdacht, ohne besten Gründe anzugeben, ledig­ lich durch einen Eid (PerhorreSzenzeid) zu bekräftigen, Eingang gefunden hat. Die A. im eigentlichen Sinne beruht also darauf, daß eine unbefangene richter­ liche Prüfung jenes Begehren- der Partei und de- für dieselbe geltend gemachten Grunde- herbeigeführt werden muß. Die Deutsche StrafPO. formulirt da- A.R. int § 24 so: „Ein Richter kann fowol in den Fällen, in denen er von der Ausübung de- Richter­ amte- kraft Gesetze- au-gefchloffen ist, al- auch wegen Besorgn iß der Be­ fangenheit abgelehnt werden", letztere- dann, wenn „ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eine- Richters zu rechtfertigen." Die Oesterr. StrafPO. (§ 72) spricht „von anderen Gründen" (außer den die Ausschließung bewirkenden), „welche geeignet find, die volle Unbefangenheit deffelben in Zweifel zu setzen." Beide Gesetze schließen demnach vom Ablehnungsverfahren diejenigen Einwendungen gegen die Person deS Richters auS, welche nicht feine Beziehung zu dieser bestimmten Sache berühren, sondern ihn überhaupt al- zur Ausübung deS Richteramtr» nicht geeignet erscheinen lasten; z. B. bei anderen Gelegen­ heiten gegen Personen, welche dieser Strafsache fremd find, bewiesen« aufbrausende Hestigkät, Parteilichkeit rc. Für dir Entfernung von Richtern, gegen welche solche Einwendungen erhoben werden, mutz eben, weil die EntscheLung nicht blo- für den einzelnen Prozeß Geltung haben kann, auf anderem als prozestualischem Wege vorgesorgt werden. Aber selbst Bedenken gegen die intellektuelle Eignung d«S Richters sür diese besondere Aufgabe gehören nicht aus diese» Weg; er ist lediglich geöffnet, um den Bethelligte« die wichtigste moralische Eigenschaft de» Richters, die Unbefangenheit und die hierdurch bedingte unparteiische Erwägung und Entschei­ dung, zu fichern. Alles also, waS diese Unbefangenheit wirklich zu beeinträchtigen droht, kann durch A. geltend gemacht werden. Der Standpunkt bei der Ent­ scheidung, die allerdings auf gewiffenhafter aber freier Würdigung der Umstände be­ ruhen muß, darf aber nicht so genommen werden, daß sie nach der Individualität deS Richters verschieden ausfiele; die Frage darf nie fein, ob Grund vorhanden ist, auzunehmen, der Richter werde parteiisch oder befangen sein, und daher auch nicht darum anders beantwortet werden, weil die bekannte Objektivität gerade dieses Richters alle Zweifel ausschließen: die Frage muß vielmehr immer dahin gehen, ob der Thatumstand geeignet fei, überhaupt irgend eines davon berührtm Richter» Unbefangenheit zu beeinträchtigen, ob eine Versuchung, parteiisch zu sein vorhanden, nicht, ob sie zu überwinden sei. Rur so gefaßt, verliert Frage und Entscheidung da- Berletzende für den abgelehnten Richter. — Bezeichnend ist für diesen Stand­ punkt, daß die Deutsche StrafPO. (§§ 30, 27 Abs. 8) den Fall der Selbstab­ lehnung de- Richter- noch besonder- hervorhebt und zwar in doppelter Rich­ tung , daß im Falle einer von der Partei au-gehenden A. jede Entscheidung entfällt, sobald der Abgelehnte selbst da» A.Sgesuch für gegründet hält und daß andererseits ihm anheim gegeben ist, selbst von einem Verhältniß Anzeige zu machen, welche» seine A. rechtfertigen könnte. In letzterem Falle entscheidet da» Gericht gerade so wie über eine vom Abgelehnten bestrittene A. (Dazwischen liegt nun aber der Fall, wo der Richter die von der Partei nicht angeregte A. sür be­ gründet hält, — im Geiste des deutschm Gesetze« liegt eS nun wol, daß auch hier sein eigene- Ermeffen entscheidet). — Außer dem Falle der Selbstablehnung muß der A.Sgrund glaubhaft gemacht werden, wofür der Eid nicht benutzt werden kann (D. StrafPO. § 27). ES hängt die» nicht blo» mit der Besei­ tigung de» gemeinrechtlichen PerhorreSzenzeideS (als einer unmotivirten eidliche» Betheuerung) zusammen, sondern mit der Unzulässigkeit irgmd einer Beeidigung de- Beschuldigten, hat aber dann doch auch auf die Behandlung der Frage im

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VHetynmg des Richter«.

Civilprozeß (f. unten) hierüber gewirkt. Die Entscheidung kommt (unter Offenhaltung soforttger Beschwerde gegen die Zurückweisung der A.) dem Gericht zu, dem der Abgelehnte angehbrt, bei Untersuchung-richtern und Amttrichtern dem zu» nächst toet ihm stehenden Kollegium, dem Landgericht (§ 28 D. StrafPO.) Na­ türlich stimmt der abgelehnte Richter nicht mit. Der Fall der A. eine- ganzen Gerichte- ist direkt nicht geregelt und mit dem in den Motiven vorausgesetzten Fall der A. aller Mitglieder des Gerichtes nur in der Wirkung, nicht in der mög­ lichen Begründung identisch. In dem Falle, wo alle einzelnen Mitglieder des Ge­ richtes oder doch so viele derselben von den geltend gemachten Ablehnungsgründen berührt werden, daß daS Gericht beschlußunfähig wird, muß daS nächst höhere Gericht über die Ablehnung entscheiden (D. StrafPO. § 27 Abf. 1). Da man unter dem „Gericht, welchem der Abgelehnte angehört", die Ab­ theilung versteht, so liegt die Gefahr der Beschlußunfähigkeit auch bei einzelnen A. sehr nahe; indeß ist durch §§ 62 und 66 des GBG. dafür gesorgt, daß eventuell selbst alle Mitglieder der Abtheilung durch Stellvertreter ersetzt werden können; eS wird daher die (wegen der daraus leicht erwachsenden Nothwendigkeit eine- Aufschubes der Hauptverhandlung) immer mißliche Devolution an daS höhere Gericht nur selten eintreten.— Die Dickung des ASgesucheS besteht darin, daß der Abgelehnte sich einstweilen jeder Handlung zu enthalten hat, welche Aufschub gestattet. Eben dämm war eS nothwendig, durch Festsetzung von Friste« Miß­ brauch sem zu halten. DaS auf Besorgniß der Befangenheit (nicht daS aus einen AuSschließungSgrund) gestützte A.Sgesuch ist in der Hauptverhandlung erster Instanz nur bis zur Verlesung deS BeschluffeS über die Eröffnung deS Hauptverfahrens, in der Rechtsmittelinstanz nur bis zum Beginne der Berichterstattung zulässig (§ 25 D. EtrasPO.). Späteres Bekanntwerden deS A.sgmndeS kommt nicht in Be­ tracht. (Schwarze bei § 25 Z. 4). Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ist nichtig, wenn entweder ein abgelehnter Richter oder ein solcher, dessen A. mit Unrecht zurückgewiesen wurde, mitgewirkt hat (§ 377 Z. 3 D. StrafPO.). Die Bestimmungen über A. der Richter finden auch auf Schössen und Gerichts­ schreiber Anwendung. Die Oesterr. StrafPO. von 1873 (§§ 72—74) steht prinzipiell auf demselben Standpunkte wie die Deutsche. Sie läßt jedoch über die A. in der Regel den Vor­ steher deS Gerichtes, welchem der Abgelehnte angehört, entscheiden; nur wenn ein Be-irttrichter (Einzelrichter), der Vorsteher eines Gerichts oder ein ganzer Gerichts­ hof abgelehnt wird, entscheidet daS nächst höhere Richteckollegium. DaS A.S­ gesuch soll, wo eine mündliche Verhandlung in Frage kommt, längstens 24'Stunden, und wenn ein Gerichtthof abgelehnt wird, drei Tage vorher angebracht werden. Der Eid kommt als Bescheinigungsmittel nicht in Betracht. Die Selbstablehnung ist nicht ausdrücklich erwähnt, sügt sich aber, da eS sich in der Regel nur um die Anzeige des A.Sgrunde» an den Vorsteher deS Gerichtes handelt, von selbst ein, findet auch ihre Analogie in der Selbstausschließung (§ 71). Maßgebend ist die Meinung deS Abgelehnten nicht. Die Entscheidung Über die A. unterliegt keiner Beschwerde; Derjenige, der der A. Folge giebt, trifft die nöthigen Anordnungen sür den Ersah. Die Bestimmungen der Deutschen EPO. Über die A. der Gerichtspersonen (§§ 42—49) stimmen mit denen der StrafPO. nahezu wörtlich Überein. Hervorzuheben ist nur, daß die Partei einen Richter wegen Besorgniß der Befangenheit nicht mehr ablehnen kann, wenn sie bei demselben, ohne den ihr bekannten A-Sgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung sich eingelaffen oder An­ träge gestellt hat; die A. kann später erfolgen, wenn der A.Sgmnd erst später entstand oder noch später bekannt wurde. — Der Eid ist auch hier als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschloffen. — Ueber das A.Sgesuch wird ohne mündliche Verhandlung und Über die Selbstablehnung ohne vorgängiges Gehör der Packeien

«blehmmßSßrürl-e de- Vvrwundes.

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entschieden. — In Oesterreich ist für Livilsachen in dieser Frage § 53 bei Gesetzes vom 3. Mai 1853 über die innere Einrichtung und Geschäftsordnung sämmtlicher Gerichtsbehörden maßgebend, wonach der Partei, „welche Ursache zu haben glaubt, in die Unbefangenheit einer Gerichtiperson Zweifel zu setzen, Vor­ behalten ist, wegen A. derselben und nach Umständen wegen Delegirung eines anderen Gerichtes einzuschreiten." ES darf aber auch keine Gerichtsperfon, welcher nicht ein AuSschließungSgrund entgegensteht, „sich der ihr obliegenden Amtspflichten entfchlagen" (§ 56 eberüa). Lit.: Zachariä, Handb. de- D. StrafPrz., I. S. 384—348. — Mittermaier im Arch. de- T.R. 1845, S. 1—30. — Seuffert, Bon dem Rechte de- peinlich Angellcmtm, seinen Richter auSzuschließm, Nürnberg 1787. — Dochow, Der RStrasPrz., 6. 50 ff. — Ullmann in HoltzendorffS Handbuch, L S. 171—174; Derselbe, D. Oefterr. StrasPr-.R., S. 201—203. — Hye, Die leitenden Grundsätze derOefterr. StrasPO. v. 1853 (Wim 1854), S- 156. 157. — Rulf, Kommentar zur StrasPO. v. 1853, (Wien 1857), I. S. 56. — Bayer, Vorträge über dm Gem. ordmtl. Eiv.Prz., §§ 81—83 (8. Anst. München 1856 S. 251 ff.). — Schmid, Handb. d.Gem. D. Liv.Prz. (Kiel 1843), 1.6. 46—49. — Martin, Vorlesungen über die Theorie de-Dmtschm Gemeinm bürg. Prozeße- (Leipz. 1855), L 360—3^6. — Renaud, Lehrbuch de- D. Gem. Liv.Prz. (Leipz. 'u. Heidelberg 1867), S. 35, 36. — Bgl. die nach Paragraphen geordneten Kommmtare der Deutsch, u. Oefterr. StrasPO. (angeführt beim Art. Ablehnung der Geschworenen) u. der Deutsch. EPO. bei dm im Text eitirtm Gesetzesstellen. Für dm öfterr. Liv.Prz.: Haimerl, DieBerfaffung der Livilgerichte in Oester­ reich (Wien 1856), I. S. 97. Glaser.

Ablehuuugsgründe de- Vormundes find diejenigen Gründe, welche dm zu einer Vormundschaft Berufenen berechtigm, die Uebernahme diese» munus publi­ cum abzulehnen. Schon da- Röm. R. berückstchtigte eine allzugroße Beschwerlich, leit der Vormünder, indem e» einerseits wegm subjektiver Hinderniffe (Krankheit deS Leibes und der Seele, hohes Alter, Armuth, Unkenntniß im Lesen und Schreiben, Geschüftsunerfahrenheit, Rechtsstreitigkeiten zwischen dem defignirtm Vormunde und dem Mündel), andererseits wegen objektiver Hinderniffe (drei bereits geführte oder eine sehr umfangreiche Vormundschaft, zu große Entsernung de» Geschäftskreises von dem Wohnsitze des Vormundes) eine Ablehnung gestattete. Ebmfo sollte wegen de- äffentlichen JntereffeS die Bekleidung gewißer obrigkeitlicher Aemter, Gmatormwürde. Abwesenheit im StaatSdimste, Mitgliedschaft des Geheimen Raths, Verwaltung Malischer und Chatoullengüter, Pachtung und Kolonat von Staats» gütern, die Bekleidung eine- geistlichen oder wiffenfchaftlichen Amtes, ärztlich« Praxis, die Zugehörigkeit zu gewiffen gemeinnützigen Innungen und Korporationen von der Vormundschaft entschuldigen. Endlich gab eS eine Reihe von Privilegien (jus liberorum, Kriegsdienst und ehrenvolle Verabschiedung auS demselben, Prtmi» pilaren, Athleten). Alle diese Befreiungsgründe werden von der Neuerm excusationes voluntariae genannt (wegen der sog. exc. necessariae s. den Art. AuS» schließung deS Vormundes). Gemeinrechtlich könnm einige Gründe wegm Mangel» de» Objekts nicht vorkommen, andere find durch den Gerichtsgebrauch ab» geändert, und auch partikularrechtlich ist die Zahl der AblehnungSgründe beschränkt worden, wenngleich die Gesichtspunkte de» Röm. R. die vorherrschenden geblieben find. Der Grund mußte bei Vermeidung deS Verluste» vor der Obervormundschaftsbehörde binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht werden (1. 13 D. 27, 1. § 16 J. 1, 25. 1. 2, 6 C. 5, 62), die nach jetzigem Gem. R. von dem Ermeßen deS Richters abhängt, während Partikularrechte den tönt. Zeitraum verkürzt haben. Verwandtschaft und Kollegialität mit dem Vater de» Mündel» verhindern den Ge­ brauch de» AblehnungSgrundes und eine Verzichtleistung auf denselben wird an» genommen seitens DeSjenigm, der dem Vater die Uebernahme der Vormundschaft bei Lebzeiten versprochen oder seine eigene Emennung im Testament deS Vater­ selbst geschrieben oder ein Legat von demselben angenommen, endlich mit der Füh­ rung der Vormundschaft begonnen hat. DaS Röm. R. hatte für die Prüfung deS AblehnungSgrundeS ein bestimmtes Verfahren mit Fatalien und Rechtsmitteln vor»

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«WiBgMWtoltaL

geschrieben, welche- nicht über vier Monate dauern sollte (1. 38. 39. D. 27,1); die Verwerfung de- Ablehnung-grunde- machte den Vormund für den durch seine Zögerung entstandenen Schaden verantwortlich. Nach Sem. und Partikularem R. ist da- Verfahren ein summarische-. Quellen u. 8it: Titt. Inst. I, 25. D. 27, 1. C. 5, 62—69. — R. Milit-Ges. v. 2. Mai 1874 § 41. — «aper. LR. I, 7 § 20 ff. — Oefterr. BGB. § 195. — Cod. civ. art 427— 441. — «ad. LR. Art. 427—441. — Sachs. «GB. § 1897 ff. — Preuß. «onuQ. v. 5. Juli 1875 § 23. — C. civ. Ital. art. 272—276. — Außer den Lehrbüchern des Priv.R.: Rudorfs, Da- R. der Vormundschaft 1833, II, S. 43—210. — Arant, Die Vormundschaft nach den Grundsätzen de- Deutschen R., 1835, I. S. 243 :c, II. S. 163 re. — Aubry et Bau, Cours de droit civ. frany., 1869 I, p. 422 ss. — Wegen de- Preuß. R. dir jtom» mentarien zur BorurO. von Anton, Neumann, Wachler, Hesse und Deruburg, Da- Vormund­ schaft-recht der preuß. Monarchie, 2. Anst. 1876 S. 153 ff. — Lyon, Geharnischte Streiszüge io die Borm.O. 1879 S. 54 ff. Kayser.

Ablösuugskapilalieu find aus eine Summe baaren Gelde- festgestellte Ent­ schädigungen für eine ausgehobene Grundlast. Sie können in Folge freier Verein­ barung zwischm dem Berechtigten und dem Verpflichteten Vorkommen, finden fich aber vorzugsweise in Folge der Ablösung derjenigen Grundlasten, welche durch die neueren Ablösung-gesetze auf einseitigen Antrag de- Berechtigten und de- Ver­ pflichteten für aushebbar erklärt find und deren Beseitigung staatlich geregelt und gefördert wird (vgl. d. Art. Agrargesetzgebung). Die Entschädigung in Kapital ist -war keine-weg- die einzige gesetzlich vorgeschriebene oder verstattete Abfindungs­ art. In bedeutendem Umfange vielmehr giebt es Abfindungen in Land, in Na­ turalrente oder in Geldrente. Allein meist gilt die Ablösung in einem, dem nach gesetzlichen Vorschriften ermittelten Werth der Grundlast entsprechenden Kapital ÄS die Regel. Gerade um diese Form der Befreiung auch den nicht im Besitz bereiter Geldmittel befindlichen belasteten Grundbesitzern zu ermöglichen, haben die Staaten bezüglich der drückendsten Lasten (insbesondere der Reallasten) die Ver­ mittlung deS AblösungSgeschästeS durch besondere hierfür errichtete Kreditanstalten (Reatenbanken) oder Kasten (Ablösungskasten) selbst in die Hand genommen. Wird diese staatliche Vermittlung von den Betheiligten in Anspruch genommen, so tritt die betreffende öffentliche Anstalt in die Pflichten deS Belasteten gegen den Be­ rechtigten und in die Rechte deS letzteren gegen den ersteren ein, während unter diesen selbst jeder rechtliche RexuS erlischt. DaS Ablösungskapital wird dem Be­ rechtigten dann von der Anstalt regelmäßig nicht baar, sondern in verzinslichen Schuldscheinen, welche die Natur kurshabender Werthpapiere haben, au-gezahlt. Der Veqiflichtete dagegen wird der Anstalt gegenüber Schuldner des Ablösungs­ kapital- mit der Maßgabe, daß er die Verbindlichkeit zur Abtragung desselben in periodischen Renten nach einem bestimmten TilgungSplan übernimmt. DaS Ablösungskapital hat juristisch den Charakter eines Geldsurrogats für die aufgehobene Grundlast, und rS gilt von ihm im Allgemeinen der Satz: „pretium succedit in locmn rei“. Die Gesetzgebung sucht überall dieses Prinzip in einer Reihe von Einzelbestimmungen zu realifiren. Die Entrichtung deS Ablösung-kapitals oder der zu seiner Abtragung bestimmten Rentenbeträge liegt demselben Subjekt ob, welche- daS verpflichtete Subjekt der Grundlast war. Gleich der Grundlast selbst ruht daher diese Pflicht aus dem Grundstück und erscheint an sich als eine Reallast (resp. Grundschuld). Doch wird von den Gesetzen, wo eine einmalige Zahlung deS GesammtbetrageS übernommen ist, öfter die Schuld als persönliche Schuld ausgesaßt, hinsichtlich deren nur dem Berechtigten ein in daS Grundbuch einzutragendes Pfandrecht am belasteten Grund­ stück eingeräumt wird. Zahlung-pflichtig ist der Eigenthümer deS befreiten Grund­ stücks. Derselbe hat aber gegen den Nießbraucher und Pächter einen Anspruch auf Vergütung der Zinsen deS Ablösung-kapitals während der Zeit ihre- Fruchtgenuffes. Entrichtet wird das Ablösungskapital an das hinsichtlich der ausgehobenen

»UfungSsachen.

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Grundlast berechtigte Subjekt. I« der Regel handelt eS sich um subjektiv-dingliche Berechtigungen. Dann steht da» Recht auf Empfang de» AblöfungÄapitals dem Eigenthümer deS berechtigten Grundstücks zu, der nur wieder zur Ueberlafsung der Zinsen deffelbm an de« Nießbraucher oder Pächter für die Zeit ihre» Nutzungs­ rechts verpflichtet ist. In der Hand de» Berechtigten tritt das Ablösungskapital nn die Stelle der fortgefallenen Berechtigung, erscheint daher an stch gleich dieser al» ein Zubehör deS berechtigten Grundstücks. Deshalb bestehen an dem 86löfungSkapitale alle dinglichen Rechte fort, welche die aufgehobene Berechtigung' zu­ sammen mit dem berechtigten Grundstück ergriffen. Ist da» letzte« ein Lehn- oder Fideikommißgut, so nimmt auch da» Ablösung-kapital Lehn«- oder Fideikommißqualität an (Beseler, Priv.R. § 176, Note 26, LewiS, Familimfidell. 6.196). Den Realgläubigern deS berechtigten Grundstück» beibt da» Ablösung-kapital in der Hand deS Eigenthümer- verhaftet. Da jchoch zum Unterschiede von Abfindungen in Land oder Rente, die in dauernde Verbindung mit dem berechtigt« Grundstitck treten und bezüglich beten die Eintragung diese- RexuS im Grundbuch genügt, da» Ablösung-kapital unmittelbar an die Person de- Berechtigten fällt, so bedars ebefonderer gesetzlicher Maßregeln, um die Realberechtigten hinsichtlich de- AblösnngSkapitalS sicher zu stellen. Zu diesem Behuf toetben sowol die A. in da» Grund­ buch deS berechtigten Grundstücks al» Zubehörungen deffelben auf dem Titelblatt eingetragen, als auch ihrer Eintragung in da» Grundbuch de- belasteten GrundMckS bezügliche Bermerke hinzugefügt. Die Löschung erfolgt erst, wenn entweder die gehörige Verwendung de» Ablösungskapitals zur Sicherstellung der Realgläu­ biger nachgewiesen oder daffelbe gerichtlich niedergelegt ist. Sie staatlichen AuS» rinandersehungSbehörden haben zur Herbeiführung dieses Ersolge» ein eigene» so­ genannte» „Verwendungsverfahren" einzuleiten, da» mit einer Bekanntmachung an sämmtliche au» dem Grundbuch ersichtlichen Hypothekengläubiger und sonstigen Realberechtigten beginnt und unter fortdauernder Leitung und Entscheidung der Behörde bi» zum Abschluß aller Verhandlungen unter den Betheiligten geführt wird, woraus die Löschung de» Ablösungskapitals erfolgt. Bei unbedeutenden Beträgen fällt da» BerwendungSverfahrm fort (vgl. z. B. Preuß. Sef. v. 2. März 1850, § 110, Ut. c—e). Ebenso unterbleibt die Bekanntmachung der Kapital­ abfindungen an die Realgläubiger, wenn der Empfänger der Auseinandersetzungs­ behörde den Nachweis führt, daß er daS Ablösungskapital in einer die Berechtigten sicherstellenden Weise in die Substanz deS berechtigten Gutes zu dauernden Me­ liorationen deffelben oder zur Abstoßung erstberechtigter Kapitalposten thatsächlich verwendet hat. Lgl. über Gszb. u. Agrargesetzgebung.

Lit. die Ablösung-gesetze

und die Lit. über dieselben Himer dem Art. S. Gierke.

Ablösungssache« find die Komplexe rechtlicher Angelegenheiten, welche au» der im öffentlichen Interesse gesetzlich regulirten Aufhebung von Grundlasten gegen Entschädigung hervorgehen (vgl. d. Art. Agrargesetzgebung). Sie bilden einen Theil der Auseinandersetzungssachen, zu denen überdies die staatliche Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen EigenthumSverhältniffe, die GemeinheitSthei» lungen, die Zusammenlegung getrennt gelegener Grundstücke deffelben Besitzer», die Regelung bestehen bleibender Grundgerechtigkeiten und die Bildung von Genossenfchaften im Interesse der Landeskultur gerechnet zu werden pflegen (vgl. die Art. Agrargesetzgebung und GemeinheitStheilung). Die private Regelung dieser Angelegenheiten durch freie Vereinbarung der Betheiligten ist nicht ausgeschlossen. DaS Eigenthümliche aber der Auseinandersetzungsfachen liegt darin, daß theil» von AmtSwegen, theils auf Antrag staatliche Behörden deren Leitung und Durchführvng in die Hand nehmen. Diese Behörden find in einer Reihe Deutscher Staaten die ordentlichen Ver­ waltungsbehörden resp, die ordentlichen Gerichte (in Bayern, Württemberg, Baden,

16 Heffeu, Koburg, Reuß j. L.,

In

AAösunßösacheu. Elsaß-Lothringen und im linksrheinischen Preußen).

anderen Staaten dagegen stick besondere AuSeinanderfetzungsbehörden bestellt (im g^ammten übrigen Preußen, Oesterreich, St. Sachsen, Oldenburg, Braunschweig und den meisten Sächsisch-thüringischen Kleinstaaten). Reben den administrativen Funktionen ist diesen Behörden oder einem Theil derselben in der Regel zugleich eine richterliche Kompetenz in AuSeinandrrsetzungSsachen beigelegt wordm. DaS D. @86. § 14 hält diese Spezialgerichte ausdrücklich aufrecht. In Preußen ins­ besondere wird die Auseinandersetzung in administrativer Hinsicht von Spezial­ kommissionen (in Hannover TheilungSkommisfionrn genannt) oder Spezialkommissarien unter Beihülfe von Kreisverordneten, sachverständigen Schiedsrichtern und vereidigten Feldmeffern örtlich auSgesührt, von Generalkommisfionen resp, den in einigen Provinzen sie vertretenden RegierungSabtheilungen geleitet, vom landwirthschastlichen Ministerium überwacht. Hinsichtlich der richterlichen Thätigkeit dagegm werden die erst durch daS Verfahren hervorgerufenen eigentlichen AuSeinanderfetzuagSstreitigkeiten und die auf den zu Grunde liegenden Rechtszustand bezüglichen Streitigkeiten unterschieden. Ja Streitigkeiten der ersten Art entscheidet in erster Instanz die Generallommisfion resp, an ihrer Stelle da, wo die Regierung ihre Funktionen wahrnimmt, ein besonderes Spruchkollegium, in zweiter und letzter In­ stanz das RevifionSkollegium für Landeskulturfachen zu Berlin. In Streitigkeiten der zweiten Art entscheiden in erster und zweiter Instanz dieselben Behörden, in dritter Instanz aber daS hierfür durch Reichsverordnung v. 26. Septbr. 1879 (RGBl. S. 287) dem Obertribunal fubstituirte Reichsgericht. Rur in Hannover gehören Streitigkeiten der zweiten Art durchweg vor die ordentlichen Gerichte, während für Streitigkeiten der ersten Art eine besondere Gerichtsbarkeit in drei Instanzen (TheilungSkommiffion, Generalkommiffion, RevifionSkollegium) besteht. Aehnliche Unterscheidungen und Kompetenzabgrenzungen finden sich auch in anderm Deutschen Staaten. Der materielle Inhalt der Thätigkeit staatlicher Behörden in A. insbesondere wird durch die AblöfungSgesetze bestimmt. Rach diesen Gesehen entscheidet eS sich zunächst, bezüglich welcher Arten von Grundlasten das AblöfungSverfahren zulässig ist. Dabei ergeben sich namentlich zwei große Gruppen ablösbarer Grundlasten, die vielfach (namentlich auch in Preußen und Oesterreich) ganz verschieden behandelt werden. Die eine Gruppe bilden diejenigen Reallasten, welche nicht entweder ohne Entschädigung auf­ gehoben oder als öffentliche Lasten von der Ablösung ausgenommen find. Die zweite Gruppe bilden diejenigen Grunddienstbarkeiten, welche speziell für ablösbar erklärt find. In die erste Gruppe gehören Dienste, Zehnten, Grundzinse aller Art und BefitzveränderungSabgaben: ihre Beseitigung ist von den Staaten vornehmlich im Jntereffe der Befreiung des bäuerlichen Besitzes befördert worden und hat im Ganzen den Charakter einer sozialen Reform. In die zweite Gruppe gehören namentlich Weideservituten und zahlreiche Forst- und Waldservitüten: ihre Beseitigung wird vornehmlich deshalb und insoweit erstrebt, weil und als sie für ein Hinderniß rationeller Land- und Forstwirthschaft gelten, und trägt daher im Ganzen den Charakter einer wirthfchastlichen Reform. In der Regel ist auch äußerlich die Gesetzgebung über die Reallasten- und die Servitutenablösung getrennt. So beziehen sich in Preußen die sogenannten „Ablösungsgesetze" nur auf jene, während diese in den „GemeinheitStheilungSgesetzen" geregelt wird. — Zu den Reallasten und Servituten treten übrigens noch andere dingliche Rechte deutsch­ rechtlichen Ursprungs als möglicher Gegenstand der Ablösung hinzu; so insbesondere, wo eS nicht unmittelbar aufgehoben ist, daS Obereigenthum als solches mit seinen nutzbaren Ausflüffen, während die letzteren da, wo das Obereigenthum vom Gesetz direkt beseitigt ist, von diesem Augenblick an unter die Kategorie ablösbare: Real-

lasten fallen; so ferner die Zwang»- und Bannrechte, welche nach bet D. Gew O, v. 1869, §§ 7—10, sofern sie nicht aufgehoben find, dann bet Ablösung unter­ liegen, wenn die ihnen gegenüberstehende Verpflichtung auf best Grundbesitz, bet Mitgliedschaft in einer Korporation oder dem Wohnsitz innerhalb eine» be­ lasteten Bezirke» ruht; so die auf Grund und Boden hastenden oder mit einer Gewerb»realität tierimnbenen EhehaftSverhältniffe in Bayern (Bayer. Ges. v. 28. Febr. 1868) k. Eine fernere Voraussetzung bet Ablösung ist in bet Regel ein gehöriger An­ trag bei der AuSeinandersetzungSbehürde. Zn einer solchen „Provokation* ist stet» bet Eigenthümer de» belasteten Grundstück» (und meist ebenso bet erbliche Nutzungs­ berechtigte) , nach bet großen Mehrzahl bet Gesetze aber mit seltenen Ausnahmesälleu auch bet BerechÜgte einseitig befugt. Der Antrag kann sich auf alle ab« lösbaren Lasten de» Grundstück» zugleich oder auf einzelne betfeÖen richten; bis­

weilen ist j»och die Zulüffigkeit der Theilablvfung beschränkt. Zurücknahme be» Antrag» gegen Uebernahme aller Kosten ist bi» zur Erledigung bet A. durch einen Entscheid oder Vergleich möglich. Der Antrag kann von der Behörde dann nicht zurückgewiesen werden, wenn er eine im Gesetz unbedingt für ablüSlich erklärte Sech betrifft. Die» ist die Regel. E» giebt aber auch Besetze, welche bestimmten Lasten, namentlich Wald- und Weideservituten, nur eine bedingte Ablösbarkeit gewähren (z. B. Oesterreich, Preuß. Ges. f. Hannover v. 13. Juni 1878, Baden, Hessen, Sachsen-Meiningen bei Weideberechtigungen im Falle Widerspruch» de» Berechtigen, Braunschweig ic.). Dann folgt dem Anträge eine örtliche Untersuchung über die Statthaftigkeit der Ablösung im konkreten Fall und e» kann je nach deren AuSfall eine behördliche Abweisung der Provokation erfolgen. — Reben der Zwangablüsung auf Antrag tritt nun aber in einzelnen Deutschen Staaten hinsichtlich be­ stimmter Kategorien von Grundlasten eine Ablösung von Amt»wegen ein. Die» ist vor Allem in Oesterreich hinsichtlich aller durch die Gesetzgebung unmittelbar gegen Entschädigung aufgehobener Lasten bet Fall, wozu hier sämmlliche privatrechtliche Reallasten, sofern sie nicht ohne Entschädigung beseitigt find, gehören. Da» gleiche gilt auch sonst von manchen Reallasten und namentlich von Frohnden. In Bayern ist zwar nicht die Ablösung, wohl aber die Umwandlung aller Natural­ abgaben in ablöSliche feste Gelbrenten unabhängig vom Willen der Betheiligten vollzogen. In Preußen kommt die Ablösung von Amtswegen nur bei der gelegent­ lichen Ablösung der hierzu geeignet befundenen Grundlasten im Laufe eine» Zu­ sammenlegung»- oder GemeinheitSvertheilungSverfahreu» vor. Den Inhalt der Ablöfung»thätigkeit der Behörde bildet hiernächst vor Allem die Werthermittlung de» aufzuhebenden Recht». Ueber die Werthermittluna find in den Gesetzen bindende Normen aufgestellt, die begreiflicher Weise hinsichtlich der einzelnen Arten von Lasten sehr verschiedene Wege gehen. Meist wird bei allen nicht in einer festen jährlichen Geldabgabe bestehenden Lasten der jährliche NutzungSertrag nach einer DurchschnittSfchähung in baarem Gelde stxirt, bei Naturalabgaben und Diensten hierbei zugleich ein Durchschnittspreis und bei nicht ständigen Lei­ stungen (z. B. BefitzveränderungSabgaben) eine Durchschnitt-Häufigkeit deS BerpflichtungSfalleS ermittelt und zu Grunde gelegt. Hiernach ergiebt sich zunächst der Geldwerth der Berechtigung im Ausdruck einer jährlichen Rente. AuS dem Renten­ werth wird sodann der Kapitalwerth des Rechts nach einem gesetzlich fixirten Zins­ fuß durch einen von 18 bi» 25 schwankenden Multiplikator gefunden. Bei Dienst­ barkeiten findet sich (z. B. in Preußen) statt bet Ermittlung be» RutzungSertrageS auch eine Feststellung de» Werth» durch Ermittlung be» durch die Ablösung dem belasteten Gut erwachsenden Bortheil». Der Werthermittlung korr^pondirt die EntschädigungSseststelluug.

Da die Natur der Ablösung die einer ZwangSenteignnng ist, so ist da» oberste Prinzip hierbei, daß die Entschädigung oder die sogenannte „Abfindung" dem er» d. Holtzend-rN, «ne. ll. »echtilexikon I. S. «nff.

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Abmeierung.

mittelten Kapitalwerth des aufgehobenen Rechts an Werth gleich sein soll. Im Falle der Abfindung in einer baaren Geldsumme erfolgt daher deren Fixation ein­ fach in Höhe des ermittelten Kapitalwerths (vgl. d. Art. Ablösungskapitalien) In manchen Staaten ist nur die Geldabfindung bekannt (z. B. in Württemberg). Meist aber giebt es daneben andere Abfindungsarten, deren Zulässigkeit in den ein­ zelnen Fällen gesetzlich geregelt ist. So kommt die Abfindung durch eine auf das belastete Grundstück gelegte ablösliche Geldrente vor, die dann dem ermittelten Rentenwerth der Berechtigung entspricht. Statt der Abfindung durch eine Geld­ rente findet sich aber auch die Abfindung durch eine Naturalrente (besonders in Korn). Und endlich spielt namentlich bei der Ablösung von Wald- und Weide­ servituten die Abfindung in Land eine große Rolle. So insbesondere in Preußen. Hinsichtlich der Landabfindung werden dann wieder genaue Vorschriften über Er­ mittlung ihrer Größe und ihres Werths, sowie über ihre Lage und Beschaffenheit getroffen, wobei die dauernden wirthschaftlichen Interessen sowol des belasteten, als des berechtigten Grundstücks berücksichtigt werden. Hierbei wird in Preußen bei Ablösung von Waldgerechtigkeiten die Abfindung in landwirthschaftlich benutzbarem Kulturland, in Waldland und in sonstigem Nutzland unterschieden. Das Verfahren der Auseinandersetzungsbehörden in A. ist überall durch eingehende formelle Vorschriften geregelt, welche die Einleitung der Sache, die Ver­ nehmung der Betheiligten, die Anfertigung des Ablösungsplanes, die Entscheidung von Streitpunkten, die Ausfertigung und Bestätigung des Ablösungsrezesses und die zulässigen Beschwerden und Rechtsmittel ordnen. Während des Hauptverfahrens können von der Behörde interimistische Anordnungen über Besitz, Genuß und Ver­ waltung getroffen werden. Der definitiven Feststellung des Ablösungsrezesses, dessen Aufbewahrung in bestimmter Weise vorgeschrieben ist, folgt dessen Ausführung, wobei die Auseinandersetzungsbehörde in mannigfacher Weise zur Bewirkung der Umschreibungen im Grundbuch, zur Regulirung der Grundsteuern und sonstigen öffentlichen Lasten und zur Sicherstellung der Realberechtigten thätig wird. Die Verkeilung der Kosten erfolgt nach Maßgabe des Vortheils der Betheiligten. Im Einzelnen weichen die Bestimmungen über das Verfahren in den verschiedenen Deutschen Staaten außerordentlich von einander ab. In Preußen macht sich nament­ lich die Verbindung administrativer und richterlicher Funktionen auch hierbei geltend. Es ist zu erwarten, daß das in der Hauptsache hier in allen Instanzen noch gel­ tende schriftliche und nicht öffentliche Verfahren, welches durchweg aus die Unter­ suchungsmaxime gebaut ist, in Folge der Deutschen Justizreform einer Revision unterzogen werden wird. In dem Preuß. EG. zum D. GVG. v. 24. April 1878 ist ein besonderes Gesetz über das Verfahren in Auseinandersetzungssachen verheißen. Die Gsgb. u. Lit. über A. findet sich hinter dem Art. Agrargesetzgebung vermerkt. 'O. Gierke.

Abmeierung (Abtrieb, Expulsion, Th. I. S. 500). Bei den Kolonatgütern, namentlich den Meiergütern und einigen verwandten Güterarten steht dem Guts­ herrn das Recht zu, dem Bauer aus gesetzlichen Gründen das Gut zu entziehen und dasselbe einem anderen zu übergeben. Gründe für die A. sind: schlechte Wirthschaft des Bauern, Konkurs, Nichtleistung des Zinses, gewöhnlich während zweier oder dreier Jahre, Veräußerung des Guts von Seiten des Bauern ohne Einwilligung des Herrn, auch wol Unterlassung des Gesuchs um Bemeierung, d. h. um Erneuerung des Meierbriefs, wo ein solches vorgeschrieben ist. In der früheren Zeit war der Gutsherr berechtigt, in diesen Fällen die Entsetzung des Bauern selbst vorzunehmen. Die neuere Gesetzgebung hat sein Recht mehr und mehr ein­ geschränkt. Einmal ist eigenmächtige Entziehung des Guts durchweg verboten; der Herr muß darauf klagen, den sog. Expulsions-Prozeß anstellen. Ferner wird meist das A.-Verfahren nur gestattet wegen doloser Handlungsweise des Bauern,

Abmusterung — Ablichtung.

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und wenn derselbe durch andere Mittel nicht zur Erfüllung seiner Obliegenheiten vermocht werden kann. Einige Part.-R. haben das A.R. geradezu beseitigt, so das Preuß. LR., das Oesterr. GB. und das Bayer. Edikt über die gutsherrlichen Rechte und gutsherrliche Gerichtsbarkeit vom 26. Mai 1818. Letzteres beschränkt den Herrn lediglich auf einen Entschädigungsanspruch gegen den Bauer. Die bei­ den ersteren Gesetzbücher schreiben im äußersten Fall Verkauf für Rechnung des Bauern vor. Doch bestimmt dies das Preuß. LR. nur hinsichtlich der Erbpacht, während es bei Erbzinsgütern als Strafe für die Nichterfüllung der dem Zins­ mann obliegenden Pflichten den Verlust des Erbzins-Rechts setzt.

Gsgb. u. Lit.: Preuß. LR. Th. I. Tit. 21. §§ 204—206. Tit. 18 § 771 ff. — Oesterr. BGB. § 1130. — Bayer. Ed. v. 26. Mai 1818 § 16. — Strube, Gründlicher Bericht von dem Abm.-R., Braunschw. u. Hildesh. 1738. — Pfeiffer, Das D. Meier-R., Kassel 1848, § 31. — Pfeiffer, Prakt. Ausführungen, V. Nr. 2. — Stobbe, D. Priv.R., II. S. 469 ff. Lewis.

Abmusterung (Th. I S. 544) ist die vom Schiffer (b. h. Führer eines See­ schiffs) zu veranlassende, vor dem zuständigen Seemannsamt stattfindende „Ver­ lautbarung der Beendigung des Dienstverhältnisses" von Seiten des Schiffers und des aus diesem Verhältnisse ausscheidenden Schiffsmanns. Sie seht die vereinbarte Auflösung des Dienstverhältnisses voraus, bewirkt sie also nicht erst, muß aber andererseits unmittelbar auf diese Beendigung folgen. Zuständig ist in Ermange­ lung einer anderweitigen Vereinbarung das Seemannsamt des Hafens, wo das Schiff liegt; falls dieses verloren gegangen, das Seemannsamt, welches zuerst an­ gegangen werden kann. Die A. ist vorgeschrieben sowol im öffentlichen Interesse (vgl. Seem. -O. §§ 8 u. 64) als im Interesse der Betheiligten, besonders der Schiffsleute, d. h. um das Seemannsamt in die Lage zu sehen, die Beobachtung der­ jenigen Vorschriften zu erzwingen, welche zu Gunsten der letzteren gegeben sind (Seem.-O. tz 48 Abs. 1 Ziff. 4. Abf. 2 §§ 66. u. 71). Die erfolgte A. wird seitens des Seemannsamts in dem Seefahrtsbuch des abgemusterten Schiffsmanns und in der Musterrolle des Schiffs, zu dessen Besatzung dieser gehörte, vermerkt. Wo eine A. trotz der Auflösung des Dienstverhältnisses nicht möglich ist, da kann der darüber aufzunehmende Vermerk durch eine dieselbe bescheinigende, vom Seemannsamt in das Seefahrtsbuch des betreffenden Schiffsmanns einzutragende Notiz ersetzt werden.

Gsgb. u. Lit.: D. R.-Seemanns-O. v. 27. Dezbr. 1872, ROHG. XVIII. Nr. 105.

8. 10. 16. — Entsch. des Lewis.

Abruzzo, Balthasar, sizilianischer Rechtsgelehrter, f 1665. Er schrieb u. A.: Interpr. ad pragm. unic. de modo proced. summarie et de plano. — Pract. jur. quaestiones, Palermo 1663. Vgl. Wal (Stintzing), Beitr. 1866, S. 95. Teichmann. Abschichtmig (vgl. Theilrecht) ist die schichtweise (d. h. quotenweise) Aus­ einandersetzung des überlebenden Ehegatten und der Kinder hinsichtlich des bis dahin der allgemeinen ehelichen Gütergemeinschaft unterworfenen Vermögens, also die Realisirung der vorher durch die Idee des Gesammteigenthums zurückgedrängten Antheilsrechte oder der durch die Idee des Alleineigenthums des überlebenden Ehe­ gatten zurückgedrängten Warterechte der Kinder. Die A. kommt nur bei allgemeiner Gütergemeinschaft vor. Keine A. ist die Abfindung eines Kindes bei bestehender Ehe, da das Kind bei Lebzeiten der Eltern weder Antheilsrechte noch gesetzliche Warterechte hat. Keine A., aber derselben verwandt, ist die Grundtheilung unter Ehegatten im Falle der Auflösung der Gütergemeinschaft unter Lebenden oder bei Ehescheidung, ebenso die Grundtheilung des überlebenden Ehegatten mit den Erben des verstorbenen bei kinderloser Ehe, endlich die Erbtheilung unter den Kindern, wenn der überlebende Ehegatte ohne A. gestorben ist. Die A. geschieht entweder sofort nach dem Tode des einen Ehegatten, oder erst nach fortgesetzter Gütergemeinschaft. 2*

20 Gegenstand der sofortigen A. ist da» eheliche Eammtgut nach Abzug der gemeinfchastlichm Schulden der Ehegatten; ausgeschlossen bleiben etwaige vorbehaltene

Güter de» einen Ehegatten und da» zur Zett vorhandene eigene Vermögen der Kinder, soweit e» nicht nach erdrechtlichen Grundsätzen einzuwersen ist. Gegenstand der A. nach fortgesetzter Gütergemeinschaft ist da» Sammtgut in feinem gegenwärtigen Zustande, nach den meisten Stechten auch der ganze seitherige Erwerb de» über­ lebenden Ehegatten, wogegen die durch feinen Gewerbebetrieb, die Haushaltung, die Erztthung der Kinder und die Verwaltung de» gemeinschaftlichen Vermögens ent­ standenen Ausgaben und Schulden in Abrechnung gebracht werden; der selbständige Er­ werb der Kinder wird von der Theilung fast nie ergriffen. Einige Rechte (Preuß. LR. in Ost- und Westpreußen, Pofen und den Pommerfchm Kreisen Lauenburg und

Bütow, Nürnberger Reformation,

LR. von Hohenlohe) kennen nur die sofortige

A.;

wird diese auSgefetzt, so besteht Miteigenthum zu ideellen Theilen, keine fortgesetzte Gütergemeinschaft. Die große Mehrzahl der Rechte dagegen läßt zu­ nächst fortgesetzte Gütergemeinschaft stattfindm und ordnet die A. erst für den Fall der Verrückung be» WittwenstuhlS an; die nichtvollzogme A., falls nicht durch ein­ stimmigen Beschluß be Interessenten oder durch EinkiudfchaftSvertrag auf dieselbe verzichtet ist, gill als auffchiebendeS Ehehinderniß für die Wiederverheirathung. Rur wenige Rechte gestatten dem überlebenden Ehegatten (Fulda) oder doch dem Vater (Bremen, Verden, Fürstenthum Kempten) die Fortsetzung der Gütergemeinschaft auch in zweiter Ehe. Vor der Zeit können die Kinder A. verlangen, wenn daS gemein­ schaftliche Vermögen durch schlechte Mrthfchaft deS überlebenden Ehegatten gefährdet ist, nach manchen Rechten auch in anderen Fällen grober Pflichtverletzung, oder wenn er die Fähigkeit zur eigenen Vermögensverwaltung verliert, oder über­ haupt nach richterlichem Ermeffen; zuweilen hat der überlebende Ehegatte die Befugniß, jederzeit Thellung zu verlangen. Ein Recht aus Einzelschichtung steht nach manchen Rechten (Preuß. LR., LübischeS R., Schleswig-Holstein, Hadeln) der heirathendm Tochter sowie dem großjährigen Sohne, der eine eigene Wirthschaft gründet, zu. Bei der A. bilden der überlebende Ehegatte als Schichtgeber und die zur Zeit lebenden Kinder nebst den Nachkommen vorverstorbener Kinder als Schicht­

nehmer je eine Partei; Kinder, die während der fortgesetzten Gütergemeinschaft ohne Nachkommenschaft verstorben find, bleiben außer Betracht. Die A. erfolgt nach dm meisten Rechten int Wege der Halbtheilung, einige weifen dem Schichtgeber ein Drittel, den Kindern zwei Drittel zu (Würzburg, Schweinfurt, Kastell), einige bestimmen Kopftheilung (Bahrmth, Bamberg, Fulda, Bremen u. a. m.), noch einige habm je nach der Zahl der Kinder verschiedene TheilungSgrundfähe oder unter­ scheiden zwischen dem Manne und der Frau als Schichtgeber; was einzelne Kinder durch Einzelfchichtung schon vorher von dem Sammtgute erhalten habm, kommt dabei in Rechnung, auch wenn fie nicht zur Kollation zugelaffen werden. Die Antheile der Kinder werden häufig nur nach Geldbeträgen berechnet, indem dem Echichtgeber gestattet wird, die einzelnen VermögenSgegmstände, zumal die Liegenfchaften, zu einer Taxe zu übemehmen. Die Form der Schichtung ist verschieden; find unmündige Kinder vorhanden, so ist in der Regel gerichtliche oder doch obrig­ keitliche Auseinandersetzung vorgefchrieben; auch wo private Schichtung zuläffig ist, kann jeder Interessent, der nicht zugestimmt hat, richterliche Feststellung verlangen; bloße einfeittge Ausweisung der Antheile durch dm überlebenden Ehegatten ist keine Schichtung. Die Wirkung der A. besteht nach einigen Rechten (Preußisches LR., Westsalm, Hadeln, Sigmaringen, Bremen gegenüber der Mutter) nur in der Abfindung der Kinder hinsichtlich des Nachlaßes deS verstorbmen ElterntheilS; daS Erbrecht der Kinder gegen dm überlebenden und daS der Kinder unter fich wird dadurch nicht berührt. Nach dm meisten übrigen Rechten wirtt die A. als Gmndtheilung, so daß die Kinder ihr KindeSerbrecht gegenüber dem Schichtgeber verlieren und nur ihr Berwandtenerbrecht behalten; fie verlieren also

«iWNWötldliN-

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ihr gesetzliche» Pflichttheil»- und Nothetibenrecht gegen ihn, koukurrirrn bei seinem Lode nicht mit den Kindern zweiter Eh« und kommen, wenn solche nicht vorhan­ den, gegenüber dem zweiten Ehegatten nur al» Verwandte, nicht aber al» die Kinder de» parena binabns in Betracht. Die Eiuzelschichtung wirkt in der Regel ebenfalls

al» vollständige Abfindung, so daß der Abgefundene auch mit sein« in der 6kmeinschaft vetbliebeuen Geschwistern nicht mehr konkurrirt. »Was in der Wer« er­ stirbt, bleibt in der Stete." Da» Recht der A. richtet fich nach dem Rechte de» ersten Wohnsitze» der Ehe­ gatten. Hinfichtlich der Form kommt daneben da» Recht de» BormundschastSgericht» und, in favorem negotii, da» de» Schichtungsorte» in Anwendung.

8it: Neubauer, Da» in Deutschland geltende ehelich« Gäterrecht, 1879. — Schröder, Geschichte de» «Hel. Güterrecht« ll, 2, 112ff., 116 ff. n, 3, 146 ff.—Roth, Bauer. Liv.«., 1. §§ 63—SS —Förster, Theorie n. Praxi» d.Preuß. Priv.R., 3.Anst. IS, 563 ff.— Heise u. Lrop», Jur. Abh. II, 571 ff —Pauli, «bh. a. d.Lübisch.Recht«, II. §§ 25—39. — Zeitschr. f.Dmtsche»R.,Vl, 225 ff.—verck, Da»«rem. Güterrecht d. Ehr«., 338 ff., 358 ff. —Post, Da» Gammtgut, 2. Aust. 14 ff. 55 ff. 68 ff. — Prterssen, D. rhü.Gäterr. d. Fürstmth. Osna­ brück, S. 175 ff. — Deiter», Ehel. Sütrraemeinsch. n. d. Münster. Proviuzialr., G. 260 ff. — Kraut, Vormundschaft, II, 592 ff. — Lehrbücher d. Deutsch. Priv.R. R. Schröder.

AtschlagSVertheUlMg (v. Bar, Th. I. Suppl. S. 90) ist nach der Deutschen KO. eine prozentmäßige Berthelluag flüssiger Bestände der TheilungSmaffe an die au» letzterer zu befriedigenden Gläubiger. Der A. können im Konkurs« mehrere et» folgen, sie sollen nämlich nach Abhaltung des allgemeinen Prüfung»termin» statt­ finden, sowie hinreichende beete Masse vorhanden ist, und ohne daß aus Erheblichkeit der Dividende oder ander« Rücksichten, namentlich nicht Hinstand von Prüfung und Feststellung anderer Forderung«, deren Inhaber vielmehr durch die A. zu mög­ lichster Beschleunigung der Feststellung angespornt tottben sollen, irgend Bedacht zu nehmen wäre. Die A. werden vom Konkursverwalter, welcher, wo ein GläubigerauSschuß besteht, dessen Genehmigung einzuholen hat, beschloße«, geplant und schließlich vollzogen, vorbehältlich der AuffichtSbefugniße de» SoakurSgericht» über den Verwalter. Ist eine A. beschloßen, so hat der Berwalter im Anhalt an die (ihm abschriftlich mitgetheilte) Gläubigertabelle ein Berzeichniß der bei der A. zu berücksichtigenden Forderungen auzusertigen und zur Einsicht der Betheiligtea auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen, auch gleichzeitig die Summe der Forderungen und den für die Bertheilung verfügbaren Maßebestand öffentlich bekannt zu machen. In jenes Berzeichniß find die festgestellten Forderungen, unbedingte und be­ dingt« und zwar letztere wie erstere zum vollen Betrage, ferner Forderungen, für welchen» mit Bollstreckungsklausel versehener Schuldtitel, ein Endurtheil oder ein BollstreckungSbefehl vorliegt, aufzunehmen, — nicht festgestellte Forderungen aber nicht und nachträglich nur dann, wenn die Inhaber binnen einer „AuSfchlußfrist" von zwei Wochen nach der öffentlich« Bekanntmachung deS BerzeichniffeS dem Derwalter die Er­ hebung der Feststellungsklage für einen bestimmten Betrag oder die Aufnahme de» bisherigen Prozeße», bezw. al» Absonderungsberechtigte ihr« Verzicht oder den Aus­ fall ihrer Forderung nachgewiesen, oder mindesten» bei betriebener Veräußerung dm zu vermuthmdm Ausfall glaubhaft gemacht haben. Der Verwalter hat, ab­ gesehen von der Berichtigung etwaiger Irrthümer, auf Grund solcher Nachweise da» Berzeichniß innerhalb drei Lag« nach Ablauf der AuSfchlußsrist abzuändem und da» abgeänderte Berzeichniß wieder 'auf der Gerichtsschreiberei auSzulegm. Einwendung« gegen daS Berzeichniß find binnen einer Woche nach Ende der Ausschlußfrist beim Konkursgericht zu erheben, deß« Entscheidung von AmtSwegm zuzustellen und auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen ist und binnen zwei Wochen vom Tage der Niederlegung an mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann. Aus Antrag de» Gemeinfchuldner» kann daS Gericht eine A. weg« eine»

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jhrajni

votgeschlagenen ZwangSvergleichS zwar auSfetzen, jedoch nm bis zum Ende jener „AuSschlußfrist". Die Festsetzung der zu Verthrilende» Prozentsätze, welche der Verwalter, wo aber ein GläubigerauSfchuß bestellt ist, letzterer aus Antrag des Ver­ walters bestimmt, lernt nach den Motiven mit dem Ende der Einwendungsfrist gegen daS Berzeichniß erfolgen, zumal eine volle Auftheilung deS vorhandenen Be­ standes nicht nothwendig ist «ad daher ein Theil desselben mit Rückficht auf ethobene Beschwerden refervirt bleiben kann. Ist bet Prozentsatz festgesetzt, wovon der Verwalter die berücksichtigten Gläubiger behufs Empfang ihrer Dividende zu be­ nachrichtigen hat, so haben die Gläubiger ein wohlerworbenes Recht auf denselben, welches ihnen nicht durch nachlässige andere Gläubiger, die indefien nach Feststellung ihrer Forderungm bezw. rechtzeitigem Nachweise deS Erforderlichen die bisher fest­ gesetzten Dividenden aus der Restmaffe erhalten, ja nicht einmal durch die Mastegläubiger, welche letztere von den Motiven nöthigenfallS auf vorherige Arrestanlage

verwiesen werden, wieder entzogen werden kann. Der Verwalter hat demnächst die Dividenden auszuzahlen mit Zurückbehaltung jedoch derjenigen, welche auf im Prozeß befangene, auf fuSpenfiv bedingte und, wo der Gläubiger eine ihm obliegende Sicherheitsleistung nicht bestellt hat, auch refolutiv bedingte, sowie solche Forderungen Absonderungsberechtigter fallen, welche zu ihrem muthmaßlichen Ausfall berück­ sichtigt wurden. — Nach der Oesterreichischen KO. können A., die jedoch vom Verwalter im Einvernehmen mit dem Ausschuß bei dem KonkurSkommiffar zu be­ antragen find, ebenfalls nach Abhaltung deS allgemeinen LiquidationStermin» vor­ genommen werden, sowie hinreichende Maste vorhanden ist, aber um die Masteansprüche und die privilegirten Gläubiger zu befriedigen und nur den übrigen Gläubigern, mit Ausnahme derjenigen auS Schenkungen und wegen Strafen, eine Abschlagszahlung zu machen. Fehlt es an diesen Voraussetzungen oder wird diese A. Vom Kommissar oder auf Beschwerde vom Konkursgericht verworfen, so hat der Verwalter für die A. einen förmlichen VertheidigungSentwurf aufzustellen und dem Kommiffar vorzulegen, wonach der Entwurf unter gleichzeitiger Aufforderung der Gläubiger, ihre Erinnerungen binnen vierzehntägiger AuSfchlußfrist vorzubringen, öffentlich bekannt gemacht wird. Bei Eingang von Erinnerungen wird der-Ent­ wurf in Abficht auf diese verhandelt, und nach ergangener Entscheidung deS

Konkursgerichts oder erfolgter Einigung zur Vertheilung geschritten, bei welcher streitige Beträge bis zur Rechtskraft der Entscheidung zurückgehalten und deponirt werden. Erschöpft die erste Vertheilung die Maste nicht, so ist sie zu wiederholen. Die vertheilten Beträge können den Empfängern von später anerkannten Gläu­ bigern auch hier nicht entzogen werden. Doch sollen letztere bei nachfolgenden Settheilungen immer für den vollen Betrag ihrer Forderungen zur Dividende angefetzt »eiben.

Quellen: Deutsche ÄD. §§ 137 ff. 154 ff. 159. Motive S. 369 ff. - Oesterr. KO. §§ 42 ff. 168 ff. — C. de comm. art. 566 (Lei du 28. mai 1838). 8tt: FuchS, Deuscher KPrz. § 27 ff. — Komment, z. Deutschen KO. von WilmowSki, Earwey, Mengler, Hnllmann. K. Mieding. Abschlagszahlungen, Theilzahlungen auf eine einheitlich fällige Geldschuld, sönnen auf stillschweigender Uebereinkunst beruhen oder gefchästSüblich sein, wie bei bet Zahlung a conto; bei den Aktiengesellschaften find sie bezüglich der 40 Proz. übersteigenden Einzahlungen und der darüber auSzustellendm JnterimSscheine viel­ fach vertragsmäßig geregelt. Nach allen RechtSfhstemen ist der Gläubiger aber in der Regel nicht verbunden, Theilzahlungen anzunehmen, sondern darf fie zurück­ weifen und sofortige Dollzahlung verlangen. Doch giebt es erhebliche Ausnahmen. Der Richter soll nach 1. 21 D. 12, 1 dem Gläubiger nicht nur rathen, sondern ihn anhalten, den anerkannten Theil eine® eingeklagten Anspruchs (selbst bei Streit um ein Grundstück) anzunehmen, eS wäre denn gegen deffm nachweisbares Interesse. (Mommsen, Windscheid; anderer Meinung Madai u. A.) Verwandt damit find die

«»Motz.

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Bestimmungen der REPO. über da- Theilurtheil, welches in der Regel gefällt werden muß, wmn nur ein Theil des Anspruchs zur Entscheidung reif ist. Am WR. heißt es auch für geringfügig« Beträge: Abschlag ist gute Zahlung, fofem zur Berfallzeit der Bezogene oder der AuSstrllrr eines eigen« Wechsels zahlt, sonst nicht. Die Zweckmäßigkeit der Vorschrift ist bestritten. (Loewh, Hartmann.) Im handelsrechtlichen Verkehr gehm thatsächlich oft Theillieferung und Theilzahluug Hand in Hand, nicht aber ist die leitende RechtSregel geändert. „Art. 859 HGB. bestimmt nur, daß, wenn ein Vertrag bereit» zum Theil erfüllt ist, und nun in Bezug auf den noch nicht erfüllten Theil Verzug eines Kontrahenten eintritt, eS von der Theilbarkeit — der Vertrag-leistung abhängen soll, ob der nicht säumige Kon­ trahent — von dem ganzen Vertrage oder nur von dem nicht erfüllten Theile desselben abgehen darf." ROHG Entsch. 8, 77. Rach Preuß. R kaun der Schuldner eine ihm zustehende Kündigung rechtsgültig auf einen Theil richte»; der Gläubiger darf daun aber mit Kündigung des Ganzen antworten. Roth end­ lich kann zur Annahme von A. zwingen, so bei Geltendmachung des beneficii competentiae (Thl. I, S. 421), nach Franz. R sogar jederzeit vermdge vorsichtiger Erwägung der Lage des Schuldners durch den Richter, und zu demselben Resultat können die Beschränkung« führen, welche die REPO, der Zwangsvollstreckung da­ durch auferlegt, daß sie gewiße Sachen und Forderungen des Schuldners derselbe» ganz oder theilweise entzieht, endlich auch der Konkurs des Schuldners. Wesentlich verschißen von der A. ist die Theilleistung, welche der Gläubiger nach manche« Rechten annehmen muß, wenn er für seine Forderung mehrere Solidar» oder Antheils­ schuldner hat. Die Annahme einer A. enthält noch keine Befristung für den Rest, doch unter Umständen die stillschweigende Genehmigung eine- Akkordes (OHG. 10, 65); andererseits das Anbieten in der Regel ein stillschweigendes Aaerkenntniß für den Rest und bewirkt dann eine Unterbrechung der Klagenverjährung» wichtig für deren kurze Fristen nach vielen neueren Gesetzen. Die A. selbst wirkt stets Unterbrechung der Verjährung, auSgenommm die Wechfelverjährung.

Lit.: EPO. § 273. 274. 318. 749. — WO. Art. 38. 80. - Loewy,Arch f. d. W.. u. HR., Bd. 12 6.42 ff. — HSB. Art. 359. 566ff. 579.588.589. — Lamprecht. Arch.d.Busch, R. F. L 125 ff. —Preuß M. L 11. 8§ 207 ff., 232. 20. § 174. 16. §§ 57-60. II 6. §898. 97. — Brdna. v. 8. Febr. 1811. — Eächs. BSB. § 695. — C. dv. a. 1220.1244. 1616. — C. com. a. 156. — Oesterr. BBB. § 1415. — Sesterding, Ueber die Stückzahlung, Ausbeute, Bd. 3, 6. 410ff. —Windscheid, Pandekten § 342. — Förster, Theorie u.Praxi-, 8 91,5. - Dernburg, Lehrb. deS Preuß. Priv.R. I. § 168. II. § 92. — Soldschmidt, HR. § 68 Note 29. Schaper. «bsch-ß (censos hereditarias, gabella hereditaria, detractns realis, Th. I. S. 486. 848) ist eine Abgabe, die von einer in daS Ausland gehenden Erbschaft (parti­ kularrechtlich — Preuß. 8$. Th. II. Tit. 17, § 162 — und nach einig« Schrift­ stelle« auch Schmkung, Brautschatz, Bermächtniß) entrichtet wird. Der Ursprung dieser Abgabe ist in der im älteren Deutschen R. begründet« Rechtlosigkeit der Fremden zu suchen. Die einem Fremden zugefallene Erbschaft galt eben dß» halb als erbloses Gut, welches der Kaiser einziehen konnte. Er durfte daher auch bei der AuSantwortung der Erbschaft davon eine Abgabe erheben. DaS Recht hierzu ging später nicht nur auf die Territorialherren, fände« auch auf Stadtgemeinden, Gerichts- und GutSherrschaften über. Durch den BundeSbeschluß vom 28. Juni 1817 wurde diese Abgabe hinsichtlich deS in ein« Bundesstaat übergehend« Ver­ mögens aufgehoben. Seitdem kann sie nur gegen außerdeutsche Staaten zur*An-

wendung gebracht werden. Auch dies« gegenüber ist sie fast durchweg durch Ver­ träge beseitigt, und selbst wo dies nicht der Fall ist, kommt sie kaum anders, als im Wege der Retorsion vor (vgl. Preuß. Kab.»O. v. 11. April 1822).

Lit.: ®obmann, Pragm. Gesch., ®runb u. innere» TerritorialverhSltuiß des Abzugs» u. Nachsteuer-Rechts, Maiuz 1791. — Maurer, Gesch. d. Frohnhöse (Erl. 1862), S. 96 ff. — Baumeister, Da» Privatr. der Hansestadt Hamburg, II. S. 403. —Roth, Kurbrsstsches Privatr., I. S. 137 ff. Lewis.

24 AtschriftKertheiümg. Am Allgemeinen liegt jeder Behörde, welche mit der Verwaltung und Verwahrung ihr nicht gehöriger Urkunden betraut ist, die Verpflichtung ob, durch Ertheilung vou Abschriften den Anhalt dieser Urkunden Denjenigen dienstbar zu machen, wäche ein rechtliche- Antereffe an denselben haben. Insbesondere find die Gerichte verbunden, auS den bei ihnen in Verwahrung be­ findlichen Akten Abschriften zu ertheilen, eine Verbindlichkeit, dir bald von SmtSwegen bald nur auf Antrag zu erfüllen ist. Die Abschrift kann sein entweder eine einfache, oder eine beglaubigte, oder endlich eine in der Form einet Ausfertigung, also eine qualifizirte. Beglaubigte unterscheiden fich von ben einfachen dadurch, daß ihnen durch deu Beglaubigungsvermerk die öffentliche Bescheinigung ihrer Uebereinstimmung mit der Urschrift beigefügt wird. Die Beglaubigung hat durch den Gerichtsschreiber zu erfolgen und kann bei Zustellungen auch durch den Ge­ richtsvollzieher geschehen. In Betreff der Form der qualifizirten Abschriften (Aus­ fertigungen) ist die streitige und die nicht streitige Gerichtsbarkeit zu unterscheiden. Bei der letzteren greifen die Vorschriften der Landesrechte Platz, die übrigens auch bei allm denjenigen Verfahrensarten Anwendung findm, welche den Vorschriften der Reichsgesetze nicht unterstehen, wie z. B. bei dem Disziplinarverfahren. Bei der streitigen Gerichtsbarkeit dagegen bestimmen die ReichSgefetze und zwar fowol für das Civil- wie für da» Strafverfahren, daß die Ausfertigung in einer von dem GerichtSfchreiber zu unterzeichnenden und mit dem Gerichtssiegel zu versehenden Ab­ schrift der betreffenden Urkunde zu bestehen hat (§ 288 CPO. u § 275 StrasPO.).

Berechtigt zur Fordemng sowie zur Empfangnahme einer Abschrift ist nur Derjenige, welcher ein rechtliches Interesse an dem Inhalt der Urkunde hat und eS nachweist. ES steht nicht jedem Dritten frei, die Ertheilung einer Abschrift auS den Akten zu verlangen. Eine Ausnahme macht die Preuß- Grundbuchordnung, welche zwar im § 120 nur den eingetragenen Eigenthümer ermächtigt, eine Abschrift des Grundbuchblattes zu verlangen, dennoch aber den öffentlichen Behörden und den von diesen beauftragten Beamten das Recht zubilligt, Abschriften aus den Grund­ büchern und Grundakten fich ertheilen zu laffen, und zwar ohne den Nachweis eines rechtlichen JntereffeS führen zu müssen. Im Civilversahren find außer den Parteien Dritte nicht berechtigt, Abschriften auS den Akten zu fordern und zu erhalten, selbst wenn fie ein rechtliches Interesse nachzuweisen in der Lage find (§ 271 StrasPO.), ein Satz, der von Hellmann vertheidigt, von Struckmanu und Koch dagegen angefochten wird. Daß fie mit ausdrücklicher Genehmigung der Parteien die Ertheilung einer Abschrift mit Erfolg beantragen können, ist zwar nicht aus­ drücklich vorgeschrieben, folgt jedoch auS dem Rechte der Parteien, denen eS frei­ stehen würde, die von dem Drftten gewünschte Abschrift fich selbst ertheilen zu laffen und fie demnächst jenem auSzuhändigen. Dieselben Grundsätze find auch im Strafverfahren maßgebend. Nur die von den Entscheidungen betroffenen Personen sollen daS Recht haben, fich eine Abschrift dieser Entscheidung ertheilen zu laffen (§ 35 StrasPO.), eine Vorschrift, die nicht ausschließt, daß auch Dritte mit aus­ drücklicher Bewilligung deS Berechtigten den Antrag auf A. stellen können. Die Pflicht der Gerichte, von den in den Akten befindlichen Schriftstücken von AmtSwegen Abschriften zu ertheilen, tritt mehr oder weniger in den Hintergtuqj), je mehr der Betrieb der Rechtsangelegenheit in die Hände der Betheiligten gelegt ist, je mehr eS also deren Jntereffe entspricht, sich die für die Fortführung der Sache nöthige Kenntniß selbst zu beschaffen. ES kennt deshalb die EPO., nach deren Prinzipien eS Sache der Partei ist, für die Förderung deS Rechtsstreites zu sorgen, nur die eine Vorschrift deS § 294, daß nicht verkündete Beschlüffe deS Ge­ richts und nicht verkündete Verfügungen deS Borfitzenden oder eines beauftragten oder ersuchten Richters den Parteien von AmtSwegen zuzustellen find. Häufiger tritt jene Pflicht im Konkursverfahren ein, in welchem der Betrieb der Angelegenheit schon

e»Nhtft*rt|cU**e.

25

mehr im öffentlichen Interesse erfolgt. Hier ist die Ertheilnng von Abschriftm ohne vorgängigen Antrag angeoU>net.in den §§ 128, 184 nnd 166 der KO- Ar dem Strafverfahren endlich ist zwar in gewisser Weife der Staatsanwaltschaft die Verbindlichkeit auf erlegt, aus den Fortgang der Untersuchung einzuwirken: eS ist chr jedoch die wirkliche Stellung einer Partei nicht vmdizirt, vielmehr dem Gericht die Leitung -er Sache überlassen. Dennoch find die Fälle, in welchen ei sich außer bei UrthellSauisertigungen um Ertheiluug von Abschriften ex officio handckt, nur selten. Sie treten ein im § 199, wo dem Angeklagten eine Abschrift der Anklage, im § 277, nach welchem ihm, wenn er verhaftet ist, eine Abschrift der Spruchliste der Geschworenen, und hn § 409, nach welchem bei der Wiederaufnahme dei Ver­ fahren- dem Antragsteller und dem Gegner eine Abschrift der Beweisverhandlungen zuzustellen ist. Auf den Antrag der Interessenten müssen im Allgemeinen Abschriften er­ theilt werden, soweit nicht die Gesetze solche ausdrücklich ausschließen. In Fällen der nicht streitigen Gerichtsbarkeit richtet fich die Verbindlichkeit der Gerichte nach den Landesrechten. In Preußen können sogar eine beglaubigte Abschrift fotbem der eingetragene Eigenthümer von dem Gruudbuchblatt (§ 120 GpundbuchO.) und die ein­ gesetzten Erben von dem Testament (§ 227 Tit. 12 LR.) Im Civilprozeß find die Parteien bezw. deren Bevollmächtigte berechtigt, fich Abschriften in jeder Form auS den Prozeßakten durch den Gerichtsschreiber ertheilen zu laffen, und find dieser Berech­ tigung alle in den Akten befindlichen Schriftstücke mit Ausnahme der Entwürfe zu Urtheilen, Befchlüffen und Verfügungen, der zur Vorbereitung derselben gelieferten Arbeiten und betjenigen Schriftstücke, welche Abstimmungen oder Strafverfügungen beliessen, unterworfen (§ 272 EPO). Zu den Parteien gehören die Haupt- und Nebenintervenienten, sowie der LitiSdenunziat, sobald er die Streitverkündung ange­ nommen hat, somit in den Prozeß eingetreten ist. Dieselbe Vorschrift gilt auch für da» Konkursverfahren, bei welcher jeder Gläubiger, der feine Forderung angemeldet und fich dadurch auf da» Verfahren eingelassen hat, die Rechte einer Partei im Sinne de» § 271 cit. erlangt. Im Strafverfahren endlich bestimmt der § 35 StrafPO., daß jede Person, welche von einer in ihrer Anwesenheit verkündeten Entscheidung betroffen wird, eine Abschrift derselben verlangen kann. Die Vorschrift bezieht fich auch auf diejenigen Personen, welche nicht al» Angeklagte, Privatkläger oder Neberckläger auf treten, z. B. auf Zeugen und Sachverständige. Ferner verordnet noch § 290, daß der Angeklagte im schwurgerichtlichen Verfahren eine Abschrift der gestellten Fragen beanspruchen darf. Weitere Anordnungen hat die StrafPO. nicht getroffen, und hat man daraus gefolgert, daß dem Vertheidiger da» Recht nicht zustehe, Ab­ schriften auS den Akten zu verlangen. Allein der Schluß ist nicht zutreffend. Soweit dem Vertheidiger das Recht der Akteueinficht zusteht, ein Recht, mit welchem die Befugniß verbunden ist, fich bei der Durchficht Notizen zu machen, soweit muß er auch für befugt erachtet werden, die Ertheilnng einer Abschrift zu verlangen. Da durch das ihm gewährte Recht der Akteueinficht den Ansprüchen der Vertheidigung genügt, gleichzeitig aber auch der Nothwendigkeit einer Beschleunigung de» Ver­ fahrens Rechnung getragen wird, so kann dem Vertheidiger ein unbegrenztes Recht der Abfchristenforderung nicht eingeräumt werden, ihm also die Möglichkeit nicht gegeben werden, durch feinen — vielleicht die ganzen Akten umfassenben — Antrag eine Verzögerung de» Verfahren» herbeizuführen. Er hat daher feine Anträge näher zu begründen, und unterstehen feine Gründe der Prüfung de» Gericht». Mit dieser Maßgabe erkennen auch die Motive zur StrafPO. (S. 121) das Recht de» Vertheidiger» auf die Ertheiluug von Abschriften an und zwar mit dem Be­ merken, daß dem bestellten Vertheidiger die erbetenen Abschriften kostenfrei zu er­ theilen seien. Wie weit hiernach der Umfang deS Rechts der Vertheidigung ist, bestimmt fich nach dem Umfange deS Rechts der Akteueinficht. Mever.

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UfflAttini ta gjgfetfe.

«Meebenmg im fträtarfe (v. Bar, Th. I. Suppl. S. 88) ist nach der Deutschen KO. die zum Zweck der Sonderbefriedigung außerhalb de» Äonturfrt und im Wege gewöhnlicher Zwangsvollstreckung zu Sumsten gewißer Gläubiger erfolgende Trennung bestimmter BermdgeaSstücke oder BermögenSbestandtheile von der übrigen Konkursmasse, jedoch so daß ein nach der Befriedigung jener Gläubiger vor­ handener lleberfchuß an die Konkursmasse fällt und an die Konkursgläubiger v er­ theilt wird. A-'Berechtigte (Separatisten ex jure crediti) find nach Gern. R. die LehnS-, Handlung»- und ErbfchaftSgläubiger. Die Deutsche KO. (bezw. daS EinführungSgesetz) bestätigt daS Recht der Nachlaßgläubiger und Bermächtnißnehmer aus A. der bei der Konkurseröffnung vorhandenen Erbschaft-gegenstände, wo eS nach Landesrecht besteht; unter der gleichen Bedingung anerkennt fie daS Recht von LehnS-, Stammguts- und Fideikommißgläubigern auf abgesonderte Befriedigung auS der LehnS», Stammguts- und Fideikommißmaffe, fie hat für HandelSgefellfchaften und Graoffeufchaften ein selbständiges Konkursverfahren begründet und ge­ währt Miteigenthümem, GemeinschaftStheilhabern und Gesellschaftern deS GemeinschuldnerS, mit Ausnahme stiller Gesellschafter, daS Recht abgesonderter Befriedigung ihrer auS solcher Gemeinschaft entstandenen Forderung auS dem bei der Aus­ einandersetzung nach Abzug der GrmeinschaftSschulden ermittelten Antheil deS Gemein» schulduerS. Endlich hat fie die Realgläubiger, welche freilich auch jetzt noch durch die Konkurseröffnung zu unfreiwilliger Zwangsvollstreckung genöthigt werden, nach dem Borgange der Preuß. KO. unter die A.-Berechtigten gestellt, wobei fie wegen der Jmmobiliargläubiger auf daS bestehende Reichs- und Landesrecht verweist, für Faustpfandgläubiger den thatsächlichen Besitz oder die reale Möglichkeit ausschließ­ licher Disposition über den A.-Gegenstand fordert, ihnen in Beseitigung der legalen Pfandrechte eine Anzahl anderer Gläubiger gleichstellt und weitere durch LandeSgefetz gleichzustellen gestattet (f. d. Art. Faustpfand), auch Gläubiger, welche aus­ ländischen Inhabern von Konkursobjekten Forderungen abtreten, damit dieselben dafür nach ausländischem Recht A. geltend machen, zum Ersatz des Nachtheils an die KonkurSmaffe verpflichtet. A.-Berechtigte können auf ihr Recht verzichten und wenn fie zugleich persönliche Gläubiger deS Gemeinschuldners find, als Konkurs­ gläubiger auftreten oder doch für den Ausfall bei der abgesonderten Befriedigung Berücksichtigung als solche fordern und zwar schon bei AbschlagSvertheilungen (f. d. Art. AbschlagSvertheilung). Als A.-Berechtigte find fie von der Anmeldung ihrer Forderungen im Konkurse befreit, brauchen die Sachen, die fie besitzen und bezüglich deren fie A. beanspruchen, nicht an die Maffe abzuliefern, sondern nur von ihrem Besitze und ihrer Forderung dem Verwalter binnen einer vom Konkurs» gericht zu bestimmenden Frist Anzeige zu wachen und auf Verlangen deS Ver­ walters ihm die Sachen vorzuzeigen und Abschätzung zu gestatten, müssen dagegen die Sachen, welche fie nicht besitzen, sowie die Forderungen, für welche fie die A. beanspruchen, dem Verwalter bezeichnen, widrigenfalls fie im Falle der Veräußerung nur Anspruch auf den Erlös erheben können und nach Ende der Vertheilungen auch diesen einbüßen. Die Anerkennung von Ansprüchen auf A. in wie außerhalb deS Prozesses und die Aufnahme von Prozessen gegen den Gemeinschuldner, welche auf A. zielen, erfordern für den Verwalter, wo es sich um Beträge von mehr wie 300 Mark Werth handelt, Genehmigung des Gläubigeraueschusses und Benachrich­ tigung deS Gemeinschuldners. Die abgesonderte Befriedigung erfolgt im Wege der Civil-, nicht der Konkursvollstreckung und kann von dem Verwalter, wenn er nicht wegen Ueberlastung deS Objekt» von ihr abfieht, bei dem zuständigen Gerichte be­ trieben werden, wenn die KonkurSmaffe im Besitz oder der A.-Gläubiger zu gericht­ licher Vollstreckung verpflichtet ist. Wenn dagegen der A.-Gläubiger im Besitze und, wie z. B. Pfandanstalten und Kreditinstitute, zu außergerichtlicher Befriedigung be­ rechtigt ist, kann der Verwalter ihm durch das Konkursgericht eine Frist für solche Verwerthung bei Verlust derselben setzen lassen. Unter sich können die A.-Gläubiger

Abfttnmmnß.

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wieder einer Rangordnung in der Befriedigung unterworfen fein, die ihnen gegen­ über auch absolut privilegirte Gläubiger zulasten kann. Aber sie erleidm keine Einbuße durch die Borrechte der (absolut) privilegirten Konkursgläubiger und durch den Abzug der Maffefmderungen, namentlich der allgemeinen Konkurskosten, auch find sie den Vorschriften über den Zwang-Vergleich nicht unterworfen. — Die Oesterreichische KO. gewährt den A.»Berechtigten die gleichen Vortheile, aber ihr« Befriedigung erfolgt, von Ausnahmen abgesehen, nicht im Wege der Civil», sondern der KonkurSexekution.

Dernbura, Prmß. Priv.R. Thl. n. § 117. — Komment, j. Deutschen KO. von d. Wil» mowski, Sarwey, Wengler, Hullmann. K. Wieding. Ahstimmuua

(in Richterkollegim)

folgt auf

die

Berathung,

doch

kam»

eine A. auch ohne Berathung eintreten, wenn e» einer solchen nicht mehr bedarf. Die A. erfolgt ebenso wie die Berathung nicht öffentlich; eine leise A. und Berathung ohne daS Sitzungszimmer zu verlaffen, ist jedoch nicht unzulässig, wird aber bei Strasurtheilen nicht gut durchgesührt werden können, wenn die

Urtheilsformel vor der Verkündigung des Urtheils niedergeschrieben sein muß. Der A. können ebenso wie der Berathung die bei dem Gerichte zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigten Personen beiwohnen, andere Personen — auch der Go» richtSschreiber, obwol dies bestritten ist — find ausgeschlossen. Die A. und Be­ ratung leitet der Vorsitzende. Ergeben fich jedoch Meinungsverschiedenheiten über den Gegenstand, die Fassung und die Reihenfolge der Fragen oder über daS Er­ gebniß der A., so entscheidet daS Gericht. Die Reihenfolge bei der A. richtet fich bei rechtsgelehrten Richtern «ach de« Dienstalter, bei den Schöffengerichten und den Kammern für Handelssachen «ach dem Lebensalter, der jüngste stimmt zuerst, der Dorfitzende zuletzt. Ist ein Bericht­ erstatter ernannt, so stimmt dieser zuerst. Die Geschworenen stimmen in der Reihenfolge ihrer AuSloosung, jedoch der Obmann zuletzt. Die Entscheidungen erfolgen nach der absoluten Mehrheit der Stimmen. Für Civilsachm gilt dhese Regel ohne Ausnahmen, für Strafsachen find einige Ausnahmen gemacht. Zur Bejahung der Schuldfrage, d. h. der Fragen, ob daS Beweisergebniß die gesetzlichen Merkmale einer bestimmten strafbaren Handlung enthält und ob vom Gesetze besonders vorgesehene Umstände vorhanden find, welche die Straf­ barkeit auSschließen, vermindern oder erhöhen — Rückfall und Verjährung jedoch nicht einbegriffen — ist Mehrheit von zwei Drittheilen der Stimmen erforderlich (StrafPO. 8 262). Und Einstimmigkeit — jedoch nicht hinfichtlich der Begründung — wird gefordert, wenn der Schwurgerichtshof die Strafsache zur neuen Verhandlung vor ein andere- Schwurgericht verweisen will, weil die Ge­ schworenen fich in der Hauptsache zum Nachtheil des Angeklagten geirrt haben (StrafPO. § 317). Besondere Bestimmungen müssen für die Fälle vorhanden sein, wenn fich in einem Richterkollegium mehr als zwei Meinungen bilden, von denen die eine zwar die relative Mehrheit der Abstimmenden, aber nicht die gesetzlich nothwendige für fich hat. Für Eivilsachen sollen, wenn es fich um verschiedene Gummen MneS Anspruches, deffen RechtSgrund selbstverständlich feststehen muß, handelt, die für die größt« Summe abgegebenen Stimmen den für die zunächst ge­ ringere abgegebenen so lange hinzugerechnet werden, bi» fich eine Mehrheit, ergiebt. Man geht hierbei von der richtigen Anficht aus, daß, wer die größere Summe will» damit auch die geringere einschließt (GVG. § 198 Abf. 2). Abgesehen von dm reinen Summenfragen muß für Eivilsachen absolute Mehrheit für die Ent­ scheidung erzielt werden. In Strassachen werden mit Ausnahme der Echuld» srage, die nur in der obigen Weise erledigt werden kann, die dem Beschuldigten

Bttrttfcrag ter gdN unverändert geblieben. Der Inhalt desselben kann nun fehr ver­ schieden sein,^..dcm der Theilungsrichter ganz freie Hand hat, je nach dm Umständen die Auseinandersetzung zu bewirken. Er kann entweder die den Parteien gemeinsam zugehörige Sache reell zerlegen und jedem Genoffm eine der nunmehr selbständigen Stücke als Alleineigenthum zuweism oder die ganze Sache einem ein­ zelnen Genossen überlassen und diesm dafür zu einer Abfindung deS andern in Geld verurtheilen (§ 5 J. de off. iud. 1.1. 1. 3. C. comm. div.). Bei einer Mehrheit gemeinsamer Gegenstände wird die Abfindung gewöhnlich in der Art bewirkt werden, daß der eine derselbm diesem, der andere jenem Genoffm ganz zugewiefen wird (§ 4 J. de off. iud.). Der Richter kann aber auch ferner nach vorgängiger Ver­ steigerung die Sache an einen Dritten adjudizipen und den Erlös unter den Par­ teien theilen (1. 3 C. eit). Und er kann endlich auch neue dingliche Rechte, welche bis dahin noch nicht bestanden, z. B. einen Nießbrauch, zu Gunsten des einen oder deS anderen Genoffen an der Sache bestellen (1. 6 § 10 D. comm. div.); ja bei ErbschaftSregulirungen darf er zur Ausgleichung der Antheile seinen Spruch sogar auf die zum Nachlaß gehörigen Obligationen erstrecken (1. 3 D. fam. herc.). In derselben Weise wie daS Eigenthum können auch alle anderen Rechte, welche fich zum Gegenstand eines TheilungSverfahrenS eignen, eventuell wenigstens deren Aus­ übung, durch A. übertragen werden, so namentlich Nießbrauch, Pfandrecht u. dgl. m. Vgl. 1. 7 D. comm. div. In allen diesen Fällen wirkt die A. einen sofortigen Uebergang deS zugesprochenen Rechts auf den Adjudikatar, ohne daß eS erst einer Befitzergreifung bedarf (§ 7 J. de off. iud.). Doch kann das Recht auf diesen natürlich nur übergehen, wenn der andere Genoffe selbst eS hatte, und in dem Zustande, wie dieser eS hatte (cum onere, 1. 17 v. de usurp.). Der rechtliche Grund für die durch A. vermittelte Nachfolge ist überall ein Kauf oder Tausch oder Jnnomiuatvertrag, je nachdem der Adjudikatar für den Erwerb Geld oder eine andere Sache oder Handlung als Gegenleistung gewährt (1. 1 C. comm. utr. iud. 1. 7 § 13 D. comm. div. 1. 20 § 3 D. fam. herc. 1. 28 C. fam. herc.). Daher finden die gewöhnlichen Regeln über Entwährung, Verletzung über die Hälfte und dgl. auch hier Anwendung (1. 1. 7. 3. C. comm. utr. iud.). Weiteres bei Eck, doppel­ seitige Klagen, S. 101—105. Andere fassen den RechtSerwerb durch A. an einen Theilhaber vielmehr als Accrescenz oder Konsolidation (s. des. 6. F. Koch, Kom­ mentar zu § 1 A. LR. I, 11), noch andere als Verbindung von Accrescenz und Permutation (Steinlechner, Juris communio, II, S- 96—113). Die Koch'sche Auf­ fassung ist zumal in Bezug auf die Auseinandersetzung der Miterben auch vom

Preuß. Obertribuual angenommen worden, ohne Begründung m Gesetzbuch. Sgl. Göppert, Beiträge zur Lehre vorn Miteigenthum, S. 40 f ™ Jedoch findet eine förmliche A. nach Preuß- Ä. nicht statt, weil die- die geri Äche Theilung nicht in den Formen de» Eivilprozeffe», sondern al» Sache det^Ueiunlligen Ge­

richtsbarkeit vechaudelt. Andererseits soll die Lraft und Gültigkeii^^Vuer durch den Richter vollzogenen Theilung nach den Regeln über recht»kräftige«uUrkenntnifse be­ urtheilt werden (§§ 111—114 A. LR. I, 17). Endlich heißt 9^4) der bei bet «Ähtüchen Versteigerung erfolgende Zuschlag der Sache analen Meistbieter (Adjudikatar) zu Eigenthum. Mit Bezug aus Anth. Hoc ins zu l.b«z c. cke Zaaroa. eccl. (nov. 120 c. 6. § 2) erfolgte dieser Zuschlag anfang» nur ge^4 1 Baarzahlung. Später trennte mau wenigsten» bei der Subhastatiou vom Zufchlcü ^ackäictio), der fortan nur eine Forderung begründete, eine besondere A. al» geric («ähe Uebergabe zu Eigenthum gegen Zahlung de» Preise» (Heimbach in SBeiele’»““®., Art. SubHa station, S. 619). So auch die ÄgL Sächs. Verordnung über Verfahren in nichtstreitigen Rechtssachen v. 9. Januar 1866 § 199. ®a»8 treust. R- da­ gegen nimmt die A. gleichbedeutend mit Zuschlag m dem @in$t£ daß dadurch

Eigenthum, Nutzung, Gefahr ic. auf den Läufer übergehe (§§ 361 A. LR. I, 11 Anh. § 15), und diese Bedeutung hat auch nach der SubB» utionSorduuug vom 15. März 1869 § 40 da» Zuschlagsurtheil, auf welche» Paftn nach § 57 noch eine Uebergabe. d. h. Befitzeinräumuug nach Berichtigungen. Da nun nach der ausdrücklichen Vor­ schrift im zweiten Absätze b» § 6 bet Reich» - Gewerbe»Ottmung festgestellt ist, daß eine Verordnung d» BundeSpräfidium» bestimmen wird, welche Apothekerwaaren dem freien Verkehre zu überlaffen find (obgleich der 8 6 im Uebrigm vorschreibt, daß die Bund»-Gewerbe-Ordnung aus dm Verkauf von Arzneimitteln keine Anwen­ dung finde), so ist jene Kaiserliche Verordnung, betr. den Verkehr mit Apotheker­ waaren, unterm 25. März 1872 erlassen worden (R.GBl. S. 85 ff.), welche

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Appellation - Arbeitsbuch.

in zwei Verzeichniffen den den Apothekern ausschließlich gestatteten Verlauf theils von Zubereitungen zu Heilzwecken, theils von Droguen und chemischen Präparaten näher regulitt. Dieselbe ist jedoch durch die Kaiserliche Verordnung vom 4. Jan. 1875 (R.G.BI. S. 5) ausgehoben worden, und diese letztere ist gegenwärtig maß­ gebend. — WaS nun fraiet die Zubereitung der Medikamente betrifft, so hatte schon die Reviditte Apotheker-Ordnung vom 11. Okt. 1801 Tit. 3 8 1 aus die Vorschriften der Phannacopoea Borussica verwiesen, die übrigens nicht blos Vor­ schriften über die Zubereitung, sondern auch über die Aufbewahrung der Arznei­ mittel enthält. Dieselbe ist zuletzt unterm 10. Nov. 1862 in siebenter Auflage publizirt und auch aus die neuen Landestheile ausgedehnt. Seitdem ist eine ein­ heitliche Regelung für ganz Deutschland erfolgt, indem die von einer durch den BundeSrath eingesetzten Kommission sestgestellte Phannacopoea Germanica auf Grund eines BuudeSrath»-Beschlusses vom 22. Mai 1872 in Folge einer Bekanntmachung d«S Reichskanzlers vom 1. Juni 1872, mit dem 1. Rov. desselben JahrS an die Stelle der in den einzelnen Bundesstaaten geltenden Pharmacopöen getreten ist (R.G.Bl. S- 172). Dazu das Cirkular - Reskript de» Preußischen Kultusmini­ sters vom 21. Sept. 1872 (Minist.Bl. für die innere Verwaltung S. 250. 251). Die vom Bundesrathe unterm 2. Juli 1873 beschlossenen Veränderungen der Pharmacopoea Germanica find als nachträgliche Emendationen derselben mit dem 1. Aug. 1873 in Kraft getreten (R.G.Bl. S. 200; Centralbl. S. 213). — Die son­ stigen sür die Ausübung der pharmazeutischen Kunst noch in Betracht kommenden Bestimmungen find theils durch die Revidirte Apotheker »Ordnung von 1801, theils durch spätere Gesetze (Schering, Nachttag zum A. LR. I. 112 ff.) geregelt worden. Lit.: v. Rönne, Staatsrecht der Preuß. Monarchie, Bd. II, Abth. 2 (1872), S. 226 ff.; Derselbe, Staatsrecht des Deutschen Reichs, 2. Anst., Bd. I. (1876), E. 140 ff.; Derselbe, Verfassung und Verwaltung de» Preuß. Staats, Thl. VI. Bd. 3 (Das Medijinalwesen), Breslau 1844, 1846 u. Supplement 1852.— Horn, Das preußische Medijinalwesen, 2. Thl., 2. Ausl., Berlin 1863. — Eulenberg, Das preußische Apothekerwesen, Berlin 1874. — v. Stein, Die Verwaltungslehre, Thl. III. (Das öffentliche Gesundheitswesen), Stuttgart 1867. — v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltung-recht», Stuttgart 1870, E. 92. — v. Mohl, Polizeiwiffenschast, 3. Ausl. 1866, Bd. L S. 260 ff. — RöSler, Lehrbuch des deutschen BerwaltungSrechtS, Bd. I. Abth. 2 (1873), S. 602 ff. — Rüttimann, IIb, § 773 ff. — Tübinger Zeitschrift 1877, S. 725. Ernst Meier.

Appellation, s Berufung.

ArteitAbuch ist eine Legitimationsurkunde des Arbeiters, einmal zur Bezeu­ gung feiner Identität, dann zur Koustatirung des Bestandes wie der Dauer deS ArbeitS- und Lohnvertrags. Das A. ist in diesem sozialen Sinne Wohl zu unter­ scheiden gegen andere Legitimationsurkunden ähnlicher Att. Dahin zählen die Wan­ derbücher; sie beruhen daraus, daß daS gewerbliche Leben früher zum Theil die Wanderpflicht für alle Gesellen auSsprach, während im Prinzip deS polizeilichen PaßwesenS daS Recht der Erlaubniß zum Reisen als Grundsatz galt. Andererseits forderte der Kampf gegen daS Dagabundenthum die Möglichkeit, den Gesellen, der zum Zweck seiner gewerblichen Ausbildung reist, vom sich blos heimathlos Umhertteibenden zu unterscheiden. — Pässe und Legitimationskarten dagegen find LegitimationSurkunden sür Reisen im In- und Auslande ohne einen bestimmtm ge­ werblichen Zweck. — GewerbS- und Haufirpäffe find aber Legitimationen über die Berechtigung zur Ausübung deS Gewerbes aus Reisen. — Historisch ist die Quelle der A. daS Französische R.: Dettet vom 22. Germ. XI, neuesten» Gesetz vom 14. Mai 1851 und 22. Juni 1854 über die Verpflichtung aller Arbeiter zur Führung de» livret d’ouvrier. In Oesterreich find die A. ähnlich wie früher in Deutschland noch heute ArbeitSzeugnißbücher auf Grund der Gewerbe - Ordnung von 1859. Die Gewerbe-Ordnung für den vorm. Norddeutschen Bund vom 21. Juni 1869 hat mit der prinzipiellen Einführung der Gewerbefreiheit jede Verpflichtung der Arbeiter zur Führung gewerblicher Legitimationsurkunden beseitigt, von den

«rtrittto*

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jugendlichen Arbeitern freilich abgesehen, in der Erwartung, daß die Industrielle» selbst mässig und interesfirt genug wären, derartige Legitimationen auS sich selbst heraus zur Uebung und zur Voraussetzung deS Arbeitseintritts zu schaffen. Nach­ dem aber in neuester Zeit zu Gunsten eines gesetzlichen Arbeitsbuchzwangs an­ dauernd zahlreiche Petitionen a»S der Mtte der gewerblichen Bevölkerung und au» den verschiedensten Theilen des Reichs, wenn auch gerade nicht auS den Kreisen der arbeitenden Bevölkerung selbst, an die versassungSmäßigen Organ« de» Reichs ge­ langt und speziell in der 1873/74 abgehaltenen Arbeiterrnqutzte vorgebracht worden waren, hat der Gesetzgeber sich entschlossen, mit der Novelle zur Gewerbe-Ordnung vom 17. Juli 1878 für einen Theil der Arbeiter solche A. einzuführen. Da­ nach ist seitdem Jeder, der unter 21 Jahren ans Grund eine« Arbeit-vertrag« eine gewerbliche Beschäftigung sucht, zur Führung eine« A., der Arbeitgeber aber zur Forderung desselben verpflichtet. Nicht dahin gehören die im Hause ihrer Eltern beschäftigten Kinder und die in der sog. Hausindustrie beschäftigten Ar­ beiter; insbesondere aber nicht Kinder, welche noch zum Besuch der Volk»- (Ele­ mentar») Schule verpflichtet find. Soweit freilich schulpflichtige Kinder in Fabriken beschäftigt werden dürfen, ist gleichfalls die Führung einer Legitimationsurkunde zur Pflicht gemacht, die prinzipiell denselben Bestimmungen wie das A. unterliegt, jedoch den Namen Arbeitskarte führt. — Dem Inhalte nach find die A. nur bliche Kontrollbücher, keine FührungSzeugniffe. Einerseits find wesentliche Bestand­ theile der Name de» Arbeiters, Ort. Jahr und Tag seiner Geburt , sowie seine Unterschrist. Die Ausstellung erfolgt unter Siegel und Unterschrift der Behörde. Andererseits hat der Arbeitgeber beim Eintritt deS Arbeiters in daS ArbeitSverhältniß an der dafür bestimmten Stelle deS A. die Zeit deS Eintritts und die Art der Beschäfttgung, am Ende de« ArbeitSverhältniffeS die Zeit deS Austritts und wenn die Beschäfttgung Aenderung erfahren,hat — bei Lehrlingen auch eventuell den Grund der Auflösung de« LehrlingSverkageS —, die Art der letzten Beschäf­ tigung deS Arbeiters einzuttagen und zwar mit Tinte, mit Beifeitelaffung jede» Merkmals und jede» ZeugniffeS über die Führung und die Leistungen deS Arbei­ ter». Garantirt ist daS letztere Recht de» Arbeiter» dadurch, daß er gegebenen Fall» sowie auch btt grundloser Berwttgerung de« A. di« Ausstellung eine« neuen A. verlangen kann, unbeschadet der Entschädigungspflicht deS ArbtttgeberS. Die Ausstellung eine» ZeugniffeS ist rin fakultatives Recht eines jeden Arbeiters. Der Arbeiter kann auch die ortspolizeiliche Beglaubigung der Eintragung in» A. ver­ langen. — Bei Arbeitskarten gehört zum wesentlichen Inhalt auch noch die An­ gabe über dir Familien», Religion»- und Unterricht-verhältnisse deS Inhaber»; dadurch find fie schon in der äußern Form von den A. unterscheidlich; dir Vorzeigung falscher und gefälschter A. oder Zeugnisse und die dadurch geschehene Erregung ttne» JrtthumS ist rin gesetzliches Motiv zum jederzeittgen einseitigen Rücktritt de» Ar­ beitgeber» (ohne Aufkündigung, vor Ablauf der vettragSmäßigen Zeit) vom Arbeit»» vertrage. Während de» ArbeitSverttageS hat der Arbeitgeber die Pflicht der Ver­ wahrung de« A., der Vorlegung auf amtliches Verlangen und der Wiederaushän­ digung bei rechtmäßiger Lösung de» ArbeitSverhältniffeS an den Arbeiter. In der letztgedachten Pflicht liegt zugleich auch daS Recht der Retentton de« A. bei wider­ rechtlicher Lösung de» ArbeitSverhältniffeS. Da» Gleiche gilt bezüglich der Arbeits­ karte. Rur find die EmpfangSberechttgten hier der Vater, der Vormund, die Mutter, sonstige nächste Angehörige deS Kinde». DaS A. wird auch ein bequeme» Beweis­ mittel für Kontraktbrüche fein, bzw. für die Fälle, wo ein Arbeitgeber einen Art beiter annimmt, von dem er weiß, daß er einem andern Arbeitgeber zur Arbeit noch verpflichtet ist, oder gar einen Gesellen oder Gehülfen zum ArbeitSvertragSbruch selbst verleidet hat. — Die Ausstellung eines A. oder einer Arbeitskarte er­ folgt nicht von selbst, sondern nur auf Anttag oder mit Zustimmung deS VaterS, deS Vormunds, eventuell der Gemeindebehörde. —

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«tMUctafHtonf.

Die Ausstellung neuer A. ist außer den genannten Fällen auch bei nicht mehr brauchbaren. Verloren gegangenen, vernichteten A- gestattet. Schranken gegen den Mißbrauch dieses Rechts find einmal die nothwendige Aufnahme dieser Thatsache in da» A., dann die Bedingung einer Gebühr bis auf eine halbe Mark. Alle die gedachten Borschriften find natürlich auch strafrechtlich im Gesetze garantirt.

Lit.: Hebet da- Geschichtliche vgl. Lor. v. Stein, Handbuch der BerwaltnngSlehre u. des VerwaltuugSrechtS. Landgraf.

Arbeitseinstellung. Darunter versteht man die gemeinschaftliche Unter­ brechung eines ArbeitSverhältniffeS seitens der gewerblichen Gehülfen, Gesellen und Fabrikarbeiter zu dem Behufe der Erlangung günstigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen (strike). Jede Unterbrechung zu anderen Zwecken, etwa im Kreise sozialer Selbst­ hülfe zur Gründung eines Konsumvereins, einer Kredit-, Rohstoff-, Lager-, Magazingenoffenschast zählt nicht in den Rahmen der A. im engeren Sinne des Wort». Man hat eine lange Zeit hindurch in dieser Form von Arbeitervereinigungen eine Quelle der Gefährdung der öffentlichen Jntereffen und der Gesammtordnung erblicken zu sollen geglaubt und beseitigte diese Möglichkeit durch daS unbedingte Verbot solcher Einungen. Man nannte daS kurzweg die Koalitionsverbote. ES war das um so seltsamer, da die Berbindnngen der Arbeitgeber zur Einigung über den möglichst niedrigen Lohn (look out) rechtlich alle Zeit unanfechtbar blieben. Frei­ lich findet fich diese rechtliche Auffaffung in den Gesetzgebungen fast aller europäischen Kulturstaaten wiederkehrend. Beispielsweise ist ein solches Verbot in dem Pa­ tente Kaiser Karl'S VI. vom 16. Aug. 1731, Handwerksmißbräuche betreffend, enthalten. Sogar schwere Freiheits» und Leibesstrafen find dort gedroht. In Frankreich ist dieser Standpunkt deS. Verbots noch heute nach seinem Code pönal art. 414—420 aufrecht erhalten: jroe Verbindung von mehr als 20 Personen bleibt ohne Genehmigung verboten, wenn auch daS Gesetz von 1865 in Beziehung aus die Versammlungen einige Freiheit gewähtt hat. Dabei ist jene Bezugnahme auf bett Zweck der Lohnerhöhung keineswegs besonders genommen. Ebenso in Oesterreich: eS ist Gehülfen verboten, willkürlich Feiertage und sogenannte blaue Montage zu halten und unter fich ihre Verabredungen zu treffen, um durch ge­ meinschaftliche Arbeitsverweigerung oder durch andere Mittel von ihrem Dienst­ herrn Bedingungen zu erzwingen. — Unter der Entwicklung der Großindustrie Hand in Hand mit den Erleichterungen deS Verkehrs auf der einen Seite und der fich bahnbrechenden Auffaffung deS Rechtsstaates andererseits ist man zu der Er­ kenntniß gelangt, daß fich diese Verbote eben doch nicht kontrolliren laffen und daß solche Vereine, so lange sie fich in den Grenzen deS Verein-recht- halten, vielmchr dazu dienen, um fowol die Jntereffen zum Bewußtsein von dem wirthschaftlich Er­ reichbaren zu bringen, und ihre Anstrengungen auf diese Weise auf daS richtige Maß zurückzuführen, als auch die Ausbeutung fowol der Arbeit durch das Kapital, al» die deS Kapitals durch die Arbeit zu»hindern. Soweit aber freilich die Grenzen de» VereinSrechtS dabei überschritten werden, soll mit der größten Strenge vor­ geschritten werden. Diesen Standpunkt hat geschichtlich zuerst England eingenommen: 1824 durch 5. Geo. IV c. 95, um freilich schon ein Jahr später wieder einen Schritt rückwärts in dem Gesetze 6. Geo. IV c. 129 zu machen, und erst am 13. April 1859 die volle Koalitionsfreiheit einzuführen. Die nächste Folge war dott, wie später unter gleichen Umständen auch in Deutschland, die Erstarkung von Arbeiterverbänden, welche da» Schwergewicht ihrer Wirksamkeit in dem steten Ge­ rüstetsein zum Lohnkamps erblickten: trade-unions, Gewerkvereine. Sie entfalteten natürlich in England mit seiner glücklichen geographischen Arbeit-theilung eine ungleich andere soziale Macht, al- da» bei der öttlichen Zersplitterung der deutschen Industriezweige bisher möglich war. Die Schweiz und die Vereinigten Staaten von

Nordamerika haben ebenfalls die Koalitionsfreiheit eingeführt. Als administrativ« Gegenwirkung hat mau die Friedens» und Schiedsgericht« in England eingeführt, in Deutschland wurden in dieser Richtung besondere Gewerbegerichte verlangt, in Oesterreich solch« 1869 begründet. Was speziell Deutschland betrifft, so trat hier an Stelle der Spezial» Verbote einzelner Deutscher Bundesstaaten der § 152 der Norddeutschen, jetzt Deutschen Gewerbe-Ordn. v. 21. Juni 1869, der alle Verbote und Strafbestimmungen gegen Gewerbetreibende, gewerbliche Gehülfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter (aber auch nur diese, also nicht auch für Gesinde und laadwirthschastliche Arbeiter) wegen Verabredungen und Vereinigungen zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter aushebt. Bei dem Begriff der A. bleibt zunächst freilich unberücksichtigt, ob sie eine durch den ArbeitSvertrag gedeckte war oder ob sie mit einer Verletzung deffelben sich vollzieht. Wenigstens versagt in dem letzteren Falle daS öffentliche Recht seine Mrkfamkeit, so sehr auch vor einem Jahrfünft zur Zeit großen Arbeiter­ mangels nach einer kriminellen Bestrafung deS ArbeitSkoatraktbrucheS verlangt wurde. Doch hat die Gewerbenovelle von 1878 hier einen Schritt weiter gemacht, der hier besprochen werden muß, weil A. in der Regel mit einem Bruche der Ar» beitSverträge Hand in Hand gehen; die Lohnkonjunkturen binden sich ja nicht an die Kündigungsfristen der Arbeitsverträge, und andererseits lausen ja nicht alle Arbeitsverträge in demselben Unternehmen gleichzeitig ab. Danach ist «in Arbeit­ geber, welcher einen Gesellen oder Gehülfen verleitet, vor rechtmäßiger Beendigung deS ArbeitSverhältniffeS die Arbeit zu verlaffen, dem früheren Arbeitgeber für den dadurch entstehenden Schaden als Selbstschuldner verhaftet. In gleicher Weis« haftet ein Arbeitgeber, welcher einen Gesellen oder Gehülfen annimmt oder behält, von dem er weiß, daß derselbe einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit noch verpflichtet ist. UebrigenS wird einem Kontraktbrüchigen unter 21 Jahren auch die Zurückgabe deS Arbeitsbuches verweigert, ohne Arbeitsbuch aber findet er keinen Platz. Freilich ist mit obiger Bestimmung allein noch nicht Alles geschehen; der Richter kann auch nach freier Ueberzeugung in der Regel di« Höh« der Beschädigung bemeffen; die Sachverständigen erachten diese Schätzung für nicht möglich. Die Verabredungen von A>, soweit sie ohne Verletzung der Arbeitsverträge sich vollziehen, sind übrigens nur kriminalrechtlich geduldet. Civilrechtlich hat ihnen der Gesetzgeber jeden Schutz entzogen, also auch von Arbeitgebern unter sich: daher kann jeder Theilnehmer von solchen Verabredungen in jedem Momente zurücktrrten und eS findet auS letzteren weder Klage noch Einrede statt, etwa wegen versprochener Konventionalstrafen rc. Zugleich find aber auch alle unlauteren Einflüsse auf die Entstehung und Erhaltung solcher Koalition unter strenge Strafe gestellt: Wer Andere durch Anwendung körperlichen Zwangs, durch Drohungen, durch Ehrver­ letzung oder durch BerrusSerllärung — man denke aber freilich auch nur an di« tausendfältigen Ehikanen, die in der Werkstatt der eine Arbeiter dem anderen bereiten kann, ohne daß sich dafür immer juristische Beweise erbringen, geeignete Beweis­ mittel finden lassen, weshalb vor einigen Jahren weitere legislative Versuche geschahen, die freilich nicht zur Verwirklichung gelangten, noch in weiterem Maße diesem Gesichtspunkt gerecht zu werden — bestimmt, selbst durch Einwirkung auf mög­ liche künftige Entscheidungen oder zu bestimmen versuchte, an solchen Ver­ abredungen Theil zu nehmen oder ihnen Folge zu leisten oder Andere durch gleiche Mittel hindert oder zu hindern versucht, von solchen Verabredungen zurück­ zutreten, wird mit Gefängniß bi» zu einem Jahre bestraft. Landgraf.

Arbeitshaus. Nach der Mehrzahl der vor 1870 gültig gewesenen Deutschen Partikular »StrafGB. bestand zwischen der Zuchthaus- und der Gefängnißstraf« A. als eine Mittelstufe, welche durch die Einrichtung des Arbeitszwanges härter

138 erschien att Gefängniß, bezüglich der fehlenden Ehrenfolgen dagegen milder blieb al» Zuchthau». Dem Landesrecht der beiden größten Deutschen Staaten, Preußen und Bayern, war die Strafe de» A- al» eine richterlich zu erkennende fremd ge­ blieben. Auch in dem gegenwürtigm StrafGB. hat die A.strafe keine Aufnahme gefunden. Wohl aber kann der Richter »ach § 362 für gewisse Uebertretungen in der Weise eine Nebenstrafe erkennen, daß nach verbüßter Haft die verurtheilten Personen der Landespolizeibehörde zu überweisen find und von dieser bi» zur Dauer von zwei Jahren in ein A. untergebracht oder zu gemeinnützigen Arbeiten (außer­ halb de» A.) verwendet werden dürfen. Ueber die Einrichtung der A. ist von RrichSwegen nicht» bestimmt, so daß di« Modalitäten entweder der Gesetzgebung oder der Verordnung der einzelnen Deutschen Staaten überlasten find. A. hat so­ mit den Charakter einer korrektjonellen Nachhaft in folchen Fällen, in denen die einfache UebertretungSstrafe gegenüber dem gewohnheitsmäßigen Betriebe gewiffer Strafhandlungen ungenügend erscheint. Au» dem Zusammenhang« de» § 362 g«ht hervor, daß die A. de» StrafGB. nicht identisch find mit denjenigen gleichnamigen Anstalten, in denen unbescholtene Arme von den Kommunen zum Zwecke der Beschästigung untergebracht werden; e» wird überall vorausgesetzt, daß solche, die zur Strase arbeiten müffm, von freien Arbeitern getrennt gehalten werden. Da die Einsperrung in ein A. nach verbüßter Strafe geschehen soll, muß fich die Polizei­ behörde sofort vor der Entlastung entscheiden, ob fie von ihrer Besugniß Gebrauch machen will. Zwischen Hast und A. besteht Kontinuität; ist der Verürtheilte, nachdem er die Haft verbüßt, einmal vorbehaltlos frei gelosten, so darf er nicht mehr in späteren Zeiten nach polizeilichem Belieben ergriffen werden. Dagegen braucht die Polizei fich nicht bindend zu erklären, auf wie lange Zeit unter zwei Jahreu fie die Festhaltung dauern lasten will. Zweifelhaft kann erscheinen, ob die Polizeibehörde die ihr Ueberwiesenen bedingungsweise und widerruflich wegen guten Verhaltens entlasten darf. Nach der Abficht des Gesetzes und der in allen Stücken eingeräumten Freiheit des polizeilichen ErmestenS muß die Frage bejaht werden. Gegen Ausländer kann die Polizei an Stelle des A. auf (dauernde) Ver­ weisung auS den» Bundesgebiete refolviren, ein Beschluß, der jederzeit widerruflich ist. Hinsichtlich der Leistungen der Detinirten bestimmt daS Gesetz, daß fie während der als UebertretungSstrafe zu verbüßenden Haft nur in einer ihren Fähig­ keiten und Verhältniffen angemeffenen Weise beschäftigt werden können. Ob diese Rücksichtnahme auch für die A. gilt, dürfte zu bezweifeln sein, da in diesen be­ stimmte Arbeiten, wie in den Zuchthäusern, eingeführt zu sein pflegen. Die Fälle, in denen die Zurückbehaltung im A. vom Richter als zulässig erkannt werden darf, find im § 361, Nr. 3—8 im Einzelnen aufgeführt: Landstreicherei, Bettelei, durch Spiel, Müßiggang oder Trunk verschuldete Erwerbslosigkeit, gewerbsmäßig, den polizeilichen Anordnungen zuwider betriebene, Unzucht der Weibspersonen, Arbeits­ scheu der au» öffentlichen Mitteln unterstützten Almosenempfänger und verschuldete Obdachlosigkeit. — Wegen der Engl. A. (Workhoases) s. d. Art. Armen­ gesetzgebung.

Lit.: Motive z. StrafGB., 6. 158 ff. — ReichStaaSberhandlungen dazu, 6. 762. — Deutsch« Dierteljahrschrift 1858, L S. 46 ff. — Sir John bowring, On the influence of pro­ fitable prison labour upon the reformation of criminals (Theological Review V. p. 1868). — A. v Orelli, Ueber di» Errichtung von ZwangSarbeitsanstatten, 1865. v- Holhendorff. Arbitrage (franz, arbitrage, engl. arbitration) ist zunächst die abwägende Vergleichung der Kurse verschiedener Börsenplätze unter einander, dann aber auch eine auf eine solche Vergleichung gebaute Handelsoperation. Während die Agio­ tage hauptsächlich die durch den Zeitunterschied bewirkte Verschiedenheit der Kurse zur Spekulation benutzt, faßt die auf die A. gebaute Spekulation hauptsächlich die durch örtlichen Unterschied — sei e» vermöge der WährungSverschiedenheit,

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sei eS durch die Marktverhältnifse oder die Richtung der Spekulation — an verschiedene« Orten bewirkte Kursdifferenz ins Aug« (doch ist dieser Gegensatz weder auSschließend noch ausnahmslos anerkannt). DaS Arbitriren ist demnach daS Abwigen der Preise (Kurse), zu welchen Wechsel sowie andere börsengängige Werthpapiere und Waaren an verschiedenm Plätzen zugleich gehandelt werden, ein Abwägen, welches geschieht, um wählen zu können, von welchem Platze a«S man (d. i. der Arbi­ trageur) das gesuchte Papier ic. beziehen oder sofern man verkaufen will, an welchem Platz man versenden könne, um Gewinn zu machen oder Verlust zu meiden. Hiernach ist klar, daß ohne A. eine über mehrere Plätze sich auSdehnende Handels­ operation, sie bestehe in Effektivlieferung oder Prämien- oder Differenzenspekulation, nicht denkbar, da» Resultat de» ArbitrirenS folglich die kaufmännische Grundlage einer Reihe von Handelsgeschäften, von Fix-, Prämien-, Differenz» und Report­ geschäften ist. Wenn demnach da« Arbitriren auch bei den Spekulationsgeschäfte« eine einflußreiche Rolle spielt, so liegt doch die größte Bedeutung deffelben in der Endabwicklung (Realisation) von Handelsoperationen, im sogen. Arrangiren von Zeitgeschäften, in der Ausgleichung der zu realifirenden Differenzen rc. Der Arbi­ trageur wählt auch zur Ausgleichung von Schulden wo möglich einen Weg, der ihm Gewinn bringt, d. h. wenigstens möglichst geringe Kosten verursacht; da» Arbitriren ist demnach auch eine kaufmännische Grundlage für Kompensationen und Skontrationen in Bezug auf Forderungen und Schulden, welche an verschiedenen Plätzen erwachsen find; ebenso bietet die A. die rechnerische BafiS für die Ver­ wendung von Tratten als Rimeffen sowie auch für die wechselmäßige Regreßnahme, sofern dem Regreßnehmer eine Wahl unter mehreren an verschiedenen Plätze« domizilirenden Regreßpflichtigen thatsächlich offen steht und der Kur« vom Zahlungs­ ort de» Wechsel» bzw. beim RembourSregreß, vom Wohnorte de» Regreßnehmer» auf die Wohnorte der verschiedenm Regreßpflichtigen ein verschiedmer ist. Die A. bei der Wechfelregreßnahme wird juristisch dadurch ermöglicht, daß die A. D. WO. neben der solidarischen Haftbarkeit der Jndoffanten dm springenden Regreß nach dem System der fingirten Rücktratte und der mehrfachen Retourrechnung unter Aufrechthaltung de» vollen BariationSrechtS gestattet; dadurch ist der Wechfrlregreßnehmer rechtlich in die Lage verseht, dm Regreß auf denjenigen Platz nehmen zu können, gegen welchen der Wechselkur» zu feinen Gunstm steht. (Vgl. im Uebrigen d. Art. Kursberechnung.) Wenn endlich von einem besonderen A.geschäft gesprochen wird, so ist darunter Nichts von besonderer juristischer Eigenthümlichkeit zu verstehen, sondem damit lediglich eine auf A. gegründete privathandelSpolitifche Kombination mehrerer juristisch von einander getrmnter Rechtsgeschäfte (über Werth­ papiere) bezeichnet: der Arbitrageur in diesem Sinne sucht durch dm Spekulations­ ankauf das Papier billiger zu erwerben, als er eS durch den nachfolgenden (Realifation»-) Verkauf zu veräußem hofft (Spekulation ä la hausse), er sucht im EpekulationSverkaus (Uebernahme einer Lieferung, f. HGB. Art. 271, Ziff. 2) theuerer zu liefern, als er selber zum Zweck der Realisation anzufchaffen hofft (Spekulation ä la baisse). In dem Unterschiede zwischen den auSgegebenen und eingmommmm Kaufpreisen (oder dm diese vertretenden Differenzen oder Prämien) ist der Gewinn enthalten, wenn die A.fpekulation gelingt. Lit.: Grünhut, DaS Börsen- und Mäklerrecht und seine Neugestaltung in Oesterreich (SBtat 1875), ®. 72; Derselbe in seiner Zeitschrift f. d.Privat- u. öffentliche R. der Gegen­ wart 1875, Bd. II. 6. 606. Garri».

Archidtakouat. Der Archidiakonu« war. in älterer Zeit der Vorgesetzte der Diakonen an der bischöflichen Kirche und schon frühzeitig al« nächster Gehülfe deS Bischofs bei dem Regiment der Diözese betheiligt, die hierzu in einzelne, den Gau­ verbänden entsprechende A. zerfiel. Da diese Stellung mit dem Range feiner Weihm nicht übereinstimmte, wurde fein Amt allmählich von Priestem verwaltet und nach Ausbildung der StiftSverfaffung in der Regel mit der Propstei innerhalb der Dom-

140 kapitel resp, mit der Präpofitur innerhalb der Kollegiatstifter verbunden. Seit dem 13. Jahrhundert wuchs indeß da» Ansehen der Archidiakonen in einer für die bischöfliche Autorität gefährlichen Weise. AuS bloßen Gehülfen wurden sie Träger einer selbständigen Jurisdiktion (Recht der kanonischen Visitation ihrer Sprengel, Ver­ waltung der Straf- und CivilgerichtSbarkeit, Ein- und Absetzung der Landdekane), die sie durch eigene Beamte übten. Die dadurch veranlaßte Beschränkung deS bischöflichen Recht» rief eine Reaktion hervor, welche zunächst da» Erzpriesterthum in den Vordergrund stellte, dann zizr Bestellung besonderer bischöflichen Offiziale führte und schließlich auf dem Konzil von Trient (1545—1563) mit einer Restitution der usurpirten Gerechtsame an die Bischöfe endete. Heutzutage ist der ArchidiakonuS nur noch ein Titel, der in der katholischen wie in der evangelischen Kirche lediglich eine Verschiedenheit deS Ranges begründet.

Lit.: Richter-Dove, Kirchenrecht, §§ 187, 158. — HinschiuS, Kirchenrecht, II. S 86. — Löning. Geschichte b. Kirchen rechts, II. 333. — Spitz, De archidiaconatt in Germania (Bonn. 1790). — Conc. Trid. sess. XXIV. c. 3. 12. 20. XXXV. c. 14 de ref. Hübler. Archiv ist eine Sammlung zu dauernder Erhaltung bestimmter Urkunden — rechtlichen oder geschichtlichen Inhalts — unter einer eigens hierzu bestimmten Aufsicht oder Leitung. Eine in dieser Weise angelegte Privatsammlung würde dem Begriffe eines A. entsprechen, und find einzelne solcher Privat-A. von hohem wiffenschaftlichen Werthe. Don rechtlichem Jnterrffe find jedoch nur diejenigen A., denen da» A.-Recht zukommt, da die in einem solchen A. ausbewahrten Urkunden die Sicher­ heit gewähren, daß sie seit der Depofition nicht verfälscht worden find. Soweit die in den A. ausbewahrten Urkunden Aufzeichnungen von Beamten über Amts­ handlungen und offizielle Wahrnehmungen enthalten, haben sie gleiche Beweiskraft mit öffentlichen Urkunden. Ein A., dem das A.-Recht zukommt, muß unter der Leitung eines hierzu förmlich beeidigten und verpflichteten Beamten stehen. A dieser Art find die Staats-A., die A. der Mediatifirten — insofern denselben dies Recht durch besondere landesherrliche Anerkennung gewahrt ist — die LandtagSA. und die A. einzelner Korporationen, namentlich der Städte. Der Inhalt der A. besteht in Urkunden — Originalien oder (beglaubigten oder unbeglaubigten) Abschriften; in Diplomatarien oder Kopialbüchern — Sammlungen von Abschriften; Grund-, Saal», Lagerbücher, Codices traditionam — Zusammenstellungen, die sich auf Erwerb, Verlust von Grund und Boden beziehen; StaatSverhandlungen; Origiualkorrespondenzen. Ja Deutschland finden sich die königlichen A. bereits unter Karl dem Großen (Pfalz-A.); das wichtigste in Aachen unter der Aufsicht von Geistlichen stehend. Neben diesen find die ältestm A. die an den Sitzen der Bischöfe befindlichen und die der Stifter. Mit dem 12. Jahrhundert beginnen dir A. der Städte; die fürstlichen A. und die sonstigen A. des Adels entstehen seit dem 13. Jahrhundert. In Preußen existiren: 1) daS Geheime StaatS-A. zu Berlin; 2) die Provinzial-A. zu Königsberg i. P., Stettin, BreSlau, Magdeburg, Münster, Koblenz, Düffeldorf, Hannover, Kaffel und Schleswig. Die centrale Leitung der Preußischen A. wurde durch Verordnung vom 27. Okt. 1810 angeordnet. Durch Erlaß vom 20. März 1852 wurde in Betreff de» StaatS-A. angeordnet, daß die beiden Abtheilungen desselben (königl. HauS-A. und Geheime» StaatS-A.) al» ein Ganze» unter die Leitung de» Ministers deS königlichen Hause» und deS Präsidenten de» EtaatSministerium» gestellt werden sollten. Die Leitung der Provinzial-A. ist dem Präsidenten de» Staatsministeriums übertragen. 3) Da» Geheime Ministerial-A., welche» von dem Finanzministerium reffortirt und die älteren Registraturen der ehemaligen Geheimen Hofkammer, deS ehemaligen Generaldirektoriums, die Spezialien des ehemaligen geistlichen Departement», da» A. de» Departement» der Französischen und der Pfälzer Kolonie und des Schlesi­ schen Provinzialministeriums enthält. Die Benutzung der A. ist geregelt durch

«rett» — Ar«e«gefrtzgrhn»g.

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Reglement de» Ministerpräsidenten vom 28. Mai 1856 (Ministerialbl. der inneren Berw. 1856). Lit.: Günther, Utbtr die Einrichtung der Hauplarchive, 1783. — v. Abele, Ueber dir Geich, des Kanzlei- und Archivwesens, 1798. — Zritschr. f. Archivkundr, Diplomatik «. Geschichte, v. Höfer, Erhard u. v. Mrdem. — Friedemann, Zritschr. f. d. Archive DratlchlandS (1846—53).— Gollmert, Die Prenß. Staatsarchive (im Archiv f.Landeskunde d. Preuß. Monarchie Bb. IV. S. 133). — Asiat, Das königl. Preuß. Prov.-A. zu Königs­ berg (Friednnann's Zritschr. Bd. II. H. 3, E. 185). — v. Mrdem, Das tinigl.Prod.-A. zu Stettin (Zeitschr. f. Archivkundr, Bd. II. S. 29, 366).— Büsching, Das Schlesische Prov^A., 1820. — Stenzel, Nachrichten über d. Schlesisch«Prov.-A., 1831. —Beyer, Das Prov.-A. zu Koblenz (Friedemann'- Zritschr., Bd. L E. 1)..— v. Rönne, Staatsrecht d. Preuß. Monarchie, Bd. IL 1 6. 72, 95. — Ueber die Angelegenheiten des Hohrnzollern'scheu A. zu Sigmaringe«, über den Antheil Preußen- an dem alten Hennebergschen A. zu Meiningen sowie über die archivalischen Berhältniffe der Provinz Posen, vgl. v. Rönne, a. a. O.S.72, Rote 1 a u. b. — Wehell, Civüprozeß (3. Ausl.), S. 236. — Eeuffert, Archiv, V. Rr. 77. John.

Areti«, Christoph Freiherr von, 5 2. XII. 1778 ju Ingolstadt, 1804 Mzepräs. d. Akad. d. Mff., 1819 Präs. d. Appellgerichts zu Amberg, t 24. XII. 1824 zu München. Schriften: Gesch. d. Juden in Bayern, 1803. — Jahrb. d. Gerechtigkeitspflege in Bayern, 1811—1818. — Gesch. d. 13; Art. d. Deutsch. BundeSatte. — Gespräche üb. die Bayer. Berf. - Urkunde. — Bayerischer Berf.-Katechismus, 1819. — Die Pläne Napoleon s u. seiner Gegner in Deutschland, Sachsen «.Preußen (1815) (Flugschr.> — Allemannia, München, 1815, 1816. — EtaatSrecht d. konüit. Monarchie, Altenb. -1824 (v. Rotteck, Leipz. 1888—40). Lit.: Neuer Nekrolog der Deutschen, 1826, E. 1246. — Die Familie A., 1825. — v. Jnama in der Allg. Deutsch. Siegt., I. 518. — Mohl, I. 273, 801. — Gates. Deichmann.

ÄtgCttM, Berti, d', 6 1519, Präs, zu RenneS, t 15. II. 1590, trefflicher Feudist, Kommentator deS vaterländischen Recht« u. Geschichtschreiber. Schriften: Conun. ad praedpuos jur. Britaan. titulos. Par. 1605. — Comm. in patriae BriL leges cura B. d'A. Par. 1608, 1614, 1621, 1628, 1640, 1646, 1661. Anet 1664 Lit.: Etein-Warnkönig, Franz. Staat«- u. R.s-Beschichte, II. 136, 187. — Laf erriSre, Essai sur l’hietoire du droit fran$ais (2. 6d.), I. 425. Deichmann. Argo«, Gabriel, au« dem Bivarai«, Civilist und Publizist, t am Anfänge deS 18. Jahrhunderts. Er schrieb: M&noire touchant le comte de NeufchAtel, 1674. — Institution au droit fran^ais, 1692, 1699 u. öfter, zuletzt 1762—1787 von Boucher d' Argis besorgt. Lit.: Adelung. — Camus, BibliothSque de droit — Warnkönig, II. E. 124. Rivier.

ArgyropuloA, Per ikles, einer der* ausgezeichnetsten neugriech. Rechts­ gelehrten, S 17. IX. 1811 zu Konstantinopel, wurde 1887 a.o. Prof, an der neu gegründeten Universität Athen, 1850 ord. Prof., wirkte für konstitutionelle GtaatSform, 1854 Minister d. AuSw., dann der Finanzen, trat bald zurück, verdient durch manche heilsame Reformen, z. B. in der Preßgesetzgebung; t 22. XII. 1860. Hervorgehoben wird „Gauverwaltung Griechenland«" (2. Aust., 2 Bde., Athen 1859). Dgl. BrockhauS. Deichmann. Arme«gese-aeb«»g. Die Behandlung der Armen, d. h. derjenigen Per­ sonen, deren wirthschastlicher Besitz zu ihrem Lebensunterhalt nicht auSreicht, um­ faßt drei wesentlich verschiedene Klaffen: 1) die erwerbsunfähigen Armen, welche wegen Jugend, Alters, Gebrechlichkeit oder Mangels der Sinne sich nicht zu ernähren vermögen: 2) die erwerbsfähigen Armen, welche nichts erwerbe» können wegen Mangels der Arbeitsgelegenheit oder wegen besonderer Störungen und Hemmungen der Crwerbsverhältniffe; 3) erwerbsfähige Arme, welche nicht arbeiten und erwerben wollen. Die unterschiedslos» Behandlung dieser Klaffen charakterifirt den Anfang der A.; die sachgemäße Unterscheidung derselben bezeichnet ihren Fortschritt.

142 Bo» den ersten bekannten Anfängen an Hatdiemenschliche Gesellschaft di« Abhülfe der Armuth als Gegenstand einer allgemeinen Pflicht anerfannt Theokratien haben da» sittliche Gebot zu einem absoluten (göttlichen) erhoben und charakterifiren sich durch di« unterschiedslos« Behandlung der Armenunterstützung als Selbstzweck. Die bekannten Borfchristen deS JudenthumS bilden ein zwangSweifeS Armenbudget, mit ausführlichen Vorschriften über die Pflicht, Almosen zu -eben, und über daS Recht Unterstützungen zu empfangen. Unter den Mohammedanischen Böller» ist diese Art der A. nach Maßgabe deS Koran noch heute daS offiziell anerkannte Recht. Die Germanischen und Romanischen Völker des Mittelalter- find bereit» zu einer rationelleren Scheidung gelangt, indem sie sür die humanen Auf­ gaben deS Gemeinwesens einen eigenen Organismus in der christlichen Kirche bilden, der alle Klasien der Gesellschaft unter einem streng geregelten Amtssystem in sich aufnimmt. Dem letzteren Organismus fällt die Armenpflege zu, für welche die Kirche aus ihren reichen Dotationen einen Fonds bildet, der freilich mit dem Fort­ schritt der Zeit durch übermäßige Eentralisation einerseits, durch die sporadische Bertheilung der grundbefitzenden Stiftungen andererseits, noch mehr aber durch ständische Interessen, seinen ursprünglichen Zwecken entfremdet, in den späteren Jahrhunderten deS Mittelalters mehr zu einer Quelle als zu einer Abhülse der Armuth wird. In dieser Periode der Entartung der kirchlichen Armenpflege beginnt die schrittweise Uebernahme der humanen Aufgaben deS Gemeinwesen- auf daS Laienthum, da» wachsende Bewußtsein, daß nicht ein zwiespältiger, sondern ein einheitlicher „Staat" berufen fei, durch daS Zusammenfassen aller Volk-kräfte diejenigen Lebenszwecke deS Volke» zu fördern, welche durch die Kräfte deS Einzelnen nicht erfüllt werden können. ES fcheidm sich ferner die Maßregeln deS- Staats, welche mit obrigkeitlichem Zwang die unrechte Armenpflege hindern (Armen­ polizei), von den Maßregeln, welche die richtige Weife der Unterstützung regeln (Armenpflege). ES beginnt damit eine überaus umfangreiche 91., deren Ver­ schiedenheiten auf einer Scheidung verschiedener Gründe der Armuth und auf der Verbindung von Staat, Kirche und Gemeinde sür die Zwecke der Armenpflege be­ ruhen. In dem hier gegebenen Raum ist indessen eine Beschränkung aus die drei großen Kulturländer Europa'» geboten. I. Die Englische A. hat bis zum Schluß deS Mittelalters die Scheidung de- negativen und des positiven Elements der Armenpflege festgehalten. Sie hat die letztere der Kirche und der von der Kirche geleiteten Privatwohlthätigkeit über­ lasten, während die Gesetzgebung feit Eduard III. nur die Abwehr deS Bettelns und VagabundirenS zum Gegenstand hat. — Erst mit 27 Henry VIII. c. 25 übernimmt der Staat auch die positive Armenpflege, indem er die Hundertschaften, Städte und Kirchspiele verpflichtet, „die Armen durch Almosen so zu unterhalten, daß sie nicht genöthigt feien öffentlich zu betteln". Geistliche und Kirchenvorsteher sollen die dazu nöthigen Sammlungen veranstalten. Das Amt, die Arbeitsfähigen zu beschäftigen, den Arbeitsunfähigen zu helfen, wird den Kirchenvorstehern „oder zwei Anderen au» dem Kirchspiel" auferlegt. Mit diesem Gesetz ist die spätere Kirchspielöarmenpflege in den wesentlichen Grundzügen schon fundirt. Die nächste Beranlastung dazu lag in der frühzeitigen Verwandlung der gebundenen in freie Arbeit, welche zeitweise große Fluktuationen und Nothstände der Arbeiter veranlaßte. Die unter den TudorS wieder konsolidirte Monarchie fühlte in dieser Epoche den Berus, in diesem Hauptgebiet die humanen Ausgaben der Kirche in sich aufzunehmen. Die unmittelbar daraus erfolgende Aufhebung der Klöster machte große Schwärme von Bettlern mobil, und die Fürsorge der Gesetzgebung um so dringlicher. Die mastrnhafte Säkularisation de- Kirchengutes fügte noch eine moralische Verpflichtung de» Staats hinzu. — Eben deshalb blieb die Gesetzgebung auf dem einmal ein­ geschlagenen Wege. Unter Eduard VI. wurde noch einmal die Förderung der kirch»

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lichen Kollekten durch »gütliche Ermahnung" der Geistlichen, uöthigmfall» durch Anwendung der Zwang-gewalt der Bischöfe eingeschürft. In 5 Eliz. c. 3 wird aber schon den Friedensrichter« die Besugniß zur Zwang-einschätzung der Gemeindegenoffen zu einem »angemessenen Armenbeitrog" gesetzlich beigelegt. L« Ende derselben Regierung veranlaßte die beunruhigende Zunahme gewerbsmäßiger Bettler die Einsetzung eine- Unterhau-kommittee», welche- die zu ergreiseudm Maß­ regeln in eine zusammenhängende Erwägung nahm, namentlich: 1) polizeiliche Strafen gegen Betteln und Bagabundiren, 2) zwangsweise Röthigung der arbeiten­ den Klaffen, in Dienste zu gehen, woran sich etwa- später die Einrichtung von Landarbeit»» oder Korrektion-Häusern anschloß; 3) Normativbestimmungen über die öffentliche Wohlthätigkeit-Pflege durch die Kirchspiele und di« dafür bestimmte Armensteuer. Die so abschließende sozialpolitische Gesetze-gruppe, 39 Eliz. c. 1—6, 12, ist ein Meisterwerk für ihre . Zeit. Da» kurz darauf folgend« Armengesetz 48 Eliz. c. 2, welche- länger al- zwei Jahrhunderte die englische Armenpflege normirt hat, stellt nur eine neue Reaktion eine- jener organischen Gesetze dar, mit folgenden drei leitenden Grundsätzen: 1) Die Armenpflege ist die allgemeine gleichmäßige Last eine» jeden Kirchspiel»: di« dazu gehörige Polizei-Gesetzgebung aber verpflichtet Per­ sonen, welche nicht arbeiten können oder wollen, in dem besonderen Kirchspiel zu bleiben, in welchem sie geboren oder seit 3 Jahren wohnhaft find. Ein Rücktrans­ port in da- einheimische Kirchspiel findet jedoch nur bei roguea and vagabonds statt. Erst eine Reaktion der besitzenden Klaffen hat in der Restauration-periode da» Gesetz 13 et 14 CaroL II. c. 12 eingefügt, welche- binnen 40 Tagen nach der Ankunft die polizeiliche Ausweisung jeder Person gestaltet, »welche muthmaßlich der Armenpflege zur Last sallen kann", — womit ein System der maffenhaften RücktranSporte, eia überau» verwickelte» NiederlaffungSrecht, und zugleich die Berlleineruag der unterhaltung-pflichtigen Seineindeverbände befördert wurde. 2) Für die persönliche Verwaltung der Armenpflege follm die beiden Kirchen­ vorsteher, und mit ihnen 2 oder mehrere overseers of the poor Maßregeln treffen zur Anschaffung «ine» genügenden Material», nm die Arbeitsfähigen zu be» schästigen, die Arbeit-unfähigen zu unterstützen, die Armenkinder in Lehrling-schaft oder Dienst unterznbringen. 3) Zur Aufbringung der nöthigen Mittel ermächtigt da» Gesetz die Armenpfleger, unter geordneter Recht-kontrolle der FritdenSrichter, von jedem In­ haber eine» Hau-stande» nach Maßgabe feine» sichtbaren, im Kirchspiele belegen«!», fixirten RealbesitzeS einen gleichmäßigen, mach dem Miete­ oder Pachtwerth de» Gegenstände» eingeschätzten Beitrag zu erheben. Diese Armen­ steuer ist dann mit der fortschreitenden Geldwirthschast aus alle sonstigen Bedürsniffe der Ort-gemeinde ausgedehnt, die direkte Rormalsteuer für alle» Englische Kommunalwesen geworden. Mit geringen Nachhülfen, welche nicht immer Verbeffenmgen waren, hat die» System fast 2 Jahrhunderte hindurch zufriedenstellend gewirkt, bi» gegen Ende de» 18. Jahrh, ein Zusammentreffen verschiedener Umstände zu seiner Entartung führte. Die Erhebung England» zum Entrepot de» Welthandel» hatte volk-wirthschaftliche Berhältniffe erzeugt, welche zu anomalen Verschiebungen der Arbeiterbevölkerung führen mußten. Die mangelhafte Entwicklung der Mittelklaffen, und im Zusammen­ hang damit die Entartung der Stadtversaffungen in England hatten nicht ohn« Schuld der regierenden Klaffe die großartigen Institutionen de» Selfgovernment auf allen unterm Stufen vernachlässigt und verfallen laffen. Die Kleinheit der Armen­ bezirke hatte zusammenhängmde Maßregeln für di« Beschäftigung der Armen an fich schwierig gemacht. Der jährliche Wechsel de» Amts der Armenaufseher, die ver­ führerische Bequemlichkeit, die Armenpflege lediglich in Geldunterstützungm ausgehm zu laffen, ließ das Amt in eine mechanische Routine herabfinkm, der auch die

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Armengesetzgebung.

Friedensrichter durch ein sporadisches Eingreifen keine andere Richtung gaben. Die Armenlast wurde dadurch eine bloße Geldfrage, ein Hauptstreitpunkt der Lokal­ interessen, welche das Niederlassungsrecht in unerträglicher Weife verwickelten. Aus allem Streit der Einzelinteressen heraus kam die Parlamentsgesetzgebung immer nur zu Palliativen, welche augenblicklich den Ueberlasteten erleichterten, den Druck auf die arbeitenden Klassen aber bald nur verschlimmerten. Das Nothmittel der „Orts­ angehörigkeitsatteste" mußte immer verderblicher auf die Lage der fleißigen Arbeiter zurückwirken. Nirgends verfolgt diefe spätere Gesetzgebung einen zusammenhängenden Plan zur Erhöhung der Gesammtarbeitskraft des Volks, sondern die Gesichtspunkte einer regierenden Klasse, welche um Vertheilung der Armenlast streitet. Arbeits­ herren wie Armenaufseher sind nur bestrebt, die Entstehung aller Verhältnisse zu hindern, durch welche der Arbeiter ein Niederlassungsrecht erwerben könnte. Die möglichste Ausbeutung der Arbeitskraft, unter Vermeidung der Gefahr einer Er­ höhung der Armenlast, führt einerseits zu einem bellum omnium contra omnes, während sie andererseits dem Arbeiter nicht nur die Gelegenheit, sondern auch die Neigung benimmt, außerhalb seines Arbeitsorts eine lohnende Thätigkeit zu finden. Gerade den Städten, in welchen jetzt die industrielle Gesellschaft zu keimen be­ gann, fehlte in England der Kommunalsinn, die Gewöhnung an eine selbstthätige Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten des Nachbarverbandes. Auf dem Höhe­ punkt der Parlamentsregierung wird auch ihre Schwäche sichtbar, daß sie neuen Bedürfnissen der Gesellschaft schwer gerecht zu werden vermag. Die aus dem Jnteressenstreit hervorgehende Majoritätsregierung entschließt sich zu ernstlichen Re­ formen erst, wenn die Mißstände bis zur Unerträglichkeit gestiegen sind. Sporadisch war dieser Zustand schon eingetreten, seitdem das sogenannte Allowance-System angefangen hatte den Lohnarbeitern nach Verhältniß der Lebensmittelpreise einen Zuschuß aus der Armenkasse für jeden Kopf der Familie zu bewilligen, und damit die Armensteuern der Gemeinde in einen Zuschuß für die Arbeitgeber zu ver­ wandeln. Eine lokale Abhülfe wurde nun durch Gilbert’s Aut und durch die Select Vestries Act in solchen Gemeinden geschaffen, welche die Annahme des neuen Gesetzes beschlossen, und zwar in der Weise, daß den Gemeindesteuerzahlern die Befugniß ertheilt wird, durch gewählte Verwaltungsräthe aus ihrer Mitte die Armenfonds rationeller zu verwalten. Inzwischen war dennoch die Armenlast im I. 1818 bis auf annähernd 8 000 OOO £ gestiegen. Es bedurfte erst einer durch­ greifenden Umbildung der Staatsverfassung durch die Reform-Bill und einer völligen Verwilderung der Kirchspielsarmenpflege, ehe sich die regierende Klasse entschloß, ein neues Verwaltungssystem auf England und Wales als Ganzes auszudehnen. Das Englische Armengesetz von 18 84 ist auf diesem Wege zu keinem organischen Anschluß an die älteren Institutionen des Staats gelangt, sondern nur zu einer Verwirklichung der sozialen Ideen der englischen Mittelstände, insbesondere der städtischen Bevölkerungen, denen in der Neubildung der Gesellschaft ein kom­ munaler Gemeinsinn am meisten fehlt. Die Einseitigkeit einer wirthschaftlichen Verwaltung, welche in den mechanischen Bureaukratismus verläuft, charakterifirt die neu gestaltete Armenpflege. Das neue Gesetz macht, als Probirstein der Arbeits­ fähigkeit, die Aufnahme des Unterstützungsuchenden in ein Armenarbeitsh aus zur Regel, die Hausunterstützung zur Ausnahme; jedoch ist in Milderung der großen Härten des Armenhaussystems jene Regel in immer zahlreicheren Fällen durch­ brochen worden Der Chef des Staatsarmenamts führt die „Direktion und Kon­ trolle" der ganzen Armenverwaltung durch Generalregulative und Reskripte, welche für die Einzelverwaltung die maßgebende Autorität bilden. Zwölf Staatsinspektoren und 50 Rechnungsrevisoren verbinden die Centralstelle mit der Ortsverwaltung, die in dem besoldeten Sekretär (clerk) des Kreis arm enverb and es als dem eigent­ lichen Verwaltungsdirektor ihren Schwerpunkt findet. Unter ihm agiren die be-

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soldeten Unterstühungsbeamten und das Beamtenpersonal der Arbeitshäuser. Das gesammte Personal ist verpflichtet „zur Befolgung der Regulative und Anweisung des Staatsamts", und entlaßbar nur durch die Staatsbehörde. Die gewählten Armenräthe (guardians) beschließen zwar über die eiüzeinen Unterstützungsgesuche auf den Bericht der Unterstützungsbeamten. Völlig eingeengt unter die Kontrolle der neben-, über- und untergeordneten Beamten, welche nur der Staatsbehörde verantwortlich sind, haben diese Beschließungen indessen jede Selbständigkeit verloren. Nach Anordnung des Staatsarmenamts wird eine angemessene Zahl von Kirchspielen zu einer Union mit gemeinsamem Armenhaus und Beamtenpersonal vereinigt, deren zur Zeit gegen 700 für England und Wales bestehen. Nach dreißigjähriger Arbeit ist es dem Armenamt gelungen, durch Gesetz von 1865 diese Verbände zu vollen Sammtgemeinden fortzubilden, in welchen alle Kirchspiele die Gesammtkosten der Armenpflege durch gleichmäßige Gemeindesteuern zu tragen haben. Aus dem Gebiete des Gefammtverbandes können jetzt nur noch Personen ausgewiesen werden, welche sich noch nicht ein Jahr darin aufhalten. Die Hauptschwierigkeiten der Ueberlastung einzelner Kirchspiele und des grund­ satzlosen Almosengebens sind mit diesem System anscheinend überwunden. Es wird aber darauf ankommen, dem jetzigen Mechanismus die Selbständigkeit des Self­ government wieder zu geben, und damit auch die nothwendige Jndividualisirung der Armenpflege zurückzuführen. II. Die A. in Frankreich beschränkte sich während des Mittelalters im Wesentlichen auf Bettelverbote. Eine positive Fürsorge blieb Sache der Kirche, der Klöster, der Privatwohlthätigkeit. Im I. 1536 erließ Franz I. eine Or­ donnanz für Paris, welche den Kirchspielen befahl, die angesessenen Armen zu unter­ stützen. 1547 wurde dafür eine allgemeine Armensteuer eingeführt und diese An­ ordnung später auch auf andere Orte übertragen. Auch die Ordonnance de Moulins 1566 art. 73 spricht allgemein von einer Armenunterhaltungspflicht der Gemeinden. In vielen Stadtgemeinden bildeten sich nun „Wohlthätigkeitsbureaus" aus Geist­ lichen und Notablen, deren Einkünfte sich aber mehr aus Kollekten als aus Steuern zu bilden pflegten. Ludwig XIV. erläßt verschärfte Ordnungen gegen das Betteln, sogar gegen das Almosen geb en an öffentlichen Orten, stellt Normativbedingungen für den Anspruch auf Armenunterstützung in der Behausung und über die Auf­ nahme in Wohlthätigkeitsanstalten, ordnet wiederholt die Erhebung einer Armen­ steuer an und überträgt dem Staatsrath die Entscheidung in allen Angelegenheiten der Wohlthätigkeitsanstalten. Nach dem Ausbruch der Revolution erneut die Nationalversammlung den Grundsatz der Staatsaufsicht. Seit 1789 wurden in Paris und in den Provinzen mit großen Kosten „Nationalwerkstätten" gegründet, welche als nutzlose Unter­ nehmungen später wieder verschwanden. Das Verfassungsgesetz von 1791 will eine Centralanstalt zur Unterstützung der arbeitsunfähigen Armen, zur Beschaffung von Arbeit für die Arbeitsfähigen und zur Auferziehung der verlaffenen Kinder für das ganze Land begründen. Der Konvent zieht folgerecht die Güter aller Stiftungen und Hospitäler ein, inkorporirt sie dem Staatsvermögen und ertheilt jedem Armen ein Recht aus Unterstützung gegen die das Armenwesen verwaltenden Staatsbeamten. Diese extravaganten Pläne blieben indessen zum größten Theil unausgeführt. Schon 1796 wird den Wohlthätigkeitsanstalten ihre juristische Persönlichkeit wiedergegeben, zur Unterstützung der Hausarmen sollen bureaux de bienfaisance gebildet werden. Die stehenden Armen- und Verpflegungsanstalten erhalten ihre gesonderte Ver­ waltung unter Aufsicht der Gemeindebehörden. Die Gemeinde hat zu unterstützen Diejenigen, welche durch Geburt oder einjährigen Aufenthalt oder zweijährigen Dienst der Gemeinde angehören; darüber hinaus solche in der Gemeinde sich aus­ haltenden Personen, welche als Soldaten im Kriege gedient, welche 70 Jahre alt oder altersschwach oder krank oder in Folge der Arbeit arbeitsunfähig geworden v. Holtzendorff, Eric. II. Rechtslexikon I. 3. Aufl. 10

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find. Ein rechtlicher Anspruch der Armen auf Unterstützung wird indefien nicht anerkannt; auch die Wohlthätigkeitsbureaus sind nur verpflichtet, soweit ihre Mittel reichen. Das Gesetz vom 25. Vendemiaire II, drei Gesetze, insbesondere das Gesetz vom 7. Frimaire V, die Ordonnanzen vom 31. Okt. 1821, 6. Juni 1830 und das Gesetz vom 7. Aug. 1851 mit dem Zusatzgesetz vom 21. Mai 1873 bilden noch heute die Grundlage der Armenverwaltung. Die Errichtung der Wohlthätigkeitsbureaus ist nach der Praxis und späteren Gesetzgebung von dem Ermessen des Munizipalraths abhängig. Wird diese Einrichtung beliebt, so hat der Präsekt dafür fünf Mitglieder auf je fünf Jahre zu ernennen. Nach der Praxis wird dasselbe Personal ziemlich stetig wiederernannt. Nach dem Gesetz vom 21. Mai 1873 ist der Maire Vorsitzender der Kommission von Amtswegen, der Pfarrgeistliche und die Geistlichen der anderen anerkannten Kulte werden als Beisitzer berufen. Unter Aufsicht der Präsekten hat sich das Bureau seine Geschäftsordnung und sein Regulativ über Verkeilung der Unter­ stützungen und Gaben selbst zu geben. Die größeren Bureaus haben einen be­ soldeten Sekretär, Kassen- und Unterbeamte. Die Gesammtzahl der Bureaus war im I. 1833 — 6275, im I. 1860 = 11366. Die Zahl der Unterstützten war in diesem Zeitraume von 751311 auf 1 213 684, die durchschnittliche jährliche Unterstützung von 9 fr. 44 c. bis 14 fr. 22 c. gestiegen. Die Einnahmen der Bureaus bilden sich aus dem Ertrag ihres eigenen Vermögens, aus Kirchen- und Hauskollekten, aus Gaben und Vermächtnissen, aus einer Armentaxe von Vio der Einnahme von Schauspielen und Konzerten, von Bällen und anderen Festlich­ keiten. Ergänzend treten dazu freiwillige Beiträge der Gemeindekasse. Der Staats­ rath hat 1841 entschieden, daß eine Gemeinde sich keine eigentliche Armensteuer auferlegen dürfe, „da einer taxe des pauvres unsere Sitten und die Prinzipien unserer Gesetzgebung widerstreben". Die Gemeinden dürfen ihre Almosen nicht anders als durch die Bureaux de bienfaisance ertheilen. Die Bureaus müsien sich auf die Hausarmen mit Ausschluß der in Spitälern untergebrachten beschränken. Sie müssen Register sowol der ständigen wie der zeitweisen Armen führen. Den Arbeitsfähigen soll womöglich Arbeit verschafft werden, sei es durch Unterbringung in Fabriken oder Gründung eigener Werkstätten. Ministerialinstruktionen empfehlen dringend das System der Naturalunterstützung in Brot, Fleisch, Holz, Decken u. dgl. Die ordentlichen Einnahmen der Bureaus werden für 1860 dahin angegeben: aus Grundstücken 3 061 572 fr., aus Kapitalien 4 296 399 fr., Zuschüsse der Ge­ meinden 5 389 813 fr., Armentaxe 587 870 fr., andere Einn. 1 160557 fr. Außer­ ordentliche Einn. aus Kollekten 2 297 741 fr., Gaben und Vermächtnisse 2 206136 fr., außerord. Zuschüsse 693 563 fr., Verkauf von Gütern und Renten 1 435 607 fr., andere außerord. Einn. 1567 990 fr.; Gesammteinnahme 22 517 148 fr. — Die Ausgaben Vertheilen sich durchschnittlich in 16 Proz. Verwaltungskosten, 20 Proz. Kapitalanlagen, 64 Proz. Unterstützungen. Die Unterstützungen nach dem ungefähren Verhältniß von 55 Proz. in Nahrungsmitteln, 6 Proz. in Kleidungs­ stücken, 5 Proz. in Feuerungsmaterial, 6 Proz. in Medizinalkosten, 7 Proz. in anderen Naturalien, 21 Proz. in Geld. So dürftig dies Unterstützungssystem der Hausarmen sich darstellt, so reichlich ist die Ausstattung der stehenden Hospitäler und Krankenhäuser, deren Einkünfte für 1860 auf 105 382 504 fr. angegeben werden. Ihre Verwaltung ist einer Commission administrative anvertraut, deren fünf Mitglieder der Präfekt ernennt, für große Anstalten mit mehr als 100 000 fr. Einkünfte der Minister. Dem ernennenden Verwaltungschef steht auch die Genehmigung des Budgets und der Verwaltungsregulative zu. Die Einnahmequellen dieser Anstalten sind gleichartig denen der Wohlthätigkeitsbureaus. Nach dem Gesetz vom 21. Mai 1873 kann aus diesen Fonds auch ein Beitrag zu den Medizinalkosten der Hausarmen bis zu 1I3 gewährt werden. Mit besonderer Liberalität sind die Findelhäuser bedacht.

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Als allgemeine Wohlthätigkeits-Einrichtung besteht in der Mehrzahl der Departements eine unentgeltlich gewährte ärztliche Pflege. Aus den Fonds des Departements sind auch gewisse Zuschüsse zur Unterhaltung armer Kinder und Gemüthskranker zu leisten sowie ergänzende Beihülfen sür Orte, welche ihrer Dürstigkeit wegen kein Unterstützungsbureau zu bilden vermögen. Es treten dazu neun Centralanstalten sür Blinde, Taubstumme, Irre, allgemeine Hospizien sowie ansehnliche Zuschüsse zu den Anstalten der sozialen Selbsthülse. Für Paris ist ein allgemeines Organisationsgesetz über die assistance publique vom 10. Jan. 1849 ergangen, welches alle Armenunterstützung und alle Krankenund Wohlihätigkeitsanstalten unter einem Generaldirektor centralisirt, dem ein Ueberwachungsrath aus Mitgliedern des Gemeinderaths und Staatsbeamten, unter Vorsitz des Seinepräfekten, zur Seite steht. Die Zahl der ihm untergeordneten be­ soldeten Beamten wird im I. 1867 auf 4349 angegeben, dazu ein Dienstpersonal von 1989 Köpfen. Hier betragen die jährlichen Verwendungen jetzt ungefähr 20 Millionen fr., davon 5 Millionen sür Hospitäler, 41/2 Millionen sür die hospices, 2x/2 Millionen sür die Waisenpflege, 4 Millionen für Hausarme, der Rest sür Verwaltungskosten. Die Gesammtausgaben der öffentlichen Wohlthätigkeit werden für 1867 auf 118 Millionen fr. angegeben. Sie haben ihren Schwerpunkt in den reich aus­ gestatteten permanenten Institutionen, deren privatrechtliche Stellung und Finanz­ verwaltung wohlgeordnet erscheint. Sehr dürftig und auf dem Fuße der Frei­ willigkeit stehen die Gemeindeeinrichtungen zur Unterstützung der Haus arm en da, mit ihren durchschnittlichen Jahresalmosen von 9—14 fr.! Man rühmt diese Einrichtungen wegen ihrer Sparsamkeit wie ihrer wohlthätigen Rückwirkung auf die Arbeitsamkeit der Bevölkerung und betrachtet es als einen Vorzug Frankreichs, daß der trotzige Geist der Reformation, der in der Zeit der Hugenottenkämpfe auf dem Wege war, Frankreich eine Zwangsarmenpflege und Armensteuer aufzubürden, später wieder dem System der „Freiwilligkeit" Platz gemacht habe. Allein dies System der Freiwilligkeit ist doch zugleich der Ausdruck einer sehr engen Auffassung von dem Beruf des Nachbarverbandes und der Entwöhnung der Bevölkerung von einer persönlichen, wirklich mitverwaltenden Thätigkeit im Gemeindeleben. Es ist vor Allem die Abneigung gegen eine verantwortliche persönliche Mühewaltung und gegen eine Lokalbesteuerung, welche das Franz. Armenwesen zu einem sehr unter­ geordneten Theil des Gemeindelebens gemacht hat. Für die ständigen Wohlthätig­ keitsanstalten reicht die Berufsthätigkeit der besoldeten Verwaltungs- und Rechnungsbeamten besser aus, als für das Unterstützungsgeschäft in den Hausständen. Ein gewisser universaler Geist der Wohlthätigkeit wird durch die dominirende Stellung der römisch-katholischen Kirche erhalten. Die neue Republik insbesondere hat in den Wohlthätigkeitsbureaus der Geistlichkeit einen sehr weitgehenden Ein­ fluß gewährt, der den stetigen Machtzuwachs der Röm. Kirche auch auf diesem Gebiet gefördert hat. Als Element der Selbstverwaltung aber — zur sittlichen und politischen Bildung der Nation, zur Kräftigung des Gemeinsinnes in dem Nachbarverband — ist die Verwaltung des Armenwesens einflußlos und unver­ standen geblieben, wie das Wesen der Selbstverwaltung in Frankreich überhaupt. III. Die A. in Deutschland zeigt schon am Schluffe.des Mittelalters die beginnende Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche. In den Deutschen Städten beginnt nach mancherlei Anfängen, die bis in das 13. Jahrh, zurück­ reichen, im Laufe des 15. Jahrh, eine umfassendere Armenpflege. Auf dem Reichs­ tag zu Lindau (1497) wurde beschlossen, „daß jede Stadt und sonstige Gemeinde ihre Armen ernähren und unterhalten, itnb keinem fremden Bettler zu betteln ge­ statten folle". Nur wenn ein Amt oder eine Stadt nicht im Stande wären, ihre Armen zu ernähren, so „soll die Obrigkeit dieselben Armen mit einem brieflichen Schein in ein anderes Amt zu befördern Macht haben". Diefe Vorschrift wurde 10*

148 in den Reichs- und Landespolizeiordnungen öfter wiederholt. Manche Landes­ gesetze enthalten auch angemessene Vorschriften über die Bildung eines Kollegiums von Armenpflegern anS der geistlichen und weltlichen Obrigkeit und geeignet« Mitgliedern. DaSHaupthinderniß der Entwicklung blieb derMangel einer geregelten Ausbringung der Armenlasten. Ein System rationeller Steuern, welches sich in der Zersplitterung Deutschlands so unendlich schwer entwickelte, konnte noch viel weniger für Humanitätszwecke zur Ausführung kommen. Erst im 18. Jahrh, beginnt ein neuer Anlauf zur Beschaffung ansehnlicherer Mittel in vielen Einzel» staatm. Die Einrichtungen Joseph'S II. für Oesterreich gehören zu denen, welche fich in dauernd gutem Andenken erhalten haben. In Preußen erging alSdaS erste umfaffende Gesetz ein Edikt vom 28. April 1748. Zu einem Abschluß gelangte die auf daS System der geschloffen« Stadt­ kommunen, Gutsbezirke und. Landgemeinden bafirte Armenpflege in dem A. LR. II. 19. Verpflichtet zur Unterhaltung sollte die Stadt» und Dorfgemeinde für die ausdrücklich in den Grmeindeverband aufgenommenen Mitglieder sein, event, die Gemeinde, in welcher der Verarmte zuletzt zu den gemeinen Lasten beigetragen hat. Die Einzelheiten blieben den Provinzialgefetzen und Reglements überlasten. Die Biegsamkeit des daraus hervorgehenden BerwaltungSsystemS wurde zur Wohlthat, seitdem in Folge der Agrar», Gewerbe- und FreizügigkeitsGesetzgebungen die gewaltige Umbildung der Gesellschaft allmählich in Fluß kam. Die Stellung der LandrathSämter und Regierungen vermochte ungefähr mit den veränderten Bedürfniffen Schritt zu halten. Die Regulative der CentralVerwaltung schufen allmählich eine gewiffe Uebereinstimmung deS Systems. Preußen blieb dadurch bewahrt vor den monströsen Auswüchsen der Armenverwaltung, welche die Entwicklung der industriellen Gesellschaft in anderen Ländern bezeichnen. Im Laufe eine» Menschenalter- waren die Grundsätze dieser Verwaltung so gereift, nm in den beiden Gesetzen vom 31. Dezbr. 1842 eine überaus tüchtige Grundlage zu erhalten. Für daS ArmenniederlasfungSrecht werden drei Titel anerkannt: 1) durch ausdrückliche Aufnahme als Mitglied der Gemeinde, wie solche bisher in den Städten stattfand; 2) durch Erwerb eines Wohnsitze- nach Maßgabe de- Gef. vom 31. Dezbr. 1842 § 8; dies sog. Armendomizil ist durch eine Meldung bei der Polizeibehörde bedingt und wird perfekt, wenn der Neuanziehende den Wohnsitz ein Jahr lang fortgesetzt hat, ohne der öffentlichen Unterstützung zu bedürfen; 3) durch dreijährigen Aufenthalt ohne jene Vorbedingungen; ebenso wie um­ gekehrt das Armendomizil durch dreijährige Abwesenheit verloren geht. Der Grund­ satz der Freizügigkeit ist dadurch mit dem Grundsatz der Dezentralisation der Ge­ meindearmenlasten nach Möglichkeit in Einklang gebracht. Die ordentliche Armenpflege nach diesem Haftung-grundsatz liegt den einzelnen Stadtgemeinden, Landgemeinden und Gut-bezirken ob. Jsolirte Einzelbefitzungen sollen „nach Anordnung der Lande-polizeibehürde" mit einer Gemeinde, vereinigt werden. Die Kommunalarmenpflicht erstreckt fich auf Ehefrauen, Wittwen und Kinder. Für Dienstboten, Gewerb-gehülfen, Gesellen, Lehrlinge ist im Falle der Erkrankung der Armenverband des DienstorteS aus drei Monate unterstützungSpflichtig. In Ermanglung eine- verpflichteten Ort-verbände- tritt der Land­

armenverband ein, welcher auch unvermögenden Gemeinden die erforderliche Beihülfe zu leisten hat. Den Landarmenverband bilden meisten- ganze Provinzen, in Ostpreußen die einzelnen Kreise, daneben auch einzelne große Städte. Die Grundfäh« der Armenverwaltung find in allgemeinen Zügen theilim Gesetz, theil- in den Landarmenreglements und den lokalen Statuten so ge­ geben, daß da- Ermeffen der Lokalbehörde nicht zu sehr eingeengt erscheint. Die an-führenden Organe find die Magistrate, Armendirektionen und Bezirk-»

kommisfionm in dm gilbten, die Landräthe, Ort-vorsteher und GntSobrigkeitm auf dem Platten Lande. Soweit es da» Personal der Derwallnng betrifft, bieten selbst unsere großen Städte da» in Europa selten werdende Schauspiel einer per­ sönlichen Mitarbeit der Gemeindegenoffen an den mühevollsten Funktionm der Einzelverwaltung dar. Es wird darauf ankommm, das platte Land zu grbßerm lebensfähigen Verbänden (in denen dann auch der Gegensatz von Landgemeinde und Gut-bezirk von selbst aufgeht) zu gestallm, was freilich ohne ein System direkter Köinmunalstenern unausführbar bleibt. Die Vorbedingung eines verwaltungssähigen Personals dagegen ist in dem größerm Theil Deutschlands unzweifelhaft

noch vorhanden. Die Schwierigkeit der A. liegt in dm tiefgreifmdm Verschiedenheiten der darin zn behandelnden Subjekte. Die Erhaltung der Erwerbsunfähigen er­ scheint zunächst als Rechtsfrage und Frage der kommunalen Lastenvertheilung; die Behandlung der Arbeitsunwilligen zunächst als Polizeifrage; die Behandlung zufälliger und lokaler Erwerbsunfähigkeiten zugleich als Frage der Kommunal- wie der StaatSwirthfchaft. Die reichste Erfahrung der Gesetzgebung zeigt, daß nur daS systematische Jneinandergreifen von Armenpolizei und Armenpflege heilsame Zustände zu schaffm vermag. Kein Theil der öffentlichen Verwaltung bedarf in dem Maße der Jndividualisirung. Das Aufgehen der Armenpflege in ein BuchhaltungSfystem von Geldunterstützungen muß einem System von Arbeitsnachweisung, Beschäftigung bei öffentlichen Arbeiten resp, in Arbeitshäusern, HauSbeschäftignng, Naturalunterstühungen, unter strenger Scheidung von Arbeitsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit, Platz machm. Kein anderer Zweig der Verwaltung bedarf also in gleichem Maße der Dezentralisation und der Betheiligung des bürgerlichm Elements (einschließlich der Ortsgeistlichkeit) mit feiner genauen Kenntniß der lokalen und individuellen Derhältniffe. Andererseits bedarf dieselbe Verwaltung der strengsten Rormativbedingungen, soweit dabei eine Kollision der Jntereffen obwaltet, vor Allem einer gesetzlichen Regelung der Armenlast, die mit dem fortschreitenden System der Geldwirthschaft unvermeidlich zur direktm Steuer werden muß. Sobald dieser Steuerfuß ein gleicher geworden, die Lrbezirke der Armenlast dem System der Freizügigkeit entsprechend nicht allzu Nein gestaltet find, sobald der größere Verband dm kleineren zu ergänzen hat, wenn dessen Armenlast einen gewissen Prozentsatz überschreitet, läßt fich eine Dezentrali­ sation der Armenlast festhalten, in welcher alle Betheiligten ein lebendiges Interesse an der sparsamen Verwaltung behalten, ohne das Bestreben einer gegenseitigen Abwälzung, welches die schwersten Mißbräuche der Armenverwaltung erzmgt hat. Die neuesten Verwaltungsgrundsätze Englands bieten für diese Frage der konzentrtschen Bertheilung der Armenlast ein brachtmSwertheS Muster, welches freilich zum guten Muster nur wird unter der Voraussetzung persönlicher Mitarbeit der Ge» meindekommisfionm, nicht aber mit der jetzt vorhandenen Schreiberwirthschaft. Die nächste Aufgabe deS Deutschen Reiche- konnte nur die Gmeralistrung der Prmß. Gesetzgebung Über das Riederlaffungsrecht fein, welche als ein ent­ wickeltes Freizügigkeitsrecht dem Durchschnitt der kleinstaatlichen Gesetzgebung voran» geeill ist. DaS Reichsgesetz Über den Unterstützung-wohnsitz vom 6. Juni 1870 hat an die Stelle des nammtlich in dm Süddeutschen Staaten noch vorherrschen­ den „HeimathSrechtS", welches durch die ausdrückliche Aufnahme in den Gemeinde­ verband begründet wurde, die dem System der Freizügigkeit entsprechende Unter­ stützungspflicht nach dem Wohnsitz gefetzt, welche durch einen zweijährigen nnunterbrochenen Aufenthalt begründet wird, und welche in dem Bundesamt für daS Heimathwesen ein Eentralorgan der Verwaltungsrechtspflege gefundm hat. AuS der Praxis einer öffentlichen, verantwortlichen Selbstverwaltung Silben fich auch die richtigen Grundsätze für eine angemessene Organisation der Priv atwohlthätigkeit. ES ist wahr, daß die amtliche und private Wohlthätigkeit

150 sich gut Zeit vielfach hemmen und durchkreuzen. Allein der Fehler liegt in dem Mangel jene» praktischen Gemeinsinn», der sich nur and einer gewohnheitsmäßigen Verantwortlichen Selbstverwaltung bildet. Diesem Mangel entspringt die immer lauter austretende Forderung, da» öffentliche Armenweseu durch eine wohlorganifirte Privatwohlthätigkeit zu ersetzen, wobei man jeden Splitter in der öffentlichen Armenpflege bemerkt, ohne bett Balken in der heute vorhandenen grundsatzlosen Privatwohlthätigkeit zu sehen. Die Freude am Wohlthun, d. h. die individuelle Ansicht vom Wohlthun, enthält ein Prinzip der Willkür, welche» den großen hu­ manen Aufgaben de» nationalen Leben» niemal» zu genügen vermag. Die „Almofenwirthfchast", welche man einzelnen großstädtischen Armenverwaltungen vorwerfen mag, würde unter den Velleitäten der freiwilligen Armenpflege und mit dem indi­ viduellen Eigensinn nach deutscher Weife in Zerfahrenheit und Entartung enden. Dem Genin» der Romanischen Böller mag die Gemächlichkeit der kirchlichen Armenpflege, welch« sich hinter dem System der »Freiwilligkeit" verbirgt, mehr znfagen: in dem kirchlich gespaltenen Deutschland würd« diese Rückkehr zum Alten nur neue Elemente de» Zwiespalte» in da» VolSleben hineintragen. Der herrlichste Charakterzug unsere» Boll», der Sinn für die mühevolle Arbeit de» öffentlichen Leben», kann umgekehrt nur zur vollen Entwicklung vnd Reife gelangm, wenn wir in dieser Thätigkeit festen Rormativbestimmungen, d. h. Gesetzen, gehorchen lernen, au» denen sich die angemeffene Begrenzung und Beschränkung der öffentlichen Wohlthätigkeit sicherer ergiebt al» au» dem bloßen Zug und Verständniß de» Herzen».

Lit.: Ueber die englische Armenpflege vgl. ®. Ätit», Die englische Armenpflege, herauSgeg. v. Ä. Freiherr v. Richthofen, Berl. 1868. — Da» größere Sammelwerk v. Sm» minghauS, Das Armenwesen und die A. in europäischen Staaten, Berl. 1870. — Ver­ handlungen de» elften Kongresse» deutscher DolkSwirthe v. 2. Sept. 1869, ein Bericht über diese Verhandlungen, Berl. 1870. — Vgl. auch d. Art. Armenverbände. Gneist.

Urmeurecht, entsprechend dem früheren beneficinm annotationis sportnlarum, ist nach der Deutschen EPO. da» Recht einer einstweiligen Befreiung von Entrich­ tung der Prozeßkosten, welche» eine physische Person beansprnchen kann, soll» sie dazu ohne Beeinträchtigung de» nothwendigm Unterhalte» für sich und ihre Fa­ milie nicht im Stande ist und die beabsichtigte RechtSversolgung oder Vertheidigung nach dem Ermeffen de» Gerichte» nicht muthwillig oder aussichtslos erscheint. Der Ausländer kann e» nur insofern verlangen, al» in seinem Staate Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Bewilligung ist bei dem Prozeßgericht (der betreffenden Instanz) entweder schriftlich oder zu Protokoll de» GerichtSschreiber» unter Angabe de» Streitverhältniffe» und der Beweismittel, sowie, fall» da» A. nicht schon in früherer Instanz gewährt war, unter Beibringung eine» obrigkeitlichen ArmuthSzeugnisse» nach­ zusuchen. Den gemeinrechtlichen Armeneid über die Armuth und die etwaige Nachzahlung der Kosten kennt da» neue Recht nicht. Die Bewilligung de» A. erfolgt für jede Instanz besonder», für die erste mit Einschluß der Zwangsvollstreckung. Sie gewährt der Partei 1) einstweilige Befreiung von Berichtigung der Gerichtskosten einschließlich baarer Auslagen und Gebühren, z. B. für Zeugen, 2) Befreiung von Sicherheits­ leistung für die Prozeßkosten, 8) das Recht auf vorläufig unentgeltliche Beiordnung eines Gerichtsvollziehers und soweit ein Anwalt nöthig oder e» da» Gericht für erforderlich erachtet, auch einer solchen. So lange da» einem Kläger, Berufungs­ oder RevifionSkläger gewährte A. besteht, wird die Gegenpartei gleichfalls von der Entrichtung der vorhin erwähnten Kosten, Auslagen und Gebühren vorläufig be­ freit. Auf da» Verhältniß der Parteien zu einander hat die Bewilligung aber keinen Einfluß, daher hat die arme Partei im Falle ihrer Berurtheilung die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten. Sobald die arme Partei in bessere VermögenSumstände gelangt, hat sie die ihr gestundeten Beträge und fall» sie zur Zahlung der Prozeßkosten verurtheilt worden, auch die dem Gegner gestnndeten zu

entrichten. Soweit eine solche Verurtheilung aber den letzteren getroffen hat, sinnen da» Gericht, der der armen Partei bestellte Gerichtsvollzieher und Rechtäanwalt die kreditirten Aasten, Gebühren und Auslage» von diesem, das Gericht auch die ihm selbst bisher gestundeten Beträge einziehen. Da» L. erlischt mit dem Lode der begünstigte» Partei und kann wieder entzogen werden, wenn eine BorauSsetzung seiner Bewilligung fich als früher aicht vorhanden herauüstellt oder sortfällt. Die Entscheidungen über Bewilligung und Entziehung de» A. sowie über die Nachzahlung gestundeter Beträge sinnen ohne vorgängige mündliche Berhandlung ergehen. Die Beschwerde ist nur gegen eine solche Entscheidung, welch« daS A. bewilligt, ausgeschlossen. 8it: EPO. §§ 106-118. — AechtauwaltS-Ordn. v. 1. Juli 1878, § 84. - Fitting, AeichScivilprozeb (4. Ausl.), ®. 407. — lieber bei früher« Beweine 9L und die Entwicklung del L. s. Linde, Ztfchr. f. Civ.R. u. Pw,. Sb. 1, 6. 57. - Albrecht a. a. O., Sb. 11, 6. 39. — Linde, Arch. f. cid. Praxis, Sb. 16, S. 51. — Sartorius a. a. £>., Sb. 18, 6. 237. - Reetz, Ztschr. f. Rechtsgesch., Sb. 2, 6. 421. - Fuchs o. a. O., Sb. 5, 6.104. — Sprickmann-Kerkerinck, Arch. . kath. Kirchenrecht. Sb. 25, S. 145. P. HinschiuI.

Armenverdande. Nachdem auch in Deutschland die Armenpflege au» den Händen der Kirche auf deu Staat übergegangen war, hat letzterer dieselbe doch nicht unmittelbar geübt, sondern sie auf seine kommunalen Bestandtheile übertragen. DaS Preüß. A. LR. erklärte die mit eigenen Armenfonds versehenen Korporationen, die Stadt- und Dorfgemeindm zur Versorgung der Armen sür verpflichtet; Arme, denen Privatpersonen, Korporationen oder Kommunen Hülfe nicht schuldeteu oder nicht gewähren konnten, sollten in öffentlichen Landarmenhäusern untergebracht werden. Die auf dieser Grundlage entwickelte Preußische Armenpflege ist daS Vor­ bild für die Ordnung de» Unterstützung-wesen» im Norddeutschen Bunde bzw. im Deutschen Reiche geworden. Da» — mit AnSnahme Bayern» und ElsaßLothringen» in ganz Deutschland geltende — ReichSges. v. 6. Juni 1870 bestimmt, daß die öffentliche Unterstützung HülsSbedürftiger durch OrtS-A. und durch Land-A. zu üben ist. Die Organisation der OrtS-A. schließt.sich an die kommunal-politifchen Berfaflungen in der Weise an, daß die Gemeinden bzw. GutSbezirke — einzeln oder zu einheitlichen Gesammt-A. vereinigt — die OrtS-A. bilden. Die Land-A. umfassen der Regel nach eine Mehrheit von OrtS-A. Die Zusammensetzung und Einrichtung der A., die Art und daS Maß der im Fall der HülsSbedürftigkeit zu gewährenden üffentlichen Unterstützung, die Beschaffung der erforderlichen Mittel, die gegenseitigen Beziehungen zwischen OrtS- und Land-A. find der LandeSgesetzgebuug zugewiesen. Hiernach hat sich die Organisation der A. in den einzelnen BundÄstaaten verschieden gestaltet. In Preußen bildet jede Gemeinde bzw. jeder außerhalb de» Gemeindeverbande» stehende Gutsbezirk sür fich einen Ort»»A., sofern fie nicht einem Gesammt-A. angehöre». Die Verwaltung der Armenpflege liegt in den Gemeinden den verfaffungSmäßig für die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten bestellten Ge» meindebehlrden ob, doch kann dieselbe auch besonderen Deputationen übertragen »eiben. Die Kosten der Armenpflege werden in derselben Weise, wie die übrigen Gemeindelasten ausgebracht. Die Verwaltung der Armenpflege in den GutSbezirkm erfolgt nach den gesetzlichen Bestimmungm über die Verwaltung der örtlichen An­ gelegenheiten; die Kosten trägt der GutSbefitzer. Ja den Gesammt-A. werden die Armenangelegenheiten nach Maßgabe de» Statut» durch die geordneten Vertreter verwaltet. Die Kosten werden, wenn nicht etwa» Andere» vereinbart ist, auf die einzelnen Bezirke nach Maßgabe der in ihnen aufkommenden Klaffen- und Ein­ kommensteuer, der halben Gewerbesteuer sowie der halben Grund- und Gebäude­ steuer vertheilt. — Die Preußischen Land-A. find seit dem Inkrafttreten deS Gesetzes vom 6. Juni 1870 mehrfacher Umgestaltung unterzogen worden. Land-A. bilden

152 gegen#)ihrtig die Provinzen Brandenburg, Hannover, Pommer«, Posen, Rheiuprovinz, Schlesien, Sachs«, Schleswig-Holstein, Westsale«, Ostpreußen, — wo die Land­ armenpflege znm Theil durch die -reise geübt wird, — Westpreußen, — wo dm KreiSarmenkommifsionen eine Mitwirkung eingeräumt ist, — die Regierungsbezirke Raffel und Wiesbaden, die Hoheuzoller'sch« Ände, der Stadtkreis Frankfurt a. M.

und die Städte Berlin, Breslau und Königsberg. Die Verwaltung des Land­ armenwesens wird durch die Provinzial- bzw. kommunal- und kreiSständische« Ver­ bände und ihre Organe, in den Städtm Berlin, BreSlau und Königsberg durch die Gemeindebehörden besorgt. Die Kosten des Landarmenwesens werden auf die betreffend« Kreise, AmtSverbände, Oberamtsbezirke ic. nach dem Maßstabe der in ihn« aufkommenden direkten Staatssteuern vertheilt. In dm nicht-preußischen Bundesstaat«, wo bis zum Erlaß des ReichSgefetzeS vom 6. Juni 1870 die Armenpflege zum Theil auf wesentlich anderen Voraus­ setzungen beruhte, war die Durchführung der neu« Organisation nicht immer leicht. Doch find überall die OrtS- nnd Land-A. inS Leben gerufen. WaS letztere betrifft, so werden dieselben in Baden, Heffm, Sachsen-Meiningen und Waldeck durch die Kreise, in Mecklenburg-Strelitz durch den Stargarder Kreis bzw. das Fürstmthum Ratzeburg, in Oldenburg durch die AmtSverbände, in Württemberg durch die Oberamtsbezirke gebildet; in Sachsen-Koburg-Gotha ist für daS Herzogthum Koburg und daS Herzogthum Gotha je ein Land-A. konstituirt; in den übrigen nicht-preußi­ schen Bundesstaaten umfaßt der Landarmenverband daS ganze Staatsgebiet.

Jeder hülfSbedürftige Deutsche muß vorläufig von demjenigen OrtS-A. unterstützt werden, in dessen Bezirk er fich bei dem (Eintritte der Hülssbedürftigkeit befindet. Die dadurch entstehenden Kosten muß derjenige Orts-A. erstatten, in welchem der Unterstützte durch zweijährigen ununterbrochen« Aufenthalt bzw. durch Verehelichung oder Abstammung den UnterstützungSwohnfih (s. diesen Art.) erworben hat. Doch muß für Gesinde, Gesellen, Gewerbsgehülfen und Lehrlinge, welche am Dienstorte erkranken, der Orts-A. des letzteren sechswöchentliche Kurkoften ohne Ersatzanspruch tragen. Hat der Unterstützte keinen UnterstützungSwohnfitz, so ist derjenige Land-A. erstattungspflichtig, in deffen Bezirk er sich bei dem Eintritte der Hülfsbedürftigkeit befand, oder, falls er in hülfsbedürftigem Zustande aus einer Straf-, Kranken-, Bewahr- oder Heilanstalt entlassen wurde, derjenige Land-A., auS welchem feine Einlieferung in die Anstalt erfolgt ist.

Jeder A. ist berechtigt, seine Ansprüche gegen einen anderen A. selbständig und unmittelbar — ohne staatliche Vermittlung — vor den zur Entscheidung berufenen Behörden zu verfolgen. Dergleichen Streitigkeiten werden, wenn dir streitenden Theile ein und demselben Bundesstaate angehören, auf dem durch die LandeSgesktze vorgeschriebenen Wege entschieden. Der hierin liegende Uebelstand, daß die eine gleichmäßige Rechtsprechung verbürgende einheitliche letzte Instanz fehlt, wurde bei der Berathung des Gesetze- vom 6. Juni 1870 nicht ver­ kannt , ließ fich aber au» politischen Gründen nicht vermeiden. In Bezug aus solche Streitigkeiten, in welchen die streitend« A. verschiedenen Bundesstaaten an­ gehören (sogmannte intetterritoriale Streitigkeiten), findet von der höchst« landeSgesetzlichen Instanz noch eine Be«fung an daS Bundesamt für das Heimathwesm in Berlin (s. d. Art. HeimathSamt) statt. Durch die Landesgesetzgebung von 14 Bundesstaaten ist später daS Bundesamt auch für Landesfachen als letzte In­ stanz eingeführt worden, in 10 Bundesstaaten (darunter Königreich Sachs«, Württemberg, Baden) beruht die Entscheidung letzter Instanz noch jetzt bei einer Landesbehörde. Ist ein Armenverband zur Zahlung der ihm endgültig auferlegten Kosten außer Stande, so hat der Bundesstaat, welchem er angehört, für die Erstattung zu sorg«.

«ntbtt -

158

Dem HülfSbritürftigen ist ein Privatrechtlicher Anspruch gegen einen A. durch bei mehrervähnte Reichsgesetz vom 6. Juni 1870 nicht eingeräumt, nur im 8erwaltuugiwege kaun er de« zur vorläufigen Armenpflege verpflichteten A. zur Aus­ übung dieser Pflege anhalten laffen. Die dieifallsige Entscheidung der Berwaltuags» behörde ist für bei demnächst etwa entstehende Streitversahren gegen den zur defi­ nitiven Armenpflege verpflichteten A. nicht maßgebend, die sür dal letztgedachte Berfahren kompetente Spruchbchörde prüst vielmehr selbständig, ob Hülfibedürftigkeit und in Folge dessen llnterstützunglpslicht vorlag. Jeder A., welcher einen Hülsibedüiftigen unterstützt hat, ist tieft einer Session

durch Gesetz befugt, Ersatz derjenigen Leistungen, zu deren Gewährung ein Dritter aul anderen all den durch dal gedachte Gesetz begründete» Titeln verpflichtet ist, von dem Verpflichteten in demselben Maße und unter denselben Voraussetzungen zu fordern, all dem Unterstützten auf jene Leistungm ein Recht zusteht. ®fgb. u. Lit.: ReichSges. über den Unterstützung-wohnsitz vom 6. Juni 1870 (BGBl. S. 360). — ReichSges. bett, die Einführung vorstehenden Gesetzes in Württemd. u. Bade» v. 8. Rovdr. 1871 (R G Bl. 6. 391). — Die AG. der einzelnen Bundesstaaten find n. A. ab­ gedruckt in Lrnoldt, Die Freizügigkeit n. der Unterst.-Wohnsitz, Berlin 1872. — Seidel, Reichs - Armenrecht, in Hirth'S Annalen, 1877, 6. 561. — Rocholl, System d. D. ArmenpflegerechtS (Berlin 1873), enthält reichhaltige- Material bett, die Organisation der A. in den einzelnen Bundesstaaten. B. König.

ArndtS, Äatl Ludwig, Ritter von Arnelberg, . Iagemauu, Die Draufgabe, vergl. Rechtästudie, 1878. Rivier.

ArtiknlirteO Berhor im Strafprozeß ist ein mit dem Beschuldigten oder einem Zeugen artikelweise angestelltel Verhör. Artikel find vor der Bemehmuug angefertigte spezielle Fragen, welche sich auf die im Prozeß zu beweisenden That­ sachen und thafächlichm BerhLltniffe beziehen. Sie find rin Erzeugniß del italie­ nischen Prvzeffel hn Mittelalter und find in Italien auch int Jnquisttionlprozeß, in welchem der Richter sie stellte und den Stoff für fie aul dem Material der Generalinquifition entnahm, zur Anwendung gekommen. Rach dem Carpzov'schen System, nach welchem der Jnquisttionlprozeß in die General- und die Spezial» inquifition -erfüllt, beginnt die letztere mit einem a. B- del Beschuldigten (Jnquifiten) und ebenso werden hier die Zeugen, die in der Generalinquifition nur sum­ marisch, d. h. in freier Form, verhört wurden, ad articulos vernommen. Sie Folgezeit ließ der artiknlnten eine summarische Bernehmung del Beschuldigten vor» ausgehen, dann machte man die Entdeckung, daß man den Verdächtigen schon iu der Generalinquifition all Onafi-Zeugen summarisch vernehmen könne. Hatte fich nun bei der Freiheit der summarischen Prozednrwrise und dem Zweck der General­ inquifition, Beweilmaterial zu gewinnen, die Methode heraulgebildet, den Zeugen zunächst generell erzählm zu laffen, wal er von der Sache wisse, und erst danach ihm spezielle Fragen zu stellen, so beobachtete man dieselbe Methode nunmehr auch bei der summarischen Bernehmung bei Bedächtigen. So entstand der Uuterschiä» zwischen generellem oder summarischem und speziellem oder a. B. Seitdem dann auch die summarische Gmeralinquifition zur Bernrthrilung führen konnte, und die Spezialinquifition nur in dm schwersten Fällen bribehalten wurde, kam mit der letzteren auch dal a. B seltener zur Auwmduug und ward im neueren Jnquist» tioniprozeß vielfach durch rin übersichtliche! Schluß»erhör ersetzt- — Dal münd­ liche Bersahren hat für dal a. B. keinen Raum; auch die Deutsche StrafPO. kennt el nicht. Lit.: F. «. Bieurr, Beitr. ,.«esch. b. Jnquis.Prz., 6.50, 96, 173—192. — «ehell, 6,st. b. EivP». 88 49, 70. — Ouistorp, Grbs. b. Peinl. 3t., Bb. U. 88 667 ff. — Böhlau, Memenb. Krim.Prz., 8 25. Ä. Wtebing. ÄmmiblS, DominicuS, s 1579 zu Leeuwardm aul dem Geschlechte van Arum, wurde 1605 ordentl. Prof., 1684 Ord. der Jenenser Fakultät, f 1637. „Der Stammvater akad. Publizisten.* Schriften: Decis. et sent. Jenensinm LI. n. Jen. 1608, 1612. — Disc. acad. de jore pnbl., Jen. 1617—23. — Dian, ad praec. Fand, et Cod. leges, 3. ed. 1628, femer 1665, 1672. — Comm. de comitiis Rom. denn. Imperii 1630, 1635, 1660. — Disc, ad auream bullam 1617, 1619, 1663. Lit.: Günther, LebenSskizzen, S. 56. — Pütter, I. 165. — Jugler, L 235. — Wal, Oratio, p. 43, 199-208, 443. - Schulze, Preuß. Staatsrecht, I. 196. — Mather in b. Allg. Deutsch. Biogr., I. 614. — Ompteba, II. 419. Teichmann.

Aerzte. Die Heilung äußerer und innerer Krankheiten ist hmtzutage einem Jedm gestattet, ohne irgend welchen Nachweil der Befähigung. Dal im früherm Preuß. StrafGB. enthaltene Verbot der Medizinalpfuscherri fehlt im RStrafGB. gänzlich. El versteht fich üHeffen von selbst, daß jede fahrlässige Körperverletzung eine strafrechtliche Verantwortlichkeit begründet, und el ist pofitiv vorgeschriebm,

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Aerzte.

daß eine Erhöhung der Strafe eintritt, wenn der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er an» den Äugen setzte, vermöge feine* Gewerbe* besonder* verpflichtet »ar (Straf««. § 230). E* bedürfen jedoch nach § 29 der RGew.-Ordn. vom 21. Juni 1869 einet Approbation noch gegenwärtig alle diejenigen Personen, welche sich al* A. (Wund-A., Angen-A., Geburtshelfer» Zahn-A. und Thier-A.) oder mit gleichlautenden Titeln bezeichnen, oder feiten* de* Staat* oder einer Gemeinde al* solche anerkannt oder mit amtlichen Funktionen betraut werden sollen. Diese Approbation wird im Allgemeinen aus Grund eine* Nachweise* der Befähigung ertheilt, darf jedoch von der vorherigen akademischen Doktorpromotion nicht abhängig gemacht werden. Die näheren Bestimmungen find durch die Der» ordnung de* BundeSrath* vom 25. Septbr. 1869 (B.G.B1. 1869, S. 635 ff.) vorgeschrieben, welche in vier Abschnitten die Approbationen der A., Zahn-A., Thier-A. und Apotheker regelt, und hinfichtlich der drei ersten Abschnitte noch heute geltende* Recht ist, während in Bezug aus die Apothekerapprobation (vgl. d. Art. Apothekergewerbe) neuere Anordnungen erlaffen find. Zur Ertheilung der Approbation an die A., Wund-A., Augen-A., Geburtshelfer und Zahn-A. find demgemäß nur befugt die Centralbehörden derjenigen Bundesstaaten, welche eine oder mehrere LandeSuniverfitäten, zur Ertheilung der Approbation an die Thier-A. nur die Centralbehörden derjenigen Bundesstaaten, welche Thierarzneifchulen haben. Die Prüfung, welche der Approbation vorhergeht, kann entweder vor der medizini­ schen Ober-ExaminationSkommisfion in Berlin oder vor einer bei jeder Univerfität bestehenden und jährlich vor der zuständigen Centralbehörde neu zusammenzusehen­ den medizinischen Examination*kommisfion, resp, vor den besonderen zahnärztlichen ExaminationSkommisfionen sowie bei den Thierarzneifchulen abgelegt werden. Die Zulaffung zur Prüsung ist von dem AbgangSzeugniß eine* Gymnasiums, dem Ab­ gangszeugniß von der Univerfität, dem Zeugniß über die Ablegung de* tentamen physicum und dem Nachweise von Kinischen Uebungen abhängig. Personen, welche eine solche Approbation erlangt haben, find innerhalb bei Bundesgebiet* in der Wahl de* Orte*, wo sie ihr Gewerbe betreiben wollen, nicht beschränkt. Eine Dispensation von der Prüfung ist zwar wegen wiffenschaftlich erprobter Leistungen gesetzlich zuläsfig. Die BundeSrathS-Berordnung vom 9. Dezbr. 1869 (B-G.Bl. 1869, S. 687) hat jedoch die Dispensation auf den Fall eingeschränkt, daß dem Betreffenden feiten* eine* Staate* oder einer Gemeinde amtliche Funktionen übertragen werden sollen und hat außerdem vorgefchrieben, daß der DiSpensation*ertheilung seitens der Centralbehörden stet* da* Gutachten der PrüfungSkommisfion vorhrrgehen muß, sofern e* sich nicht um die Berufung eine* Universitätslehrer* handelt. Die Bekanntmachung de* Reichskanzler* vom 26. November 1877 hat in dieser Hinficht mit Rücksicht auf die Thatfache, daß deutsche Realschul-Abi­ turienten in größerer Zahl, von der Hoffnung auf eine Aenderung der bestehenden Dorfchristen geleitet, im Auslande Medizin studiren, um sich dort prüfen zu laffen, demnächst aber nach Deutschland zurückzulehren, ausdrücklich auf die obigen Be­ stimmungen, namentlich auch darauf aufmerksam gemacht, daß die im AuSlande bestandenen Prüfungen für die Erlangung der Approbation in Deutschland völlig

wirkungslos findDiejenigen nun, welche diesen Rormm zuwider handeln, und ohne approbirt zu sein, fich al* Arzt bezeichnen, oder durch Beilegung eine* ähnlichen -Titel* den Glauben zu erwecken suchen, fie seien eine geprüfte Medizinalperson, werden nach § 147 der RGew.-Ordn. in Verbindung mit Art. 2 der Gewerbe-Novelle vom 17. Juli 1878 mit Geldbuße bi* 300 Mark, im UnvermvgenSfalle mit Haft bestraft. Endlich ist fowol für geprüfte, al* auch für ungeprüfte Medizinalpersonen die früher bestandene Verpflichtung zu ärztlicher Hülfe weggefallen, und die für Der-

Aeqtttche verbreche«.

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Weigerung solcher Hülse bestandenen Etrasen (Preuß. StrafGB. §§ 200, 20—500) durch § 144 der RGew.-Ordn. ausdrücklich beseitigt, wie beim auch da» RStrasGB. darüber schweigt. 68 besteht nur noch diejenige ganz allgemeine Bestimmung, wo­ nach Derjenige bestraft wird, welcher bei LnglückSfällen oder größerer Gefahr oder Noth von der Polizeibehörde zur Hülfe aufgefordert, keine Folge leistet, obgleich er der Aufforderung ohne erhebliche eigene Gefahr genügm konnte (RStrasGB. § 160, Nr. 10). Bit: Cohn, Studien zur Gew.-O. (Behrend, Zeitschr., Bd. VI. 1872), S. 624 ff. — Eulenberg, Das Preußische Medizinalwesen, Berlin 1874. — Meves, Die strafrechtliche» Bestimmungen in ddr Deutschen Gew-O. (Erlangen 1877), S. 625 ff. — Wahlberg, Da» Straffst, de- Gesundheitswesens rc. (Grünhut, Zeitschr., Bd. VII. 1880, S. 82 ff.). Ernst Meier.

Aerztliche Verbreche», richtiger: strafbare Handlungen und Unterlaffungen der Medizinal- und SaaitätSperfonen. Zu diesen zählen nicht nur Heil­ ärzte, Wundärzte, Geburtshelfer, Hebammen, sondern auch Apotheker und deren Ge­ hülfen, angestellte Thieräiqte, Beschauer und andere approbirte Medizinal- oder SanitätSpersonen; daS Oesterr. Militär-StrafGB. erwähnt auch der Krankenwärter in Spitälern, das Oesterr. Civil-StrafGB. der Siechknechte. Im Allgemeinen be­ stehen die Delikte dieser Personenklaffe in Unfleiß oder Vernachlässigung der ihnen im Dienste der Kranken- oder Gesundheitspflege obliegenden Verrichtungen, in fahrläsfigen Beschädigungen oder Gefährdungen bei Ausübung ihres Berufes oder Dien­ stes, in der unbefugten Ausübung der Heil- oder Geburtshülse, in Unterlaffungen gebotener Anzeige, in Ausstellung falscher Krankheit-- oder Gesundheitszeugnisse, in unbefugter Aufdeckung anvertrauter Krankengeheimniffe, in Quacksalberei, in unge­ rechtfertigter Verweigerung der gebotenen ärztlichen Hülfe, in Mßbrauch der ärzt­ lichen Stellung zur Vornahme unzüchtiger Handlungen in Pflegeanstalten. DaS Berufsrecht der approbirten Medizinalpersonen, insbesondere daS Recht des befugten ArzteS auf Entlohnung, die Maßregeln der Verwaltung gegen die Konkurrenz un­ befugter gewerbsmäßiger Ausübung der Arzneikunst durch Quacksalber und sogen. Naturdoktoren, die den approbirten HeilSpersonm gewährleistete Berufsstellung, bieten dem praktizirenden Medizinal- und Sanitätspersonal einen lukrativen Schutz der Beschäftigung und deS Erwerbes, für welchen die Verwaltung die Erfüllung be­ stimmter öffentlicher Berufspflichten im Dienste deS Gesundheitswesen» in Anspruch nimmt. In dieser Beziehung können die befugten ausübenden Aerzte, Geburtthelfer u. a. nicht nur in der Stellung als HülfSorgane der Staatsverwaltung und der Rechts­ pflege, sondern auch au» dem Gesichtspunkte öffentlicher Funktionäre oder Diener des Publikums beurtheilt werden, welche unter öffentlicher Autorität ihren Beruf auSüben. AuS diesem Grunde kann auch die Verweigerung der geforderten Hülse der approbirten ausübenden Medizinalperfonen bei Gefahr am Verzüge, ohne genügende Entschuldi­ gung, als strafbares Delikt dieser Personen erllärt werden, doch hat daS Deutsche StrafGBeine ausdrückliche Bestimmung über diesen Fall gegenüber dm allgemeinen RechtSsätzen über Fahrlässigkeit und die kulposen Körperbeschädigungm und Tvdtungen für entbehrlich erachtet. Die Pflicht der medizinischen Hülfeleistung bei dringender Gefahr ist nur für praktizirende Medizinalpersonen maßgebend. DaS frühere Part.R. setzte bei der sträflichen Verweigerung der geforderten Hülfe eine dringende Gefahr voraus, in Bayern, Württemberg. Preußm fand den Thatbestand schon in der unterlaffenm Erfüllung der BemfSthätigkeit. Oesterreich, auch Braunschweig strafen erst, wenn der für den Hülfesuchenden eingetretene Nachtheil mit der Verweige» rung der praktizirenden Medizinalperson nach der Regel der Kulpa im ursächlichm Zusammenhang stand. In gewisser Beziehung gehört nach § 221 des Deutschen StrafGB. da» Vergehen deS Verlassens hülflofer kranker Personen hierher, hinsichtlich derjmigen Medizinalpersonen, welchen gesetzlich oder auS einem anderm Grunde eine v. Holtzendorff, 6ttc. II. Rechtlleiikoa I. 3. Aufl. 11

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AerMche Berttt*«.

Obsorge für die Aufnahme oder Unterbringung auferlegt ist. Doch fetzt dieses Vergehen DoluS voran-, die Abficht, dem HülfSbedürstigen die ihm schuldige Hülfe nicht zu leistm oder zu entzieheu, z. B. bei einer von Wehm ergriffenen Schwangeren, wenn die Hebamme dieselbe hülslo- läßt, weil dieselbe exkommunizirt wurde und eine Gefährdung de- Leben- erfolgt ist. Da- Motiv ist hier ohne Einfluß. Es giebt zu dieser dolosen Handlung eine strasbare Anstiftung. Bei einer blo- kul­ posen Körperverletzung oder Tödtung durch Verweigerung der erbetenen oder schul­ digen Hülfe ist diese auSgeschloffen. Die Kulpa kann auch in der schuldhaften Unterlassung einer Pflicht zum beruf-mäßigm Handeln bestehen, und es ist einerlei, ob die Pflicht zur Aufmerksamkeit auf besonderer Vorschrift oder in der Natur der Beruf-thätigkeit der Medizinalperson begründet ist. Die Fälle der Verschuldung einer Beschädigung oder de- Tode- eine- Patienten nach übernommener Behandlung durch Vernachlässigung find von jenen des kunstwidrigen Heilverfahrens zu unterscheiden. Bei ersteren kann schon Unfleiß und Leichtfertigkeit in der Untersuchung de- Kranken oder in Ertheilung der In­ struktion für die Pflege deS Kranken oder Aufkündigung der Hülfe bei Mangel eines anderen medizinischen Beistandes Haftung begründm. In Oesterreich wird nur al- eine Polizeiüberketung behandelt, wenn die Heil- oder Geburt-hülse ohne genügenden Grund in dringenden Fällen, wo jedwede andere medizinische Hülfe fehlte, verweigert oder auch nur verzögert wurde (Verordn, vom 30. Sept. 1857). Die Vernachlässigung einer Gebärenden durch die Hebamme ist nach den §§ 335 u. 341 deS Oesterr. StrafGB. zu beurtheilm (vgl. auch Minist.Verordng. v. 25. März 1874). Das Verschulden eines Heil- oder Wundarztes durch Unwiffenheit be­ gründet nach § 356 des StrafGB. eine Uebertretung, insofern daran- eine schwere körperliche Beschädigung entstanden ist, ein Vergehen, wenn der Tod des Kranken erfolgte. Der zu beurtheilende Fall muß so liegen, daß die Anordnung der ge­ meinen Kenntniffe oder Fertigkeiten ausgereicht hätte, um den Schaden für Leib und Leben zu verhüten. Bestrafung für Kunstfehler kann nur eintreten, wenn gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der Heilkunde verstoßen worden ist; doch ist ein zurechenbarer Kausalzusammenhang zwischen unglücklichem Kurersolg und ärztlichem Verfahren noch nicht dadurch gegeben, daß letztere- in individuellen Fällen von der Kunstregel abweicht; lediglich bei offenbarer Unwiffenheit oder Leichtfertigkeit in der Wahl und Art der Behandlung, welche einen Nachtheil für den Kranken verursacht hat, und welcher Nachtheil oder Schaden nach den berufs­ mäßig vorausgesetzten gemeinen Kenntniffen oder Fertigkeiten bei gehöriger Sorg­ falt hätte vermieden werden können, ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit be­ gründet. E- kann Kulpa nicht angenommen werden, wenn die besonderen Ver» hältniffe und Umstände des individuellen Falles von der Art find, daß der ordi» nirenden Heil-person weder Mangel der Kenntniffe, noch Mangel der gewöhnlichen berufsmäßigen Sorgfalt zur Last fallen. Ist der verursachte Nachtheil an Leib oder Leben Folge eines bloßen, auf irriger Ansicht beruhenden Kunstsehler-, so kann bei der vielfach konjekturellen Heilkunst ein solcher Kunstfehler nicht ohne 'Weitere- als ein strafbarer gelten, selbst wenn der Irrthum vermeidlich erscheint, vorausgesetzt, daß daS darauf beruhende Verfahren nicht offenbar den als axio­ matische Wahrheiten geltenden Grundsätzen der Heilkunde zuwiderläuft. Es wider­ streitet dem Prinzipe der Jndividualifirung in der Strafrechtspflege, die allgemeinen Bestimmungen über Tödtung und Körperverletzung aus die Folgeübel ärztlicher Vernachlässigung oder Kunstfehler schlechthin anzuwendm, ohne Würdigung deS UmstandeS, daß die Heilsperson oft mit raschem Entschluß bei unsicherer und schwieriger Diagnose selbst gewagte Kuren einfchlagen muß und scheinbare Kunst­ fehler, z. B. bei Operationen durch die Unachtsamkeit anderer HülsSpersonen, etwa durch den Gebrauch unreiner Charpie oder Instrumente leicht zusammentreffen können. Strafe: Gefängniß oder Geldstrafe. Nach § 231 aus Verlangen deS Der-

Aerztltche verbreche».

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letzten Geldbuße bis zu 6000 Mark. Der ärztliche Berus kann unter Umstände« al-SchuldauSschließungSgrund in Betracht kommen. Nach § 209 des RStrafGB. find die zum Zweikampfe beigezogenen Aerzte und Wundärzte straflos. Zu erwähnen ist noch die Berabsäumung der pflichtmäßigen Fürsorge bei Be­ reitung oder Abgabe von Arzneien, worüber die §§ 345—353 des Oesterr. StrafGB. besondere Strafvorschriften enthalten. Mit Ausnahme der befugten homöopathischen Aerzte, ist den Aerzten das SelbstdiSpenfiren «ad nach § 355 des D. StrafGB. der unberechtigte Verkauf von Heilmitteln verboten.

Lit. u. Gsgb.: Deutsch.StrafGB. §§222ff,230,232. — Oesterr.StrafGB.§§335,356358. — Oppenhoff, 6. Ausa., E. 350. — Berner, im Gerichtssaal XIX. — Maier, Jurist.mediz. Äomm., IH. 169. — Derhandl des Reichstags, E. 660 ff. — Kalisch, Kunftfrhler der Aerzte, 1860. — Geib, Strafe. Verantwortlichkeit b. Mediziualpersouen, Auch. b. ÄtimJL, 1838; Mittermaier, ebenda, 1853.— Beer, Oesterr. Gerichtszeitung, 1855, Rr. 33, 42.— Mittermaier, im Gerichtssaal, 1858.— Goltdammer's Arch. X. 327, XIT1. 324, XIV. 730. — Ueber de» Kausalzusammenhang bei fahrlässigen Verletzungen Goltdammer, Arch. IV. 565, XIV. 299. — v. Bar, Lehre v. Kausalzusammenhang, 1871. — Buri, Kausalzusammenhang, 1873. — Wahlberg, StrafR. des Gesundheitswesens, Grünhut'S Z-itfchr. für Priv. u. öff. R. Vll. 1879. Das Deutsche StrafGB. bedroht mit Gefängniß von einem Monat bis zu zwei Jahren, fakultativ mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Aerzte und an­ dere approbirte Medizinalpersonen, welche ein unrichtiges Zeugniß über den Gesund­ heitszustand eines Menschen zum Gebrauche bei einer Behörde oder Versicherung»gefellfchaft wider bestereS Misten ausstellen. Auch die unberechtigte. Ausstellung echter ärztlicher Zeugniffe oder die Ver­ fälschung eines solchen, um davon zur Täuschung von Behörden oder Affekuranzgesellschasten Gebrauch zu machen, trifft eine eigene Strafsatzung. Erfolgt die Aus­ stellung wiffentlich unrichtiger KrankheitS- und GefundheitSzeugniffe zu dem Behufe, um Jemand von einer öffentlichen Pflicht zu befreien, z. B. vom persönlichen Erscheinen vor Gericht, oder um die Verletzung einer besonderen Amtspflicht zu verdecken, so finden die allgemeinen Bestimmungen über Betrug, Fälschung u. a. m. Anwendung.

Lit. u. Gsgb.: Deutsch. StrafGB. §§ 277, 278. — Goltdammer, Materialien, II. 589; Dess. Arch. XV. 268. — Bayer. Poliz. StrafGB. § 179. — Stein, Das öff. Gesund­ heitswesen, 1867, S. 103 u. a. O. Von Ueberschreitungen der rechtlichen Grenzen der ärztlichen Befugniste, sei eS durch gewerblich unberechtigre Vornahme bestimmter Heilhandlungen, z. B. un­ befugter Operationen durch unterärztliches Personal, erzwungener mißlungener Per­ foration, sei eS durch'Vornahme eines schädlichen Experimentes, z. B. einer Einimpsung der Syphilis an Kindern, ist im RStrafGB. nicht besonders die Rede. Auch nähere Vorschriften über die strafbare Unterlassung der den approbirten Me­ dizinalpersonen obliegenden Anzeigen bei verdächtigen Verletzungen oder Todesfällen wurden in daffelbe nicht ausgenommen. Die Quacksalberei oder Kurpfuscherei be­ droht das Oesterr. StrafGB. nur unter der Voraussetzung des gewerbsmäßigen Betriebes, ohne zu unterscheiden, ob diese von einem Laien oder von einer lediglich beschränkt approbirten Medizinalperson betrieben werde. Die politische Behörde darf nach der Mediz.Verordnung vom 30. Sept. 1857 die unbesugte gewerbsmäßige Ausübung der Arzneikunst und der GeburtShülfe an Geld bis 100 Gulden oder mit Arrest bis zu 14 Tagen bestrafen, auch wenn ,kein Nachtheil für die Gesundheit daraus entstanden ist. Nach dem StrafGB. ist auch die unbefugte Beschneidung strafbar. Die Uebertretung der Kurpfuscherei nach § 343 deS StrafGB. wird schon begründet durch unbefugte gewerbsmäßige Behandlung von Leichdornen, Frost­ beulen, Aderlaffen, Kuriren mit sogen. Hausmitteln, Mundoperationen durch Zahn­ techniker. Nur wo eine geprüfte Hebamme nicht vorhanden ist, kann die unbefugte Betreibung der GeburtShülfe nicht als strafbar behandelt werden, zumal in Noth11»

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«sie» — efiigwtttoe.

fällen Jedermann zur geburt-hülslichen Verrichtung berechtigt ist. Da» StrafGB. hat die unbefugte selbständige ärztliche Behandlung eine» Kranken im Ange, aber keine bloße Hülfeleistung bei derselbe«, und versteht unter einem Kranken jeden in einem abnormen physiologischen Zustand sich befindenden Menschen, deffen innere- oder äußere- Leiden ein kunstgerechte- Heilverfahren erfordert. Dagegen fand da- Krankengeheimniß in dem Deutschen StrafGB. be­ sonderen Strafschuß. Geldstrafe bi- 1500 Mark oder Gefängniß bi- zu drei Mo­ naten trifft die Aerzte, Wundärzte, Hebammen, Apotheker sowie die Gehülfen dieser Personen, wenn sie unbefugt Privatgeheimniffe der Kranken offenbaren, die ihnen kraft ihre- Beruf- anvertraut find. Die Verfolgung tritt nur aus Antrag ein. Hat lediglich ein wiffenschaftliche- Jntereffe die Medizinalperson zur Offenbarung de- mit thunlichster Diskretion mitgetheilten Falle- bewogen, fo kann wol nicht von unbefugter Mittheilung eine- KrankengeheimniffeS die Rede fein. Zur Haftung für die Mißachtung de- unter dem Siegel der Geheimhaltung Anvertrauten oder de- au- Anlaß einer Heilung oder Rezeptbestellung zur Kenntniß de- Medizinal­ personal- Gelangten ist keineswegs rechtswidrige Absicht erforderlich; eS genügt die Kulpa deS unvorsichtigen AuSplaudernS oder der leichtsinnigen Klatschsucht. Doch ist nicht jede Thatsache als Privatgeheimniß eines Kranken anzusehen, welche bei der Unternehmung einer Kur oder Anfertigung eines Rezeptes zur Kenntniß einer Medizinalperfon gelangte.

Lit. u. Gfgb.: Deutsch. StrafGB. § 800. — Goltdammer, Material., II. 327; Archiv IX. 81 von Abegg. Wahlberg. Affe«, EorneliS Jakob, 6 25. VIII. 1788 zu Harlingm, wurde 1821 Prof, in Leyden, 1831 StaatSrath, 1833 wieder Prof, in Leyden, f 13. IX. 1859 zu Belp.

Schriften: Disp. jurid. litten de M. T. Ciceronis oratione pro Aulo Cluentio Avito, Franequerae 1809. — Adnotatio ad institutionum Gaii comm. libr. I. II. Lugd. Bat. 1826, (3) 1849—55. — Oratio de immoderata libertatis cupiditate Europae calamitatum effectrice 1831 (auch franz.). — Leiddraad voor bet collegie over bet Burgerlijk Wetboek, Leiden 1843—46, (2) 1854. — Lineamenta extrema jur. priv. Justin, sec. textum Institutionum, L. B. 1855—58. — De taal der grondwet en eenige aanteekeningen op art 1—121. Leid. 1844—48. Lit.: van der Aa. — Themis, VI. 700. — Rivier, 564. — Levensberigt door de Bosch Kemper, Leiden 1860 mit genauem Schriftenverzeichnis, 57—62. Teichmann. Affigvatio«, Anweisung ist der Auftrag, welchen der Eine, Assignant, dahin giebt, daß ein Anderer, Affignatar, eine Leistung mache und dieser sie erhebe. Sie kann auf Stiftungen jeder Art, auch einer bestimmten Sache, und sowol in dem Sinne gegeben werden, daß der Erhebende die Leistung herausgeben (bloßes Jn» kassomandat), als auch, daß erste behalten soll. A. im engeren Sinne pflegt man nur die letztere Art, sofern sie auf Zahlung von Geld oder Ouantität e n vertretbarer Sachen gerichtet ist, zu nennen. DaS Röm. R. kennt die A. nicht dem Namen, aber der Sache nach als Mandat, jussus, delegatio. — Für das bloße Jnkaffomandat find unbestritten wesentlich die Römischen Grundsätze vom Mandat entscheidend; während jedoch die herrschende Lehre daffelbe auch von der A. im engeren Sinne behauptet (Heise und Cropp, Jurist. Abhandl., II. S. 343; Günther in WeiSke'S Rechtslexikon I. S. 327), sieht die neuere Sehre einen wesentlichen Unterschied zwischen beiden mit Recht darin, daß der Affignatar den erhobenen Werth für sich behalten soll, und ist bemüht, einen selbständigen Formal­ vertrag auS ihr zu schaffen (Keller, Windfcheid, Endemann). Die A. kann sowol auf Deckung einer Schuld deS Assignanten an den Affignatar, und auf Schuld deS Assignaten, al- auch auf Kreditleistung in beiden Beziehungen gerichtet sein (Kreditbrief). Wegen dieser Vielseitigkeit ihrer Funktionen, welche durch ihre

«Mentf — «fylrecht.

165

Lebettragbarkeit erhöht wird, ist sie die wichtigste tmb häufigst« Form der Leber­ tragung von Geldwerthen. Sie kann mündlich abgefchkoffen werden, wird e» in der Regel besonders unter Kaufleuten schriftlich in der Form deü trasfirten Wechsels mit Weglaffung dieses Worte». Der Bertrag zwischm Assignant nnd Assig­ natar kommt durch die Annahme der A. durch letzteren zu Stande; der erstere kann daher die A. nicht einseitig widerrufen, sofern sie nicht bloße» Jnkaffomandat ist (bestrittm) und hastet für ihre Realifirbarkest, — „A. ist leine Zahlung" , e» sei denn, daß die A. unzweideutig al» Zahlung»- oder Kreditleistung vom Asfignatar angenommen, oder di« Realifirung durch deffen Schuld verettelt ist. — Der Assignat wird dem Assignanten gegenüber, selbst wenn.er befielt Schuldner ist, erst durch die Annahme der Zahlung verpflichtet, aber auch berechtigt, sofern er ein Interesse daran hat; der Assignant kann daher nach der Annahme bett Zah­ lungsauftrag nicht widerrüfen und auch durch den Tod desselben erlischt der Aus­ trag nicht (bestritten); dem Assignaten giebt die Honottrung bet 8. einen Anspruch auf Revalirung gegen den Assignanten. — Der Assignatar wird dem Assig­ naten gegenüber ebenfalls erst durch die Annahme des letzteren berechtigt, erhält dadurch jedoch tritt ausschließliche» Recht auf die in dessen Händen etwa befindliche Deckung, namentlich also auch nicht gegen dessen Konkursgläubiger; er kann die A. übertragen und wird dadurch seinem unmittelbaren Rachmann, aber nur diesem, wie ihm der Assignant verpflichtet. — Ein Unterschied zwischen „kaufmännischen" und anderen Anweisungen wird für da» Gemeine R. zutreffend geleugnet (Thöl, Endemann). Erst da» Deutsche HGB. (Art. 300 — 805) hat einen solchen geschaffen, indem e» 1) für die aus einen Kaufmann gezogenen Anweisungen die früher bestrittenen Sätze de» Gemeinen R. ausdrücklich sanktionitt, und 2) die von einem Kaufmann aus Ordre gezogenen Anweisungen über Geld oder Quantitäten den indoffablen Ordrepapieren gleichstellt. Da» Preuß. LR. geht von der BorauSsetzung au», daß der Assignatar in der Regel der Glünbiger de» Assignanten ist und hat daher in der A. einen selbständigen Modu» der Schuldtilgung lonstruirt mit manchen Abweichungen vom Gemeinen R. — Ueber A. durch richterliche Verfügung in der Exekution-instanz vgl. Preuß. Ges. v. 4. Juli 1822. — DaS BGB. für da» Königreich Sachsen stimmt mit dem Ge­ meinen R. überein. — Der Code civ. enthält keine Bestimmungen über A. Lit.: Ladenburg im N. Arch. f. Handels-R. III. S. 225 ff. — Arch. f. Deutsch. Wechsel- u. Handels-R. VI. S. 347 u. XVI. S. 1. - Arch. f. Handels-R. H. Nr. 19. — Stobbe, Ztschr. f. Handels-R., VIII. S. 28. (I. III. 26 de mandato D. XVIL 1. C. IV, 35 mandati vel contra.) — Preuß. LR. I. 16. §§ 251—299. — BGB. f. d. Ä. Sachsen §§ 1328-1338. - Dgl. C. com. Liv. I. tit VIII. A.S. Schultze.

ASVeruS, Gust., 5 23. XL 1798 zu Jena, 1882 a.o. Prof., 1842 ord. Prof, daselbst', t 21. V. 1843. Schriften: Spec. ad nov. 99, Jen. 1828. — Comm. conet 20C. de fide inatnun. nec non ad c. 2 Nov. 49, Jen. 1884. — Ueber die legis actio sacramento, Lpz. 1837. — Anl. über Rechtssachen zu refertren, Lpz. 1833. — De probatione per documenta ex archivo desnmta, Jen. 1843. — Die Denunciation der Römer, Lpz. 1848. Lit.: Günther, Lebensskizzen, S. 56. — Danz in d. Allg. Deutsch. Biogr. I. S. 629. Teichmann.

Asylrecht. Asyl, aovkov, von a und avldai, avly, ein int Götterschutz stehender, Schutz gewährender Ott; A. bald der Inbegriff der rechtlichen Bestim­ mungen für Zufluchtsstätten, bald der bezügliche Rechtsanspruch, bald die bezüg­ liche Rechtsgewährung. Im Altetthum haftete e» an geweihten Stätten, bei den Israeliten auch an den sogen. Levitenstädten, bei dm Römem auch an Bildnissen und Statuen der Imperatoren. Bei Israeliten und Griechen schützte da» Asyl hauptsächlich gegen den Bluträcher (so wie später bei den Germanm), bei dm Römem die flüchttgen Sklaven. — DaS A. der christlichen Kirche ordnen corp.

166 inr. civ. und can., Aonzllim und Päpste, Volk-rechte und Kapitularien. Da» vom Lande-Herm gewährte weltllche A. haftet an Burgm, Schlössern, Gtädtm ic. Die Aushebung beider Erscheinungsformen de» A. erfolgte bald faktisch, bald recht­ lich (s. über die Geschichte deS A. meine Schrift: DaS A. und die Auslieferung flüchtiger Verbrecher, Dorpat 1853, S. 11—135). — Der Grundcharakter des staatlichen, weltlichen oder kirchlichm A. ist, — abgesehen von der Wehr gegen dm Bluträcher und der Tendenz der christlichen Kirche, durch Hrrbeiziehung von Flüchtlingen ihre Jurisdiktion zu erweitem und sich al» Schutzmacht zu gerne«, — Schutz de» Flüchtlings gegen die strenge Recht-verfolgung. Denselben Grund» charakter hat auch da» völkerrechtliche A., unterscheidet sich indeß dadurch vom staatlichen, daß der Flüchtling nicht innerhalb feine» Staates den Ashlschutz be» anspmcht, sondem in da» Gebiet eines fremden flieht und daß dieser ihn nicht blos an einzelnen Asylstätten, sondem sür sein ganze» Gebiet schützt. Solcher Schutz wird in älterer Zeit nur al» Fremdenrecht, insbesondere in der Gestalt deS Gast» rechts gewährt. Spuren eine» A. sür den Fremden finden fich indeß bei den alten Juden, welche einem Fremden (Beisaffen oder Gentilen) dann einen Zutritt zu ihren Asylen gewährten, wenn er einen anderen, al» einen Hebräer getödtet (s. Müller JochmuS, Gesch. d. Völker-R. im Alterthum, 1848, § 24). DaS von einem Staate gegenüber dem anderen behauptete A. oder daS moderne völker­ rechtliche wurzelt nicht in dem Fremdenrecht, wenn e» auch einen Theil deffelben bildet, weil eS nur dem Fremden zukommt, sondern in der von den Staaten in ihrem Berhältniß zu anderen Staaten unbeschränkten Gebietshoheit oder Souverainetät, deren Einzelrecht jene ist. Staaten einer intemationalen RechtSgemeinschast haben aber nicht blos Rechte, sondem auch Pflichten, welche al» Konzessionen der staats­ rechtlichen Souverainetät zu Gunsten jener Gemeinschaft geübt werden. Daher haben fich zu Gunsten der intemationalen Recht-Verfolgung die Staaten auf Requifition zu gewähren AuSliesemng flüchtiger Verbrecher und auch ohne ^Requisition die Ausweisung oder Jntemimng anderen Staaten gefährlicher oder schädlicher In­ dividuen, wenn fie das fremde Staatsgebiet zur Stömng des Recht-friedens eine» anderen Staate» oder auch nur zur Vorbereitung einer solchen mißbrauchen. Eine Rechtsverpflichtung zur Auslieferung haben anerkannt Grotiu», Burlamaqui, Rutherforth, Dattel, Berner, Bluntfchli, Pözl, v. Wohl, Dollmann, Kent, Calvo, Dudley-Field, Knitfchky und Charles Brocher; nicht anerkannt aber Pufendorf, G. F. v. Marten», Saalfeld, Klüber, Schmalz, Heffter, Oppenheim, Mittermaier (Deutsch. Strafverfahren I. § 55), Provo-Kluit, Pinheiro-Ferreira, Foelix, Story, Wildmann, Phillimore, Marquardsen und v. Bar. Bei Staaten einer internationalen Rechtsgemeinschaft kann über eine Recht-Ver­ pflichtung zur Unterstützung der RechtSverfolgung anderer Staaten, auch durch AuSliefemng, kein Zweifel bestehen. Zur Begründung dieser Rechtsverpflichtung find schon 1853 fast gleichzeitig zwei Schriftsteller (R. v. Mohl uqb Bulmerincq in den unten eit. Schriften) von einer zu erstrebenden WeltrechtSordnung auSgegangen, wenn auch dazu ein Weltrechtsstaat nicht gefordert wurde, sondern nur die Staaten au» freier Willensbestimmung fich zur gegenseitigen Rechtshülfe unterstützen sollten, damit kein Verbrechen unbestraft und ein Verbrecher überallhin zur Verwirklichung de» Strafvollzug» verfolgt werden könne. Seitdem haben die Staaten durch Ab­ schluß von immer zahlreicheren Auslieferungsverträgen, selbst mit transatlantischen Staaten, jener Tendenz Rechnung getragen. AuSgeliefert wird aber, besonders von England, in der Regel nur auf Gmnd von Verträgen. Ferner gehen die AuSliefemngSverträge von dem Gmndfatz der Reziprozität auS und werden nur bis jmigen Thatbestände in Betracht gezogen, welche in den Ländern der Kontrahirenden bedroht find. Die Mitwirkung fremder Staaten zur RechtSverfolgung durch Gewähmng de» Recht» der Nacheile zur Verfolgung von Berbrechem in da» fremde

«sylrecht.

167

Staatsgebiet hinein, kann aber nicht gefordert werden, wenn sie auch vertragsmäßig gewährt worden ist (Verträge d. Großh. Hessen mit Baden, Preußen und Frank­ furt a. M. [Martens N. R. G. II. 24. 45. 206] und mit Nassau [1. c. III. 95]). Die allgemeine RechtSverpstichtuug zur Auslieferung hat ebensowenig zur Konsequenz die Erfüllung jeder AuSlieferuagSrequifition. Die bedingte Uebung der Rechts­ verpflichtung rechtfertigt sich durch die verschiedene RechtSanfchauuag und die nicht gleichwerthige Gesetzgebung über Berbrechen und Strafe sowie die verschiedene, mehr oder weniger eine gerechte und humane RechtSverfol-ung verbürgende, Art und Weise des Kriminalverfahrens. Eine ungebundene Afylpolitik, welche schon als Politik im Völkerrecht keinen Raum hat, ist indeß nicht gerechtfertigt, den» eS ist da- Ermessen der Staaten gebundm an allgemeine völkerrechtliche Normen und eS hat sich selbst gebunden durch Gesetze, so z. B. daS Belgische Gesetz über die Auslieferung V. 1. Okt. 4833 und Englands Act for amending the law relating to the extradition of criminals d. d. 9. Aug. 1870 bei Phillimore, Internat, law, (8 ed.) Append. IX. 596, und die StrafGB. verschiedener Staaten und Ber­ träge. Allgemeine Regeln für die exekutive Gewalt zur ^Requisition und Gewährung der Auslieferung erließen Belgien in dem citirten und jetzt geltenden Gesetz vom 15. März 1874, Holland im Gesetz von 1849 und vom 6. April 1875, die Bereinigten Staaten von Nordamerika in der seitdem durch verschiedene Akte vervollständigten Akte vom 12. Aug. 1848, während England seine Akte von 1870 durch eine Von 1878 vervollständigte und am 30. Mai 1878 eine zur Prüfung der Wirkung deS Gesetzes und der Auslieferungsverträge am 18. August 1877 niedergesetzte Kommission Bericht erstattete, welcher in London 1878 gedruckt erschien. In Frankreich liegt ein bezügliches Gesetzesprojekt vom 2. Mai 1878 vor. Im Institut de droit international hat CH. Bracher als Rapporteur einer bezüglichen Kommisfion 1879 in Brüssel einen Bericht über die Auslieferung er­ stattet, über welchen die Verhandlung im Institut begonnen hat. Zweck dieser Verhandlung ist, einer allgemeinen internationalen Vereinbarung vorzuarbeiten. Rur auf Grund des Vergleichs bestehender Auslieferungsverträge, wozu Knitfchkh für das Deutsche Reich und Renault für England aneÄennenSwerthe Vorarbeiten

t.

geliefert haben, kann eine praktisch verwerthbare internationale Auslieferungsordnung erreicht werden. Als allgemeine völkerrechtliche Norm kann, auf Grund immer zahlreicherer Verträge, behauptet werden, daß wegen der größeren Zahl gemeiner Verbrechen wohl, wegen politischer nicht auszuliefern ist, außer bei politisch enger verbundenen Staaten. In der Theorie hat sich nur Dollmann für Auslieferung auch wegen politischer Verbrechen erklärt, v. Bar, Bluntschli, Berner nur rück» sichtlich der Bundesstaaten und Staatenbünde. Der Begriff gemeiner Verbrechen ist hier nur negativ', d. h. als der Inbegriff nichtpolitifcher zu faffen. Ob nun unter die Verbrechen gegen den Staat auch solche gegen die Gesellschaft und namentlich Uebertretungen bezüglicher, gegen die Sozialisten gerichteter Strafgesetze zu begreifen sind, kann fraglich werden. Berbrechen der sogen. „Internationalen Sozialisten" scheinen auch internationale Abwehr zu fordern. Außerdem wird auch schon viel­ fach wegen Vergehen ausgeliefert. Der Begriff der delicta iuris gentium ist, wie schon Berner nachwieS, zur allgemeinen Abgrenzung der Auslieferung zu un­ bestimmt, unverwendbar aber find auch die schwankenden Unterschiede von Ver­ brechen (crimes) und Vergehen (dölits) und die ihrem Wesen und ihrer Durchführung »ach zu verschiedenen Strasen: peines afflictives und infamantes in den französischen, Zuchthausstrafe in den italienischen und Gefängnißstrase in den schwedischen und russischen Verträgen. Die Fremdengesetzgebung bedarf rückfichtlich deS A. noch vielfacher Ergänzung. Englands Fremdenbill vom April 1848 (Mart. N. R. G. XI. 444) gestattet die Austreibung von Fremden, welche nicht durch siebenjährigen Aufenthalt ein Domizil erworben, und bedroht den dem Ausweisungsbefehl nicht nachkommenden und da-

168 her bei misdemeanonr schuldigen Fremden mit Gefängniß von 1—12 Monaten. Dai Belg. Gesetz vom 22. Sept. 1835 gestattet die Ausweisung jede» Fremden, welcher die öffentliche Sicherheit kompromittirt (Calvo, dr. internst., I. 495). Frankreichs Gesetze vom 21. April 1832, 1. Mai 1834, 24. Juli 1839 und 13. Dezbr. 1848 statuiren die Jnternirung von Flüchllingeu in bestimmten Städten und, im Falle der Auflehnung dagegen oder einer Gefahr für die öffentliche Sicher­ heit, die Ausweisung, unter Androhung von Gefängniß bis zu sechs Monaten, und lassen schon nach fünfjährigem Aufenthalt oder fünfjährigem französischen Militär­ dienst die Jnternirung aufhören (öl. N. R. G. XII. 177). DaS Franz. Gesetz vom 23. Dezbr. 1849 (M. N. R. G. XIV. 678) gewährt dem Minister deS Innern, in den Grenzprovinzen schon den Präfekten daS Recht, Fremde polizeilich auSzuweifen. In Schweden wurde die gegen den Fremden strengere königl. Ordonnanz v. 19. Febr. 1811 ersetzt durch die v. 21. Novbr. 1860 (s. Naumann, S. 180). Eine Person, welche indeß sich nicht gehörig dem Domizil und Slamen nach aus­ weist, kann unter Eskorte fortgeschickt werden. Die polizeilichen Maßregeln, deren

sich der Russische Staat gegen Ausländer bedient, find hauptsächlich Verhaftung und Verweisung über die Reichsgrenze (F. Witte, Die Rechtsverhältniffe der Aus­ länder in Rußland, 1847 S. 67). Ueber die gesetzliche Behandlung der Ausländer in Oesterreich siehe VeSque von Püttlingen. Ä. Th. Pütter'S Prakt. europ. Fremdrecht (1845) ist veraltet und für daS A. unbrauchbar. Für die Nothwendigkeit der Beschränkung des A. erklärt sich auch der Schwei­ zer BundeSrath in seinem Entscheid vom 16. Juli 1849 (M. N. R. G. XIV. 560), mittels dessen Badische u. a. politische Flüchtlinge auSgewiesen wurden. (Umfaffende Aktenstücke über das A. der Schweiz s. b. M. R. nouv. supplem. III. 799 ss. u. 855 ss., die über die Vertreibung Louis Napoleon'S bei M. N. R. XV. 688). Die Schweizerische Verfaffung vom 29. Mai 1874, Art. 70 bestimmt: „Dem Bunde steht daS Recht zu, Fremde, welche die innere oder äußere Sicherheit der Eidgenoffenschast gefährden, aus dem Schweizerischen Gebiet wegzuweisen." Ueber Polnische Flüchtlinge verhandelten Rußland und die Türkei 1849 (M. N. R. G. XIV. 693), über den Asylmißbrauch durch Polnische Emigrirte ließ sich Fürst Metternich d. Sielt. 1846 gegenüber England aus (M. N. R. G. IX. 129). Eng­ lands Praxis s. bei Phillimore I. 447 ff. (Das. auch der Fall Bernard wegen deS Attentats auf Napoleon III.) — Die Ausweisung und die Verweisung von Flüchtlingen von den Grenzen in das Innere deS Landes und an einen bestimmten Ort ist vielfach ohne oder auf Requisition gewährt worden, z. B. rückfichtlich der Badischen aus der Zeit der Badischen Revolution seitens der Schweiz, rückfichtlich der Hannoverschen Legion nach der Depoffedirung des Königs von Hannover (1866) durch Frankreich. Solche Gewährung wird, da es sich hier immer um politische Flüchtlinge handelt, nicht gefordert werden können, sondem ganz dem guten Willen des requirirten Staates anheimgestellt bleiben (s. übrigens d. Art. Ausweisung der Fremden, und über Aufgabe und Mittel der von den Staaten einander zu gewährenden, nicht blos repressiven sondem auch präventiven polizeilichen Unter­ stützung v. Mo hl. Die völkerr. Lehre vom Asyl in seinen Monographien „Staats­ recht, Völkerrecht und Politik", 1860 I. 684 ff.). Bei der jetzt herrschenden ver­ schiedenen Behandlung flüchtiger Fremden wäre ein internationales Uebereinkommen erwünscht, damit die daraus bezüglichen Rekriminationen der Staaten gegen eine zu weit gehende Duldung eines gegen andere Staaten gerichteten feindlichen Benehmens von Flüchtlingen aufhöre. Besonders sollten neutralifirte Staaten, deren Neu­ tralität von den anderen Staaten garantirt worden, nicht berechtigt erscheinen, Flüchtlingen daS Gastrecht oder einen Aufenthalt in ihren Grenzen zu gewähren, wenn sie gegen die Rechtsordnung der garantirenden Staaten sich verfehlt habm oder sie bedrohen. Die Nothwendigkeit allgemeiner intemationaler Maßnahmen gegen die Mitglieder der sogen. Internationale, welche durch ihre Tendenz die

«Wrecht.

169

Rechtsordnung aller Staaten bedrohen, haben wir schon früher (in unserer Schrift „Praxis, Theorie und Kodifikation des Völkerrecht»", 1874, E. 26 re.) hervor­ gehoben. Auch ist die Anregung dazu von Seiten eine» Praktiker», eint» früheren königl. Bayerischen Ministerpräsidenten, ergangen, aber unbeachtet geblieben. Kein Staat kann aber einem anderen Staate Individuen aufzwingen, denn kein Staat ist ein Asyl für Individuen aller Art und jeder Herkunft (s. G. Ro* lin-Jaequemyns, De l’habitade de certains gouvemements Europäern d’envoyer leors criminels aux Etats-Unis, in der Rev. d. dr. internal. II. 147), Wohl aber hat jeder Staat die Pflicht zur Entgegennahme ihm gehörender Individuen. Demgemäß haben verschißene Staaten Verträge über wechselseitige Uebernahme von AnSgewiesenen, Vaganten oder Vagabunden geschloffen. Namentlich Preußen mit Bayern 1818 (M. N. R. V. 309) und 1840 (M. N. R. G. I. 35), mit Königr. Sachsen 1820 (M. N. R. V. 315), mit den SLchs. Herzogthümern 1822 (M. N. R. VI. 44,140), mit Württemberg 1845 (M. N. R. G. VIII. 631), mit Kurfürstenth. und Großherzogth. Heffen, Oldenburg 1840 (M. N. R. G. I. 109, 15, 543) und verschiedenen anderen kleinen Deutschen Staaten; Königr. Sachsen mit Bayern 1820 (M. N. R. V. 511), Württemberg 1846 (M. IX. 98) und andere Deutsche Staaten mit einander. Ferner Schweden mit Dänemark am 7. März 1823 (M. N. R. VII. 14) und da» Deutsche Reich mit Italien am 8. Aug. 1873. Wiederaufnahme eigener Staatsangehörigen, wenn fie auch chre Staatsangehörigkeit verloren, dem anderen Staat aber nach deffen Gesetzen »och nicht angehörig wurden, vereinbarten Oester­ reich nnd Preußen am 2./30. Septbr. 1849. Nach dem Vertrage Oesterreich» mit Rußland aber vom

1849 find Juden, welche ohne Legitimationen von

Rußland nach Oesterreich fich begaben, fall» fie fich nicht fünf Jahre im letzteren aufgehalten oder falls fie, auch trotz des Ablauf» dieser Zeit, vor dem Verlassen Rußlands daselbst Verbrechen begingen, nach Rußland zurückzusenden (M. N. R. G. XIV. 610). Auch NiederlasfungSVertrLge, wie z. B. der Engl.-Schweiz. vom 6. Sept. 1855 Art. 2 (M. N. R. G. XVI. I. 544), enthalten Bestimmungen über die Wiederaufnahme von Staatsbürgern. Eine Verordnung erließ Dänemark am 27. Juni 1833 über die aus Hannover exilirten Verbrecher und Vagabunden (M. N. R. XVI. 21). DaS A. des Hotels, de« Quartiers und der Straße deffelben, der Karoffe de» Gesandtm beruhte auf der Gewährung de» beschickten Staate» und ist durch aus­ drückliche Derordnungm oder durch Verzicht der Gesandtm aufgehoben (f. über diese» A-, deffen Begründung, Uebung und Aufhebung meine cit. Schrift, S. 121 ff.). Da» A. der Kirche besteht fort in Spanien (Auslieferungsvertrag zwischen Spanien und Frankreich vom 26. Aug. 1850, Art. 9. M. N. R. G. XVI. 1. S. 487). Dm Konsuln mit diplomatischem Charakter in nichtchristlichen Staaten ist in neuerer Zeit ein A. verliehen (s. d. Art. Exterritorialität).

Lit.: v. Mohl, Die Völkerrecht!. Lehre v. Asyl, 1853 u. 1860. — Berner, Wirkungs­ kreis deS Strafgesetzes, 1853. — v. Bar, Das internationale Priv.- u. Strafrecht, 1862. — Provö-Kluit, De deditione profugorum, Lugd. Batav. 1829. - De Vigne, Sur le droit d’asil en general in der Rev. d. dr. internet II. 191 ss. — J. Michaud, Le droit d'asile en Europe et en Angleterre, Paris 1858. — 0. Naumann, Du droit d’asile des Strängen en Suede in d. Rev. d. dr. internet. II. 179 ss. — Treatise upon the Lew of extredition by Edward Clarke, 2. ed., London 1874. — Traitä de l’extradition per A. Billot, Paris 1874. — What are the limitations within which Extradition should be recognlzed as an international duty by J. Westlake, 1876. — Waymoutb-Gibs, Extradition Treaties, London 1868. — Knitschky, Die AuSlieferungSverträge d«S Deutschen Reichs in v,. Holtzendorff'S Jahrbuch f. Gesetzgebung im Deutschen Reich, 1877, I. 651i-670. — Etüde sur l’extradition en Angleterre par L. Renault, Paris 1879. — Ueber Asylrecht: Amann u. Marqnardsen in Rotteck'S StaatSlex. — Pözl in Bluntfchli'S StaatSwörter» buch. — Ueber Auslieferung: Marquardsen in Rotteck'S Staatslex. — Dollmann und Bluntschli in Bluntfchli'S Staatswörterbuch. — Ueber daS A. u. die Auslieferung: Bulmerincq 1853. — Im Uebrigen s. d. oben cit. u. andere völkerrechtliche Gesammtwcrke über A. u. Auslieferung. Bulmerincq.

AtttznS -

170 AttyNS, Bit Robert,

S 1621,

bekannt durch sein Austreten im Prozeffe

gegen Lord William Ruffell (1688), 1689 Präs. de» Schatzkammergerichts, 1 1709. Wichtig sein Treatise against the Equitable Jurisdiction of tbe Court of Chancery 1695. — On the Jurisdiction of the Peers 1699. — Parliamentary and political tracts, Lond. 1734. — Dgl. EateS. — Foss, biogr. juridica 1870, p. 25. — Warren, Introd. to Law Studies, (3) 1863, I. 434. Teich mann.

A»cklaitd, William Eden, Lord, 6 1745, wurde 1772 Unterstaats­ sekretär, dann thätig in diplomatischen Angelegenheiten, f 1814. Er schrieb. Principles of Penal Law, Lond. 1771. — Vgl. The Journal and Correspondance of W. Lord A. Lond. 1861, 62. — CateS. — BrockhauS. Teichmann. Aufenthalt (In armenrechtlicher Beziehung.) Die thatsächliche Anwesen­ heit an einem Ort« hat in verschiedener Beziehung rechtliche Folgen. So wird nach 8 18 der D. EPO. für Personen, welche keinen Wohnsitz haben, der allge­ meine Gerichtsstand durch den Aufenthaltsort im Deutschen Reiche bestimmt. Vgl. § 21 a. a. O. Von ausschlaggebender Bedeutung ist der Aufenthalt in armen­ rechtlicher Beziehung. Nach dem Reichsgesetze vom 6. Juni 1870 (R G Bl. S. 360) erwirbt Derjenige, welcher innerhalb eines OrtSarmenverbandeS nach zurückgelegtem 24. Lebensjahre zwei Jahre lang ununterbrochm seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat, in demselben den UnterstützungSwohnsitz (s. diesen Art.) mit der Folge, daß dieser Armenverband die für ihn im Falle der HülfSbedürstigkeit aufgewendeten Aasten endgültig tragen muß. Der armenrechtliche A. setzt voraus, daß bei der Wahl deS A.SortS freie Selbstbestimmung vorhanden gewesen ist. Fehlt eS an dieser, so gilt die Anwesenheit nicht als A. Der A. wird als ein gewöhnlicher — im Gegensatze zu dem vorübergehenden (Fremden-) A. —anzusehen sein, wenn die Verhältnisse, unter welchen er stattgefunden hat, aus eine längere Dauer Hin­ weisen. Die bestimmte Absicht, an dem Orte eine im Voraus bemeffene Zeit hin­ durch oder so lange zu bleiben, bis ein Anlaß zum Wechsel eintritt, ist nicht er­ forderlich, um den A. als einen gewöhnlichen zu kennzeichnen. DaS Gegentheil darf auS §§ 13 und 25 des alleg. Gesetzes nicht geschloffen werden. Der Unterschied deS gewöhnlichen A. von dem Wohnsitz (f. diesen Art.) wird darin zu finden sein, daß zur Begründung deS Wohnsitze» die Absicht, sich an dem A.Sorte dauernd niedrrzulaffen, diesen Ort zum Mittelpunkt deS bürgerlichen Lebens und der Geschäfte zu machen, von vornherein vorhanden fein muß, während der Aufenthalt erst durch die thatsächliche Dauer den Charakter eine» gewöhnlichen Aufenthalts erhält und als ein gewöhnlicher angesehen werden kann, wenngleich von vornherein gar nicht die Absicht längeren Bleibens vorhanden war. In der Regel wird daher der Wohnsitz auch bei der Entfernung vom Orte beibehaltcn, während der gewöhnliche A. durch freiwillige Entfernung der Regel nach für unterbrochen erachtet wird. (Ausnahmen f. § 13 deS Ges.) A. im armenrechtlichen Sinne kann gleichzeitig nur an einem Orte stattfinden, —das Gegentheil behauptet unrichtig Sey del in seinem Reich»Armenrecht, Hirth'S Annalen, 1877, S. 579 —, dagegen ist Wohnsitz gleichzeitig an verschiedenen Orten möglich. ES ist nicht selten schwierig zu bestimmen, welcher unter mehreren Orten als gewöhnlicher ASort einer Person anzusehen ist. DieS ist namentlich der Fall bei Personen, welche außerhalb de» Wohnorte» ihrer Familie in Dienst oder Arbeit stehen, und nur periodisch bei ihren Angehörigen verweilen. Ob als gewöhnlicher Aufenthalt solcher Personen der Arbeitsort oder der A.Sort der Familie anzufehen fei, kann nur nach den thatsächlichen Verhältniffm deS einzelnen Falle» beurtheilt werden. Dies ist auch von den in Streitsachen der Armenverbände entscheidenden Behörden, namentlich von dem Bundesamt für da» Heimathwesen angenommen worden. Ueber die Berechnung der zweijährigen ErwerbSfrist s. den Art. Abwesenheit.

eafmtNItÄcWiMtrogtn.

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Bit: Wohlers, Das Reichsges. über d. llnterstützungiwobnfitz, Berlin 1680, E. 6, wo die Rechtsprechung des Bundesamtes für daS Heimathwefe» dargelegt ist. — Rocholl, System drS ArmenPflegerechtS, Berlin 1873, § 46. — v. Flottwell, in Bruchot'SBeiträgen, XL 6. 212. — Block, Dictionnaire de FedministraL trangaise, Paris 1877, p. 799. B. Röntg.

A«fe>tthaltSbeschrii«km»ae». Der Grundsatz, daß jeder selbständige Reichr­ angehörige dar Recht hat, innerhalb de» Reichsgebietes an jedem Orte sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er eine Wohnung oder ein Unterkommen sich zu verschaffeu im Stande ist (Freizügigkeitsgesetz v. 1. Rovbr. 1867, § 1), erleidet gewisse Ausnahmen theils a«S ficherheitSpolizeilichen, theils ans armenpolizeilichen Gründe». I. E ich er heitSpo lizei: die bloße Verdächtigkeit (Bescholtenheit, Bedenklichkeit) eines Reichs­ angehörigen genügt zwar nicht mehr, um denselben einer A. zu unterwerfen, und alle dahin gehenden landesrechtlichen Bestimmungen find außer Wirksamkeit getreten (FreizügigkeitSgesetz § 12). Dagegen behält eS, insoweit bestrafte Personen nach de« Landesgesetzen (Preuß. Gesetz v. 81. Dezbr. 1852, § 2; Ä. Sächs. HeimathSgesetz v. 26. Rovbr. 1834, ß 17) A. durch die Polizeibehörde unterworfen werden können, dabei

sein Bewenden (FreizügigkeitSgesetz § 3). Doch darf unterlaßene Anmeldung eines neu Anziehenden nur mit Polizeistrafe, dagegen nie mit dem Verluste deS Aufenthalts­ rechts geahndet werden (§ 10). Rächstdem find reichsgesetzlich eine Anzahl von Fällen festgesetzt wordm, in denen A. erfolgen köunm: a) Solchen Personen, welche laadeSrechtlich wegen Bestrafung A. in einem Bundesstaate unterliegen, oder welche in einem Bundesstaate innerhalb der letzten 12 Monate wegen wiederholten Bettelns oder wegen wiederholter Larwstreicherei bestrast worden find, kann der Aufenthaü in jedem andern Bundesstaate von der Landespolizeibehörde verweigert werden (Frei­ zügigkeitsgesetz § 8); b) die höhere Landespolizeibehörde ist befugt, einem von ihr gemäß § 38 des REtrafGB. unter Polizeiaufficht gestellten Individuum den Aufent­ halt an einzelnen bestimmten Orten (also auch, waS das Mindere, an einzelnen Oertlichkeiten, z. B. in Schanklokalen, Theatern, Gerichtssälen ic.) auf die Dauer seiner Unterstellung unter Polizeiaufficht zu untersagen (StrasGB- § 39); c) den Angehörigen der Gesellschaft deS Ordens Jesu oder den ihm verwandten Orden oder ordmähalichen Kongregationen kann der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten angewieseu werden (RGesetz v. 4. Juli 1872, § 2). DaS Gleiche kann durch Verfügung der Landespolizeibehörde gegenüber einem Geistlichen oder anderen Religionsdienern ge­ schehen, welcher durch gerichtliche» Urtheil au» seinem Amte entlasten worden ist und hierauf eine Handlung vornimmt, aus welcher hervorgeht, daß er die Fort­ dauer de» ihm entzogenen Amte» beansprucht (RGesetz v. 4. Mai 1874, § 1; s. auch Näheres im Art. B erbrechen und Vergehen der ReligionSbiener). d) Gegen Personen, welche fich die Agitation für sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische, auf den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschafts­ ordnung gerichtete Bestrebungen zum Geschäfte machen, kann im Falle einer Set» urtheilung nach §§ 17—20 des RGesetzeS gegen die gemeingefährlichen Bestre-

bungm der Sozialdemokratie v. 21. Oktober 1878 neben der Freiheitsstrafe auf die Zulässigkeit der Einschränkung ihres Aufenthalts erkannt und ihnen alsdann der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Ortschaften durch die LandeSpolizeibehürde versagt werden, jedoch in ihrem Wohnsitze nur dann, wenn sie denselben nicht bereits seit sechs Monaten inne haben (angez. Gesetz § 22). II. Armenpolizei: a) die Gemeinde ist zur Abweisung eines Reuanziehenden nur dann befugt, wenn sie nachweisen kann, daß derselbe nicht hinreichende Kräfte besitzt, um sich und seinen nicht arbeitsfähigen Angehörigen den nothdürstigen Lebensunterhalt zu verschaffen, und wenn er solchen weder au» eigenem Vermögen bestreiten kann, noch von einem dazu verpflichteten Verwandten erhält. Die LandeSgesetze können diese Besugniß der Gemeinden nur beschränken. Besorgniß vor künftiger Verarmung berechtigt nicht zur Zurückweisung, b) Offenbart fich nach dem Anzuge die Nothwendigkeit

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«nffortentni z» dum Bervreche« und Wütet« »» die* solch«.

einer äffedtlichen Unterstützung, bevor der Reuanziehende an dem Aufenthaltsorte einen Unterstützungswohnsitz (HeimathSrecht) erworben hat und weist die Gemeinde nach, daß die Unterstützung au» anderen Gründen, als wegen einer nur vorübergehen­ de« Arbeitsunfähigkeit nothwendig gewesen ist, so kann die Fortsetzung deS Aufent­ halt» versagt werden (Freizügigkeitsgesetz § 4 ff.). Die thatsächliche Ausweisung darf jedoch niemals erfolgen, bevor nicht entweder die Annahmeerklärung der in Anspruch genommenen Gemeinde oder eine wenigstens einstweilen vollstreckbare Entscheidung über die Fürsorgepflicht erfolgt ist (Freizügigkeitsgesetz § 6). — Selbstverständlich sind besonderen A. diejenigen Personen unterworfen, welche in besonderen Pflichtverhältniffen stehen, wie Beamte, Militärpersonen mit Einschluß gewißer Kate­ gorien de» Beurlaubtenstandes (RMilitärgesetz v. 2. Mai 1874, § 60), beurlaubte Sträflinge. Ueber die A. rückfichtlich der Ausländer s. diesen Art. Für Oester­ reich vgl. Staatsgrundgesetz v. 21. Dezember 1867 Art. 4 ff. und hinsichtlich der Abschaffung Gesetz v. 27. Juli 1871. In Frankreich haben (ähnlich wie vor dem Freizügigkeitsgesetz § 3 Abs. 3 in Berlin) nach Gesetz v. 1852 die Polizei­ präsekten zu Paris und die RhSnepräfekten die Befugniß, gewissen Individuen je auf 2 Jahre den Aufenthalt im Seinedepartement und in der agglomdration lyonnaise zu untersagen. Leuthold.

Aufforderung zu einem Verbreche« nud Erbieten z« einem solchen. Der im Jahre 1876 unserem StrafGB. (leider!) eingefügte § 49 a erklärt in theilweiser Anlehnung an Art. 1 des Belgischen Gesetzes vom 7. Juli 1875 (welches »durch den „Fall DuchLSne" hervorgerufen wurde) al» Vergehen strafbar: I. Die A. zur Begehung eines Verbrechens (im engeren Sinne) oder zur Theil­ nahme an einem solchen sowie die Annahme einer solchen A. II. DaS Sich­ erbieten zur Begehung eines solchen Verbrechens oder zur Theilnahme an einem Ver­ brechen sowie die Annahme eines solchen Erbietens. Hier ist zu bemerken: Zu I. 1. Die A. ist nicht gleich versuchter Anstiftung; für den Begriff der letzteren sind die Mittel bzw. Formen der anstiftenden Handlung gleichgültig, dagegen fordert § 49a eine besondere Art des Vergehens, welche unter das Wort A. fällt. 2. Die A. ist erst strafbar, wenn sie zur Kenntniß des Aufzufordernden gelangt ist, dann kann sie aber durch Rücktritt nicht mehr straflos werden. 3. Die Annahme der A. ist eine ernstliche Erklärung, der A. entsprechen zu wollen. Wer auf die A. erklärt, er wolle ein Verbrechen begehen, zu dem er nicht aufgefordert ist, kann wegen Erbietens zu einem Verbrechen strafbar sein, ebenso wer nur bedingt an­ nimmt. — Zu II. 1. DaS Erbieten ist die Aeußerung eine» bedingten Entschlusses, bedingt dadurch, daß der Andere da» Erbieten annimmt. DaS Erbieten muß in der Absicht geschehen, für den Fall der Annahme demselben gemäß zu handeln. 2. Betreffs des versuchten Erbietens gilt daS unter I. 2 Gesagte. 3. Die An­ nahme deS ErbietenS, d. h. die ernstliche Erklärung, daß man mit dem Erbieten einverstanden, event, bereit fei, die mit dem Erbieten verknüpften Bedingungen zu erfüllen, ist strafbar, sobald sie erklärt ist, wenn sie auch noch nicht zur Kenntniß de» sich Erbietenden gekommen ist. Rach Abf. 3 de» § 49 a wird die lediglich mündlich auSgedrückte A. ober das Erbieten sowie die Annahme eine» solchen nur bestraft, wenn die A. oder daS Er­ bieten an die Gewährung von Vortheilen irgend welcher Art geknüpft worden ist. Die sog. symbolische A. oder da» Erbieten ist nicht blos unter dieser Voraussetzung, sondern, wie da» schriftliche, auch ohne dieselbe strafbar (ein privilegium odiosum de» Stummen). — Unter „Vortheil" ist hier jede Verbesserung der Lage in irgend einer Hinsicht (nicht blos in pekuniärer) zu verstehen. A. und Erbieten muß an die Gewährung von Vortheilen „geknüpft" sein, d. h. mit der (mündlichen) A. muß ausdrücklich die Zusage eines Vortheils oder die Gewährung eines solchen, in der Absicht die Wirksamkeit der A. zu verstärken, verbunden sein; der sich

XMfortot der StrUMti.

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mündlich Erbietende aber muß die Gewährung oder das Versprechen eines Vortheils ausdrücklich zur Bedingung der Ausführung deS Verbrechens machen. Angeaommen im Sinn de» Absatzes 3 eit. ist die A. nicht, wenn der Aufgesorderte unter Verzichtleistung auf den angebotenen Vortheil daS Verbrechen auszuführen erklärt, angenommen ist ebenso daS Erbieten nicht, wenn nicht auch die Erklärung erfolgt, den verlangten Vortheil zu gewähren. Die Strafe für A. und Erbieten ist: 1. Wenn daS Verbrechen, zu welchem aufgefordert rc. wird, mit dem Lod oder tnit lebenslänglicher Zuchthausstrafe be­ droht ist, Gefängniß nicht unter drei Monaten, also nie Festungshaft, während solche doch selbst für „vollendete" Anstiftung nach den §§ 81, 87, 88, 90, 94 des StrafGB. in Verbindung mit § 48 Abf. 2 zulässig ist! Die Strafdrohung ist auch im Widerspruch mit § 111 einerseits, § 159 andererseits. Ja den übrigen Fälle« tritt Gefängniß oder Festungshaft bis zu drei Jahren ein. — Reben der Gefängniß­ strafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und Zulässigkeit von Polizei­ aufsicht erkannt werden (§ 49 a Abf. 4). — DaS Oesterr- StrafGB. und der Oesterr. Entwurf enthalten keine Bestimmung über Erbieten zu Verbrechen, wohl aber über versuchte Anstiftung (s. den Art. Anstiftung); der AusschußEntwurf will auch da» Erbieten zu vorsätzlicher Tödtung mit Zuchthaus bi» zu fünf Jahren bestrafen.

Bit: Geyer in v. Holtzendorff's Handb. IV. S. 143 ff. — Meves, Die Strafgesetz­ novelle, S. 16 ff., 327 ff. — Stemann im GerichtSf. 1876. Gsab.: Deutsches StrafGB. § 49a (vgl. §§ 85, 111, 112, 159). — Oesterr. Entw. 1L § 221, Abf. 2. Geher. Aufgebot der Verlobte«. In Wiederholung und Ergänzung einer An­ ordnung de» 3. Lateranenfischen Konzils von 1215 hat das Trienter Konzil vorgeschrieben, daß die Verlobten vor der Eheschließung sich von dem oder den beiden Pfarrern ihres Domizils bzw. ihrer Domizile an drei aufeinander folgenden Fest- bzw. Sonntagen öffentlich während de» Gottesdienste» aufbieten, d. h. ihren Entschluß, sich verehelichen zu wollen, bekannt machen laffea sollen, damit etwaige zwischen ihnen bestehende Ehrhinderniffe angezeigt werden können. Eine Nichtigkeit der Ehe entsteht aber au» der Unterlaffung des A. (banna nuptialia, proclamationes, dennnciationes matrimoniales) nicht. Die evangelische Kirche hat die Vorschriften de» Kanonischen Recht» über die Nothwendigkeit und die Wirkung de» A. ebenfalls angenommen. Auch der jetzt in Deutschland geltenden Eheschließung vor dem Standesbeamten hat ein A. vorauSzugehen. Daffelbe hat die Personalien der Verlobten und ihrer Eltern z« enthalten und ist durch einen zweiwöchentlichen AuShang am Gemeindehause oder an der sonstigen, zu Publikationen der Gemeindebehörden bestimmten Stelle bekannt zu machen und zwar in der Gemeinde oder den Gemeinden, wo die Verlobten ihr Domizil haben, wenn einer der Verlobten seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb seine» Wohnsitze» hat, auch in der Gemeinde de» ersterm, endlich bei einem inner­ halb der letzten sechs Monate erfolgten Wechsel de» Domizil» außerdem in der Ge­ meinde de» letzteren. Da» A. ist nach vorgängiger Prüfung der Statthaftigkeit der beabsichtigten Ehe von demjenigen zuständigen Standesbeamten, d. h. dem eines der Domizile oder deS gewöhnlichen AufenthalSortS deS Verlobten, welcher von diesem um die Vornahme der Eheschließung angegangen worden ist, und unter Re­ quisition der Gemeindebehörden der Bekanntmachungsorte zu bewirken. Eine Dis­ pensation vom A. durch die kompetente Staatsbehörde ist statthaft, auch kann der Standesbeamte bei ärztlich bescheinigter Krankheit eine» der Verlobten ganz von demselben absehen. Da» A. verliert feine Kraft, wenn seit seiner Vollziehung sechs Monate verfloffen find, ohne daß die Ehe geschloffen ist und muß also behuf» Er­ möglichung derselben wiederholt werden. Die Unterlaffung macht die trotzdem ge­ schloffene Ehe nicht nichtig, zieht aber für den Standesbeamten Geldstrafe nach sich. Während die katholische Kirche gegenüber den Borschriftm de» Reichspersonen-

174 standSgesetz/s lediglich an ihrem bisherigen Recht festgehaltea hat, ist in den evangelischm Landeskirchen Deutschlands mit Rücksicht auf dasselbe die Aenderung er­ folgt, daß meistens nur noch ein einmaliges Aufgebot und zwar am Orte der kirchliche« Trauung, theilweife auch am Wohnorte der Verlobten oder am künf­ tigen Ehedomizil zu erfolgen hat. Seine Beziehung auf die staatlichen Ehehinderniffe hat eS in Folge der gedachten Gesetzgebung verloren; abgesehen von der ihm außerdem schon srüher innewohnenden Bedeutung als Bekanntmachung der bevor­ stehenden kirchlichen Trauung an die Kirchengemeinde und der damit verbundenen kirchlichen Fürbitte hat e» jetzt nur noch den Zweck, die Geltendmachung etwaiger der kirchlichen Trauung entgegenstehenden Hindernisse zu ermöglichen. ßit: C. 3. X. de cland. desp. IV, 3. — Conc. Trid. Sees. XXIV. de ref. matr. c. 1. — ReichSges. üb. die Beurkundung des Personenstandes, §§ 44—50. — Schulte, Handbuch d. kathol. Eherechtes, Gießen 1855, S. 39, 47. — Die Kommentare von P. Hinschius (2. Aust.) und v. Sicherer zum eit. ReichSges. zu den angeführten Paragraphen. — Blumstengl, Trauung i. evangel. Deutsch!., Weimar 1879, S. 38. P. Hinschius.

A«f-etotsverfahre«. Gerichtliches A. (früher Ediktalien) ist eine öffentliche Aufforderung an unbekannte Betheiligte zur Anmeldung von Ansprüchen oder Rechten bei Vermeidung eines RechtSnachtheilrS (gewöhnlich deS deS unbedingten oder be­ dingten AuSfchluffeS eines Anspruches oder Rechtes). Ueber die Fälle der Zuläffigkeit eines solchen Aufgebots, die Voraussetzungen, die Berechtigung zur Beantragung derselben sowie die Rechtsnachtheile der unterlaffenen Anmeldung von Rechten oder Ansprüchen find heute noch die für einzelne besondere Fälle ergangenen Reichs-, im übrigen die LandeSgesehe maßgebend. Die CPO. enthält nur derartige, ab­ solute Anwendung findende Vorschriften für die Kraftloserklärung abhanden ge­ kommener oder vernichteter Wechsel und der in den Art. 301, 302 des HGB. bezeichneten Urkunden (sog. kaufmännischen DiSpofitionS- und Waarenpapiere). Im Uebrigm begnügt fie sich einen gemeinsamen Rahmen für die Prozedur bei allen hierher zu ziehenden AufgebotSsällen zu schaffen, und es kann daher der Kreis der derselben unterliegenden Fälle durch die Landesgesehgebung ausgedehnt werden, ja dieselbe ist sogar andererseits auch berechtigt, die Bestimmungen der CPO. ganz auszuschließen oder durch andere zu erweitern, mit der Ausnahme, daß die Vorschristen über die Wechsel und die erwähnten Urkunden auch auf andere Inhaber- und mit einem Blankoindossamente versehene, indoffable Papiere, welche nicht über im Grundund Hypothekenbuche eingetragene Ansprüche ausgestellt find, insoweit Anwendung finden, als die bestehenden Vorschristen nicht noch andere oder schwerere Voraus­ setzungen sür das betreffende A. festsehen. 1. DaS A. der CPO. im Allgemeinen. Das A. gehört zur Zuständig­ keit der Amtsgerichte. Der Antrag ist schriftlich oder zu Protokoll deS Gerichts­ schreibers zu stellen. Eine mündliche Verhandlung ist für die Entscheidung nicht erforderlich. Bei Zuläsfigkeit deS Aufgebotes ist dieses durch daS Gericht anzu­ ordnen. Das Aufgebot muß mindestens enthalten: 1. Die Bezeichnung des An­ tragsteller», 2. die Aufforderung, die Ansprüche oder Rechte im Aufgebotstermin anzumelden, 3. die Bezeichnung der Rechtsnachtheile bei unterlassener Anmeldung und 4. die Bestimmung eines AufgebotStermineS, welcher wenigstens auf sechs Wochen hinaus zu bestimmen ist. Die öffentliche Bekanntmachung, welche der GerichtSfchreiber zu besorgen hat, wird durch Anheftung an die Gerichtstafel, einmalige Einrückung in den Deutschen Reichsanzeiger, von deren Zeitpunkt der Anfang der erwähnten Aufgebotsfrist zu berechnen ist, sowie durch zweimalige Einrückung eines Auszugs in daS vom Gericht als Publikationsorgan benutzte öffentliche Blatt bewirkt. Anmeldungen, welche auf daS Aufgebot zwar nach dem angesetzten Termine, aber noch vor Abgabe deS Ausschlußurtheiles erfolgen, gelten als rechtzeitig geschehen. In dem Termine kann der Betreffende bei nicht erfolgter Anmeldung von Ansprüchen den Antrag auf Erlaß deS AuSfchlußurtheilS, wodurch der angedrohte Rechtsnachtheil

HlusgehattversUhreu.

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au-gesprochen wird, stellen. Da- Urtheil ist in öffentlicher Sitzung zu fäll«, vorher tarnt aber da- Gericht immer noch eine nähere Ermittlung, insbesondere die et­ liche Berficheruug der Wahrheit einer Behauptung de- Antragsteller- anordnen. Segen den Beschluß, durch welchen der Antrag zurückgewiesen oder gegen rin Ausschlußurtheil, welchem Beschränkungen und Vorbehalte beigesügt find, findet allem da» Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statt. Ist rechtzeitig eine An­ meldung ersolgt, durch welche dem Antragsteller da» die Begründung seines Antrag» bildende Recht bestritten wird, so hat da» Gericht nach der Lage de» jeweilig« Falle» entweder da» A. bi» zur rechtskräftig« Entscheidung über da» angemeldete Recht auSzusetzen oder daffelbe im AuSschlußurtheile vorzubehalten. Da» Gericht kann die öff«tliche Bekanntmachung de» wesmtlichm Inhalte» de» von ihm er« lassen« AuSschlußurtheile» durch einmalige Einrückung in dm Deutschen ReichSanzeiger anordnm. Wenn der Antragsteller dm Aufgebot-termin versäumt, ist auf seinen, innerhalb einer von dem letzten Tage laufenden sechSmonatlichm Frist ge­ stellt« Antrag ein nmer Termin, welcher nicht öffentlich bekannt gemacht zu wer­ den braucht, anzusetzen. Dm durch daS Urtheil ausgeschlossen« Betheiligtm steht kein Rechtsmittel gegen daffelbe zu, fie könn« daffelbe aber mittel» einer Klage gegen dm Antragsteller bei dem Landgerichte, in deffen Bezirk da» Amtsgericht seinen Sih hat, anfechtm, wenn ein gesetzlicher Fall der Zuläsfigkeit deS A. nicht Vor­ gelegen hat, wenn die vorgeschriebene Art der Bekanntmachung unterblieben, die Aufgebotfrist nicht beobachtet, ein Anspmch oder ein Recht, trotz der Anmeldung, nicht dem Gesetz entsprechend im Urtheil berückfichtigt worden ist, wenn die Bor» auSsetzungen vorliegen, unter welchen die Restitution-klage wegen einer strasbarm Handlung stattfindet, endlich der erimnende Richter im betreffmdea Falle gesetzlich ausgeschloffen war. Die Klage ist an eine einmonatliche Nachfrist gebunden. Die­ selbe beginnt mit dem Tage der erlangtm Kenntniß de» Ausschlußurtheils, in dm beiden zuletzt gedachten Fällen aber erst mit dmjmigm, an welchm der AnfrchtungS» grund dem Kläger bekannt geworden ist. Sie ist unter allm Umständen unstatthaft, wenn zehn Jahre feit der Verkündigung des Urtheil» verfloffm sind. 2. A. bei Ha adel»« und Inhabers» apieren. Für die KraftloSerkläruug (Amortisation) der oben gedachten Papiere ist daS Amtsgericht de» in- der Ur­ kunde bezeichneten Erfüllungsortes, eventuell da» de» jetzigen allgemein« Gerichts­ standes de» Aussteller» oder in Ermanglung eine» solchen der allgemeine Gerichts­ stand de» letzteren zur Zeit der Ausstellung, bei hypothekarischen und Grundbuch« ansprüchen daS Amtsgericht der belegenen Sache zuständig. Zum Anträge ist der auS der Urkunde Berechtigte, bei Jnhaberpapierm oder in Blanko girirten inboffable« Papieren der letzte Inhaber berechtigt. Zur Begründung seine» Anträge» hat er entweder eine Abschrift der Urkunde beizubringen oder dm wesentlichen In­ halt der Urkunde und etwaige sonstige, ihre Individualität bestimmende Merkmale anzugeben, den Verlust der Urkunde und die seine Berechtigung begründenden That­ sachen glaubhaft zu machen und fich zur eidlichen Bestätigung feiner Angaben zu erbieten. Der Aufgebotstermin ist auf mindesten» sechs Monate zu bestimm«. DaS Aufgebot hat die Aufforderung an den jetzigen Inhaber der Urkunde zu enthalt«, diese spätesten» im Termine vorzulegm und feine Rechte anznmelden und al» RechtSnachtheil dieKraftloserklärung der Urkunde anzudrohm. Die öffentliche Bekanntmachung muß auch in der etwaigen Börse am Sitze de» Aufgebotsgerichte» sowie durch dreimalige Einrückung in daS regelmäßige Publikation-organ des Ge­ richte» erfolgen. DaS AuSschlußurtheil, welche» auf KraftloSerklämng der Urkunde geht, ist seinem wesentlichen Inhalt nach im Deuffchen ReichSanzeiger bekannt zu machen, desgleichen nach eingetretener Rechtskraft ein Urtheil, welche- in Folge einer Anfechtungsklage die frühere KraftloSerklämng wieder aufhebt. Besondere Auf­ gebotsfristen gelten für Werthpapiere, bei welcher ZinSfcheine oder Gewinnantheile

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eefttffawg.

auSgegeben find, und solche Urkunden, welche einen erst nach der ersten Einrückung be» Aufgebot» in den Reichsanzeiger eintretenden Verfalltag enthalte«.

®fgb.: CPO. §§ 823-850; SS. dazu § 11.

P. HinschiuS.

Auflassuug, Ueberlastung von Grundeigenthum (Th. I. S. 207, 491), al» deutschrechtliche UebertragungSart durch da» Röm. R. zu einer partikulären Aus­ nahme herabgedrückt (vgl. wegen Schleswig-Holstein, Mecklenburg für Stadt- und Domanialgrundstücke, Hamburg, Bremen, Hannoverische und Thüringische Gebiet»theile Thl. I. S. 1167, 1042, 1061, 1066, 1178, 1089), und in Preußen ohne unmittelbare historische Anknüpfung, ist seit Ende 1872 allmählich zur herrschenden Uebertragungbform im nördlichen Deutschland durch die Ausdehnung aus die verschiedenen Preußischen Gebietstheile erhoben worden. Von Oesterreich im BGB. von 1811 §§ 321, 350, 431/2, 444, 1499 — wichtig für kleine Theile Bayerns Thl. I. S. 1116 —, vom Königr. Sachsen 1843 und im BGB. von 1863 in § 276 angenommen, im Entwurf eines BGB. für Bayern 1864 in Art. 56, 149, 150 vorgeschlagen, wird die „AuflaffungS- und Eintragungstheorie" vorauSfichtlich zu voller Herrschaft im Deutschen Reiche gelangen. Zur Durchfüh­ rung ist die Anlegung eine», die Realvertheilung jederzeit treu wiedergebenden Grundbuchs in den räumlich scharf abzugrenzenden Amtsbezirken erforderlich; eine ebenso kostspielige als schwierige Arbeit. Die neuesten Preuß. Gesetze treffen nur den Fall einer freiwilligen Veräuße­ rung, nicht Ererbung ober Erheirathung, nicht Enteignung ober Zwangsverstei­ gerung , nicht GemeinheitStheilungen ober Landabfindungen für Reallasten. Auch da indeß erlangt der Erwerber daS Recht der A. und Belastung erst durch feine Eintragung int Grundbuch. Eben diese Eintragung, gegründet auf eine A., giebt daS Eigenthum an einem freiwillig veräußerten Grundstück. Die Eintragung soll fich der A. unmittelbar anfchließen, also den zur Zeit der letzten bestehenden Zustand beurkunden, ohne daß etwa inzwischen eingetretene Aenderungen, z. B. Tod deS Erwerbers, Einfluß gewinnen. Beide Rechtshandlungen find als Einheit gedacht, als Theile deS Eigenthumserwerbes im Ganzen, nicht alS titulus und modus von einander trennbar. Dem Gedanken entspricht die Wirklichkeit nicht; er erweist fich als nicht allgemein durchführbar. Daher bereits viel Streit. Der EigenthumSübergang müßte gestellt werden auf den Augenblick der An­ erkennung besserten durch eine mündliche Kundgebung des Richter» an die Parteien; in fest bestimmter einfacher Formel, sofort protokollirt. Die Eintragung folgt nach, und zwar möglichst ohne Verzug. Bei solchem Verfahren würde fich auch von dem Veräußerungsvertrag die rein ding­ liche, zum öffentlichen Glauben gerichtlich festzustellende Rechtswirkung der A. scharf abheben und die wahre Bedeutung der A. Jedermann klar werden. Ein Anhalt bietet fich dar im älteren Deutschen R., welches sich von dem Gedanken frei hielt, im Richter hier nur einen Urkundsbeamten zu sehen. Seine Thätigkeit schließt in der That stets in fich einen urtheilSähnlichen Spruch, der, wie auch vielfach bei Eintragungen deS Handelsrichters der Fall ist, weitgreifende Rechte ebenso wirksam, ja in manchen Beziehungen wirksamer feststellt, als ein richterliches Erkenntniß. Die Eintragung entspricht gegenwärtig nur in verkörperter Gestalt dem Friedewirken deS altdeutschen Dinggerichts; die A. vollzieht sich wie ehedem (lokal) alS „Uplatinge myt Handen und Munden". (Münster'sche Beiträge v. Kindlinger, ürk. v. 1487.) In Preußen erfolgt jetzt die A. „durch die mündlich und gleichzeitig vor dem zuständigen Grundbuchamt abzugebenden Erklärungen des eingetragenen Eigenthümers — und des neuen Erwerber»" über de» Letzteren Eintragung al» Eigen­ thümer. Der Grundbuchrichter hat eine Verhandlung darüber aufzunehmen; doch nicht, bevor er geprüft hat, ob der sofortigen Eintragung etwa Hindernisse entgegen-

lefteef.

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stehen; sei e» bezüglich der Rechtsgültigkeit der A., ohne Rücksicht aus Mängel de» Vorgeschäft»; sei eS bezüglich der Berechtigung deS Ueberlaffenden zur Veräuße­ rung, oder der Erwerbsfähigkeit deS Andern; sei eS vorweg (und daS ist von der größten Wichtigkeit) bezüglich der Vergewisserung über die Identität der Personen — Betheiligten oder gehörig Bevollmächtigten —, die der Richter gar nicht oder nicht genau kennt. DaS der A. zu Grunde liegende Rechtsgeschäft aufzudecken, find die Betheiligten nicht verpflichtet, aber berechtigt, und fie haben davon insofern einen erheblichen Bortheil, al» die Stempelberechnung sich wesentlich ändern kann. Der Erklärung des Ueberlaffenden gleichgestellt ist ein al- rechtskräftig bescheinigte», zur A. verurtheilendeS Erkenntniß. Rur in einem Fall ist die AuflaffungSerkläruag unabhängig von der vorgängigen Eintragung: dann nämlich, wmn Mehrere ein Grundstück ererbt haben. Die auffällige Ausschließung des Alleiaerben beruht aus der, wol kaum befriedigenden, Erwägung, daß dieser da» Grundstück mit seinem Vermögen sofort konfundiren könne, die mehreren Erben indeß erst durch die Erbtheilung volle Disposition erlangen. Auch die A. durch Miterben übrigen» hat schon eine reichhaltige Kontroversenliteratur auszuweisen. Die A. hat hiernach BertragSnatur und unterliegt der Ansechtung nach den all­ gemeinen Regeln über Ansechtung von Verträgen. Sie erlangt durch die Ein» .tragung keinen, da» materielle Recht in dieser Richtung beugenden formellen Schutz, wenn auch die Ausübung von Klagerechten au» dem Eigenthum fich lediglich an die Eintragung anschließt, während die Uebergabe für die Befitzfchutzmittel be­ stimmend bleibt. Der Vorbehalt de» Eigenthum» begründet nur ein Recht auf Hypothek, insofern er zur Sicherstellung einer bestimmten Summe bedungen ist. Mit aufschiebender Bedingung oder Bezeitigung der Eigenthumsübertragung ist die sofortige Eintragung deS neuen Erwerbers und damit die A. selbst unver­ einbar. Die Eintragung einer Vormerkung zur Erhaltung de» Recht» auf A. w voraus: Einwilligung de» eingetragenen Eigenthümer» oder einen Akt. de» Prozeßrichter». Dem EigenthumSerwerb. also der A. und Eintragung, nicht entgegen steht die Kenntniß de» Erwerber» von einem älteren, für einen Andern ein Recht auf A. begründenden Rechtsgeschäfte. — Die Frage nach dem Uebergang der Gefahr verbleibt dem allgemeinen BertragSrecht, ebenso die Frage nach dem Erwerb beweglichen Zubehör» de» Grundstücks. u. Bit: AeltereSRecht: des. Giobbe, DieA. de»DeutschenR., 1872 (auchiuJherina, Jahrb. f. b. Dogmatik, Bd. 12. S. 137—272). — Beseler, System b. Gem. Deutschen Prw.R., 8§ 90 u. 91 (1873). — Heusler, Die Gewere, (1872). Preuß. Ges. v. 5. Mai 1872 für die alten Provinzen über den EigenthumSerwerb an Grundstücken § 1 ff., Grundbuchordnung §§ 10, 46 , 49, Stempelgesch txüu § 2, G.S. S. 433 ff. (mit Aenderungen in den Ges. v. 23. März, 26. bis 31. Mai 1873 übertragen auf das Jadegebirt S. 111, Neuvorpommern u. Rügen G.S. S. 229, Schleswig-Holstein S. 241, Hannover S. 253, Hessen-Kaffe! S. 273, Bezirk des Justizsenats Ehrenbreitstein S. 287, Hohenzollern S. 301. «bändernde Grs. v. 27., 31. Januar 1879, 3 Fedr. 1879, S. 9, 17); Bearbeitungen von Förster, Bahlman», Werner, Achilles, Philler.— Deruburg, Lehrb. d. Preuß. Priv.R., § 191 ff. — Turnau, Kommentar zurGrundbuch-O., 1874, 1876. — Dernburg u. Hinrichs, Das Preußische Hypotheken recht, 1877, §§ 23, 24. — Kontroversenlitrratur in Gruchot's Arch., Bd. 17 (1873), (namentlich S. 454—466, Dalcke), des. reichhaltig in Johow, Jahrb. f. endgült. Entsch. d. Preuß. Appell.-Gerichte, Bd. 3 (1874). Schaper.

Auflauf ist der von einer an öffentlichem Orte zusammengelaufenen Menge gegenüber dem zuständigen Beamten oder Befehlshaber der bewasfileten Macht trotz mehrfacher (dreimaliger) Aufforderung zum Auseinandergehen durch Bersammeltbleiben bewiesene Ungehorsam. Dem Gemeinen R. als dieses Spezialvergehen fremd, ist er als ein besondere» Delikt erst in den neueren Deutschen Strafgesetzen ausgebildet worden, denen das RStrafGB. in § 116 folgt (Strafe: Gefängniß bis zu 3 Monaten oder Geldstrafe bis zu 1500 Mark). Der Anlaß oder Zweck des ZufammenlaufenS (des ZusammenrottenS) ist lediglich für die Strafzumeffung, nicht v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexiton 1. 3. Aufl.

12

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«usrechnuug tw Sratnfe — Aufruhr.

für die Begriffsbestimmung maßgebend. Der Begriff deS öffentlichen Orte» ist in § 116 ein engerer, als in § 115. ES kommt an auf die Zuständigkeit der be­ treffenden (Polizei-)Beamten, refp. deS betreffenden Befehlshabers (Sten. B. S. 484) und auf dreimalige Aufforderung an die versammelte Menge; wer trotz dieser Auf­ forderungen, mag er sie selbst gehört oder nur von ihnen gehört haben, freiwillig in der versammelten Menge bleibt (§§ 52 u. 59), wird straffällig. Oualifizirt ist der A., wenn bei demselben gegen die Beamten oder die bewaffnete Macht mit vereinten Kräften thätlicher Widerstand geleistet oder Gewalt verübt wird. Hier fallen nach § 116 Abs. 2 die Strafen des Aufruhrs eintreten. — Das Wort „Auflauf" hat drei Bedeutungen bei Oesterreich §§ 279—284. — Im Franz. R. würde der entsprechende Begriff attroupement fein. Lit.: Komment, zum § 116 des RStrafGB. von v. Schwarze, Rubo, Oppenhoff, Rüdorff. — John in v. Holhendorsf's Handb. HI. 135. — Schütze, Lehrb., § 66; Derselbe, Rothw. Theilnahme, S. 376. — Binding, Normen, I. 127. Teichmann.

Aufrechnung im Konkurse (v. Bar, Th. I. Suppl. S. 86), die gänzliche oder theilweife Aufhebung einer Schuld durch eine Gegenforderung des Schuldners an den Gläubiger, ist dem Schuldner im Konkurse natürlich nie verwehrt, wo er für feine Gegenforderung Maffegläubiger ist. Wo er dagegen für dieselbe Konkurs­ gläubiger fein würde, ist die A. immer zulässig, wenn er die Forderung nicht durch Rechtsgeschäfte mit dem Gemeinschuldner, deffen Gläubiger oder dritten Personen erworben. Aber auch wo er letzteres gethan, läßt die Deutsche KO. die A. zu, wenn er die Gegenforderung schon sechs Monate vor dem Konkurse erwarb, oder zwar später, aber ohne daß ihm Kenntniß des Antrags auf Konkurseröffnung oder der Zahlungseinstellung zur Zeit des Erwerbes nachzuweisen wäre, oder wenn er sie später, aber in Folge einer Verpflichtung zur Uebernahme oder zur Befrie­ digung eines Gläubigers erwarb und ihm jene Kenntniß zur Zeit der Eingehung der Verpflichtung nicht nachzuweisen ist. Auch betagte Forderungen, einschließlich periodisch wiederkehrender Hebungen, können, und zwar unter Kürzung eines Jnterusuriums, zur A. gebracht werden; ebenso suspensiv bedingte, deren Beträge bei den Abschlags» Vertheilungen, wie wenn sie unbedingt wären, zur vollen Höhe berücksichtigt, statt der Auszahlung aber einbehalten und deponirt werden und von der Schlußvertheilung unter Rückfluß der deponirten Summen zur Konkursmaffe ausgeschloffen wer­ den, wenn dem Verwalter nicht bis zum Ende der für selbige laufenden Aus­ schlußfrist der Eintritt der Bedingung nachgewiesen wird oder der Gemeinschuldner nicht zur Sicherheitsbestellung für die Forderung verpflichtet war. Illiquidität hindert die A. nicht, indem die Gegenforderung zu Gelde geschätzt wird. Soweit die Gegenforderung Deckung gewährt für die Schuld, braucht ihr Gläubiger sie natürlich nicht im Konkurse anzumelden, wohl aber, soweit ein Ueberschuß in Be­ tracht kommt. Erzielung der A. auf dem Umwege, daß die Gegenforderung einem ausländischen, nach ausländischem Recht zur A. befugten, Schuldner übertragen wird, verpflichtet den Inhaber der Gegenforderung der Konkursmaffe zum Schadenersatz. — Die Oesterreichische KO. beschränkt sich in der Hauptsache aus die Bestim­ mung, daß die A. auch für betagte Forderungen unter Abzug eine» Jnternsurii zulässig sei. Quellen: Deutsche KO., §§ 26, 46 ff., 142, 155, 158. E.G. §§ 9, 10. M-t. S. 225 ff. - Oesterreich. «O. W 20 ff. Lit.: Dernburg, Gesch. ».Theorie der Kompensation, 2. Aust. 1868. — Preuß.Priv.R. Thl. II. § 120. — Schweppe, Äons. d. Glaub., §§ 52, 61. — Bayer. Konk.Prz.,L 38. — Günther in WeiSke's R.-Lex. s. v. Konkurs. — Fuchs, Deutscher KPrz., § 16.— Komment, z. Deutschen KO.l.I. von Wengler, v. Wilmowski, Hullmann. K. Wieding. Aufruhr oder Aufstaud (resistentia quae fit magistratui) war gemeinrecht­ lich die von einer öffentlich zusammengerotteten Menge verübte Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit. Der Begriff der Menge hing hierbei nicht, wie Feuerbach

«ufrnhr.

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gestützt auf 1. 4 § 3 D. 47, 8 meinte, von einet bestimmten Zahl von Personen (10) ab, sondern war nach den im einzelnen Falle vorliegenden Umständen zu be­ urtheilen- AIS Obrigkeit galt jeder im betreffenden Falle mit Ausführung des obrigkeitlichen MllenS beauftragte Beamte und mußte die Absicht auf Beugung deS MllenS der Obrigkeit (seditio Simplex), nicht aber auf Veränderung der Set» faffung (seditio qualificata) gerichtet fein. DaS Verbrechen galt als vollendet mit der erfolgten Widersetzlichkeit (Wächter in WeiSke'S R.Lex. forderte, daß durch die Handlungen der Menge für die Obrigkeit ein Zustand des Zwang», wenn auch nur vorübergehend, eingehteten fei). Eine härtere Strafe, als die übrige Menge, traf die Anführer, Rädelsführer, und war Bewaffnung ein StraferhöhungSgrund. Dieses Delikt hatte sich sehr langsam entwickelt; daS Röm. R. war znr Rezeption ungeeignet gewesen. Die Röm. Ausdrücke turba, tumultus, seditio hatten verschiedene Bedeutungen, stellten aber keine technische Bezeichnung eine» bestimmten Delikts dar. Der Begriff tarda war wichtig, theils weil gewiffe Handlungen in tarba verübt härtere Folgen nach sich zogen, theils weil sie die Form der vis publica war. DaS Wort tumultus wurde gebraucht bei Verbrechen, wo Zu­ sammenrottungen stattfinden, bedeutete auch plötzliche Gefahr, oft auch Volks­ aufstand. Seditio endlich bezeichnete Empörung, Zusammenrottung der Bürger gegen einander, meist auch daS ohne Komplott geschehene Auftreten einer DolkS» menge zu Erreichung eines bestimmten Zwecks. Im Germanischen R. dagegen war der A.-Begriff noch mit dem deS offenen Friedensbruchs verschmolzen. Gesetzliche Bestimmungen weist daS Gemeine R. nur toenige auf, so Peinliche GO. Art. 127 „auffruren deS gemeinen volckS wider die oberkeht machen" (im Gegensatz dazu spricht von A. zu gerechtem Zwecke Art. 158), ferner Reichsabschied v. Speyer 1526 §§ 1, 8, V. Augsburg 1526 § 4, V. 1530 § 70, v. 1654 § 178, Reichsschluß V. 1781 §§ 2, 5. Die Strafen waren arbittäre. Erst die neueren Untersuchungen, namenllich Wächter'» (R. Arch. d. Krim-R-, 1835, S. 469 ff.) haben zur Feststellung deS Begriffs geführt, wie er sich im Preuß. StrafÄB. § 91 zeigt. Im Anschluß hieran behandelt den A. das jetzige Deutsche StrasGB. Danach liegt A. vor, wenn bei einer öffentlichenZusammenrottung mit vereinten Kräften begangen wird entweder: Widerstand gegen einen in der rechtmäßigen Ausübung seine» Amtes begriffenen Beamten oder ein thätlicher Angriff gegen einen Beamten während der rechtmäßigen Ausübung feines Amtes oder: Röthigung einer Behörde oder eines Beamten zur Vornahme oder Unterlaffung einer Amtshandlung. Strafbarkeit tritt ein für jede» an solcher Zusammenrottung mit Wissen und Willen beseitigte Individuum, wenn auch nur durch eine# oder einige derselben einer der in den §§ 113, 114 genannten strafbaren Akte verübt worden, wofern in jener Menge der gemeinsame Wille existirte, daß eines jener Delikte begangen werde. Eine höhere Strafe als die lediglich „Theilnehmer" treffende (Gefängniß nicht unter 6 Monaten) soll erkannt werden gegen Rädelsführer (Schütze, Lehrbuch, S. 269 Note 32; John, S. 133 Note 5), sowie gegen die Aufrührer, welche eines der betreffenden Delikte begehm, nämlich Zuchthaus bis zu 10 Jahren. Doch find auch hier mildernde Umstände zugelaffen. Wegen der eigenthümlichen Natur diese» Mehrheitsverbrechens ist die Möglichkeit deS Versuchs zu leugnen (Oppenhoff § 115 Note 16; John, S. 134). Dagegen lassen sich Theilnahmeverhältniffe denken. — Besondere Bestimmungen gelten für den militärischen A., den A. wäh­ rend des Belagerungszustandes und den A. der Schiffsleute. Vgl. auch d. Att. Widersetzlichkeit. Quellen: RStrafBB. S 115. —Preuß. Ges. v. 4. Juni 1852. - Art. 68 der «.Vers. — A.Mil.StrafGB. §§ 106—110. — Seemannsordnung § 91. — Die Bestimmungen ausländischer Gesetze entsprechen nur theilweise: Frankreich u. Holland art 96—100 , 209—221. — Belgien art 269—274 (nouv. Mit par Limelette, Brux. 1878). — Luxemburg, Strafgesetz v. 18. Juni 1879, Art. 124 ff. — Portugal, art 179, 186. — Spanien, art. 250—265. — Italien, art. 247—256 , 426—430. — Codice penale Toscano, 12*

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Aufschub der BttusvollftreSuug.

art 143—145. — Oesterreich, 88 68—75 u. Ges. v. 15. Novbr. 1867. — Ungarn, il68 (Mayer, D. Lag. StrastS. 1878. E. 212). — Rumänien, art 170 ff., 213. — riechenland, art 169 ff. — Runland, art 263 ff. — Dänemark, § 103. — Schweden, Kap. 10, §§ 7-12. — Zürich, §§ 72-76. — Bern, Art. 71—74. — Genf, art 87 ff., 190 ff. — Holl. Lntw., art 195, 196 (Trad. di E. Brusa 1878, p. 77 notaX — Avant-Projet du code pdnal Vaadois (1879), art 110 88. — Criminal Code Bill, s. 43 88. — Stephen, Digest, p. 40—48. — Harris, Principles, 1877, p. 102. ßit: Rein, Kriminalrecht d. Römer, S. 513 , 522. — Wächter in WeiSke'S RechtSlerikon I. S. 466 ff., ferner im N. Arch. d. Krim.R. 1835, S. 469, 492. — Häberlin II. S. 64 ff. — Schütze, Nothw. Theilnahme, S. 144, 370 ff. — John in v. Holtzendorff's Handb. Hl. S. 130. — Binding, Normen, IL 588. — MeveS in v. Holtzendorff's Handb. IV. S. 306. — Lüning, Haftung d. Staats (Franks. 1879), S. 118—121. — Die Kom­ mentare der betr. Gesetze. - Gneist, Selfgovernment (3) 1871, S. 252 ff. Teichmann.

Aufschub der Strafvollstreckung. Der A. einer Strafvollzuges kann theils im Rechtswege, und zwar von AmtSwegen oder auf Antrag, theils im Gnaden­ wege bewirkt werden. Die Hindernisse, welche sich der Ausführung vollstreckbarer Strafurtheile entgegenstellen, können einen A. oder eine Unterbrechung herbeiführen, und liegen theils im Inhalte des StrafurtheileS selbst oder in der erkannten Strafart, theils in der Person des Berurtheilten oder in Verhältnissen der schuldlosen Familie desselben, theils in verwaltungsrechtlichen Erwägungen, namentlich, wenn eine Verurtheilung deS Berurtheilten noch wegen anderweitiger Verbrechen in Aus­ sicht steht. In letzterer Beziehung steht jedoch in Oesterreich der Vollstreckung eines StrafurtheilS (mit Ausnahme einer TodeSurtheilS) der Umstand nicht entgegen,daß die Verfolgung wegen einer anderen strafbaren Handlung noch Vorbehalten ist. 1) Wenn nach Maßgabe deS § 487 der D. StrafPO. Einwendungen gegen die Ablehnung eines Antrages auf Strafaufschub erhoben werdm, oder die Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung gerichtet find, z. B. wenn bestrittene Identität mit dem Verurtheilten, oder wenn über die Auslegung eines Straf­ urtheilS, oder über die Berechnung der Dauer der erkannten Strafe Zweifel ent­ stehen, ist in diesen Fällen nach § 490 der StrafPO. eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Der Fortgang der Vollstreckung wird zwar nicht dadurch gehemmt, daS Gericht kann jedoch einen A. oder eine Unterbrechung der Vollstreckung an­ ordnen. Die Todesstrafe darf erst vollstreckt werden, wenn die allerhöchste Ent­ schließung ergangen ist, in Oesterreich, wenn dem Berurtheilten eröffnet wurde, daß die Todesstrafe wegen nicht eingetretener Begnadigung an ihm werde vollzogen werden (§ 485 der D. StrafPO., § 403 der Oesterr. StrafPO.). Ein Begnadi­ gungsgesuch hemmt die Vollstreckung der Todesstrafe nicht.

2) Eine erkannte Strafart kann nicht vollstreckt werden, wenn diese an dem Berurtheilten nicht dem Gesetze oder der Vollzugsvorschrift entsprechend ausgeführt werden kann, sei eS wegen Mangel» des erforderlichen Vollzugsorgan» oder der er­ forderlichen Strafeinrichtung in einer bestimmten Strafanstalt, sei es, weil eine nicht beizutreibende Geldstrafe vorerst in eine entsprechende Freiheitsstrafe umge­ wandelt werden muß (§ 491 der D- StrafPO ). In Oesterreich wird in dem Ur­ theile auf Geldstrafe immer zugleich jene Freiheitsstrafe ausgesprochen, welche im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle zu treten hat. Nach dem Vorgänge von Baden, Preußen, Sachsen läßt die D. StrafPO. § 492 verschiedene rechtskräftige Strafurtheile gegen dieselbe Person, wenn diese mit Außerachtlassung der Regel im § 79 des StrafGB. über die Zuerkennung einer Gesammtstrafe gefällt wurden, durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesammtstrafe zurückführen. In Oesterreich kann das rechtskräftige Strafurtheil gemildert werden, wenn neue zur Zeit der Urtheilsschöpfung unbekannt ge­ bliebene Mlderungsgründe hervorkommen, die innerhalb desselben Strafsatzes das Strafmaß herabsetzen (§ 410 der StrafPO.).

Aufschub ter Strastellftreckuug.

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8) Weder ein Gesuch um Wiederaufnahme bei Strafverfahren-, noch ein Ge­ such um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Maus von Fristen hemmt die Vollstreckung (D. StrasPO. §§ 47, 487 in Verbindung mit § 400; Oesterr. StrasPO. §§ 361, 364). Dai Gericht kann jedoch nach den Umständen bei Fallei individualifirend einen A. d. St. anordnen. In Oesterreich kann dai über die Wiederaufnahme entscheidende Gericht, nach Anhörung bei Ankläger!, die Hemmung bei Strafvollzuges verfügen. Wird die Statthaftigkeit der Wieder­ aufnahme rechtskräftig ausgesprochen, so ist der Vollzug der Strafe unverzüglich einzustellen. Der Sträfling wird wieder zum Beschuldigten und genießt als solcher die gesetzliche Garantie in Bezug auf die Untersuchungshaft oder Entlassung gegen Kaution. 4) Eine in der Person bei Verurtheilten liegende Ursache bei Strafaufschubes besteht in dem leiblichen oder geistigen Zustande desselben, welcher eine nahe Lebens­ gefahr oder den Ausbruch einet Geisteskrankheit besorgen läßt. Dieser HernrnnngSgrund des Strafvollzuges ist von Amtiwegen festzustellen (§ 487 der D. StrasPO.) und wird von der Staatsanwaltschaft der Strafauflchub bewilligt. Neben den Fällen des § 487 kann der A. auch aus anderen Gründen, jedoch nur im Wege der Gnade oder bei einer vom Staatsoberhaupte an eine Behöche erfolgten Delegation von dieser Behörde bewilligt werden. Rach dem Oesterr. Ges. v. 1. April 1872 findet die Zellenstrafe nicht statt, wenn deren Antritt ober Fort­ setzung wegen körperlicher Gebrechen oder sonst zu besorgender Nachtheile für die leibliche oder geistige Gesundheit deS Sträflings bedenklich erscheint. Gegen eine Schwangere kann nur dann der Vollzug einer Freiheitsstrafe eingeleitet werden, wenn die bis zu ihrer Entbindung fortdauernde Haft für sie härter fein würde, als die zuerkannte Strafe. Bei der Unterbrechung einer Strafhaft ist für bei ärztliche Gutachten als maßgebend anzufehen, daß von der Fortdauer der Hast ein erheblicher, nicht wieder gut zu machender Nachtheil für die Gesundheit bei Sträflings zu besorgen sei. Ans Verlangen der zuständigm Militärbehörde kann der Vollzug der gegen eine Militär- oder Landwehrperson verhängten Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verschoben werden, wenn der Derurtheilte zur Dienstleistung einberufen wird (§ 401 der Oesterr. StrasPO.). Der Beginn der Strafvollstreckung einer nicht sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe kann in Oesterreich bis auf sechs Wochen aus Rückficht für den Er­ werb bei Verurtheilten oder den Unterhalt seiner schuldlosen Famllie aufgeschoben werden. Ein längerer Strafaufschub kann nur auf Antrag bei Gerichts erster In­ stanz, von dem Gerichtshöfe zweiter Instanz aus besonders wichtigen Sründm be­ willigt werden. — Im Deutschen Reiche wird ein Antrag deS Verurtheilten für einen nicht vier Monate übersteigenden Strafauflchub vorausgesetzt, falls demselben oder feiner Familie durch die sofortige Vollstreckung erhebliche, außerhalb deS StrafzweckeS liegende Nachtheile erwachsen. Die Bewilligung deS A. kann an eine Sicherheitsleistung oder andere Bedingungen geknüpft werden. Während ein längerer Strafaufschub in Oesterreich dem Rechtswege Vorbehalten ist, kann ein solcher im Deutschen Reiche nur im Gnadenwegs bewilligt werden. Jrn Zusammenhänge mit der Strafausschubsfrage steht die Anrechnung der Untersuchungshaft, der in einer vom Strafhause getrennten Krankenanstalt zuge­ brachten Zeit als Strafzeit u. a. m. Hierüber vgl. den Art. Anrechnung der Untersuchungshaft. Bit: Planck, System. Darstellung des D. Strafverfahrens (1857). 8 204. — llllmann, TaS Oesterr. Strafprozeßrecht (1879), S. 197. — Alla. Oesterr. Ger.-Ztg, 1865, Rr. 76. — v. Schwarze, Komm. (1878) zu §§ 47, 400, 487, 488, 493 b. D. StrasPO. — Hofsert, Glossen zu dem Preuh. StrasGes. gegen Militärpersonen, 1862. — Bär in Eulenberg'S B.J.Schr. für gerichtl. Medizin, N. F. 321. Wahlberg.

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«»MchttMttz.

»«fßchttrMH ist ein eigenthümliche» korporative» Organ, welche» bei Gesellschasten mit Borstand (vgl. diesen Art.) nnd Generalversammlung (vgl. diesen Art.) in der Bedeutung eine» zur lausenden Kontrolle de» Borstande» berufenen Reprä­ sentativausschusses der Generalversammlung vorkommt. Die Deutsche handelsrecht­ liche Gesetzgebung hat den A. bei zwei Arten von HandelSgesellschasten, den Aktien­ gesellschaften und Kommanditgesellschaften aus Aktien (vgl. diese Art.), zum noth­ wendigen Organ erhoben, bei einer dritten Art von Handelsgesellschaften, dm Erwerb»- und Wirthschaftsgenossenschaften (vgl. d. Art. Genossenschaften), ihm für den Fall seiner Bestellung gewisse Befugnisse und Pflichten beigelegt. Bei der Aktiengesellschast war nach dem HEB. die Bestellung eine» Afakultativ. Nach der Novelle vom 11. Juni 1870 dagegen gehört e» nicht nur zu den Effmtialen des GesellschaftSstatut», daß in ihm ein derartiges Organ an­ geordnet ist, sondern e» darf sogar die Eintragung der Aktiengesellschast in das Handelsregister nicht ersolgen, bevor der Nachweis der gehörigen thatsächlichen Bestellung eine» A. erbracht ist. Die Aktiengesellschaft kann also ohne A. über­ haupt nicht in» Leben treten. Dagegen kann sie ohne A. zwar sortbestehen, es werden aber dem Borstande Strafm angedroht, wenn mit seiner Schuld die Gesell­ schaft länger al» drei Monate de» A. entbehrt. In Bezug auf die Bildung diese» Organ» find vier Prinzipien, welche hinsichtlich de» Borstande» sämmtlich nicht gelten, obligatorisch gemacht: der A. muß ein Kollegium von mindestens drei Personen sein; er muß au» Aktionären bestehm; er wird von der Generalversammlung gewählt; die Wahl kann gültig nur auf Zeit, und zwar da» erste Mal nicht länger al» auf ein Jahr und später nicht länger al» auf fünf Jahre erfolgen. Hiervon abgesehm kann das Statut feine Zusammensetzung beliebig ordnen, die Erfordernisse der Wählbarkeit erhöhm (z. B. mehrsachm Aktienbesitz, bestimmte per­ sönliche Qualifikationen rc. vorschreiben), ihn mit einem Vorsitzenden oder mit einem Beirath versehen, eine jährliche theilweise Erneuerung festsetzen, ihm eine Geschäftsordnung geben ic. Die Funktionen des 91. bestehen gesetzlich vor Allem in der fortlaufenden Ueberwachung der Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung. Zu diesem Behufe ist er verpflichtet wie berechtigt, vom Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft sich stets zu unterrichten, die Bücher nnd Schriften einzusehen, den Kassenbestand zu untersuchen, die Jahresrechnungen, Bilanzm und GewinnvertheilungSvorschläge zu prüfen. Alljährlich soll er einer Gmeralversammlung über die Resultate seiner Prüfung Bericht erstatten. Er hat fetnet jederzeit das Recht und, wenn da» Jntereffe der Gesellschaft eS fordert, die Pflicht zur Berufung einer Generalversammlung. Endlich ist er zur Führung von etwaigen Prozessen der Gesellschaft gegen ihren Vorstand ermächtigt und zwar kann er, wo e» sich um seine eigene Verantwortlichkeit handelt, solche Prozefle auch ohne und selbst gegen den Beschluß der Generalversammlung unternehmen. Da» Statut kann ihm noch weitere Funktionen, die ohne solche Bestimmung der General­ versammlung zustehen würden, überweisen (z. B. Wahl, Suspension und Entsetzung de» Vorstände», Trtheilung der Decharge, Abschluß von Verträgm mit dem Vor­ stande, schiedsrichterliche Befugniffe); e» kann ihn aber, da da» Gesetz die Ueber­ wachung der Geschäftsführung von der Geschäftsführung selbst streng getrennt toiflen will, nicht zur Theilnahme an der eigentlichen Geschäftsführung berufen. Die rechtliche Stellung be» 9t. zur Aktiengesellschaft ist einerseits die eine» mit bestimmtem Wirkungsweise auSgestatteten einheitlichen korporativen Organ» und andererseits die einer Summe von KorporationSbtamten. In letzterer Hinsicht können die Mitglieder de» A. für ihre Mühewaltung durch eine Besoldung in be­ liebiger Form (Gehalt, Tantiemen, Präfenzgelder für die einzelnen Sitzungen) ent­ schädigt toetben und erwerben au» der Zusicherung solcher Vergütungen klagbare Individualrechte gegen die Gesellschaft; nur den Mitgliedern de» ersten A. kann eine Vergütung schlechthin nur nachträglich durch einen besonderen Generalversamm-

«nfstchtSrattz.

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lungsbeschluß bewUigt werden. Andererseits find die sämmtlichen Mitglieder d«S A. persönlich «ad solidarisch für die Erfüllung ihrer Amtspflichten haftbar und bei jeder schuldhasten Bersäumniß zum Schadenersatz verpflichtet. DaS HGB hebt insbesondere hervor, daß diese Hastung eintritt, wenn mit Wissen und ohne Ein­ schreiten der Mitglieder deS A. die gesetzlichen Bestimmungen, welche aus die Er­ haltung des Grundkapitals abzielen, verletzt find (Art. 225 b). Die Schaden­ ersatzpflicht ist sowol der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären gegenüber be­ gründet, und eS können daher/klagen gegen die Mitglieder deS A. sowol von der Generalversammlung als von einzelnen Aktionären oder einer Mehrheit solcher an­ gestellt toetben. Sie besteht aber ebenso geschädigten Dritten gegenüber. Endlich werden bei gewiffen Droben Pflichtverletzungen die Mitglieder des A. auch mit öffentlichen Strasen bedroht (Art. 249). Bei der Aktienkommanditgesellschaft war der A. schon vor dem Er­ laß der Novelle zum HGB. eine obligatorische Institution. Der A. ist hier ein von der Generalversammlung der Kommanditisten zur üeberwachung der Geschäfts­ führung der persönlich hastenden Gesellschafter gewählter Ausschuß von mindestens drei (früher fünf) Kommanditisten. Im klebrigen gelten für ihn gleiche Regeln wie für den A. der Aktiengesellschaft. Insbesondere muß auch hier der A. vor der Eintragung wirklich bestellt sein. Auch hier gelten die erwähnten Beschränkungen hinfichtlich der Zeitdauer der Wahlperiode. Ebenso ist der Wirkungskreis des A. bei dieser Gesellschaftsform mit der Maßgabe, daß er nicht einen Borstand, sondern persönlich hastende Gesellschafter zu überwachen hat, dem MrkungSkreise deS A. in der Aktiengesellschaft gleich (HGB. Art. 193, 194 it. 187). Endlich gelten dieselben gesetzlichen Regeln wie bei der Aktiengesellschaft hinfichtlich der Zulässigkeit einer Vergütung (Art- 192), hinfichtlich der persönlichen und solidarischen Haftung der Mitglieder für Pflichtwidrigkeiten (Art. 204) und hinfichtlich der Androhung öffent­ licher Strafm für gröbere Dergehungen (Art. 206). Trotz dieser äußeren Gleich­ förmigkeit ist der A. der Kommanditgesellschaft aus Aktim ein von dem A. der Aktiengesellschaft innerlich verschiedenes Institut, indem er nicht als wahrhaft korpo­ ratives Organ, fondern nur als ein nach dem Borbilde eirteS solchen konstruirter Ausschuß einer gesellschaftlich verbundenen Mehrheit betrachtet toetben darf. Bei der eingetragenen Erwerbs- und WirthschaftSgenossenschaft ist die Bestellung eines A. nach dem Deutschen GenoffenschaftSgesetz (§§ 28—29) wie nach dem Oesterreichischen GenoffenschaftSgesetz (§§ 24—25) fakultativ. Die Gesetzgebung bekleidet aber den A-, wenn er kraft der GenoffenschaftSversafsung besteht, mit bestimmten Rechten und Pflichten. Als A. gilt nur ein von den Genossenschaftern aus ihrer Mitte durch Wahl bestelltes Kolleg, dem kein DorstandSmitglied angehört; in Oesterreich ist überdies erforderlich, daß die Bestellung deS A. zu jeder Zeit widerrufen werden kann. Dagegen kann der A. auch einen anderen Namen (z. B. DerwaltungSrath, Ausschuß) führen. Ein solcher A. hat dann in Bezug auf die Üeberwachung der Geschäftsführung, die Berichterstattung, die Berufung einer Generalversammlung und die Prozeßfühmng gegen den Borstand genau die gleichen Rechte und Pflichten wie der A. einer Aktien­ gesellschaft. Doch ist der A. der Genoffenfchaft schon gesetzlich (bei der Aktien­ gesellschaft nur kraft besonderer statutarischer Bestimmung) ermächtigt, Borstands­ mitglieder und Beamte vorläufig und zwar bis zur Entscheidung einer demnächst zu berufenden Generalversammlung von ihrem Amt zu suspendiren und wegen einstwelliger Fortführung der Geschäfte die nöthigen Anstalten zu treffen. Auch bestimmt daS Gesetz, daß der A. die Genoffenfchaft bei Abschließung vvn Verträgen mit dem Borstande zu vertreten legitimirt ist. DaS Statut kann indeß alle diese gesetzlichen Kompetenzbestimmungen nach Belieben einschränken und erweitern. Wenn nun daS Oesterreichische GenoffenschaftSgesetz ausdrücklich bestimmt, daß die Mt­ glieder deS A. für den Schaden haften, welchen fie durch die Nichterfüllung ihrer

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Obliegenheiten verursachen. so wird man doch nach allgemeinen Recht-grundsätzen für da- Deutsche R. denselben Satz aufstellen timten. Dagegen gelten für den A. der Genoffenschaft die speziellen Kautelar- und Strafbestimmungen, welche für den A. der Aktien- und der Aktienkommanditgesellschaft getroffen sind, nicht. Wo bei anderen Körperschaften ein A. vorkommt, da entscheidet über seine rechtlichen Berhältniffe lediglich die spezielle Körperschaft-Verfassung. Gsgb. u. Bit.: Dgl. dieselbe hinter den Art. Aktiengesellschaft, Kommandit­ gesellschaft und Genossenschaften. C. Gierte.

Augenschein (inspectio ocularis, Th. I. S. 625, 796), die unmittelbare und in amtlicher Eigenschaft vom Richter vörgenommene Sinneswahrnehmung, der sicherste Modus der Perzeption von beigebrachtem Beweismaterial. Die Parteien können behufs Führung des Beweises darauf antragen (Beweismittel ist hier daS A.-Objekt), aber auch der Richter ist befugt, um eine genauere Anschauung von dem Streitobjekt zu erlangen, die Einnahme ex officio zu veranlassen. Diese letztere geschieht durch Besichtigung des betreffenden Gegenstandes im Gerichtslokal oder an Ort und Stelle, sei es seitens des ganzen Richterkollegs, sei es seitens eines einzelnen Deputirten. Dabei werden die Parteien, nöthigensalls auch Sachverstän­ dige, zugezogen (CPO. §§ 336, 337). Für die spätere Benutzung wird der Be­ fund in einem, einen Theil der Akten bildenden Protokolle konstatirt. Bit.: Wach, Krit. DZSchr., Bd. 14, S. 335; Desselben Vorträge über die CPO., Bonn 1879, S. 150, Note, gegen Heusler, Arch. f. cito. Prax., Bd. 62, S. ?57, 270. P. Hinschius.

Für das Gebiet des Strafprozesses, insbesondere aber auch in den Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht, ist der Augenschein von der größten Wichtigkeit. Dies leuchtet am klarsten überall da ein, wo der Gegenstand deS Verbrechens vorgelegt werden kann, tote bei Münzfälschung, Urkundenfälschung, auch für jeden anderen Fall, von Handschriftenvergleichung, bei welcher Jedem das eigene Auge zuverlässiger erscheint als das, nur die Aufmerksamkeit etwa noch schärfende Gutachten von sogenannten Schreibverständigen. Weiter bietet die An­ sicht von Waffen, Meffern und Beilen, von blutigen Kleidern, Lunten, gestohlenen, am Thatort gefundenen Sachen sehr ost den besten Anhalt, um die Glaubwürdigkeit von Angaben der Angeklagten oder Zeugen zu prüfen, und eine klare Anschauung von dem wahren Hergang bei der, der Vergangenheit angehörigen That zu ge­ winnen. Die Englische Jurisprudenz geht noch weiter. Auch das Auftreten des Angeklagten und der Zeugen, ihre äußere Erscheinung im Allgemeinen sowie ihr Verhalten in den Augenblicken der Erörterung der, für die Schuldfragen erheblichsten Einzelheiten wird dort, und zwar sehr mit Recht, zur Realevidenz gezählt. Es ist für die Bildung der Ueberzeugung von der größten Wichtigkeit. — Die bisher berührten Fälle der unmittelbaren A. sind indeß in Gesetz und Literatur inner­ halb Deutschlands feiten näher gewürdigt. Unter jenem Namen wird vielmehr in der Regel nur die mittelbare A. verstanden, d. h. eine solche, welche dem er­ kennenden Gericht in der Gestalt eines Protokolles des Untersuchungsrichters vor­ geführt wird. Sie tritt als Ersatz der eigenen Besichtigung da ein, wo diese nur mit unverhältnißmäßigen Weitläufigkeiten erreichbar, so bei Brandstiftungen, ins­ besondere außerhalb des Gerichtsortes, bei denen es stets Wünschenswerth bleibt, eine genaue, durch Handzeichnung möglichst klar gelegte Einsicht in die örtlichen Verhältnisse zu erhalten: Entstehungspunkt des FeuerS, Ausdehnung des Feuers, Gefahr für andere Besitzungen, Wohnhäuser, Scheunen, Waldungen u. dgl. Sie wird ferner da zur Nothwendigkeit, wo die Gegenstände, an denen Verbrechen ver­ übt sein sollen, rascher Veränderung ausgesetzt find, oder die entscheidenden MerkInqJe durch Transport in die Gefahr einer völligen Umgestaltung gerathen. Dies ist "namentlich bei Leichen der Fall, doch oft auch bei den verletzten Körpertheilen Lebender u. dgl. m. Ueberall geht hier die Aufgabe des Beobachtenden dahin,

Augusttnus — «ttttion.

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alle wesentlichen Einzelheiten genau zu ermitteln, zu verzeichnen und zu beschreiten, so daß jede möglicherweise für da- erkennende Gericht erhebliche, dahin einfchlagende Frage vorweg ihre Beantwortung findet. ES bedarf daher einer eingehenden Schil­ derung der wahrgenommenen Erscheinungen, nicht minder aber der Aussprache über daS Vermissen solcher Spuren oder Merkmale, deren Borhandeasein nach der beson­ deren Beschaffenheit deS Falle- vermuthet werden konnte (StrafPO. § 86). Das Kchächtniß deS Beobachtenden reicht selten hin, um später mündlich noch etwaig« Ergänzungen mit Sicherheit liefern zu können. Nicht» kann demnach gefährlicher werden, al» Einseitigkeit der Ermittlung. Diese ist oft schwer verweslich, wen»

nicht vorweg einigermaßen ersichtlich, welche Richtung die Bettheidigung nehmen möchte. Deshalb schreibt nach dem Borgange von Württemberg die StrafPO. für die A. in der Voruntersuchung vor, der Staatsanwaltschaft, dem Angeschul­ digten und dem Vertheidiger die Anwesenheit zu gestatten; dem verhafteten Angefchuldigten jedenfalls bei A. an der Gerichtsstelle des HaftorteS. Handelt eS sich um Thatsachen und Feststellungen, welche nur daS Auge eines Sachkundigen richttg zn erkennen und zn treffen vermag, so liegt dem Richter deffen Zuziehung ob; von ihm abgelehnte Sachverständige kann indeß der Angeschuldigtr laden laffen, und eS ist ihnen, soweit sie nicht störend eingreifen, die Theilnahme an der A. zu gestatten. DaS visum repertum ist vom Richter in daS Protokoll hinein zu nehmen, was bei Aerzten meist nach deren Diktat geschieht. Für die Hauptverhandlung bildet, trotz der Mündlichkeit deS Verfahrens, die Verlesung des AugenfcheinSprotokolleS, wenn eS in der gesetzlichen Form ausgenommen worden, einen Bestandtheil der Beweis­ aufnahme. Gsgb. u. Lit.: Oefierr. StrafPO. 1873, §§ 116 ff. — D. StrafPO. §§ 86—93 (mit Gpezialregeln für Leichenschau, Leichenöffnung, Bergistuna, Münzverbrechen, Schriftvergleichung), 191—193 , 224, 248. — Saran, Die Stellung des Untersuchungsrichters bei Einnahme des A., in Goltdammer'S Archiv, Bd. Xin. S. 743 ff. — Best, Grundzüge deS englischen Beweisrecht», §§ 15, 22, 173 ff. Schaper.

Attguftirmjtz, Antonius, S 1517 zu Saragossa, wurde 1544 Auditor Rotae, Bischof v. Alife, Gesandter bei Ferdinand I., 1561 Bischof V. Lerida, 1562 auf d. Konzil v. Trident, später Erzbischof v. Tarragona, t 1586. Schriften: Einend, et opinionum 1. IV., Venet 1543. Basil. 1544. Lugd. 1560, 1574, 1591, 1650. Heidelb. 1594 (Opera t. II). — Jur. pontif. vet epitome, Tarrag. 1587. • Rom. 1611, 1614. Par. 1641 (Opera t V. VI). — De emendatione Gratiani dialog. L IL 1587. Venet. 1786 cur. de Riegger. Par. 1607 not Baluzii 1672. Duisb. 1677. — 0. 0. Lucca 1765-1774. - - - Lit.: Neuber, A. u. sein jur. Nachlaß, Berl. 1832.— Schulte, KirchrnrÄht (3), E. 1097 Note 6. — Maaßen, Gefch. d. Quellen u. d. Lit. de» Kan. R., 1870, I. pag. XIX—XXXIV. — Andresius, A. A. epist latinae et italicae, Farm. 1804. Teichmann.

Auktion, ursprünglich jeder im Wege öffentlicher Versteigerung erfolgende Verkauf, bei welchem die Sache dem Meistbietenden (pretiüm augenti) zugeschlagen wird (1. 2 § 8 D. pro ernt. 41, 4) — eine schon bei den Römern höchst ent­ wickelte GeschäftSfvrm (vgl. Mommsen über die Pompejanischen OuittungStafeln im Hermes, XII. S. 91—100) —, bezeichnet heutzutage meist nur noch den Ver­ kauf beweglicher Gegenstände, im Gegensatz zu demjenigen von Immobilien (Eubhastation; f. diesen Att.). Man unterscheidet eine gerichtliche und eine außer­ gerichtliche A., und erstere kann wieder eine freiwillige oder eine nothwendige sein. Für die letztgenannte Abart find überall besondere Formen festgestellt, wie gericht­ liche Beschreibung und Taxe deS Gegenstandes, Bekanntmachung der A., öffentliche Ausbietung und Zuschlag und Uebergabe an den Meistbieter gegen sofortige Baar­ zahlung. Die Versteigerung der im Wege der Zwangsvollstreckung gepfitzttHtek Sachen, welche durch den Gerichtsvollzieher erfolgt, regelt die CPO. §§ 716r-®& Streitig ist der materielle Charakter der A., insbesondere die Frage, ob. btt Aus­ rufung durch den Versteigerer als Anerbieten zu einem Vertrage oder als eine Ein-

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toMI — MNtMMt.

laduug, durch Sebote Offerten zu machen, auszufassen sei? An fich ist Beide» denkbar; daher wird zunächst aus die eickennbare Absicht de» BersteigererS, eventuell auf den OrtSgebrauch zu sehen sein. Siebt auch dieser keinen Anhalt, so ist an­ zunehmen, daß der Verkäufer zum „Sitten* nur in dem Sinne von „Anbieten* aufgefordert hat, und daß daher der Vertrag erst durch den Zuschlag al» Annahme de» Gebote» zu Stande kommt. E» folgt darau» namentlich, daß der Versteigerer nicht gebunden ist, jedes Meistgebot anzunehmen. Dabei fragt es fich weiter, ob der Versteigerer nur daS letzte Gebot oder auch ein frühere» acceptirm kann, und wie lange also jeder Bieter an sein Gebot gebunden bleibt. Im Zweifel ist nach der Natur deS Angebotes zu entscheiden, daß ein Bieter durch ein von anderer Seite geschcheneS Mehrgebot keine Rechtsveränderung erfahren und somit von seiner Offerte nicht früher abgehen kann, al» bis der Versteigerer den Zuschlag ertheilt oder doch den BersteigerungStermin geschloffen hat. — In dem anderen Fall, wo die Ver­ steigerung selbst schon als Anerbieten aufzufaffeu ist, bildet jedes Gebot eine An­ nahmeerklärung unter der (im Zweifel wol aufschiebenden) Sebtngung, daß kein Anderer ein besseres Gebot thun werde; dann dient der Zuschlag dazu, die ErfflHung dieser Bedingung festzustellen. Diese letztere Auffassung findet man in § 718, Abf. 1 der CPO. ausgesprochen. Vgl. Struckmann u. Koch und L. Seuffert zu demselben. Positive Vorschriften über Auktionen s. im Preuß. LR., I. 11, §§ 340—362. Neueste Lit.: Zwei Aufsätze von Kindervater und zwei von Jhering indenJahrbb. str Dogmatik, VII. 1, 4, 7, 8; Aussätze v. Unser ebenda VIII. 5; Neuling X. 6. — Regelsberger, Eivilrechtliche Erörterungen, 1. Heft, 1868, S. 162—195. — R. Koch in Busch S Arch. f. HR. IV. S. 261 ff. E ck.

Aurbach, Johann von, Verfaffer eines vor 1446 geschriebenen Directorium curatornm und einer 1469 in Augsburg gedruckten Summa de sacramentis — nicht zu verwechseln mit Johann Urbach (dem Vers. d. Proc. judicii). Lit.: Muther in der Allg. Deutsch. Biogr. I. S. 688. — Schulte, Geich., II. S. 447. — Stintzing, Popul. Lit-, S. 241 ff. Teichmann. Ausfuhrverbote werden von Staaten aus politischen und volkSwirthfchaftlichen Gründen in Bezug auf Gegenstände erlaffen, deren Verbleib im Jnlande nothwendig erscheint. Sie find meistens unbeschränkt in Bezug aus die Zeit und Menge der Gegenstände. Die A. auS politischen Gründen beziehen fich hauptsächlich aus Kriegsmaterial im weitesten Sinne deS Wortes, also nicht nur aus Waffen und Munition, son­ dern auch aus Pferde und Proviant, deren Ausfuhr je nach Umständen verboten wird. Derartige Verbote werden nicht nur im Kriegsfalle, sondern auch dann er­ laffen, wenn zu befürchten ist, daß kriegführende Staaten dergleichen Material in so großen Maffen auSführen, daß hierdurch Mangel im verbietenden Staate ent­ stehen könnte. Die A. find auS volkSwirthfchaftlichen Gründen entstanden unter dem sogenannten Merkantilsystem im 16. Jahrhunderte, wo man von der Idee auSging, daß das Vermögen eines Staates eigentlich nur au» Geld (Gold und Silber) bestehe. Man verbot deshalb die Ausfuhr der edlen Metalle, verhinderte die Ein­ fuhr fremder Waaren durch hohe Zölle und Verbote und suchte durch Ausfuhr­ prämien die etwaigen Benachtheiligungen auszugleichen. Bald folgten den A. von Edelmetallen auch solche auf Rohstoffe, welche der einheimischen Industrie nothwendig waren und deren Bezug gesichert werden mußte. Dieselben bezogen sich in Deutschland im 16. und 17. Jahrhunderte besonders auf Schafwolle, als eines für die Tuchmacherei unentbehrlichen Materials. Im 19, Jahrhunderte haben fich mit den veränderten Anschauungen derartige Verbote zu Ausfuhrzöllen abgefchwächt und auch diese sind feit 10 Jahren in Deutschland verschwunden.

AuSsuhrvergütnugeu — Weiloel.

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An Oesterreich bestehen nach dem Zolltarif von 1878 keine A-, Wohl aber em Ausfuhrzoll auf Lumpen und Abfälle zur Papierfabrikation. Anderer Art stad die bei dringendem Bcharf versuchten A. von Getreide, um hierdurch eine» allenfallfigen Mangel an Nahrungsmitteln zu verhindern. Dieselben verfehlten aber immer ihrm Zweck, und werden deshalb selten in civilifirten Ländern angewendet. Nur die Türkei hat in nenerer Zeit ein derartiges Verbot erlassen, wol weniger auS wirthfchaftlichen als auS politischen Gründen. Um sich bei Verträgen gegen A. anderer Staaten zu sichern und sich selbst dergleichen für de» Fall der Noth vorzubehaltea, werden öfter» in den Zoll- und Handelsverträgen darauf bezügliche Bestimmungen festgesetzt. Solche Vorbehalte und Verabredungen finden sich z. B. in dem Vertrage Deutschlands mit der Schweiz vom 18. Mai 1869 in Art. 1 in Bezug auf Getreide, Schlachtvieh und Brenn­ materialien und im Vertrage zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn vom 16. Dezember 1878 in Art. 1 in Bezug auf Tabak, Salz, Schießpulver, KriegSbedürfniffe unter außerordentlichen Umständen und Verbote auS Gesundheitsrücksichten. Der Erlaß von A. erfolgt in Deutschland mit Zustimmung deS BuudeSratheS durch kaiserliche Verordnung. Die Bestrafung der Uebertretungen von A. erfolgt nach den Grundsätzen, nach welchen Kontrebande bestraft wird.

Lit.: Roscher, Nationalökonomik, S. 100, 135 , 247 , 282. — Wirth, National­ ökonomie, S. 91. — Rau, Lehrbuch der politischen Oekonomie, Bd. I. 2, S. 306 ff. d. Aufseh.

Ausfuhrvergütuugeu (Ausfuhrbonifikationen) find entweder Zurückzahlungen von EingangSzdllen oder von indirekten Steuern, welche für die Hervorbringung gewisser Gegenstände an die Staatskaste bezahlt worden find. Die ersteren, welche mehr die Natur von Prämien zur Aneiferung der Industrie an sich tragen und deshalb schädlich wirkten, weil sie einzelne Erwerbszweige aus Kosten der anderen bevorzugten, find in neuerer Zeit seltener in Anwendung gebracht worden und toutbtn in Deutschland feit Entstehung des Zollverein» nicht mehr gewährt. Da­ gegen werden in Deutschland bei der Ausfuhr von Tabak und Tabaksfabrikaten, von Rübenzucker, von Bier und Branntwein die für die Produktion und 'Fabri­ kation dieser Gegenstände bezahlten Konsumtionssteuern zurückvergütet. Diese Rückvergütungen erfolgen bei Tabak und Tabaksfabrikaten sowie bei Rübenzucker aus Reichsrechnung, bei Bier und Branntwein aber von denjenigen Staaten, welche die Steuer hierfür auf eigene Rechnung erheben und außerdem in der Bier- und Branntweinsteuergemeinschast der Deutschen Staaten auf Rechnung diefer Gemein­ schaft. Während bei Zucker, Tabak und Tabaksfabrikaten die Rückvergütung der Steuer nicht nur nach erfolgter Ausfuhr, sondern auch dann stattfinden kann, wenn die Aufnahme dieser Gegenstände in eine öffentliche zollamtliche Niederlage erfolgt und bescheinigt worden ist, findet sie bei Bier und Branntwein nur dann statt, wenn die Ausfuhr nachgewiesen ist. Lit.: Hirth'S Annalen deS Deutschen Reiche-, 1873, 1875, 1876. — v. Aufseß, Die Zölle u. BerbrauchSstruern 1873, S. 70 ff., 75, 92, 99, 153. v. Aufseß.

Ausland (Verbrechen gegen daS A.). Soweit daS Staatsgebiet, soweit reicht mit der Staatsmacht auch da» öffentliche Recht deffelben. Ungeachtet dieser scharfen Jndividualifirung durch daS Territorialprinzip bleiben die Staaten nebst ihren Bewohnern nicht nur im nationalen, politischen, merkantilen, sondern hinab bi» auf den täglichen LebenSverkehr auf einander angewiesen. Dieser kann ohne die Anerkennung einer weitgreisenden Recht-gemeinschaft auf die Dauer überhaupt nicht bestehen. Die Grundsätze derselben haben zwar nicht m «in« die Gesammt­ heit der Völker beherrschenden WeltrechtSordnung, wohl' aller in ^ahlrelchkn StaatSverträgen und darüber hinaus auch in Strafbestimmungen ihren Ausdruck gefunden, welche einen unmittelbaren Schutz der wichtigsten Hoheitsrechte fremder Staaten in

188 sich schließen. Er gilt die- besonder- bei Eingriffen in die Münz- und Justiz­ hoheit durch Fälschung ausländischen Metall- oder Papiergeldes oder öffentlicher ausländischer Urkunden nebst den nächstverwandten Verbrechen, welche den GeschästSverlehr im Inland« sehr empfindlich berühren (StrafGB. §§ 146 ff., 267 ff.). Außerdem gehören hierhin die im 4. Abschnitte deS StrafGB. enthaltenen, als »feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten" bezeichneten Verbrechen und Vergehen. Hiernach wird 1) Derjenige gestraft (StrafGB. § 102), welcher gegen einen nicht zum Deutschen Reiche gehörenden Staat oder deffen LandeSherm eine Handlung vornimmt, die. wenn er fie gegen einen Bundesstaat oder einen Bundes­ fürsten begangen hätte, nach Vorschrift der §§ 81—86 des StrafGB (Hochverrath) zu bestrafen sein würde (Festungshaft von 1 bis zu 10 Jahren, bei mildernden Umständen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren bzw. 1 Monat bis zu 3 Jahren). Die Strafbestimmung gilt fowol für Deutsche wie für Ausländer, welche eine der­ artige Handlung im Jnlande vornehmen. — 2) Die Beleidigung des Landesherrn oder des Regenten (dem der Präfident einer Republik nicht gleichsteht) eines nicht zum Deutschen Reiche gehörenden Staats wird ebenfalls (StrafGB. § 103) bestraft (Gefängniß oder Festungshaft von 1 Woche bis zu 2 Jahren). — Für die Fest­ stellung des Thatbestandes bleiben §§ 185 ff. des StrafGB. maßgebend, wenn auch vermög« der Stellung jedes SouverainS der Begriff der Beleidigung einem solchen gegenüber in weiterem Umfange zur Anwendung zu bringen ist, als dies bei Ehr­ verletzungen gegen Privatpersonen der Fall ist. Damit ist die Freiheit der Kritik (§ 193) nicht ausgeschlossen, sobald ein Fürst vom Gebiet deS Staates hinweg in daS Gebiet der Kunst oder Wiffenschaft fich begiebt; auch nicht der Beweis der Wahr­ heit in etwa geeigneten Fällen (§ 192). Ausgeschlossen jedoch bleibt die Retorsion deS § 199. Der Fürst vertritt nicht fich allein; er vertritt den Staat und ist in dieser Eigenschaft einer Beleidigung ebensowenig fähig, wie.der Erwiederung einer solchen. — In den unter 1 und 2 erwähnten Fällen tritt die Strafverfolgung nur auf Antrag der auswärtigen Regierung ein, die auch berechtigt ist, den Antrag zurückzunehmen. Eine weitere Voraussetzung der Strafverfolgung ist jedoch der Um­ stand,- daß dem Deutschen Reiche in dem anderen Staate die Gegenseitigkeit ver­ bürgt sein muß. Die Art der Verbürgung an fich ist irrelevant (Staatsvertrag, Gesetz, konstante Gerichtspraxis). — 3) Bestraft (StrafGB. § 104) werden ferner die Beleidigungen gegen einen bei dem Reich, einem bundesfürstlichen Hofe oder bei dem Senate einer der freien Hansestädte beglaubigten Gesandten oder Geschäfts­ träger (vgl. Th. I. S. 1015 ff.). Auf daS Gesandtschaftspersonal und die Konsuln findet diese Bestimmung keine Anwendung (Gefängniß oder Festungs­ haft bis zu 1 Jahre). Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Beleidigten ein, der auch den Antrag zurücknehmen darf. Und zwar geschieht die Verfolgung, welche nicht durch die Verbürgung der Gegenseitigkeit bedingt ist, nicht durch Privatllage, sondem durch öffentliche Klage. — 4) Nach der Strasgesehnovelle (StrafGB. § 103 a) ist endlich noch mit Strafe (Geldstrafe bis zu 600 Mark oder Gefängniß bis zu 2 Jahren) bedroht, wer ein öffentliches Zeichen der Autorität eines nicht zum Deutschen Reiche gehörenden Staats oder ein Hoheitszeichen eines solchen Staats böswillig wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Unfug daran verübt. Die Verfolgung tritt hierbei von Amtswegen ein. Lit.: H. Meyer, Lehrb. (2. Aufl.), §§ 187, 198. — John in v. Holtzeudorff'S Handb. Bd. III. S 43 ff., 58 ff. und Meves ebenda Bd. IV. S. 298 ff. — Außerdem die Kommentare von Oppenhoff und v. Schwarze. Schaper. Ausland (Verbrechen im A.). (Th. I. S. 735.) Die Verbrechen, welche im A. begangen worden find, werden heutzutage überall in den Europäischen Kulturstaaten unter gewiffen, freilich im Einzelnen sehr verschiedenen Voraussetzungen und Bedingungen gestraft. Das sogenannte Territorialprinzip, nach welchem nur die im Inland begangenen Verbrechen gestraft werden sollen, findet zwar bis aus

enun».

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die neueste Zeit herab namhafte Vertheidiger (Abegg, Marezoll, fllfibtt, Köstlin, Hälschner, Bremer; so auch die Englische, Schottische. Nordamerikauische Jurisprudenz), indessen sehen auch diese sich zu mannigfachen Abweichungen von ihrem Prinzip genöthigt, und ebenso hält z. B. selbst die Englische und Fran­ zösische Gesetzgebung dasselbe nicht vollständig aufrecht. ES haben sich nach und nach in Theorie und Gesetzgebung immer weitere Gesichtspunkte für die Bestrafung im A. verübter Verbrechen aufgethan. Namentlich wurde dabei die Unterscheidung wichtig, ob der Thäter ein Inländer oder ein Ausländer gewesen, ob ferner daS Inland — der Staat selbst unmittelbar oder ein Unterthan desselben — durch daS Verbrechen verletzt worden sei. So findet man also 1) Schriftsteller, welche nur die im A. von Inländern gegen den eigenen Staat oder einen Inländer verübten Verbrechen bestraft griffen wollen (Feuerbach, CoSmann, Oppenheim u. A.), während 2) Andere da» sogenannte Personalitätsprinzip ohne der­ artige Beschränkung durchsühren, d. h. Bestrafung aller von einem Inländer im A. verübten Verbrechen verlangen, fo daß also die UnterthanSeigenfchaft der Person deS Verbrechers entscheidet (Kleinschrod, Heffter, v. Bar, Witte, im Ganzen auch Berner. 3) Noch weiter gehen Diejenigen, welche selbst von Aus­ ländern im A- verübte Verbrechen dem inländischen Strafgesetz dann unterweisen wollen, wenn der inländische Staat oder einer seiner Unterthanen verletzt ist („passives Nationalitätsprinzip" von Heinze genannt). Anhänger desselben sind z. B. Tittmann, Oersted, Arnold, Wächter. 4) Auf Grund der Binding'schen Normentheorie verbindet Rohland die unter 2 und 3 genannten Theorien. 5) Endlich stellen sich mehrere Schriftsteller auf den Standpunkt der Anerkennung einer sittlichen Gemeinschaft unter den Böllern und Staaten, und da­ mit eine» Rechts und einer sittlichen Verpflichtung, Verbrechen zu strafen, wo immer und von wem immer sie begangen find, wenn sie nur den Charakter innerer Straf­ würdigkeit an sich tragen und nicht geringfügiger Natur find, wobei zugegeben wird, daß zur Vermeidung völkerrechtlicher Verwicklung diese sogenannte „Welt» rechtSpslege" gegenüber Ausländern zunächst in der Form deS AuSlieferuugSanerbietenS an denjenigen Staat, in dessen Gebiet daS Verbrechen begangen wurde, auSzuführen fei, und der Staat erst dann im Inland strafen solle, wenn diese» Anerbieten fruchtlos geblieben (hierher gehören mit verschiedenen Modifikationen- im Einzelnen Grolman, Jenull, R. E. Schmid, R. S. Zachariä, Ätufl, R- v. Mohl, Reinh. Schmid, v. Schwarze, Carrara). Fast vollständige Einigkeit herrscht übrigen» in neuester Zeit darüber, daß Denjenigen, welche im A gegen einen ausländischen Staat ein sogenannte» politische» Verbrechen begangen haben, Ashlrecht zu gewähren fei. d. h. daß fie weder auszuliefern (oder doch nur mit dem Vorbehalt, daß fie zwar wegen etwaiger gemeiner Verbrechen, aber nicht wegen de» begangenen politischen Verbrechens bestraft werden dürfen, auSzuliefern), noch im Inland zu bestrafen feien, da bei diesen Verbrechen die Uebung der Well­ rechtspflege (in der Form der Auslieferung oder der Bestrafung) nur zu leicht eine Unterstützung des Unrechts, der Willkür und Gewaltthätigkeit werden kann. Dieser Gedanke tritt überall in unseren AuSlieferungSverträgen der neuesten Zeit zu Tage. Abgesehen hiervon huldigten die meisten deutschen Partikulargesetze dem Personalitäts­ prinzip mit mehr oder weniger Annäherung an daS Territorialprinzip. Nach Oesterr. R. aber (in abgeschwächter Weise nach früherem Braunschw. und Sächs. 8t. und dem Oesterr. Kntw.) wird Weltrechtspflege geübt. DaS Deutsche StrafGB. steht dem Territorialprinzip leider ebenso nahe, wie daS Preuß. StrafGB. Die Abficht der Deutschen Regierungen, einen Schritt vorwärts zum „passiven Rationa­ lität-prinzip" zu machen (Entw. zur Strasgesetznovelle) fand leider kein Entgegen­ kommen im Reichstag (vgl. Krit. V.J.Schr. 19 S. 37 ff.). In der Regel bleiben also nach unserem Recht die im ,A. verübten strafbaren Handlungen im Inland straflos. Doch kann (nicht muß) auch im Inland bestraft toetbeh: 1) Ein

190 Deutscher oder ein Ausländer, der im A. gegen dar Inland Hochverrath oder ein Münzverbrechen oder als Beamter deS Deutschen Reich- oder eine» Deutschen Staat» eine Handlung begangen hat, die nach den Deutschen Gesetzen Berbrechen oder Vergehen im Amt ist; 2) ein Deutscher, der im A. LandeSverrath oder Belei­ digung eine» Bundesfürsten, endlich 3) ein Deutscher, der im A. eine nach inländi­ schen Gesetzen al» Berbrechen oder Vergehen strasbare Handlung begangen hat, sall» diese auch nach dem Gesetze de» Ort», wo sie begangen wurde, mit Strase bedroht ist und falls nicht Freisprechung, Strafvollzug, Verjährung oder Straferlaß im Aeingetreten ist, oder der etwa nach den ausländischen Gesehen erforderliche Antrag nicht gestellt ist. Im A. begangene Uebertretungen find nur dann zu bestrafen, wenn dies durch besondere Gesetze oder durch Verträge angeordnet ist. Vgl. noch über § 102 den vorigen Artikel.

Lit.: Abegg, Ueber die Bestrafung der im A. begonnenen Berbr., 1819. — Cosmann, De delictis a civibus extra civitatem snam admissis, 1827.— Tittmann, Die Strafrechts­ pflege in völkerrechtlicher Hinsicht, 1817. — Witte, Meditationes de jure international! criminali, 1843. — Krug, DaS Jnternational-R. der Deutschen, 1851. — Berner, Wir­ kungskreis deS StrafGef. nach Zeit, Raum u. Personen, 1853. — R. v. Mahl, Die völker­ rechtliche Lehre vom Asyle, in dessen StaatS-R., Verwalt.-R. u. Politik, I. Bd. 1860, S. 637 ff. — v. Bar, Das internationale Priv.- u. Straf-R., 1862. — Reinh. Schmid, Die Herr­ schaft der Gesetze nach ihren räumlichen und zeitlichen Grenzen k., 1863. — Bremer, GerichtSsaal XVII. S. 418 ff. — Carrara, Delitti connnessi all’ estero, 1867. — Heinze in Goltdammer'S Archiv für preuß. Stras-R., 1869, S. 556 ff. — v. Schwarze in v. Holtzendorff's Handb. II. S. 30 ff. — v. Bar im GerichtSs., 1876. — Rohland, Das internat StrasR., I. 1877. — v. Püttlingen, Handb. deS in Oesterr. gelt, internat. Priv.R., 2. Ausl. 1878, S. 500 ff. — Hälschner, GerichtSs. 1878, S. 161 ff. — Goos, Den danske Strafferet I. 1875, p. 205 sqq. «sgb.: Preußen §§ 4, 67-70, 78; Oesterreich §§ 36-41, 234,235; Sachsen Art. 2—9, 121; D. StrafGB. 88 3—8, 80—101, 146, 147, 149; Oesterr. Entw. I u. II, §§ 3-7. Geyer. Ausland (Vollstreckbarkeit der im A. ergangenen Erkennt­ nisse). 68 ist hierbei zu unterscheiden zwischen Straf- und Civilerkenntnisien. Freisprechenden im A. ergangenen Erkenntniffen in Strafsachen wird immer allgemeiner die Wirkung beigelegt, den Satz ne bis in idem zu übertragen auf den Fall der Konkurrenz der selbständigen Jurisdiktion zweier Staaten. In Anerken­ nung fremdländischer Rechtspflege schließt das Deutsche StrafGB. in 8 5 Z. 1 die Verfolgung au» bei rechtskräftiger (nicht blo» vorläufiger) Freisprechung eines Deutschen im A. wegen eines dort verübten Verbrechens oder Vergehens, sofern dies nicht in Hochverrath gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat, Münz­ verbrechen — absolut verfolgbar selbst gegen Ausländer —, Verbrechen oder Ver­ gehen im Amte, LandeSverrath oder Beleidigung eine» Bundessürsten bestanden hat (StrasGB. § 4, Abs. 2 Z. 1 u. 2). Abweisende im A. ergangene Erkenntniffe in Eivilsachen können wegen de» Kostenpunktes zur Anrufung des inländischen Richter» führen. Nach Preuß. Spruchpraxis ist der darauf gestützte Anspmch als Entschädigung»- nicht als JudikatSklage zu behandeln, daS Erkenntniß Beweis­ stück. — Vollstreckbarkeit im eigentlichen Sinne tritt erst da in Frage, wo ein verurtheilendeS Erkenntniß mit dem Verlangen der Vollstreckung einem in­ ländischen Gericht unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Behauptung vor­ gelegt wird, daß eS nach dem Rechte des A., wo es ergangen, vollstreckbar sei. Ist eS ein Etraferkenntniß und betrifft eS einen Ausländer, welcher Unterthan des er­ suchenden Staate» ist, so regelt fich daS weitere Verfahren nach den Grundsätzen über Auslieferung und nach den darüber abgeschloffenen Staatsverträgen. (Ueber den Fall, wenn der auSzuliesernde Fremde Unterthan eines dritten Staates ist, vgl. d. Art. AuSlieserungSverträge.) Betrifft daS Erkenntniß de» A. einen Inländer, d. h. für Deutschland einen Angehörigen eines zum Deutschen Reich ge­ hörigen Staates, so ist die Auslieferung ebenso auSgeschloffen wie die Strafvoll-

Ausland.

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streckung (StrafGB. § 9). Selbst bei gewaltsamem Ausbruch aus dem au8* ländischen Gefängniß würde der auSlündische Richter immer unzuständig bleiben, im Inland« die Fortsetzung der Strafvollstreckung zu betreiben. Stellvertretung in der Vollziehung erkannter Strafen bleibt im internationalen Recht ausgeschlossen. Wesentlich ander» liegt die Frage, ob verurtheilende Erkenntnisse des A. zu Gunsten de» Berurtheilten in Betracht zu ziehen find? Sie wird vom StrasGB. insoweit bejaht, daß eine im A. vollzogene Strase bei abermaliger Derurthellung im Anlande wegen derselben Handlung aus die zu erkeunende Strafe in Anrechnung zu bringen ist (§§ 7 ff.). Ist die im A. ausgesprochene Strase bereit» vollzogen und handelt e» sich nur um ein Verbrechen oder Vergehen, abgesehen von den im § 4 Abs. 2 Z 1 und 2 erwähnten Ausnahmen, so bleibt die Verfolgung ausgeschloffen. Dem Vollznge der Strafe ist deren Erlaß und Verjährung gleichgestM (§ 5 Z. 2). Ein neue» Strafverfahren ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn die im A. erkannte und im Lebrigen vollstreckte oder erlaffme Strafe ein Verbrechen oder Vergehen betrifft, welche» nach dem Reichsgesetz den Verlust der bürgeüichen Ehrenrechte überhaupt oder einzelner bürgerlicher Ehrenrechte zur Folge hat oder zur Folge haben kann. Hierüber ist nachträglich zu erkennen (§ 37). Für die Feststellung der Schuld ist da» auswärtige Erkenntniß nicht maßgebend. (Ander» früher da» Bayer. StrasGB- von 1861 Art. 45.) Ohne Einsdlß auf die Be­ urtheilung würde e» sein, ob die Strafe im Wege des Kriminal - oder nur de» Livilprozeffe» verhängt worden. Weit streitiger ist die Behandlung reiner Civilerkenntniffe de» A. Betreffen fie Statusfragen, so wird ihnen Anerkennung kaum versagt werden können; doch wird fich dann auch feiten eine VollstreckungSsrage daran knüpfen. Die Preußische Spruchpraxi» hat dem ausländischen, Preußische Unterthanen trennenden Ehescheidungöerkenntniß Rechtswirkung beigelegt. Handelt e» fich aber um eine durch ein ausländische» Erkenntniß dem Kläger oder Widerkläger zugesprvchene Forderung, so fragt eS fich, ob dieselbe von diesem durch einen einfachen Exekution-antrag — z. B. auf Eintragung in da» Hypothekenbuch — oder durch die Judikat»-, Man­ dats- oder eine ähnliche Klage geltend gemacht werden kann, oder von ihm auf da» ursprüngliche Sachverhältniß zurückgegangen werden muß? Die Preußische Spruchpraxi» hat fich für da» letztere ausgesprochen. Da» Urtheil hat demnach nicht Vertragswirkung (jud. contrahitur); e» würde auch nicht den partikularrecht­ lich anerkannten Urkunden mit Exekutivklausel gleich zu stellen sein. Die Ent­ scheidung ist nicht ohne Widerspruch geblieben. Andere Deutsche Gerichte find weiter gegangen, sogar bi» zur Zulassung de» einfachen ExekutioaSantrage». Dann bleibt-, jedenfalls zu Prüfen, ob ein zulässiges ExekutionSmittel vorgeschlagen (nicht Hast, nicht verbotene Beschlagnahmen u. dgl.). Ist daS Bollstreckungsgesuch von einem ausländischen Richter ausgegangen, so bleibt deffen Zuständigkeit zu prüfen, demnächst dem Gesuche Folge zu geben. In den Einzelheitm, auch bezüglich der zuverlässigen Einreden, herrscht vielfach Meinungsverschiedenheit. — Alle berührten Grundsätze können Vertrags- oder gesetzmäßig — dort regelmäßig auf Grundlage verbürgter Gegenseitigkeit — ander» geregelt werden. Am weitesten darin vorge­ schritten ist daS Deutsche Reich, innerhalb deffen in Strassachen und in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Gerichte fich Rechtshülfe zu leisten haben, gleichviel ob fie demselben oder verschiedenen Bundesstaaten angehören, ob daS ersuchte da» er­ suchende Gericht für zuständig hält oder nicht. Rur geringe Modifikationen find in Rückficht auf etwaige Verschiedenheiten der Partikulargesetze zugelaffen. Ssgb. u. Lit.: Ges. betr. d. Gew. d. Rechtshülse v. 21. Juni 1869 (B.S.Bl. S. 305 ff.): wegen Baden u. Hessen B.G.Bl. 1870, ®. 647; Württemberg das. 656. Bayern 1871, S. 89, Reichsverfaffung Art. 3 Nr. 11, 13. — Borgtet, Bollstreckung ausländ, Urtheile, in der Deutschen Ger. Ztg. 1862, S. 135 ff> — v. Bar, Das internationale Priv.- und Straf-R., 1862. — Wehell, System der ord. Civ.Prz., § 38. — Präjud. d. Ob.Trib. zu Berlin über

192 Fragen des intern. Priv.St. von Oelzen in Echletter'S Jabrbb. XII. 81 ff.. 169 ff., 271 ff. — v. Schwarze in v. Holtzendorff's Handb. d. deutsch. Etras-R., Bd. IL S. 32 ff. Schaper. ÄuSUteber ist jeder Angehörige

eines nicht zum Deutschen Reich gehörigen

Staate- und im Sinne des Landesrecht- jeder Angehörige eines zu dem betreffenden Staate nicht gehörigen Landes. Dem A. gleich wird auch Derjenige behandelt, welcher zwar das ReichSindigenat besitzt, jedoch nicht im Gebiete deS Deutschen Reichs, sondern im Auslande seinen Wohnsitz hat, §§ 24 u. 16 e contr. CPO. (Unter­

schied vom Lesterreichischen R., welches nicht aus den Wohnsitz im, Jnlande, son­ dern auf daS StaatSbürgerthum den Nachdruck legt — Förster, Preuß. Civ.R., 3. Aust., Bd. I. S- 52). Wohnsitz ist der Ort, an welchem der Mittelpunkt der Verhältnisse und der Thätigkeit eines Menschen ist, wenn er sich an demselben auch nur vorübergehend aushält (Windscheid, Paud-, 4. Aust., Bd. I. S. 89).

keit,

Die durch die SouverainitätSrechte der einzelnen Staaten bedingte Unmöglich­ gerichtliche Urtheile des einen Landes in dem anderen zur Bollstreckuug zu

bringen, erfordert für die Fälle, in welchem ein A. im Jnlande Recht nehmen will oder Recht geben soll, Garantien dafür, daß die ergehende Entfcheidung auch der Bollstreckbarkeit nicht entzogen bleibt, erfordert auch besondere Regeln für die Vollstreckung eines ausländischen Urtheils im Jnlande. Demgemäß ergiebt sich eine Verschiedenheit in der Behandlung deS A., je nachdem er im Eivll- oder im Strasversahren eine Rolle zu übernehmen hat. Im Civilverf'ahren wurde in Preußen die persona standi in judicio des A. nach § 35 d. Einl. zum A. LR. beurtheilt, nach welchem für die Handlungs­ fähigkeit deffelben dasjenige Gesetz maßgebend sein sollte, nach dem die Handlung

am besten bestehen tonn. Diesen auch dem Art. 84 der Deutschen WO. zu Grunde liegenden Grundsatz hat die EPO. adoptirt und im § 53 bestimmt, daß der A. Prozeßsähig ist, wenn er entweder nach dem Gesetze seines HeimathSorteS (Prinzip der Personalstatuten) oder. nach den Vorschriften der CPO. die Prozeß-

sähigkeit hat. Um diese auSzuschließen, muß er also weder nach den Gesetzen des Auslandes, noch nach denen des Inlandes prozeßsähig sein. Ist er eS nach den letzteren, nicht aber nach den ersteren, z. B. bei weiter hinausgeschobenem GroßjährigkeitStermine, so ist Derjenige, der nach diesem seine gesetzliche Vertretung hat, nicht berechtigt, auch im Jnlande für ihn aufzutreten: er muß deg Prozeß selbst führen. Will er a. als Kläger auftreten, so find Garantien nothwendig, daß er im Falle deS Verlustes deS ProzeffeS fowol die gerichllichen Kosten bezahlen, wie die dem Gegner erwachsenen Prozeßkosten erstatten werde, da eS dem letzteren nicht zugemuthet werden kann, zur Abwehr deS von jenem zu Unrecht geltend gemachten Anspruchs Kosten auszuwenden, deren Erstattung er trotz deS thu» günstigen Urtheils nicht erzwingen kann. ES legt deshalb daS Gesetz dem A. die Pflicht auf, zu­ nächst einen Gebührenvorfchuß zu entrichten und zwar im dreifachen Betrage des im gleichen Falle von dem Inländer zu zahlenden VorschuffeS und bei Einreichung der Klage zur Terminsbestimmung die Zahlung nachzuweisen, widrigenfalls die Vornahme jeder gerichtlichen Handlung abzulehnen ist, eS müßte denn im Verzüge .ein nicht zu ersetzender Schaden drohen (§ 85 d. Gerichtskostenges, vom 18. Juni 1878). Sodann hat er auf Verlangen deS Gegners wegen der Prozeßkosten des­ selben eine Sicherheit zu leisten, deren Höhe von dem Gerichte mit Rücksicht auf den Betrag der dem Gegner möglicherweise erwachsenden Kosten nach freiem Ermeffen bestimmt wird. Die Forderung kann vom Gegner in jeder Lage deS Pro­ zeffeS erhoben und erneut werden, z. B. bei Einlegung von Rechtsmitteln seitens deS A. (§§ 102 u. 103 d. CPO ). Zur Leistung dieser Sicherheit wird dem A. eine Frist gesetzt. Läßt er sie verstreichen und weist auch bis zur Verkündung der Entscheidung die erfolgte Hinterlegung nicht nach, so wird aus Antrag deS Beklagten die Klage für zurückgenommen erklärt, bzw. daS Rechtsmittel verworfen:

SMUtatar.

193

Von der Verpflichtung zur Zahlung de» Vorschüsse» und Stellung der Sichecheit

tritt Befreiung ein: 1) wenn da- betreffende Lu-land den Inländer al- Kläger zuläßt, ohne von ihm Vorschuß und Sicherheitsleistung zu fordern, fei e- in Folge eines Gesetze-, eine- StaatSvrrtragrS oder auch nur eine- uras fori; 2) bei dem Urkunden- und Wechfelprozeffe; 3) bei Widerklagen eine- beklagten L.; 4) bei Klagen, welche in Folge öffentlicher Aufforderung, z. B. zur Vermeidung der Prä­ klusion, angestellt werden; 5) bei Klagen auS Ansprüchen, welche im Grundbuch

einer Deutschen Behörde eingetragen find; 6) im Falle der Erlangung deS ArmenrechtS seitens des A. (§ 85 d. GerichtSkosteages. und § 107 d. CPO.), da- ihm

unter den auch ffli den Inländer maßgebenden Voraussetzungen jedoch nur dann bewilligt werden dars, wenn die Gegenseitigkeit verbürgt ist. b. Soll er als Beklagter in den Prozeß eintreten, so ist er fich einzulaffen nur verbunden, wenn der Rechtsstreit einen vermögen-rechtlichen Anspruch betrifft, und die Klage bei demjenigen — allein zuständigen — Gerichte angebracht wird, in deffen Bezirk fich der beanspruchte Gegenstand oder bei nicht aus eine speties gerichteten Klagen Vermögenswerte des A. befinden oder da- formn reconventionis oder formn contractus begründet ist. Bestehen die BermögenSwerthe in einer For­ derung, so ist der Wohnort deS Schuldner- und bei durch Pfand gesicherten For­ derungen der Ort, an welchem fich die verpsändete Sache befindet, für die örtliche Zuständigkeit des Gericht» maßgebend (§ 24 d. CPO.). Dagegen hat der in­ ländische Gläubiger da» Recht, die Anlegung de» dinglichen Arrestes aus die im Inland« befindlichen Sachen deS ausländischen Schuldner» in Höhe seiner Forde­ rung zu verlangen, und bedarf eS einer weiteren Begründung de» ArrrstgefuchS nicht (§ 797 d. CPO ).

Die Beschaffenheit deS Schuldner» als A. ist genügender

Arrestgrund. c. Hat der A. im AuSlande gegen einen Inländer oder einen A. ein Urtheil erstritten, der im Jnlande Vermögen besitzt, so kann er au» demselben nicht ohne Weitere» im Inland« eine Zwangsvollstreckung herbeisühren. Da diese nur auS den Urtheilen inländischer Gerichte zulässig ist, muß er zunächst bei dem Gerichte, bei welchem der JnÜtnder seinen allgemeinen Gerichtsstand «nd der A. den de» Vermögen» (§ 24 d. EPO.) hat, stellen. Da» Urtheil, welche» fich scheidung nicht »nterziehm darf, § 661 d. EPO gedachten fünf Klage gleichsam nur eine formelle

aus Erlaß eine» Vollstreckung-urtheil» Klage an­ einer materiellen Prüfung der ausländischen Ent­ muß erlaffen werde«, sobald nicht einer der im Fälle hindernd entgegensteht. Wenn auch die Bedeutung hat, ist dennoch auch bei ihr der A.

den oben snb a. gedachten Beschränkungen unterworfen. Im Konkursverfahren kann der A. nach zwei Richtungen hin betheiligt sein. Er kann nämlich einmal auftreten al» Gläubiger eine» inländischen Kridar» und sodann inländischen Gläubigern gegenüber al» Kridar. Im ersteren Falle

stellt ihn der 8 4 d. KO. dem inländischen Gläubiger gleich, so jedoch, daß fich diese Gleichheit nur auf die Form seiner Betheiligung am Verfahren sowie auf die den Gläubigern gewährten Rechte und die gesetzliche Rangordnung der Forde­ rungen bezieht. Nicht nach den Gesetzen de» AuSlande», solcher« nach den Bor­ schriften der KO. ist zu bestimmen, ob die Forderung de» A. eine separate oder eine bevorrechtete ist. Dagegen hat die Gleichstellung nicht die Folge, daß eine Forderung, welche im AuSlande entstanden, von dem dortigen R. al» rechtsgültig nicht anerkannt wird, im Konkursverfahren Gültigkeit erlangt, weil'da» inländische R. ihr die Anerkennung nicht versagt und inländische Gläubiger Forderungen aus demselben Fundamente geltend machen. Die Berufung auf § 4 eit. kann einer Focherung die RechtSgültigkeit nicht geben, welche ihr im Augenblick ihrer Ent­ stehung von dem die Obligation beherrschenden Rechte verweigert wird. Im zweiten Falle ist zu unterscheiden, ob über daS Vermögen des A. im AuSlande der Konkurs eröffnet worden ist oder nicht. Ist e» geschehen, so ist zwar der frühere Grund-

v. Holtzendorsf. Luc. II. Rechtslexikon I. 3. Aufl.

13

194

WaMtater.

satz, daß den inländischen Richter die Thätigkeit des ausländischen nichts augehe, und daS im Julande befindliche Vermöge» de» A. den inländischen Gläubigern resrrvirt bleibe, nicht aufrecht erhalten, vielmehr der ausländischen SerichtSthätiAkeit insoweit Anerkennung gezollt worden, al» e» dem Verwalter der Konkursmasse ge­ stattet ist, da» im Jnlande befindliche Vermögen de» KridarS zur Waffe zu ziehen. Ist jedoch bereit» eine Zwangsvollstreckung gegen da» letztere im Sange, so geht da» Recht de» Verwalter» nur auf da», was nach der Befriedigung de» die ZwangSvollstrecklng betreibenden Gläubiger» übrig bleibt. Auch kann er durch eine Be­ rufung auf § 710 d. CPO. Zwangsvollstreckungen in da» Vermögen, so lange e» sich noch thatsächlich im Jalande befindet, nicht hindern (§ 207 d. KO.). Diese Ausnahme zu Gunsten der inländischen Gläubiger und diese Einschränkung der vollen Anerkennung ausländischer GerichtSthätigkeit kann durch einen Beschluß de» BundesrathS (z. B. in Folge internationaler Verträge) aufgehoben werden. — Ist im Auslande der Konkurs nicht eröffnet, so kann dennoch über daS im Julande be­ findliche Vermögen deS A. im Inland« der Konkurs eröffnet werden, ein Verfahren, da» jedoch da» im AuSlande befindliche Vermögen de» KridarS nicht in Mitleiden­ schaft zieht (§ 208 d. KO ). Im Strafverfahren ist der A. von der Theilnahme an der Rechtsprechung auSgeschloffen. Er kann selbst dann, wenn er im Jnlande unbewegliche» Vermögen befitzt, weder Schöffe noch Geschworener fein, da beide Aemter nur von einem Deutschen versehen werden dürfen (§§ 31 u. 84 d. GVG). Dagegen kann gegen ihn ein Strafverfahren gerichtet werden, fowol wegen einer im Jnlande begangenen Verletzung inländischer Strafgesetze (§ 3 d. StrafGB.), wie wegen eine» im AuS­ lande veÄbten gegen die Integrität de» Deutschen Reich» oder eine» Bundesstaates oder gegen die Münzhoheit de» Reichs gerichteten Verbrechen» (§ 4 ibid.). Auch wegen einer im Auslande begangenen strasbaren Handlung, deren Folgen fich im Jnlande geltend machen, wie bei Preßvergehen, Nachdruck u. dgl., ist ein Versahren gegen einen A., bzw. gegen die Produkte seiner Handlung möglich. Hat der A. eine strafbare Handlung im Jnlande begangen, so erfordert nicht blos die Sicherung der künftigen Strafvollstreckung, sondern auch da» im Strasverfahren geltende Prinzip der persönlichen Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung ein sofortiges Einschreiten gegen ihn und ein Festhalten seiner Person^ Sobald ein gegründeter Zweifel darüber besteht, daß er der Vorladung oder dem Urtheil Folge leisten werde, gilt er al» der Flucht verdächtig, und seine Verhaftung ist selbst dann gerechtfertigt, wenn die strafbare Handlung fich al» eine Uebertretung qualifizirt. Mrd er gegen Sicherheitsleistung aus der Untersuchungs­ haft entlaffen, waS nur dann gerechtfertigt erscheint, wenn die That nur mit Geld­ strafe und Einziehung bedroht ist und somit zu den im § 231 d. StrasPO. ge­ dachten gehört, so ist er behufS Ermöglichung seiner Ladung zur Hauptverhandlung verbunden, einen im Bezirk de» Gerichts wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen. Hat er eine im Jnlande verfolgbare That im AuSlande verübt, so kann eine Strafverfolgung nur eintrrten, wenn er im Jnlande ergriffen wird, und ist dann dasjenige Gericht zuständig, in deffen Bezirk die Ergreifung erfolgt ist, oder in der Form deS Verfahrens gegen Abwesende, im welchem Falle daS Reichsgericht daS zuständige Gericht zu bestimmen hat (§ 9 1. c.). Dieselbe Thätigkeit de» Reichsgericht» tritt auch dann ein, wenn da» Strafverfahren nicht gegen die Person deS A., sondern gegen die Produkte seiner Handlung gerichtet werden soll. Eine AuSlieserung deS verurtheilten A. an da» Inland behufs Vollstreckung der Strafe findet nicht statt und kann auch in internationalen Verträgen nicht bedungen werden, weil fie einen Eingriff in SouveränitätSrechte enthalten würde. Ebenso­ wenig erfolgt die Vollstreckung inländischer Strafurtheile im AuSlande oder aus­ ländischer im Jnlaude schon deshalb, weil bei anderen als Geldstrafen daS richtige Verhältniß zwischen dem im Urtheile bestimmten Uebel und dem durch die Voll­ streckung zur Ausführung zu bringenden fehlt.

VtilWet

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Im Privatklageverfahren endlich find für die Einleitung der Anklage die Regeln de» EivilverfahrenS maßgebend (§ 419 d. StrafPO. und § 85 b. 6trichtSkostengef.). 68 hat deshalb der A. den Kostenvorschub z« entrichten, widrigen­ falls eine Verfügung auf feine Anklage nicht ergeht. Er hat auch auf Verlangen des Beschuldigten wegen der diesem voraussichtlich erwachsenden Kosten Sicherheit zu leisten. Bon diesen Verpflichtungen wird et unter denselben Bedingungen, wie im Eivilverfahren frei. Tritt er nur alSRebenkläger auf, so trifft ihn die Verbindlichkeit zur Vor­ schußzahlung und Sicherheitsleistung nicht (§ 486 1. c.). Legt er aber sellistüudig ein Rechtsmittel ein, so steht er dem Inländer darin gleich, daß er de« gewöhnlichen Kostenvorfchuß entrichten muß. Meves.

Ausländer (polizeilich). Schon da» ältere Deutsche R. der historischen Zeit sah den Fremden nicht als rechtlos an (Wilda). Allein da er zu len öffent­ lichen Lasten (Heeresfolge) nicht beitrug und an den politischen Rechte« nicht Theil nahm, blieben ihm alle diejenigen Rechte verschlossen, welche selbst wieder Wirkungen politischer Art hatten, und in Verbindung hiermit bestand die Tendenz, ihn auch sonst rechtlich zu beschränken, soweit eS das öffentliche Interesse des Inlandes zu erfordern schien. Der A. durfte keine Grundstücke erwerben, keine Lagerräume zu Handelszwecken ermiethen (Hamburg 1654), konnte auSgewiesen werden. In ähn­ licher Weise hatte da» Röm. R. der Augusteischen Zeit zwar die Fremdm nicht von Rom ausgeschloffen (praetor peregrinus), aber ihren Uebertritt über die Grenze aus militärischen und kommerziellen Gründen mehrfach beschräickt (vgl. Mar­ quardt, Röm. Staatsverwaltung, I. 420). Das geltende Recht hält den GefichtSpunkt fest, wobei für Deutschland festzuhalten ist, daß der Angehörige eine« jede« Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu behandeln ist (RBerf. Art. 3; für Oesterreich s. Gesetz v. 21. Dezbr. 1867 Rr. 4, R.S.Bl. S. 68): der A wird vom Aufenthalte im Reichsgebiete grundsätzlich nicht auSgeschloffea, er bedarf zum Eintritte in letztere« und zum Aufenthalte daselbst keiner vorgängig« Erlaubniß und keine» Reisepapiere», und hat flch nur, wie der Inländer, auf amt­ liches Erfordern über seine Person genügend auszuweisen (RPaßgefetz von 1867; für Bayern Ges. v. 16. April 1868, Art- 50). Er kann gleich dem Inländer stehende Gewerbe (RGewerbe-Ordn. § 1: „Jedermann"; dagegen Oesterreich § 10) sowie Bergbau (s. d. Art. Bergrecht) betreiben und Erfindungspatente beanspruchen (RPatentgesetz § 1; Vertretung auswärts Wohnender § 12). Selbstverständlich ist er den allgemeinen Polizeigesetzen, welche nur wirksam durchgeführt werde» können, wmn ihnen alle Landeseinwohner nachleben, unterworfen (z. B. der Imps­ pflicht; für Rom vgl. da» Sempronische Kreditgesetz v. 561a. n. c., LiviuS 35, 7). Dagegen hat er tönen Anspruch aus Zulassung zum Gewerbebetriebe im Umher­ ziehen, wiewol er zugelafien werden kann (RGewerbe-Ordn. § 57; Bestimmungen des Reichskanzlers v. 7. März 1877, Eentralbl. S. 142; Oesterr. Haufirpatent v. 4. Septbr. 1852, § 3); vom Marktvertehre darf er im RetorstonSwege auSgefchloffen werden (durch den Bundesrath, RGewerbe-Ordn. § 64; Oesterr Gewerbr-Ordn. § 64). Im Falle der HülfSbedürftigkeit ist er (vorläufig vom OrtSarmenverbande; definitiv vom Bundesstaate, welchem letzterer angehört, UnterstützungSgefetz § 60) zu unterstützen, bis Transportfähigkeit vorliegt und Ausweisung oder Ueberführung an de« HeimathSstaat bewirkt wird. Er kann nicht nur gleich dem Inländer ortsverwiesen (s. d. Art. Aufenthaltsbeschränkungen), son­ dern auch au» dem Staats- und bez. Reichsgebiete verwiesen oder ausgeliefert werden, und zwar au» ersterem verwiesen nicht blos in denjenigen Fällen, wo da» Reichsstrafrecht den Landespolizeibehörden diese Befugniß ertheilt (bei Unterstellung unter Polizeiaufsicht, § 39; bei Berurtheilung wegen gewerbsmäßigen Glückspiel», § 284 ; bei, bez. mehrmaliger, Berurtheilung nach § 361, 3—8 im Falle der 13*

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«uSlteferungSprOvtßm» — »Klirfminttotrtriflt.

Ueberweifung an die Lande-polizeibehärde, § 862), sondern auch in allen anderen Fällen, wo bat dffmtliche Interesse eine solche Maßnahme angezeigt erscheinen läßt, B. wegen Eicherheittgefährlichkeit (Jesuiten, RGes. v. 4. Juli 1872, § 2; Sozialdemokraten, RGes. v. 21. Oktbr. 1878, § 22), Mittellosigkeit, Unterstützung-» bedürstigkeit. Bruch der Lande-- oder Reich-Verweisung wird mit Haft bestraft (StrafGB. § 361, 2); die Dauer der Berweifung in den Fällm de- RStrafSB. braucht nicht auf bestimmte Zeit befchränkt zu werden (Erlaß de» Reichskanzleramts v. 8. Oktbr. 1873; Preuß. Justiz-Min Bl. S. 282). Rach Part R- regelt sich für den A. die Fähigkeit zum Grunderwerbe, die Schulpflicht, die Zulaffung zur Ehe» fchlietzung (Civilehegesetz § 38) fowie zur Theilnahme an der Leitung von Vereinen und Berfammlungen, und die Besteuerung verschieden; nach demselben bestimmt sich auch die Recht-» und Geschäftsfähigkeit der juristifchm Personen (z. B. Ver» ficherung-», Industrie» u. dgl. Gesellschaften) de» A. (Gewerbe-Ordn. § 12). Durch Staatövefträge find vielfach internationale Verpflichtungen geschaffen bezüglich der Zulaffung fremder Staat-angehdrigen und Schiff« im Jnlande und feinen Häfen zum Aufenthalle, Gewerbe» und Handelsbetriebe (Frieden-», Freundschaft»», Handel»», Zoll» und Schiffahrt-Verträge), bezüglich der Auslieferung von A. Wege« begangener Berbrechen (f. d. Art. Auslieferungsverträge) sowie der einstweiligen Unter­ stützung Hülfsbedürftiger und der Uebernahme auSgewiefener Fremden (zwischen Deutschland und Frankreich zuletzt 1875, Eentralbl. S. 475; mit Dänemark 1874, S. 31; mit Belgien 1877, S. 411), endlich bezüglich gegenseitiger Zulaffung von Medizinalperfonen im Grenzverkehre (Niederlande, RGBl. 1874, S. 99) und der Leichentransporte. — Hinsichtlich der Ausweisung von Reichsinländern aus Bundes­ staaten, in welchen sie nicht heimathSangehürig find, kommen in Betracht: Frei» zügigkeitSgefeh v. 1. Rovbr. 1867, § 3 (dazu Goltdammer, Archiv, 16, 449), wonach solchen Personen, welche landeSgefetzllch wegen Bestrafung in einem Bundes­ staate Aufenthaltsbeschränkungen unterliegen, oder welche in einem Bundesstaate in den letzten 12 Monaten wegen wiederholten Bettelns oder Landstreichen» bestraft worden find, der Aufenthalt in jedem anderen Bundesstaate lande-polizeilich verweigert werden kann sowie noch Bayern gegenüber Art. 3 deS Schlußprotokolls v. 23. Rovbr. 1870 (R.G.Bl. 1871, S. 23) und bezüglich Elsaß-Lothringen» § 7 des Freizügig» keil-gesetzt- (RGes. v. 8. Jan. 1873, § 1). Leuthold. AuSUefermtgSproVisto«, s. Kommissionsgeschäft.

Attsliefermrgiverträge (vgl. auch d. Art. Asylrecht). A. wurden von folgenden Staaten abgeschloffen: Von Belgien mit Frankreich vom 15. Aug. 1874 (Mart N. R. G. If. Sdr. T. I. 140); mit dem Deutschen Reich vom 24. Dezbr. 1874 (ibid. 546); mit der Schweiz vom 13. Mai 1874 (ibid. 197); mit Portugal vom 8. März 1875 (ibid. T. II. 166); mit Schweden vom 26. April 1870 (Svensk FörfattningsSamling 1870, No. 37); mit Rußland vom 1872 (M. N. R. G. II. Sdr. T. I. 184); mit England vom 31. Juli 1872 (ibid. 178) und Vom 20. Mai 1876 (ibid. T. II. 153) nebst ddclarat. addit. vom 23. Juli 1877 (ibid. 165); mit Oesterreich vom 16. Juli 1853 (ibid. T. I. 153) nebst conv. addit. vom 18. Mär, 1857 (ibid. 155) und vom 13. Dezbr. 1872 (ibid. 156); mit Italien vom 15. Januar 1875 (ibid. 169); mit den Niederlanden vom 16. Januar 1877 (ibid. T. II. 6); mit Spanien vom 17. Juni 1870 (ibid. 138) nebst ddclarat. vom 28. Januar 1876 (ibid. 144); mit Dänemark vom 25. März 1876 (ibid. 171); mit Luxemburg vom 23. Oktbr. 1872 (ibid. T. I. 189); mit Monaco vom 29. Juni 1874 (ibid. 202); mit den Bereinigten Staaten von Nordamerika vom 19. März 1874 (ibid. 51); mit Brasilien vom 21. Juni 1873 (ibid. 193); mit Peru vom 14. Aug. 1874 (ibid. 218).

Bou Dänemark mit Schweden vom 10. Dezbr. 1809 (art. IX. u. sdpard M. N. B. G. I. 228 ff.) ausgedehnt auf Norwegen am 7. März 1823 (ibid. VII. 1. 15 § 14); mit England Vom 31. Mär, 1873 (M. N. R. G. IL Sdr.T.I. 297); mit Rußland am 14./2. Oktbr. 1866 (f. Russische vollständige Gesetzessammlung); mit Italien vom 19. Juli 1873 (M. N. R. G. II. S6r. T. I. 303); mit den Niederlanden vom 28. IM 1877 (ibid. T. II. 40); mit Belgien (s. Belgien). Bom Deutschen Reich mit Italien vom 31. Dttbt. 1871 (M. N. R. G. XIX. 64); mit England vom 14. Mai 1872 (ibid. 72); mit Luxemburg vom 9. März 1876 (ibid. IL S4r. T. II. 242); mit der Schweiz vom 24. Januar 1874 (ibid. 247); mit Schweden und Norwegen vom 19. Januar 1878 (Deutsches R G Bl. 1878, S. 110); mit Spanien vom 2. Mai 1878 (ibid. 213); mit Bräfilie» vom 17. Septbr. 1877 (ibid. 293); mit Belgien s. o.; für die Staate» des früheren Deutschen Bunde» kommt Oesterreich-Ungarn gegenüber in Betracht: der BundeSbefchluß vom 26. Jan. 1854 (Preuß. Gesetzfamml*S. 359). Boa einzelnen Deutsche» Staaten: von Preuße» mit den Ber­ einigten Staaten von Nordamerika vom 16. Juni 1852 (Deutsches B.G.Bl. 1868, S. 231), Ausdehnung desselben auf alle Staaten de» Norddeutschen Bundes durch Vertrag vom 22. Febr. 1868, Art. 3 (ibid. 229); derselbe Nordamerikanische Ver­ trag von 1852 gilt auch für Hessen südlich de» Mains (1854), für Württemberg (1854); mit Frankreich vom 21. Juni 1845 (M. N. R. G. VIII. 330); Ausdehnung desselben auf Elsaß-Lothringen am 11. Dezbr. 1871 (Deutsches RGefetz von 1872, § 20); mit den MHerlanden vom 17. Rov. 1850 nebst conv. add. vom 20. Juni 1867 (M. N. R. G. XIX.. 44 u. 49); von Bayern mit den Ber­ einigten Staaten von Nordamerika vom 12. Septbr. 1853 (Bayer. Regierungsbl. 1854, Nr. 58), mit Frankreich vom 23. Mär, 1846 (M. N. R. G. IX. 89) und am 29. Nov. 1869 (Bayer. Regierungsbl. Nr. 64); mit Rußland vom 14./26. Fckr. 1869 (Bayer. Regierungsbl. Nr. 30) und mit den Niedeüandm vom 28. Okübr. 1852; vom Rdnigreich Sachsen mit Frankreich vom 28. April 1850 (M. N. R. G. XV. 26) imd den Niederlanden vom 28. Mai 1856; von Württem­ berg mit Frankreich vom 25. Januar 1853 (Regierungsbl. Nr. 7) u. d. Nieder­ landen vom 23. Aug. 1852 (Regierungsbl. Nr. 28); von Hessen mit Fmnkreich vom 26. Januar 1853 (Regierungsbl. Nr. 14), mit den Niederlande» vom 14. Sept. 1853 (Regierungsbl. Nr. 48) und mit Rußland vom 15./3. Novbr 1869 (Regierungsbl. 1870, Nr. 5); von Baden mit Frankreich vom 27. Juui 1844 (M. N. R. G. VII. 125) und den Bereinigten Staaten von Nordamerika vom 30. Jan. 1857 (Bad. Regierungsbl. Nr. 15), mit den Niederlanden vom 8. Novbr. 1864 (Bad. Regierungsbl. Nr. 22). Bon England mit Oesterreich vom 3. Dezbr. 1873 (M. N. R. G. II. S4r. I. 527); mit Italien vom 5. Febr. 1873 (ibid. 380); mit Schweden und Norwegen vom 26. Juni 1873 (ibid. 570); mit der Schweiz vom 31. März 1874 (ibid. 574); mit den Niederlanden vom 19. Juni 1874 (ibid. 584); mit Frankreich vom 14. Aug. 1876, ratif. am 8. April 1878 (ibid. T. II. 456); mit den Bereinigten Staaten von Nordamerika vom 19. Novbr., 1794. art. XXVII. (M. R. V. 686) und vom 9. Aug. 1842, art. X. (M. N. R. G. III. 463); mit Brasilien vom 13. Novbr. 1872 (M. N. R. G. II. Str. L 588); mit Haiti vom 7. Dezbr. 1874 (ibid. T. II. 541); mit Honduras vom 6. Januar 1874, ratff. am 12. Oktbr. 1875; mit Frankreich in Bezug aus die beiderseitigen ostindischen Besitzungen vom 31. Aug. 1787, art. VII. (M. Rec. IV. 285); für die Englffch-ostindische Compagnie mit Nepal vom 10. Febr. 1855 (M. N. R. G. XVI. 2. 127); ant Bel­ gien, Dänemark und dem Deutschen Reich s. o. Bon Frankreich mit der Schweiz vom 18. Juli 1828 (M. N. R. VH. 665); mit den Bereinigten Staaten von Nordamerika vom 9. Novbr. 1843 (M. N. R. G. VI. 660. VII. 574) nebst art. add. vom 24. Febr. 1845 (ibid. VIII.

198 116) und vom 10. gebt. 1858 (ibid. XVII. 1. 228); mit de» Wcbedanbcn vom 7. Novbr. 1844 (ibid. VH. 571) nebst convenL add. vom 2. Aug. 1860 (ibid. XVII. 1. 273); «it Neugranada vom 9. April 1850 (ibid. XV. 187); mit Spanien vom 26. Ang. 1850 (ibid. XVI. 1. 484); mit ben Niederlanden ftc bie Franzäfisch-ostindischen mit ben Holländisch-ostindischen Kolonien vom 8. August 1860 (ibid. XVII. 1. 278); mit Schwede« vom 4. Juni 1869 (8. F. S. 1869, «t. 72); mit Italien vom 12. Mai 1870 (M. N. R. G. II. Sdr. 1. 361) nebst dSclar. explicat. des art. 1 vom 16. Juli 1873 (ibid. 367) und döclar. add. vom 16. Juli 1873 (ibid.); mit Portugal vom 13. Juli 1854 (ibid. 458) nebst ddelar. add. vom 30. Dezbr- 1872 (ibid. 461); mit Luxemburg vom 12. Sept. 1875 (ibid. T. II. 195); mit Monaco vom 8. Juli 1876 (ibid. 200); mit Peru Vom 30. Septbr. 1874, ratif. am 19. Januar 1876 (ibid. 190); mit Belgien, Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Großherzogthmu Hessen, Baden, Eng­ land s. o? Bon Italien mit Schweden vom 20. Septbr. 1866 (8. F. 8. 1866, Nr. (73; mit der Schweiz vom 22. Juli 1868 (M. N. R. G. II. S6r. I. 371) nebst art. compl. vom 1. Juli 1873 (ibid. 877); mit Oesterreich vom 27. gebt. 1869 (ibid. 834), nebst ddclar. vom 15. Mai 1871 (ibid. 345); mit Rußland vom 18./1. Mai 1871 (ibid. 388); mit Brasilien vom 12. Novbr. 1872 (ibid. 419); mit Mexiko vom 17. Dezbr. 1870, ratif. am 30. April 1874 (ibid. 431); mit Salvador vom 29. März 1871, ratif. am 21. Septbr. 1872 (ibid. 438); mit Costa-Nica vom 6. Mai 1873, ratif. am 16. April 1875 (ibid. 446); mit Bel­ gien, Dänemark, dem Deutschen Reich, England, Frankreich s. o. Bon den Niederlanden mit Luxemburg vom 21. Juni 1877 (M. N. R. G. II. S6r. n. T. 35); mit Monaco (ibid. 44); mit Orange vom 14. Novbr. 1874 (ibid. 51); mit Belgien, Dänemark, Preußen, Bayern, Sachsen, Hessen, Württemberg, Baden, Frankeich s. o. Bon Oesterreich mit der Schweiz vom 14. Juli 1828 (M. N. R G. VII. 646, IX. 22; mit Rußland vom 15./3. Oktober 1874 (M. N. R. G. II. S6r. I. 512); mit Montenegro vom 23. Sept. 1872 (ibid. 525); mit Belgien, England, Italien s. o. Bon Portugal mit Spanien vom 8. März 1823 (M. N. R. VI. 242), nach Calvo, dr. intern., (II. AuSg. I. 503) auch vom 25. Juni 1867 und 27. Mai 1868; mit Schweden vom 17. Dezbr. 1863 (8. F. 8. 1864, Nr. 44); mit der Schweiz vom 30. Oktbr. 1873 (M. N. R. G. II. 8sr. I. 476); mit Belgien, Frankeich s. o. Don Rußland mit der Schweiz vom 17. Novbr. 1873 (M. N. R. G. II. Sör. I. T. 607); mit Spanien vom 21. März 1877 (ibid. II. T. 565); der Kartelvertrag mit Preußen ist aufgehobm; mit Belgien, Dänemark, Bayern, Hessen, Italien, Oesterreich s. o. Bon Schweden und Norwegen mit Belgien, Dänemark, dem Deutschen Reich, England, Frankeich, Italien, Portugal s. o. Bon der Schweiz mit Luxemburg v. 10. gebt. 1876 (M. N. R. G. II. S6r. II. T. 84); mit Belgien, dem Deutschen Reich, England, Frankreich, Italien, Oesterreich, Portugal, Rußland s. o. Bon Spanien mit Belgien, dem Deutschen Reich, Frankeich, Portugal, Rußland s. o. Bon den Bereinigten Staaten von Nordamerika mit der Türkei vom 11. Aug. 1874 (M. N. R. G. II. 84r. I. 66); mit Orange vom 22. Dezbr. 1871, ratif. am 18. Aug. 1873 (ibid. 69); mit Nicaragua vom 25. Juni 1870, ratif. am 24. Juni 1871 (ibid. 74); mit Salvador vom 23. Mai 1870, ratif. am 2. März 1874 (ibid. 77); mit Ecuador vom 28. Juni 1871", ratif. am 12. Novbr. 1873 (ibid. 94); mit Peru vom 12. Septbr. 1870, ratif. am 28. Mai

1874 (ibid. 108); mit Belgien, Preußen, dem Norddeutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Hessen, England, Frankreich f. o. Die vorstehend verzeichneten Verträge enthalten Bestimmungen über die Aus­ lieferung von Verbrechern und find auch meist ausdrücklich als Berbrecher-A. bezeichnet, nur einige Verträge älterer Zeit, wie die von England mit Frankreich (1787) und von England mit Amerika (1794) und Verträge mit außereuropäischen Staaten und dieser unter einander (Friedens- und Handelsverträge) find Verträge allgemeinerm und hauptsächlich anderm Inhalts. Außerdem find unter europä­ ischen Staatm häufig sogm. Kartellverträge abgeschlofien wordm, welche sich aber meist aus di« Auslieferung von Desertmrm und Militärpflichtigm, Vagabunden, seltenn auf die von Verbrechern beziehen; zu dm lehtgenanntm gehört beispiels­ weise dn „Polizeivertrag" zwischm Frankreich und Spanim vom 3. Juni 1777 (M. R. II. 536). Nach dn jetzt geltenden wissenschaftlichen Terminologie bezeichnet man mit diejenigen, welche fich auf die Auslieferung von Bnbrechnu beziehm, und werden wir uns dahn auf solche beschränkm. Diese Verträge werden hänfign in unserem Jahrhundert, kommm aber schon vor im 18., z. B. bet Ver­ trag Frankreichs mit Spanim vom 29. Sept, und mit Württemberg vom 3./9. Dez. 1765 «. a. Don den verschiedmm Staatm habm in frühnrn Jahrzehnt« einerseits Eng­ land und die Bereinigtm Staaten von Nordamerika verhältnißmäßig am wenigstm A. abgeschloffen, weil sie fich zu gmügendm Konzessionen nicht verstehm wollten, und andererseits Oesterreich und Rußland, weil sie Auslieferung wegen aller oder möglichst titeln Verbrechen fotbnten. England und die Bneinigtm Staatm von Nordamerika, namentlich ersteres, haben in nmestn Zeit eine bei Weitem größne Zahl von Verträgen abgeschlossen und fich zu weitergehmden Au-lieferungSgewährungen verstanden und hat Rußland dem von Belgim und Frankreich hauptsächlich initiirtm mittlnen System fich angeschloffm und demzufolge auch in nmestn Zeit zahlreichne Verträge abgeschloffen. Zahlreichne Verträge find schon in frühnm Jahrzehnten abgeschloffen wordm von Belgien, Frankreich, dm Deutschen und Jtalimischm Staatm. Dn Kreis dn AuSlieferungSvnbrechm hat fich abn immn mehr erweitert und umfaßt mit Ausschluß dn politischen und religiöfm Bnbrechen schon SpezieS aus fast allen Hauptgattungen (f. diese in Hefftn'S Strafrecht), namentlich Mord, Todtschlag, KindeStödtung, Vergiftung, Nothzucht, Hausfriedens­ bruch, Fälschung, Münz» unb Papiergeldfälschung und -Nachahmung sowie Antrieb deS gefälschten, falsches Zeugniß, vorsätzlichen Bankerutt, Veruntreuung, Meineid, FleischeSverbrechm, Diebstahl, Raub, Bnbrechen von EivilstaatSdimnn. England und die Bneinigtm Staaten von Nordamerika lieferten nur wegen dn schwersten Berbrechen auS. England im Vertrage mit dm Bereinigten Staatm von Nord­ amerika (1794) nur wegen Mord und Fälschung, im Vertrage mit Frankreich (1843) und Dänemark (1862) auch wegen betrügerischen BanknuttS, im Vertrage mit den Bneinigtm Staatm von Nordamerika (1842) noch wegen Mordbrennern, Raub, Seeräuberei; dagegen im Anträge mit dem Deutschen Reich (1872) auch wegen Mordversuch, Todtschlag, vorsätzlicher Brandstiftung, Nothzucht, Entführung, Kinderraub, Nachmachen oder Fälschung von Münz- unb Papiergeld, Diebstahl und Unterschlagung, Erpressung, mit einer Strafe bedrohtn Untreue eines BerwalterS oder Mandatars, Einbrechen und Eindringen in ein Wohnhaus mit verbrecherifchn Abficht und verfchiedmer gegen ein Schiff, deffen Personal oder Paffagiere begangener Bnbrechen. Englands Bertrag mit Italien enthält fast dieselben Berbrechen wie das AuSlieferungSgcfrtz von 1870, nur ist die Auslieferung wegen TodtfchlageS auf die Bnbrechen beschränkt, welche durch dm Italienischen Kodex als „absichtlich zugrfügte Wundm und Schläge, die den Tod nach fich ziehen", be­ zeichnet find. Die Bneinigtm Staaten von Nordamerika hatten schon 1843 im Bertrage mit Frankreich die Auslieferung wegm Nothzucht, Unterfchlagüng und Dieb-

200 stahl übernommen. Schon 1787 hatte aber England im Vertrage ant Frankreich, freilich nur für die resp. Ostindischen Besitzungen Auslieferung zugestandeu wegen „offene« committed or debts contracted“. In seinen Acten von 1870 und 1873 und feinen neuesten BertrLgen hat England den Kreis der Auslieferung-Verbrechen sehr erweitert. Schweden liefert im Vertrage mit Oesterreich and wegen Ver­ letzungen und Verwundungen, welche eine Krankheit oder eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 20 Jahren oder, nach dem Vertrage mit Belgien, eine scheinbar unheilbare Krankheit oder den absoluten Verlust deS Gebrauchs eine- Organ- her­ beigeführt haben; nach den Verträgen mit Oesterreich, Frankreich, Belgien auch wegen jeden Diebstahls, nach dem Vertrage mit Italien nur wegen qualifizirten; nach dem Vertrage mit Oesterreich auch für Verleumdung und nach dem mit Bel­ gien sogar für Vergiftung fremder Thiere. Rußland hatte früher wegen aller Verbrechen und Vergehen die Auslieferung bedungen in seinen Verträgen mit Preußen (1830, 1844 und 1857), ebenso Portugal und Spanien in ihrem Vertrage (1823). In seinen neueren Verträgen hat aber Rußland nur wegen namentlich bezeichneter und mit einer bestimmten höheren Strafe bedrohter Ver­ brechen die Auslieferung gefordert und übernommen und haben auch Portugal und Spanien in ihren resp. Verträgen mit Schweden und Frankreich sich auf namentlich angeführte Verbrechen beschränkt. Im Vertrage Rußland- mit Chiwa v. 12. Aug. 1'873 verpflichtete sich indeß letzteres jeden Verbrecher aus der Zahl der russischen Unterthanen, der in das Chanat geflohen, der nächsten russischen Autorität zu überliefern. Belgien hat schon in früheren Dezennien Auslieferung auch wegen Münzfälschung und falschen ZeugniffeS, so z. B. im Vertrage mit Frankreich (1834), übernommen, wegen Prellerei und Erpreffung in Verträgen mit verschiedenen Deutschen Staaten 1836, 1845 und 1846. Frankreichs Verträge enthalten gleichfalls schon in früherer Zeit weitergehmde und mit den Belgischen Verträgen im Wesentlichen übereinstimmende Bestimmungen. ES lieferte auS im Vertrage mit Künigr. Sachsen (1850) auch wegen abos de contiance domestique, im Ver­ trage mit dem Kirchenstaat (1859) aber auch wegen Entmannung, Abtreibung der Leibesfrucht, Schläge, absichtlicher Verwundung. Italienischen Verträgen ist die frühzeitige Hineinziehung einer größeren Zahl von FleifcheSverbrechen eigenthümlich. Am weitesten gingen aber Oesterreich und der Kirchenstaat, indem sie einander Auslieferung in Gemäßheit ihrer resp, derzeitigen und zukünftigen Gesetzgebung zu­ sagten. Daß Deutsche und Italienische Staaten unter einander frühzeitig und weiter gehende Verträge abschloffen, erklärt sich au- gemeinschaftlicher Nationalität, als stärkeres Band hat sich aber auch hier die engere politische Zusammengehörigkeit erwiesen. Indeß bedingt die Konstitution der Vereinigten Staaten von Nord­ amerika art. IV. Sect. 2 nur für Verrath, Felonie oder ein anderes hohes Ver­ gehen Auslieferung, also nicht wegen niederer, jedenfalls aber für politische, wo­ gegen die Schweizerische Verfaffung von 1848 Art. 50 diese gerade ausschließt und die vom 29. Mai 1874 Art. 67 noch Preßvergehen hinzufügt, während wiederum der Deutsche Bund sie wiederholt: 5. Juli 1832, 18. Aug. 1836 u. 26. Januar 1856, beschloß. Der Norddeutsche Bund vereinbarte ein besondere- Gesetz zur Gewährung der Recht-Hülse am 21. Juni 1869 (B.G.Bl. 1869, S. 305), welchevom 1. Juli 1871 im Deutschen Reich (v. Holtzendorff, Jahrb. I. 207) und am 11. Dezbr. 1871 auch in Elsaß-Lothringen (RGBl. 1871, S. 448) wirksam ge­ worden, nachdem schon früher Baden am 14. Jan. 1870 (B.G.Bl. 1870, S. 67 bis 77) und Großh. Heffen am 18. März 1870 (B.G.Bl. S- 607—617) Verträge mit dem Norddeutschen Bunde aus Grundlage jene- Gesetzes geschloffen. Der zweite Abschnitt diese- Gesetzes behandelt „die Rechtshülfe in Straffachen". Danach kann die Auslieferung von einem Bundesstaat verlangt werden, wenn die strafbare Handlung in dem Gebiete des Bundesstaates des requirirenden Gerichtes verübt wurde (§ 211; die auSzulieferndr Perfon kann dann selbst dem requirirten Staate

WitUtefcnM|Mcrtti|e.

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angehören (§ 23), unb sie wird nut baun nicht auSgeüesert, wenn in dem requirirten Staate in Ansehung der strafbar« Handlung ein Gerichtsstand begründet und da» Strafverfahren früher al» in dem requirirenden Staate anhängig geword« ist (§ 24). Die Auslieferung wegen politischer Verbrech« oder Vergehen fistirte da» ursprünglich Norddeutsche Bundr-gesetz nur bi» zum Erlaß eine» gemeinsamen StrafKB (§ 25). Da ein solche» mm für dm Norddeutschen Bund vom 1. Jan. 1871 und für da» Deutsche Reich vom 1. Jan 1872 in Arast getret«, so ist für da» Deutsche Reich die AuSlieferuug für politische Verbrech« und Vergeh« mmmehr bindende» Gesetz. In Berträg« fremder Staat« mit einander ist die Aus­ lieferung Politischer Verbrecher früher zugestanden Word« von Preußen, Oesterreich und Rußland in ihrer Konvention von 1884 für ihre ehemalig« Poknschm LandeStheile, von der Schweiz in.Berträg« mit Baden (1808 unb 1820), mit Oester­ reich (1828) und Frankreich (1828). Heute wird außer bei den vorher gedacht« engerm Staatenverbindung« wol au»nahmSlo» eine Auslieferung wegen eine» eigentlichen und blo» politisch« Verbrech«» nicht weiter gewährt und find di« früherm widersprechenden Vertragsbestimmungen al» aufgehoben zu betrachten. Dagegm weisen die neueren Verträge einige Kautelen rückfichllich vermeintlicher politischer Verbrechen auf. Rach Rußland» Vertrage mit Belgien (Art. 11) soll al» ein politische» Verbrechen oder al» eine mit diesem in Verbüßung stehende

Handlung nicht angesehen werden ein Attmtat auf die Person eines ausländischen Herrschers oder auf die Glieder seine» Hause», wenn dasselbe einen Mordanschlag oder ein« Vergiftungöversuch in fich schließt. Die Verträge Rußland» mit Hess« und Bayern fiadm e» (Art. 6) selbstverständlich, daß unter einem politisch« Ver­ gehen nicht ein Attentat gegen die Person eine» ausländischen Herrscher» verstanden werden kann, wmn durch dafielbe Tod oder schwere Verwundung oder Krankheit verursacht wird. Der Vertrag mit Heffen hat auch die Glieder de» Herrscherhaus«» einbegriffen. Auch der Vertrag Schweden» mit Frankreich (Art. 7) erklärt für kein politische» Verbrech«, noch al» ein damit verbundene» da» Attentat gegen die Person eine» fremden Herrscher» oder gegm die Mitglieder seiner Familie, w«n diese» Attentat in fich schließt ein« Mord oder Vergiftung oder den Versuch beider. Dagegen kann nach dem Vertrage Rußland» mit der Schweiz (1873) ein politischer Verbrecher für keine Handlung verfolgt werden, welche in Verbindung mit einem solchen Verbrechen steht (Art. 8). — Rach dem Vertrage England» mit dem Deutschen Reich aber (Art. 6) soll die Auslieferung auch dann nicht erfolg«, w«n der Auszuliefernde beweisen kann, daß der Antrag auf seine Auslieferung in Wirklichkeit mit der Absicht gestellt wurde, ihn wegen eine» Verbrechen» oder Ver­ gehen» politischer Ratur zu verfolgen oder zu bestrafen. In verschiedenen Belgischen Verträgen wird da» Recht Vorbehalten, auch wegen stipulirter Verbrechen au» Rückficht« der Billigkeit und Menschlichkeit nicht au»* zuliefern. Rach dem Vertrage Schwedens mit Italien ist da» Vorbehalten für spezielle und außerordentliche Fälle, indeß müßen die Motive der AuSlieferungSweigerung angegebm werden. Rach einigen Verträgen (Englisch-deutschen, Belgifch-norddmtschen, Russisch­ belgisch«, Russisch-dänisch«, Italienisch-schwedischen, Oesterreichisch-schwedisch«) kann die AuSliefernng nur wegm einer auf dem Gebiet de» requirirendm Staate» begangmen strafbaren Handlung erfolgen; nach' anderen Verträg« schon wegen einer außerhalb de» Gebiet» de» requirirendm Staate» verübten (Russisch-italieni­ sch«, Russisch-bayerischen und Russisch-hessischen), nach noch ander« wegm der von den Behörden de» requirirtm Staate» bereits verfolgten oder verurtheilteu Ver­ brechen (Deutsch • italienisch«, Belgisch - bayerischen, Belgisch-schwedischen, Franzö­ sisch-Preußischen, »spanischen und -schwedischen Verträgen). Die Praxi» der Staaten ist demnach in diesem Punkte eine verschiedme, aber freilich nur dann, wmn nicht die GerichtSunterthänigkeit schon die Folge der Gebietshoheit ist, wa» doch in allen

202 denjenigen Staaten eo ipso der Fall ist, in welchen nicht Beiträge für den Frem­ den einen anderen Gerichtsstand begründen. Auslieferung eigener Unterthanen verweigert weder die Gesetzgebung Englands, noch die der Bereinigten Staaten von Nordamerika; ja dieselbe ver­ sagte« sich selbst die Deutschen Bundesstaaten (BundeSbeschluß vom 26. Januar 1845. A. I. 1.), sie gewährt aber für seine Bundesstaaten daS Deutsche Keich (Gesetz für Recht-Hülfe, § 23), versagt sie aber ausdrücklich gegenüber fremden Staaten (s. die einleitenden Bestimmungen de- StrafGB., § 9). Nach den Ver­ trägen Rußlands mit Bayern und Hessen (Art. 2) werden unter der Benennung Unterthanen auch diejenigen Ausländer einbegriffen, welche nach den Gesetzen des requirirten Lande- den Unterthanen gleichgestellt sind sowie auch Ausländer, die sich im Lande niedergelassen und mit einer Eingeborenen, von der fie ein oder mehrere in dem Lande geborene Kinder haben, verheirathet find oder waren. Nach dem Brrtrage Rußlands mit Dänemark werden in allgemeiner Weise Ausländer einbegriffen, welche fich im Lande niedergrlaffen oder ihren Wohnort haben. Rach dem Vertrage Englands mit Italien (1873) wird die Naturalisation als ein gültiger Grund zur Verweigerung der Auslieferung nur dann angesehen, wenn feit der Konzeffion zu jener 5 Jahre verflossen und der Uebelthäter seit jener Zeit feinen Wohnfitz in dem requirirten Lande genommen. Die strafbare That deS AuSzuliefernden muß der Gerichtsbarkeit deS requirirenden Staates unterliegen. Ist der auSzuliefernde Fremde Unterthan deS requirirenden Staates, so ist er nach dem Territorialität»- und Personalitätsprinzip an den HeimathSstaat auszuliefern; ist er Unterthan eines dritten Staates, so kann er ent­ weder dem Staate der Begehung oder der Heimath ausgeliefert werden. Die Ver­ träge bestimmen entweder, daß der HeimathSstaat befragt werde (Frankreich mit den beiden Mecklenburg Art. 7, mit Oldenburg Art. 7, Schweden mit Portugal Art. 8), wobei der requirirte Staat trotzdem die Wahl hat, dem Staate der Begehung oder dem HeimathSstaat auszuliefern (Frankreich mit Sachsen Art. 7, Schweden mit Italien Art. 7, mit Oesterreich Art. 6, mit Frankreich Art. 6), oder daß zur Auslieferung die Zustimmung des HeimathSstaateS erforder­ lich ist (Frankreich mit Luxemburg, däclarat., mit Baden Art. 3). — Wenn aber ein und dieselbe Person von zweien oder mehreren Staaten wegen verschiedener Verbrechm oder Vergehen rellamirt wird, so gilt nach dem Vertrage Englands mit Italien die Priorität der Forderung, nach dem Vertrage Rußlands mit Belgien entweder die Schwere deS Verbrechens oder die größere Leichtigkeit zur weiteren Uebergabe der reklamirten Person behufs de» wider" fie einzuleitmden fernerm Ver­ fahrens; nach dem Vertrage Rußlands mit Italien (Art. 7) zunächst auch die Schwere des Verbrechen», hei gleich schweren aber die Priorität der Requifition oder e» wird der HeimathSstaat bevorzugt. Im Vertrage Schwedens mit Italien (Art. 7) finden fich nur die beiden «steten Bestimmungen. Nach dem Vertrage Rußlands mit Bayern (Art. 5) entscheidet zwar die Priorität der Requifition, indeß wird trotzdem der HeimathSstaat bevorzugt. Verschiedme Verträge (Englisch-franzüfischer, Art. 1, Englisch-nordamerikanischer, Art. 10, Rordamerikanisch-franzöfischer, Art. 1, Preußisch-russische Konvention) bedingm, daß nur für Verbrechen, welche in beiden Staaten als solche gelten, au»geliefert werde. Allgemeiner wird aber die Auslieferung nicht gewährt: 1) wenn die Auslieferung einer Person wegen einer strafbaren Handlung verlangt wird, wegen deren fie bereits in Untersuchung gewesen und außer Verfolgung gesetzt worden, oder fich noch in Untersuchung befindet oder bereits bestraft worden ist; 2) wenn seit der begangenen strafbaren Handlung oder der Einleitung der straf­ gerichtlichen Verfolgung oder der erfolgten Verurtheilung nach den Gesetzen de» er­ suchten Staate» Verjährung der strafgerichtlichen Verfolgung oder der erkannten Strafe eingetretm ist (Belgisch-französischer, Belgisch-preußischer, Franzöfifch-Holländischer, Franzöfisch-spanischer, Russisch-belgischer, Russisch-italienischer, Russisch-

bayerischer, Schwedisch-Portugiesischer, Schwedisch-österreichischer, Englisch-deutscher Bertrag u. v. a.). Die Auslieferung wich verzögert, wem» der AuSzuliefernde wegen einer ««deren strafbaren That in Untersuchung ist oder die Strafe verbüßt. Da» Verfahren bei der Auslieferung ist in der Regel im ersten Angriff ein diplomatischer und wird ein solcher in vielen Bertrügm auch ausdrücklich auSbchungen. I« Bundesstaaten und Staatenbünden dagegen, wie z. B. im Deutschen Reich, kann schon ein Gericht eine Requisition zur Auslieferung von sich aus er­ gehen laffen. Belgisch-bayerische, Belgisch-schwedische, Belgisch-russische Verträge verlangen zur Unterstützung der Requisition ein Urtheil oder einen Anllageakt oder eine Verfügung de» kompetenten' Richter» zur Uebergabe an den erkennenden; nach Französisch-preußischen, Franzöfisch-schwÄischen, Italienisch-schwedischen, Destoreichisch-fchwedifchen, Oestertochisch-russtschen und Deutsch-italienischen Verträgen genügt ein Berhaft»befchl oder gleichwerthige Urkunden. Die Verträge der Bfreinigten Staaten von Nordamerika mit Frankreich bedingen Befehle de» „executif® resp. Justizministers, England im Vertrage mit Frankreich vorgängiges Verhör des Flüchtling», im Vertrage mit den Bereinigten Staaten von Noäamerika gericht­

liche oder obrigkeitliche (magistrate) Konstatirung der Evidenz de» Kriminalfalle». Der Vertrag Englands mit Deutschland fordert einen Haftbefehl und Beweise, welche nach den Gesetzen de» requirirten Staate» die Verhaftung rechtfertigen,, und bei einer bereits verurtheilten Person das Urtheil, indeß kann auf Strafurtheile in contumaciam ein Auslieferungsantrag nicht gegründet werden. Ueber die Kosten der Auslieferung find früher besondere Verträge geschloffen tootben. Die Bestimmungen der A. setzen entweder fest, daß die Kosten vom requirirenden und requirirten Staate je nach ihren Grenzen, innerhalb welcher die Aus­ lieferungshandlungen stattfinden, getragen werden (Belgisch-bayerischer, Belgisch­ norddeutscher, Belgisch-russischer, Russisch-bayerischer, Russisch-italienischer, Ruffischhesfischer. Italienisch-deutscher, Schwedisch-italienischer, Schwedisch-österreichischer, Desterreichisch-belgischer Vertrag), oder bis zum Orte der Einschiffung vom requi­ rirten Staate (Englisch-deutscher Vertrag), oder von demselben bis zum Orte der Ueberlieferung (Französisch-preußischer und Französisch-schwedischer Vertrag). Da» von der großen Majorität der Verträge an erster Stelle angeführte Verfahren verdient auch schon wegen der größeren Gleichmäßigkeit und weil e» zugleich der Gerechtigkeit und dem Grundsatz internationaler Verpflichtung entspricht, unbestritten den Vorzug. Quellen: Die Bertrag-sammlunaen, besonder- die MartenS'sche, für Deutschland: Deutsche A., herau-g. v. Au-wLrtiarn Amt, Berlin 1875, woselbst nachzusehen die A. der kl. Deutsch. Staaten, 6. 6 ff. In denselben nicht mitgetheilte Verträge citiren Calvo, dr. intern. 1870, I. 480 ss. u. Dudley Field, Internat. Cod., 96 as. Bit. siehe beim Artikel Asylrecht in der Anmerkung zu demselben. A. Bnlmrrincq.

-ln-lvbmtg. Täglich kommt eS vor, daß durch öffentliche Bekanntmachung da» Publikum, oder richtiger quilibet ex populo, zu einer bestimmten Leistung auf­ gefordert und Dem, der diese Leistung effektuiren werde, eine bestimmte Gegenleistung zugesagt wird; so wird z. B. ein Preis ausgeschrieben für eine künstlerische oder wissenschaftliche Arbeit, eine Belohnung für Anzeige resp. Ablieferung eines Ver­ brecher», für Ausfinden und Wiederbringen einer verlorenen Sache u. dgl. — Ueber diese sogen. A., die selbstverständlich zu Rom auch üblich war, enthalten die Röm. RechtSquellen keine besonderen Bestimmungen, allein eS hat fich im neueren Ver­ kehr ein darauf bezügliche» Gewohnheitsrecht gebildet, welches fich aus folgende (keineswegs unbestrittene) Grundsätze zurückführen läßt. Die A. ist ein Antrag zu einem Vertrage, ein Angebot an eine unbestimmte Person, daS durch Annahme zum Vertrage werden soll. Diese Annahme soll aber nicht in einer bloßen Willenserklärung bestehen, sondern darin, daß die Leistung wirklich der Aufforderung gemäß stattfindet. Durch die gemachte Leistung erhält Derjenige, der sie macht, daS Recht, den Anträger, Aus lob er, zur versprochenen

204

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Geßenleistung zu zwingeu. Diese» Recht entspringt aber nur oui der mit Be­ ziehung auf die A. geschehenen Leistung: wenn Jemand die betreffende Leistung (z. B. Mcherbringen der vermißten Sache, Anzeige de- Verbrechers) gemacht hat, ohne von der ausgeschriebenen Prämie Etwas zu wiffeu, so hat er darauf ebenso wenig Anspruch, als tomn er gar nichts gethan hätte. — Widerruf von Seiten deS AuSloberS muß ebenso öffentlich erfolgen, als daS Angebot selbst, hat aber natürlich keine rückwirkende Kraft, so daß wer die Leistung schon begonnen, d. h. zu deren Effektuirung bereits EtwaS gethan hat, bei vorschriftsmäßiger Ausführung derselbe« feinen erworbenen Anspruch auf die versprochene Gegenleistung durch den inzwischen kundgethanen Widerruf nicht verliert. In demselben Maße bleiben, wenn der AuSlober stirbt, deffen Erben gebunden. Wird die Leistung von Mehreren effektuirt, ohne daß in der A. selbst der Fall vorgesehen wäre, so hat in der Regel der AuSlober die zugesagte Summe doch nur einmal zu bezahlen, näm­ lich an den diligentior; ist keine Prävention, so mögen die Konkurrenten theilen oder loosen. Diese Grundsätze, welche hauptsächlich Bangerow aufstellt, scheinen sowol der juristischen Konsequenz, als auch den Rücksichten der Billigkeit zu entsprechen. Savigny betrachtete die A. als Vertrag mit einer unbestimmten Person und ließ gegen den AuSlober nur eine Klage auf Schadenersatz ex dolo zu. Arndts rechnet die A. zur Pollizitation. Quellen: A. LR. L 11, §§ 988—995 (Prämien). Lit.: Bangerow, § 603. — Windfcheid, § 309. — St inj, tz 248. — v. Bülow, Abh. über einzelne Materien bei bürg. R., I. (1817). — Jhering in den Dogm. Jahrbb. IV. — Schütze in Bekler'S Jahrbb. V. — Regelsberger, Civilrechtl. Erörterungen, I. (1868). — Tazchirner, De indole ac natura promissionia popularis (1869). — Exner, Krit. B.J.Schr. XL — Siegel, Das Berfprechen als BerpflichtnngSgrund im heutigen R., Berlin 1873. — Unger, Das Beriprechen als BerpflichtnngSgrund, in Grünhut's Zeit­ schrift, I. — F. Hofmann, Die Entstehnngsgrünbe der Obligationen, Wien 1874. Rivier.

Ausschließung der Gerichtspersoueu (Th. I. S. 610). Schon das Ge­ meine R. hatte in den Lehren vom judex incapax (vel natura MangelS der körper­ lichen Wahrnehmung-- und Urtheil-fähigkeit, vel lege-MangelS der erforderlichen Rechtskunde, Konfession und sittlichen Integrität) sowie vom judex inhabilis (d. i. von de« an sich fähigen, aber bei Meiden der Nichtigkeit im Einzelfall gesetzlich aus­ geschloffenen Richter) und vom judex suspectus (b. i. von dem an sich fähigen Richter, welcher im Einzelfall trotz gewiffer Beziehungen fungiren kann, bis eine Ablehnung erfolg­ reich eingetreten) Grundsätze darüber aufgestellt, welche Personen absolut und welche nur in der Beziehung zu gewiffen Streitsachen und Parteien vom Richteramt auSzuschließen feien. — DaS neue Deutsche Reich-recht, welche- die Kapazität hinsichtlich der Vorbildung im GBG. §§ 2—5,10, 11 feststellt und die Ablehnung wegen Beforgniß der Befangenheit besonder- ausscheidet (s. d. Art. Ablehnung de- Richter-), versteht unter der A. lediglich die JnhabilitSt. Die Erfahrung verbietet nämlich in gewiffen Fällen regelmäßig volle Unbefangenheit einerseits, volle» Ver­ trauen andererseits zuzumuthen und zu erwarten. Hier kommt 1) der Recht-satz „nemo in propria causa judex esse potest“ in Betracht; der Richter ist von jeder Amtsthätigkeit ausgeschlossen, wenn der AuSgang deS Rechtsstreit- sein Privatintereffe oder das seiner Ehefrau oder Mündel oder der (durch eheliche, uneheliche, künstliche Verwandtschaft oder Verschwägerung bi- zu gewiffen, landrechtlich zu be­ rechnenden Graden) ihm nah verbundenen Personen der Art berührt, daß er oder sie Kläger, Privat- oder Nebenkläger, Antragsteller, Verletzter, Beschuldigter oder Beklagter find oder zu einer Prozeßpartei im Verhältniß einer Regreßschuld, einer Mitverpflichtung oder -Berechtigung stehen; die- gilt selbst nach gelöster Ehe oder Vormundschaft; sonstige persönliche Beziehungen zu einer Prozeßpartei, selbst Brautschaft, begründen nicht die A., können aber als RekusationSursache gebraucht werdm. Auch bringt die Uebertretung des lande-gesetzlich vorkommenden Verbot- der

MWteten der edW8K*eee.

205

Anstellung Verwandter an einem Gericht nur konstitutionelle, nicht aber kraft Ge­ fetzt» eintretende prozessuale Folgen mit fich. Dom Richteramt find ferner wegen angenommener Unverrinbarlichkeit der verschiedenen Standpunkte, theil» auch zu­ folge de» Grundsatzes, daß da» Urtheil unmittelbar au» dem Eindruck der Haupt­ verhandlung geschöpft werden soll, auSgefchloffen: 2) wer in einer Sache al» Zeuge oder Sachverständiger vernommen wurde; 3) wer in einem Straffall al» Beamter der Staatsanwaltschaft oder der Polizei, al» Vertheidiger oder al» Anwalt de» Verletzten thätig war, — ferner für Entscheidungen außerhalb der Voruntersuchung der Untersuchungsrichter und für da» Hauptverfahren vor der Strastammer der VerweifungSreferent; 4) wer in einem Civilprozeß Bevollmächtigter, Beistand, Ver­ treter ist oder war; 5) wer im schiedSrichteüichen Verfahren oder in einer früheren

Instanz bei einer wegen Anfechtung neu zu prüfenden Entscheidung mitwirkte. — In alle« diesen Fällen hat da» neue ReichSrecht, ohne eine weitere Nachforschung, ob Befangenheit wirllich bestehe, zuzulaffen, al» prohibitive» Gesetz zur Wahrung des Ansehen» de» Richterstande» die A. verordnet. Der Richter muß fich aller, selbst der eiligen Handlungen enthalten und, wenn er Zweifel hegt, ob rin ASgmnd vorliegt, die Entscheidung de» entsprechenden Kollegialgerichts einholen; die Prozeß­ parteien können einen solchen in jeder Lage de» Verfahren» durch Ablehnung gel­ tend machen und die Handlungen eine» au»geschloffenen Richter» al» absolut nichtige je nach ihrer Art mittel» Beschwerde, Berufung, Revifion oder Nichtigkeitsklage umstoßen kaffen. — Insofern wegen A. eine» Richter» und Mangel» eine» Stellvertreter» da» Gericht nicht fnngiren kann, so wird ein demselben koordinirte» Gericht durch die Oberinstanz zur Uebernahme der Sache bestimmt. — Die Bestimmungen vom Richter (Handelsrichter, Geschworene und Schöffen find hier eingefchloffen) gelten auch für den Gerichtsschreiber und find analog auf den Gerichtsvollzieher ausgedehnt. Für die Staatsanwaltschaft, für deren Akte schon de-halb, weil fie meist nur Anträge find oder der richterlichen Bestäti­ gung unterliegen, die Androhung der Nichtigkeit nur ein Bedürfniß de» Rechts­ schutzes ist, wurde bei dem Devolution»- und Substitutionsrecht eine gesetzlich« Regelung unterlaffen und durch Dienstvorschriften dafür vorgeforgt, daß die Beamten diese» Dienstzweig» bei besonderen Beziehungen nach Erledigung de» Eiligen die Straffach« abgeben. Für. die Rechtsanwaltschaft bestehen bei der Natur ihres Be­ rufs keine Vorschriften dieser Art. Gerichtsärzte und andere beamtete Experten (z. B. Dolmeffcher) gehören zu den Sachverständigen, die niemals kraft Gesetze» auSgefchloffen find. Das Part.R. hat die ASgründe auch für dm Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit nachgebildet, wobei zu beachten, daß nichtige notarielle Akte noch als Privathandlungm wirkm können. — DaS Orsterrrichische Prz-R-, welche» überdies die A. der Staatsanwälte gesetzlich regelt, stellt, wmnfchon mit Abweichungen, für da» Richteramt ähnliche Grundsätze auf. Zahl und Umfang der A.Sgründe sind übrigmS mehr ausgedehnt. So werdm einbezogm: weitere Verwandtschaftsgrade, Brautfchaft, da» Verhältniß der Gläubiger- oder Schuldnevschalt, Verwandtschaft de» Richter» mit dem Staat-anwalt oder dem Vertheidiger oder in gewiffen Fällen selbst mit dem Untersuchungsrichter oder mit dem unterrichterlichm Referenten; eigme außerdimstliche Wahrnehmungen schlirßm dm Richter, auch wmn er nicht vemommen, aus und an einer zufolge Berufung oder NichtigkeitSbeschwerde erneuerten Hauptverhandlung erster Instanz dürfen die früherm Richter nicht Theil nehmen. Quellen: 1.51D. 4, 8. Conti.un. C. 3, 5. — BB«. §§ 116, 166. - SPO. 8§ 41-49, 472, SIS *, 530, 542 ». - StrafPO. 88 15, 22-32 , 279, 346, 354 , 377 *. - R.AuwaltsOrdnung, § 14. — Oesterr. Gerichtsinstruktion (1858), §§ 17—19. 52, 56. — Oesterr. Rotar.Ordnung (1871), § 33. — Oesterr. StrafPO. (1873), §§ 67—71, 75, 76, 281, Lit.: Renaud, Eid.Prz., § 18. — v. Bayer, Eiv.Prz., 8 80. — Zachariä, Strafverf., §§ 51—53. — Ullmann, Oesterr. StrafPrz.R., §§ 41, 58. — Puchelt, Komm, zur EPO., §§41 ff. — Löwe, Komm, zur StrafPrz.Ordn., §§ 22 ff. — v. Holtzendorsf, StrafPrz.R., I. S. 166 ff. v. Jage mann.

206 «NWi*ieg tm »eetmtfe —«ÄiNllkfceetN** Ne der voruumdschoft. LnSschließnnfi tat Reehtrfe (v. Bar, Th. i. Suppl. e. 89) trifft im Gemeinen R. diejemgen Gläubiger, welche sich auf ergangene Ediktaleitation nicht rechtzeitig gemeldet haben oder in den speziellen Liquidation-prozessen kontumazirt worden find. Die Spezialprozeffe find nach der Deutschen und Oesterreichischcn ÄD. vom Konkursverfahren prinzipiell abgesonderte Prozeduren, im eigentlichen Konkursverfahren aber existirt nach diesen KonkurSgefetzen eine förmliche A. nicht, sondern lediglich eine inbittlte und thatsächliche. Eine solche trifft nach der Deutschen KO. zunächst Mafieanfprüche fucceffive bezüglich der Abfchlag-ver» theilungen, wenn sie nicht bi« zur Feststellung deS Prozmtfahe« derselben, sodann bezüglich der Schlußverihellung, wenn fie nicht bis zum Ende deS Schlußtermins, und endlich bezüglich der RachtragSverchellungen, wenn fie nicht bi« zur Bekannt­ machung derselben zgr Kenntniß des Verwalters gelangt find, womit fie denn, je nach den Umständen früher oder später, von der ganzen TheilungSmaffe prälludirt find, da fie eine Kondition gegen die befriedigten oder auf Befriedigung angewiefmen Gläubiger nicht besitzen. Entsprechend trifft thatsächliche A. die Konkursgläubiger, auch die bevorrechtigten, obwol biefe auch unabhängig von den Bertheilungen durch den KonkurSverwaller befriedigt werden können, erstlich bezüglich der AbfchlagS» vertheilungen, wenn ihre Faserungen nicht bis zum Ende der AuSfchlußfrist ge­ prüft oder wenn fie bei der Prüfung bestritten find und nicht bis eben dahin dem Verwalter Erhebung der Feststellungsklage bzw. Aufnahme deS ProzeffeS nachgewiefen worden ist oder wenn fie Abfonderungsberechtigten zustehen und dem Berwalter bis zu demselben Zeitpunkt nicht der Verzicht auf Absonderung oder der Ausfall der Forderung oder bei betriebener Veräußerung der muthmaßliche Ausfall dar­ gethan wird; sodann von der Schlußverihellung und damit auch von NachtragSvertheilungen, wenn ihre Forderungen bis zu demselben Endpunkte nicht geprüft oder geprüft aber bestritten find und die gleichen Nachweise nicht dem Berwalter bi» dahin geführt werden oder wenn fie Absonderung-berechtigte find und bis eben dahin dem Berwalter nicht den Nachweis ihres Verzichts oder des Ausfalls geliefert haben, endlich wenn bei fuSpenfiv bedingten Forderungen dem Verwalter bis dahin nicht der Eintritt der Bedingung nachgewiefen ist, es wäre denn, daß dem Gemein­ schuldner Sicherheitsbestellung obgelegen hätte. Bon A. Aufrechnungsberechtigter kann natürlich keine Rede fein, da ihre Befriedigung ja in ihrer Nichtleistnng be­ steht , und ebensowenig von A. AuSfonderungSberechtigter, da fie ihre Befriedigung nicht im Konkurse suchen, nur daß fie (vgl. d. Art. Aussonderung im Konkurse) ihren Anspruch gegen die Stoffe, wenn der Verwalter die Sache bona fide veräußert hat, auf die Gegenleistung oder Ceffion der Klage beschränken müssen und die Ver­ folgung gegen den Inhaber der Sache ihnen thatsächlich oder rechtlich abgefchnitten fein kann. —Nach der O esterreichif chen KO. tritt eine A. der Mafieanfprüche nicht ein, so lange noch Maffebestand vorhanden ist oder eine persönliche Verant­ wortlichkeit de- Verwalters bezüglich ihrer in Betracht kommt. Was aber die Konkursgläubiger angeht, so trifft A. von Bertheilungen, welche nach förmlichem Theilung-entwurf erfolgen, solche Gläubiger, welche ihre Forderungen erst nach Ab­ lauf der Anmeldungsfrist geltend machen, oder welche die Einleitung der Spezialprozeffe über ihre bestrittenen Forderungen dem Konkur-kommiffar nicht binnen der vierzehntägigen Erinnerungsfrist nachgewiefen haben, so daß fie, soweit da» Schuldnervermögen vertheilt ist, und daher möglicherweise vom ganzen Vermögen ausgeschloffen find. Ueber Kompensation-- und Aussonderung-berechtigte gilt auch hier da» oben Bemerkte.

Quellen: Deutsche «Q, §8 140 ff., 153, 155, 159; Mot. S. 374 ff. — Oesterr «O., 88 27, 123, 160, 170, 175, 177, 186. K. Wieding.

A«KschUeß«vg--riinde von der Vormundschaft find Gründe, welche Jemanden zur Führung einer Vormundschaft nicht -ulaffen. Das Röm. R. unter­ schied zwei Klaffen von Unfähigen; die erste umfaßt Unfähige, deren Berufung

eeife^MN ler Prezeßhandlung.

207

nichtig ist, so daß an ihre Stelle Derjenige tritt, welcher im Falle ihrer Richtezistenz berufen worden wäre; die zweite Klaffe begreift solche, welche von der ObervormundschastSbehörde nicht anerkannt werden, so daß diese selbst einen Vor­ mund ernennt. Rur die letztgedachten A. werden von den Neueren excusationes necessariae genannt. Ueber die excusationes voluntariae s. d. Att. Ablehnungs­ gründe deS Vormundes. Da die Vormundschaft ein munus publicum ist, so gehören zur ersten Klaffe solche, welche keine politische Rechtsfthigkett besitzen (Richtbürger), sowie diejenigen, wttche wegen eigener Echutzbedürstigkeit selbst eines Vormundes bedürfen (Frauen mit Ausnahme der Mutter unb Großmutter, Minder­ jährige, gerichtlich erklärte Verschwender und endlich solch«, welche Wege» moralischer Mängel, wie unehrbareS Leben, Entsetzung von einer fttlheren Vormundschaft, Be­ stechung brhufS Erlangung der Vormundschaft de» Amtes unwürdig sind). Zur zweite« Alaffe gehören Geisteskranke, Stumme, Taube, Blinde sowie gewiffe relativ Be» hinderte (Feindschaft mit dem Vater, StatuSprozeß mit dem Mündel, obligatorisches Verhältniß zwischen Vormund nnd Mündel, Verschiedenheit des Glauben», Verbot der Eltern, Ehe und Verlöbniß mit der Pflegebefohlenen, Befürchtung eine» Nach­

theil» für den Mündel). Da» Deutsche R. stellte überhaupt den Grundsatz auf, daß Diejenigen, welche selbst einen Vormund nöthig haben, nicht selbst Vormund sein töimen und schließt alle nicht vollkommen freie Männer au», während die' Standesverschiedenheit kein A. ist. ReichSgefetzlich bewirkt jetzt die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte die Unfähigkeit während der im Urtheil bestimmte« Zeit, Vormund zu sein, außer sür Verwandte in absteigender Linie, wenn die ObervornmndschaftSbehörde die Genehmigung ettheilt. Partikularrechtlich find die SefichtSpunkte de» Röm. R. für die Beurtheilung der Unfähigkeit beibehalten, dagegen die Unterscheidung der beiden Klaffen, nach ihren Wirkungen aufgegeben. Aus­ geschloffen ist ferner noch in der Regel der Gemeinschuldner während der Dauer deS Konkursverfahrens. Zum Ausfchürß genügt nach einigen Rechten die bloße Verfügung der ObervormundschastSbehörde, nach anderen bedarf es uamenllich bei den relativen Gründen eines fömlicheren Verfahrens bzw. eines Beschlusse» de» Familienrathes auf Grund einer vorgenommenen nicht öffentlich geführten Unter­ suchung. Bischöfe und Mönche waren nach Röm. R. unfähig, während ihnen da» Kan. R. nur einen AblehnungSgrund gegeben hat.

Quellen u. Bit: TitCod. S, 35. —L so. s, 30. -1. 82D.28,2.— § 2 J. 1, 14.— 1. 1 § 8 D. 26. 10. — L 21 § 6D. 26, 5. — 1. 1 §§ 2, 3; 1. 17 D. 26, 1. — 1.10 § SV. 26, 4. — 1. 40 D. 27, 1. —L 3 C. 5, 34. — L un. C. S, 67. — 1. 3 § 12 D. 26, 10 — 1. 6 § 17 v. 27,1. — 1. 8-10 D. 26, 3. — §8 9-11 J. 1, 25. — 1. 27 § 1 D. 26, 2. -1. 6 § 18 D. 27, 1. — § 12 J. 1, 25. - Nov. 72 cc. 1-4. Not. 94 c. 1. - L 21 § 2 D. 26, 5. — L un. C. 5, 47. — 1, 1 § 5 D. 27, 1. — 1. 4, 17 G. 5, 62. 1. 2 C. 5, 34.— 1. 3 § 12 D. 26. 10. — C. 40 C. 16 qu. L — RStrafGB. § 34, Nr. 5. - Bayer. LR. I, 7 8 8.— Oesterr. BGB. 8§ 193, 194. - Sächs. BGB. §§ 1885 ff. — Cod. en wird man anderer­ seits betonen müssen, daß die dogmatische Grundlage der evangelischen Kirche nicht allein dazu berechtigt, sondern geradezu verpflichtet, die Frage des B. der Geist» lichen nicht ausschließlich nach juristisch-sormalen Gesichtspunkten wie die katho­ lische Kirche zu entscheiden. Die evangelische Kirche hat nur ein oberstes und un­ abänderliches Gesetz: die Heilige Schrift. Diesem materiellen Gesichtspunkt muß der formelle Gesichtspunkt des S. nach evangelischen Grundsätzen immer unter­ geordnet sein, denn in der Freiheit der Echriftforschung beruht für die evangelische Kirche ein Stück ihrer besten Krast. Die kirchlichen Autoritäten werden Streit­ fragen über das Bekenntniß im konkreten Fall nach Lage der Dinge aufs Sorg­ fältigste zu prüfen haben, um bei ihrer Entscheidung einerseits die Klippe des voll­ kommen bekenntnißlofen Subjektivismus, andererseits die des römischen Gesetzes­ zwanges in Sachen des Glaubens und der Lehre zu vermeiden. 8tL: Richter-Dove, Kirchenrecht, §§ 24», 250. — Mejer, Kirchenrrcht, §§ 86, 175. — Büff, Kurvest. Kirchenrecht, § 90 ff. — Bickell, Ueber die Verpflichtung der evangel. Geistlichen auf die fyuibol. Schriften, Kaff. 1839. — Hinschius, III. § 218. Außerdem vgl. man die reichen Literaturnachweisnngen bei Richter-Dove a. a. O. § 250 Nr. 9. Hübler

901, Joh. Sapt, S 29. X. 1797 zu Triberg, 1837 Vizekanzler de» OberhosgerichtS zu Mannheim, 1841 Präs. d. 2. Kammer, Dez. 1846 Min. d. Inn., Juni 1849 entlassen u zum Präs. d. HosgerichtS Bruchsal ernannt, Abg. im Volks» Hause zu Erfurt, t 22. III. 1855. Gründer u. (biS 1844) Redakteur d. Annalen d. großh. Badischen Gerichte. Schriften: Ueber dir dingl. Rechte an Liegenschaften, 1831. — Die Bewegung in Baden, 1850, nebst Nachtrag. — Anm. z. Ges. über «ins. d. StrafGB., Karls». 1851. — Da» badische Preßgefetz, 1851. — Mündl. Vorträge über d. bad. Strafgerichte, 1851. Eit.: v. Werch, Bad. Biogr., L 61. — Augsb.Allg. Ztg. 1855 Nr. 176 ff. — v. Weech in d. Allg. Deutsch. Biogr. II. 299. — Brockhaus. Teichmann.

BelageruugSzustaud: eine moderne Art der Diktatur, welche die Militär­ behörden mit außerordentlichen Vollmachten bekleidet. Die heutigen kontinentalen Einrichtungen find meistentheilS Nachahmungen sranzöfischer Vorbilder. Me der Name andeutet, bezog fich der B. ursprünglich aus ein bestimmtes, kriegerisches, nur aus große Plätze bezügliches Verhältniß. Die sranzöfische Revolution versuchte zuerst, den Etat de stege gesetzgeberisch zu ordnen. Ihren Anfang nahm diese staatsrechtlich höchst wichtige Gesetzgebung in dem Gesetz vom 8. Juli 1791; wobei stetS ein äußerer Angriff feindlicher Streitkräfte als Thatsache vorausgesetzt wird. Nachmals ward dies (durch Gesetz vom 19. Fructidor V.) dahin erweitert, daß die Exekutive auch in Voraussicht eines drohenden Angriffes den B. verkünden könne. Die Wirkungen des Eintritts oder der Verkündung de» B. bestehen darin, daß gewiffe Bestandtheile der bürgerlichen Verwaltung und Rechtspflege auf die Militärbehörde übergehen, die Berfaffung somit in einzelnen Theilen suSPendirt wird und auch andere, als zum Militär gehörige Personen der Militärjustizgewalt unterworfen werden können. In dieser Gestalt erscheint der B. nach dem kaiferl. Dekrete vom 24. Dezbr. 1811. Unmittelbar nach der Verkündung de» B. durch den Kaiser oder dem Eintritt kriegerischer Gefahr greifen jene Mrkungen ipso facto Platz. In der Additionalakte vom 22. April 1815 ward diese» System wiederum gemäßigt, indem man den B. gegen äußere Angriffe des Feinde» und gegen innere Unruhen unterschied, letzterenfall» die Erklärung deS B. zu den Rechten der gesetz­ gebenden Versammlung zählte. Nichtsdestoweniger erklärte Karl X. am 28. Juli 1830 Paris eigenmächtig in den B- DaS Gleiche geschah durch feinen Nachfolger bezüglich der Aufständischen in der Vendse 1832 und ferner durch die k. Ordon-

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Belagerungszustand.

nance vom 6. Juli 1832. So ward die Verkündung des B. aus einem Mittel der Vertheidigung gegen äußere Feinde wesentlich eine Angriffswaffe gegen politische Gegner zu Zeiten innerer Unruhen und darauf berechnet, daS Amt der Justiz den Händen der Tivilgerichte zu entreißen. Während der überwundene Feind auf dem Schlachtfelde nach den Grundsätzen des Völkerrechts gegen willkürliche Behandlung geschützt ist und der Vernichtung nicht preisgegeben werden darf, weil ihm die Kriegsgefangenschaft gewiffe Rechte gewährleistet, überliefert der B. den geschlagenen Meuterer oder Anführer entweder der RechtSunkenntniß oder der Parteileidenschaft einer siegreichen Truppe. BiS zum Jahre 1848 nahm indeffen der KaffationShof in Paris an, daß Livilperfonen, welche verfaffungSwidrig dem B. unterstellt worden waren, an die ordentlichen Tribunale Berufung oder andere Rechtsmittel einwenden dürfen. In dem Prozeß gegen Geoffroy erkannte der höchste Gerichtshof auf die von O. Barrot eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde, daß Niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden dürfe und sprach den zum Tode verurtheiltm Angeklagten frei, weil die Kriegsgerichte inkompetent seien. Die Ereigniffe deS Jahres 1848 verschärften wiederum die Gesetze über den B. Abweichmd von feiner älteren Praxis nahm der KaffationShof an, daß auch Civilpersonen, wenn sie an einem Ausstande Theil genommen, durch die Militärgerichte verfolgt werden dürfen. Be­ sonders auffallend war aber der Sah, daß die Gesetze über B. auch außerhalb deS Landes gegen Aufrührer angewendet werden könnten, welche gegen eine fremde Regierung gefochten hatten. Aus diesem Grunde behandelte die Französische Expeditionsarmee nach der Einnahme von Rom 1849 gefangene Privatpersonen nach den Französischen Grundsätzen über B., weil die Französischen KriegStribunale an Stelle der Römischen ordentlichen Gerichte getreten seien. Eine gleiche, bis dahin beispiellose Praxis ward durch Preußische Truppen nach dem Badischen Aufstande befolgt. Aehnlich die Oesterreicher nach ihrem Einmarsch in Bosnien (1878). In Frankreich erging weiterhin das Gesetz vom 9. August 1849, wonach die Assemblee nationale sich das Recht vorbehielt, den B. zu verkünden, und der Präsident nur für den Fall der Nichtversammlung jener Körperschaft die Befugniß dazu unter gewiffen Einschränkungen erhalten sollte. Seit der Verfaffung vom 14. Jan. 1850 hat der Präsident, nachmals der Kaiser das Recht, den B. zu erklären, wovon er während des Staatsstreichs den ausgiebigsten Gebrauch machte. Wesmtlich verändert ist der Rechtszustand in Frankreich durch daS Gesetz vom 3. April 1878. DaS Gesetz selber erklärt den B. im Voraus für zwei Fälle, der bewaffneten Insurrektion und eines auswärtigen Krieges. Im Nothfalle kann der Präsident nach Anhörung deS Staatsraths und in Gemäßheit seines Gutachtens den B. erklären. Die Kammern treten aber alsdann zwei Tage später de plein droit zur Entscheidung zusammen. Sind die Kammern zur Zeit aufgelöst, so kann bei einem auswärtigem Kriege der B. in den bedrohten Etablissements erklärt werden; die Wahlkollegien sind aber besonders zu berufen. Für den Fall einer schnell vor sich gehenden Invasion scheinen diese Bestimmungen unpraktisch. Den älteren Französischen Mustern folgt auch daS Preuß. Gesetz vom 4. Juni 1851, betreffend die Verkündung des B. Nach diesem Gesetz, welches auch der Erklärung deS Kriegszustandes im Deutschen Reiche durch den Kaiser bis zum Erlaß eineS neuen Gesetzes zu Grunde liegen soll (Art. 68 der D. RVers.), wird unter­ schieden zwischen dem Fall eines Krieges, der Festungskommandanten oder komman» dirende Generäle zur Verkündung berechtigt, und dem Fall eines Aufruhrs mit dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit, der das Staatsministerium allein berechtigt; doch können auch hier Militärbefehlshaber unter Vorbehalt sofortiger Bestätigung die Initiative ergreiien. Das Gesetz bestimmt die Formen der Ver­ kündung und regelt die Wirkungen, welche im Wesentlichen folgende find: 1) Sus­ pension bestimmter, die staatsbürgerlichen Grundrechte garantirender Verfaffungsartikel; 2) Uebergang der vollziehenden Gewalt an den Militärbefehlshaber, deffen

Anordnungen die Civil- und Gemeindebehörden verpflichten; 3) Erweitemng der Militärjustiz über Militärpersonen, doch bleiben TodeSurtheile der Bestätigung de» kommandircnden General» Vorbehalten; 4) Schärfung der Strafbestimmungen gegen Eivilperfouen wegen gewiffer Angriffe auf die Staatsgewalt oder schwerer gemein­ gefährlicher Verbrechen (§ 4 de» CG. zum RStrasGB); 5) Einsetzung von Kriegsgerichten, mit Kompetenz über gewisse gemeingefährliche Berbrechen der Civilpersonen. Dieselben bestehen au» 2 Justizbeamten und 3 Offizieren; den Vorsitz führt ein richterlicher Beamter. 6) Da» Verfahren der Kriegsgerichte ist ein sum­ marische». Rechtsmittel fehlen und die Vollstreckung ist sofort, bei TodeSurtheilea binnen 24 Stunden nach erfolgter Bestätigung zu bewirken. (Segen den Mißbrauch der dem Staatsministerium gegebeueu Befugniffe soll die Bestimmung dienen, daß den Kammern nachträglich „Rechenschaft" über da» Ge­ schehene gegebm werden soll. Au» der Skizzirung de» Preuß. Gesetze» vom 4. Juni 1851 ergiebt sich, daß e» für die Verhältnisse de» Deutschen Reich» in formeller Beziehung, z. B. bezüglich de» Staatsministeriums, nicht überall anwendbar fein würde. Die Bestimmungen de» Reichsrecht» gelten in Bayern nicht. Hier kommen die besonderen Sätze de» Bayer. Militärstrasrecht» in Anwmdung. Ganz ander», al» in Frankreich und auf dem Äontinent, find die in England für martial Law gül» tigen Bestimmungen. Zwar dürfen mit Zustimmung de» Parlament» gewiffe Gesetze suSpendirt werden, doch können Eivilperfouen ihrem ordentlichen Richter in Friedea»zeiten nicht entzogm werden. — Die letzte Anwendung de» B. im Deutschen Reiche fällt in die KriegSjahre 1870—71, wo gewisse Distrikte in B. erklärt wurden. Al» sogenannten kleinen B. bezeichnet man die in Folge de» Sozialistengesetze» von 1878 über Berlin verhängten AuSnahmemaßregeln.

Bit: Mittermaier, Die Gesetzgebung über B. >c. im Archiv des Ärim.3t., 1849 ®. 29 ff. — lieber Frankreich: Böranger, De la repression pönale, II. p. 3, 1855. — Neber England: Blackstone, Comment, (ed. Kerr), I. p. 419. — Gneist, Engi. Ver­ waltung--R , 6. 983, 985, 1019, 1058, 1073. — Finlason, A treatise on Martial Law, as allowed by the law of England, Lond. 1866. — The Law Magazine Not. 1866, p. 391. — The hörne and foreign review, 1864. — Simmons, On Courts martial. — Neber Nord-Amerika: Bishop, Commentaries on the criminal Law (4. ed.), I. p. 43—68. v. Holtzendorff. Beleidtgwtg (Injurie, Ehrverletzung). 1) Objekt der B. ist die Ehre. Die Ehre ist nicht etwa» dem Menschen Angeborene»; aber fie entsteht, sobald der Mensch mit dem Eintritt in einen bestimmten — gleichviel welchen — Pflichten» krei» da» Bewußtsein erlangt, daß er, um seiner Stellung in der menschlichen Ge­ sellschaft zu genügen, nicht nur die ihm obliegenden Pflichten (Rechtspflichten, ethische Pflichten, Anstandspflichten) zu erfüllen habe, sondern auch die Anerkennung fordern dürse, die er al» ein in feiner Stellung pflichttreuer Mensch verlangm darf. Wer diese» Bewußtsein erlangt hat, befitzt da» Bewußtsein seiner persönlichen Ehre. Wo die» Bewußtsein sehlt, kann > dasselbe natürlich nicht verletzt werden; da fehlt e» an einem Objekte für die B. — Ein Kind, ein im Zustande der Bewußtlosigkeit be­ findlicher Geisteskranker können nicht beleidigt werden; aber gewiß schon ein Schüler, der e» weiß, daß er in seinem Kreise und seiner Stellung gemäß Pflichten zu erfüllen hat ic. 2) Die beleidigende Handlung besteht nun darin, daß dar­ gethan wird, e» sei Jemand den durch seine Stellung in der menschlichen Gesell­ schaft bedingten Pflichten so wenig nachgekommen, daß er fich al» ein dieser Stel­ lung unwürdiger gezeigt habe. Und da nun die Pflichtenkreise innerhalb der mmschlichen Gesellschaft so sehr verschiedenartige find, so folgt darau», daß auch die beleidigende Handlung einen sehr verschiedenartigen Inhalt haben muß. Zwar gewiß ist e» beleidigend, wenn durch eine Handlung dargethan wird (z. B. e» wird von JE. behauptet, er sei ein Dieb, ein Verleumder, ein Fälscher it.), e» sei Jemand überhaupt unwürdig, ein Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu sein; aber ebenso ist e» auch beleidigend, wenn behauptet wird, e» habe Jemand —

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Beleidigung.

gleichviel auf welche Weise — die durch seine spezielle Stellung bedingten Pflichten derartig verletzt, daß er dieser Stellung unwürdig sei; und hieraus folgt von selbst, daß es nicht weniges giebt, was für X. in keiner Weise beleidigend sein kann und was doch für 9). durchaus beleidigend sein muß. 3) Wenn eine Handlung belei­ digend sein soll, so muß sie auch rechtswidrig sein. Was zu thun man ein Recht, wol gar die Pflicht hat, kann nie unrecht, kann mithin auch nie B. sein. Dasjenige z. B., was im Interesse der häuslichen oder der Schulzucht geschieht, ist, weil nicht rechtswidrig, auch nicht B. Von einzelnen Handlungen hat das Gesetz selbst erklärt, daß dieselben als rechtmäßige und deshalb den Begriff der B- aus­ schließende anzusehen seien. Namentlich sind l StrafGB. § 193) hervorgehoben: tadelnde Urtheile über wissenfchaftliche, künstlerische, gewerbliche Leistungen, Aeuße­ rungen, welche zur Ausführung oder Vertheidigung von Rechten oder zur Wahr­ nehmung berechtigter Interessen gemacht werden, Vorhaltungen und Rügen der Vor­ gesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urtheile von Seiten eines Beamten. Und wenn das Gesetz hinzufügt: „und ähnliche Fälle", so ist damit ge­ meint, daß Alles, was mit Recht gethan wurde, den Begriff der B. ausschließe. Doch soll Dasjenige, was zu thun man berechtigt ist, nicht dazu dienen, den Deck­ mantel für eine strafbare Handlung abzugeben. Wie Derjenige, welchem das Recht der Zucht —- z. B. der Familien- oder Schulzucht — zusteht, deshalb nicht berech­ tigt ist, in Ueberschreitung der Grenzen dieses Rechts Mißhandlungen zu begehen, so wird auch aus der Form der an sich berechtigten Aeußerung, oder aus den Um­ ständen, unter denen sie erfolgte, das Vorhandensein einer B. entnommen werden können. Vor Allem hat Jeder das Recht, die Wahrheit zu sagen. Daß für Den­ jenigen, über welchen die Wahrheit gesagt wird, sich nachtheilige Folgen hieraus ergeben können, wird ein moralisches Motiv dafür abgeben, nicht nutzlos nach­ theilige Thatsachen über einen Anderen zu verbreiten. Doch bleibt die Rechtspflicht darauf beschränkt, die Wahrheit der für einen Anderen ehrenrührigen Thatsache be­ weisen zu können. Dieser Beweis der Wahrheit — im Uebrigen überall und im vollsten Umfange zulässig - ist nur dann ausgeschlossen, wenn der durch die Be­ hauptung einer Thatsache in seiner Ehre Angegriffene wegen dieser Thatsache in Untersuchung gezogen und rechtskräftig freigesprochen war; wie denn auch anderer­ seits die erfolgte rechtskräftige Verurtheilung wegen einer strafbaren Handlung Den­ jenigen, welcher letztere verbreitete, eines weiteren Wahrheitsbeweises überhebt. Im Zusammenhänge hiermit ist denn auch bestimmt, daß wenn wegen der Behauptung oder Verbreitung einer strafbaren Handlung die Klage wegen B., resp. Verleumdung erhoben wurde, mit diesem Verfahren innezuhalten sei, falls zum Zwecke der Herbeifüh­ rung eines Strafverfahrens jene strafbare Handlung bei der Behörde zur Anzeige ge­ bracht wurde. Und zwar ist in einem solchen Falle mit dem Verfahren und der Entscheidung über die B. so lange innezuhalten, bis wegen jener strafbaren Hand­ lung entweder der Beschluß gefaßt wurde, daß die Untersuchung nicht stattfinde, oder bis die eingeleitete Untersuchung durch rechtskräftiges Erkenntniß ihre Beendigung ge­ funden hat. Aber auch das Recht, die Wahrheit zu sagen, darf nicht dazu benutzt werden, um durch die Form, in welcher, oder durch die Umstände, unter welchen die Behaup­ tung oder Verbreitung der Wahrheit geschah, zu beleidigen (StrafGB. W 190 — 192). In allen Fällen aber, in denen ein wegen B. Angeklagter seinerseits behauptet, daß er Dasjenige, was er gethan, mit Recht gethan habe, macht derselbe nicht einen Strafausschließungsgrund für sich geltend, sondern er stellt das Vorhandensein eines wesentlichen Erfordernisses der B. in Abrede. 4) Zum Begriff der B. gehört, daß die beleidigende Handlung vorsätzlich begangen werde. Auch die, fälschlicher­ weise sogenannte kulpose Verleumdung (siehe unten) ist eine vorsätzliche B. Der Vorsatz zu beleidigen, besteht aber darin, daß der Thäter diejenige Handlung be­ gehen will, von welcher er sich bewußt ist, daß sie die Ehre eines Anderen zu verletzen geeignet ist. Es ist mithin nicht erforderlich, daß der Thäter durch die

Beleidigung.

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von ihm begangene Handlung ein Gekränktsein des Angegriffenen beabsichtigt habe; es genügt vielmehr, wenn der Thäter, im Bewußtsein, daß die von ihm vor­ genommene Handlung die Ehre des Angegriffenen zu verletzen geeignet sei, dieselbe dennoch vorgenommen hat. Andererseits ist es auch für den Begriff der B. an sich gleichgültig, ob Jemand durch eine Aeußerung rc. sich in seiner Ehre gekränkt gesühlt hat, falls nur die vom Thäter gethane Aeußerung geeignet war, die Ehre eines Anderen herabzusetzen. Der Beweis dafür, daß die Absicht zu beleidigen vorhanden gewesen — der Beweis des animus injuriandi — braucht in vielen Fällen der B. gar nicht besonders geführt zu werden; es ist dann dieser Beweis implizite schon dadurch geführt, daß diejenige Thatsache erwiesen wurde, welche zur Erhebung der Anklage wegen B. Veranlassung gab. In solchen Fällen spricht man von absolut beleidigenden Aeußerungen. Dieser Ausdruck mag zulässig sein, wenn man nur festhält, daß auch bei B. dieser Art die beleidigende Absicht vor­ handen sein muß. In anderen Fällen wird der Beweis für das Vorhandensein der beleidigenden Absicht nicht aus der als B. aufgefaßten Aeußerung schon von selbst sich ergeben, sondern es wird nöthig werden, mit Rücksicht auf die Umstände und Beziehungen, unter denen die Aeußerung erfolgte, die beleidigende Absicht be­ sonders zu beweisen. In solchen Fällen spricht man von relativ beleidigenden Aeußerungen. Die bloße Absicht zu beleidigen, kann für sich allein dagegen nie­ mals den Begriff der B. ausmachen, sondern hierzu ist unter allen Umständen erforderlich, daß sich die beleidigende Absicht in einer Handlung kundgiebt, welche eine ehrverletzende ist. Die Strafe der B. — das StrafGB. bestimmt, abgesehen von den besonderen Arten der B. Geldstrafe bis zu 600 Mark, oder Haft, oder Gefängniß bis zu einem Jahre — ist eine öffentliche Strafe. Ehe das jetzt in Deutschland geltende StrasGB. Gesetzeskraft erlangt hatte, war dies in denjenigen Theilen Deutschlands, in welchen noch das sogenannte Gemeine R. galt, nicht der Fall. Es hatte nämlich das Röm. R. die B. unter dem Gesichtspunkte eines lediglich die Person des Be­ leidigten verletzenden Delikts (delictum privatum) aufgefaßt und demgemäß dem Be­ leidigten eine Privatklage gegeben, mittels deren er befugt wurde, die ihm angethane Schmälerung seiner Ehre zu einer bestimmten Geldsumme abzuschätzen und letztere — unter Vorbehalt des richterlichen Ermäßigungsrechts — von dem Beleidigten wie eine andere Geldforderung einzuklagen (actio injuriarum aestimatoria). Die Deutschen Part.StraiGB. hatten diese gemeinrechtliche Injurienklage bereits besei­ tigt, und die Strafe für die B. zu einer öffentlichen Strafe gemacht, so daß die für B. zu zahlende Geldstrafe nicht mehr in die Tasche des Beleidigten, sondern, wie auch andere Strafgelder, in die Staatskasse floß. Durch das Deutsche StrafGB. ist dieses Resultat nun auch für diejenigen Deutschen Gebiete herbei­ geführt, welche bis zur Publikation desselben noch die gemeinrechtliche actio inju­ riarum aestimatoria beibehalten hatten. Doch ist für die strafrechtliche Behandlung der B. der Gesichtspunkt, daß durch die B. zunächst und hauptsächlich ein höchst persönliches Recht des Beleidigten angegriffen werde, keineswegs ohne Folgen geblieben. Die B. hat in einzelnen Erscheinungen den Charakter eines Privatdelikts behalten. Dies zeigt sich in folgenden Punkten: 1) Die B. darf nur auf Antrag verfolgt werden, und darf dieser Antrag bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urtheils zurückgenommen werden (StrafGB. §§ 194, 64). Es ist aber auch zu­ lässig, daß der Beleidigte mit Uebergehung des Staatsanwalts die B. im Wege der Privatklage verfolge, ein Recht, welches dem Beleidigten auch dann verbleibt, wenn der Staatsanwalt auf den bei ihm angebrachten Antrag erklärt hat, die B., als eine das öffentliche Jntereffe nicht berührende, nicht verfolgen zu wollen. Und wird nun die B. durch den Beleidigten selbst verfolgt (StrafPO. §§ 414 ff.), so hat dieser das Recht, die Privatklage bis zur Verkündung des Urtheils erster Instanz und, soweit zulässige Berufung eingelegt ist, bis zur Verkündung des Ur-

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Verewigung.

theils zweiter Instanz zurückzunehmen. 2) Falls die B. — oder auch leichte Körperverletzung — die Veranlassung geworden ist, daß der Beleidigte B. mit B. oder leichter Körperverletzung erwiederte (Retorsion), so können die Strafansprüche, welche aus jeder dieser B. entstanden, mit einander kompensirt werden (vgl. weiter unten: wechselseitige B.). 3) Außer der öffentlichen — Geld­ oder Freiheitsstrafe, welche den Beleidiger trifft, wird auch dem Beleidigten selbst eine Privatgenugthuung gewährt. Diese besteht für alle B. darin, daß dem Be­ leidigten auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urtheils ertheilt wird; bei einzelnen B. findet außerdem öffentliche Bekanntmachung des Urtheils auf Kosten des Schuldigen statt. Wenn die B. nachtheilige Folgen für die Vermögens­ verhältnisse des Beleidigten gehabt hat, so kann diesem durch den Strafrichter eine Geldbuße zuerkannt werden. (Hierüber vgl. unten: Arten der B. II. 2 und d. Art. Buße.) Die einzelnen Arten der B. bestimmen sich theils aus der Persönlichkeit des Beleidigten, theils aus der Art und Weise, wie die B. begangen wird. I. Arten der B. in Bezug auf die Persönlichkeit des Be­ leidigten. 1) Die B. mehrerer Personen. Werden durch ein und dieselbe Aeuße­ rung mehrere Personen beleidigt, so liegen so viele B. vor, als Personen beleidigt wurden. Unstatthaft ist es, in solchem Falle, wegen der Einheitlichkeit der Aeuße­ rung nur Eine B. annehmen und dieselbe nach Maßgabe des StrasGB. 73 be­ urtheilen zu wollen. Ob übrigens die mehreren Personen ausdrücklich benannt, oder ob dieselben durch einen, diese bestimmten Personen genau bezeichnenden gene­ rellen Begriff zusammengefaßt werden — z. B. die Offiziere dieses Regiments, die Räthe dieses Kollegiums — ist gleichgültig. Denn auch in diesem Falle fehlt es nicht an der Bestimmtheit und Erkennbarkeit der beleidigten Person. Würden dagegen, ohne daß die einzelnen angegriffenen Personen erkennbar wären, Gesammt­ heiten angegriffen — z. B. die Soldaten sind Feiglinge, die Kaufleute sind Be­ trüger — so würde in einer solchen Aeußerung eine B. nicht gefunden werden können. 2) B. juristischer Personen. Es können nur solche juristische Per­ sonen in Betracht kommen, welche — wie dies bei den Korporationen der Fall — aus mehreren individuellen Personen sich zusammensehen. Daß jede einzelne dieser Personen in Bezug auf ihre Mitgliedschaft an der Korporation beleidigt werden könne, unterliegt keinem Zweifel; denn hier handelt es sich ja lediglich um die B. einer einzelnen Person. Anders liegt die Sache, wenn die juristische Person selbst angegriffen wurde. Denn bei dieser wird das Objekt der B., die persönliche Ehre, um deswillen nicht anzunehmen sein, weil diese nur einer individuellen, nicht aber einer durch juristische Abstraktion gewonnenen Persönlichkeit zukommt. Dieses Argu­ ment ist aber nicht das entscheidende. Denn da ebenso wie die Ehrenhaftigkeit, so auch die Unehrenhaftigkeit nur Attribut einer individuell bestimmten Persön­ lichkeit ist, so kann auch der Vorwurf der Unehrenhaftigkeit, gegen eine juristische Person gerichtet, nur die Bedeutung haben, daß damit die Mitglieder der juristi­ schen Person in dieser ihrer Eigenschaft haben beleidigt werden sollen. Dazu kommt noch, daß es bei derartigen B. an der Bestimmtheit der angegriffenen individuellen Persönlichkeiten nicht fehlen würde. Das Deutsche StrafGB. hat (§ 188) den Begriff der Ehre, als Objekt der B., ausgedehnt auf den persönlichen Kredit — „wenn die B. nachtheilige Folgen für die Vermögensverhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten mit sich bringt" — und damit ist denn auch die Möglichkeit der B. einer jeden privatrechtlichen Korporation gegeben. Der Antrag auf Bestrafung wird von denjenigen Mitgliedern der juristischen Person zu stellen sein, welche nach der jedesmaligen Verfassung der Korporation dieselbe nach Außen hin zu vertreten berufen sind. Was die öffentlich-rechtlichen Korpo-

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rationen anbetrifft, so sind in den §§ 166, 196 u. 197 ausdrücklich „Behörden", ferner die gesetzgebenden Versammlungen des Reichs und der einzelnen Bundes­ staaten und sonstige „politische Körperschaften" als Objekte der B. bezeichnet. Und da, abgesehen von den „Behörden", diese Korporationen nur erwähnt werden, um zu bestimmen, daß es bei einer B. derselben eines Strafantrages nicht bedürfe, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß auch über die in §§ 166, 196 u. 197 erfolgte Aufzählung hinaus öffentlich-rechtliche Korporationen als Objekte der B. angesehen werden können. 3) B. eines Verstorbenen wurde vom Preuß. StrafGB. noch vollständig straflos gelassen. Das jetzt geltende RStrafGB. bestraft dagegen Denjenigen, welcher das Andenken eines Verstorbenen derartig beschimpft, daß das Gleiche, gegen den noch Lebenden vorgebracht, eine verleumderische B. im Sinne des StrafGB. gewesen wäre. Die Strafe ist Gefängniß bis zu sechs Monaten, oder bei Annahme mildernder Umstände, Geldstrafe bis zu 900 Mark. Den Strafantrag stellen die Eltern, die Kinder oder der Ehegatte des Verstorbenen, und ist diese Antragsbemgniß auf andere Verwandte nicht zu übertragen (StrafGB. § 189). 4) Die mittelb are B. Von mittelbaren B. spricht man in folgenden Fällen: a) In gewissen Verhältnissen, z. B. der häuslichen Gewalt, dem ehelichen Verhältnisse glaubte man derartig eine Einheit der durch diese Verhältnisse ver­ einigten Personen zu erkennen, daß, wenn auch nur eine derselben beleidigt wurde, auch die anderen mit ihr verbundenen Personen, obwol nicht beleidigt, dennoch für beleidigt galten. In diesem Sinne erkannte das Röm. R. und ebenso das Gemeine Deutsche R., wie auch einzelne der früheren Deutschen Part.StrafGB. die mittelbare B.; dem Deutschen StrafGB. ist diese Art der mittelbaren B. fremd. Dasselbe bleibt trotz des Vorhandenseins des ehelichen oder des Verhältnisses der väterlichen Gewalt dabei stehen, daß der Beleidigte nur für feine Person als solcher zu gelten habe. Aber außer dem Beleidigten selbst ist das Recht, den Straf­ antrag stellen zu dürfen, auch dem Ehemanne und dem Vater des Beleidigten ein­ geräumt, falls der Beleidigte unter väterlicher Gewalt stand, b) Gewisse ehrver­ letzende Aeußerungen — z. B. Hurenkind — enthalten eine Ehrverletzung nicht nur für Denjenigen, gegen welchen sie gerichtet sind, sondern auch für andere Per­ sonen. Es sind durch solche Aeußerungen dann zwei Personen beleidigt, und jede derselben ist zum Strafantrage berechtigt. Diese Art der mittelbaren B. anerkennt auch das Deutsche StrafGB., wenngleich dies durch eine gesetzliche Vorschrift nicht ausdrücklich ausgesprochen ist. 5) Die Amts-B., welche noch im Preuß. StrafGB. eine besondere und zwar eine qualifizirte Art der B. bildete, ist als solche in dem Deutschen StrafGB. nicht mehr anerkannt. Dieses beschränkt sich darauf, zu bestimmen, daß, wenn eine Behörde, ein Beamter, ein Religionsdiener oder ein Mitglied der bewaffneten Macht, während sie in der Ausübung ihres Berufes begriffen sind, oder in Be­ ziehung auf ihren Beruf beleidigt werden, nicht nur die unmittelbar Betheiligten, sondern auch deren amtliche Vorgesetzte das Recht haben, den Strafantrag zu stellen (StrafGB. tz 196). Im Zusammenhänge hiermit steht die Vorschrift, daß, wenn gesetzgebende Versammlungen — des Reiches oder eines Bundesstaates — oder andere politische Körperschaften beleidigt wurden, diese B. nur mit Ermächtigung der beleidigten Körperschaft verfolgt werden dürfe; d. h. wird der Antrag nicht gestellt, wo derselbe gestellt werden muß, so beginnt nicht der Lauf des Rechts; wird die Ermächtigung zur Verfolgung versagt, so wird der Lauf des Rechts durch diese Versagung gehemmt. B., welche der Amts-B. ähnlich sind, stellt auch das Mil.StrafGB. auf, in­ dem es (§ 91) B., welche Militärpersonen gegen ihre Vorgesetzten oder im Dienstrange Höheren begehen, mit Freiheitsstrafe (Gefängniß, Festung, Arrest) bedroht und da­ bei die Schwere der Bestrafung davon abhängig macht, ob die B. außerdienstlich

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Beleidigung.

(Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren» oder im Dienste, resp, in Beziehung aus eine Dienst­ handlung (Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren); ob die B. durch Verbreitung von Schriften, Darstellungen oder Abbildungen begangen wurde (Gefängniß oder Festungshaft bis zu 5 Jahren) Ausschließlich auf Gefängniß bis zu 5 Jahren ist zu erkennen, wenn die B. eine verleumderische war. Ueber B., welche gegen Untergebene be­ gangen werden, vgl. Mil.StrafGB. §§ 121, 122. n. Arten der B. in Beziehung auf die Art und Weise ihrer Begehung. 1) Eine besondere Strafe ist für die mittels Thätlichkeiten begangenen B. bestimmt (Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder Gefängniß bis zu 2 Jahren). Die sogen. Re al-Injurie ist im Gegensatze zu der durch Worte begangenen B. durch daS Deutsche StrafGB. wieder unter den allgemeinen Begriff der B. aus­ genommen, während daS Preuß. StrafGB. den Begriff der mittels Thätlichkeiten begangenen B. nicht anerkannte, sondern dieselbe unter dem Gesichtspunkte der leichten Körperverletzung bestrafte. 2) Die mittels Wort, Zeichen, Schrift, Druck rc. begangenen B. bezeichnen entweder direkt den Beleidigten als einen solchen, welcher der allgemeinen Achtung nicht werth fei — durch die verschiedenartigsten Ausdrücke und Bezeichnungen wird der Angegriffene als ein unehrenhafter Mensch prädizirt — oder eS Wecken in Beziehung auf den Angegriffenen Thatsachen behauptet oder verbreitet, welche, ihre Wahrheit vorausgesetzt, geeignet find, denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. DaS Preuß. StrafGB. nahm in -allen Fällen dieser letzterm Art an, daß Verleumdung vorliege. DaS jetzt geltende Deutsche StrafGB. hat indessen unterschieden: a) Geschah die Behauptung oder Verbreitung der ehrenrührigen Thatsache trotz deS Wissens von der Un­ wahrheit derselben — daß dieses vorhanden gewesen, der Angeklagte also wider besseres Wissen gehandelt habe, muß gegen denselben thatsächlich fest­ gestellt wecken— so liegt „Verleumdung", „verleumderische Beleidigung" — daS Gesetz § 187 gebraucht beide Ausdrücke gleichbedeutend — vor. Die Strafe ist dann Gefängniß bis zu 2 Jahren und bei Annahme mildernder Umstände Geldstrafe bis zu 900 Mark, b) Wurde die ehrenrührige Thatsache nicht wider beffereS Wiffen behauptet oder verbreitet, — was juristisch allemal auch dann anzunehmen ist, wenn eS sich gegen den Angeklagten thatsächlich nicht feststellen läßt, daß derselbe wider besieres Wiffen gehandelt habe — so fällt der Begriff der Verleumdung fort, und das Gesetz bezeichnet dieses Delikt mit dem Aus­ drucke „Beleidigung" (StrafGB. § 186). Die Strafe ist im Allgemeinen die gleiche, welche für B., die nicht mittels Thätlichkeiten begangen werden, festgesetzt ist (Geldstrafe bis 600 Mark oder Hast oder Gefängniß bis zu 1 Jahre). Bei der unter a) und b) bezeichneten, vom Gesetze anerkannten Unterscheidung ge­ winnt auch die Frage, welche Bedeutsamkeit bei der Verleumdung die Nennung deS Gewährsmannes habe, eine vom früheren Preuß. R. abweichende Ent­ scheidung. Zweifellos nämlich wird bei der „Verleumdung" eS ganz gleichgültig fein, ob die verbreiteten ehrenrührigen Mittheilungen von dem Verleumder erfunden, oder ob er dieselben von Anderen erfahren hat; denn nur daraus kommt es an, ob der Verbreiter der ehrenrührigen Thatsache deren Unrichtigkeit kannte. Und diese Kenntniß wird dadurch, daß ein Dritter die fraglichen Thatsachen dem Ver­ leumder mittheilte, nicht ausgeschloffen. Wohl aber kann die Vorschützung eineS Gewährsmannes dazu dienen, den guten Glauben des Verbreiters hinsichtlich der Wahrheit der von ihm erfahrenen und weiter verbreiteten Thatsachen darzuthun. Gelänge dieses, so würde die Vorschützung deS Gewährsmannes zwar nicht die „Beleidigung", wohl aber die „verleumderische" Beleidigung zu beseitigen vermögen. — Sowol für die unter a) hervorgehobene verleumderische B-, wie auch für die unter b) besprochene B. ist bestimmt worden, daß, wenn durch die»

VeltiMflHNg.

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selben nachtheilige Folgen für die Bermögensverhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten sich ergeben haben sollten, außer der Strafe auf eine an den Beleidigten zu erlegende Buße bis zum Betrage von 6000 Marf erkannt werden kaun. Diese Buße, aus welche nur auf Verlangen des Beleidigten erkannt werden darf, tritt an die Stelle deS sonst von dem Beleidigten geltend zu machen­ den Entschädigungsanspruches. Zieht der Beleidigte eS vor, anstatt die Buße sich zuerkennen zu lassen, gegen den Beleidiger eine EntfchädigungSklage anzustellen, so steht ihm dieses frei. Buße und civilrechtlicher Entschädigungsanspruch schließen sich gegenseitig auS. 3) Die öffentliche B. Diese ist vorhanden, wenn die B. so begangen wurde, daß sie „unbestimmt von welchen oder wie vielen Personen wahrgenommen werden konnte". Wurde dagegen die B. derartig begangen, daß fie „nur für die Wahrnehmung gewisser Personen bestimmt war, und, von Zufälligkeiten abgesehen, auch nur von diesen bemerkt werden konnte", so fehlt eS an dem Erforferniß der Oeffentlichkeit. Hinfichtlich der Bestrafung hat die Oeffenttichkeit der B. die Wirkung , daß die Verurtheilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt ge­ macht wird, und zwar, wenn die B. durch eine Zeitung oder Zeitschrift erfolgte, durch Bekanntmachung deS verfügenden Theils des Urtheils in einem öffentlichen Blatte, wo möglich in demselben, in welchem die B. enthalten war. Abgesehen von diesen Rebenstrafen hat die Oeffentlichkeit der B. auch einen Einfluß auf die Hauptstrafe bei denjenigen B., welche durch Behauptung oder Verbreitung ehrenrühriger Thatsachen begangen werden. Wenn in diesem Falle die B. den Charakter der „Verleumdung" hatte (StrafGB. § 187), so bewirkt die Oeffentlichkeit der Verleumdung, daß, abgesehen von mildernden Umständen (§ 187, Abs. 2), aus Gefängniß nicht unter einem Monat zu erkennen ist. Hat dagegen in dem be­ zeichneten Falle die B. nicht den Charakter der Verleumdung, so bewirft die Oeffentlichkeit, mit welcher die Behauptung oder Verbreitung der ehrenrührigen Thatsache geschah, daß die sonst angedrohte Geldstrafe (bis zu 600 Mark) bis auf 1500 Mark und die sonst angedrohte Freiheitsstrafe (Haft oder Gefängniß bis zu 1 Jahr) unter Wegfall der Haftstrafe bis auf zweijähriges Gefängniß erhöht werden kann. Oeffentlichkeit der B. liegt allemal vor, wenn die B. durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen begangen wurde. 4) Wechselseitige B. liegen vor, wenn die begangene B. Beranlaffung wurde, daß der Beleidigte in der durch die B. verursachten Erregung den Belei­ diger wiederum beleidigte. B. und Gegen-B. bilden so ein zusammenhängendes Ganze. Die Wechselseittgkeit der B. Lußett ihre Wirksamkeit darin, daß die so begangenen B- gegenseitig aufgerechnet werden können; und sodann darin, daß fie in einem und demselben Verfahren verhandelt werden müffen. Hat demnach Einer der Beleidigten den Sttafanttag gestellt, so muß auch der andere — fall» er dieS überhaupt will — seinen Antrag noch vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz stellen, selbst wenn die dreimonatliche AnttagSpflicht noch nicht ab­ gelaufen sein sollte. Die Wechselseittgkeit der B. bewirkt somit in diesem Falle eine Verkürzung der Antragsfrist. Andererseits würde, wenn der Line der Beleidiger seinen Sttafantrag erst gegen Ende der AnttagSfttst stellen sollte, auch der Andere berechtigt bleiben, den feinseitigen Antrag auf Bestrafung noch bis zum Schluffe der Verhandlung in erster Instanz zu stellen; woraus sich dann eine Verlängerung der AnttagSfttst ergeben würde. Bit: Weder, Ueber Injurien und Schmähschriften (1820). — Köstlin, Abhandl., herauSgegeden von Gehler (1858), 6. 1 ff. — Hälschner, System des Preuß. Strafrecht-, Th. II 1868, S. 138 ff., 197 ff. — John, Kritiken, S. 214 ff. - v. Schwarze, Beitröge zur Lehre von der Ehrverletzung, in der Sächsischen Ger.-Zeitung, Bd. V—VIII und Bd. XII. — Köstlin in der Zntschr. für deutsche- «., Bd. XV. — Wächter, Lchrb. II. S. 76 ff. — Berner, Lehrb., S. 420 ff. — Schütze, Lehrb., §§ 75 ff. — H. Meyer,

270

vellsperttc» — Bellst.

Lehrb., 2. Lust., §§ 104—108. — Dochow in v. Holtzendorff'S Handbuch des Strafrecht-, Bd. HL S. 829 ff. Speziell: Ueber Derleumduua: Rubo, Zur Lehre von der Verleumdung, 1861. — Goltdammer, Archiv, Bd. VIII. S. 696; IX. S. 357; X. S. 712; XHL S. 284, 296; XIV. S. 61. —Ueber Privatgenuathuung: HLlschner, Gericht-saal. XVI. S.365ff. — Leber die exceptio veritatis: Köstlin in Goltdamme?- Archiv, Bd. HI. S. 306. — Ueber B. juristischer Personen: Goltdammer, Archiv, Bd. XVI. S. 840 ff. — Brun- im Gericht-saat, Bd. XXVII. S. 481 ff. — Irrthum in der Person des Beleidigten: Goltdammer, Arch., Bd. VM. S. 562; IX. S. 135. — Amsler, Die Möglichkeit einer Injurie an Verstorbenen, Zürich 1871. Gsgb.: Goltdammer, Materialien, II.S. 314. — Beseler, Kommentar, S. 321. — HLlschner, System, II. S. 138. — John, Entwurf mit Motiven, S. 411. — Reichstags verhandl. S. 645 ff., 1176. Kommentare von v. Schwarze, Rüdorff, Hahn, Oppenhoff an den einschlagenden Stellen. Dgl. überdem b. Art. Buße. RStra^B. §§ 185-200. — RMilStrafGB. §§ 91, 121, 122. John.

Bellapertiea, Petrus de (Pierre de Belleperche), L zu Lucenah bei Billeneuve im Bourbonnais, Pros, zu Toulouse und Orleans, Bischof von Auxerre, vertrauter Rath Philipps des Schönen, Kanzler von Frankreich 1306, t 1308. Er schrieb: Repetitionen zum Digestum vetus, zum novum und zum Codex (gedruckt 1515, 1571 und in den Repetitionensammlungen), eine Lectura zum Codex (1519), ausführ­ liche Repetitionen zu den Institutionen, reportata per Gail, de Brandestone, Anglicam (1513, 1536 und sonst), Quaeationes aureae (1517 und öfters), Distinctiones seu Brocarda, Consilia seu Singularia; Abhandlungen De missione in possessionem (1587) und De feudis (1565 und ost). Lit.: Savigny, Gesch. d. Röm. R. im Mittelalter, XVIII. 1. Rivier. Bellarmin, Rob., S 4. X. 1542 zu Montepulciano, Neffe des Papstes Marcell II., lehrte zu Löwen u. Rom, 1598 Kardinal, 1605 Bibliothekar des Vatikan, t 17. IX. 1621. Schriften: Disput, de controv. fidei, Rom. 1581. Par. 1688. Prag. 1721 u. ed. v. Sausen, 1842, deutsch v. Gumposch, 1842. — De potestate summi Pontif. in rebus tempor. adversus G. Barclaium, Rom. 1610. Colon. 1610. 1611 (in Roccaberti bibl. max. pont. XVIII. 365). — De script eccles. — 0. div., Colon. 1719. Nap. 1857—1860. Lit.: Walter, Naturrecht, 173, 191, 253, 403. — Brockhaus. Teichmann.

Belleyme, Louis Marie de, S 16. I. 1787 zu Paris, wurde 1807 Ad­ vokat, 1828 prüfet de police, 1856 Rath am KaffationShofe, f 24. II. 1862. Schriften: Ordonn. du prös. du Tribunal civil de la Seine, 1837. — Ordonn. sur requetes et sur reföräs seien la jurisprudence du trib. de prem. instance de la Seine, 1837, (3) 1856. Lit.: Hist, de Fadministr. d. M. de B. ex-pröfet de police, 1830. — Notice par Fer­ nand de Thoury 1862, par Sapev 1863. — Biogr. par M. Berlin 1863. — Le tnbunal et la Cour de Cassation, 1879, p. 287. Teichmann. Bello, Pierino, da Alba, S 20. III. 1502 zu Alba, wurde 1535 Auditor in der Armee Karl'S V., dann KriegSrath unter Philipp II., f 31. XII. 1575 zu Turin. Berühmt fein Werk: De re militari et de dello, Venet. 1563 (auch im Tract. tract). Lit.: Biogr. v. Vernazzadi Freney, Torino 1783. — Mancini, Diritto inlernazionale, Napoli 1873, p. 13 rc. — Mu las, P. Belli da Alba, precursore di Grozio, Torino 1878. — Fiore, Trail, di diritto internaz. pubblico (2) 1879, p. 50. — Revue de GandX. 274. — Law Magazine 1878, p. 138. — Arcnivio storico Italiano 1879, p. 152. — Sclopis II. (1863), 593. Teichmann. Bellot, Pierre FranqoiS, S 4. I. 1776 zu Genf, 1798 Advokat, ver­ dient durch Abfassung des Civ.Proz.G. v. 1819 und sonstige gesetzgeb. Arbeiten, seit 1819 als Lehrer von großem Einfluß, f 17. III. 1836.

Bewifio - Benedict.

Schriften: Exposd 1921: (4) par Schaab et ldgislation et d’economie froy (Bibi, universelle de

271

des motift de la loi sur la procedure civile de 1819, Genfcve Brocher 1877. — Legislation du manage (in den Annales de politique). — Sur la personne et les Oeuvres de Jacques Gode* Genäve 1837 [XU] 281).

Bit: Cherbuliez, Notice sur la vie et les travaux de B, 1838. — Brocher in Nouv. Revue hist 1877, p. 261—272. — Notice biogr. vor der AuSg. von 1877, p. XXI—L. Secrätan, Galerie suisse 1876, IL 234. — v. Orelli, Rechtsschulen, Zürich 1879, S. 83, 108. — Revue de Wolowski I. 102—116. Teichmann.

Belvisto, Jac. de, K 1270 zu Bologna, lehrte zu Neapel, Bologna, Pe­ rugia, Padua, Siena, f 1335. Schriften: Corn, zum Authenticum — zu libri feudorum, 1511. — Practica crim., Lugd. 1515. — De excommunicatione (Tract univ. i. tom. XIV.), Bit: Savigny, VL 60—67. — Schulte, Gesch., H. 233. — Rossi, Doc. per la storia dell’ Univ, di Perugia 1876, I. — Arch. giurid. XVIII. 376—386. — BethmannHollweg, VI. 203. Teichmann. Bender, Joh. Heinrich, S 29. IX. 1797 zu Frankfurt a. M., eine Zeit lang daselbst Advokat, dann ZolldirektionSrath, t 1859. Schriften: Grundriß d. deutschen St.- u. R.gesch. i. Beh. v. Dort, Gießen 1819. — Ueber die Zulässigkeit d. Einrede des nicht, gezahlten WechselbetraaS, Gießen 1821. — Erört. Wie weit die Einrede, Valuta nicht empfangen zu haben, im Deutschen Wechselprozeß nicht zu­ lässig sei, Gießen 1821. — Ueber d. mündl. u. öff. Verfahren in Kriminalsachen (anon.), 1821. — Grds. des deutsch. HandlungSrechtS, Darmst. 1824—1828. — Der Verkehr mit GtaatSpapieren im In- uno Ausland (Arch. f. civ. Pr. Bd. VIII. Beil.) 1825, (2) Gött. 1830. - Die Lotterie (Beit z. Bd. XV.), 1832 (DaS Lotterierecht, 2. Aust. 18411 - Lehrbuch d. PrivatrechtS d. fr. Stadt Frankfurt, 1835—1887. — Handb. d. Franks. Privatrechts 1848, d. EivilprozefieS 1854. — Derh. d. gesetzgeb. Vers. d. freien Stadt Frankfurt 1816—1831, Franks. 1834. — DammlunaFrankf. Verordn, v. 1806—1816, 1834. Lit.: Kelchner in d. Aug. Deutsch. Biogr. II. 321. Teichmann.

Beuech, Raymond Osmin, S 20. VII. 1807 zu BariügueS, wurde 1831 Prof, zu Toulouse, t 1855 durch eigene Hand. Schriften: Progr. d’un cours de droit romain , 1836. — De la ouotitd disponible entre dpoux (2), 1842. — Traitd des justices de paix (loi de 1838). — De Fenseignement du droit fran^ais 1847. — De l’emploi et ,du remploi de la dot (2\ 1847. — Du droit de prdfdrence en mat. de purge, 1853. — Etudes sur les classiques latins appl. au droit romain 1853 (spanisch v. J. Martin Navarro, Madrid 1878). — Nantissement appl. aux droits, crdances et reprises de la femme, 1855. — De Filldgalitd de Fadoption des enfants naturels, (2) 1845. — Mdlanges de droit et d’histoire 1857. Lit.: Rivier, 568. — Warnkönig in Krit. D.I.Schr. I. 262—269. Teichmann.

Beneike, Lewin Anton Wilhelm, ö 17. VIII. 1776 zu Hannover, in verschiedenen kaufmännischen Stellungen in Hamburg und England, fiedelte 1828 nach Heidelberg über, wo er besonder- mit theologischen Untersuchungen fich be­ schäftigte, t 8. III. 1837. Schrift: System d. Afiekuranz- u. BodmereiwefenS, Hamb. 1807—1821, v. Nolte, Hamb. 1851, 1852 (engt A Treatise on the Principles of lndemnity in Marine Insurance, 1824). Lit.: Wilhelm Benecke's Lebensskizze und Briefe, Dresden 1850. Teichmann.

Benedict XIV. (ProSp. Lor. Lambertini), S 31. III. 1675 zu Bo­ logna, bestieg 1740 den päpstl. Stuhl, war ein eifriger Beförderer d. Wiffenschaft, duldsam, den Jesuiten wenig geneigt, f 2. V. 1758. Berühmt durch sein Werk: De synodo dioecesana libri XIII, Ferrar. 1740. Rom. 1755. Aug. Vind. 1769. Mognnt (Mechlin.) 1842. — Opera ed. Eman. de Azevedo (Jesuit), Rom. 1747 biS 1751. Venet. 1777. Prati 1844. Lit.: Schulte, Kirchenrecht, (3) 97, 239, 481, 491, 498, 521. — Herzog, Realencykl., II. 26—28. — Vie de B., 1783. — Brockhaus. Teichmann.

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Bwdtetae — Bewflciem aMtoationis.

Benetoum (Pfründe) ist der Komplex von Vermögensrechten, welcher zur Besoldung eine- KberikerS ein für allemal bestimmt und daher als ei» von dem übrigen Gute der Kirche gesonderter Theil verwaltet wird. Im Allgemeineu soll jede- Kirchenamt (officium) mit einem B. verbunden sein und umgekehrt kein B. ohne daS dazu gehörige Amt verliehen werden. Officium und B. find also korrelate Begriffe, doch westxn die beiden Ausdrücke heute als gleichbedeutend gebraucht. Die Schule theilt die B. von verschiedenen Gesichtspunkten aus in folgende Klaffen: 1) B. majora und minora (höhere und niedere B.). Die majora B. gewähren den Inhabern eine Theilnahme am Kirchenregiment (jurisdictio), daS find die Aemter der Prälaten: Bischöfe, Erzbischöfe, Primaten, Patriarchen, Papst (praelati principales mit einer selbständigen [proprio jure] Jurisdiktion, Kardinäle, Legaten, Nuntien, OrdenSgeneräle, Aebte, Stiftspröpste (praelati secundarii mit einer durch Auftrag überkommenen Jurisdiktion [jurisdictio mandataj). Die minora B. haben es nur mit der Lehr» und Weihegewalt (potestas ordinis) zu thun, also die Aemter deS niederen Klerus (presbyter, diaconus, subdiaconus, acoluthus. exorcista, lector, ostiarius). 2) B. secularia und regularia, je nachdem das Kirchenamt für Welt­ oder Ordensgeistliche errichtet ist. Hierbei gilt die Regel: Secularia secularibus, regularia regularibus, d. h. ein Säkular»B. soll keinem Klostergeistlichen, ein Re­ gular-B. keinem Weltgeistlichen verliehen werden3) B. duplicia und simplicia. Die simplicia legen bloßen Chorund Ältardienst auf, so die Kanonikate in den Kathedral- resp. Kollegiatstiftern und die Kaplaneien. Mit den duplicia ist dagegen noch eine weitere Berechti­ gung resp. Verpflichtung verbunden, so die Kurat-B., deren Inhabern die Seel­ sorge innerhalb eines bestimmten Sprengel» obliegt (B. quae curam animarnm habent annexam), die Personate (personatus), d. h. einzelne Ehrenstellungen in den Kapiteln (Kantor, Sakrista, Kustos), die Dignitäten (dignitates), worunter die mit einer beschränkten Jurisdiktion bekleideten Vorstände der Stifter (Propst und Dechant) verstanden werden. 4) B. compatibilia und incompatibilia. Die incompatibilia B. erfordern die Residenz (residentia localis), d. h. die persönliche Anwesenheit de» Benefiziaten am Orte deS Amtes, schließe^ schon deshalb die Kumulation mehrerer Pfründen auf ein und denselben Kleriker auS (pluralitas beneficiorum), und zer­ fallen wieder in B. incompatibilia primi generis (s. ratione tituli, absolut un­ verträgliche Pfründen): hier tritt durch die Annahme eines zweiten Amtes ipso jure der Verlust des ersten ein; so die BiSthümer, Dignitäten, Personate und Kurat-B., — und b. incompatibilia secundi generis (s. ratione retentionis): hier erfolgt die richterliche Aberkennung der zweiten Pfründe, sofern der Kumulant nicht vorher zwischen beiden wählt; so namentlich die Kanonikate. Bei den B. compatibilia ist die Pluralität auS Gründen der Zweckmäßigkeit gestattet, namentlich wenn da» erste B. nicht den standeSmäßigen Unterhalt abwirft. 5) B. manualia und titulata. Die letzteren dienen zu OrdinationStiteln und sönnen dem jeweiligen Inhaber nur auS gesetzlichen Gründen entzogen werden, wofür im Fall eines Zweifels die Vermuthung spricht. Die ersteren werden nur auf Zeit oder auf willkürlichen Widerruf verliehen. Bit: Phillips, Lehrb. b. Kirchenrechts, §§ 71 ff. — Schulte, Syst. d.Kirchenrechts, §35.— Richter-Dove, Kirchenrecht, §§ 118, 182. — HinschiuS, Kirchenrecht, Ü. §§ 99, 100; HI. § 159. — Friedberg, Kirchenrecht, §§ 103, 104, 173 ff. Hübler.

Beneflcium abdicationis (in Lübeck Bergen» und DachdingSauf» tragen, Th. I. S. 508). In verschiedenen partikularen und lokalen Rechtsquellen, nach denen daS System der Gütervereinigung (Gütereinheit) oder Gütergemeinschaft

gilt, findet sich der Grundsatz, daß die Mttwe, welche fich nicht von dem unter der Gewalt ihre- verstorbenen Ehemanne« befindlich gewesenen gemeinschaftlichen Vermögen auÄrücklich lossagt, für die von jenem koatrahirten Schulden persönlich haftet. DaS der Mttwe eingerLnmte Recht de» Verzicht» wird b. a. genannt. Die ersten Spuren diese» Recht»institut» finde» fich in dem Kleinen Kaiser-R. (II. 50), also gegen da» Ende de» 13. oder im Anfänge de» 14. Jahrh. I» einigen Rechte», wie im Bremischen und Lübischen, hat fich dasselbe erhalten. Der Verzicht, der unter einer gewissen Publizität stattfinden mußte, wurde nicht selten durch sym­ bolische Handlungen auSgedrückt. So findet fich die Vorschrift, die Wittwe soll mit der Leiche de» Manne» da» Hau» verlassen und vom Grabe nicht wieder in dasselbe zurückkehren; sie soll Schlüssel, Gürtel, Mantel, Börse auf da» Grab oder auf deu Sarg legen; oder die Schlüssel dem städtischen Rath oder einem Magistrat»Deputirten übergeben. Roch nach neuerem Bremischem R. muß die Mttwe spätesten» bei der Beerdigung da» Hau» verlassen «ad von dem Verzicht da» Gericht in Kemrtniß setzen. Rach Lübischem R. hat dagegen dieselbe zur Lossagung von dem Vermögen eine Frist von sechs Monaten, welche erst von dem Zeitpunkte an ge­ rechnet wird, wo ein Inventar de» überschuldeten Vermögen» ausgenommen ist, resp. Versiegelung desselben stattgefundm hat.- Der in Lübeck üblich« Ausdruck Bergen- und Dachdingsauftragen bezeichnet den eigentlichen BerzichtSakt. Er be­ deutet Verzicht aus Bürgschaftsleistung und gerichtliche Verhandlungen mit den Gläubigern und ist eine Bezeichnung sür eine förmliche.Jnfolvrnzerklärung. DaS b. a. hat nicht die Bedeutung, daß dadurch em« bereit» während der Ehe ent­ standene persönliche Verpflichtung der Frau aufgehoben, sondern die, daß dadurch die mit der Besitzergreifung de» verschuldeten Gut» verbundene Uebernahme einer solchen Verpflichtung abgelehnt wird.

Lit.: Hagemeister, Zeitschr. f. geschichtl. RechtSwiffenfch., III. Nr 5. — Beick, Heb. d. Brem. Güter-R. b. Ehegatten (Bremen 1832), besonder» §§ 2, 12—19, 26, 28—34. — Pauli, «dH. a. b. Silbisch. R. (Lübeck 1887 ff.), H. § 42. — Schwarz, Die Güter­ gemeinschaft o. Ehegatten nach Fränk. 9t. (Erlangen 1858), 6. 84, 44. LewiS.

Beneflclum abstlnendl (Th. I. S. 465) heißt die im Röm. R. den sui heredes durch da» Prätor. Edikt gewährte Vergünstigung, sich der Haftung au» der, nach Civilrecht ipso jure, also auch wider ihren Willen auf fie übergehen­ den, väterlichen Erbschaft durch gänzliche Enthalluag von ihr zu „entschlagen". Die Folge davon ist die Behandlung de» saus, al» wäre er nicht Erbe geworden. Die Erbschaft fällt an Substituten, Miterben und fernere Erbberechtigte und wird in omnem eventum den Gläubigern zu direkter eigener Befriedigung überlasten. — Der saus bleibt Erbe, bi» er da» b. ’a. in Anfpruch nimmt, die Abstinenz wird also erst damit ein wirkliche» jus quaesituw. Darau» erhellt, daß man au» ihrer Zulastung bezüglich der Erbschaft de» väterlichen Großvater», die an den Vater ebenfall» wider feinen Willen gekommen und nunmehr al» ein Theil von deffm Erbschaft auf den saus (nepos) übergeht, nicht auf Vererblichkeit de» b. a. schließen darf, wie denn ja auch dem Enkel gegen die beschwerende Thatsache feine» eigenen Erwerbs geholfen werden muß, die durch» Abstiniren ex persona patris überall nicht berührt wird. — Da» Franz. R., dem Testamentserben unbekannt find, läßt die Erbschaft auf die Jntestaterben (hSritiers) überhaupt, also nicht blos auf die sui de» Röm. R., ipso jure übergehen. Sie müssen für die onera haften, wenn fie nicht ausdrücklich und gerichtlich entsagen. Ihre renonciation ist daher im Sinne d«S Röm. R. Abstinenz. (Th. I. S. 583.) Das Preuß. LR. und das Sächs. BGB. lernten dagegen nur Erben, die voluntate sua Erben werden. Für fie also existirt daS b. a. nicht.

Quellen: § 2. L 2, 19. - 1. 7, § 1: 1.1. 11. 12. 55—57. 71. § 4. 1. 99 v. 29, 2. — 1. 1 8 7 D. 29, 4. — L 17 v. 28 , 3. — 1. 89 D. 80. — 1. 44 D. 42, 1. — Tit. C. 2, 39. Tit C. 6, 31. — 1. 6 C. 6, 58. — C. dv. art. 724 , 775 , 781, 784 so — Preutz. LR. Th. L Tit. 9 §§ 383 ff. — Sächs. BGB. §§ 2010, 2246, 2250, 2326. ». Holtzeadorff, «nc. N. Rechttlerwm I. 3. «uff. 18

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Beneficium competentiae — Beneficium separationis.

Bit: Mühlenbruch bei Glück, Komment., Bd. LXIL S. 345 ff. — Marezoll in Ztschr. f. Civ.R. u. Prz., Bd. II. S. 85 ff. — Huschte, das. N. F. Bd. VII. S. 85 ff. v. Bangerow, Arch. f. civil. Prax., Bd. XXIV. S. 158 ff. — Wieding, Transmission Justin., S. 15 ff., 41 ff. — Witte in Weiske's R.Lex., Bd. I. s. v. — Bering, Röm. Erb-R., S. 479. — Puchta, Vorles., § 500. — Windscheid, Pand. R., § 595. K. Wieding.

Beneficium competentiae. Mit diesem, den Rechtsquellen fremden Aus­ drucke bezeichnet die Rechtssprache das Recht eines Schuldners darauf, daß ihm die Mittel zum nothdürftigen Unterhalt (Kompetenz) belassen werden. Die Rechts­ quellen sagen dafür condemnare in id, quod (reus) facere potest. Das Recht ist ein höchst persönliches, gewährt keine Klage aus Rückgabe des Geleisteten, konnte aber im Wege der Einrede nicht nur gegen die Klage, sondern nach der herrschen­ den Meinung auch gegen Vollstreckung des Urtheils geltend gemacht werden. Rach der Deutschen CPO. § 686 ist letzteres ausgeschlossen, soweit der Einwand schon während des Rechtsstreits erhoben werden konnte. Die Einrede steht gemeinrechtlich dem Soldaten gegen jeden Anspruch zu; dem Schuldner, qui bonis cessit, und dem aus väterlicher Gewalt Entlassenen gegen Ansprüche aus der Zeit vorher, dem Vater gegen den Sohn, Ehegatten unter einander, dem Schwiegervater gegen den Dotirungsanspruch, dem Ehemann, seinem Vater und seinen Kindern gegen die Dotalklage, Gesellschaftern (auch unius rei ?) gegen Klagen aus dem Sozietätsver­ hältniß, dem Schenker gegen die Schenkungsklage. Andere Fälle sind streitig. Zu Gunsten des Schenkers wird auch der Schuldenstand, sonst nur die gegenwärtige Lage des Aktivvermögens berücksichtigt. — Das Preuß. R. erkennt ein gegenseitiges Recht aus Kompetenz unter den Personen an, für welche eine gesetzliche Alimen­ tationspflicht besteht. Eigenthümlich ist eine Klage des Schenkers gegen den Be­ schenkten auf eine begrenzte Kompetenz (A. LR. I. 11 § 1123). — Das Oesterr. R. gewährt eine Kompetenzeinrede gegen Forderungen aus mildthätigen, d. h. unentgeldlichen Handlungen, gegen Verwandte in auf- und absteigender Linie, gegen Geschwister und gegen die Ehefrau, von der der Schuldner nicht durch seine Schuld geschieden ist. Das Sächs. BGB. erwähnt besondere Kompetenzberechti­ gungen nicht, beschränkt sich vielmehr auf Vorschriften über gesetzliche Alimentations­ pflichten. — Aus der Rechtswohlthat des Schuldners, qui bonis cessit, entwickelte sich in der modernen Gesetzgebung der Grundsatz, daß gewisse vom Gesetz bezeichnete Gegenstände als für den Schuldner, seine Familie und sein Gesinde unentbehrlich der Pfändung nicht unterworfen sind und daß hierzu auch gewisse in erster Linie für den Unterhalt des Schuldners bestimmte Forderungen gehören. Zu den letzteren wird insbesondere die Lohnforderung aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnisse gerechnet, so lange nicht die Arbeiten oder Dienste geleistet sind und der Fälligkeits­ tag ohne Einforderung seitens des Berechtigten vorübergegangen ist, ebenso die Ge­ haltsforderungen bis zu einem gewissen Gehaltsbetrage. — Die RGesetzgebung hat alle diese Beschränkungen der Pfändung in weitem Maße anerkannt. Dieselbe giebt dagegen dem Gemeinschuldner nach eröffnetem Konkursverfahren kein Recht auf eine Kompetenz außer aus den Nutzungen, die demselben kraft des Nießbrauchs am Vermögen seiner Ehefrau oder seiner Kinder zustehen. Es kann demselben aber eine Unterstützung bewilligt werden. Quellen u. Lit.: Vgl. Francke, Arch. f. civ. Prax. XXIII. 14. — Heimbach, Rechtslex. I. 877. — Sintenis, Ztschr. f. Civ.R. u. Prz. XV. 13. (1. 16 sequ. D. de re jud. 42, 1). - Preuß. KO. v. 8. Mai 1855, §§ 434 ff.; Oesterreich. BGB. § 1354, und Ogern. Gerichtsordnung §§ 362, 364. — Sächs. BGB. §§ 1837 ff. — Reichsgesetz v. 21. Juni 1869 (B.G.Bl. S. 212). - Deutsche CPO. §§ 715, 749. - Deutsch. KO. §§ 1, 118, 120. Eccius.

Beneficium divisionis, s. Bürgschaft. Beneficium excussionis, s. Bürgschaft. Beneficium separationis, s. Separatio bonorum.

Bentham — Bereicherurrgsklage.

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Bentham, Jeremy, L 1748 zu London, wurde 1772 barrister in Lincolns-Jnn, machte große Reisen nach dem Orient, Rußland, Deutschland, 1802 Mitgl. des Instituts in Paris, nahm den lebendigsten Antheil an den Gesetz­ gebungen Englands, Rußlands und Nordamerikas zu Anfang dieses Jahrh., t 6. VI. 1832. Schriften: A fragm. on government, 1776 (Lond. 1828). — Defence of usury, Lond. 1787. — Essay on polit. tactics, Lond. 1791. — Panoptic or the inspection house, Lond. 1791. —Draught of a code for the organ. of the judic. establishment of France, 1792. — Traites de legisl. civ. et pen. par Dumont, Par. 1802, 1820, 1831, 1840 (deutsch v. Beneke: Grdsätze, d. Civ.- u. Krim.Gsgb., Berl. 1830). — Theorie des peines et des recompenses, Par. 1812, 1824, 1840. — Sopnismes pariern, (trad. par Regnault, Par. 1840). — Introd. to the principles of moral and legislation, Lond. 1789, 1823. — Papers rel. to codification and publ. instruction, Lond. 1817. — Church of Englandism examined, 1818. — Radical reform bill, 1819. — Codification proposal to all nations, 1822, 1830. — Letters to count Toreno, 1822. — Rationale of judic. evidence spec. applied to Engi, practice, 1827 (Traite des preuves judiciaires par Dumont, 1823, 1840, deutsch 1838, ital. v. Zambelli, Bergamo 1824). — Constit. code for the use of all nations, 1830. — On death punishment, 1831. — Oeuvres de B. par Dumont-, Bruxelles 1840. — Works by Bo wring, 1843. ' Lit.: Bluntschli, Staats-Wört.B., II. 42-49. — Mohl, III. 595-635. — Hepp, B.'s Grdsätze, d.Kriminalpol., Tüb. 1839. — v. Birkenfeld, Die Eine Frage, Leipz. 1842. — Wilson, Hist, of modern English Law 1875, p. 133 — 156, 168—170. — Birks, Modern utilitarianism on the Systems of Paley, Bentham and Mill, Lond. 1874. * Teich mann. Berathung, s. Abstimmung und Geschäftsordnung. Bereicherungsklage. Während vielfach die ältere Praxis und Theorie des Gemeinen R. in der allgemeinen Rechtsregel: aequum est neminem cum alterius damno locupletiorem fieri einen allgemeinen klagenerzeugenden Obligationsgrund mit der mannigfachsten Anwendung erkannte, findet eine solche allgemeine B. jetzt kaum noch Vertheidiger. (Zu denselben gehört jedoch noch W. Sell.) Vielmehr wird jetzt eine besondere B. von Einigen ganz geleugnet und jenem Prinzip nur die Bedeutung beigelegt, sonst schon bestehende Obligationsverhältnisse zu modifiziren (Jacobi); zum Theil wird der Satz auf die Bedeutung eines gesetzgebe­ rischen Motivs für Zulassung gewisser Klagen zurückgeführt (Witte); die herr­ schende Meinung findet in der Bereicherung, sofern dieselbe sich als eine ungerecht­ fertigte herausstellt, bei der es von vornherein an einer justa causa gefehlt hat oder bei der die ursprünglich vorhandene justa causa weggefallen ist, das leitende Prinzip derjenigen Klagengruppe, welche die der Darlehnsklage nachgebildeten Kon­ diktionen umfaßt. Die bloße Bereicherung, im Gegensatz zu der ungerechtfertigten, kommt Klagen begründend rechtlich nur als adjectitia qualitas in Betracht, vermöge deren da­ durch Rechtsgeschäfte seines Haussohns bereicherte paterfamilias und Derjenige, für den und in dessen Angelegenheiten ein Geschäft ohne sein Mandat geschlossen war, mit der Geschäftsklage auf den Betrag seiner Bereicherung in Anspruch genommen werden kann (actio de in rem verso). Bei den Klagen aus ungerechtfertigter Bereicherung (condictiones sine causa) werden von der condictio sine causa im engeren Sinne unterschieden: die condictio ex injusta causa, welche für den Fall der Bereicherung aus dem Vermögen eines Anderen durch widerrechtliches Handeln des Bereicherten oder in Folge eines gesetz­ lich gemißbilligten Geschäfts eingreift (die condictio furtiva kann als Abart an­ gesehen werden); — die condictio ob turpem causam, mit welcher Dasjenige, was um eines künftigen Erfolges willen gegeben und unsittlicher Weise genommen ist, von dem nicht in pari turpitudine befindlichen Geber zurückgefordert wird; — als Hauptfälle aber die condictio indebiti und die condictio causa data causa non secuta. Die erstere setzt voraus, daß etwas zur Tilgung einer vermeintlichen, in Wahrheit nicht vorhandenen Verbindlichkeit auf Grund eines entschuldbaren Jrr18*

276 thum» gegeben ist. Das Requisit der Entschuldbarkeit de» Irrthums ist streitig. Die condictio causa data causa non secuta hat die Rückgewähr einer Leistung znm Gegenstand, die in der erklärten Voraussetzung eines künftigen nicht nafitüichen Erfolges gegeben ist, welcher nicht eintritt, sei es durch Schuld des Empfängers, sei es durch Zufall, abgesehen jedoch von dem Fall zufälliger Unmöglichkeit einer für die Zukunst vorausgesetzten Handlung des Bereicherten. War der künftige Er­ folg ein vertragsmäßig zugeficherter, so liegt keime bloße Voraussetzung bei der Lei­ stung vor, und es ist die versprochene Leistung durch die Kontraktsklage zu erzwingen: eine Kondiktion de» Geleisteten findet nicht statt. Im Preuß. R. wird im Anschluß an den Sah, daß Niemand sich ohne be­ sondere» Recht die Vortheile fremder Sachen und Handlungen aneignen dürfe, die nützliche Verwendung al» selbständige» Klagefundament angesehen. E» bedarf also für diesen Anspruch nicht der Existenz einer direkt gegen eine Zwischenperson er­ wachsenen Forderung. (Anderer Meinung ist jedoch Koch.) Die Klage au» der nützlichen Verwendung absorbirt die condictio sine causa im engeren Sinne. Die übrigen Kondiktionen find wesentlich wie' im (gemeinen R. geregelt, bei der con­ dictio indebiti kommt e» auf Entschuldbarkeit de» Irrthum» nicht an; die con­ dictio ob turpem, zum Theil auch die ob injustam causam steht nicht dem Benachtheiligten, sondern dem Fiskus zu. Da» Sächs. BGB. kennt die actio de in rem verso gegen den Geschäftsherrn bei der negotiorum gestio und enthält für die Kondiktionen Bestimmungen, welche dem Gemeinen R. entsprechen; für die con­ dictio indebiti fehlt da» Requisit der Entschuldbarkeit de» Irrthum». Außerdem wird die Bereicherung in mehreren Fällen, z. B. bei DerPflichtungSunfähigen, al» ein Grund anerkannt, die sonst unbegründete GeschästSklage auf den Betrag der Bereicherung zuzulafien, auf welchen Betrag in anderen FÄlen an fich begründete

Ansprüche beschränkt find. Da» Franz. R. kennt al» B. die condictio indebiti, welche in allen Fällen irrthümlicher und wifientlicher Annahme einer Nichtfchuld, — auch bei irrthümlicher Zahlung einer fremden Schuld, sofern nur nicht die Möglichkeit der Geltendmachung derselben gegen den wahren Schuldner durch Ver­ nichtung de» Titel» aufgehoben ist, — statt hat. Da» Oesterr. R. kennt Rück­ forderung de» aus Irrthum, und wäre eS auch ein Rechtsirrthum, Geleisteten sowie eine Klage auf Herausgabe Deffen, waS ohne GefchäftSfühmng zum Nutzen eines Anderen verwendet worden ist. — Eine eigenthümliche B. gegen den durch Präjudiz eines Wechsels zum Schaden deS Wechselinhabers Bereicherten führt die Deutsche WO. ein.

Ssgb. u. Lit.: Dgl. Sell, Versuche, Abth. I. 1833. - Windscheid, Lehre v. b. Voraussetzung, 1850; Ders. in Ärit V.JSchr. I. 115. — Jacobi in Gerber u. Jhering, Jahrb. 1V. 159. — Witte, Die B., 1859: Ders. in Gerber u. Jhering, Jahrb. V. 88. — Voigt, Die condictiones ob causam, 1862. — I). 12, 4—7; 13, 1. —15, 3 6. 4, 5—9. — A. LR. I. 13 §§ 262 ff., I. 16. §§ 166 ff. — Sächs. BGB. §§ 1519 ff., 1534 ff., 1540 ff., 1547 ff. — C. dv. art. 1376 ss. - Oesterr. BGB. §§ 1431-1436, 1041. - D. WO., Art. 83. EcciuS.

Verenger, Alphonse Marie Marcellin Thomas, de la DrSme, en aber picht eine erste Instanz, sondern erscheinen al» Delegirte der erstinstanzlichen Behörde, de» Bergamt» zu Freiberg (Bergges. §§ 174 ff., A«»fühmng»verordn. § 55; Bekanntmachung vom 1. Dezbr. 1868; ähnlich Braun­ schweig § 191). Zweite Instanz: Finanzministerium. III. In Frankreich hatte, tmtz de» Bestreben» Heinrich'» IV., die Deutsche Bergwerk»verfaffung dort einzuführen, die Organisation selbständiger Bergbehörden niemal» festen Fuß gefaßt. Auch bei den Bergrecht-reformen am Ende de» vorigm und Anfänge de» laufenden Jahrhundert» beschränkte man sich darauf, den ordentlichen Verwaltungsbehörden einen besonderen technischen Beirath in Bergwerk»angetegeuheiten zu bestellen. Die Bergwerk-angelegenheiten gehören zum Reffort de» Münster» der öffentlichen Arbeiten, welchem ein begutachtender Conseil genöral des Mines (zuerst 1794 agence des mines) beigegeben ist. Konzesfionen für Bergwerke werden nach gutachtlichem Gehör de» Bergwerk-rathe» im Ministerium (direction des mines, welcher mehrere Generalinfpektoren beigeordnet find) entworfm, vom Präfidentm der Republik selbst vollzogm (Bergwerk-dekret v. 21. April 1810, Art. 5, 28). Die polizeiliche Ausstcht über den Bergwerk-betrieb und die Jnstmktion der Konzession-sachen liegt unter der Oberausficht de» Ministerium», bei welchem al» Spitze de» Bergingmieureorp» der Generaldirektor der Bergwerke fungirt, dm Präfekten ob, dmm die Oberingenieure (Ingenieurs en chef) für die einzelnen Bergarrondiffement» de» Staate» beigegeben find. Unter ihnm find al» LokalauffichtSbeamte, im Wesentlichen ohne EntscheidungSbefugniß (Art. 5 de» BergpolizeidekretS v. 3. Jan. 1813; Bergwerk-dekret Art. 47), die Bergingenimre mit ihren Asfistmten (gardes-mines) thätig (Dekret über die Organisation de» BergwerkScorp» v. 18. Rovbr. 1810). Auch die Übrigen außerdeutschen Bergbauländer habm im Prinzipe eine ähnliche Einrichtung hinfichtlich der Ueberwachung de- Berg­ baubetriebe» vom Standpunkte de» öffentlichen Wohl» au» getroffen, indem fie die letztere von den ordentlichen Verwaltungsbehörden unter Beistand von Bergtechnikern (England: inspectors of mines) au-üben lassen (so Großbritannien, Spanien, Italien und im engsten Anfchluffe an Frankreich Belgien). In nmester Zeit scheint auch in Deutschland die Tendenz aus ein ähnliche» KntwiRung-ziel gerichtet zu fein, welche» unsere» Erachten» im Wesentlichen zweck- Und zeitgemäß sein würde; insbesondere ist ein Theil der Bergarbeiterpolizei nach Prmßischem und noch mehr nach Sächfischem Bergrecht bereit» in die Hände der ordentlichen Verwaltungsbehörden übergegangen. IV. Die Verwaltung der dem StaatSfiSku» gehörigen Berg- und Hüttenwerke und Salinen wird zwar gegenwärtig nicht mehr, wie nach Ge­ meinem R-, grundsätzlich durch die öffentlichen B., sondern durch besondere Betriebs­ beamte (Werksdirektoren, Preußen: Berginspektorm) bewirkt, steht aber — wa» in

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Bergelohn.

der Praxis leicht zu unliebsamen Doppelstellungen Veranlassung geben kann — in den meisten Ländern wenigstens noch unter der Oberaufsicht derselben Mittelbehörden und Ministerien, welche den öffentlichen B. erster Instanz übergeordnet sind; so in Preußen, Königreich Sachsen (Ministerialinstanz), Bayern (in der Ministerialinstanz; als Mittelstelle besteht eine besondere Generalbergwerks- und Salinendirektion), Oesterreich (doch unterstehen die Salinenverwaltungen und in Ungarn sämmtliche Montandirektionen den resp. Finanzministerien). Andererseits ist die Polizeiaufsicht über den Bergbau des Grundeigenthümers in Deutschland nur theilweise den B. zugewiesen (s. d. Art. Bergpolizei). V. Die Markscheider, durch welche nach Deutschem Bergrechte die Ferti­ gung der rißlichen Unterlagen für den Bergbau (Grubenbilder re.) geschehen muß, sind nach dem heutigen Rechte der meisten Deutschen Länder zwar öffentlich autorisirte und beeidete Personen (freigegeben ist das Gewerbe, wie in Frankreich, in Elsaß-Lothringen und Braunschweig), haben aber regelmäßig nicht mehr, wie früher (s. o. L), den Charakter eigentlicher Staatsbeamten. Rur in Bayern (Jnstr. v. 18. Aug. 1869) sind sie Beamte und in Oesterreich, wo sie „Bergbauingenieure" heißen, gelten sie als Hülfsorgane der B., zur Verpflockung der Grubenmaße, Er­ neuerung der Grenzzeichen und Grenzbestimmung in den Gruben (Gesetz v. 21. Juni 1871; Ministerialverordn. v. 23. Mai 1872). Für Preußen s. die allgemeinen Vorschriften f. d. Markscheider V. 21. Dezbr. 1871 (Kletke, S. 165), für das Königreich Sachsen die Verordn, v. 3. Dezember 1868; außerdem vgl. § 34 der RGew.Ord. („Die Landesgesetze können vorschreiben, . . . daß das Gewerbe der Mark­ scheider nur von Personen betrieben werden darf, welche als solche geprüft und konzessionirt sind"). Leuthold.

Bergelohn kann gefordert werden, wenn im Falle einer Seenoth dritte Personen Schiff oder Ladung gänzlich oder theilweise in Sicherheit bringen. Die Höhe desselben ist im Streitfälle durch den Richter unter billiger Berücksichtigung der Umstände, namentlich der aufgewendeten Bemühungen einerseits und des Werthes der geborgenen Gegenstände andererseits festzusetzen. Vorgeschrieben ist, daß der B. niemals in einer Quote vom Werthe der geretteten Gegenstände bestimmt werden und daß die Summe desselben nicht ein Drittel des Werthes dieser Gegenstände übersteigen soll. Verträge, während der Gefahr über die Höhe des B. geschlossen, unterliegen der Anfechtung wegen erheblichen Uebermaßes. Erfolgt die Bergung durch ein anderes Schiff, so wird der B. zwischen Rheder, Schiffer und Schiffs­ besatzung in der Art getheilt, daß der Rheder die Hälfte, der Schiffer ein Viertel erhält, während die Mannschaft das letzte Viertel nach Verhältniß ihrer Heuer theilt. Die Besatzung des nothleidenden Schiffes hat keinen Anspruch auf B., weil ihre Bemühungen behufs der Rettung lediglich die Erfüllung einer ihr ob­ liegenden Pflicht sind; dagegen steht ihr der Fortbezug der Heuer während der Zeit der Bergung zu. Die Forderung auf B. gewährt zunächst keine persönliche Klage, sondern blos ein Recht auf Befriedigung aus den geborgenen Gegenständen, an diesen aber haben die Bergenden die Rechte der Schiffsgläubiger. Das HGB. unterscheidet zwischen Bergung und Hülfsleistung; bei ersterer wird vorausgesetzt, daß sich die Schiffsordnung gelöst habe, so daß das ganze Unternehmen wesentlich in der Hand der Rettenden liegt, also z. B. wenn die Besatzung das Schiff ver­ lassen oder die Ladung sich vom Schiffe getrennt hat. Bloße Hülfsleistung ist vorhanden, wenn die Dienste dritter Personen bei einer Gefahr zu denen der Schiffs­ besatzung hinzutreten. Im Ganzen gelten für beide Fälle dieselben Bestimmungen, doch soll der Hülfslohn immer auf einen geringeren Betrag festgesetzt werden, wie ihn der B. unter gleichen Voraussetzungen erreicht haben würde. Modifikationen der Grundsätze über B. können sich im Falle der Wiedernehmung eines vom Feinde genommenen Schiffes sowie auf Grund völkerrechtlicher Verträge ergeben.

Berger — Bergpolizei.

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Gsgb. u. Lit.: HGB., Art. 742-756, 542, 757 ff., 909; dazu die Komment, v. Makower u. Koch. — Pöhls, See-R., II. §§ 456 ff. — v. Kaltenborn, Grunds, d. prakt. europ. See-R., Bd. II. S. 31 ff. — Beseler, Priv.R., § 258. — Lewis, Seericht, II. S. 113 ff. — Vgl. auch d. Art. Strandrecht und Strandungsordnung. B e h r e n d.

Berger, Joh. Heinrich edler Herr von, z 27. I. 1657 zu Gera, 1685 ordentlicher Professor in Wittenberg, betheiligt an den Vorarbeiten zu einer­ neuen Prozeßordnung (1724 publ.), 1713 evangel. Reichshofrath, f 25. II. 1732 zu Wien. Verfasser vieler Schriften der eleganten Jurisprudenz, besonders der Oeconomia Juris, zuletzt v. Haubold 1801. Lit.: Ueber ihn u. seine Söhne Christoph Heinrich 1687—1737, Friedrich Ludwig 1701 bis 1735, Joh. August 1702—1770 vgl. Mut her in der Allg. Deutsch. Biogr. II. 373—377. — Jugler, I. 38 ff. Teichmann.

Berger, Joh. Nepomuk, öftere. Staatsmann, 5 16. IX. 1816 zu Proßnitz in Mähren, verdient um Neubelebung der öftere. Jurisprudenz, 1849 in der Franks. Nat.-Versammlung (März: große Rede gegen Welcker's Antrag auf Uebertragung der Kaiserwürde an Preußen), berühmt als Vertheidiger (Prozeß Richter, 1860),* trat 1868 ins Ministerium, f 9. XII. 1870. Er schrieb: Die Preßfreiheit u. das Preßgeseh, Wien 1848. — Die öftere. W O. v. 25. Jan. 1850, Wien 1850. — Krit. Beitr. z. Theorie d. öftere. Priv.R., Wien 1856. — Ueber die Todesstrafe, Wien 1864. Lit.: Wurzbach, I. 303. - Brockhaus. — Gerichtssaal 1864, S. 247. - v. Som­ maruga in der Allg. Deutsch. Biogr. II. 377—380. Teich mann.

Bergpolizei. I. Da die Objekte der Bergwerksnutzung, die Mineralschätze, im Wesentlichen nur unterirdisch gewonnen werden können, indem man mittels wage­ rechter oder senkrechter Zugangskanäle (Stollen, Strecken — Schächte) zu den Mineral­ lagern unter der Erdoberfläche vordringt, und durch den Abbau dieser Lager selbst Höhlungen und Weitungen hervorgerufen werden, welche einerseits auf die Ständigkeit der seitlich und darüber befindlichen Erdschichten einwirken, andererseits die Grund­ wasserverhältnisse mehr oder weniger verändern sowie unter Umständen die Entwick­ lung gefährlicher Luftarten veranlassen müssen, so bildet der Bergbau die Quelle einer großen Anzahl besonderer Gefahren für die Bergleute wie für die Erdober­ fläche und ihre Bewohner, welche von den aus anderen Gewerbebetrieben resultirenden Gefahren sich wesentlich unterscheiden. Deshalb müssen zur Verhütung der aus dem Bergwerksbetriebe hervorgehenden Gefahren eigenartige Normen ge­ schaffen worden, deren Befolgung seitens der Bergbautreibenden nur durch mit den besonderen Verhältnissen des Bergwerksbetriebes speziell vertraute, also berg­ technisch vorgebildete Beamte ausreichend überwacht werden kann. Andererseits theilt der Bergwerksbetrieb gewisse Gefährlichkeiten mit anderen Industrien, so daß insoweit kein Grund vorliegt, ihn unter besondere Normen und Aufsichtsbehörden zu stellen. Demgemäß wird konsequenter Weise insbesondere die Ertheilung der gewerbepolizei­ lichen Genehmigung zu Dampfkessel- und Stauwerksanlagen für Bergbauzwecke, des baupolizeilichen Konsenses für Bergwerkstagegebäude, die Ertheilung von Be­ nutzungsrechten an gemeinfließendem Wasser, die Verhinderung der Verun­ reinigung solchen Wassers durch den Bergbau, die Aufsicht über die Befolgung der Vorschriften zum Schutze der jugendlichen Arbeiter, gegen Truckgeschäfte und Koalitionen, beim Bergbau, ebenso zu den Geschäften der ordentlichen Polizei­ behörden zu rechnen sein, wie die Fürsorge für Aufrechthaltung der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Sitte auf den Bergwerken, und nur diejenige polizeiliche Aufsicht in den eigentlichen Bereich der B. fallen, welche gegen spezifisch bergbau­ liche Gefährlichkeiten sich richtet und deshalb aus speziell den Bergbau geltenden Vorschriften fußt. Positivrechtlich ist die hieraus sich regelnde Abgrenzung zwar im Prinzip, doch aber nicht immer im Einzelnen festgehalten.

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Bergpolizei.

a) In Preußen (Berggesetz § 196) erstreckt sich die polizeiliche Aufsicht der Bergbehörden über den Bergbau aus die Sicherheit des Baues, des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter und den Schutz der Oberfläche im Interesse der per­ sönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs, sowie den Schuh gegen gemein­ schädliche Einwirkungen des Bergbaues. Der bergpolizeilichen Aufsicht unterliegen auch die Aufbereitungsanstalten und die zum Betriebe auf Bergwerken und Auf­ bereitungsanstalten dienenden Dampfkessel und Triebwerke, deren Anlage ebenfalls von den Bergbehörden (s. diesen Art.) anstatt der resp, in Gemeinschaft mit den gewöhnlichen Polizeibehörden zu genehmigen ist, sowie die Salinen (außer in Han­ nover, Verordn, v. 8. Mai 1867, Art. 2). Rücksichtlich der Sonntagsarbeiten auf Gruben sind die allgemeinen Normen durch die Regierung (jetzt Oberpräsident unter Zustimmung des Provinzialraths) gemeinsam mit dem Oberbergamte auf­ zustellen; die Genehmigung im einzelnen Falle ist beim Revierbeamten nachzusuchen, welcher thunlichst vorgängig mit der Ortspolizeibehörde sich vernehmen soll(Ministerialerlaß v. 25. April 1873, Zeitschr. für Berg-, Hütten- und Salinen-Wefen Bd. 16. S. 4). Die Aufsicht über die gewerberechtlichen Vorschriften wegen Beschäftigung jugendlicher Arbeiter bei Bergwerken, Salinen und Aufbereitungsanstalten, welche der bergpolizeilichen Aufsicht überhaupt unterliegen, erfolgt ohne Mitwirkung der ordent­ lichen Polizeibehörden ausschließlich durch die Revierbeamten, abgesehen von der lediglich durch erstere zu bewirkenden Ausstellung der Arbeitskarten (Ministerialerlaß v. 24. Dezbr. 1878, Zeitschr. für Berg- rc. Wesen Bd. 27. A. S. 39). b) In den kleineren Staaten des Deutschen Reiches ist die Zu­ ständigkeit der B.behörden vielfach mit Recht weniger ausgedehnt worden. Die Aufsicht über die Befolgung der Vorschriften des Reichsgesetzes vom 17. Juli 1878 wegen der jugendlichen und weiblichen Arbeiter auf Bergwerken ist zwar zu­ folge Bundesrathsbeschlusses v. 19. Dezbr. 1878 (Protokolle § 561) überall anstatt der Fabrikinspektoren den Bergrevierbeamten zu übertragen gewesen; doch findet keine ausschließliche Zuständigkeit der letzteren statt, sondern nur eine unter­ stützende Aufsichtsthätigkeit neben den Ortsbehörden. Im Uebrigen ist zu ge­ denken, daß in Bayern alle zur Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung er­ forderlichen Anstalten des Bergwerksbetriebes den allgemeinen landesgesetzlichen Vorschriften und Beschränkungen, daher auch der Kompetenz der Distriktspolizei­ behörden unterworfen sind, welche lediglich die Bergbehörde mit Gutachten und Anträgen zu hören hat (daher §§ 53 ff. der Ministerialbekanntm. v. 10. August 1869 über Aufbereitung ungültig; Stupp, Komment., S. 303). In Würt­ temberg bergbehördliches Gutachten durch die ordentliche Polizeibehörde bei Ge­ nehmigung von Dampfkesselanlagen und Triebwerken einzuholen (Art. 49), doch bergpolizeiliche Aufsicht über den Betrieb der Aufbereitungsanstalten, Dampfkessel, Triebwerke, Salinen. Ebenso Hessen (§§ 48, 188). In Elsaß-Lothringen (§ 171) bergpolizeiliche Aufsicht über Aufbereitungsanstalten und Salinen. Im K. Sachsen stehen die Aufbereitungsanstalten der Bergwerke und Revierverbände unter bergpolizeilicher Aufsicht; -Erlaubniß zu Sonntagsarbeiten kann sowol von der Bergbehörde als von der Ortspolizeibehörde ertheilt werden (Verordn, v. 10. Septbr. 1870). — Die Hüttenwerke sind in Deutschland gegenwärtig überall von der B.aufsicht ausgenommen und den ordentlichen Polizeibehörden (bzw. Fabrik­ inspektoren) unterstellt. (Ueber die Grenze zwischen Aufbereitungsanstalt und Hütte, bzw. chemischer Fabrik vgl. Klostermann, Komment., S. 237 der 3. Ausl. und Zeitschr. für Berg-, Hütten- und Salinen-Wefen Bd. 17. S. 115 ff.) c) In Oesterreich haben die Bergbehörden über die Erfüllung der Pflichten zu wachen, welche das Berggesetz den Bergbauunternehmern auferlegt und in allen Fällen einzuschreiten, in welchen die Erhaltung des Bergbaues oder desien Be­ ziehungen zu öffentlichen Rücksichten besondere Vorkehrungen erfordern. Bei Er­ eignissen im Bergbaubetriebe, welche die Sicherheit der Personen, Gebäude, Grund-

Bergpolizei.

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stücke, Heilquellen, Brunnen oder andere Anlagen gefährden, hat die Bergbehörde die erforderlichen Sicherheitsmaßregeln, in der Regel mit Beiziehung der poli­ tischen Behörde, anzuordnen, in Eilfällen die zunächst zur Kenntniß des Ereignisses kommende Behörde das Erforderliche zu verfügen. Zur Herstellung von Gebäuden, Wasserwerken, Straßen, Brücken, Eisenbahnen, Maschinen u. a. Bauführungen über Tage hat der Werksbesitzer die vorgeschriebene Baubewilligung der politischen Be­ hörde einzuholen und der Bergbehörde nach erfolgter Herstellung Anzeige zu er­ statten (Berggesetz §§ 220, 222, 133 und über das Prinzip Oesterr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1865, Nr. 15). Die Gewerbeordnung hat auf die „nach dem Berggesetze von bergamtlicher Konzession abhängigen" Werksvorrichtungen (insbesondere die zu Gruben gehörigen Hüttenwerke, welche der Bergwerksbesitzer kraft der Bergwerksverleihung herstellen darf, Berggesetz § 131) keine Anwendung zu leiden (Kundmachungspatent zur Gew.Ord. v. 20. Dezbr. 1869 sub Vb). Ueber die Grenze des Hüttenwerksbetriebs gegenüber der Metallfabrikation siehe die Vollzugsvorschr. zum Berggesetz § 80. d) Weniger Schwierigkeiten und praktische Bedeutung hat die Abgrenzung des B.gebietes in den außerdeutschen Ländern, weil dort (s. d. Art. Bergbehörden) die B.aufsicht von technischen Beamten geübt wird, welche den ordentlichen Ver­ waltungsbehörden zugeordnet sind. Insbesondere findet in Frankreich mit Recht ein Gehör der Staatsingenieure trotz der durch das Gesetz v. 9. Mai 1866 angebahnten rechtlichen Trennung des Hüttenwesens vom Bergwesen bei Konzessionirung von Hüttenwerken rc. nach Maßgabe des Dekrets v. 15. Oktbr. 1810 und nicht minder eine Betheiligung derselben bei Ueberwachung des Grundeigenthümer­ bergbaus seitens der Präsekten statt (Achenbach, Deutsches Bergrecht, S. 203). e) Die Stellung der Bergbehörden zur polizeilichen Ueberwachung des Bergbaues der Grundeig enthümer ist sehr verschiedenartig geregelt. In Preußen erstreckt stch die bergpolizeiliche Zuständigkeit auf die Kohlenabbaue im Gebiete des Westpreußischen Provinzialrechts, in den ehemals Königl. Sächsischen Landen und im vormals Hannöverschen Fürstenthum Kalenberg mit Spiegelberg, ingleichen auf die linksrheinischen Dachschiefer-, Traß- und unterirdisch betriebenen Mühlsteinbrüche. Prinzipiell aber steht die Bergbehörde der Ueberwachung des Grundeigenthümerbergbaus fern, ebenso in Württemberg, Braunschweig, Thüringen, Oesterreich. Dagegen haben Bayern, Elsaß-Lothringen, Hessen und Anhalt den unterirdischen Betrieb der Steinbrüche (Elsaß-Lothringen auch Eisenerztagebau) unter die Aufsicht der Bergbehörde und unter die bergpolizeilichen Vorschriften gestellt. Im Königreich Sachsen untersteht den letzteren der Stein- und Braunkohlenbergbau (Berggesetz von 1868, § 2). Eine Zusammenstellung der einschlägigen Grundsätze in deutschen und außerdeutschen Ländern giebt Leuthold im Sächs. Wochenblatte für Verwaltung und Polizei 1879, S. 135 ff. II. Quellen. Die B.normen sind nur in ihren allgemeinsten, grundlegen­ den Sätzen in den Berggesetzen enthalten, im Uebrigen werden sie von den (oberen) Bergbehörden im Verordnungswege festgestellt. Spezielle, für den Einzelfall sich nöthig machende Anordnungen erfolgen in Deutschland in Eilfällen durch den Revierbeamten, da nöthig, direkt an die Betriebsleitung (anstatt an den Grubeneigenthümer) und nach Befinden durch Eintragung in das auf jedem Bergwerke zu haltende Zechenbuch (Oesterreich: Befahrungsbuch), andernfalls durch das Oberberg­ amt (Sachsen: Bergamt), in Oesterreich stets durch den Revierbeamten (Verordn, des Ackerbauminist. v. 23. Mai 1872 sub f.). Allgemeine B.verordnungen, in welchen die Mehrzahl der für den Bezirk der verfügenden Behörde zu regelnden B.angelegenheiten normirt wird, sind ergangen seitens mehrerer Preuß. Oberberg­ ämter (Bonn 1867 , Clausthal 1869, Halle 1873, bei Kletke, Handbuch des Preuß. Bergwerks-, Hütten- und Salinen-Wesens, 2. Aufl.; Nachträge für Halle 1876, Zeitschr. für Berg-, Hütten- u. Salinen-Wesen Bd. 25. A. S. 18), für Bayern (Mini-

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»«Spoüzet.

sterialbekanntmachung v. 10. August 1869, Stupp a. a. O. S. 899), Hessen (Beruhn, v. 18. Juni 1876, Zeitschr. für Bergrecht Sb. 17. S. 286), Könige. Sachsen (von 1867; s. über dies, nab b. Nachträge btt Zeitschr. cit. Bb. 12. 6. 829). Für Frankreich und Belgien tobet bo8 ©.betret v. 8. Jan. 1813, sür England bei GesetzeSpaar v. 10. August 1872 (Zeitschr. für Bergrecht Bb. 14. 6. 1 ff.), sür Italien baS Regulativ v. 28. Dezbr. 1865 (Zeitschr- cit. Bb. 12. 6. 275), sür bie Nieberlanbe v. 28. Jnai 1877 (Zeitschr. cit Bb. 19. 6. 171) bie Grundlage. Für Oesterreich vgl. Berggesetz § 171 (Entwurf allgem. Borschr. Zeitschr. cit Bb. 10. 6. 151). III. Materielle Bestimmungen. A. Eigentliche B. Aus bem Gebiete bet eigentlichen B. (Klostermauu: Betriebspolizei) fiub vor Allem brei allgemeine Präventivsätze von hoher Bedeutung: a) bei Bergwerksbetrieb bars nut unter Leitung, Aufsicht unb Verantwortlichkeit von Personen geführt werben, beten Befähigung hierzu (je sür bie einzelne Stelle) auf geschehene Prä­ sentation behörblich anerkannt ist (Preußen §§ 73 ff., Königr. Sachsen § 63; vgl. auch engl. Kohlenwerksgesetz § 26; Oesterreich 1854 hat keine Norm; in Frank­ reich KonzesstonSbebingung). Bei uaqualifizirter Leitung ndthigeafallS Betriebs­ einstellung. b) Der Betrieb bars nur auf (Btunb eines bet Behörde vorgelegten, unbeanstandet gebliebenen Betriebsplanes geführt werben (Preußen §§ 67 ff.; Königr. Sachsen § 60; in Frankreich bei bet Konzessioairung sestzustellen, in Oesterreich § 221 nur zu revibiren). Die Prüfung be» Planes erstreckt sich nach heutigem Bergrechte grunbsätzlich nicht aus feine wirthschastliche Richtigkeit (Raub­ bau!), sonbern nur aus ben polizeilichen GefichtSpunkt. Gleiches gilt von Abänberungen. c) Der Bergwerkseigenthümer hat einen Grubenriß (Grubenbilb, Mark­ scheibekarte) burch einen konzesfionirten Markscheiber (s. b. Art. Bergbehörden) unfertigen unb regelmäßig nachtragen zu lasten (Preußen § 72; Königr. Sachsen § 61; Oesterreich — erst bei AuSbehnung bet Nebenbaue über 190 m — § 185, Duplikat für bie Bergbehürbe; Frankreich Bergpolizeibekret Art. 6). — Die spe­ ziellen bergpolizeilichen Borschriften lasten sich in folgenbe Gruppen Ver­ theilen: a) Bestimmungen vorwiegenb zum Schutze bet Grubenarbeiter unb Grubenbaue. Diese erstrecken sich inSbesonbere aus bie Stänbigkeit bet Grubenbaue (Stützung, Sicherheitspfeiler, Borbohren, Böschung beim Tagebau), Derschluß gefährlicher Oeffnungen unb Zugänge (in Schächte, Gesenke, Bremsberge ic.), sichere Förderung unb Fahrung (speziell Seilfahrung), auSreichenbe Wetterführung unb Beleuchtung, Sicherung gegen schlagende unb stickende Wetter, gehörige Bor­ ficht beim Schießen (zahlreiche spezielle Borschriften bezüglich Gebrauchs von Ritroglhcerinpräparaten) unb sonstigen Häuerarbeiten. Ereignet fich auf einem Werke ein llnglückSsall, so ist vom BetriebSsührer alSbalb bet Polizei- unb bet Berg, behörbe Anzeige zu machen unb jebeS Nachbarwerk zur Hülfeleistung verpflichtet (Preußen §§ 204 ff.; Königr. Sachsen §§ 64, 66 ff.; Oesterreich § 190 unb 93erorbnung ber Bergh. Klagenfurt v. 29. April 1876). b) Bestimmungen zum Schutze bei öffentlichen Sicherheit (Frankreich Art. 50; Königr. Sachsen § 55; Preußen § 196: im Interesse bet persönlichen Sicherheit unb beS öffent­ lichen Verkehrs). Hierher gehören inSbesonbere Vorschriften zur Verwahrung von Tagebrüchen unb Tagebauen gegen baS Hineinstürzen von Menschen (Oesterreich § 171; BreSlauer OberbergamiSverorbn. v. 18. August 1859: wenn fich Grubenbaue TageSgegenstänben, z. B. Eisenbahnen, Ehaustem, Kommunikationswegen, Gebäuben, Wafferläufm, Teichen, Wafferreservoiren, Schlammsümpfen rc., nähern, beten Be­ schädigung bie öffentliche Sicherheit über ober unter Tage ober ben öffentlichen

Verkehr gesährben würbe, so ist bet fernere Betrieb betreiben nur mit schriftlicher Genehmigung bet Revierbeamten zulässig). Gegen bloße Beschäbigungen bet (Btunbstücke ohne Gefährdung bet öffentlichen Sicherheit (z. B. Wafferentziehung, manche Tagebrüche) wirb ein polizeilicher Schuh nicht gewährt, weil ber Bergwerk-besitzer

Bericht.

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zu solcher Einwirkung aus fremde Grundstücke gegen Schadenersatz berechtigt ist; selbst Abbau der unter einem Gebäude anstehenden Mineralien mit Gefahr für die Hau-bewohner kann nicht dauerndes Abbauverbot, sondern gegenseitig polizei­ liche Räumung des Gebäudes veranlassen (Klostermann, Komment., S. 288 der 3. Aust.), c) Bestimmungen zum Schutze gegen gemeinschädliche Einwir­ kungen deS Bergbaues (Prenßm § 196; Oesterreich § 222), d. h. gegen Schäden an solchen Objekten, welche, abgesehen von ihrem etwaigen BermägenSwerthe, einen nicht in Geld zn schätzenden Werth vom Standpunkte deS Öffentlichen JntereffeS auS besitzen (insbesondere Gesundbrunnen, zu deren Schutze in Oesterreich und Preußen zahlreiche bergpolizeiliche Spezialverordnungen bestehen), und gegen Be­ schädigungen, welche so auSgckwhnt find, daß nicht blos ein einzelnes Grundstück oder eine bestimmbare Mehrzahl solcher, sondern eia ganzer Ort oder OrtStheil ge­ fährdet erscheint (z. B. durch Entziehung der öffentlichen WaffeckeitungSzwzLuge: Klostermaan; durch Verunreinigung fließender Gewäffer: Preuß. Motive zu § 196; durch ausgedehnte Bodensenkungen unter bewohnten Orten: vgl. die zahl­ reichen AuSlaffungen über die Emkuugen im Westfälischen Kohleabeckac, Ieitschr. für Bergrecht Bd. 15. 6. 77; Bd- 17. S. 869, 455; Bd. 18. S. 46; Bd. 19. S. 18, sowie in Belgien, Bd. 16. S. 183, 858; durch Berschlämmung der Ortswiesen in Folge Tagebaues Bd. 18. S. 414; daß auch der Fall, wenn die Mittel de» BergwerkSbefitzerS zum Ersatz« der drohenden Beschädigungen nicht auSreichen, begrifflich eine gemeinschädliche Wirkung involvirt, — so Klostermann, Oppenhoff, Baron u. a. —, kann selbst für die Rechtsgebiete nicht zugegeben werden, wo der Grubeneigenthümer wegen drohender Bergschäden keine Kaution zu leisten hat). Gegen die Ausführung von Ehauffeen, Eisenbahnen, Ka­ nälen u. a. öffentlichen Verkehrsmitteln, für welche das ExpropriationSrecht ertheilt ist, hat der Bergwerkseigenthümer, über deffen Grubenfeld die Trace führt, grund­ sätzlich kein Widerspruchsrecht (Preußen § 158; Könige. Sachsen § 141; Oester­ reichische Verordn, v. 2. Januar 1859, § 7; über die Entschädigungsfrage f. d. Art. Bergschäden). — Die bergpolizeilich erforderlichen Verwahrungen hat der Bergwerkseigenthümer im Bereiche feines Grubenfeldes zu bewirken, selbst wenn die gefährlichen Baue au» älterer Zeit stammen (Klostermann, Komment., S. 246; Könige. Sachsen Verordn, v. 2. Dezbr. 1868, § 139). Wegen deS Schür­ fen» vgl. die Art. Bergrecht und Schurfschein. B. Allgemeine Polizei rückfichtlich de» Bergwerksbetriebes. In dieser Beziehung ist zu verweisen auf die Art. Dampfkessel, Fabrikgesetz­ gebung, Wasserpolizei. IV. Uebertretungen: Preußen § 207 ff.; Könige. Sachsen § 68; Oesterreich § 172, 240 ff.; Frankreich Art. 50, 93 ff. Reben den gewöhnlichen Strafmitteln charakteristisch das Mittel der „Betriebseinstellung". Leuthold.

Bergrecht ist der Inbegriff der auf den Bergbau bezüglichen besonderen Rechtsnormen. Zu einem besonderen Zweige de» Recht» erscheint e» da entwickelt, wo, wie in Deutschland und den meisten romanischen Ländern, die Befugniß zur Gewinnung der Mineralschähe keinen Bestandtheil de» Grundeigenthums bildet, sondern al» ein selbständiges Recht (Bergbaurecht oder BergwerkSeigenthum) auf­ tritt. Doch beschränkt sich da» B. keineswegs auf eine Regelung der objektiven und subjektiven Seite de» ebenerwähnten Recht-institute» in privatrechtlicher Hinsicht, sondern schließt zugleich die im öffentlichen Interesse weiter hinzutre­ tenden Normen über den Bergbaubetrieb ein. E» gehört mithin theil» dem Pri­ vatrechte, theils dem öffentlichen Rechte an, ohne daß sich aber die Darstellung de» B. nach diesen beiden Gesichtspunkten zweckmäßig eintheilen ließe (Achen­ bach). Vielmehr ist eS am Besten, zunächst die Rechtsnormen über da» Berg-

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8n|Mit

baurecht selbst in objektiver unb subjektiver Hinsicht, sodann die RechtSgrunbfätze üb« den Bergbaubetrieb und die dabei in Betracht kommende» Beziehungen zum Grunbeigeuthüm«, Bergwerksnachbar und Grubenpersonale, endlich die Spezial­ vorschriften de» EtaatSrecht» hinsichtlich de» Bergbau«» (Bergbehöiben — Berg­ werksabgaben) zur Darstellung zu bringen. A. Geschichtliche Entwicklung. Die RechtSgrunbfätze de» Alterthum» sind auf die Entwicklung de» modemen Bergrecht» ohne Einfluß gewesen. Die» gilt nicht nur von den nn» überlieferten Normen üb« den B«gwerk»betrieb der Athenienser zu Laurion (Böckh, Abh. d. Berlin« Akad. d. Wissensch., 1818, histor.»phil. Kl. S. 85), sondern auch vom Römischen Rechte Justinian'», welche» den Bergwerksbetrieb auf fremden Grundstücken zwar kennt (1. 13 § 1 D. comm. praed. 8, 4; c. 3 C. de metallariis et metallis 11, 6), allein nicht aus Grund staatlich« B«leih«ng, sondern kraft besonder« Lokalgewohnheit und gegen Ent­ schädigung de» Eigenthümer». Für da» vorjustinianische Recht ist zu beachten, daß der Provinzialboden fich im StaatSeigenthum befand, der Staat also die Füglichkeit hatte, bestehende Bergwerke an fich zu ziehen oder mit Abgaben zu be­ lasten sowie den Bergbau freizugeben; von dieser Füglichkeit ist zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten Gebrauch gemacht worden. Nähere» bei Eh. . v. S. Mai 1872, 88 6, 9 und dazu Ztschrst. für Brrgrecht, Bd. 14. 6. 880; königl. Sächsische AuSsührung-verordn. v. 2. Drzbr. 1868, § 48 und wegm Anmerkung ungangbarer Haldm rc. im Grundbuche GerichtS-Ord. v. 9. Januar 1865, § 118); in Oesterreich erfolgt ihre Einzeichuung in besondere Bergbücher (§§ 109 ff.). IV. Die reale Theilung eine» Grubenfelde» in selbständige Felder, der Austausch von Feldestheilen zwischen angrenzenden Bergwerkm (eigentlich ein Komplex mehrerer Theilungm und Zusammenschlagungen) und die Bereinigung (Konsolidation) mehrerer Grubmfelder zu einem einzigm unterliegt der Ge­ nehmigung der Bergbehörde (Preußen, §§ 41, 51; Bayern, Art. 53, 62; Oester­ reich, §§ 112, 115; abweichend Königreich Sachsen, § 49) vom Standpunkte deS öffmtlichen Interesses (Konsolidation nicht markscheidender Felder kann versagt werdm) und seht die Regulirung der aufhastendm Lastm voran», welch« regelmäßig im Wege der Bereinbarung herbeigeführt werden muß (doch köanm nach Prmß. rc. St. bei Feldestheilung und Austausch von FeldeSthÄm die Betheiligtea nur Be­

friedigung vor der Bersallzeit fordern, bei Konsolidation, falls das vereinigte Werk zu ideellrn Theilen verpfändet werdm kann, d. h. keiner Gewerkschaft des neuen Rechts gehört, mtweder Befriedigung verlangen oder da» festzufetzmde Antheils­ verhältniß, nach welchem jede» einzelne Werk in da» vereinigte Werk treten soll, klageweise anfechten (Preußm, §§ 51, 44 ff.; Bayern, Art 62, 56 ff.). V. DaSB. erlischt: a) in Folge sreiwilligmVerzichts (Lossagung) de» Bergbauberechtigten, welcher sich auch auf einzelne Theile de» ÄrubenfeldeS (f. aber Königreich Sachsen, § 168) beschränken kann ; b) in Folge zwangsweiser Entziehung durch die Bergbehörde, welche nicht mehr, wie nach Gemeinem R., schon bei Nicht­ zahlung der BergwertSabgaben stattfinden darf, sondem nur wegen unterlassmer Bauhafthaltung (Preußen, § 156; Königreich Sachsen, § 68; Oesterreich, §§ 248 ff.) oder fortgesetzter Verabsäumung der ersorderlichm Sicherheit-vorkehrungen (außer in Preußm). In beiden Fällen erfolgt Notifikation an die Realberechtigten, welche auf die ZwangSfeilbietung antragm können; im Falle sub b) steht die» Recht in Preußen (§ 159) auch dem seitherigen Bergbauberechtigtm zu. Wird die Subhastation nicht beantragt oder führt dieselbe nicht zum Berkaus, so erfolgt die Löschung der Bergbauberechtigung (Preußen, §8 160 ff.; Oesterreich, § 265; Sachsen, 8 169, wonach in gleicher Weise da» Bergbaurecht auch erlischt, wmn bei einer im gewöhnlichen ExekutionSwege vorgenommmm Zwangsversteigerung kein Gebot erfolgt ist). — Beim Erlöschen der Bergbauberechtigung behält der zritherige BergwerkSbefitzer seine Rechte an dm bisherigen Zubehörungen, doch darf er von dem BrrgwÄe Vorrichtungen (Mauerung, Zimmerung; Preußen, § 163) nur insoweit wegnehmen, al» nicht nach der Entscheidung der Bergbehörde polizeiliche Gründe entgegen stehen. Ueber Schonung ausläsfiger Bergwerke und ungangbarer Halden sowie Einreichung der Gmbenbilder s. Königreich Sachse», §§ 172 ff. und Verordn, v. 3. Dezbr. 1868 § 22; bez. Oesterreich, 8 267. Da» in» Freie gefallene Grubenfeld kann neu verliehen werdm. VI. DaS Französische R. bezeichnet das B. (proprititd des mines) al» ein Sacheigenthum (Art. 19 de» Bergwerksdekret» v. 21. April 1810). Daffelbe wird durch Konzesfion der Regierung begründet und ist nach den Grundsätzen deS bürgerlichm Sachgüterrechts veräußerlich und vererblich (Art. 7),

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BertchEpuq M Mnhrfprnche».

sowol im Sanzen alS nach Jdealtheilen. Dagegen kaun teale Theilung der Hon« zesfion («ad selbst de» Betrieb») nur unter den Forme» der KonzesfioaSertheilung ersolgen (Art. 7), während die Konsolidation im Besehe leine Erwähnung findet. Die Praxi» läßt Verzicht ans da» B. und zwangsweise Entziehung desselben im Wesentlichen nach dm Deutschm Gesichtspunkten zu, findet hierzu auch eine Stühe in Art. 6, 9, 10 des Besehe» v. 27. April 1888 (relat. d l’ass^chement et ä l'exploitation des mines). . VII. Abbaurechte, welche an sich dem Brundeigenthümer al» solchem zustehm, können von demselben nicht blos zeitweise (pachtweise), sondem dauernd an Dritte überlaffen werden und bilden dann ein dem B. ähnliche», selbständiges, immobiliengleich«» RechtSobjekt. Dem B. im Wesmtliche» gleichgestellt find die Kohlenabbaurechte in dm Sächfischm Laudm (Künigr. Sachsen, 1868, §§ 2, 4, Prruß. Beseh v. 22. Febr. 1869; Altenburg. Gesetz v. 18. April 1872).

Lit.: Achenbach, Deutsche- Bergrecht, 6. 234 ff. (woselbst auch die Einzrlliteratur vollständig). — Oppenhoff in Zeitfchr. f. Bergrecht, Bd. 12. 6. 187. — Für Oesterreich: Schneider, Lehrbuch, § 136 ff. —Für Frankreich: Achenbach, Französ. Bergrecht, S. 250, 322. — E. Chevalher, De la propriöU des mines, 1876. Leuthold.

Verichtigimg bei Wahrspruchei (Moniturverfahren). Wie die Jury nur ein Bestandtheil de» Schwurgerichts, so ist ihr AuSfpruch, daS Berdikt, nur ein Bestandtheil deS richterlichm Spruches, de» Urtheils. Soll ihn da» Gericht im Urtheil fich aneignm, so dars kein Zweifel darüber sein, daß er fich dazu eigne, dem Ausspruch deS Berichte» zu Gmnde gelegt zu werden. Bor Allem darf also da» Gericht keinen Zweifel darüber hegen, daß die wahre Meinung der Be» schwormm ihm mitgethetlt und von ihm richtig aufgefaßt sei, und daß in grfetzlich korrekter Form Alle» festgestellt fei, waS zur Erledigung der Anklage seststehen muß. In England wird eS durch da« Erforderniß der Einstimmigkeit und durch die mündliche Abgabe de» Wahrspruches allerdings wesentlich erleichtert, etwaige Bedenken gegen di« Korrektheit deS Wahrspruches zu beseitigen. Selbst die Dorgänge im BerathungSzimmer find, wenngleich die willkürliche Anfechtung deS WahrfprucheS durch einzelne Beschworene verhütet wird, keineswegs al» jeder Kritik entrückt anzufehen. Wenn fich feststellen läßt, daß der AuSfpruch nicht da» Ergebniß der Diskussion und der individuellen Stimmenabgabe, sondern eine» Kompromisse» (z. B. eines auf LooS gestellten) war, so ist er nichtig. Erklärt ein Beschworener seinen DiffenS von dem, was der Obmann verkündet, so ist der Mangel der Einstimmigkeit dargethaa, ein Wahrspmch nicht vorhanden. Nach Abschluß der Berathung der Geschworenen kann auf ihre, wie auf deS Vorsitzenden Initiative ein Gedankenaustausch (immer in offener Sitzung) zwischm ihnen und dem Bor­ fitzenden stattfinden, welcher auf Beseitigung vorkommender Zweifel und Schwierig, total abzielt. DaS Gleiche kann aber auch geschehen, wenn dem Richter der münd­ lich vorgebrachte AuSfpruch der Geschworenen irgend welche Bedenken erregt. Zu diesem Zweck kann der Borfitzende an die Beschworenen Fragen richten, welche dar­ aus abzielen, ihre wahre Meinung zu erfahren. Erst wmn in dieser Weise jeder Zweifel auSgeschloffen ist, wird der AuSfpruch der Geschworenen zu Protokoll ge­ nommen, nochmals mit der Frage: Ist die» Ihr Wahrspruch? vorgelesen und erst nach dieser neuerlichen Bestätigung al» definitiv abgegeben angesehen. In Frankreich, wo die älteren Schwurgerichtsgesetze eine außerordentlich komplizirte Methode der Befragung der Geschworenen, der Stimmenabgabe der letzteren und der Konstatirung de» Ergebnisse» eingeführt hatten, war im Code vom 3. Brnmaire IV. (art. 414) ausgesprochen, daß der Wahrspruch nichtig sei, wenn jene Bestimmungen nicht beobachtet wurden; da» Gericht sei in solchem Falle verpflichtet, bei Nichtigkeit de» in der Hauptsache ergehenden Urtheile», den AuSfpruch der Geschworenen zurückzuweisen (de la rejeter du proc6s) und zu verlangen, daß jene fich in ihr BerathungSzimmer zurückziehen und einen neuen feststellen. Diese

Berichtig»»« »es wahrsprncheS.

801

Bestimmung ist in den Code d’Instruction criminelle nicht ausgenommen worden, was sehr natürlich ist, da fie sich nur ans die Form de» Ausspruches der Geschworenen bezog, welche im neuen Gesetz in einer weit einfacheren, wie man meinen mochte, alle Schwierigkeiten beseitigenden Weise geregelt worden war. Immerhin mag fie aber den ersten Anstoß dazu gegeben haben, daß die Schwurgericht-Höfe sehr bald für fich das Recht in Anspruch nahmen, den Ausspruch der Jury einer Prü­ fung zu unterziehen. Anfang» stützte man fich auf eine Wortinterpretation (auf die au» dem ort. 415 des Code v. I IV. in den art. 853 des Code d’Instr. übergegangenen Worte: tont en Observant les formee), später sah man wol ein, daß dies weder überzeuge noch auSreiche und berief fich einfach auf die Statut der Dinge. „Es ist unmöglich", sagt Hölie, „die Erklärung der Geschworenen al» Grund­ lage eines freisprechenden oder verurtheilenden Erkenntnisse» zu verwenden, wenn fie an Unregelmäßigkeit leidet, wenn fie zweideutig oder in fich widersprechend ist, wenn fie die Anklage nicht erschöpft oder Überschreitet." Der Eftdanke wurde durch eine lange Reihe von im Hauptpunkte konstanten Entscheidungen de» AastationS» hofeS weiter gebildet, und so hat die Praxis nicht nur den wahren Inhalt jenes aufgehobenen art. 414 wiederhergestellt (immer jedoch mit Ausnahme der darin ausgesprochenen formellen Vernichtung des ersten Wahrspruche»), sondern ihn in sachgemäßer Fortbildung weit überboten. Steht allerdings der Grundgedanke fest, so bot seine Durchführung unzählige Schwierigkeiten im Detail; so eingehend und belehrend die Darstellungen diese» Theils der ftauzüfischen Praxis find, so behut­ sam muß man bei ihrer Verwendung sein, weil hier nicht blo» da» angewendete materielle Recht von entscheidender Bedeutung ist, sondern auch noch andere prozeffualische Bestimmungen und Anschauungen die Materie beherrschen: DaS Streben deS Code d’Instruction criminelle, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, den AuSspruch der Geschworenen in die Beanwortung einer Frage zu konzentriern, die Anficht, daß die Jury aus nackte Thatfragen beschränkt sei, der Mangel einer ausdrücklichen Ermächtigung der Jury zu Heilweiser Bejahung »der Verneinung der Frage oder zur Beantragung von Fragen, oder deS Gerichtshofes zur Abänderung der ge­ stellten Fragen, endlich die Unzulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde im Falle der Freisprechung. Die auf der französischen Grundlage entstandenen GchwurgerichtSgesetze, von denen wir im Folgenden nur die jetzt geltenden von Italien, Oesterreich und Deutschland berücksichtigen, haben dm Gegenstand in positiver Weise, von gleichartigen Grundsätzen ausgehend, geregelt. Ueberall ist der Gedanke ausge­ sprochen, daß da» Gericht dm Wahrspruch nicht annehmm könne, wenn er an formellen oder sachlichen Gebrechen leidet; „unvollständig, widersprechend oder sonst unregelmäßig" sagt da» Italienische Besetz (art 507 Regel, di procedura penale); „in der Form nicht vorschriftsmäßig" oder „in der Sache undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend" daS Deutsche Gesetz (§ 809 StrafPO.); da» Oesterreichische Gesetz (§ 831 StrafPO.) sagt „undeutlich, unvollständig oder in fich widersprechend" und behandelt dm Fall der Formwidrigkeit nicht ausdrücklich, unter w^lch letzterer auch da» Deutsche Gesetz nach seiner Entstehungsgeschichte (s. z. B. v. Schwarze bei § 310) nur Verletzung der äußeren Form, welche sofort auf der Niederschrift deS WahrsprucheS erscheint, versteht, und aus welche eS daher die Be­ stimmungen über die Zurückweisung der Jury iuS BerathuugSzimmer nicht anwendet. — Diese Textesworte lasten der Auslegung einen weiten Spielraum und übertragen (mit Recht) der SpmchpraxiS die Lösung der zahlreichen, hier fortwährend auftauchenden Fragen. Damit fie dies richtig thun, mutz der schon oben be­ tonte Zusammenhang mit anderen die Entstehung und Anfechtung des WahrsprncheS regelnden Normen, mit dem anzuwendenden Gesetze und mit der Stellung deS Gerichts­ hofes zur Jury stets im Auge behalten werden. Im Allgemeinen ist der einzu­ haltende Standpunft treffend in den Motiven zur Deutschen StrafPO. mit folgen­ den Worten bezeichnet:

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»A*»

«H -

itt der Niederländischen Generalstaaten vom 26. Juni 1630. Diese- Edikt ließ aber noch im Zweifel, ob znr Recht-beständigkeit einer B. die effektive und thatsächliche Einschließung de- Hafen- erforderlich sei. Die Seemächte pflegten in damaliger Zeit die offizielle Notifikation der B. für au-reichend zu halten, und ließen durch ihre Kreuzerschiffe alle neutralen Schiffe aufbringen, welche fich auf der Fahrt nach einem solchen Hasen befanden, wennschon die that­ sächliche Einschließung deffelben nicht bewirkt war. In den Bündnissen der bewaffneten Neutralität von 1780, welchen sämmtliche Mächte Europa'-, mit Ausnahme Englands, sowie die Bereinigten Staaten Nord­ amerika'- fich angeschloffen hatten, Wurde indeß der Grundsatz ausgestellt: „Ein Hasen kann nur dann für blokirt gelten, wenn da- Einlaufen in denselben mit unmittelbarer Gefahr verbunden, also durch die Macht, welche den Eintritt ver­ hindern will, mit stationirten und hinlänglich nahen Schiffen eingeschloffen ist." Nach Englischer Recht-auffaffung sollte nach wie vor da- Kreuzen einiger .Kriegs» oder Kaperschiffe vor dem in B.zustand erklärten Hasen hinreichen, um die Rechtsbeständigkeit der B.. zu begründen. Der Pariser Vertrag vom 16. April 1856, dem auch England beigetreten ist, bestimmt daS jetzt geltende Recht in Art. 4: „Les blocus poar 6tre obligatoires, doivent 6tre effectifs, c’est ä dire maintenus par uue force süffisante pour intredire rdellement Faeces da littoral de l'ennemi.“ Ueber den Thatbestand de- B.bruchS bestehen noch Meinungsverschiedenheiten. Ganz überwiegend ist der Grundsatz in der internationalen Praxis zur Geltung gelaugt, daß ein neutrales Schiff nur in dem Falle eines B.bruchS fich schuldig macht, wenn es versucht, mit List oder Gewalt die B.linie zu durchbrechen. Eng­ land befolgt noch die Praxis, neutrale Schiffe wegen B.bruchS aufzubringen und zu kondemniren, sobald dieselben die Reise nach einem blokirten Hafen angetreten haben. Auch gilt eS nach Englischer Auffaffung, welche fich hierbei auf daS er­ wähnte Edikt der Generalstaaten vom 26. Juni 1630 stützt, für gerechtfertigt, ein Schiff, welches die B. gebrochen hat, noch während der Dauer der Rückreise aus­ zubringen. Auch dieser Grundsatz wird jedoch sonst allgemein sür ungerechtfertigt

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Blondrau — Blnhme.

gehalten. DaS neutrale Schiff, welche- einen B.bruch begeht, kann allerdings ver­ folgt, und wen« t# bei dieser Gelegenheit ergriffen wird, aufgebracht werden. DaS Schiff gilt jedoch für straflos, sobald eS bei der Verfolgung einen neutralen Hafen erreicht hat, und kann bei der späteren Weiterreise für daS begangene Vergehen nicht mehr verantwortlich gemacht Wttbm. Der Thatbestand deS B.bruchS wird der Regel nach außerdem davon abhängig gemacht, daß dem nrntralen Schiffe noch eine besondere Notifikation über daS Bestehen resp, die thatsächliche Fortdauer der B. gemacht ist. Diese sog. SpezialNotifikation (im Gegensatz zu der allgemeinen oder diplomatischen Notifikation, durch welche die B. offiziell proklamirt wird) ist bereits durch den Art. 3 deS BündniffeS der zweiten bewaffneten Neutralität eingeführt worden. Die Bestimmung lautet: „Que tont bätiment, naviguant vers nn port bloquS, ne ponrra etre regardö comme contrevenant que lorsqa* aprds avoir 6to averti par le Commandant de blocus de l’dtat du blocus, il tächera d’y pdnätrer en employant la force ou la ruse“. — Dieser Grundsatz hat seitdem in eine sehr erhebliche Zahl von Verträgen Eingang gefunden und ist der Regel nach auch in der neueren internationalen Praxis befolgt worden. Die Strafe deS B.bruchS ist, daß Schiff und Ladung als gute Prise kondrmnirt werden. Haben beide indeß verschiedene Eigenthümer, so wird der Eigenthümer der Ladung zum Beweise verstattet, daß ihm die Abficht deS B.bruchS unbekannt gewesen sei; gelingt ihm dieS, so erfolgt die Freisprechung. Einige Mächte, England, Frankreich und in einem Falle auch Rußland, haben in neuerer Zeit (seit 1827) eine sogen, friedliche B. (blocus pacifique) zur An­ wendung gebracht, d. h. Häfen einer fremden Macht ohne Kriegserklärung in Bzustand erfl&rt. Dieses Verfahren wird zwar von einigen angesehenen Publizisten vertheidigt, kann aber nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen nicht als ge­ rechtfertigt betrachtet werden. Daffelbe ist bisher auch nur vereinzelt zur Anwen­ dung gekommen und eine konstante völkerrechtliche Praxis hat fich für daffelbe jeden­ falls nicht entwickelt.

Lit.: v. Mohl, Geschichte und Literatur der Staatswisfenschast, Bd I. (1855), ®.426 ff. — Hess ter, Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart (6. Ausg. 1878), S. 295—302. — Bluntschli, Das moderne Völkerrecht der oraanifirten Staaten als Rechtsbuch dargestellt (2. Ausl. 1872), S. 463 ff., 448 ff. — Gessner, Le droit des Neutres sur Mer (2. Ausl. Berlin 1876), S. 163—245. — Wheaton, Elements of international law, London 1863, p. 819 ss. — Hautefeuille, Les droits et les devoirs des nations neutres en temps de guerre maritime, t. III. p. 1 ss. — Ortolan, Btgles internationales et Diplomatie de la mer, Paris 1845, II. p. 287 ss. — Cauchy, Le droit maritime international consid6r6 dans ses origines et dans ses rapports avec les progrös de la Civilisation, II. p. 423 ss. — Phillimo re, Commentaries upon international law III. p. 238 ss. L- Geßner. Blonbea«, Jean Baptiste Antoine Hyacinthe, iegrie. Lit.: Stoobe, R.squellen, II. S. 167—170. — Stintzing, Gesch. d. Pop. Lit., S. 451—462. — De Wal, Beitr., 32, 38. — AuSg. d. Narrenschiffs v. Zarncke 1854, v. Simrock 1872. — Nat.-Ztg. 1870 Nr. 539. — Steinmeyer in d. Alla. Deutsch. Biogr., HL 256. — Schmidt, Hist littlr. de l’Alsace, Paris 1879. Teichmann.

Brater, Karl, 6 1819 zu AnSbach, seit 1847 HülfSarbeiter im Bayerischen Justizministerium und hier in der GesetzgebungSkommisfion verwendet, sodann Bürger­ meister^ in Nördlingen, Gründer der Zeitschrift für Gesetzgebung und Verwaltungs­ reform. Seit 1858 Mitglied der Bayerischen Abgeordnetenkammer. Seit 1856 in München mit Bluntschli Herausgeber des StaatSwürterbuchS. 1859 Mitstifter deS Deutschen Nationalvereins. Auf ihn zunächst ist die Organisation der „Bayeri­ schen Fortschrittspartei" zurückzuführen, in deren Jntereffen er 1865 die in Erlangen herausgegebene „Wochenschrift der Bayerischen Fortschrittspartei" gründete. Für die staatliche Praxis wirkte er, abgesehen von der Herausgabe der evidentgestellten Bayerischen BerfaffungSurkunde, wovon eine Reihe von Auflagen nöthig wurden, durch die von ihm gegründeten, nach dem Dorbilde Joh. Ad. Seuffert'S mit seinen „Blättern für Rechtsanwendung" eingerichteten und eine ähnliche Autorität wie jene genießenden „Blätter für administrattve Praxis zunächst in Bayern". Er war auch Mitarbeiter an dem großen Sammelwerke unter der Redaktion Dollrnann>S: „Die Gesetzgebung Bayerns mit Erläuterungen". Er f 1869, nachdem ihm 1865 von der Universität Heidelberg der Ehrentitel eines Doktors der Rechte verliehen worden war. Schriften: Die Reform des Erbrechts zu Gunsten der Nothleidenden, 1848. — Be­ merkungen über den Entw. einer neuen Gem.Ordn. für das Königr. Bayern, 1850. — Blatter f. adm. Praxis zunächst in Bayern. Mit Einschluß der ges. Polizei- und Finanzverwaltung, Bd. I. (1851) bis Bd. XIX. (1869; wird noch fortgesetzt.) — Sammlung Prinzip. Erlasse rc., 1853. — Studien zur Lehre von den Grenzen der civilr. u. d. adm. Zuständigkeit, 1855. — Regierung u. Volksvertretung in Bayern, 1858. — Die Fortschrittspartei in der Bayer. Abg.-Kammer, 1863. — Preußen u. Bayern in der Sache der Herzogtümer, 1864. — Bayer. Berfgs.-Urk., III. Aust. 1868. — In oer Gsgb. v. Dollmann, Th. II. Bd. I. find die Kommentirungen z. den daher. Ges. folgender Betreffe von Brater: Ministerverantwortlichkeit, Staatsgerichtshof rc., Distriktsräthe, Landräthe, Einquartierung rc., Unterstützung u. Derpsl. Hülfsbeoürstiger rc., Forstgesetz. Lit.: Preuß. Jahrbb. XXIV. 6. — Blätter für admin. Praxis 1869, Nr. 23. — Nördl. Anz. v. 25. Oktober 1869. — Frensdorfs in der Allg. Deutsch. Biogr. III. 261. Bezold.

Brau- und Brennereigerechtigkeit (Th. i. S. 503). An und für sich versteht man hierunter die Befugniß, Bier resp. Branntwein für den eigenen Be­ darf, wie zum Verkauf zu bereiten. Die eine wie die andere kommt jedoch auch als Zwangs- oder Bannrecht vor und dann enthalten sie für den Berechtigten die Befugniß, den Einwohnern eines bestimmten Distrikts zu untersagen, ihren Bedarf an Bier und Branntwein von einem Anderen als ihm selbst zn beziehen. Statt B. u. B. in diesem Sinne wird auch die Bezeichnung Bier- und Brannt­ weinzwang gebraucht. DaS Recht ist häufig mit dem Besitz eines Grundstücks verknüpft und erscheint dann als ein Realrecht. Den Einwohnern de» den ge­ nannten Bannrechten unterworfenen Bezirks steht, mit Ausnahme der Rittergüter, gegen die bei den sonstigen Bannrechten bestehende Regel im Zweifel nicht einmal da» Recht zum HauStrunk oder zur Keffelbrauerei, d. h. Bier und Branntwein für ihren häuslichen Bedarf zu bereiten, zu. Dagegen kann denselben, obwol dem Be­ rechtigten die Befugniß zusteht, da« Einbringen von außerhalb deS Bannbezirks bereitetem Bier- und Branntwein zu verbieten, nicht verwehrt werden, ausländische Biere und Branntweine zum eigenen Gebrauch einzuführen, weil diese ein ganz

Brauer — Brautgeschenke.

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ganz andere Gegenstände, als die dem Bannrecht unterworfenen, find. DaS Bannrecht ceffirt, wenn der Berechtigte nicht im Stande ist, die Bedürfniffe der Verpflichteten zu befriedigen. Wegen MißbrauchS kann daffelbe dem Berechtigten nach vorange» gangener Verwarnung durch Richterspruch entzogen werden. Die B. u. B. beruhen hauptsächlich auf einem Privilegium oder auf unvordenklicher Verjährung. Zum Schutz deS Rechts dient eine dingliche Klage nach Analogie der actio confessoria; bei einer einzelnen Kontravention steht dem Berechtigten eine persönliche Klage auf Unterlaffung sowie auf Schadenersatz und Geldstrafe zn. Auf Grund der RGew.O. v. 21. Juni 1869, § 7, hat die B. u. B. im ganzen Gebiet deS Deutschen Reichs feit dem 1. Januar 1873, soweit sie nicht bereits früher durch die Partikulargrsetzgebung beseitigt war, auch nicht auf einem Vertrage zwischen Berechtigten und Verpflichteten beruht, aufgehört zu existiren. Ssgb. u. Lit.: Preuß. LR. Th. L Zit. 23 §§ 53—95. — Hagemann, Handb. des LandwirthfchaftSrechtS (Hannover 1807), § 156. — Rehfcher, Württemb. Priv.R. (2. Aufl-, Tübing. 1846 ff.), I. § 252. LewiS.

Brauer, Joh. Nie. Friedrich, z 14. II. 1754 zu Büdingen, bearbeitete den Code Napoleon für Baden und war sonst an gesetzgeberischen Arbeiten betheiligt, t 17. XI. 1813. Er schrieb unter viele« Anderen: Erläut. zu dem C. Napoleon, KarlSr. 1809—1812, und gab mit Zach ar iS Jahrbb. d. Gfab. u. R.wlff. d. Grohh. Baden heran-, Heidelb. 1813. Lit.: v. Weech in d. Allg. Deutsch. Biogr., IIL 263. Teichmann.

Braun, Konrad (BrunuS), 8 gegen 1491 zu Kirchheim am Neckar, Kano­ nikus in Augsburg und Regensburg, auf den Reichstagen, t 1563. Schrift: De legationibus libri quinque Mogunt 1548. Lit.: Ompteda, II. 537. — Encykl. 976. — Steffenhagen m der Allg. Deutsch. Biogr. IIL 271. Teichmann.

Brautgeschenke, sponsalitia largitas, heißen Geschenke, welche Verlobte Per­ sonen sich mit Rückficht auf daS Berlöbniß machen. Scho» im älteren Röm. R. Vorkommmd und dm Bestimmungen der lex Cincia nicht unterworfen, könnm fie nach Justin. R. unbedingt oder unter Beifügung des Eheabschlusie« als Refolutivwie SuSpenfivbedingung gemacht werden. Bei verschuldeter Trennung deS VerlöbniffeS müssen die empfangenen Ge­ schenke von dem, der fie als Großjähriger oder nach erhaltener venia aetatis ethalten, ohne Rückforderung der gegebenen, doppelt erstattet, bei unverschuldeter da­ gegen einfach zurückgegeben werden. Der unschuldige Theil behält die ihm ge­ machten Geschenke. Vgl. auch Shrisch-RömifcheS RechtSbuch auS dem 5. Jahrh. (herauSg. v. BrunS und Sachau), Leipz. 1880, S. 296. Löst der Tod das Verhältniß, so werden die Geschenke zurückgegeben, außer wenn der Bräutigam fie interveniente oscnlo gegeben, da dann nach 1. 16 C. 5, 3 die eine Hälfte dem Ueberlebenden verbleibt, die andere dm Erben deS Ver­ storbenen zusällt: eine Bestimmung, die Spangenberg, Arch. f. civ. Pr., XII. 269—274, auS einem Gewohnheitsrechte der Umgegend von Cordova, dagegen Klenze, Ztfchr. f. gefch. RechtSW., VI. 72, auS dem Röm. Kognatmrecht zu erklären sucht. Rach dem Syrisch-Römischen RechtSbuch erweist fich der Kuß als daS allgemeine Symbol der vollen Verlobung. Die betr. Stelle deffelbm (L 91, P 45, Ar 55, Arm 57) faßt nur Schenkungen des Bräutigams ins Auge, hauptsächlich dm Fall seine« Todes, unterscheidet dabei, ob er die Braut geküßt oder nicht, macht Unterschiede zwischen den Erben und AuSnahmm nach dem Gegen­ stände der Schmkungm (vgl. a. a. O. S. 259—264, 322 u. 387). Eine besondere Art bildete die donatio ante nuptias, welche für die beabsich­ tigte Ehe einen Beitrag zur Bestreitung der Kostm zu geben bestimmt war. Sie lag dem Bräutigam ob und wurde erst von Justinian auch in der Ehe gestattet, so daß fie von da an donatio propter nuptias wurde. Sie geschah theils durch Hingabe, theils durch Bestellung in einer Schrift und lag dem Vater für den Sohn ». H»ltzend»rff, Enc. II. Siechtilexikon I. 3. Aust.

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SntimtMtapita* — Brettenbach.

ob (1. 3, 5 C. 5, 1 de sponsalibns — C. 5, 3 de donationibus ante nuptias vel propter nuptias et sponsalitiis). — Das Syrisch - Römische Rechtsbuch zeigt, daß schon vor Justinian ein sestes Maß für dos und donatio allgemeine Sitte war, und zwar so, daß in den Länder» deS Westens der Mann eben so viel als donatio darbrachte, als die Fran in der dos gab, dagegen im Osten die donatio stets nut die Hälfte der dos betrug (vgl. a. a. O. S. 295, 296). Das Prenß. R. bestimmt bei grundloser Weigerung der Ehr Herausgabe der empfangenen Ge­ schenke ohne Anspruch auf die gegebenen; bei gegenseitiger Einwilligung oder recht­ licher Zulässigkeit der Auslösung deS BerlöbniffeS gegenseitige Herausgabe derselben, während bei dem Tode deS einen Verlobten der Ueberlebende die Wahl hat, die empfangenen Geschenke zu behalten oder unter ihrer Rückgabe die feinigen zurück­ zufordern — ein Recht, daS ein Jahr nach der Aufhebung deS BerlöbniffeS er­ lischt, aber vererblich ist. — Sachsen giebt bei Auflösung deS BerlöbniffeS durch Tod keinen Anspruch auf Rückgabe der Mahlfchähe und Geschenke. — Oester­ reich läßt, falls die Ehe ohne Verschulden deS Geschenkgebers nicht ersolgt, die Schenkung widerrufen. Quellen: Preutz. LR. II. 1 §§ 112, 122, 123, 132. - SSchs. BGB. 8§ 1583—1587. — Oesterr. BGB. § 1247. — Code Napoleon art 1088. — Code civile Itauano art 1068. — Zürich 88 67—69. Lit: Erxleben, Die condictiones sine causa, 2. Abth., 1853, S. 152—157. — Windscheid, Pandekten, § 427, 81. 13; Derselbe, Die Lehre des Röm. R. von der Bor­ aussetzung. Düffeld. 1850, S. 29, 109. — Glück, XXIV. 396 ff. — Sintenis, Civilrecht, III. S. 67. — Senffert, Arch., IV. 81. 233; XVH. 81. 59. Teichmann.

Bravarb-Beyriöres, Pierre Elande Jean Baptiste, z 3. II. 1804 zu Arlane, Pros. d. Handelsrechts in Paris, t 1861. Bedeutend fein Manuel de droit commercial, 7. 6d. par Demangeat, 1868. — Trait6 de droit commercial complötd par Demangeat, 1861—68. Lit.: Revue crit de legisl. XXIII. 384, 562. Teichmann.

Breberobe, Pieter Cornelis, aus dem Haag, Niederländ. Gesandter am Französischen und an Deutschen Höfen und in der Schweiz, zeitweise auch für die Stadt Straßburg thätig und Requßtenmeister der Herzogin von Bar, K 1559, t 1637. Er schrieb: Thesaurus sententiarum, regularum et dictionum iuris civilis, 1582, 1587 (mit Zusätzen von Modius), und sonst noch unter verändertem Titel, so 1664 als Reper­ torium. — Index titulorum universi Juris, 1583. — Loci conununes in Bartoli opera omnia, 1587. — Specimen novum Juris totius ordine literario in artem familiärem redigendi selectum, ex titulis singularibus Institutionum, Digestorum et Codicis de Usufructu, Usu et Habitatione, operis et ministerio servoram, 1588. — EvytuaTixiöv sive Cautelarum t. III, 1590, 1682. — De adpellationibus, 1592. — Dialectica Juris, 1593. — Comm. in Codicem, 1595. — Analysis Institutionum, 1619, 1634. Auch besorgte er Ausgaben von Covarruvias, Schaeidewin u. A. Lit.: Dodt in Bijdragen tot Regtsgeleerdheid VI. — Rivier in Nieuwe Bydragen voor Regtsgeleerdheid en Wetgeving, N. R. II. 2 , 226. — Vreede in Bijdragen voor vaderl. Gesch. III. — Marquis de Godefroy Menilglaise, Les savants Godefroy, 37—39. Rivier.

Breidenbach, Moritz Wilh. August, $ 13. XL 1796 zu Offenbach a. M., 1820 Advokat in Darmstadt, 1848 Mitgl. d. Staatsraths, Oberstudien­ rath, t 2. IV. 1857. Sein Werk: Das Hessische StrasGB. v. 1841 (Kommentar dazu, Darmst. 1842, 1844). Lit.: Walther in d. Allg. Deutsch. Biogr. HI. 286. — Wächter, Beilagen, 1877, S- 171, 172. Teichmann.

Breitenbach, Joh. v., verwaltete 1501—4 das Ordinariat d. Leipziger Juristensakultät, f gegen 1507. Vgl. Muther, Ztschr. f. R.gesch., IV. 394, VIII. 130, und in der Allg. Deutsch. Biogr. III. 288. Teichmann.

Orenonamt, Heinrich, 6 1680 in Rotterdam, wurde 1705 in Lehden Doktor, dann Adv. im Haag, ging nach Florenz, um die Florentina zu stndiren, erschoß sich 1736. Schriften: Diatriba in Herennii Modestini libr. singulärem, Rott 1706. — Pandectae jur. civ., Amstd. 1709. — Hist Fand., Utr. 1722. Bit: Gebaueri narratio de H. Brencmanno, Gott 1764. — Sa viguh, I. 132— 137; HL 448; VI. 369; Derfelbe, «l. Schriften, HI. 22—27; im Cid.-Arch. IH. Heft 3 Nr. 15.— Rivier, 531. — Mommfen, Pandektenausgabe, p. XVIII. Teichmann.

Brendel, Sebald, 5 1782 in Karlstadt a. M., dozirte kurze Zeit in Heidel­ berg; hierauf lebte er eine Zeit lang in Bamberg und wurde 1819 zum Professor in Würzburg ernannt, wo er auch Kirchenrecht vortrug. Im Jahre 1832 zum Appell. Ger.R. in Amberg ernannt, f 1844. Schriften. Disputirsätze aus vrrfch. Zweigen, 1812. — Spec. publ. sistens jur. success. etc., 1813. — Beleuchtung der Rede des Grafen Fontanes ic, 1814. — Das 9t. unb di« Verwaltung der milden Stiftungen, 1814. — Der Rheinische Bund oder die Löwengefellfchast ic, 1814. — Betrachtungen über den Werth der Preßfreiheit, 1815. — Die Geschichte, daS Wesen und der Werth der Nationalrepräsentation, 2 Bde., 1817. — Handbuch des kath. u. prot. Kirchenrechts, 2 Bde., I. Ausl. 1823, 1827, 1839 ff.; HI. Aufl. 1840. — Ueber die Kölner Angelegenheit, 1838. Bit: Neuer Nekrolog der Deutschen, XXIL 1844, I. Th. 1846, S. 829. Bezold.

vrsq«ig«y, Oudard Feudrix de, $ 1716 zu Granville, wegen Franz. Urkunden nach England gesandt, Mitgl. d. Akad., f 1795. Schriften: Diplomata, chartae .. ad res Francicas spect, Par. 1791, ed. Pardessua 1843. — Table Chronolog, des diplomes, Par. 1769—1783, contin. par Pardessua 1850. — Lettres des rois de France, publ. par Champollion, 1839. Bit.: Mohl, HI. 19. — Biogr. universelle. Teichmann.

Breloinrier, Barthölemy Joseph, $ zu Montrotier im Forez 1656, Adv. beim Pariser Parlamente, f 1727. Er war ein tüchtiger Romanist und strebte in seiner Praxis und in seiner literarischen Thätigkeit nach Unifikation bei Recht» in Frankreich. 6t gab die Werke von Henry» (s. diesen Art.) mit treff­ lichen Anmerkungen heraus und verfaßte den berühmten Recueil par ordre alphabdtique des principales questions de droit qui se jugent diversement dans les divers tribunaux du royaume, avec des räflexions pour concilier la diversitö de la Jurisprudence et la rendre conforme dans tous les tribunaux. Das Werk hatte 5 Auflagen von 1718—1782. Bit.: Vorrede zum Recueil. — Ferrifere zu Taisand. — Bernardi in der Bio­ graphie universelle. — Lamoureux in der Biographie nationale. Rivier.

Briefe (Eig enthum an B.). Eigenthümer eines B. ist zunächst der Eigenthümer der Materie (Papier ic.), auf welche» der Bries geschrieben ist (§ 33 J. II. 1), regelmäßig also der Schreiber deS B. — Der B. hat die Bestimmung, einem An­ deren mitgetheilt zu werden; waS find die Folgen der Mittheilung hinpchtlich der Rechte deS Schreibers und deS Empfängers an dem B. ? Zu unterscheiden: Recht an dem B. als körperlicher Sache; Recht an dem B. als Urkunde; R. an dem B. als GcisteSprodukt. — I. Der B. als körperliche Sache geht in daS Eigenthum deS Adreffaten erst dadurch Über, daß er ihm oder einem von ihm zur Empfang­ nahme Bevollmächtigten auSgefolgt wird (1. 65 pr. D. 41, 1). Hieran wird auch dadurch nichts geändert, daß der B. der Post zur Beförderung übergeben wird: der Absender kann bis zur Ablieferung an den Adreffaten die Rückgabe des B. von der Post verlangen, muß aber natürlich (zwqr nicht fein Eigenthum an dem B. in dem Eingang« bemerkten Sinn, wohl aber) die Thatsache beweisen, daß er der Ab­ sender ist, — ein bei einem nicht eingeschriebenen B. kaum zu führender Beweis. — II. Recht an dem B. als Urkunde; der Empfänger kann sich selbstverständlich de» ihm gehörigen B. als Beweismittels gegen den Schreiber bedienen; der letztere hat 27*

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ffritfttbrtdhnii.

ein Recht auf Vorlegung des B. nur nach Maßgabe der RechtSfLtze de» Civil» Prozesses über gemeinschaftliche Urkunden; die frühere Streitfrage (Senfsert, Arch., XIII. Nr. 291, XX. Nr. 84, XXIX. Nr. 85), ob der B. gemeinschaftliche Urkunde nur dann fei; wenn er zu dem Zweck geschrieben ist, ein Beweismittel für da» RechtSverhLltniß der Parteien zu schaffen, ist verneinend entschieden durch die REPO. § 387. Ist ein Mahn-B. eine gemeinschaftliche Urkunde? wol mit Recht verneint bei Senfsert, Arch., XIII. 291. — III. Recht an dem B. als GeisteSprodukt: sogenanntes literarisches Eigenthum. Soweit an einem B. ein Autorrecht vorhanden, geht e» nicht mit dem Eigenthum de» B. als körperliche Sache auf den Empfänger Über; anderer Anficht Goltdammer in feinem Arch. f. Preuß. StrafR., Bd. IX. S. 539 ff.; allein der Eigenthümer eine» B. (als körperliche Sache) wird zu feiner Verbreitung im Weg mechanischer Vervielfältigung so wenig befugt, wie der Käufer eines Buchs zu deffen Wiederabdruck; das Autorrecht an dem zurückbehallenen Konzept ftflnbe doch immer noch dem Schreiber zu. — In­ wieweit ist aber Überhaupt an den B. ein Autorrecht möglich, oder (in der Sprache des ReichSgef. v. 11. Juni 1870, bett, das Urheberrecht von Schriftwerken rc.) in­ wiefern find B. als Schriftwerke anzufehen? Antwort: Der B. muß ein Geistes­ produkt fein, welches dem literarischen Verkehr anzugehören fähig ist, welches — sofern das Autorrecht wesentlich ein Vermögensrecht ist — einen literarischen Marktwerth hat oder haben kann. Unerheblich ist, ob der B. für den literarischen Verkehr bestimmt war oder nicht: auch wenn er nicht dafür bestimmt war, ist er doch Gegenstand des Autorrechts, sofern er als Geisteswerk dem literarischen Verkehr anzugehören fähig ist; mangelt ihm diese Fähigkeit, so wird er auch da­ durch nicht Gegenstand des Autorrechts, daß der Verfasser feine Veröffentlichung verbietet oder fich vorbehält: ein Zuwiderhandeln gegen ein solches Verbot kann eine Indiskretion fein, ist aber kein Nachdruck. — Die entscheidende Fähigkeit kann eine latente fein, erst längere Zeit nach Abfaffung des B., erst unter bestimmten Derhältniffen an den Tag treten, insbesondere erst durch Einverleibung fei eS in eine Sammlung von B. eines Verfaffers oder in einen B.wechsel: die B.fammlung oder der B.wechfel können Gegenstand eines selbständigen Autorrechts fein; daraus folgt aber noch nicht, daß der Veranstalter der Sammlung, der Heraus­ geber deS B.wechfels, das Autorrecht an den einzelnen B. erwirbt: ist die Schutz­ frist gegen Nachdruck für den einzelnen B. noch nicht abgelaufen, so bedarf der Sammler oder Herausgeber der Ermächtigung des Verfaffers oder feiner Erben; ist sie abgelaufen, so kann auch jeder Dritte den einzelnen B. zum Abdruck bringen. — Ob der einzelne B. ein gesetzlich geschütztes Schriftwerk fei, ist nach den Um­ ständen deS Falls zu beurtheilen; es kann hier eine Verletzung des Autorrechts zu bejahen —, dagegen ein strafbarer Nachdruck wegen mangelnden Verschuldens zu verneinen fein, insbesondere wenn, der B. nicht für den literarischen Verkehr be­ stimmt war. — Eine Editionspflicht des B.inhaberS wird durch ein etwaiges Autorrecht des Verfaffers oder feiner Erben nicht begründet. Lit.: Außer den bei d. Art. Urheberrecht Angeführten vgl.: Siebdrat, Dies, de dominio epistolarum. — Goltdammer (Ueber das literar. Eigenthum an Briesen) in dem oben cit. Aussatz. Pfizer. Brieferbrechung (John, Th. I. S. 785 ff.) ist eine dem Strafprozeß an­ gehörende Maßregel, welche in der Eröffnung eines geschloffenen Briefes oder einer anderen geschloffenen Postsendung besteht und den Zweck hat, vom Inhalte Ein­ ficht zu nehmen. Durchsuchung und Beschlagnahme find Mittel fie zu ermöglichen, und wo deren Voraussetzungen und Erfordernisse mangeln oder hinfällig werden, kann auch die B. ausgeschlossen fein. Ihr eigenes Gesetz aber hat die B. in der Edition, insofern diese gerade in der Aushändigung, um Einficht und Abschrift zu gewähren, besteht. Wo der Editionspflichtige die Einficht gestattet, ist die Staats­ anwaltschaft zur B. unbedingt berechtigt; wo die Zustimmung des Betroffenen da-

vrtefperletzung.

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gegen mangelt oder verweigert ist, tritt nach der Deutschen StrafPO. die richter­ liche Entscheidung über Voraussetzungen und Umsang der Verpflichtung ein und hat der Staatsanwalt die angehaltenen Briese und Sendungen dem Richter uner­ öffnet und sofort vorzulegen. Wird die Eröffnung erkannt, so hat der Richter, wie bei der Durchsuchung, ausdrücklich verfügt wird, dem Staatsanwalt Brief oder Sendung mitzutheilen, wenn dieselben zu strasbare« Handlungen in Beziehung stehen, sonst aber sie den Betheiligten sofort auSzuantworten bzw. ihre Absendung zu gestatten oder den unverfünglichen Inhalt eines Briefes dem Empfangsberechtigten abfchristlich mitzutheilen. — Die Oesterreichische StrafPO. gestattet die B. nur dem Untersuchungsrichter und zwar, wenn der Beschuldigte -«stimmt, ohne Weiteres, bei Mangel dieser Zustimmung, und wenn nicht Gefahr im Verzüge vorliegt, nur nach Genehmigung der Rathskammer. Vgl. die Art. Beschlagnahme der Papiere und Durchsuchung. Quellen: L 1 § 1: 1. 10 § 2 D. de edendo 2, 13.— L 7 G eod. 2, 1. —Deutsche StrafPO. §§ 94—101; Mot. 6. 64 ff. — Postgesetz v. 28. Olt. 1871, § 5. — Lelearapheaorduuug d. 21. Juni 1872, § 3. — Preuß. Berf.Ürkunde, Art. 33.— Oesterreich. StrafPO. §§ 143, 146 ff. Lit.: Planck, Strafverf., § 89. — Zachariä, Strasproz., Bd. IL S. 180. — Mittermaier, Strafverf., Bb. L § 66.— Kommentare zur Deutschen StrafPO.il. von Löwe, v. Schwarze. S. Wieding.

BriefverletzMtg. In zwiefacher Richtung hat die neuere Gesetzgebung Ga­ rantien gegen da« Erbrechen oder Unterdrücken von Briefen und anderen ver­ siegelten Dokumenten geboten; erstlich nämlich gegenüber den Behörden, zweiten« gegenüber Privaten. 1) In der ersteren Richtung ist die Heiligkeit des BriesgeheimniffeS meist durch die StaatSgrundgesetze speziell gewährleistet. Für Deutschland ist die» Prinzip im ReichSpostgesetz vom 28. Oktbr. 1871, § 5 ausgestellt. Auf die Verletzung desselben bezügliche Strafbestimmungen finden sich regelmäßig in den allgemeinen Strafgesetz­ büchern, bisweilen in besonderen Gesetzen „zum Schutze des Brief» und Schriftengeheimniffe»". Da» RStrafGB. bedroht Postbeamte (und Telegraphenbeamte), welche die der Post anvertrauten Briefe und Pallete (bzw. telegraphische Depeschen) ohne Willen deS Absender« und Empfangsberechtigten vorsätzlich und in anderen alS den vom Gesetze vorgesehenen Fällen eröffnen oder unterdrücken, oder Anderen bei solchen Handlungen wiffentlich Hülse leisten, oder ihnen solche Handlungen ge­ statten. Auf die Absicht, von dem Inhalte Kenntniß zu nehmen, kommt eS.dabei nicht an. Ebenso nicht auf die Absicht, zu schädigen. Eine besondere dienstliche Beziehung zwischen den Beamten und den betreffenden Briefen dürste nicht vorauSzusetzen sein (anderer Meinung: MeveS). Die letzteren müffe«, sofern die Eröffnung in Frage steht, in irgend einer Weise verfchloffen sein (anderer Meinung: Puchelt). — Ausnahmen find begründet theils mit Rücksicht auf die Aufgaben der Strafjustiz (indem überall auf richterlichen Befehl eine Beschlagnahme und Eröffnung gewisser Briefe erfolgen kann), worüber fich daS Nähere in den StrafPO. bestimmt findet (s. d. Art. Brieserbrechung); theil» mit Rücksicht auf die Interessen der Gläubiger im Konkursverfahren; theils mit Rücksicht auf die Nothwendigkeiten deS Kriegs. Auch ist die Eröffnung sonst unbestellbarer Briefe zum Zwecke ihrer Be­ förderung in die rechten Hände natürlich unsträflich. 2) In der zweiten Richtung bedrohen die Strafgesetze theil» allgemein da« unbefugte Eröffnen oder Unterdrücken von Schriftstücken, theils das erstere mit unter der Voraussetzung, daß eS in der Absicht geschieht, von dem Inhalte Kenntniß zu nehmen (Belgien, vgl. Oesterreich). Seltne StrafGB. (Hessen, Württemberg) hatten die weitere Voraussetzung aufgestellt, daß die Kenntnißnahme von dem In­ halte der Benachtheiligung eines Andern oder der Erlangung eine» rechtswidrigen Vortheil» dienen sollte. — DaS RStrafGB. bedroht daS vorsätzliche und unbefugte

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Briefwechsel tm veMug-fchlutz.

Eröffnen vnfchloffener Briefe oder Urkunden. Ob nnr für beit Fall, wo die Handlung in der Absicht erfolgt, von dem Inhalte Kenntniß zu nehmen (f. oben), ist kontrovers (vgl. Meyer gegen Oppenhoff und Rüdorsf). Die Frage, ob der Ehemann befugt sei, die Briefe seiner Frau zu eröffnen, ist in der Preuß. Rechtsprechung (wol nicht mit Grund) bejaht worden. — .DaS bloße unbefugte Lesen oder Abschreiben, welche- mehrfach (Sachsen, Bayern) dem Erbrechen gleich­ gestellt worden ist, findet sich im RStrasGB. nicht bedroht. — Die Verfolgung tritt nach dem RStrasGB. (vgl. Oesterreich) nur auf Antrag ein. — Das Unter­ drücken von Briefen wird in dieser zweiten Richtung vom RStrasGB, nur unter der Borauösehung des § 274, d. i. wenn die Briese Urkundenqualität haben und die Handlung in der Absicht erfolgt, einem Andern Nachtheile zuzufügen, gestraft. Gsab. u. Bit: StrafGB. §§ 299, 354. - StrafPO. §§ 99 ff. - KO. § 111. — Oesterreich. Ges. v. 7. April 1870 zum Schutze des Brief- und Schriftrngeheimniffes. — Belgien 160, 169. — Frankreich 187. — Preuß. Berf.llrk., Art. 33. — Oesterr- Staats­ grundgesetz v. 21. Dezember 1867, Art. 10. — Belgische Konstitution, Art. 22. — Oesterr. StrafPO. § 126 ff. - v. Holtzendorff, Hdb. des deutsch. Straft., Bd.-III. S. 844, 1002 ff. (Meves). Merkel.

Briefwechsel tm Bertragsschluß. Wenn die zwischen zwei Personen ge­ wechselten Briefe die MllenSübereinstimmung derselben ausdrücken, so haben sie zu­ sammen für die Berfaffer die gleiche Recht-wirkung, wie eine von ihnen gemeinsam errichtete BertragSuickunde (I. 57 D. de don. int. vir. 24, 1. § 142 A. LR. I. 5). Dabei wird das Eigenthum jede- Briefe- dem Adreffaten erst mit der Ablieferung an denselben oder an bett von ihm beauftragten Boten erworben (1. 65 pr. D. de acq. rer. dorn. 41, 1). Ebenso entspringt aus der in dem Briefe abgegebenen Mllen-erllürung ein Recht für den Adreffaten grundsätzlich erst dann, wenn er den Brief empfangen und von seinem Inhalt Kenntniß genommen hat. Bis dahin kann der Absender sie durch einen gleichzeitig eintreffenden Widerruf entkräften (1. 38 D. de acq. poss. 41, 2). Hiernach entscheidet sich der Streit, ob die Per­ fektion de- Vertrage- erst mit der vom Offerenten erlangten Kenntniß des AcceptbriefeS oder schon früher eintrete, int Sinne der ersteren Alternative. Dies ist die sogenannte Dernehmungstheorie (Bekker, RcgelSberger, Dernburg, Brinz u. a. m.), welcher nahe steht die neuerdings ausgestellte sogenannte EmpsangStheorie (Scheurl, Schott u. a. m.), während nach Anderen schon die Accepta' tionSerklärung oder doch deren Absendung an den Offerenten den Vertrag perfekt machen soll (AeußerungStheorie, von Thöl, Dahn, Puchta u. a. m.). Zuzu­ geben ist diesen anderen Theorien, daß der Offerent als Acceptationsakt statt einer ihm zu ertheilenden Antwort auch eine vom Propofitar sofort zu vollziehende Handlung setzen, und dann durch diese der Vertrag zur Perfektion kommen könne. Die- betonen besonder- Sohm, Karlowa u. a. m. Eigene Theorien haben aufgestellt Windfcheid, Küppen u. a. m. Weitere- f. in dem Art. Offerte. DaS Preußische und da- Handels-Gesetzbuch ergänzen die BernehmungStheorie durch positive Bestimmungen. Nach Preuß. R. ist der Absender eine- schriftlichen Antrages, wenn der Adressat an demselben Orte wohnt, 24 Stunden lang, wenn außerhalb, bis zum Eintreffen der zweiten Post, welche Antwort bringen kann, an feinen An­ trag gebunden (§§ 95—98 A. LR. I. 5); nach dem HGB. Art. 319 allgemein bis zu dem Zeitpunkt, in welchem er bei ordnungsmäßiger rechtzeitiger Absendung der Antwort deren Eingang erwarten darf. Geht die rechtzeitig abgegebene An­ nahme-Erklärung zufällig verspätet ein, so muß der Antragsteller seinen Rücktritt sofort kundgeben, widrigenfalls nach Preuß. R. (§ 105) er schadenersatzpflichtig, nach Handelsrecht aber (Art. 319) der Vertrag perfekt ist. Neueste Bit: H. Schott, Der obligatorische Vertrag unter Abwesenden, Heidelb. 1873. — Sohm in Goldschmidt'S Zeitschr. für H R. XVII. S. 16—107. — Karlowa, Da- Rechtsgeschäft 1877, E. 17—30. — Kühn, Jahrb. für Dogm. XVI. S. 1-90. — Marsson, Die Natur bet Dertragsofferte, Jnaug. Diff., GreifSw. 1879. Eck.

Vriegleb — vrtffot.

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Vriegleb, Hans Karl, 8 1. V. 1805 zu Bayreuth, Advokat zu Nürnberg, 1842 ord. Prof, zu Erlangen, 1845 in Güttingen, t 5. IX. 1879. Schriften: Ueber exekut. Urkunden u. Exekut.-Prozeh, Stutta. 1839, (2) 1845. — Summatim cognoscere quid et quäle fuerit apud Romanos, Erl. 1843. — Joann. Faxioli et Bartoli a Saxof. de summaria cognitione, Erl. 1843. — Rechtsfälle z. akad. Gebrauch, 1848, 1850. — Einl. in d. Theorie d. summ. Prozesse, Lpz. 1859. — Vermischte Abhandl. 1868. Lit.: Hamb. Nachrichten 1879, Nr. 214. Teichmann. Brillat-Eatmrirr, Jean Anthelme, 8 1. IV. 1755 zu Belleh, Mitgl. d. KasiationShofS, t 1826. Der Verfasser der Physiol. du goüt 1825, zuletzt 1879 (deutsch v. K. Bogt, 1867). Schriften: Vues et projets d>4con. polit 1802. — Theorie judiciaire 1808. — Essai sur le duel 1819. — Archeol. du depart de l’Ain 1820 (tome II des Möm. de la Soc. des Antiquaires). Lit.: Sergent, Poetes du Palais, (1878) p. 93. — Notice par H. Roux, 1826. — Le tribunal et la Cour de Cassation, 1879, p. 33, 105, 193. Teichmann.

8rin; Unger, Jahrb. f. Dogm., Vin. S. 11). Denn eine Gebundenheit beider oder auch nur eine« Kontrahenten vor der Leistung muß nach bem' Wesen bei Konsensualkontraktes nut möglich, nicht aber in jedem Falle wirklich sein; vielmehr können unter Umständen sehr wohl Leistung und Willen!» einigung zeillich znsammeafalle« (Unger a. a. O. S. 7), und wenn biet beim Darlehn besonder! häufig ist, so liegt darin nur eine faktische, nicht eine rechtliche Eigenthümlichkeit. Der Grund, welcher die Römer zu jener Spaltung bei D. führte, war lediglich da! Rechtsprinzip der Klaglosigkeit formloser Verträge; mit diesem Grunde mutz aber auch die Folge aufgegäeu, und der D. nunmehr definirt werben all die Vereinbarung, derznfolge ein Theil dem anderen vertretbare Sachen Über­ eignen und dieser jenem später eine gleiche Quantität von Sachen derselben Art zurückerstattm soll. — Voraussetzungen de! D. find hiernach nur Konsens zweier handlungifähiger Personen und ein fungibler Gegenstand (®db oder auch Getreide, Oel — pr. J. cit — Werthpapiere rc.), dagegen die Uebereignung dH letzteren ist begrifflich nicht mehr contrahendi, sondern solvendi causa. Ob der Darlehn!» geber zu dieser Uebereignung vorher verpflichtet war oder nicht, hängt von der WillenSaullegung im konkreten Falle ab; war er e!, so wird er dem Rehmer auch für Eviktion der gegebenen Sachen einstehen müffen; nur mit Zustimmung de! Reh­ mer! wird die direkte Uebereignung dadurch ersetzt, daß der Geber ihm ermöglicht, fich da! Eigenthum selbst au! feinen — be! Geber! — Mitteln zu verschaffen — z. B. mittete Anweisung an einen Schuldner, lleberweisung einer Werthsache zum Verkauf (11. 15, 32, 11 pr. 4 D. h. t.) oder auch mittels der Erlaubniß, da!» jmtge, waS der Rehmer anS dem Vermögen be! Geber! oder al! Objekt einer Fordemng deffelben in Händen hat, al! Darlehn zu behaüen (1. 34 pr. D. mand. 17, 1, und weitergehend 1. 15 D. h. t; 1. 8 § 3 D. ad SC. Mac. 14, 6; §§ 866—867 A. LR. I. 11). In allen Fällen aber hat der Geber für den Schaden einzustehen, dm er durch fein Verschulden dem Rehmer verursacht, z. B. bei Hingabe verdorbmer Sachen, entkrästeter Werthpapiere rc., obwol die Römer dafür eine actio contraria Wegen der strengen (stricti iuris) Ratur ihre! mutuum nicht aufstellen (vgl. Th. I. E. 435). — Die Verpflichtung deS DarlehnSnehmerS besteht in Mckgabe einer gleichen Quantität gleichartiger Sachen zur festgesetzten Zeit. Daraus geht nach Röm. R. eine condictio. Ist ein Rückzahlungstermin weder vereinbart, noch an! den Umständen zu entnehmm, so mutz die Leistung auf Verlangen sofort erfolgm. Abweichend davon setzt da! Prruß. R. bei Darlehen von mehr al! 150 Mark eine dreimonatliche, bei geringeren eine vierwöchentliche Frist zur Aufkündigung fest (§§ 761, 762 A. LR. I. 11). Die Verpflichtung be! DarlehnSnehmerS kann fich auch erweitern auf Zinsm. Kraft Gesetzes schuldet er solche zwar nicht nach Röm., wohl aber nach heutigem Rechte (R.D.A. von 1600 § 139) im Falle be! Verzuges. Außer diesem Falle müffen dieselben besonder! ver­ abredet Werden. Eine bestimmte Form ist dazu nach Gem. R. nicht erforderlich; nach Röm. R. war Stipulation, nach Preuß. R. ist Schrift geboten (§ 824 A. LR. I. 11). Die versprochenen Zinsen habm zugleich den Charakter der Verficherung!» prämie in dm Füllen, wo der Gläubiger gegen das Versprechen höherer al! der gewöhnlichen Prozmte auf die Rückforderung de! Kapitals für gewisse Fälle ver­ zichtet, z. B. falls das Schiff be! DarlehnSnehmerS dm Bestimmungsort nicht erreichen Werbe (sog. foenus nauticmn und in analoger Anwendung quasi nauticum tit. Dig. 22, 2; Cod. 4, 33). Hier fanden die gesetzlichen ZinSbeschränkungen keine Anwendung. Besondere Bestimmungen erließen die Röm. Kaiser dahin, daß die Beweiskraft eine! Schuldscheins vom Aussteller deffelbm eine Zeit lang — nach 1. 14 C. de non nnm. pec. 4, 30 zwei Jahre hindurch — durch einfache Ableug­ nung deS DarlehnSempfang! anSgeschloffm Werben könne (sog. qnerela non nume* ratae peconiae). Diese innerlich nicht gerechtsertigte und nach ihrer Bedeutung und Anwendung viel bestrittene Vorschrift ist jedoch in neuerer Zeit zunächst durch v. Holtzendorff, Enc. n. Rechtslexikon I. 3. Aufl.

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Dittvwechsel.

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Partikularrechte und dann durch HEB. Art. 295 und das EinführungSgefetz zur -PO. § 17 fast ganz beseitigt worden. Nur bei Schuldurkunden, die zur 6ut» tragung in da» Grundbuch bestimmt find, besteht sie in einzelnen Länder» (nicht mehr in Preußen: Gesetz vom 5. Mai 1872 § 38) noch fort. Endlich ist noch durch pofitive Borschrift gewissen an fich handlungsfähigen Personen die passive DarlehnSfähigkeit entzogen. So zunächst nach Röm. R. den unter väterlicher Ge­ walt Stehenden durch da» SC. Macedoniannm (1.1 pr. D. de SCto. Mac. 14.6), ge­ nannt nach seiner Veranlassung: dem durch einen gewissen Macedo m Folge de» Andringen» seiner DarlehnSgläubiger verübten Batermorde. Da» Geschäft, auf welche» da» Gesetz fich bezieht, ist da» reine Gelddarlehn; doch stehen diesem solche gleich, in welche da» Darlehn zur Umgehung de» Gesetze« eingekleidet wird, z. B. Berkaus auf Kredit mit sofortigem RüÄauf gegen Baarzahlung eine» geringeren Preise» (contractus mohatrae). Die Wirkung de« Gesetze« besteht in einer Einrede (exceptio BCti. Macedoniani) gegen den Anspruch de» Gläubiger», sei e» au» dem D. selbst, sei es au» einem HülsSgefchäft. Doch läßt diese Einrede eine natürliche Verbindlichkeit übrig, über deren Tragweite Streit ist. Den Schutz der Einrede genießt nicht blo» da» Hauskind selbst und deffen Erbe, sondern auch der Vater gegen die Klage wegen eint» dem Kinde eingeräumten Sondergut» (actio de peculio) und der Bürge, insofern er sonst Regreß nehmen dürste. Uebrigen» aber ist die Anwendung de« Gesetze» in mancherlei Fällen ausgeschlossen: so namentlich, wenn da» HauSkind zur Zeit der DarlehnSausnahme eine Lebensstellung hatte, welche zur freien Verfügung über da« Vermögen berechtigt, bi» zum Belauf diese« freien Vermögen« (bona castrenaia, adventicia irregularia); ferner wenn der Gewalthaber der DarlehnSausnahme ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, oder dieselbe al» zu seinem Nutzen erfolgt gelten lasten muß; endlich wen« und soweit das HauSkind nach erlangter Selbständigkeit die Schuld anerkannt hat. Da» Preuß. R., nach welchem gewaltunterworfene Personm fich überhaupt nicht verpflichten können, beschränkt außerdem noch die DarlehnSfähigkeit der Prinzen, Militärpersonen und königl. Schauspieler (§§ 676—706 A. LR. I. 11). Quellen: Titel der D. de reb. creditis XII. 1, de SC. Macedon. XIV. 6, ebenso d. C. IV. 1 u. IV. 28. Neueste Lit.: Heimbach, Die Lehre vom ßrebitum,Leipz. 1849. — Storch, Der heutige insbes. landrechtl- DarlehnSvertrag, Berl. 1878. — Rösler in der Ztschr. für Handelsrecht, XU. S. 365—420 (1868).— Ueber das SC. Mac.: Dückers, De SCto. Maa, Berol. 1866. — Seydel, Die Lehre vom Mac. SenatSbeschluß, Würzb. 1869. — Ryck im Archiv s. civ. Prax.Dill. S. 85—134. — Mandrh, Das gem. Familiengüterrecht,I. S. 431—524. 6ck.

Datowechsel

(Th. I. S. 523) ist ein (eigener oder gezogener) Wechsel, dessen Verfalltag durch Bezugnahme auf. den Lag der Ausstellung angegeben, „auf eine bestimmte Zeit nach dem Tage der Ausstellung (k un ou plnsieurs jonrs, ä un ou plnsieurs mois, ä une ou plusieurs usances, de date)" festgesetzt ist. Die Be­ zugnahme auf den Zeitpunkt der Ausstellung geschieht durch die sog. Datoklausel, nämlich durch die Worte „nach Dato", „a dato“, „de dato“, „auf Dato", „nach heute", „von heute", „vom Dato", „dato“ (oder gleichbedeutende Worte, s. Entsch. d ROHG., Bd. V. S. 245), welche der Angabe eint» Zeitraumes beigefügt werden, oder durch einfache Erwähnung eines Zeitraums im Kontexte de» Wechsels, vorausgesetzt, daß die Erwähnung derart ist, daß daraus der Vertragswille, die Zahlung solle nach Ablauf des genannten Zeitraums, diesen vom Tage der Aus­ stellung an gerechnet, erfolgen, unzweideutig hervorgeht, z. B.: „In drei Monatm zahlen Sie", „Nach drei Wochen zahlen Sie" (Entfch. d. ROHG., Bd. II. S. 148, Bd. XIX. S. 329 ff.; hierüber f. ganz besonders Thöl, S. 188 Anm. a; vgl. aberO- Wächter, S. 413; undeutlich wäre „bi»—" oder „binnen—" f. Bor­ chardt, S. 47 Anm.). Eine Datirung „nach Uso" oder dergl. ist nach Deutschem W-R- ungültig, ebenso die Angabe mehrerer Verfalltage nach Dato. Kein D., sondern ein Sichtwechsel ist ein Wechsel, welcher lautet: „Dato Wahlen Eie" oder „Dato nach Sicht zahlen Sie". — Im Uebrigen s. d. Art. Verfalltag.

Da« —

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Quelle«: $. WO. Art. 4 Ziff. 4; Nürnberger Novelle m. — Code de comm., art 131, 132. Lit.: Thöl, H.N., Bd. IL 4. «ufl. W.N), §§ 38, 43. — O. Wächter, EncyN- b. W.R., 1879 S. 412 ff. - Borchardt, WO., 7. «uff., 1879 S. 47 ff. Sarei». Satt, Joh. Philipp, z 29. X. 1654 in Eßlingen, ging 1698 als Geisel nach Straßburg, 1695 Reg.- u. Konfistorialrath, f 28. II. 1722. Bekannt sein Werk: Vol. rer. germ. novum s. de pace imp. publica libri 5, Ulm 1698. Lit.: Steffenhagen in b. Allg. Deutsch. Biogr. IV. 67. Trichman«. Dawson, William, $ 4. I. 1798 zu Greene Co., Ga., einflußreich als Senator 1849—55, f 5. V. 1856 zu GreenSborough. Er veröffentlichte: Lews of Georgia, 1831. Lit.: Drake, Dictionary of American Biography, 1879 p. 255. Teichmann.

Seil, Franz, hervorragender ungarischer Staatsmann, $ 17. X. 1803 aus alter Adelsfamilie zu Sojtor im Komitat Szalad, von wo die Eltern nach Kehida zogen, studirte an der Akademie Raab, wurde Jurat bei der königl. Kaffe in Pest, Advokat, dann Bizefiskal in feinem Komitat, im Reichstage Führer der liberalen Opposition, 1848 Justizminister, 1861 Repräsentant der inneren Stadt Pest und bis zu seinem Lode stets wieder gewählt, bahnte im Pesti Naplö den Weg zum Ausgleich an, verfocht 28. Juni 1873 seine Ansichten über freie Kirche im freien Staate im Reichstag, f 28-/29. I. 1876 zu Budapest. Er bearbeitete mit Majläth, Eötvöö, Klauzäl und Szalay den Strafgefehentwurf v. 1843. Lit.: Franz Deäk, (5) Leipz. 1868. — Rogge in Unserer Zeit, 12. Jahrg. 1. Hälfte, Leip». 1876. — Wahlberg in den Jurist. Blättern, 1878. Dergl. Besprechung b. Ungar. GtrafgrsehentwurfS. — Mayer, Das ungar. StrafGB., Wien 1878, 6. 2. — Leger, Nouv. dtudes Biaves, Paris 1880. — Francis De4k, Hnngarian Statesman. With preface by Duff, Lond. 1880. Leichmann. Deeimmst Tiberiu-, $ 1508 zu Udine, Prof, in Padua, t 1581. Ver­ faßte einen Tract. criminalis utriusque censurae, Venet. 1580, Francos. 1581, 1591, 1618. Lit.: Nypels, p. 24. — Allard. Teichmaun. Secin», LancellotuS de, Schüler deS TartagnuS, 1464 Prof, in Pavia, Pisa, 1483 wieder in Pavia, f 1503. Schriften: Komm, über Dig. vet, Infort u. Codex. Lit.: Savigny, VI. 872—374. Sein Bruder Philippus, K 1454 zu Mailand, 1476 in Pisa Dr. u. Prof. Instit., Auditor Rotae, von Julius II. exkommunizirt, v. Ludwig XU. zum Parirath iy Grenoble ernannt, Prof, in Valence, v. Leo X. vom Banne befreit, lehrte zu Pavia, Pisa u. Siena, t nach 1536. Schriften: Comm. in Dig. vet ac Cod., Lugd. 1550. — Comm. in Decretales, Lugd. 1551. — De reg. jur., Lugd. 1553. — Consilia, Lugd. 1565. Venet 1581. Lit.: Savigny, VI. 374—396. — Schulte, Besch., IL 361. Teichmann. Deckladung (Th. I. S. 545). Aeltcre, wie neuere Seegesehe verbieten Waaren auf Deck zu verladen, weil dadurch daS Schiff leicht überladen und die Mannschaft bei ihren Arbeiten gehindert werden kann. In den meisten Gesehen, wie im Französischen und neuen Belgischen Code de comm. ist dieses Verbot an den Kapitän gerichtet, der durch deffen Uebertretung sich für allen Schaden verant­ wortlich macht, welcher den so verladenen Gütern zustößt. DaS D- HGB. richtet daS Verbot an den Verfrachter. DaS Verbot cesfirt, wenn sich der Ablader mit der angegebenen Art der Berladung (nach Französischem und Belgischem R. „schrift­ lich") einverstanden erklärt hat.- In jedem Falle werden die auf Deck geladenen Güter bei der Schaden-berechnung der Havariegroffe außer Ansatz gelassen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die in Rede stehende Verladung mit oder ohne Zu­ stimmung der LadungSintereffenten geschehen ist. DaS D. HGB. behält den LandeS» gesehen vor, in Betreff der Küstenschiffahrt daS Verbot der D. zu beseitigen, in welchem Fall auch die in Betreff der Havariegroffe gegebene Vorschrift keine An32*

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Decknug.

Wendung ftnben soll. Doch hat kein LandeSgesetz von dem in Rede stehenden Vor­ behalt Gebrauch gemacht. An Frankreich greisen die angegebenen Bestimmungen nicht Platz bet der kleinen Küstenschiffahrt (petit cabotage), in England bei den Gütern, die dm bestehenden Gewohnheiten gemäß auf Deck geladen zu werden pflegen,

«sgd. u. Lit.: D. HGB. «rt. 567, 710, Ziff. 1. — Duhn in Boigt'SNeuem «rch. f. HR. I. L. 202 ff.— Lewis, Das D. Cee-R., I. 6. 192 ff.; U. S. 51. — Franz. Code de «nwu., art 229, 421. — Belg. Code de comm., L. IL art 20. — Arnoald, On marine insurance, n. p. 766 sb. Lewis. Deckung, Deckungsgeschäft. D. im weitesten Sinne bedeutet Zahlung, Tilgung, Zahlungsbereitschaft gegenüber einer Geldschuld (so z. B. HGB. Art. 106, 141, 161, 255, 258 u. a.); in einem spezielleren, juristisch interessanteren Sinne ist D. im Allgemeinen Alle-, wa- Jemandem, der zum Bortheil eine- Anderen eine mit einer VermögenSausopferung seinerseits verbundene Leistung gemacht hat oder machen soll, Sicherheit sür den Ersatz des Ausgeopferten (D. als Sicher­ heit, vgl. Thöl, H.R., § 342 Rote 1) oder diesen Ersatz selbst (näher: Zahlung, s. Thöl a. a. O.) bietet. Dieser Begriff «giebt, daß namentlich daS Mandat und die negotiorum gestio, im Handelsverkehr Asfignatioa, Delegation und der Wechsel sogenannte D.-, d. h. Rechtsgeschäfte, deren Zweck und Resultat die D. (in diesem Sinne als Erfolg) ist, mit sich bringen. Im Wechselrecht ist die D. (Revalirung) die von dem Traffanten (oder einem Honoratm, der nicht Traffant ist) dem Trassaten oder Ehrenzahler für die Uebernahme und den Vollzug des Zahlungsauftrags zu gewährende Gegenleistung, Schadloshaltung. Der rechtliche Grund der Pflicht zur Deckung ist a) ein Mandatsvertrag, nämlich der zwischen dem Traffantm und Traffatm dadurch zur Bollmdung gekommene Mandatsvertrag, daß Letzterer den Zahlungsauftrag des Ersteren angenommen hat; die Verpflichtung deS Traffanten zur Schadloshaltung liegt hier außerhalb der Wechselrechts, im ge­ wöhnlichen Civilrecht; oder b) eine negotiorum gestio, nämlich dann, wenn ein Intervenient, Ehrenzahler, statt des Traffaten zu Gunsten des Traffanten oder eines anderen Wechselschuldners die Zahlung der Wechselsumme übernimmt und ausführt und die Nichtzahlung seitens des Bezogenen durch Protest festgestellt ist. Der Ehrenzahler tritt in die Rechte des Wechselinhabers ein und zwar nicht blos gegenüber dem Honoratm (d. i. dem Traffanten, D. WO. Art. 59, bzw. dem­ jenigen anderweitigen Wechselverpflichteten gegenüber, zu deffe» Gunsten er intet» venirte), sondern auch gegen jeden Vormann deS Honoratm und gegen den Acceptantm (D. WO. Art. 63). Reben diesen regelmäßigen Vorkommniffen, daß der Zahler der Tratte die Zahlung zum Vortheile eines Wechselschuldners (mit oder ohne Auftrag) leistet, kommt auch der Fall vor, daß diese Zahlung für einen Britten, der nicht Wechselschuldner ist, geleistet wird; in den sog. „Wechseln auf fremde Rechnung" verwahrt sich nämlich der Traffant gegen die Verpflich­ tung zur D. ausdrücklich, regelmäßig mit den Worten: „und stellm den Betrag auf Rechnung des Herm R. R. (d. i. eben dieses Dritten, Fremden, der gewöhnlich nur mit den Anfangsbuchstaben feines RamenS im Wechsel -genannt wird). Dieser Dritte oder der Traffant theilt dem Bezogenen regelmäßig in Avisbriefen mit, daß Traffant zum Ziehen auf ihn, den Traffaten, von dem Drittm kommtttirt sei (daher Kommissionstratte), und wenn diese Erklärung von dem Dritten selbst oder mit befielt Wissen und Willen an den Traffaten abgegeben wurde, so entsteht die Verbindlichkeit zur D- nicht auf Seite der Trassanten, sondern lediglich auf Seite jenes Dritten, deS Kommittentm. Ueber »Tratten für eigene und fremde Rechnung" f. Thöl, H.R., Bd. II. (Wechselrecht) § 72, S. 252 ff. (D. in einem anderen Sinne bei Banknoten-Emission s. Deutsches Bankgesetz vom 14. März 1875 §§ 13, 17 sDrittelS-D.j). Die Verpflichtung zur D. erstreckt sich ihrem Inhalte nach auf Zahlusg (Gutmachung) der Wechselsumme sammt Zinsen und Kosten sowie die paktirte oder

übliche Provision zu */s oder V, % der Wechselsumme. Der Trassat hat gegen die D. die Tratte auszuliefern. Die Art der D., da» D.Sgeschäft, ist verschieden, je nachdem hierzu ein bereits vor Zahlung deS Wechsel» bestehende» RechtSverhältniß verwendet werden kann oder nicht, mithin lehterensall» ein neue» Geschäft (D.Sgeschäft im engeren Sinne) abgeschlossen wecken muß. 1) Da» Erstere ist der Fall a) wenn „aus Schuld" mandirt (d. h. Trassat Schuldner de» Mandanten, Traffanten, Kommittmtm ist) und kreditlos gezahlt wird; b) wenn nicht auf Schuld maudirt, aber kreditlos (b. h. durch Schüd ge­

deckt) gezahlt wird, Trassat also zwischen Acceptation und Zahlung erst Schuldner de» Mandanten wurde; c) wenn dem Bezogenen vor der Acceptatiou und Zahlung Baarfond» oder Krckitsond» zum Zweck« der Honorirung spezial übergeben wucken, mit Beziehung auf einen besouderen einzelnen Zahlung»auftrag, oder aus mehrere spezielle Geschüst«; d) wen» dem Bezogenm Baarfond« oder negotiable Kreditfond» nicht in Beziehung auf eine« bestimmten, später an diesen zu rrchtendeu Zahlungs­ auftrag, sondern generell zur Annahme aller möglichen Zahlungsaufträge, von denen möglicherweise keiner gegeben wird, übergeben wurden. Die» ist namentlich der Fall bei den „Depositen in Kontokorrent" („$. ä conto“), s. uat. die Art. Depotgeschäft u. Depotwechsel. In den Fälle» a und b erfolgt die D- durch Kompensation (oder Skoutratiou), i» denen c und d ipso jure durch die vorher gemachte Zahlung, kaufmännisch durch die der Uckergabe von Fond» ent­ sprechende Beziehung in der Verbuchung der Zahlung. 2) Ein neue» Geschäft ist behus» D. abzuschließm (nämlich Zahlung z» leisten oder ein Surrogat dafür zu besorgm): a) im Fall «rin aus Krckit (auf Borg, ä däcouvert, in blanco) acreptirt und gezahlt wird, d. h. ohne daß der Zahler Schuldner de» D.»pflichtigen war und ohne daß er vorher von Letzterem D.Smittel erhalten hatte; b) im Falle mit gesichertem (gedecktem) Kredit gezahlt wucke, d. h. der Zahlende bei der Zahlung Sicherheit durch vom D.SPflichtigen gegebene Aecckt«, BerpflichtnugSscheine u. dgl. (s. Thöl, H.R., I. Bd. S. 1124) in Händen hatte. Lit.! Ueber D. s. Tböl, H.R., Bd. L, 6. Aufl. 1879, §§ 342-845: Bd. ll. DR-, 4. Aufl., 8§ 71, 72. - Endemann, H.R., 8. Aufl. S. 662, 673 ff., 679 ff., 690 ff. — O. Wächter, Snchklop. b. W.R., 1879 S. 191 ff. — Adolf Ströll, Dir Wechselrevalirungsklage u. die bmtschr Rechtsprechung. Differt., 1878, u. die dort cit. Lit. Berti». Decretum Divi Marei. Die unter der nebenstehenden Bezeichnung wiederholt in dm Pandekten erwähnt« Entscheidung Mare Aurel'» veckietet die eigenmächtige Inbesitznahme von Sachen zum Zweck der Befriedigung wegen einer Forderung bei Strafe de» Verlust» der letzteren. In ähnlicher Weise ist später für die gewalt­ same Befihmtsetzung zum Zweck der Geltendmachung de» Eigenthum» dessm Verlust und, fall» da» Recht unbegründet war, eine dem Sachvrrth gleichkommende Geld­ buße angckroht. Diese Bestimmungen beschränken also die unter dem Gesichts­ punkt der Ejgenmacht sonst , nicht veckotene Selbsthülfe, welche ausnahmsweise trotz de» Inhalt» jmer Bestimmungen wieder gegen einen flüchtigen Schuldner erlaubt war. Ob die Strafen de» Dekrets noch hmte anvmdbar, ist nicht unbestrittm, aber da zu bejahen, wo sich nicht erweislich ein anderes Recht gebildet hat. — Durch allgemeine Deutsche Gewohnheit ist der auch reichsgesetzlich anerkannte Grundsatz der Unerlaubtheit aggressiver Selbsthülfe durchbrochen, indem ein weit­ greifende» PfändungSrecht zur.Sicherung von Schädenansprüchen und zum Schutz gegen Schaden anerkannt wird. — Da» Preuß. R. verbietet Selbsthülfe außer zur Anwendung eine» „unwiederbringllchen" Schaden», erkennt arber, wie auch da» Sachs. BGB., da» im Wesentlichen die gemeinrechtlichen ^Vorschriften wiedergiebt, ein PfändungSrecht im obigm Sinn an. Ebenso untersagt da» Oesterr. R. die Selbsthülfe außer zum Schutz im Besitz; PrivatpmnduiP schick an Vieh wegen

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Defacqz — Defraudation.

erlittenen Schadens zugelassen. Der C. civ., der sonst der Selbsthülfe nicht er­ wähnt, führt thätliche Besitzentsetzung als einen der Gründe auf, aus welchen in Civilsachen ohne Weiteres Personalarrest stattfindet.

Lit.: Vgl. Sartorius, Ztschr. s. Civ.R. u. Prz. 20, 1. — Linde, ebenda 1, 392. — Schwarze, Rechtslex. 10, 125. — Benfey, Rhein. Museum 7, 1. — Schmitt, Die Selbsthülfe im Röm. Priv.R., 1868. — Wilda in feiner und Reyscher's Ztschr. für deutsches R. 1, 167. (1. 7 D. 48, 7. — I. 13 D. 4, 2. — 1. 7 C. 8, 4. — K.G.O. v. 1521, Tit. 32 § 2. — Preuß. LR., Einl. §§ 77 ff.; Th. I. Tit. 14 §§ 414 ff. - Feld- und Forstpolizeigefetz vom 1. April 1880. — Sachs. BGB. §§ 178 ff., 488 ff. — C. civ. art. 2060 nr. 2. — Oesterr. BGB. §§ 19, 344, 1321, 1322. Eccius.

Defacqz, Henri Eugene Marie, z 1797 zu Ath, Adv. in Brüssel, Mitgl. des Nationalkongresses; Generalanwalt, Rath und zuletzt Erster Präsident am Bel­ gischen Kassationshofe, 7 zu Brüssel am 31. XII. 1871. Er schrieb, nebst einigen Aufsätzen in Zeitschriften und in den Mittheilungen der Belgifchen Akademie: Ancien Droit belgique, I. Bd. 1846, II. Bd. 1873. Lit.: Faider im Annuaire de l’Academie royale de Belgique 1872, und am Eingänge des zweiten Bandes des Ancien Droit belgique. — Ri vier in R. de legislation ancienne et moderne, 1874. Rivier.

Defekte der Beamten (Th. I. S. 748). Die Feststellung der D., d. h. des Betrages der unterschlagenen Gelder, ist civilrechtlich zur Herbeiführung des Ersatzes, sowie zur Feststellung des Thatbestandes für das Strafverfahren nöthig. Um die Weiterungen abzuschneiden, welche die Feststellung der D. von Beamten im gewöhnlichen gerichtlichen Verfahren veranlaßt, hat die Preuß. Ver­ ordnung vom 24. Jan. 1844 (Ges.S. S. 52) die Feststellung der D. an öffent­ lichem oder an Privatvermögen, welche bei öffentlichen Kassen oder anderen öffent­ lichen Verwaltungen entdeckt werden, derjenigen Behörde übertragen, zu deren Ge­ schäftskreise die Aufsicht über die Kasse oder Verwaltung gehört. Die Feststellung der D. von Beamten der Landgemeinden und Amtsverbände steht dem Kreis­ ausschuß zu, die D. der Kreisbeamten stellt das Bezirksverwaltungsgericht fest. Gegen diesen, im administrativen Wege gefaßten Beschluß steht aber dem Beamten innerhalb eines Jahres die Berufung auf richterliches Gehör zu. Die Abfassung des Beschlusses kann jedoch nur gegen den Beamten selbst, und nicht gegen dessen Erben erfolgen (Entscheidungen des Obertribunals, Bd. XXXVI. S. 380). Die Strafe des Beamten, welcher den D. gemacht hat, beträgt mindestens 3 Monate Gefängniß, während für Privatpersonen die geringste Strafe in 24stündigem Gefängniß besteht. Hat der Beamte zur Verdeckung der Unterschlagung Fälschungen verübt, so ist die geringste Strafe 6 Monate Gefängniß (§§ 350 u. 351 des Deutschen StrafGB. Lit.: v. Schwarze u. Oppenhoff, Komm, zu diesen Paragraphen. — v. Brau­ ch itsch, Die Organisationsgesetze 1877, Bd. 2 S. 33, 34. v. Kräwel.

Defraudation. Bezügliches Hinterziehen von Zöllen oder sonstigen in­ direkten oder auch direkten, an Staat oder Gemeinde zu entrichtenden Abgaben. — Insofern es sich hierbei nur darum handelt, einer gesetzlichen Anforderung nicht zu entsprechen, und das Resultat kein anderes ist, als daß der vom Gesetzgeber intentirte Erfolg (einer Bereicherung der öffentlichen Kassen um einen bestimmten Betrag) nicht herbeigeführt wird, gehören die D. zu den bloßen Omissivdelikten. Dem entspricht die Behandlung, welche ihnen in den Gesetzen zu Theil wird. Die Bestrafung derselben hat, wie die der Omissivdelikte überhaupt, theils den Charakter eines indirekten Zwangsmittels, theils den der Unterdrückung eines staatsgefähr­ lichen Ungehorsams. Als das normale Strafmittel erscheint (bei dem Hauptfalle: der Hinterziehung indirekter Abgaben) die Konfiskation des betreffenden zoll- oder steuerpflichtigen Gegenstandes. Daran pflegt sich eine den Werth desselben mehr­ fach übersteigende Geldstrafe zu schließen sowie unter Umständen der Verlust des Rechts zum Betriebe eines bestimmten Gewerbes. Trotz ihrer äußerlichen Aehnlichkeit mit dem Betrüge gelten die D. in der öffentlichen Meinung nicht als ent-

Degradation — Degustation.

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ehrende, daher Ehrenstrafen in Betreff derselben ausgeschlossen sind. Dolus pflegt nicht oder nicht ausschließend gefordert zu werden. In Bezug auf Versuch und Vollendung gilt, was von Omissivdelikten überhaupt. Mehrfach ist ein besonderes prozessualisches Verfahren für D. angeordnet. — Die auf sie bezüglichen gesetz­ lichen Bestimmungen finden sich regelmäßig nicht in den allgemeinen Strafgesetz­ büchern, sondern in Spezialgesetzen. — S. im Uebrigen den Art. Zollver­ gehen. # Merkel. Degradation. Die Absetzung eines Geistlichen heißt entweder privatio bene sie ii: hier verliert derselbe sein bisheriges Amt (Rechte und Pflichten), behält aber die Fähigkeit zum Erwerb eines anderen; oder depositio (remotioj: hier geht er des Amts und der Anstellungsfähigkeit für alle Zeiten verlustig, auch wird er daneben von der Ausübung des ordo (der Weihegewalt) suspendirt; oderendlich degradatio: hier tritt mittels eines feierlichen Aktes (d. actualis, im Unterschied von der bloßen Sentenz: d. verbalis) außerdem noch die Entkleidung von den geistlichen Standesrechten hinzu. Die D. ist hiernach eine geschärfte Form der Deposition, sie kommt bei gemeinen Verbrechen zur Anwendung, wird bezüglich der Pfarrer vom Bischof, bezüglich der Bischöfe vom Papste verhängt, läßt aber den geistlichen Charakter des Kondemnaten als einen absolut unauslöschlichen (character indelebilis) unberührt. In der evangelischen Kirche ist die D., die früher gleichfalls als eine öffentliche Entkleidung von den Zeichen der geistlichen Würde in einzelnen Terri­ torien galt, gegenwärtig nicht mehr praktisch.

Lit.: Richter-Dove, Kirchenrecht, §§ 217, 230. — Phillips, Lehrb. d. Kirchen­ rechts, II. § 198. — Friedberg, Kirchenrecht, § 115. Hübler.

Degustation. Degustatio (-vini, Weinprobe) war ein eigenthümliches Rechts­ institut des Römischen Verkehrs, speziell des Römischen Weinhandels; das Eigen­ thümliche lag hauptsächlich darin, daß der Käufer (von Wein) beim Abschluß des Kaufes sich Vorbehalten konnte und regelmäßig, möglicherweise auch stillschweigend, sich vorbehielt, das Gekaufte nach kurzer Frist zu versuchen und wenn die Waare sich hierbei nicht als unverdorben zeigte, vom Kaufe zurückzutreten; bei dieser Prü­ fung durfte sich der Käufer jedoch nicht von subjektiver Willkür, sondern von dem vernünftigen Ermessen leiten lassen, weshalb auch die Zuziehung von entscheidenden Sachverständigen nicht ausgeschlossen war; bis zur Vornahme der Prüfung (degu­ statio ) trug die Gefahr der Verschlechterung (periculum acoris et mucoris, Gefahr des Sauer- oder Kahnigwerdens beim Weine) der Verkäufer; erst mit der Prüfung und Genehmigung ging auch diese Gefahr auf den Käufer über; die Prüfung der Waare hat zur festgesetzten Zeit, in Ermanglung einer Verabredung innerhalb einer­ angemessenen, nötigenfalls gerichtlich festgesetzten Frist zu geschehen, widrigenfalls die Waare als genehmigt gilt und der Käufer von jenem Termine an das gesammte Risiko, mithin auch die Gefahr der Verschlechterung (die des Untergangs trägt er schon von der Perfektion an) zu tragen hat. Dieses im Einzelnen nicht unbestrittene Rechtsinstitut ist in unserem heutigen Rechte nicht anerkannt. Allein der Name „D." ist auf ein anderes Institut übertragen worden, nämlich auf den „Handel nach Belieben", „Kauf aufis Kosten", „Kauf ad gustum“, — „sub gustatione“, — „ad degustationem“,— „auf Nach­ sicht", — „auf Nachziehen", — „auf Nachstich", — „auf Probe", — „ä Fessai“, — „auf Besicht", „Nehmen zur Ansicht". Mit diesen Ausdrücken werden Kaufverträge bezeichnet, bei denen sich der Käufer eine Prüfung (Besichtigung, Ausprobung) der Waare vorbehält, deren Vornahme in das Belieben des Käufers und deren Resultat dem Verkäufer gegenüber ebenfalls gänzlich in das willkürliche Belieben des Käufers gestellt ist, also nicht von dem arbitrium boni viri abhängt. Ob der Vorbehalt der Prüfung als ausschiebende oder auslösende Bedingung aufzufassen sei, hängt von den Umständen ab; geben letztere keine genügenden Anhaltspunkte, so wird

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Deichverbände.

(außerhalb des Handelsrechts) gegen Denjenigen zu entscheiden sein, welcher die eine oder andere Bedingtheit behauptet, ohne sie beweisen zu können, und daraus einen Anspruch gründet. Die sich an diese Vertragsart anknüpsenden zahlreichen Streitfragen sind für das Handelsrecht zum Theil durch positive Vorschriften be­ seitigt; nach Deutschem Handelsrecht ist der „Kauf auf Probe" oder „auf Besicht" als ein bedingter Kauf und zwar im Zweifel als ein aufschiebend bedingter Kauf (si placuerit) anzusehen, und der Käufer vor seiner — ganz in seinem Belieben stehenden — Genehmigung der Waare an den Kauf nicht gebunden. Giebt der Käufer innerhalb einer verabredeten oder ortsüblichen Frist gar keine Erklärung ab, so fällt mit Ablauf dieser Frist das Genehmigungsrecht weg, der Verkäufer wird frei und der Vertrag hinfällig, sofern nicht die Waare zum Zweck der Be­ sichtigung der Probe dem Käufer übergeben ist. Ist letzteres der Fall, so gilt das Stillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der Frist oder auf die in Ermanglung solcher dem Verkäufer zustehende Aufforderung als Genehmigung. Vgl. im Uebrigen die Art. Besichtigung der Waare und Disposi­ tionsstellung.

Quellen: Für die Römische Degustatio: 1. 1 pr. 1. 4 pr. § 5 1. 15 de per. (18, 6), 1. 34 § 5 D. d. c. e. (18, 1), und Cato de re rustica, cap. 148. Für das heutige Recht: A. D. HEB. Art. 339. - Preuß. LR. Th. I. Tit. 111 § 333. — Oesterr. BGB. § 1080 ff. Lit.: Goldschmidt in der Zeitschr. f. das ges. H.R., Bd. I. S. 66 ff., 262 ff., 386 ff. — Fitting, Archiv f. civilist. Praxis, XLVI. 11 (1863). — Vangerow, Pand., III. § 635 Anm. — Windscheid, Pand. (5. Aust.), Bd. II. § 387 Anm. 6—8 (S. 453 u. 454). - Thöl, H.R., 6. Aust. § 259. — Endemann, H.R., 3. Aust. § 117. Gareis.

Deichverbände (Deichachten, Deichgenossenschaften, Kooge, Th. I. S. 496) — sind die seit alter Zeit in Deutschland bestehenden genossenschaftlichen Vereinigungen der einer gemeinsamen Ueberschwemmungsgefahr ausge­ setzten, im „Jnundationsgebiet" ansässigen Grundeigenthümer. Diese Verbände haben eine korporative Verfassung und korporative Rechte, stehen aber unter der obersten Leitung und Aussicht der Staatsgewalt, welche jede neue Eindeichung, jede Errichtung, Veränderung und Aufhebung eines D. zu genehmigen hat und selbst zwangsweise herbeiführen kann, das Deichbauwesen, die Deichschau, die Deichver­ mögensverwaltung und die Deichpolizei fortlaufend beaufsichtigt und überdies zum Theil auch die eigentlichen Deichbeamten ernennt oder doch bestätigt. Der D. als solcher wird durch das Deich amt vertreten, welches sich regelmäßig aus den Deichverwaltungsbehörden (Deichgraf oder Deichhauptmann mit Deich­ schöppen, Schulzen oder Geschworenen und technischen Beamten, wie Inspektor, Rentmeister re.) und den Deichrepräsentanten (gewählten Vertretern der Ge­ sammtheit) zusammensetzt. Die Mitgliedschaft im Verbände ist eine auf Grund und Boden ruhende Zwangspflicht und die Deichlast erscheint als eine unablös­ liche und öffentliche Reallast, von der es keine Befreiung giebt („kein Deich ohne Land, kein Land ohne Deich"). In Bezug auf die Vertheilung der Deichlast ist das ältere System der Kabel- oder Pfanddeichung, wobei Jeder einen ihm zugewiesenen Theil des Deiches (Pfand, Kabel, Loos) zu bearbeiten hat, ziemlich allgemein durch das System der Kommuniondeichung verdrängt, wobei die Genossenschaft den Deich im Ganzen unterhält und nur die Kosten verhältnißmäßig repartirt. Rur bei außerordentlichen Gefahren (z. B. Sturmfluth, Eisgang) müssen alle und auch die nicht grundbesitzenden Umwohner mit Aufbietung aller Kräfte persönlich die sogen. Noth hülfe leisten. Die Verabsäumung der Deichpflicht konnte früher den Verlust des eigenen Landes herbeiführen („wer nicht kann deichen, der muß weichen"), auch konnte man sich unter Aufgabe des Landes mittels einersymbolischen Einsteckung eines Spatens von der Deichlast befreien, während der, welcher den Spaten herauszog, das Grundstück erwarb, aber auch die rückständigen Lasten übernahm. Dieses sogen. Spatenrecht ist jetzt meist fortgesallen, es findet aber eine schleunige Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Deichlasten statt. Der

Delangle — Delegation.

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D. hat ein freilich im öffentlichen Interesse sehr beschränktes Eigenthum am Deich und gegen seine Mitglieder ein Recht der Zwangsenteignung für Deichzwecke. Als be­ sondere Vorrechte des Deichwesens fanden sich der uralte Deichfriede (vgl. jetzt D. StrafGB., §§ 321 u. 326), besondere Deichgerichte und Deichstrafen, das Verbot der Pfändung von Deichgeräthschaften und Konkursvorrechte der Deichschulden (vgl. jetzt Deutsche KO., § 54, Nr. 3). Quellen: Die ältesten Friesischen Deichrechte bei v. Richthofen, Friesische Rechtsquellen, 288, 290, 345, 364, 504. — Deich Ordnungen aus dem 16. u. 17. Jahrh, bei Hackmann, De jure aggerum, Stadae 1690, im Anhänge. — Ostfriesisches Deich- und Sielrecht im An­ hänge des Ostfries. Landrechts. — Des Herzogtums Bremen Deichordnung v. 1743.-Preuß. Ges. über das Deichwesen v. 28. Jan. 1848. — Bayer. Ges. über den Uferschutz u. den Schutz gegen Ueberschwemmungen v. 28. Mai 1852. — Oldenburg. Deichordnung v. 8. Juni 1855. Lit.: Hackmann, De jure aggerum, Stadae 1690. — Dämmert, Das Deich- uud Strombaurecht, 2 Thle., Hannover 1816. — v. Thünen, Begründung der deichrechtlichen Zustände in der Herrschaft Jever, Old. 1847. — Die Lehrbb. des deutsch. Priv.R. (bes. Runde, §§ 113—123, Beseler, § 201) u. Landwirthschaftsrechts (z. B. Hagemann, 88 169—180). O. Gierke. Delangle, Claude Alphonse, tz 6. VII. 1797 zu Varzy, 1852 Staats­ rath, 1853 Senator, procureur general am Kassationshofe, f 25. XII. 1869. Schriften: Des societes commerciales, 1843. — Eloge du president Zangiacomi, 1846, de M. Muraire 1852, de Dupin 1866. — Encycl. de M. M. Sebire et Carteret, 1846 (sur la cour de Cassation). Lit.: M. Delangle par M. Mathieu, avocat 1877. — Le tribunal et la cour de Cassa­ tion, 1879 p. 399. — Gaudry, Hist, du barreau de Paris, 1864, II. 564, 565, 593. Deichmann. Delapalud, Simon, K 5. IV. 1797 zu Genf, Schüler BelloPs, promovirte 1822 (sur la publicite et la späcialitö des hypotheques), 1825—45 Greffier am Handelsgericht, dann directeur du cadastre, thätig bei Ausarbeitung der Konsti­ tution von 1842, trat in den Großen Rath und den Munizipalrath ein, verließ nach 1846 das Land, leitete 10 Jahre in Baden ein Fabriketablissement, t 2. XI. 1877 in Coppet. Er schrieb: De l’applic. du cadastre ä la determination de la propriete immobiliere, ou comm. sur le cadastre decrete ä GenSve en 1841, Geneve 1854. — Revue historique, 1859 p. 218—238. Lit.: J. Hornung im Journal de Geneve, 1877 nr. 266 (11. nov.). — Nouv. Revue hist. 1877, p. 708, 709. — Revue generale 1878, p. 121. — Schnell in Zeitschr. f. Schweiz. R. VIII. 90. Teichmann. Delbrück, Ernst Luther Berthold, 5 28. IX. 1817 zu Magdeburg, arbeitete seit 1845 am Kreisgerichte in Bergen (Rügen), wurde 1859 App.G.Rath in Greisswald, t 17. V. 1868. Schriften: Die Reform d. Civ.Prz. durch Oeffentlichkeit, Anwaltszwang u. Schwur­ gericht, Berl. 1849. — Die Uebernahme fremder Schulden nach Gem. u. Preuß. R., Berl. 1853. — Die dingliche Klage d. deutschen R., Leipz. 1857. — Jherina, Jahrbb. s. Dogm., III. 1—57, X. 110 ff. - Ztschr. f. deutsches R., XIV. 207-262, XV. 125-150. — Krit. Ueberschau, II. 115-132. Lit.: Eberty, Ztschr. f. volksthümliches R., 1844. — Windscheid in Krit.B.J.Schr. X. 287—295. — Frensdorfs in d. Allg. Deutsch. Biogr. V. 35. Teichmann. Delegation: nach den Röm. Quellen — spätere gemeinrechtliche sind nicht hinzugekommen und auch das D. HGB. enthält nichts darüber — Anweisung des Ersten (Delegant) an den Zweiten (Delegat), dem Dritten (Delegatar) zu leisten (doch kommt das Wort „delegare“ auch in untechnischer Bedeutung vor (1. 51 D. 15, 1. 1. 9 D. 19, 5). Dabei kann der Inhalt der Leistung sowol im ab­ strakten oder im individualisirten Versprechen bestehen (und hierauf beruht der von Salpius aufgestellte Unterschied zwischen der sogen, reinen und titulirten D.), als in Zahlen, Liberiren, Cediren oder sonstigem Zuwenden. Besteht er in einem Geben (solvere), so spricht man von einer Zahlungsanweisung, bei einer Verpflichtung (promittere) dagegen von einer Kreditanweisung. Auch die den Grund zur Vor­ nahme der D. gebenden Verhältnisse zwischen dem Deleganten und dem Delegatar und wieder zwischen dem Deleganten und dem Delegaten können mannigfaltig ver-

506

Delegation.

schieden sein, namentlich können Schuldverhältnisse zwischen denselben ebenso dasein wie nicht dasein. Durch die Zusammenstellung der D. mit der Novation, durch die Legaldefinition in 1. 11 pr. D. 46, 2 sowie durch die Zusammenbehandlung beider in je einem Titel der Pandekten und des Kodex, haben dieselben Quellen den gemeinrechtlichen Theoretikern schon seit Cujacius und Donellus Anlaß gegeben zu engeren Definitionen: als mandatum cum novatione; als Auftrag an einen An­ deren, einem Dritten ein Versprechen zu geben (Thöl, H.R., I. § 128); als „Uebereinkunft, durch welche ein bestehendes Obligationsverhältniß in der Weise gelöst wird, daß an die Stelle des ausscheidenden Gläubigers oder Schuldners ein Dritter einrückt" (Endemann, H.R., § 134). Diese Ansichten kommen im Allgemeinen darauf hinaus, die D. für eine Unterart der Novation anzusehen; es ist aber eine solche selbstverständlich nie bei einer Zahlungsanweisung vorhanden und bei der Kreditanweisung zwar denkbar, aber nicht nothwendig. Salpius will einen von dem zweiseitigen mandatum zu unterscheidenden einseitigen iussus unter die Kriterien der D. stellen. (Dagegen Witte, Krit. Vierteljahrsschr. VIII. S. 350 ff.). Es ist begreiflich, daß für ein Institut, welches bei der Mannigfaltigkeit des Leistungsinhaltes so viele einander mehr äußerlich gleichsehende, als innerlich gleich­ artige Geschäfte umfaßt,' viele allgemeine Regeln nicht aufzufinden gewesen sind; desto interessanter erscheinen die einzelnen Geschäfte, bald durch die allen Scharfsinn herausfordernden Verwicklungen, bald durch die Schwierigkeiten einer juristischen Konstruktion der Vorgänge. Nicht besser als die gemeinrechtlichen Theorien ist die neuere Gesetzgebung mit diesen Problemen zu Stande gekommen, indem sie weder dem generellen D.sbegriff größere praktische Bedeutung zu verschaffen, noch aus den einzelnen D.sspezies dauerhafte Rechtsgebilde zu entwickeln vermocht hat. Das Preuß. LR. handelt bei den Anweisungen von der D. und erfordert, daß bei einem Geschäfte, wo der Angewiesene den Anweisenden als Schuldner „völlig entläßt, und statt seiner den Assignaten zum Schuldner annimmt", die Ein­ willigung des Assignaten hinzutrete. Die D. wird hiernach als Eintritt in ein fremdes Schuldverhältniß bezeichnet, und zwar kann sie bald Gläubigersuccession sein, bald Schuldnersuccession. Für letztere Form enthält das A. LR. keine näheren Bestimmungen, wie seine Vorschriften über D. überhaupt dürftig, doch keineswegs dürftiger als die der anderen Gesetzbücher sind. Aus dem Begriff folgt, daß bei gegenseitigem Schuldverhältniß der Delegant von seiner Schuld gegen den Delegatar ledig wird und diesem für die Richtigkeit der überwiesenen Forderung nicht haftet. Sodann verliert der Delegat, welcher Schuldner des Deleganten war, dadurch, daß er den Delegatar als Gläubiger anerkennt, alle Einreden, die er dem Ersteren entgegensetzen konnte. Letzteren Punkt hat die Preuß. D. mit der Cession gemeinsam, während sie sich von der Novation praktisch dadurch unterscheidet, daß sie Vorzugs- und Sicherungsrechte, die der Forderung des Delegatars an den Dele­ ganten zukamen, nicht beseitigt. Der Franz. Code civ. bespricht die D. im Abschnitt de la novation, gleich­ wol erkennt er auch eine D. an, welche keine Novation bewirkt. Eine Novation tritt nur ein, wenn zu dem Geschäft, mit welchem der Schuldner seinem Gläubiger einen anderen Schuldner giebt, „qui s’oblige envers le creancier“, die ausdrückliche Erklärung des Gläubigers hinzukommt, „qu’il entendait döcharger son döbiteur qui a fait la delegation“. Auch „la simple indication faite par le debiteur une personne qui doit payer ä sa place“ scheint als D. gelten zu sollen; ja der Code civ. kennt sogar eine delegation du revenu net et libre der Immobilien des Schuldners, indem er hier offenbar gänzlich den technischen Begriff aufgiebt. Das Oesterr. BGB. gebraucht den Ausdruck D. nicht, die wichtigsten der zu­ gehörigen Fälle werden unter der Rubrik Anweisung (Assignation) behandelt. Diese wird als „Umänderung der Verbindlichkeit" definirt, „wenn der Schuldner einen Dritten an feine Stelle als Zahler stellt", und damit zugleich von der Novation

Deliberationsfrist.

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unterschieden, die voraussetzt, daß die „Hinzukunst einer dritten Person" nicht statt­ finde. Die Kreditanweisung wird in dem BGB. nicht besonders berührt; im All­ gemeinen gelten hinsichtlich der Haftung des Anweisenden die Grundsätze der Cession und als solche soll es angesehen werden, wenn der Anweisende seinem Schuldner die Zahlung in dem ihm zu leistenden Maße an einen Dritten aufträgt. Das Sächs. BGB- hat den Namen D. ebenfalls nicht ausgenommen; es be­ spricht vorzugsweise die Zahlungsanweisung, welche als der Auftrag definirt wird, daß ein Anderer, der Angewiesene, einem Dritten, dem Anweisungsempsänger, Geld oder andere Sachen leisten soll. Im Uebrigen steht das BGB. auf dem Stand­ punkt des Gem. R. und erkennt ebenfalls die Möglichkeit einer Novation bei der Anweisung an. Aehnlich, doch etwas detaillirter, beschrieb der Bayer. Entwurf einen Theil der D.sgeschäfte bei der Schuldumwandlung und hat daneben der An­ weisung eine etwas schärfere Form zu geben gesucht, „Bemächtigung, bei einem Dritten eine bestimmte Zahlung auf eigene Rechnung zu erheben".

Quellen: T. D. de novationibus et delegationibus 46, 2. — T. C. de nov. et del. 8, 41. - Preuß. LR. 1. 16 251-299. — Code civ. art. 1275—77, 2212. — Dessen. BGB. 1400—1410. — Sächs. BGB. 1002—5, 1328—1338. — Bayer. Entw. II. 1, 4, 3, Art. 198, 205—8; II. 2, 15, Art. 722—733. Vit.: Hoffmann, Beiträge zu der Lehre von der D. in Sell's Jahrbb. III. S. 396 ff. — Fein, Beitr. z. d. L. v. d. Novation u. Delegation (1850). — v. Salpius, Novation u. Delegation (1864). — Bernstein, De delegationis natura, Berol. 1868. — Plucinsky, Z. L. v. der Assignation u. Delegation im Civ.Arch. LX. 7 ff. — Thöl, H.R., 5. Ausl., I. 2, 332 ff. — Vgl. auch W indscheid in der Krit. V.J.Schr. II. S. 242 ff., VI. S. 463 ff. — Witte, ebenda, VIII. 169 ff., 320 ff. — Kuntze in Schletter's Jahrbb. VIII. 101 ff. - Baron, ebenda, XI. 198 ff. Nach Better von Kayser.

Deliberationsfrist (Th. I. S. 467) ist die einem zur Erbschaft Berufenen zur Erklärung für Antretung oder Ausschlagung einer Erbschaft durch Gesetz, vom Erblasser oder auf Antrag sei es eigenen sei es interessirter Personen vom Richter gesetzte Ueberlegungsfrist (spatium, beneficium deliberandi). Für die Antretung einer Erbschaft giebt es nach Justin. R. eine gesetzliche Frist nicht; die Agnitionsfristen der bonorum possessio sind nicht rezipirt. Dagegen hat die vom Erblasser als Bedingung letztwillig angeordnete sowie die vom Richter auf Antrag von Gläubigern, Vermächtnißnehmern oder Nachberufenen gesetzte Besinnungsfrist zur Folge, daß der Erbe, welcher sich innerhalb derselben nicht erklärt hat, im letzt­ genannten Falle als Ausschlagender, in den erstgenannten aber als Antretender be­ handelt wird; was freilich für den Fall bestritten ist, wenn Nachberufene den An­ trag gestellt haben. Endlich kann dem Erben auf eigenes Ansuchen eine Ueber­ legungsfrist bewilligt werden. Die längste Dauer der Frist erstreckt sich in jedem Falle der Bewilligung für den Richter über neun Monate, für den Landesherrn über ein Jahr nicht hinaus. Auch auf Antrag eines Notherben, der das Testa­ ment anfechten will, wird dem Testamentserben eine D. gestellt, deren Wirkung im Falle der Nichterklärung wiederum bestritten ist. Die gesetzliche (bzw. vom Erblasser oder vom Gerichte gesetzte) Ueberlegungsfrist der neueren Partikularrechte müßte folgerichtig, wenn jeder Erbschaftserwerb nach dem Grundsätze des heutigen Rechts der Antrittserklärung bedarf, in allen Fällen der unterlassenen Erklärung die Fiktion der Ausschlagung (den Verlust des Antretungsrechtes) zur Folge haben; doch herrscht darin keineswegs volle Konsequenz. Die Dauer ist verschieden bestimmt, im Preuß. LR. zu sechs Wochen bzw. drei Monaten, im Sächs. BGB. auf ein Jahr (doch bei Antrag berechtigter Dritter auch kürzer, mindestens zwei Monate), stets gerechnet von der Kenntniß des Anfalls. Quellen u. Lit.: Witte in Weiske's Rechtslex. I. S. 887 ff. — Glück (Mühlenbruch),41 S. 277 ff.— Vangerow, Civ.Arch., 22.— Dedekind, Das Deliberationsrecht des Erben rc., 1870. — Windscheid, Lehrb., III. t 598. — D. 28, 8. C. 6, 30. 1. 36 § 2 C. 3, 28.— Preuß. LR. I. 9 383—412; I. 12 277, 366. — Oesterr. BGB. 797 ff. — Sächs. BGB. 2250 ff., 2265 ff. — C. civ. art. 795 a. E. — Mommsen, Erbr.-Entw., 230 ff. Schütze.

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Delkredere — Den Tex.

Delkredere, s. Kommissionsgeschäft. Dellden, Carl Olof, 6 1800 zu Arnäs in Ängermanland, wurde 1827 in Upsala Dr. jur., 1844 Prof, für Staats-, Kirchen- u. Völkerrecht, f 1854. Schriften: Försök till granskning of Lagkomitens förstag till handelsbalk 1826. — Om svenska näringarnes tillstand och brister 1835. — Rättegangssättet i Sverige, (2) Ups. 1844. — Minne af N. F. Biberg 1827, dessen gesammelte Schriften er 1828—1830 edirte. Teichmann.

De Lolme, Jean Louis, 5 1740 zu Genf, wurde Advokat, ging nach England, f 1806. Schriften: Constitution d’Angleterre, Amst. 1771 (engl. 1775, 1781, 1790, v. Ste­ phens 1838, deutsch Altona 1819, v. Liebetreu, Berl. 1848). — Hist, of the Flagellants, 1777. Lit.: Mohl, I. 233, 301; II. 43. — Biographie universelle. Teichmann.

Delpech, Alex. Edouard, K 1790 zu Sauveterre (Aveyron), Prof. zu Toulouse, schied 1867 aus, f zu Villeneuve-Meauzac am 30. IV. 1870. Vortreff­ licher Lehrer. Vgl. Revue crit. de legisl. Nouv. Särie I. (1871—72) 174—185. Teichmann.

Demante, Antoine Marie, 5 1789 zu Paris, Prof, daselbst, f 1856. Schriften: Programme du cours de droit civil frangais, 3. ed. 1840. — Cours analytique de Code Civil, 3. ed. 1849—1873 (fortgesetzt von Colmet de Santerre). Rivier.

Dempfier, Thomas, ö 1579, lehrte zu Paris, Toulouse, Nismes, Pisa u. Bologna, t 1625. Schriften: Etruria regalis (1723). — Antiquitatum Rom. corpus post Rosin um, 1613. — K£(j«vvo$ xal oßs).os in lib. IV. Inst. Just., 1622. — Appar. ad hist. Scoticam. 1622. — Hist. eccl. Scotorum, 1624. Lit.: Bouillet. — Rivier, 524. Teichmann.

Denich, Joachim (Vater des Prof. Kaspar Denich in Ingolstadt), 5 1563 in Brüssel, wurde 1590 Prof, in Ingolstadt; t 1633, nachdem er sich schon 1629 als Emeritus zurückgezogen hatte. Civilist und Prozessualist, später auch Kanonist. Schriften: Theses de Donationibus, 1592. — Assertiones de Appellationibus, de in int. rest. et iis qui testam. fac. poss., 1602. — Centuria de Pignoribus et Hypothecis, 1603. — De Novi Operis Nuntiatione seu de Edicto Praetoris, Miscellanea utr. Juris, 1604. — Miscellanea utriusque Juris, 1604. — Conclusiones ex VII. L Cod. de Sententiis; item de Collationibus, 1612. — De Jure deliberandi et inventarii benef., 1614. — De Appellationum jure, 1615. Lit.: Prantl, Gesch. d. L. M. Univers., 1872, Bd. I. S. 418, Bd. II. S. 499. Bezold.

Denisart, Jean Baptiste, z zu Iran bei Guise 1713, Prokurator am Pariser Chbtelet, f 1765. Er gab heraus: Collection de Decisions nouvelles et de notions relatives ä la jurisprudence, 1754—1756; öfters aufgelegt, so 1771 mit Zusätzen von Baricourt; sehr vermehrt von Camus und Bayart, 1783—1790, von Calenge fortgesetzt (1808). — Actes de notoriete du Chätelet, 1759, 1769 (revidirt von Baricourt). Lit: Camus, Bibliotheque de droit, 5. ed. nr. 1301. — Regnard in der Bio­ graphie generale. — Bernardi in der Biographie universelle. Rivier.

Den Tex Anne, Cornelis, 5 30. VIII. 1795 zu Tilburg, 1820 Prof, am Athenäum in Amsterdam, 1847 Staatsrath, t 9. IV. 1854. Mit van Hall Herausgeber der Bijdragen voor Regtsgel. en Wetgeving 1826—38, der Nederlandsch Jaarboeken und des Bijblad. Bon seinen Schriften ist namentlich bekannt: Encyclopaedia jurisprudentiae, Amst. 1839. — De geschillen tuschen Nederland en Belgie betr. de reviersvaart, 1833. — Twee voorlezingen over de graanwetten en graanhandel, 1847. — Mit Sterling, Van Hall (F. A. und J.) verfaßte er: Aanmerkingen op het ontwerp van het wetboek van strafvordering, Amst. 1828/29. Lit.: A. de Vries, Mr. C. A. den Tex. — van Hall, Levensberigt, 1854. — Karseboom in Algemene Konst en Letterbode van 1854 nr. 21, 22. — Königswarter im Athenee frangais 27 mai 1854. — Van der Aa. — Nieuwe Bijdragen (van Hall), V. — Revue critique, 1854 p. 488—492. — Nypeis, p. 5, 6, 100, 102. Teichmann.

Deo — Depotgeschäft.

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Deo, Joh. de, 6 in Silves (Portugal), lehrte zu Bologna, wurde in Lissa­ bon Kanonikus, 1253 vom Papst als Richter in einzelnen Rechtssachen verwendet. Ueber seine Schriften vgl. Savigny, V. 465—487. — De Wal, Beiträge, 15, 16. — Schulte, Gesch., I. 158, II. 94. — Stintzing, Gesch., 26, 38, 41, 43, 258. - Bethrnann-Hollweg, VI. 134, 156. Teich mann.'

Deport ist eine in Prolongationsgeschäften vorkommende, in Prozenten der Kurswerthe ausgedrückte Vergütung, deren Höhe nach Maßgabe der Geschäftslage der Börsenkommissionen festgestellt und veröffentlicht wird; es ist der Betrag, welchen der Verkäufer von börsengängigen Werthpapieren, der auf Sinken des Kurses spekulirt, im Falle der wider sein Erwarten eingetretenen Kurssteigerung, Demjenigen zahlt, welcher ihm die zu liefernden Papiere auf kurze Frist (gewöhnlich einen Monat, per ultimo) „leiht". Wer dem Baissespekulanten bei eingetretener Hausse, namentlich bei Stückmangel, dadurch aushilft, daß er dem Kontrahenten (Käufer) des Ersteren die behandelten Papiere gegen Baarzahlung liefert (die Stücke „hereingiebt"), hat an dem vereinbarten Termine (Ultimo) dieselbe Zahl der Papiere derselben Art von jenem Baissespekulanten zu beziehen und zu fordern gegen Zah­ lung eines Preises, der um den Betrag des Deports niedriger ist als der Kurs am Tage jener Aushülfe (d. i. der Liquidationskurs am Tage der Deportirung). Vgl. die Art. Börsengeschäfte und Reportgeschäft. Lit.: Ende mann, H.R., 3. Aufl., § 122 a. E. — Grün Hut, Börsenrecht, 1875, S. 72 ff. — James Moser, Zeitgeschäfte, 1875 S. 14. Gareis.

Depotgeschäft. Der Name D. (auch Depositen-, Hinterlegungs-, Deckungs-, Versatz-, Versicherungs-, Lombard-Geschäft) umfaßt eine Reihe von Geschäften, denen insgesammt die Absicht zu Grunde liegt, ein Kapital, bestehend in Waaren, Werthpapieren oder Geld, direkt oder indirekt nutzbringend oder wenigstens gesichert anzulegen. Das Letztere wird am einfachsten dadurch erreicht, daß man das Kapital einem Anderen, im Handel gewöhnlich einer Bank, als depositum reguläre oder irreguläre übergiebt und zwar im Falle die Rückgabe der übergebenen Sache in spccie bedungen ist, gewöhnlich mit Kosten, also lediglich gesichert, nicht nutzbringend, im Fall aber nur generelle Rückgabe (reddere tantundem ejusdem generis oder hierfür Geldzahlung) vereinbart ist, gewöhnlich auf kurze Kündigung und gegen mäßige Verzinstlng, zum Gebrauch des Depositars und zum Nutzen des Deponenten. Der bei diesem Geschäft in die Hand des Depositars gegebene Kapitalswerth kann die ökonomische Basis weiterer Geschäfte werden, in welchen der Depositar dem Deponenten auf Grund des bei ihm hinterlegten, ihm Sicherheit bietenden Kapitals kreditirt. Die deponirten Werthe nehmen dadurch die Natur des Pfandes an und zwar a) eines nach den gemein- bzw. handelsrechtlichen Bestimmungen über Faustpfänder zu behandelnden pignus, wenn das Eigenthum an der deponirten Sache in der angedeuteten Weiterbenutzung des deponirten Kapitals so erhalten und festgehalten wird, wie beim depositum reguläre (D. im engeren Sinne, eigent­ liches Lombard-, Versatz-, Verpfändungsgeschäft); bei Verpfändung von Ordre- oder Jnhaberpapieren liegt die Annahme eines der Römischen fiducia entsprechenden Rechtsverhältnisses nahe, s. v. Hahn, Komm. z. HGB., 2. Aufl. Bd. II. S. 157 oder b) das deponirte Kapital hat mit dem Pfande lediglich den Zweck, Sicherheit für Forderungen zu bieten, gemein und geht substantiell in das Vermögen des De­ positars über, während der Werth desselben als Sicherung und Deckung für eine künftige oder bereits bestehende Forderung des Depositars an den Deponenten (hier auch zur antizipirten Tilgung derselben durch Zahlung) verwendet wird. Durch den (handelsrechtlich wenigstens) zu präsumirenden Untergang der actio depositi in diesem letzteren Falle nimmt dieser, wenn Geld oder dem gleichstehende Werth­ papiere übergeben wurden, juristisch die Natur eines D a r l e h n s an und wird kauf-

MO

DqwAvechftl.

männisch auch all solche» behandelt, wenngleich der Name Depot und Depositen­ geld festgehalten toitb. Bon hier aut weiter entwickelt ist dem heutigen vulgäre« Sprachgebrauch« zufolge das D. (in diesem Ginn«) oder »Depositengeld- nichts Anderes, als ein Gelddarlehn, welches ein Kaufmann (als Schuldner, auf conto a deposito) unter besonderen, merkantil üblich gewordenen Bedingungen aufnimmt; diese letzteren find die Festsetzung eine» beiden Theilen beliebig zustehenden Kündi­ gung-rechtes, femer die Verabredung sehr kurzer Kündigungsfristen, ja sogar die Vereinbarung sofortiger Rückzahlung, endlich damit im Zusammenhang, die Verzinsung zu einem sehr niedrigen Zinsfüße (DepofitenzinS); f. Thöl, H.R., Bd. I. 6. Aust. § 296. Die Deponirung von Kapitalien (namentlich an Banken) hat sehr ge­ wöhnlich keinen anderen Zweck, al» den Depofitar (uneigentlichen Sinnes im Falle b) durch die hierdurch gebotene Sicherheit zur Eröffnung eines Kredits, zur Acceptation der auf ihn gezogenen Wechsel und Anweisungen ic. für den Deponenten zu bewegen; denn durch diese „Depositen in Kontokorrent" ist der bezogene Depofitar für die von ihm gegebenen Accepte gedeckt, s. unter d. Art. Deckungs­ geschäft, namentlich 1. d. Dem Depofitar von Jnhaberpapieren, welche nicht Lotteriepapiere find, ist die Substituirung von anderen Exemplaren desselben Papiers präsumtive gestattet; daS Geschäft muß dann als depositum irreguläre qualifizirt werden; auch der Empfänger eines depositum irreguläre kann der Klage auf Rück­ gabe Retentionsrechte nicht entgegensetzen. Vgl. v. Hahn, Komm., S. 184. Ueber die Englische Auffassung des depositum irreguläre und die eigenthümliche Amerika­ nische Praxis, namentlich in Betreff der Getreide-Niederlagen (grain elevators) s. E. SachS in der Zeitschrift für das ges. H.R., Bd. XVIII. S. 418—427. Ueber Depotwechsel f. unten. Lit. «.Quellen: Ueber Depositen in Kontokorrent s. R. Hildebrand in B. Hildebrand'- Aahrbb. f. Nat.-Oek. u. Statistik, Bd. VIII. 1867, S. 132 ff. und di« dort cit. Literatur. — Ueber das Versatzaeschäft mit Staatspapieren f. Bender, Verkehr mit Staats­ papieren, 2. Aust., §§ 101 ff., G. 474 ff., über die Pflicht, bei gesunkenem Kurs der deponirten Papier« Rachschutz zu geben, s. ebenda S. 482 ff. — Vgl. auch ReichSbankgeseh § 13 Ziff. 3 Mombardverkehr). — Hinsichtlich der Veräußerungen der Pfänder gilt nun Art. 310, 311, für Banken Art. 312 des RHGB. An den in Depot gegebenen Waaren und Werthpapieren ist ein (kaufmännisches) Retention-recht nur mit Beobachtung deS Abs. 2 des Art. 313 möglich, s. Hahn, Komm. z. HGB., Bd. II. S. 183. — Ueber das Tepositengeschäft über­ haupt s. Endemann, H.R., §§ 142, 146, IV. Gareis.

Depotwechsel (auch Depofito», DeckungS-, Kautionswechsel) find Wechsel, welche einem Gläubiger zur Sicherung einer bereits bestehenden oder einer künftigen Forderung übergeben werden, ersteren Falls in der Regel zur Sicherung von DarlehenSforderungen überhaupt und „Depositengeldern" insbesondere (vgl. oben d. Art. Depotgeschäst), letzterensallS hauptsächlich im Kontokorrentverkehr. Die erwähnte Bestimmung der D., Sicherung zu schaffen, „Deckung" (in diesem Sinne) zu ge­ währen (vgl. d. Art. Deckung) bringt eS mit sich, daß die D. dem kaufmännischen Gebrauche nach nicht zur Weiterbegebung mittels Jndosfirung, überhaupt nicht zu irgend welcher Cirkulation, sondern lediglich zu einer Hinterlegung beim ersten Empfänger, welche so lange dauert, alS die Fordemng oder das Kontokorrentverhältuiß besteht, verwendet werden. Diesem Zwecke können sowol Tratten alS eigene Wechsel dienen und also beide Arten D. sein; in den bei weitem meisten Fällen benutzt man jedoch eigene Wechsel alS D., weshalb eigene Wechsel überhaupt, auch ohne Rücksicht aus ihre konkrete Verwendung, nicht selten D., Depofitowechsel, ge­ nannt werden, eine Bezeichnung, die insofern nicht zutreffend ist, alS einerseits, wie gesagt, auch trasfirte Wechsel zur Sicherheit für Depositengelder ic. gegeben und hinterlegt werden, andererseits auch der eigene Wechsel nicht immer jenen Kau­ tionszweck verfolgt. Die Frage, ob jene Zweckbestimmung (Hingabe zur Sicherheit) von prinzi­ piellem Einfluß auf die juristische Natur der D. sei, ist zu vemeinen, der D. ist

Depofttalwesm.

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entweder ein gewöhnlicher eigener oder eia gewöhnlicher gezogener Wechsel nad unter­ liegt alL da- eine bzw. da» andere dem Wechselrecht. Entgegen einer im KauftnannSstande weitverbreiteten Meinung ist al» geltende- Recht festzuhalten, daß durch die ausdrückliche Bezeichnung de- Wechsel» al» D. im Kontext de» Wechsel»

und auch durch eine nicht im Wechsel selbst erwähnte Vereinbarung, daß der Wechsel al» D. gelten solle, weder die Jndoffabilität ausgeschlossen, noch in der

Haftung de» Aussteller», wie de» etwaigen Acceptanten irgend eine Aenderung bewirit wird; e» kann demnach auch ein D., der etwaigen Vereinbarung entgegen, von dem Empfänger wechfelrechtlich vollwirksam durch Indossament auf einen an­ deren Nehmer übertragen werden; die Bezeichnung de» Wechsel» al» D- hat für sich allein nicht die Wrkuag der Klausel: „nicht au Ordre". Jedoch kaun die Bezeichnung de» Wechsel» al» D. sowie die Vereinbarung, daß der Wechsel al» D. begeben sei, die Grundlage einer Einrede gemäß Art. 82 der D. WO. bilden, so­ fern diese Einrede gegen den jedesmaligen Kläger konkret zusteht; die Einrede ist nur unter Berücksichtigung der konkreten Sachlage zulässig und die LirkulatiouSfähigkeit de» Wechsel» demnach durch seine Eigenschaft al» D. nicht allgemein, sondern nur unter solchen besonderen Voraussetzungen auSgeschloflea oder beschränkt, welche eine in concreto bewußte Vereinbarung-widrigkeit (dolus) aus Seite de» Kläger» begründen. Durch die Vereinbarung: der Wechsel sei D., ist auch die Haf­ tung de» ersten Wechselschuldners, wie die etwaiger Judoffanten, unter den an­ gedeuteten Voraussetzungen berührt; hat eine derartige Vereinbar»«- stattgefunden, so steht dem Wechfelschtlldner die von ihm zu beweisende Einrede zu, daß die For­ derung, zu deren Sicherung der Wechsel übergeben worden, entweder nicht entstanden oder schon getilgt sei, die prozeffuale Zulässigkeit der Einrede vorausgesetzt. Wenn

der Acceptant einer Tratte, deren Jndoffabilität vom Aussteller nicht beschränkt wurde, den Wechsel im Accept al» D. bezeichnet, so ist der Lccept richtiger Ansicht «ach vollwirksam, da diese Bezeichnung für sich allein noch keine Einschränkung der LirkülationSsähigkeit oder überhaupt de» Wechsel» bewirkt. (Ander» in dem vom ROH«. Bd. XIV. S. 60 ff. entschiedenem Falle.)

Eivilrechtlich bewirkt die Begebung eine» D., daß die Leistung, welche hier­ durch grstchrrt werden soll, nicht ohne da» Anerbieten der Rückgabe des D. oder deffen wirNiche Rückgabe gefordert werden tarnt; die Rückgabe oder da» Anerbieten hierzu ist auch dann erfmckerlich, wenn der Gläubiger die Forderung zur Kompen­ sation verwenden will.

Bit: Einert, WA, S. 508 ff. — Kuntz», W.R., S. 69, 74. — Renaud, W.R., S. 109 ff. — Thöl, W.R., 4. Ausl., § 123. — O. Wächter, Encyklop. d. W.R., 1880 S. 320. — Entfch. b. ROHG. Bd. VI. S. 487, Bd. VHL 6. 141, Bd. XHL 6. 412, Bd. XIV. 6. 60, Bd. XVI. S. 102, Bd. XVH ®. 181. — Borchardt, WO., 7. Aufl., Einfluß des Zweck» der $., 6. 93-95, 386, 887, 399, 422, 424, 442, 566. Rückgabe de» D. S. .155, 546Garel».

Deftosttalwese«. Die Bezeichnung umfaßt die Summe derjenigen Vor­ schriften und Anordnungen, welche die Annahme, Verwahrung und Rückgabe der mit den Wirkungen einer gerichtlichm Depositum hinterlegten Gegenstände regeln. Richt blos das materielle Recht kennt zahlreiche Fälle, in welchen die Depofition bald in obligatorische Verhältniffe eingreifend gewiffe Kollisionen von Rechten auSgleicht und ein Recht oder eine Pflicht deS Schuldners wird, bald außerhalb der­ artiger Verhältniffe dazu dient, den beurkundeten Mllen von Rechtssubjekten sicher zu stellen, sondern auch daS formelle Recht hat durch die Anordnung von Sicher­ heitsleistungen und im ZwangSvollstreckungSverfahren durch die der Regulirung konkurrirender Forderungen gewidmeten Vorschriften da» Hinterlegungswesen heran­

gezogen. Die in daffelbe einschlagenden Vorschriften zerfallen je nach ihrem Gegenstände in solche, welche die Formen für die Annahme und Herausgabe der

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SeMtetoefen.

Deposita bestimm«, und in solche, die für die Beiwahrung und Verwaltung der» selben sorg«. Während die erster« dem Zwecke dien«, die Thatsache der Ein­ und Auslieferung bei Depositums zu konstattren, beschäftigen sich die anderen mit der Sicherung unb der Unterbringung der hinterlegt« Sache. Besteht diese in baarem Gelde, so tritt vielfach neb« die Verwahrung noch die Verwaltung der­ selben, insbesondere seine zinsbare Anlegung, und find gerade dieser Seite des D. nicht w«ige Vorschrift« gewidmet. Alle diese Anordnung« gehürm dem Landes­ recht an. Sie «hm im Allgemein« aus dem civilrechtlichen Grundsätze, daß die mit der Verwahrung des Depositums betraute Behübe dem Deponmten gegmüber die Stellung dei Depositars mit allen sein« Recht« und Pflichten übernimmt. Im Einzeln« gehen sie landesrechtlich in vielen Punkten auseinander, so auch in Ansehung der daS Depositum übernehmenden Behörde. Der Regel nach und bisher auch in Preußen waren die Gerichte mit der Depofitalverwaltung betraut, die eine nach allen Richtung« hin komplizirte war. Das Such« nach Garantien für die Sicherheit des Depositums führte eineStheilS zur Heranziehung verfchiedener Per­ son« bei der Berwaltung, andermtheils zu einer Spezialifinyrg und Theilung der Deposita behufs Erleichterung der Beaufsichtigung. Man unterschied ein Generalund ein Spezial-Depositum, indem man deponirte Gelder und Sachen bald gemein­ schaftlich, bald einzeln verwaltete oder verwahrte, und sonderte von ihn« das de* positnm judiciale. Die Einrichtung gewährte den Deponmten eine nicht zu unter» schätzende Sicherheit, hinderte jedoch eine den Jntereffm derselben entsprechende Ber­ waltung der Deposita und hatte in Preußen den Nachtheil, daß der Staat für Verseh« oder dolose Handlungen seiner Beamten nicht einstand. In Folge der neuesten ReichSjustizgesetze und der in ihnen vertretenen Rich­ tung, dm Richter soviel als möglich von administrativer Thätigkeit zu entlasten, ist in Preußen durch die Hinterlegungsordnung vom 14. März 1879 das D. einer Aenderung unterzogen worden, welche in die bis dahin geltend gewesenen Grundsätze tief einschneidet. DaS bisherige sogenannte Dreischlüsselsystem in Verbindung mit der doppelten Buchführung ist aufgegebm, und die Verwahrung und Verwal­ tung derjenigen hinterlegten Gegenstände, durch deren Beschaffenheit vorzüglich die Verantwortlichkeit des Depositars herausgefordert wurde, dem Gerichte abge­ nommen und der Verwaltungsbehörde übertragen. Nur in dringenden Fällen wird daS Gericht noch mit dm Pflichten eines Depositars betraut, jedoch auch in diesen die Verbindlichkeit auf ein bloßeS Verwahren beschränkt und jeder Akt einer Ver­ waltung von ihm fem gehalten. Die Vorzüge dieser Einrichtung bestehen in größerer Einfachheit des DepofitalverkehrS, da alle die verschiedenen Arten der De­ posita beseitigt find, und darin, daß dem Richter eine Arbeit abgenommen worden, in welcher er sich selten heimisch fühlte. Ihre Nachtheile zeigen sich in der Tren­ nung der Behörden und den dadurch bedingten Weitläufigkeiten eineStheilS bei der Prüfung der Legitimation, anderentheilS bei der Annahme und Ausgabe der De­ posita. DaS Durch- und Jneinandergreifm der Thätigkeit zweier selbständiger Behörden ist nicht selten mit Schwierigkeit« für daS Publikum verknüpft und er­ fordert von demselben eine außergewöhnliche Gesetzes- und Geschäftskenntniß. Die HinterlegungSordnung unterscheidet zwei Arten der Hinterlegung je nach der Beschaffenheit der zu hinterlegend« Gegenstände und trennt bei der einen Art je nach der Dauer der Depofition die wirkliche Hinterlegung von einer vorläufigen Verwahrung. 1) Nach der Beschaffenheit der Gegenstände unterscheidet sie eine Hinterlegung bei der Verwaltungsbehörde und eine solche bei dem Gericht. a) Hinterlegung bei der Verwaltungsbehörde. Ihr unterliegen baareS Geld ohne Unterscheidung zwischen Deutschen und ander« Geldsorten, Werthpapiere, die entweder aus den Inhaber laut« oder doch an den Inhaber bezahlt werden können, wie z. B. Sparkaffenbücher, und Kost-

DepvsUnlwese».

SIS

barkeiten. Hinterlegungsstelle für diese Gegenstände ist die Bezirk-regierung, welche zur Erleichterung des Verkehrs bestimmte Kaffen ihres Bezirks als ihre Organe für die Annahme und Ausgabe der Deposita bezeichnet. DaS Geld verliert durch die Hinterlegung die Eigenschaft eine- Depositum-, geht in da- Eigenthum de- Staat- über und wird wie alle übrigen Einnahmen de- Staat- verwaltet und verwendet. Dem Hinterleger, bzw. Demjenigen gegen­ über, welcher zum Rückempfang de- hinterlegten Gelde- berechtigt ist, tritt der Staat al- Schuldner ei», hastet für den eiagezahlten Betrag und übernimmt die Pflicht der Berziasung deffelben, die jedoch erst bei einer Höhe deS Depositums von 30 Mark beginnt und nach einem Satze erfolgt, der beweglich ist und durch königl. Verordnung bestimmt wird. Die Einzahlung muß in kaffenmüßigem Gelde geschehen, kann jedoch auch' bei anderen Geldforten dann nicht abgelehnt werden, wenn durch die Depofition vom Hinterleger eine Verbindlichkeit erfüllt werden sott, und Deponent in nicht kaffeamüßigem Gelde zu erfüllen berechtigt ist. Es ist jedoch dann die Hinterlegungsstelle zur Einwechselung des Geldes verbunden, und der Staat nur für den Betrag de- durch die llmwechfelung erzielten Erlöses verhaftet. Die Einzahlung kann direkt oder durch Vermittlung der Post geschehen, und ent­ hüll daS Gesetz spezifizirte Vorschriften über die Form, welche bei beiden Arten z« beobachten ist. In gleicher Weise kann auch die Auszahlung an Denjenigen er­ folgen, der sich zur Empfangnahme legitimirt. Werthpapiere werden uuveründert verwahrt und, wenn der Hinterleger eS verlangt, außer Kurs gesetzt, in welchem Falle sie vor der Herausgabe von der Hinterlegungsstelle von AmtSwegeu wieder in Kur- gesetzt werden müffen. Eine Verwaltung der. Papiere findet nicht statt. Die Hinterlegungsstelle ist daher nicht verbunden, die AuSloofung oder Kündigung derselben zu überwachen oder für die Einforderung neuer ZinScouponS oder Dividendenscheine zu sorgen. ES bleibt Sache deS Hinterlegers oder Desjenigen, für deffen Rechnung und in deffen Jntereffe hinterlegt worden, diese Arbeit selbst auszuführen. Kostbarkeiten endlich werden gleichfalls uuveründert in Verwahrung ge­ halten. Um jedoch den Umfang der Haftung deS Staats für fie sicher zu stellen, ist die Hinterlegungsstelle befugt, auf Kosten deS Hinterleger» eine Abschätzung deS WerthS derselben und eine Feststellung ihres Zustande» zur Zeit der Hinterlegung herbeizuführen. b) Hinterlegung bei dem Gericht. Für alle übrigen Gegenstände ist daS Amtsgericht Hinterlegungsstelle. ES hat fowol die Annahme wie die Herausgabe der Deposita anzuordnen. Die Ver­ wahrung, mit welcher eine Verwaltung nicht verbunden ist, geschieht in einem Raume, der unter gemeinschaftlichem Verschluß deS Amtsrichters und GerichtSfchreiberS steht. Wird ein auf den Namen lautende- und nicht an den Inhaber zahlbares Werthpapier hinterlegt, so kann die Gerichtsschreiberei allein mit der Aufbewahrung beauftragt werden. Die Beurkundung der Annahme und Ausgabe der Deposita geschieht in einem Buche, in welchem die Vermerke von dem Amts­ richter und Gericht-schreiber gemeinschaftlich zu unterschreiben find2) Unterscheidung nach der Dauer der Depofition. Wenn nach dem Ermeffen deS Gerichts die Dauer der Hinterlegung sechs Wochen nicht übersteigt, ist daS Gericht in dringenden Füllen befugt, statt der Hinterlegung bei der Regierung die vorläufige Verwahrung mit allen Wrkungen einer gerichtlichen Depofition eintreten zu laffrn. ES bezieht sich diese so­ nach nur aus solche Gegenstände, welche eigentlich bei der Regierung hinterlegt werden müßten. Für sie ist daS Amtsgericht zustündig, welches die die vorläufige Verwahrung zulaffende Verfügung deS betreffenden Gerichts zu refpektireit hat. Ob der Fall ein dringender, hat daS Gericht zu ermeffen, bei welchem die einschlagende Rechtsangelegenheit schwebt. Nur beispielsweise sührt der § 74 1. c. v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon I. 3. Aufl.

33

614

Depofttton.

eine Reihe von Fällen an, zu welchen unter anderen auch die in den Prozeßgesehen, und zwar im Zwangsvollstreckungsverfahren, Lei der Strafvollstreckung und bei Ver­ haftungen zugelaffenen Sicherheitsleistungen gehören. Die Verwahrung erfolgt unter Aufrechterhaltung der apecies, also bei baarem Gelde ohne Vermischung mit an­ derem Gelde, eine Anordnung, welche die Verzinsung von selbst auSschließt. Zur Verwahrung ist ein unter gemeinschaftlichem Verschluß deS Amtsrichters und bei Gerichtsschreibers stehender Raum zu benutzen. Zur Kontrolle dient ein Buch, in welchem durch Vermerke, die vom Amtsrichter und Gerichtsschreiber gemein­ schaftlich unterschrieben werden, die Einnahme und Ausgabe der hinterlegten (gegen* stände zu beurkunden ist. Kann die Herausgabe derselben an den Berechtigten nicht binnen sechs Wochen bewirkt werden, so hat daS Amtsgericht von Amtswegen das Depositum an die Hinterlegungsstelle der Regierung abzuführen und davon den Hinterleger zu benachrichtigen. Gegen den Beschluß deS Amtsgerichts, durch welchen die Annahme zur vor­ läufigen Verwahrung oder die Herausgabe abgelehnt toitb, findet das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde statt. MeveS. Deposttiou (Hinterlegung) im technischen Sinne ist jede Hingabe beweglicher Sachen zur Aufbewahrung und späteren Wiederherausgabe (vgl. d. Art. Depo­ situm), insbesondere aber diejenige, welche bei einer öffentlichen Behörde oder Anstalt und zu dem Zweck geschieht, um für oder gegen dritte Personen gewiffe Wirkungen zu begründen. Zu diesem Zweck erfolgt die D. I. als Surrogat der Er­ füllung einer Schuld. Zu solcher D. hat der Schuldner ein Recht, wenn der Gläubiger mit Empfang der ihm angebotenen Leistung im Verzug ist (1. 1 § 3, 1. 7 D. de usur. 22, 1; HGB. Art 343, Abs. 2) oder andere Hindernisse in der Person deS Gläubigers (Verfügungsunfähigkeit 1. 7 § 2 D. de min. 4, 4; Un­ gewißheit 1. 18 § 1 D. de nsur. ic.) dem Schuldner nicht mit Sicherheit zu erfüllen gestatten. Uebereinstimmend Preuß. LR. §§ 213—232 Th. I. Tit. 16, Oesterr. BGB. § 1425, Sächf. BGB. § 756, Code civ. art. 1257—1264. Hierher gehört auch die Hinterlegung durch den Wechselschuldner nach der WO. Art. 40 und durch den Beklagten oder Drittschuldner nach der CPO. §§ 72, 738, 750. Gegenstand der D- ist in allen diesen Fällen daS geschuldete Objekt, ihr juristischer Charakter der einer Entäußerung, durch welche die Sache dem Berechtigten zur Verfügung gestellt wird, und ihre Wirkung Befreiung des Schuldners von weiterer Haftung. Doch kann derselbe die hinterlegte Sache wieder zurücknehmen, wodurch seine Hastung aus der alten Obligation von nun an neu beginnt (1. 7 D. de usur.; 1. 19 C. eod. 4, 32). Dies Recht der Zurück­ nahme erlischt durch Gerichtsurtheil, welches die D. dem Gläubiger gegenüber für gerechtfertigt erklärt und durch Annahmeerklärung des Gläubigers, der dadurch kraft der lex depositionis das Recht auf die hinterlegten Sachen erwirbt (1. 19 C. eit. § 4). Jedoch beschränkt in Preußen neuestens die Hinterlegungsordnung vom 14. März 1879 § 19 die Zurücknahme von vornherein auf den Fall eines bei der D. erklärten Vorbehalts. Als Ort der D. konnte nach Röm. R. jede sichere Stelle benutzt werden, ein eigener Raum beim Schuldner (1. 7 D. de usur.) oder bei einem Dritten, ein Tempel u. dgl. m. (leges eit. und Muther, Seq., S. 363—368. Aehnlich das HGB. a. a. O.). Im Uebrigen gilt nach (gern. R. als Hinterlegungsstelle regelmäßig das Gericht des Erfüllungsortes. In Preußen ist neuestens an Stelle deS Gerichts die Bezirksregierung getreten, und nur für dringende Fälle vorläufige Verwahrung beim Amtsgericht zugelaffen (HinterlegungS-Ordn. §§ 1, 70 ff.). DaS RechtSverhälbniß des Depositars bestimmt fich nach der lex depositionis. Geld wird ihm regelmäßig zu Eigenthum übertragen (depositio irregularis) und er dadurch debitor generis; andere Werthsachen werden von ihm nur verwahrt und bleiben im Eigenthum deS Deponenten bis zur Uebergabe an den

Gläubiger (Preuß. HinterlegungS-Ordn. §§ 7, 36; vgl. über die Schuldhinterlegung: Ulrich, Die D. rc., Zürich 1877; Kühne, Jeß und Kohler in den Jahrbb. f. Dogm-, XVII., der Letzte besonders S. 804—345, und Czhhlarz in Grünhut'S Aschr., VI. S. 657—693). — Die D. erfolgt II. als Sicherheitsleistung (KautionSbestellung) besonders im Prozesse zur Deckung der Gegenpartei oder auch der StaatSkaffe für eine noch bestrittene oder künftig mögliche Forderung. Beispiele bitten auS dem Röm. R. die D. der summa sacramenti und später deS Succumbenz» geldeS bei der Appellation Muther a. a. O. S. 194. Namentlich aber fordert die CPO § 101 al» Mittel prozessualischer Sicherstellung im Zweifel stet» die Hinterlegung. Die Fälle derartiger Sicherheitsleistung (s. diesen Art.) sind mannigfach. Sie wird einer Partei bald von Amtswegen (CPO. §§ 85, 344) oder aus Verlangen der Gegenpartei (§§ 102 ff., 247 Nr. 4) auferlegt, bald auch nur sreigestellt, und zwar dem Schuldner, um einer Zwangsvollstreckung oder einem Arrest zu begegnen (§§ 647, 652 Abs. 2, 657, 803), dem Gläubiger, um solche zu erwirken (§§ 647, 650, 652 Abs. 1 u. 2, §§ 657, 801 Abs. 2). Ebenso wird D. zur Sicherstellung erfordert nach der StrafPO. §§ 174, 419, KO. §§ 47 Al. 3, 158 und WO. Art. 25, 73. Als Gegenstand dieser D. find vielfach nach ge­ setzlicher Vorschrift nur Geld oder Werthpapiere zngelaffen (CPO. § 101; Straf­ PO. a. a. O.), möglicher Weife aber auch andere Werthsachen zu verwenden. Die Hinterlegungsstelle und die Stellung des Depositars bestimmt sich hier, wie in den Fällen unter Nr. I. Für den Versicherten wird durch die D. an den hinterlegten Sachen ein Pfandrecht begründet, welches die Wirkungen eines ver­ tragsmäßigen Faustpfandrechts hat (CPO. § 709 Abs. 2). Ist Geld in daS Eigen­ thum des DepofitarS übergegangen, so hat der Versicherte ein Pfandrecht an der Forderung de» Hinterlegers ex deposito. — Möglich ist aber auch, daß zur Sicher­ stellung die D. derjenigen individuell bestimmten Sache selbst erfolgt, welche der Deponent eventuell dem Verficherten zu leisten hat (vgl. CPO. § 817 und d. Art. Sequestration). Insofern dabei der Deponent für den Fall seines Unterliegens in die AuSliefemng der Sache an den Gegner willigt, liegt hier nicht mehr eine Verpfändung vor, sondern eine bedingte Entäußerung, welche sich den Fällen unter Nr. I. nähert. Vgl. über die D. zur Sicherstellung L. Seuffert, Komm, zu § 709 Anm. 4, und Pfaff, Geld als Mittel pfandrechtlicher Sicherstellung, S. 19. — Verschieden find III. die Fälle, wo eine D. weder behufs Veräußerung, noch behufs Verpfändung an einen Dritten, sondern nur zur sicheren Auf­ bewahrung für eine vom Deponenten vertretene Person gesehlich vorgefchrieben ist. So nach der KO. §§ 118, 120, 125, 156 und nach verschiedenen VormundschastSordnungen, z. B. der Preußischen vom 5. Juli 1875 § 60 Al. 1 u. 3. Hierher läßt fich auch die D. durch den Gerichtsvollzieher nach der CPO. § 751 Al. 2 und § 771 Al. 4 ziehen. Die Mrkungen einer solchen Hinterlegung be­ stimmen fich nach den allgemeinen Regeln über daS Depositum. Vgl. die Art. Depositum und Depositalwefen. Eck.

Depositum, VerwahrungS- oder Hinterlegungsvertrag, ist der Realvertrag, der dadurch geschloffen wird, daß von dem einen Kontrahenten, Deponent, dem anderen, Depofitar, eine bewegliche Sache zur Aufbewahrung und unter Verpflichtung zu individueller Rückgabe übergeben wird. Der Deponent, der nicht Eigenthümer zu sein braucht, besitzt durch den De­ pofitar, der nicht Eigenthümer sein darf. Der Vertrag ist auf den Vortheil deS Deponenten berechnet und seinem Wesen nach unentgeltlich, was jedoch mit einer freiwilligen Remuneration nicht unver­ träglich ist. Gebrauchen darf der Depofitar die Sache nicht.

516 1) Die Verpflichtung bei Depositars geht auf Aufbewahrung in feinem Gewahrsam unb Rückgabe bet Sache in Natur, in gehörigem Zustande wie empfangen, unb mit allem Zubehör. Ist Rückgabe in diesem Maße oder über­ haupt nicht möglich, so haftet er, da er keinen Ruhen aus dem Geschäft zieht, in der Regel nur für grobe- Verschulden; für leichtes Verschulden aber, wenn er sich hinzugedrängt hat, sowie wenn er ausnahmsweise Vortheil davon hat, oder wenn er durch besondere Berabrcknng diese schwerere Verantwortlichkeit übernommen hat. Dafür steht dem Deponenten die actio depositi directa zu, welche Infamie des kondemnirten Depositars bewirkt, und wogegen weder Kompensation, noch, der rich­ tigeren Ansicht zufolge, Retention, nicht einmal wegen nothwendiger Verwendungen, stattfinden kann. Hat der Depositar ohne grobes Verschulden die Sache weiter deponirt, so befreit er sich durch Session der Klage. Der Erbe, der in gutem Glauben veräußert hat, braucht nur den erhaltenen Preis oder die Klage auf den Preis abzutreten. Einen Gegenanspruch kann der Depositar geltend machen mittels actio depositi contraria, als Widerklage oder selbständig, wegen Verwendungen und behufs Ersatzes des durch Verschulden der Deponenten verursachten Schadens. Dieselben Grundsätze find im Allgemeinen in den neueren Gesetzgebungen aner­ kannt, Abweichungen kommen nur in einzelnen minder wichtigen Punkten vor. So nimmt daS (hierin, besonders detaillirte) A. LR. Verwahrung auch unbeweglicher Sachen an und verlangt vom Depositar diligentia quam suis, jedoch mit der aus­ drücklichen Erklärung, daß bei entstehender Gefahr des Verlustes der Verwahrer berechtigt fein soll, seine eigene Sache der ihm anvertrauten tzorzuziehen. Auch hat nach Preuß. R. der Depositar ein Retentionsrecht für seine Auslagen und Be­ mühungen. Auch der Code Nap. schließt sich im regelmäßigen, sog. freiwilligen HinterlegungSvertrag mit ähnlichen Modifikationen dem Gem. R. an. Der Deponent muß Eigenthümer fein, oder eS muß wenigstens der Eigenthümer ausdrücklich oder stillschweigend eingewilligt haben. 2) Ein besonderer Fall von D. ist, wenn dasselbe durch plötzlichen Nothstand, tumnltus, ruina, incendimn: Plünderung, Einsturz, Feuersbrunst, Schiffbruch, ver­ anlaßt worden ist. Da erheischt paS Jntereffe der öffentlichen Sicherheit einen wirksameren Schutz als in gewöhnlichen Fällen, in welchen der Deponent seinen Depositar frei und unbefangen wählen kann, daher einen etwaigen Vertrauensmiß­ brauch seitens des Gewählten theilweise sich selbst anrechnen muß. So gab daS Röm. R. in diesem Falle eines sog. depOsitum miserabile eine Klage auf doppelten Ersah. Auch im Preuß. LR. wird dieser Fall ausgezeichnet; ebenso im Code Nap. alS döpöt ndcessaire, insbesondere durch Erleichterung deS Beweises. Ebenfalls unter den Begriff deS ddpöt ndcessaire gehört die Hinterlegung der Effekten von Reisenden in den Wirthshäusern, wo sie abgestiegen find und wohnen; den Gastwirthen werden in dieser Beziehung auch die Dermiether- von chambres garnies an Reisende, wol auch die Badewirthe, nicht aber die Kaffeehaus- oder Restaurationsinhaber gleichgestellt. Derartige Hinterlegungen wurden im Röm. R. nicht als D. behandelt, sondern gaben zu zwei eigenen Klagen Veranlaffung: die eint, actio de recepto, nautae canpones stabnlarii ut recepta restituant, auf Zurückerstattung der Sache resp. Kondemnation auf den Werth, ohne Rücksicht auf Verschulden deS belangten GastwirthS (Schiffers, StallhalterS u. dgl.) oder feiner Leute; die andere in factum, auf doppelten Ersatz, wenn die Sache von dem Gast­ wirthe selbst oder von seinen Leuten oder auch von solchen Personen, welche im WirthShause bleibend wohnen, entwendet oder beschädigt oder vernichtet worden ist. Es ist keineswegs nöthig, daß der Reisende Eigenthümer der Sache sei; eS genügt, daß er irgend ein Jntereffe daran hat. Der Wirth darf sich übrigens diese Ver­ antwortlichkeit wegbedingen. Die darauf bezüglichen ähnlichen Bestimmungen deS

Derubnrg — Deserteure.

517

Preuß. LR. (Th. II. Zit. 8 §§ 444 ff.) stehen auch mit dem Verwährung-Verträge in keiner Verbindung. 3) Die Neueren bezeichnen als unregelmäßige- D. eine Ausdehnung deS Begrisst de- D., in dem Falle nämlich, wenu fungible Sachen, z. B. Geld, in dem Sinne hinterlegt werden, daß nicht individuelle, sondern nur generelle Rück­ gabe (tantnndem ejusdem generis) erfordert wird, womit selbstverständlich dem Depofitar da- Recht de- Gebrauch- eingeräumt ist, wogegen er aber auch die Ge­ fahr zu tragen hat. Dadurch bleibt aber diese- Geschäft vom Mntuum unter­ schieden , daß es im Interesse de- Geber- und nicht im Interesse de- Empsängerstattfindet. So können auch Zinsen sowol ex conventione (ex pacto adjecto), al# ex mora mit der actio depoaiti eingeklagt werden. Daß da- D. einer Summe Gelde- nur ein unregelmäßige- sein soll, wird stillschweigend verstanden, wenn diese Summe unverschlossen hinterlegt wird. Sonst ist den allgemeinen Grund­ sätzen gemäß regelmäßige- v. zu vermuthen», oder den Umständen nach auch Mutuum. Quellen: D.XVL 3.C. IV. 34.—Preuß.LR.1.14 S§1 ff.—6. N. art 191&-1963. Lit.: S. im Allg. Koch, IIL 371 ff. — Glück, XV. — Bangerow, § 630. — Windscheid, §§ 377—379. — Arudts-Serafini, §§ 285—286. — Hebt«D.irreguläre insbesondere: Reustetel in feinen itnb Zimmern's römisch-rechtlichen Untersuchungen, 1. — Schmidt im Eiv. Arch. XXX — Endemann in Goldschmidt s Zeitfchr. sür H.R., IV. (1861). — Thöl, H.R., I. — Serafini a. a. O., § 286. — Schaffrath, Praktische Abhandlungen (1841), leugnet die Realität dieses Begriffs. R i v i e r.

Dernburg, Jakob, s 22. XII. 1795 zu Mainz, stud. in Bona, promovirte in Gießen 1821, wurde Anwalt in Mainz, nahm 1845 eint Professur sür Civilprozeß in Gießen an, kehrte 1849 in die Praxis zurück, wurde in Darmstadt 1853 Rath am OberappellationS- und Kassationshof, welche Stelle er bis 1876 be­ kleidete. Während dieser Zeit hatt« er vorzugsweise Antheil an der Herausgabe der Entscheidungen diese- Gericht-hofe- und wurde zu gesetzgeberischen Arbeiten vielfach zugezogen; nach rastloser Thätigkeit t er 23. III. 1878. Schriften: Beitr. zur Gesch. d. Röm. Testamente, Bonn 1821. — Ueber den Werth n. d. Bedeut, d. Schwurgerichte u. die Mittel, dieselben kriminalrechtlich zu vervollkommnen, Frankfurt a. M. 1848. — Abhandl. au< d. Geb. d. (Brat. u. Franz. Civil- u. Prozeßrecht- in vergleich. Darstellung, Franks, a. M. 1839. Lit.: Gericht-saal t Jahrg. II. Band (1849), S. 175—182. — Deutsche Juristen-Zeitung Nr. 13 (1878), S. 112. Teichmann.

Deserteure (im Au-lande). Desertion au- dem Landheere gehört zu den­ jenigen strafbaren Handlungen, wegen deren gegenwärtig in der Regel Auslieferung nicht erfolgt. Die zahlreichen Verträge (Kartelkonventionen), durch welche fich früher die Regierungen gegenseitig die Auslieferung derjenigen Personen zuficherten, welche fich ihrer Pflicht zum Eintritt in da- Heer durch die Flucht entzogen hatten, oder fahnenflüchtig geworden waren, find seit dem vierten Jahrzehnt diese- Jahr­ hundert- meistentheil- gekündigt worden oder stillschweigend außer Uebung ge­ kommen. Die von dem D. in daS Zufluchtland mitgebrachten Militäreffekten, Dienstpferde ic. werden meist zurückgegeben. Zuweilen muß für letztere Vergütung gewährt werden, auch wird noch hin und wieder für au-gelieferte D. eine Fang­ prämie bewilligt. DaS Deutsche Reich hat Kartelkonventionen mit anderen Mächten nicht abge­ schloffen. Dagegen stehen die einzelnen Bundesstaaten mit anderen Staaten im Kartel; namentlich mit Oesterreich, dem gegenüber die betreffenden BundeSbeschlüffe von 1831, 1832 und 1863 als fortdauernd gültig anerkannt find. Die Preußisch» dänifche Kartelkonveution vom 25. Dezbr. 1820 (Gesetzsamml. S. 33) ist durch den Wiener Frieden vom 30. Oktbr. 1864 wieder in Kraft gesetzt. Dagegen ist die Preußisch-rusfische Konvention vom 8. Aug. (27. Juli) 1857 nach ihrem Ablauf nicht erneuert worden. Oesterreich hat außer mit den Deutschen Staaten keine Kartelkonvention, nachdem die mit Rußland und Rumänien außer Gültigkeit gesetzt find.

518

Desertion.

Anders all die Desertion au8 dem Landherr faßt die. heutige Staatenpraxil dal Entweichen von Schiffsleuten auf. Entwichene SchiffSlente, auch die D. von Kriegsschiffen, werden in der Regel von dem Zufluchtsstaate auSgeliefert, sofern sie nicht dessen eigene Angehörige find. Dal Deutsche Reich hat mit verschiedenen Staaten ausdrückliche Abreden deshalb getroffen, neuerdings (5. November 1879) mit Großbritannien. Ein Berzeichniß der betreffenden Verträge befindet sich in dem unten allegirten Handbuche für die Deutsche Handelsmarine. Dal AuSlieferungSverfahren bezüglich defertirter SchiffSlente pflegt formloser zu sein all dasjenige, welches bei sonstigen Auslieferungen stattfindet. Auf die Re» quifition bei Konsuls oder, in Ermanglung eine! solchen, del Kapitän! gewähre« die Landesbehörden ihren Beistand zur Ergreifung und Verhaftung de« D., nachdem die Zugehörigkeit deffelben zur Schiffsmannschaft in der durch die Landes» gesetzt vorgeschriebenen Weife «achgewiesen ist. Meistens gelten die Schiffsregister, die Musterrolle oder andere amtliche Dokumente, wenn fie im Original oder be­ glaubigtet Abschrift vorgelegt werden, als genügende Beweismittel. Zuweilen muß da» Auslieferungsgesuch noch mit einem Eide bekräftigt werden. Die Auslieferung del D. wird mit Recht beanstandet, wenn derselbe am Lande eine strafbare Handlung begangen hat. Die Landesbehörden behalten in der Regel den ergriffenen D. auf Ersuchen und auf Kosten des Konsuls so lange im gefänglichen Gewahrsam, bis der Konsul Gelegenheit findet, ihn dem Schiffe, von welchem er entwichen ist, wieder zuzuführen bzw. ihn fortzusenden. Doch darf die Hast nicht über 2, 3, zuweilen 4 Monate dauern. Nach Ablauf dieser Frist wird der D. in Freiheit gesetzt, ohne daß er wegen derselben Ursache noch einmal verhaftet werden könnte. Bezüglich der von einem Deutschen Kauffahrteischiffe desertirenden Mann­ schaften tritt in einzelnen Fällen selbst dann Bestrafung ein, wenn lediglich ein Vertragsbruch, keine weitere strafbare Handlung vorliegt. So wird ein Schiffs­ mann, welcher nach Abschluß des Heuervertrags fich verborgen hält, um fich dem Antritte des Dienste» zu entziehen, mit Geldstrafe bis zu 60 Mark, ein EchiffSmann, welcher, um fich der Fortsetzung deS Dienstes zu entziehen, entläuft obe? fich verborgen hält, mit Geldstrafe bis zu 300 Mark oder Gefängnißstrafe bis zu 8 Monaten belegt. In beiden Fällen tritt Verfolgung nur auf Antrag ein. Verlaffen deS Schiffs ohne Erlaubniß oder Ausbleiben über die festgesetzte Zeit wird als gröbliche Verletzung der Dienstpflicht mit Geldstrafe bis zum Betrag einer Monatsheuer geahndet. Macht fich der entwichene SchiffSmann eines straf­ baren Eigennutzes schuldig, indem er mit der Heuer entläuft oder fich verborgen hält, so wird er nach den Bestimmungen deS StrafGB. mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft.

Gigb. u. Lit.: SeemannSordn. v. 27. Dezbr. 1872 (R.G.B. 1872 ®. 409). §8 81 ff. — Handbuch f. d. Deutsche Handelsmarine, herauSgeg. vom ReichSkanzleramte (erscheint jährlich int Oktober). — Calvo, Le droit international, Paris 1870, I. p. 597. — BeSque v. Püttlingen, DaS österr.-ungar. internst. Privatr., Wien 1878, S. 554. B. König.

Desertion (Fahnenflucht) ist die unerlaubte Entfernung eines Soldaten, um fich dadurch feiner gesetzlichen oder einer von ihm übernommenen Verpflichtung zum Dienste dauernd zu entziehen. (Ueber Militärpflicht vgl. diesen Art. im R.Lex. und bes. Lab and, Staatsrecht deS Deutschen Reichs, Bd. III. S. 136 ff.) Auch Personen de« Beurlaubtenstandes können fich der D. schuldig machen, wenn fie in der obigen Abficht nach bekannt gemachter Kriegsbereitschaft oder nach an­ geordneter Mobilmachung ihrer Pflicht nicht nachkommen. Öft gesetzlichen ist die freiwillige, z. B. durch Kapitulation oder Uebernahme einer Beamtenstelle einge­ gangene Verpflichtung gegenübergestellt. — Vollendet ist die D. mit der Entsernung in der erwähnten Abficht. Da» Verlaffen der Garnison gehört nicht noth­ wendig zum Thatbestände. Die Verjährung der Strafverfolgung wegen D. be-

Deservttenjahr — DeSpetffeS.

SIS

ginnt jedoch erst mit dem Tage, an welchem der Fahnenflüchtige, wenn er die Handlung nicht begangen, seine Verpflichtung zum Dienste erfüllt haben würde. — Die D., bei der auch der Versuch strafbar ist, wird mit Gefängniß, Zuchthaus, Todesstrafe, Versetzung in die zweite Klaffe des SoldatenstandrS, Degradation be­ straft, je nachdem einfache D., erster oder wiederholter Rückfall, D. im Felde, Verabredung Mehrerer zur D. und gemeinschaftliche Ausführung und noch andere Strafschärfungsgründe vorliegen. Als StrafmUderungSgrund wird bei der D., welche nicht im Felde begangen ist, die Stellung des Fahnenflüchtigen innerhalb sechs Wochen nach erfolgter D. angesehen. — Die Verleitung und versuchte Ver­ leitung eines Soldaten zur D. und di« Beförderung derselben wird an Soldaten und auch an Personen» die nicht zum Soldatenstande gehören, bestraft; an letzteren mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren. Militärpersonen werden außerdem bestraft, wenn sie von dem Vorhaben einer D. zu einer Zeit, in welcher deren Verhütung möglich ist, glaubhafte Kenntniß erhalten und es unterlaßen, chrem Vorgesetzten rechtzeitig Anzeige zu machen. Die Bestrafung tritt jedoch nur dann rin, wenn die D. begangen worden ist.

«fgb. u. Lit.: D.Mlit-StraftSB-, §§ 69-78, dazu64-68. — D.Straf««., § 141. — Keller, Mil.StrasGB. für daS Deutsche Reich (2. Aufl.), 1873. S. 113 ff. — Rüdorff, Mil-StrasGB., 2. Aufl. von Solms (1878) zu den citirten Paragraphen. — Oppenhoff und v. Schwarze zu § 141. — John in v. Holtzendorff'S Handbuch brS D. EtrafR., «b. HI. ©. 201 ff. Dochow.

Deservitenjnhr (annas deservitus), d. h. der Anspruch der Erben des Pfründeninhabers auf einen entsprechenden Theil der Amtseinkünfte des JahreS, in welchem der letztere gestorben ist. Für die nähere Berechnung diefeS Anspruchs kommt die in der Natur der Sache begründete Regel zur Anwendung, daß daS Dienstjahr mit dem Tage des Amtsantrittes deS Verstorbenen beginnt und von dem zu einer Maffe anzufchlagenden Amtseinkommen deS letzten JahreS ein der Zeit vom Beginn deS JahreS bis zum Todestage entsprechender Antheil den Erben überwiesen wird. Partikularrechtlich gelten aber andere Bestimmungen, so 'ent­ scheiden z. B. in Preuße» (A. LR. Th. II. Tit. 11 §§ 823 ff.) die allgemeinen civilrechtlichen Regeln über den Nießbrauch. Auch besteht vielfach, sovol in der katholischen, wie in der protestantischen Kirche, die Vorschrift, daß den Erben oder bestimmten Kategorien derselben, außer de» wirklich verdienten Früchten, noch die Einkünfte eines gewiffm Zeitraums, eines Monats, eines Vierteljahres (SterbeMonat, -Quartal) oder gar sämmtliche Einnahmen deS Todesjahres zu gute kommen. P. HinfchiuS. DesmareS, Jean, Adv. und 1372 Mitgl. d. Pari., t 1383 als Opfer der Aufstände. Er verfaßte 422 döcisions (1363) und edirte coutumes tenues tontes notoires et jugdes au Chätelet de Paris (in Brodeau'S Commentaires sur la coutume de Paris). Lit.: Encykl., 238. — Stein-Warnkönig, Franz. Staats- u. R.Sgefch., II. 66, 67. — Bourquelot, Notice biogr., 1858.— Dupin-Camus, Prof, d’avocat(5), II. p. 710— 714. — Gaudry, Hist, du barrean de Paris 1864, L 145, 148—150, 157, 401. Teichmann.

DeKpeiffeA, Antoine, 5 zu Mais 1594, f zu Montpellier 1658, nicht zu verwechseln mit einem anderen bekannten Rechtsgelehrten, B. Fahr, Herr von EspeiffeS. D. war ParlamentSadvokat zu Paris und Profeffor zu Montpellier. Er behandelte daS Röm. R. als Gemeines R. Frankreichs. Er schrieb, theilweise in Mitarbeiterschaft mit Charles be BoucqneS: Traitö des Suc­ cession« testamentaires et ab intestat, 1623. — Les contrats propres et impropres, leurs accessoires, exöcution et dissolution. — Pratique civile et criminelle. — Bönefices ecc!6siaatiquea. — Droits aeignenriaux. — Des tailles et autres impositions. — Seine gesam­ melten Werke wurden nach seinem Tobe heransgegebrn als: Oeuvres ... ob tontes les plus

520

DtiwlMttow — $«*rttee.

importantes mitürei du droit romain sont mdthodiquement expliqudee et acconunoddee au droit francais, 1665, unb mehrmals wieder aufgelegt, die beste Ausgabe mit Zusätzen von Du Rousseau de la Combe (t 1749) 1777, 1778. Bit: Haag, La France protestante. — Vincent 8t. Laurent in der Biographie universelle. 9t i» i et.

Drvalvatio» ist die Herabsetzung des NennwertheS einer bestimmten Münz­ forte durch die Staatsgewalt. Dieselbe hat auf die früher entstandenen Geld­ forderungen den Einfluß, daß diese nicht mehr durch Zahlung der ausbedungenen Quantität der bestimmten Geldstücke getilgt werden, sondern daß so viel Stücke mehr gezahlt werden müffen, als erforderlich find, um den Werth herzustellen, welchen die verabredete Summe zur Zeit der Entstehung der Forderung hatte. Diesen für daS Gem. R. maßgebenden Grundsatz hat daS Sachs. BGB. (§ 668) gleichfalls aufgestellt, während daS Preuß. LR. (TH.I. Tit. 11 § 790), das Oesterr. BGB. (§ 988) und der Code Nap. (art. 1895) bestimmen, daß der Schuldner stets nur die verabredete Quantität der vereinbarten Geldstücke zu leisten hat. Durch den Wiener Münzvertrag vom 24. Jan. 1857 (Art. 13, 15) ist eine solche Herabsetzung für unstatthaft erklärt worden. Häufig ist die Herabsetzung nur eine staatliche Anerkennung de» geringeren KnrSwertheS einer Münze.

Bit: Savigny, Da- Obliaationenrechi, I. S. 458 ff., S. 482 ff. — Goldschmidt, Hanbb. des H.R., I. 2. S. 1138 ff. Lewis.

Deviation ist im Seerecht die willkürliche Veränderung der Reise seitens des Schiffers. Derselbe macht sich einer solchen schuldig, wenn er von dem der Reise entsprechenden Kurse abweicht, Häfen anläust, deren Angehung bei dem auf die fraglich« Reise bezüglichen Kontrakt weder ausdrücklich noch stillschweigend inS Auge gefaßt war, oder die festgesetzte Reihenfolge der zu besuchenden Häfen ver­ letzt, oder auch einen anderen, als den vereinbarten Bestimmungshafen wählt. Welcher Weg einer Reife entsprechend gewesen, wird durch sachverständiges Ermeffen sestgeftellt. ES ist der Weg, welchen ein ordentlicher Schiffer unter den konkreten Derhältniffen, d. h. unter Berücksichtigung der Jahreszeit, von Wind und Wetter und der sonstigen, eine Seereise beeinflussenden Umstände gewählt haben würde. Ob die Reise durch die Abweichung verkürzt oder verlängert wird, ist irrelevant. Dagegen liegt eine D. mit ihren juristischen Wirkungen, weil daS Moment der Willkürlichkeit fehlt, nicht vor, wenn das Schiff durch den Mnd vom richtigen Wege abgedrängt ist; wenn ein zeitweiliges Ablenken vom Kurse nothwendig ist, um den verlorenen Weg wieder zu gewinnen, ein gefährliches Hinderniß der Reife zu umgehen, überhaupt das Ziel der Reife zu erreichen. Ebenso kann daS dem Kontrakt nicht entsprechende Anlaufen eines Hafens dann nicht als rechtswidrige D. betrachtet werden, wenn eS geschah, um eine nothwendige Reparatur vorzu­ nehmen; um den durch UnglückSsälle unzureichend gewordenen Proviant oder Waffervorrath zu ergänzen; um der Aufbringung durch feindliche Kreuzer oder einer sonstigen Kriegsgefahr zu entgehen; weil der Bestimmungshafen blokirt ist. Auch ist ein Abweichen vom Wege sowie daS Anlaufen eines HafenS dann nicht als D. zu betrachten, wenn der Schiffer dazu nach vernünftigem Ermeffen durch daS Gebot der Menschlichkeit genöthigt war. Der Begriff der D. kommt vor beim SeetranSportvertrage, bei der Bodmerei und bei der Seeverficherung. 1) Beim Frachtgeschäft, sowol dem zur Beförderung von Gütern, wie von Reifenden hat der Schiffer den Jnterrffenten (Befrachter, Ab­ lader, LadungSempfänger, Reisenden) für jeden durch sein Verschulden entstandenen Schaden einzustehen (vgl. D. HGB. Art. 478 ff.). Und für einen solchen Schaden haftet auch der Rheder, wennschon nach Deutschem Seerecht nur mit Schiff und Fracht (vgL D. HGB. Art. 451 ff.). Sobald nun der Schiffer den LadungS-

intereffenten oder den Reifenden durch eine D.

einen Nachtheil zufügt, liegt

ein

Devwenenve — Devolution.

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durch sein Verschulden verursachter Schaden vor, für den er sowol wie der Rheder in Anspruch genommen werden kann. 2) Die Bodmerei wird für eine bestimmte Reise (die Bodmereireisr) eingegangen, nach deren Beendigung die Schuld füllig wird. Da nun der Schiffer das Interest« des Bodmereigläubigers wahrzunehmen und speziell, wenn nicht ein dringender Grund das Gegentheil fordert, Alles zu Unterlasten hat, wodurch die vom Letzteren übernommene Gefahr vergrößert oder verändert wird, so ist ihm bei persönlicher Berhaftung für den daraus dem Bod­ mereigläubiger erwachsenden Schaden jede D. untersagt. Hat der Rheder dieselbe angeordnet, so wird auch er (während er sonst nur mit Schiff und Fracht einzu­ stehen hat) persönlich verpflichtet, ohne daß dadurch der Schiffer von der Haftung befreit würde. Und zwar spricht nach Deutschem R. die Präsumtion dafür, daß

wenn nach einer D. der Gläubiger auS den verbodmeten Gegenständen seine Be­ friedigung nicht erhält, dies« Thatsache die Folge der D. ist. 8) Bei der Versiche­ rung gehört eS zu den Pflichten de- Berficherten Richt- vorzunehmea, wodurch eine Vergrößerung oder Veränderung der dem Versicherer zur Last fallenden Gefahr herbeigeführt wird. Hieraus ergiebt sich gleichfalls daS Verbot der D. für den Berficherten mit der Wirkung, daß der Versicherer für die nach derselben einge­ tretene Gefahr nicht haftet. Freilich wird nach Deutschem R. hierzu vorausgesetzt, daß die D. von Einfluß auf den Unfall gewesen ist, während nach Englischem und Franzöfischem R. der Versicherer für die nach der D. auf der Reise eingetretrnen Unfälle überhaupt nicht hastet. Zu beachten ist noch, daß in Deutschland der Ausdruck D. nur bei den beiden letzten Recht-instituten gebraucht wird, in England aber auch bei dem ersten.

Gsgb. u. Lit: D. HGB. Art. 694, 696, 818. — Alla. Seeversicherung-»Bedingungen, 8 60. — Franz. Code de comm., art 351. — Belg. Code de comm. L. v. 21. Aug. 1879), art. 182. — LewiS, D. See-R., L S. 78 ff., H. S. 18 ff., 6. 264 ff. — Entsch. des ROHN. IV. Nr. 18. — Caamont, Dictionnaire unfrersel de droit maritime (Paris 1869), &»23 no. 247 es., p. 827 no. 284, p. 331 no. 315 es., p. 344 no. 402. — Goujet et" erger, Dictionnaire de droit commercial (3.Äusa. v. Ruben de Conder, Paris 1877), I. p. 508 ss. no. 277 p. 527 no. 385, p. 529 no. 394, p. 539 no. 455. p. 554 no. 540 ss., p. 560 no. 568, p. 577 no. 652, p. 588 no. 726. — Maclachlan, On the law merchant shipping (2. Äu8g. London 1876), p. 395 ss. — Arnould, On the law of marine In­ surance (4. AnSg. v. Maclachlan, London 1872), I. S. 413 ff. Lewis.

Devüle«e«ve, Joan Esprit Marie Pierre Lemoine, S 26. XII. 1790

zu

Mortain,

seit

1831

rdd.

en

chef

du

Recueil

göndral

de

Sirey,

t 11. HI. 1859.

, Er schrieb: Dict. du contentieux commercial et industriel (avec Massä), 6. öd. par G. Dutruc, 1875. Lit.: Carette in Rev. crit. de legisl. 15 (1859), p. 186. Teichmann. Devolutiv« (Th. I. S. 652, 660) bedeutet im Kan. R. im Allgemeinen den Uebergang der Besugniß zur Vornahme einer Handlung von dem kompetenten kirchlichen Beamten an die diesem vorgesetzte Instanz. Bon praktischer Bedeutung ist der Begriff für die Besetzung der kirchlichen Beaefizien und auf dem Gebiete deS ProzeffeS. In ersterer Hinficht gilt der Grundsatz, daß wenn der kollations­ berechtigte Beamte die Besetzung deS Amtes nicht den kanonischen Bestimmungen grmäß vornimmt (also z. B. die vorgeschriebene Frist nicht inne hält), iure devolutionis eine sog. provieio extraordinaria durch den nächst höheren Beamten erfolgt, so devolvirt z. B. daS Besetzungsrecht der vom Kapitel zu vergebmden Pfründen an den Bischof, der von diesem zu verleihenden Benefizien an den Erzbischof, und

der von letzterem zu konferirenden an den Papst. Für die Ausübung der devolvirten Befugniffe gilt der Grundsatz: devolutio fit cum qualitatibus et personis

quae erant in prima collatione, d. h. der außerordentlicher Weise eintretende Be­ amte ist an dieselben Regeln gebunden, wie der eigentlich Berechtigte, widrigenfalldie Besetzung von ihm an die nächst höhere Instanz devolvirt. — Für den Prozeß

Devatt — Diäten.

522 kommt mittel nächst waren e» die

der Begriff der D. bei den Rechtsmitteln znr Sprache. Devolutive Rechts­ toetben solche genannt, welche di, Sache zur Entscheidung an den vorgesetzte», höheren Richter bringen. Rach Kan. R. und nach dem Sem. Civ.Prz. die- die Appellation, resp. Ober-Appellation, nach der Deutschen EPO. find Berufung, Revision und Beschwerde.

Bit: Th. Kremaki, De jure devolutionia in providendis benefidis dies, inaugBerol. 1853. — P. Hinschiu», Kirchenrecht, Sb. 3 S. 167 ff. P. Hinschiu».

Devoti,

Giovanni, 6 1744 zu Rom, t als Titularerzbifchof von Kar­

thago, 1820.

Er schrieb: Jur. can. 1. V, Rom. 1803, 1827. — Inatit. can. 1. IV, Rom. 1781. Venet 1822. Leodii 1860. Bit.: Ersch u. Gruber. Teichmann.

Diako«at. In der apostolischen Zeit waren die Diakonen kirchliche Beamte, welche im Gegensatz zu den Bischöfen und Aeltesten mehr zu äußerlichen Funktionen, nammtlich bei der Feier deS Gottesdienstes, bei der Armen- und Krankenpflege und bei der BermbgenSverwaltung bestellt wurden, daneben aber auch zur Aushülse in der Lehre und Zucht gedient zu haben scheinen. Heute bildet derD. in der katholischen Kirche di« zweite von den fieben Stusm, auf denen die potestas ordinis (Lehr- und Weihegewalt) wirksam wird (presbyteri, diaconi, subdiaconi, acoluthi, exorcistae, lectores, ostiarii). Seine früheren Funktionen find indeß über die auf den fünf letzteren Stufen stehenden Kleriker vertheilt, die in ihrer Gesammtheit als sog. ministerium dem sacerdotium, d. h. den Bischöfen (vollendete» Priesterthum) und einfachen Priestern (abgeleitetes Priesterthum) zur Seite treten. Im Uebrigen beruht der D. ebenso wie der Pre»bhterat auf göttlicher Einsetzung, während die au» ihm abwärt» entwickelten Stufen lediglich Juris humani find, er wird demgemäß zu den ordines majores s. sacri ' gerechnet, hat nach Rechten und Pflichten alle damit verbundenen Folgen und legt insbesondere die unbedingte CölibatSverpflichtung auf. Die reformirte Kirche hat da» Institut der Diakonen (Pfleger) wieder belebt. Ihr Beruf ist die Armenpflege! Mit den Predigern und Aeltesten biU>en fie daS Presbyterium der Gemeinde. In dieser Gestalt sind fie bei den neuen BerfaffungSbildungen mehrfach auch in die lutherische Kirche übergegangen, die. abgesehen hiervon, den Namen Diakon nur als einen von der kirchlichen Qualifi­ kation unabhängigen Rangtitel der Geistlichen kennt.

Bit.: Richter-Dove, Kirchenrecht, §§ 8, 103, 161. — HinschiuS, Kirchenrecht, I. §1. — Friedberg, Kirchenrecht, § 51. — Phillips. Brhrb. bei Kirchenrecht», I. § 56. — Sickell, Gesch. de» Kirchenrecht», §§ 73 ff. — Lüning. Gesch. de» Kirchenrecht», I. 158. HübIer.

Diäte«. Die Frage, ob den Mitgliedern gesetzgebmder Körper für Seifeund Tageskosten eine Entschädigung gewährt werden solle, und wie dieselbe zu normiren sei, ist von der Gesetzgebung und Literatur in sehr verschiedmer Weise beantwortet worden. In England wurden zwar im Mittelalter den Mitgliedern de» Unterhauses seitens der Wahlkörperschaften gesetzlich bestimmte Entschädigungen gezahlt, seit dem 16. Jahrh, haben jedoch Aristokratie und Gentry allmählich daraus verzichtet, und seit der zweiten Revolution find D. in England unbekannt; ein Parlamentssitz, weit entfernt Einkünfte zu gewähren, nöthigt vielmehr bei der Bewerbung und während der Dauer zu umfassenden Ausgaben für Wahlbestechungen und gemein­ nützige Veranstaltungen des Wahlbezirk» (vgl. Nasse, Die soziale Zusammen­ setzung de» Haufe» der Gemeinen in der Ztfchr. f. d. ges. StaatSwissensch., Bd. XXII. [1866] S. 234 ff.). In Frankreich hat man mehrfach versucht, die Englische Einrichtung nach­ zuahmen, so in den Befassungen von 1814 und 1852, jedoch ohne dauernden Er-

Diäten.

528

folg. (Batbie, Trail» de droit public et administratif, T. III. [1863] p. 417 ss. Die Dictionnaires von Block geben keine näheren Aufschlüffe.) Bei Gelegenheit der Stiftung deS Norddeutschen Bundes ist dann das Englische System gegen die bisherige Deutsche Gewohnheit auch auf Deutschen Boden verpflanzt. Der Art. 29 des Entwurfes, „die Mitglieder deS Reichstages dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen", wurde zwar bei der ersten Lesung durch die mit wenigen Stimmen Majorität bewirkte Annahme eines gegentheiligen Amendements (Weber und v. Thür» en) verworfen. AIS aber bei der Schlußberathung die Regierungen von der Wiederherstellung dieser Bestimmung deS Entwurfs das Zustandekommen der ganzen Berfaffung abhängig machten (neben der Sicherstellung der HeereSrinrichtungeu), so erfolgte die Annahme der ursprünglichen Bestimmung (jetzt Art. 32) mit großer Majorität. Die in den Jahren 1868 und 1869 seitens des Abg. Waldeck gestellten Anträge auf BerfaffungSänderung im Sinne von D.zahlung find zwar beides Malk in der Schlußabstimmung mit sehr geringer Majorität verworfen worden (im Jahre 1869 war bei der ersten Abstimmung sogar eine Majorität für die Verfassungsänderung [109:94] vorhanden); der gleiche Antrag deS Abg. Schulze-Delitzsch in der Sesfion 1870 wurde wenigstens durch üebergang zur Tagesordnung erledigt; auch bei der Berathung über die Versailler Verträge wurden Reisekosten und D. ab­ gelehnt, ebenso bei der Berathung über die neueste Redaktion der RVrrf. 1871; dagegen ertheilte der Reichstag in derselben Sesfion am 20. April 1871 dem vom Abg. Schulze-Delitzsch eingebrachten Gesetzentwürfe, wonach von der nächsten Legislaturperiode ab D. und Reisekosten gezahlt werden sollte«, seine Zustimmung (mit 186:128 Stimmen), während der BundeSrath die seinige nach der Erklärung deS Präsidenten der Reichskanzleramts vom 20. Oktbr. 1871 einstimmig verweigert hat. Die in den Sessionen 1873, 1874, 1874/75, 1875/76, 1876 vom Abg. Schulze wiederum eingebrachtm Anträge aus Abänderung de» Art. 32 der R-Derf. haben dafielbe Schicksal gehabt. Da» Prinzip der D.lofigkeit ist jedoch insofern durchbrochen worden, al» einerseits sämmtlich«» ReichStagSabgeordneteu während der Dauer der Session, sowie acht Tage vor dem Beginn und acht Tage nach dem Schluß derselben auf sämmtlichen Deutschen Eisenbahnen freie Fahrt, und andererseits durch die ReichSgesche vom 23. Dezbr. 1874 und 1. Febr. 1876 den Mitgliedern der sog. ReichS-Justizkommisfion neben freier Eifenbahnfahrt je ein Betrag von 2400 Mark bewilligt worden ist. üebrigen» bietet der Art. 32 keine Hand­ habe dar, um die Annahme von Unterstützungen feiten» der Wählerschaft zu ver­ bieten (G. Meyer, Grundzüge des Nd. BundeSrechtS [1868], S. 99 ff.; Thudichum, VersaffungSrecht des Rd. Bunde» [1869], S. 208 ff.). Nach § 14 Art. 9 des Vertrag» vom 8. Juli 1867, die Fortdauer des Zoll- und Handels­ verein» betr., durften auch die Mitglieder des ZollparlamentS als solche keine Be­ soldung oder Entschädigung beziehen. Unter den Theoretikern ist e» John Stuart Mill, der sich in neuerer Zeit am entschiedensten gegen D. ausgesprochen hat, indem er sie unter Anderem ein immerwährende» Zugpflaster nennt, auf die übelsten Seiten der menschlichen Natur gelegt, und in der Steigerung zwischen JMton und dem Wursthändler bei Aristophane» ein treffendes Spottbild deffen erblickt, waS die Einführung von D. zur Folge haben Würde. (John Stuart Mill, On representative govemment, Chapt. X am Schluß.) Aehnlich Rößler, Studien zur Fortbildung der Preuß. Berfaffung, zweite Abth. (1864), S. 213: „Die drei Thaler reichen hin, die Kon­ kurrenz der Bewerber für jeden Abgeordnetensitz mit einer Menge Personen zu ver­ größern, die viel brffer dem Abgeordnetenhause fern blieben." Vgl. auch Tocque­ ville, De la ddmocratie en Amdrique, 14me 6dit. Paris 1864, T. II p. 13, 44 ss., 71 ss.', der das Verhältniß besoldeter Aemter zur Demokratie nach um* fasfenderen Gesichtspunkten erörtert.

524

Ditte».

In vielen Ländern werden wenigstens den Mtgliedem der ersten Kammer keine D. gezahlt. So insbesondere in Preußen laut Art. 68 der Verfassung; eS hatte indeffen die BerfaffungSkommission der Nationalversammlung für beide Kammer« D. verlangt, und bei der Revision wurden verschiedene Anträge gestellt, um den sämmtlichen Mitglickern der ersten Kammer, oder den gewählten oder den auswärtigen Mitgliedern derselben D. und Reisekosten zu bewilligen (v. Rönne, Berf.Urk., 3. Ausl. 1859, S. 140). So auch in Bayern nach Art. 30 deS Wahl­ gesetzes vom 4. Juni 1848. In anderen Ländern bezieht sich die D-lofigkeit der ersten Kammer nur auf gewisse Kategorien von Mitgliedern, in Sachsen (Berf.Urk. v. 1831 § 120) nur auf diejenigen, welche vermöge erblichen Rechts oder als Abgeordnete der Kapitel und der Universität erscheinen, nach der früheren Kurheff. Verfassung (Berf. v. 1831 § 69) nur aus die Prinzen deS Kurhauses und auf die StandeSherren. In noch anderen Ländern endlich erhalten alle Mitglieder der ersten Kammer D. und Reifekostm, fo in Württemberg (Berf.Urk. v. 1819 § 194), in der Rordamerikanifchen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft sowol hinsichtlich der Vertretung der Gesammtheit, als auch der Einzelstaaten, endlich in Frankreich (Rordamerikan. Unionsverfassung Art. I. Sect. 6 § 1; Rüttimann, DaS Rordamerikan. BundeSstaatSrecht verglichen mit den politischen Einrichtungen der Schweiz, Zürich 1867, Th. I. S. 164 ff.; Batbie a. a. O. III. 417 ff.; Loi organique snr les Slections des senateurs v. 2 Aug. 1875 art. 17, 26 bei Vuatrin et Batbie, Lois administratives, I. p. VIII ss.). . Dagegen werden regelmäßig den Mitgliedern der zweiten Kammer, oder in Kleinstaaten den Mitgliedern des Landtags überhaupt D. gewährt; doch wird in manchen Ländern die Zahlung von dem Umstande abhängig gemacht, daß die Mit­ glieder nicht an dem Orte der Versammlung selbst wohnen, so in Belgien (Vers.Urk. v. 1831 Art. 52); fo ferner in Bayern (Wahlges. v. 4. Juni 1848 Art. 30), in Sachsen- (Berf.Urk. v. 1831 § 120), in Württemberg (Berf.Urk. v. 1819 § 194), in Luxemburg (Bers.Ges. v. 1848 Art. 77); ein derartiger Antrag wurde auch bei der Revision der Preuß. Berf.Urk. von dem Plenum der ersten Kammer wiederholt angenommen, von der zweiten jedoch verworfen, die es nicht für ange­ messen hielt, in das Staatsgrundgesetz eine so sehr in das Detail gehende, nur wenige Personen treffende Bestimmung aufzunehmen, und auch materiell mit der Intention der ersten Kammer nicht einverstanden war, weil sie annahm, daß die Gleichstellung der Kammermitglieder unter sich wichtiger sei, als die durch jene Ausnahme zu erzielende geringe Ersparniß (v. Rönne, Vers.Urk., S- 166 ff.). In Altenburg (Grundges. v. 1831 § 246) und in Oldenburg (Rev. StaatSgrundgef. v. 22. Rovbr. 1852 Art. 164 § 2) erhalten die am Versammlungsorte wohn­ haften Abgeordneten die Hälfte der Tagegelder. Während in den meisten Ländern die Entschädigung in Tagegeldern gezahlt wird, die meist sehr mäßig bemeffen find, ein System, welches in Deutschland das ausschließliche ist (vgl. für Preußen Gesetz bett, die Reisekosten und D. der Mit­ glieder deS Hauses der Abgeordneten vom 30. März 1873), so ist dagegen neuer­ dings in Nordamerika und in Frankreich die Entschädigung in einer Pauschsumme fixirt. Dieselbe beläuft sich in Nordamerika feit 1866 auf 5000 Dollars, es werden zwar für Versäumnisse Abzüge gemacht, eS ist aöer dennoch vorgekommen, daß Jemandem, der sich erst am letzten Tage der Session präsentirte, 2000 Dollars auSgezahlt wurden; daneben werden Reiseentschädigungen gewährt, die zwar neuerdingS herabgesetzt, aber noch immer unverhältnißmäßig hoch find (Rüttimann, a. a. O., I. S. 164 ff.). In Frankreich betrug nach dem SenatuSkonsult vom 25. Dezbr. 1852 die Entschädigung für die Deputirten des corps fegislatif monat­ lich 2500 Francs während der Session; die Senatoren hatten ihr Amt lebensläng­ lich und erhielten jährliche Dotationen von 30000 Francs (Batbie, o. a. O.,

Diebstahl.

525

S. 417 ff.), welche jedoch durch die neueste Verfassungsänderung des Kaiserreichs für die künftig 3° ernennenden Senatoren auf die Hälfte ermäßigt wurden. Unter den theoretischen Vertheidigern drr D. mag Dahlmann hervorgehoben werden: „Sie verbürgen dem Volke, daß feine Wahlkammer dem bürgerlichen Verdienst auch ohne das Geleit des Reichthums offen steht. Mögen fie diesen oder jenen Untüchtigen anlocken, viel schlimmer doch, wenn in Ermanglung derselben am Ende der Mindestfordernde zum AbgeoÄneten gewählt würde" (Dahlmann, Politik, 2. Aust. 1847, S. 170). ES scheint sich allmählich die Empfindung geltend zu machen, daß man von beiden Seiten die Wichtigkeit der D.zahlung überschätzt, daß aber jedenfalls ein wirksames Korrektiv gegen allgemeines Wahlrecht in der D.lofigkeit nicht gesucht werden darf. Zur Ausführung des Art. 85 der Preußischen Ders.Urk., welcher den Mit­ gliedern deS Abgeordnetenhauses D. gewährt nach Maßgabe deS Gesetzes-, ist >daS Gesetz vom 30. März 1873 erlassen worden, indem man fich bis dahin mit einer bloßen Verwaltung-praxis begnügt hatte. Lit.: Einzelnes bei Zachariä, Deutsches Staats- u. Bundesrecht, 3. Ausl. 1863, L 659. — Zöpsl, Grdsätze, d. aem. Deutsche» StaatSrechtS, 5. Tust. 1863, IL 365. — Pözl, Art. „Abgeordnete" in Bluntschli'S Staats-Wört.B., I. 6 ff. — v. Rönne, Staatsrecht d. Preutz. Monarchie, L 2. (3. Ausl. 1870), S. 489 ff., 519 ff., 536; Derselbe, Staatsrecht des Deutschen Reichs, Bd. L (1876) S. 279. — Laband, Staatsrecht des Deutschen Reichs, Bd. I. (1876) S. 575 ff. — Milner, Zur Diätenfrage, Tübingen 1874, S. 175. — RauWagner, Lehrbuch d. Finanzwissenschaft, 7. Aufl. 1877, Bd. I. S. 224 ff. Ernst Meier.

Diebstahl: die in der Abficht rechtswidriger Zueignung einer fremden beweg­ lichen Sache erfolgende Wegnahme derselben aus fremder Jnnehabung. Die- der im RStrafG. ausgenommene Begriff. Dem im DolkSurtheile lebenden Begriff ent­ spricht eine andere Charakterifirung der diebischen Absicht. Dieselbe liegt hiernach nur dort vor, wo der Thäter fich oder Andere mittels rechtswidriger Zueignung der Sache bereichern wA. Der D. bildet die wichtigste Spezie» der zur Grupp« der Bereicherungsverbrechen (D., Unterschlagung, Eq>reffung, Raub, Hehlerei, Be­ trug, Untreue, in gewissem Sinne der betrügerische Bankerutt) gehörigen EigenthumSdelikte. Bon anderen Eigenthumsdelikten unterscheidet fich die Gruppe da­ durch, daß bei ihr der dem Verletzten entzogene BermögenSwerth den Interessen de» Thäter» dienstbar gemacht wird. Gegenstand desselben ist a) eine körperliche Sache. Daher da» furtum usus und furtum possessionis des Röm. R nicht zum D. im heutigen Sinne ge­ hören. Daher serner der sog. literarische D. von demselben zu unterscheiden ist. Dagegen ist an GaS ein D. möglich (anderer Meinung: Mittermaier, Temme, Osenbrüggen). b) Eine bewegliche Sache. Daher gehört daS heimliche Ab­ pflügen fremden Eigenthums nicht hierher. Dagegen kann die Pertinenz einer unbeweglichen Sache ebenso wie «fine zum Behuf deS D. erst beweglich gemachte Sache zweifellos Gegenstand deS D. fein. Der civilistische Begriff der beweglichen Sache ist hier einflußlos, c) Eine Sache von Tauschwerth? DaS RStrasGB. verneint die Frage. Dafür waren Sachsen, daS die Entwendung von Sachen „ohne SchätzungSwerth" unter besondere Bestimmungen zog (§ 330), Oesterreich und Württemberg (wenigstens nach der Praxis). Ferner gehört England hierher. Sonst pflegen die gesetzlichen Definitionen das Erforderniß zu verneinen, während sonstige Bestimmungen auf e» Hinweisen. Für daffelbe find unter Anderen Mit­ termaier, Temme, Heffter. Köstlin fordert eine besondere gelindere Strafe für den Fall feines Mangel». Gegen dasselbe find unter Anderen Geyer und Hälschner. d) Eine in fremdem Eigenthum befindliche Sache. Daher ist an herrenlosen Sachen kein D. möglich. Dahin gehören menschliche Leichen. Hinfichtlich der unbefugten Wegnahme von solchen s. § 168, hinsichtlich derjenigen

526

Diebstahl.

von Theilen einer Leiche s. § 867 des RStrasGB. An Werthgegenständen, welche der Leiche mitgegebea find, ist ein D. möglich. Bei der Beurtheilung einer be­ treffenden That tonnen möglicherweise die §§ 168 u. 242 in Betracht kommen. — Oesterreich behandelt Entwendungen aus Gräbern unter der BorauSsetzung gewinn­ süchtiger Abficht allgemein als D. An dem freien (nicht eingezäunten) Wild

und an Fischen in offenem Waffer existirt kein Eigenthum. Ein auSschließendeS Okkupation-recht ersetzt den Mangel deffelben nicht. In Betreff deS unbefugten Jagens f. §§ 292 ff., in Betreff deS unbefugten Fischens und Krebsens f. §§ 296 und 870, 4 des RStrasGB. ES fehlt hier auch an dem sab e zu besprechenden Erfordernis — Oesterreich zieht daS rechtswidrige Jagm aus offenem Felde und daS Fischen in fließendem Waffer ausdrücklich zum D. (§ 174 f; g). — Miteigen» thum an der Sache schließt die Möglichkeit eines D. hinsichtlich der dem Thäter nicht gehörigen Theile der Sache nicht aus, insofern diese sich nicht in der Jnne» habung deffelben befindet. — Die Eigenthumsfrage ist überall nach dem am Orte der That geltenden Privatrrcht zu entscheiden. ' e) Eine in fremder Jnnehabung

befindliche Sache. Ausgeschlossen ist daher die Sache, welche sich in Niemandes Jnnehabung befindet, wie die verlorene Sache. Die Merkmale einer solchen liegen vor, wenn der vorige Inhaber den Ort der Sache nicht mehr kennt, oder wenn ihm derselbe aus bleibende Weise unzugänglich geworden ist. — Ausgeschlossen ist ferner die Sache, welche fich in der Jnnehabung des Thäters selbst befindet. An ihr kann derselbe nur eine Unterschlagung begehen. In Fällen, wo eine äußere Beziehung zur Sache vor der That sowol bei dem Thäter, wie bei dem Verletzten vorhanden ist, muß bei der Frage, ob bei diesem oder bei jenem die Jnnehabung

der Sache Vorgelegen habe, vor Allem im Auge behalten werden, daß eS fich hier­ bei nicht um ein bloße» „Verhältniß physischer Nähe" oder um ein Verhältniß, „welches thatsächlich über die Sache zu verfügen" gestattet, handle. Die äußere,

für Wiffen und Wollen nicht existirende Möglichkeit einer Herrschaftsäußerung kommt bei dieser Frage nicht in Betracht. Selbst die für Wiffen und Willen existirende ist an fich nicht entscheidend. Eine solche ist vielmehr bei der AuSfühmng eines D. stets vorausgesetzt, kann daher den Begriff des letzteren nicht aus­ schließen. Dies kann nur rin Verhältniß des Thäters zur Sache, welches den

Charakter der Ausschließlichkeit hat. Nur dort, wo neben jenem ein unmittelbares Verhältniß des Berechtigten zur Sache, welches durch einen Eingriff in deffen Willenssphäre erst aufgehoben werden müßte, nicht besteht, entfällt die Möglichkeit eines D. Daher kann ein solcher an dem im offenen Felde stehenden Pfluge von beliebigen Dritten, die fich in der physischen Nähe deffelben befinden, auch von dem anwesenden Knechte, für welchen die Möglichkeit einer faktischen Herrschaftsäußerung in weit höherem Maße besteht als für den entfernten Eigenthümer, begangen wer­ den. Daher können Gäste im Wirthshaufe, Dienstboten, Arbeiter, Gefangene ic. an den ihnen zum Gebrauche verabreichten Gegenständen, obgleich sie eine faktische BerfügungSgewalt über dieselben haben, einen D- begehen. Anders, wenn ihnen betreffende Gegenstände speziell zur Verwahrung, unter besondere Obhut oder unter ausschließlichen Verschluß gegeben find. Vgl. dagegen Oppenhoff. Die Recht­ sprechung ist schwankend. Anderer Meinung find Köstlin, Berner; im Wesent­ lichen übereinstimmend Hälschner. — Auf die Rechtmäßigkeit der Jnnehabung kommt eS nicht an. Zur Handlung gehört: a) Die Wegnahme der Sache aus der fremden Jnnehabung. Daß fie durch eigenes Handanlegen feiten» deS Diebes erfolg«, ist nicht erforderlich. Daher die Kühe, welche aus fremder Wiese weiden, einen D. vermitteln können. Auch ist eS nicht wesentlich, daß der Besitz der Sache auf den Thäter übergehe, b) Eine Wegnahme gegen den Mllen des Inhabers. (Nach Hufnagel und Beseler macht die Einwilligung deS Inhabers diesen zum Ge­ hülfen deS D.) — Durch Täuschung herbeigeführte Einwilligung schließt ebenfalls

Diebstahl.

527

den D.Sbegriff auS. Desgleichen die sonst in Folge eine- Irrthums gegebene. Dagegen ist die Einwilligung eines Kinde-, Geisteskranken ic. gleichgültig. — Ob daS Stillschweigen des Inhabers als Zustimmung -u betrachten sei, ist quaestio facti. — Die Zustimmung deS Inhabers kommt übrigens überall nur in Betracht, insosern sie die Uebertragung de- Gewahrsams — dies Wort in dem oben sub e angegebenen Sinne genommen — wirklich umsaßt und nicht etwa ans ein bloßeJndieHaudnehmen der Sache, oder auf bloße Vorbereitungen der Wegnahme sich bezieht. — Die fragliche Bedeutung der Zustimmung toitb durch den Umstand, daß der Thäter dieselbe in rechtswidriger Absicht herbeigeführt hat, nicht aufgehoben. Anderer Meinung daS frühere Preuß. Ob.-Tri b. —Heimlichkeit der Wegnahme ist kein Erforderniß, wenn dieselbe nur erfolgt ohue Vergewaltigung deS Inhabers. — Die Zustimmung deS vom Inhaber verschiedenen EigenthümerS kommt bei der Frage, ob eine Wegnahme der Sache im Sinne deS Gesetzes vorliege, nicht in Betracht, c) Eine dolofe Wegnahme. Der Thäter muß daher wissen» daß die Sache sich in fremder Jnnchabung befinde. Die Meinung, daß dieselbe verloren oder derelinquirt sei, schließt den D.Sbegriff auS. Der Thäter muß ferner wiffen, daß er nicht mit Einwilligung deS Inhabers handle; ferner daß die Sache in fremdem Eigenthum stehe. Endlich muß er fich der Wegnahme selbst bewußt sein, d) Eine Wegnahme, welche in der Abficht erfolgt, die Sache „fich zuzueignen". Die Handlung muß also darauf gerichtet sein, dem Verletzten die Sache definitiv zu entziehen, und zu­ gleich darauf, sie dem Willen und den Jntereffen eine- Anderen in ausschließender Weife dienstbar zu machen. Dieser Andere braucht nicht nothwendig der Thäter selbst zu fein. D. ist hiernach au-geschloffen, wo die Handlung in der für die Sachbeschädigung charakteristischen Abficht erfolgt, dir Sache zu zerstören oder zu beschädigen (andererMeinung: Berner), oder in der Abficht, von der Sache Ge­ brauch zu machen oder Vortheil zu ziehen, ohne fie dem Berechtigten dauernd zu entfremden. Möglicherweise können hier die Merkmale de- BetmgeS vorliegen, oder die deS Römisch-rechtlichen „furtum um“. DaS letztere wird im RStrafGB. im Allgemeinen nicht mit Strafe bedroht. Ferner ist D- ausgeschloffen, wo die Abstcht darauf gerichtet ist, die Sache im Jntereffe des EigenthümerS zu verwerthen. Hierher gehört der sogen. „Futter-D.", welchen das RStrafGB. im § 370, 6 als Uebertretung behandelt. — Oesterreich stellt das in Frage stehende Erforderniß nicht auf. Statt deffen fordert eS, daß der Thäter um feines Vortheils willen handle, e) Eine Wegnahme, welche auf „rechtswidrige" Zueignung der Sache gerichtet ist. Daher ist daS Delikt ausgeschloffen, wo der Thäter in der Meinung handelte, der Eigenthümer fei damit einverstanden, daß er fich die Sache zueigne. Ist jener zur Zeit der That gegentheiliger Ansicht, so schützt ihn die etwa vorhandene Zustimmung deS EigenthümerS nach dem RStrafGB. nicht. Die von ihm gekannte Zustimmung schließt den D. dagegm auch dort auS, wo fie durch Vorspieglungen erschlichen war. — DaS in Frage stehende Erforderniß fehlt ferner, wenn der Thäter ein Recht aus die Sache hat oder zu haben glaubt. — DaS find die Merkmale deS D- nach dem RStrafGB. Daß die That in Gewinnsucht oder Habsucht ihren Grund habe oder überhaupt um materiellen Vortheils willen erfolge, wird von ihm nicht vorausgesetzt. Dagegen hat Oesterreich (ehedem Braunschweig und Ham­ burg) dieses Motiv in die Definition ausgenommen. Ebensowenig kommt eS nach dem RStrafGB, darauf an, daß die That aus eine Bereicherung deS Thäters oder Anderer auf Äoften des Bestohlenen gerichtet sei. Daher daS Vorhandensein oder die Leistung eine- AequivalenteS zur Zeit der That den D. nicht auSfchließt. ES kann also D. vorliegen, wenn die Wegnahme der Sache mit Rücksicht auf ein bestehendeS ForderungSrecht erfolgt, wenn nur die Sache nicht selbst den Gegenstand dieses Forderungsrechts bildet. Ferner im Fall eines rechtswidrigen Tausches ic. An­ derer Meinung: Hälfchner und die offiziellen Motive.

528

Aeüstuhl.

Der D. ist vollendet, sobald die Sache „weggenommen", also der Ver­ fügungsgewalt des vorigen Inhabers entzogen ist. Daß die hierdurch begründete faktische Herrschast deS Thäters eine bereits gesicherte sei, wird nicht vorausgesetzt. Andererseits ist nicht jcbeS Ergreifen oder Anfichnehmen der Sache zur Vollendung

genügend. Ebenso nicht jedes „loco movere“, die- insbesondere dort nicht, wo der Thäter zum Gebrauche der Sache (wie der Dienstbote bezüglich des HauSgerätheS) berechtigt oder verpflichtet war. Hinsichtlich deS Versuche- ist der Unterschied zwischen dem einsachen und dem der Begehung-Weise nach ausgezeichneten (schweren) D. wichtig. Bei jenem liegt ein Versuch vor, wenn mit der Wegnahme der Sache der Anfang gemacht ist. Diese Wegnahme aber vollzieht sich meist in einem einzigen Akte, so daß für den Begriff deS Versuchs hier nur eine beschränkte Anwendbarkeit besteht. Bei jenem schweren D. gehen dem Akte der Besitzergreifung vorbereitende Handlungen voraus, welche bereits die Merkmale deS strafbaren Versuchs haben, indem sie einen Theil deS gesetzlichen Thatbestandes der schweren D-Sarten zur Darstellung bringen. ES gilt dies nach dem RStrafGB. von dem in der Absicht zu stehlen erfolgenden „Einbruch", von dem in gleicher Absicht erfolgenden „Einsteigen", „Erbrechen von Behältnissen", „ordnungswidrigen Eröffnen" von Gebäuden oder umschlossenen Räumen, von Koffern ic. in Postgebäuden, auf öffentlichen Wegen u. f. f., und von der Aufhebung der nächtlichen Sicherheit deS Eigenthums im Sinne des § 243 N. 7. Nicht aber auch von dem Eingehen eines Bewaffneten in eine Wohnung zum Be­

hufe Stehlens. In den ersterwähnten Fällen liegt ein Versuch auch dann vor, wenn die Sache, neldje der Thäter zu stehlen beabsichtigt, an dem Orte der That nicht existirt. Zum Theil werden andere Ansichten hinsichtlich der Abgrenzung des D.SverfuchS vertreten von HLischner, Berner, Oppenhoff und dem vorm. Ober-Tribunal. Das RStrafGB. unterscheidet einfachen und schweren D. Die Mittel­ stufe deS D. mit erschwerenden Umständen, welche sich im Preuß. StrafGB. fand, ist von ihm nicht ausgenommen worden. Die Umstände, welche nach ihm den D. zu einem schweren machen, zeigen keinen gleichartigen Charakter. Bei den wichtigeren aber (vgl. N. 2, 3, 7 und bzw. 4) macht sich der Gesichtspunkt eines ordnungs­

widrigen, durch Gewalt oder List ermöglichten und auf eine besondere „Gefliffentlichkeit" und „Hartnäckigkeit" deS Thäters hinweisenden, Zugangs zur Sache

geltend. Bei allen ist vorauSzufetzen, daß sie dem Thäter zur Zeit der That als vorliegend bekannt find. ES gehören zum schweren D- (§ 243): 1) der Kirchen-D. Derselbe fetzt voraus a) eine in unmittelbarer Beziehung zum GotteSdienste stehende Sache, b) die Wegnahme derselben auS einem dem Gottesdienste feiner dauernden Bestimmung nach dienenden Gebäude, c) Kenntniß der Bestimmung deS Gebäudes und der Sache bei dem Schuldigen. Das Motiv der Auszeichnung dieses Falles liegt in der besonderen Schutzbedürftigkeit der in Frage stehenden Orte und Sachen sowie in der Mißachtung der religiösen Gefühle Anderer, welche die That charakterifirt. 2) Der mittels „Einbruchs, Einsteigens oder Erbrechens von Behältnissen begangene D.". Derselbe setzt voraus a) die Wegnahme einer Sache aus einem Gebäude oder umschloffenen Raume. Dem „Gebäude" ist eine feste Verbindung mit dem Boden wesentlich. Unter dem umschlossenen Raume ist ein

Stück der Bodenfläche zu verstehen, welches durch eine, den willkürlichen Eintritt erschwerende, dem Ueberschreiten, Durchschlüpfen ic. Hemmnisse entgegensetzende, Ein­ schließung abgegrenzt ist. „Umschloffen" ist nicht gleich „verschlossen". Aus Schiffe

ist die Bestimmung nicht ausgedehnt worden; b) den gewaltsamen Zugang zur Sache. Hinsichtlich deS „Einbruchs" und „EinsteigenS" f. die betreffenden Art. DaS RStrafGB. koordinirt denselben das Erbrechen von Behältnissen. Dasselbe muß innerhalb deS umschlossenen Raumes stattfinden. Unter „Behältniß" ist jeder die Sache allseitig deckende Verschluß zu verstehen; c) das Brechen oder Steigen

Diebstahl.

529

muß zum Behufe Stehlens erfolgt fein; d) dasselbe muß an sich als rechtswidrig erscheinen. 3) Der Nachschlüffeldiebstahl; dazu gehört a) die Eröffnung von Ge­

bäuden, umschloffcnen Räumen oder von innerhalb solcher sich findenden Behältniffen; b) als Mittel hierzu daS Oeffnen eines Schlöffe- mittels falscher Schlüffel oder anderer Werkzeuge, welche der zur Verfügung über betreffende Räumlichkeiten Berechtigte nicht dazu bestimmt hat, an Stelle von Schlüffeln zu fungiren. 4) Die Entwendung von Gegenständen der Beförderung mittels rechtswidriger Beseitigung des BerfchluffeS oder der BefestigungS- oder DerwahrungSmittel. Erforderlich ist hierbei a) daß die Sache „zum Reifegepäcke" oder zu anderen Gegenständen der

Beförderung gehöre; b) daß die Entwendung auf VerkehrSstraßen, innerhalb einer PostgebäudeS oder deS dazu gehörigen HofraumS oder innerhalb eines Bahnhofes erfolge; c) daß die Sache mittels AblöfenS der BefestigungS- oder Verwahrungs­

mittel oder mittels Anwendung falscher Schlüffel oder äquivalenter Werkzeuge ge­ stohlen wird. DaS Erbrechen von Behältniffen ist hierunter nicht begriffen. — Der Grund der Auszeichnung dieser Fälle liegt einerseits in der besonderen Schutzbedürftigkeit der in Frage stehenden Gegenstände, andererseits in der bei ihnen zu Tage tretenden „Gefliffentlichkeit" des Thäters (f. oben). 5) Der bewaffnete D. Derselbe setzt voraus: a) eine Waffe. Darunter ist hier wie beim Raube (§ 250, 1) ein gefährliches Werkzeug zu verstehen, welches fich unter den gegebenen Umständen alS Angriffs- oder als VertheidigungSmittel darstellt und als solches den Inhaber

der Sache von der Vertheidigung der bedrohten Interessen abzuschrecken vermag, b) Daß der Thäter oder einer der Theilnehmer die Waffe bei Begehung der That bei fich führe. DaS „Beifich führen" ist nicht identisch mit „Beifichhaben". JeneS liegt nur vor, wo die Gefahr eines Gebrauches entweder objektiv begründet ist, oder dem Inhaber der Sache nach Lage der Dinge als begründet erscheinen

tarnt. Ausgeschlossen ist der Fall, wo die Waffe erst nach der Vollendung deS D. ergriffen "wird. Daß fie während der ganzen Dauer des Unternehmens „geführt" werde, ist nicht erforderlich; c) der Qualifikationsgrund kann nur für diejenigen in Betracht kommen, welche von der Führung der Waffe Kenntniß hatten. — Der Grund der Waffenführung ist nach dem RStrafGB. gleichgülttg. Insbesondere ist nicht erforderlich, daß der Dieb fich mit der Waffe um deS beabsichtigten D. willen „versehen" habe. DaS Mottv der Auszeichnung dieses Falls liegt daher nicht in der „subjektiven Gefährlichkeit", aus welche ein absichtliches Mitnehmen der Waffe zum Behufe der Beseitigung etwaigen MderstandS hinweist, sondern in der objek» ttven Gefährlichkeit deS Führens von Waffen bei Begehung eines D. (b oben). Hiernach kommt diese Führung auch in Betracht, wenn die Waffe zur Ausführung deS D. selbst (wie die Flinte bei dem D. eingehegten WildeS) erforderlich war. 6) Die Begehung der That durch eine Diebsbande. Hierzu gehött: a) ein Zu­ sammenwirken Mehrerer bei der Ausführung deS D. Ein Zusammenwirken bei dem ApPrehenfionSakte selbst ist damit nicht vorausgesetzt; b) eine diesem Zu­ sammenwirken zu Grunde liegende Verbindung zur fortgesetzten Begehung von Raub oder D. Die Absicht muß dabei auf eine unbestimmte Zahl von betreffenden De­ likten gerichtet sein.'— DaS Motiv der Auszeichnung dieses Falles liegt einer­ seits in der Gefährlichkeit der zur Bande gehörigen Individuen, andererseits in der objekttvm Gefährlichkeit des Zusammenwirkens Mehrerer zur Vollführung deS Ver­ brechens. — Ohne Grund hat man angenommen, daß die Theilnehmer beim Banden-D. stets ohne Rücksicht aus die allgemeinen Grundsätze über Beihülfe alS „Thäter" zu bestrafen seien. 7) Der nächtliche D. Die Merkmale deffelben find: a) die Ausführung des D. in einem bewohnten Gebäude oder dem dazu gehörigen umschloffenen Raume, oder in einem bewohnten Schiffe. Ob zur Zeit der That Bewohner anwesend find, ist gleichgültig. „Bewohnt" ist ein Gebäude, welcheMenschen zum regelmäßigen Aufenthalte, wenigstens zur Nachtzeit, dient; b) die Ausführung der That „zur Nachtzeit". Diese beginnt mit btfli Eintritte der

v. Holtzendorff, Enc. II. RechtSlexikon I. 3. Aust.

34

530

Diebstahl.

Dunkelheit und endigt mit der Morgendämmerung. Der Begriff der Nachtzeit ist nicht identisch mit dem der „Nachtruhe" oder dem der „Schlafenszeit". Daher­ kommen hier die Gewohnheiten des Orts und der Gegend nicht in Betracht (anderer Meinung: vorm. Preuß. Ob.-Trib., v. Schwarze u. A.); c) ein der That vorausgehendes, mit Rücksicht auf dieselbe erfolgendes Einschleichen in das Gebäude oder Schiff, oder ein Sichverbergen innerhalb desselben. Bon ersterem ist nur dort zu reden, wo für den Eingehenden die Gefahr des Betroffenwerdens vorlag und der­ selbe bestrebt sein mußte und bestrebt war, eine Begegnung mit den Hausbewohnern zu vermeiden. — Das Motiv der Auszeichnung des nächtlichen D. liegt einerseits in der geringeren Sicherheit des Eigenthums und des Eigenthümers und der größeren Sicherheit des Diebes nach Eintritt der Dunkelheit und insbesondere nach Eintritt der Nachtruhe und der damit verbundenen Jsolirung, andererseits in der Geflissen­ heit rc. des Diebes, der den nächtlichen Abschluß der Wohnung und der dazu ge­ hörigen Räumlichkeiten in der in Rede stehenden Weise vereitelt. — Den Betrag des D. berücksichtigt das RStrafGB. bei der Abgrenzung des schweren D. (wie überhaupt in ausdrücklicher Weise) nicht. Es schließt sich darin dem Franz. StrafGB. an, während es zu dem Gem. R. und den meisten früheren Deutschen Partikulargesetzgebungen sowie zu dem Oesterr. StrafGB. in Gegensatz tritt. Die Strafe des einfachen D. ist Gefängniß, mit welchem der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verbunden werden kann. Die blos fakultative Androhung des letzteren rechtfertigt sich insbesondere mit Rücksicht darauf, daß das RStrafGB. weder eine Bereicherungsabsicht, noch ein eigennütziges Motiv als Erforderniß auf­ stellt. Bei der Ausmessung der Gefängnißstrafe ist vor Allem auf den Betrag des D. (d. i. den gemeinen Werth der gestohlenen Sache), insoweit derselbe für das Bewußtsein des Thäters existirte, Rücksicht zu nehmen. Ferner darauf, ob die Sache zu jener Klasse von Gegenständen gehöre, welche des strafrechtlichen Schutzes überhaupt oder gewissen Personen gegenüber besonders bedürftig sind, weil sie sich in ausreichendem Maße durch den Inhaber nicht behüten lassen (Ackergeräthschasten auf dem Felde, geschlagenes Holz im Walde, der Hausrath dem Gesinde gegenüber, während einer Feuers- oder Waffersnoth gefährdete oder geflüchtete Sachen rc. rc.). In der bisherigen Deutschen Strafgesetzgebung hatten dieselben beständig eine be­ sondere Berücksichtigung gefunden. Vgl. auch Oesterreich, § 174 a, e, f, g. 175 II. 176 II. b, c. Frankreich, 386, 88. Endlich ist der etwa freiwillig gebotene Ersatz als ein gewichtiger mildernder Umstand zu betrachten. Oesterreich behandelt denselben beim D. als allgemeinen Strafausschließungsgrund. — Die Strafe für den schweren D. ist, von dem Vorliegen mildernder Umstände abgesehen, Zuchthaus, neben welchem aus Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden kann. Bei der Strafbemessung kommen die oben beim einfachen D. erwähnten Momente auch hier­ in Betracht. Daneben ist darauf zu achten, in welchen Formen und in welchen Maßverhältnissen der Qualifikationsgrund, welcher einen betreffenden Fall zum schweren D. stempelt, zur Existenz gekommen ist. — Besondere, und zwar höhere Strafsätze stellt das RStrafGB. (§ 244) für den wiederholten Rückfall auf, weil beim D. wie bei den ihm verwandten Verbrechensarten „erfahrungsgemäß die Wiederholung auf einer eingewurzelten Neigung zu Eingriffen in fremdes Eigenthum beruht" (Motive). Vorausgesetzt wird dabei: 1) ein D., welcher sich unter die §§ 242 oder 243 subsumiren läßt. Ausgeschlossen ist daher u. A. der im § 370, 5 behandelte Mundraub. Auch ein Versuch sowie die Beihülfe zu einem D. ge­ nügt. 2) Eine frühere Bestrafung wegen D., Raubs, räuberischer Erpressung oder Hehlerei. Der Verbüßung steht der Erlaß der Strafe gleich. Die Verbüßung braucht nur theilweise erfolgt zu sein. Es muß ihr aber ein rechtskräftiges Urtheil zu Grunde liegen (anderer Meinung: Olshausen, vorm. Preuß. Ob.-Trib.). 3) Eine fernere Bestrafung wegen eines der genannten Delikte und zwar eines solchen, welches' zu dem früher bestraften im Verhältniß des Rückfalls steht. Vor-

Dreck — Dienstmiethe.

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ausgesetzt sind D. re. im Sinne des RStrafGB- (anderer Meinung: v. Schwarze, Olshausen u. A). 4) Daß die beiden Vorbestrafungen innerhalb der jetzt zum Deutschen Reiche gehörigen Länder erfolgt seien. 5) Daß der erste Rückfall im Mo­ mente der Begehung des neuen D. noch nicht (durch den Ablauf einer Frist von 10 Jahren seit dem Abschluß der letzten Vorbestrafung) verjährt sei. Einer besonderen Behandlung unterliegt die Entwendung von Nahrungs- und Genußmitteln von unbedeutendem Werthe zum alsbaldigen Verbrauche, welche den Uebertretungen eingereiht ist (§ 370, 5). Ferner der Holz-, Forst- und Feldfrevel. Diese finden sich in Spezialgesetzen normirt, welche durch das RStrafGB. ihre Geltung nicht verloren haben. Vgl. § 2 des EG. sowie ferner hinsichtlich solcher Sachen, welche dem Beuterechte unterworfen sind, § 128 des RMil.StrafGB. Endlich finden sich im RStrafGB. selbst besondere Bestimmungen hinsichtlich des Familien-D. § 247 nämlich schließt die Bestrafung der gegen den Ehegatten des Schuldigen sowie gegen Verwandte absteigender Linie begangenen D. aus. Die irrthümliche Annahme des Vorliegens eines solchen zum Strafausschließungsgrund erhobenen Verhältnisses hat die nämliche Wirkung wie dies Vorliegen selbst (anderer Meinung: Hälschner, Binding). § 247 macht ferner die Be­ strafung vom Anträge des Verletzten abhängig, wenn die That gegen Angehörige (§ 52 des Gesetzes), Vormünder oder Erzieher gerichtet ist. Desgleichen unter ge­ wissen Voraussetzungen bei D. der Lehrlinge und des Gesindes, welche gegen die Lehrherrm bzw. die Dienstherrschaft begangen werden, dann nämlich, wenn Sachen von unbedentendem Werthe gestohlen werden, und, was die D. des Gesindes betrifft, wenn das letztere sich in häuslicher Gemeinschaft mit dem Bestohlenen be­ findet. Bis zur Novelle von 1876 waren statt der letzterwähnten Fülle allgemein diejenigen D. als Antragsdelikte behandelt worden, welche gegen Personen gerichtet sind, in deren Lohn und Kost sich der Schuldige befindet. — „Begangen" ist ein D. gegen den Eigckrthümer der gestohlenen Sache.

Gsgb.: D. RStrafG. 88 242—245, 247, 248. - Oesterreich §§ 171-189, 460, 463466. — Ungarn §§ 333—343. — Belgien, art. 461—488. — Frankreich, art. 379—401. Lit.: Hälschner, System, II. — Köstlin, Abhandlungen. — v. Holtzendorff, Handbuch, III. 621—689, IV. 405—411 (Merkel). — v. Schwarze, Tas Verbrechen d. aus­ gezeichneten D. nach den neueren deutsch. Ges., Erl. 1863. — R. Temrne, Ueber den Betrag des D-, Erl. 1867. — Ullmann, Ueber den Dolus beim D., Mannh. 1870. — Carrara, Programma del corso di diritto criminale VI. — v. Wächter, Arch. des Krim.R., 1840 lVersuch). — Carrara, Prolusione sul momento consumativo nel furto, Lucca 1840. — Dr Hoff, Deutsche Strafrechtsztg. XI. (nächtl. D.). — Die Kommentare u. Lehrbücher. — Pezold, Deutsche Strafrechtspraxis, I. 255—272; II. (Zimmerte) 236—259, 278—280. — Binding, Die Normen und ihre Uebertretung, II. 550 ff. — v. Kries, Ueber den Begriff der Waffe und des gefährlichen Werkzeugs, Goltd. Arch. XXV.— Olshausen, Der Einfluß der Vorbestrafungen auf später zur Aburtheilung kommende Strafthaten. — Meves, Die Strafgesetz-Novelle, 214 ff. — Herzog, Ueber den Umfang der Antragsberechtigung in Fällen von Miteigenthum n. (Gerichtssaal XXVI.). Merke L

Dieck, Karl Friedr., S 27. VI. 1798 zu Calbe, 1826 a.o. Prof, in Halle, 1832 ord. Prof., f 25. II. 1847. Schriften. De crimine majest. apud Romanos, 1821. — Hist. Vers, über d. Krim.-R. d. Römer, 1822. — Grdriß. d. gern, in Deutschland geltenden Lehnrechts, 1823, 2. Aufl. 1827. — Geschichte, Alterthümern. Jnstit. d. deutschen Proz.R., 1826. — Literärgesch. d. langob. Lehnrechts, 1828. — Beitr. z. Lehre von d. Legitimation durch nachfolgende Ehe, 1832. — Ueber die Gewissensehe, 1838. — I)e tempore quo jus feud. Longob. in Germaniam translatum ibique receptum sit, 1843. Lit.: Schneider's Jahrbb. XL (1847), S. 381, 1120—1123. — Neuer Nekrolog XXV. 142. — ^>teffenhagen in d. Allg. Teutsch. Biogr. V. 117. Teichmann.

Dienstmiethe ist dasjenige Miethsverhältniß, dessen Gegenstand die Leistung von Arbeiten bildet. Diese Arbeiten können entweder als solche, einzeln, nach Art und Dauer, oder im Ganzen, nach Ziel und Ergebniß, als eine Gesammtleistung 34*

582

Dlenstutieche.

vermiethet werden. DaS erstere Geschäft nennen die Römer locatio conductio operanun, bei letztere locatio conductio operia (1. 51 § 1 D. loc. 19, 2. 1. 5 § 1 v. d. V. 8. 50, 16). Doch bezeichnen sie bei diesem als locator nicht dm Arbeiter, fonbetn den Arbeitgeber und faffm somit als Gegenstand nicht die Nutzung der Arbeitskraft, sondern die Sache auf, an oder auf welcher die Arbeit geleistet werden soll (z. B. insulam aedificandam loco, 1. 19 § 2 D. loc. 19, 2), ein Sprach­ gebrauch , der verfchieden erklärt wird (Degenkolb, Platzrecht und Miethe, S. 183 ff.), aber doch wol darauf zurückzuführen ist, daß bei den von StaatSwegen erfolgenden Lizitationm ebenfowol, wenn eS sich um Verpachtung eines Ackerfeldes, als wenn eS sich um Verdingung eines auszuführenden Baues handelte, der populus als locator, d. h. als Platzgeber und der Uebemehmer als conductor, d. h. als Verfammler von Arbeitern erschien (Mommsen, Röm. Staatsrecht, II. 2. Aust. S. 432, 441). Noch häufiger heißt der letztere operis redemtor. Bei­ spiele sür locatio operanun, die sich jedoch bei den Römern nur auf operas illi­ berales bezog und daher meist durch Sklavenmiethe (locatio rei) ersetzt wurde, bieten die Verträge mit Tagelöhnem und mit Gesinde; sür locatio operis die­ jenigen über Ausführung eines Baues (1. 22 § 2. 1. 30 § 3 D. loc.), über Trans­ port von Sachen oder Personen (1. 11 § 3. 1. 13 §§ 1, 2 D. eod.), über Aus­ bildung eines Lehrjungen (1. 13 §§ 3, 4 eod.), endlich über jede Bearbeitung von Stoffen, wie Tuch, Gold rc. (1. 13 §§ 5, 6 eod.). Geschäfte der letzteren Art sollen jedoch nach Justinian's Bestimmung als Kaufverträge betrachtet werden, wenn der Arbeiter auch den Stoff für die Bearbeitung zu liefern verspricht. Vgl. Gai III. 147. § 4 J. de loc. 3, 24. 1. 2 § 1 D. loc. 19, 1. UebrigenS kommen auch Sachmiethe und D. vereinigt vor, wenn z. B. der Transport auf einem bestimmten Platze oder in einem bestimmten Raume geschehen sott. Eine Form ist sür den D.vertrag weder nach Röm., noch nach Gem. R- vorgeschrieben. DaS Preuß. R. ordnet denselben dem allgemeineren Begriffe eines Vertrages «über Handlungen gegen Vergütigung unter und verlangt auch hier zur Klagbarkeit bei einem Objekte von über 150 Mark entweder schriftliche Form oder Leistung und Annahme der von dem einen Theile versprochenen Handlung (§§ 870 ff. A. LR. I. 11). Die Wirkung des Vertrages besteht im Allgemeinen in der Verpflichtung einerseits des VermietherS, die Dienste in der verabredeten Art und Zeit zu leisten, bzw. das be­ dungene Werk fertig herzustellen, und andererseits des Miethers, den Lohn in der festgesetzten, eventuell durch Sachverständige zu bestimmenden Höhe, im Zweifel je­ doch erst nach Empfang der Gegenleistung zu zahlen, sowie die etwa sonst ver­ sprochenen Gegenstände, wie Kost, Wohnung rc., zu gewähren. Dabei hat jeder Theil dem anderen nicht blos sür Arglist, sondern auch sür Nachläsfigkeit einzu­ stehen, und die Erfüllung dieser Verbindlichkeiten kann der locator mit einer actio locati, der conductor mit einer actio conducti erzwingen (1. 13 pr. bis §§ 4, 6. 1. 25 § 7 v. loc. 19, 2. 1. 14, 22 C. de loc. 4, 65). Im Einzelnen bleibt je­ doch zu bemerken, daß nach ausdrücklicher Bestimmung eine Schuld des VermietherS dann vorliegt, wenn er die bei ihm vorauszusetzende besondere Sachkenntniß entbehrt (1. 19 § 5 D. loc.), daß eS dagegen sehr zweifelhaft ist, inwieweit er auch sür eine Kulpa der von ihm angenommenen Gehülfen oder Vertreter zu hasten habe. Vorausgesetzt wird dabei der Fall, daß es ihm nach dem Sinne des Ver­ trages Überhaupt fteistand, dergleichen anzunehmen (1. 48 pr. v. loc.); denn ohne dies muß er natürlich jeden aus ihrer Annahme erwachsenden Schaden ersetzen (1.1. 19, 21, 23 D. pr. loc. 17, 2). Aber auch in jenem Falle wollen Manche (Puchta, Keller, Ubbelohde) den Arbeitnehmer für die Handlungen seiner Leute, wie für seine eigenen, einstehen lasten; und diese Anficht ist im Preuß. R. (§§ 929, 930, A. LR. I. 11) gesetzlich bestätigt. Gleichwol ist es den Grundsätzen des Röm. R. allein entsprechend, dem Schuldner hier, wie in anderen Fällen, nur dann eine Verantwortung aufzubürden, wenn er selbst, sei es auch nur bei der

DlfferenMschäst.

533

Auswahl der betreffenden Personen, eine Nachlässigkeit begangen hat (culpa in eligendo). So auch Windscheid, Goldschmidt «. A. m. wegen 1. 21 § 3 v. de neg. gest. 3, 5. 1. 10 § 1. 1. 11. 1. 20 v. comm. 13, 6. 1. 25 § 7 v. loc. Ander» für den Landtransportvertrag Deutsches HGB. Art. 400. Eine nachträg­ lich eintretende Unmöglichkeit der Dienstleistung bewirkt bei der D., wie beim Miethsverhältniß überhaupt, eine Auflösung deS Vertrages, so daß kein Theil dem anderen etwas zu leisten hat (1. 5 § 6 D. loc.). Eine solche Unmöglichkeit liegt aber nicht vor, wenn der Miether mit oder ohne Schuld fich außer Stande findet, die Dienste anzunehmen. Schwierigkeiten macht «Mich noch der Fall, wo das von dem Arbeiter gefertigte Werk vor der Uebergabe an den Besteller zufällig unter­ geht. Streng genommen hat hier der Arbeiter nicht erfüllt, weil t8 nicht bis zu der Ablieferung an den andern Theil (approbatio) gekommen ist (1. 62 D. loc.). Gleichwol wird ihm ein Anspruch auf die Gegenleistung gewährt, wenn das Werk vollendet und so beschaffen war, daß die Annahme nicht mit Grund hätte ver­ weigert werden können (1.1. 36, 37 eod.). Manche wollen danach auch einen An­ spruch auf theilweisen Lohn anerkennen, wenn daS Werk theilweise fertig war, wegen 1. 59, 33 eod. (ArndtS, Windscheid). Doch ist dies nur bei der Verein­ barung einer theilweisen Ablieferung (in pedes mensnrasve) gerechtfertigt (1.1. 36, 37 ciL 1. 10 pr. de leg. Rhod. 14, 2. Fr. Mommsen, Beiträge, III. S. 423 ff.). Ein eigenthümlicher Erlöschungsgrund liegt bei der Werkverdingung darin, daß btt Besteller wegen Ueberschreitung deS Kostenanschlags (1. 60 § 4 eod.), und nach Preuß. R. auch wegen Versäumniß der rechtzeitigen Ablieferung (§ 938, I. 11) zurücktreten darf. Regelmäßig aber endigt daS Verhältniß zwischen beiden Theilen durch die Abnahme deS Werkes. Nachher haftet der Verfertiger nur »och wegen Arglist (1. 24 pr. D. loc.), und wol wegen einer solchen Nachlässigkeit, deren Folgm für den Besteller unerkennbar waren. — Ueber neuere Anwendungen der D-, alS Gesindemiethe, Frachtgeschäft rc., s. die betr. Art. Bei gewiffen modernen Verhältniffen wird gestritten, ob man sie alS D. anfrhen dürfe; so namentlich bei den Leistungen de» LehrerS, deS ArzteS, deS Beamten und Aller, welche eine freie geistige Thätigkeit zu entfalten haben. Die Römer sahen dies« Beziehungen alS außerhalb deS RechtSgebirtS liegend an und gaben zur Einziehung deS Honorars eine extraordinaria cognitio (1. 4 D. de extraord. cogn. 50, 13). Heutzutage spricht man hier zwar ebenfalls nicht von D., sondern höchstens von Freidienstvertrag (Bluntschli) oder dergleichen, muß aber doch die Regeln über dieselbe, und zwar je nach dem Sinne deS Vertrages über operaram oder operis locatio analog zur Anwendung bringen. Berhällniffe, deren Natur ein freies RücktrittSrecht mit sich bringt, fallen unter daS Mandat. Im Preuß. R. bezieht fich letzteres nur auf die Ausführung von Rechtsgeschäften. All« jene anderen Verträge betreffen Handlungen gegen Vergütung (A. LR. I. 11, Abschn. 8). Quellen u. Bit.: f. in d. Art. Miethe. Außerdem speziell: Dankwardt in den Jahrbb. für Dogm. XIII. S. 299—380 und XIV. 6. 228—283. — Ueber die Verantwort­ lichkeit deS Schuldner» für seine Gehülfen: Goldschmidt in der Zeitschr. f. H.R., XVI. S. 287—382. — Ueber Zufall bei der Werkverdinguna: Bolze im Archiv f. civ. Prax., LVH. 6. 86-108. Eck.

Differenzgeschäst (Th. I. S. 537—538). Das D. ist ein Fixgeschäft, zu deffen Erfüllung von Seite deS Verkäufers nicht die Waare selbst geliefert, sondern nur die Diffrrmz zwischen dem vereinbarten KaufprHse und dem Markt- oder Börsenpreise (KurSwerth) bezahlt wird, welchen die behandelte Waare am Orte und zur Zeit der vereinbarten, aber nicht durch Waarenübergabe selbst zu leistenden Lieferung hat. (Ueber den Begriff Fixgeschäft f. d. Art. Fixgeschäft.) DaS D. kommt in zweifacher Art vor, nämlich so, daß vereinbarungsgemäß der Käufer, auch ohne daß der Verkäuser im Verzug ist, daS Recht haben soll, an einem bestimmten Tage (dem Stichtage) wählen zu dürfen, ob er die reale Warenlieferung oder nur die

584

WtlMtfftüt

Differenz im angedeuteten Sinne empfangen wolle (Verbindung eines eigentlichen Fixgeschäfts und eines teilten $>.), oder so, daß er lediglich die Differenz fordern dürfe, so daß also die Waarenlieserung, wenngleich sie regelmäßig Paktirt erscheint (s. Lohn, a. a. O. S. 12), höchstens zum Schein in den Schlußnote« oder Korrespondenzen erwähnt, aber von keinem Theil wirklich gemeint ist (eigent­ liches, reines D.). Dar letztere ist in der Regel als alternativ-bedingtes Ge­ schäft abgeschloffen und besteht in der Vereinbarung zweier Kontrahenten, A und B, daß, wenn eine bestimmte Waare unter den Preis (d. i. den Kurs am Schluß­ tage) fallen wird, A dem B die durch dieses Fallen entstandene Differenz, berechnet für die bestimmte, vereinbarte Waarenquantität, zu zahlen hat, andernfalls aber B dem A den entsprechenden Betrag, um welchen dieselbe gestiegen ist. Dieses Geschäft kommt thatsächlich nur bei solchen Waaren vor, welche einen Markt- oder Börsenpreis haben, am häufigsten im Effektenhandel, aber auch im Produktengefchäft. Außerdem wird auch ein Fixgeschäft, befielt Erfüllung in Folge deS Verzugs des Verkäufers faktisch durch Zahlung der Differenz (Art. 357 Abs. 3 des A. Deutschen HGB.) herbeigeführt wird, zum D. (im uneigentlichen, thatsächlichen, aber nicht juristischen Sinne). Von den Prämiengeschäften ist daS wirkliche D. wesent­ lich verschieden, wenngleich erstere oft D. und beide ohne Unterscheidung „Börsen­ geschäfte" genannt werden; denn die Differenz ist ein durch die objektiven Kurs­ verhältnisse festgestellter Betrag, welchen ein Kontrahent anstatt irgend einer Real­ erfüllung dem anderen Kontrahenten zu entrichten hat, die Prämie aber ist ein durch den subjektiven Vertragswillen der Parteien festgesetztes Aequivalent, welches der eine Kontrahent dem anderen für die Ausübung oder das Zugeständniß eines daS Wesen eines LieferungS- (oder auch anderen) Vertrags betreffenden Wahlrechts zu bezahlen hat, f. die Art. Prämiengeschäft, Rochgeschäft, Stell­ geschäft, Zweiprämiengefchäft und Gareis im Arch. f.W.R. undH.R., Bd. XVIII. 1869, S. 148 ff., insbesondere S. 170 Not. 83. Ueber die juristische Natur und namentlich die Klagbarkeit der D. wird außerordentlich viel gestritten. Man hat das reine D. einerseits als bloße Lotterie aufgefaßt (s. NebeniuS, Der öffentliche Kredit, §§ 11 u. 12), oder als verbotenes Spiel (f. v. Gönner, Staatsschulden rc.) und dessen Klagbarkeit un­ bedingt in Abrede gestellt. Andererseits erklärte man es als Hoffnungskauf (f. Ehr mann, Rechtliche Anfichten über den vielbesprochenen Handel mit Staats­ papieren, § 16), als durch Gewohnheitsrecht klagbar gewordenes Geschäft (Der­ selbe, § 17), als Wette überhaupt und KurSwette insbesondere, dann als eine eigene Art von „gewagten Geschäften" und behauptete dessen Klagbarkeit wenigstens für den Fall, daß die Differenzbeträge nicht übermäßig hoch find. Ueber alle diese Anfichtm s. Bender, Verkehr mit Staatspapieren, §§ 86—89. Die Klagbarkeit derD. vertritt Malß in Goldschmidt'S Zeitschr. s. H.R., Bd. IV. S. 1-12 und hierzu S. 119—121, und Endemann, H.R , §§ 119—121, ferner ein Erkenntniß deS O.A.G. zu Berlin vom 18. Novbr. 1868, welches das D. scharf von Spiel und Wette scheidet und die sofortige Realifirung der Differenz ohne vorherigen Verkauf als zuläffig erklärt (eit Zeitschr Bd XVIII. S. 280 sowie ein Erkenntniß des H.A.G. zu Nürnberg vom 22. April 1870, ebendas. S. 282). Das reine D. wird als verbotenes Spiel ausgefaßt in der eben eit. Zeitschr. Bd. I. S. 315, als klagbar aber, wenn der Andruck „liefern" im Vertragsabschlüsse vorkommt, da eS an der Sache dann Nichts ändert^ kann, wenn fich die Parteien bei Ordnung des LieserungSgefchäftS mit der Zahlung der Preisdifferenz begnügen (ebenda Bd. I. S. 316—317); nach einer anderen Anficht wird zur Einklagung der Differenz für nothwendig gehalten, daß der Verkäufer die Sachlieferung am Stichtage angeboten habe, es müßte denn fein, daß der Verkäufer schon vorher erklärte, er könne nicht empfangen (ebenda Bd. I. S. 317—320). Das Engl. R. s. bei Bender, a. a. O.

Dtssesstv«.

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S. 425, und da- Franz. R. ebenda S. 425 —427 und die eben eit. Zeitschr. Bd. I. S. 325—332. DaS Rhein. BGB. ebenda Bd. XVIII. S. 281. — Da da- Deutsche HGB. oder sonstige- Reichsrecht keine Bestimmungen über die Gültig­ keit und Klagbarkeit der D- enthält, hängt die Annahme dieser Eigenschaften von den einzelnen Landrechten (eventuell dem (Bern. R) ab; hiernach ergiebt sich, daß D- nach Franz, und Rhein.-franz. R. ungültig (f. ROHG-, Entsch., Bd. XIV. S. 275—276), nach Franks, (ebenda Bd. XV. S. 278), Oesterr. (s. Bürsengesetz vom 1. April 1875, §§ 12 ff.) und Sächs. R. (ROHG., Bd. XVII. S. 322) aber gültig (über Preußen vgl. ROHG., Entsch., Bd. I. S. 93, Bd. IX. S- 203). Auf das reine D. kann Art. 357 de- HGB. keine Anwendung finden (ROHGB., Entsch., Bd. VI. S. 224, Bd. IX. S. 201, Bd. XIV. S. 274).

Lit.: Thöl, Verkehr mit Staatspapierea, § 11, H.R. 8 90. — Bender, a. a. O §§ 94 , 95. — Ladenbura in Goldschmrdt's eit. Ztschr. Bd. ÜI. S. 417 -424. — Endemann, H.R., 6. 603. — Brinckmann, H.R., 6. 361 ff. — Gab, H.R., S. 252 n. 257 ff. — Otto Michaelis, Die wirthschaftliche Rolle des Spekulationshandels, in Fauch er's u. Michaelis' V.J.Schr. f. Volkswirthschaft u. Kulturgesch., Bd. II—IV, Berlin 1864—1865. — Gustav Cohn, Zeit- u. Differenzgeschäfte, Dessert., Jena 1867 u. die dort, namentlich S. 14 ff. eit. Lit. — Keyßner, HGB. 1878 (2. Aust.), S. 385. 0 a * e i 8.

Disfesstou

(v. Bar, Suppl. Th. I. S. 49—50), d. h. die Ableugnung der Echt­ heit einer Urkunde, welche nach Gemeinem Prozeß, um wirksam zu sein, eidlich erhärtet werden mußte. Diese, der sog. D.-eid ging dahin, daß die betreffende Urkunde weder von dem Aussteller selbst, noch auch mit deffen Wiffen und Willen Namens seiner von einer anderm Person ausgestellt sei. Die Ableistung de- Eides hatte die Folge, daß die Urkunde als unecht galt, während bei der Verweigerung deffelbm der Be­ weis der Echtheit erbracht war. Den D.Seid als Mittel der Feststellung der Echtheit, resp. Unechtheit einer Urkunde konnte die beweisführende Partei sofort oder auch erst nach mißlungenem Echtheitsbeweise von dem Prozeßgegner ver­ langen. Ob die Urkunde von dem letzteren oder einem Dritten herrührt, war gleichgülttg, während man darüber stritt, ob der Eid blo» bei Privaturkunden oder auch bei öffentlichen Urkunden Anwendung fand. DaS Römische, Kanonische und Altgermanische Verfahren kannte den D.Seid nicht. Er war ein Erzeugniß der Italienischen Doktrin, welche annahm, daß die Schrift wegen der auf daS Falsum gefetzten Strafen an und für fich eine gewisse Vermuthung der Echtheit begründe und diese durch einen vom Richter aufzuerlegenden Eid widerlegt werden müffe. In Deutschland hat man diese Theorie mit dem Altgermanischen EnttedungSeide in Verbindung gebracht und ist auf diese Weise zu dem Gebrauch deS D.SeideS ge­ langt. Er war demnach weder ein ReinigungS-, noch ein SchiedS», noch ein Ge­ fährdeeid, hatte vielmehr eine selbständige Natur. Trotz der hinfichtlich dieser letzteren Punktes obwaltenden Meinungsverschiedenheiten war man darüber einig, daß er nicht zurückgeschoben und nur durch sofortigen anderweitigen Beweis der Unechtheit abgewehrt werden konnte. Während noch die Deutschen Partikulargeseh» gedungen (z. B. die Preuß. Allg. GO. von 1793, Th. I. Tit. 10, §§ 134 ff.) bis zur Hannov. Prz.O. §§ 328 ff.) meistens den D.Seid ebenfalls auS dem Ge­ meinen Prozeß herübergenommen haben, hat schon der Code civ. den D.Seid ver­ worfen und neben den übrigen Mitteln für den Beweis der Echtheit nur den Gebrauch deS Schiedseides gestattet (art. 1360). Mit demselben stimmt die Deutsche CPO. überein. Diese erwähnt ebensowenig deS D.Seides, erklärt vielmehr nur, daß die Echtheit der Urkunden (mit den gewöhnlichen Mitteln) zu beweisen ist (8 405).

Lit.: Ortlofs, Jurist. Abhandlungen, ®. 1 ff. — Strippelmann, Gerichtseid, Bd. HL S. 261 ff. — Zimmermann, Der Glaubenseid, S. 384. — Bolgiano, Zur Lehre vom Tiffessionseid im Arch. f. civ. Prax., Bd. LV. S. 419. P. Hinfchius.

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StartflOThtffai — DtSkantO.

SMUltitlitl (litterae dimissoriae ober dimissoriales) find Erklärungen deS kompetenten Geistlichen, wodurch er die Berechtigung, eine Amtshandlung vor­ zunehmen, auf einen andere« Geistlichen überträgt, namentlich 1) diejenigen Zeug­ nisse über die Qualifikation des Weihekandidatea, welche der zur Ordination kom­ petente Bischof (Th. I. S. 648) unter gleichzeitiger Uebertragung, resp. Delegation feiner Befugniß auSstellt, wenn der Ordinirende die Weihen durch einen inkom­ petenten Bischof empfangen will; ferner 2) die Urkunde, wodurch der zur Entgegen­ nahme des ehelichen Konsenses berechtigte Pfarrer (f. a. a. O. S. 668) unter Attestirung des erfolgten Aufgebotes feine dieSfallfigen Befugnisse einem anderen Pfarrer überträgt. In der protestantischen Kirche kommen namentlich D. der letzteren Art vor, nur geht hier die Uebertragung auf die Vornahme der Trauung. Nach dem Vorbilde der kirchlichen D. gestattet das Deutsche Reichsperfonenstandesgefetz vom 6. Februar 1875, § 43, dem zuständigen Standesbeamten durch schrift­ liche Ermächtigung die Befugniß zur Vornahme der Eheschließung auch auf einen anderen Standesbeamten zu übertragen. P Hinfchius. DiuuS, 6 in Mugello bei Florenz, lehrte zu Pistoja, Bologna und Neapel, t 1298 (1303?). Thätig bei Abfassung deS Liber Sextus (Regulae Juris). Schriften: Ueber die röm. Rechtsquellen. — De act, Bonon. 1495. — De reg. jur. in Sexte, Rom. 1472. — De praescript, Lugd. 1519, 1567. — De 1° et II0 decreto. — De Interesse, Lugd. 1549 (Tract). — De ordine Jüdin. — De praesumtt., Colon. 1576. — Modus arguendi, Lugd. 1519. — Consilia, 1492. — Quaestiones. — Singularis, Lugd. 1570. — Tract quartarum. — De cumul. actionum. — Tract. dictionum, substitutionuni. Bit.: Savigny, V. 447—464. — Schunck, Jahrbb., XII. 242 , 243. — Schulte, Gefch., n. 176. — Kodiere, Les grands jurisconsultes, p. 209. — Bethmann-Hollweg, VT. 79. — de Wal, 21. Teichmann.

Dirkfen, Heinrich Eduard, s 13. IX. 1790 zu Königsberg, wurde 1817 ord. Prof, in Königsberg, 1825 Geh. Justizrath, fiedelte später nach Berlin über, wo er als Prof, honor. lehrte. 1841 zum Mitglied d. Berliner Akad. erwählt, 1849 als Kommissar zur Konstituirung eines Bundesschiedsgerichts nach Erfurt deputirt, 1862 von mehreren Universitäten zum Ehrendoktor ernannt, t 10. II. 1868. Schriften Obs. ad sei. leg. Galliae Cisalpinae capita, Berol. 1812. — Civ. Abh., Berl. 1820, 1821. — Ders z. Kritik u. Ausleg. d. Quellen d. R. R., Leipz. 1823. — Ueber­ sicht d. bish. Verf. z. Kritik u. Herstell, d. Textes d. zwölf Tafelsragm., Leipz. 1824. — Beitr. t Kunde d. R. R., Leipz. 1825. — Shst. d. jur. Lexikographie, Leipz. 1834. — Manuale atinitatis fontium jur. civ. Rom., Berol. 1837—39. — Verm. Schriften, Berl. 1841. — Ueber d. Verdienstlichkeit meth. Sprachforsch., Berl. 1855. — Beitr. z. Ausl. d. Urk. v. Salvensa, Berl. 1856. — Der Rechtsgel. u. Taktiker Paternus, Berl. 1856. — Die r.-r. Quellen d. Magister Dosttheus, Berl. 1857. — Die Quellen d. r.-r. Theorie d. Auslöf. der in fremde Gefangenschaft gerathenen Personen, Berl. 1858. — Die r.-r. Mitth. in des Tacitus Geschichts­ büchern, Berl. 1860 (vgl. Liste bei Sanio, 113—119). — D.'s hinterlass. Schr., herausg. v. Sanio, Leip. 1871. Lit.: Sanio, Zur Erinn. an D., Leipz. 1870. — Rivi er in R. hist. 1869, p. 255. — Arch. giur., VI. 586—588. — Muther in d. Allg. Deutsch. Biogr. V. 253. Teichmann.

Diskonto ist der Abzug, welchen der Erwerber eines unverzinslichen Werth« Papieres nur deshalb macht, weil daffelbe später fällig ist. Diese Entschädigung für Vorausbezahlung deS Betrages besteht in Prozenten des Betrages und unterscheidet sich dadurch vom Interusurium (vergl. diesen Art.). Der D. wird für soviel Tage berechnet, als zwischen dem Tage deS Erwerbes und dem Tage der Fälligkeit liegen. Dabei nimmt man daS Jahr zu 360 und den Monat zu 30 Tagen an. Die Höhe deS D. wechselt nach den Verhältnissen deS Geldmarktes. In der Regel ist der D. niedriger als der Zinsfuß. Am Häufigsten findet D. bei der Begebung von Wech­ seln statt. Deshalb versteht man unter dem Diskontiren eines Wechsels: besten Erwerb unter Abzug deS D. Handelt es sich nicht um die Erwerbung einer un­ verzinslichen Forderung, sondern leistet der Schuldner selbst seinem Gläubiger vor

Dismembrationen.

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dem Verfalltage Zahlung, so ist er «ach Art. 334 der HGB. nicht berechtigt, ohne EmwMgung deS Gläubigers D. abzuziehen, insofern nicht llebereinkunst oder Han­ delsgebrauch ihn dazu ermächtigen. In dem Erkenntniß bei Busch, Archiv, Bd. 21 S. 458 wird ausgeführt, daß D. auch bei einer verzinslichen Forderung Vorkommen kann. Ueber die Frage: ob Diskontiren ein Handelsgeschäft? vergl. Busch, Archiv, Bd. 4 S. 464.

Lit.: Thöl, H.R., 1875 § 28 Nr. 3, §§ 254 u. 265. — Sndemann, DaS D. H.»-, § 92 I. C. 5, § 107 IV. A. n. § 109 B. 2. WeiSke'S R.Slexikon, Bd. S 6. 47, Bd.« e. 55. — Busch, Archiv, Bd. 15 G. 434. v. Kräwel.

Di8»emtratt«rre». In dem vollen und freien Privateigenthum an Grund und Boden ist an sich kraft deS EigenthumSbegriffeS die Befugniß enthalte«, die Dismembration (Parzelliruag, Zertrümmerung, Zerschlagung, Zerstückelung) eines Grundstücks vorzunehmen, mag nun daS bisher als wirthschaftlicheS Ganze behan­ delte Gut völlig aufgelöst oder in mehrere kleinere Güter zerlegt oder nur um ein­ zelne abveräußerte Trennstücke verkleinert werden. DaS Röm. R-, welches den Be­ griff deS PrivateigenthumS auch an Grund und Boden rein durchführt, kennt daher Beschränkungen der Bodentheilungen nicht. Anders mußte sich dies im älteren Deutschen R. gestalten, in welchem daS Grundeigenthum die Doppelnatur eines politischen Rechts und eines Privatrechts hatte, mit HerrschaftS» und AbhängigkeitSverhältniffen aller Art verknüpft war und in den verschiedensten Stufen des ab­ hängigen oder freien BefitzrechteS zur Erscheinung kam. Wenn auch ein objektiver RechtSfatz, der prinzipiell die Untheilbarkeit ausgesprochen hätte, nicht existirte, so waren eS doch nicht Sitte und Herkommen allein, welche die Theilungen erschwerten. Vielmehr wurde durch die konkreten Rechtsverhältnisse, durch die Gemeindeverfaffung, durch das Recht der Familie, durch die Rechte der Gmnd-, Gerichts- und Lehns­ herren, durch die mit den einzelnen Grundstücken verbundenen öffentlichen Gewalt­ rechte, Aemter und Lasten in einer im Einzelnen sehr mannigfachen Weise die Theilung erschwert, an höhere BewWgungen gebunden oder gänzlich auSgeschloffen. In demselben Grade indeß, in welchem daS privatrechtliche Element des GrundeigenthumS über daS öffentlich-rechtliche siegte, durchbrach auch der Grundsatz der freien Theilbarkeit die allen Schranken; und seitdem die politische Seite deS altm Grundeigenthum» völlig abgelöst und in den politischen Territorialrechten selbständig geworden ist, hat sich im Allgemeinen da» zurückgebliebene Privateigenthum im Sinne vollkommen freier VerfügungSbefugniß entwickelt. Die freie Theilbarkeit rief freilich eine Reaktion der dadurch in ihrer materiellen MachtbafiS gefährdeten Stände hervor, und eS ist dem hohen Adel durch feine Hausgesetze, dem niederen Adel durch daS Institut der Familienfideikommiffe gelungen, sich die Möglichkeit zu retten, einzelne Güter dauernd der Theilung zu entziehen. Aber dann beruht eben die Untheilbarkeit auf einer besonderen, durch Ausdehnung der PrivatwillenSmacht er­ möglichten Verfügung für den konkreten Fall, nicht auf einem allgemeinen RechtSfatz. Rur allein daS Recht der Bauergüter hat eine andere Entwicklung genommen, indem feit dem 16. Jahrhundert die erstarkende Staatsgewalt theils auS fiskalischen Motiven, theil» zum Schutze gutsherrlicher Jntereffen, theils in dem Streben nach Erhaltung eines kräftigen Bauernstandes der auch hier vordringenden freien Theil­ barkeit durch Gesetze entgegenwirkte, wobei die vorhandenen Institute als An­ knüpfungspunkte dienten und die Sitte und Standesrichtung der Bauern selbst unterstützend wirkte. 'So wurde in vielen Gegenden die sog. „Geschloffenheit" nicht nur für abhängige, sondern auch für völlig freie bäuerliche Güter eingeführt und für die durch die neuen AblösungSgefetze frei gemachten beibehalten, und sie gilt noch heute nach einer Reihe Deutscher Partikularrechte als objektives Recht. Wo eine solche Geschloffenheit besteht» ist entweder jede Abtrennung eines GutStheilS mit Ausnahme gewißer Stücke („walzende Aecker") verboten, oder eS darf doch daS Gut durch Theilungen nicht unter ein Minimum deS Umfanges (z. B. 60 Kasseler

Weder bei den Meiergütern der Grafschaft Schaumburg) herabgebracht werden. Eine verbotswidrige Theilung ist nichtig und giebt dem Stellenbefitzer resp, der GutSherrschast, nach der strengerm Ansicht auch dem Veräußerer selbst und feinen Erben. daS Recht der Mndikation gegen jeden dritten Besitzer. Man nennt die Vindikation in dieser Anwmdüng die ReunionSklage. In der Regel hat übrigens der Verklagte einen Ersatzanspruch wegen des gezahlten Kaufpreises und der Beffemngen. Die Dispensation von dem TheilungSverbot steht der Staats- oder Gemeindebehörde (nur wo lediglich daS Interesse des Gutsherm Grund der Untheilbarkeit ist, diesem) zu. Von selbst versteht es sich, daß der Geschlossenheit immer auch Besonderheiten der bäuerlichm Erbfolge oder doch der ErbauSeinandersetzung zur Verhütung von Erbtheilungen zur Seite stehen müssen. DaS Prinzip der Untheilbarkeit ist in unserem Jahrhundert der Gegenstand eines noch nicht beendeten Streites geworden, der besonders unter den National­ ökonomen aus daS Lebhafteste geführt wird. Von politischen, wirthschastlichen und juristischen Gesichtspunkten auS angefochten, ist eS in neuerer und neuester Zeit von vielen Gesetzgebungen ausgegebm worden. Namentlich hat Prmßen konsequent diese Richtung verfolgt und schon durch die Landeskulturedikte vom 9. Oktbr. 1807 und 14. Septbr. 1811 die Theilungsverbote ausgehoben, ja das Prinzip der freien Theilbarkeit in die Bers.Urk. ausgenommen (Art. 42) und nach 1866 dasselbe auch in den neuen Provinzen durchgesührt (Verordn, vom 13. Mai 1867 für Kurhessen, vom 2. Septbr, 1867 für andere Gebietstheile). Aehnlich die Gesetzgebung von Hessen-Darmstadt (1811, 1857 und 1866), Bayern (seit 1825), Württemberg (1812), Baden (doch nach Gesetz vom 6. April 1854 keine Theilungen über ein gewisses Maß), Gotha (Gesetz vom 14. März 1873) u. s. w, Wo nun aber die unbeschränkte Theilbarkeit deS Grundeigenthums gilt, pflegen doch für Parzellirungen besondere Förmlichkeiten vorgeschrieben zu sein, um die Rechte deS Staates und der Realgläubiger ficherzustellen und künftigen Streitigkeiten vorzubeugen. So verlangten das Preuß. Gesetz vom 3. Jan. 1845, bett, die Zerstückelung von Grundstücken, und das ErgänzungSgeseh vom 24. Mai 1853 gerichtliche Form, Anwesenheit deS Richters bei Versteigerungen und zwangsweise Befitztitelberichtigung, schrieben auch den Versuch einer gerichtlichen Regulirung mit den Realberechtigten vor, während die früher geforderte vorgängige Regulirung deS Abgabenwesens und der Hypotheken und Reallasten nur noch für den Fall der öffentlichen Versteigerung nothwendig blieb. Jetzt find dagegen diese Gesetze ausgehoben und nur für die Vertheilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücks­ theilungen besondere gesetzliche Bestimmungen sür die östlichen Provinzen im Gesetz vom 25. August 1876 §§ 1 — 12 getroffen worden. Mitunter suchen auch neuere Gesetze der gewerbsmäßigen Betreibung der D. ländlicher Güter (sog. Hosmetzgerei oder Güterschlächterei) entgegenzuwirken (z. B. Württemberg. Gesetz vom 23. Juni 1853) oder bedrohen dieselbe sogar mit Strafe (z. B. Bayer. Gesetz vom 28. Mai 1852). Lit.: Die Lehrbb. deS Deutschen Priv.R., des LandwirthschastSrechts und der National­ ökonomie. Die außerordentlich umfangreiche Lit. über die Frage der gesetzgeberischen Zweck­ mäßigkeit findet sich am vollständigsten nachgewiesen bei Rau, Grundsätze, I. § 76 Note b. Hervorzuheben: von lllmenstein, Ueber die unbeschränkte Theilbarkeit des Bodens, 1827. — Etüde, Wesen und Verfassung der Landgemeinden ic., Jena' 1851. — Funke, Die heillosen Folgen der Bodenzersplitterung, Gött. 1854. — Lette, Die Vertheilungsverhältniffe des Grundbesitzes und die Gsgb. in Betreff der Theilbarkeit »c., Berl. 1859. — Nachweise über die partikularrechtliche Literatur und Gesetzgebung bei Stobbe, D. Priv.R.. § 84 (II. S. 83 ff.). O. Gierke.

und Bei aus Die

Dispache (despacho, depeche, retule — Th. I. S. 546) heißt die Berechnung Vertheilung von Seeschäden, insonderheit in Fällen der „großen Haverei". dieser entsteht durch die vorsätzliche Aufwendung zum Zwecke der Errettung gemeinsamer Gefahr eine Gemeinschaft zwischen Schiff, Fracht und Ladung. hierdurch erforderlich werdende Auseinandersetzung zu bewirken, ist die Aufgabe

SUpenfctto«.

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der D. Außer den Rechten jener unmittelbar Betheiligten werden dadurch noch die der etwaigen Berficherer in dem Grade berührt, daß man nicht ohne Grund sagen kann, der Versicherer haste auch sür die Gesahr der DiSpachirung. Bei solcher Mannigsaltigkeit der konkurrirenden Interessen ist ei gewöhnlich, die Aus­ machung der Vertheilungsrechnung einem unparteiischen Dritten (dem Dispacheur) zu übertragen. — Bon großer Erheblichkeit hinsichtlich der zu wählenden Person, der Grundsätze, nach denen die Berechnung aufgestellt wird» und deS Verfahren- ist der Ort der DiSpachirung. Bon selbst bietet sich hierzu derjenige Ort dar, wo sich die Gemeinschaft von Schiff und Ladung löst und die ganze Handelsunternehmung in der Regel abgewickelt wird. DaS D. HGB. bestimmt denn auch, daß die Feststellung und Vertheilung der Schäden an dem Bestimmungsorte, und, wen» dieser nicht erreicht werde, in dem Hafen, wo die Reffe endet, geschehen solle. Rach den an diesem Orte gellenden Preisen richtet sich der Betrag deS erlittenen Schadenund die Größe de- beitragspflichtigen Werths. Regelmäßig bestimmt derselbe Ort auch die Anwendbarkeit deS örtlichen Rechts. — Die Verpflichtung, die DiS­ pachirung herbeizuführen, hat nach den meisten Rechten der Schiffer; daS Recht, dieselbe zu betreiben, hat jeder Betheiligte. — Eigenthümlich ist die Wirkung der D. Wo dieselbe von einem amtlich bestellten Dispacheur ausgenommen ist, hat sie auch ohne ausdrückliche Genehmigung der Interessenten und ohne weitere gerichtliche Mitwirkung, falls diese nicht partikularrechtlich vorgeschrieben ist, wie in Preußen, die Bedeutung einer für alle Betheiligten vorläufig feststehenden Auseinandersetzung. Sie vertritt insofern gewiffermaßen ein gerichtliches Urtheil, etwa wie ein TheilungSrezeß. Thatsächliche Angaben der Jntereffenten vor dem Dispacheur können jedoch berichtigt werden. — Schließlich ist zu bemerken, daß die Rosten der D. zur großen Haverei gehören und mithin auch dem Berficherer zur Last fallen. «(ab. u. Lit.: D. HGB. Art. 708, 729, 730, 731, 838, 839, 841, 886. - Preuß. 6». z. HGB vom 24. Mai 1861 Art. 57; Preuß. AS. D. CPO. v. 24. März 1879, § 29. - C. com. art 414, 416. - LewiS, D. Deutsche Seerecht, II. 6. 69, 71JL 309 ff., 378 - Pöhls, Darstellung deS Sem. Deutschen und deS Hamb. H.R, 8b. HL Th. IL §§ 460, 463 (S. 744—747 , 752 ff.). — v. Kaltenborn, Grundsätze deS praktischen Enrop. SeerechtS, 8b. EL §§ 172 (S. 153), 181—183 (6. 214-224). —Heise, H.R., 6. 390-892. Jacobsen, Seerecht beS Friedens und Krieges, S. 520. — Beuecke, System bei See­ assekuranz- und Bodmereiwestns. Vollständig und zeitgemäß umgearb. von Rotte, 8b. II. 6. 801—811 (mit Formularen).— Tecklendorg, System bei Seeversicherungswesens, S.448 bis 452, und »Ueber Bodmerei- und Haveriegroffe", S. 301 ff. (Formulare). — Voigt und Heineken, Neues Arch. für H.R., 8b. I. S. 210 ff., 298 ff.; Bb. IV. S. 114 ff., 248 ff. — Kierulff, Sammlung der Entfch. des O.A.G. zu Lübeck, 8b. I. S. 899 ff. — JebrnS in Löhr'S Eentralorgan für den Deutschen Handelsstand, 8b. I. Nr. 11 u. 12. — Löhr (Hart­ mann), Centralorgan für Handels- u. W.R., N. F. 8b. I. S. 100 ff., 300 ff., 464 ff.; II. S. 257 ff.; VIL S. 501. - Burdach das., VHI. S. 324. — Meier das., IX. E. 186. — E. F. Koch, Formularbuch Nr. XXXI. (Formular). — I. Struckmann u. R. Koch, D. Preuß. AG. ,. d. Reichs-Justizgesehen« 1879 6. 265, 266. — Cntsch. d. ROHG. VH. 167, VIIL 289, XXIII. 177. — Fardessus, Cours de droit commercial, II. Nr. 746— 749 (mit Formular). 9t. Koch.

DisPerrsattlM (kirchenrechtliche). Die D. ist die Aushebung eineRechtssatzes sür einen bestimmten Einzelsall. Ordnungsmäßig tritt fie überall da ein, wo die strenge Durchführung des positiven Rechts zu einer Härte oder Un­ billigkeit führen würde. DaS Recht zu ihrer Ertheilung gilt als Attribut der Ge­ setzgebungsgewalt. In der katholischen Kirche steht eS deshalb theils dem Papste zufür die Sätze des Gemeinen Rechts, soweit dieselben nicht auf dem jus divinum beruhen (z. B- daS Eheverbot zwischen Eltern und Kindern); theils wird eS von den Bischöfen geübt, und zwar einmal im Bereich deS partikulären DiözesanrechtS, also innerhalb der Grenzen ihrer legislativen Kompetenz, sodann in den ihnen vom Papst übertragenen Fällen deS jus commune. Die (Übertragung selbst er­ folgt durch die sog. facultates (Vollmachten), die aber nur auf Zeit, in Deutschland regelmäßig aus 5 Jahre, lauten — daher der Name Ouinquennalfakultäten

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Dichmtfallosrecht.

und dahin gefaßt find: Vobis communicamus facnltates, qnibna . .. Sedis Apostolicae anctoritate Vobis delegata uti valeatis . . . Dispensandi super occulto impedimento primi gradus affinitatis . . . Volnmns, ut supradictis facultatibns uti valeatis ad quinquennium. Bei bischöflichen Dispensen wendet man sich an den Pfarrer, welcher die Bewilligung beim Ordinariat vermittelt. Bei päpstlichen DiSPensen geht daS Gesuch durch daS Ordinariat nach Rom. Der Form nach werden die päpstlichen Dispense entweder in forma gratiosa oder in forma commissoria ertheilt. Im ersteren Fall erfolgt daS DiSPenS-Breve unmittelbar von Rom an den Supplikanten. Im letzteren, der heute die Regel bildet, wird der DiSpenS von dem kompetenten Bischof (Ordinarius) nach vorangegangener Prüfung deS SachverhältniffeS (si res ita se habet, d. h. wenn die von dem Petentm angeführten Thatumstände sich als begründet erweisen) im Namen und Austrage deS Papstes ausgesprochen. Die Ertheilung soll grundsätzlich gratis geschehen, faktisch werden indeß Ge­ bühren erhoben: theils für die expedirende Behörde (Kanzleisporteln), theils ad piam causam für den im DiSpenS enthaltenen Bruch deS Rechts. Ueber die Höhe der diesfalls üblichen Taxen ist im Mittelalter oftmals und bis auf den heutigen Tag nicht ohne Grund Beschwerde geführt worden. Heute find die Taxen herab­ gesetzt und nach Maßgabe der BermögenSverhältniffe verschieden normirt worden. Die Römische Curie scheidet dabei drei Klaffen: personae illustres mit ziemlich erheblichen Sätzen, personae honestae, bei denen die Taxe etwa um die Hälfte niedriger bemeffen ist, endlich personae pauperes et miserabiles, die sich durch Arbeit ernähren müffen (also Nichtkapitalisten) und deshalb gebührenfrei diSpenfirt werden. In der evangelifchen Kirche bildet daS Dispensationsrecht eine Attribution der landesherrlichen Kirchengewalt und wird von dem Inhaber der letzteren theils persönlich als ein jus reservatum gewöhnlich mit Hülfe des Kultusministeriums, theils durch die von ihm eingesetzten geistlichen Behörden: Konfistorien und Super­ intendenten, als ein jus vicarium verwaltet. Synodale Organe find bis jetzt zur Theilnahme an diesem Rechte nicht beigezogen worden. Auch hier sind Taxen üblich und Reformen nöthig, weil vielfache Dispense nie verweigert werden, damit aber ihre Grundidee als Ausnahmen von der Regel aufgegeben ist. Lit.: Richter-Dove, Kirchenrecht, §§ 168, 171. — Phillips, Lehrb. des KirchenrechtS, I. § 93. — Friedberg, Kirchenrecht, § 86. — Ueber die Luinquennalfakultüten speziell Mejer, Propaganda, II. 204 ff. HübIer.

DtKpeusatiousrecht. Man versteht unter D. die Befugniß, die Anwendung von Gesetzen in einzelnen Fällen auszuschließen. In der Theorie war eS schon früh anerkannt, daß eine solche Befugniß nur derjenigen Gewalt zustehen könne, welche die betreffenden Gesetze erlassen habe, oder wie I. H. Böhmer sich ausdrückt: Potestasferendi leges est etiam mensura potestatis dispensandi; facultas dispensandi est sequela potestatis legislatoriae (J. H. Böhmer, De sublim! principum ac statuum evangelicorum dispensandi jure in causis et negotiis tarn sacris quam profanis, in den Exercitt. ad Fand. Ed. II. T. I. p. 481—605). ES ist ja auch klar, daß sonst die vollziehende Gewalt durch wiederholte Ausübung deS D. die ganze Legislative paralyfiren und ohne formelle Verletzung eine grundsätzliche Aufhebung des LandeSgesehgebung herbeiführen könnte. In Uebereinstimmung mit dieser Theorie fand in älterer Zeit die DiSpensationSgewalt an dem sog. göttlichen Rechte seine Schranke, welches damals auch in pro­ testantischen Gebieten, und zwar nicht blos hinsichtlich des Kirchen- und EherechtS eine anerkannte Existenz hatte, so daß die Inhaber der höchsten Staats» und Kirchengewalt sich behindert fühlten, von den durch angeblich göttliches Recht vorgeschriebenen Ehehinderniffen (Lev. 18) zu diSpenfiren. (Vgl. darüber Meier,

DiSpeusattonSrecht.

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Rechtsbildung im Staat und Kirche, Berlin 1861, S. 107 ff., 225 ff., 231 ff. 242 ff., 266 ff.) Diese Schranke darf jedoch gegenwärtig als beseitigt angesehen werden, ein derartige- göttliches Recht wäre eia Widerspruch in sich selbst. Da­ gegen war die Mitwirkung von Land- und Reichstagen bei der Gesetzgebung in älterer Zeit nicht von solcher "Stärke, um sür das D. der vollziehenden Gewalt eine wirksame Schranke zu bilden. ES stand vielmehr selbst in England der Krone die Besugniß zu, in einzelnen Fällen die Anwendung von Parlamentsstatuten auS» zuschließen und erst als unter Jacob II. der Versuch gemacht war, durch syste­ matischen Mißbrauch dieses Rechts die Grundlagen deS damaligen Landesrecht- zu beseitigen, erklärte die Bill of Hights die angemaßte Dispensationsgewalt sür unge­ setzlich und alle ferneren Dispensationen für ungültig (Gneist, Englisches DevwaltungSrecht, 2. A. 1867, I. 609 ff., II. 733 ff. Cox, Staat-einrichtungen Eng­ lands, Berlin 1867, S. 18 ff. Schubert, Verfg.Urk., Königsberg 1848, I. 110, 112, 120). Nur wenige der neuerm Deutschen Verfassung-urkunden haben überhaupt positive Festsetzungen über die Ausübung deS D-, die meisten von diefm legen je­ doch dem Landesherrn ein solches in größerem oder geringerem Umfange bei; am weitesten geht wol die Braunschweigische neue LandschaftS-Ordnung von 1832 § 6, die dasselbe nur dann ausfchließt, wenn dritte Personen wegen ihrer Rechte be» theiligt find; eS folgt dann daS Koburg-Gothaische Grundgesetz von 1852 § 128, welches das D. gewährt, soweit daffelbe nicht durch besondere gesetzliche Be­ stimmungen beschränkt ist, daS Schwarzburg-Sondershausmsche Versaffuugsgesetz von 1849 § 65, und die Verfaffung der steten Stadt Bremen von 1854 § 57, welche dem LandeSsürsten resp, dem Senate daS D. zuschreiben, soweit daffelbe nach den Gesetzen (int Bremen außerdem nach rechtlichem Herkommm) zulässig ist, wobei noch bemerkt werden muß, daß in der jetzt geltenden SonderShauser Verfaffung von 1857 jede derartige Bestimmung fehlt; wiederum einm anderen Standpunkt nimmt die Kurhesfische Verfg.Urk. von 1831 § 96 ein (wörtlich gleichlautend in der Verfg.Urk. von 1852 § 76), wonach Dispensationen von den schon jetzt bestehmdm gesetzlichen Vorschriften nur mit größter Vorsicht, in Bezug auf künftig ergehende verfassungsmäßige Gesetze aber niemals stattfinden sollen, sofern nicht solche in dem Gesetze ausdrücklich Vorbehalten find: nur die Luxeutburgische Verfaffung von 1848 Art. 36 (wörtlich gleichlautend in der Verfaffung von 1856 Art. 36) verbietet unbedingt jede Dispensation (ni dispenser de leur exdcation). In allen übrigen Verfaffungen, insbesondere auch in der Preußischen, fehlt eS an ausdrücklichen Normen. Für diesen Fall spricht sich die Theorie mit seltener Einmüthigkeit zu Gunsten der DiSpensationSbefugniß des Landesherrn auS, die nur hinsichtlich wohlerworbmer Rechte oder unbedingt verpflichtender Bestimmungen der Verfaffung, oder ausdrücklicher Verbote in einzelnen Fällen eine Einschränkung erleiden soll, so ins­ besondere Zachariä, Deutsches Staats» und Bundesrecht, 3. A. 1867, II. 184 ff. Zöpsl, Grundsätze deS Gemeinen Deutschen StaatSrechtS, 5. A. 1863, II 673. Mohl, Württemberg. Staatsrecht (1829), I. 197. Pözl, Bayer. VerfaffungSrecht (1851), S. 301. v. Rönne, Preuß. Staatsrecht, 3. A. 1869, 1. 1. S. 197. Der einzige Theoretiker, der den Standpunkt des modernen Staatsrechts richtig erkannt hat, ist v. Gerber. Derselbe hatte sich schon, wenn auch noch schwan­ kend, in seinen Grundzügen (2. A. 1869, S. 166) gegen die unbedingte DiSpensationsbefugniß ausgesprochen, und kommt jetzt aus Grund einer besonderen Unter­ suchung geradezu zu dem Resultate: „Der staatsrechtlichen Natur deS Gesetze- im modernen Bersaffungsstaate entspricht allein der Sah, daß nur noch in denjenigen Fällen dispenfirt werden könne, wo daS Gesetz oder überhaupt daS geltende Recht dies ausdrücklich zuläßt." In Uebereinstimmung damit spricht sich auch die Praxis namentlich in Preußen gegen jene weitgehende DiSpensationSbefugniß auS, indem sie, von dem Satze ausgehend, daß die Vollziehungsgewalt nur die AuSsührung der gesetzlichen Normen, nicht aber deren Aushebung bezwecke, durch gesetzliche Vorschriften

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DttposUtoXstelluug.

sich unbckingt gebunden erachtet, und einen Zweifel höchstens hinsichtlich der Natur vorverfaffungSmäßiger Normen, ob diese als Gesetze oder als Beiordnungen zu betrachten seien, erhebt (vgl. darüber Gneist, Justiz, Verwaltung, Rechtsweg, [1869] E. 62 ff.). Mit besonderer Schürfe ist der Satz, daß die DiSpenfationsgewalt der GesetzgebungSgewalt genau entspricht, im katholischen Kirchenrecht zur Anerkennung ge­ bracht worden. Demgemäß steht daS Recht, von allgemeinen Kirchengesehen zu diSpenfiren, nur dem Papste zu, den Bischöfen aber nur in besonders genannten Füllen oder auf @tunb päpstlicher Vollmachten, dir aber alle fünf Jahre erneuert werden müssen, sog. Ouinquennalsakultäten. Die Bischöfe haben außerdem ein selbständiges D. hinsichtlich ihrer eigenen Verordnungen oder Diöcesanstatuten. (Walter, Kirchenrecht, 13. A. 1861, S. 400. Richter, Kirchenrecht, 6. A. 1867, S. 454 ff. Jacobson, Dispensation in WeiSke'S Rechtslexikon III. 449 ff. Mejer, Propaganda, II. 201 ff.). Lit.: Wolff, Jns naturae, VoL VH!, p. 624 ss. — I. I. Moser, Landeshoheit in RegierunaSsachen, S. 319 u. 361 ff. — Broom, Constitutional Law (1866), p. 247—523. — Todd, Parliamentary Government, I. 287 ss. — v. Stein, BerwaltunySlehre, L 1. 6. 108 ff. — v. Gerber, Ueber Privileaienhoheit und DiSpensationsaewalt tm modernen Staate (Tübinger Zeitschr. für StaatSwiffensch., Jahrg. 1871, S. 430 ff., und außerdem Gesammelte juristische Abhandlungen, Jena 1872, S. 470 ff ). Ernst Meier.

DisposttiuuSstelluug (Th. I. S. 538). Mit der D. (im handelsrechtlichen Sinne) erklärt der Empsänger zugesandter Waarm dem Absender derselben, daß er die Sendung nicht genehmige, entweder weil sich dieselbe nicht als vertragsmäßig oder gesetzmüßig beschaffen ergiebt, oder weil dieselbe ohne Bestellung erfolgte. Hiernach lüßt sich eine D. bestellter Waaren („D. wegen mangelhafter Lieferung") und eine D. unbestellter Waaren („D. wegen mangelnder Bestellung") unterscheiden. DaS Deutsche HGB. verpflichtet den Küufer von Waaren, welche ihm auf Bestellung von einem anderen Orte, (also im Distanzgeschüft in diesem Sinne) zugesandt wurden, zur D. bei Meldung der Annahme, er genehmige die Zusendung, und schreibt ihm insbesondere vor, daß er die Waare ohne Verzug nach der Ablieferung untersuche, soweit dies nach dem ordnungsmäßigen Geschäftsgänge thunlich ist, dann die dabei sich ergebenden Mängel dem Verkäufer sofort anzeige, jene Mängel aber, welche bei der sofortigen Untersuchung nach dem ordnungsmäßigen Geschäftsgänge noch nicht erkennbar waren, sich aber später herauSstellten, sofort nach ihrer Entdeckung — aber jedenfalls innerhalb sechs Monate von der Ablieferung an — gleichfalls dem Verkäufer anzeige und die beanstandete Waare einstweilen bei fich aufbewahre. Die D. umfaßt demnach (im weiteren Sinne): Die unpräjudizirliche Ab­ nahme (vgl. Erk. des vorm. ROHG. vom 7. und vom 14. Novbr. 1871, dann Zeitschr. für Handelsrecht, Bd. XVII. S. 257), die zweckentsprechende Untersuchung, die geschäftsmäßige Anzeige und die interimistische Aufbewahrung der Waare, — Verpflichtungen deS Käufers, zu welchen fich die beiden Parteien zustehende Be­ rechtigung gesellt, den Zustand der Waare durch Sachverständige untersuchen und des späteren Beweises wegen (vgl. Erk. des vorm. ROHG. vom 30. Dezbr. 1871) feststellen zu lassen, sowie ein Verkaufsrecht deS Empfängers für den Fall die Waare dem Verderben ausgesetzt und Gefahr im Verzüge ist. Zur genaueren Präzifirung all dieser Rechte und Pflichten hat die Jurisdiktion der Gerichte und insbesondere auch die deS vorm. ROHG. ein überaus reiches Material ge­ liefert, während die Literatur in dieser Beziehung verhältnißmäßig wenig aufzu­ weisen hat. Die Fragen: welche Arten von Mängeln der bestellten Waare zur D. — unter dem Präjudiz der Genehmigung — verpflichten und bezw. berechtigen (insbesondere ob auch Zeit [vgl. Zeitschrift für Handelsrecht, Bd. XVII. S. 251-257], Ort, Quantität [vgl. Erkennt. deS ROHG. vom 21. Februar 1871], PreiSfakturirung [vgl. Erkennt, des ROHG. vom 13. Juni 1871] oder theil-

Sifltoeetee.

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weise Mangelhaftigkeit der Sendung), dann wie rasch nach der Abnahme (vgl. Erk. des ROHG. vom 18. Oktbr. 1872), wie eingehend und wo die Unter­ suchung vorzunehmen sei (Erk. desselben Gerichtsh. vom 25. April, 1. Juni, 2. Sepbr., 20. Septbr., 7. Rov. 1871), wie detaillirt die Rüge substantiirt werden müsse, find durch die Praxis nun einer ziemlich gleichmäßigen Beantwortung entgegengesührt. Ueber die Rechtsfolgen der D. s. GareiS a. a. O. S- 154 ff., Erk. des ROHG. vom 29. Rovbr. 1871 (Entsch. IV. 182) und vom 16. April 1872 (Entsch. V. 398), und Ztschr. f. Handelsrecht, Bd. XVII. S. 264. 270. 273 ff. (Ausnahme des BetrugSfalleS: Erkenntniffe deS ROHG. vom 9. März, 13. April, 29. Rovbr. 1871). Dagegen ist die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarleit der vorerwähnten handelSgesetzlichen Bestimmungen auf daS Platzgeschäft noch lebhaft bestritten; ficher ist, daß hierbei jene im Distanzgeschäst gesetzliche Untersuchungspflicht nicht besteht; aber die Nothwendigkeit der rechtzeitig« Rüge wirklich entdeckter Mängel, sowie die analoge Anwendung der gesetzlichen BerjährungSsristen vom Distanzgeschäst auf daS Plahgeschäft entspricht den Anschauungen und dem Bedürfnisse deS Handels und ist mindestens durch weitverbreitete Usancen statuirt (vgl. GareiS a. a. O. S. 29 ff., Erk. des ROHG. vom 2. März 1871). Richt minder kontrovers ist die Frage, ob auch unbestellte Waaren — die Meldung deS Präjudizes der Genehmigung — („Mangels Bestellung") dem Zu­ fender zur DiSpofition gestellt werden müffen; sie ist nicht im Allgemeinen, sondern nur unter einzelnen konkreten BorauSsetzungen (vgl. Ztschr. für Handelsrecht, Bd. XVIL S. 243—250) zu bejahen, z. B. für den Fall kaufmännischer Geschäftsverbindung zwischen Absender und Empfänger. Abgesehen von derartigen „begleitenden Um­ ständen" ist daS Stillschweigen deS Empfängers unbestellter Waaren nicht für Ge­ nehmigung der Sendung konkludent (Erk. deS ROHG. vom 29. Oktbr. 1870). HGB. Art. 347—350. 323. Ssgb. u. Lit.: Wolff in Busch'S Arch. für H.R., XV. 6. 301 ff. — GareiS, Das Stellen zur Disposition, nach modernem Deutschen H.R. (Würzburg, Stuber, 1870). — Auerbach, HGB., S. 180 ff. — v. Hahn, Komm. HGB., Bd. II. 2. Aufl. S. 290 ff. — Thöl, H.R., Bd. I. (6. Aust), §§ 272—280. — Endemann, H.R., 8 114, und die bei GareiS a. a. O., nameutl. 8. 95, 102, 117, 135, 141 u. 162 ff., u. bei Kehßuer, D. HGB. (Berlin, Heymann, 2. Aufl. 1878), sowie bei Makower, HGB., 8. Aufl. S. 331 ff. zu Art. 347—350 cit. Lit. u. Rechtsprechung. GareiS.

Disfideute» (Th. I. S. 689) heißen diejenigen Personen, welche nicht der resp, den in einem bestimmten Staate mit voller Berechtigung rezipirten oder herr­ schenden Kirchen angehören. Da die verschiedenen Staaten verschiedene Kirchen als privilegirt anerkennen, so können die Anhänger derselben Kirche in dem einen Lande jene bevorzugte Stellung genießen, während fie in dem andern als D. betrachtet werden. Beispielsweise find die Mitglieder der anglikanischen Kirche in Schottland dissenters, weil hier dir presbyterianische Kirche, welche in England als Diffenter» kirche gilt, die Landeskirche ist. In Deutschland bezeichnet man gewöhnlich damft diejenigen Religionsgemeinschaften, welche fich von den drei christlichen Hauptkon» feffionen loSgesagt haben, mögen fie auch selbst noch dogmatisch aus dem Boden einer derselben stehen, wie z. B. die Mitglieder der sog. Jmmanuelsynode, d. h. die Altlutheraner, welche fich von den unter dem Oberkirchenkollegium in BreSlau stehenden sog. separirten Altlutheranern getrennt haben, während man die Juden nicht zu den D. zählt. Eine spezifisch juristische Bedeutung hat daS Wort nicht, namentlich ist mit demselben die rechtliche Stellung der betreffenden Personen zu den Anhängern der anerkannten Kirchen und zum Staat nicht charakterifirt. Schon im vorigen Jahrhunderte waren einzelne Deutsche Partikulargesehgebungen hinsichtlich der Duldung von, Sekten und D. viel liberaler, als daS auf dem Westfälischen Frieden beruhende Reichsrecht; so erkannte namentlich daS Preuß. LR., welches daS schon früher für den Preußischen Staat gehandhabte Prinzip der Toleranz zum

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Dtfstbmtm.

rechtlichm Ausdruck bracht«, neben dm sog. öffmtlich aufgmommmm privilrgirte« Kirchmgesellschaftm, deu sog. drei ReichSkonfesstonen, auch geduldete, d. h. beim Staate angemeldete und von ihm genehmigte ReligionSgesellschaftm mit dem Recht auf Gatte-dienst in BethLusem an und ficherte ferner jedem Einwohner vollkommene Glauben-- und GewiffmSfreiheit mit dem Rechte zur HauSandacht zu. Anfangs dieses Jahrhunderts geschah das letztere auch in den VerfaffungSurkunden einzelner Dmtfcher Staaten, z. B. in der Württembergifchen und Badischen, und das Bayerische ReligivnSedikt von 1818 stellte sogar schon ähnliche Regeln für die Duldung von Religionsgesellschaften, wie daS Preuß. LR., aus. Während aber die Verfassungs­ urkunden aus den zwanziger und dreißiger Jahren — so die grvßherzogl Hessische, Meiningische, königl. Sächsische — noch diesen Standpunkt festhielten, gaben wol die Bestimmungen der Deutschen Reichsverfassung vom Jahre 1849, §§ 144 ff. dm Anstoß zu einer freieren Behandlung der D. durch die Partikulargesetzgebung, indem sie außer der Statuirung der Glaubens- und Gewiffensfreiheit und unter Anfhebung jeglicher Vorrechte für einzelne Kirchen allen Religionsgesellschaften die öffentliche Ausübung ihres Gottesdienstes und selbständige Verwaltung gewährten und die staatliche Genehmigung bei der Neubildung religiöser Vereine beseitigten. Den letzteren Gmndsatz, sowie die Gestattung der öffentlichen Religionsübung haben die Verfaffungsurkundm, z. B. von Preußen Art. 12, Oldenburg Art. 36 und daS Badische Gesetz vom 9. Oktbr. 1860 § 3 ausgesprochen. Zugleich ist eS für diese Staaten anerkannt, daß auch der Genuß der politischen Rechte vom ReligionSbekenntnitz unabhängig ist. Dagegen gestehen die gedachten Gesetzgebungen den bisst« dentischen Gesellschaften nicht ohne Weiteres die sog. Korporationsrechte, d. h. die Rechte juristischer Personen, zu, vielmehr müffen ihnen diese besonders durch Gesetz verliehen werden. Die Regelung der sonstigen Verhältnisse ist auch selbst innerhalb der prinzipiell zu derselben Gruppe gehörigen Staaten eine sehr verschiedene, um so mehr, als vielfach schon aus früheren Zeiten besondere Konzessionsurkunden für einzelne disfidentische Gesellschaften existiren und diese ausdrücklich, wie z. B. durch das Badische Gesetz, aufrecht erhalten find. In Frage kommen hier folgende Punkte: 1) die Beurkundung der Standesverhältnisse. Wo nicht das Französische, resp. Rheinische System der Civilstandsregister für alle Einwohner des Staates in Geltung stand, sondern die von den Pfarrern der früheren drei ReichSkonfesfionen geführten Kirchenbücher zugleich die Standesregister bildeten, war für die D. durch eigene Einrichtungen gesorgt, so in Altpreußen, wo die Gerichte für sie derartige Register führten, oder eS hatten die Ortspfarrer der bevorrechteten Kirchen als staatliche Standesbeamte diese Obliegenheitm zu erfüllen. Durch die Einfühmng der allge­ meinen obligatorischen Standesregister in Folge des ReichSpersonrnstandsgesetzes vom 6. Februar 1875 find indessen diese besonderen Einrichtungen in Deutschland be­ seitigt worden. 2) Da, wo die Freiheit der Bildung von Religionsgesellschaften anerkannt ist, kann ein Zwang gegen die denselben angehörigen Eltem, ihren Kindem die Taufe seitens einer der privilegirten Kirchen ertheilen zu lassen, nicht auS- , geübt werden, da hier der Vater über das Bekenntniß seiner Kinder so lange zu '

entscheiden hat, bis diese das Diskretionsjahr erreicht haben. Was 3) die Mög­ lichkeit der Eheschließung zwischm den Angehörigen der Landeskirchen und 4) die Eheeingehungsform betrifft, so haben sich diese Punkte jetzt durch Einfühmng der obligatorischen Civilehe erledigt. 5) Bedingt eS das Prinzip der Duldung, daß alle Personen, welche aus den bevorrechteten Kirchen ausgetreten sind, mögen sie nun zu einer disfidentischen Religionsgemeinschaft übergetreten sein oder sich noch keiner derartigen Gesellschaft angeschlossen haben, von allen Abgaben und Lasten, sofern diese lediglich auf der peinlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschast

beruhen, gegenüber den rezipirten Kirchen frei werden. Diese gerechte Forderung ist aber noch nicht überall in Deutschland anerkannt und selbst in Preußen gehörte sie zu den kontroversen Fragen, welche erst durch daS Gesetz über den Austritt auS

Distanzfracht — Dtftunzgeschäft.

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der Kirche vom 14. Mai 1873 im Sinne der Freiheit der D. entschieden ist. 6) WaS endlich die Eidesleistung betrifft, so war in dieser Hinficht vielsach durch besondere Konzesfionen den einzelnen disfidentischen Religionsparteien Rechnung getragen. Rach der Deutschen CPO. § 443 und der Deutschen StrafPO. § 62 wird der Eid allge­ mein von den Anhängern aller Religionsparteien mit der Eingangsformel: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden" und der Schlußsormel: „So wahr mir Gott helfe" geleistet, so daß nur diejenigen, welche die Existenz Gottes leugnen, den Eid zu leisten außer Stande find. Dem Gde erachten die CPO- § 446 und die StrafPO. § 64 die Abgabe einer Erklärung unter der BetheuerungSformel einer Religionsgesellschaft, welcher daS Gesetz, wie z. B. in Preußen, den Mennoniten, den Gebrauch gewisser BetheuerungSformel» an Stelle deS Eides gestattet, durch die Mitglieder einer solchen gleich. — Bon außerdeutschen Gesetzgebungen steht Frankreich noch auf dem mgherzigen Standpunkt, daß eS für den öffentlichen Gottesdienst jeder nicht vom Staate anerkannten ReligionSgefellfchaft eine besondere staatliche Erlaubniß vorschreibt, während in Belgien und Holland auch für religiöse Vereine volle AffoziationSfreiheit gilt, eS aber für fie zur Erlangung der Rechte juristischer Personen der staatlichen Genehmigung bedarf. Lit.: Für Deutschland s. die Zusammenstellung bei Moser, Allg. Kirchenblatt, Jahrg. 1853, S. 177 ff.; für Preußen: die Abhandlung von Jacobson in Dove, Ztschr. für Kirchen­ recht, Bd. L S. 392 ff.; für die neuesten Deutschen Gsgbb.: Friedberg, ebendas. Bd. III. S. 364 ff., Bd. IV. S. 381; Stälin, DaS Rechtsverhältnis; der religiösen Gemeinschaften in Württemberg, Stuttgart 1879; über Württemberg: s. noch desselb. Abh. bei Dove a. a. O , Bd. XI. S. 398, 457; wegen Oesterreich: Dove a. a. O., Bd. IX. S. 432 , 434; über das Könige. Sachsen, Sachsen-Weimar, Bayern, Rheinbayern u. Reuß j L. das Allg. Kirchen­ blatt Jahrg. 1871, S. 511, 12, 246, 106 und Jahrg. 1873, S. 148. P. HinschiuS.

Distanzfracht. Rach allgemeinen seerechtlichen Grundsätzen ist keine Fracht zu zahlen, wenn dem Schiffer durch Zufall die Ausführung de» Transports (da» opus conductum) unmöglich wird. Indessen wird aus BilligkeitSrückfichten meistens dann eine Ausnahme gemacht, wenn die bereits angetretene Reife durch höhere Gewalt unterbrochen wird, indem in solchen Fällen da» Ge­ setz dem Verfrachter die Fracht im Verhältniß der zurückgelegten zur ganzen Reise zubilligt. Diese Frachtvergütung „pro rata itineris“ nennt man D. Rach dem HGB. ist D. zu zahlen bei Schiffbruch („wenn nach Antritt der Reise da» Schiff durch einen Zufall verloren geht"), Embargo, Beschlagnahme, Blockade, Au»- und Einführungsverbot oder anderm Verfügungen von hoher Hand oder bei Ausbruch eine» Kriege», welcher Schiff oder Güter der Gefahr der Auf­ bringung auSfetzt, sofern diese letzteren Zufälle nicht blo» einen Theil der Ladung betreffen (für welchen Fall besondere Grundsätze gelten). Sie hastet nicht für die BergungSkosten. — Strenger ist da» Franz. R. Die einschlagenden Bestimmungen de» C. com. find ziemlich kasuistisch. — Deckt Engl. und Rordamerik. R. ist die D. als Rechtsinstitut nicht bekannt. Gfgb. u. Lit.: Allg. D. HGB. Art. 618 , 619 , 631—643 , 669—671, 872. — C. com. art 296—304."— (o. Duhn bet Goldschmidt und Laband, Ztschr. f. d. ges. H.R., Bd. XIV. S. 127, 128, 130-134). — Lewis, D. Deutsche Seerecht, I. S. 277 ff. - Heise, H.R., S. 365—367. — Erkenntnisse in Busch, Arch. s. Theorie u. Praxis deS Allg. D. H-R, XIV. S. 386; XXIII. S. 70, 79: XXV. S. 454. — Goldschmidt u. Laband, Ztschr. f. d- ges. H.R., Bd.XII. S. 591; XVIII. S. 582. — Hartmann, Centralorgan, VII.S.238. - Feldmann bei Boigt u. Heineken, Neues Arch. f. H.R., Bd. III. S. 184—224.— Entsch. d. ROHG. III. 133, 253; IV. 172; XII. 397; XIII. 405; XXIII. 23, 414. — Pardessus, Cour de droit comm., II. nr. 715—717. R. Koch.

Distauzgeschäst (Thöl: UebersendungSgeschäst). Kaufgeschäfte im Han­ delsverkehr, bei denen da» AuSderhandlaffen der Waare feiten» de» Verkäufers und daS Jndiehandnehmen seitens de» Käufers an verschiedenen Plätzen geschieht, weil eine Transportperson dazwischen steht, nennt man D.; richtiger Distanzkauf. Der v. Holtzendorff, «htc. II. «kchMerUon I. 3. «uff. 35

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Distanzgeschäft.

Regel nach ist der Ort, wo der Verkäufer zur Zeit des Vertragsschlusfes seine Han­ delsniederlassung oder in deren Ermanglung seinen Wohnort hatte, der Erfüllungs­ ort für den Kaufvertrag, wo die Uebergabe der Waaren geschieht (Art. 342); ge­ hört es zur Vertragspflicht des Verkäufers, auf Grund besonderer Abrede oder nach der allgemeinen Verkehrssitte, daß die Waare zum Bestimmungsort an den Käufer­ gesendet wird, so liegt D. vor (Entsch. des ROHG. XIII. 391; XVIII. 322); nicht minder aber auch dann, wenn der ferne Bestimmungsort vertragsmäßig erst der Erfüllungsort ist (Entsch. II. 322). Ist auch nach der Regel der Erfüllungsort beim Verkäufer, so liegt ihm doch nach allgemeiner Verkehrssitte die Absendung ob und gilt er (Art. 344) für beauftragt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns für den Käufer die Bestimmung behufs Ausführung des Transports zu treffen (Entsch. XIII. 324. Ztschrft. f. d. gefammte Handelsrecht XXIV. 260.). Darüber, ob mit der Absendung die Uebergabe an den Käufer vollzogen ist, hat das HGB. Be­ stimmung nicht getroffen, es ist dies nach Landesrecht zu entscheiden (Goldschmidt, Handelsrecht, II. 621, 803.); dagegen trägt Käufer spätestens von diesem Zeitpunkt ab die Gefahr (Art. 345). Ist nach Landesgeseh die Uebergabe an den Käufer durch Ueberlieferung an den Frachtführer erfolgt (Preuß. LR. Th. I. Tit. 11 § 128), so folgt hieraus noch nicht, daß Käufer auf Grund des Anspruches auf Erfüllung Zug um Zug bereits gegen Absendung den Kaufpreis zu zahlen habe; es würde hiermit dem Käufer eine Vorleistung zugemuthet, so daß er bei Mangelhaftigkeit der Waare kondiziren müßte. Die Zahlung des Kaufpreises kann erst gegen Ab­ lieferung verlangt werden. Zu seiner Sicherung wegen des Kaufpreises kann der Ver­ käufer Vorkehrungen treffen, daß am Bestimmungsort die Auslieferung nur gegen Zahlung erfolgt (1. 39 D. de solut. 46, 3.). Ist der Käufer durch Transport oder Lagermagazine (Art. 302, 313, 471, 644; Goldschmidt, Handelsrecht, II, 650) in den Stand gesetzt, über die Waaren zu verfügen, so ist der Kaufpreis vor Ankunft beim Käufer zu zahlen. (Hinsichtlich der Kosten der Versandtverpackung s. d. Art. Ver­ packung, hinsichtlich der Rechte des unbezahlten Verkäufers s. d. Art. Verfolgungs­ recht.) Bei Berathung des A. D. HGB. wurde erwogen, daß der Verkäufer möglichst bald darüber in Gewißheit sein müsse, ob die gelieferte Waare von dem Käufer als eine vertragserfüllende Leistung angenommen werde, der ordentliche Kaufmann werde nicht versäumen, die gelieferte Waare zu untersuchen und von den Vorgefundenen Mängeln sofort Anzeige zu machen. Falls in entsprechender Zeit keine Rügeanzeige eingehe, dürfe der Verkäufer annehmen, daß die Waare gebilligt sei. In Aner­ kennung eines bereits bestehenden Handelsgebrauchs (Ztschrft. f. d. g. Handelsrecht IV. 442 ff., Entsch. des ROHG. IX. 52) bestimmt deshalb Art. 347 des HGB.: § 1. Ist die Waare von einem anderen Orte übersendet, so hat der Käufer ohne Verzug nach der Ablieferung, soweit dies nach dem ordnungsmäßigen Ge­ schäftsgänge thunlich ist, die Waare zu untersuchen, und wenn sich dieselbe nicht als vertragsmäßig oder gesetzmäßig (Art. 335) ergiebt, dem Verkäufer sofort davon Anzeige zu machen. 8 2. Versäumt er dies, so gilt die Waare als genehmigt, soweit es sich nicht um Mängel handelt, welche bei der sofortigen Untersuchung nach ordnungsmäßigem Geschäftsgänge nicht erkennbar waren. § 3. Ergeben sich später solche Mängel, so muß die Anzeige ohne Verzug nach der Entdeckung gemacht werden, widrigenfalls die Waare auch rücksichtlich dieser Mängel als genehmigt gilt. § 4. Die vorstehende Bestimmung findet auch auf den Verkauf auf Besicht oder Probe oder nach Probe Anwendung, insoweit es sich um Mängel der über­ sendeten Waare handelt, welche bei ordnungsmäßigem Besicht oder ordnungsmäßiger Prüfung nicht erkennbar waren. Der Schwerpunkt liegt in den Worten des § 2 „so gilt die Waare als ge­ nehmigt". Gleichviel, ob die Waare untersucht worden oder nicht, aus der unter-

Distanzgeschäft.

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bliebenen Rügeanzeige folgt die Fiktion der Billigung derselben, die Anerkennung als empfangbar seitens des Käufers. Auf die etwa mangelnde Quantität erstreckt sich die Fiktion nicht (Ztschrft. f. d. g. Handelsrecht XXIV. 282.). Das Gesetz disponirt nur über Handelsdistanzkauf, ebensowie Art. 349 (Entsch. des vorm. Preuß. Ober-Trib. LXI. 202; des ROHG. XI. 46), jedoch einschließlich des Lieferungskaufes (Art. 338). Ausgeschlossen sind die Handwerksverkäufe (Art. 273 § 3). Ob Genus- oder Spezieskauf in Rede sei, ist gleichgültig (Waare), auch auf den Viehhandel findet Art. 347 Anwendung (Entsch. des ROHG. XXV. 231), dgl. auf zu liefernde Maschinen, sofern nicht eine Werkverdingung vorliegt (Entsch. XIV. 43; Ztschrft. f. d. g. Handelsrecht XXIII. 494; Entsch. d. Reichs-G. I. 57). Von einer Ab­ lieferung, den Folgen einer unterbliebenen Untersuchung und Rüge kann keine Rede sein, wenn statt der bestellten Waare eine ganz andere Sache (Entsch. des ROHG. XIV. 370, XX. 421, 423), z. B. statt des Weines nur die leeren Fässer, ange­ kommen sind (Busch, Archiv XVII. 288). Ablieferung ist derjenige Akt, durch welchen der Verkäufer bzw. sein Beauftragter (Frachtführer u. s. w.) nach beendigtem Transport dem Käufer oder dessen Vertreter die Möglichkeit eines unmittel­ baren körperlichen, die Untersuchung gestattenden Jnhabens der Waare am ver­ tragsmäßigen Reiseziel gewährt. Eine effektlose Realoblation, ein fehlgeschlagener Versuch der Ablieferung reicht dagegen nicht aus; die Vereitelung der Ablieferung macht für die Folgen des Annahmeverzuges haftbar, gilt aber nicht als Genehmigung der Waare, vielmehr verbleibt dem Käufer der Beweis der Vertrags- und Gesetz­ mäßigkeit. Der Zeitpunkt der Ablieferung ist maßgebend für den Beginn der An­ zeigefrist. Im regelmäßigen Gange wird die Anzeige einer Untersuchung der Waare vorausgehen und mit Rücksicht hierauf wird von einer Untersuchungspflicht ge­ sprochen. Eine solche besteht nicht. Hat der Käufer rechtzeitig gerügt, so sind die Rechte, welche er wegen der Fehler geltend machen kann, gewahrt. Es kommt später nur darauf an, ob die Mängel vorhanden sind; gleichviel wie zur Kenntniß derselben gelangt war (Keyßner, Komm, zu Art. 347 Nr. 13). Die Rüge­ anzeige soll sofort ergehen, sobald nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang eine Untersuchung möglich war, wobei das Zeiterforderniß der thatsächlichen Beurtheilung unterliegt. Die Rügeanzeige muß eine solche sein, daß durch deren Inhalt der Verkäufer über den Bemängelungsgrund Gewißheit erhält. Mit der Absendung dieser Anzeige l Entsch. des ROHG. XIX. 307) sind dann die Rechte erhalten, die in Wandelung, Preisminderung, Anspruch auf anderweite Erfüllung bei Dispositionsstellung bestehen können. Zur Geltendmachung seiner Rechte hat der Käufer die Rechtzeitigkeit der An­ zeige zu beweisen, also den Zeitpunkt der Ablieferung der Waare, das Zeiterforderniß der Untersuchung und die Absendung der Rügeanzeige. Durch Art. 347 § 3 ist die Rügesrist für erst später entdeckbar gewordene Mängel erstreckt. Nach Art. 349 § 1 können Mängel an der Waare, welche erst sechs Monate nach Ablieferung entdeckt werden, überhaupt nicht mehr geltend gemacht werden und ist nach § 2 die Ver­ jährung der Klage wegen Mängel, die rechtzeitige Rüge vorausgesetzt, und zwar sowol der ädilitischen Klage als der actio empti einer gleichen Frist unterworfen (Goldschmidt, Ztschrft. f. d. g. Handelsrecht XV. 320.); die durch Rüge gesicherten Einreden stehen dauernd zu. Landesgesetzliche und handelsgebräuchliche kürzere Fristen sind nach Art. 349 § 4 in Kraft erhalten und durch § 5 den Kontrahenten Vertrags­ freiheit über die Fristen gewährt (Garantiefrist vgl. Goldschmidt in Ztschrft. f. d. g. Handelsrecht XV. 323; Entsch. des ROHG. VI. 34; Rhn.Archiv LXVIII. 107). Nach Art. 350 können die Bestimmungen der Art. 347 und 349 im Falle des Betrugs nicht geltend gemacht werden. Lehnt der Käufer die Uebernahme der Waare ab, so darf er dieselbe nicht lediglich zurückweisen, oder ohne vorherige Anzeige und erhaltene Antwort zurück­ senden, er muß vielmehr nach Art. 348 des HGB. für die einstweilige Aufbe­ wahrung und sofern es nöthig für die Erhaltung der gegen den Frachtführer 35*

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Disziplinarstrafen — DWWeude.

au» beffett Vertragsverletzung rntstanbenm Ansprüche sorgen (Entsch. des ROHG. II. 329). Zur Feststellung der bei der Ablieserung oder später sich ergebenden Mängel kann die Feststellung durch Sachverständige erfolgen, deren Gutachten im etwaigen späteren Prozeß benutzbar ist. Ist die Waare dem Verderben ausgesetzt und Ge­ fahr im Verzüge, so kann der Verkäufer unter Beobachtung der für die Ver­ kaufsselbst hülfe (s. biefenArt.) vorgeschriebenen Form den Verkauf veranlasfrn. Hat der Käufer die zugesandte Waare, weil gesetz- oder vertragswidrig zur Verfügung gestellt, verfügt aber später für sich über dieselbe durch Verkauf, Ver­ brauch u. s. w., so gilt nunmehr die Waare als genehmigt und find die gerügten Mängel dadurch erledigt. Lit.: Thöl, H.R, t>. Aust., §§ 245, 269, 275—278. — Endemann, H.R., 3. Allst., §§ 105, 114, 115. - Wolff, Äoufm. Dispositionsstellung, in Busch, Arch., XV. 306 ff. Gareis, Das Stellen zur Disposition (1870); Derselbe, D. deutsche H.R, 301. — v. d. Leyen, Begriff der Ablieferung im Handelsrecht, Ztschr. f. b. gejammte H.R., XVI. 86 ff. — Zimmermann, Eiaenthumsübergang im Distanzaeschäft, ebenda, XIX. 397 ff. — Römer, ebenda, XXIII. 25 ff. — Tie Kommentare zum T. HGB. von v. Hahn, An­ schütz u. Völderndorss. Puchelt, Keyßner zu Art. 347—350 u. die daselbst sowie Zeitschr. s. d. ges. H.R., XX.IV. 271 ff. angeführte Judikatur. Keyßner.

Disziplinarstrafe«, f. OrdnungS- und Disziplinarstrafen.

Dividende. Erwerbsgesellschaften mit fortlaufender GeschäftSthätigkeit müffen zunächst die zum Zweck des Erwerbes zusammengetragenen Mittel erhalten; der Mehrbestand ist Geschäftsertrag. Mit Rückficht darauf, daß von Kapitalsanlagen rin Zins gezogen werde, war grundsätzlich angenommen, daß den Mitgliedern einer Erwerbsgesellschaft von der Kapitalsanlage ein Zins zustehe; erst der Bestand über Gesellschaftsvermögen und JahreSzinS wurde als Gewinn bezeichnet, wie dies noch im A. D. HGB. Art. 106 Ausdruck gefunden hat. AIS sich Kapitalsgesellschaften mit beschränller Haftung ihrer Mitglieder bildeten (f. die Art. Aktiengesell­ schaft, K ommanditgefellschaft aus Aktien), übernahm man die Zinsberechtigung, in der Voraussetzung, daß das Kapital den Zins ohne Weiteres zu verdienen habe. Man gab zu den Aktien Zinsscheine aus und vertheilte den Mehrertrag als D.; später unterschied man ZinS-D. und Gcwinn-D., bis man endlich dahin gelangte, daß bei den Kapitalsgesellschaften von einem gegen den Be­ stand deS Grundkapitals unabhängigen Zins nicht die Rede sein könne, daß ein ZinSversprechen unstatthaft sei und nur dasjenige an die Aktionäre vertheilt werden dürfe, was nach festgestelltem Vorhandensein deS Grundkapitals als Mehr­ bestand fich ergebe. Die AntheilSquote an diesem Mehrbestand, Geschäftsertrag, Gewinn, nach Prozenten deS Nennbetrages der Aktien bezeichnet, heißt D. (Keyßner in Busch, Archiv, XXXII. S. 99 ff.). In den Gesehen über die Aktiengesellschaften ist dies zum bestimmten Ausdruck gelangt, so im A. D. HGB. Art. 107, 217. Zinsen von bestimmter Höhe können für die Aktionäre nicht be­ dungen noch auSbezahlt werden; eS darf nur dasjenige unter fie vertheilt werden, waS fich nach der jährlichen Bilanz, und, wenn im GefellfchaftSvertrage die Inne­ haltung eines RefervckapitalS bestimmt ist, nach Abzug deffelben als reiner Gewinn «giebt. Hiervon ist lediglich für die B a u z i n f e n (f. diesen Art.) eine Ausnahme gemacht. Darf nun der Gewinn vertheilt werden, so führt dies auf die allein maßgebende Vermögensermittlung durch Inventar und Bilanz (f. diese Art). Der Höchstbetrag des Vertheilbaren «giebt fich hieraus. Keineswegs ist aber der nach Deckung der Schulden und des Grundkapitals fich ergebende Bestand unbe­ dingt zu vertheilen. Zunächst muß der fich ergebende Ueberschuß ein vertheilbarer sein; ein Ueberschuß, der in Waaren vorhanden, ist unvertheilbar; lediglich b« in Gelb absetzbare Ueberschuß ist vertheilbar« Gewinn (Keyßner, Kommentar zum HGB. zu Art. 239 Nr. 13). Fast alle GesellschastSverträge enthalten Bestinimungen, wonach von bem Ueberschuß Beträge zu Gesellschaftszwecken abgesetzt werben sollen unb nur b« Restbetrag zur Dertheilung anheim gegeben wirb. Das

Dividende.

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HEB. drückt dies im Art. 216 § 2 dahin aus, daß die Aktionäre nur einen An­ spruch auf den reinen Gewinn haben, soweit dieser nach dem GesellschaftSvertrage zur Dertheilung bestimmt ist. Als Borabzug wird ausdrücklich hervorgehoben (Art- 217 § 1, 239a R. 3) der Reserve- und Erneuerungsfonds (s. diese Art.). Sofern die allmähliche Rückzahlung des GmndkapitalS durch sog. Amorti­ sation der Aktien bestimmt ist (Art. 215 § 2, HGB-), ist auch ein Amortifattons» sondS vorher abzusehen. Rach Absetzung dieser Beträge bleibt dann der »reine Gewinn", welcher als D. den Aktionären zufließen soll. Wenn Art. 217 nur dasjenige zur Dertheilung stellt, waS „über die volle Einlage" vorhanden ist, so ist damit nicht daS gesummte, noch nicht eingeforderte Grundkapital zu verstehen; S ist vielmehr auch eine D nvertheilung bei noch nicht vollständig zur Einzahlung einberufenem Kapital statthaft. Der Anspruch auf Gewinnvertheilung und Erfüllung der wirthschaftlichen Aufgabe der ErwerbSgesellschast ist ein Sonderrecht deS ein­ zelnen Aktionärs und zwar von solcher Stärke, daß «S eine PrüfungSbefugniß einzelner Bilanzposten enthält. Dieser Sonderanspruch wird im Wege der Klage gegen die Gesellschaft geltend gemacht, kann aber nicht auf D.nzahlung an alle Aktionäre ge­ richtet werden, weil dies über das Sonderrecht hinausgreift; gleichwol kann eS auf alle Akttonäre wirken. In Anerkennung der für einen fortlaufenden GefchäftSbetrieb wirthfchaftlich zur Gewinnvertheilung nothwendigen Geschäftsperioden wird die D.nvertheilung mit den Jahresbilanzen in Verbindung gesetzt; Bilanzen für kürzere Zeitabschnitte rechtfertigen keine Dertheilung, wogegen eS nicht ausgeschlossen ist, die GeschästSperioden zu verlängern. AbschlagS-D. während des Geschäftsjahres, wenn auch daS halbe Geschäftsjahr hinreichenden Gewinn ergeben hat, zu zahlen, ist unstatthaft (anders Ungar. HGB. § 167, Abf. 2). Man bezeichnete den Betrag, welcher nach der Bilanz als die AbfchlagS-D. zur Dertheilung kam, als Super-D. (Entfch. d. ROHG. VI. 146); der Zweck, den Aktionären zu dem üblichen ZinS» zahlungStermin einen Ertrag zu gewähren, kann durch einen zu diesem Zweck ge­ bildeten und auS dem Gewinn deS Geschäftsjahres wieder zu ergänzenden Reserve­ fonds erreicht werden. Steht der Gewinn fest, so erscheint die Festsetzung der D. nur noch als eine Rechnung, vorzunehmen vom Borstand oder AuffichtSrath und zu prüfen von der Generalversammlung, wobei Vortrag kleiner Restbeträge auf neue Rechnung allge­ mein üblich und oft ausdrücklich statutarisch vorgesehen ist. In dem Betriebs­ zweck einer Aktiengesellschaft kann eS begründet fein, daß den Aktionären nur ein bestimmter höchster Betrag (Maximal-D.) zufließen soll, während für den Mehr­ betrag, etwa zu gemeinnützigen Zwecken, Bestimmung getroffen ist (Auerbach, GefellfchaftSwesen, S. 360). Ist der reine Gewinn zur Bertheilung an die Aktionäre überwiesen, der D.nbetrag zur Auszahlung bestimmt, so ist damit die Aktiengesellschaft in Höhe deS D.nbetrageS Schuldnenn Desjenigen, der zum D.nbezug berechtigt ist, waS gemeinhin der Inhaber deS D.nscheineS ist. In der Abgefchloffenheit der Geschäftsperioden findet eS feine Rechtfertigung, daß der reine Gewinn deS abgeschloffene» Geschäftsjahres durch spätere Berluste nicht berührt wird und daß daS durch die D.nzutheilung begründete Schuldverhältniß nicht mehr beseitigt werden kann- Die Aktiengesellschaft kann keine Deranlaffung nehmen, wegen einge­ tretener Geschäftsverluste, abgesehen vom Konkurse, die Zahlung auszusetzen; bricht der Konkurs auS, so find die nicht bezahlten D. als Forderungen zu Konkursmasse zu liquidiren (Grünhut in feiner Ztschr. I. 397; Entfch. d. ROHG. XVIII. 154; Erk. d. ob. Oesterr. Gerichtshöfe» v. 2. Juni 1875; Wiener Jur. Blätter, 1875, S. 555; Keyß ner in der Ztschr. f. b. g. Handelsrecht XX. 470; dazu ^öwenfeld, Das Recht der Aktienges., S. 445). In Zusammenhang mit der Abgeschloffenheit der GeschästSperioden steht eS, wenn mit dem Tage deS Ablaufs derselben, meistens Geschäftsjahr, die D.nscheine von den Aktien getrennt werden und von diesem Zeitpunkte ab alle in D.npapieren ge-

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Dividende.

schloffen«» Geschäfte exklusive D. de» Borjahre» sich verstehen. (Bgl. die Usancen der Berliner Fondsbörse Nr. 18, 19; Ztschr. f. d. g. Handelsrecht XXIV. 549; Entfch. d. ROHG. VI. 146, namentlich auch für dar Fall, daß keine D.nscheine auSgegeben find.) Ast die D.nfestsetzung auf Grund einer ungetreuen fiktiven Bilanz z. B. kal­ kulatorisch richtigen, aber in den WerthSanfätzea unrichtigen Bilanz erfolgt, fo kann der einzelne Aktionär den Beschluß angreifen, denn fein Sonderrecht, Anspruch auf D. für folgende Geschäftsjahre, wird dadurch beeinträchtigt. Wirksam wird eine Klage deS einzelnen Aktionärs nur, wenn zugleich im Wege deS Arrestes (CPO. § 814) die D.nzahlung fistirt wird, denn ohnedies würde bei fortgesetzter Erhebung der D. in gutem Glauben (Art. 218, HGB.) der Zweck verfehlt. Durch ausdrückliches Gesetz ist der Aktionär von der Verpflichtung, die in gutem Glauben empfangenen D- zurückzuzahlen, befreit (D. HGB. Art. 197 § 3, 218; Ungar. HGB. § 167; dazu Renaud § 73); das Genoffenschaftsgesetz vom 4. Juli 1868 enthält eine gleichartige Bestimmung nicht und wird dort also die irrthümlich gezahlte D. kondizirt werden können (Entsch. d. ROHG. XXIII. 172). Für die in Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen den Aktionären gezahlten D. find Vorstand, AuffichtSrath der Aktiengesellschaft bzw. Komplementär der Kom­ manditgesellschaft auf Aktien nach näherer Bestimmung der Art. 204, 225 b, 241 persönlich haftbar. Beim Vorhandensein von Prioritätsaktien besteht daS Vorzugsrecht gemeinhin darin, daß fie zunächst bei der D.nvertheilung berücksichtigt werden sollen, wobei die Stammaktien zurücktreten, bis die Prioritätsaktien einen bestimmten Prozentsatz erhalten haben. Ob, fall» in einem Jahr die zugeficherte D. nicht vertheilt werden konnte, ein Recht auf Nachzahlung aus dem Gewinn späterer BetriHtzjahre, ein NachbezugSrecht, zuständig ist, ist Jnterpretationsfrage (Ztschr. s. d. g. Handels­ recht XIX. 318). Der Aerkehrsanschauung darf ein solches NachbezugSrecht als entsprechend bezeichnet werden, dergestalt, daß auf die ältesten Rückstände zunächst die Nachzahlung erfolgt (Entfch. d. ROHG. XXII. 370; Ztschr. s. d. g. Handelsrecht XXIII. 340, anders v. Strombeck in Busch, Archiv, XXXIII. 69 ff.). Für den Fall, daß der reine Gewinn eines Geschäftsjahres zur Bertheilung einer D. von bestimmter Höhe nicht auSreicht, ist vertragsmäßig, wie z. B. bei Eisenbahn »Aktiengesellschaften vom Staat, bei Einbringung eines EtabliffementS feiten» des früheren EigenthümerS von diesem, die Verpflichtung übernommen, die Geldmittel, welche zur ErtragSgewährung in zugefagter Höhe er­ forderlich find, zuzufchießen. Es ist damit eine D.nverbürgschaft der Aktiengesell­ schaft gegenüber übernommen, D-ngarantie, unrichtig ZinSgarantie genannt. Dem einzelnen Aktionär steht hieraus ein Klagerecht nicht zu. Mit dem Eintritt der Gesellschaft in Liquidation erreicht für diese die pro­ duktive Seite deS Unternehmens ihre Endfchaft, die Scheidung zwischen Grund­ kapital und Periodengewinn hört auf, eS besteht nur noch GefellfchaftSvermögen, auS welchem die Liquidationsquote zuständig wird. Hiermit werden weitere D.nvertheilungen ausgeschloffen. Lit.: PöhlS, Recht d. Aktiengesellschaften (1842). — Thöl, H.R., 6. Aufl. — Ende­ mann, H.R., 2. Aufl. — Renaud, Recht der Aktiengesellschaften, 2. Aufl. — Auerbach, Das Gesellschastswffen; das Aktienwesen. — Keytzner, Die Aktiengesellschaften u. die Kommanditges. a. Altien. — Löwenfeld, Das Recht der Aktiengesellschaften. — Garei», H.R., 8 39. — v. Strombeck in Busch, Arch., XXX. 1 ff.. XXXIII. 75 ff., XXXVII. 1 ff. — Keytzn er in Busch, Arch., XXXII. 99 ff. — F. Hecht, Die Kreditinstitute, I. 324. — Die Kommentare zum A. D. HGB. von v. Hahn, Anschütz u. v. Bölderndorff, Puchelt, Keyhner zu den Art. 197, 216—218. — Sicherer, Genofsenschastsgesetzaebung, S. 20 ff.— Parisius, desgl., S. 181, 239, 243. — Dividendengarantie: Goldschmidt, LuccaPistoja - Aktienstreit. — v. Strombeck, Lehre von dem garantirten Eisenbahnaewinne (1875). — Entlch. des ROHG. X. 307; XIII. 44—46. - Keyßner, HGB. zu Art. 211 9t 3, 217 N. 17. Keyßner.

Dolliner — Doles.

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Dollmer, Thomas, $ 12. XII. 1760 zu Dörfern (Kram), lehrte zu Prag und Wen, nahm Theil an der Red. d. BGB-, zog sich 1831 zurück, f 15. II. 1839. Wichtig sein Handbuch d. Oesterr. EherechtS, 1834—36, (2.) 1849. Lit.: Rieger in d. Allg. Deutsch. Biogr. V. 314. — Wurzbach, III. 350. Teichman«. Dollmam», 6 20. X. 1811 zu Ansbach, 1844 ord. Pros, in Müncheu, wo er 30 Jahre laug höchst erfolgreich wirkte, nebenbei betheiligt an vielen gesetzgeb. Arbeiten', f 9. I. 1867. Gab die Ztschr. f. Gesetzgeb. u. Rpflege in Bayern heraus und leitete die Kommentariensammlung über die Bayer. Gesetzgebung. Schriften: Die Entwendung «ach b. Quellen b. ®tm. R., e.

früheren Wohnfitze» beigebracht werden, daß dort keim Ehehind müsse bekannt find. Die 6. hat in Gegenwart zweier Zeugen zu erfolg« und kommt dadurch zu Stande, daß der betreffende Beamte die Verlobt« über ihren EhekonsenS befragt und die­ selben auf ihre bejahende Antwort nunmehr kraft de» Gesetze» für rechtmäßig ver­ bundene Eheleute erklärt. Der Vorgang ist protokollarisch in einem HeirathSregister zu beurkunden, indeffea ist die» für die Gültigkeit der E. nicht wesentlich. Der Reichskanzler ist ferner befugt, den gedachten diplomatisch« Vertrete« oder Konsuln die Ermächtigung zur Vornahme von 6. auch für Schutzgenoff« (im Orient), d. h. für die Angehörig« solcher Nation«, welche vertragsmäßig unter dem Schutze und der Gerichtsbarkeit Deuffcher Vertreter steh«, oder Personen, welche zwar von Deutscher Rationalität find, aber die ReichSangehörigkrit verloren hab« und de facto in den Schutz de» D«tfchm Vertreter» aufgenommen find, mdlich auch gewiffe Unterb«mten der Gesandtschaft« oder Konsulate, zu ertheilen. Wmn ein zur E. ermächtigter Vertreter im Auslande nicht Vorhand« ist oder die Verlobt« dieselbe nicht bei ihm nachsuchea wollen, könn« fie die Ehe rechts­ gültig in den Form« de» ausländischen Rechte» eingehm, dran der Grundsatz: locos regit actum gilt sowol nach Gemeinem, wie auch nach dm Deutschen Parti­ kularrecht« ebenfalls für di« Form der E. Die Fähigkeit zur E. selbst bemißt sich aber nicht nach dem Rechte de» Orte», wo diese stattfindet, viednehr kommt dasselbe nur insoweit in Betracht, al» eine danach absolut «nzuläsfige, auch nicht im Wege der Dispensation zu ermöglich«de Eheeingehung im Auslande nicht statthaben kann. Im Uebrigen entscheidet da» Recht de» Lande», welchem der Ehe­ schließende angehört, weil die die Ehe verbietmden Vorschrift« ein Bestandtheil der öffentlichen Rechtsordnung find und der Einzelne fich dieser nicht beliebig durch eine vorübergehende Entfernung entziehen kann. Unterstehen die Verlobten ver­ schiedenen einheimisch« Recht«, so entscheid« mangel» besonderer gesetzlicher Vor­ schriften beide, d. h. eine Ehe ist nur dann zwischen ihnen statthaft, wenn ihr weder nach dem ein«, noch nach dem anderen ein Ehehinderntß entgegensteht. Eine andere Ansicht läßt frellich da» Recht de» Manne» allein mtscheidm; dies ist aber unrichtig, weil derselbe vor der E. noch nicht Ehemann ist, also die Frau bis dahin nicht von den rechtlichen Wirkungen der Ehe betroffen werden und auch nicht dem Rechte de» Ehemanne» unterworfen fein kann. Ob aber die Zugehörigkeit der in Frage kommenden Verlobten zu einem bestimmten Lande und daS folgeweise zur Anwendung zu bringende Recht fich nach dem Wohnfitze oder nach der Staatsangehürigkeit oder nach dem Wohnfitze in Verbindung mit der Staatsangehörigkeit oder in ersterer Linie nach der letzteren und nur bei verschiedener Ehegesehgebung in verschiedenen Theil« desselben nach dem Rechte de» letzteren bestimmt, darüber herrscht sowol auf dem Gebiete deS Gemeinen R., wie auch für einzelne Partikular­ rechte, z. B. da» Preußische, so weitgehender Streit, daß aus die Erörterung dieser Kontroverse hier verzichtet werd« muß. Dasjenige Recht, welches je nach der einen oder ander« Anficht für maßgebend erachtet wird, muß selbstverständlich gleichfalls über die Fähigkeit des geschiedenen Ehegatten zur Wiederverehelichung mtscheidm. Dageg« ist die Bedeutung eine» EhescheidungSerkenntniffe», au» welchen der Verlobte sein Recht zur weiteren E. herleitet, nicht nach dem Rechte de» Lande», welchem er zur Zeit der beabfichtigt« neuen Ehe angehört, sondem nach bemjenigen, unter welchem und kraft dessen da» Erkenntniß ergangen ist, zu beurtheil«, weshalb eine in einem ausländischen Staate ausgesprochene Scheidung der Ehe auf LebmSzeit von Tisch und Bett oder Separation de corps nicht ohne Weitere» in einem anderen Staate oder in Deutschland als Scheidung der Ehe vom Bande gelt« kann. Quellen: Bunde»-, bei. Reich»gesetz bett, die Eheschließung tc. von Bunde-angehörigen im A«»lande v. 4. Ma» 1870 §§ I—10 (BundeSges.Bl. S. 579); Ges. bett, die Setfassung d. Deutsch. Reich» v. 16. Aptil 1871 (Reich»ges.Bl. S. 63), Ges. bett. d. Einführung v. Bundesgesetzen in Bayern v. 22. Aptil 1871 (a. a. O. S. 81), in Elsaß-Lothringen v. 8. Febt.

Etzrenämter.

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1875 (Äes-Bl. f. Ns-Lothr. S. 9). — NeichSpersonenstandSges. v. 6. Febr 1875, § 85. — Prenß. 891 1 5 S 111. — Eächs. Ges. v. 5. Rov. 1875, § 10. - Eächs. B«B. § 13. — Cod. civ. art. 17Ö. Lit.: P. Hinschius, Kommentar z. ReichSpersonenstandSges., 2. Anst., Berlin 1875 5. 158, 168, 202. — v. Sicherer, Kommentar z. ReichSpersonenstandSges, Erlange« 1879 6. 267, 485, 634. — v. Holtzendorff, XrchtSsall b. Fürstin Bibesco, München 1875. — Blnntschli, Deutsche Naturalisation einer separirten Französin, Heidelberg 1876. — Stölzel, Wiederverheirathung eines beständig von Tisch und Bett getrennte» Ehegatten, Berlin 1876. — Teichmann, Etüde bot l’anaire de Baufiremont, Btale 1876. P. Hinschiu».

Ehrenämter bezeichnen im neueren Verwaltungssystem eine Weise bet Ver­

waltung von Staat»- und Gemeindeämtern, welche nicht von BerufSbeamten gegen eine Bergütigung ihrer persönlichen Amtsleistung, fonbttn von den geeigneten Klassen der Gesellschaft ohne AmtSsold versehen wird, vorbehaltlich etwa einer Bergütigung für wirkliche AmtSauSlagen. Erhebliche Elemente eines solchen Amts­ system- habe« fich in den Deutschen Städten und in dem ländlichen Schulzenamt gebildet und erhalten. Eine volle umfassende Entwicklung hat das System aber seit dem Mittelalter in England erhalten, und eine eingehende Prüfung dieser Verhältnisse hat in neuerer Zeit nicht nur zu der Erkenntniß geführt, daß da- vielgerühmte Selfgovernment lediglich auf dem E.ssystem beruht, welches im Uebrigen alle Rechte und Pflichten mit dem Berufsbeamtenthum gemeinsam hat;

sondern daß da- E.Ssystem einen wesentlichen Theil de» Grundbaues der Parla­ mentsverfassung,, insbesondere auch der Formation des Unterhauses wie de» Ober­ hauses bildet. ES find zwei Seiten, welche dem E.ssystem seine Bedeutung geben: 1) Die Verbindung der persönlichen Amtspflichten und Amtserfahrungen mit den Gewohn» heiten und Leben-anschauungen der besitzenden Klaffen; 2) die persönliche Selbst­ ständigkeit deS Ehrenbeamten, welche ein unschätzbare» Element sür die Berwal-

tungSrechtsprechung ergiebt. Die erste Seite de» E. führt auf die Grundprinzipien zurück, nach welchen fich Staat und Gesellschaft in dem wirklichen Leben der Nationen miteinander ver­ binden. Durch da» E. entsteht «ad entfaltet fich in der Gesellschaft da» Bewußtsein von dem Berufe der höherem Klaffen, nicht blo» im Erwerb und Genuß der äußeren Leben-güter und einer darauf beruhenden „Civilisation", sondern in der gewohnheitsmäßigen persönlichen Thätigkeit für die höheren Aufgaben der Gesammt­ heit, welche da» obrigkeitliche Amt in allen Stufen zu erfüllen hat, ihre Befriedi­ gung, die Anerkennung ihrer Mitbürger, den wahlberechtigten Einfluß de» Besitze» und der Bildung zunächst in dem Nachbarverbande zu finden, au» welchem die Volksvertretungen hervorgehen. Die» Selbstthun der befitzenden Klaffen ist durch keine andere Einrichtung zu ersetzen, so unablässig auch die politischen und sozialen Theorien bemüht find, diese beschwerliche Voraussetzung durch bequemere Surrogate zu ersetzen. In der ständischen Ordnung de» Mittelalter» standen an dieser Stelle die hervorragenden Leistungen de» Großgrundbesitze» für Heer, Gericht und Kirche.

Aus derselben Grundlage von Leistungen für die Wohlfahrts- und Kulturzwrckc deS Staat», für welche die Kirche ihr Personal und ihr Vermögen bestimmungs­ mäßig hergab, beruhte die Stellung der regierenden Geistlichkeit. Rach demselben Grundsatz hervorragender staatlicher Leistungen bildete fich die ständische Stellung der Ritterschaften und der Städte. Mit der langsamen, aber zuletzt vollständigen Umwandlung aller dieser Stiftungen zersetzt fich schrittweise die ständische Ordnung der Gesellschaft. Schon in den letzten Jahrhunderten de» Mittelalters ergiebt fich in der mitteleuropäischen Welt überall die Nothwendigkeit, durch Reich-- und Landespolizeiordnungen die gemeinsamen Bedürfniffe de» bürgerlichen Lebens zu befriedigen und durch pofitive Thätigkeit der Obrigkeit den Wohlfahrt»- und Kultm-

aufgaben der Gesammtheit gerecht zu werden.

Von Jahrhundert zu Jahrhundert

600

Ehrenämter.

entwickelt sich daraus daß moderne BerwaltungSrecht, welches zu seiner Handhabung wesentlich anderer Organe bedurfte, als das (überall mit Befitzleistungen verfloch­ tene) LmtSfystem d«S Mittelalters. Dies neuere GefetzeSrecht war nur durch persünlich verantwortliche AmtSorgaae zu handhaben. — In England hatte die eigenthümlich bureaukratische Entwicklung der Anglonormaaaischrn Verwal­ tung die befitzeude» Klaffen besonders bereitwillig gemacht, ihre Stellung in dem verantworllichen „Amt des Königs" zu suchen. Mit der dauernden Einsetzung des Friedensrichteramts (ann. 1360) beginnt die Grundlegung, auS der die Stel­ lung der «gierenden Klassen und die wachsende Macht der Englischen Parlament« hervorgegangen ist. La jene» Hauptamt schließt sich demnächst noch die E.Sstellung drS Sheriff, des Lord Lieutenant und der Deputy Lieutenants der Miliz. In einseitiger Entwicklung hat aber das Englische System daS Schulzenamt der Con­ stables, die städtischen E., ja selbst den Dienst der jury frühzeitig vernachlässigt, herabgedrückt und so verkümmern laflen, daß in der modernen Entwicklung der Mittelstände und unteren Klaffen der Mangel eines örtlichen Gemeiadeleben» und GemeiadefiunS sich dort noch sühlbarer macht, als auf dem Kontinent. — In Deutschland hat umgekehrt bei dem allmählichen Uebergang in daS moderne Beamteasystem daS BerufSbeamtenthym den Stände« die höheren Funktionen der Staatsverwaltung abgenommen, während in Stadt und Land ein mittleres und unteres ELsystem sich kräftiger erhalten hat. Hier handelte eS sich vielmehr darum, die Verbindung von Besitz und Amt auch in die oberen Stufen der Amtshierarchie einzuführen, wie dies in sehr intensiver Weise durch die P«ußische KreiSordnung von 1872 geschehen ist. Die Neubildung von mehr als 5000 E.Svorstehern, die Besetzung der KreiSauSschüffe, Bezirksverwaltungsgerichte, Bezirks» und Provinzialräthe mit Ehrenbeamten, die gleichartige Durchfühmng de» System» in den städti» fchen Aemtern und im Schulzenamt bieten eine zusammenhängende Kette von Ein­ richtungen dar, welche nicht nur umfaffender als daS Englische Selfgovernment in die örtliche Verwaltung eindringt, sondern auch durch die überaus starke Betheili­ gung der Mittelstände jene innere Harmonie bewahrt, die dem Englischen System verloren gegangen ist. Erst in diesen neuen Schöpfungen wird sich die Vorbe­ dingung aller ParlamentSversaffungen Herstellen: der innere kommunale Zu­ sammenhang der Wahlverbände, in welchem Besitz und Bildung ihren berechtigten, stetigen Einfluß gewinnen und die Grundlage deS allgemeinen Stimmrechts ihre naturgemäße langsam«, aber sichere Korrektur findet. Die zweite Seite, die Bedeutung der 6. für die DerwaltungSjuriS» diktion, steht in engem Zusammenhang mit der besonderen Natur des Derwal» tungSrrchtS. Als gegen den Schluß deS Mittelalter» ein zusammenhängendes System von Verwaltungsgesehen erschien, zeigte sich alsbald das Bedürfniß einer RechtSkontrole ihrer AuSftlhrung. In Deutschland erhielten die Reichsgerichte neben ihrer Rechtsprechung in Justizsachen den besonderen Auftrag der Wahrung deS Landfrieden» und der damit zusammenhängenden Kontrole der Polizeigesetze. Für die Entscheidung der dieserhalb erhobenen Beschwerden sand man da» Vorbild in dem Römischen ReskriPtSprozeß und in der Kanonischen Extrajudizialappellation. ES bildete fich dafür ein außerordentliches Beschwerdeverfahren unter der Bezeich­ nung querela (vgl. d. Art. Beschwerde). In gleicher Weise hat England für diese Fälle den ReskriPtSprozeß eingesührt und bis heute noch üben die Englischen Reichsgerichte ihre Verwaltungsrechtsprechung durch writs of certiorari, writs of mandamus, of prohibition etc. Diese Rechtsprechung eines fern stehenden Richterkolle» gium» kann indeffen praktisch nur wirksam werden für Rechtsfragen, Kompetenz­ fragen und Fälle eine» evidenten Mangel» thatsächlicher Voraussetzungen eine» BerwaltungSaktrS. Der Grund der Beschwerde liegt aber in den Polizei» und gleichartigen Verwaltung-gesehen weit überwiegend in einer chikanösen Anwendung ohne hinreichende Veranlaffung, die für eine RechtSkontrole eigenthümliche Echwie»

rigfeüen darbietet. DaS Englische Verwaltungbrecht behandelt dm Eriaß der BerwaltüngSdekrete (ordere) von Hause anl als einm Akt der Jurisdiktion im wei­

tere» (kanonifchm) Sinne. Zur Vervollständigung des Rechtsschutzes schob man dort in späteren Jahrhunderten eine .Appellation" an die Ouartalfitzungm ein, welche durch eine Nachprüfung der von dm einzeln« FriAenSrichteim erlassen« ordere einm wirksamerm Rechtsschutz gewähr« soll. I» Deutschland trat mit der Trennung von Justiz und Verwaltung daS nmere „Behvrdmsystem" in diese Stelle und gewährte durch eine Nachprüfung der BerwaltungSversÜguugen in zwei oder drei Instanzen nunmehr einm sehr wirksam« Rechtsschutz, bft mit Herstellung

eines formell« StreitversahrenS neuerdings »Hebet als BerwaltungSjuriSdiktion (vgl. dies« Art.) bezeichnet wiA. Als wirksamer Schutz hat sich an dieser Stelle überall eine Jurisdiction attributive bewährt, welche innerhalb der BerwaltungSbehörbm selbst eine Nachprüfung bA VerwaltungSaktS vom Staub­ punkt seiner Gesetzmäßigkeit übt. Bei diesem Pnnkt ergiebt sich aber eine Schwie­ rigkeit der Besetzung der BerwaltungSgerichte, die im konstitutiontilm Staat mit dem Eintritt bei Parteiwesens und deS Ministerwechsels fich besonders fühlbar macht. DaS BerwaltungSbeamtenthum, welches in dm Bezirks- imb OrtSämteru auSführendeS Organ „verantworllicher Minister" fein fast, vermag für fteh allein die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht zu behaupten, welche daS Wes« einer Rechtsprechung bedingt. Zur Ausfüllung dieser Lücke bot fich daS Personal der höher« E. dar, mit welchem nun auch in Preußen seit 1872 eine Verwal­ tungsjurisdiktion I. und IL Instanz in weitem Umfang hergestellt woAm ist. Während daS BerufSbeaMtenthüm die Unabhängigkeit deS Richteramts nur durch eine lebenslänglich, gesicherte Anstellung gewinnt, wohnt diese Unabhängigkeit dm Ehrenbeamten von'selbst bei durch dm Befitz. Und obwol ein BerwaltungSamt seiner Natur nach nur wiberruflich verliehen werd« kann, hat sich in dm „Amtite vorstehem" wie in den bürgerlichm Beifitzem bA „KreiSauSschusseS" und bA „Bezirksverwaltungsgerichts" die volle Unabhängigkeit bA Richteramts vorgefunbm, welche von unten herauf ein starkA Funbament für eine Bertraum erweckmde Rechte fprechung darbot. Indem man diese Institution auf daS gefammte GAiet der Polizeiverfügungen, de» obrigteiUichm KonzesstonSwesmS und solche konnexe Gebiete auSdehnte, welche nach dm Erfahmngen bA konstitutionell« RegierungSshstem» einem wirksamen Mißbrauch zu Wahl- und Parteizweckm unterlieg«, ist nunmehr auch die Smndlage gewonnen, welche daS konstitutionelle Parteiwesm im .Rechts­ staat" möglich macht: die Unabhängigkeit ber inneren Verwaltung bA Staat» von wechselnden ministeriellen Systemen, von der unwiderstehlichen Neigung der herrschenden Partei den Befitz der Aemter für ihre Parteizwecke nutzbar zu machen, — zugleich eine Grundlage zur Erhaltung der moralisch« Un­ abhängigkeit bA BeamtenstanbeS im konstitutionellen Staat, welche in Deutschland wol eine größere Bedeutung hat al» irgend andeAwo. Auch diese Seite der Re­ form hat fich in überraschmder Weise bewährt durch die «nbestrittme Integrität und Unparteilichkeit, welche dem Ehrmbeamtmthum nachzurühmen ist, völlig unab­ hängig von der politisch« Parteimeinung bA Einzeln« außerhalb bA Amt». Da» Ehrenbeamtenthum entspricht alleAing» nicht b« nächsten Intentionen der gesellschaftlich« Klaffen. Der Berufsbeamte fieht in dem Ehrenbeamten eine mehr oder weniger dilettantische Konkurrenz, an der et Lästigkeit nnd Unsicherheit der Amtsführung zu rügen hat; er will eine „Selbstverwaltung" nur für die wirthschaftlichen (kommunalen) Geschäfte der größerm und kleineren Gemeinde­ verbände anerkenn«. Der altständische Standpunkt glaubte in Patrtmonialgerichtm und Patrimonialpolizei eine Art der Selbstverwaltemg beseffen zu haben. Die konstitutionellen Theorien nach Belgisch - franzvfischem Muster habm nur an ge­ wählte Gemeindevertretungm gedacht, welche die verwaltmdm Beamt« wähl« und da» auSführende Beamtenthum anstellm. Die Gesellschaft fühlt nirgend» einen

spontanen Drang -nr unentgeltlichen Übernahme eine» mühevollm, Verantwort­ lichen Amt» sich nöthigen zu lasse«. Ein umfassende« System der E. ist stet» nur entstanden, wo die Gesetzgckung in der Lage »ar, von weiten, umfassenden Gesichtspunkten auö den inneren Ban von Staat, Kirche und Gemeinde zu gestalten, ßit: Ueber die Bedeutung der E. im Englische» Etaattbau vgl. Gneist, Selfgovernment (3. Lust. 1871), § 84; in der neuen Preußischen Berwaltungsorganifation Gneist, Preuß. Kreidordnung, 1870, Absch». V. Gneist. Ehrengerichte find Gerichte von StandeSgenoffen, welche übet die Standes­ ehre de« StandeSgenoffen zu entscheiden haben. In Betracht kommen solgende Arten von 6.: 1) die militärischen 6. Diese bestehen für die Offiziere deS stehenden HeereS und de» Beurlaubtenstandes sowie der GenSdarmerie, für die auf JnaktivitätSgehalt stehenden, mit Pmfion zur Disposition gestellten und mit Vorbehalt der Dienstverpflichtung au» dem stehenden Heere auSgeschiedenen Offi­ ziere, welche zur Tragung der Uniform berechtigt find, jedoch mit Ausschluß der Generalität und der Stabsoffiziere, welche als höhere Truppenbefehlshaber und als erste Kommandanten fungiren. Die 6. urtheilen sowol in denjenigen Fällen, in denm ein Offizier etwas gethan hat, wodurch er selbst seine EtandeSehre verletzte, wie auch in denjenigen Fällen, in denen ein Offizier in seiner EtandeSehre durch einen Anderen verletzt wurde Im ersteren Falle ist daS militärische 6. ein Disziplinargericht von StandeSgenoffen, es urtheilt namentlich über: Mangel an Entschloffenheit; fortgesetztes, die EtandeSehre beeinträchtigendes Schuldenmachen; die einem Offizier nicht geziemende Lebensweise oder Art deS Umgänge»; Mangel an Verschwiegenheit über dienstliche Anordnungen; Neigung zu Trunk und Spiel, wenn dadurch Aergerniß entsteht; unpaffendeS Benehmen an * öffentlichen Orten; fortdauernde mangelhafte Erfüllung der Dienstpflichten; wiederholtes und vorsätz­ liches Uebertreten der Standespflichten. Die 6. erkennen auf Warnung; Eatlaffung auS dem Dienste; Entfernung auS dem Offizierstande; Verlust deS Rechts, die Mllitäruniform zu tragen (gegen verabschiedete Offiziere); Entfernung auS dem bisherigen Wohnorte (gegen inaktive Offiziere). Im anderen Falle, wenn e» fich um die Frage handelt, ob von einem Nicht-StandeSgenoffen, oder einem an­ deren Offizier die EtandeSehre eine» Offizier» verletzt fei, ist daS militärische 6. ein Schiedsgericht in allen Ehrenstreitigkeiten der Offiziere und hat „darüber zu wachen, daß unnütze Händel und muthwillige Zänkereien vermieden werden, um die Ehre eine» jeden Offizier» und dadurch auch de» ganzen Korps, mit Rücksicht auf die eigenthümlichen Verhältniffe de» OffizierstandeS, fleckenlos zu erhalten". In dieser Beziehung erkennt da» militärische E. entweder darauf, daß der Fall zur ehrengerichtlichen Rüge nicht geeignet und die Ehre de» Betheiligten nicht für ver­ letzt zu erachten sei; oder auf eine Rüge wegen de» Benehmen» und zugleich aus zu erfolgende Ehrenerklärung; oder auf Entlastung au» dem Dienst. Durch eine» oder da» andere dieser ehrengerichtlichen Urtheile soll der Konflikt seine vollständige Erledigung und zwar dergestalt finden, daß eine weitere Genugthuung von den Betheiligten nicht gefordert werden darf. Sollte indeffen ein Streit oder eine Be­ leidigung unter Offizieren durch da» 6. nicht beizulegen sein, und sollten die Betheiligten zu erkennen geben, daß fie die Angelegenheit durch Zweikamps beilegen würden, so find dieselben zwar auf die Straseu de» Zweikampf» hinzuweisen, an diesem selbst aber so wmig zu hindern, daß im Gegentheile Mitglieder de» Ehrenrathe» einem solchen Zweikampfe al» Kampfrichter beiwohnen und darauf die etwa nöthig werdende strasgerichtliche Untersuchung wegen de» Zweikampfe» zu veranlaffen haben. Al» Stande»gerichte find die militärischen 6. nur von Militärpersonen besetzt. In Folge der Bestimmung in Art. 61 der Verfassung für da» Deutsche Reich ist die Preußische Verordnung über die E. vom 20. Juli 1843 im ganzen Reiche eingeführt. 2) Da» E. der Rechtsanwälte. Die Rechtsanwälte, welche innerhalb de» Bezirk» eine» OberlandeSgericht» zugelaffen find, bilden die

Anwalt-kammer. Diese hat einen von den Mitgliedern der Kammer gewählten Borstand. Zu den Pflichten de» Borstande» gehört auch „bie Aufsicht über bie Erfüllung bet ben Mitglickern bet Kammer obliegenben Pflichten zu üben unb bie ehrengerichtliche Strafgewalt zu handhaben". Rach § 28 bet RechtSanwaltSordmmg ist bei Rechtsanwalt verpflichtet: „feine Berufsthätigkeit gewiffenhaft auSzuüben und durch fein Verhalten in Ausübung be» Berufs sowie außerhalb beffeöen sich bet Achtung würdig zu zeigen, bie sein Beruf erfordert". Ein Rechtsanwalt, welcher diese Pflicht« verletzt, hat bie ehrengerichtliche Bestrafung verwirkt (RechtSanwaltSordnung § 62). Die ehrengerichtlichen Strafen find: Warnung, BerweiS, Geld­ strafe bis zu dreitausend Mark, bie auch mit Verweis verbunden »eiben kann, und AuSfchließimg von der Rechtsanwaltschaft- Der Borstand der Anwaltskammer entscheidet im ehrengerichtlichen Berfahren al» E. in der Besetzung von fünf Mitgliedern — dem Borsttzenden, dem stellvertretenden Borfitzenden (vgl. Rechtsanwalt»ordnung § 46) und drei anderen Mitgliedern de» Borstaude». Für da» Berfahren gelten, soweit die RechtSanwalttordnung nicht Abweichungen bestimmt hat, die Vorschriften bet StrafPO. Beschlüffe unb Verfügungen deS E. können mit der Beschwerde angefochten werd«. Für Berhandlung und Entscheidung diese» Rechts­ mittels ist da» OberlandeSgericht zuständig (RechtSanwaltSordnung § 89). Gegen bie Urtheile be» E. ist bie Berufung an ben E.»hof zulässig, bet au» dem Prä­ sidenten be» Reichsgerichts, drei Mitgliedern be» Reichsgerichts unb drei Mitgliedern der bei dem Reichsgerichte bestehenden Anwaltskammer gebildet wird (RechtSanwaltS­ ordnung § 90). Die Verrichtungen bet Staatsanwaltschaft beim ehrengerichtlichen Berfahren werden von bet Staatsanwaltschaft beim OberlandeSgerichte, in bet Be­ rufungsinstanz von bet Reichsanwaltschaft beim Reichsgerichte wahrgenommen (RechtöanwaltSoidnung § 92). Die Anwaltskammer bei dem Reichsgerichte wird durch die bei demselben zugelaffenen Rechtsanwälte gebildet. Die Mttglieder de» C.ShofeS können nicht Mitglieder be» E fein, welche» für bie bei dem Reichs­ gerichte zugelaffenen Rechtsanwälte au» bet beim Reichsgerichte bestehenden AnwaltSkammer gebildet wird. Vfab.: a) Bezüglich bei militärischen 6.: Verfasiung bei Deutschen Reich» Art. 61. - Verordn, v. 20. Juli 1843. — Kab.O. v. 3. April 1845. - Äab.D. v. 27. Sept. 1845. — Äab.O. v. 13. Rov. 1856. — Verordn, v. 4. Juli 1866, bet*, bie Dienstverhältnisse bet Offiziere des Beurlaubtenstaube». — Äab.D. v. 18. Juli 1844 (Verpflichtung bet Staats­ angehörigen zur Zeugnihablegung vor ben 6.). — Ges. v. 23. Juli 1847. — Zimmer­ mann, Der gerichil. u. außergerrchtl. Zweikampf u. bie heutigen Militär. E. — Gericht-saal 1872, S. 407. — b) Bezüglich be» E. bet Rechtsanwälte: Recht-anwalt-ordnung vom 1. Juli 1878, §§ 41 ff., 62 ff. John.

Ehrenstrafe«. (Th. I. S. 731) haben nach jetzigem Strasrecht zum Gegenstand Berlustsog.b ürg e rlich erEhrenrechte, deren UmfangauSden §§ 33,34 RStrafGB. sich ergiebt. Der Verlust jener Rechte, bez. Fähigkeiten, ist nicht mehr gesetz­ liche Folge der Berurtheilung zur Zuchthausstrafe. Bon Rechtswegen bewirkt diese jetzt nur noch bie dauernde Unfähigkeit -um Wehrdieust, sowie zur Bekleidung öffentlicher Aemter (denen der § 31 auch die Advokatur, Anwaltschaft, den Geschworenen» unb Schösfendienst anreiht, aber, trotz Schweigen» be» GBG., auch da» Amt al» Handelsrichter bei» zuzählen ist). Doch wird die nach 8 32 RMil-StrafGB. gewisse Folgen von Rechtswegen nach sich ziehende Entfernung au» dem Heer oder der Marine nach § 81 Mil StrafGB. besonder» ausgesprochen unb ist auch in dem durch § 37 RStrafGB. zu­ gelassenen neuen Berfahren auf jene Folge besonder» zu erkennen. Andererseits ist in § 42 RMil.StrafGB. bestimmt, daß bei Berurtheilung thwt Person des Beurlaubtenstandes während der Beurlaubung zu Zuchthausstrafe (durch ta» Civil» gericht) diejenigen militärischen E., auf welche nach den §§ 30—40 Mil.StrafGB. erkannt werden muß, von Rechtswegen eintreten. Die in § 31 RStrafGB. an­ gegebenen Folgen der Berurtheilung zu Zuchthausstrafe müffen nach EG. § 2

604 tos. 1 all die einzigen strafrechtlichen, von Rechtswegen eiutretenden, die Ehre deS Verurtheiltm betreffenden Folgen angesehen werde». Wo dagegen auf anderen Gebieten, als auf dem deS Strafrechts au eine solche Berurtheiluug gewisse Folgen von Reichs- und Landesstrafrecht geknüpft werden, bleibe« diese unberührt (z. B. Verlust der väterlichen Gewalt, Gründ zur Ehescheidung, Verlust gewerblicher Rechte, vgl. OlShausen, Komm., 6. 118, 5; 120, 4). Der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ist eine Rebenstrafe, aus welche zu erkennen ist. Eine Hanptstraft allein ist der Verweis (s. diesm Art.). Auf den Verlust der bürgerlichen E.rechte muß erkannt werden bei Meineid (§ 161) und schwerer Kuppelei (§ 181). Dagegen kann aus ihn erkannt werden: 1) unbedingt neben TodeS» und Zuchthausstrafe; 2) neben einer Gefängnißstrafe unter den Be­ dingungen a) daß die Dauer der erkannten Strafe drei Monate für Eine strafbare Handlung erreicht; b) daß daS Gesetz den Verlust der bürgerliche» E.rechte aus­ drücklich zuläßt oder die Gefängnißstrafe wegen Annahme mildernder Umstände au Stelle von Zuchthausstrafe auSgefprochm wird. Reben TodeS- und lebenslänglicher Zuchthausstrafe hat die Aberkennung zeitlich unbeschränkt zu erfolgen. Bei zeitiger Zuchthausstrafe beträgt fie 2—10 Jahre, bei Gefängnißstrafe 1—5 Jahre. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt: 1) dauernden Verlust der aus öffentlichen (b. h. in öffentlichen (kirchlichen) Angelegenheiten vorgenommenen) Wahlen für den Verurtheiltm hervorgegangenen Rechte — dauernden Verlust der öffentlichen Aemter (wohin außer den obengenannten auch Kirchenämter zu rechnen fein dürften, falls der Geistliche Staats­ diener), Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen (worunter solche gemeint sein dürften, welch« vom Staate oder von Korporationen de» öffentlichen Rechts verliehen oder bestätigt teert en, so daß dahin z. B. akademische, von inländischen Universitäten verliehene Würden gehören, dagegen als Ehrenzeichen nicht die Ausstellung-medaillen gelten können, vgl. OlSHausen zu § 83). Der Adel geht nicht verloren. 2) die Unfähigkeit, während der im Urtheil bestimmten Zeit: a) die LandeSkokarde (d. h. die Kokarde deS Lander, dem der Berurtheilte je­ weilig angehört) zu tragen, b) in daS Deutsche Heer oder in die Kaiserliche Marine einzutreten, c) öffentliche Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu erlangen, d) in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden oder andere politische Rechte auSzuüben (vgl. Rubo S. 363, OlSHause« S. 123), e) SolennitätSzeuge zu sein (während Unfähigkeit, eidlich als Zeuge oder Sachverständiger vernommen zu werden, nur bet Meineid vorkommt), f) Dormund, Nebenvormund, Kurator, gerichtlicher Beistand oder Mitglied eine- Familienraths zu sein, eS fei denn, daß eS sich um Berwandte absteigender Linie handelt und die obervormundschaftliche Behörde oder der Familienrath die Genehmigung ertheilt. Auf den Verlust einzelner dieser Rechte kann erkannt werden, nämlich: 1) auf zeitlichen Verlust der AmtSfähigkeit a) neben einer Gefängnißstrafe (nicht unter 3 Monaten), mit welcher die Aberkennung der bürgerlichen Ehrmrechte hätte verbundm werden können und zwar auf 1—5 Jahre, den dauernden Verlust der bekleidetm Aemter von Rechtswegen zur Folge habend — b) gegen Beamte bei gewiffen Amtsdelikten (§§ 128, 129, 331, 339—341, 352—355, 857) neben Gefängniß (von 1 Tag aufwärts) auf 1—5 Jahre (§ 358); 2) auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter und der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte a) neben Festungshaft bei einer Reihe von Delikten gegen den Staat (§§ 81, 83, 84, 87—90, 94) — b) neben Gefängniß (von 2 Monaten aufwärts) im Falle de» § 95.

Nicht um eia Ehrenrecht, noch um eine Ehrmstrafe handelt es sich bei littfähigkeit zum Eisenbahn» oder Telegraphendienst obv für bestimmte Zweige derselben gemäß § 819 »Straf«». Die Wrkungen der Aberkennung der bürgerlichen Ehrmrechte, sowie der Fähig­ keit zur Bekleidung öffentlicher Aemter treten mit der Rechtskraft des Urteil ein. Die Dauer wird berechnet von dem Tage, an dem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erfassen ist (§ 36). Auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte oder einzelner Ehrmrechte ist gegen Angefchuldigte, welche «och nicht das 18. Jahr zur Zeit der Begehung der strafbaren Handlung vollendet hatten, nicht zu erkmnen (§ 57, 5). Die Zulassung einer Ausnahme von der allgemeinm Regel „ne bis in idem“ — wie sie in 37 RStrafGB. liegt — ist durch die GleichstLung der im Auslande mit dm im Jnlande abgmrthelltm Jnländem bedingt. Der § 87 ist nur an­ wendbar, wo im llebrigen eine Verfolgung im Jnlande auSgefchlosteatst (».Schwarze, OlShaufen, contra: Rubo). Da» in diesem Berfahren «gehmde Urtel äußert seine Wirkungen bezüglich des Eintritts des erkannten Verluste» mit der Rechtskraft. Auch ist darin eine Bestrafung im Ginne des § 244 zn sehen (Oppenhoff, OlShaufen). Besondere Ehrenstrafen gegen Personen des Soldatenstande» kmnt für militärische und nichtmilitärische Berbrechen das RMil.GtrafGB.8880—42. E» wird erkannt ans: 1. Entfernung auS dem Heere (8 81) oder der Marine: ») obligatorisch gegen alle Soldaten neben Zuchthau»; gegen Unteroffiziere und Gemeine neben dem Vertust der bürgerlichen Ehrenrechte auf mehr als 3 Jahre; gegen Offiziere neben jedem Verlust derselben und wo gegen Unteroffiziere und Gemeine Versetzung in die 2. Älafie geboten ist; b) fakultativ neben Gefängniß von mehr als 5 Jahren und gegen Offiziere, wo Versetzung in die 2. Älafie gegen Unteroffiziere und Gemeine zulässig ist — (bei pmfionirten Offizieren im Verlust de» Offiziertitel» bestehend). Sie bedeutet Verlust der Dienststelle und der damit verbundenm AuSzeiL» nungen, sowie aller durch dm Militärdienst erworbmm Ansprüche, soweit diese aberkmnbar find, dauemdm Verlust der Ordm und Ehrenzeichen und Unfähigkeit zum Wiedereintritt. 2. Dienstentlassung (§ 84) (nur gegen Offiziere), nach fich ziehend den Verlust der Dienststelle, der erworbmen, aberkennbaren Ansprüche, des Rechte» die Uniform zu tragen — vertreten durch Amtsverlust bei Militärbeamtm: a) obligatorisch neben Erkennung auf Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter und wo gegen Unteroffiziere Degradation geboten ist; b) fakultativ neben Freiheitsstrafe von mehr als 1 Jahr und wo gegen Unteroffiziere Degradation zulässig ist. 3. Versetzung in die 2. Klasse deS Soldatenstandes (§ 87) (nut gegen Unteroffiziere und Gemeine), bedmtmd dm dauernden Verlust der Ordm und Ehrenzeichen, der aberkennbarm VerforgungSanfprüche und de» Rechte» die Militärkokarde zu tragen: a. obligatorisch neben Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, wenn die Dauer 8 Jahre nicht übersteigt; b. fakultativ nach näherer Bestimmung in § 37 Abs. 2, § 38. 4. Degradation (§ 40, nur gegen Unteroffiziere), d. h. Rücktritt in dm Stand der Gemeinm und Verlust der im Dienst al» Unteroffizier erworbmm ab­ erkennbarm Ansprüche: a. obligatorisch neben Gefängniß von mehr al» 1 Jahr, Versetzung in die 2. Klasse, Aberkennung der Fähigkeit zu ösfmtlichen Aemtem;

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Ehrenstrafen.

b. fakultativ neben kürzerem Gefängniß — wegen wiederholten Rückfalls — wegen einer der in § 37 Abs. 2,. N. 2 bezeichneten strafbaren Handlungen.

Im Franz. R. entspricht dem Verluste bzw. der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, jedoch als Haupt- wie Nebenstrafe vorkommend, die dägradation civique des art. 34 Code penal, welche droits politiques (civiques), civils et de famille entzieht, aber in weiterem Umfange, als in Deutschland. Daneben kommt, abgesehen von der infamirenden Strafe des bannissement, für die Zeit der Straf­ vollstreckung die interdiction legale in Betracht, die zu Einsetzung eines tuteur und subrogä tuteur führt; ferner als Rest der durch loi 31 mai 1854 abgeschafften Strafe des bürgerlichen Todes theils Nullität des Testaments, theils Unfähigkeit zu Schenkungen und Annahme solcher bei lebenslänglich Verurtheilten (art. 3 eit. loi). Verschiedene Gesetze aus neuerer Zeit mildern einige dieser strengen Bestim­ mungen. Eine theil weise Int erdiktion betrifft art. 42 Code penal. Auch ist Verlust von Gewerberechten und Amtsverlust (bei Notaren, vielleicht bei agents de change ou courtiers) bekannt. Zu den E. wurden früher noch die beschämenden gerechnet, wie Abbitte, Ehrenerklärung und Widerruf. Dieselben sind wol jetzt völlig beseitigt (vgl. Meyer, Lehrbuch [2], S. 285, Note 3; Oppenhoff, Note 32 zu § 188 d. RStrafGB.; Löwe zu § 11 d. EG. zur RStrafPO.; John in v. Holtzendorsffs StrafRZtg., XI. 347). Das Russische R. kennt (art. 58) Kirchenbuße, deren nähere Bestimmung der geistlichen Obrigkeit zusteht.

Quellen: RStrafGB. §§ 31—37. — RMil.StrafGB. §§ 30-42, 134, 13s. - Die sehr komplizirten Bestimmungen für Oesterreich (§§ 26, 27 u. Ges. v. 15. Nov. 1867, ^§5—12 sowie StrafPO. v. 23. Mai 1873 §§ 83, 402, nebst Vollzugsvorschrift 35, 36) vgl. in der Ausgabe von Manz (1880) S. 14—20. — Ungarn, §§ 55—59. — Italien, art. 19—25, 31, 193. — Codice Toscano, art. 15 § 3, 16 § 4, 24—27. — Belgien, art. 19—24, 31—34. — Holland, Ges. v. 29. Juni 1854. — Luxemburg, art. 19-24, 31—34. — Dänemark, §§ 9, 33 (v. Holtzendorff in seinem Handbuch I. 169). — Schweden, cap. 2 §§ 15—19. — Ruhland, art. 17, 22—24, 27, 30, 43, 44, 46, 47, 50, 65—69 (Beckhaus in Unsere Zeit, 1868 [IV. 2] 59—67). — Spanien, art. 26, 29, 31, 32—46, 54. — Por­ tugal, art. 33, 40, 43—45, 52—58, 62, 63, 65. — Basel, 6, 7, 22. — Zürich, §§ 4-7, 10, 20—22, 25 (Benz, Komm. 1871, S. 34, 35, 40). — Bern, art. 7, 18—20. — Genf, art. 10—12, 17—19. — Ueber England vgl. Harris, Principles of the Criminal Law, 1877 p. 445, 446; u. Stephen, A Digest of the Criminal Law, 1877 p. 8—10. — Vargha, Die Vertheidigung in Strafsachen, Wien 1879 S. 246 Rote 2. Lit.: Wahlberg in der Oesterr. Ger.Ztg., Mai 1862; Derselbe, Die Ehrenfolgen der strafaerichtl. Verurtheilung, Wien 1864; Derselbe in v. Holtzendorff's Allg. Deutsch. StrafR.Ztg., Februar 1864; Derselbe, Das Prinzip der Jndividualisirung in der Straf­ rechtspflege, Wien 1869, S. 149 ff., 170, 172; Derselbe in v. Holtzendorff's Handb. d. D. StrafR. II. (1871) S. 500—509; Derselbe, Krim. u. nationalök. Gesichtspunkte, 1872, S. 125-130. — John, Entwurf mit Motiven, 1868, S. 125-139. — Marezoll, Ueber die bürgert Ehre, Gießen 1824. — Budde, Ueber Rechtlosigkeit, Ehrlosigkeit, Bonn 1842. — Wick, Ueber Ehrenstrafen u. Ehrenfolgen der Verbrechen u. Strafen, Rost. 1853; Derselbe, im N. Arch. d. Krim.R., 1851. — Haken, Ueber den Begriff der Ehre, Dorpat 1850. — Zugschwerbt, Die Schärfungen der Freiheitsstrafe, Wien 1865. — Köstlin, System, 1855, S. 427. — Geib, Lehrb., 1869, II. S. 424—429. — Goltdammer, Materialien, I. 128 ff. — Valentini, Das Verbrecherthum im Preuß. Staate, Leipz. 1869. — Groß, Ueber die Ehrenfolgen bei strafgerichtlichen Verurtheilungen, Graz 1874. — Glaser, Studien z. E. d. Oesterr. Strafgesetzes, 1870. — Bin ding, Grundriß z. Vorlesung, 1879 S. 124—129. — Mandry im Arch. f. civil. Praxis, DIX. 334 ff. — Die Kommentare zu den Strafgesetz­ büchern. - v. Buri im Gerichtssaal XXIII. (1871) 111—115, XXVII. (1875) S. 155-160. — v. Schwarze ebenda XXII. (1870) 169-171. - Herbst ebenda XXVII. (1875) 401 —425. — Sontag, Die Festungshaft, S. 150 ff. — Ulrich in d. Allg. D. StrafR.Ztg., 1871 S. 301—306. - v. Bar in Goltdammer's Arch., 1871 (XIX) 78. Goltdammer, Arch., 1871 S. 777—783; 1872 S. 64, 164—170, 481—501. — Martha, De la privation des droits civiques, Neuchätel 1880. —Ueber Abbitte, Ehrenerklärung u. Widerruf vgl. Wallenrodt in Ztschr. f. R.sgesch., III. 238 ff. — Hälschner im Gerichtssaal XVI. S. 321 ff. Teich mann.

Eichhorn — Eichordnung.

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Eichhorn, Karl Friedrich, 5 20. XI. 1781 zu Jena, Sohn d. berühmten Orientalisten Joh. Gottfried E., bezog 1797 die Universität Göttingen, hörte Pütter, Runde, Hugo, Martens, Meister, Leist, Waldeck, Klaproth; promovirte 1801, ging ans Reichskammergericht in Wetzlar u. nach Regens­ burg u. Wien, habilitirte sich 1803 in Göttingen, 1805 in Frankfurt a,O. Prof., 1811 in Berlin, machte die Schlachten im I. 1813 mit, ging 1817 nach Göt­ tingen, legte 1829 seine Professur nieder, trat 1832 wieder in Berlin ein, 1834 Geh. OTrib.Rath, 1838 Mitgl. d. Staatsrathes, dann Mitgl. d. Gesetzgebungs­ kommission, 1843 Geh. Justizrath, nahm 1847 seinen Abschied, f 4. VII. 1854 in Köln. Von ihm datirt eine neue Epoche der Deutschen Rechtswissenschaft. Schriften: De differentia inter austraegas et arbitros comproinissarios (diss. Gott. 1801). — Deutsche Staats- u. Rechtsgefch., Gott. 1808—1823, (5) 1842—1844. — Rechts­ gutachten betr. § 309 I. 18 A. LR., Berl. 1822. - Einl. in d. Deutsche Priv.R., Gott. 1823, (5) 1845. — Ueber die Allodifikation der Lehen, Gött. 1828. — Grunds, d. Kirchenrechts, Gott. 1831—1833. — Rechtsgutachten über d. Verh. d. St. Petri-Domgemeinde d. St. Bremen zum Staate, Hannover 1831. — Betracht, über d. Vers. d. D. Bundes, Berl. 1833. — Ueber d. Ehe d. Herz. v. Sussex, 1835. — Das Verh. d. fürstl. H. Radziwill zu d. Fürstenhäusern Deutschlands. — Rechtsgutachten betr. Succ. in die Bentinck'fchen Herrschaften, Heidelb. 1847. — Abh. d. Akad. in Berlin, 1835, 1840, 1844, 1846. — Ztschr. f. gesch. R.swrss. I. II. XI. XIII. — Er redigirte d. Ztschr. f. gesch. R.swiss. Lit.: v. Richthofen in Krit. Ueberschau, II. 321—330 und in Bluntschli, StaatsWört.B., III. 237—267. - Mohl, II. 593-602. — Schulze, Preuß. Staatsrecht, I. 185. 188, 189. — Ztschr. f. Deutsches R., XV 436—454. — Gerber, Tas wissensch. Prinzip, 1846 S. 87 ff. — Göttinger Professoren, Gotha 1872, S. 121—138 (Zachariä.). — Homeyer, Monatsb. b. Berl. Akad., 1850 S. 303 ff. — Brunner in den Preuß. Jahrbb. 36 (1875) S. 22 ff. — Frensdorfs in d. Allg. Deutsch. Biogr. VI. 469-481. Teichmann.

Eichordnung. Auf Grund der Art. 18 u. 23 der Maß- und Gewichts­ ordnung (f. diesen Art.) ist durch Bekanntmachung des Kanzlers des Nordd. Bundes vom 16. Febr. 1869 die Normal-Eichungs-Kommifsion in Berlin eingesetzt, deren Aufgabe darin besteht, darüber zu wachen, daß im gesammten Bundesgebiete das Eichungswesen nach übereinstimmenden Regeln und dem Interesse des Verkehrs entsprechend gehandhabt werde, und die dazu nothwendigen Anordnungen zu treffen. Die Errichtung der Eichungsstellen und der Aufsichtsbehörden ist den Bundesregie­ rungen überlassen und erfolgt nach den Landesgesetzen (hinsichtlich Preußens vergl. v. Rönne, Preuß. Staatsrecht, Bd. II. Abth. I. S. 210 ff.). Es ist dabei nicht erforderlich, daß jede Eichungsstelle für alle Eichungsarbeiten ausgerüstet wird. Es können Zweige des Eichungsgeschäftes, die eine besondere Geschicklichkeit erheischen, oder auch aus anderen Gründen einzelnen Eichungsstellen ausschließlich übertragen werden; so ist z. B. nach E. § 50 die Anfertigung der Gebrauchsnormale fürtrockene Hohlmaße von 1/2 hl den Aufsichtsbehörden Vorbehalten. Zur Lösung der ihr gestellten Aufgabe erließ die Normal-Eichungs-Kommission am 16. Juli 1869 eine ausführliche E. In derselben finden sich genaue Vorschriften über das Material, die Gestalt, die Bezeichnung, die sonstige Beschaffenheit, die Eichung, die zulässige Abweichung und die Stempelung der vom 1. Januar 1872 ab im öffentlichen Verkehr geltenden und bereits vom 1. Januar 1870 ab zur Eichung zuzulassenden neuen Maße und Gewichte sowie über die von Seiten der Eichungsstellen bei der Eichung innezuhaltenden Fehlergrenzen. Und zwar beziehen sich diese Vorschriften auf Längenmaße (§§ 1—4), Flüssigkeitsmaße (§§ 5—13), Hohlmaße für trockene Gegenstände (§§ 14—21), Gewichte (§§ 22 — 30), Waagen (§§31—39), Alkoholo­ meter und dazu gehörige Thermometer (§§ 40—42) und nasse und trockene Gas­ messer (§§ 43—48). Die Gesch äste, welche von den Eichungsbehörden zu verrichten sind, be­ stehen in Folgendem: Jede Eichungsstelle hat 1) die für den Verkehr bestimmten neuen Gegenstände, deren Eichung in ihren Geschäftskreis fällt, gleichviel, woher

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Eid.

diese Gegenstände kommen, zu prüfen und zu stempeln; 2) an unrichtig be­ fundenen solche Berichtigungen vorzunehmen, welche sich innerhalb der Grenzen der. im Verkehre noch zulässigen Abweichungen halten und für welche die erforder­ lichen Einrichtungen vorhanden sind (weitergehende Berichtigungen bleiben der Privat­ verständigung überlassen); 3) bereits im Verkehr befindliche, also schon gestempelte Gegenstände auf erhaltene Veranlassung auf ihre Richtigkeit (Nach­ eichung) oder auf die äußersten Grenzen der im öffentlichen Verkehre noch zu dul­ denden Abweichungen von der absoluten Richtigkeit (Revision) zu prüfen. Zeigt der betreffende Gegenstand bei der Revision geringere Abweichungen und ist der frühere Stempel noch genugsam kenntlich, so erfolgt Zurückgabe desselben; im ent­ gegengesetzten Falle wird er entweder berichtigt und neu gestempelt, oder für den Verkehr als untauglich gekennzeichnet und das frühere Beglaubigungszeichen ver­ nichtet. — Für diese Arbeiten erheben die Eichungsstellen Gebühren, neben welchen sie aber noch die Auslagen für etwa verwendetes Material in Anrechnung bringen können; vgl. Eichgebührentaxe vom 24. Dezember 1874 und die hierzu von der Normal-Eichungs-Kommission erlassenen Nachträge. Ueber die vorgenommenen Prü­ fungen stellen die Eichungsstellen Eichscheine oder Befundbescheinigungen aus, auf denen zugleich über die Gebühren und Auslagen Quittung ertheilt wird. — Jede Eichungsstelle hat jährlich nach einem von der Normal-Eichungs-Kommission auszu­ gebenden Schema über die von ihr ausgeführten Eichungsarbeiten ihrer Aufsichts­ behörde Bericht zu erstatten. Um die erwähnten Geschäfte ausführen zu können, müssen die Eichungsbehörden mit den nöthigen Normalen, Stempeln, Siegeln und denjenigen Apparaten und Hülfsmitteln, welche bei Anwendung der Normale erforderlich sind, versehen sein. Als Normale kommen vor: 1) Gebrauchsnormale, nach welchen die Richtig­ keit der Verkehrsgegenstände beurtheilt wird; 2) Kontrolnormale zur Be­ richtigung der Gebrauchsnormale (1 und 2 auch Eichungsnormale genannt); 3) Hauptnormale, die von Seiten der Aufsichtsbehörden zur Berichtigung der Kontrolnormale verwendet werden, und 4) Kopien des Urmaßes und Ur­ gewichtes, welche bei der Herstellung und Richtighaltung der Hauptnormale dienen. — Für jeden Zweig des Eichungsgeschäftes, den eine Eichungsstelle aus­ übt , muß sie die nöthigen Gebrauchsnormale besitzen, die sie sich entweder selbst herstellen kann oder ihr von der Aufsichtsbehörde geliefert werden, und außerdem die dazu gehörigen Kontrolnormale, zu deren Herstellung und Beglaubigung außer der Normal-Eichungs-Kommission die Aufsichtsbehörden befugt sind, welche sich im Besitze der Hauptnormale befinden. Jede Aufsichtsbehörde hat für die Richtig­ haltung der Kontrolnormale bei den ihr unterstellten Eichungsämtern zu sorgen. — Kopien des Urmaßes und Urgewichtes werden von der Normal-Eichungs-Kommisfion den Aufsichtsbehörden geliefert, welche es verlangen und mit Beglaubigungsschein versehen. Gsgb.: Ueber die mit Bezug auf Art. 4 Nr. 3 der RVerf. erlassenen Gesetze, Ver­ ordnungen, Bekanntmachungen rc. vgl. v. Rönne, Staatsrecht des Deutschen Reiches (L. Aufl.), Bd. II. (1877) Abth. I. S. 243 ff. Hinzuzufügen sind der 9. Nachtrag vom 6. October 1877 und der 10. Nachtrag vom 25. März 1878. — Zufolge Bekanntmachung des Reichs­ kanzlers vom 26. März 1876 (R.G.B. S. 408) werden die von der Normal-Eichungs-Kommission zur Abänderung der E. getroffenen Bestimmungen nur durch das Centralblatt für das Deutsche Reich (Berlin, C. Heymann's Verlag) bekannt gemacht. D o ch o w.

Eid. Der E. ist eine Versicherung unter Anrufung der Gottheit. Als solche kam er bei besonders wichtigen Behauptungen und Versprechungen von jeher und bei allen Völkern vor (s. über die Geschichte des E. besonders Bayer und Strippelmann). Das Schwören per creaturam, wie es in den Zeiten reli­ giösen Verfalls sich im Gebrauche findet, wurde vom Kan. R. auf Grund des Ev. Matth. V. 33—37 ausdrücklich verboten (c. 26 X de jurej. 2, 24); auf dem

Eid.

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Rechtsgebiet nöthigen schon die gesetzlich vorgeschriebenen Eidesformeln (f. diesen Art.) heutzutage immer zur Beziehung auf die Gottheit. Diese macht den E. zur religiösen Handlung: asseveratio religiosa. Sie soll zeigen, daß der Schwörende im Moment seiner Versicherung eingedenk ist der höchsten Macht, von der er sich abhängig weiß und die ihm das Prinzip der Wahrheit und Gerechtigkeit ist; sie verleiht seiner Betheuerung eine ganz besondere Bürgschaft der Wahrheit. Die übliche Definition des E.: „Betheuerung unter Anrufung Gottes als Zeugen der Wahrheit und Rächers der willentlichen Unwahrheit", enthält eine unwürdige Karikirung der Gottheit, indem sie sie zur Handlangerin der Menschen in ihren irdischen Angelegenheiten macht und ihr menschliche Leidenschaft imputirt: Jam enim non ad iram deorum, quae nulla est, sed ad justitiam et ad fidem pertinet (juramentum): Cic. off. III. c. 29. Der E. ist vermöge der ganz besonderen Glaubwürdigkeit des Beschworenen („Höchster Glaube": Strippelmann, III. S. 171) für das Rechtsleben unent­ behrlich. Er muß das einfache Wort verstärken bei der Uebernahme wichtiger Rechtspflichten (promissorischer, Zusage-E., vgl. z. B. die Art. Amts-E., Offenbarungs-E.); wie überall, wo Thatsachen als Voraussetzungen rechtlicher Konse­ quenzen durch die Versicherung einer Person für den Richter zu unstreitigen gemacht werden sollen (assertorischer, Aussage-E.). In dieser letzteren Anwendung dient der E. der Rechtsordnung zur Ergänzung des Beweismittelsystems im Straf- wie im Civilprozeß. .Im Beweissystem des Civilprozesses insbesondere hat der E. eine doppelte Funktion: einmal als Verstärkung anderer Beweismittel; die Parteien können ver­ langen, daß der Richter den Aussagen der Zeugen und Sachverständigen, von welchen Siegen oder Unterliegen für sie abhängt, nur glaube, wenn diese Aussagen beschworen sind (vgl. die Art. Sachverständigen-, Zeugenbeweis); und dann als selbständiges Beweismittel. Um nicht bei Abschluß eines jeden Rechts­ geschäfts die Parteien zur Zuziehung von Zeugen oder Aufnahme von Urkunden zu nöthigen; um das materielle Recht zu schützen auch gegen den Verlust der vor­ handen gewesenen Beweismittel, oder sofern es sich auf rein innere Thatsachen stützt, ist der E. als WAArraia tov Apdy/tiaroQ zartu/tp; (nov. 71 c. 4) in die Reihe der civilprozessualen Beweismittel ausgenommen worden. Als Beweismittel kann der E. überall nur Thatsachen zum Gegenstand (Eidesthema) haben. Die Auffassung des E. als Vergleich, als Urtheilssurrogat im Röm. R., das daher auch E., wie feibi dari oportere, rem suam esse kannte, ist vom Gemeinen R. und der neueren Gesetzgebung ausgegeben und der E. immer reiner zum bloßen Beweis­ mittel herausgebildet worden. Und zwar ist der E. Beweismittel regelmäßig so, daß entweder die beweispflichtige Partei die Wahrheit ihrer Behauptung von dem E. des Gegners abhängig macht: Schieds-E. (vgl. diesen Art.); oder so, daß der Richter, um volle Ueberzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer bestrittenen Thatsache zu gewinnen, der einen oder anderen Partei einen E. absordert: richterlicher E. (vgl. diesen Art.). Rur ausnahmsweise kann sich der Beweis­ pflichtige zum Beweis durch eigenen E. erbieten: so durch den sog. WürderungsE. lvgl. diesen Art.); so zum Zwecke einer Glaubhaftmachung (vgl. diesen Art.). Dagegen fand und findet der eigene E. im Civilprozeß noch eine ausgedehnte Anwendung als Reinigungsmittel gegenüber dem Verdacht einer Chikane bei der Prozeßsührung überhaupt oder bei einzelnen Prozeßhandlungen. Auf diesem gemeinsarnen Gedanken beruhte der Gefährde-E. (vgl. diesen Art.) in seinen zahl­ reichen Anwendungen, und beruhen die verwandten Gebilde des Editions-E., des Diffessions-E. (s. d. Art. Urkundenbeweis) und des Ossenbarungs-E. lvgl. diesen Art.). Wachsende Unredlichkeit und Wortbrüchigkeit vervielfältigte die Anwendung des Eides; diese Vervielfältigung hinwiederum beraubte den E. seiner Heiligkeit und v. Holtz en dor ff, Enc. II. Rechtslexikon I. 3. Aufl. 39

610 Würde und nährte bei leichtfertige Umspringen mit der Wahrheit. Diesem circulis vitiosm, in welchen da» Gemeine S. nicht ohne die Schuld der Kirche (Bayer. S. 89 und die dort, eit Lit.) sich verwickelt hatte, zu entgehen, dem .Nothstand des E.esrechtes" zu steuern, ist dar Endziel aller wissenschaftlichen und gesetzgeberischen Bemühungen auf dem Gebiet« de» E. in diesem Jahrhundert. Dabei verfolgen diese Versuche eine doppelt« Richtung: Verminderung der E. einerseits, und Hebung ihre» Ansehen» durch die Formalitüten der Ableistung andererseits. In der ersteren Richtung find hervorzuheben: 1) Die Aushebung vieler von der Doktrin und der Praxi» für überflüssig oder al» besonder« schädlich erkannter E., insbesondere der Gesähche-E.

2) Die prinzipielle Beschränkung der Zulässigkeit de» E., mindesten» de» SchiedS-E., auf die Fälle, wo der Schwörende de veritate zu schwören im Stande ist, also auf eigene Handlungen und Wahrnehmungen de» Schwörenden, sog. facta propria. Nur au» Gründen de» praktischen Bedürfniffe» glaubte die Gesetzgebung de» Deutschen Reiche» — entgegen dem Gutachten de» 8. Deutschen Juristentag» — den E. auch über facta aliena in einigen AuSnahmesällea (Deutsche EPO. § 410) beibehalten zu sollen (vgl. Mot. zu § 397 de» E. v. 1874). Im engsten Zusammenhang mit dieser Frage steht die der Fassung der E.norm. Die Zulassung de» E. über facta aliena nöthigt, da über solche der Schwurpflichtige nur ausnahmsweise den Wahrheits-E. zu leisten im Stande sein wird, zur Bei­ behaltung mindesten» de» bedenklichen GlaubenS-E. (vgl. diesen Art.). Jeden­ falls aber muß die Zulassung de» 6. über facta aliena so beschränkt werden, daß der verwerfliche Nichtwissen»-E. entbehrlich wird, und auch der Glaubens - 6. kann durch die Fassung al» UeberzeugungS-E. (Deutsche CPO. § 424; Mot. zu § 410 de» Entw. von 1874; vgl. auch Hannöv. Prot., VIII. S. 2931) seiner Bedenklichkeit zum großen Theil entkeidet werden. 3) Die Durchführung strenger Subfidiaritüt de» 6. al» Beweismittel, wo­ nach er nur da und erst dann zulässig sein soll, wo und wann t» an anderen Mitteln für die Begründung der richterlichen Ueberzeugung fehlt. Im Zusammen­ hang damit steht e», daß jeder BeweiS-E., auch der zugeschobene, vom Richter auf­ erlegt wird, der zu diesem Zweck eine causae cognitio über die Zulässigkeit und Nothwendigkeit de» E. voraimmt und dem auch die Normirung de» 6. zusteht; im Zusammenhang damit steht e» ferner, daß im Anschluß an die 1. 11 C. de sentent. 7, 45 neuere Gesetzgebungen die Leistung de» 6. regelmäßig durch be­ dingte» Endurtheil anordnen lassen (Deutsche CPO. § 425 ; Mot. zu §§ 407—9 d. Entw. V. 1874). 4) Die Ersetzung des E. durch da» Handgelübde an EideSstatt (vgl. d. Art. Eidesstattliche Versicherung), wie sie in Oldenburg und Baden für RechtSstreitigkeiten über geringfügige Objekte statuirt war, in den neueren Gesetzgebungen aber wieder verworfen worden ist (vgl. Hannöv. Prot. Vin. S. 2811 ff.; Mot. z. d. Entw. v- 1874, S. 510). 5) Dir eidliche Vernehmung der Parteien al» Zeugen an Stelle de» ParteienE. Die Deutsche Reichsgesetzgebung hat sich, im Einklang mit dem Votum de» 8. Deutschen Juristentag» gegen diese Institution entschieden, weil sie mit der Deutschen Rechtsanschauung unvereinbar sei und insbesondere zu einer dem Wesen de» Deutschen Civilprozeffe» widersprechenden Inquisition führen würde. Dagegen ist die zeugeneidliche Vernehmung der Parteien geltende» Recht in England, in einigen Staaten Nordamerika'» und für den Bereich de» Bagatellverfahren» schon jetzt auch in Oesterreich (Ges. v. 23. April 1873 über d. Vers, in geringfügigen Rechtssachen, §§ 53 ff.), wo sie nach dem Entw. einer CPO. vom Jahre 1876 §§ 411 ff. (vgl. auch § 340) demnächst auch für den ordentlichen Civilprozeß ein­ geführt werden soll.

eiMIred).

611

In der zweiten Richtung aber stehen zwei Punkte zur Frage: die der E.eSleistung vorangehende Belehrung und Verwarnung und die die E.eSleistung beglei­ tenden Formalitäten. Während die Parttkularprozeßgesetze im Hinblick auf die doppelt« Natur des E. als einer zugleich religiösen und gerichtlichen Handlung die Zuziehung eines Geistlichen zur E.eSbelehrung mindesten» gestatteten, unter Umständen aber sogar geboten, geht die Deutsche LPO. in ihrem § 442 davon au», daß der Richter die nöthige Belehrung allein vorzunehmen habe. Eie -überläßt ihm dabei die Be­ lehrung in einer dem einzelnen Fall angemessenen Weise vorzunehmen, ohne eine gleichmäßige Form der E.eSbelehrung vorzuschrriben, da solche, wo sie früher gesetz­ lich bestimmt war, al» unzweckmäßig sich erwiesen hatte. Wa» aber die Ableistung der E. selbst anlangt, so hat dieselbe de» Bor­ mittag», regelmäßig „vor gesessenem Gericht", mit Mund und Hand, d. h. unter Rachsprechung oder Ablesung der schriftlich entworfenen E.eSnorm sammt der vom Gesetz vorgeschriebenen EeSformel und unter Beobachtung der gebotenen Mrper­ haltung (über die Symbole bei der E.e»leist«ng im älteren Recht vgl. Strippelmann, III. S. 174), in jedem Falle aber vom Echwurpflichttge« in Person zu geschehen. Denn die von der gemeinrechtlichen Praxi» und parttkularrechtlich gestattete E.eSleistung durch Sttllvettrrter in anünarn domini ist in den neueren Gesetzgebungen al» der Würde und Heiligkeit de» 6. zuwider ausnahmslos beseitigt (Deutsche CPO. § 440; Mot. zu § 422 d. Lntw. V. 1874). AuS dem Wesen de» E. ergiebt sich von selbst, daß nicht Jedermann fähig ist, E. mit rechtlicher Wirkung zu leisten (vgl. d. Art. Eidesfähigkeit). Dem rite geschworenen E aber muß im Civilprozeß volle Beweiskraft zu­ kommen. Den« ob nun eine Partei der anderen den E. zuschiebt oder der Richter ihn verlangt oder da» Gesetz irgend sonst ihn gestattet oder zur Pflicht macht: überall geschieht die» nur in dem Sinne, daß der E. vermöge seiner Heiligkeit und Glaubwürdigkeit di« beschworene Thatsache formell wahr machen solle: non aliud quaeritur, quam an juratum sit: remissa quaesüone, an debeatur: quasi satie probatum sit jurejurando, 1. 5 § 2 D. h. t. Darum muß, wo da» Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung gilt, hinsichtlich de» Beweismittel» de» E. eine Ausnahme von demselben gemacht werden: hier ist die freie Ueberzeugung de» Richter» durch Beweisregeln zu binden (Deutsche CPO. §§ 428 ff.; Mot. zu § 249 und zu §§ 411 u. 412 d. Entw. V 1874). Je ernster und heiliger aber nach alle dem Gesagten der Charakter de» E. au sich. je größer seine Bedeutung und Kraft im Recht»leb«n ist, desto schwerer muß da» Berbrechen Deffen sein, der wiffentlich vor Gericht eine falsche eidliche Ver­ sicherung abgiebt; hierüber vgl. die Art. Meineid und EideSbruch.

Quellen: TiL D. 12, 2. — Tit. C. 4, 1. — Causa 22, qu. 1—5.— Tit. X 2, 24. — Tit. in VI. 2, 11. — Preuß. Entw. 1864 §§ 509 ff. — Hannov. Entw. 1866 §§ 408 ff. — Nardd. Entw. 1870 §§ 609 ff. — LPO. f. b. Deutsche Reich v. 30. Januar 1877 §§ 410 ff. — Oesterr. Entw. einer CPO. für b. im Reichsrath vertretenen Königreiche u. Länder, 1876, § 411 ff. Sit.: Malblanc, Doctrina de jurqjurando, 1781. — Schmid-Phiselbeck, Ueber de« E., 1798. — Bayer, Betrachtungen über den E., 1829 (hier S. 240 —303 die gesammte ältere Bit.). — Strippelmann, Der Gerichtseid, 3 Bde. 1855—1857. — Wepell, Shst-, §§ 25—28. — Renaud, Lehrb, §§ 127—142. Birkmeyer. EideKbruch. Die Verletzung eine» promifforischen (zur Bekräftigung eine» rechtsverbindlichen Versprechen» geleisteten) und vor einer zur EideSabnahme be­ fugten Behörde geschworenen Eide». Hierunter fällt: 1) da» wiffentlich falsche Zeugniß, bzw. Gutachten de» vor der Abhörung beeidigten Zeugen, bzw. Experten. Diese Att de» E. wird indeß nach den gleichen Grundsätzen behandelt, wie die Verletzung eines affertorischen Eide» (eine» Meineides im engeren Sinne) selten» der Zeugen und Experten. Rur in Betreff der Vollendung und de» Versuch» macht sich die

39.

612 Verschiedenheit dieser Formen der Eidesverletzung geltend- Der E. de» Zmgen ist als vollendet erst zu betrachten mit dem Abschluß der AnSsage, deS Zeugnisses oder Gutachtens, welche die WahrheitSverletznag enthält (vgl. Sachsen 224), al» ver­ sucht, sobald eine falsche AnSsage wissentlich erfolgt, da» Zeugniß aber noch zu keinem Abschluß gelangt ist. Nach v. Schwarze ist für einen strafbaren Vnsnch hier übechaupt lei« Spielraum gegeben (vgl. Eachfm 224). Liegt eine allgemeine eidliche Verpflichtung vor, so muß die falsche Aussage unter spezieller Bezugnahme aus die frühere Eidesleistung erfolgt sein (jedoch Baden 506 u. 507). Ebenso

wenn in derselben Sache von dem betreffenden Zeugm oder Sachverständigen bereit» früher ein Eid geschworm war. — Im Uebrigen s. in Bezug auf diese Spezies d. Art. Meineid. 2) Die Verletzung sonstiger Promissorischer Eide. Eine allgemeine Bedrohung derselben fand fich in einig« Deutschen Gesetzen (Baden, Heffen, Württemberg, Brannfchweig). Andere hatten eine einschlagende Strafbestimmung überhaupt nicht (Bayern, Sachsen, vgl. Belgien, Frankreich). Da» RStrafG. bedroht, dem Preußische» fich anschließend, die Verletzung de» ManifrstationSeide« und der jura­ torischen Kaution. Die Bestrafung dieser Arten deS 6. ist überall, wo sie fich an­ geordnet findet, an die Voraussetzung deS rechtswidrigen Vorsatzes geknüpft. Der­ selbe braucht aber bei dem Eidschwur selbst noch nicht vorzuliegen. — Die Straf­ barkeit dieser Fülle ist weit geringer al» diejenige de» unter 1) erwähnten 6. und deS Meineid» im eigentlichen Sinne. Auch werden dieselben nicht mit infamirenden Strafen bedroht. Das RStrafG. droht Gefängniß bis zu 2 Jahren. I» weiter der Eid und feine Verletzung zeitlich auseinander liegen, desto geringer ist im Allgemeinen die Strafbarkeit der letzteren. — Ein strafbarer Versuch ist hier mit der Leistung des Eide», auch wenn der rechtswidrige Vorsatz bereit» vorliegt, noch nicht begründet. Ein Versuch ist indefirn auch hier dankbar. — Dem eidlich gegebenen Bersprechm find im RStrafG.B. andere BetheuerungSformen, welchen sonst die gesetzlichr Wirkung de» Eide» beigelegt ist, nicht gleichgestellt. — Dem Widerruf ist hier eine strafmildernde Wirkung im RStrafG. nicht beigelegt. S. im Uebrigen d. Art.

Meineid.

Gsgb.: RStrasGB. §§ 162, 154 ff. — Lit. vgl. bei dem Art. Meineid. . Merkel.

«idessähiakeit. Nach gemeinem Deutschen, fich an daS Kanonische R. an­ lehnenden Prozeßrecht galten Diejenigen, welchen eS an dem erforderlichen Bewußt­ sein über die Bedeutung deS Eide» fehlte, also Wahnsinnige, Betrunkene und Un­ mündige, sowie Diejenigen, welche bereits einen Meineid geschworen hatten, zur Ableistung eines EideS für unfähig. Ueber die Statthaftigkeit der Zuschiebung deS EchiedSeideS an erntn Meineidigen oder seitens eines solchen herrschte im Gemein«

R- Streit, ebenso darüber, ob bei Zulaffung eines solchen EideS der Meineidige dm Eid annehmen und auSschwören dürfe oder ob er ihn referiren oder sein Gewifien mit Beweis vertreten müsse. DaS jetzt geltende Eiv.Prz.R. geht davon auS, daß die Zuschiebung und Zurückschiebung deS EchiedSeideS allein an prozeßfähige Par­ teien, d. h. an solche, welche fich durch Verträge verpflichten können, statthaft ist und daß auch nur solchen ein richterlicher Eid auferlegt werden darf; ausnahms­ weise ist beides aber auch bei Minderjährigen über 16 Jahre und bei Verschwendern in Betreff von eigmm Handlungen derselben oder über Gegenstände ihrer eigenen Wahrnehmung gestattet, wenn eS daS Gericht auf Antrag deS Gegners nach den Umständen deS Falles für zulässig erklärt. Der Meineidige, d. h. derjenige, welcher wegen wiffentlicher Verletzung der EideSpflicht rechtskräftig verurtheilt worden ist, ist an und für sich nicht eideSunsähig. Eine an ihn erfolgte Zuschiebung oder Zu­ rückschiebung eineS EideS kann aber, selbst wenn ihm der Eid durch schon rechts­ kräftig gewordmes bedingtes Erkenntniß auserlegt worden ist, vom Gegner wider-

Eidesformel.

613

rufe» werden, fall- die Berurtheilung wegen de- gedachte« BerdrechenS erst fpLter erfolgt ist oder der Gegner glaubhaft macht, daß er erst nach der Zufchiebung oder Zurückschiebuug von einer solchen Kenntniß erlangt hat. Der richterlich« Eid kann dagegen auch, aber nur auf Antrag des Gegner», zurückgenommen wecken, selbst wen» der Letztere schon vor der Auferlegung von einer Bernrtheilung wegen Mein­ eide» Lunde besessen hat.

Quellen: C. 8, 14—16; C. XXII. qn. 5. — Deutsche «PO. §§ 432, 433 , 435, 43». - «Straf«». §§ 153 ff. Bit: Richter-Dove, Kirchenrecht, §261. — Wetzell, Syst. d. ordentl.«tvilprezeffe», § 25. — Renaud, Lrhrb. d. gem.Deutsch. Lidilprozeß-x., § 130.— Fitting, R.Cünlprz., 4. «ufl., Berlin 1879 S. 195, 199. 204. P. HinschiuS. EideSsormel. Der Eid ist eine förmliche Betheueruag unter Anrufung Gotte». Den Inhalt der Betheuern«» kann eine Thatsache oder ein Versprechen Hilden. Im erstere« Falle heißt der Eid affertorisch, im letzteren promissorisch. Dieser Art ist z. B. der Diensteid der Beamten (für Preußen geregelt durch Berock. v. 6. Mai 1867, für da- Deutsche Reich durch Strorb. v. 29. Juni 1871) und der Ge­ schworeneneid (StrasPO. § 288), jener Art dagegen der zugeschobene und der richterliche Eid (EPO. §§ 410, 437). Der Zeugeneid ist nach dem neuesten Recht (EPO. §§ 356, 357 und StrasPO. §§ 60, 61) in der Regel vor der Vernehmung und somit promissorisch, au- blonderen Gründe» aber nach derselben und dann affettorisch abzuleisten. Die im Eivilprozeß von einer Partei abzuleistenden Eide werdennach alter Deutscher Praxi», verschieden sormulirt,. de veritate, de credulitate oder de ignorantia, d. h. al» Wahrheit»-, Glauben»- oder Richtwiffrn»-Eide. Und zwar «ucke bisher im Allgemeinen jedem tzchwurpflichtigen, der nicht au» eigener

Wissenschaft über die fragliche Thatsache unterrichtet war, gestattet, zur Erhärtung derselben in der Fassung zu schwüre«: „Ich glaube, daß" u. s. w., zur Wider­ legung aber je nach Umstünden: „Ich glaube, daß nicht" (bzw. „glaube nicht, daß") oder auch: „Ich weiß nicht, daß" u. s. w. An Stelle dieser Praxi» hat jckoch die EPO. §§ 424, 489 eine Verschärfung der E. vorgeschricken. Ueber eine Thatsache, welche in einer Handlung de» Schwuckflichttgen besteht oder Gegenstand seiner Wahrnehmung gewesen ist, muß, wenn sie vom Schwurpfltchtigen selbst be­ hauptet wockm ist, der Eid allemal dahin geleistet werden, daß die Thatsache wahr sei; wenn sie vom Gegner behauptet wockm ist, so muß der Schwurpstichtige regel­ mäßig schwürm, daß fie nicht wahr sei, und nur in dem Falle, wo ihm dm Um­ stünden nach die Beschwörung der Nichtwahrheit nicht zugemuthet werdm kau«,

darf ihm aus seinm Antrag der Eid dahin nachgelaffm werdm, daß er nach sorg­ fältiger Prüfung und Erkundigung die Ueberzeugung erlangt habe, daß die That­ sache nicht wahr sei. (E» beruht aus einem Bersehm, wenn § 424 der EPO. in diesem Falle statt nur von der Richtwahrheit, auch von der Wahrheit der Thatsache

redet.) Endlich über andere al- die erwähnten Thatsachm ist der Eid immer dahin zu leisten, daß der Schwurpflichtige nach sorgsülttger Prüfung und Erkundigung die Ueberzeugung erlangt (bzw. — bei einer gegnerische« Behauptung—nicht erlangt) habe, daß die Thatsache wahr sei. Hiemach besteht neben dem Wahrheit-eide nur noch ein bald pofittver (d. h. aus die Ueberzeugung gerichteter), bald negativer (d. h. auf die Nichtüberzeugung gehender) Ueberzeugung-eid. — Die Förmlichkeit

der Bethmerung war bi-her durch die Landesrechte mannigfach und für die An­ hänger der verschiedenen" Religion-gesellschaften ungleich > geordnet. Besonder- für Juden bestanden strenge Formen, die jedoch in Prmßm durch Gesetz v. 15. Mürz 1869 beseitigt find. Nach dem neuesten Rechte ist im Livilprozesse jeder Eid (EPO.

§ 443) und im Strafprozeß der Zeugeneid (StrasPO. § 62) ohne Unterschied der Religion mit den Worten zu beginnm: „Ich schwöre bei Gott dem Allmüchtigm und Allwissenden" und mit den Wortm zu schließen: „so wahr mir Gott helfe". Der Geschworeneneid (SKafPO. § 288) wird in mtsprechender Weise dadurch ab-

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Eidesstattliche Versicherung — Eigenthum.

geleistet, daß der Dorfitzende die Worte spricht: „Sie schwören bei Kott dem All­ mächtigen nnd Allwissenden" u. s. w. und jeder Geschworene erklärt: „Ich schwöre eS, so wahr mir Gott Helse". Dagegen ist e» bei den Diensteiden der Beamten Preußen» nnd de» Deutschen Reich» durch die oben angeführten Berordnungen dem Schwärenden überlassen, den Worten: „so wahr mir Gott Helse", noch die seinem religiösen Bekenntniß entsprechende Bekrästigung»sormel hinzuzufügen. Manchen RMgionSgesellschasten, welche den Eid für unerlaubt halten, z. B. den Mennoniten, ist durch Landesgesetz an Stelle desielbrn der Gebrauch anderer BetheuerungSformeln gestattet. Die Erklärung unter einer solchen wird der Eidesleistung gleichgeachtet (CPO. § 446: StrafPO. § 64). Lit.: Strippelmaun, Der GerichtSeid, Abth. I, Kastel 1855. — Zimmermann, Der Glaubenseid, Marb. 1863. — Füger v. Stechtborn, Der Beweis durch Eide im Cidilprozeste, Wien 1865. — Wehell, System des ordentl. CivilprozesteS, § 25. Eck.

Eidesstattliche Berfichernna, falsche, unterscheidet sich vom Meineide nur dadurch, daß die Bekräftigung der Wahrheit einer gemachten Aussage nicht durch Eid, sonder» in einer weniger feierlichen Form geschieht, bei der eS sich wesentlich um den Gebrauch der Worte „an EideSstatt" handelt (StrasGB. § 156). ES kann daher hinsichtlich der Thatbestandsmomente der falschen Versicherung auf d. Art. Meineid verwiesen werden. Abgesehen von den anderen Erfordernissen muß die Behörde zuständig sein zur Abnahme einer Versicherung an EideSstatt und diese letztere im konkreten Falle gesetzlich zulässig. Die Frage, in welchen Fällen die Leistung eine» Eide» oder die Abgabe einer Versicherung, vorgeschrieben ist, ist nach dem betr. Partikularrecht zu beantworten. Eine Bestrafung kann nicht ein» treten, wenn da» Gesetz die Ableistung eine» EideS fordert und im konkreten Falle nnr eine Versicherung an EideSstatt abgegeben ist, wol aber, wenn da» Gesetz die Abgabe einer Versicherung an EideSstatt fordert, jedoch ein Eid geleistet ist. — Ueber die Form der Versicherung enthält da» StrafGB. keine Bestimmung; die Berstcherung kann mündlich oder schriftlich, Persönlich oder durch einen Bevoll­ mächtigten, assertorisch oder promissorisch geleistet.werden. Der Berufung auf eine bereit» abgegebene Versicherung steht die Versicherung selbst hinsichtlich der Straf­ barkeit völlig gleich. — AuS dem oben angegebenen Grunde ist die Strafbarkeit der falschen Versicherung eine bedeutend geringere al» die des Meineide», nämlich Gesängnißstrafe von 1 Monat bis zu 3 Jahren, neben welcher Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte vorkommen kann (§ 161). Bestraft wird auch die Ver­ leitung zur wiffentlichen Abgabe einer falschen Versicherung (§ 160) und die fahr­ lässige falsche Versicherung (§ 163); eS kommen aber auch die in den 88 157 und 158 erwähnten StrasmilderungSgründe bei der falschen Versicherung in Anwendung, und dasselbe gilt hinsichtlich de» in 8 163 ausgestellten Strafausschließungsgrundes des Widerrufes. Lit.: Die Kommentare von Oppenhoff und v. Schwarze (4. Auf!.). — Goltdammer in feinem Archiv, Bd. VIII. S. 764 ff. und Bd XIX. S. 390 ff. — Dochow in v. Holürndorff'S Handb. des Deutschen Strafrechts, Bd. III. S. 238 ff. Dochow.

Elgenth««. Der Begriff de» E. kann im heutigen Recht kein anderer sein, al» der vom Röm. R. aufgestellte, s. Encyklopädie: da» heutige Röm. R. 8 33. Angeblch deutsch-rechtliche Modifikationen, wie die Begriffe Gesammt-E. (condominhun ploriom in solidum), Ober» und Unter-E. (dominium directum und do­ minium utile), find nur verunglückte theoretische Konstruktionen; vgl. Encyklopädie: da» Deutsche Privatrecht 8 24 und d. Art. Gesammt-E. — An Sachgesammtheiten (sog. nniversitates rerum distantium) ist kein Besitz, darum auch kein E. (wenn auch Vindikation) möglich; übrigen» bestehen hierüber verschiedene Ansichten; vgl. Windscheid, Pandekten, 8 137. — Das Preuß. und daS Franz. R. 6ezeichnen auch Forderungen als Gegenstand de» E.; die Bezeichnung ist eine miß­ bräuchliche, soweit nicht nach heutigem R- förmliche EinzelrechtSnachsolge in Forderung-rechte möglich ist; vgl. die Art. Jnhaberpapiere und Cefsion.

Eigenthum

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Die im Deutschen 3t. begründete verschiedene Behandlung von beweglichem und unbeweglichem Grund-E. wurde durch da» Röm. R. zwar zurückgedrängt, aber nie ganz beseitigt und gelangt in «euerer Zeit wieder zu verstärkter Geltung. Da» Deutsche R. behandelt die Regelung der Verhältnisse de» Grund-E. al» eine Angelegenheit de» öffentlichen Interesse», daher vielfach die freie Verfügungsgewalt de» GrundeigenthümerS beschränkt ist theil» zu Gunsten de» Staate», theil» zu Gunsten der Gemeinde. Zu Gunsten de» Staate» ist da» Nutzungsrecht beschränkt durch da» Bergregal, in doppelter Weife, indem die Okkupation gewiffer Fossilien, welche au sich jedem Grundeigenthümer möglich ist und zusteht, zu einem Privilegium er­ hoben —, äußerem aber der Eigenthümer anch einer Expropriation zu Gunsten de» nach Fossilien Grabenden unterworsen wurde; vgl. d. Art. Bergrecht. Zu Gunsten der Gemeinde ergaben sich (zum Theil noch bestehende) Beschränkungen au» dem Markungärecht: Gemeindeweiderecht, Retraktrechte; vgl. d. Art. Marklosung. — Während diese Beschränkungen in der Nutzung de» Gruad-E. in neuerer Zeit mehr und mehr wegsallen, tritt der Unterschied zwischen beweglichem und unbeweglichem E. wieder hervor in den Bestimmungen über Erwerb und Schutz de» E. Hinsichtlich de» originären E.-Erwerb», sowie der Ersitzung gelten im All­ gemeinen die Grundsätze de» Röm. R.; vgl. Th. I. S- 386 ff., sowie die Art. Okkupation, Accessio«, Frucht und Fruchterwerb, Spezifikation, Ersitzung. Bezüglich de» derivativen Erwerb» (im Weg der Einzelrechttnachsolge) stellt da» Röm. R. den Grundsatz auf, derselbe könne (von einzelnen Singularitäten: adjudicatio, E.-Uebergang kraft Gesetze» u. dgl. abgesehen) nur durch Tradition vermittelt werde«. Die Tradition für sich allein (körperliche Uebergabe, und» tra­ ditio: 1. 31 pr. D. 41, 1) ist kein Rechtsakt, noch viel weniger ein Rechtsgeschäft, sie wird dazu nur, sofern sich in der Befitzübergabe ein bestimmter Wille äußerlich zu erkennen giebt; über die Formen der Befitzübergabe vgl. die Art. Besitz­ erwerb und Tradition. Die Uebergabe mit dem Willen, einerseits E. auf­ zugeben, andererseit» E. zu erwerben, ist ein Rechtsgeschäft; ist sie ein Vertrag? giebt e» überhaupt dingliche Verträge? Früher allgemein, anch neuerdings noch von Vangerow (§ 350 Anm. 1) verneint, seit Savignh (System, §§ 140, 141) bejaht; wer einem Bettler ein Almosen in den Hut wirst, nimmt ei« Rechts­ geschäft, eine Schenkung vor, aber er schließt mit dem Betller keinen Vertrag Die Tradition ist ein Rechtsgeschäft, sofern dadurch eine auf Uebergang eine» Recht» gerichtete Willenserklärung zum Ausdruck, zum Vollzug kommt, aber sie ist mehr als ein« Willenserklärung, als ein nudum pactum (1. 20 C. 2, 8); erst die Vornahme der äußerlichen Handlung bewirkt diejenige Aenderung im Recht, auf welche der Mlle als Ursache, causa, jener Handlung gerichtet ist; von der rechtlichen Existenz dieser causa hängt die Wirkung der äußern, rechtlich durchaus indifferenten Handlung, der Tradition ab. Damit die Tradition E.-Uebergang be­ wirke, muß auf Seiten de- Gebers und de» Empfänger» eine causa, d. i. ein auf Hingabe, resp Erwerb von E. gerichteter Wille vorhanden sein; hat der Eine (sei e» der Geber oder der Empfänger) Schenkung, der Andere Üommodat im Sinn, so

geht kein E. über; nicht nöthig ist, daß beide dasselbe Rechtsgeschäft im Sinn haben (1. 36 v. 41, 1; Vangerow, Pandekten, § 311 Anm 3). — Ist die causa traditionis nichtig, d. h. ist der auf Hingabe oder Erwerb von E. gerichtete Mlle wirklich nicht vorhanden (z. B. im Fall vollständiger Handlungsunfähigkeit des Geber» oder Empsänger») oder zu Folge gesetzlicher Vorschrift al» nicht vor» Handen zu fingiren (so, wenn di« causa beiderseits ein vom Gesetz absolut ver­ botenes, für nichtig erklärte» Rechtsgeschäft bildete), so bewirkt die Tradition keinen E.-Uebergang, während die bloße Anfechtbarkeit de» der Tradition zu Grunde liegenden Geschäfts denselben nicht hindert. — Eine Willenserklärung kann bedingt abgegeben, z. B- da» künftige Hingeben einer Sache für einen gewiffen

616 Fall versprochen —, dagegen eine Handlung niemals bedingt vorgenommen werden; so wenig mau eine bedingte Reise machen kann, so wenig ist eine bedingte wirkliche Lebergabe denkbar, wodurch nicht ausgeschlosten ist, daß eine körperliche Lebergabe in den bloßen Gewahrsam (Detention, Ratnmlbefitz) und gleichzeitig da» bedingte Versprechen künftiger Lebergabe in juristischen Besitz, also, wenn der Tradent Eigenthümer ist, zu 6. (welche Lebergabe alsdann die Form der tra­ ditio brevi manu annimmt) erfolgt. Daß durch bloßen Vertrag, nudum pactum, kein 6. übergehe, ist Grundsatz deö Deutschen wie des Römischen R.; der entgegengesetzte Grundsatz des Franz. R. (vgl. Encykl.: das Franz. Liv.R. § 8) gilt in Deutschland nur im Geltungsbereich beSCodeNap.; seine Ausnahme hinsichtlich beweglicher Sachen in das Deutsche Bürger­ liche Gesetzbuch wurde zwar in den Verhandlungen des 14. Deutschen JuristentagS von mehreren Seiten befürwortet, schließlich aber „mit unzweifelhafter Majorität" abgelehnt. Während aber daS Römische (Gem.) R. auch zum Lebergang von Grund-E. Tradition soichert, dabei lediglich der Privat-Willkür es überlastend, für ein unzweideutiges Surrogat der streng genommen hier unmöglichen Uebergäbe zu sorgen, kehrt da» Preußische Gesetz über den Eigenthums­ erwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, vom 5. Mai 18 7 2, zum Prinzip des Deutschen R. zurück, wonach die üebertragung von Grund-E. sich durch einen öffentlichen Akt vollzieht; da» angef. Ges. §§ 1—11. In den Formen der gemeinrechtlichen Tradition kann hiernach Gmud-E. nicht mehr erworben werden; an die Stelle de» indifferenten, erst durch die hinzutretende causa mit rechtlichem Gehalt erfüllten Akt» der Lebergabe tritt der Formalakt der Auflassung: da» E. geht über „durch die aus Grund einer Auslastung (d. h. „der mündlich und gleichzeitig vor dem zuständigen Grundbuchamt abzugrbenden Erklärungen de» eingetragenen Eigenthümer», daß er die Eintragung des neuen Erwerber» bewillige, und de» letzteren, daß er diese Eintragung beantrage") erfolgte Eintragung de» E.-Uebergange» im Grundbuch"; da» Rechtsgeschäft, zu dessen Voll­ zug der seitherige Eigenthümer und der Erwerber'die Auslastung vornehmm (welche» al» causa die Wirkung der Tradition bestimmt hätte), ist für den E.-Uebergang völlig gleichgültig: auch wenn die Auslastung angefochten werden kann, bleibt (regelmäßig) die Wirkung des Eintrag» im Grundbuch bestehen und kann nur bei durchgesetzter Ansechtung ein neuer Eintrag verlangt werden. Auch sür den E.-Schutz ist da» Grundbuchsystem von Bedeutung, sofern da­ durch einerseits die Möglichkeit der Ersitzung von Grund-E. nahezu ausgeschloffen ist, andererseits aber eine Bindikation gegen den einmal im Grundbuche Eingetragenen regelmäßig nicht stattfindet. — Hinsichtlich des beweglichen E. dagegen nähert sich die neuere Gesetzgebung wieder dem ältern Deutschen 8t., nach welchem hier der E.-Schutz weit weniger streng ist, al» nach dem Römischen R., zu Folge des Grund­ sätze»: „Hand muß Hand wahren"; vgl. Encykl.: DaS Deutsche Privatrecht, § 31. Der Grundsatz, daß redlicher, selbst titulirter eigener Befitz gegen die dem bonae fidei possessor und dämm auch dem Eigenthümer zustehende actio Publiciana, nicht aber gegen die Klage DeSjmigen schütze, welcher sein Eigenthum an der Sache beweist, ist zwar immer noch ein Satz des Gemeinen R-, gilt aber nicht in dem Gebiet deS Code, und ist auch im übrigen Deutschland im Gebiet de» Handelsrecht» (beschränkt hinfichllich der von einem Kaufmann in seinem Handelsbetrieb ver­ äußerten und übergebenen beweglichm Sachen, unbeschränkt in Beziehung aus Jnhaberpapiere) außer Kraft gesetzt (HGB. Art. 306, 307). Leber die E.-Klage in ihrer positiven und negativen Richtung al» vindicatio und actio negatoria, vgl. Encykl.: das Röm. R., § 37. Hinsichtlich der actio negatoria find zwei Kontroversen hervorzuheben: 1) WaS hat der Regatorienkläger zu be­ weisen? nur sein 6. oder auch die Freiheit destelben, die Richtexistenz de» vom Gegner beanspruchten Recht»? Erstere» die herrschende Meinung (vertreten u. A. von

EigmchumSvorüehalt.

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Puchta, Bangerov, Sinteni», Windscheid), letzten- vertheidigt von Pape, Aeitschr. f. Eiv.R. «. Prz., XVI. 6; eine mittlere Meinung, wonach der Besitz entscheiden sott, neuerdings wieder vertreten von Brinz, Lehrb., S. 288 di» 242. Die scheinbare Härte der herrschenden Meinung wird nach Gemeinem R. wesentlich gemildert dadurch, daß der Beklagte, auch wenn er da» E. de» Kläger» an sich für begründet hält, von diesem doch den Beweis für daffelbe verlangen und die vom Kläger produzirten Beweismittel (al» .gemeinschafttiche") auch be­ züglich der Freiheit de» E. prüfen und benutzen kann; ander» nach dem GrundbuchSystem, wonach zwar der Bewei» einer Dienstbarkeit (im eigentlichen Sinue: .Grundgerechtigkeit-, opp.: Nießbrauch, Neallast u. dgl.) gemäß H 12 de» Preuß. Ges. v. 5. Mai 1872, nicht aber der Beweis de» 6. schwierig sei« kaun — 2) Gegen welche Störungen ist die actio negatoria zulässig? Extreme Meinungen: dieselbe sei statthaft gegen jede Störung (Windscheid, § 198 n. 8) —, nur gegen solche» Verhalten, welche» möglicher Weise Inhalt einer Servitut sein könne (Brinz, Lehrb., S. 286, 287), mittlere Meinung (Witte, Zeitschr. s. Eiv.R. u. Prz. N. F. XIII. 12): ste sei zu richten gegen jeden Eingriff, welcher möglicher Weise aus irgend einem Recht (persönlich oder dinglich) beruhen kann; letzterer Meinung folgt die REPO. (§ 231) durch allgemeine Zulassung von Klagen ans .Feststellung de» Bestehen» oder Richtbestehen» eine» Rechtsverhältnisses". Segen Störungen, welche niemals Inhalt eine» Recht» sein können, hat nicht der Eivilrichter, sondern der Strafrichter, bzw. die Polizei Schutz zu gewähren. Quellen: D. XLI,. 1 de acqoirendo rerum'dominio. Lit.: (außer den Lehr» «. Handbüchern Monographim von) Gesterding, Darstellung d. Lehre v. 6. 1817. - Pütter, Die Lehre v. E. nach D. R. (1831).—«. Sell, «Sm. Lehre d. dinglichen Rechte oder Sachenrechte, I. Th. (1852). — Pagenstecher, Die Rö». Leh« v. E. in ihrer moderne« Anwendbarkeit (1857—1859). — Jnsbes. über Tradition u. Auf­ lassung: W. Sell, Ueber bedingte Traditionen rc. (1839). — Bähr, Die Preuß. Gesetzes­ entwürfe über d. Recht am Srunbeigenthum re. (1870). Pfizer.

EtLeztthumKVorbehalt (pactum reservati dominii) soll eine Rebenbnedung sein, krast welcher bei einem Rechtsgeschäft, durch deffen Vollzug an und für sich Eigenthumsübergang bewirkt wird, trotz de» Vollzug» diese Mrkung bi» zum Ein­ tritt eine» gewissen Ereignisse» aufgeschoben oder mit dem gewiß gewordenen Richt» eintritt diese» Ereignisse» wieder ausgehoben wird. — Dem Röm R. ist diese» pactum unbekannt, e» ist eine Schöpfung der gemeinrechtlichen Theorie und Praxi», durch welche dem Veräußernden eine vollständigere Sicherheit für die bedungene Gegenleistung verschafft werden sott, al» fie ihm — in Folge der gemein- und partikularrechtlichen Pfandprivilegien — durch einen Pfandrecht-Vorbehalt gewährt werde« könnte. — Au» diesem Zweck folgt zunächst, daß der E. nur bei onerosen Geschäften Vorkommen kann; eine Schenkung, bei welcher sich der Schenker schlecht­ hin da» Eigenthum vorbehielte, wäre etwa» Widersinnige»; behält er sich da» Eigenthum bi» zu einem gewissen Ereigniß vor, so ist die» nicht» Andere», al» eine bedingte oder betagte Schenkung; thatsächlich wird der E. nur beim Kauf, zur Sicherstellung de» Kaufpreise» Vorkommen; die rechtliche Konstruktion de» innerlich unhaltbaren Begriff» ist aber auch hier bestritten: nach der einen Auffaffung soll der E. stet» eine Resolutiv-Bedingung —, nach einer andern im Zweifel eine Suspensivbedingung —, nach einer dritten (Einten!») .theil» eine reine, theil» eine modipzirte Suspensivbedingung" sein: die Modifikation läuft aber darauf hinau», daß da» pactum zugleich Resolutiv-Bedingung sein sott, wa» unmöglich ist, weil e» zu einem condominium plurium in solidum führen würde. — Al» Suspensivbedingung kann der E. dem Kaufvertrag (und jedem ander» zweiseitigm Vertrag) au» zwri Gründen nicht beigefügt werden: 1) kann die Perfektion de» Vertrag» nicht von einem essentiale desselben, d. i. der Zahlung de» Kaufpreise» abhängig gemacht werden, weil es sonst in'der Willkür de» Käufer» stände, ob der Kauf zu

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Eigenwechsel.

Stande kommen, bzw. rückgängig gemacht werden soll oder nicht, während eine unter der Bedingung „si voluerim“ eingegangene Verpflichtung nichtig ist und andererseits gerade umgekehrt der E. (wie die lex commissoria) nur dem Ver­ käufer ein Wahlrecht zwischen Erfüllung und Aufhebung des Vertrags geben soll; 2) ist der Vollzug des Kaufvertrags unmöglich, ohne daß das Eigenthum des Verkäufers auf den Käufer übergeht: der Vollzug des Kaufs besteht eben darin, daß der Verkäufer dem Käufer die Sache zur freien Verfügung, zum habere licere, in den Besitz mit animus domini übergiebt, daß er ihm alles Recht an der Sache über­ trägt, was er selbst daran hat; also Eigenthum, wenn er selbst Eigenthümer ist, andernfalls — da er, was er selbst nicht hat, auf einen Andern nicht übertragen kann — juristischen Besitz mit Gewähr für Eviktion; will der Verkäufer den Eigenthumsbesitz behalten, so kann er auf den Käufer nur den Natural­ besitz, die Detention übertragen, der Käufer besitzt alsdann nicht als Käufer, sondern leih-, mieth- oder bittweise; eine solche Uebergabe zu bloßer Detention nimmt das Röm. R. im Zweifel an, wenn die Sache vor Bezahlung des Kaufpreises dem Käufer eingehändigt wird, läßt diesem aber den Gegenbeweis offen, daß der Ver­ käufer fidem emtoris secutus sit, fidem emtori habuerit, d. h. daß auf Kredit ver­ kauft und übergeben sei (§ 41 J. 2, 1. 1. 19 D. 18, 1. 1. 20 D. 43, 26); ein solcher Kauf auf Kredit ergiebt sich häufig, namentlich im Handelsverkehr, aus den Umständen, wo ein Eigenthums- wie ein Pfandrechtsvorbehalt facto contrarium wäre. — Den E. als Resolutiv - Bedingung einem Kaufvertrag beizufügen und den Kauf zu vollziehen, ist zwar juristisch möglich; allein wenn für den Kauf­ preis ein Zahlungstag festgesetzt ist, so fällt der E. vollständig mit der lex com­ missoria zusammen; denn einerseits wird in den Gesetzen überall, wo von einem Kauf sub lege comm. die Rede ist, der Vollzug des Kaufs, die Uebergabe der Sache an den Käufer als Käufer vorausgesetzt, andererseits kann die lex comm. aus den­ selben Gründen, wie der E. niemals Suspensivbedingung sein. Ist aber ein Zahlungs­ tag nicht festgesetzt, so kann der E. nur wirksam werden im Fall der Insol­ venz des Käufers; die Konsequenz würde verlangen, daß in diesem Fall der Verkäufer nicht blos als Vindikant im Konkurs des Käufers auftreten, sondern sogar die Sache mit der Eigenthumsklage jedem Dritten abfordern könnte. Die eine wie die andere Konsequenz wird aber von der Theorie und Praxis entschieden ab­ gelehnt (vgl. namentlich eine Entscheidung bei Seuffert, Archiv, Bd. XXV. Nr. 242 u. 243, woselbst die rechtliche Möglichkeit des E. durch die Konstruktion einer bedingten Tradition im Gegensatz zu einem bedingten Kauf zu verthei­ digen gesucht wird; s. dagegen d. Art. Eigenthum); damit wird der E. in dem einzigen Fall, wo er praktisch würde, zu einem bloßen Pfandrechtsvorbehalt herab­ gedrückt. — Wenn demnach behauptet wird, die Wirksamkeit des E. beruhe auf allgemein anerkanntem Gewohnheitsrecht (Seuffert, a. a. O. S. 363), so könnte dessen Inhalt nur der sein: „das unter der Bezeichnung E. vorbehaltene PrivatPfandrecht geht jedem andern öffentlichen oder Privat-Pfandrecht vor". Angesichts der neueren Gesetzgebung über Grundeigenthum und Hypothekenwesen verliert übrigens der E. von selbst seine Bedeutung. Lit.: Müller, Arch. f. civil. Prax., Bd. XII. S. 247 ff. — Duncker im Rhein. Mus., V. S. 65 ff. - Vangerow, Pand., § 311 Anm. 2. - Seuffert, Arch., XXV. Nr. 241. — Sintenis, Civ.R., Bd. I. § 49 Anm. 21. — Schweppe, Handb., § 368. — Pfize r, Württemb. Arch., Bd. XV. S. 209 ff. — Thorsch, Der Eigenthumsvorbehalt, 1875. Pfizer.

Eigenwechsel (Th. I. S. 522, 523). Der eigene Wechsel, auch trockener (cambium siccum), todter, uneigentlicher, unechter Wechsel, Solawechsel, Depositowechsel (s. d. Art. Depotwechsel) genannt (in.Frankreich dasbillet äordreart. 187,188 des C. de comm.) ist ein schriftliches wech^elmäßiges Summenversprechen, welches der Aussteller desselben dem Nehmer giebt; es enthält außer der Unterschrift des Aus-

Eike — Einbruch.

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stellers und dem Namen der Person oder der Firma, an welche oder an deren Order der Erstere die Zahlung zu leisten sich verpflichtet, die Angabe der Summe, der Zahlungszeit und des Zahlungsortes sowie die Wechselklausel, aber keinen Zah­ lungsauftrag; der Mangel dieses letzteren ergiebt die Unanwendbarkeit der mit diesem bei der Tratte zusammenhängenden Vorschriften, während das Recht der Tratte im Uebrigen auch auf den E. anzuwenden ist (Art. 98 der A. D. WO.). Zur Gültigkeit der E. ist die wirkliche Unterzeichnung derselben seitens des Aus­ stellers erforderlich; durch eine quer über den E. geschriebene „Accept"-Erklärung wird die Unterschrift nicht ersetzt; so Erk. d. ROHG. v. 12. April 1873; Entsch. IX. S. 422 ff. (vgl. auch Borchardt, S. 545, Zus. 991); Anderer Ansicht Thöl, H.R., § 153, N. 5 u. 17 und die dort eit. Erk. Der wechselmäßige Anspruch gegen den Aussteller verjährt in drei Jahren vom Verfalltage an gerechnet (Art. 100). Ein eigener Wechsel an eigene Order ist ungültig und ebenso das Indossament eines solchen (Erk. d. ROHG. v. 27. Sept. 1872), ein Satz, der bestritten ist, s. Thöl, H.R., § 160, IV. Ein dem E. beigefügtes Zinsver­ sprechen gilt als nicht geschrieben, Nürnberger Nov. IV., eventuelle Bestimmung, jetzt Gesetz des Norddeutschen Bundes v. 5. Juni 1869, nun des Deutschen Reiches; s. Thöl, a. a. O. S. 608. Ueber den Einfluß einer im Wechsel enthaltenen Pfandverschreibung s. Borchardt, S. 532 ff., 537, Zus. 961, 970 u. Note. Das Indossament eines E. wird als Tratte betrachtet, s. Thöl, a. a. O. S. 614 ff.; jedoch spricht gegen die Nothwendigkeit der Protesterhebung bei nicht domizilirten eigenen, wenn auch Rektawechseln die Nov. VIII. zu Art. 99 der WO.; vgl. Thöl, a. a.O. Domizilirte eigene Wechsel sind dagegen beim Domiziliaten, in Ermanglung der Benennung eines solchen beim Aussteller am Domizilsorte nach erfolgloser Präsen­ tation zu Protestiren (Hoffmann, Wechselrecht, S. 155, 653; vgl. im Uebrigen den Art. Domizilwechsel). Als eigener Wechsel gilt, das Vorhandensein der übrigen Requisite vorausgesetzt, ein die Form einer Tratte tragender Wechsel, bei welchem Aussteller und Bezogener, sowie der Ausstellungs- und der Zahlungsort identisch sind, worüber gestritten wird, s. Borchardt, WO., S. 538, Zus. 973. Sind diese Personen oder bzw. Orte nicht identisch, so gilt der Wechsel als Tratte, s. Hoffmann, Wechfelrecht, S. 43, 153. Ueber die Ausgleichung der Valutenverhältniffe (mittels Indossament zu Gunsten des zuletzt Belangten) unter mehreren Mitausstellern eines E. s. Bö hl au in der Ztschr. f. d. ges. H.R., Bd. XVIII. S. 404—417.

Quellen: D. WO. Art. 96—100. — Reichsgef. über Wechselstempelsteuer v. 10. Juni 1869 und 4. Juni 1879. Lit.: Hoffmann, W.R., S. 152, 642 ff. — Kuntze, W.R., S. 120—122. - Re­ naud, W.R., S. 107 ff. — Thöl, W.R. (H.R. Bd. II.), 4. Aust., §§ 152 ff. — O. Wachter, Encyklop. d. W.R., 1880 S. 317—348. — Praejudicium ebenda, und bei Borchardt, W.O. (7. Aust. 1879), S. 530—550. Gareis.

Eike von Repkow, der Verfasser des Sachsenspiegels, erwähnt in Urkunden 1209—1233, war vielleicht an einem Landgericht zu Salpke ständiger Schöffe. Vgl. Brie in der Allg. Deutsch. Biogr. V. 751. Teichmann.

Eilbert von Bremen, Verf. eines zu Wien erhaltenen ordo judiciarius (XIII. saec.).

Lit.: Savigny, V. 168. — Siegel, Ueber d. ordo jud. d. E., Wien 1867. — Muther in d. Allg. Deutsch. Biogr. V. 756. — Bethmann-Hollweg, VI. 109—111. Teichmann.

Einbruch. Die gewaltsame Eröffnung oder Beseitigung des Verschlusses einer Sache zum Behufe ihrer Entwendung. Der so begangene Diebstahl bildet eine Art des „schweren" („ausgezeichneten") Diebstahls. Ueber den Grund der

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Einert — Einfuhrverbote.

Auszeichnung desselben s. d. Art. Di.eb stahl. Das RStrafGB. unterscheidet zwischen „Einbruch" und „Erbrechen von Behältnissen". Ueber letzteres s. den cit. Art. Zu ersterem gehört nach ihm 1) das gewaltsame Eröffnen eines Gebäudes, oder eines umschlossenen Raumes innerhalb desselben, oder emes sonstigen umschlos­ senen Raumes, sei es, daß ein verschlossener Eingang gewaltsam geöffnet, oder ein Eingang überhaupt erst geschaffen, oder ein bestehender gewaltsam erweitert wird. Hinsichtlich der Begriffe des „Gebäudes" und des „umschlossenen Raumes" s. d. Art. Diebstahl. Das „bewohnte" Gebäude wird im RStrafGB. hier nicht aus­ gezeichnet (wie z. B. früher Bayern, Baden, Braunschweig rc.). 2) Die Gewalt­ samkeit muß sich spezieller charakterisiren als ein Zerstören oder Beschädigen des Verschlusses. Ob hierbei eine Substanzverletzung als wesentlich erscheine, oder ob auch ein gewaltsames Verbiegen u. dgl. genüge? Vgl. Heinze in Goltdammer's Arch., III. 705. Hinsichtlich der Frage, ob eine intensivere Kraftäußerung zum Begriff des E. gehöre, dürfte der Sprachgebrauch zwar im Allgemeinen eine Be­ jahung, jedoch keine bestimmtere Grenze an die Hand geben. — Daß der Thäterselbst in das Gebäude eindringe, wird nicht vorausgesetzt (anders früher Hessen und Württemberg). 3) Die gewaltsame Eröffnung des Gebäudes rc. muß zum Be­ hufe Stehlens erfolgen. 4) Sie darf nicht auf Veranlassung oder mit Zustimmung des Berechtigten stattfinden. — Der E. (selbst der blos versuchte) begründet an sich einen Versuch des qualifizirten Diebstahls. Zugleich wird derselbe, jedenfalls in der Regel der Fälle, die Merkmale der Sachbeschädigung (§ 303) haben. Es liegt hierin jedoch nicht ein Zusammentreffen von Delikten, sondern nur ein solches von Gesetzen. Gsgb. li. L it. V bei dem Art. Diebstahl. — Vgl. noch Heinze, Blätter für Rechts­ pflege in Thüringen, 1855, S. 290. Merkel.

Einert, Karl, 5 31. XII. 1777 zu Leipzig, Sohn des Mitgl. d. Schöppen­ stuhls, Hofraths u. Bürgermeisters Christian Gottlob E- (Protzr.: An is, qui cambium trassatum acceptavit, in ipsa solutione praeter redditionem cambii apocham a praesentante jure suo exigere potest, Lips. 1801), wurde 1802 Adv., 1816 Mitgl. d. Juristenfakultät, 1828 Präs. d. Handelsgerichts, 1835 als Rath ins Justizmin. berufen und mit dem Entwürfe einer WO. betraut, 1843 Vizepräs. d. O.ApP.G. Dresden, nahm Theil an den Wechselkonferenzen in Leipzig, f 25. II. 1855. „Einerssche" Wechseltheorie. Schriften: Exerc. de Papirio et de jure Pap., Lips. 1798. — Diss. de variis modis quibus concursus finiuntur, Lips. 1807. — Diss. de actione ad exhibendum, Lips. 1816. — Das Wechfelrecht nach dem Bedürfniß des Wechselgeschäfts im 19. Jahrh., Leipz. 1839. — Erört. einzelner Mat. d. C.R., 1840, 2. Aufl. 1846. — Ueber d. Wesen u. d. Form d. Literal­ kontrakts, Leipz. 1852 (vgl. S. 80—82 d. angez. Biogr.). Lit.: Dr. K. E., namentl. in f. Bezieh, zu d. jüngsten Entwickl. d. Deutschen Wechselrechts, Leipz. 1855. — Hartmann, D. D. Wechselrecht, Berl. 1869, S. 75, 76, 80, 81. —Gold­ schmidt, H.R., Erl. (2) 70, 72. — Steffenhagen in d. Allg. Deutsch. Biogr. V. 759 (auch über Christ. Gottl. Einert, 1747—1823). Teichmann.

Einfuhrverbote werden von Staatswegen für verschiedene Gegenstände und aus verschiedenen Gründen erlassen. Aus politischen Gründen erfolgen in unruhigen Zeiten E. von Druckschriften und Waffen rc. Zum Schutze der Staatsfinanzen wird die Einfuhr von Gegenständen verboten, welche auf Grund eines Monopols vom Staate allein fabrizirt und verkauft werden, wie z. B. Tabak und Tabaks­ fabrikate, Schießpulver, Salz und Spielkarten. Auch zum Schutze der Industrie werden manche Manufakturwaaren für die Einfuhr verboten, eine Maßregel, welche jedoch in Deutschland schon feit langer Zeit nicht mehr angewendet wurde und in den meisten Kulturstaaten als veraltet angesehen wird. Eine wichtige Rolle spielen die E. zum Schutze gegen gefährliche Krankheiten der Menschen, Hausthiere und Kulturpflanzen.

Einigungsämter.

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Die wichtigsten E., welche in neuerer Zeit in Deutschland erlassen wurden, betrafen die Einfuhr von gebrauchten Kleidern, Lumpen und anderen Gegenständen aus Rußland wegen der dortselbst im Jahre 1878 ausgebrochenen Pest, dann die auf Grund des Gesetzes vom 7. April 1869 erlassenen E. von Wiederkäuern und sonstigen davon herrührenden Gegenstände zur Abwehr der Rinderpest und endlich die auf die Abwehr der Reblaus bezüglichen E. von Weinreben und Blättern vom Wein­ stocke. Uebertretungen der E. werden als Kontrebande bestraft, bezüglich der Be­ strafung der Uebertretung des Verbots der Einfuhr von Rindvieh ist durch ein Reichsgesetz Näheres angeordnet.

Lit.: Wirth, Nationalökonomie, I. S. 219. — Hirth's Annalen v. 1871 S. 210, 1877 S. 635. v. Aufseß.

Einigungsämter. Streitigkeiten zwischen selbständigen Gewerbtreibenden (Arbeitgebern) und ihren Gesellen, Gehülfen, Lehrlingen, Fabrikarbeitern (Arbeit­ nehmern) beziehen sich entweder auf die Auslegung bestehender oder auf die Regulirung künftiger Rechts- und Vertragsverhältnisse, sind also entweder Rechts- oder Jnteressestreitigkeiten. Die Entscheidung der ersteren erfolgt durch die Gerichte, ent­ weder die ordentlichen Gerichte oder besondere Gewerbegerichte, oder Schiedsgerichte (vgl. d. Art. Gewerbegerichte). Die Entscheidung von Jnteressestreitigkeiten, insbesondere die Frage nach dem Inhalte eines abzuschließenden Arbeitsvertrages, kann selbstverständlich nicht einem Gerichte, und sei es auch ein genossenschaftliches, übertragen werden. Wol aber kann die Schlichtung des sozialen Krieges auf dem Wege der Schlichtung völkerrechtlicher Streitigkeiten, d. h. auf dem Wege der Eini­ gung unter den Kämpfenden, versucht werden. In England bestehen daher die sog. Boards of conciliation and arbitration nach einem doppelten Systeme, die nach ihren Urhebern das System Mundella und das System Kettle benannt werden. Der Unterschied besteht darin, daß es den Mundella'schen E. an jedem unparteiischen Obmann und an jeder Zwangsgewalt zur Durchführung fehlt, so daß Alles auf Freiwilligkeit und Ueberredung beruht und wo möglich nicht einmal eine Abstimmung stattfinden soll. Das System Kettle schafft dagegen einen für beide Theile bindenden Vertrag, der die Grundlage zu einer zwangsweisen Durchführung des Schiedsspruchs bildet, und befaßt sich überhaupt nur mit der Streitigkeit solcher Arbeitgeber und Arbeitnehmer, welche eine derartige Verpflichtung in ihren Arbeitsverträgen freiwillig übernommen haben. Das System sorgt dann außerdem auch dafür, daß in den Fällen, wo die stets in gleicher Zahl vertretenen Par­ teien sich nicht eurigen, ein im Voraus designirter Unparteiischer vorhanden ist, welcher den Vorsitz führt und eventuell den Spruch allein abgiebt. Diesem letzteren System hat sich auch neuerdings die Englische Gesetzgebung angeschlossen, indem auf Grund eines zufolge einstimmigen Beschlusses des großen Gewerkvereinskongresses von 1871 durch Kettle ausgearbeiteten Gesetzentwurfes, dessen Vertretung im Par­ lamente Mundella übernahm, die sog. Arbitration Act vom 6. August 1872 (35 & 36 Vict. cap. 46) zu Stande gebracht wurde; und zwar wird die Verein­ barung und die Unterwerfung unter den Spruch, so daß dieser exekutorisch ist, da­ durch bewirkt, daß der Arbeitgeber dem Arbeiter ein gedrucktes Exemplar einer solchen Vereinbarung übergiebt und dieser nicht binnen 48 Stunden dagegen remonstrirt; die Unterwerfung dauert jedoch nur während des in Kraft befindlichen Arbeitsvertrages. (Der Gesetz ist abgedruckt bei Brentano, Das Arbeitsverhältniß gemäß dem heutigen Recht, Leipz. 1877, S. 348.) In Deutschland dagegen ist man bisher über die theoretische Empfehlung von E. noch nicht wesentlich hinaus­ gekommen. Eine solche ist aber insbesondere seitens des Vereines für Sozialpolitik erfolgt. Schon auf der Versammlung von 1872 hat Schmoller als Referent über Arbeitseinstellungen und Gewerkvereine diese soziale Friedensinstitution warm em­ pfohlen, und als letzte seiner Resolutionen beantragt: „Es ist Wünschenswerth, daß

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Einkindschaft.

überall, wo häufigere Streitigkeiten Vorkommen, E. freiwillig organisirt werden, und daß sich ihnen möglichst die Gesammtheit der Unternehmer einerseits und die Ge­ sammtheit der Arbeiter andererseits unterwerfe, sowie daß ein besonderes Gesetz derartigen Kammern, die gewisse allgemeine Bedingungen erfüllen, die nothwendigen Befugnisse (Zeugen vorzuladen rc.) ertheile und ihre Entscheidungen durchführbar­ mache." Nach einer kurzen Debatte einigte sich die Versammlung damals zu dem kurzen Ausspruche: „Die Einrichtung von E. und Schiedsgerichten wird allgemein als zweckmäßig anerkannt." Der ständige Ausschuß hat dann aber die Frage als besonderen Gegenstand auf die Tagesordnung der im Jahre 1873 abgehaltenen Ver­ sammlung gesetzt. Die Erörterung war vorbereitet durch sechs vorher veröffentlichte Gutachten von Bitzer, Gensel, Ludwig-Wolf, Härtel, Schulze und Dannenberg. Dieselben verbreiteten sich vorzugsweise über die Fragen, ob E. gesetzlich normirt und mit Exekutive ausgestattet, oder ob sie als rein freiwillige Institute bestehen sollen, ob ferner im ersten Falle die Beschlüsse der E. auch für diejenigen Gewerbtreibenden verbindlich sind, welche sich dem E. nicht angeschlossen haben, ob eine Verbindung der Kommunalbehörden mit den E. zu befürworten, wie das Verhältniß zwischen den Koalitionsverbänden und den E. aufzufassen, resp, zu normiren, ob es Wünschenswerth ist, einen unparteiischen Obmann zu wählen und in welcher Weise, ob sich das gewerbliche Schiedsgericht mit dem E. verbinden läßt, welche Hauptmittel zur Anregung von freiwilligen E. anzuwenden sind. Die Debatte am 13. Oktober 1873 drehte sich wesentlich um das Verhältniß der E. zur Staats­ gewalt; man war von den verschiedensten Seiten her darüber einig, daß ein staat­ licher Zwang zur Errichtung von E. oder zum Beitritt zu denselben unstatthaft sei, man war aber zugleich in der Mehrheit der Ansicht, daß die Entscheidungen gegen die freiwillig Beigetretenen durch ein Reichsnormativgesetz durchführbar gemacht werden müßten, sowie daß der verpflichtende Beitritt zu den E. für die Koalitions­ vereine, insbesondere für Gewerkvereine die Hauptbedingung gesetzlicher Anerkennung bilde. In diesem Sinne gelangte auch ein modifizirter Antrag des Berichterstatters (Max Hirsch) zur Annahme. Lit.: Brentano, Die Arbeitergilden der Gegenwart, Bd. II. 1872 S. 243 ff., bes. S. 273 ff.; Derselbe, Ueber E., Leipz. 1873; Derselbe, Das Arbeitsverhältniß gemäß dem heutigen R., Leipz. 1877 S. 146, 269. — Schriften des Vereins für Sozialpolitik, II. IV. Leipz. 1873, 1874. — Schönberg, Arbeitsämter, Berl. 1871 (versteht darunter wesent­ lich statistische Behörden). — Eberth, Die Gewerbegerichte und das gewerbliche Schieds­ gerichtswesen, Berl. 1869; Derselbe, Denkschrift über gewerbliche Schiedsgerichte, Halle 1872. (Beide Schriften gehören trotz ihres Titels wesentlich hierher.) — Bamberger, Die Arbeiterfrage unter dem Gesichtspunkte des Vereinsrechts, S. 232 ff. E r n st Meier.

Einkindschaft (unio prolium, Th. I. S. 509) ist der zwischen den Ehegatten abgeschlossene Vertrag, wodurch den von dem einen Gatten aus einer früheren in die neue Ehe eingebrachten Kindern dieselben Vermögensrechte gegen den Stiefparens eingeräumt werden, wie sie den Kindern ihren leiblichen Eltern gegenüber zustehen. Die älteren Juristen des 16. und 17. Jahrhunderts behandelten meist die E. nach Analogie der Adoption (so Gayll, Fichard, Carpzov, Schilter); doch ist diese Auffassung in der neueren Zeit allgemein aufgegeben. Nach einer anderen Ansicht erscheint die E. als ein Erbeinsetzungsvertrag, abgeschlossen zwischen den beiden Ehegatten der zweiten Ehe und den aus der ersten stammenden Kindern. Diese Meinung, welche schon in der älteren Zeit, aber auch noch heutzutage ihre Vertreter hat (so Mevius,Stryk, Strombeck, Runde, Eichhorn, Gerber u. A.), kann indeß gleichfalls nicht als richtig angesehen werden. Die meisten Partikularrechte beschränken nun die Wirkungen des Rechtsinstituts auf das Erbrecht, sie gewähren den zugebrachten Kindern gegen die neuen Eltern ein Jntestaterbrecht, ganz wie es leiblichen Kindern zusteht. Daneben erhalten die zugebrachten Kinder der Regel nach Anspruch auf Unterhalt und eine Beihülfe resp. Aussteuer bei der

Einkindfchaft.

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Begründung eines eigenen Haushaltes oder bei der Verheirathung. Einige Rechte lassen aber auch eine elterliche Gewalt sür den Stiefparens entstehen, manche sogar sür den Stiefvater die väterliche (so auch das Preuß. LR. Th. II. Tit. 2 § 733, doch nur mit Rücksicht aus die Person, nicht auch auf das Vermögen der zuge­ brachten Kinder). Ein Erbrecht des Stiefparens gegen die zugebrachten Kinder ist an sich der Natur der E- fremd, ebenso ein solches zwischen den von jedem Ehe­ gatten eingebrachten Kindern, wenn sich die E. auf die beiderseitigen Kinder bezieht, und zwischen den eingebrachten Kindern und den Verwandten des Stiefparens. Partikularrechte haben jedoch dem Stiefparens dasselbe Erbrecht gegen die zuge­ brachten Kinder , wie gegen die leiblichen, beigelegt (so das Preuß. LR- Th. II. Tit. 2 § 743 ff.). Vermöge des E.svertrags verlieren die zugebrachten Kinder die ihnen aus der früheren Ehe zukommenden Vermögensrechte. Doch ist es zu­ lässig, daß denselben aus dem Vermögen der ersten Ehe ein Präzipuum ausgesetzt wird. Das Preuß. LR. fordert dies sogar (Th.-II. Tit. 2 §§ 725 — 727). Das den eingebrachten Kindern durch die E. eingeräumte Erbrecht ist jedoch kein unan­ tastbares. Es unterliegt, wie das Jntestaterbrecht der leiblichen Kinder, Abände­ rungen durch letztwillige Verfügungen. Nur der ihnen gleichfalls gebührende Pflichttheil darf, abgesehen von den gesetzlichen Enterbungsgründen weder entzogen noch geschmälert werden. Die Vertheidiger der Theorie vom Erbeinsetzungsvertrag lassen freilich fast durchgängig (und zwar von ihrem Standpunkte aus konsequenter Weise) eine Entziehung und Schmälerung des Erbtheils der eingebrachten Kinder nicht zu, aber auch andere Juristen haben sich dem angeschlossen. Und derselbe Grundsatz ist partikularrechtlich anerkannt, so auch vom Preuß. LR., welches jedoch eine Entziehung des Erbtheils aus den Enterbungsgründen gestattet (Th. II. Tit 2 747 — 749). Die E. kann bei Eingehung der neuen Ehe geschlossen werden, aber auch während des Bestehens derselben. Die kontrahirenden Theile sind die Ehegatten, nicht diese und die Kinder; obwol dieses Letztere von vielen Schrift­ stellern behauptet und auch von einigen Partikularrechten festgesetzt wird (so vom Preuß. LR. Th. II. Tit. 2 § 723). Der Vertrag muß vor Gericht geschlossen werden. Dieses hat eine euu8N6 eoZnitio darüber anzustellen, ob die E. den Kindern Vortheilhaft ist, oder nicht. Zu dem Ende hat es die Vormünder der eingebrachten Kinder und die Verwandten des verstorbenen Parens zuzuziehen, auch die Kinder selbst, wenn diese volljährig sind. Erweist sich das Geschäft als den Kindern nützlich, so erfolgt eine Bestätigung desselben durch ein richterliches Konfirmationsdekret. Wegen erheblicher Benachteiligung der Kinder kann eine Rescission des Geschäfts stattfinden.

Zweck der E. ist, die Abschichtung der Kinder erster Ehe, welche durch die aber­ malige Verheirathung ihres Parens nothwendig wird, zu beseitigen. Sie findet daher vornehmlich und ihrem Wesen nach nur da statt, wo für die erste Ehe das System der Gütergemeinschaft oder der Gütervereinigung (Gütereinheit) maßgebend war. Und es erklärt sich daraus, daß das Rechtsinstitut hauptsächlich im Gebiete des Fränkischen R. ausgebildet ist. Von den neueren Gesetzbüchern hat dasselbe das Preuß. LR. rezipirt (Th. II. Tit. 2 §§ 717 — 752) und ihm ganz allgemeine An­ wendbarkeit gegeben. Dagegen hat umgekehrt das Oesterr. BGB. (§ 1259) dem­ selben jede rechtliche Wirksamkeit entzogen, und auch dem Sächs. BGB. ist es un­ bekannt. Die Gemeinrechtlichkeit der E. wird von verschiedenen Schriftstellern be­ stritten, so von Pufendorf, Ringelmann, Pfordten. Beseler (D. Priv.R. § 127 a. E.) spricht ihr zwar gemeinrechtliche Bedeutung zu, rechnet sie aber zu dem bedingt subsidiarischen Recht, d. h. will sie nur da gelten lassen, wo sie im Partikularrecht anerkannt ist.

Lit.: Ringelmann, Historische Entwicklung und rechtliche Natur der E., Würzb. 1825. — v. d. Pfordten in den Blättern für Rechtsanwendung zunächst in Bayern, herausg. v. Seuffert u. Glück, IV. Nr. 15. Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen, II. 2 (Gott.

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Einkommensteuer.

1840), S. 150 ff. — Gerber, De unione prolium, Jen. 1844. — Hillebrand in der Ztschr. fürDeutsches R., X. Nr. 13. — Seuffert's Archiv, II. Nr. 67; XV. Nr. 29, 230; XVI. Nr. 56; XXIII. Nr. 232; XXV. Nr. 138; XXVI. Nr. 136, 248. Lewis.

Einkommensteuer. I. Geschichte. Im alten Staatswesen bestand hin­ sichtlich der Steuergesetzgebung ein tief gehender Unterschied zwischen Stadt und Land. Die Hauptabgabe der Städte war die Generalaccise, eine Steuer vom Ver­ brauch fast aller Lebensbedürfnisse; die Bewohner des Platten Landes dagegen zahlten Grundsteuern in bunter Mannigfaltigkeit und trugen außerdem mittelbar zur Erhöhung des Einkommens aus der Accise bei, indem sie genöthigt waren, einen großen Theil ihrer Bedürfnisse aus den Städten, welchen der Betrieb des Handwerks, der Fabriken. und des Handels damals in der Regel ausschließlich zustand, zu entnehmen. Das Edikt vom 27. Oktbr. 1810 über die Finanzen des Staats und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben enthält in kurzen Zügen das Programm einer Vereinfachung und wesentlichen Umgestaltung des ganzen bisherigen finanziellen Systems. Das Edikt vom 28. Oktbr. 1810 über die neuen Konsumtions- und Luxussteuern that den ersten Schritt aus der Bahn der Reform, indem einige der drückendsten von den bisher unter der Accise begriffenen Abgaben ganz beseitigt, andere erheblich ermäßigt wurden, wogegen die zum Theil erhöhten Konsumtionsabgaben von Fleisch, Gemahl, Bier und Branntwein, welche bisher nur in den Städten erhoben worden, auch vom platten Lande gezahlt werden sollten. Es stellte sich jedoch sofort heraus, daß es große Schwierigkeiten finde, die sämmtlichen Städte und das platte Land nach gleichen Grundsätzen in Bezug auf die Verbrauchsabgaben zu behandeln, daß insbesondere die Erhebung einer­ allgemeinen Mahlsteuer auf dem Lande und in den kleinen Ackerstädten praktisch undurchführbar sei. Demgemäß stellte das fernerweite Edikt über die Finanzen des Staats und das Abgabensystem vom 7. Septbr. 1811 eine Unterscheidung zwischen großen Städten auf der einen, kleinen Städten und dem platten Lande auf der anderen Seite auf; befreite die letzteren Kategorien von der Mahlaccise gänzlich, führte nun aber an Stelle dieser Befreiung und anderweiter Ermäßigungen hin­ sichtlich der Verbrauchsabgaben eine Personalsteuer ein, die auf P/2 Mark jährlich für jeden Ueberzwölfjährigen festgesetzt wurde. Dieselbe erstreckt sich auf mehr als drei Viertheile aller überzwölfjährigen Bewohner des Staats und wurde verhältnißmäßig leicht getragen. Als es sich nun nach hergestelltem Frieden darum handelte, das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben des Staats dauernd wiederherzustellen, und die Aufbringung einer Summe von 24 Millionen Mark, welche neben dem Ertrage der Zölle, der Getränkesteuer, Salzsteuer, Grundsteuer, Stempel- und Gewerbesteuer zu decken blieb, in Frage kam, so faßte man den Entschluß, die in einem Theile des Staats bereits bestehende Personalsteuer auf den ganzen Staat auszudehnen, und gleichzeitig eine Abstufung nach Klassen ein­ treten zu lassen, um die wohlhabenderen Einwohner mit einem verhältnißmäßig höheren Satze heranzuziehen. Jedoch war die ursprüngliche Idee dieser Klassen­ steuer nur auf vier Steuerstufen von P/2 Mark, 12 Mark, 36 Mark, 72 Mark jährlich, von denen die unterste Stufe den Charakter einer Kopfsteuer von jedem Uebervierzehnjährigen, die drei höheren Stufen den Charakter einer Haushaltungs­ steuer haben sollten, gerichtet, bei deren Abgrenzung mehr auf die äußeren Lebens­ verhältnisse gesehen werden sollte, jo daß etwa die vier Klassen den Kategorien Arbeiterstand, niederer Bürgerstand (Bauern und Handwerker), mittlerer Bürger­ stand (Gutsbesitzer und Kaufleute), Herrenstand (große Grundbesitzer, Fabrikanten, Bankiers) entsprechen würden; eine eigentliche E. war nicht beabsichtigt. Diese Idee erfuhr indessen bei der endgültigen Feststellung der neuen Steuerverfassung durch die Gesetze vom 30. Mai 1820 nach zwei Seiten hin eine wesentliche Um­ gestaltung. Einmal führte die Schwierigkeit, in volkreichen Ortschaften bei der großen Fluktuation der Bevölkerung den richtigen Eingang der Lebensverhältniffe

Einkommensteuer.

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feste Klassenunterschiede zu finden, die Belastung des älteren Steuersystems in Gestalt einer Konsumtionsabgabe für viele größere und mittlere Städte herbei, so daß der klastensteuerpflichtigen Bevölkerung eine mahl- und schlachtsteuerpflichtige Bevölkerung an die Seite trat. Ferner wurden durch das Gesetz vom 30. Mai 1820 über die Klassensteuer, und noch entschiedener durch die Kabinetsordre vom 5. Septbr. 1821 die Steuersätze der individuellen Leistungsfähigkeit mehr angepaßt, indem man die vier Hauptklassen in je drei Unterklassen zerlegte, und daher im Grunde statt der ursprünglichen vier zwölf Klassen bildete, auch die erste Klasse allmählich von 72 auf 432 Mark jährlich erhöhte. Auf diesem Wege ging die Regierung weiter, als sie etwa ein Menschenalter­ später dem Vereinigten Landtage einen Gesetzentwurf vorlegte, der die Mahl- und Schlachtsteuer gänzlich beseitigte und die oberen Stufen der Klassensteuer in eine E. verwandelte, bei deren Feststellung die eigene Angabe der Steuerpflichtigen zur allgemeinen und gesetzlichen Grundlage gemacht, die letzte Entscheidung in die Hand der Staatsbehörden gelegt, übrigens aber das fundirte und nicht fundirte Ein­ kommen nach verschiedenen Prozentsätzen herangezogen werden sollte. Die Regie­ rung hatte ihr Augenmerk damals in der That nicht auf eine Vermehrung der Staatseinnahmen, sondern auf eine Verbesserung des Finanzsystems gerichtet. Der Vereinigte Landtag lehnte jedoch die Vorlage ab. Die Regierung legte dann zu Anfang des Jahres 1849 den damaligen Kam­ mern einen zweiten Entwurf vor, der sonst mit dem früheren identisch war, nur auf der einen Seite den Unterschied zwischen fundirtem und nicht fundirtem Ein­ kommen fallen ließ, auf der anderen Seite eine mäßige Progression der Steuersätze enthielt. Die Ereignisse verhinderten jedoch eine eingehende Berathung. Inzwischen waren aber zu den finanziellen Gründen, welche die Einführung einer alle Staatsbürger gleichmäßig treffenden Steuer Wünschenswerth machten, politische Gründe hinzugekommen, da die Abstufung politischer Rechte nach Maßgabe der entrichteten direkten Steuern zu einem Fundamente des Verfastungslebens ge­ macht war, und somit einerseits eine Ausdehnung der direkten Steuer auf die mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Städte, andererseits eine stärkere Heranziehung der Wohlhabenden sich empfahl. Die Regierung legte deshalb in der Session 1849/50 einen dritten Entwurf vor, der auf die Unterscheidung des fundirten und nicht fundirten Einkommens nicht weiter zurückkam, auch den Gedanken der Pro­ gression fallen ließ, die Selbsteinfchätzung gestattete, aber nicht forderte, die Ver­ anlagung in die Hände unabhängiger, von den Kreis- und Provinzialvertretungen zu wählender Kommissionen legte, übrigens aber nur das Einkommen von 3000 Mark und mehr einer eigentlichen Einschätzung unterwarf. Während die zweite Kammer diesen Gesetzentwurf im Wesentlichen annahm, stellte die erste demselben einen tiefgehenden Abänderungsvorschlag entgegen, wonach insbesondere die Mahlund Schlachtsteuer beibehalten und die Klassensteuer nur durch Hinzufügung einiger­ neuer Steuerstufen modifizirt werden sollte. Da nun unterdessen ein Bedürfniß nach Vermehrung der Staatseinnahmen hervorgetreten war, so schloß die Regierung bei ihrem vierten Entwürfe von 1850/51 dem Gegenvorschläge insofern sich an, als sie die Mahl- und Schlacht­ steuer bestehen ließ, während sie dagegen auf einer Umbildung der höheren Stufen der Klassensteuer in eine wirkliche E., so daß für die Veranlagung nur das Ein­ kommen und nicht auch die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in Betracht komme, beharrte. In dieser Gestalt hat dann der Entwurf im Wesentlichen die Zustimmung beider Kammern gefunden. Das Gesetz über die Klassensteuer und klassifizirte E. vom 1. Mai 1851 ist noch gegenwärtig die Grundlage des geltenden Rechts. Zu diesem Gesetze sind mehrere Instruktionen erlassen, insbesondere die Instruktion vom 8. Mai 1851 über die Veranlagung und vom 19. Juni ejusd. über die Erhebung v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon I. 3. Anfl.

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6hi{ra*nt|tnn.

der Klaffensteuer, vom 8. Mai 1851 für die Borfitzenden der E.einschätzungSkommisfionen und vom 18. Juli ejusd. für die Borfitzenden der E.bezirktkommis» stonen; vom 24. Septbr. 1851 für die Behandlung der Zu- und Abgänge der kkaffifizirten 6.; endlich die Zusammenstellung der BeranlagungSgrundsätze für die Klaffrnsteuer vom 1. Mai 1867. $68 Gesetz wegen Abänderung des Gesetzes vom 1. Mai 1851 betreffend die Einführung einer Klaffen- und klasfifizirten E. vom 25. Mai 1873, welches zum ersten Male bei der Veranlagung für daS Jahr 1874 in Anwendung getreten ist, hat jedoch wefentliche Modifikationen herbeigeführt und ist seinerseits wiederum duuh die Gesetze vom 16. Juni 1875 betreffend einige Abänderungen der Vor­ schriften für die Veranlagung der Klaffensteuer, vom 12. Juli 1876 betreffend Veranlagung und Erhebung der direkten Staatssteuern nach dem Etatsjahre und vom 12. März 1877 betreffend einige Abänderungen der gesetzlichen Vorschriften über die Veranlagung ic. der Klaffen- und klasfisizirten E., wenn auch nur uner­ heblich modifizirt worden- (Die zu dem Gesetze vom 1./25. Mai 1851/73 erlas­ senen sehr zahlreichen BeranlagungS- und Erhebungsinstruktionen sowie Anweisungen aller Art nebst dm durch einzelne Reskripte bewirkten Erläuterungen siehe bei Meitzen, S. 117 ff.) II. DaS geltende Recht. A. Die Klassensteuer. Dieselbe betrifft diejenigen Einwohner, deren jähr­ liches Einkommen den Betrag von 3000 Mark nicht übersteigt. 1) Befreit von der Klaffmsteuer waren nach dem früherm Gesetze nur die­ jenigen Armen, die im Wege der öffentlichen Armenpflege eine fortlaufende Unter­ stützung erhielten oder in öffentlichen Anstalten auf öffentliche Kosten verpflegt wurden, nach dem gegmwärtigen Gesetze dagegen alle Diejenigen, deren Jahres­ einkommen den Betrag von 420 Mark nicht erreicht; befreit find ferner, in wesent­ licher Uebereinstimmung deS alten und deS neuen Gesetzes, zunächst Personen vor vollendetem sechzehnten Jahre, soweit sie zu der ersten Stufe gehörm; ferner alle zur Friedensstärke deö Heeres und der Marine gehörigen Personen deS Unter­ offizier- und Gemeinenstandes nebst den in ihrer Haushaltung lebenden Mitgliedem ihrer Familie, sofern fie selbst, oder diese ihre Angehörigen nicht auS dem Betriebe eines Gewerbes oder der Landwirthschaft oder aus Grund- oder Kapitalvermögen ein Einkommen von mindestens 420 Mark haben; die Unteroffiziere und Mann­ schaften deS BeurlaubtenstandeS und ihre Familien, sowie alle in Kriegszeiten zum Heeresdienst aufgebotenen oder freiwillig eingetretenen Personen des Unteroffizierund Gemeinenstandes und deren Familien in den Monaten, in welchen fie fich im aktiven Dienste befinden, alle Offiziere des Heeres und der Marine, Aerzte und Beamte der Militär- und Marineverwaltung für die Zeit, während welcher fie mobil gemacht find, oder zur immobilen Fußartillerie, zu Ersatzabtheilungen mobiler Truppen oder zu Besatzungen im Kriegszustände befindlicher Festungen gehören; Ausländer, welche noch nicht ein volles Jahr an demfelbem Orte deS Inlandes fich ausgehalten haben, mit Ausnahme derjenigm, welche deS Erwerbs wegen ihren Aufenthalt int Jnlande nehmen; die Inhaber deS eisernen Kreuze» einschließlich derjenigen, welche dieser Auszeichnung aus Gmnd der Urkunde vom 19. Juli 1870 theilhastig geworden find, sowie die Inhaber deS Militärehrenzeichen» erster und zweiter Klaffe und die zu dem Hausstande der Inhaber dieser Auszeichnungen ge­ hörigen Familienglieder, soweit fie zu den beiden ersten Stufen gehören; endlich Diejenigen, welche, auch ohne besondere Auszeichnung erlangt zu haben, an einem der Feldzüge von 1806—1815 Theil genommen haben, für fich und ihre Ange­ hörigen, soweit fie zu den beiden ersten Stufen gehören. Dagegen ist die Be­ freiung derjenigen zur untersten Stufe gehörigen Personen, welche ihr sechzigstes Jahr bereits zurückgelegt haben, gegenwärtig weggefallen. Demgemäß find 1879/1880 im Ganzen 5109105 klaffensteuerpflichtige Personen vorhanden, während 6 954 385

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Personen, und unter diesen 6242 813 deshalb, weil ihr Einkommen weniger als 420 Mark beträgt, befreit find. Die Steuerpflichtigen scheiden sich wieder in 1180140 Einjelnsteuerude und 3 928965 Haushaltung-Vorstände mit 13377677 Angehörigen, so daß auf die Hau-haltung durchschnittUch 4,40 Perfonen kommen. 2) Die Steuer wurde frühe, in btri Hauptklassen und in jebet Hauptklaffe nach Abstufungen erhoben. Die EinschLtznng geschah einerseits nach gewissen all­ gemeinen Unterscheidungsmerkmalen für die einzelnen Hauptklassen, andererseits nach den persönliche» Gesammtverhältnissm und der durch diese bedingten besonderen Leistungsfähigkeit, bei deren Bemessung z. B. eine große Anzahl von Kindern, die Beipflichtung zur Unterhaltung armer Angehörigen, Krankheit, Schulden und Aehnliche» in Betracht kam. Die erste Hauptklaffe umfaßte im Allgemeinen die­ jenigen Grundbesitzer und Gewerbtreibeudm, welche durch da- au- Grundbesitz und Gewerbe ihnen gewährte Einkommen nicht selbständig bestehen konnten und sich daher noch einen Nebenverdienst, namentlich durch Tagelohn oder diesem ähnliche Lohnarbeit sichern mußten, anßerdem die gewöhnlichen Lohnarbeiter, die Handwerks­ gesellen , daS gewöhnliche Gesinde und die Tagelöhner. Dies« erste Hauptklaffe zeifiel wieder in drei Stufen, die erste Stufe in zwei Unterstufen. Der Steuersatz in der ersten Unterstufe betrug monatlich 13 Pf. (1 Sgr. 8 Pf.), jährlich 1 */, Mark; diese erste Unterstufe hatte den Charakter einer Kopfsteuer, insofern die Steuer nicht nach Haushaltungen, sondern für jede steuerpflichtige Person erhoben wurde, jedoch mit der Maßgabe, daß in dieser Unterstufe au» derselben Haushaltung niemals mehr al» zwei Personen zur Steuer.hrrangezogen werden dursten; die Steuer betrug also auf dieser untersten Stufe für jede Haushaltung, in der zwei Ueberfrchzehajährige find, jährlich 3 Mark. Der Steuersatz in der zweiten Unterstufe betrug «pnatlich 25 Pf. (2 Sgr. 6 Pf.), jährlich 3 Mark; diese zweite Unterstufe hatte da» Eigenthstwliche, daß zu derselben nur Einzelsteuernde veranlagt werden durften, e» ge­ hörten dahin aber bereit» Knechte und Fabrikarbeiter mit höherem Lohn. Die Steuer der untersten Stufe war demnach in einer Weife normtet, daß nut in sehr wenigen anderen europäischen Ländern von dm besitzlosen Handarbeitem höhere persönliche ©teuern erhoben wurden. Die zweite Stufe, monallich 50 Pf. (5 Sgr ), jährlich 6 Mark, bildeten die ganz geringen Grundbesitzer und Gewerbtreibmdm, die dritte Stufe, monatlich 75 Pf. (71/, Sgr.), jährlich 9 Mark, diejenigen dieser beiden Kate­ gorien , welche sich zwar in einer günstigeren Lage befanden, jedoch von dem Er­ trage ihre» Grundbesitzes oder Gewerbes noch immer nicht selbständig bestehen konnten und sich daher noch Nebenverdienst, insbesondere durch Tagelohn suchm mußten, außerdem diejenigen in ähnlicher Lage befindlichen Personen, deren Ein­ kommen dm Betrag von 600 Mark jährlich nicht erreichte. Zur zweiten Haupt­ klaffe gehörten dann diejenigen kleineren Gmndeigenthümer und Gewerbtreibmdm, welche von dem ihnm zufließenden Ertrage schon selbständig zu bestehen im Stande warm, ferner die ihnen in ihren Gesammtverhältniffrn gleichstehmden Grundstücks­ pächter, di« in fremdem Lohn und Brot stehenden Personen, welche nach der Art ihrer Dienste und der dafür gewährten Belohnung nicht als Tagelöhner oder Ge­ sinde angesehen werden konnten; endlich diejenigen Staats- und Gemeindrbeamtm, Aerzte, Notarien ic., die den ebengedachten Steuerpflichtigen in ihrer Leistungs­ fähigkeit ungefähr gleichstanden. Diese zweite Hauptklaffe bot in ihren fünf Stufen (Stufe 4—8) ausreichende Gelegenheit dar, die Einschätzung mit der Leistungs­ fähigkeit in Einklang zu bringen, und zwar ergab sich im Allgemeinen für ein Jahreseinkommen bis 750 Mark in Stufe 4 eine Steuer von monatlich 1 Mark, jährlich 12 Mark; für ein Jahreseinkommen bis 900 Mark in Stufe 5 eine Steuer von monatlich 1 Mark 25 Pf., jährlich 15 Mark; für ein Jahreseinkommen bi» 1050 Mark in Stufe 6 eine Steuer von monatlich 1 Mark 50 Pf., jährlich 18 Mark: für ein Jahreseinkommen bis 1200 Mark in Stufe 7 ein« Steuer von monatlich 2 Mark, jährlich 24 Mark , für rin Jahreseinkommen bis 1500 Mark in Stufe 8

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628 eine Steuer von monatlich 2 Mark 50 Pf., jählckich 30 Mark. Die dritte Hauptklaffe endlich umfaßte Diejenigen , welche zwar im Vergleich zu den der zweiten Hauptklaffe Angehörigen auf einer höheren Stufe der Wohlhabenheit sich befanden, deren Gesammteinkommm jckwch noch immer hinter demjenigen Betrage zurückblieb, der ihre Heranziehung zur klasfifizirten E. bedingt haben würde. Diese dritte Haupt­ klaffe zerfiel wieder in vier Stufen (Stufe 9—12), und zwar ergab fich im Allge­ meinen für ein Jahreseinkommen biö 1950 Mark in Stufe 9 eine Steuer von monatlich 3 Mark, jährlich 36 Mark; für ein Jahreseinkommen bis 2400 Mark in Stufe 10 eine Steuer von monatlich 4 Mark, jährlich 48 Mark; für ein Jahres­ einkommen bis 2700 Mark in Stufe 11 eine Steuer von monatlich 5 Mark, jähr­ lich 60 Mark; für ein Jahreseinkommen bis 3000 Mark in Stufe 12 eine Steuer von monatlich 6 Mark, jährlich 72 Mark. Dabei ist jedoch nochmals hervor­ zuheben, daß das Einkommen bei der Klassensteuer zwar den hauptsächlichen, aber nicht ben alleinigen Bestimmung-grund für die Einschätzung bildete, und daß daher jene Zahlenangaben, die fich nur in den Instruktionen, nicht im Gesetze selbst fanden, mehr al- Anhaltspunkte wie als bindender Tarif anznsehen waren, und keineswegs hinderten, auf Grund spezieller und vergleichsweiser Würdigung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Steuerpflichtigen anderweite Einschätzungen vorzu­ nehmen. Nach dem neuen Gesetze wird nun die Klassensteuer einfach in zwölf Stufen erhoben. Die Veranlagung zu diesen Stufen erfolgt nach Maßgabe der Schätzung deS jährlichm Einkommen-. 68 ist jedoch gestattet, wie wiederum ausdrücklich hervorgehoben wird, besondere die Leistungsfähigkeit bedingende witthschaftliche Verhältnisse der einzelnen Steuerpflichtigen (eine große Anzahl von Kindern, die Verpflichtung zur Unterhaltung armer Angehöriger, andauernde Krankheit, ferner, insoweit die Leistungsfähigkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt wird, Verschuldung und außergewöhnliche UnglÜckSfälle) zu berücksichtigen. Sofern der Einzuschähende der ersten Stufe angehören würde, kann seine vollständige Freilaffnng erfolgen. Der Steuersatz beträgt bei einem Jahreseinkommen in der ersten Stufe von 420—660 Mark: 3 Mark , in der zweiten Stufe von 660—900 Mark: 6 Mark; in der dritten Stufe von 900—1050 Mark: 9 Mark; in der vierten Stufe von 1050—1200 Mark: 12 Mark; in der fünften Stufe von 1200—1350 Mark: 15Mark; in der sechsten Stufe von 1350—1500 Mark: 24 Mark; in der siebenten Stufe von 1500—1650 Mark: 30 Mark; in der achten Stufe von 1650—1800 Mark: 36 Mark; in der neunten Stufe von 1800—2100 Mark: 42 Mark; in der zehnten Stufe von 2100—2400 Mark: 48 Mark; in der eilften Stufe von 2400—2700 Mark: 60 Mark; in der zwölften Stufe von 2700—3000 Mark: 72 Mark. 3) Die Einschätzung geschieht sowol nach dem älteren wie auch nach dem neuerm Gesetze von einer Kommiffion, welche aus dem Gemeindevorstande als Dor­ fitzendem, und Mtgliedem, die von der Gemeindeversammlung, bzw. Gemeinde­ vertretung, gewählt find, besteht. In größeren Städten können mehrere EinschätzungSkommisfionen gebildet werden, und kann der Gemeindevorstand den Vorfih in diesen Kommissionen einem der von der Gemeindevertretung gewählten KommisfionSmitglieder übertragen. DaS Gesetz vom 16. Juni 1875 ermöglicht außer­ dem die Bildung kombinirter Einschätzungsbezirke aus Gemeinden und selbständigen Gutsbezirken, welche eine örtlich verbundene Lage haben, und aus Gemeinden und selbständigen Gutsbezirken von abgesonderter Lage bei weniger als 800 Einwohnern mit benachbarten Gemeinden. Die Einschätzungen unterliegen der Borrevifion der Landräthe (KreiShauptmänner, bzw. der Bürgermeister der einen eigenen Kreis bildenden Städte). Die Feststellung der Steuerbeträge endlich erfolgt durch die Bezirksregierung, Abtheilung für direkte Steuern, Domänen und Forsten, bzw. die Finanzdirektion in Hannover, indem die Einschätzungen unter Berücksichtigung der früheren Klafiensteuerrollen, der Zu-, Abgangs- und Volkszählungslisten, der Grund-

StatranBcijttNct.

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steuerkataster, Gewerbesteuerrollen, fowol in Bezug auf die Bevölkerungsangobro als auch in Betreff der Richtigkeit der Steuerbefreiungen und der einzelnen Steuer­ sätze sowie endlich in Bezug auf die gleichmäßige Veäheilung der Steuer innerhalb derselben Gemeinde und aller Gemeinden de» -reifes gegen einander, eingehend ge­ prüft werden. Im Gegensatz zu dem frühere« Gesetze, wonach die Regierung bei dieser Feststellung der KlaffensteuerbetrLge völlig freie Hand hatte, darf jedoch gegenwärtig die Versetzung Steuerpflichtiger in eine höhere Stufe als diejenige ist, in welche sie von dm EiufchLtzuugskommisfionen veranlagt find, ohne Weitere- nur, wenn e- fich hierbei um die Berichtigung eine» offenbaren Schreibfehler» handelt, in allen übrigen Fällen dagegen nur nach vorheriger Anhömug der betreffeudm Einschitzungskommfffion erfolgen. 4) Was die Reklamationen gegen die -laffrosteuerveranlagung betrifft, so müffm diese nach dem alten wie nach dem neuro Gesetze binnen präklusivischer Frist (feit dem Gesetze vom 16. Juni 1875 nicht mehr in drei, sondern in zwei Monaten) bei dem Landrath (Kreishauptmann resp. Bürgermeister der Stadtkreise) eingegeben werden. Ueber die augebrachtm Reklamationen entscheidet jetzt, wie früher, nach darüber eingeholtem Gutachten einer von der Kreisvertretung, in den Stadtkreisen von der Gemeindevertretung zu wählenden Reklamationskommisfion die Bezirksregierung (Finanzdirektion). Im Falle nun die Bezirksregierung (Finanz­ direktion) dem Gutachten der Reklamationskommisfion nicht beitritt, so mußte früher diese Regierungsentscheidung durch Pleuarbeschluß erfolgen, während jetzt vorgeschriebeu ist, daß in diesem Falle die Entscheidung durch die BezirkSkommisfiou für die klaffifizirte 6. zu erfolgen hat. Segen die Entscheidung der BezirkSkommisfiou endlich sowie gegen die Entscheidung, welche die Regierung in Uebereinstimmung mit der Reklamationskommisfion erläßt, steht wiederum in Uebereinstimmung mit dem früheren Rechte dem Reklamanten der bei dem Landrath einznreichende Rekurs an das Finanzministerium offen; diesen Rekurs ist nach dem neuro Gesetze auch die Regierung gegen die Entscheidungen der BezirkSkommisfiou einzulegen berechtigt. 5) Eine sehr wesentliche Modifikation der Klaffrosteuer ist nun aber dadurch eingetreten, daß der früher schwankende und nach heutigen Berhältniffro stetig wachsende Betrag der Klaffensteuer durch da» neue Gesetz auf einen bestimmten Normalbetrag festgesetzt ist, der nur durch Gesetz wieder abgeändert werden kann. Und zwar ist dieser Jahresbetrag der au» Veranlagung der Klassensteuer mit Aus­ schluß der Zugänge zu erzielenden Solleinnahme auf 42100000 Mark festgestellt, wobei zu bemerken ist, daß die Erhöhung der im 1873er Gesetze auf 42 Millionen sestgestellte Summe um 100000 Mark in Folge der Einverleibung Lauroburgs durch Gesetz vom 23. Juni 1876 erfolgt ist, sowie auch daß der Gesammtbetrag der Klassensteuer in den Staatshaushaltsetats feit 1870 auf 39 Millionen Mark fich belaufen hat. Wird also der Normalbetrag durch den au» der Veranlagung fich ergebenden Jahresbetrag der Solleinnahme überstiegen oder nicht erreicht, so findet eine Herabsetzung bzw. Erhöhung der letzteren bis aus den Normalbetrag statt. Der Finan-minister veröffentlicht in diesem Falle durch die Gesetzsammlung alljährlich bi» zum 1. Juni (seit Verlegung deS Etatsjahre») da» Ergebniß der Veranlagung und macht zugleich bekannt, wieviel Mal zwölf Pfennig aus je dreihundert Pfennig der veranlagten Jahressteuer weniger oder mehr zu entrichten find, um den Normalbetrag zu erhalten. 6) Es ist ausdrücklich hervorgehoben, daß diejenigen Personen, deren jährliches Einkommen weniger als 420 Mark beträgt und die also von der staatlichen Klaffen­ steuer befreit find, doch zu den nach dem Klaffensteuersuße auszubringenden Lasten der kommunalen und anderen öffentlichen Verbände herangezogen werden können, sofern fie nicht im Wege der öffentlichen Armenpflege eine fortlaufende Unter­ stützung erhalten. Endlich hat die Herabsetzung der Klaffensteuerbeträge in den unteren Stufen Veranlaffung zu der Bestimmung gegeben, daß, soweit da» Bürger-

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(StifewMiefteitt.

recht, beziehentlich das Stimm- und Wahlrecht in Stadt- und Landgemeinden an die Bedingung eine- gesetzlichen Klaffensteuerbetrag- von 9 resp. 12 Marl ge­ knüpft ist, big zur anderweitigen gesetzlichen Regelung der Gemeindewahlrechts, an die Stelle der genannten Sätze der Stufensatz von 6 Marl Klassensteuer tritt (vgl. darüber Eirkularverfügung der Ministers des Innern vom 15. Juli 1873, M.Bl. 1878, S. 219). B. Die llassisizirte 6. Dieselbe wird von allen Einwohnern des Staats sowie von den im AuSlande sich aushaltmden StaatSangehbrigen erhoben, welche selbständig, bzw. unter Hinzurechnung deS etwaigen besonderen Einkommens der zu ihrem Haushalte gehörigen Familienglieder , ein jährliches Einkommen von mehr als 3000 Mark beziehen. Wegen deS Einkommens au» ihrem im Auslande belegenen Grundeigenthum find Preußische Staatsangehörige von der llaffifizirten E. freizulaffen, wenn fie den Nachweis führen, daß sie wegen jene» GrundeigenthumS im Auslands einer gleichartigen Besteuerung unterliegen. Ausländer find der E. dann unterworfen, wenn fie entweder im Jnlande Grundeigenthum resp, gewerbliche oder HandelSanlagen besitzen, auS dem fie rin Einkommen von mehr als 3000 Mark beziehen, oder wenn sie sich deS Erwerbe» wegen oder länger al» ein Jahr im Preußischen Staate aufhalten. Don dm Einwohnern mahl» und schlachtsteuerpflichtiger Orte geschah übrigen» während deS Bestehen» der Mahlund Schlachtsteuer die Erhebung der E. unter der Beschränkung, daß jedem Steuer­ pflichtigen jährlich die Summe von 60 Mark für die gleichzeitig zu entrichtende Mahl- und Schlachtsteuer in Anrechnung gebracht und nur der nach diesem Abzug übrig bleibende Steuerbetrug zur Erhebung gestellt wurde. 1) Befreit von der klafsifizirtrn E. waren nach dem früheren Gesetze nur die Mitglieder de» Königlichen Hause» und des Hohenzollern'schen Fürstenhauses, denen später auch die Mitglieder der Familien de» Hannoverschen Königshauses, de» Kurhesfischen und Naffauischen Fürstenhauses gleichgestellt find (vgl. Derordnung vom 28. April 1867, betr. die Einführung der Preußischen Gesetzgebung in Be­ treff der direkten Steuern in dem Gebiete deS vormaligen Königreichs Hannover, § 8, und die analoge Verordnung in Bezug auf Kurheffen und Nassau), keines­ wegs aber die Mitglieder regierender Fürstenfamilien, die sich in Preußen aufhalten. Außerdem hat aber eine nicht publizirte, an daS Staatsministerium gerichtete KabinetSordre vom 16. März 1857 verfügt, daß die auf Grund deS Art- XIV der BundeSakte durch die Verordnung vom 21. Juni 1815 und die Instruktion vom 30. Mai 1820 den vormats unmittelbaren Deutschen Reichsständen in den Preußi­ schen Staaten gewährte Befreiung von Personalsteuern, welche durch daS Gesetz vom 7. Dezbr. 1849 aufgehoben und durch daS Gesetz vom 1. Mai 1851 nicht wieder eingeführt war, unter Bemfung auf daS Gesetz vom 10. Juni 1854, sowie auf die Verordnung vom 12. Novbr. 1855, vom 1. Juli 1857 ab wieder hergestellt werden sollte, wie denn auch die mit den Mediatifirten abgeschloffenen Rezeffe die Wiederherstellung dieser Befreiung enthalten (v. Rönne, StaatSrecht, 3. Ausl., I. 2 S- 240 ff.). Endlich ist in dem neuen Gesetze in dieser Hinsicht noch ange­ ordnet worden, daß den Offizieren deS HeereS und der Marine, Aerzten und Be­ amten der Militärverwaltung, welche einkommensteuerpflichtig find, für die Zeit, während welcher fie mobil gemacht find, oder zur immobilen Fußartillerie, zu Ersatzabthei­ lungen mobiler Truppen oder zu Besatzungen im Kriegszustände befindlicher Festungen gehören, der aus ihr Militärdiensteinkommen veranlagte Betrag der E., soweit fie aber zur Zeit ihrer Veranlagung ein Militärdiensteinkommen nicht bezogen haben, der ganze Betrag der E., welcher drei Prozent ihres Militärdiensteinkommens ent­ spricht, erlaffen werden soll; daß ferner der erstere Anspruch unter gleichen Verhältnissen auch den mit JnaktivitätSgehalt entlaffenen, den zur Disposition ge­ stellten und den mit Pension verabschiedeten Offizieren deS Heeres und der Marine, Aerzten und Beamten der Militär- und Marineverwaltung hinsichtlich des auf ihr

(KüfouiÄttttttMtr«

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Jnaktivitätsgehalt oder ihre Pension veranlagten Steuerbetrags zusteht, und daß endlich hinsichtlich derjenigen 6.beträgt, die im Widerspruch mit diesen Bestim­ mungen in den Jahren 1870 und 1871 von den bezeichneten Personen gezahlt worden find, der Finanzminister zur Rückgewähr ermächtigt wird. Im Jahre 1879/80 waren aus diese Weise 169925 Personen einkommensteuerpflichtig, von

denen 28603 Einzelnsteuernde und 141208 HauShaltungSvorstände mit 450453 Angehörigen. Der Gefammtbetrag der 6. belief sich ans 32 538 816 Mark. 2) Die Veranlagung erfolgt im Allgemeinen nach Maßgabe deS GefammteinkommenS, welches dem Steuerpflichtigen aus Grundeigenthum, aus Kapital­ vermögen, a«S Recht auf periodische Hebungen oder auf Vortheile irgend welcher Art, aus dem Ertrage eines Gewerbes oder irgend einer Art gewinnbringeuder Beschäftigung zufließt. Die Berücksichtigung aller sonstigen Berhältaiffe deS Steuer­ pflichtigen ist in der Regel ausgeschlossen, und Steuerpflichtige von gleichem Ein­ kommen, aber ungleichen sonstigen Verhältnissen find unbedingt in dieselbe Steuer­ stufe einzufchätzen. Rur bei Veranlagung der E.pflichtigen zu der erstm und

zweiten Stufe ist eS nach dem neuen Gesetze gestattet, ganz wie bei der Veranlagung znr Klassensteuer, besondere, die Leistungsfähigkeit bedingende wirthschastliche Ver­ hältnisse dergestalt zu berücksichtigen, daß eine Ermäßigung um eine Stufe stattfinden kann, so daß also der znr erstem Stufe Einzuschätzende demgemäß auf den Satz, welcher von bett Steuerpflichtigen in der zwölften Stufe' der Klassensteuer entrichtet wird, ermäßigt werden kann. LebrigenS find bei der Veranlagung hinfichtlich der verschiedenen Arten deS Einkommens folgende Grundsätze zu beachten. Die auf dem Grundbesitz ruhendm Lasten und Steuern, ingleichen die Zinsen für hypothekarisch eingetragene oder andere Schulden werden in Abzug gebracht; bei Berechnung de» Einkommen» au» nicht verpachteten Besitzungen ist der im Durch­ schnitt der drei letzten Jahre durch die eigene Bewirthschaftung erzielte Reinertrag zu Grunde zu legen. Hinsichtlich de» Einkommen» au» dem Kapitalvermögen bilden die zugestcherten Jahreszinsen oder Renten da» zu bestimmende Einkommen; gehen diese Zinsen nicht regelmäßig unverkürzt ein, oder unterliegen sie, wie bei Dividenden, jährlichen Schwankungen, so ist der für da» vorhergegangene Jahr gezahlte Betrag in Anschlag zu bringen; die auf diesem Einkommen etwa ruhenden

Schulden resp, deren Zinsen werden abgezogen. Wa» endlich da» au» Handel, Gewerbe oder irgend einer sonstigen Art gewinnbringender Beschäftigung herrüh­ rende Einkommen betrifft, so find feststehende derartige Einnahmen, wie Gehalle

von Staat»- und Gemeindebeamten, mit dem vollm Betrage, unter Hinzurechnung des Werth; der Diensttoohnung und Dienstländereien, unter Abzug der aus Grund gesetzlicher Verpflichtungen zu leistenden Pension»- und Wttwenkaffenbeträge und der Entschädigung für den Dienstaufwand, zur Berechnung zu ziehen, wogegen schwankende Einnahmen dieser Art nach dem Durchschnitt der drei letzten Jahre zu veranschlagen find, wobei als Ausgaben außer der üblichen Absetzung für jähr­ liche Abnutzung von Gebäuden und Utensilien nur solche in Abzug gebracht werden dürfen, welche behuf» der Fortführung deS Handels,odcr Gewerbebetriebs rc. in dem bisherigen Umfange gemacht worden find, mithin nicht solche Ausgaben, welche sich auf die Bestreitung de» Haushalt» deS Steuerpflichtigen und de» Unterhalt» seiner Angehörigen beziehen, oder welche in einer Kapitalanlage zur Erweiterung deS Geschäfts oder zu Verbesserungen aller Art bestehen. 3) Der Jahresbetrag der E. beträgt im Allgemeinen drei Prozent. Jedoch erfolgt die Einschätzung auch hier tiach Steuerstufen, die um so weiter auseinander rücken, je höher daS zu besteuernde Einkommen steigt und je schwieriger daher dasselbe ganz genau zu bemessen ist; in der Weise, daß nur der Maximalfatz jeder Stufe dem vollen Steuersätze von drei Prozent wirklich entspricht. Die Zahl der Steuerstufen belief sich nach dem früheren Gesetze auf dreißig, indem hie letzte Stufe ein Einkommen von 720000 Mart mit einem Steuersätze von 21600 Mark

682 voraussetzte, eine weitere Steigerung des Steuersotzes oder für ein vorüber hinaus­

gehende- Einkommen nicht stattsaiä.

Rach dem neuen Gesetze find nun einerseits

die Steuerstafe« bis zu jenem früherm Maximalbetrage von dreißig auf vierzig vermehrt worden, so daß also die EiukommenSgrenzen näher zusammeugerückt find und eine sorgfältigere Einschätzung nothwmdig gewordm ist; und zwar beläuft fich in dm erste» fünf Stufen (3000—6000 Mark) die Differenz auf 600 Mark, in dm folgmdm fünf Stufen (6000—12000 Mary aus 1200 Mark, in dm folgenden vier Stufen (12 000—21600 Mark) auf 2400 Mark, in dm folgenden vier Stufen (21600—86 000 Mark) auf 3600 Mark, in den folgmdm vier Stufm (36 000— 60000 Mark) auf 6000 Mark, in den folgenden fünf Stufen (60000—120 000 Mark) auf 12 000 Mark, in den folgmdm vier Stufm (120000—240 000 Mark) auf 36000 Mark, in dm letzten neun Stufm (240000—780000 Mark) auf 60000 Mark; andererseits ist aber mit der vierzigsten Stufe (720000—780000 Mark) das Steuermaximum keineswegs errycht, indem bei jeder weiteren Stei» geruug deS Jahreseinkommens um 60 000 Mark die Steuer um je 18000 Mark steigt. 4) Behufs der Einschätzung zur klasfifizirtm 6. wird alljährlich für jedm landräthlichm KreiS sowie für jede zu einem KreiSverbande nicht gehürige Stadt, unter dem Borfitz deS Landraths oder eine« befondrrm von der Bezirksregierung zu emmnendm Kommissars eine Kommission geblldet, deren Mitglieder von der KreiS- bzw. Gemeindevertretung zu einem Dritthril au» Mitgliedern derselben, zu zwei Drittheilen aber au« dm einkommensteuerpflichtigrn Einwohnern deS KreiseS oder der Stadt gewählt werden; bei der Wahl der trtzterm ist darauf zu sehen, daß die verschiedenen vorhandmen Arten de« EinkommmS auS Grundeigenthum, Kapital­ besitz und Gewerbebetrieb rc. möglichst gleichmäßig vertreten werden. Der Bezirk«, «gierung steht auch die Befugniß zu, innerhalb deffelbm landräthlichm KreiseS für einzelne größere städtische oder ländliche Gemeinden di« Bildung besonderer EinschätzungSkommisfionm anzuordnen; in größeren Städten können mehrere Unter» kommisfionm gebildet werden. Die Kommission soll zwar jede« lästige Eindringm in die Vermögens- und EinkommenSverhältniffe der einzelnen Steuerpflichtigen ver­ meiden, hat jedoch daS Recht, von den Verhandlungen der freiwilligen Gerichts­ barkeit und den Hypothekenbüchern Einficht zu nehmen. Die Beschlüße werden nach einfacher Stimmenmehrheit gefaßt. Dem Vorsitzenden steht ein Stimmrecht nur im Falle der Stimmengleichheit der übrigen KommisfionSmitglieder zu. 5) Gegen die Entscheidungen dieser EinfchätzungSkommisfion gebührt fowol dem Steuerpflichtigen eine Reklamation, als auch dem Dorfitzmdm eine Berufung an di« BezirkSkommisston. Diese wird für jeden Regierungsbezirk, resp, für die Pro­ vinz Hannover und die Stadt Berlin unter dem Vorfitz eines vom Finanzminister zu emmnendm RegiemngSkommiffar», regelmäßig deS Regierungspräsidenten, durch Wahl der Provinzialvertretung gebildet, nach dem früheren Gesetze auS Mitgliedern der Provinzialvertretnng und auS E.pflichtigen deS Bezirks, nach dem neuen Gesetze zu zwei Drittheilen auS E.pflichtigen, zu einem Drittheil au» Klaffensteuerpflichtigen de» Bezirks. Behuf» Prüfung der von den Steuerpflichtigen angebrachten Rekla­ mationen hat die BezirkSkommisston die der EinschähnngSkommisfion nicht zustehendr Befugniß eine genaue Feststellung der Vermögens- und EinkommenSverhältniffe de« Reklamanten zu veranlassen, und zu diesem Behuf da» Recht, Zeugen, äußersten Fall» eidlich, durch da» betreffende Gericht vernehmen zu laffen, dem Reklamanten bestimmte Fragen über seine Vermögen»- und EinkommenSverhältniffe vorzulegen, bzw. ihn end praejudicio aufzufordern, die in seinem Befitz befindlichen Urkunden, Pachtkontrakte, Schuldverschreibungen, Handlungsbücher zur Einficht vorzulegen, endlich den Reklamanten zur Erklämng an EideSftatt über die in Betreff feine» Einkommens von ihm selbst gemachten Angaben aufzusordern. Bei Erörterung der von dem Vorfitzenden der EinfchätzungSkommisfion eingelegten Berufungen stehen

dm BezirSkomunsfioneu lediglich dieselbm Befugnisse wie den EinschLtzungSkomuns-

fionen zu. Gegm die Entscheiduugm der BezirkSkornmisfionen findet eia Rekurs (wie bei der Klaffeusteuer gegm die Entscheidung der Regierung an dm Finanzrniuister) nicht statt; diese Entscheidungen find mdgülttg; der Finanzrninister hat leinen Einfluß aus dm Ertrag dieser Steuer, die aber nicht wie die Klassensteuer nach dem neuen Gesetze korztingentirt worden ist. Der Ertrag hat sich in dm letztm Jahren stetig und ziemlich erheblich gehobm; 1869: 14790000 Mark; 1870: 15 540000 Mark; 1871: 16692000 Mark; 1872: 16956000 Mark; 1873: 21000000 Mark. In Verbindung mit der durch die nmere Reichsgesetzgebung herbeigeführtm Vermehrung der indirektm Stmem hat übrigmS die Regierung bereits während der Session 1878/79 sich verbindlich gemacht, daß hiermit durch Steuerreformen deS Reichs der Mattikularbeittag PrmßenS unter dm im Haushalte von 1879 somit 80 vorgesehenen Betrag finkt, oder auS dm ReichSeinnahmen verfügbare Mittck dem Preußisch« Staatshaushalte überwiesm wettm, und sosem über diese Mehreiunahmm (resp. AuSgabeerspamisse) nicht mit Zustimmung der Landesvertretung behusS Bedeckung der EtaatSauSgaben oder behuf» tteberweisung eines ThellS deS Ertrages der Grund- und Gebüudestmer an die KommunalverbLrü>e Beifügung getroffen ist, ein — vorbehaltlich der nüthigm Abrundung — gleicher Bettag an der für daS betteffmde Jahr veranlagtm Klassen- und klasfifizirten E. zu erlassen ist. Demgemäß soll also die Regiemng auf einen gewissen seinem BeKage nach gmau umschriebenen Theil der Klassen» und E. in Zukunft kein so unbedingtes Recht habm, wie aus die übngen gesetzlich bestehenden und fortzuerhebmdm Steuern. Sie soll vielmehr zur Vereinnahmung dieser Steuem nur dann befugt sein, wenn fie sich zuvor mit dem Landtage über die Verwendung derselben ge­ einigt hat. Kommt eine solche Einigung nicht zu Stande, fei eS daß die Regie­ mng selbst eine Verwendung derselben gar nicht wünscht, sei eS daß die von ihr vorgeschlagme Verwendung nicht die Zustimmung deS Landtages findet, so bleibt zunächst noch der Weg offen, durch eine Verständigung zwischm dm drei Faktor« der Gesetzgebung einen entsprechend großen Theil der Realsteuern auS dm dem Staate zur Verfügung stehenden Mitteln auszuscheiden und dieselbm dm Kom­ munalverbänden zu überweisen. Scheitett auch dieser Versuch, ist die Möglichkeit einer Verständigung ausgeschlossen, so soll das Gesetz zwingend einschreiten und für daS betteffmde Jahr daS Einnahmesoll an einer unzweideutig vorgeschriebmm Stelle um dm betreffenden Bettag vermindern. Lit: I. . 1507 Art. I. § 4; v. 1555 Th. III. Tit. 13 §§ 3-5. Tit. 32. Tit. 43. §8 1, 4. — R.A. 1570 §§ 89 ff. — J.R.A. §§ 37 , 44, 110. — v. Meiern, Acta comit Ratisb. 1740 , 2. Thl. 6. 206 ff., 427 ff. — Deutsche EPO. §§ 38 , 43, 54, 285—243 , 247 ff., 490 , 557 , 571.; EG. § 13; Mot. E. 68, 74, 189, 198 ff. Lit.: Petri except. leg. Rom. 4, 21 (Saviany, Röm R. im Mittelalter, II. S. 411). — Brachylogus (ed. Böcking) IV. 9, § 5; IV. 10, 13. — Incerti Auct ordo jud. (ed. Haenel), p. 2—5, 18 sq. — Piacentini Summa in C. 3, 9. — Azonis Summa eod. — Gratia, 0. jud. II, 1 §§ 1, 3, 5. — Durantis, Spec. L. I. p. I. de off. omn. jud. § 6 no. 6, 7. 1. II. p. I. de citat. § 6 no. 2. p. II. de lit. cont. §§ 1, 2, no. 1, 8, 12 sqq. § 5 no. 1, 2.— Gaill, Obsa. lib. I.Oba. 73 nr. 1, 3, 7.— Vultejua, Tr. de judic. L. III, 1 no. 84, 85, 87 sqq., 95, 112, 132, 134. — Brunnemann, Tr. de proc. 1692, cap. III. no. 1 sqq. c. XIV.— Goldschmidt, Lit. u. Einreden. — Keller, Lit. u. Urtheil, S. 1 ff. Röm. Eiv.Prz. 88 59 ff. — Bethmann-Hollweg, Tübina. krit. Ztlchr. Bd.V.S. 73ff.; Derselbe, Gern. Eiv.Prz., Bd. I 8 49; Bd. II. §§ 102 ff.; Bd. III. 8 153; Bd. IV. 88 56, 63. — Heffter, Syst-, 8§ 285, 310, 316, 346 ff. - I. «. M. Albrecht, Except., S. 134 ff. — Sintenis, Erläut., I. S. 106 ff. — Savigny, Syst., Bd. VI. 88 258 ff., S. 46, 254. — Bayer, Ord.Prz., 88 180 ff. — Buchka, Einst, d. Prz., Bd. II. 6. 80 ff. — Belker, Konsumption, S. 5, 33 ff., 284 ff. — Neuner, PrivatrechtSBerhältniffe, 6. 27, 159 ff., 187 ff. — Linde, Eiv.Prz, 8 296, Anm. 11. — Endemann, Eiv.Prz.»., 88 107 ff., 160. — Roßhirt, Wir«, d. Prz., S. 14 ff., 154, 163. — Planck, BeweiSurtheil, S. 176 ff., 250. — finget, Oesterr. Prw.R., Bd. II. 88 127 ff. — Wind­ scheid, Actio, 88 8, 9, Pand. 88 124 ff. - Wetzell, Syst-, 88 ", 56, 70. — Renaud, Eiv.Prz., 88 72 ff., 90. — Brregleb, Einleit., 88 13, 34. — Jhering, Geist des Röm. «., 2. Aust. Bd I. 6. 171 ff. - Wiedina, Libest-Prz., §8 1,5, 6, 13, 15, 23, 38 ff. Münchener Krit. B.J.Schr. Bd. XII. S. 267 ff. — Muther, das. Bd. IX. S. 177 ff., 4Bew.Bertr. § 38. — Karlowa, Röm. Eiv.Prz-, S. 66. — Puntschart, Entwicklung des

Einleitung der Untersuchung.

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Civ.R. d. Römer, 1872. — O. Bülow, Prz.Einred., S. 1 ff. Arch. f. civ.Prax., Bd. 62 S. 14, 26. — Bolgiano in Busch'S Lrch. f. civ. Prz., Bd. 1 S. 48 ff. — Fitting, R.Civ.Prz., §§ 38 , 39. — Komment, zur Deutsch. 6$D.LL von Struckmaun-Koch, v. Wilmowski-Levy, Puchelt, Frhr. v. Bülow. — Leonhardt, Komm. z. hannov. $n.O., §§ 170, 196. — Nissen, Entw. e. D. CPO., G. 222. — Pigeau, La proc. dv. 1809. T. 1 p. 128 88., 188 88., 195, 198. — Lauter, Coan de proc. tiv^ 1834 § 115. K. Wieding. (SinlettwM bet u»rters»ch««g (richtiger: des Strafverfahren»). Im Strafprozeß der Gegenwart ruht der Schwvchnnkt in der mündlichen Hanptverhandlung; nut auf Grund der letzteren kann eine Verurtheilvng oder di« solenne Frei­ sprechung erfolgen. Aber eben weil die Hauptverhandlung eine mündlich« ist, weil die Entscheidung dort in einem Zuge erfolgen muß, kann der Strafprozeß sich nicht auf die Hauptverhandlung befchrünken und je wichtiger der Gegenstand der Verhandlung ist, desto weiter wird der Zwischenraum zwischen dem Beginn de» Strafprozesse»und der Eröffnung de» Hauptversahrrn» (f. diesen Art.) fein; ja selbst bei den Strafsällen untecjtac Ordnung, bei welchen beide regelmäßig zu»

fammenfallen, wird eine auf Herbeifühvmg de» Strafprozesse» gerichtete amtliche, ja möglicherweise selbst richterliche Thätigkeit nicht ganz entbehrt werden können. So verlangt z. B. die Deutsche StrafPO. die Überreichung der Anklageschrift „mit den Akten" (§ 197) und verlangt erntn förmlichen Beschluß de» Amttrichter», welcher vorher noch „einzelne Erhebungen" anordnen kann (§ 200). In den­ jenigen Fällen, wo e» gesetzliche» Erforderniß oder doch zulässig ist, daß der Ent­ scheidung Über die Eröffnung de» Hauptverfahren» eine gerichtliche Vorunter­ suchung (f. diesen Art.) vorausgehe, wie in denjenigen Straffällen mittlerer Ordnung, wo davon Umgang genommen werden kann, bedarf die Frage der Einleitung de» Strafverfahren» einer vorau»gehenden Prüfung. Für die z» diesem Zweck zu er­ greifenden Maßregeln ist zweierlti entscheidend: 1) Da» Recht der Initiative. Der Strafprozeß dtt Kontinent» beruht auf der Anwendung de» Grundsätze«, daß die Initiativ« der Strafverfolgung, der Anstoß zur Einleitung de» Strafverfahren», der Staatsanwaltschaft gebühre. Don diesem Grundsatz machtdaS Französische R. eine doppelte Ausnahme: daS Recht dtt UnterfuchungSrichtett ausnahmsweise bei frischer That (flagrant Mit) Von Amttwegen einzuschreiten und da» Recht dtt Verletzten, durch feine Klage (plainte) den Anstoß zur Strafverfolgung in der Weise zu geben, daß unmittelbar der Untersuchungsrichter oder (in Straffällea mittlerer und unterster Ordnung vermöge dtt Rechttt der unmittelbaren Ladung) der erkennende Richter mit der Sach« befaßt wird. — Die letztere Ausnahme ist in die Deutsche und Oesterreichische StrafPO., allerdings in jede in anders umgestalteter Weife Übergegangen. Dai Nähere hierüber wird im Znfammenhange im Artikel Privatanklage dargestellt; für hier ge­ nügt es, zu fagen, daß nach beiden Gesetzen der durch daS Delikt Verletzte sich, wenn die Staatsanwaltschaft die Verfolgung verweigert, unmittelbar an ein Ge­ richt, in Oesterreich an das daS Strafverfahren auch sonst leitende Gericht erster Instanz, die RathSkammer, in Deutschland an das Oberlandttgericht wenden kann, daß in beiden Gebieten da- Gericht berechtigt ist, die Einleitung de» Strafverfahren» zu beschließen, und vorerst zu diesem Zwecke Erhebungen oder „Ermittlungen" zu pflegen (Oesterreichische StrasPO. § 48 Z. 1, Deutsche StrafPO- §§ 170—173). — Die andere im Französtschen R. gemachte Ausnahme, welche eigentlich darauf be­ ruht, daß bei frischer That Untersuchungsrichter und Staatsanwalt sich gegenseitig ersetzen, so daß, je nachdem der eine oder der andere zuerst an Ort und Stelle er­ scheint, der Staatsanwalt auch UntersuchungShandlungen vornimmt oder der Unter­ suchungsrichter nicht blos Untersuchungsakte vornimmt, sondern auch selbständig und definitiv die Initiative der Strafverfolgung in die Hand nimmt, ist in dieser Gestalt nicht Übernommen worden. Ein eigentlichtt UatersuchungSrecht dtt Staatsanwaltes (worüber Unten noch Näheres) besteht nicht. Die Oesterr. StrafPO. hat zwar noch einen Anklang an die AuSnahmSbefugniffe dtt UnterfuchungSrichtett

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CtaltitMt ter llatctf»4»>g.

im Falle bei flagrant dctit, insofern dieser ohne Antrag des StaatSanwaltcS die­ jenigen Amtshandlungen vornehmen soll, „welche ohne Gefährdung des Zweckes oder ohne Leberschreitnag einer gesetzlichen Frist" (Verhör des Verhafteten) „nicht aus. geschoben werden können". Allein das Korrektiv liegt in dem Beisatz, „daß er von dem Dorgenommeneu den EtaatSanwalt in Kenntniß zu setzen und dessen An­ träge abzuwarten habe" (Oesterreichische StrafPO. § 89). Die Deutsche StrafPO. kennt solche AuSnahmSbefugnisse deS Untersuchungsrichter» überhaupt nicht, muß aber auch die Möglichkeit vorsehe», daß ein Verhafteter ohne Antrag der Staats­ anwaltschaft vor den Richter gestellt wird, und regelt für solchen Fall die Sache ebenfalls mit Wahrung der Initiative der Staatsanwaltschaft bezüglich deS späteren Verfahren» (§§ 125—129). Allein eS kann da» Recht der Initiative nicht zweck­ gemäß geübt werdm, ohne 2) eine entsprechende sachliche Grundlage, deren Herstellung der Zweck jener Vorgänge ist, welche der Erhebung der öffentlichen Klage, der Einleitung de» strafgerichtlichen Verfahrens vorauSgehen. Rur ganz ausnahmsweise macht die Staatsanwaltschaft unmittelbar Wahrnehmungen, welche sie sofort zur Erhebung der öffentlichen Klage oder doch zur Nachforschung, ob eine solche nicht zu erheben fei, veranlaffen. In der Regel wird eS eine Anzeige, sei e» eine» Privaten sei eS einer Behörde, sein, waS sie in Bewegung setzt. Die Behörden, von welchen An­ zeigen auSgehen, werden in der Mehrzahl der Fälle wieder solche fein, deren eigent­ licher Beruf die Erforschung und erste Verfolgung strafbarer Handlungen ist. 68 find dieS eben die mit der Handhabung der Polizei und speziell der sogenannten Kriminalpolizei (police jndiciaire) betrauten Behörden. Soweit eS sich um die Anbahnung der Strafprozeffe handelt, find diese Behörden verpflichtet, fich zu der Staatsanwaltschaft in diejenige Beziehung zu sehen, welche dem Verhältniß von Mittel zum Zweck, welches in dieser Hinsicht zwischen den beiderseitigen Thätigkeiten besteht, entspricht. Die Polizei hat also aus Anregung der Staats­ anwaltschaft die Erhebungen und Ermittlungen zu pflegen, deren jene zu richtiger Ausübung ihrer hierher gehörigen Funktionen bedarf; fie hat ferner, wenn fie bei ihrer sonstigen Thätigkeit Wahrnehmungen über Vorfälle macht, welche zur Einleitung eines Strafprozesse- Anlaß geben können, dieselben der Staatsanwaltschaft anzu­ zeigen und natürlich darauf zu Bedacht nehmen, ihre Feststellungen soweit zu vervollständigen, al» sür die erste Entschließung der Staatsanwaltschaft erforderlich ist. Auf diese Weise entwickelt fich eine sehr umfassende, materiell dieselben Zwecke wie die künftige Untersuchung verfolgende Thätigkeit, welche doch eine durchaus außer­ gerichtliche, außerprozeffualische ist, daS sog. ErmittlungS- (Skrutinial-) Ver­ fahren oder die Vorerhebungen. Dieses Vorverfahren hat für die bürger­ liche Freiheit, wie für die öffentliche Ordnung, eine gleich hohe Bedeutung. In letzterer Hinficht gewährt eS die Möglichkeit der Sammlung von Beweismaterial in unauffälliger, von Gegenbestrebungen nicht zu durchkreuzender Weife und der gründ­ lichen Vorbereitung der späteren offenen, solcher Durchkreuzung auSgesehten Aktion. Viel wichtiger aber ist, daß eS die Möglichkeit und mit derselben die ernste Pflicht der Staatsanwaltschaft begründet, vor der Erhebung der öffentlichen Klage zu etwägen, ob hinlängliche Gründe dafür vorliegen. ES liegt daher im Jntereffe der Verfolgung, deS zu Verfolgenden und des später etwa einschreitenden Gerichtes, daß die Borerhebungen oder Borermittlungen zu möglichst vollständiger Aufhellung deS Sachverhaltes benutzt werden, und eS ist eben darum nöthig, in der Regel aber auch genügend, daß die Staatsanwaltschaft auf dieses Vorverfahren maßgebenden Einfluß übe. DaS Verhältniß ist aber nicht immer ein so einfaches. Eine solche außer­ gerichtliche Thätigkeit liefert kein Beweismaterial, daS später gerichtlich verwerthet werden kann, und eS geht an fich schon nicht an, daß umfassende mit Kraftaufwand und Belästigung von Privaten verbundene Erhebungen unter Umständen vor­ genommen werden, wo fie für den nächsten Zweck entbehrlich find, später aber

CMettang bet Uirtttfidniwt»

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wiederholt werden müffen. Umgekehrt droht oft der Verlust von Beweismitteln, wenn man zögert, sie in authentische Form zu fassen. Weiter wird eS häufig nöthig, fich ungesäumt der Person deS Beschuldigten zu verfichern, und eS muß dafür gesorgt werden, daß dem letzteren der richterliche Schutz sobald als möglich zu Theil werde. Endlich fehlt eS an manchen Orten an den geeigneten polizei­ lichen Organen nnd es muß schon darum, wenn auch nicht immer der Unter­ suchungsrichter, aber doch ein Richter rascher als sonst zu Hülfe geiufen werden. Diese Gesichtspunkte, welche erst allmählich, ganz besonders klar aber bei den Verhandlungen deS dritte« Deutschen Juristentage», hervortraten, waren für die Deutsche und Oesterreichifche StrafPO. fast gleichmäßig (trotz großer Verschiedenheit der Fassung) maßgckend. Nach beiden Gesehen soll der Einleitung der Straf­ prozeßes , welche bei den strafbaren Handlungen schwerster Art nur in Form der Einleitung der gerichllichen Voruntersuchung, bei der mittleren Klaffe aber auch in der unmittelbarer Eröffnung deS Hanptverslchrens (Versetzung in Anklagestand) ein­ treten kann, ein zur Orientirung der Staatsanwaltschaft «ud zur Rechtfertigung ihres DerfolgungSakteS dienendes Vorverfahren vorauSgehen. Dieses Vor­ verfahren kann ein Polizeiliches sein, nnd zwar in der doppelten Weise, daß die Polizei krast ihres Amte» für die ersten Feststellungen sorgt, oder daß fie An­ weisungen hierzu oder zur Ergänzung ihrer ersten Feststellungen von der Staats­ anwaltschaft erhält. Der Staatsanwalt kann fich ferner mit den Erhebungen selbst befassen, indem er fich unmittelbar an Behörde» um Auskünfte wendet; er kann und soll unzweifelhaft auch Auskünfte entgegennehmen, die ihm Betheiligte oder sonst freiwillig zu Auskünften fich Herbeiläffende über den Gegenstand seiner Nachforschungen ertheilen; er kann ferner einzelne bestimmte UntersuchungShandlungen durch die Polizeibehörde, soweit deren Befugniß reicht, oder selbst durch einen Richter (nach der Deutschen StrafPO. § 160 nur durch den Amtsrichter, nach der Oesterreichischen StrafPO. § 88, sowol durch den sdem Amtsrichter des Deutschen Gesetzes gleichstehenden) Bezirksrichter, als auch durch den Untersuchungsrichter) vor­ nehmen taffen. Eigentliche Untersuchungshandlungen darf er nach beiden Gesetzen nicht vornehmen; doch berechtigt ihn das Deutsche Gesetz (§. 159) „Ermittlungen jeder Art mit Ausschluß eidlicher Vernehmungen" auch selbst vorzunehmen. Im Nachsatz ist bezüglich der „Behörden und Beamten deS Polizei- und-Sicherheits­ dienste-" ausgesprochen, daß fie verpflichtet feien, dem Ersuchen oder Auftrage der Staatsanwaltschaft zu genügen; bezüglich der demselben Landgericht-bezirk an­ gehörigen "Behörden ergiebt fich dies aus § 153 des GBG.; diesen gelten die „Auf­ träge"; daS „Ersuchen" gilt den außer dem Sprengel befindlichen. Andere Be­ hörden, alS die des Polizei- und Sicherheitsdienstes find wol durch die Fassung nicht mit voller Deutlichkeit ausgeschlossen; aber eS scheint doch ficher, daß von ihnen nur „Auskünfte" gefordert werden können. Daß aber Private ver­ pflichtet seien, fich zur Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft einzufinden, dafür bietet daS Gesetz keinen anderen Anhaltspunkt, als der darin gesunden werden kann, daß dieselbe zn solchen Vernehmungen berechtigt ist. Bei der Berathung deS Entwurfes war nur die Frage aufgeworfen worden, ob der Staatsanwalt den Verdächtigen „unter dem Präjudize der Vorführung zum Verhöre laden, ge­ schweige denn vorführen laffen könne", und ein Regierungsvertreter sagte, daS Gegentheil ergebe fich auS der Anordnung deS § 140 (jetzt 161), „denn die Vornahme des förmlichen Verhöres des Angeschuldigten sei eine Untersuchungs­ handlung". AuS dieser Antwort scheint nun wol zu folgen, daß die Frage, wenn­ gleich unter einer nicht entscheidenden Begründung verneint wurde. So faßt eS auch v. Schwarze auf und Keller folgert aus dem Ausschluß eidlicher Ver­ nehmung, daß die Vernehmungen „selbstverständlich" nur „mit Ausschluß jeder Zwangsmittel stattfinden können". Dagegen betrachten andere Ausleger (VoituS, Löwe) jene Antwort als bejahende, soweit eS fich nicht um ein „förmliches Derv. H o l tz e n b o rf f, «nc. II. »kcht««rir°n I.

3. Allst.

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®nlrttiut| der Unterfnchnnß.

hör" handle. (Thilo und Dalcke scheinen daS ZwangSrecht zuzugestehen, sofern die materiellen Bedingungen gegeben seien.) FuchS bestreitet da» Recht der Staats­ anwaltschaft, Ordnungsstrafen gegen Ausbleibend« zn verhängen; „jedenfalls aber muß sie die Befugniß zu zwangsweiser Sistirung haben*, und dabei schließt er sich Löwe an, der auS dem Recht der dem Staatsanwalt untergeordneten Polizei das Recht deS Staatsanwaltes selbst folgert. Allein die Polizei hat diese» Recht wohl, nicht weil und insoweit sie den Anordnungen der Staatsanwaltschaft zu folgen hat, sondern weil sie desselben bei Lösung ihrer verschiedenen Aufgaben überhaupt nicht entbehren kann. Aber schon die Zweifel, die sonach der Befugniß der Staats­ anwaltschaft entgegengesetzt werden, werden e» dieser räthlicher erscheine» lasten, da wo nicht ohnehin die Geneigtheit, fich vernehmen zu lasten, vorauSzusetzm ist, die Abhörung nicht unmittelbar vorzunehmen. Daß daS Ergebniß solcher Ver­ nehmungen keinerlei Beweiskraft habe, wenngleich eS angemeffen zu fixiren und bei Fortsetzung de» Verfahren» oder bei Verhandlungen über Anträge de» Verletzten dem Gericht mitzutheilen sein wird, ist unbestritten. Dies kann jedoch, da auch die Benutzung der polizeilichen Protokolle im späteren Verfahren ganz ausgeschlosten ist (s. d. Art. BeweiSversahren), die Staatsanwaltschaft bei der Wahl zwischen mittelbarer und unmittelbarer Vernehmung nicht beeinflussen. — Die Oesterreichische StrafPO. (die Stellung bei Handhabung deS Preßgesetzes ist eine abweichende) bietet keinen Anhaltspunkt für ein solches Recht der Staatsanwaltschaft dem zu Vernehmenden gegenüber. Rach § 88 „kann der Staatsanwalt Personen, welche Aufklärungen über begangene strafbare Handlungen zu ertheilen im Stande sein dürften", „durch die Sicherheitsbehörden" „unbeeidigt vernehmen lasten und diesen Vernehmungen auch selbst beiwohnen". Augenschein und Haussuchung kann er durch fie nur dann vornehmen lasten, wenn fich in Abwesenheit einer zur Amts­ handlung berufenen Gerichtsperson die Nothwendigkeit eines unverzüglichen Ein­ schreitens herausstellt; er kann diesen Untersuchungshandlungen, bei welchen alle für gerichtliche Akte dieser Art vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu beobachten find, auch selbst beiwohnen. Die hierüber aufgenommenen Protokolle können jedoch bei sonstiger Nichtigkeit nur dann als Beweismittel benutzt werden, wenn fie unverweilt dem Untersuchungsrichter mitgetheilt worden sind, welcher deren Form und Voll­ ständigkeit zu prüfen und nöthigenfalls die Wiederholung oder Ergänzung der Ver­ handlung zu bewirken hat." In der angeführten Gesetzesstelle findet fich schon eine Hinweisung auf eine Klaffe von Fällen, bei welcher die Natur der zu lösenden Ausgabe eS mit fich bringt, daß dieselbe ohne jeden irgend vermeidlichen Verzug in eine richterliche Hand gelegt werden muß; eS ist die» dann der Fall, toenn es sich um die Siche­ rung von Beweisen handelt, die später nicht oder nicht mit gleicher Verwendbarkeit ausgenommen werden können, insbesondere um Augenschein^ und SachverständigenBeweis. ES kommt dazu, daß die Gesetze, welche die persönliche Freiheit, daS Hausrecht, daS Brief- und Schriftengrheimniß schützen, den Polizeibehörden, nur ein an bestimmte Voraussetzungen und bestimmte Fristen gebundenes Recht, einzu­ schreiten, gewähren. Daraus entwickelt fich die Nothwendigkeit eines richterlichen, selbst von AmtSwegen einzuleitenden Vorverfahrens, welches nach beiden Gesetzen (§§ 163,164 der Deut­ schen StrafPO.; § 89 Abs. 2 und 3 der Oesterr. StrafPO.) zunächst dem Einzelrichter (Amtsrichter, Bezirksrichter) zukommt und, soweit nicht die oben bezeichneten Motive ein Weiteres fordern, nur den Zweck verfolgt, dem Staatsanwalt jenen lleberblick über die Sachlage zu verschaffen, besten er bedarf, um fich über die Erhebung der öffentlichen Klage zu entscheiden. DaS Oesterreichische Gesetz hat unter dem Einfluß der Erwägung, daß vielfach feftft in mittelgroßen Städten die Polizei­ behörden nicht die Gewähr einer zweckmäßigen Vorbereitung der öffentlichen Klage bieten und daß bei der Größe der Gerichtshofssprengel auch der Verkehr mit der

6tnl(ttimg ter Untersuchung.

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Staatsanwaltschaft nicht immer rasch genug bewerkstelligt werden kann, diesen gerichtlichen Erhebungen ein weitere- Gebiet erschlossen. 68 find nämlich die Einzel­ richter nicht aus Dasjenige beschränkt, was keinen Aufschub erleidet, sondern viel­ mehr angewiesen, zwar die an fie gelangte Anzeige ungesäumt dem Staatsanwalt zu übermitteln, inzwischen aber die Borerhebungen (soweit eS nicht auf eine Wieder­ holung nicht zulaffende, ausschiebbare Untersuchungshandlungen ankommt) durch­ zuführen. Der Staat-anwalt kann, wenn er die Anzeige erhält, je »ach Lage deS Falles, die Einstellung der Vorerhebungen bewirken oder veranlaffen, daß der Unter­ suchung-richter selbst sofort eingreift, oder dm BezirkSrichter gewähren taffen. Ja letzterem Falle muß der BezirkSrichter die über die Borerhebungm aufgmommenm Protokolle ungesäumt und, wenn eine Verhaftung stattgefundea hat, binnen acht Tagen an den Staatsanwalt einsenden. Schon auS dem oben Gesagten ergiebt sich ferner, daß aus Antrag deS Staatsanwaltes auch der Untersuchung-richter Bor­ erhebungm zu pflegen in die Lage kommt. In Alldem zeigt sich, daß nach beiden Gesetzen in zahlreichm Fällen der Staatsanwalt gleichzeitig mit der Anzeige oder in Ergänzung derselben Aktm über gepflogene Ermittlungen erhält, — daß er in anderen Fällen solche selbst veranlaffm kann, und zwar auch durch Richter, ohne daß er noch die öffentliche Klage er­ hoben hat. Bei Prüfung der so an ihn gelangten Mittheilungen wird er mtweder 1) die Verfolgung ein stellen, oder 2) die Ermittlungen (Vorerhebungen) fortsetzm, oder 3) die öffentliche Klage durch Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung oder Ueberreichung der Anklageschrift erhebm. Für die Fortsetzung deS Dorbereitungs­ verfahrens wird er sich in Fällen, wo eS wahrscheinlich geworden, daß die Er­ hebung der öffentlichen Klage wird ersolgen müssen, nur dann entscheiden könnm, wenn er dadurch den persönlichen Zugriff und die formelle Anschuldigung gegen den noch nicht verhafteten Verdächtigen ohne Schaden für die Sache verzögern und so die harte Zwischenzeit zwischen offizieller Anschuldigung und richterlicher Ent­ scheidung über dieselbe kürzen kann. Auch darauf muß er Rücksicht nehmm, ob nach Lage der Sache durch Fortsetzung der Ermittlungen (Borerhebungen) die Vor­ untersuchung erspart werden kann. Femer kann eS nicht ohne Einfluß auf seinen Entschluß bleiben, daß nach der Deutschen StrafPO. (sowie nach Französischem R. — ander- nach Oesterreichischem) die 'Erhebung der öffentlichen Klage ein un» widerruflicher Schritt ist und somit eine dabei begangene Uebereilung gut zu machen nicht lediglich von ihm abhängt. Rach der anderen Seite hin ist wieder die bevor­ stehende, richterliche Prüfung deS Antrages der Staatsanwaltschaft für deren Vor­ gehen maßgebend; je weniger der Richter an die Anträge gebunden ist, desto vor­ sichtiger wird der Staatsanwalt selbst prüfen müssen, ob er nicht durch einen vor­ eiligen Antrag gefährdet, was bei befferer Vorbereitung Erfolg hätte haben können. Die Erörterung der Stellung, welche das Gericht gegenüber der Erhebung der öffentlichen Klage einnimmt, muß in den Artikeln Voruntersuchung unb Eröffnung deS Hauptverfahrens ihren Platz finden. Hier ist noch zu erwähnen, daß, im Gegensatz zum älteren Recht (so noch z. B. nach der Oesterr. StrafPO. von 1853), die Selbstanzeige des Beschuldigten keinen selbständigen Anlaß zur E. d. U. mehr bildet; fie wird materiell immer sehr beachten-werth, aber gleich jeder anderen beglaubigten Anzeige zu prüfen sein. Ein Recht deS Verdächtigen, die E. d. U. zu verlangen, besteht jedoch nicht. Endlich ist auch noch die Sonderstellung zu berücksichtigen, welche die Antrags­ delikte einnehmen. (So weit es sich um die P r i v a t a n k l a g e handelt, f. diesen Art.) Da diese nur auf Antrag der Berechtigten verfolgt werden dürfen, so läge der Gedanke nahe, daß der Antrag jedem Verfolgung-akt vorausgehen müsse und daß, wenn man auch nicht so weit geht, dasjenige, was auS Versehen bona fide vor dem Antrag geschehen, ohne Weiteres zu vernichten, sondern gestattet, daß eS durch Nachtrag des Antrages sanirt werde, doch wenigstens für unzulässig zu erachten

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Einlösung — Einquartierungslast.

wäre, daß die Strafverfolgung mit vollem Bewußtsein, daß der erforderliche An­ trag fehle, eingeleitet werde. Trotzdem läßt Abs. 3 des § 127 und § 130 der Deutschen StrafPO. darüber keinen Zweifel, daß selbst die vorläufige Festnahme des Beschuldigten und die Erlassung des Haftbefehles von der Stellung eines solchen Antrages nicht abhängig ist. Man muß daher auch Löwe beipflichten, wenn er (S. 469) nicht blos die Vornahme von Untersuchungshandlungen, sondern auch die Aufforderung an den Antragsberechtigten, sich über die Antragstellung zu äußern, für dem Gesetz entsprechend ansieht. Die unüberschreitbare Schranke muß aber dann die Regel bilden, daß der Erhebung der öffentlichen Klage der Antrag vor­ herzugehen hat. Gsgb. u. Lit.: Code d’Instruct. crim., art. 8—21, 29—54, 59, 60—66. — Codice di procedura penale per il Hegno d’Italia, art. 46—79. — Oesterr. StrafPO. v. 1873, § 93, 2, § 12 Abs. 2, §§ 84—90. Vgl. § 141 (Haus- u. Personsdurchsuchung), §§ 177 / 178, (Haft). — Deutsche StrafPO. §§ 156—165; Beschlagnahme u. Durchsuchung §§ 98, 100, 105, 110; Verhaftung u. vorläufige Festnahme §§ 124—130. — Die nach Paragraphen gereihten Kom­ mentare 2C. zu diesen Gesetzesstellen (vgl. beim Art. Ablehnung der Geschworenen). — Kitka, Beitrag zur Lehre über die Erh. des Thatbestandes (Wien 1831). — v. Iagemann, Handbuch der gerichtlichen Untersuchungskunde (Franks. 183b), Bd. I. S. 3—22. — Hälie, Traite de rinstr. crim. (Pariser Ausg.), Vol. V. — Helie, Pratique criminelle I. n. 47—134. — Seydlitz, De flagranti delicto (1849). — Häuter, Traite de droit criminel (Brux. 1837), § 634, §§ 676—681, 691—698. — Ortolan, Elements de droit penal (2. ed.), 1813—1824. — Mittermaier, Handbuch des Deutschen Strafverf. (Heidelberg 1845) 1. 46, 62, 63. — Walther, Lehrbuch des Bayer. StrafPrz. §§ 22, 23, 49, 50. — Hannover­ sche StrafPO. v. 1859, §§ 38ff. (Erhebung der öffentlichen Klage) §§ 53—63 („erster Angriff").— Planck, Syst. Darstellung, L>. 205-214. — Zachariä, Handb. des Deutschen StrafPrz., II. S. 24—52. — Verhandlungen des dritten Deutschen Iuristent.il. S. 291 — 352. — Glaser, Ges. kl. Schriften, I. 435, II. S. 120 ff. — Wahlberg, Krit. d. Entw. einer D. StrafPO. (Wien 1873), S. 58 ff.^— Ullmann, Oesterr. StrafPrz.N., S. 153—159, 357—366. — Dochow, Der Reichs - StrafPrz., (3. Ausl.) 158—192. — Fuchs in v. Holtzendorff's Handbuch I. 441, 457. Glaser.

Einlösung nennt man diejenige Zahlung, welche gegen Rückgabe der zu Faustpfand gegebenen beweglichen Sache oder des über die Forderung ausgestellten Kreditpapiers (Schuldscheins, Wechsels ic.) erfolgt. Ganz besonders wird in letzterem Sinne der Begriff auf Geldsurrogate, wie Banknoten, Checks (vgl. diese Art.) angewendet. Diese sind ihrer Natur nach einlöslich, nicht so das Papiergeld. Indessen ist gesetzlich bei den Deutschen Reichskassenscheinen die Verpflichtung des Reichs zur E. bei der Reichshauptkasse anerkannt. — Die E. von Zinseoupons, Dividenden­ scheinen re., welche auf den Inhaber lauten, darf nicht durch Formalien, wie Ein­ reichung von Nummern, Verzeichnissen, Quittungen rc., erschwert werden. Der­ gleichen Anforderungen haben keinen rechtlichen Boden. — Von einer E.spflicht ist auch in der Lehre von der Hei vindicatio die Rede. Nach Preuß. LR. giebt nämlich (in Anlehnung an das Lübische R.) der redliche und entgeltliche Erwerber die--Sache nur gegen Erstattung alles dessen zurück, was er dafür gegeben oder­ geleistet hat. Gsgb. u. Lit.: RGes. v. 30. April 1874, § 5. — End em ann, H.R., 83 II, 141. — Förster, Theorie u. Praxis des Preuß. Priv.R., III. § 180 (3. Aufl. S. 248). R. Koch. Einquartierungslast. L Einleitung. In Gemäßheit des Art. 61 der Verfassung des Nordd. Bundes sollte in dem ganzen Bundesgebiete die gesammte Preußische Militärgesetzgebung, sowol die Gesetze selbst, als die zu ihrer Ausführung, Erläuterung und Ergänzung erlassenen Reglements, Instruktionen und Reskripte, namentlich auch die Bestimmungen über Einquartierung, Servis- und Verpflegungs­ wesen ungesäumt eingeführt werden. Die Bundesverordnung vom 7. November 1867 (B.G.Bl., Jahrgang 1867 S. 125) erhob demgemäß zu Bundesgesetzen insbesondere das Allgemeine Regulativ über das Servis- und Einquartierungswesen vom 17. März 1810 und die dazu

Einquartierungslast.

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ergangenen Ergänzungen, Abänderungen und Erläuterungen (nämlich den § 10 zu a und b des Gesetzes über die Einrichtung des Abgabenwesens vom 30. Mai 1820, die Kabinetsordres vom 21. August 1821 und vom 18. Juli 1834, den Erlaß vom 7. Mai 1857) sowie das Edikt über die Aufhebung der Naturalfourage und Brotlieferung vom 30. Oktober 1810 nebst den abändernden Bestimmungen des Reglements über die Naturalverpflegung der Truppen im Frieden vom 13. Mai 1858. Eine durchgreifende Reform der Gesetzgebung über Einquartierungs- und Servis­ wesen war aber in Preußen schon lange als ein dringendes Bedürfniß anerkannt. Insbesondere entbehrte das Servisregulativ vom 17. März 1810 klarer und be­ stimmter Grundsätze über die Fundamente des Einquartierungswesens, hatte des­ halb zu vielen Zweifeln in der Praxis Veranlassung gegeben, und war außerdem in seinen wesentlichen Beziehungen veraltet, indem es weder zu dem inzwischen gänzlich veränderten Verwaltungsorganismus namentlich im Gebiete der Kommunal­ verwaltung paßte, noch den Quartierträgern eine nach Maßgabe der gegenwärtigen Verkehrs- und Preisverhältnisse irgendwie genügende Entschädigung gewährte. Auf Grund der in Preußen bereits stattgefundenen Vorarbeiten erfolgte demgemäß unterm 2. April 1868 eine Vorlage an den Reichstag. Dieselbe erfuhr im Anschluß an einen zweimaligen Kommissionsbericht eine eingreifende Berathung und tiefgehende Umgestaltung. Das Ergebniß ist das Gesetz, betreffend die Quartierleistung für die bewaffnete Macht während des Friedenszustandes vom 25. Juni 1868, nebst drei als integrirende Theile des Gesetzes zu betrachtenden Beilagen, dem Regulativ für die Quartierbedürfnisse der bewaffneten Macht, dem Servistarif und der Klaffeneintheilung der Orte (B.G.Bl. Jahrg. 1868 S. 523 ff.). Das Gesetz ist dann zu­ nächst auf Grund der Preußisch-Hessischen Militärkonvention vom April 1867 durch Hessisches Landesgesetz vom 11. August 1869 in Südhessen, durch Gesetz vom 14. Februar 1871 in Elsaß-Lothringen, durch RGesetz vom 22. Rovbr. 1871 in Baden, vom 9. Februar 1875 in Württemberg und in Bayern eingeführt worden. Die zur Ausführung des Gesetzes unterm 31. Dezember 1868 seitens des Kanzlers des Nordd. Bundes und seitens des Preußischen Kriegsministers erlassene ausführ­ liche Instruktion (B.G.Bl., Jahrg. 1869 S. 1), deren § 15 inzwischen durch Erlaß vom 3. Septbr. 1870 modifizirt worden war (B.G.Bl., Jahrg. 1870 S. 574), ist mit geringen Modifikationen in den übrigen gegenwärtig zum Reiche gehörigen Süd­ deutschen Ländern eingeführt, während in Bayern auf Grund des RGesetzes vom 9. Februar 1875 eine selbständige Instruktion unterm ,8. Juli 1875 erlassen worden ist. II. Das verpflichtete Subjekt. Unter der Herrschaft des Servisregu­ lativs von 1810 war diese Frage im höchsten Grade kontrovers, indem man auf der einen Seite der historischen Entwicklung des Einquartierungswesens gemäß eine selbständig bestehende Verpflichtung der Garnisonsstädte in dem Maße behauptete, daß diese ohne jede Betheiligung des Staats die daraus erwachsenden Kosten zu tragen hätten, während man andererseits soweit ging, dem Staate die fragliche Verpflichtung nicht nur prinzipiell, sondern auch thatsächlich in dem Sinne aufzu­ legen, daß eine Naturalquartierleistung seitens der Staatsangehörigen nicht verlangt werden könne. Gegenwärtig ist nun zunächst die E. als eine öffentliche Last anerkannt. Wie die Unterhaltung der Armee überhaupt dem Reiche obliegt, und die Aufbringung der für dieselbe nöthigen Mittel von allen Reichsangehörigen gemeinsam zu tragen ist, so soll es auch mit der Fürsorge für die räumliche Unterbringung der bewaff­ neten Macht sich verhalten. Wenn die Richtigkeit dieses Grundsatzes materiell auch in der ursprünglichen Regierungsvorlage anerkannt war und nirgends Widerspruch fand, so erfolgte doch die ausdrückliche Anerkennung desselben an der Spitze des ganzen Gesetzes erst auf den Antrag der Kommission. Man verkannte jedoch zu

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EtnqnnrtiernngSlaft.

gleicher Zeit nicht, daß eS völlig unmöglich sein würde, dem Bunde die Herstellung besonderer Borkehrungm sür die räumliche Unterbringung der Truppen thatsächlich

in vollem Maße auszulegen, daß ihm vielmehr die Berechtigung zustehen müsse, eine Gewährung von Raturalquartier seitens der BundeSangehörigen zu verlangen. In der Erwägung, daß eS sür die BundeSgewalt mißlich fein würde, ohne alle Bermittlung mit den einzelnen BundeSangehörigen hinsichtlich der Natural­ quartierleistungen in direlten Rapport zu treten, hatte die Vorlage deS Bundes­ präsidiums ganz bestimmt die Gemeinde resp, den Gutsbezirk zum Träger der E. dem Bunde gegenüber hingestellt. Eowol die Kommission, als auch der Reichstag haben eS jedoch sür bedenllich erachtet, eine derartige Verpflichtung der Gemeinden

zu konstituiren, da man befürchtete, daß, wenn dem Bunde in den Gemeinden ein potenter und zur Leistung von Ansprüchen in weiterem ümsange befähigter Träger der E. erwachse, die Folge eintreten lünne, daß der Bund mit dem fiskalischen Kasernenbau innehaltm, dagegen die Gemeinden zur Anlage von Kasernen drängen und somit eine völlige Ueberwälzung der fraglichen Verpflichtung aus die Ge­

meinden herbeiführen würde. Vielmehr hat man sich bei der positiven Feststellung von der bisherigen thatsächlichen Handhabung deS Einquartierungswesens leiten lassen. Bisher hat die Militärgewalt überall da, wo sich Gelegenheit zur Unter­ bringung von Truppen sand, daS Recht zur Einquartierung in Anspruch genommen. Die Verpflichtung richtete sich wesentlich nach der Möglichkeit. Und diese Maxime ist auch die theoretisch richtige, denn wenn der Staat oder der Bund, der prinzi­ paliter zur eigenen Einrichtung genügender UnterkunftSmittel für die Armee ver­ pflichtet ist, sich nach der Lage seiner Finanzen oder wegen deS unbestimmten Wechsels der Truppen auf Märschen oder in Kantonnirungen genöthigt sieht, fremde in Privateigenthum stehende Baulichkeiten in Anspruch zu nehmen, so kann über den Umfang dieser außerordentlichen Berechtigung nur die Möglichkeit ihrer Be­ friedigung entscheiden. Die Reichsgewalt, und insbesondere das Ermessen des Kaisers, wird jedoch in den meisten Fällen sich nur darauf erstrecken können, die Bestimmungen hinsichtlich der E. im Ganzen zu regeln, insbesondere den einzelnen Ortschaften die Garnisonen zuzuweisen und die allgemeinen Dispositionen über die Märsche und Kantonnements der einzelnen Truppentheile zu treffen. Dagegen würde es nicht durchführbar sein, wenn man der Reichsgewalt auch die spezielle Untersuchung über die Zulänglichkeit der einzelnen Baulichkeiten und dir direkte Zuweisung der Mannschaften an die einzelnen Ouartierträger übertragen wollte. Hier tritt viel­ mehr die Gemeinde ergänzend ein, indem die gesammte Untervertheilung der E. den kommunalen Organen übertragen worden ist. Im Allgemeinen werden die Grund­ sätze, nach welchen die Vertheilung der Ouartierleistungen in jedem Gemeindebezirk erfolgt, durch Gemeindebeschluß oder durch ein Ortsstatut bestimmt, für deren Er­ laß die für Einführung von Gemeindesteuern vorgeschriebenen Formen maßgebend find, und biS zu deren Zustandekommen die bisher für die betreffende Gemeinde geltenden Vorschriften über die Vertheilung der Ouartierleistungen in Kraft bleiben. Der Inhalt dieses Ortsstatuts ist sür die konkrete Gestaltung der E. im Allgemeinen maßgebend. Insbesondere kann dasselbe festsehen, daß in allen oder in bestimmt bezeichneten Fällen die einzuquartierendea Truppen in gemietheten Quartieren unter­ gebracht, und in welcher Weise die dadurch entstehenden Kosten aufgebracht werden sollen sowie auch, daß Gemeindezuschüffe zu den Quartierentschädigungen geleistet werden sollen; die Gemeinden find auch nicht gehalten, diese Geldleistungen nur nach Maßgabe der der Ouartierleistung unterworfenen Räume zu repartiren, sondern eS steht ihnen die Befugniß zu auch einen anderen Maßstab, insbesondere die ordentliche Gemeindebesteuerung, anzulegen (Minist.Bl. d. inneren Berw-, 1875 S- 292). Das Statut kann femer ebensowol festsehen, daß die Naturaleinquar­ tierung auf sämmtliche Inhaber bequartierungSsähiger Räume zu erstrecken, inS-

EinqnartiernngSlaft.

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besondere auch auf die Mether, welchen reich-gesetzlich keine Exemtion mehr zur Seite steht, als auch die Bertheilung der Last anderweitig bestimmen und dieselbe insbesondere den Hausbesitzern ausschließlich auflegen (Minist.Bl. d. inneren Berw. 1876 6- 55). Diese OrtSstatuten und Gemeindebeschlüsse bedürfen in ländlichen Gemeindebezirken der Bestätigung deS KreiSauSschuffeS, gegen dessen versagenden Beschluß die Beschwerde an den Provinzialrath stattfindet. UebrigmS wird in allen Ortschaften, welche mit Garnison belegt werden sollen, der Umfang der Ouartierleistungen durch Kataster bestimmt, welche alle zur Einquartierung benutz­ baren Gebäude unter Angabe ihrer LeistungSsähigkeit enthalte« müßen und von dem Gemeindevorstande alljährlich aufgestellt werden; über Reklamationen entscheidet endgültig die obere Verwaltungsbehörde; in den KreiSordnungSprovinzen findet je­ doch daS BerwaltungSstreitverfcchren nach den Bestimmungen des § 81 deS Kom» petenzgefetze» statt. Im Allgemeine» find die Gemeindevorstände resp, die Besitzer der selbständigen Gutsbezirke die regelmäßigen Organe der üntervertheilung; in dm Städten kaun jedoch die gesammte Berwaltung des Einquartierung-wesens einer aus Mtgliedem deS Gemeindevorstandes und der Gemeindevertretung oder einer aus lehterm und aus von der Gemeindevertretung gewählten Gemeindemitgliedern gebildetm Depu­ tation (Servisdeputation) übertragm werden. Endlich für die Landkreise resp, analogen Verbände derjenigen Bundesstaaten, welche Kreis- oder ähnliche Bezirks­ vertretungen haben, regeln Kommissionen, welche an- dem Landrath, bzw. AmtShauptmann ic. und zwei Mitgliedern der Kreisversammlung bestehen, die Grundsätze und Ausführung der allgemeinen Berthellung der Einquartiemng auf dm betreffen­ den Kreis. Die Beschwerdeinstanz ist verschiedm regulirt, je nachdem die Beschwerdesührung von dem Derpflichtetm oder dem Berechtigtm auSgeht. Wenn nämlich der Be­ rechtigte über mangelhafte oder nicht vollständige Quartierleistung fich beschwert, so liegt dem Gemeindevorstande resp, der Vorgesetzten Kommunal-AuffichtSbehärde die endgültige sofortige Entscheidung ob. Beschwerden der Berpflichteten dagegm tonnen nur unkt Konkurrenz dieser Behörden und der Truppenbefehlshaber zum Austrage gebracht werdm. Diese Berschiedmheit hat insosem in dm Verhältnissen ihren Gmnd, als Beschwerden seitens der Truppen in der Regel, insbesondere auf Märschen, eine schnelle Entscheidung erheischm, wogegen Beschwerden der Quartier­ träger der Natur der Sache nach eine umständlichere Erörterung zulaffen, und in manchen Fällm wol auch ersordem. III. Der Umfang der 6. Die Ouartierleistung begreift im Allgemeiam nur die Fürsorge für die räumliche Unterbringung der bewaffneten Macht, die Be­ schaffung von Wohnungen und sonstigen Gelaffen. Zur bewaffneten Macht in diesem Sinne find zu rechnen die Truppen der Reiche- und der mit ihm zu Kriegs­ zwecken verbündeten Staaten, nebst dem Heergefolge, nicht aber die Krieg-gefangmm. Im Einzelnen ist zu fcheidm zwischen dauemdem und vorübergehmdem Quartierbedürfniß; jenes bezieht fich auf Garnisonen und auf Kantonnements von längerer als sechsmonatlicher Dauer, dieses auf kürzere oder unbestimmte Kantonnement» bei Märschen und Kommandos; jene- begreift nur Quartier für Mannschaften vom Feldwebel abwärt» und Stallung für Dimstpferde, diese» außerdem auch noch Quartier für Offiziere und Beamte, Stallung für die von dmfelben mitgeführten Pferde, soweit für diefelbm etatSmäßig Rationen gewährt werden, und daS erforder­ liche Gelaß für Geschäfts-, Arrest- und Wachtlokalitäten. Während also in der Gamison und bei längeren Kantonnimngen die Offiziere und Militärbeamten gegen Bezug deS etatsmäßigen ServifeS ihr Quartier selbst zu beschaffen haben, und auch die Geschäft»-, Arrest- und Nachtlokale fiskalisch zu beschaffen find, so ist bei kürzeren Kantonnimngen diese Selbstbeschaffung für ausführbar nicht erachtet. Hinfichtlich

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EtuquurtittuuDSlast.

bet Mannschaften besteht die unbedingte Pflicht zu Ouartittleistuugen auch in Garnisonen. Der Umfang der Leistungen im Detail tvitb durch das dem Gesetze sub Litt. A anliegende Regulativ für die Quartierbedürfnisse der bewaffneten Macht nach Maßgabe des RaumbedürfniffeS, der Beschaffenheit des Raumes, der OuartierauSstattung und der Stallung auf das Geuaueste bestimmt. IV. Die Entschädigung. Da zur Fürsorge sür die räumliche Unter­ bringung der Truppen prinzipiell daS Reich verpflichtet ist, so kann sich daffelbe auch der Forderung nicht entziehen, sür die Naturaleiaquartierung eine volle und ausreichende Vergütung zu gewähren, damit nicht die E. ihren Charakter als eine öffentliche, von allen Reichsangehörigen gemeinsam zu tragende Last verliere, und durch eine ungenügende Entschädigung aus einzelne Klaffen oder Personen abgewälzt werde. Die nach dem bisher geltenden ServiSregulativ vom 17. März 1810 festge­ setzte Entschädigung war aber schon seit lange Gegenstand der dringendsten Be­ schwerden geworden, sowol hinsichtlich der Tarifsätze selbst, als auch der Klasseneiutheilung der Ortschaften. In Folge deffen ist bereits im Jahre 1864 für die älteren Landestheile eine umfaffend« Expertise angestellt, um nach Maßgabe der veränderten Preise und mit Rücksicht auf die verschiedenen örtlichen Derhältniffe die Entschädigung neu zu reguliren. Rach Erwerbung der neuen Provinzen und nach Einsührnng der Preuß. Gesetzgebung im ganzen Bundesgebiete hat sich das bestehende Mißverhältniß dadurch noch fühlbarer gemacht, daß in einzelnen dieser Gebiete der bisherige Satz erheblich höher war, als in Preußen. Bei der neuen Feststellung im Gesetz vom 25. Juni 1868 konnte man sich nun aber andererseits nicht verhehlen, daß der plötzliche Uebergang zu einer nach heutigen Begriffen ge­ nügenden Entschädigung Summen erfordern würde, an deren Aufbringung nicht füglich gedacht werden könne, und daß man sich deshalb in der Unmöglichkeit be­ finde, das als richtig anerkannte Prinzip sofort rücksichtslos zu realifiren. Die dem Gesetze beigefügte Tarifirung enthält daher lediglich eine Annäherung an die prinzipiell richtige Methode der Entschädigung, womit man sich um so mehr be­ gnügen konnte, als vom Jahre 1872 ab sowol der Tarif (Anlage sub Litt. B), wie auch die Klasseneintheilung der Orte (Anlage sub Litt. C) einer allgemeinen, alle sünf Jahre zu wiederholenden Revision unterliegen sollen und außerdem die Versetzung der Orte auS der niederen Klaffe in eine höhere dem Kaiser unter Zustimmung deS BundeSrathS überlaffen ist. Die Erhöhung der Entschädigung betrug etwa 50—100 Prozent; die Gesammtsumme der Erhöhung, wie solche bereits im Bundesmilitäretat von 1868 ausgeworfen war, belief sich auf etwa 1V, Millionen, von welcher Summe jedoch etwa der dritte Theil zur Aufbesserung der ServiSentschädigung für Offiziere, welche sich als Selbstmiether Quartier ver­ schaffen müssen, verwendet worden ist. UebrigenS ist noch zu beachten, daß gegen­ wärtig eine Unterscheidung von Sommer- und Wintermonaten in den Taris aus­ genommen ist, und der SommerserviS gegen die Sähe von 1810 nur unbedeutend erhöht ist, was um so mehr inS Gewicht fällt, als die Ouartierleistungen, wenigstens soweit sie vorübergehender Art find, vorzugsweise in die Sommermonate fallen. Besondere Bestimmungen gelten noch zu Gunsten der von den jährlichen ArtillerieSchießübungen betroffenen Orte. Die Revision des ServiStarisS und der Klaffmeintheilung ist dann durch Reichs­ gesetz vom 3. August 1878 wirklich erfolgt in der Weise, daß sie vom 1. April 1879 ab Geltung erlangt hat (R.G.Bl. 1878 S. 243 ff.). V. Die Einquartierung während deS Krieges. Von dem Tage ab, an welchem daS Gesetz vom 13. Juni 1873 wegen der Kriegsleistungen und deren Vergütung in Wirksamkeit ist, tritt die Verpflichtung deS Landes, resp, des Bundes, zu erhöhten Leistungen ein. Dahin gehört insbesondere die unentgeltliche

Einrede.

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Gewährung be8 Raturalquartier- sowol der mobilen al- der nicht mobilen Truppen, auf Märschen und in Kantonnirungen, jedoch können dann auch die Forderungen der Ouartierbedürfniffe nicht in dem Umfange geltend gemacht werden, wie zu Frieden-zeiten, namentlich muß bei Durchmärschen, in engen Kantonnement- und in belagerten Festungen da- Militär sich mit demjenigen begnLgea, wa- nach Maß» gäbe der OrtS- und sonstiger Berhältniffe angewiesen werden kann, und waS die Ouartierwirthe zu gewährm vermögen. Lnßer dem unentgeltlichen Naturalquartier muß während de- Kriege- auch die Naturalverpflegung auf Märschen und in Kautonnirungen insoweit gewährt werden, al- sie nicht au- Magazinen stattfinden kann, jedoch letztere- nur gegen Entschädigung. Endlich wird noch die Leberweisuug von disponibel« oder leerstehenden Gebäuden zur Anlegung von Magazinen und Lazarethen sowie derjenigen Räumlichkeiten, welche für Wachen rc. erforderlich find, — ohne Entschädigung — verlangt. (Ges. vom 11. Mai 1851, betr. die Kriegs­ leistungen und deren Bergütigung, §§ 1, 8 Nr. 1, 88 20, 19, 9, 3 Nr. 8. Reich-gesetz über die Krieg-leistungen vom 18. Jnni 1873 §§ 1, 3, 9. AuS» führungSverord«. vom 1. April 1876). VI. Die sonstigen Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden find durch Reich-gesetz vom 18. Febr. 1875 (Jnstr. vom 2. Septbr. ejusd.) näher festgestellt worden.

Lit.: DaS Besch, betr. die Ouartierleistung für die bewaffnete Macht während des FriedenszustandeS, vom 25. Juni 1868. Aus den Materialien erläutert, Berl. 1869. — v. Rönne, Staatsrecht des Deutschen Reich-, Bd.ll.Abth. 2 (1877) E. 270 ff. — Seydel, Da-Kriegs­ wesen de- Deutsche« «eich» (Ärth'S Annalen 1874 S. 1035 ff., 1875 S. 1082 ff.). — 8aband, Da- Staat-recht de- Deutschen Reichs, Bd. HL (1880) S. 319 ff. — Gneist, Eng­ lisches Verwaltungsrecht, Bd. II. (1867) E. 957; Derselbe» Selfgovernment, (3. Aust. 1871) S. 548 ff.; und: Berwaltiwg. Justiz, Rechtsweg, (1869) E. 223 ff. — v. Stein, Die Lehre vom Heerwesen, (1872) E. 252 ff. — Mondessier, Du logement des militaires chez les habitants, Par. 1872. (Revue de droit intern. T. V. [1873] p. 317.) Ernst Meier.

Einrede im weitesten civilprozeßrechtlichen Sinn ist jede Abwehr einer gegne­ rischen Behauptung mittel- einer neuen pofitiven Gegenbehauptung. Praktisch brauchbar wird jedoch der Begriff der E. nur dann, wenn man ihn einschränkt auf solche thatsächliche Behauptungen de- Beklagten, die ohne mit der Wahrheit der Klagthatsachen in Widerspruch zu stehn, doch der auf Grund derselben erhobenen Klage entgegentreten. Die E. können gegen die formelle oder gegen die materielle Seite der Klage gerichtet sein. Die ersteren bezwecken die Befreiung deS Beklagten von der Verpflichtung, sich auf den Anspruch deS Kläger» einzulaffen oder, wie die CPO. 8 248 sagt, zur Hauptsache zu verhandeln; sie heißen prozeßhindernde oder Prozeß-E. Beispiele bieten die E. der Unzuständigkeit deS Gericht-, der Rechts­ hängigkeit und die anbeten im 8 247 der EPO. genannten. Die 6. der zweiten Art dagegen treffen den Anspruch selbst und zielen auf deffm Verwerfung, we-halb man sie al- Sach-E. bezeichnen kann. Im Röm. R. trat die Unterscheidung beider dadurch hervor, daß die ersteren nur in iure vorgefchützt und vom Magistrat erledigt wurden, im Falle ihrer Verwerfung durch die constitutio iudicii, entgegen­ gesetzten Falle- durch denegatio actionis; sie konnten daher nie in Form der ex­ ceptio erscheinen, während die fachlichen E. außer im Falle ihrer Liquidität, durch exceptio oder durch die allgemeine Faffuug der formula dem iudex zur Prüfung überwiesen wurden. Allein seit Wegfall deS FormularprozesieS ist die ganze Unter­ scheidung in Doktrin, Praxis und Gesetzgebung vielfach verwischt und erst neuer­ dings von Bülow (Die Prozeß-E., 1868) wieder zur Anerkennung gebracht worden. Demgemäß ist fie denn auch in der CPO. aufrecht erhalten. Die dar­ über hinausgehende Behauptung, daß man überhaupt nicht von Prozeß-E., son­ dern nur von Bemänglung der ProzeßvorauSsehungen reden dürfe, hat auf Planck'S Gegenausführung hin Bülow selbst zurückgenommen (Civilprozeffual. Fiktionen,

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Einrede.

S. 57). Hiernach ist das ürthell auf Grund einer Prozeß-E. dahin zu «lassen, daß Kläger mit sein« Klage (in d« angebrachten Art), auf Grund einer sachlichen E. ab« dahin, daß Kläg« mit dem Anspruch abzuweisen. — Bei beiden Arten von 6. können die Thatsachen entweder solche sein, welche die Entstehung deS llLgerischen Rechts gehindnt haben (rechtShindemde Thatsachen), ob« solche, durch welche daS entstandene Recht Wied« aufgehoben ist (rechtsvernichtende Thatsachen) ob« endlich solche, auS welchen sür den Beklagten eine Befugniß, daS vorhandene Recht de» Klägers zurückzuweisen, hervorgeht (rechtshemmende Thatsachen). DaS Gemein­ same dies« drei Vertheidigungen beruht darin, daß sie innerhalb gewiss« Zeit­ schranken vorgebracht und wenn d« Kläg« sie bestreitet, vom Beklagten bewiesen werden müssen, widrigenfalls dies« ihre Berücksichtigung verwirkt. Rur Vertheidi­ gungen b« dritten (rechtShemmendrn) Art pflegt man als E. im Sinne deS materiellen Rechts oder als E.rechte zu bezeichnen (Windscheid, Lehrb., § 47). Rach Eavigny'S weitverbreiteter Lehre hat nun dies« letzte Begriff sich in den Römischen exceptiones verkörpert, durch bereis Einschaltung in die formula die ipso iure (d. h. an sich, durch Vorhandensein eines KlagrechtS) begründete actio ent­ kräftet worden fei. (So im Wesentlichen noch neuesten» Windscheid, ArndtS, Bethmann-Hollweg, Karlowa.) Andere dagegen (I. M. Albrecht, Krüger, Brinz, Eisele, Settel, Thon) find d« Meinung, daß die Form d« exceptio nicht zur Aufnahme indirekt wirkender VertheidigungSgründe, sondern zur Geltendmachung solch« Thatsachen bestimmt gewesen sei, welche nicht nach ins civile, wol aber nach ins honorarium den Beklagten schützten (Gai 4, 166; 1. 3 § 1 D. de pec. const. 13, 5). Noch anders Bekker, Akttonen, II. S. 279, welch« als materielle Grundlage der exceptio das nicht officio indicis in Betracht zu nehmende Recht bezeichnet. Im Allgemeinen wird man d« zweiten Meinung beitreten müffen mit der Maßgabe, daß auch gewiffe leges und senatus consulta, welche die Durchführung des von ihnen aufgestellten Prinzip» dem Magistrat über­ wiesen hatten, mittels exceptio zur Geltung gebracht wurden. Die» find die sog. Eivilexceptionen, wie die exceptio legis Cinciae, Scti. Vellejani u. a. m. Sowol die zweite als die dritte Meinung gelangt für das heutige Recht zu dem Ergebniß, daß mit der Duplizität der Römischen Rechtsbildung auch der Römische Begriff der exceptio hinweggefallen ist. Doch wird der Ausdruck Exception jetzt meist in demselben Sinne, wie E., gebraucht. — Eine Haupteintheilung, die wir von den Römischen exceptiones aus unsere (sachlichen) E. übertragen haben, ist die in dilatorische und peremtorische. Die Röm. Juristen nennen dilatorisch die Exceptionen, welche der Kläger durch Aufschub d« Klage ob« eine andere in feinem Belieben stehende Handlung vermeiden kann, und welche also nur differunt actionem (Gai 4, 121 ss.), während freilich die aus Grund ein« solchen erfolgende Abweisung b« Klage ebenso definitiv war, wie jede andere. Im Justin, und heutigen R. ist aber die weitere Eigenthümlichkeit hinzugetreten, daß die dilatorische 6. nur eine Abweisung auf Zeit bewirken und der Kläger nach Ablauf derselben seine Klage aus demselben Grunde und aus dasselbe Objekt wiederholen kann (§ 10 J. de except. 4, 13). Beispiele bieten die E. der Stundung, der JnventarSsrist, der BorauSklage, der Theilung. Im Gegensatz zu diesen find die meisten anderen perem» torisch, d. h. dauernd zuständig und eine definitive Abweisung bewirkend. Theorie und Praxis deS Gem. R. haben nun die dilatorischen und die Prozeß-E. wegen der ihnen zufällig gemeinsamen Aehnlichkeit, daß die Klage wiederholt wttden kann, vielfach zusammengeworsen und als „verzögerliche" E. den „zerstörlichen" gegenüber gestellt. Diese Zusammenwersung wurde dadurch gefördert, daß mit Ausbildung der Eventualmaxime die Prozeß-E. der Kraft beraubt wurden, einstweilen von der Einlastung aus dm Anspruch zu befreien, und nunmehr in Kumulation mit der (eventuellen) LitiSkontestation vorgeschützt werden mußten. Nur die sog. foridekli» natorischen E> waren davon ausgenommen (J.R.A. § 37 a. E. 40), und indem

Einspruch.

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man diesen bann einige Sach-E., falls sie liquid waren, gleichstellte, kam man dazu diese von dem Eventualprinzip ausgenommenen E. als prozeßdilatorische zusammenzufaffen. Diese irreführende Terminologie hat erst die CPO. wieder be­ seitigt, nach welcher nicht mehr prozeßhindernde, sondern nur noch sachliche E. in dem oben angegebenen Umfang als dilatorisch bezeichnet werden können; vgl. Mo­ tive zu § 247 (= 238 des Entwurfs). — Die prozessualische Behandlung der E. ist die der BertheidigungSmittel überhaupt. Daher können E. noch bis zum Schluffe derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche da- Urtheil ergeht, geltend gemacht werden (§ 251). Das Gericht kann sie aber zurückweisen, wenn sie den Prozeß verzögern würden, und der Beklagte sie aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht hat (§ 252). Bei Zurückweisung in erster Instanz kam» bet Beklagte daS Versäumte mittels Berufung nachholen. In zweiter Instanz ist die Geltendmachung der zurückgewiesenen BertheidigungSmittel dem Beklagten vorzubehattm; in Folge davon bleibt in Betteff der letzteren der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz anhängig (§§ 502 u. 503). (Weiteres in d. Art. Angriffsund BertheidigungSmittel.) UebrigenS spricht man auch von BeweiS-E. (CPO. §§ 256 u. 316) in dem Sinne, daß damit die Bemänglungen der Zuläffigkeit oder Wirkung eine» vom Gegner vorgebrachten Beweismittels bezeichnet werden. Lit.: Brun» in Th. I. diese» Werkes 6. 375 § 26; v. Bar, ebenda, 6. 619—621 und die dort Angeführten. — Außerdem über Störn. St.: Eisele, Die materielle Grundlage der Exceptio, 5BetL 1871.— Birkmeyer, Die Exceptionell im b. £ iudicium, Erl. 1874.— Lenel, Ueber Ursprung und Wirkung der Exceptionell, Heidelb. 1876. — Ueber Röm. und hrnt. 9t.: Bekker, Aktionen, II. S. 275—300 (1873). — Karlowa, Das Rechtsgeschäft, Berl. 1877 6. 132-157. — Thon, Rechtsnorm, Weimar 1878 ®. 261-279. — Briu», Pand., 2. Anfl., 1. §§ 105—108. — Ueber Prozeß-E.: Bülow, Die Lehre von den Prozeß-E., Gießen 1868, und Petersen in Busch- Ztschr. für Eivilprozeß, U. S. 161—179 (1880). Eck. Einspruch ist im neuen Eivilprozeß der allein zulässige restitutorische RechtSbehels zur Beseitigung eine# Bersäumniß- (End-, Theil- oder Zwischen») UrthttlS, gegen welches für den Säumigen jedes Rechtsmittel — ein solches kann von ihm. gegen das Berfäumnißurtheil nur bann eingelegt werden, wenn eS auf die irrige Annahme der Voraussetzungen der Bersäumniß gestützt wird — ausgeschlossen ist. Dagegen stehen der anderm Partei, weil ihr gegenüber das Bersäumnißurtheil, nicht als solches, sondem als konttadittorifcheS gilt, nur hie sonst zulässigen Rechts­ mittel, nicht aber der E. zu. Der E. ist materiell vorauSsetzungSloS, insbesondere also nicht durch daS Vorhandensein eines RestitutionSgrundeS bedingt. Die Ein­ legung hat binnen einer Nothfrist von zwei Wochen seit der Zustellung der Setsäumnißurtheils zu geschehen (nut bei Zustellungen im AuSlande oder durch öffent­ liche Bekanntmachung hat daS Gericht die Frist anderweit zu bestimmen). Im Anwaltsprozeß muß sie durch Zustellung eines Schriftsatzes erfolgen, für deffen In­ halt die Bezeichnung des angefochtenen Urtheils, die Erklärung, E. einzulegen und die Ladung des Gegners zur Verhandlung über die Hauptsache wesentlich find, welcher aber auch zugleich — dieS ist nur eine instruktionelle Vorschrift — die zur Vorbereitung der Verhandlung über die Hauptsache erforderlichen Angaben ent­ halten soll. Im AmtSgerichtSprozeß kann der E auch durch Erklärung zu Pro­ tokoll deS GerichtSschreiberS und Zustellung des Protokolls an die andere Partei erhoben werden. In der in Folge des E. angesetzten mündlichen Verhandlung hat das Gericht von Amtswegen zu prüfen, ob der E. gegen das Urtheil statthaft und ob er in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden ist. Beim Mangel eines dieser Erfordernisse muß er durch Urtheil verworfen werden. Wmn er dagegen statthaft ist, so bewirkt er formell die Suspension des BerfäumnißurtheilS, materiell den Fortfall desselben. Der Prozeß wird in die frühere Lage, in welcher er sich vor dem gedachten Urtheil befand, zurückversetzt, als ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ertheilt, d. h. es wird alles so behandelt, als ob daS Der-

652 säumnißurtheil nicht ergangen wäre. Der bei Erlaß deffelben nicht berücksichtigte Prozeßstoff erlangt von'neuem seine Bedeutung, insbesondere treten etwaige Zwischenurtheile, welche durch daS Bersäumuißurtheil ihre Relevanz verloren haben, wieder in Kraft. Diese Wirkung deS begründeten 6. wird aber nicht in einem besonderen, allein über die Statthaftigkeit deffelben ergehenden Urtheil ausgesprochen, daS an­ gegriffene Urtheil besteht daher formell fort. Erst wenn der Prozeß zur Entschei­ dung über die Hauptsache reis ist, wird eiu sich auch zugleich auf den E. mit 6eziehende- Urtheil erlassen. Ergiebt sich, daß materiell eine mit dem Bersäumnißurtheil übereinstimmende Entscheidung abzugeben ist, so wird in dem nunmehr in der Hauptsache ergehenden Urtheil die Aufrechterhaltung deS ersteren ausgesprochen, anderenfalls unter Aufhebung deffelben daS, waS in der Hauptsache Rechtens ist, festgesetzt. Auch im letzteren Falle find der säumigen Partei die durch die Verfüumniß erwachsenen Kosten (mit Ausnahme der durch unbegründeten Widerspruch deS Gegners entstandenen) zur Last zu legen. Der E. ist in demselben Prozeß so oft zulässig, als ein Versäumnißurtheil vorlommt, eS kann also, wenn in dem durch einen E. veranlaßten Verfahren der Gegner deS Einsprechenden auSgeblieben, das gegen den ersteren erlaffene Dersäumnißurtheil von demselben ebenfalls mit dem E. angefochten werden. Wenn der Ein­ sprechende selbst in dem Termin zur mündlichen Verhandlung über seinen E. und die Hauptsache nicht erscheint oder nicht verhandelt, so findet ein neuer E. gegen ein Versäumnißurtheil, welches den ersten E. verwirft, nicht mehr statt. Dasselbe gilt bei dem Ausbleiben in einer Sitzung, auf welche die erwähnte Verhandlung vertagt war, vorausgesetzt, daß in dem früheren vertagten Termine noch nicht zur Hauptsache verhandelt worden ist. War letzteres der Fall, so ist auch dem Ein­ sprechenden gegen ein weiteres Versäumnißurtheil der E. nicht verschränkt, nur ist ein solches vom Gericht von Amtswegen für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Bei dem Zusammentreffen eines E. und einer von dem Nichtsäumigen als BerufungSkläger gegen das Versäumnißurtheil eingelegten Berufung ist die münd­ liche Verhandlung über die letztere von AmtSwegen bis zur Erledigung über den E. auszusetzen. Eine Besonderheit ist es endlich, daß ein bei dem Verfahren über die Wieder­ einsetzung in den vorigen Stand gegen nicht gewahrte Nothsristen ergangenes Versäumnißurtheil von der Partei, welche die Restitution nachgesucht hat, mit dem E. nicht angefochten werden darf. Quellen: EPO. §§ 303—311, 462, 648, 216. Lit.: Wach, Vorträge üb. d. RCPO., Bonn 1879 S. 143. — Fitting, RCivilprz., 4. Ausl., Berlin 1879 S. 235. • P. Hinschius.

Einspruch im Strafprozeß. Der E. ist nach der Deutschen StrasPO. nur gegen amtsrichterliche Strasbesehle (vgl. diesen Art.) zulässig; er ist nicht als Rechtsmittel anzusehen, trotzdem find einige der allgemeinen Bestimmungen über Rechtsmittel (§§ 339—342) in analoger Weise auch aus ihn anwendbar. Die Erhebung deS E. hat zur Folge, daß der Strafbefehl nicht die Wirkung eines rechtskräftigen Urtheils erlangt, also nicht vollstreckbar wird. Der E. ist binnen einer Woche nach der Zustellung deS Strafbefehls bei dem Amtsgerichte schriftlich oder zu Protokoll des Gerichtsschreibers zu erheben. Gegen den Ablauf dieser Frist ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestattet. Eine besondere Rechtfertigung deS E. ist nicht ersorderlich. Wird rechtzeitig E. erhoben, so gilt hierdurch der Strafbefehl als beseitigt und eS findet, ohne daß ein daS Hauptversahren er­ öffnender Beschluß erlaffen wird, Hauptverhandlung vor em Schöffengerichte statt. MS zum Beginne derselben kann der E. zurückgenommen und die Klage von der Staatsanwaltschaft fallen gelaßen werden. In der Hauptverhandlung, sür welche die allgemeinen Regeln gelten, kann fich der Angeklagte, auch wenn er verhaftet ist (anderer Meinung Löwe, S. 879), durch einen mit schriftlicher Vollmacht ver-

einftrigen — etttfteOaag M KonknrseS.

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fehenen Vertheidiger vertreten lasten. Bleibt der Angeklagte in der Hauptverhand­ lung ohne genügende Entschuldigung aus, und wird er auch nicht durch einen Ver­ theidiger vertreten, so wird der E. ohne Beweisaufnahme durch Urtheil worsen. DaS Gericht ist aber auch befugt, daS persönliche Erscheinen de» geklagten anzuordnen und zu erzwingen (anderer Meinung von Schwarze, örterungen, S. 15). Gegen die Versäumung der Hauptvechandlung kann der

ver» An­ Er­ An­

geklagte Medereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen, wenn ihm die letztere nicht bereit» gegen den Ablaus der E.»frist gewährt war. Ist der Angeklagte in

der Hauptvechandlung erschienen oder durch einen Vertheidiger vertreten, so findet da» regelmäßige Verfahren statt. Da der Strafbefehl durch den E. al» beseitigt gilt, so ist da» Schöffengericht bei der Urtheil»sällung an den in dem Strafbefehle enthaltenen Ausspruch in keiner Weise gebunden, und da der E. nicht al» Rechtsmittel anzusehen ist, so gilt da» Verbot der reformatio in pejus nicht, e» kann daher eine höhere al» die im Strasbefehl enthaltene Strase erkannt werden. Da» von dem Schöffengerichte gesällte Urtheil kann durch Berufung angefochten werden. Richtet sich die Berufung darauf, daß der E. mit Unrecht verworfen sei, so prüft da» Be­ rufungsgericht nur diesen Punkt, ohne auf die Sache selbst weiter einzugehen. Ist da» Schöffengericht, statt den E. zu verwerfen, auf die Sache selbst eingegangen, so hat da» Berufungsgericht den E. zu verwerfen. Nach der Oesterreichischen SttasPO. ist der E. ein RtchtSmittel und hat ein größere» Geltungsgebiet al» in der Deutschen. Er ist zunächst gegen Strafverfügungen zulässig, welche von einer öffentlichen Behörde rc. gegen einen auf freiem Fuße befindlichen Beschuldigten erlassen find (§§ 460—462). Außerdem kann E. gegen die Versetzung in den Anklagestand (§§ 209 ff.) und gegen Uttheile, welche in Abwesenheit de» Angeklagten gesällt find (§ 422), erhoben werden. Bgl.

ferner noch § 493. Gsgb. u. Bit: Deutsche StrasPO. §§ 447 ff., des. 449—452. — Die hierzu gehörigen Bemerkungen in de« Kommentaren von Löwe und v. Schwarze, auch d«S letzteren Er­ örterungen praktisch wichtiger Materien aus dem Deutschen StrafprzR., Heft 1 (1880), S. 12 bis 19. — Boitus, Kontroversen betr. die StrasPO. rc. (1879), 6. 183—138. Dochow.

Einsteigen. 6. in ein Gebäude oder den dazn gehörigen umschloffenen Hof­ raum oder auch einen sonstigen umschloffenen Raum, um daselbst zu stehlen, bildtt einen dem Einbruch nahe verwandten und im Wesentlichen unter bett gleichen Normen stehenden AuSzeichnungSgrund de» Diebstahl». Unter dem E. ist zu ver­ stehen daS Eindringen über Dächer, Mauern oder andere Umfriedigungen oder durch Fenster, Kellerlöcher oder andere zum Eingänge nicht bestimmte, unter oder über der Erde befindliche Oeffnungen. Daß der Dieb mittel» de» E. in da» Ge­ bäude selbst, in welchem er den Diebstahl ausführte, gelaugte, ist nicht erforderlich. E» genügt, wenn er innerhalb desselben in einen abgesonderten „umschloffenen" Raum einstieg. Dagegen ist in dem bloßen Aufsteigen an den Einfriedigungen de» HauseS oder umschlossenen Raume» zum Herauslangen von Sachen au» demselben der AuSzeichnungSgrund nicht zu finden. — Das E. muß Stehlen» halber erfolgt sein und an sich al» eine Verletzung de» Willen» erscheinen, welcher betreffenbett Oeffnungen rc. ihre Bestimmung gegeben hat. Gsgb. u. Lit. s. bei dem Art. Diebstahl.

Merkel.

Einstellung des Konkurses bedeutet in der Deutschen KO. die durch Beschluß de» KonkurSgerichtS verfügte Aufhebung eine» eröffneten, aber weder durch Zwangsvergleich noch Vettheilung de» Schuldnervermögen» beendigten Konkurs­ verfahrens. Die 6. ist von Amtswegen zulässig, sobald die TheilungSmaffe sich

zur Deckung der Kosten des Verfahren» al» ungenügend erweist, aus Antrag de» Gemeinschuldners und zwar vor Ablauf der Anmechefrist, wenn der Gemeinschuldner

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Einstellung M StrnfverfahreaS.

die Zustimmung der bdannt gewogenen Konkursgläubiger, nach Ablauf der An­ meldefrist, wenn er die Zustimmung aller Konkursgläubiger, welche Forderungen angemeldet haben, beibringt oder wenn et Sicherheit für die Forderungen stellt oder wenn eS nach Ermeffen deS Gericht» für die Forderung, festgestellte indessen ausgenommen, einer Sicherstellung oder Zustimmung de» GÜubiger» nicht bedarf.

Der Antrag wird öffentlich bekannt gemacht und mit den Zustimmungserklärungen auf der GenchtSfchreiberei zur Einsicht aller Betheiligten niedergelegt, lieber einen etwaig« Widerspruch, welcher innerhalb einer, mit der öffentlichen Bekanntmachung beginnenden, einwöchigen Frist auch von solchen Gläubigern, welche ihre Forde­ rungen bi» zum Ende dieser Frist anmelden, erhoben werden kann, entscheidet daS Gericht nach Anhörung de» Gemeinschuldner» und de» Konkursverwalter- bzw. der widersprechend« Gläubiger. Ist die E. rechtskräftig befchloffen, so hat der GerichtSfchreiber ESbeschluß und Grund der E. öffentlich bekannt zu machen, auch dmfelb« Behörden, welchen der EröffnungSbefchluß mitgetheilt wurde, Abschrift der Befchlußformel zu übermitteln. Der Gemeiaschuldner erhält in solchem Falle nach Befriedigung oder Sicherstellung der Maffegläubiger die Disposition über seine Güter zurück und die Gläubiger können ihre Ansprüche unbehindert durch den Konkurs verfolg«, solche, deren Forderungen als festgestellt und vom Gemein­ schuldner nicht bestritten in die Gläubigertabelle eingetragm find, mit dem Rechte der Zwangsvollstreckung. — Die Oesterreichische KO. bedient sich deS Ausdrucks E. nicht, kennt sie aber sachlich natürlich gleichfalls, und gestattet sie, wo nach eröffnetem Konkurse daS Vermögen des Gemeinschuldners zur Deckung der Kosten nicht genügend erscheint, oder alle Maffe- und Konkursgläubiger einwilligen.

Quellen u. Lit.: Deutsche KO. §§188 ff.: Mot. S. 435 ff. — Oesterreich. K.L §§ 66, 154 ff. — FuchS, Deutscher Konk-Prz., § 35. — Komment, z. Deutschen KO.l, l. von Hullmann, v. WilmowSki, Wengler. K. Wieding.

Einstellung des Strafverfahrens kommt nach der Deutschen StrasPOin verschiedenen Fällen und mit verschiedenen Wirkungen vor. Im BorbereitungSverfahren, welches von der Staatsanwaltschaft abhängig ist, erfolgt durch diese die E. des Verfahrens, wenn die angestellten Ermittlungen keinen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage gegeben haben. Es kann dies eintteten, weil die That unter kein Strafgesetz fällt oder weil rechtliche Gründe vorhanden find, durch welche die Erhebung der Klage im konkreten Falle ausgeschloffen oder noch von Bedingungen abhängig ist (Zurechnungsunfähigkeit, Nothwehr, Verjäh­ rung, Fehlen deS Antrages u. a.) oder weil die Verdachtsgründe nicht ausreichend find und eine Vervollständigung des Beweismaterials nicht zu erwarten ist. Die E. bezieht sich entweder auf die Strafverfolgung überhaupt oder nur auf die Straf­ verfolgung einer bestimmten Person. Die Staatsanwaltschaft hat den Beschuldigten von der E. in Kenntniß zu setzen, wenn er als solcher vom ^Richter vernommen oder verhaftet war. Im letzteren Falle muß seine Freilaffung herbeigesührt werden. Angabe der Gründe für die E. ist nicht erforderlich. Die Staatsanwaltschaft ist außerdem verpflichtet, wenn sie E. verfügt, den Antragsteller unter Angabe der Gründe zu bescheiden. Gegen den ablehnenden Bescheid hat der Antragsteller das Recht der Beschwerde an die vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft und ist er zugleich durch die strafbare Handlung verletzt, so hat er auch noch die Möglich­ keit, die Sache zur gerichtlichen Entscheidung zu bringen (§§ 169—171). Ver­ wirft daS Gericht den Antrag aus Erhebung der öffentlichen Klage, so kann diese nur auf Grund neuer Thatsachen oder Beweismittel, d. h. solcher, welche dem Gerichte bei Erlaß der Entscheidung nicht bekannt waren, erhoben werden (§ 172). Abgesehen hiervon und von den Fällen, in welchen das Klagerecht erloschen ist, kann die E. durch die Staatsanwaltschaft bei veränderter Sachlage wiederaufgehoben werden.

etnftdümg des StrisverfichrenS.

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Ueber daS Resultat der Voruntersuchung entscheidet daS Gericht. Bon diesem hängt eS ab, ob der Angeschuldigte außer Versolgung zu sehen oder daS Verfahren vorläufig einzustellen fei (§ 196). DaS letztere erfolgt, wenn dem weiteren Verfahren Abwesenheit deS Angeschuldigten — abgesehen von den Fällen, in welchen ein Verfahren gegen Abwesende gestattet ist (§§ 319, 327, 470) — oder der Umstand entgegensteht, daß derselbe nach der That in Geisteskrankheit verfallen ist (§ 203). Dauernde Krankheit dürfte in den Fällen, in welchen eine Vertretung de» Angeschuldigten unzulässig ist, ebenfalls als Grund einer vorläufige» E. deS Verfahrens anzusehen sein. Wird daS Hinderniß beseitigt, so ist daS Ver­ fahren von AmtSwegen wieder aufzunehmen. Eine vorläufige 6. deS Verfahren» ist, um eine unnöthige Häufung von Auklagcn zu vermeiden, in dem Falle zulässig, wen» da» Vorverfahren mehrere der­ selben Person zur Last gelegte strafbare Handlungen betraf und die Feststellung de» einen oder de» anderen Straffalle» für die Strafzumeffung unwesentlich ist, z. B. Diebstahl neben Mord. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann da» Gericht daS Verfahren einstellen, binnen einer Frist von drei Monaten nach Rechtskraft deS Urtheils, wenn nicht Verjährung eingetreten ist, die 6. aber wieder aufheben (§ 218). Rach der Oesterreich. StrafPO. (§ 109) ist die Voruntersuchung durch Verfügung de» Untersuchungsrichters einzustellen, sobald der Ankläger da» Begehren nach strasgerichtlicher Verfolgung zurückzieht oder auf 6. anträgt oder erklärt, daß er keinen Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung finde. In allen übrigen Fällen erfolgt die E. nur durch Beschluß der Rathskammer oder deS Gerichtshöfe» zweiter Instanz. Während in den vorher erwähnten Fällen der Deutschen StrafPO. die E. durch Beschluß de» Gericht» erfolgt, wird die Hauptverhandlung (§ 259) durch Urtheil eingestellt, wenn bei einem Antrag»delikt der erforderliche Antrag nicht vorliegt oder rechtzeitig zurückgenommen ist. Vor der Hauptverhandlung würde in einem solchen Falle die 6. durch Beschluß de» Gerichts «inzutrete» haben. (Ueber die Fragen, ob nach eröffnetem Hauptverfahren stets eine Hauptverhandlung statt­ finden müffe oder ob nicht da» Verfahren ohne eine solche in gewiffen Fällen durch Beschluß erledigt werden könne, vgl. Löwe zum 5. Abschnitt der StrafPO.) Im Privatklageverfahren erfolgt E., und zwar durch Urtheil, wenn da» Gericht nach verhandelter Sache findet, daß die für festgestellt zu erachtenden Thatsachen eine solche strafbare Handlung darstellen, welche nicht durch Privatklage zu verfolgen ist (§ 429). Es tritt dann da» gewöhnliche durch die Staatsanwalt­ schaft zu betreibende Verfahren ein (möglicherweise vor demselben Schöffengerichte). "Eine Verweisung an daS zuständige Gericht findet nicht statt. Außerdem hat der Tod de» Privatklägers die 6. deS Verfahrens zur Folge, das nur ausnahmsweise fortgesetzt werdm kann (§ 433). Vgl. über die E. deS Verfahrens durch Urtheil deS RevifionSgerichtS § 394 und über die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urtheil geschloffenen Ver» fahrm» nach erfolgter E. die bezüglichen Art. Im Gegensatz zu der Deutschen hat die Oesterreichische StrafPO. § 2 dem Kaiser gestattet, die E. eingeleiteter Untersuchungen anzuordnen. Für daS Deutsche Reich bleiben die Vorschriften deS Landes-StaatSrechtS in dieser Hinficht in Gültig­ keit. Die 6. hat selbstverständlich nur rechtliche Mrkung für dm einzelnen Staat, der sie angeordnrt hat. Vgl. hierüber besonders Löwe'» Ausführungen über das Begnadigungsrecht vor 8 12 deS GVG. Lit.: Die Kommentare zu den bett. Paragraphen der D. StrafPO. von Löwe und v. Schwarze. Dochow.

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Snfifeeyn — Stuchetlnn» der Strafftlle.

EiustwelliDe Berfiigmiße« st»d Anmcknungen des Gerichts in einem schon anhängigm oder vor einem erst später anzustellenden Prozeffe, nm Jemandem die Erlangung einer Jndivckualleistung (Herausgabe einer bestimmten Sache, Heraus­ gabe eines Kinde») zu stchern. salls zu besorgen steht, daß ohne eine solche Maßregel durch Veränderung des bestehenden Zustande» die Berwirklichung de» Rechte» einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (z. B. durch Wegschaffung der herauszugebenden Sache, Abholzung des verpfändeten Waldgrundstücke»). Ferner find e. B. zulässig, nm in Bezug aus eia streitige» Rechtsverhältniß einen einst­ weiligem maßgebenden Zustand herzustellen, wenn die» zur Abwendung wesentlicher Nachtheile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder' au» anderen Gründen erforderlich erscheint (Regulirung de» Interimistikum» bei Befitzprozeffen, in EhefcheidungSsachen, bei streitigen Alimenten), endlich in denjenigen, wo fie die CPO. oder da» bestehende bürgerliche Recht gestattet. Ueber die Maßregeln, welche zur Erreichung de» jeweiligen Zwecke» angeordnet weckm sollen, entschecket das Gericht nach seinem Ermeßen. ES kann je nach Lage der verschiedenen Fälle eine Sequestration de» Streitgegenstände» anordnen, Hand­ lungen bei Strafe gebieten oder verbieten (z. B. die Benutzung eine» Weges, die Veräußerung oder Belastung eines Grundstückes). Zum Erlaffe e. B. ist das Gericht der Hauptsache zuläsfig, d. h. das­ jenige, vor welchem der Prozeß in erster Instanz geführt wird oder wordm ist oder gehören würde, beim Schweben der Sache in der Berufungsinstanz da» Be­ rufungsgericht. In dringenden Fällen kann die Entscheidung ohne vorherige münd­ liche Verhandlung und auch sogar allein durch den Vorfitzenden des Gerichte» ge­ troffen werden. Bei Dringlichkeit der Sache ist ferner das Amtsgericht, in besten Bezirk sich der Streitgegenstand befindet, ebenfalls zum Erlaß einer e. V. befugt, e» hat aber dabei zugleich eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher der Gegner zur mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der Anordnung vor daS Ge­ richt der Hauptsache zu laden und nach deren fruchtlosem Verlauf auf Antrag des Gegner» die e. V. aufzuheben ist. Im übrigen kommen die für Arreste und das Arrestverfahren geltendeü Regeln zur Anwendung, jedoch mit der Maßgabe, daß die Aufhebung einer e. V. nur unter besonderen Umständen und allein gegen Sicherheitsleistung statthaft ist. Quellen: SPO. §§ 814-822, 584 , 613 , 620, 624; EG. § 16, Nr. 4, 6. Lit.: Fitting, RSivilprz., 4. Aufl., Berlin 1879 S. 387. P. HinfchiuS.

Einteilung der Straffälle. Die Praxi» und noch mehr die Theorie haben es sich angelegen sein lasten, die strafbaren Handlungen nach den verschie­ densten Gesichtspunkten einzutheilea. Dabei kam e» nicht selten vor, daß die Praxis fich gegen die von der Theorie ausgehenden E. ablehnend verhielt oder die Theorie die von der Praxis erzeugten als wiffenschaftlich unhaltbar hinstellte. — Sieht man von den E. ab, die nur historische» Interesse in Anspruch nehmen können (vgl. Schaper in v. Holtzendorff's Handbuch de» Deutschen Strafrechts, Bd. II. S. 107 ff.) oder nicht von großer Bedeutung find, so bleiben nur zwei E. übrig, die Erwähnung verdienen. Die Straffälle werden eingetheilt in Offizialund Antragsverbrechen, je nachdem die Strafverfolgung derselben von Amts­ wegen oder auf Antrag der verletzten Person eintritt (vgl. d. Art. Antrags­ delikte). Zwischen diesen beiden Arten stehen drei Straffälle (StrafGB. §§ 99, 101, 197), welche nur mit Ermächtigung deS Beleidigten verfolgt werden können. Wichtiger ist die E. d. St. in Verbrechen, Vergehen und Ueber» tretungen (StrafGB. § 1). Diese Dreitheilung bezieht fich nicht nur auf die im StrafGB., sondern auch in allen Spezialgesetzen enthaltenen mit Strafe be­ drohten Handlungen (und Unterlassungen). Verbrechen ist jede mit dem Tode, mit Zuchthaus oder mit Festungshaft von mehr als 5 Jahren bedrohte Handlung;

dtegdNtt

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Vergehen jebe mit Festungshaft bi» zu 5 Jahren oder mit Gefängniß oder mit Geldstrafe von mehr al» 150 Mark; llebertretung jede mit Hast oder mit Geldstrafe bi» zu 150 Mark. Bei der Dreitheilung handelt e» sich nur um die in abstracto für eine strafbare Handlung angedrohte Strafe. 6» bleiben daher alle diejmigen Momente unberücksichtigt, die ein Abweichen von der angedrohten Strafe vorschreibea oder gestatten (jugendliche» Alter, thätige Reue, die nicht speziell genannten mildernden Umstände, Beihülfe, Versuch u. a.). Bei alternativ oder kumulativ angedrohten Strafakte» entscheidet die schwerere, wobei Geldstrafe wol al» eine geringere al» Freiheitsstrafe anzusehe» ist. Nebenstrafen find bei der Drei­ theilung ohne Bedeutung. Die Drettheilung ist nicht Deutschen Ursprünge», sondern stammt au» dem Code pönal und ist au» diesem in da» Prmß. EtrafGB. übergegangen. Der Französische Ursprung würde übrigen», wem» die Dreitheilung sonst nur zu ge­ brauchen wäre, kein Hinderniß für'ihre Benutzung abgeben. Auch im Deutsche» StrasGB., da» sich in dieser Hinsicht dem Preußischen angeschloffe», glaubte man ohne die Dreitheilung nicht auskommen zu können. De» gewichtigen Gründen, die gegen die letztere geltend gemacht sind (vgl. besonder» v. Wächter'», Binding'S, John'» Antiken) konnten nur zwei Rechtfertigung-gründe entgegengestellt werden, deren Unhaltbarkeit aber ebenfalls schon erwiesen ist. Die Dreitheilung sei lediglich ein redaktionelle» Hülfsmittel, um die Formulirung de» EtrafGB. klarer u»»d einfacher zu machen und außerdem nothwendig für di« Regulirung der Kompetenzverhältniffe. In ersterer Beziehung tritt die Dreitheilung nur an wenigen Stellen hervor (EtrafGB. §§ 4-6, 27-29, 40, 43, 49, 57, 67, 74, 157, 240, 257) und kann, da fie nicht aus einem begrifflichen Unterschiede der drei Arten der Straffälle beruht, vermieden werden. Hinsichtlich der Kompetenzregulirung ist die Dreitheilung bereit» in Preußen benutzt worden, allein die Regel durch so viele Ausnahmen durchbrochen, daß die erstere nur von geringer Bedeutung war. In dem Deutschen GBG. ist zwar auch die Kompetenzregulirung von der Dreitheilung, d. h- von der Höhe der in den Strafgesetzen angedrohten Strafe abhängig ge­ macht, daneben find aber noch anbete Umstände berücksichtigt (die Höhe der im konkreten Falle muthmaßlich zu erkennenden Strafe, die Natur der strafbaren Handlung, die Höhe de» verursachten Schaden», die Person de» Thäter», die Art der Strafverfolgung), so daß man in Folge deffen die Dreitheilung nicht mehr al» Grundlage der äußeren Organisation der Deutschen Gerichte aafehen kann. Abgesehen davon, daß die Dreitheilung dem RechtSbewußtsein de» Deutschen Volke» fremd war und auch geblieben ist, hat fie praktisch den großm Nachtheil, daß au» der erkannten Strafart und Strafe nur bei Tode»- und Zucht­ hausstrafe auf den juristischen Charakter der strafbaren Handlung gefchloffm werden kann. In allen übrigen Fällen ist die- nicht möglich. — Erwägt man alle diese Umstände, so dürste fich daraus das verwerfende Urtheil über die Dreitheilung der Straffäll« ergeben. Lit: Ein» Zusammenstellung der Kritiken über die Dreitheilung im StrasGB. hat v. Schwarze im Gerichtssaal, Bb. XXII. (1870) @. 161 ff., gegeben. — Ueber dieEintheilung der Straffälle vgl. noch Binding, Grundriß zur Vorlesung über Gem. Deutsch. Strafrecht, I. (2. Ausl.) 1879, § 34. Dochow.

Einzelhaft (Jsolirhaft, Zellenhaft) heißt diejenige Art der Freiheits­ strafe oder der Haftvollstrrckung, vermöge welcher die Gefangenen von einander ab­ gesondert und einzeln in Zellen verwahrt werden. Ihre Entstehung verdankt die 6. der in der Mitte deS 18. Jahrhunderts beginnenden Gefängnißreformbewegung. Der Gedanke selbst, daß Einsamkeit und Absonderung zur fittlichen Medergeburt des Verbrechers beitragen kann, war von hervorragenden Männern ausgesprochen worden, ehe man in Pennsylvaniea zuerst die Verwirklichung eines darauf begrün­ deten Plane» unternahm. Insbesondere hatte auch Howard in seiner berühmten v.

«nc. II. NechUl-rit»» I. 3. Allst.

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658 Schrift: lieber den Zustand der Englischen und kontinentale» Gefängnisse. 1777, aus die Bortheile der E. hiugewiesen. Die erste» Anfänge ihrer Durchführung finden sich in der Anstalt von Philadelphia, welche im Jahre 1791 eingerichtet ward. Danach bezeichnete man die E. in der erste» Zeit vielfach als »Pennsylva­ nische- System". Zu den Eigenthümlichkeiten derselben gehörte, daß man den Verbrecher von allem menschlichen Verkehr absonderte, «ad, damit er desto mächtiger zur religiösen Betrachtung und Reue angeregt werde, auch ohne alle Beschäftigung and Arbeit ließ. Anfang- allgemein gepriesen, zeigte fich da- ältere Pennsylvanische System sehr bald unzulänglich sür den Strafzweck der Besserung und im höchsten Matze gesundheit-gefährlich. Al- man in Pennsylvanien zur Erbauung zweier neuer Strafanstalten schritt, welche im zweiten Jahrzehnt diese- Jahrhundert- voll­ endet wurden (Western Penitentiary 1827 und Lastern Penitentiary 1829), begriff man die Rothwmdigkeit, von dem älteren System erhebliche Abweichungen zu statmren. So entstand da- neuere Pennsylvanische System der E., von dem älteren dadurch unterschieden, datz cs nur die Gesellschaft der Mitgefangenen dem Verbrecher versagte, ihn aber gleichzeitig dem erziehenden Einflutz der Gefängnißbeamten positiv unterwarf und überdies auch zu Arbeitsleistungen in der Zelle anhielt. Gegen da- Jahr 1829 war der geschichtliche Au-bildung-prozetz dieser Amerikanischen E. im Wesentlichen vollendet. Bald darauf ward ste der Gegenstand eingehendster Berichterstattung von Seiten Derjenigen, welche von Europäischen Regierungen ab­ gesendet waren, oder, durch wiffenschaftlichen Eifer getrieben, von Europa au- diese neuen Strafeinrichtungrn besichtigten. Als mustergültiger Bericht über den dama­ ligen Zustand der Amerikanischen Gefängniffe galt allgemein das Werk von de Beaumont und de Tocqueville, Du Systeme pdnitentiaire aux Etats Unis et son application en France (ins Deutsche überseht von Julin-, welchen die Preutzische Regierung nach Amerika entsendet hatte). Wesentliche- hat sich seitdem in der transatlantischen Geburtsstätte der E. nicht verändert. Nachrichten über die jetzigen Einrichtungen und die in neuester Zeit gemachten Erfahrungen enthält da­ nachstehende, von der New-Iorker Gesängnißgesellschaft herau-gegebene Werk: E. C. Wines and Th. Dwight, Report on the prisons and reformatories of the United States and Canada, Albany 1867. In den Europäischen Gesetzgebungen begann man, dem Verlangen der Gesängnitzreformfreunde nachgebend, die Einführung der E. trotz der damit verbun­ denen finanziellen Opfer seit 1840 allgemein ins Auge zu faffen. Eine Reihe aus­ gezeichneter und praktisch erfahrener Männer, von der Unhaltbarkeit der älteren Gefängnißeinrichtungen überzeugt, verfocht in einer nach und nach ins Unermeßliche wachsenden Literatur die Vorzüge der E.: Julius, Mittermaier, Ducpötiaux, Suringar, Füßlin, Barrentrapp. Unter den zuerst erbauten Strafanstalten gelangten zu Europäischer Berühmtheit: Pentonville in London — Bruchsal in Baden — Moabit bei Berlin — Christiania. Unter den späteren Bauten ist die große Strafanstalt von Löwen die merkwürdigste (nachgeahmt in Briedlöfe bei Kopenhagen). Mit Rücksicht auf die äußere Einrichtung unterscheidet man gegenwärtig die sog. reine E. von der modisizirten. Eine strengere Ansicht, welcher die Ein­ richtungen in Bruchsal, Moabit, Kopenhagen und in Belgien entsprechen, erachtet es für unerläßlich, daß da- gegenseitige Erkennen der Sträflinge mit allen Mitteln verhindert und jeder Verkehr unter ihnen absolut gesperrt werde: daher besondere Anstalten der Jsolirung auch sür den Gottesdienst in der Kirche, während des Schulunterrichts, in sog. Spazierhöschen für die Bewegung im Freim; daher ferner die sog. Schildmützen zur Maskirung der Gesicht-züge. Bei sog. modifizirter E. legt man nur darauf Gewicht, daß die Sträflinge bei Nachtzeit und während ihrer täglichen Arbeit in der Zelle unbedingt von einander getrennt bleiben, während man der Absperrung während des Gottesdienstes, der Schule und des Spazieren-

gehens keine sonderliche Bedeutung beimißt. Vertreter dieser zweiten Ansicht war der EtrafanstaltSdirektor Hoyer in Vechta; außerdem selbstverständlich auch die Reihe Derjenigen, welche überhaupt einer andern Richtung aus dem Gebiete der Gefängnißsorm, z. B. dem sog. Irischen oder progressiven System, angehöreu (s. d. Art. Progressivsystem). In England hat man seit längerer Zeit die ursprüng­ lich auf „teine * 6. berechneten baulichen Anstalten hinterher wiederum entfernt. Eine zweite Streitfrage ist: ob der Staat berechtigt sei, die 6. im admini­ strativen Wege einzuführen, oder ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nach dem System der 6. den Charakter der ursprünglich al» Gemeinschaftshaft vom Gesetz­ geber vorgestelltm Strafe soweit verändere, daß dieselbe in wesentlichen Stücken «mgeformt erscheine. Ja höchst unklarer Formuliruag stritt «an meistentheil» darüber, ob die 6. im Verhältniß zur alten Gemeinschaftshaft von den Gefangenen strenger oder gelinder empfunden würde. Die entschieden richtige Methode der meisten Europäischen Gesetzgebungen ging davon auS, daß die E. als eine strengere und intensiver wirkende Freiheitsstrafe anzusehen fei und deswegen bei ihrer allge­ meinen Durchführung fowol eine Reduktion der Strafdauer im Verhältniß zur Ge­ meinschastShaft in der Gesetzgebung, als auch eine Abkürzung der Strafvollstreckung während deS UebergangSstadiumS für Diejenigen eintreten müffe, welche der E. vor­ zugsweise bei gleichzeitiger neben der E. zugelasiener Konkurrenz der Gemeinschafts­ haft unterworfen werden. In der Literatur vertretm u. A. Mittermaier, Ducpütiaux und der Unterzeichnete die Ansicht, daß fowol ein Gesetz zur Ausführung der 6., als auch eine Verkürzung der Haftdauer für E.Sgefangene im Vergleich zu GenieinfchaftSgefangenrn nothwendig fei. Von dieser herrschend gewordenen Ansicht und allen gesetzgeberischen Vorgängen abweichend war daS Verfahren der Preußi­ schen Regierung, gleichviel ob im einzelnen Fall milder oder strenger als eine GemeinfchaftShaft von gleicher Strafdauer, muß die E. doch als wesentlich verschieden von anderen Haftsormen betrachtet und deswegen entweder als eine besondere Strafart vom Gesetzgeber behandelt oder als eine gesetzlich zu ordnende VollstreckungSweise bestimmter Freiheitsstrafen, wie z. B. der Gefängniß- oder Zucht­ hausstrafe, ausgenommen werden. Richtig ist die E. als einen Vollstreckungsmodus für die einzelnen Strafarten zu behandeln, für deffen Durchführung theil» (nach der Natur der verbrecherischen Handlung) gesetzgeberische VorauSbestimmung, theils (nach den während der Strafvollstreckung selbst an der Person deS Schuldigen ge­ machten Wahmehmungen) die Verwaltung»- und Gefängnißbehörden die nähere Bestimmung an die Hand geben können. In der Mehrzahl der Europäischen Staaten ist das Verhältniß dieser drei Faktoren: Strafgesetz, Strafurtheil und Gefängnißverwaltung näher durch allge­ meine Normen geordnet worden, wobei indessen dem Richter meistentheilS keine Wahl zwischen den verschiedenen Modalitätm der Strafvollstreckung gelaffen ist, die Gefängnißbehörden hingegen an bestimmte Vorschriften im Voraus gebunden sind. Bei der Vollstreckung darf nicht Alles in das Ermessen der Verwaltung ge­ stellt werden, obwol e» nicht an Solchen fehlt, welche die Auswahl der verschie­ denen Haftweisen und beten Verhältniß zu einander ganz und gar dem Gutdünken der Gefängnißdirektoren zu überlaffen wünschen. Die objektive Basis der E. sei: daS Strafgesetz, welche» ihre Zulässigkeit oder Nothwendigkeit im Allgemeinen erklärt, die (meistentheilS außerhalb oder neben den StrafGB. gegebenen) Doll» streckungSgesehe, welche diese oder jene Haftart näher bestimmen und im Vergleich zu anderen abgrenzen, die von der höchsten Staatsgewalt ausgehenden Strafvoll­ zugsverordnungen zum Zwecke einer einheitlichen Anwendung der Verwal­ tungsregeln und endlich die sog. Hausordnungen, die sich auf die eigenthüm­ lichen Verhältnisse jeder einzelnen Anstalt mitbeziehen und theilweife auf direkto­ rialer Anordnung bemhen können.

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WtnzrlHaft

Bezüglich der Dauer find drei Möglichkeiten im» Auge zu fassen. Entweder bleibt e» der Gefängnißverwaltnng überlaffen, ob und für wie lange Zeit fie E. al» geeignete BehandlnngSmethobe anwenden will» oder die Gesetzgebung bestimmt, daß alle oder gewisse Freiheitsstrafen ohne Rücksicht auf deren zeitliche Dauer, von der kürzesten bi» zur längsten, in E. verbüßt werden sollen oder dürfen, oder dritten», da» Gesetz bestimmt eine Maximalgrenze, über welche hinan» E. regel­ mäßig nicht vollstreckt toeiben soll. Nach dieser dritten Auffassung wird entweder die längere Dauer über die einmal gesetzte Grenze hinan» vom Willen de» Sträf­ ling» abhängig gemacht, oder geradezu untersagt. Me Europäischen Gesetzgebungen, welche die E. in ihre Strasvollzug»apparate ausgenommen haben, gehen davon an», daß sie am zweckmäßigsten sür die kürzeren Freiheitsstrafen anzuwenden fei und daß bei langen Freiheitsstrafen ihr eine Maximalgrenze zum Schuhe des Ge­ fangenen gegen nachtheilige Einwirkungen und Gesundheitsstörungen vorgezeichnet werden müsse. Da» D. StrafGB. Art. 22 bestimmt die Zulässigkeit der E. für die Zuchthaus- und Gefängnißstrase. Ihre Dauer darf ohne Zustimmung der Gefangenen drei Jahre nicht übersteigen. Im klebrigen findet eine Reduktion der in E. verbüßten Strafzeit nicht statt, so daß also in dieser Hinsicht kein Unterschied zwischm E. und Gemeinschaftlichkeit besteht. In Belgien und Holland besteht thellS auf Grundlage königlicher Verord­ nungen, theil» (in Holland) gesetzlich eine Maximalgrenze; in Norwegen (Christiania) 4 Jahre, in Schweden l1/, Jahre, in Dänemark 3'/, Jahre, in Belgien 10 Jahre. Erfahrung und Beobachtung, Nationalität, soziale Entwicklungsstufen, körperliche Zustände und Alter kommen dabei in Betracht. Im Allgemeinen kann man als gegenwärtig vorwiegende Richtung diejenige bezeichnen, welche die langjährigen Fristen der E. al» ungeeignet und gefährlich betrachtet. Daran» ergiebt sich, daß die E. für lang dauernde Strafen mehr und mehr den Charakter eine» Anfangs­ stadiums in der Vollstreckung annimmt; während bei kurzen Gefängnißstrafen die Verbüßung der Gesammtdauer in E. allgemein in neuerer Zeit anempfohlen wird. Abgesehen von ihrer Eigenschaft als Modu» de» Strafvollzuges bei Freiheits­ entziehungen kann übrigen» die E. noch vorkommen: al» Disziplinarstrafe für gefährliche, widerspenstige oder die Hausordnung verletzende Gefangene und als ein Absonderungsmittel für solche llntersuchungSgesangene, von denen eine Kollusion za befürchten steht. Hier und da wird e» überdies für zweckmäßig erachtet, auch die Untersuchungsgefängnisse ganz allgemein nach den Grundsätzen der 6. einzu­ richten. Ein StrafvollstreckuagSgefetz wird in Deutschland das Weitere ordnen müffen. Ein die bestehenden Bestimmungen de» RStrafGB. konfervirender, die 6. entschieden bevorzugender Entwurf ward 1879 von einer Sachverständigenkommission in Berlin berathen. Den neuesten Stand der sachverständigen Meinungen laffen die Berhandlungm de» internationalen GefängnißkongrefleS, der 1878 in Stockholm abgehalten wurde, erkennen. Lit.: Mittermaier, Die Gefängnißverbefferung, insbesondere die Bedeutung und Durch­ führung der 6. im Zusammenhang mit dem Befferungsprinzip nach den Erfahrungen der verfchiedenen Strafanstalten, 1858; Derselbe, Der gegenwärtige Zustand der Gesängnißsrage mit Rücksicht auf die neuesten Leistungen der Gfgb. und Erscheinungen über Gefängnißeinrichtung mit besonderer Beziehung auf 6., 1860. — Ducpetiaux, Des conditions d'application du Systeme de l’emprisonnement s^pare, 1857. — v. Holtzendorff, Gesetz oder BrrwaltungSmaxime, 1861. — Fühltn, Die E. nach fremden und sechsjährigen eigenen Er­ fahrungen, 1855. — Hänell, System der Gefängnißkunde, 1866. —B. Zugschwerbt, Bollzug der Freiheitsstrafe, 1866. — Bruun, Ueber die Vollziehung der Strafarbeit, nebst amtlichem Bericht über den Zustand der Dänischen Strafanstalten während des Zeitraumes vom 1. April 1863 bis zum 31. März 1868. Unter Mitwirlung des Sets, aus dem Dänischen übersetzt und mit einem Vorwort versehen von ElverS, 1870. — E. Pears, Prisona and Refonnatories at hörne and abroad (Berhandl. des internst. GefängnißkongresfeS), 1872. — Guillaume, Le Congrts p6nitentiaire international de Stockholm (15—26 Aoüt 1878), Stockholm 1878. — Gefchichtl. Nachweisungen über die Entstehung der E. in Clay, The Prison Chaplain, 1861.

Zeitschrift««: v. Holhendorfs, Lllgem. Deutsch« StrafR-Ztg., 1861—1873 mit., feit 1873 mit btm ,Gericht»saal' verschmölze«!. — Ekert, Blätter fürGefLngnißkund« (Organ deS Verein- Deutscher Strafanstalt-beamten). — Beltrani-Scaha, Rivista di disdpfine carcerarie, 9. Iahrg. 1879. — Bulletin de le Sodetö gönörale des Prisons i Paris. — Etptp ffilf TÜV «pulexöv (Athen). v. Holhendorfs Einziehung (Konfiskation).

Die E. erscheint im heutigen Recht unter

einem doppelten Gesichtspunkte; sie ist Strafe und zwar Rebenstrafe und polizei­ liche Maßregel. Al» Strafe gehört sie zu dea Vermögen-strafen und unterscheidet sich von der Geldstrafe dadurch, daß diese ans eine bestimmt« Geldsumme gerichtet

ist, jene nur gewiss« Gegenstände erreiche» will. Ist die Geldstrase nicht beizu­ treiben, so tritt Freiheitsstrafe ein, ist die E. nicht auözuführm, so bleibt die Sach« in der Regel auf sich beruhen. Die E. al» Straf« setzt einen Schuldigen Vorau», der gestraft werden soll; sie kann daher nicht vollstreckt Wacken, wenn dieser ge­ storben oder geisteskrank geworden ist. Di« E. al» polizeiliche Maßregel hat ein« unpersönlichen Charakter; sie will nur gewiffe Gegenstände im öffentlichen Jutereffe beseitigen, gleichviel in wessen Händen sich dieselben befinden. Diese so verschieden« Auffassung der 6. ist in den neueren Gesetzen aber nicht streng durchgeführt. Im Röm. R. kam die 6. in verschiedenen Formen vor: fie trfhtdte sich auf einzelne Gegenstände, DermögenSquoten und, besonder» hüufig angewendet, auf da»

ganze Vermögen de» Berurtheilten. Ursprünglich mit der sacratio zusammen­ hängend, wird die 6. schon früh SchärfuugSmittel bei der Todesstrafe, Rebenstrafe in einzelnen Füllen und schließlich bi» auf Justinian nothwendige Folge einer jeden Verurtheilung zu einer Kapitalstrafe. Die hierin liegende Härte hob Justi­ nian (Nov. 184 c. 13) dadurch auf, daß er, abgesehen vom Majestätbverbrechen, da» Vermöge» eine» Verurcheilten gewißen Verwandte» desselben überließ. Im Deutschen R. entwickelte fich die E. au» der Friedlosigkeit, dir in ihrer strengm Form auch E. de» ganzen Vermögen» bewirkte (Wilda, StrafR. der Germ., S. 288 ff., 515 ff.; v. Amira, Altnorweg. VollstreckungSversahren [1874], S. 106 ff.). Dieser Grundsatz wurde aber vielfach durchbrochen, da» Vermöge«

nicht selten dea Verwandten oder gewiffe Sachen oder eine Vermögensquote dem Berurtheilten gelaffen. Die E. wurde au» einer nothwendigen ein« mögliche Folge der Friedlosigkeit, zuletzt ein völlig von derselben getrennte» Strasübel, von dem die Inhaber der Strafgerichtsbarkeit nur zu verschwenderisch Gebrauch machten. Gegen den Mißbrauch, nicht gegen die E. selbst weqdete fich die C. C. C. Art. 218, über dessen Auslegung aber sehr verschiedene Ansichten aufgestellt find (vgl. Wächter, Lehrb., I. S. 182 ff.). Die 6. de» ganzen Vermögen» erhielt fich bi» in die neuere Zeit, selbst in den Stadien der Revision de» Prruß. Strafrecht» schwankte man noch. Da» Anwendungsgebiet wurde jedoch allmählich ein immer kleinere»; schließlich handelte e» fich nur noch um vereinzelte Fälle (z. B. Hoch­ verrath, Desertion) , bei denen man glaubte, fie nicht entbehren zu können. In Frankreich wurde die E. de» ganzen Vermögen» schon 1790 abgeschafft, durch den Code pönal von 1810 von neuem eingrführt, 1814 aber wieder ausgehoben. In Preußen wurde fie durch die Verfügung vom 31. Jan. 1850 Art. 10 verboten. Eine ähnliche Bestimmung enthalten die Verfaffungen anderer Staaten. Di« Ver­ werflichkeit und Gefährlichkeit der E. de» Vermögen» ist allgemein anerkannt. Sie ist besonder» verwerflich, weil fie weniger den Berurtheilten al» unschuldige Dritte trifft, gefährlich, weil sie in bewegten Zeiten leicht mißbraucht wird. Treffend sagt darüber Royer-Collqrd: les confiscations sont l’äme et le nerf des r6volutions; aprös avoir confisquö parceqne Von a condamnö, on condamne pour

confisquer. Im heutigen Recht hat sich nur die E. einzelner Gegenstände erhalten. Da» Deutsche StrafGB., da» im Wesentlichen mit den neuerm StrafGB. übereinstimmt, hat über dir 6. solgmde Bestimmungen aufgestellt:

662 1) Die 6. findet statt allgemein bei vorsätzlichen Verbrechen «nd Ver­ gehen (§ 40), ausnahmsweise bei Übertretungen (§§ 360, Z. 1, 2, 4, 5, 6, 14; 867, Z. 7—9; 369, Z. 2). Die E. der zur gewerbsmäßigen Verbreitung be­ stimmten Nachdruck-exemplare findet auch statt, wenn der Verbreiter nicht vorsätzlich gehandelt hat (vgl. § 25 deS BundeS-Gef. vom 11. Juni 1870, betr. daS Urheberrecht an SchriftMcken rc., sowie auch die RGes. vom 9., 10. und 11. Januar 1876). 2) Objekte der E. find ») Gegenstände, welche durch ein vorsätzliches Ver­ brechen oder Vergehen hervorgebracht (z. B. die Falfifikate) oder b) zur Begehung eines solchen gebraucht oder bestimmt find. WaS zur Begehung rc. gebraucht ist, muß unter Berückfichtigung deS einzelnen Falles beurtheilt weichen. ES kann sich dabei nur um solche Gegenstände handeln, welche unmittelbar als Werkzeuge zu dienen bestimmt waren- Daß sie auch wirklich benutzt find, ist nicht immer ersorderlich; die Absicht» sallS eS nöthig sein sollte, fie zu gebrauchen, reicht auS. Ausnahmsweise kann auch der Werth der Gegenstände sür dem Staate verfallen erklärt werden (vgl. z. B. § 335). 3) Die Objekte müffen dem Thäter oder einem Theilnehmer gehörm. Auch von diesem Satze finden sich in den §§ 295, 360 und 367 Ausnahmen. Jagdgeräthe, Risse von Festungen, Borräthe von Waffen, Stempel, Siegel rc., ver­ fälschte oder verdorbene Getränke oder Eßwaaren rc. werden eingezogen, auch wenn sie dem Berurtheilten nicht gehören. 4) Unter den obigen Voraussetzungen kann der Richter auf 6. erkennen. Während im Preuß. StrafGB. die 6. obligatorisch war, ist fie dies im Deutschen nur in einigen Fällen. Hierin gehören § 152 (Münzverbrechen und -Vergehen), § 295 (Jagdvergehen) und § 369 (Gebrauch ungeeichten MaßeS und Gewichtes und unrichtiger Wage). — Jede 6. muß in einem Urtheile ausgesprochen werden; doch kann auch auf 6. allein erkannt werden (§ 42), wenn die Verfolgung oder Berurtheilung einer bestimmten Person thatsächlich und nicht auS RechtSgründen nicht ausführbar ist, jedoch stets unter der Voraussetzung, daß eine, straf­ bare Handlung begangen ist. Im ReichSstrafrecht ist nur vereinzelt angegeben, zu weffm Gunsten die E. zu erfolgen hat. In der Regel geschieht die 6. zu Gunsten deS FiSkuS, der, sobald da» Urtheil rechtskräftig geworden, einen Anspruch auf E. der betreffenden Gegen­ stände erlangt. Ausnahmsweise hat der FiSkuS die eingezogenen Gegenstände an eine Armenanstalt abzugeben oder, vielfach vorkommend, zu vernichten oder un­ brauchbar zu machen. DaS letztere findet besonders statt bei strasbaren Hand­ lungen, die durch Schriften, Abbildungen oder Darstellungen verübt werden. In solchen Fällen find alle Exemplare, die fich im Besitze deS VerfafferS, Druckers, Herausgebers, Verlegers oder Buchhändlers befinden, öffentlich auSgelegt oder ange­ boten find, und die dazu verwendeten Platten und Formen unbrauchbar zu machen. Ist nur ein Theil der Schrift rc. strafbar, so soll, wenn eS möglich ist, nur dieser allein unbrauchbar gemacht werden. Das bei der E. zu beobachtende Verfahren ist jetzt in der StrafPO. §§ 477 bis 479 folgendermaßen geregelt: Der Antrag auf E. ist, sofern nicht die Ent­ scheidung in Verbindung mit einem Urtheile in der Hauptsache erfolgt, bei dem Gerichte zu stellen, welches für den Fall der Verfolgung einer bestimmten Person zuständig sein würde. An Stelle des Schwurgerichts tritt die Strafkammer. Der Antrag, der im Wesentlichen den Erfordernissen einer Anllagefchrift entsprechen muß, ist von der Staatsanwaltschaft oder dem Privatkläger zu stellen. Zu der Hauptverhandlung find auch die Personen zu laden, welche einen rechtlichen An­ spruch auf den Gegenstand der E. haben. Sie können fich durch einen mit schrift­ licher Vollmacht versehenen Vertheidiger vertreten laffen und in dem Verfahren die dem Angellagten zusiehenden Besugniffe ausüben. Ihr Nichterscheinen ist einflußlos. DaS Urtheil lautet entweder auf E. oder auf Abweisung des Antrages. Gegen

das Urtheil können, abgesehen von der Staatsanwaltschaft und dem PrivatklLger, auch die vorher erwähnten Personen Rechtsmittel einlegen, gleichviel ob sie ihren Anspruch in der ersten Instanz geltend gemacht haben oder nicht. 68 ist dies nur für die Berechnung der Einlegungsfristen von Wichtigkeit. Lit.: Heinze in Goltdammer'S Arch., Bd. V. S. 166 ff. — Goltdammer ebendaf., Bd. IX. S. 730 ff.; Bd.XIV. S. 96 ff.; Bd. XVIIL S. 604 ff. — v. Schwarze in feinem Kommentar, (4. Aufl.) S. 83 ff. — Waylberg in v. Holtzendorff'S Handb. deS Deutsch. Strafr., Bd. TL S. 512 ffj Derselbe, Kriminal- u. nationalökonomische Gesichtspunkte mit Rücksicht auf das Deutsche RStrafr. (1872), S. 138 ff. — Haus, Principes gönöraux du droit pönal beige (2. öd.), T. TL no. 733—745. — StooS, Jur Ratnr der BermögenSstrafen, Bern 1878. — v. Buri im Gerichtssaal, Bd. XXX. (18/8) S. 242 ff. — Binding. Grundriß zur Dorlesuna über gem. Deutsch. Strafr. (2. Anfl.), L § 83. — Außerdem die Kommentare zn dem StrafGB. und der StrasPO. von Oppenhoff, v. Schwarze, OlShausen und Löwe. — MeveS in v. Holtzendorff'S Handb. des Deutsch. Strafprz-R., Bd. H. (1879) S. 458 ff. D 0 ch 0 w.

Eise»bah«-esetz-eb»>»G. Einleitung. 1) Die Frage, ob die Anlage und der Betrieb von Eisenbahnen besser in den Händen deS Staat» oder von Privatpersonen (Aktiengesellschaften) fich befinden, ist in den verschiedenen Ländern und in den verschiedenen Zeiten nach den BÄürfnifsen de» Verkehr», nach den An­ schauungen von den Zwecken und Aufgaben de» Staat» hinsichtlich der virthfchastlichen Verhältnisse und nach sonstigen Stückfichten sehr verschiedm beantwortet. Ja Preußen insbesondere ist in früherer Zeit da» Privatbahnshstem vorzugsweise des­ halb zur Herrschaft gelangt, weil die Verordnung vom 17. Januar 1820 die Kontrahirung vou Staatsschulden an die BewMgung und Mtgarantie einer künf­ tigen reichsständischen Versammlung gebunden hatte, zu beten Berufung man gerade in dm letzten Regierungsjahren Fredrich Wilhelm'» HI., wo die Entscheidung ge­ troffen werden mutzte, nicht geneigt war. Demgemäß find gerade die lukrativm Strecken in Privathände gerathen, im Gegensatz zu dm meisten anderen Deutschm Ländem und im Widerspmch mit dem gerade in Preußm besonders energischen Staatsgedanken, und hat ein Bau und Betrieb des Staat» erst begonnen, al» e» fich um Bahnen handelte, sür welche da» Privatkapital nicht zu gewinnm war, wie denn die Berufung de» ersten Bereinigtm Landtag» mit dem projektirten Bau der Ostbahn in ursachlichem Zusammmhaug« steht. Seit dem Eintritt der konstitutionellen Aera hat fich dann da» Staatsbahnsystem nammtlich durch dm Bau weiterer Linien in den östlichen LandeStheilm, außerdem durch die Uebernahme von Privatbahnm in Staatsverwaltung, wodurch die angebliche Unfähigkeit de» Staat» zu derartigen Unternehmungen glänzend widerlegt wird, endlich auch durch die Einverleibung der neuen noch mit Staatsbahnen versehenen Landestheile immer mehr entwickelt, wonebm übrigens da» System der staatlichm Zinfmgarantie von Privatbahnen fich erhielt. Erst in neuester Zeit hat man da» sog. gemischte System prinzipiell aufgegeben und ist zu einem planmäßigen Erwerbe der wichtigsten Privatbahnen geschritten, indem namentlich durch da» Gesetz vom 20. Dezbr. 1879 die Berlin-Stettiner, Halberstadt-Magdeburger, Hannover-Altenbekener und KölnMindener Eisenbahnen und durch da» Gesetz vom 14. Februar 1880 die BerlinPotSdam-Magdeburger und die Stheinifche Bahn, mdlich durch Gesetz vom 7. März 1880 die im großherzoglich Hessischen Gebiete telegene Strecke der Main-WeserBahn erworben find. Auch in den übrigen Dmtschen Ländem hat man den StaatSbefih möglichst zu kompletiren gesucht. DaS Reich ist nicht blos durch Art. 41 der RBerf. int Allgemeinen ermäch­ tigt worden, wmigsten» solche Eisenbahnen, die im Jntereffe der Vertheidigung Deutschland» oder im Jntereffe de» gemeinsamen Verkehrs sür nothwendig erachtet werden, kraft eine» Reichsgesetze» für Rechnung deS Reichs anzulegen, fondem ist auch wirklich bereits in den Befitz eigener Eismbahnen gelangt. Nachdem nämlich schon die RBerf. selbst in Art. 41 .die Anlegung von Eisenbahnen aus Rechnung deS Reichs in» Auge gefaßt hatte, so find durch die drei Zufähartikel zum Frank-

664 futter Frieden vom 10. Mai 1871 die vormatt der Französischen Ostbahn geHSttgen Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen an das Reich abgetreten. Aus Reichs­ mitteln angeschafft, indem der Kaufpreis von 825 Mill. Francs auf die Franzö­ sische Kriegsentschädigung in Abzug gttncacht wurde, und auS Reichsmitteln meliorirt, sowol dnrch Ausrüstung der vorhandene« Bahnstrecken, als auch durch ErWeiterung deS BahnnrtzeS (RGes. vom 14. Juni und 22. Rovbr. 1871, vom 15. Juni 1872 und vom 18. Juni 1873) find diese Bahnen wahres Reichseigenthum (ReichSstnanzvermögen, ReichSdomänen), nicht aber Eigenthum des Reichs­ lande- Elsaß-Lothringen, wie denn auch die Einnahmen und Ausgaben dieser Bahnen aus dem ReichShauShaltSttat, nicht aber aus dem LandeShauShaltSetat von Elsaß-Lothringen stehen. (Bgl. darüber Lab and, DaS Finanzrecht deS Deutschen Reichs, in Hitth'S Annalen, 1873, S. 414; Wagner, Reichsfinanz­ wesen, in v. Holtzendorff'S Jahrb., Bd. I. [1871] S. 625 ff.; Fischer, Die VerkehrSanstalten deS Reichs, in v. Holhendorff'S Jahrb., Bd. I. [1871] E. 409 ff., Bd. II. [1873] S. 211 ff.) Ueber das Verhältniß de« Reich« zur WilhelmLuxemburg-Eisenbahn vgl. Meier, StaatSverttäge, S. 317 ff., über den Pachtvettrag wegen der Lothringischen Bahnen, S. 88 ff. 2) Jedenfalls kann kein Zweifel darüber bestehen, daß wie auch die Frage der Privat- und Staatseisenbahnen entschieden werden mag, unter allen Umständen eine staatliche Einwirkung auf da» Eisenbahnwesen stattzufinden hat. Eine solche Einwirkung liegt im Wesen de« Staat« und ist nur die neue Anwendung längst anerkannter Grundsätze, wonach der Staat im Jntereffe der allgemeinen Wohlfahrt, de« Handels und Verkehr«, über alle in seinem Gebiete belegenen öffentlichen Straßen und Transportanstalten — und die Eisenbahnen find eine Mischung von öffmtlichen Straßen und Transpottanstalten — eine Oberherrschaft auSübt. Die gesetzliche Grundlage für die Handhabung dieser Eisenbahnhoheit im Preußischen Staate bildet daS Gesetz vom 3. Rovbr. 1838, betreffend die Eisen­ bahnunternehmungen. Daffelbe ist auf einzelnen Punkten durch spätere Normen modifizirt und ergänzt worden, insbesondere durch daS Gesetz vom 9. Rovbr. 1848 über die Aktiengesellschaften (namentlich in Bezug aus Form und Inhalt deS Statutenentwurfs); ferner durch da« HGB., endlich durch daS Gesetz vom 3. Mai 1869, betreffend den Zusatz zu § 25 des Gesetzes über die Eisenbahnunternehmungen. Eine weitere Ergänzung hat da» Gesetz vom 3. Rovbr. 1838 in vielen Beziehungen im Wege der KonzesfionSbedingungen erfahren. Daffelbe ist dann zwar auf Hohenzollern nicht ausgedehnt — vielmehr hat für diese« Gebiet daS Gesetz vom 1. Mai 1865 die Anlage von Eisenbahnen besonders geregelt —, dagegen durch die Ver­ ordnung vom 17. August 1867, mit Ausnahme der Bestimmungen über das ExproPriationSrecht, und mit Ausnahme der durch die spätere Landes- oder durch die Bundesgesetzgebung bereits beseitigten Normen, in die 1866 neu erworbenen Landes­ theile eingesühtt. Eine sehr tief greifende Umgestaltung ist aber der gesammten Preußischen E. durch die Verfassung und Gesetzgebung de» Norddeutschen Bundes und de» Deutschen Reiches zu Theil geworden. Nach den übereinstimmenden Festsetzungen der Nord­ deutschen BundeSversaffung und der Deutschen RVerf. ist daS Eisenbahnwesen der Beaufsichtigung und der Gesetzgebung de» Reich» unterworfen (Att. 4 Nr. 8). Es ist daS freilich nicht so zu verstehen, al» ob da» Reich hinfort die ausschließliche Gesetzgebung auf dem Gebiete deS Eisenbahnwesens auSübe, eS ist vielmehr den Einzelstaaten zunächst eine konkurrirende Gesetzgebungsgewalt belaffen, jedoch selbstverständlich mit der Einschränkung, daß die Reichsgesetze den LandeSgesetzen Vor­ gehen. ES enthält nun aber bereits die RVerf. selbst, wöttlich gleichlautend, wie früher die Norddeutsche BundeSversaffung, in den Att. 41—47 sehr eingehende Be­ stimmungen, die sämmtlich darauf auSgehen, daS Eisenbahnwesen als Reichsverkehrsanstatt in möglichster Einheitlichkeit zu gestalten. Diese Bestimmungen der RVerf.

finden nun allerdings auf Bayern in der Hauptsache keine Anwendung. ES ist zwar dem Reiche auch Bayern gegenüber in Art. 46 Al. 3 ausdrücklich daS Recht gewahrt worden, im Wege der Gesetzgebung einheitliche Normen für die Konstruktion und Ausrüstung der für die Lände-vertheidigung wichtigen Eisenbahnen auszustellen; eS hat ferner auch Bayem den Anforderungen der Behörden de- Reich- in Betreff der Benutzung der Eifenbahnen zum Zweck der Vertheidigung Deutschland- Folge zu leisten, insbesondere ist da- Militär und alle- Kriegsmaterial zu gleichen er­ mäßigten Sätzen zu befördern (Art. 47), eS können endlich auch gegm den Wider­ spruch Bayern- Eifeabahum, welche im Jntereffe der Vertheidigung Deutschland­ oder im Jutereffe de- gemeinsamen Verkehr- für nothwendig erachtet werden, krast eine- Reich-gesetze- in Bayern entweder für Rechnung de- Reich- angelegt, oder reich-seitig kouzesfionirt werden (Art. 41). Aber abgesehen von solchen wesentlich militärischen Geficht-punkten ist di« Souveräaetät Bayern- in Eifeubahnangelegeuheiten durch den Beitritt zum Reiche nicht gemindert worden; Bayem hat mithin nicht die Verpflichtung übernommen, die Eisenbahnen im Jntereffe de- allgemeinen Verkehr- wie ein einheitliche- Retz zu verwalten (Art. 42) , übereinstimmende Be»

triÄSeinrichtungen zu treffm, insbesondere gleiche Bahnpolizetreglemmt» einzusühren (Art. 43), die für dm durchgehendm Verkehr nnd zur Herstellung ineinander grei­ fender Fahrpläne nöthigm Personenzüge mit mtsprechender Fahrgeschwindigkeit, de-gleichm die zur Bewältigung de- Güterverkehr- nöthigm Güterzüge einzuführen (Art. 44), die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife herbeizuführm (Art. 45), endlich bei eintretmdm Nothständen einen niedrigen Spezialtarif einzu­ führen (Vertrag mit Bayem vom 23. Novbr. 1870, Art. m. § 3). Dagegen ist in Elsaß-Lothringen der betreffende Abschnitt der RBerf. bereit» seit dem 1. Jan. 1872 eingesührt worden. DaS in der RBerf. selbst enthaltene Eismbahnrecht hat auch schon auf dem Wege der Reichtzgesetzgebung «ine mehrfache Fortbildung et» fahren. DaS Norddeutsche BundeSgesetz vom 11. Juni 1870, betreffend die Kom­ manditgesellschaften aus Aktim und die Aktiengesellschaftm, welche» diese Gesell­ schaften von staatlicher Genehmigung und Beaufsichtig«»- befreit, ist zwar deshalb auf Eismbahngrsellschastm imGauzen unanwmdbar, weil diejmigm lande-gesetz­ lichen Vorschriften aufrecht erhaltm werdm, nach welchm der Gegenstand de» UntemehmenS der staatlichm Genehmigung bedarf und da» llntemehmm der staat» lichm Beauffichtigung unterliegt; e» wücken wenigsten» nur diejenigen Bestim­ mungen der Prmß. LandeSgefetze oder KonzeffionSurkunden davon getroffm werdm, welche eine staatliche Beauffichtigung anordnm, die fich nicht auf dm Gegmstand deS UntemehmenS bezieht (vgl. Keyßner, Die Aktiengesellschaften und die Kom» manditgesrllschaftm auf Aktien unter dem Reich-gesetz vom 11. Juni 1870). Ferner gehört hierher da» Reich-gesetz vom 7. Juni 1871, betreffend die Verbind­ lichkeit zu Schadenersatz sür die bei dem Betriebe der Eisenbahnen rc. herbeigeführtm Tödtuagen und Körperverletzungen. Endlich ist von größter Bedeutung da» ReichS» gesetz vom 27. Juni 1873, betreffend die Errichtung eine» ReichSeisenbahnamte». Dagegen ist eS bisher zu einem umfaffenden Reich-gesetze über da- Eisenbahnwesen zur Verwirklichung der in der RBerf. enthaltenm Bestimmungen, insbesondere zum Zwecke der Einführung gleichmäßiger Gmndsätze für die Konzesfionimng, den Bau und dm Betrieb der Eisenbahnen, ungeachtet mehrfacher auf den Erlaß eine» solchen Gesetze- gerichteter Anträge, nicht gekommen. I. Die Anlage. Die staatliche Konzesfionimng zerfällt nach Preuß. R. in drei verschiedene Akte. Der erste derselben ist die landesherrliche Genehmigung deS UntemehmenS im Allgemeinen; diese ist abhängig von einer Prüfung der Nütz­ lichkeit, der technischen Ausführbarkeit, der Zulänglichkeit der angmommenm Kosten, der lande-polizeilichen Rücksichten, der entgegenstehmdm etwaigen Privat­ gerechtsame, der partikulären Jntereffe», der Solidität der Unternehmer, deS ZufammeahangS mit dem Eifmbahnfysteme überhaupt; die Prüfung erfolgt auf Smnd

666 der dem KonzeffionSantrage beigesügtm PlSae und sonstigen Vorlagen auf Beran» lassung d«S Handel-minister«. jetzt de« Ministe« für die öffentlichen Arbeiten, zu­ nächst durch die Provinzialbehörden (Oberpräsident und Regierungen), dann durch da» gesammte Staatsministerium; die königliche Genehmigung umfaßt die Bildung einer Gesellschaft behnfS Ausführung des Unternehmens mit einem bestimmten Aktienkapital, die Ausführung deS Baue» nach erfolgter Bestätigung de» GesellfchaftSstatut» und die Anwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen über Expropriationen auf da» genehmigte Unternehmen (Jnstr. vom 30. Rovbr. 1838; v. Kamptz, Annalen, XXII. 210). Der zweite Akt ist die landesherrliche Be­ stätigung de» unter den Aktienzeichnern vereinbarten Statuts; bis dahin bestimmen sich die Derhältniffe der Gesellschaft und ihrer Vertreter nach den allgemeinen gesetzlichen Borschristen über Gesellschaft»- und Mandatsverträge; durch die Bestä­ tigung de» Statut» werden der Gesellschaft die Rechte einer Korporation oder einer anonymen Gesellschaft ertheilt; die Genehmigung de» Statuts ist abhängig von dem Nachweise de» gezeichneten Aktienkapital» und von der wesentlichen Feststellung de» Bauplan». Ueber die Form und den Inhalt de» Statutenentwurfs, insbesondere aber die Rechte und Pflichten deS Vorstande» und über die Auflösung der Gesell­ schaft, vgl. da» Gesetz vom 9. Rovbr. 1843 über die Aktiengesell­ schaften, da die Aktiengesellschaften die einzigen Privateisenbahnunternehmer find. Für Handelsgesellschaften ist zwar an Stelle dieses Gesetzes das HGB. und die Bestimmung des Art. 12 des Einführungsgesetzes vom 24. Mai 1861 getreten, und durch Gesetz vom 15. Febr. 1864 find die Vorschriften des HGB. über die Handelsaktiengesellschaften mit gewiffen Modifikationen auch auf alle anderen Aktiengesellschaften ausgedehnt, doch bleiben die Eisenbahngesellschaften trotzdem als Aorporationen bestehen. Die Publikation der Konzesfionsurkunde sowie der Statuten erfolgte früher durch die Gesetzsammlung, seit dem Gesetze vom 10. April 1872 aber durch die Amtsblätter, in der Weise, daß nur eine Anzeige von dem verkündeten Erlassem die Gesetzsammlung ausgenommen wird. Der dritte Akt ist die Genehmi­ gung der Bahnlinie in ihrer vollständigen Durchführung durch alle Zwischenpunkte, der Konstruktion der Bahn und der anzuwendenden Fahrzeuge; diese erfolgt durch den Handelsminister, jetzt den Minister für die öffentlichen Arbeiten. Dieser hat auch nach vorgängiger Vernehmung der Gesellschaft die Fristen zu bestimmen, in welchen die Anlage fortschreiten und vollendet werden soll, und kann für deren Einhaltung sich Bürgschaften bestellen laffen. Im Falle der Nichtvollendung binnen bet' bestimmten Zeit bleibt Vorbehalten, die Anlage, so wie fie liegt, für Rechnung der Gesellschaft unter der Bedingung zur öffentlichen Versteigerung zu bringen, daß dieselbe von den Ankäufern auSgeführt werde. Es muß jedoch dem Anträge auf Versteigerung die Bestimmung einer schließlichen Frist von sechs Monaten zur Vollendung der Bahn vorangehen (Preuß. Ges. §§ 1, 3, 4, 21). Der dem Preuß. Landtage im November 1873 vorgelegte Bericht der zur Untersuchung deS EisenbahnkonzesfionSwesens .eingesetzten Spezialkommission enthält auf 193 Druckseiten eine Darstellung der Entstehung von 26 Eisenbahnen, gut­ achtliche Aeußerungen über Vorarbeiten, KonzesfionSversahren, Eisenbahnaktiengesellschaften, Aufficht de» Staat», sowie die Formulirung der Mißstände und Vorschläge. Der letztere Abschnitt ist abgedruckt in Hirth'S Annalen, Jahrg. 1874, S. 359 ff. Der staatlichen Konzesfionirung ist jetzt eine Konzefsionirung durch daS Deutsche Reich an die Seite getreten. Dieselbe erfolgt jedoch nicht seitens der Exekutive, sondern nur kraft eine» ReichsgeseheS, welches sich namentlich auch auf die Ver­ leihung des Expropriationsrechts erstrecken soll; dieselbe bezieht sich jedoch nur auf Eisenbahnen, welche im Jntereffe der Vertheidigung des Bundesgebiets oder im Jntereffe des gemeinsamen Verkehrs für nothwendig erachtet werden, — wa» freilich sehr vieldeutig ist; dieselbe kann unter dieser Voraussetzung auch gegen den Wider­ spruch der Bundesglieder, deren Gebiet durchschnitten wird, aber unbeschadet der

üklMixtdciiidniM.

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Landeshoheitsrechte, ertheilt werd«; auch steht eS dem Reiche frei, solche Lahnen auf eigene Rechnung anzulegen (RBerf. Art. 41). II. Der Betrieb. 1) Der Betrieb im Allgemeinen. Rach bett Preußischen Bestimmungen darf die Bahn dem Verkehre nicht eher eröffnet werden, als bis nach vorgängiger Revision der Anlage von der Regierung (nach § 167 deS Komp.-Gef. von dem Handelsminister, jetzt Minister für die öffentlichen Ar­ beiten) die Genehmigung dazu ertheilt ist. Die Handhabung der Bahnpolizei wird nach einem darüber von dem Handelsminister zn erlaßenden Reglement, welches zugleich daS Verhältniß der mit diesem Geschäft beaustragten Beamten näher fest­ setzt, der Gesellschaft übertragen. Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Bahn nebst den Transportanstalten fortwährend in solche« Stande zn erhalten, daß die Be­ förderung mit Sicherheit und auf die der Bestimmung deS Unternehmens ent­ sprechende Weise erfolgen könne; fie kann hierzu im BerwaltungSwege ungehalten werden (Preuß. Gesetz §§ 22 ff.). Die RBerf. hat außerdem den Regierungen die Pflicht auserlegt, die im Bundesgebiete belegenen Eisenbahnen im Interesse deS all­ gemeinen BerkehrS wie ein einheitliches Retz zu verwalte» und zu diesem Behuf auch die neu herzuflellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und auSrüsten zu laffen. ES sollen demgemäß in thunlichster Beschleunigung übereinstim­ mende Betriebseinrichtungen getroffen, insbesondere gleiche Bahnpolizeireglements eingeführt werden. DaS Reich hat dafür Sorge zu tragen, daß die Eisenbahn­ verwaltungen die Bahnen jederzett in einem die nöthige Sicherheit gewährenden baulichen Zustande erhalten und dieselben mit Betriebsmaterial so auSrüsten, wie daS Verkehrsbedürfniß eS erheischt. Die Eisenbahnverwaltnngen find endlich ver­ pflichtet, die für den durchgehenden Verkehr und zur Herstellung ineinander greifender Fahrpläne nöthigen Personenzüge mit entsprechender Fahrgeschwindigkeit, desgleichen die zur Bewältigung deS Güterverkehrs nöthigen Güterzüge einzuführen, auch direfte Expeditionen im Personen- und Güterverkehr unter Gestattung des Hebetgang# der Transportmittel von einer Bahn auf die andere, gegen die übliche Ver­ gütung einzurichten (RBerf. Art. 42—44). — In Ausführung deS Art., 48 der Verfassung deS Norddeutschen Bundes war seitens deS BnndeSrathS bereits unter dem 8. Juni 1870 ein Bahnpolizeireglement erlassen (B.G.Bl. S. 461 ff.) und unter dem 29. Dezbr. 1871 mit einigen Abänderungen auf Südheffen, Baden, Württemberg und Elsaß-Lothringen (nicht auf Bayern) ausgedehnt worden (R.G.Bl. 1872, S. 34 ff.), an dessen Stelle dann da» jetzt gültige Bahnpolizeireglement vom 4. Januar 1875 (Eentralbl. S. 57 ff.) getreten ist, welches auf alle Eisenbahnm sich bezieht. Daffelbe handelt über den Zustand, die Unterhaltung und Bewachung der Bahn; über Einrichtung und Zustand der Betriebsmittel; über Einrichtung und Maßregeln für die Handhabung de» Betriebes; über da» Publi­ kum ; über Bahnpolizeibeamte. DaS Bahnpolizeireglement enthält also z. B. Vor­ schriften über Weichenstellungen, Einfriedigungen, Beschaffenheit der Lokomotiven und Wagen, der Bremsvorrichtungen, über Fahrgeschwindigkeit, Signale, Betreten deS Bahnkörpers, Tabakrauchen rc. Die Borschriften reproduziren eigentlich nur die früheren Preußischen Bestimmungen. 2) DaS Tarifwesen. Um da» natürliche Monopol, welche» den (Eifenbahnunternehmern auS der Berbindung des Eigenthums an einer öffentlichen Straße mit dem ausschließlichen TranSportgefchäfte auf derselben nothwendig erwächst, unschädlich zu machen, und eine freie Konkurrenz zur Regelung der Preise, ins­ besondere für den Transport der Güter möglichst herzustellen, hatte daS Preußische Eisenbahngesetz von 1838 den theoretisch durchaus richtigen Gedanken gehabt, diese Funktionen von einander zu trennen, indem der Handelsminister ermächtigt wurde, nach Ablauf der drei ersten Jahre zum Transportbetriebe auf der Bahn außer der Gesellschaft selbst auch Andere gegen Entrichtung deS Bahngeldes, deffen Be­ trag die Kosten der Unterhaltung und BerwaUung der Bahn nebst Zubehör , den

668 Reservefonds, die der Gesellschaft obliegenden Lasten und einen entsprechenden Rein­ ertrag an Zinsen und Gewinn de» ans die Bah« verwendeten Anlagekapital» Mm sollte, noch Prüfung aller Verhältnisse zu konzesfionireu., Da aber diese» System trotz mancher noch neuerding» darauf gerichtetrn Bestrebungen niemal» eine praktisch« Bedeutung erlangt hat, so ist man staatlicherseit» darauf beschränkt gewesen, die Tarifirung für Personrn- und Gütertransport mit Rücksicht auf den Reinertrag gewissen Beschränkungen zu unterwersen (Preuß. Gesetz §§ 26—35). —

Die RBers. hat neuerding» dem Bunde die Kontrole über da» Tarifwesen all­ gemein beigelegt, mit der besonderen Bestimmung, dahin zu wirkm, daß baldigst auf dm Eisenbahnen im Bundesgebiete übereinstimmende Betriebsreglements ein­ geführt werden, daß die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife erzielt, insbesondere daß bei größeren Entfernungen für dm Transport gewisser Rohprodukte (Kohlen, Koak», Holz, Erze, Steine, Salz, Roheisen rc.) ein dem Bedürfniß der Landwirthfchaft und Industrie entsprechender ermäßigter Tarif, und zwar zunächst thunlichst der Einpfennig-Tarif eingeführt werde, daß endlich bei eintretrnden Nothständen, inSbefondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebens­ mittel für den Transport namentlich von Getreide, Mehl, Hülfenfrüchten und Kar­ toffeln, zeitweise ein ermäßigter, von dem Kaiser aus Vorschlag de» betreffenden BundeSrathsauSschufseS festzustellender Spezialtarif einzuführen fei, welcher jedoch nicht unter den niedrigsten auf' der betreffrnden Bahn für Rohprodukte geltenden

Satz herabgehrn darf (RBerf. Art. 45, 46). In Ausführung de» Art. 45 der Berfaffung des Norddeutschen Bunde» war feiten» de» BundeSrath« bereit» unter dem 10. Juni 1870 ein Betriebsreglement erlassen (B.G.Bl. S. 419), unter dem 22. Dezbr. 1871 mit einigen Abänderungen auf Südheffen, Baden, Württemberg und Elsaß-Lothringen ausgedehnt worden (R.G.Bl. S. 473) und unter dem 5. August 1872 nachmal», wenn auch nur in untergeordneter Beziehung modistzirt worden (R.G.Bl. S. 360), an dessen Stelle dann da» jetzt gültige Be­ triebsreglement vom 11. Mai 1874 getreten ist (Centralbl. S. 179 ff., vgl. R.G.Bl. S. 84), welche» auf alle Eisenbahnen Deutschland» sich bezieht. Daffelbe handelt über die Beförderung von Personen, Reisegepäck, Leichen, Fahrzeugen und Thieren sowie von Gütern, enthält also z. B. Vorschriften über Fahrpläne, Billetverkauf, Anweisung der Plätze, Wartesäle, Billetkontrole, Verspätung oder Unter­ brechung de» Zuge», Mitnahme von Handgepäck, Gepäckscheine, Gepäckträger, Haft­ pflicht für Reisegepäck; über Frachtbriefe, über Gegenstände, die von der Beförde­ rung ausgeschloffen find, Lieferungszeit, Lagergeld rc. Diese Vorschriften reprodu» zirrn im Wesentlichen die Bestimmungen de» Reglement» de» Verein» Deutscher Eifenbahnverwaltungen. Bestimmungen über die Höhe der Frachtsätze find übrigen» in dem Betriebsreglement nicht enthalten. In dieser Hinsicht besteht zwar auf Grund des BundeSrathSbeschluffe» vom Dezember 1876 eine gemeinsame, auf Ver­ ständigung der Deutschen Staats- und Privateisenbahnrn herbeigeführte, in einer durchschnittlichen Erhöhung der Tarife bestehende, aber bi» zur Stunde noch keine reichsmäßige Regulirung. 3) Die Ersatzpflicht. Die Normen de» Gemeinen R. waren deshalb so unvollkommen, weil die Eismbahnrn al» solche in ihrer Eigenschaft al» juristische Personen nicht selbst au» Delikten verbindlich wurden, und für die Delikte Dritter nut bei culpa in eligendo hafteten, die aber nachgewiefen werden mußte, so daß also in der Regel nur derjenige Bahnwärter oder Lokomotivführer haftbar war, der den Schaden angerichtet hatte, und weil sogar eine Haftung dieser Personen von dem Beweise abhängig war, daß der Schaden durch ihre Schuld wirklich ent« standen sei. Der § 25 de» Preußischen Eifenbahngesetze» von 1838 hat nun bereits in sehr weitgehender Weise den durch die eigenthümliche Natur de» Eisenbahn­ betriebs hervorgerufenen Bedürfniffen Rechnung getragen, da der Grundsatz auf­ gestellt wurde, nicht nur daß die Gesellschaften al» solche für den bei der Beför-

berueg auf der Bahn an den beförderten Personen und Gütern oder auch an an­

dere» Personen und deren Sachen entstehenden Schaden ersatzpflichtig seien, sondern auch, daß sie sich von dieser Ersatzpflicht einzig durch den EinredÄeweiS befreien könnten, daß der Schaden entweder durch eigene Schuld de- Beschädigten oder durch einen unabwendbaren äußeren Zufall bewirkt sei, al- welcher jedoch die gefährlich« Natur der Unternehmung selbst nicht betrachtet werde« kann. Mit dieser Ausdehnung der Haftpflicht stimmte da- HGB. Tit. V Abfch. 1 insofern Überein, als eS sich um die Beförderung von Gütern handelte, so daß also die Preußischen Grundsätze hinfichtlich des BeäusteS und der Beschädigung deS Frachtgutes nunmehr für ganz

Deutschland galten und zwar feit dem NGesetz vom 5. Juni 1869 nicht mehr blos als materiell gemeines, sondern als formelles Leich-recht. DaS HGB. geht dann sogar Über den Standpunkt des Preußischen EisenbahngefetzeS insofern hinan-, als eS die

praktisch wichtig« Bestimmung hinzufügte, daß die Eisenbahnen nicht befugt seien, die Anwendung dieser Normen in Bezug auf den Eintritt, Umfang, Dauer der Verpflichtung oder in Bezug der BeweiSlast zu ihrem Vortheil durch Verträge auSzuf^ießen, insbesondere also auch nicht durch die Betriebs» oder Transport­ reglements. Die Preußische Novelle vom 8. Mai 1869 hatte dann weiter ange» otbnet, daß die Eisenbahnen auch nicht befugt feien, die Anwendung derjenigen Ersatzpflicht, die fich auf die Personenbeförderung bezieht, zu ihrem Vortheil durch Verträge auszuschließen oder zu beschränken und daß entgegenstehende Vertrag-» bestimmungm ohne rechtliche Wirkung feien. Endlich ist dann auch für die Ver­ letzung der Personen, sowol für Tödtung al- Körperverletzung, eine reich-rechtliche Regelung durch da- Haftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 herbeigeführt worden, die fich von der früheren Preußischen Gesetzgebung zunächst dadurch unterscheidet, daß die Erfatzverbindlichkeit fich nicht mehr blo- auf denjenigen Schaden bezieht, der „bei der Beförderung auf der Bahn", sondern auch auf denjenigen, der „bei dem

Betriebe einer Bahn" entstanden ist, so daß also unter da- Haftpflichtgesetz nicht blo- alles Dasjenige fällt, was bei der Bewegung der Fahrzeuge, sondern auch, was ohne solche herbeigeführt wird, etwa durch Explosion einer auf dem Perron hallenden Lokomotive, während dagegen der richtigen Ansicht «ach Dasjenige, waS nicht beim Betriebe, sondern bei dem Unternehmen Überhaupt, durch 6t» eignisfe in den Güterschuppen oder in den Maschinenwerkstätten geschieht, nach anderweitigen Grundsätzen, etwa nach denjenigen, die in demselbm Gesetze htn» fichtlich deS Schadenersatzes bei Fabriken ausgestellt find, beurthellt wird. (Die verschiedenartige Behandlung der Eisenbahnen auf der einen, der Bergwerke und Fabriken auf der anderen Seite in dem angeführten Gesetze besteht wesenllich darin, daß bei diesen sonstigen Unternehmungen der Beschädigte oder deffen Erben den Beweis der Schuld zu führen hat, während bei den Eisenbahnen die Beweislast dem Unternehmer obliegt.) Ein weiterer Unterschied deS jetzigen ReichSrechtS vom früheren Preußischen R. besteht dann darin, daß zur prozeffualischen Durchführung solcher Schädenprozesse dem Entwurf« einer Deutschen bürgerlichen Prozeßordnung der in der jetzigen RCPO. definitiv anerkannte Grundsatz entnommen ist, wonach dem Richter die freie Würdigung der Thatsachen, namentlich hinfichtlich der Ver­ schuldung und der Schadenshöhe zusteht, so daß insbesondere Zeugen, Privat­ urkunden, außergerichtliche Geständnisse, Präsumtion ihre frühere formelle Bedeutung verloren haben, und nur noch gerichtlichen Geständnissen, öffentlichen Urkunden und dem Eide insoweit legale Folge gegeben werden soll, als die Lände-gesetze ihnen solche beilegen; die notorische Unzulänglichkeit deS Verfahren- bei Schadensersatz­ klagen hatte übrigens zur Annahme einer Resolution aus Einführung von Ge­ schworenen oder Schöffen für Prozeffe dieser Art in der neuen Deutschen Prozeß­ ordnung geführt. Die Einheit der Rechtsprechung war aber schon vor der Ein­ führung der neuen Gerichtsverfassung insofern gewährleistet, als da- ROHG. bei

allen derartigen Prozeffen in oberster Instanz entschied.

Die wichtige Bestimmung

670 bei § 4, der die Haftpflicht wieder stark reduzirt, kommt für Eisenbahnen weniger m Betracht. Endlich ist nach 8 3 der Umfang der Ersatzletstnng enger begrenzt als früher in Preußen. Übrigen! haben fich die Privateifenbahnen vor erheblichen Verlusten durch wechfelfeitige Versicherung in der Weife geschützt, daß zwar Entschädigungen bis zu 15 000 Mark der betreffenden Gesellschaft allein zur Last fallen, Entschädigungen über 15 000 Mark aber unter stärkerer Heranziehung der zunächst betheiligten Gesellschaft, gemeinschaftlich getragen werden. in. Besondere Rechte und Pflichten der Eisenbahnen. 1) Der Ausschluß von Konkurrenzbahnen- Rach dem Preußischen Gesetze sollte die Anlage einer zweiten Eisenbahn durch andere Unternehmer, welche neben der ersten in gleicher Richtung auf dieselben Orte mit Berührung derselben Haupt­ punkte sortlausen würde, binnen einem Zeitraum von dreißig Jahren nach Er­ öffnung der Bahn nicht zugelaffen werden, vorbehälllich anderweiter Verbefferungen der Kommunikationen zwischen diesen Orten (Preuß. Gesetz § 44). Obgleich nun wegen der engen Begrenzung des Begriffs von Konkurrenzbahnen, der hier aus­ gestellt ist,, ernste Jnkonvenienzen aus dieser Bestimmung kaum hervorgegangen find, so hat doch die ReichSverfaffung alle gesetzlichen Normen, welche bestehenden Eisenbahnunteruehmungen ein Widerspruchsrecht gegen die Anlegung von Konkurrenz­ oder Parallelbahnen einräumen, unbeschadet bereits erworbmer Rechte, für dal ganze Bundesgebiet aufgehoben, mit der Maßgabe, daß ein solches Widerspruchsrecht auch in den künftig zu ertheilenden Konzessionen nicht weiter verliehen werden kann (RBers. Art. 41 al. 3). 2) Die Eisenbahnen und die Post. DaS Preußische Eifenbahngesetz von 1838 beseitigte einerseits zu Gunstm der Eisenbahnen die auS dem Postregal und Postzwange entspringenden Beschränkungen deS Eisenbahnbetriebes, verpflichtete aber audererseitS die Eisenbahnen zum unentgeltlichen Transport der dem Postzwange weiter unterworfenen Gegenstände, so daß diese Verpflichtung der Eisenbahn zu Gunsten der Post keineswegs ein eigentliches fiskalisches Privilegium ist, sondern aus onerosem Titel beruht. Dieselbe ist dann zwar mit der Einschränkung deS Post­ zwangs allmählich eingeschränkt, aber mit dem Uebergange der Post aus das Reich auch aus sämmtliche Staatsbahnen im Verhältniß zur Reichspostverwaltung aus­ gedehnt worden. Und zwar war das Verhältniß der Reichspost zu den Privat­ bahnen durch die ReichSpostgesehe von 1867, § 5 und 1871, § 4 unter Hinweis aus daS Preußische Gesetz von 1838 geregelt, während die Leistungen der Staats­ bahnen für Postsendungen auf bloßem Reglement beruhten, daS unterm 1. Januar 1868, wieder in Anschluß an die früheren Preußischen Bestimmungen, vom Bundesrathe erlaffen war, in der Weise, daß eS nur für einen achtjährigen Zeitraum gelten sollte, so daß daffelbe mit Ablauf von 1875 fein Ende erreichte. ES hätte nun zwar damals dem BundeSrathe freigestanden, daffelbe zu verlängern oder ander­ weitige Normen zu erlaffen, die Schwierigkeiten indeffen, die fich hierbei innerhalb deS Bundesraths zwischen den mit Staatsbahnen betheiligten Regierungen und den anderen erhoben, haben zur Folge gehabt, daß eine Mitwirkung des Reichstags veranlaßt und die Materie also durch Gesetz geregelt worden ist. Gleichzeitig wurde nun aber auch daö Verhältniß zu den Privatbahnen geregelt. Auf diese Weise ist an Stelle deS Reglements vom 1. Januar 1868 und des 8 4 des ReichSpostgesetzeS vom 28. Ottober 1871 das jetzt gültige sogenannte Posteisenbahn­ gesetz vom 20. Dezember 1875 getreten, zu dem dann unterm 9. Februar 1876 Vollzugsbestimmungen ergangen find. Demgemäß find nun sämmtliche Eisenbahnen gegenüber der Post im Allgemeinen verpflichtet, ihren Betrieb in möglichste Uebereinstimmvng mit den Bedürsniffen,deS Postdienstes zu bringen. Differenzen hierüber unterliegen der Entscheidung deS Bundesraths nach Anhörung sowol der ReichSpostverwaltung als des ReichSeisenbahnamteS. Es steht jedoch von vornherein fest,

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daß die Post die Einlegung besonderer Züge nicht verlangen darf. Im Einzelnen find sodann die Eisenbahnen verpflichtet, zunächst mit jäem regelmäßigen Zuge einen von der Postverwaltung gestellten Postwagen mit dm darin enthaltmm Briesen, Zeitungen, Geldern, Packetm biS 10 Kilogramm, sowie den dienstthuenden Postbeamten unentgeltlich zu befördern, so daß also die unentgeltliche Beförderungs­ pflicht keineswegs auf die Gegenstände des Postmonopols beschränk ist. Zugleich

ist nachgelafien wordm, daß bei Eilzügm, deren Fahrzeit besonders kurz bemessen ist, die Mitbesörderung von Packetm ausgeschlossen werdm kann. Sodann find die Eisenbahnen weiter- verpflichtet, gegen Vergütung der Post weitere Wagm zu stellm (Packwagm). Endlich müffm fie bei Errichtung neuer Bahnhöfe die für die Post erforderlichen Diensträume und Beamtmwohnuugm gegen Entschädigung beschaffen. Die Haftpflicht der Eismbahnm für die aus denselben während deS DimsteS be­ schädigten oder getödtetm Postbeamten ist in einer von dm sonstigen Grundsätzen, und auch von dem früherm Recht, abweichmdm Weife dahin geordnet wordm, daß zwar der beschädigte Beamte selbst oder dessen Erbm ganz nach 1871er Haftpflicht­ gesetz die EntschädigungSfordemng gegen die Bahn geltend machm kann, daß aber der Bahn ein Regreß gegen die Postverwaltung zusteht, der in der prattischen Geltendmachung dadurch sehr erleichtert wird, daß die Post stets regreßpflichtig er­ scheint, wenn fie nicht beweist, daß der Tod oder die Verletzung durch Berschuldm der Bahn herbeigeführt fei. Demgemäß ist also daS sonst bei Eisenbahnunglückm herrschende Prinzip, daß die Eisenbahn die BeweiSlast hat, mit dem bei Fabrikunglückm herrschenden Prinzip vertauscht, wonach der Beschädigte die BeweiSlast hat. Dadurch werden thatsächlich die Entschädigungen in der Regel der Post­ verwaltung aufgebürdet. 3) Die Eisenbahnabgaben. DaS Preußische Gesetz von 1838 hatte die Eisenbahnen von der Gewerbestmer befreit, dagegen die Entrichtung einer Abgabe von dem Reinerträge vorgeschriebm, deren Höhe aber erst dann regulirt toetben sollte, wenn die zweite in Preußen konzesfionirte Eisenbahn drei Jahre in voll­ ständigem Betrieb gewesen, und demgemäß die zur angemessenen Rcgulirung noth­ wendigen Erfahrungen gesammelt feien. Erst durch daS Gesetz vom 30. Mai 1868 bett, die von dm Eisenbahnen zu entrichtende Abgabe ist bieft Regulirung erfolgt. Die Eiseubahnabgabe stuft fich demgemäß nach der Höhe deS in jäem Jahre auf­ kommenden Reinertrags dergestalt ab, daß sie von einem Reinerträge bis einschließlich vier Prozent deS Aktienkapitals ’/io dieses Ertrags beträgt, mit dem höheren Rein­ erträge aber progressiv steigt. Während' nach dem Gesetze von 1853 diese Abgabe behufS Amortisation der in dem Eismbahnuntemehmen angelegten Aktienkapitalim in der Art verwendet werden sollte, daß mittels derselben Stammaktien der bezüg­ lichen Gesellschaft im Wege deS freien Verkehrs angekauft, und die Zinsen und Dividenden, welche auf die Aktim fallen, zu gleichem Zwecke benutzt werdm sollten, so daß also der Staat daS Eigenthum der Privatbahnen auf derm eigene Rechnung erwerben sollte, so ist diese Art der Verwendung durch daS Gesetz vom 21. Mai 1859 ausgehoben, und eS fließt jetzt die Eiseubahnabgabe in dm allgemeium Staatsfonds. UebrigenS unterliegen die Eisenbahnen im Allgemeinen allen denjenigen Ab­ gaben, für welche die Voraussetzungen bei ihnen zutreffm; insbesondere der staat­ lichen Grund» und Gebäudesteuer, da bei diesen Objekt- oder ErtragSsteuem die 3Mott deS Inhabers außer Betracht bleibt. Jedoch bezieht fich dirS thatsächlich nur auf die Privatbahnen, und außerdem find die Schienenwege der Eisenbahnen von der Grundsteuer befreit, gleich den Kunststraßen, Brücken und schiffbaren Ka­ nälen, wmn diese im Eigenthum von Aktiengesellschaften fich befinden. Dagegm find die Lifenbahnm der staatlichen Einkommen- und Klassensteuer überhaupt nicht unterworfen, da diese nut von den Einwohnern deS Staats, unter gewiffen Um­ ständen auch von Ausländem, aber immer nur von phyfischm, niemals von

672 juristischen Personen erhoben wird. Wat sodann die Verpflichtung der Eisenbahnen znr Leistung von Kommunalsteuern betrifft, so gelte« in dieser Hinstcht für Staate» und Privatbahnm dieselben Grundsätze. Demgemäß find selbstredend die Eifenbahnea zu dm kommunalm Grund- und Gchäudcsteuern heranzuziehen; hinsichtlich der Heranziehung der Eiseabahnm zur kommunalm Einkommensteuer aber muß man scheiden. Eine solche ist pofitiv rechtlich statthaft für sämmtliche Städte, für die Landgemeinden der beiden westlichen Provinzm und für die Kreise nach der neuen KreiSordnung. Und zwar findet diese Heranziehung zu dm kommunalen Einkommen­ steuern in der Weise statt, daß daran nicht blöd die Sitze der Direktionm, sondem sämmtliche Orte partizipirm, in deren Kommunalbezirk eine Station errichtet ist. Das steuerpflichtige Objekt besteht im jährlichen Reinerträge des Unternehmens und repartirt sich auf die einzelnm Stationen nach Maßgabe der Bruttoeinnahme aus dem inneren Verkehr. Nun ist es allerdings unleugbar, daß vom eigentlichen Ein­ kommen, wie bei Privat» oder anderen jnristischen Personen, bei Aktiengesellfchastm nicht die Rede sein kann, weil dasjenige, was beim Jahresschluß fich als Rein­ gewinn herauSstellt, im Grunde nur ein durchlaufender Posten ist, der abgesehen etwa von Reservefonds nicht der Gesellschaft als solcher, sondem sofort dm Aktionären gehört, so daß also bei einer Bestmemng des Gesellschaftseinkommens streng genommen eine Doppelbesteuerung zu Ungunstm deS affoziirten Kapitals im Gegensatz zum Kapital der Einzelunternehmungen stattfindet. Wenn trotzdem die Heranziehung der Aktiengesellfchastm al» solcher zur Kommunalsteuer gerechtfertigt erscheint, so liegt da» einerseits darin, daß thatsächlich die Besteueruug de» Gesaminteinkommens die einzige Möglichkeit ist, um daS au» Aktienunternehmungen resultirende Ein­ kommen überhaupt heranzuziehen. Außerdem ist aber die Bestmemng der Aktien­ gesellschaften und namentlich der Eismbahaen, im Interesse der Kommunen, noth­ wendig, weil dm Kommunen unzweifelhaft durch da» Vorhandensein einer Eisenbahn erhebliche Ausgaben erwachsen, und sehr wohl der Fall eintreten könnte, daß kein einziger Aktionär der Kommune angehörte, die Kommunen insbesondere auch dadurch in größte Roth gerathen könnten, tottin etwa eip bisher im Einzelbetrieb befindliches Unternehmen in eine Aktiengesellschaft verwandelt würde, der frühere Befitzer ver» zöge und von den Aktionären kein einziger der Kommune angehörte. 4) Die Eisenbahnen gegenüber der Militärverwaltung. DaS Prmßische Gesetz enthält keine Bestimmungen über die Bedingungen der Benutzung der Eismbahnen für militärische Zwecke. Erst gelegentlich der am 17. November 1848 erfolgten landesherrlichen Bestätigung de» Statut» für die Mederschl-Märk. Eisenbahngesellschast wurden in der Gesetzsammlung, zwar ohne Datum und lleberschrist „allgemeine Bedingungen für die Benutzung der Eisenbahnen für militärische

Zwecke" abgedmckt. Sie legen den Eisenbahnen die Verpflichtung auf, nach dem Verlangen der Militäwerwaltung für die auf der Bahn zu befördernden Transporte von Tmppen, Waffen, Krieg»- und Verpflegungsbedürsniffen rc. nöthigenfallS auch außerordentliche Fahrten einzurichten und alle verfügbaren Transportmittel zur Benutzung zu stellen, auch eine Anzahl von Transportfahrzeugen derartig herzustellen, daß fie zum Transport von Pferden benutzt werden können. Die Vergütung bleibt besonderer Bereinbamng Vorbehalten (Rönne, Wegepolizei, S. 53 ff.). Ein Reglement und eine Jnstmktion vom 1. Mai 1861 enthalten detaillirte Be­ stimmungen über den Eisenbahnmilitärtransport. — Die ReichSversäffung verpflichtet nur ganz allgemein sämmtliche Eisenbahnverwaltungen, den Anforderungen der ReichSbehürdm in Betreff der Benutzung der Eisenbahnen zum Zweck der Ver­ theidigung de» Bundesgebiets unweigerlich Folge zu leisten und insbesondere da» Militär und alle» Kriegsmaterial zu ermäßigten Sätzen zu befördem (Art. 47). Diese Verpflichtung ist näher geregelt durch da» Reich-gesetz über die Kriegsleistungen vom 13. Juni 1873, §§ 28—31. Danach ist jede Eisenbahnverwaltung verpflichtet, die für die Besördemng von Mannschaften und Pferden erforderlichen Ausrüstung»-

fcifetttategtttwetang.

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gegmstLnde ihrer Eisenbahnwagm vorräthig zu haltm; die Beförderung der be­ waffneten Macht und der Kriegsbedürfnisse zu bewirken; ihr Personal und ihr zum Betriebe von Eisenbahnen dienliche- Material herzugeben. Für die Bereithaltung der Ausrüstungsgegenstände der Eisenbahnwagen wird eine Vergütung nicht gewährt. Für die Militärtransporte und die Hergabe von Betriebsmaterial erhalten die Eisenbahnverwaltungen Vergütungen nach Maßgabe eines vom BundeSrathe zu etlaffenden und von Zeit zu Zeit zu revidirenden allgemeinen Tarifs. Die Vergütung für das übrige hergegebene Material wird nach den am Orte und zur Zeit der Leistung bestehenden Durchschnittspreisen auf Grund sachverständiger Schätzung durch vom BundeSrathe bestimmte Behörden festgesetzt. Sämmtliche Vergütungen werden biS nach Eingang, Prüfung und Feststellung der Liquidationen gestundet, und von dem ersten Tage deS auf den Eingang der Liquidation folgenden Monats an mit vier Prozent verzinst. Die Zahlung der festgestellten Beträge und Zinsen erfolgt nach Maßgabe der verfügbaren Mittel. Die Verwaltungen der Eisenbahnen auf dem Kriegsschauplätze selbst, oder in der Nähe deffelben habe« bezüglich deS Bahn­ betriebes den Anorduungeu der Militärbehörde Folge zu leisten. — Für KriegSbefchädigungen und Demolirungen, eS mögen solche vom Feinde ausgehen oder im Jntereffe der Landesvertheidigung veranlaßt werden, kann die Gesellschaft nach dem Preußischen Gesetze keinen Ersatz verlangen (§ 43). 5) Dsr Erwerb der Eisenbahnen durch den Staat. Nach dem Preußischen Gesetze bleibt dem Staate Vorbehalten, das Eigenthum der Bahn mit allem Zubehör gegen vollständige Entschädigung anzukaufen. Dabei soll vorbehaltlich jeder anderweiten, durch gütliches Einvernehmen zu treffenben Regulirung nach folgenden Grundsätzen Verfahren werden. Die Abtretung kann nicht eher als nach Verlauf von 30 Jahren von dem Zeitpunkte der Transporteröffnung an gefordert werdm. ES muß der Gesellschaft die auf die Uebernahme der Bahn gerichtete Ab­ sicht mindestens ein Jahr vor dem zur Uebernahme bestimmte» Zeitpunkte an­ gekündigt werden. Die Entschädigung erfolgt dann in der Weise, daß der Staat an die Gesellschaft den fünfundzwanzigfachen Ertrag derjenigen Dividende bezahlt, welche an sämmtliche Aktionäre im Durchschnitt der letzten fünf Jahre auSgezahlt worden ist. Schulden und Aktivforderungen gehen auf die Staatskasse über. Der Staat erhält daS Eigenthum der Bahn, deS Inventars und des Reservefonds (§ 42). IV. Die Organisation der Behörden. 1) In Preußen bildete die Oberinstanz ursprünglich daS Finanzministerium, seit 1848 das damals errichtete Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, bei dem die Eisenbahn­ angelegenheiten anfangs in der Abtheilung für Bauwesen, seit 1851 in einer eigenen Eisenbahnabtheilung bearbeitet wurden, bis in den letzten Jahren eine Theilung zwischen der Verwaltung der Staatsbahnen und der staatlichen Aussicht über die Privatbahnen herbeigeführt wurde, in der Weise, daß die Bearbeitung der Geschäfte der ersten Kategorie in der zweiten, die der anderen in der fünften Abtheilung des Handelsministeriums erfolgte; schließlich hat dann der Allerh. Erlaß vom 7. August 1878 in Verbindung mit dem Gesetze vom 13. März 1879 den Ueber» gang der Eisenbahnangelegenheiten auf daS Ministerium der öffentlichen Arbeiten bewirkt, dessen zweite Abtheilung nunmehr die Verwaltung der Staatsbahnen be­ sorgt, während die vierte die Aufsicht über die Privatbahnen führt (die erste Ab­ theilung hat die Verwaltung deS Berg», Hütten» und SalinenwefenS, die dritte das Bauwesen). Organe für die Verwaltung des Staatäbahnwesen» find die

Eisenbahndirektionen, die in Folge der Gesetze vom 20. Dezember 1879 und 26. Februar 1880 vermehrt worden find, und die von denselben abgezweigten Eisenbahnkommisfionen oder, wie dieselben neuerdings genannt werden, Eisenbahn­ betriebsämter. Die Sitze der königlichen Eifmbahndirektionen nebst den von ihnen reffortirenden, in Parenthese hinzugefügten EifenbahnbetriebSämtern find demgemäß folgende: 1. Berlin (Berlin 3, Breslau, Görlitz, Halle), 2. Bromberg (Berlin, v. Holtzendorff, Enc. II. Recht-lexikon I.

3. Aufl.

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Schneidemühl, Stolp, Danzig, Königsberg, Thorn, Bromberg, Stettin), 3. Han­ nover (Münster, Dortmund, Paderborn, Hannover, Bremen, Kastel), 4. Frankfnrt a. M. (Berlin, Nordhansen, Wiesbaden, Trier, Saarbrücken, Frankfurt), 5. Elberfeld (Aachen, Düsseldorf, Hagen, Esten, Kastel, Altena), 6. Breslau (BreSlau, Pofen, Glogau, Ratibor, Kattowitz, Reiste). Organe des staatlichen AuffichtSrechtS find die bereits durch § 46 deS Gesetzes vom 3. Rovbr. 1838 eingesetzten Eisenbahnkommiffariate, deren Reffort und SeschSftSverhältniste durch Regulativ des Minister» für Handel rc. vom 24. Nov. 1848 (Minist.-Bl. S. 390) näher bestimmt worden find. 2) Auch im Reiche ist die Verwaltung der eigenen Eisenbahnen von der Wahr­ nehmung der dem Reiche zustehenden AusfichtSrechte geschieden. Für die Verwaltung der Reichseisenbahnen ist durch Allerh. Erlaß vom 27. Mai 1878 (RG Bl. 1879 S. 193) ein besonderes Reichsamt für die Verwaltung der Reichs­ eisenbahnen als eine dem Reichskanzler unmittelbar unterstellte Centralbehörde ein­ gerichtet worden, von der die Generaldirektion von Elsaß-Lothringen zu Straß­ burg reffortirt. Für die dem Reiche zustehenden Auffichtsrechte find beziehungs­ weise der BundeSrath, der BundeSrathSauSschuß für Eisenbahnen, Post und Tele­ graphie, endlich der Reichskanzler kompetent. Der Letztere ließ seine diesfallfigen Befugniste ursprünglich durch daS Reichskanzleramt auSüben, bis dann daS Reichs­ gesetz vom 27. Juni 1873 unter dem Namen deS Reichseisenbahnamtes eine besondere Centralbehörde geschaffen hat, die auS einem Vorfihenden, deffen Stelle gegenwärtig (Juli 1880) unbesetzt ist, und der erforderlichen Zahl von Räthen besteht und dazu bestimmt ist, innerhalb der durch die Berfaffung ge­ ordneten Zuständigkeit des Reiches daS AuffichtSrecht über das Eisenbahnwesen wahrzunehmen, ferner für die Ausführung der in der ReichSversaffung enthaltenen Bestimmungen sowie der sonstigeg aus daS Eisenbahnwesm bezüglichen Gesetze und verfassungsmäßigen Vorschriften Sorge zu tragen, endlich auf Abstellung der in Hinficht auf daö Eisenbahnwesen hervortretenden Mängel und Mißstände hin­ zuwirken. DaS ReichSeisenbahnamt ist demgemäß berechtigt, innerhalb seiner Zuständigkeit über alle Einrichtungen und Maßregeln von Eisenbahnverwaltungen Auskunft zu fordern, oder nach Befinden durch persönliche Kenntnißnahme fich zu unterrichten, und hiernach daS Erforderliche zu veranlaffen, wie denn auch die Anstellung Von ReichSeisenbahnkommiffaren, welche vom ReichSeisenbahnamte ihre Instruktionen empfangen, vorgesehen ist. Das Verfahren des ReichSeisenbahnamteS ist jedoch ein verschiedenes, je nachdem eS fich um Privat­ bahnen, um Staatsbahnen oder um Reichsbahnen handelt. In Bezug auf Privat­ bahnen stehen dem Reichseifenbahnamte zur Durchführung seiner Verfügungen die­ selben Befugniste zu, welche den Aufsichtsbehörden der betreffenden Bundesstaaten beigelegt find; werden in diesem Falle ZwangSmaßregeln erforderlich, so find die Eisenbahn-Aufsichtsbehörden der einzelnen Bundesstaaten gehalten, den deshalb an fie ergehenden Requifitionen zu entsprechen. Handelt eS fich um Staatsbahnen, so greifen die Art. 7 Nr. 3, 17 und 19 der ReichSversaffung Platz; demgemäß bedarf eS zunächst einer kaiserlichen, vom Reichskanzler gegengezeichneten Verfügung, eines BeschluffeS deS Bundesraths über Mängel in der Ausführung derselben, und endlich eines BeschluffeS deS BundeSrathS aus Exekution wegen Nichterfüllung verfaffungSmäßiger Bundespflichten, welche Exekution dann vom Kaiser vollstreckt wird. Endlich den Reichseisenbahnen 'gegenüber wird der Reichskanzler die Verfügungen des ReichSeisenbahnamtes zum Vollzug bringen. Es besteht übrigens noch eine in allen diesen Fällen anwendbare Gewähr dafür, daß die vom ReichSeisenbahnamte ergriffenen Maßregeln in den Gesehen und rechtsgültigen Vorschriften begründet find. Während nämlich sonst daS ReichSeisenbahnamt seine Geschäfte unter Verantwortlichkeit und nach Anweisung deS Reichskanzlers führt, wie denn auch der Vorfitzende zu den­ jenigen Reichsbeamten gehört, die durch kaiserliche Verfügung einstweilig in den

Eisenhalmreglemeuts — Eisenhart.

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Ruhestand versetzt werden können, so ist dagegen für Reklamationen, die auf der angeblichen Ungesetzlichkeit der angegriffenen Maßregel beruhen, insofern ein be­ sonderes Verfahren angeordnet, als das ReichSeifenbahnamt in solchen Fällen nicht nur selbständig und unter eigener Verantwortlichkeit kollegialisch zu beschließen hat, sondern auch durch Zuziehung richterlicher Beamten verstärkt wird. Der Geschäfts­ gang bei diesem durch Richter verstärkten ReichSeisenbahnamte ist in Ausführung deS § 5 Rr. 4 des Gesetzes vom 27. Juni 1873 durch daS vom BundeSrathe erlassene Regulativ vom 5. Januar 1874 (Kentralbl. für daS Deutsche Reich, S. 27) näher geregelt worden. Lit.-. Schmeidler, GeschichtedeS Deutschen Eisenbahnwesens, Leipz. 1871. — Stürmer, Geschichte der Eisenbahnen, Bromb. 1872. — Reyscher, DaS R. deS Staats an de» Eiseubahnen (Ztschr. für Deutsch. Recht, Bd. XIII. [1852] S. 243 ff.).— Beschorner, DaS Deutsche Eisenbahnrecht, Erl. 1858. — Koch, Deutschlands Eisenbahnen, 2 Bde., Marburg 1858— 1860. — v. Rönne, Die Wegepolizei und daS Wegerecht deS Preuß. Staats, BreSl. 1858, S, 4—169; Derselbe, DaS Staat-recht der Prmß. Monarchie, Bd. IL Abth. 2 (1872), S. 461 ff.; Derselbe, Stäatsrecht deS Deutschen Reichs, Bd. L Abth. 1 (1877), S. 314 ff. — Laband, Staatsrecht des Deutschen Reich-, Bd. II. (1878), S. 358 ff.— Förstemanu, Das Preuß. Eisenbahnrecht und die unter besten Schutze entstandenen Eisenbahnunternehmungeu, Berl. 1869. — Fischer, Die Verkehrsaustalteu des Reichs, in v. Holtzeudorff'S Jahro., Bd. I. (1871) S. 412 ff., Bd. II. (1873) S. 212 ff., Bd. IV. (1876) S. 421 ff. — v. Stein, Zur Eisenbahnrechtsbildung, Wien 1872. — Jäger, Die Lehre von den Ersenbahuen aus Grund­ lage des Staat-, München 1865. — v. Mo bl, Polizeiwifsenschaft, 3. Aust. 1866, Bd. IL S. 414 ff.;. Derselbe, Die »«besserten Verkehrseinrichtungen (Staatsrecht, Völkerrecht, Politik, Bd. III. [1869T), S. 614 ff. — v. Stein, Handbuch der DerwaltungSlehre, Stutta. 1870,. S. 208 ff. — Rösler, Lehrbuch deS Deutschen DerwaltungsrechtS, Bd. II. (1873), S. 431 ff- — Rau-Wagner, Lehrbuch der Finanzwissenschast, 7. Aust. 1877, Th. I. S. 525 ff., bes. S. 550—672. — KnieS, Die Elsenbahnen und ihre Wirkungen, Braunschw. 1853.— Sax, Verkehrsmittel, Bd. II., Wien 1879.— Michaelis, DaSMonopol der Eisen­ bahnen, eine Denkschrift des vierten Kongreßes Deutscher Volkswirts, 1862. — Eine Anzahl hierher gehöriger Abhandlungen von Michaelis in Fauchn, D.J.Schr. fürVolkSwirthschast, insbesondere bie HastungSpfllcht und daS natürliche Monopol dn Eisenbahnen (Bd. II. 1868, S. 1 ff); die Differentialtarife der Eisenbahnen (Bd. V. 1864, S. 28 ff.); Eisenbahnaktionäre und Eisenbahniutereffenten (Bd.XIII. 1866, S. 70 ff.); die Eisenbahnen und die Expropriation (Bd. XIII. 1866, S. 146 ff., und Bd. XV. 1866, S. 152 ff. Diese Abhandlungen find jetzt Gesammelt in Michaelis, DolkSwirthschaftliche Schriften, Bd. L 1873, S. 1—234. — terrot, Die Eisenoahnreform, Rostock 1871; Derselbe, Deutsche Eisenbahnpolitik, Bnl. 872. — Vogt, Schweizerische Studien über Eisenbahurecht (Deutsche D.J.Schr., Bd. XXII. 1859, S. 1—63). — Fick, Die Schweizerischen Rechts-Einheitsbestrebungen, insbesondere auf dem Gebiete des Eisenbahnrechts: Beilagehest zu Goldschmidt'-Ztschr. für das aesammte H.R., Bd. XIX. 1874 (daS Schweizerische Eisenoahngesetz vom 23. Dezbr. 1872). — Rüttimann, IIb. (1876), §§ 697 ff. — Cohn, Bundesgesetzgebung der Schweiz, Jena 1879, S. 7—30. — Blumer-Morel, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Bd.II. Abth. 1, Basel 1880, S.36—162. — Schwabe, Studien über das Englische Eisenbahnwesen, Berl. 1871. — Cohn, Unteramgen über die Englische Eisenbahnpolitik, 2 Bde., Leipzig 1874/1875. — v. Kübeck, r vas Amerikanische Eisenbahnwesen, in seinen Reiseskizzen auS den Vereinigten Staaten, Wien 1872. — Block, Dictionnaire v. chemin de fer. — Aucoc, Droit administrativ T. III. (1876), p. 228—712. — Noel, Les rachats des chemins de fer (Revue gen. d’adm. 1878, I. 378 es.). — Revue des deux Mondes, 1878 März. — v. d. Lehen, Die Eisenbahn­ frage in Frankreich (Preuß. Jahrb. 1877 Juli); Derselbe, Die Eifenbahnpolitik deS MinisterFreycinet (Preuß. Jahrb. 1878, Juli). — Meitzen, Der Boden und die tandwirthschastlichen Verhältniße des Preuß. Staates, Bd. IIL (1871), S. 226 ff. — Kletke, Literatur üb« daS Finanzwesen des Preuß. Staates, 3. Aust. 1876, S. 69, 155 ff., 224 ff., 359. Ernst Meier.

Eisenbahnreglements, s. Reglements der Eisenbahnen.

Eisenhart, Johann Friedrich, $ 15. X. 1720 zu Spei«, 1755 ord. Prof, in Helmstadt, t 10. X. 1783. • Schriften: Opusc. jurid. varii argum., Hal. 1774. — Conradi's Grdsätze, d. teutsch. R. in Sprüchwörtern, 1759, von E., 3. Ausl. 1823. — Erzähl, bes. R.händel, Halle 1767— 1777. — Kl. deutsche Schriften (ed. Wedekind), Erf. 1751. — Inst jur. Germ, priv., Hal. 1758, 3. ed. 1775. Lit.: Memoria J. Fr. E. auct. J. C. Wernsdorf, Helmst. 1783. — Franck in d. Allg. Deutsch. Biogr. V. 766. Teichmann.

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«ftMlett - «NelgetW.

Eisenhart, Ernst Ludw. Ang-, Sohn de»Vorigen, s 1762, toutbe 1794 ord. Prof, in Helmstüdt, t 2. Vin. 1808. Schriften: Berf. einer Aul. $. Deutschen Stadt- u. Bürgerrechte, 1791. — Die R.wiff. LUlch ihrem UötftniQC, (2) 1804. ßit: Muther in derAllg.Deutsch. Biogr. V. 765, 766 (auch überAoh. E., 1643—1707). Teich mann.

Eifer» Biehvertrag heißt der Vertrag, in welchem der Pächter von Nutz­ vieh stch verpflichtet, nach Ablauf der Pachtzeit eine gleiche Stückzahl Meh, von gleicher Beschaffenheit, wie er empfangen, zurückzugeben, sei eS daß dabei nur der Uebergang der Gefahr, oder zugleich der des Eigenthums auf den Pächter beab­ sichtigt wird. Wegen der dadurch dem Verpächter gewährten Sicherheit hat sich schon früh daS Rechtssprüchwort gebildet: Eisern-Vieh, daS stirbt nie. Im Uebrigen kann der Vertrag entweder selbständig über eine Viehherde als Gesammtsache oder auch alS Zusatz zu einem GutSpachtvertragr über daS vorhandene Vieh­ inventar geschloffen werden. Seiner juristischen Natur nach bleibt er stets eine sog. locatio condnctio irregularis und wird nur mit Unrecht oft als contractus socidae, d. i. alS eine Art Gesellschaftsvertrag bezeichnet. Thatsächlich kommt beim Abschluß eines solchm Pachtvertrages häufig eine Schätzung deS übergebenen Viehs vor. Daher hat man unter Anwendung der bei der römischen dos ge­ bräuchlichen Ausdrücke auch hier eine aestimatio venditionis und taxationis gratia unterschieden. Doch kann man von der ersteren eigentlich nur sprechen, wenn an Stelle deS Viehs jedenfalls eine Geldsumme gegeben werden soll, und eine aesti­ matio taxationis causa ist fowol ohne Uebergang der Gefahr, als mit demselben, ja auch mit Uebergang deS Eigenthums möglich. Die Römer behandeln ähnliche Pachtverträge in 1. 9 § 2; 1. 30 § 4 D. loc. 19, 2. DaS Preuß. R. in §§ 474—476. I. 21 und ausführlichder Cod. civ. art. 1804 ss. Lit.: S. Huck, Die-Wehverstellung in der Ztfchr. für Deutsches R., V. Nr. 10, §§ 13, 17—22, 28-34. — Stobbe, Handbuch,III. § 186.— Holzschuher, Theorie, III. § 298 Nr. 6. E ck. Ekel«»d, Carl Ewert, K 1791 in Heinola (Finnland), wurde 1827 in Helfingfors Juris licent., 1829 Prof., f 1843.

Schriften: De concursu ad delictum, 1824. — De vindicatione rei, 1829. — De Juris heredit. sec. antiquissimas Danorum et Suecorum leges liabitu. 1829. — Diss. comparationem inter nauticum foenus Roman, et bodmeriam apud gentes recentiores usitatam sistens, 1832. — Förel&sningar öfver Romenska privaträtten, Heisings. 1850, 1851; öfver panträtten, Heisings. 1854 (auf Kosten der Universttät herausgegeben). Lit.: Biogranska Antecknin^ar öfver det finska universitetets lärare, embets - och tjenstemän af R. Renvall, Heisings. 1869. Teichmann.

Elbzollgericht. In den Einführungsgesehen zu der Deutschen Civil- und StrafPO. (§ 3) ist bestimmt, daß diese Prozeßordnungen auf alle jene bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, bezw. Straffachen Anwendung finden sollen, welche vor die ordentlichen Gerichte gehören. Neben den ordentlichen Gerichten läßt aber daS GVG. eine Reihe von besonderen Gerichten bestehen (§ 14). Dazu gehören die auf Staatsverträgen beruhenden RheinschiffahrtS- und E„Auf den Fortbestand der E. hat Oesterreich ein vertragsmäßiges Recht. Nach Art. 26 der Elbschiffahrtsakte vom 23. Juni 1821 (Preuß. Gesetzsammlung 1822, S. 10 ff.) sollen die E. erkennen über alle Zollkontraventionen und die hierdurch verwirkte Strafe, über Streitigkeiten wegen Zahlung der Zoll-, Krahnen-, Wage-, Hasen-, Werst- und Schleußengebühren und wegen ihres Betrages, über die von Privatpersonen unternommene Hemmung des Leinpfades, über die beim Schiffsziehen veranlaßten Beschädigungen an Wiesen und Feldern, sowie überhaupt jeden Schaden, den Flöffer oder Schiffer während der Fahrt oder beim Anlanden durch ihre Fahrlässigkeit Anderen verursacht haben, endlich über den streitigen Betrag von Bergelöhnen und anderen Hülssvergütungen in Unglücksfällen. Die Additionalakte vom 13. April 1844 (Preuß. Gesetzsammlung S. 458 ff.) hat in § 47 den E. ferner überwiesen, die Untersuchung und Bestrafung von Uebertretungen

Ewer« — Embarg«.

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schiffahrtS- und strompolizeilicher Vorschriften durch Schiff- und Flußführer, deren Dienstleute, Paffagiere oder SchiffSzieher, sowie von Exzeßen, welche die zur Bemannung der Stromfahrzeuge oder zum Schiffszuge gehörenden Personen gegen einander oder gegen die in Ausübung ihre» Amte» begriffenen Elbzoll- oder ElbschiffahrtS-Polizeibeamtr begehen und nicht etwa einen kriminellen Charakter an fich tragen, nebst der Ent­ scheidung über die in allen diesen Fällen etwa zu leistende Entschädigung, sowie die Untersuchung und Entscheidung von Streitigkeiten über Betrag unb Zahlung der Lootsengebühren, über den Streit von Schiffsführern und Paffagierea, über Preis und sonstige Bedingungen und Berhältniffe des Transport» und über die zwischen den Eignern und Führern, den Dienstlruten und Zugknechten der Strom­ sahrzeuge bestehenden Dienst- und Lohnverhältniffe". (Motive zu § 3 des Entw. deS GVG. S. 34, 35.) Soweit die Angelegenheiten der Elbzölle den E. zu­ gewiesen waren, find diese Gerichte nunmehr durch Aufhebung der Elbzölle (Bundes­ gesetz vom 11. Juni 1870; B G Bl. S. 416) gegenstandslos geworden. Im Heiligen find die Berhältniffe dieser Gerichte durch das Preuß. Gesetz, betreffend die E., vom S. März 1879 (Gesetzsammlung S. 132) geregelt. Danach find E. erster Instanz die Amtsgerichte, deren Bezirke innerhalb der durch die Additionalakte vom 13. April 1844 bestimmten Grenzen von der Elbe berührt werden. E. zweiter Instanz find die vorgesetzten Landgerichte. In Straffachea ent­ scheiden die E. erster Instanz ohne Zuziehung von Schöffen, in zweiter Jnstanz in der Besetzung von drei Richtern. Die sachliche Zuständigkeit bestimmt fich durch die Bereinbarungen der Elbuferstaatm. Soweit durch diese abweichende Bestimmungen nicht getroffen werden, finden die Bestimmungen der CPO. über da» amtsgerichtliche Verfahren, bzw. dir der StrafPO. über das Verfahren wegen Uebertretungen Anwendung. Wegen der in Preußen auf dem Strome begangenen strafbaren Handlungen oder der einen Civilanfpruch begründenden Thatsachen, die fich auf dem Preußischen Stromgebiete zutragen, find die E. beider Ufer zuständig. Gegen die Entscheidungm der Landgerichte findet kein Rechtsmittel statt. Die nach den bestehenden Vorschriften begründete Mitverhaftung dritter Per­ sonen für Strasm und Kosten ist nach deren vorheriger Anhörung im Strasurtheil auSzusprechen. Die Vollstreckung elbzollgerichllicher Entscheidungen außerdeutscher Gerichte erfolgt auf Grund einer mit der BollstreckungSklaufel (§ 662 der CPO; § 483 der StrafPO.) kostenfrei zu versehenden Ausfertigung. Zuständig für deren Er» theilung ist jede» Landgericht, zu dessen Bezirk da» E. gehört. Die Vollstreckung elbzollgerichtlicher Entscheidungen Deutscher Gerichte erfolgt nach Maßgabe deS § 161 deS GVG. im Wege der Rechtshülfe. Hellmann. ElderA, Chr. Fr., s 16. VII. 1797 zu Flensburg, wurde 1828 ord. Prof, in Rostock, feit 1841 Rath am O.A.G. in Kaffe!, f 2. X. 1858. Mith. d. Archiv f. prakt. Rechtswissenschaft.

Schriften: Beitr. z. Rechtslehre u. Rechtswissenschaft, 1820. — Doctr. jur. /äv. Rom. de culpa, Gott. 1822. — Prompt Gaianum, Gott 1824. — Theor.-prakt. Stört, aus der Lehre v. d. testam. Erbfähigkeit, Gött. 1827. — Ueber d. Wesen b. älteren u. neueren kath. Kirche, Rostock 1832. — Prakt. Arbeiten, 1836. — Der nationale Standpunkt in Bezieh, auf R., Staat u. Kirche, 1845. — Er gab heraus: Allg. jur. Ztg., Gött. 1828—1830 (1881 Allg. R.ztg. f. d. deutsche Volk). — Themis, Gött. 1827—1830, N. F. 1838-1841. Lit.: Arch. f. prakt. R.wiff., IX. 485. — El der» in d. Allg. Deutsch. Biogr. VI. 75. Teikhmann.

Emancipation, s. Väterliche Gewalt. Embargo, ein au» der Spanischen Sprache

abstammendes Wort, bezeichnet einen vom Staat ausgehenden Akt der Beschlagnahme. Man unterscheidet ge­ wöhnlich staatsrechtliche» (oder civile») E., welche» vorhanden ist, wenn der Staat aus Gründen der WirthfchaftSpolitik, z. B. aus Anlaß eine» Ausfuhr­ verbotes feine Unterthanen oder deren Fahrzeuge am Auslaufen auS seinen Häfen

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Emerigon.

verhindert, und internationales oder völkerrechtliches E., wenn die Maßregel der Beschlagnahme oder Festhaltung gegen fremde Schiffe, beziehungsweise Unter­ thanen verhängt wird. Unter E. pflegt man in der Regel diese letzte Bedeutung zu verstehen. Ob ein sog. civiles E. zulässig ist, richtet sich nach den Gesetzen der einzelnen Staaten. Völkerrechtlich betrachtet, dient das E. verschiedenen Zweck­ bestimmungen. Dasselbe kann zuvörderst eine Anwendung der Repressali en sein und folgt alsdann den hierfür geltenden Regeln (f. Th. I. S. 1021 und ferner unter V. Art. Repressalien) oder eine antizipirteKonfiskation im Hinblick auf einen unmittelbar bevorstehenden Krieg (in the contemplation of war) und unter dem Vor­ behalt der Rückgabe für den Fall, daß wider Erwarten eine friedliche Ausgleichung vorhandener Streitigkeiten erfolgen sollte. Gegenstand des E. können daher nur solche Gegenstände sein, welche für den Kriegsfall einer Wegnahme unterliegen. Daraus ergab sich, daß dasselbe vorzugsweise auf Schiffe jeder Art, sowie deren Ladung erstreckt ward und sich weiterhin auch auf deren Mannschaft bezog. Wegen präsumtiv feindlicher Ladung darf auf neutrale Schiffe kein E. gelegt werden. Als kompetent zur Verhängung des E. kann nur die höchste Staatsgewalt anerkannt werden. Schon im vorigen Jahrhundert begann man an der Gerechtigkeit des E. zu zweifeln und in Vertragsschlüssen unter einzelnen Mächten auf die Verhängung dieser Maßregel ausdrücklich zu verzichten. Diese Zweifel haben sich nach und nach zu der heute allgemein gewordenen Ueberzeugung gesteigert, daß E. als eine antizipirte Konfiskation überhaupt zu verwerfen und grundsätzlich zu- mißbilligen ist. Gegen das E. spricht zweierlei. Einmal die Rechtsanschauung, welche im Kriege das Privateigenthum allgemein geachtet wissen will. Durchgreifender ist indessen der zweite Einwand, daß das öffentliche Vertrauen und der Handel auf das Schwerste geschädigt wird, wenn man die im eigenen Territorium des Krieg­ führenden befindlichen Eigenthumsobjekte feindlicher Unterthanen wegnimmt odergar zu einer Zeit festhält, wo der friedliche Zustand noch fortdauert. Auch die neueren Englischen Völkerrechtsschriftsteller (Twiß, Phillimore) verwerfen in heutiger Zeit das E. Die Dänen griffen im Kriege gegen Deutschland 1864 wiederum zum E. zurück. Aus der neuesten Geschichte sind noch als Anwendungen zu ver­ zeichnen: das E. der Französischen Regierung gegen Portugal 1831 und der Eng­ länder und Franzosen gegen Holland 1839. In den großen europäischen Kriegen nach 1864 ist das E. nicht angewendet worden. Eine eigenthümliche Anwendung ward dem E. durch die Nordamerikanische Unionsregierung im Jahre 1807 gegeben im Hinblick auf den damals befürchteten Kriegsausbruch. Alle Schiffe ohne öffentlich beglaubigten Charakter wurden am Auslaufen verhindert, um den Verkehr mit England abzubrechen. Diese Maß­ regel war daher ihrer Natur nach theils staatsrechtlich, insoweit sie sich auf die Handelsfahrzeuge der Union bezog, theils völkerrechtlich, insoweit sie auf den Ver­ kehr mit England einwirkte, und einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen in demonstrativer Weise gleichkam. Die Wirkungen des rein völkerrechtlichen E. hängen selbstverständlich von den Umständen ab. Bricht der Krieg aus, so geht die vorläufige Beschlagnahme in definitive Adjudikation über, im entgegengesetzten Falle tritt die Aufhebung der Beschlagnahme und damit die Freigabe von Gütern, Schiffen und Personen ein.

Lit.: Masse, Droit commercial, I. 114. — Woolsey, Introduction to the study of international law (2. ed.), § 114. — Twiss, Law of nat., II. § 12. — Phillimore, Comment., III. § 25. — Ortolan, Regles intern., 2. I. 350. — Calvo, Le droit Internat, I. 815. , v. Holhendorff.

Ernerigon, Balthazar Marie, z gegen 1714, Adv. am Parl. in Aix, später in Marseille, f 1780. Schriften: Nouv. comm. sur l’ordonn. de la marine du mois d’aoüt 1681, Mars. 1780 (ed. Pastoret, Par. 1803). — Traite des assur. et des contrats ä la grosse, Mars. 1784 (ed. Boulay-Paty, Par. 1827). Lit.: Eloge par Cresp, 1839. — R. d. legisl. et d. jurispr. XI. 32. Tei chmann.

Emeritirung.

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Emeritirung. Die Versetzung eines Geistlichen in den Ruhestand (Emeri­ tirung, Quieszirung) erfolgt der Regel nach freiwillig, und zwar entweder bei voller Dienstfähigkeit: hier verliert der Emeritus die geistlichen Standesrechte, und den Anspruch auf Pension; oder bei eingetretener Dienstunfähigkeit: hier bleibt ihm Beides gewahrt, ebenso wie die Befugniß zur Vornahme geistlicher Hand­ lungen. Die Höhe des Ruhegehaltes wird entweder durch Observanz bestimmt oder durch Uebereinkommen mit dem Nachfolger festgesetzt oder auf Grund besonderer E.sordnungen geregelt. Im Interesse der Disziplin kann eine E. aber auch wider den Willen des Geistlichen vom Kirchenregiment verfügt werden (RichterDove, Kirchenrecht, §§ 204, 230). Für die evang. Landeskirche der Preuß. Monarchie erging unterm 26. Januar 1880 ein umfassendes Kirchengesetz, betr. das Ruhegehalt der emeritirten Geistlichen, dazu ein Staatsgeseh vom 15. März 1880 (beide Gesetze s. Preuß. Ges. S. 216 ff). Nach denselben erhält „jeder in dem Pfarramt einer Kirchengemeinde oder als Lehrer einer theologischen Lehranstalt der Landeskirche unter Bestätigung des Kirchen­ regimentes auf Lebenszeit angestellte Geistliche" (ausnahmsweise auch Geistliche im Dienst der Mission § 3) aus dem allgemeinen Pensionsfond der Landes­ kirche ein lebenslängliches Ruhegehalt „wenn er in Folge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zu der Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig und deshalb von der zuständigen Kirchenbehörde in den Ruhestand versetzt ist" (§ 1). Bei Geistlichen, die aus disziplinarischen Gründen in den Ruhestand verseht werden, steht die Verleihung eines Ruhegehaltes auf Zeit oder auf Lebensdauer im Ermessen des Oberkirchenrathes (§ 2). Das Ruhegehalt beträgt 20/8u des pensionsfähigen Einkommens, wenn die Versetzung in Ruhestand vor vollendetem 11. Dienstjahre erfolgt, dann für jedes weitere Jahr Vso bis zur Höhe von 60/S0; als Minimalpension ist der Betrag von 900, als Maximalpension der Betrag von 5000 Mark fixirt; ist die Peusionirung aus disziplinarischen Gründen erfolgt, so beträgt der Höchstbetrag nur 2 3 der obigen Theilsätze und das Maximum 2000 Mark 4). Das Gesetz ent­ hält ferner genaue Vorschriften über den Modus der Berechnung des Dienstalters 5). Das Prinzip ist: daß dasselbe vom Zeitpunkt der Ordination an berechnet und aller Dienst in der Seelsorge, im Kirchenregiment, an einer theologischen Lehranstalt, im Schulamt eingerechnet wird. Die Zahlung erfolgt vierteljährlich postnumerando. Eine Cession, Verpfändung oder sonstige Übertragung des Ruhe­ gehaltes kann nur stattfinden, soweit der Betrag der Pfändung unterliegt (Kirchengesetz $ 7, Staatsgesetz Art. 1); letzteres bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über Pfändung von Beamtenpensionen. Das Recht auf die Pension geht verloren, wenn der Emeritus durch Anstellung in einem öffentlichen Dienst ein Gehalt er­ wirbt, das dem letzten Pfarreinkommen gleichkommt; außerdem wird der Pensions­ betrag neben dem Gehalt bis auf Höhe des letzten Pfarreinkommens ausbezahlt (§ 9). Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, disziplinarische Absetzung durch kirchliches Urtheil und Verzicht auf die Rechte des geistlichen Standes ziehen den Verlust des Ruhegehaltes nach sich (§ 9 2). Der Pensionsfond der evang. Landes­ kirche wird gebildet: 1) aus den bisherigen Provinzial-Emeritenzuschußfonds; 2) den Pfarrbeiträgen; 3) den Pfründenabgaben; 4) den erforderlichen Kirchensteuern; 5) etwa anfallenden besonderen Fonds; 6) etwaigen Zuschüssen des Staates. Alle bisher für Pensionszwecke einzelner Theile der Landeskirche verwendeten Fonds gehen auf den allgemeinen Pensionsfond über, dessen Reservefond aus den bisherigen besonderen Provinzial-Emeritenfonds gebildet wird. (Kirchengesetz §§ 10, 11, Staatsgesetz Art. 3.) Von Pfarreinkommen und Pfründen sind folgende Beträge an den Pensions­ fond zu geben: 1% vom Einkommen unter 4000 Mk., bis zu 6000 Mk. 1V2 %, darüber 2 % (vgl. dazu noch § 13 über Nachzahlungen); ferner ist bei E. eines Geistlichen 8 Jahre lang 1/4 des gesummten Einkommens der betr. Stelle an den

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Emisfionsgeschäft.

Pensionsfond zu bezahlen (über die Berechnung des Diensteinkommens s. § 15). Die Beiträge der Geistlichen und kirchlichen Stellen an den Pensionsfond können im Wege der administrativen Exekution eingetrieben werden (Staatsgesetz Art. 5). An Kirchensteuern sind für die Zwecke des Emeritenwesens P/2 G/o der Staats­ steuer zu entrichten vorbehaltlich etwaiger Ermäßigung durch den Oberkirchenrath (§ 16). Aufgehoben sind alle dem Gesetz widersprechenden Bestimmungen, ins­ besondere die vielfach hergebrachten Ansprüche der Emeriten auf einen Antheil aus dem-Pfarreinkommen ihrer Nachfolger (§ 22, Staatsgesetz Art. 6), wogegen etwaige besondere Rechtstitel für Versorgung von Emeriten Vorbehalten bleiben (§ 17). Außerdem enthält das Gesetz noch Bestimmungen über die Verwaltung des landeskirchlichen Pensionsfonds. Die erstinstanzielle Entscheidung in Emeritensachen fällen die Provinzialkonsistorien (vorbehaltlich jedoch etwaiger civilrechtlicher An­ sprüche, Staatsgesetz Art. 2), dagegen ist Rekurs an den Oberkirchenrath gestattet (§ 18). Der Rechtsweg gegen Entscheidungen des Oberkirchenraths steht nur nach Maßgabe des Gesetzes vom 24. Mai 1861 über Entscheidungen in Bezug auf das Ruhegehalt offen. (Staatsgesetz Art. 4). Endlich giebt das Gesetz noch ausführ­ liche Übergangsbestimmungen (§ 19). Das Gesetz tritt mit 1. April 1881 in Kraft, nur für Rheinprovinz und Westfalen ist besondere königl. Verordnung Vor­ behalten (Art. 7). Zorn. Emissionsgeschäft. Unter Emission versteht man die der Ausstellung (Kreation) folgende erste Ausgabe von Banknoten und anderen Werthpapieren, welche damit in Umlauf gesetzt werden, auch von Papiergeld. Dieselbe ist aus publizistischen Gründen vielfach beschränkt. So bedarf es in Preußen zur Emission von Papieren, wodurch die Zahlung einer bestimmten Geldsumme an jeden In­ haber versprochen wird, landesherrlicher Genehmigung. Der Begriff des E. hat sich jedoch im Geschäftsleben nur für solche Fälle entwickelt, in welchen man sich behufs Unterbringung einer größeren Menge neukreirter Werthpapiere (Schuld­ verschreibungen einer Anleihe, Aktien rc.) an das Publikum wendet, d. h. öffentlich zur Betheiligung auffordert. Die hierbei erforderliche Thätigkeit bildet einen Zweig des Bankiergewerbes. Häufig ist nämlich nicht der Aussteller des Papiers (Staat, Provinz, Kreis, Gemeinde, Eisenbahngesellschaft rc.) Emittent („Ausgeber"), sondern ein Dritter oder eine Mehrheit von Dritten („Emissions­ häuser"). Die rechtliche Stellung solcher gewerbemäßiger Emittenten ist indessen sehr verschiedenartig. Nicht eigentlich hierher gehört der Fall, wenn der Dritte als bloßer Mandatar im Namen des Ausstellers handelt, wie es bei Etablirung bloßer Zeichenstellen im Zweifel die Absicht ist. Hier bleibt Emittent der Aussteller, mit welchem die Abnehmer (Zeichner) kontrahiren. Oft aber wird die gesammte auf den Markt zu bringende Menge von Werthpapieren einem Einzelnen oder einer Vereinigung Mehrerer (Konsortium, Syndikat) nach vorangegangener Submission oder ohne solche fest begeben, oder diese übernehmen kommissions­ weise die Unterbringung (gegen Provision). In beiden Fällen bewirkt der Emittent die Auslegung zur Subskription (zum Emissionskurse) in eigenem Namen und haftet daher dem Dritten zwar nicht wie der Aussteller, wohl aber aus der Begebung, namentlich für die Richtigkeit des Prospekts, sowie bei Ausgabe nich­ tiger Papiere für allen Schaden, während er dem Aussteller bald als Darleiher bzw. Käufer, bald als Kommissionär (s. d. Art. Kommissionsgeschäft) gegenübersteht. Das Rechtsverhältniß des Konsortiums (Syndikat) ist wenigstens in der Regel das einer Sozietät (behufs bestmöglichen Verkaufs der Papiere fürgemeinsame Rechnung). Gewöhnlich übernimmt ein Haus die Leitung, während die übrigen Konsortialen der Verfügung entsagen. Diese verpflichten sich, eine Einzahlung, regelmäßig in einem Prozentsätze ihrer Nominalbetheiligung bestehend zu leisten. Sämmtliche Spesen und Unkosten sind, häufig unter Ausschluß der Rechnungslegung, gemeinsam zu tragen. Endlich wird ein Endtermin fest-

Emminghaus — Emphyteuse.

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gesetzt. Theilen einzelne Konsortialen wieder die Gefahr mit Anderen (durch Bil­ dung von Unterkonsortien) , so treten diese im Zweifel in kein Verhältniß zu den übrigen Hauptkonsortialen (Sozietät, nicht Kauf von Gründerantheilen). — Die ganze Materie ist noch sehr im Flusse, da die Gesetzgebung sich nicht mit dem E. beschäftigt hat und sich aus den überaus mannigfaltigen Erscheinungen des Ver­ kehrs bestimmte Rechtsanschauungen noch nicht herausgebildet haben. Gfgb. u. Lit.: D. HGB. Art. 173, 178, 207a, 211. —Preuß. Ges. v. 17. Juni 1833. — Verordn, v. 17. Sept. 1867. — Kuntze, Jnhaberpapiere, S. 374 ff., 535 ff. — Ende­ mann, H.R., § 140. — Goldschmidt, Lucca und Pistoja - Aktienstreit, S. 15 ff.. 39. — Auerbach, Aktienwesen (Frankfurt a. M. 1873), S. 45, 74, 327. — Sydow in Gold­ schmidt 2C. Ztschr. f. d. ges. H.R., XX. S. 426—463. — Entsch. d. Reichsger. in Civ.S. I. 76. — Entsch. d. ROHG. XIII. 306; XV. 249; XVII. 46, 149, 196; XVIII. 180; XX. 248. R. K o ch. Emminghaus, Theod. Georg. Wilh., z 1723 zu Hachenburg, 1757 a. o. Prof, in Jena, f 24. VII. 1758.

Er schrieb: Memorabilia Susatensia, 1749. — Comm. in Jus Susatense antiquiss., 1755. — De praecipuis foeminarum in German, juribus ex genuinis Germ, fontibus deductis variisque observ. illustr., Jenae 1756. Lit.: Günther, Lebensskizzen, S. 73. — Steffenhagen in d. Allg. Deutsch. Biogr. VI. 89. Teichmann. Emminghaus, Gustav, z 3. III. 1791 zu Jena, wurde dort 1812 Dozent, 1813 Hofgerichtsadvokat, 1817 in die Landesregierung berufen, vielseitig wirksam, 1845 Vorstand des Haupt- und Staatsarchivs, f 25. II. 1859. Schriften: Corp. jur. Germ, academicum, Jenae 1824, (2) 1844—1856. — Pandekten d. Gem. Sachs. R., Jena 1849. Lit.: Burkhardt in d. Allg. Deutsch. Biogr. VI. 88. Teichmann. Emminghaus, Justus Christian Bernhard, z 7. XII. 1799 zu Jena, studirte daselbst, wurde Amtsaktuar in Weida, 1826 Doctor jur., 1833 Oberamtmann in Blankenhain, 1846 Justizrath und Vorstand des Justizamts in Berka, 1848 Vortragender Rath in Weimar, 1858 Geh. Finanzrath, t 15. XII. 1875. Mitarbeiter u. Redakteur b. Arch. f. prakt. Rechtswissenschaft, in welches er 28 Abhandlungen lieferte. Lit.: Archiv f. prakt. R.wiss. N. F. X. 443—445. Teichmann. Emphyteuse ist das von den Römern ausgebildete, vererbliche und ver­ äußerliche dingliche Recht an einem fremden fruchttragenden Grundstücke auf die gefammte eigenthumsgleiche Benutzung desselben, nur mit der Beschränkung, daß es nicht verschlechtert werde. Ueber das Verhältniß der E. zum Eigenthum einer­ seits und zu den übrigen iura in re aliena andererseits s. Th. I. S. 397 ff. Seinen Ursprung hat dieses Recht theils im Ost- theils im Weströmischen Reiche ge­ habt. In dem letzteren pflegte der ager publicus gegen eine Abgabe (vectigal) in Erbpacht gegeben zu werden, und wegen der langen Dauer desselben wurde dem Pächter zuerst durch den Prätor eine actio in rem, dann aber durch die Juris­ prudenz geradezu ein dingliches R. (ius in fundo vectigali) beigelegt (1. 1 D. si ager vect. 6, 3. 1. 71 §§ 5—6 D. de legal. 1). In ähnlicher Weise wurden im Ostreich die kaiserlichen Ländereien zu erblichem Nutzungsrecht (emphyteusis) überlassen, und die Natur dieses Rechts bestimmte Kaiser Zeno ausdrücklich dahin, daß es sowol von Pacht-, als von Eigenthumsrecht verschieden sei (1. 1 C. de iure emphyt. 4, 66). Im Justin. Recht aber sind E. und ius in fundo vectigali zu einem Institute verschmolzen. S. Tit. D. 6. 3 : si ager vectigalis i. e. emphyteuticarius petatur. Das Recht des Emphyteuta umfaßt die vollständige Nutzung der Sache, einschließlich aller Kulturveränderungen, geht also weiter als der Nieß­ brauch, doch niemals bis zur Verschlechterung. An den Früchten erwirbt der Emphyteuta Eigenthum mit deren Trennung von der Hauptsache (1. 25 § 1 D. de usur. 22, 1). Er kann das Grundstück auch verpachten. Ja er kann sogar sein Recht frei veräußern, unter Lebenden wie von Todes wegen; und kraft desselben Pfandrecht und Dienstbarkeiten an der Sache bestellen, doch nur für die Dauer

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Emphyleuse.

seines Rechtes (§ 3 I. de loc. 3, 24. 1. 71 §§ 5—6 de legat. 1). Zum Schutze seiner Rechte hat er eine dingliche Klage (utilis rei petitio, actio vectigalis), welche in allen Punkten der Eigenthumsklage nachgebildet ist; ebenso auch die Klagen zur Geltendmachung und zur Abwehr von Grunddienstbarkeiten (confessoria und negatoria als utiles), sowie als redlicher Besitzer das Recht der actio Publiciana (1. 1 § 1 D. si ager vect. 6, 3. 1. 16 D. de serv. 8, 1. 1. 12 § 2 D. de publ. 6, 2). Ueber den Besitz des Emphyteuta besteht Streit. Nach der richtigen Ansicht hat er nicht, wie Savigny lehrte, abgeleiteten Sach-, sondern vielmehr Rechtsbesitz (iuris quasi possessio), Arndts in Ztschr. f. Civ.R. u. Prz. N. F. III. 9. Die Verpflichtung des Emphyteuta besteht hauptsächlich darin, daß er das Grundstück in gutem Stande halten muß. Für Verbesserung steht ihm nach der richtigen Meinung ein Ersatzanspruch nicht zu. Der Emphyteuta muß auch die auf der Sache ruhenden Lasten tragen (Nov. 7 c. 3. § 2. Nov. 120. c. 8) und die festgesetzte Abgabe (vectigal, canon, pensio) an den Eigenthümer (dominus emphyteuseos) entrichten. Doch ist die Festsetzung einer solchen nicht unerläßlich. Auf Nachlaß am Kanon wegen zufälliger Schmälerung wegen Fruchtbezuges hat der Emphyteuta keinen Anspruch (1. 1. C. de iure emph. 4. 66). So lange der Kanon rückständig ist, kann gegen den Eigenthümer die Ausübung des emphyteutischen Rechts weder vom Emphyteuta noch von Rechtsnachfolgern desselben, z. B. Pfand­ gläubigern, erzwungen werden (1. 16 § 2. 1. 17 D. pign. act. 13, 7). Bei der Veräußerung einer E. tritt der Uebernehmer von selbst in die mit derselben ver­ bundenen Verpflichtungen, ja nach positiver Bestimmung des Röm. R. sogar in die Rückstände des Vorgängers ein (1. 39 § 5 D. de legat. 1); welches letztere Windscheid § 220 Art. 6 mit Recht gegen Wächter u. a. m. ausführt. Endlich muß der Emphyteuta vor jeder Veräußerung seines Rechts die Zustim­ mung des Eigenthümers einholen, welcher dieselbe aus erheblichen Gründen ver­ weigern kann, in Ermanglung einer solchen aber binnen zwei Monaten schriftlich ertheilen soll. Für Ertheilung der Genehmigung und für Annahme des neuen Emphyteuta erhält der Eigenthümer von diesem zwei Prozent des Kaufpreises oder (bei anderen Veräußerungen) des Werths der E. als Abgabe (Handlohn, Lehnwaare, laudemium). Einer Verkümmerung dieses Rechts mittels Herabsetzung des Kauf­ preises ist durch Einführung eines Vorkaufsrechts für den Eigenthümer wirksam vorgebeugt (1. 3 C. de iure emph. 4, 66). Die Klage, welche zur Sicherung dieser obligatorischen Beziehungen für beide Theile dient, wird empliyteuticaria in personam actio genannt. Die Entstehungsgründe einer E. sind Vertrag, Vermächtniß, richterliche Ver­ fügung und Ersitzung. Der Vertrag bedarf der schriftlichen Form, wenn das Grundstück Kirchengut ist, und in anderen Fällen, wenn besondere, von der all­ gemeinen Regel abweichende Verabredungen getroffen werden (Nov. 120. c. 6 § 2. 1. 1 C. de iure emph. 4, 66); nach Ansicht Mancher sogar unter allen Um­ ständen. Besitzeinräumung ist der richtigen Meinung nach zur Entstehung des Rechts nicht nöthig (1. 3 D. si ager vect. 6, 3). Durch Vermächtniß entsteht die E., auch ohne daß der Erbe und der Vermächtnißnehmer einen besonderen Vertrag schließen. Richterliche Verfügung tritt dann ein, wenn ein auf Bestellung einer E. lautendes Erkenntniß vollstreckt wird. Endlich die Ersitzung einer E. ist zwar in den Quellen nicht erwähnt, muß aber doch anerkannt werden, gleichviel ob vorher schon ein Anderer emphyteutische Rechte an dem Grundstücke hatte oder nicht. Der Hauptfall der Ersitzung ist der, wo Jemand den Besitz einer E. bona fide durch Einräumung von Seiten eines Nichteigenthümers erworben hat (1. 12 § 2 D. de publ. 6, 2). Doch sind auch andere Fälle denkbar. Ueber die einzelnen Erfordernisse der Ersitzung besteht Streit, indem manche nur die sog. außer­ ordentliche für anwendbar erklären. Das Richtigste ist, die Grundsätze der Nieß­ brauchsersitzung analog auszudehnen, also zwar keinen Titel, wohl aber bona

Endemann — Engau.

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fides und 10 bzw. 12 Jahre und bei Sachen, welche der ordentlichen Ersitzung entzogen sind, 30 bzw. 40 Jahre zu erfordern (so Wind scheid; dagegen Francke). — Als Erlöschungsgründe kommen außer den für die Rechte an fremder Sache über­ haupt geltenden (wie Untergang des Gegenstandes, Konfusion re.) besonders drei in Betracht, nämlich Verzicht, Verjährung mit) Verwirkung. Hinsichtlich des Verzichts ist bestritten, ob dazu nur einseitige Aufgabe-Erklärung des Emphyteuta oder auch An­ nahme derselben durch den Eigenthümer gehöre. Zur Aufhebung des emphyteutischen Rechts ist wol unzweifelhaft die Annahme erforderlich. Aber auch die bloße Befreiung von ferneren Verpflichtungen, wie sie beim Nießbrauch als Folge der Dereliktion erscheint, läßt sich nicht analog übertragen. Ebenso gehört zur Ver­ jährung nicht blos, wie bei Dienstbarkeiten, der Nichtgebrauch, sondern die Er­ sitzung der Freiheit. Liegt diese aber vor, so ist auch nicht allein die emphyteutische Klage, sondern das Recht selbst erloschen (so Arndts; dagegen Wächter). Die Verwirkung der E. tritt zur Strafe des Emphyteuta ein wegen erheblicher Verschlechterung des Grundstücks (Nov. 120 c. 8), wegen Verletzung seiner Obliegenheiten bei einer Veräußerung (1. 3 C. de iure emph. 4, 66) und wenn er mit Entrichtung des Kanons oder der auf dem Gute lastenden öffentlichen Abgaben drei Jahre lang im Rückstände bleibt; ja bei kirchlichen E. schon wegen zweijähriger Nichtzahlung des Kanons (1. 2 eod. Nov. 120 c. 8). In allen diesen Fällen gilt die E. als mit dem Eintritt der betreffenden Thatsache selbst erloschen, sobald der Eigenthümer auf Entsetzung (Privation) des Emphyteuta klagt. Der Eigenthümer hat daher auch auf die Früchte von der Zeit des Straffalles Anspruch. Macht er aber von seinem Privationsrecht keinen Gebrauch, so besteht die E. unverändert fort (1.1. 2, 3 C. a. a. O). Die heutige Anwendbarkeit der Grundsätze von der E. darf nicht, wie Puchta und Sintenis thun, geleugnet werden. Zunächst sind aus älterer Zeit noch manche, namentlich kirchliche E. be­ stehen geblieben. Sodann aber ist auch die Bestellung einer neuen jederzeit denkbar, wenn auch die Parteien präsumtiv eher ein ähnliches Deutsches, bzw. partikular­ rechtliches Institut, als die Römische E., im Sinne haben werden. Quellen: Tit. I). VI. 3 si ager vectigalis i. e. emphyteuticarius petatur. — C. IV. 66 de iure emphyteutico. Neuere Lit.: Schmid, Handb. des gem. Deutsch. R., II. S. 1—57. — Arndts in Weiske's R.Lex., III. S. 849 ff., und in Linde's Ztschr. f. Civ.R. u. Prz., N. F. III. S. 245 ff. u. 367 ff. (Wiederabdruck aller drei Aussätze in den ges. civ. Schriften I. S. 210—317). — Wächter, Das Superfiziar- oder Platzrecht, in den Abhandlungen der Leipziger Juristenfakultät, Leipz. 1870 (auch vieles auf °die E. Bezügliche enthaltend). — Dankwardt in d. Jahrbb. f. Dogm. XIV. S. 322—340. E ck. Endemann, Herm. Ernst, z 12. VIII. 1796 zu Hersfeld, 1824 ord. Prof, zu Marburg, f 17. I. 1846. Schriften: Comm. de implendae conditionis tempore spec., Marb. 1821. — Quaedam de chirographo et exc. non num. pec., Marb. 1832. — Das Keyserrecht nach d. Handfchr. v. 1372, Kassel 1846. Lit.: Neuer Nekrolog, 1846 S. 66. — Steffenhagen in der Allg. Teutsch. Biogr. VI. 105. Teichmann. Endemann, Konrad, Bruder des Vorstehenden, verdienter hessischer Jurist, Obergerichtspräsident in Kassel, seit der 1867 erfolgten Aufhebung des Kasseler Obergerichts in Ruhestand, f 2. IV. 1878 in Kassel. Teich mann. Engau, Johann Rudolf, z 28. IV. 1708 zu Erfurt, 1740 Professor­ in Jena, trat in den Schöppenstuhl ein, wurde Hofrath, f 18. I. 1755. Schriften: Kurze jur. Betracht, v. d. Verjährung in peinl. Fällen, Jena 1733, 1772. — Elem. jur. crim. germ. carol., Jen. 1738, ed. Hellfeld 1767. — Instrum. Pacis Osnabr., Jen. 1738. — Elem. jur. germ. civ. vet., Jen. 1736, (7) 1777; jur. can. pontif. eccles., Jen. 1739, (5) 1765. — Tractatus, 1756. — Decis. etresponsa jur. civ. et crim. c. Schmidt, Jen. 1761. Lit.: Günther, S. 70. — Steffenhagen in d. Allg. Deutsch. Biogr. VI. 112. Teichmann.

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Engel — Enterbung.

Engel, Ludwig, S zu Wagram, legte 1654 in Müll da- OrdenSgelübde ab,' studirte in Salzburg, wurde 1660 Prof. deS Kan. St., f als Prokanzler der Universität 22. IV. 1674. Schriften: Colleg. jur. univ. can., 1670—1674, (15) 1770. — Manuale Parochorum, 1661 u. ö. — Forum competens, 1663. — Privil. Monast, 1664. Lit.: Schult» in der Alla. Deutsch. Biogr. VI. 117, 118. — Zauner, Biogr. Nach­ richten v. d. Salzburgischen Recht-lehrer», Salzb. 1789 S. 10—13. Teichmann. Engeldertr»8 Admontensis, z 1250 aus der Steyer'schen Fam. der von BolkerSd orss, stud. in Padua, wurde 1297 Abt, f 1311. Er schrieb: Spec. virtutum ad Alb. et Ottonem Austriae duces. — De regimine prindpum tract VII. Ratisb. s. a. Lit.: Schön, De litt, polit. med. aevi, Vratisl. 1838, p. 26—30. — Mahl, I. 227. — Zöpfl, Deutsche R.Sgesch., I. 201. — Stobbe, R.squellen, I. 453, 454. — Schulte in b. Allg. Deutsch. Biogr. VI. 128. — Ott, Beiträge, 1879 S. 32. Teichmann.

Enteignung f. Expropriation. Enterbung. (Th. I. S. 460—464.) 1. 6. ist vollständige (oder partielle) Ausschließung pflichttheilsberechtigter Erben (sogenannter Notherben im weiteren Sinn) vom Pflichttheile. Solche Notherben find, insofern fie als nächste gesetzliche Erben ab intestato erben würden: a) die Descendenten des ErblafferS, ohne Unterschied ob emanzipirt oder in väterlicher Gewalt, ob leiblich oder adoptiv, letztere jedoch mit zwiefacher Beschränkung, indem weder der vollkommen Adoptirte, so lange die Adoption besteht, in Beziehung aus seinen leiblichen Bater, noch der unvollkommen Adoptirte in Beziehung auf seinen Adoptivvater pflichttheilsberechtigt find; b) die Ascendenten; c) die Geschwister, vollbürtige und halbbürtige von der Vaterseite, nicht aber (auch nicht wie irrig geglaubt, feit Nov. 118) von der Mutterseite, und nur insofern die ihnen vorgezogenen Personen zu den un­ ehrenhaften Personen gehören, worüber zu entscheiden im freien Ermeffen des Richters liegt. 2. Die Ausschließung muß, um gültig zu sein, durch einen der im Gesetze ausdrücklich ausgesührten EnterbungSgründe berechtigt sein. Diese Gründe liegen zum Theil in einem unehrbaren, verächtlichen Lebenswandel des Notherben, zum Theil lasten fie fich auf ein tadelnswertheS Benehmen destelben gegen den Erblaster zurückführen. Die Nov. 115, welche das Notherbenrecht überhaupt geregelt hat, bestimmt 14 EnterbungSgründe von Descendenten, 8 von Ascendenten. Die Auf­ zählung dieser causae ingratitudinis s. offensionis s. a. a. O. S. 435. Nach ausdrücklicher Bestimmung der Novelle sollen durch Interpretation keine neuen Gründe hinzutreten, womit aber keineswegs gesagt ist, daß nicht die einzelnen gesetzlichen Gründe den allgemeinen Prinzipien gemäß interpretirt, also auch nach Analogie ausgedehnt werden dürfen. Indessen ist nicht zu leugnen, daß eben nach den allgemeinen Prinzipien Enterbungen nicht zu begünstigen find. Ob der EnterbungSgrund bereits im Augenblicke der Testamentöerrichtung vorhanden sein muß, oder erst im Augenblicke deS TodeS, ist bestritten: jenes muß entschieden als das Richtigere anerkannt werden. Verzeihung von Seiten deS ErblasterS hebt den EnterbungSgrund aus, wenn fie vor Errichtung des Testamentes stattfand, in welchem der EnterbungSgrund angegeben ist; nicht aber, der richtigen Ansicht zufolge, nachträgliche Verzeihung, welche nicht für ernst gemeint gelten kann, da der Testator sich nicht veranlaßt gefunden hat, sein Testament zu ändern. Die gesetzlichen EnterbungSgründe beziehen sich lediglich auf Ascendenten und Descendenten. WaS die Geschwister betrifft, so steht die Begründung im richter­ lichen Ermeffen. 3. Ueber Betrag nnd Berechnung deS Pflichttheils, siehe a. a. O., S. 462. In Ermanglung eines gesetzlichen Enterbungsgrundes müffen die Notherben für den Pflichttheil eingesetzt werden; es genügt nicht, daß ihnen der Pflichttheil

entertang.

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aus irgmd eine Weise zugewendet werde, z. B. durch BermLchtniß. Zulässig ist aber die Einsetzung aus einzelne Sachen, deren Werth der erforderten Quote entspricht. 4. Der auf E. gerichtete Wille muß bestimmt und unzweifelhaft im Testa­ mente ausgesprochen sein. — Die ehemaligen formellen Erfordernisse der E. von heredes sui und von emanzipirten Kindern, die im Gegensatze zur E. sonstiger Descendenten nur nominatim und ab omnibus gradibus stattfinden tonnte, kommen nach dem Recht der Nov. 115 nicht mehr in Betracht. Dies ist freilich im höchsten Maße bestritten, und dieser Streit hängt mit den verschiedenen Auffassungen deS Verhältnisse» der Novelle zum älteren Recht zusammen, wovon sogleich die Rede sein wird. Erforderlich ist stets Angabe deS EnterbungSgrundeS. Natürlich muß die Wahrheit der Angabe erwiesen werden, und zwar von dem Testamentserben. Sind mehrere Gründe angegeben, so genügt der Beweis eines einzigen. Der Be­ weis eines nicht angegebenen Grundes vermag aber den mangelnden Beweis eines angegebenen nicht zu ersetzen. 5. Die Nov. 115 hat „daS ganze Notherbenrecht der Descendenten und Ascendenten in fich ausgenommen", so daß von den altm formellen Borschriften und Unterscheidungen sowol, als auch von den Rechtsmitteln des alten Rechts in Be­ ziehung auf Descendenten und Ascendenten im Justin, und im heutigen Recht keine Rede mehr sein darf. Die 6. von Descendenten und Ascendenten ist also ledig­ lich nach der Novelle zu beurtheilen. — So mit Recht Göschen, Keller, Francke, Bluntschli, ArndtS, Brinz, TeweS, Windscheid u. a. m. So auch mit einer Modifikation Mühlenbruch, der die formellen Vorschriften betreffend sui und emancipati noch gelten ließ, ebenso, mit etwas anderer Nüance, Puchta. — Die ganze, mehr oder minder durchgreifend aufgefaßte Theorie wird als Reform­ oder DerogationSfystem bezeichnet. Diesem gegenüber steht daS sog. Korrektion-- oder Additional­ system, dessen Hauptvertreter Vangerow ist: „auch noch nach der Novelle find die Rechtsmittel deS alten Rechts anwendbar", wenn nämlich gegen die Form­ vorschriften dieses Rechts gefehlt ist. „Welche von diesen Theorien nun", sagt ArndtS, „an fich vorzuziehen wäre, darüber kann man nicht lange zweifelhaft sein. Die DerogationStheorie gewährt einfache im Wesentlichen befriedigende Resultate, fie beseitigt Unterschiede, die zu Jnstinian'S Zeitm keinen rechten Grund mehr hatten, schneidet dadurch eine Menge von schwierigen Verwicklungen ab und entspricht so dem Praktischen Bedürfnisse einer Zeit, welcher ein so verwickeltes, ost der schaf­

finnigsten UnterscheidungSgabe noch schwieriges Recht ein Stein des Anstoßes sein mußte. Die Korrektionstheorie dagegen läßt nicht nur gegen den Geist deS neueren Rechts alle jene Unterschiede bestehen, sondern vermehrt sogar noch die Verwicklung und führt Schwierigkeiten herbei, für die fich kaum eine Lösung findet." 6. Sobald ein gesetzwidrig ausgeschlossener Ascendent oder Descendent sein Recht geltend macht, fallen die Erbeinsetzungen, natürlich auch die Vulgarfubstitutionen, weg, und eS tritt Jntestaterbrecht ein. Aber die Legate und Übrigen letztwilligen

Verfügungen, durch welche Jemandem Etwas zugewendet wird, darunter auch Pu» pillarfubstitutionen, — nicht aber E. anderer Notherben, — bleiben aufrecht. Um fein Recht geltend zu machen, hat der Notherbe eine einfache hereditatis petitio ab intestato. Die Erbeinsetzungen waren also nicht von Anfang an nichtig, find aber refcissibel durch den bloßen Willen deS Notherben. Diese richtige Ansicht wird vertreten von Bluntschli, Francke, ArndtS, Rudorfs. Radikaler ist die vorzugsweise als NullitätSshstem, oder als absolutes NullitätSsystem, im Gegensatze zur eben vorgetragrnen Theorie der relativen Nullität oder der Refcissibilität, bezeichnete Theorie, welcher Thibaut, Keller, Vangerow, Bering und viele Neuere huldigen und wonach die

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wufllJTewg.

Erbeinsetzungen von Anfang an ipso jure nichtig find. — Die Romanisten deS 16. Jahrhmchert» hingegen glaubten, daß die alte JuoffiziofitätSquerel mit ihren Eigen­ thümlichleiten anwendbar sei; daS ist daS sog. JnoffiziositätSsystem, zu welchem fich Brinz. flö ppm und Windscheid bekennen — Andere dagegen, z. B. Puchta, wollen hier unterscheiden. Ist kein gesetzlicher Grund angegeben, dann ist Richtigkeit vorhanden und hereditatis petitio anzustellen; ist ein Grund zwar angegeben aber unwahr, dann findet Anfechtbarkeit und JuoffiziofitätSquerel statt: sog. gemischter System. Roch andere Rüancen könnten angegeben werden. Die Kontroverse stammt schon von den Glofiatorm her. Im Falle gesetzwidriger aber blo- partieller Ausschließung, bloßer Verkür­ zung deS Pflichttheils, hat der Notherbe die alte actio snppletoria auf Ergänzung, gegen seine Miterben nach Verhältniß ihrer Erbtheile, gegen andere Pfiichttheilsberechtigte jedoch nur insofern fir mehr als ihr Pflichttheil erhalten haben. Die E. in guter Absicht, exheredatio bona mente non notae causa facta ut filiis consulant, giebt zu keiner Klage Anlaß. 7. In der Pflichttheilsberechtigung der Geschwister ist durch Nov. 115 nichts geändert worden. Ein Grund der 6. muß vorhanden sein, braucht aber nicht an­ gegeben zu werden. Der grundlos AuSgeschloffene hat die JnoffiziofitätSquerel gegen die Testamentserben auf Ungültigkeitserklärung des Testaments in feinem ganzen Inhalt, jedoch nur zum Schaden der unehrenhaften, nicht auch der unbescholtenen Testamentserben. Im Falle bloßer Verkürzung hat der Berech­ tigte Klage auf Ergänzung gegen den unehrenhaften Erben, soweit fein Erbtheil reicht. Ueber 6. in den neueren Gsgbb., f. a. a. O. 461—464.

Quellen: Die Hauptquelle ist Nov. 115. — Pflichttheil: I. II. 18. D. V. 2. C. III. 28. De inofficioso testamento. — DaS alte Recht der Exheredation: I. II. 13. De exheredatione liberorum. — D. XXVIII. 2. De liberis et postumis heredibus instituendis vel exheredandis. — C. VI. 28. De liberis praeteritis vel exheredatis. — C. VI. 29. De postumis heredibus instituendis vel exheredandis. — Preuß. LR II. I 88 631, 633 : 2 §§ 391—480, 501—518. — C. N. art. 913 ss. Lit.: S. hauptsächlich die Schriften über Erbrecht im Allgem. von Bering, Köppen (S. 141—166), Tewes u. A., über testamentarisches Erbrecht von Rohhirt und über Noth­ erbenrecht insbesondere: Bluntschli, Entwicklung der Erbfolge gegen den letzten Willen nach Röm. R., Bonn 1829. — Francke, Tas R. der Notherben u. PflichttheilSberechtigtcn, Gött. 1831. - Glück-Mühlenbruch, XXXV—XXXVIII. (1832-1835). — Buchholz in seinen Abhandlungen (1833). — Arndts in Weiske's R.slexikon, III. u. VIII. — Schmidt, DaS formelle R. der Notherben, Leipz. 1862. — Heumann in der Gießener Ztschr., XVII. — Ma rezoll in Grolman's Magazin für RechtSwisfenschaft und Gsgb., IV. — Bangerow, 88 484—489. — Windscheid, tzand., §§ 562, 587—592. — Arndts-Serasini, 88 591 6t8 603. — Ueber die exheredatio bona mente: Glück, VII. — Mühlenbruch, XXXVII. — Windscheid, § 583. — Unger, § 84. Rivier.

Entführung. Die Geschichte und Morphologie dieses Verbrechens, in wenigen Punkten zusammengefaßt, ergeben, daß die E. (crimen raptus) bis auf Konstantin als ein crimen vis ohne Rücksicht auf die Ehrbarkeit der entführten ledigen oder verhciratheten Perfon aufgefaßt wird, nach Konstantin als Unzuchtsverbrechen mit Verletzung der väterlichen oder eheherrlichen Rechte Behandlung erfährt, feit Justinian die Ehe zwischen raptor und rapta direkt verboten und daS Verbrechen offiziell ver­ folgt wird. Der Gegenstand deffelben wird nunmehr auf eine unbescholtene Frauens­ person oder virgo honesta beschränkt. Das Verbrechen begreift die mit Gewalt gegen ein Weib wie die mit der Einwilligung der Haustochter heimlich vor den Eltern bewirkte Wegführung in geschlechtlicher Absicht. Die Kirche schärft daS Eheverbot zwischen raptor und rapta im Anschluß an daS Röm. R., um dem Ueberhandnehmen der E. zu steuern. Der Begriff deS Ver­ brechens ist nicht auf die HeirathSabficht beschränkt, vielmehr auf den Zweck der Befriedigung des Geschlechtstriebes ausgedehnt, ein Begriff, der int späteren Kan.

(hrtfitnutg.

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R. wieder eingeengt wird seit den Römischen Konzilien von 721 und 743. Der kirchliche Begriff de» Verbrechens bestand in der gewaltsamen Wegführung einer Frauensperson von ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsorte, wo sie sich im Schutze ihrer Familie befindet, nach einem entsernterea Orte, wo sie, jenes Rechtsschutzes entbehrend, ganz der Gewalt des raptor preiSgegeben ist. Da» Zurückhalten in seiner Gewall oder daS Wegschlepprn per aliquot passus in der Rühe ihres Schutz­ gebietes begründet noch keinen raptua. Ob die Wegführung einer minorennen Tochter mit ihrem Wlllen gegen den der Eltern, der raptua in parentes, durch das Konzil von Trient ausgehoben sei, ist bestritten, von Phillip», Fessler, Kaiser u. A. verneint. Streitig ist, ob auch ein Man«, durch ein Weib entführt, Gegenstand des Verbrechens sei und daffelbe nach dem Tridenttuum an der eigene« Braut begangen werden könne. Heute kann die E. nach D. StrafGB. § 286 auch an der eigenen Braut begangen werden. Gewiß ist, daß es aus die Un­ bescholtenheit der Entsühttm nicht ankomme, während nach Justin, und Gemeinem Deutschen R. eine unverleumdete Frauensperson allein Gegenstand deS Verbrechens der E. ist. Während im Röm. R. die Abficht deS raptor auf Ehe oder Unzucht gehen konnte, beschränkt da» katholische Kirchenrecht die E. auf die Abficht der Ehe­ schließung. DaS protestanttsche Kirchenrecht entlehnte seinen Begriff von E. auS dem Gemeinen Kriminalrechte unter Einwirdmg der rezipitten Rechte, auf welche die Karolina verwiesen hat, und die gemeinrechtliche Jurisprudenz bezeichnet unter An­ erkennung deS raptus in parentes die E. als gewaltsame oder widerrechtlich listige Bemächtigung eines WeibeS durch einen Mann zum Zwecke der Ehelichung oder Schwächung, welches unbescholten und weder die Gattin, noch rechtmäßige Braut de» raptor ist Die neueren Landesstrafgesetze kommen darin überein, daß da» Verbrechen um der Eheschließung oder der Unzucht willen geschehe, daß daffelbe durch List oder Gewalt verübt werde. Zum Thatbestand gehören al» Subjekt ein Mann, als Gegenstand ein Weih, doch hatten Bayern 1813, Hannover, Württemberg dieses Verbrechen aus die Wegsührung eine» Mannes in Unzucht»abficht ausgedehnt. DaS Erforderniß de» untadelhaften Lebenswandels ist auf­ gehoben, der vorherrschende GefichtSpunkt der Strafbarkeit: die Verletzung der per­ sönlichen Freiheit oder der rechtmäßigen Gewalthaber der abhängigen Entführten, während die richtige Anficht da» Moment der Verletzung oder Gefährdung der weiblichen Ehre und Züchtigkeit in erster Linie hervorhrbt. Ist die Entführte eine geschlechtlich anrüchige Person, so verliert dadurch daS Verbrechen sein eigenthüm­ liche» Gepräge, insofern erst in zweiter Linie die widerrechtliche Freiheitsberaubung in Betracht kommt, und zwar nicht einmal in allen Fällen. DaS Wegsühren, nach einigen Pattikularrechten da» Zurückbehalten in einem von dem freien gewöhnlichen oder angewiesenen Aufenthaltsorte entfernten Otte, wo die Ent­ führte ganz der physischen und moralischen Einwirkung de» UebelthäterS ausgesetzt ist, muß ein widerrechtliche» sein, nicht nothwendig durch einen Mann, wenn nur zu Gunsten eine» Mannes, und in einer die Entsühtte an ihrer weiblichen Ehre kompromittirenden Weife geschehen. Um die E. von der Nothzucht zu unterscheiden, ist auch die Absicht, dauernd über die Entführte in dem ihr ausgezwungenen Aufent­ haltsorte zum Zwecke der GeschlechtSbesriedigung zu verfügen, erforderlich. Die Rechtswidrigkeit der E. liegt entweder in der Vergewalttgung deS Willens deS WeibeS oder, wenn diese» konsentirte, in der Verletzung de» Willen» ihrer Gewalt­ haber, Eltern, Ehemann, Vormund oder Versorger. Im letzteren Falle fehlt da» Moment der Freiheitsberaubung. Die Einwilligung der rechtmäßigm Gewalthaber in die E mit dem Willen der Entführten schließt den Begttff de» Verbrechen» au», ebenso die Einwilligung einer großjährigen unverehelichten Frauensperson. Die Form des Verbrechen», welche» durch Verletzung de» Willens der recht­ mäßigen Gewalthaber begangen wird, schließt mehrere Fälle in sich.

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Entlassung — Entmündigungsverfahren.

Die Strafe der E. wider Willen der Entführten oder einer unter vierzehn Jahre alten, noch im Hause der Eltern oder ihrer Stellvertreter lebenden Frauens­ person ist Zuchthaus nach Maß der angewandten Mittel des beabsichtigten oder erfolgten Uebels. Minder strafbar ist die E. einer einwilligenden, wenigstens schon vierzehn Jahre alt gewesenen Person, wodurch nur Dritte in ihren Rechten verletzt werden und wobei die Regel des Strafverfahrens auf Antrag des Beleidigten eintritt. Nach §§ 236, 237 des D. StrafGB. tritt Verfolgung nur auf Antrag ein. Hat der Entführer die Entführte geheirathet, so findet die Verfolgung nur statt, nachdem die Ehe für ungültig erklärt worden ist. Die mit ihrer Einwilligung Entführte ist nicht strafbar. Gsgb. u. Lit.: Deutsches StrafGB. 235—238. — Hälschner, Preuß. StrasR., III. 332. — Goltd ammer, Material., Bd. II. S. 442 ff. — Wächter, Abhandlungen a. d. Strafr., 1835. — Colberg, Das Ehehinderniß der E., 1869. — Pach inann, Lehrb. des Kirchenrechts, 3. Ausg., II. 273. Wahlberg.

Entlassung, bedingte, s. Progressivsystem. Entmündigungsverfahren ist das Verfahren, in welchem geprüft und ent­ schieden wird, ob eine Person als geisteskrank, bzw. als Verschwender, der bürger­ lichen Selbständigkeit zu entkleiden sei. Im Röm. und Gem. R. bestand dasselbe in einer durch das Vormundschaftsgericht von Amtswegen geführten Untersuchung, und die Entmündigung vollzog sich wie ein Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Nach Preuß. und Franzos. R. dagegen wurde in den Formen des Civilprozesses kontradiktorisch verhandelt und erkannt. Das erstere Verfahren ist kürzer und weniger kostspielig, das letztere gewährt mehr Bürgschaft für die Schonung der per­ sönlichen Freiheit. Die CPO. hat eine Verbindung beider Systeme vorgeschrieben. Zunächst soll das Amtsgericht auf Grund eines Untersuchungsverfahrens entscheiden, sodann aber gegen die von ihm ausgesprochene bzw. aufrechterhaltene Entmündigung eine Anfechtung im Wege der Klage beim Landgericht zulässig sein 593—627). Dabei werden unter Geisteskrankheit die mehreren vom bürgerlichen Recht unter­ schiedenen Formen des Wahnsinns, Blödsinns u. s. w. zusammengesaßt. Desgleichen ist der Begriff der Verschwendung aus dem bürgerlichen Recht zu entnehmen. Auf die durch anderweitige Gebrechen in der Besorgung ihrer Geschäfte behinderten Per­ sonen (Taube, Stumme u. dgl. m.) findet das E. keine Anwendung. Die Regeln desselben sind für Geisteskranke und Verschwender im Allgemeinen gleich. Der Hauptunterschied ist, daß nur bei dem E. wegen Geisteskrankheit eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft stattfindet. Zur Einleitung des E. muß beim Amtsgericht ein Antrag gestellt werden, zu dem nur der Ehegatte, Verwandte und der Vor­ mund bzw. der Staatsanwalt berufen sind 593—596, 621). Das Gericht nimmt die erforderlichen Ermittlungen von Amtswegen vor 597, 62). Handelt es sich um Geisteskrankheit, so ist in der Regel der zu Entmündigende persönlich unter Zuziehung eines Sachverständigen zu vernehmen, jedenfalls aber ein solcher über den Geisteszustand des zu Entmündigenden zu hören (§§ 598, 599; vgl. d. Art. Explorationsverfahren). Der Beschluß ist stets dem Antrag­ steller, außerdem, wenn es sich um Geisteskrankheit handelt, dem Staatsanwalt, wenn um Verschwendung, dem zu Entmündigenden zuzustellen (§§ 602, 623, Abs. 1). Lautet er auf Entmündigung, so wird er auch der Vormundschaftsbehörde mit­ getheilt, und die Wirksamkeit der Entmündigung beginnt im Falle der Geisteskrank­ heit mit dieser Mittheilung, im Falle der Verschwendung mit der Zustellung an den Entmündigten (§§ 603, 623, Abs. 2). Die Entmündigung wegen Verschwendung ist auch öffentlich bekannt zu machen (Z 627). Ueber die Ansechtungsklage im E. s. diesen Art. Gegen den die Entmündigung ablehnenden Beschluß hat der An­ tragsteller bzw. der Staatsanwalt die sofortige Beschwerde (§§ 604, 621). — Auch über die Wiederaufhebung der Entmündigung ergeht zunächst ein Beschluß des Amts­ gerichts auf Antrag des Entmündigten oder seines Vormunds bzw. des Staats-

Entscheidungen.

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anwalts (§§ 616 — 618, 625). Der Beschluß ist dem Antragsteller, und falls er auf Wiederaufhebung lautet, dem Entmündigten und bzw. dem Staatsanwalt zu­ zustellen, die Wiederaufhebung der Entmündigung wegen Verschwendung auch öffentlich bekannt zu machen (§§ 619, 625, 627). Gegen die Wiederaufhebung gilt nur im Falle der Geisteskrankheit sofortige Beschwerde, und zwar von Seiten des Staatsanwalts (§§ 619 Abs. 2, 625 Abs. 2). Bei Ablehnung der Wiederaufhebung steht eine Wiederaushebungsklage beim Landgericht dem Vormund, bzw. dem Staats­ anwalt oder einem dazu bestellten Rechtsanwalt zu, die in Bezug auf Person des Beklagten und Verfahren ebenso wie die Anfechtungsklage behandelt wird (§§ 620, 626). Lit.: v. Arnold, Das gerichtl. Verfahren gegen Geisteskranke und Verschwender, Erl. 1861. — Fitting, RCivilprz., § 68. — Die Materialien u. Kommentare zur CPO., Buch VI. Abschn. II. E cf.

Entscheidungen (v. Bar, Th. I. Suppl. S. 54) nennt die Deutsche Civil PO. alle in Absicht auf die Prozeßführung vom Gericht ausgehenden Beschlüsse, welches Inhalts sie immer sein mögen, wie sich das Franz. R. zu deren genereller Bezeich­ nung des Ausdrucks jugement, die mittelalterliche Doktrin und Gesetzgebung des Gem. R- des Ausdrucks sententia, die heutige des Worts Dekret bedienen. Hatte das Röm. R-, welches die exekutivischen Prozedurarten des Gem. R. und der Deutschen CPO. nicht kennt, zwischen der sententia definitiva, welche nach statt­ gegebener Verhandlung der Parteien auf vorgängige richterliche Prüfung der Haupt­ sache (praevia disceptatione causae) über letztere, also über den klügerischen An­ spruch, ergeht und allen übrigen E. geschieden, welche bald als sententia, bald als decretum, bald als interlocutio oder durch andere Ausdrücke bezeichnet werden, so unterschied die mittelalterliche Doktrin und Gesetzgebung ebenso, aber ohne dabei auf die neu aufgekommenen exekutivischen Procedurarten Bedacht zu nehmen, zwischen der sententia definitiva und den sententiae interlocutoriae oder interlocutiones, welche inter principium et finem causae ergehen. Letztere sind später in sententiae interlocutoriae mixtae oder vim definitivae habentes und merae oder schlechte, ein­ fache , prozeßleitende Dekrete getheilt worden, je nachdem sie nach der Meinung der Einen (Vultejus, Carpzov, Brunnemann, Böhmer, Grolman, Renaud), einen Theil der Hauptsache entscheiden, nach der Meinung der Anderen (Gönner, Planck, Wetzell) nach verstattetem zweiseitigen Gehör ergehen oder das Eine wie das Andere nicht thun, insonderheit nur den Prozeß weiter leiten. Das Franz. R. basirt auf der gleichen Theorie: indem es die Verfügungen der Vorsitzenden, kommissarischen und requirirten Richter ordonnances nennt, jugement vorzugsweise von den E. des Gerichts gebraucht, die E. höherer Gerichte als arrets bezeichnet, alle aber wieder unter der Gesammtbezeichnung jugement zusammenfaßt, ist ihm jugement definitif dasjenige, welches die cause soumise, Hauptsache oder Jnzidentsache, entscheidet, jugement interlocutoire ein solches, welches eine preuve, verification ou l’instruction anordnet, qui prejuge le fond, und jugement pröparatoire ein solches, welches pour l’instruction de la cause ergeht. Die Deutsche CPO. theilt die E. in Urtheile und Beschlüsse der Gerichte und in Verfügungen der Vor­ sitzenden, kommissarischen und requirirten Richter, von welchen die Beschlüsse ohne oder nach mündlicher Verhandlung, dagegen die Urtheile nach stattgehabter münd­ licher Verhandlung als kontradiktorische oder Versäumnißurtheile bedingt oder un­ bedingt ergehen und Endurtheile sind, wenn sie den oder die eingeklagten oder widergeklagten oder einredeweise geltend gemachten Ansprüche alle oder zum Theil lTheilurtheil) erledigen, Zwischenurtheile, wenn sie über einzelne selbständige An­ griffs- oder Vertheidigungsmittel, wohin Urtheile über den Klaggrund allein im Gegensatz zum Betrage des Anspruchs, Urtheile über prozeßhindernde Einreden, Urtheile mit Vorbehalt von Vertheidigungsmitteln des Beklagten gehören, oder über Zwischenstreitigkeiten, z. B. über Verpflichtung eines Anwalts zur Zurücklieferung von Urkunden, über Zeugnißweigerung, über Zurückweisung einer Intervention v. Holtzendorfs, Enc. II. Rechtslexikon I. 3. Aufl. 44

690 entscheiden. — Di« Frage nun, ob eine konkrete E. Zwischen» oder Lndurtheil, Beschluß oder Verfügung sei, ist von wesmtlichem Belang für ihr« Lnsechtbarkeit und damit schließlich auch sür ihre Bollstreckbarkeit. Da» Äöm. Ä. stellt die Regel Ms: quod juarit vetuitve praetor, contrario imperio tollere et repetere licet, de sententüs contra. Auf Grund dieser Regel lehrte nach Planck'» Ausführungen die Italienische Doktrin de» Mittelalter», daß die Endsenten- für den Richter, der fie gesprochen, irrevokabel fei und die Rechtskraft beschreite, wofem die Pariei nicht an den höheren Richter appellire, daß dagegen alle interlokutorischen Sentenzen von dem fie erlaffeaden Richter selbst zurückgenommen oder abgeündert werden dürfen, die Partei also nicht zu appelliren nöthig habe und durch einfache Remonstration vor dem bisherigen Richter ihre Beseitigung oder Abänderung zu verlangen ver­ möge. Die Revokabilität der Jnterlokutorien erlitt jedoch eine Beschränkung, seit man au» ihnen die interlocntoriae mixtae auSschied und denselben in Gleichstellung mit dem Lndurtheil die Fähigkeit bellrgte, die Rechtskraft zu beschreiten. Dabei blieb eS jedoch bis in die neueste Zeit streitig, welche» daS unterscheidende Kenn­ zeichen der interlocntoria vim definitivae habens sei. Hat dieser Streit fich schließ­ lich auch die Alternative der L. über einen Punkt der Hauptsache oder der E. nach zweiseitigem Gehör oder, wie Planck will, nach vorausgegangenem Streite beschränkt, so wird man nicht zweifeln dürfen, fich für daS Gem. R. auf die Seite der ersteren Alternative zu stellen, da für den Einfluß Altdeutscher Auffassungen aus diese Frage auch noch von Wetzell ein Beweis nicht beigebracht ist und eS sich hier lediglich um eine Erstreckung der Römischen Regel: res jndicata jns facit Inter partes aus die in Rede stehenden Jnterlokutorien handelt, diese Regel aber im Röm. R. fich nur auf die causa principalis, daS materielle Recht-Verhältniß, nicht auf prozeffuale Berhältnifie bezogen hat, deren 6. ja spätestens mit dem Ende de» Prozeffe» ihre Bedeutung von selbst verliert. Die Deutsche CPO. spricht nun allerdings von rechtSkrästiger 6. über Zuständigkeit oder Unzuständigkeit der Gerichte, über Un­ zulässigkeit einer Nebenintervention, einer Zeugnißweigerung und könnte man danach annehmen, daß fie auch die RechtSkrast rein prozessualer E. anerkenne. Allein fie unterscheidet mit Wetzell zwischen formeller Rechtskraft, welche in der Unan­ fechtbarkeit durch die (ordentlichen) Rechtsmittel der Berufung, Revision und Be­ schwerde und durch den Einspruch besteht und welche selbstverständlich auch pro­ zessualen E., welche nicht oder nicht weiter anfechtbar find, zukommen kann, fich aber, wie Wetzell selbst einräumt, schließlich als ein Erforderniß der eigentlichen Rechtskraft herauSstellt, also diese selbst nicht bedeutet, und der materiellen oder eigentlichen Rechtskraft, welche an die Stelle des bisherigen Rechtsverhältnisse» der Parteien daS im Urtheil anerkannte setzt und zu dessen Geltendmachung actio und exceptio rei judicatae gewährt. Die materielle RechtSkrast schreibt fie den End- und Theilurtheilen zu, bezüglich welcher jedoch daraus hinzuweisen ist, daß die Prozeß­ ordnung Ansprüche und daher auch Urtheile in der Hauptsache in viel weiterem Umfange statuirt, al» solche im Gem. R. durch den Begriff der Hauptsache und der E. über fie gegeben find —, nicht aber den Zwischenurtheilen, die der materiellen RechtSkrast so wenig, wie Beschlüsse und Verfügungen, fähig find. Dagegen find Zwischenuriheile sür daS urtheileude Gericht irrevokabel und daruni, zwar wo fie zwischen Parteien und dritten Personen ergangen find, mit der sofortigen Beschwerde anzufechten, wo fie aber unter den Parteien allein ergangen, nur mit den Rechts­ mitteln gegen daS Endurtheil angreifbar, wie fie denn auch durch letzteres auf­ gehoben oder überflüffig gemacht werden; selbständig anfechtbar find ausnahms­ weise allein die Zwischenurtheile über den bloßen Klaggrund, über prozeßhindernde Einreden und die in der Berufungsinstanz und im UrkundS- und Wechselprozeß mit Vorbehalt der Rechte des Beklagten ergangenen, welche letzteren auch vorläufig voll­ streckbar find, bei Einlegung von Einspruch und Rechtsmitteln aber die Vollstreckbarkeit einbüßen können. Beschlüsse und Verfügungen find der materiellen Rechtskraft nicht fähig,

S»tschew»W«.

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für die Parteien aber, soweit sie nicht ausdrücklich für unanfechtbar erführt find, mit den Rechtsmitteln gegen bei Endurtheil oder sofern fie eine E. über die Hauptsache nicht enthalten, mit der Beschwerde ansechtbar, und da dieses Rechtsmittel der gemeinrechtlichen Appellation gegen einfache Dekrete entspricht, auch für da- Gericht revokabel, aber nicht, soweit fie der sofortigen Beschwerde unterworfen sind. Diese Revokabilität gestaltet sich für die Berfügungea der Vorsitzenden, beauftragten und ersuchten Richter zu einer gedoppelten, indem nicht nur diese Richter selbst, sonder» auch daS Gericht, zu welchem sie gehören oder welches fie beauftragt hat, auf die bei ihm eingelegte Beschwerde dieselbm abzuändern befugt ist.

Quellen: L. 14, 42, SS D. 42, 1. — C. de proc. art. 116 451 st., 809 se. — Haunov. Pr>O. §§ 846, 395 ff. — Deutsche «PO. §§ 36 , 68, 146 , 249 , 271 ff., 289, 298 ff., 296 ff., 325, 385, 472 ff., 502, 507, 510, 530 ff., 542, 645, 648 ff., 657; Mot. S. 216 ff., 235 ff., 828 ff., 387 ff. Lit.: Joa. Urbach, Proc. jud., (ed. Mather) p. 229 aqq.— Valteiua, Tr. dejadic. lib. m. c. 11 nr. 12 aqq. c. 12 or. 6 aqq. — J. H. Böhmer, J. E. P. lib. II. tit 27. § 2 aqq. — Grolman, Theorie, § 98. — Gönner, Hdb., Bd. L Abhdl. VH. § 20 ff. — Bayer, Ord.Prz., § 183. — Planck, Lew. llrth., §§ 16, 21, 40 ff., 66 ff. — »theil, Syst-, § 47 «nm. 11, 8 51 «nm. 48. - Renaud, Eiv.Pr».«., § 154. - Fitting. REiv.Prz., §§ 30, 55 ff. — Komment, b. Deutsch. «PO.ll. vou Struckmanu-Koch, v. WilmowSki-Levy, Endemann, Puchelt, L- Seusfert, v. Bülow. — Schlink, Komment, z. Franz. «PO., § 378. — Pigeau, Proc. civ. I. p. 482 aa. K. Wieding. EmtscheitzMtGe» (strasproz.) nennt die Deutsche StrafPO. alle im Straf­ verfahren vorfommenden richterlichen Anorf>nungen. ES gehören hierher auch die prozeßleitenden Berfügungea, doch find diese nicht immer einbegriffen, wenn die StrafPO. von 6. spricht. Die 6. zerfallen in Urtheile, Beschlüsse und Berfügungea. Urtheile find die E., welche in einer Hauptverhandlung ergehen und die Anklage oder die Rechtsmittel der Berufung und der Revision erledigen. Zwischen den Beschlüssen und Verfügungen läßt sich, waS ursprünglich beabfichtigt war, ein fester Unterschied dahin nicht angeben, daß erstere von einem Kollegium, letztere von einem einzelnen Richter erlassen werden. Die StrafPO. braucht die beide» Ausdrücke mehrfach in gleichem Sinne. — Für einzelne richterliche Anorfmungen finden fich besondere Ausdrücke: Strafbefehl, Haft» und BorfühmngSbefehl. Die gerichtlichen E. ergehen entweder auf Grund einer mündlichen Verhandlung

oder des Inhalts der Akten. Bei den Kollegialgerichten müssen die E., welche da» Kollegium alS solchem zustehen, wenn fie nicht in der Hauptverhandlung zu erlasse» find, in berathender Sitzung erlassen werden. Die im Lause einer Hauptverhand­ lung ergehenden E. des Gerichts werden nach Anhörung der Betheiligten, die außerhalb ein« Hauptverhandlung ergehenden, nach erfolgt« schriftlich« ob« mündlich« Erklärung der Staatsanwaltschaft «lassen. (Ueber die Zweifel, zu welchen § 33 der StrafPO-, welch« diese Bestimmung enthält, Beranlaffung giebt, vgl. Löwe.) Die durch ein Rechtsmittel anfechtbaren E. sowie diejenigen, durch welche ein Antrag abgelehnt wird, gleichviel ob diese ansechtbar find ob« nicht, find mit Gründen zu versehen (vgl. den Art. E.Sgründe). Abgesehen hiervon enthält die StrafPO. keine Bestimmung üb« Inhalt und Form dn E. ES wird dah« b« bisherige Gerichtsgebrauch maßgebend bleiben. Hinfichtlich der Beurkundung gerichtlicher E. hat die StrafPO. nur Be­ stimmungen ausgestellt, welche fich auf die Urtheile, die in der Hauptverhandlung ergehenden E. und die Sprüche der Geschworenen beziehen. Bgl. §§ 275, 307, 308, 312 und den Art. Urtheil (strasproz.). Die Beurkundung der E-, welch« von einem Richter in einem Termin erlassen werden, erfolgt in dem Protokoll. Beschlüsse, welche in berathenden Sitzungen gefaßt w«den, werden in der Regel von einem Richt« niederzuschreiben und von den übrigen zu unterschreiben sei«. (GDG. § 194 Abs. 1; StrafPO. §§ 22, 23).

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Enlschewungsgründe.

Die Bekanntmachung der E. erfolgt durch Verkündung oder Zustellung. Die Verkündung ist eine richterliche Handlung und wird dann angewendet, wenn die E. in Anwesenheit der davon betroffenen Person ergehen. Alle anderen E. werden durch Zustellung bekannt gemacht. Dem nicht auf freiem Fuße Befindlichen ist das zugestellte Schriftstück auf Verlangen vorzulesen. Die E., welche einer Zustellung oder Vollstreckung bedürfen, sind der Staatsanwaltschaft zu übergeben, welche das Erforderliche zu veranlassen hat. Der Untersuchungsrichter, der Amts­ richter und auch wol die Gerichte, obgleich hinsichtlich der letzteren dies nicht aus­ drücklich bestimmt ist, können Zustellungen aller Art unmittelbar, d. h. ohne Ver­ mittlung der Staatsanwaltschaft, veranlassen. Ausgenommen von der Regel sind die E., welche lediglich den inneren Dienst der Gerichte oder die Ordnung in den Sitzungen betreffen. Besondere Bestimmungen sind in der StrafPO. aufgestellt über die Zustellungen an die Staatsanwaltschaft (§ 41) und an den Beschuldigten, wenn bei diesem die Zustellungen in der regelmäßigen Weise nicht ausgeführt werden können (§ 40.) Die Zustellungen der E. erfolgen durch die Gerichtsvollzieher oder durch die Post, der sich die ersteren bedienen dürfen. Das bei den Zustellungen zu beob­ achtende Verfahren regelt sich nach den Vorschriften der CPO. (vgl. d. Art. Zustellungen); doch enthält die StrafPO. hierzu einige ergänzende Bestimmungen (§§ 38, 40, 41). Den Landesjustizverwaltungen ist gestattet (§ 38), einfachere Formen für den Nachweis der Zustellung vorzuschreiben, jedoch nur für das die öffentliche Klage vorbereitende Verfahren, die Voruntersuchung und das Verfahren bei der Strafvollstreckung (vgl. z. B. allg. Verfügung des Preuß. Justizministers vom 16. Juli 1879 betr. vereinfachte Zustellungen in Strafsachen).

Gsgb. u. Lit.: StrafPO. 33—41. — Unter den Kommentaren bes. Löwe. — Dochow, RStrafprz., 3. Aust. (1880), S. 132—135. Doch ow.

Enlscheidungsgvünde (rationes decidendi, Th. I. S. 629) im Civilproz eß sind die Motive, welche den Richter beim Erlaß seiner Bescheide und Urtheile geleitet haben. Nach älterem Gem. R., ebenso wie nach Röm. und Kan. R. kommt nur eine Verpflichtung zur Angabe derselben gegenüber dem Oberrichter, nicht aber gegenüber den Parteien vor. Nach der neueren gemeinrechtlichen Praxis pflegte indessen der Richter seine E. den letzteren schriftlich mitzutheilen, wenn er ihrem Verlangen entgegentrat, also nicht blos bei den Endurtheilen und den mit Rechtsmitteln anfechtbaren Zwischenurtheilen, sondern auch bei blos prozeßleitenden Verfügungen. Gewöhnlich wurde der Tenor mit dem Rubrum der Sache (d. h. der Angabe der Parteien), der Angabe des erkennenden Gerichts, dem Datum der Sitzung vorangeschickt und durch die Formel: v. R. W. (von Rechtswegen) von den E. getrennt. Seltener wurden die Motive nach der in Frankreich und in den Rheinlanden üblichen Sitte durch ein: in Erwägung oder einen ähnlichen Aus­ druck eingeleitet, dem Tenor vorangestellt (sog. Schachtelerkenntnisse). Nach der Deutschen CPO. müssen dem Urtheil ebenfalls die E. und zwar von dem Tenor oder der Urtheilsformel gesondert beigegeben werden, ohne daß damit die eine oder­ andere der gedachten Anordnungsformen präjudizirt wird. Eine Verkündigung der E. in der mündlichen Sitzung ist nicht obligatorisch. Bei anderen Entscheidungen als Urtheilen, bei Beschlüssen und Verfügungen, brauchen die E. nicht angegeben zu werden, unstatthaft ist dies aber nur beim Beweisbeschluß, während sie in anderen Fällen nicht ausgeschlossen erscheint. Da der Tenor gewöhnlich kurz gefaßt wird, z. B. nur das Resultat dessen, was die Parteien zu leisten haben, enthält, sich aber über die Begründetheit oder Unhaltbarkeit der Einreden nicht ausspricht, so bilden die E. ein wichtiges Moment für die Interpretation des Tenors. Nament­ lich geben sie für die Bemessung des Umfangs der Rechtskraft des Erkenntnisses das wichtigste Material ab, weil erst aus ihnen erkannt werden kann, über welche

Entscheidungsgründe.

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Rechtsverhältnisse die Parteien eine richterliche Entscheidung verlangt haben und über welche der Richter wirklich entschieden hat. Dagegen kann die Frage nicht gestellt werden, ob die E. der Rechtskraft fähig sind. Ihrer Natur nach können sie eben nichts entscheiden und nur der Umstand, daß die nähere Interpretation der Dezisive in ihnen enthalten ist, also äußerlich der reale Inhalt der letzteren gerade in ihnen, nicht in der ersteren selbst dargeboten wird, hat zu der Aufstellung jener schiefen Frage geführt. S. auch d. Art. Rechtskraft. Quellen: CPO. §§ 282, 284, 324. Lit.: Brinckmann, Ueber die richterlichen E. nach ihrer Nothwendigkeit und Nützlich­ keit, Kiel 1826. P. Hinschius.

Entscheidungsgründe im Strafprozeß. E. dienen zur Rechtfertigung der Entscheidungen; sie bilden eine Garantie dafür, daß das Gericht den konkreten Fall sorgfältig geprüft und setzen die Betheiligten in den Stand, Entscheidungen ansechten zu können. Während man früher die Anführung von E. nicht oder nur bei Verurteilungen für nothwendig erachtete, schreiben die neueren Gesetze, wenn auch nicht für alle, so doch für die meisten Entscheidungen gewöhnlich vor, daß die letzteren mit E. zu versehen und mit diesen zu verkünden sind. Auch wenn der Richter nicht an Beweisregeln gebunden ist, sondern nach freier Ueberzeugung zu entscheiden hat, ist die Anführung von E. nicht nur möglich, sondern sogar besonders Wünschenswerth. Die Deutsche StrafPO. § 34 schreibt vor, daß die durch ein Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen sowie diejenigen, durch welche ein Antrag abgelehnt wird, gleichviel ob sie anfechtbar sind oder nicht, mit Gründen zu versehen sind. Diese Bestimmung ist, wie Löwe (S. 270 ff.) mit Recht hervorhebt, nicht als eine sachgemäße zu bezeichnen; denn es unterliegt keinem Zweifel, daß auch unanfechtbare Entscheidungen höherer Instanzen und des Reichsgerichts in erster Instanz E. enthalten müssen. Der Begriff der Entscheidungen ist hier wol in dem Sinne zu fassen, daß die prozeßleitenden Verfügungen als ausgeschlossen gelten. Eine allgemeine Bestimmung über den Inhalt der E. ist in der StrafPO. nicht vorhanden; doch wird man als Regel angeben können, daß aus den E. er­ sichtlich sein muß, inwieweit eine Entscheidung auf thatsächlichen oder auf Rechts­ gründen beruht. Ausführliche Bestimmungen enthält dagegen die StrafPO. über die E. bei Urtheilen. Es ist dabei zu unterscheiden, ob es sich um eine Frei­ sprechung oder eine Verurtheilung handelt (§ 266). Bei einer Freisprechung müssen die E. ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt, oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene That für nicht strafbar erachtet worden ist; bei einer Verurtheilung die für erwiesen erachteten Thatsachen, in welchen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden werden, das hierauf angewendete Strafgesetz und die Umstände, welche für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. (Das Genauere s. in den Art. Abstimmung und Urtheil im Strafprozeß.) — Die Sprüche der Geschworenen enthalten keine E., was vielfach als ein wesentlicher Nachtheil des Schwurgerichts gegenüber dem Schöffengericht betrachtet wird, obgleich die Angabe von E. bei jenem nicht gerade unmöglich wäre. In den E. des Urtheils des Schwurgerichtshofes ist auf den Spruch der Geschworenen Bezug zu nehmen (§ 316). Der Spruch, dessen Inhalt nicht wiedergegeben zu werden braucht, ersetzt die E., die jedoch vorhanden sein müssen, hinsichtlich der Fragen, welche von dem Schwurgerichtshofe allein zu ent­ scheiden sind. Die E. können entweder dem Urtheilstenor vorausgeschickt werden oder ihm nachfolgen. Bei Vorausschickung der E. wendet man vielfach die bei ausführlichen E. wenig empfehlenswerte Formel: „in Erwägung, daß u. s. w." an. Von den beiden Arten verdient die letztere, die sich auch für die Verkündung der Entschei-

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eaMUfcnrat'

düngen bester eignet, vor der ersteren entschieden den Borzag. Das Fehlen der E. bei einem Urtheil, sei ei, daß dasselbe überhaupt nicht oder hinsichtlich eines wesentlichen Theil« nicht begründet ist, hat nach der EtrafPO. § 377 Z. 7 die Aushebung des angefochtenen Urtheils stets zur Folge.

Lit: Ortloff in (soltdammeri Archiv, 8b. VIIL u. IX. — Zachariä, Haudb. deDeutsch. EtrafPrz., Bb. n. 8 162 (hier ist auch bie ältere Lit. angegeben). — Li we zu bm betr. Paragraphen der EtrafPO. Dochow.

Enttoährnvg, richtiger Entwehrung, bedeutet Besitzentziehung, insbesondere diejenige, welche der Muser einer Sache zufolge Mangels des ihm von dem Berküufer gewährten Recht» (daher Römisch: Eviktion) erfährt. Dgl. Th. I. S. 422, 423. Für diese 6. hat der Verkäufer einzustehen, weil er vertragsmäßig zur Ge­ währleistung de« habere licere Verpflichtet ist (1. 8 D. h. t.). Nach Röm. R. begründete man die Haftung de» Verkäufer« für E. regelmäßig durch Stipulation und zwar meist auf da» Doppelte de« gezahlten Preise« (stipnlatio dnplae), wodurch die mit der mancipatio verknüpfte obligatio auctoritatis ersetzt wurde. Daneben aber wurde allmählich im Falle der E. auch die actio emti au« dem Gesichtspunkt der bona fides gegeben, theil« in Fällm, wo die actio ex stipnlatu au» formellen Gründen ihren Dienst versagte (1. 66 § 2; 1. 41 pr. D. b. t.), theils aber auch im Sinne einer materiellen Erweiterung der Hewährleistungspflicht (1.1. 8, 43, 24, 25 D. h. t). Das Ziel dieser actio emti bildete, sofern nicht» besondere» abgemacht war (fr. Vat. § 8) da» Interesse. Ueber diese Entwicklung siehe E ck, Verpflichtung de» Ver­ käufers, §§ 2, 3, und Bechmann, Kauf, §§ 93—97. Von beiden Klagen ist bei nn» die erstere mit der Stipulation hinweggefalleu, daher ihr besondere» Recht UN» anwendbar, dagegen die zweite in praktischer Geltung geblieben. Jedoch find die Fälle der E. heute bei weitem seltener, weil nach dem HGB. und manchen LandeSgesehen der redliche Erwerber theil» Eigenthum erhält, theil« von dem klagenden Eigen­ thümer Ersatz de» Erwerbspreises verlangen kann. Die Voraussetzungen der Haf­ tung wegen E. find folgende: 1) die Sache muß dem Käufer faktisch entzogen sein. Jedoch liegt eine Entziehung auch dann vor, wenn dem Käufer die Wieder» erlangung der Sache unmöglich gemacht (1. 16 § 1 D. h. t.) oder die Behauptung derselben nur gegen Werthsersatz gestattet worden ist (1. 21 § 2 D. h. t.) sowie wenn er blos einen Theil der Sache (1. 1. 1. 39 § 2 h. t.) eingebüßt hat, nicht auch, wenn er nur die Ausübung einer Grunddienstbarkeit dulden muß (1. 59 D. d. C. E. 18, 1). klebrigen« gilt e« al» E., wenn dem Käufer auch nur Vortheile, die er au« der Sache hätte haben sollen, entzogen find. S. darüber Eck, S. 29 ff.; aber auch Hartmann, die Obligation, S. 102 ff. Ob sogar eine Abforderung de« aus dem Weiterverkauf erzielten Preise« (mit condictio sine causa von Seiten de« Sacheigenthümers) der E. gleich stehe, ist bestritten; dafür Wind scheid, zwei Fragen auS der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, Leipzig 1878, S. 39 u. Lehrb. II. § 422 A. 8, dawider Jhering, Dogm. Jahrb. XVI. S 293 ff. — 2) Der Grund der Entziehung muß ein RechtSgrund gewesen sein. Daher keine Haftung, wenn dem Käufer die Sache durch Eigenmacht (1. 11 pr. D. h. t.) oder durch physischen Untergang (1. 21 pr. § 1 D. eod.) entzogen ist. Wogegen andererseits aus die Natur de« Recht«, kraft befielt die Entziehung stattgefunden hat, nichts ankommt. Zur Feststellung diese« RechtSgrunde« genügt eS, wenn dem Käufer im Prozeß mit einem Dritten da« Recht auf den Besitz der Sache ab­ erkannt worden ist. Doch bleibt dem Verkäufer die Einrede, daß der Prozeß nur durch ungerechten Richterspruch (1. 51 pr. D. h. t.) oder durch Nachlässigkeit de« Käufer« (1. 55 pr. D. h. t.) verloren gegangen sei. Zur sorgfältigen Prozeßführung deS Letzteren gehört auch, daß er dem Verkäufer den Streit verkündige (1. 53 § 1. 1. 55 § 1 D. h. t ). Hat er dies versäumt, so ist sein E.Sanfpruch verwirkt, (1. 8 C. h. t.), jedoch wol nur unter der Voraussetzung, daß der Verkäufer Gründe an­ führt, die er dem Dritten mit Erfolg hätte entgegensetzen können (1. 58 § 1 D.

Entwässerungsanlagen.

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h. t). Etwas ander» ArndtS, Lehrb., § 303 A. 4. Ja, nach den Regeln der actio emti ist der Käufer nicht einmal schlechterdings zur Führung eine- Prozesses mit dem Dritten verbunden, sondern ebenso befugt, daS Recht desselben zur Entziehung bei Erhebung seines Ersatzansprüche» selbst zu beweisen (1. 29 pr. D. h. t L 11 § 12 D. de A. E. V). UebrigeaS bestehen hier Meinungsverschiedenheiten besonders wegen 1. 56 § 1 v. h. t. 1. 17 C. k t. — 3) Der RechtSgrund muß mit eiuem Mangel im Recht des Verkäufers zusammengehangen haben. Ein solcher Mangel liegt nicht vor, wenn der Käufer eS hat geschehen lasten, daß nach dem Berkaus ein Dritter die Erfitznng der Sache vollendete. Der Inhalt deS dem Käufer zu­ stehenden Anspruchs wird durch sein Jatereffe gebildet. Dastelbe darf nach der allgemeinen Regel (1. an. C. de sentent. quae pro eo 7, 47) da» Doppelte (wvl de» Kaufpreise») nicht übersteig«, wird aber übrigen» durch spätere Werth­ veränderung der Sache gemehrt, resp, gemindert. Ob vergleich« beim Versprechen einer bestimmt« Summe, ebenso wie bei der stip. duplae, unberücksichtigt bleibt, wird rundweg bejaht von Siateai», II. § 116, Anm. 156, ist aber wol nach der Regel über da» Verhältniß zwischen Konventionalstrafe und Jntereffeanfp«ch ver­ schied« zu entscheiden (L 8. 1. 66 § 3. 1. 70. 1. 64 pr. 1. 74 § 1 v. h. t). — Der ganze Entwähruugsanspruch wird a«»geschloff« durch Verzicht (pactum de non praestanda evictionc), der jedoch den arglistig« Verkäufer nicht befreit (1. 69 pr. § 5 D. k t., 1. 27 C. k t), ja, nach Ansicht Manche^, sogar eine Verpflich­ tung de» Verkäufer», im Falle der E. den Preis zurückzugeben, übrig lasten soll (arg. 1. 11 § 18 D. d. A. E. V. 19, 1. Puchta, Borl. § 362. Tiktin, de nat. bilat. obl. cap. V), und durch Eingehung de» Kaust zu dem Zwecke, daß der Ver­ käufer ein begonnenes Spiel fortfetzen könne (1. 2 § 1 v. quer. rer. act. 44. 5). Ueber die Anwendung der Regeln von der E. auf andere Geschäfte al» den Kauf wird gestrittm, weil man da» zu Grunde liegende Prinzip verschied« auffaßt. Die Meisten leit« die Haftung weg« 6. au» der Vertragspflicht, Eigen­ thum oder ein andere» Recht auf das habere Heere zu verschaff«, ab; vgl. Wiad» scheid, II. § 392. Rach Bekker ist jene Haftung geradezu identisch mit der Erfüll«ng»pflicht, daher Vorhand«, wo immer die Leistung durch E. zerstört, al» „Scheinleistung" aufgewiesen wird, z. B. auch bei der Miethe. Diese Austastung adoptirtim Wesentlichen für da» Pr«ß. R. D ernburg, Lehrb., II. § 148. Brinz bezeichnet al» Grundlage „daS dingliche Geschäft", genauer, „die Thatsache, daß man eine Sache giebt (sich als auctor hinstellt) und dafür empfängt". Roch ander» andere.

Quellen: Tit D. XXI. 2. de evictionibus et duplae stipnlatione. — C. VIII. 45. de evictionibue. Neueste Lit.: K. O. Müller, Die Lehre von b. Eviktion, Th. I, Halle 1851. — Bekker, Zur Lehre von b. EviktionSleistuna, in seinen Jahrbb. b. «item. R. VI. S. 229— 336. — Winbscheib, Lehrb., H. §§ 391, 392. — Brinz, Lehrb., H. § 280. Eck.

E«twäffer«»gSa»lagen (Th. I. S. 469). Seit alter Zeit find« sich in Deutschland, besonders in den Friesischen Marschen, E., welche durch ein« genossm» schaftlichea Verband der dadurch geschützten Grundbesitzer unterhalten werd«. Solche Verbände werden nach den Sielen (Abzugskanälen), durch welche die (EntWässerung hergestellt wird, Sielachten genannt und nach Analogie der Deich­ verbände behandelt. (Dgl. dies. Art.) Die neuere Wafferrecht-gesetzgebung hat ähnliche Genostenfchaftsbildungen in großer Zahl theil» hervorgerufen, theil» gefördert. Wenn Verbände zur Herstellung und Unterhaltung von E. durch freiwilligen Zusammentritt der Betheiligt« jeder­ zeit errichtet werden konnten, so hat die neuere Gesetzgebung dies« wie anderen sog«, „freien Wastergenostenschaften" bei Erfüllung gewister Normativbedingungen korporative Rechte und staatlichen Schutz verlieh«. Sehr viel wichtiger aber ist eS, daß die Gesetzgebung zuerst für Bewässerungsanlagen, dann jedoch auch für

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Eötvös — Episkopat.

E. (in Preußen ursprünglich mit Ausnahme von Drainagewerken) die Vereinigung der Interessenten in „öffentliche Wassergenossenschasten" ermöglicht hat, zu deren Mitgliedschaft auch Widerstrebende gezwungen werden können. Der leitende Gesichtspunkt ist hierbei die Idee einer natürlichen Rechtsgemeinschast der Wasser­ interessenten. Hiernach kann überall, wo eine E., deren Vortheile einer ganzen Gegend zu gute kommen, nur durch ein gemeinsames Wirken zu Stande zu bringen ist, von Staatswegen eine Zwangsgenossenschaft aller Grundbesitzer des Meliorations­ bezirkes gebildet werden. Einige Gesetze (wie die Königl. Sächsische und die frühere Preußische Gesetzgebung) gehen hierbei so weit, daß sie ihrem Wortlaut nach weder den Antrag, noch die Zustimmung irgend eines Beteiligten fordern; die übrigen Gesetze erlauben den Zwang nur gegen eine Minderheit, wobei die Mehrheit nach der Grundfläche berechnet und theils (wie in Hessen und jetzt in Preußen und Oesterreich) einfache, theils (wie in Bayern, Baden, Weimar und Meiningen) Zweidrittelsmajorität verlangt wird. Nach Abgrenzung des Bezirks und Feststellung der Mitgliedschaft wird sodann unter staatlicher Mitwirkung das Genossenschaftsstatut erlassen, worin das Nähere über den Korporationszweck, die Repartition der Beiträge und Leistungen und die innere Verfassung bestimmt wird. Regelmäßig wird der Vertheilungsmaßstab vom Grundbesitz, jedoch unter Berück­ sichtigung des verschiedenen für die einzelnen Grundstücke zu erwartenden Vortheiles hergenommen. Die Anlagen selbst pflegt die Genossenschaft als solche zu besorgen und demnächst nur Kosten und Lasten zu Vertheilen. Die Einzelbeiträge haben den Charakter unablöslicher und in Preußen und Sachsen öffentlicher Reallasten. Die Genossenschaften, welche überall die Rechte juristischer Personen haben, sind mannigfach verschieden organisirt. Regelmäßig steht zur Leitung und Verwaltung ein Vorstand an der Spitze (Direktoren, Vorsteher und Wiesenschöffen, technische Beamte), während die Genossenversammlung oder eine sie vertretende Repräsen­ tantenversammlung die Vereinsbeschlüsse faßt. Meist wird dem Verbände ein ausschließliches Recht auf Vornahme der betreffenden Anlagen und Arbeiten, ein Expropriationsrecht gegen die Mitglieder und eine schiedsrichterliche Gewalt in Streitfällen ertheilt. Die Genossenschaft steht unter dauernder Aufsicht des Staates. Quellen: Nassau-Oran. Wiesenordn. v. 18. Dez. 1790. -.Großh Hess. Wiesenkulturges. v. 7. Okt. 1830. — Preuß. Ges. v. 28. Febr. 1843 56—59 u. Ges. v. 11. Mai 1853, jetzt das Ges. betr. die Bildung von Wassergenossenschaften v. 1. April 1879. — K. Sachs. Ges. v. 15. Aug. 1855. — Bad. Ges. über Be- u. Entwässerungsanl. v. 21. Febr. 1851 und Ges. v. 25. Aug. 1876. — Bayer. Ges. v. 28. Mai 1852. — AZeimar. Ges. v 16. Febr. 1854. — Meining. Ges. v. 4. Mai 1850. — Oldenburg. Wasserordnung v. 20. Nov. 1868. — Braunschw. Wassergesetz v. 20. Juli 1876. — Oesterreich. Wassergesetz v. 30. Mai 1869. Lit.: Hahn, Die Preuß. Ges. über die Borfluth 2c., Breslau 1858. — Anschütz, Die Deutschen Wiesengenossenschaften, Jahrbb. d. gern. Deutsch. R., 1859, III. 396 ff. — Grerke, Rechtsgesch. der Genoss., Berl. 1868, S. 776 ff. — Randa, Beiträge zum Oesterreichischen Wasserrecht, 2. Aust., Prag 1878. — Schenkel, Das Badische Wasserrecht, Karlsruhe 1877. — Pözl, Der Stand der Gesetzgebung und Literatur über das Wasserrecht in Deutschland und Oesterreich, Krit. B.J.Schr. Bd. XXII. S. 1 ff. O. G i e r k e.

Eötvös, Jos. Freih. v., tz 3. IX. 1813 zu Ofen, wurde. März 1848 Kultusmin.> ging im August nach München, 1856 2. Präs, der ungar. Akad., 1867 Kult.- u. Unterrichtsmin., t 3. II. 187J. Schriften: Ueber die Gleichberechtigung der Nationalitäten in Oesterreich, (2) Wien 1851. — Der Einfluß der herrsch. Ideen d. 19. Jahrh, auf den Staat, 1851, 1854. — Die Garantien der Macht u. Einheit Oesterreichs, Leipzig 1859. — Gedanken, 1864. — Die Natio­ nalitätenfrage, deutsch v. Falk, Pest 1865. — Politikai Hetilap, 1865 ss. Lit.: Bluntschli, Gesch. d. Staatsrechts, 619-622. — Brockhaus.

Teichmann.

Epidemien, s. Volksseuchen. Episkopat (Th. I. S. 650), d.

h. nach der Lehre der katholischen Kirche die Gesammtheit derjenigen Oberhirten, welche nach göttlicher Anordnung in die Voll­ machten der Apostel succedirt sind, während freilich nach protestantischer Ausfassung

Episkopat.

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anfänglich die beiden für die Leiter der ältesten Christengemeinden vorkommenden Bezeichnungen: Presbyter und Episkopos gleichbedeutend gewesen sind, und jene Ausfassung von der Succession der Bischöfe in die Vollmachten der Apostel und der Wesensverschiedenheit zwischen Priester und Bischof sich erst seit dem 3. Jahr­ hundert nach Christi Geburt entwickelt hat. Bekanntlich führt die katholische Kirche den Primat des Papstes ebenfalls auf direkte göttliche Einsetzung und auf die Nach­ folge in die dem sog. Apostelfürsten Petrus ertheilten Vollmachten zurück. Damit war die Nothwendigkeit einer näheren Präzisirung des Verhältnisses zwischen dem E. und dem Primat gegeben. Diese ist zuerst in den pseudo-isidorischen Dekretalen (s. Th. I. S. 138) und zwar in der Weise versucht, daß die Mitglieder des E. nur an der Machtfülle des Papstes als Gehülfen desselben bei der Leitung der Kirche theilnehmen, jene aber nicht in vollem Umfange besitzen. Im 12. und 13. Jahrhundert gelang es den Päpsten, aus diesen Anschauungen auch die prak­ tischen Konsequenzen zu ziehen. Während noch die Doktrin im 14. Jahrhundert die Stellung des Primates in den überschwänglichsten Ausdrücken feierte und den Vertreter des Apostels Petrus zum Vertreter Gottes, ja zum Gott selbst erhob, hatte bereits eine Periode des Verfalles und der Erniedrigung des Papstthums be­ gonnen. Im 15. Jahrhundert gewährten die faktischen Verhältnisse den eklatanten Beweis, daß das Papstthum trotz der ihm beigelegten Fülle seiner Souveränetät vollkommen unfähig war, den klar und offen am Tage liegenden Schäden der Kirche abzuhelfen. So mußte naturgemäß der E. wieder in den Vordergrund treten, und in jener Zeit entwickelte sich daher eine Literatur, welche das oberste Eingreifen desselben in seiner Gesammtheit, d. h. des allgemeinen Konzils, theoretisch zu recht­ fertigen suchte. Man legte die Machtfülle, die plenitudo potestatis, der allgemeinen Kirche, also dem im allgemeinen Konzil repräsentirten E. bei, und schrieb man auch dem Papst die Ausübung jener Machtvollkommenheit zu, so wies man doch dem Konzil bei wichtigeren Angelegenheiten eine konkurrirende, im Fall des Mißbrauches eine korrektive und im Nothfall eine oberstrichterliche Stellung über den Papst zu. Das Konzil von Konstanz (1414—1418) hat diefe Lehren in das Rechtsleben der Kirche einzuführen gesucht, und ebenso hat das Baseler Konzil (1431— 1443) den­ selben Standpunkt festgehalten (s. auch a. a. £).). In Deutschland hat man letzteren aber bald verlassen. Auf dem Konzil von Trient zog sich der Kampf zwischen den Anhängern desselben (des sog. Episkopalsystems) und der Theorie von bft absoluten Machtfülle des Papstes (dem sog. Papalsystem) verdeckt durch die Verhandlungen hin, und so umging man einen klaren Ausspruch über das Ver­ hältniß des Primats zum E. In Folge eines Kompromisses wurde in Sess. XXIII. de sacram. ordin. c. 4, welches die Bischöfe für die vom heiligen Geiste bestellten Nachfolger der Apostel erklärt, nichts über die Jurisdiktion (oder die Regierungs­ gewalt) der Bischöfe bemerkt und im c. 6 1. c. statt der vorgeschlagenen hierarchia a Christo ordinata die Fassung: divina ordinatione instituta adoptirt, um die mögliche Herleitung der unmittelbaren Einsetzung der bischöflichen Jurisdiktion durch Christus aus dieser Fassung auszuschließen. Während man ferner die Rechte der Bischöfe zwar erweiterte, aber nur durch den ihrer Stellung ungünstigen Weg der ein für allemal gesetzlich ausgesprochenen Delegirung seitens des Papstes, leistete weiter die Bezeichnung des letzteren als des Statthalters Gottes und die Erwähnung der ihm in ecclesia tradita suprema potestas den Anschauungen des Papalsystems Vorschub. In Frankreich haben die Lehren des 15. Jahrhunderts in dem sog. Gallicanismus noch länger nachgewirkt und in Folge ihres Einflusses in Deutsch­ land (s. Th. I. S. 650) ist sogar eine weitere Ausbildung des Episkopalsystems durch den Trierer Weihbischof Nicolaus v. Hontheim im 18. Jahrhundert unter­ nommen worden, ein Versuch, welcher bis in dieses Jahrhundert hinein seinen Ein­ fluß auf die Theorie geübt hat. Nach Hontheim hat die Kirche als Gesammtheit die Schlüsselgewalt von Christus empfangen. Diese besitzt sie radicaliter et princi-

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«N.

paliter und erst Don ihr haben sie die Apostel und Bischöfe zur Ausübung (secundum usurn) erhalten. Letztere besitzen aber ihre Befugnisse von Gott direkt und stehen gleichberechtigt neben einander. Der Primat, welcher zwar auch von Christus eingesetzt ist, hat lediglich den Zweck, die Einheit in der Kirche zu erhalten. Eine eigentliche Jurisdiktion hat der Papst daher nicht; während er wcker in Sachen deS GlanbenS noch der Disziplin allgemein für die Kirche verbindliche Normen er­ lassen darf, steht die höchste Gewalt in der Kirche dem im Konzil repräsentirteu E. zu, au welchen vom Papst appellirt werden kann, der ihn aber abzusehen befugt ist und deffen Entscheidungen seiner Bestätigung nicht bedürsen. Im Anschluß an diese Lehren Hontheim'S touibtn von den Deutschen Kanouisten als wesentliche Rechte deS Primats, daS „jus exigendi relationes in cansis statum ecclesiae publicum concernentibus, mittendi legatos, praecipnae partes in cnrandis fidei negotiis, jus edendi decreta in iis provisoria, convocandi concilia, in iis praesidendi, jus vindicandi et exequendi canones, jus relaxandi canonum ad unitatis conservationem, eum in finem ferendi leges, uti etiam ad novas corrnptelas exstinguendas, jus devolutionis supremum, jus protectionis episcopis oppressis impertiendae“, auf­ gezählt und jenen die übrigen vom Papst thatsächlich auSgeübten Rechte als jura adventitia gegenübergestellt, weil er diese nur durch Einwirkung der pseudo-ifidorischen Dekrrtalen erlangt habe. Die Theorie hat diese Scheidung, welche sich den Fehler hat zu Schulden kommen lassen, eine Stufe der historischen Entwicklung, nämlich die Zeit vor den pseudo-ifidorischen Dekrrtalen als die normale, alles Weitere aber als die anomale und unberechtigte aufzusaffen, in neuerer Zeit ausgegeben und man hat dem Papste allseitig eine JnriSdiktion im eigentliche» Sinne des Worts zu­ gestanden. DaS freilich nicht von allen Katholiken als gültig anerkannte Vati­ kanische Konzil von 1869 und 1870 (vgl. const. Pii IX.: Pastor aeternus v. 18. Juli 1870) hat daS Papalsystem in der höchsten Uebertreibung zum Dogma erhoben, indem es, abgesehen von der dem Papste beigrlegten Unfehlbarkeit, diesem auch eine direkte unmittelbare Jurisdiktion neben allen Bischöfen zuerkennt und namentlich den Satz reprobirt, daß von der Entscheidung deS Papstes an ein all­ gemeines Konzil appellirt werden dürfe. Wenn eS allerdings daneben anerkennt, daß der 6. ebenfalls eine gottgeordnete Institution der Kirche sei, so find doch thatsächlich die Bischöfe durch diese dogmatische Definition zu bloßen Stellvertretern und abhängigen Gehülfen, eine Stellung, welcher daS thatsächliche Verhalten deS modernen 6. durchaus entspricht, herabgedrückt worden. Lit.: Hübler, Tie Konstanzer Reformation, Leipz. 1867, S. 360 ff. — Pierre Pithou, Les libertds de l’äglise Gallicane, 1594. — Bossuet, Defensio declarationis quam sanxit derusGallicanus, Luxemb. 1730.— Justini Febronii JCti (Nikolaus v.Hontheim!, De statu ecclesiae et legitime potestate Romani pontificis über Singularis, BuUioni (Franks, a. M) 1763. — O. Mejer, FebroniuS, Tübingen 1880. — v. Droste-HülShofs. Grundsätze deS Gem. Kirchenrechts, Bd. II. Abth. 1, Münster 1830, §§ 132 ff. — Beidtel, DaS Kanon. R., S. 385 ff. — v. Schulte, Die Stellung der Konzilien, Päpste u. Bischöfe ic., Prag 1871; Derselbe, Die Macht der Röm. Päpste über Fürsten, Länder ic., 2. Aust, Prag 1871. — Janus, Der Papst u. d. Konzil, Leipz. 1869. — Hergenröther, Kathol. Kirche u. christl. Staat, Freiburg 1872. — Friedrich, Docutn. ad lllustr. concil. Vati­ canum, Nördlingen 1871. — Friedberg, Sammt d. Aktenstücke zum L Vatikan. Konzil, Tübingen 1872. — Quirinus, Röm. Briefe v. Konzil, München 1870. — Friedrich, Tagebuch während d. Batikan. Konzils, 2. Aust., Nördlingen 1873. — Frommann, Gesch. u. Kritik d. Batikan. Konzils, Gotha 1872. — P. HinschiuS, Kirchenrecht, Bd. II. S. 705. P. HinschiuS.

Epv, BoetiuS, 8 1529 zu Roorda, lehrte zu Paris, Löwen u. Douay, t 1599. Er schrieb: Grat, de rom. perfectaeque jurispr. fructibus genuinis u. Oratio de bono­ rum acad. titulis et insignibus eorumque origine, progressu et legitime usu (Duaci 1564), ed. Lotter, Lips. 1727. — Heroicarum et eccles. quaest. 1. VI, Duaci 1588. Lit.: Maatzen, Gesch. d.Ou. u.Lit. deSKan.R., Graz 1870, S.XXXIV—XXXVI. — De Wal, Oratio, p. 17, 39. Teichmann.

Erbbegräbniß — Erbdescheintgung.

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(SrWegröhnü, ein von einer Privatperson eigenthümlich, also auch erblich, meist durch Kauf erworbene- Stück eine- Kirchhofe-, Gottesacker- oder Begribnißplatze», in welchem ohne Willm de» Berechtigten Niemand beerdigt werden darf, während dieser unter Entschädigung der etwa anderweit berechtigten Kirche und de» Pfarrer- da» Recht genießt, daß sein und der Seinigen Leichname dahin abgeführt »eiben. Erfolgt wegen Verbot» von Beerdigungen in den Kirchen, oder an» Ge­ sundheit-rückfichten, welche dir Verlegung eine- Kirchhofe» gebieten, die Sperrung und Verlegung des E., so erwächst daran» die Forderung auf unentgeltliche An­ weisung eine» geeigneten Platze» auf dem neue» Kirchhof, mag - dieser der Kirchen­ gesellschaft, oder nach einer bestrittenen, dem Franz. R. entnommenen Anficht der Livilgemeinde gehören. Der römisch-rechtlichen Auffassung der Begräbnißstätten al» dem Verkehr entzogener Sachen folgt die Praxi» nicht. Gsad. u. Lit.: Preuß. LR. H. 11 §8 461 ff., 185, 681-688. - Erl. b. O.A.«. Celle, Han», mag. IV. 305. — ’M. c. 1, 3. X De sepult. (3, 28). — Schulte, Da» kachel. Kirchenncht, H. S. 652 ff. — Richter, Kirchenrecht (7. Ausl), S. 1148 ff. Schaper.

Erbbefcheinigimo, gerichtüche Urkund« über da» Bestehe« einer Erbberechtigung. Dir Ausstellung fällt w da» Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Eben dem­ selben gehören die wichtigsten Fälle der Anwendung zu. EÄangen nach der be­ stehenden GerichtSverfaffung Erben da» Recht, Grundstücke zu belasten, nur durch ihre Eintragung in da» Grundbuch, so muß ihnen in allen Fällen ein Weg eröffnet werden, zu öffentlichem Glauben ihre Berechtigung nachzuweisen. Fehlt t» an einer klaren letztwilligen Verfügung, so muß anherweit für eine Bescheinigung gesorgt werden, gestützt auf eine caosae cognitio. Da indeß bei der Verzweigung der Fainilienverbindungen, und zumal nach der Auswanderung einzelner Mitglieder, eine vollständige und zweifel-freie Feststellung der Erbberechtigungen in vielen Fällen unausführbar erscheint, so würde eine weitgreisende Gefährdung materiell begründeter Ansprüche ernteten, wenn der Bescheinigung die formelle Mrkuug einer rechts­ kräftigen richterlichen Entscheidung beigelegt werden sollte. Sie ergeht demnach nur unter dem stillschweigenden Vorbehalt der Rechte unbekannt gebliebener Erben. Don durchgreifender Bedeutung bleiben dieselben aber nur gegenüber dem Bescheinigung»erben selbst, nicht gegmüber Dritten, die, pch in gutem Glauben mit ihm in Rechts­ geschäfte eingelaffen haben. Hier überwiegt der Borwurf gegen den später stch meldenden Erben, nicht rechtzeitig für die Wahrung seiner Rechte gesorgt zu haben. Auf diesen Grundlagen ist die Ausstellung von E-, vorzugsweise für Jntestaterben, auShÜlfSweise bei zweifelhafter Identität auch für letztwillig Bedachte in ver­ schiedenen Deutschen Staaten geordnet. Sie erfolgt durch den Rachlaßrichter, oder da» ErbschaftSamt im letzten Gerichtsstände de» ErblafferS, auShÜlfSweise bei Aus­ gewanderten im Gerichtsstände des Ort», wo bewegliches Gut oder Grundstücke von ihnen hinterlaffen worden. Der Antragsteller hat zunächst pofitiv das persönliche Verhältniß, auf dem da» beanspruchte Erbrecht beruht, darzulegen und die daffelbe begründenden That­ sachen, soweit fie nicht notorisch, durch öffentliche Urkunden (Kirchen», CivilstandSatteste über Tod, Trauung, Geburt), oder durch Zeugen nachzuweisen. Er hat so­ dann negativ auch darzuthun, daß ihm beffer Berechtigte nicht vorgehen. Die» geschieht z. B. in Preußen durch eine eidesstattliche Berficherung vor Notar oder Gericht (ein affidavit), dahin gehend, daß dem Erschienenen da» Vorhandensein nicht nur einer letztwilligen Verfügung deS ErblafferS, sondern auch „anderer gleich naher oder näherer Erben" unbekannt sei. Richterlichem Ermessen bleibt Vorbehalten, bei mehreren Erben nur von einem Theil derselben diese Berficherung zu erfordern, aber auch geeigneten Falls ein öffentliches Aufgebot der unbekanntm Erben zu er­ lassen. Die E. ist auSzustellen, wenn daS Gericht „daS Erbrecht für^nachgewiefen

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Ervkux.

erachtet", wofür eine sorgfältige Prüfung aller Einzelheiten der Sachlage voraus­ gesetzt toi». Die Rechte btS wahren Erben werden durch die E. nur darin beschränk, daß et die vom BescheiniguagSerben mit Dritten redlicher Weise vorgeiwmmenen Rechts­ geschäfte, insbesondere Zahlungen von Nachlaßschulden, gegen sich gelten laßen muß. Bei sreigebigen Verfügungen bleibt ihm der Anspruch auf Herausgabe des noch Vorhandenen oder doch der Bereicherung. Befugt andererseits ist der Bescheinigung-erbe zur Erwirkung von Um­ schreibungen in Grund» und anderen zum öffenllichen Glauben geführten Büchern; ebenso zur Besitzergreifung deS gesammten Nachlaßes, für welche bereits daS Röm. Recht den EdiktSerben (nicht den Livilerben, bestritten wegen 1.1 C. Quor. bon. 8, 2) ein erleichtertes Verfahren in dem interdictum quorum bonorum (adipiscendae possessionis) eröffnet hatte, von der Praxis „feit dem Mittelalter als provisorisches Rechtsmittel behandelt, durch welche- man den Besitz der Erbschaft mittels bloßer Bescheinigung des Erbrechts erlangen könne". (Puchta, Dorles., § 509.) Ent­ behrlich würde daS- ganze E.Sverfahren, bei dem der Erbprätendent „keinen andern Gegner als den urtheilenden Richter hat" (Koch, Preuß. Priv.R., § 868), dann sein, wenn eS sich lediglich um die Prozeßlegitimation von Erben handelte. Auch für diese freilich ist im Preuß. Recht die Beibringung einer 6. für nothwendig er­ achtet. Damit ist für Klagen gegen Nachlaßschuldner im bejahenden Sinne die gemeinrechtliche Streitfrage entschieden, ob der Jntestaterbe den Beweis auch der Nichtexistenz eines Testaments sowie der Nichtexistenz näherer Verwandter darzuthun habe. Indeß ist hierdurch weder die Prüfung der Legitimationen durch den Prozeß» richtet an sich, noch auch der Antritt eines Gegenbeweises auSgeschloffen. Noch weniger kann davon die Rede sein, sobald daS Erbrecht selbst Gegenstand eines Proz^seS wird. Die herrschende Ansicht nach Gem. R. nimmt an, daß bei der hereditatis petitio der Jntestaterbe die Nichtexistenz eineS Testaments nicht zu be­ weisen habe, ebensowenig die Nichtexistenz von gleich nahen oder näheren Verwandten, sondern nur die positiven Grundlagen deS behaupteten ErbverhältniffeS. @lgb. u. LU.: Preuß. LR. I. 9 §§ 482-493. — Gei. v. 12. März 1869, Gef.Eamml., 473 (für die ganze Monarchie). — Grnndbuch-O v. 5. Mai 1872 § 51. — Gei v. 24. April 1878 § 26 (üb. d. Kompetenz des Amtsrichters). — Wachter, Ges. bett. d. Ausstellung gerichtl. Erbbefcheinigungen, Berlin 1869. — Ueber die Anwendung d. Ges. v. 12. März 1869 f. Korn in Behrend, Ztschr. f. d. D. Gsgb., Bd. VI. S. 422—439. Gruchot, Preuß. Erbrecht, Hamm 1865, S. 216—237. — Roloff, Beweistheorie u. Beweismittel über die E. im Proz., Preuß. Anw.Ztg. 1862, Nr. 42 — Baehr in Gerber u. Jhering, Jahrbb. I. S. 479 ff. — Jordan u. Arndts in Weiske's Rechtste;. II. 134; V. 219. - WetzeN, System d. Eiv.Prz., § 17 N. 10. — Erk. b. O.A.G. Lübeck v. 30. Dezbr. 1859 (Seuffert's Arch. XIV. 149). - BGB. f. d. K. Sachsen, §§ 2295 ff. Ueber d. Berlaffenschaftsadhandlung in Oesterreich s. Unger (Wien 1862) S. 117 ff. Schaper.

Erbkux (Grundkux, Erbtheil, Schadenkux, Ackertheil) ist derjenige Freikux (s. diesen Art.), welcher nach älterem Deutschen Bergrechte dem Eigenthümer des Grund­ stücks, auf dem der Fundfchacht niedergebracht wird (dem Grundherrn), als Ent­ schädigung für den hierzu, sowie zum Haldensturze und Zechenwege in Benutzung genommenen Grund und Boden zu gewähren ist. Kann daS volle Grubenseld nicht auf EineS Herren Grundstücke eingebracht werden, so wird der E. unter die mehreren Grundbesitzer getheilt. Stöllaer und partikularrechtlich (Königreich Sachsen, Böhmen) Gruben, welche nur auf die niederen Metalle bauen, geben keinen E., sondern baaren Abtrag sür Bodenbenutzung; letzteren haben auch E.gruben für Plätze zu Künsten, Pochwerken, Hütten, Wasserläufen u. s. w. zu leisten. Der E. kann nicht vom berechtigten Grundstücke getrennt werden. Partikularrechtlich hat der E.berechtigie die Wahl, ob er (z. B. in Kurtrier) den vom Fundgrubner an­

zusagenden E. oder baaren Abtrag, resp, ob er statt des 6. die Zugewährung von vier gewöhnlichen Kuxen (ein Mitbaurecht, s. diesen Art.) fordern will. DaS

Erdlrhm — 6i*Ufu«g.

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Preußische Landrecht (II. 16 S. 109 ff.) und die rrvidirten Bergordnungen gewähren dem Herrn, auf deffen Befitzthume die Fundgrube liegt, zwei Freikuxe und boote Bodenentschädigung; blos bei den Steinkohlengruben im Bereiche der CleveMärkischen Bergordnung hat der Eigenthümer der Grundstück», auf welchem (bis 1. Oktober 1865) ein Schacht abgeteuft ward, lediglich die Wahl zwischen Grund­ entschädigung oder Tradde (d. h. 1 Faß Kohle per Fördertag oder überhaupt dem 65., auf Waldboden 130. Fasse): Deklaration v. 13. September 1777. Wegen der durch die neueren Berggesetze erfolgten Beseitigung der mit dem gestiegenen Boden­ werthe, ausgedehnten Grubenfelde und wandelbaren Flötzbergbaue nicht wol ver­ träglichen Erbkuxe s. d. Art. Freikux (und für Königreich Sachsen noch Gesetz von 1851 § 229, wonach E.verhältniffe einseitig abgelöst und künftig auch durch Bertrag nicht begründet werde» können). Lit.: Köhler, Anleitung, 6. 865. — Karste», Grundriß, S. 822. — Hake, Kom­ mentar, S. 360. — Klostermann, Lehrbuch, 6. 830. Leuthold.

Crblehe« find solche Lehne, bei welchen sich die Nachfolge in Ansehung der dazu berufenen Personen nicht nach den lehnrechtlichen Borschriften, sondern nach der civilrechtlichen Erbfolge richtet. Nach der größeren oder geringeren Anwendbarkeit der letzteren unterscheidet man vollkommene (mera) und gemischte (mixta) E Lit.: Pätz, Lehnrecht, § 105. — Zachariä, Handb., §§ 95, 437 ff.—A.L». L 18.— Beseler, Deutsch. Priv.R., §§ 101, 154. v. Kräwel.

Erbiethe (erblicher Kolonat, Th. I. S. 500) ist das bei einer gewiffen Klaffe von abhängigen Bauergütern bestehende Recht-Verhältniß, vermöge deffen der Befitzer ein erbliches dingliche» Gebrauchs- und Nutzungsrecht an dem Gute hat. diese» aber nicht nur in seinem, sondem auch im Jntereffe der Gutsherrschaft bewirth­ schafte» soll. DaS dem Bauer zustehende Recht wird von den Vertheidigern de» getheilten Eigenthum» als Untereigenthum bezeichnet. Hinsichtlich der Art der Bewirthfchaftung de» Guts ist der Bauer ganz freigestellt, vorausgesetzt, daß er sich keiner Deterioration schuldig macht. Derselbe hat daS Gut prozrffualtsch zu ver­ treten, doch steht dem Gutsherrn ein Intervention-recht zu. Auf der anderen Seite hat der Bauer alle öffentlichen und privatrechtlicheu Lasten de» Gut» zu trogen, an die Gutsherrschaft einen festgesetzten ZinS zu entrichten, nach manchen Partikular­ rechten auch beim Antritt der 6. eine Abgabe (Handlohn, Laudemium) zu zahlen. Veräußern darf der Bauer nur mit Konsens de» Herrn. Die neueren Ablösungs­ gesetze haben die Rechte der Gutsherrschaft für ablösbar erklärt. Lit: Koken, Die rechtlichen Grundideen d. Deutschen Kolonat», Holzminden 1844. — B. SB. Pfeiffer, Das Deutsche Meierrecht, Kassel 1848. — Busch, Beiträge z. Meierrecht, Hildesheim 1855. — Stobbe, Deutsches Priv.R., IL S. 459 ff. Lewis.

Erblosuug (Th. I. S. 505) ist eine Spezies des Räherrecht». Es ist daffelbe hervorgegangen au» dem im Mittelalter den Verwandten zustehenden BeispruchSrecht. Dieses denselben bei Veräußerungen von Grundstücken gebührende Widerspruchsrecht wurde im Lauf der Zeit in ein BorkaufSrecht verwandelt. DaS Rechtsinstitut ist jedoch kein gemeinrechtliches, sondem findet lediglich in Partikularrechten seine Be­ gründung. Von den neuerm Gesetzbüchem hat daffelbe da» Prruß. LR. (Th. II. Tit. 4 §§ 227—250) anerkannt, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß e» in den Provinzialrechten, Statuten oder Familienverträgm begründet ist. Eben wegen der partikularrechtlichen Natur ist die Ausbildung der E. eine sehr verschiedenartige. Nach manchen R. greift dieselbe bei allen Immobilien Platz, nach anderen nur bei den ererbten ©fitem, nicht bei den durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworbenen. Nach manchen Rechten äußert sich die E. lediglich darin, daß der Werth de» ererbte» Gut» dm Erbm ungeschmälert erhalten werden muß, während die Veräußerung selbst nicht durch ein Vorkaufsrecht beschränkt ist. Nach einigen Rechten steht dieselbe

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Erbpacht — Erbschaftsantritt.

allen Verwandten zu, nach anderen, und zwar den meisten, ist sie wenigstens in der Seitenlinie auf gewisse Grade, in der Regel die vier ersten beschränkt. Bei der Konkurrenz mehrerer zur E. berechtigten Verwandten geht der nähere dem ent­ fernteren vor. Lit.: Dreves, Das R. d. Erbgüter (Hamb. 1844), S. 52, 89. —Pauli, Abhandlungen aus d. Lübiichen R. (Lüb. 1837 ff.), I. S. 181 ff. — Renaud in der Zeitfchr. f. D. R., VIII. S. 240-283. — Stobbe, D. Priv.R., II. S. 141 ff. — Seuffert's Arch. XI. Rr. 74 a, 274. Lewis.

Erbpacht (Th. I. S. 500, 1168; vgl. d. Art. Erb leihe) heißt in einigen Gegenden Deutschlands eine der vielfältigen Gestaltungen des deutsch-rechtlichen Kolonats oder erblichen Nutzungsrechts an Bauergütern. Das Verhältniß kommt in verschiedenen Formen vor, deren ungünstigste das Recht der Veräußerung und Ver­ pfändung ausschließt und dem Grundeigenthümer das Privationsrecht (Abmeierungs­ recht) vorbehält, deren mittlere und normale, ähnlich und verwandt der Römischen Emphyteuse, dem Erbpächter gegen Leistung eines im Verhältniß zum Fruchtertrage stehenden Kanons und Vorkaufsrecht des Grundeigners ein vererblich-veräußerliches Recht gewährt, deren günstigste endlich nur der ursprünglichen Entstehung gemäß den Namen E. trägt, während der sog. Erbpächter wirklicher Eigenthümer ist, und dem ehemaligen Grundherrn nichts weiter als ein unerheblicher Kanon noch geleistet wird. Nur die älteren Erbpachtgüter haben meist aus der Zeitpacht zur Leib- oder Lebenspacht, aus dieser zum vererblich-veräußerlichen umfassenden Nutzungsrecht (Ewigpacht) sich fortentwickelt. Ein aus den Nordisch-germanischen Rechtsgebieten eingewandertes eigenthümliches Verhältniß dieser Gattung ist in der Provinz Schleswig-Holstein die Feste (faste — firmare, engl. farm, franz, ferme), bei welcher der Regel nach kein Kanon mehr entrichtet wird, jeder neue Fester aber um Festegeld einen neuen Festebrief lösen muß. In ähnlicher Weise unterscheidet das Oesterr. BGB. Erbzinsgut von Erbpacht. Während im C. civ. nur noch schwache Spuren der verworfenen Eigenthumsbeschränkung sich finden, hatte das Preußische LR. über die E. als das erbliche vollständige Nutzungsrecht einer fremden Sache gegen verhältnißmäßigen Zins ausführliche Bestimmungen gebracht, dagegen hier die Theorie vom getheilten Eigenthum der Sache nach aufgegeben. Die Ungunst unserer Zeit gegen beschränktes oder gar getheiltes Eigenthum hat in den meisten Partikulargesetzgebungen Aufhebung oder Ablösung auch der E. hervorgerufen; so in Preußen ein Gesetz, welches ohne Entschädigung des Grundherrn dem Erbpächter volles Eigenthum verleiht und den Zins für ablösbare Reallast erklärt. Lit. u. Gsgb.: Beseler, Syst. d. Deutschen Priv.R., SS 183 ff. — b. Gerber, Syst. rc., § 138. — Preuß. LR. I. 21 §S 187 ff. — Ges. v. 2. März 1850 2, 5,6. — Oesterr. BGB., SS H22 ff., 1474. — Sächs. BGB., § 226.— Publik. Verordn, zu dems. § 3 N. 3.— Ges. v. 17. März 1832 u. 15. Mai 1851. — C. civ. art. 530, 543. Schütze.

Erbschaftsantritt (Th. I. S. 464, 511) — im weiteren Sinne die aus­ drückliche oder stillschweigende, im engeren die wörtliche, stets aber einseitige Willens­ erklärung des berufenen Erben, die Erbschaft annehmen zu wollen — ist streng genommen nur unter der Voraussetzung möglich, daß Anfall und Erwerb der Erb­ schaft auseinanderfallen, mit anderen Worten: daß es zum Erbschaftserwerbe einer Willenserklärung des Berufenen bedarf. Personen, welche ipso jure ohne ihren Willen Erbe werden, wie nach Röm. R. die sui et necessarii heredes, nach Deutschem R. ursprünglich jeder Erbe, können auf die Abstinenzwohlthat verzichten, nicht aber antreten; denn sie haben die Erbschaft bereits erworben. Jedes Erbrechtssystem, welches wie das Römische die Idee der Universalsuccession an die Spitze stellt, somit auch die Passiva der Erbschaft und zwar nicht blos bis zum Erbschaftsbetrage, sondern unbeschränkt auf den Erben übergehen läßt, muß alsbald sich entschließen, den Erbschaftserwerb der Regel nach von einer Willensäußerung des Berufenen ab­ hängig zu machen, eine Antretung zu fordern. So bilden denn im Justin. Recht die

Erbschaftskauf.

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necessarii heredes, d. h. solche der potestas patria oder dominica des Erblassers unterworfene Personen, die ohne ihren Willen dessen Erben werden, die Ausnahme; der Regel nach ist jeder Erbe voluntarius heres, d. h. Erbe nur mit seinem Willen, geäußert durch Erwerbshandlung. Diese Erwerbshandlung ist entweder eine wört­ liche ausdrückliche aber formlose Erklärung (aditio), oder eine thatsächliche aber schlüssige, d. h. aus unzweideutigem Gebühren erkennbare Aeußerung (pro berede gestio) des Annahmewillens, abgegeben nach Anfall der Erbschaft und mit Kenntniß von derselben wie auch von dem Grunde der Berufung. Voraussetzung des An­ tritts in eigener Person ist Handlungsfähigkeit des Berufenen. Inwieweit nach Gem. R. der Handlungsunfähige bzw. Beschränkthandlungsfähige unter Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters antreten könne, ist im Einzelnen sehr bestritten. Jeden­ falls aber verdient die Meinung Beifall, welche hier ein Hinausgehen über die be­ schränkenden Bestimmungen des Röm. R. für bedenklich erklärt, indem diese nicht so sehr auf Abneigung gegen die Stellvertretung beruhen, als vielmehr auf gerecht­ fertigtem Widerstreben gegen einen unbeschränkt verpflichtenden E. ohne eigene Willenserklärung des Berufenen. Kaum weniger streitig ist, ob die Antretung des Handlungsfähigen auch durch einen Bevollmächtigten geschehen könne; die bejahende Meinung, welche indeß Spezialvollmacht fordert, dürfte dem heutigen Rechtsbewußt­ sein entsprechen. Die angefallene Erbschaft kann nur ganz angetreten oder aus­ geschlagen werden, und zwar ohne Bedingung und Vorbehalt, soweit nicht das beneficium inventarii eingreift. Zwang zur Antretung begründet nur Anspruch auf Entschädigung und, soweit deren übrige Erfordernisse vorliegen, Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; und nicht anders verhält es sich nach richtiger Ansicht im Fall des Betrugs. — Mit dem altgermanischen Grundsätze: der Todte erbt den Lebendigen, d. h. ersterer zieht letzteren in die Gewere des Nachlasses hinein, wonach Anfall und Erwerb des Nachlasses zusammenfallen, war ein Erbantritt ursprünglich unvereinbar; doch gelangten die Deutschen Partikular­ rechte, ohne jenen Grundsatz selbst aufzugeben, zu der Vermittlung mit dem Röm. R-, daß der Besitz zwar nicht des Nachlasses als Ganzen, aber der einzelnen Nachlaß­ stücke von dem Erben ergriffen werden müsse oder doch könne, also nicht blos Ent­ sagung, sondern auch Quasiantritt möglich sei. Dieser Gesichtspunkt bewog das Preuß. R., außer der „Entsagung" eine Antretung des Erben, sei es durch Er­ klärung vor der Erbschastsbehörde oder durch thatsächliche Einmischung, sei es durch bloßes Stillschweigen bis zum Ablauf der Ueberlegungsfrist aufzunehmen. Während der C. civ. unter ausdrücklichem Festhalten des Grundsatzes le mort saisit le vif gleichwol eine Annahme (acceptation) der Succession für allgemein zulässig erklärt, und das Oesterr. BGB., unter Ausschließung jeder „eigenmächtigen" Besitznahme, nur „Erbserklärung" vor Gericht und „Einantwortung des Nachlasses" durch letzteres zuläßt, schließt das Sächs. BGB. im Wesentlichen rückhaltslos dem heut. Röm. R. sich an, indem es Voraussetzungen, Arten und Wirkungen der Antretung und Aus­ schlagung genauer bestimmt. Zugleich aber geht es über dasselbe hinaus, wenn es (gleich dem Preuß. R.) stillschweigend die necessarii heredes beseitigt, in Antretung eines Theiles die Antretung des angefallenen Ganzen sieht, und Ausschlagung der übrigen Erbschaft mit Vorbehalt des Pflichttheils für zulässig erklärt. Quellen u. Lit.: Glück (Mühlenbruch), XLIL ©. 399 ff. - Koppen, Syst., S. 331 ff. u. in Jhering's Jahrbb. V. 4. — Bering, Röm. Erbr., S. 478 ff. — Windscheid, Lehrb., III. 88 595 ff. — Inst. 2, 19; D. 29, 2; C. 6, 30, 31. — Preuß. LR. I. 9 88 368 ff., 389 ff.; II. 18 643 ff. — Oesterr. BGB. 88 797 ff. - Sächs. BGB. 88 1913, 2246, 2250 ff., 2294, 2326. — C. civ. art. 724, 774 ss. — Mommsen, Erbr.-Entw., 88 219 ff. Schütze. Crbschaftskauf. Die Veräußerung einer Erbschaft oder eines Erbtheils durch den Erben, sei es vor oder nach dem Anfall bzw. Erwerbe, begründet nach neuerem Röm. R. keine Gesammtnachfolge (nur der Erwerber vom erbschaftsverkaufenden Fiskus wurde nach Analogie des sector bonorum einem Universalsuccessor gleich-

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ertfMftÄtagt.

gestM). Der Deräußerer bleibt Berufener bzw. Erbe, der Mitkontrahent wird nicht (tot, fonbetn nut auS dem Vertrag« berechtigt bzw. verpflichtet, in die Vermögensverhältniffe de» Nachlaße« al» einzelne einzutreten, durch Tradition, wirkliche oder fiagirte Eesfion, Schuldübernahme re. rc. Unter den Parteien aber ist praktisch das Ergebniß herzustellen, al» wäre nicht der Deräußerer, sondern sei« Mitkontrahent der Erbe. Im Uebrigen bestimmt sich da« Rechtsverhältniß unter den Parteien nach Wesen und Inhalt de» konkreten Rechtsgeschäft», je nachdem die Veräußerung al» Schenkung, an AahlungSstatt, oder durch Berkaus erfolgt ist. Doch «giebt bei dem 6. b« Vertragsgegenstand, daß der Verkäufer nur für den Bestand des ver­ äußerten Erbrechts hastet, nicht für Entwährung einzelner Rachlaßgegenstände. Vortheile wie Nachtheile auS der Antretung treffen auch ohne darauf gerichtete gegenseitige Stipulation vertragsgemäß den Käufer (über die anwachfende Portion f. d. Art. Accrefcenz); dieser ist rückfichtlich der Erbschaftsklage wie der Einzel­ klagen (als utiles actiones) legitimirt. Etwaige obligatorische RechtSverhältniffe, die zwischen Erblaffer und Erben bestanden, gelten als nicht konfundirt. UrbrigrnS verbieten die Römer auS Sittlichkeitsrückfichten jede» PaciSciren über die Erbschaft eines noch lebendm bestimmten Dritten ohne deffen dauernde Billigung, und zwar bei Strafe der Indignität; ein Satz, dessen Geltung im heutigen Gem. R. ohne Fug bestritten wird. — Die neuere» Partikularrechte ertlftren die Veräußerung einer noch nicht angefallenea Erbschaft für unbedingt oder bedingt nichtig. Jedoch erörtert das Preuß. LR. nur den E. (ähnlich das Oesterr. BGB. unter den „gewagten Ge­ schäften"), nach deffen Vollziehung (nach neuestem Recht auch nicht-gerichtlich) aber der Käufer „des Erbrechts" auch Dritten gegenüber als Erbe feit dem Anfall be­ handelt werden soll; was freilich damit unvereinbar scheint, daß ErbschaftSgläubiger und Legatarien die Wahl haben, ob fie an den Erben oder den Käufer sich hallen wollen. Nach Sächf. BGB., welches jeder Veräußerung der Erbschaft gerecht wird und die zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfte unterscheidet, gilt der Erwerber nur unter den Vertragschließenden als Erbe. Auch im Uebrigen folgt eS dem Gem. R., bestimmt aber, daß die Veräußerung im Zweifel auch auf daS Anwachfende fich erstreckt; der Erwerber kann als Stellvertreter des Veräußerers antreten. Höchst dürftig find die Bestimmungen deS C. civ. über Erbschaftsveräußerung. Quellen u. Lit.: Averanius, Der E. im Röm. R-, 1877. — Glück, XVI. ©. 309 ff. — Arndts in WeiSke's Rechtste;. IV. S. 24 ff — Windscheid, Lehrb., III. § 621. — D. 18, 4; C. 4, 39; 1. 30 C. 2, 3. — Preuß. LR. I. 11 88 445 ff. — Ges. v. 11. Juli 1845 § 1 c. — Oesterr. BSB. 88 1278 ff. — SSchs. BSB. 88 2372 ff., 2250, 2563. — C. civ. art. 780, 1696 es. — Mommsen, Erbr.-Entw., 88 325 ff. Schütze. ErbfchaftKslaste (hereditatis petitio, Th. I. S. 473) ist nach Gem. R. die Klage, mit welcher ein Erbe oder wer deffen Stelle vertritt, auf Grund des Erbrechts die Herausgabe der ihm von einem Dritten ganz oder theilweife vor­ enthaltenen Erbschaft fordert. Der Streit, ob diese Klage eine Vindikation des Erbrechts oder de« Nachlasses fei, ist dahin zu entscheiden, daß Kläger (analog dem Verhältniffe zwischen Klaggrund und Gegenstand bei der rei vindicatio) auf Grund feine- thatsächlich bestrittenen Erbrechts den Nachlaß (hereditas) vindizirt. Nach­ dem die Vorzüge des ursprünglich einem bonorum possessor gewährten interdictum quorum bonorum auf bie E. übertragen waren, mußte ersteres zu einem proviso­ rischen Rechtsmittel deS Erben fich gestalten. Kläger ist btt Erbe, gleichviel ob Alleinerbe ober Theilerbe, semer der, welcher heredis loco ist (Universalfideikommissar, FiSkuS oder deffen Erbschaftskäufer); Beklagter, wer etwas aus oder von der Erbschaft als solcher hinter fich hat, besitzt und vorenthält (oder als Be­ sitzer fingirt wird), indem er entweder fich selbst Erbrecht zuschreibt (pro berede possidens) oder auf keinerlei rechtfertigenden Grund seines Besitzes fich beruft (pro possessore possidens); wogegen wider den, der auf einen anderen, nichterbrecht­ lichen RechtSgrund fich stützt, zwar Singularklage» zustehen mögen, nicht aber die

6ttm.

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6. Klaggegmstand ist die Erbschaft als Universitas Juris, d. h. eine rechtliche Ge­ sammtheit von Sachen und Rechten deS NachlaffeS, somit Alle«, waS zur Erbschaft irgendwie gehört, soweit eS bei dem Beklagten in Natur oder dem Werth nach sich befindet. Folgerungen: 1. Alles daS, WaS der Beklagte anS der Erbschaft un­ mittelbar oder mittelbar hat oder gewonnen hat; nicht blos Nachlaßsachen, sondern auch daS damit sür die Erbschaft Angeschasste, ferner auch unter Umständen Ersatz für daS vom Beklagten früher als Erbschaft Besessene (SC. Juventianum). 2. Die Haftpflicht deS gutgläubigen und böSgläubigm Besitzers zum Ersatz der Hauptsachen wie der Früchte ist gegenüber der EigenthumSklage im Allgemeinen um eine Stufe ungünstiger bestimmt, wogegen wiederum deS Beklagte« Gegenansprüche wegen der aus Nachlaßfachm und Rechte gemachten Verwendungen um eine Stufe günstiger gestellt find. Im Bestreitungsfalle trifft den Kläger der Beweis feines Erbrechts (b. h. der Thatsachen deS Todesfalls und feiner Berufung) und deS beklagtifchen ErbfchaftSbefitzeS in obigem Sinne; ersterer gestaltet sich natürlich verschißen, je nachdem Testament, Vertrag oder Gesetz den BerusungSgrund bildet. Dem beklagtischen Gegenbeweise fällt anheim der Mangel allgemeiner Erfmckernisse deS Be» rufungSgrundeS, ferner daS Vorhandensein eigener testamentarischer oder vertrags­ mäßiger Berufung bzw. deS befferen gesetzlichen Erbrechts. Während deS ErbfchastSstreiteS können Gläubiger wie Bermächtnißnehmer von jedem der streitenden DHeile, allenfalls gegen Kaution, Befriedigung fordern. — Wenn der Code civ. einer Petition d’hörtditd nur vorübergehend, daS Oesterr. BGB. in aller Kürze erwähnt, wenn sogar daS Preuß. LR. von der E. allganz schweigt, so erklärt fich daS in diesen Gesetzbüchern daraus, daß der ErbschaftSerwerb schlechthin als EigmthumS» erwerbSart aufgefaßt wurde, die EigenthumSllage auf die Erbschaft al« Gegenstand demnach nahezn auszureichen schien, in beiden letztgenannten überdies ans der aus­ schließliche« bzw. Überwiegendm offiziellen Thätigkeit der ErbregulirungShehördm. Allein die römisch-rechtlichen Grundsätze der E. mußten in der Praxis dem dringen­ den Bedürfniß abhelfen. 66m diese Grundsätze aber habm großmtheilS nunmehr im Sächs. BGB. Th. V. Abschn. 5 eine so klargefaßte wie vollständige Kodifikation erfahrm, welche der künftigen Gesetzgebung Grundlage und Vorbild bietet.

Quellen u. Bit: Francke, Komm, über b. Pand.Tit. de H. P. (1864). — Dern> bürg, D. Verhaltn, d. H. P. zu btn erbsch. Sinaularklagm (1852). — Windscheid, Lehrb., IU. SS 611 ff. — Gai IL 20: IV. 17; D. 5, 8 sag.; C. 3, 31. — Preuß. LR. I. 9 §§ 368, 457 f486, 492 ff. - A. G.O. L 46. - Oesterr. BGB. §§ 823 ff. — Sachs. BGB. §§ 2291 bis 2823, u. baiu Diebenhaar'S Komm. Bb. Hl. — C. civ. art 137, 138 , 711 ss. — Mommsen, Erbr.-Entw., Zß 300 ff. Schütze.

Erbschatz ist eine bestimmte Summe Geldes, welches Afcendenten, Seiten­ verwandte oder andere Personen den Ehegatten unter der Bedingung zugewendet haben, daß diesen nur der Befitz und Gmuß derselben zustehm, daS Eigenthum aber dm aus dieser Ehe erzeugtm Kindern vorbehaltm werden soll. ES ist dies ein eigenthümliches Rechtsinstitut und geradezu eine Erfindung deS Preuß. LR. Zur Bestellung des E. ist Schriftlichkeit erforderlich. Verwaltung und Nießbrauch gebührt, abgesehen von anderweitigen Bestimmungen deS Bestellers, während der Ehe dem Ehemann. Nach Auflösung derselben fällt der Meßbrauch dem überlebmden oder (bei richterlicher Trmnung) dem unschuldigen Ehegatten zu; daS Eigen­ thum erhält dieser nur dann, wenn die Ehe kinderlos gebliebm. Zu Dispositionen über die Substanz find die Ehegatten nicht befugt; nur zur Ausstattung der Kinder können fie nach gegmseitiger Uebereinkunft die Hälfte deS 6. verwenden. Geräth der Ehemann in Konkurs, so hat der Richter Von AmtSwegm dem E. einen Kurator zu bestellen, welchem die Verwaltung deffelbm übertragen wird. Boa den, Ein­ künften find alsdann zunächst die Lasten der Ehe zu tragm und besonders die Kosten deS Unterhalts und der Erziehung der Kinder zu bestreitm, und blos der Ueberschuß kommt dm Konkursgläubigern zu gute. Auf die Substanz können diese d. Hultzendorff, Enc. II. RechiEe^Äou I. S. Ausl. 45

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EMolle».

aber nur dann Anspruch erheben, wenn der E. später dem Äribet als freies Eigen­ thum zufällt. Der Besteller des 6. kaun die Eigenschaft desselben mit Zustimmung der Ehegatten wieder aushebea und ihm den Charakter deS eingebrachten oder vor­ behaltenen Vermögens beilegen. Ebenso kann der E. »ach dem Tode des Bestellers durch einen übereinstimmenden Beschluß der Ehegatten aufgehoben werden, wenn au- der Ehe keine Kinder vorhanden, auch wegen de» hohen Alters der Ehegatten keine zu erwarten find. Nach den angegebenen Grundsätzen hat die Bestellung de» E. die Natur einer fideikommiffarischen Disposition. Derselbe ist indeß ein durch­ aus unpraktisches Institut geblieben. Gsgd. u. Bit: Preuß. LR., Th. II. Tit. 1 §§ 276—309 , 478—480, 540-542, 761765, 77&—782, 801; Tit. 21§§ 294—299; Tit. 18 § 30. — Förster, Theorie u. Praxis d. heutigen gern. Preuß. Priv.R. (3. Aust.), m. 6. 538, 580, 583; IV. S. 324 LewiS.

Eristolle«. Die außerordentliche Bedeutung, welche EntwäsferungSkanäle (Ställen) für den Bergbau hatten, bevor die Verwendung der Dampskraft zur Hebung der Grundwaffer üblich wurde, führte in Verbindung mit dem Umstande, daß in früherer Zeit daS einzelne Grub en seid (s. diesen Art.) nur einen geringen Umsang besaß und daher schwerköstige eigene Hülfsbaue nicht wohl vertrug, zu der Herstellung von Ställen seitens besonderer Unternehmer, welche mit denselben fremden Bergwerken Wafier» und Wetterlohnung verschafften und hiersür deren Besitzern gegenüber gesetzlich geordnete Gerechtsame beanspruchen dursten. Seitdem die ursprüngliche Unterscheidung zwischen Suchstöllen und E. (von denen letztere aus eine im Voraus bestimmte Erstreckung verliehen wurden und die innerhalb des Stollenfeldes verliehen gewesenen, gelösten Lehen „erbten", d. h. abgabenpflichtig machten, während die Suchstöllen im Wege des Stollcnbetriebes frische Lagerstätten aufzuschließen trachteten (Freiberger Bergrecht, I. §§ 5 ff., II. §§ 19 ff.; Kutten­ berger Bergordng., II. Buch Kap. 4 ff., Kurtriersche Bergordng., I. Thl. Art. VI) verschwunden ist, wird unter E. jeder auf Grund besonderer Muthung und Ver­ leihung getriebene Stollen verstanden. Nach der Kursächfischen Stollenordnung vom 12. Juni 1749, welche die gemeinrechtlichen Grundsätze über die E. enthält und weiteste Anwendung genoß, hat der Erbstöllner vom Beginne des Stollenbetriebes an ein Vorrecht zum Muthen aller im unverliehenen Felde überfahrenen Lager­ stätten, ein Recht zur Aufschließung des dem Stollen vorliegenden Gebirges und zur Aneignung der durch den Stollenbetrieb innerhalb der vorschriftsmäßigen Weite und Höhe int unverliehenen Felde gebrochenen verleihbaren Mineralien (nebst Vierung), ferner vom Einkommen des Stollens in fremdes Grubenfeld an den Stollenhieb (f. diesen Art.) und den Anspruch auf den Vierten Pfennig, d. h. auf den Ersatz deS vierten Theiles der Kosten für den Stollenbetrieb im Felde, sowie auf den unentgeltlichen Gebrauch der Grubenschächte zum Fahren und För­ dern und der Grubenbaue zum Ansitzen, endlich nach erfolgtem Durchschlage mit den fremden Bauen und Lösung derselben den Anspruch auf den Stollen-Neunten vom Bruttowerthe der geförderten Produkte, eventuell aus ein Waffereinfallgeld (s. d. Art. Stollen st euer). Vorausgesetzt wird hierbei, daß der Stollen mit mindestens 6/< Lachter Höhe und 1/t Lachter Weite, mit keinem höheren Ansteigen als *,4 auf 100 Lachter Länge und ohne Gesprenge sowie mit einer achtstündigen Schicht täglich getrieben wird, in die zu lösende Grube die Erbteufe (10 Lachter und 1 Spanne vom Rasen saiger) einbringt, waffertragbar ist und sämmtliche Baue, bzw. Kunstschächte, deS fremden Feldes löst; unvollkommene E. können nur den halben Stollen-Neunten beanspruchen. Will der Erbstöllner den Stollen nicht weiter treiben, so hat er denselben bergamtlich verstufen zu lassen. Unterläßt er dies, so kann der Stollen aus Antrag eineö Dritten (insbesondere des FundgrübnerS) oder von Amtswegen verstuft werden, womit die Gerechtsame deS ursprünglichen Stöllners erlöschen. Durch einen E., welcher 7 Lachter (im flachen Gebirge

Erbthelluug.

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31/* Lachter) tiefer als der obere einkommt, wird der letztere enterbt, er verliert feine Stollengerechtsame. Im Wesentlichen übereinstimmende Normen enthält das Preußische Bergrecht (namentlich A. LR. Th. II. Titel 16 §§ 221 ff., 383 ff.), welche- jedoch dem Stöllner nur die Wahl zwischen dem Stollenhieb oder dem Bierten Pfennig läßt und % Lachter Stollenweite fordert, andererseits auch aus aus einerir Kunstschachte (Erbschachte) getriebene Grund» oder Wafferstrecken und aus Feuer» oder andere WafferhaltungSmaschinen die Stollengerechtsame ausdehnt. Bon dm neueren Deutschen Berggesetzen versuchte dar künigl. Sächs. Regalberg­ baugesetz von 1851 (§§ 172 ff.) eine Reform de- ErechtS, wogegen daS Preuß. Berggesetz von 1865 (und ebenso Bayern), § 223 die fernere Vnleihung von 6.» rechten für unstatthaft erklärt, eS aber in Ansehung der bereit- bestehenden E.» gerechtigkeiten bei dem seitherigen Rechte brwmden läßt. Gleiche- gilt in Oester­ reich (§ 286) und im Königreich Sachsen (1868, § 121, wonach jedoch neue E.» rechte, welche sich auf dm Fortbetrieb verstufter E. beziehen, noch verliehm werdm dürfen). Wegen der verwandten „Revierstüllen" de» Oesterreichischen R. s. Oester» reichischeS Berggesetz §§ 90—97. Dem Französischen R. find E. fremd; da­ gegen giebt da- Nordamerikanische R. (revidirte UnionSverfaffung § 2323) dem Suchstöllner daS Befitzrecht auf alle neuüberfahrenen Lager mtb Gänge innerhalb 3000 Fuß vom Stollenmundloche an. Lit.: H. Achenbach, @em. Bergrecht, 1. S. 141. — Klostermann, Lehrb., S. 366 und Kommentar zum Preuß. Berggesetze § 222. — Kreßner, Bergrechte, S. 217. — Ztschr. f. Bergr., VI. S. 616. — Preuß. Ztschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinmwesm V. B., N. 61. — Die Kursächs. Stollenordnung und das ältere Preuß. Stollenrecht u. A. in Brassert, Berg­ ordnungen der Preuß. Lande, S. 432, 845, 974, 1085, 1113, 1130. Leuthold.

Erbtheiluug (Th. I. S. 474) heißt die Aufhebung (Auseinandersetzung) der unter Miterben, welche die Erbschaft erworben habm, bestehenden Gemeinschaft durch Theilung de» Nachlaßes, insbesondere auch das diese Auftheiluug bewerk­ stelligende Verfahren. Verbot des Erblassers und Verzicht der Erben haben nach Gem. und Preuß. R. nur dann verbindliche Kraft, wmn auf bestimmte Zeit ge­ stellt; das Sächs. BSB. beschränkt die Rechtswirkung schlechthin aus höchsten» 20 Jahre. Man unterscheidet gewöhnlich außergerichtliche und gerichtliche E.; richtiger aber private und öffentliche d. h. behördliche. Privat theilung kann bereits durch den Erblaffer soweit vorgenommen sein, daß dm Miterben bzw. Testa­ mentsvollstreckern nur deren praktische AuSfühmng übrig bleibt. Eine Anwendung davon auf die Jntestaterbfolge ist die sog. divisio parentum luter liberos (nicht zu verwechseln mit dem testamentum parentum inter liberos), wodurch Eltern schrift­ lich mit eigener Unterschrift oder mit der aller Kinder über die Theilung deS Nach­ lasses unter diesen verfügen; daS Institut hat im Preuß. LR. Aufnahme gesunden, nicht aber im Sächs. BGB. Etwa ernannte TestammtSexekutoren find (ähnlich Güterpflegern) zur Ausrechthaltung, Sichemng und Vollstreckung deS letzten Willen» berufen; ob aber auch zur Nachlaßtheilung, kann nur aus dem Vertrage bzw. letztm Willen selbst entschieden werden. In Ermanglung solcher Beschränkungen kann Privattheilung unter den Miterben oder denen, die deren Stelle vertreten, allenfalls unter Zuziehung eines SchiedSckannS, eintreten. Dieselbe hat unter den Thellen» den selbst die gewöhnlichen Wirkungen eines Vergleichs bzw. Kompromiffes, schließt demgemäß, wenn gültig und vollständig vollzogen, die E.»klage auS; wogegen sie die Erdschaftsgläubiger nur soweit bindet, als diese eingewilligt haben. DaS sog. Kürrecht der neueren Sächs. Quellen (das Kiesen des Sachsenspiegels und des Neulübischm R.), wonach der ältere Miterbe die Theile macht, der jüngere wählt bzw. zuerst das LooS zieht, besteht noch partikularrechtlich, nach Sächs. BGB. mindesten» für die Sachtheilung fort. — Die behördliche (sog. gerichtliche) E. ist von der Rachlaßfürsorge der ErbregulirungSbehörde im Falle unbekannter, abwesender oder bevormundeter Erbm scharf zu unterscheiden. Auch nachdem letztere eingetreten, 45*

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Srvttzetümg

samt unter den Miterbm nichtsdestoweniger Privattheilung erfolgen. Die behörd­ liche E. findet Vielmehr nur dann statt, wenn fie entweder vom Erblaffer angeordnet ist oder von einem Mterdm beantragt wird, endlich nach Partikularrecht von Amts­ wegen auch dann, wenn Bevormundete als Miterben betheiligt find. Da» Verfahren ist an fich kein gerichtliches, eS wäre denn im Sinne der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit; vielmehr bedarf eS richterlicher Kognition erst dann, wenn einmal Streit über die Austheilung entsteht, indem entweder ein Miterbe der Theilung fich widersetzt, oder eine Verständigung über die Art der Austheilung nicht zu erreicheu ist. Die Aufgabe drS E.SrichterS wird dann zu einer administrativ-judiziellm (gemischten), und zwar so, daß, fall» Ansolvenz de» Nachlasses bei der Erbregulirung sich herausgestellt hat, daS Konkursverfahren, im entgegengesetzten Fall aber das auS Erbregulirung im engerm Sinne (Versieglung, Inventur, Erbenermittlung, Verwaltung der Masse) und E. im mgeren Sinne (gerichtliche Kognition, Errich­ tung einer E.Sakte, Adjudikation) zusammmgesetzte TheilungSversahrm eintritt. Die eigentlich richterliche Kognition wird gemeinrechtlich hervorgerufen durch die E.klage (actio familiae erciscundae), eine persönliche Klage, die nicht auS dem Erb­ recht, sondern auS der Erbgemeinschaft als Zustandsobligation entspringt und deren Aushebung (die Austheilung) durch Kondemnationen und Adjudikation zum Gegen­ stände hat, jedem der streitenden Theile die Stellung als Kläger und zugleich Be­ klagter verleiht (judicium duplex), aber nach eingetretener Rechtskraft nicht wieder­ holt angestellt werden kann, weil alsdann eine zu theilende Erbschaft nicht mehr vorhanden ist; demnach ist nachträglich nur noch Einzelsachtheilung (actio communi dividundo) möglich. Kläger bzw. Beklagte find die Miterben und wer loco heredis ist, fie mögen besitzen oder nicht. Die Klage setzt gegenseitige Anerkennung be8 MiterbenrechtS voraus; bestreitet daher eine der Parteien das Miterbrecht des Gegners, so hat der TheilungSrichter zunächst über die ErbschastSklage (hereditatis petitio) bzw. über die entsprechende Präjudizialeinrede in einem Jnzidentversahren zu entscheiden; denn eine E., bei welcher irrigerweise Mitrrbenrecht eineS Nichterben vorausgesetzt worden, wäre nichtig, obwol andererseits die richterliche E. nicht noth­ wendig zwischen allen Miterbm zu geschehen braucht. TheilungSmafle ist Alles, waS zum Nachlasse wirklich gehört oder in denselben einzuwerfen ist. Eigentliche Ausnahme hiervon bildet a) das bereits unter den Erben vertragsmäßig oder vom Erblaffer oder in Folge einer SachtheilungSklage Getheilte, b) was seiner Bestim­ mung gemäß ungetheilt verbleiben soll. Uneigentliche Ausnahme: 1) Forderungen und Schulden der Erbschaft; denn die Regel, wonach diese ipso jure bereits pro rata getheilt sein sollen, schließt im Theilungsverfahren keineswegs die Ueberweisung au den Einen gegen Abfindung der Uebrigen aus, eine Ueberweisung, die als Cesfion bzw. als Schuldübernahme mit Einwilligung des Gläubigers aufzufaffen ist; 2) das seiner Natur nach Untheilbare; denn dieS kann ebenfalls gegen Ab­ findung Einem zugesprochen oder veräußert und im Erlöse vertheilt werden. Das Theilungsverhältniß ergiebt fich aus den Erbtheilen der Konkurrenten (wobei für noch ungeborene Miterben je drei Erbquoten vorläufig auSgeschieden werden) unter Berücksichtigung deffen, WaS nach Gesetz oder letztem Willen dem Einzelnen als Voraus gebühÄ. Bei AuSsührung der Theilung, je in Natur oder dem Werthe

nach, durch Versteigemng, sei es öffentliche oder unter den Miterben allein ic., hat die Behörde soweit möglich den Anordnungen- des Erblaffers und den Vereinbarungen der Parteien gerecht zu werden, im Uebrigen aber nach Ermeffen zu ver­ fahren. Zur Auseinandersetzung gehört außer der Nachlaßvertheilung noch die Er­ ledigung aller der persönlichen Ansprüche, welche durch die Erbgemeinschaft unter dm Miterbm erwachsen sind (praestationes personales); insbesondere Verwendungen, Bereicherungen und die Ersatzpflicht aus Dolus und relativer Fahrlässigkeit. Für Entwähmng und Mängel überwiesener Sachen, für Nichteinziehbarkeit übernommener Forderungen bleiben die Miterbm einander nach gewöhnlichen Gmndsätzen verhaftet

Erbtschter — Erbverbrüderung.

709

(nach SLchs. BGB. und Code civ. bei Forderungen fünf Jahre lang). Die An­ fechtung de» Theilungserkenntniffes folgt den allgemeinen Grundsätzen. — Das Preuß. R. kennt ein komplizirte» und wenig zweckmäßiges Theilungsverfahren, welche- die Praxis Nachlaßregulirung, bei Konkurrenz eines Ehegatten Auseinander­ setzung nennt; abweichend namentlich durch Ausschließung der Adjudikation und deS richterlichen Ermessens, durch stetiges Hinwirken auf gütliche Bereinigung, durch Einzelentscheidungen auf Provokation von Miterben und Abfassung eine» sog. 6tbregrefses rc. Roch eigenthümlicher ist die (obligatorisch gerichtliche) „VerlaffenschaftSabhandlung" de» Oesterr. R. Da» SLchs. BGB. schließt durchgehend dem Gem. R. sich an, läßt aber ein Gesammtbild de» ErbtheilungSrechtS vermiffen. Mit der gemeinrechtlichen Doktrin erklärt e» TheilungSklagen für unverjährbar; richtigere Auffassung mußte vielmehr in der Fortsetzung der Gemeinschast stet» ume Unter­ brechung finden. Rach dem Code civ. werden E. summarisch behandelt. vom Ge­ richt aber nur eingeleitet, während die Regulirung und Maffetheilung (partage) durch Notare und Sachkundige geschieht; vertragsmäßige Theilung ist anfechtbar wegen Läsion um mehr als ein Diertheil. Quellen u. Lit.: Voet, De fom. ercisc. lib. sing., 1672. — mann, Eiv. Arch., 34. — Windfcheib, Lehrb., HL § 608. — Nov. 18. c. 7. Nov. Leon. 68. - Preuß. LR. I. 17 §§ 115 ff.; 88 170 ff.; n. 17 8 56. — Refir. v. 1. Febr. 1833. - «. 0.0. 8§ 797 ff.-SSchf.BGB. 88 2343 ff., ergänzt durch 88 337 ff., 8 870 sä., 1075 88. — Mommsen, Erbr.-Entw., 88 276 ff.

Glück XI.— Zimmer­ D. 10, 2; C. 3. 36. 38. IL 2 §§' 380 ff.; L 12 L 46. — Oesterr. B0V. 151.-6. civ. art. 815 es., Schütze.

Erbtochter (Th. I. S. 513) ist der, resp, die nächste kognatische Verwandte d«S letzten Agnaten eines hochadeligen Hauses. Juristisches Interesse erhäü der Begriff alsdann, wenn neben der 6. noch der Descendent einer Kognatin deffelben Hauses vorhanden ist, welche einen Erbverzicht ausgestellt hat mit der Klausel: „bis auf den ledigen Anfall". Hier entsteht nämlich die Frage, ob der Descendent dieser Renunziantin, welcher Regredienterbe genannt wird, der E. vorgeht oder durch dieselbe von der Succession in daS Familienvermögen auSgeschloffen wird. Die Frage ist von jeher außerordentlich bestritten gewesen. Eine Entscheidung der Kon­ troverse kann nicht für alle Fälle gegeben werden. Vielmehr ist zu uiüerscheiden, ob der Verzicht ein nothwendiger oder ein freiwilliger gewesen. War derseÜe ein nothwendiger, so hat der Vorbehall auf den ledigen Anfall nur die Bedeutung, daß durch den Verzicht da» eventuelle SuccessionSrecht der Kognatin nicht auf­ gegeben werden soll. In diesem Fall ist der Vorzug der E. begründet. Anders liegt die Sache, wenn der Erbverzicht ein freiwilliger war, so daß also ohne den­ selben daS Erbrecht der Renunziantin in Wirksamkeit getreten wäre. AlSdann wird dieses durch den Vorbehalt für den Fall de» Aussterbens de» Mannesstammes ge­ wahrt, und ebenso da» ihrer Erben. E» wird also hier die E. durch den Regredientrrben ausgeschloffen. Natürlich gilt die» nicht immer hinsichtlich de» ganzen Familienvermögen», welche» in der Hand deS letzten agnatischen Gliede» de» Hause» vereinigt war, sondern lediglich in Bezug auf die portio renunciata, den Theil de» Vermögen», auf den da» Erbrecht der Renunziantin begründet war, und worauf sie eben deshalb verzichtete. Unter Umständen kann e» freilich da» ganze Vermöget fein. Diese Regel ist jedoch erst subsidiär zur Anwendung zu bringen. Zunächst muß man sich an den Inhalt de» Erbverzicht» und de» Vorbehalt» haltm, und danach die Entscheidung abgeben. Lit.: Schott, Ueber die Natur der weiblichen Erbfolge, Tüb. 1809. — Reyscher in der Zeitschr. f. D. R-, XV. Nr. 1. — Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen, II. 2 S. 292 ff. Lewis.

Erhverbrüßermtg (confraternitas, Th. I. S. 513) ist ein dem hohen Adel eigenthümliche» Rechtsgeschäft, wodurch mehrere FamUien oder verschiedene Zweige deffelsten Hause» sich gegenseitig ihre Güter zufichern für den Fall, daß die eine

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Erbvertrag.

Familie oder Lime ganz oder doch im Mann-stamm auSstirbt. Al- kontrahirende Parteien erscheinen hier die adeligen Häuser in ihrer Eigenschaft al- juristische Per­ sonen. Die Form de» Recht-geschäft» hat zu den verschiedenen Zeiten gewechselt.

In der älteren Zeit wandte man die der Vergabungen von Tode-wegen an. Gleichzeitig pflegten die beiderseitigen Unterthanen den Kontrahenten zu huldigen, und diese selbst die Titel und Wappen der verschiedenen Häuser anzunehmen. Ja der späteren Zeit, al» die Erbverträge überhaupt von der Jurisprudenz anerkannt waren, erhielt die E. die Form und Natur eine- Erbeinsetzung-vertragS. Hierdurch räumen sich die koatrahirenden Häuser wechselseitige Succession-rechte ein. Ereignet sich nun ein Succession-fall, so succedirt in die Besitzungen der au-gestorbenen Familie natürlich nicht da- zur Erbfolge berechtigte Hau- in seiner Gesammtheit, sondern eia einzelne- Mitglied desselben. Und zwar ist hierfür maßgebend die Succesfionsorimung de- succedirenden Hause-, e» müßte denn die E. selbst hierüber abweichende Bestimmungm enthalten, oder (bei souveränen Häusern) jene Succesfionsordnung mit der Verfassung des zu erwerbenden Lande- im Widerspruch stehen. Dagegen giebt für die Versorgung der Wittwen, die Dotation der Tächter de- im Mann-stamm au-gestorbenen Haufe- stet- besten eigene- Familiengesetz die Norm ab. Heutzutage können souveräne Häuser in konstitutionellen Staaten selbständig keine E. schließen, sondern nur unter Mitwirkung der Landesvertretung, denn die E. greifen selbst in die LandeSverfaffung ein. Mit den 6. pflegten früher verbunden zu werden Erbeinigungen (uniones hereditariae), Schutz» und Trutzbündniffe, welche gleichfalls für alle kommenden Gmerationen geschloffen wurden. Lit.: Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen, I. S. 222 ff.; II. 2 S. 90 ff. — Zöpfl, Staatsrecht (5. Ausl. 1863), I. § 255. Lewis.

Erbvertrag (Th. I. S. 513) ist im Allgemeinen ein Vertrag, der unmittel­ bar auf die, Beerbung eine- oder beider Kontrahenten gerichtet ist. In diesem Sinne werden zwei Hauptarten de- E. unterschieden, der affirmative E. (pac­ tum saccessorium affirmativem oder acqaisitivnm), auch Erb ei nsetzung Sv er­ trag genannt, und der negative E. (pactum saccessorium negativum oder renunciativum), gewöhnlich Erbverzicht genannt. Hier soll zunächst nur von dem E., als affirmativem, die Rede fein, während der Erbverzicht in einem besonderen Artikel behandelt wird. Der E., im Sinne von Erbeinsetzungsvertrag, ist der Vertrag, wodurch Jemand zum Erben eingesetzt wird. Dies ist, ganz wie die vom E. überhaupt gegebene Erklärung, die gewöhnliche Auffassung. Eine durchaus abweichende An­ sicht hat Hartmann (Zur Lehre von den E. und von den gemeinschaftlichen Testamenten, Braunschw. 1860) aufgestellt. Er löst den Erbeinfehungsvertrag auf in eine testamentarische Erbeseinsetzung und einen vertragsmäßigen Verzicht auf eine spätere Testament-errichtung. Durch den E. kann ein Erbrecht überhaupt erst be­ gründet, oder ein bereit- bestehende- lediglich anerkannt werden. Im ersteren Fall spricht man von acquifitivem, im zweiten von konservativem E. Diese Unterscheidung ist nur insofern von Bedeutung, al- in dem letzteren Falle der Vertrag-erbe die Erbschaft au- dem E. ausschlagen und ab intestato antreten darf. Zum Erben ernannt wird entweder ein Kontrahent oder ein Dritter^ Die Gültig­ keit solcher Verträge zu Gunsten dritter Personen ist gewohnheitsrechtlich fest be­ gründet. Für diese E. hat man die Bezeichnung di-positive gebraucht. Die ältere Theorie bezeichnete aber mit dem Ausdruck pactum saccessorium dispositivum auch den Vertrag über die Erbschaft eines noch lebenden Dritten. Doch gehört ein solcher gar nicht in die Lehre von den E. Der E. kann nicht nur direkt zu Gunsten eines Dritten geschloffen sein, sondern auch indirekt, nämlich in der Weise, daß der eine Kontrahent zum Erben eingesetzt wird, sich aber verpflichtet, die Erb­ schaft einer bestimmten dritten Person zu restituiren. Diese letztere Form hat man

Erbvertrag.

7ii

restitutiven 6. genannt. Die Kontrahenten können sich auch gegenseitig zu Erben einfetzen. Die» geschieht namentlich unter Ehegatten. Hierbei können zwei von einander ganz unabhängige Verträge vorliegen oder rin zweiseitiger Vertrag. Im letzteren Falle stehen und fallen die beiden ErbeSeinsetznngen mit einander. WaS von beiden vorliegt, ist JnterpretationSfrage. Bon vielen Juristen ist die Behauptung ausgestellt worden, daß auch ein Vermächtniß den Gegenstand eines E. bilden könne, und eS ist demgemäß als eine Spezies deS letzteren ein eigener Vermächtnißvertrag (pactum successorinm particulare) angenommen und dem Erbschaftsvertrag oder Üniverfal-E. (pactum

successorinm universale) gegenübergestellt worden. Doch ist hierbei nur an den Fall, gedacht, wo dar Vermächtniß den einzigen Gegenstand des Vertrags bildet, und es ist auSgeschloffm der Fall eines in einem E. dem BertragSeiLen zn Gunsten

eines Dritten anserlegten VermächtniffeS; ebmso aber auch der der vertragsmäßigen Begründung bestimmter Rechtsinstitute, welche eine Singnlarsnccesfion der Bedachten zur Folge haben, so der vertragsmäßigen Begründung eines Familienfideikommisses, der Erbverbrüderung. Daß der 6. diese zuletzt hervorgehobene Beschaffenheit haben könne, ist allgemein anerkannt. Ob eS aber einen eigentlichen Vermächtnißvertrag giebt, ist außerordentlich bestritten. Dafür find unter Anderen Hasse (Ueber E., im Rhein. Museum f. JuriSpr., Jahrg. III. 6. 17 ff.), Eichhorn (Deutsche» Priv.R., § 344), Mittermaier (Deutsche» Priv.R., II. § 453 R. II. § 454 R. IX), Bluntschli (Deutsche» Priv.R., § 196), Hartmann (a. a. O. S. 73 ff ), ArndtS (in der Oesterr. MerteljahrSschr. f. Rechts- u. StaatSwiffenschast, VII. S. 280 ff.); dagegen Beseler (Die Lehre von den E., II. 1. S. 22 ff., S. 214 ff. II. 2. S. 108 ff.; Deutsche» Priv.R., § 187 R III), v. Gerber (Deutsche» Priv.R., § 257 Note 5) und Andere. Für die richtige ist die letztere Anficht zu halten, weil der E. in der Anwendung al» Vermächtnißver­ trag durch daS Gewohnheitsrecht nicht ausgebildet ist. Um in der Gestalt des E. über feine Erbschaft verfügen zu können, ist nicht nur testamentifactio, sondern auch Vertrag-fähigkeit erforderlich. Selbständige Minderjährige bedürfen daher der Zustimmung ihre» Vormunde». Da» Sächsische BGB. (§ 2545) gewährt den Bevormundeten diese» Recht überhaupt nicht. Hau»» kinder können keinen E. eingehen, selbst nicht hinsichtlich der adventitia mit Ge­ nehmigung deS Vaters. Doch ist Beseler (E., II. 1. S. 255) in letzterer Be­ ziehung entgegengesetzter Ansicht. Eine bestimmte Form ist gemeinrechtlich für den 6. nicht ausgebildet worden. ES ist ganz grundlos, wenn einige Schriftsteller solche fordern, wie Eichhorn (Deutsches Priv.R., § 342) und Walter (Deutsches Priv.R., § 431 R. IV.) Schriftlichkeit, und Bluntschli (Deutsches Priv-R., § 241) Gerichtlichkeit oder Testamentsform. Partikularrechte haben freilich das Erforderniß einer bestimmten Form aufgestellt. In der Regel verlangen sie die Testament-form, so das Preuß. LR. (Th. I. Tit. 12 § 621), daS Oesterr. BGB. (§ 1249) und daS Eächf. BSB. (§ 2546). Der Hauptunterschied des E. vom Testament liegt in der Unwiderruflichkeit deS ersteren. Mit Rückficht hierauf machte jedoch die frühere Theorie hinsichtlich der in den Ehestiftungen enthaltenen E. eine Unterscheidung zwischen pacta dotalia mixta und simplicia, und ließ bei den ersteren einen Widerruf zu. DieS ist auch partikularrechtlich (wie durch die Frankfurter Reform. Th. III. Tit. 2 §§ 4 u. 5) fanktionirt worden, aber auS der heutigen gemeinrechtlichen Doktrin verschwunden. Wegen der Unwiderruflichkeit deS E. ist auch dem, welcher auf diefe Weife über fein Vermögen disponirt hat, jede anderweite letztwillige Verfügung über daffelbe entzogen; er müßte sich denn eine solche hinsichtlich einer Quote seine» Vermögen­ oder gewiffer Sachen ausdrücklich Vorbehalten haben. Dagegen können demfÄen Verfügungen unter Lebenden

nicht verwehrt werden, wie die» auch die neueren

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Erbvertrag.

Gesetzbücher anerkennen (Preuß. LR. Th. I. Tit. 12 § 624. Oesterr. BGB. § 1252. Sächs. BGB- § 2548). Doch findet dieses Dispositionsrecht seine Schranke in dem Recht des Vertragserben, eine Prodigalitätserklärung unter den sonst üblichen Voraussetzungen gegen den Disponirenden zu erwirken und dolose Veräußerungen nach geschehenem Erbschastsantritt anzufechten. (Aehnlich sind die Bestimmungen des Preuß. LR. Th. I. Tit. 12 § 625 ff.) Schenkungen auf den Todesfall werden von der Mehrzahl der Schriftsteller nicht für zulässig gehalten. Beseler (E., II. 1 S. 261 ff. und Deutsches Priv.R., § 138 R. III) ge­ stattet solche, und Gerber (Deutsches Priv.R., § 259 Rote 2) schließt sich ihm an. Ueber die Zulässigkeit von Bedingungen sind entscheidend die Grundsätze des Vertragsrechts. Dies ist namentlich von den unmöglichen Bedingungen zu sagen, deren Hinzufügung die Ungültigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts zur Folge hat. Da­ gegen gilt eine Resolutivbedingung ebenso wie ein Endtermin als nicht hinzugefügt. Die neueren Gesetzbücher lassen hinsichtlich der Bedingungen entweder die bei Testa­ menten (wie das Preuß. LR. Th. I. Tit. 12 § 647 und das Sächs. BGB. § 2549) oder die bei Verträgen geltenden Grundsätze (wie das Oesterr. BGB. § 1251) maßgebend sein. Die Wirkung des E. ist dieselbe, wie die des Testaments. Es wird dadurch das gewöhnliche civilrechtliche Erbrecht begründet, nicht aber ein sofort wirksames dingliches Recht. Demgemäß erwirbt der Vertraaserbe nicht (wie Eichhorn. Deutsches Priv.R., § 344 und Andere behaupten) mit dem Tode des Erblassers das Eigenthum an den Erbschaftssachen, sondern zum Erwerb der Erbschaft bedarf es nach Gem. R. erst einer Adition, und nur nach den Partikularrechten ist eine solche nicht erforderlich, welche die Erbschaft überhaupt ipso jure auf den Erben übergehen lassen. Der Vertragserbe ist aber weder zur Annahme der Erbschaft ver­ pflichtet, noch verhindert, dieselbe auszuschlagen. Nur ein Ausschlagen der Erbschaft in fraudem legatorum, um dieselbe als Jntestaterbe anzutreten, ist nach Analogie des Edikts: Si quis omissa caussa testamenti unstatthaft. (So auch das Preuß. LR. Th. I. Tit. 12 §§ 641 ff.) Die rechtliche Stellung des Vertragserben ist im Ganzen dieselbe, wie die des testamentarischen und des Jntestaterben. Er hat An­ spruch auf die Vortheile der Erbschaft, hat aber auch umgekehrt die Lasten zu tragen. Er hat die Vermächtnisse zu entrichten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, selbst über den Bestand der Erbschaft hinaus, wenn er dieselbe nicht mit der Rechts­ wohlthat des Inventars angetreten hat. Dagegen steht ihm kein Accrescenzrecht zu; denn die römisch-rechtliche Regel: nemo pro parte testatus decedere potest gilt nur für Testamente und findet bei E. keine Anwendung. Die Vertragserben können nicht nur mit Testamentserben, sondern auch mit Jntestaterben konkurriren. Ein Anspruch auf die quarta Falcidia gebührt dem Vertragserben nicht, obwol das Entgegengesetzte von Albrecht (in Richters Krit. Jahrbb. v. 1842, S. 339 ff.) behauptet wird. Der Grund liegt darin, daß derselbe sich zur Leistung der Ver­ mächtnisse vertragsmäßig verpflichtet hat. Der Vertragserbe kann sich der dem Erben überhaupt nach Civilrech't zu Gebote stehenden Mittel zur Wahrung seines Rechts bedienen. Die hereditatis petitio wird hier als pactitia oder conventionalis bezeichnet. Der E. ist anfechtbar wegen Verletzung des Pflichttheils, und es ist nach Gem. R. die Ansicht der Schriftsteller nicht zu rechtfertigen, welche (wie Eichhorn, Deutsches Priv.R., § 393 N. II. und Mittermaier, Deutsches Priv.R., II. § 454 N. X.) in solchem Falle den Notherben nur eine Klage auf den Pflichttheil einräumen wollen. Nach den Partikularrechten freilich, die überhaupt nur eine actio ad supplendam legitimam in dem in Rede stehenden Falle kennen, ist dies richtig. Eine Enterbung im E. ist nicht zulässig, denn durch Vertrag können nicht dritten Personen Rechte entzogen werden. Eine Analogie des Testaments ist nicht statthaft, weil die Enterbung im E. wegen der Unwiderruflichkeit viel härter ist,

Erbverzicht.

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als die im Testament. Der E. wird ferner vernichtet durch den Tod des Vertrags­ erben vor dem Erbschaftsantritt, wenn nicht in jenem für diesen Fall ein Sub­ stitut ernannt ist; denn abgesehen von den auch hier Platz greifenden Transmissions­ fällen findet eine successio in delationem nicht statt. Einige Juristen (wie noch Mittermaier, DeutschesPriv.R., II. § 454 N. XVII) sind, ausgehend von der verkehrten Anschauung, daß durch E. ein gegenwärtiges Vermögensrecht begründet werde, allerdings entgegengesetzter Meinung. Dagegen ist die richtige Ansicht durch das Oesterr. BGB. (§ 1252) und das Sächs. BGB. (§ 2551) legalisirt worden. Der E. kann durch übereinstimmenden Willen der Kontrahenten aufgehoben werden; auch der zu Gunsten eines Dritten geschloffene, so lange dieser noch nicht demselben beigetreten ist. Eine Anfechtung des E. wegen Undanks und wegen nachgeborener Kinder ist nicht begründet. Die Regel: „Kinderzeugen bricht Ehestiftung" ist nur von der Anfechtbarkeit des E. wegen Verletzung des Pflichttheils zu verstehen. Wegen Undankbarkeit wird jedoch eine in integrum restitutio unter Umständen für zulässig gehalten. Von den neueren Partikularrechten haben den E. ganz allgemein anerkannt das Preuß. LR., welches davon im Th. I. Tit. 12 §§ 617—648 handelt, und das Sächs. BGB., dessen W 2542 — 59 dieser Lehre gewidmet sind; dagegen lassen ihn der Code civ. (art. 1082 und art. 1093) und das Oesterr. BGB. (§§ 1249 bis 54) nur unter Ehegatten zu.

Lit.: Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen, Th. II. Bd. 1 u. 2, Gotting. 1837, 1840. — Seuffert's Arch. I. Nr. 89; III. Nr. 265; IV. dir. 138, 243; V. Nr. 36, 206, 299; VII. Nr. 64, 68; VIII. Nr. 152; IX. 'Nr. 22, 48; XII. Nr. 170, 171; XIV. Nr. 241; XVI. Nr. 103; XVII. Nr. 264; XVIII. Nr. 88; XIX. Nr. 167; XX. 146, 147; XXII. Nr. 247, 248; XXIII. Nr. 41, 220; XXIV. Nr. 48; XXVII. Nr. 41; XXIX. Nr. 249; XXXI. Nr. 150, 151, 154; XXXII. Nr. 58, 105, 254, 255. Lewis.

Erbverzicht (Th. I. S. 513) ist der Vertrag, wodurch Jemand auf das ihm aus irgend einem Titel (Blutsverwandtschaft, Testament, Erbvertrag) gegen den anderen Kontrahenten zustehende Erbrecht verzichtet. Ein Verzicht auf die Erbschaft eines Dritten gehört jedoch nicht in die Theorie des E. Eine bestimmte Form für den E. kennt das heutige Gern. R. nicht, obwol das ältere Deutsche R. Gerichtlichkeit fordert. Von den neueren Gesetzbüchern enthalten das Preuß. LR. und das Oesterr. BGB. keine Vorschriften über die Form, das Sächs. BGB. (§ 2560) be­ stimmt, daß die Formen des Erbvertrags nicht erforderlich seien. Der Verzichtende muß handlungsfähig sein. Minderjährige können einen E. nur mit Genehmigung des Vormundes ausstellen. Dagegen wird ein obrigkeitliches Alienationsdekret nicht im Allgemeinen, sondern nur bei einem Verzicht auf den Pflichttheil für noth­ wendig gehalten. Der Verzichtende wird aus der Zahl der Erben ganz aus­ geschlossen. Dagegen wird natürlich das selbständige Erbrecht der Descendenten desselben gegen den Erblasser nicht berührt, selbst wenn der Verzicht ausdrücklich auf sie ausgedehnt worden ist. Ist daher der Verzichtende vor dem Erblasser ge­ storben, so können die Descendenten des ersteren ihr Erbrecht dennoch geltend machen, nur müssen sie eine diesem zu Theil gewordene und von ihnen ererbte Abfindung konferiren. Dagegen ergreift nach dem Sächs. BGB. (§ 2561) der zugleich für die Erben abgegebene Verzicht auch das Erbrecht der letzteren. Und dieselbe Wir­ kung hat im Recht des hohen Adels der E. einer Kognatin, wenn sie denselben für sich und ihre Erben ausgestellt hat. Der E. wird im Preuß. LR. (Th. I. Tit. 12 §§ 649—654),. im Oesterr. BGB. (§ 537) und Sächs. BGB. (§§ 2560 bis 2562) anerkannt; vom Code civ. (art. 791) aber verboten. Der E. fand früher sehr häufige Anwendung im Recht des hohen Adels, um die Kognaten und namentlich die Töchter von der Succession in das Familienver­ mögen auszuschließen. Eigentlich war dies nur so lange nothwendig, als in den einzelnen hochadeligen Familien noch nicht hausgesetzlich ausschließlich agnatische

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ertjinSfirt.

Succession eingeführt war. Trotzdem wurde in vielen HauSgesetzen der E. für die Töchter vorgeschrieben, zugleich aber angeordnet, daß die Tochter, welche den Ver­ zicht nicht leistet, doch für verziehen (pro renunciäta) betrachtet werden solle. Praktische Bedeutung hat demgemäß ein solcher E. nicht mehr, er müßte fich denn auf das nicht zum Familiengut gehörige VermögeO erstrecken. Mit dieser hauSgesetzlichen Anordnung von 6. hängt die im Recht des hohm Adels übliche Eintheilung der 6. in freiwillige und nothwendige zusammen.

Lit.: Befeler, Die Lehre von den Erbverträgen, II. 2. (@6tting. 1840), S. 215 ff., 259 ff. — Seuffert'S Arch. XVI. Nr. 61; XIX. Nr. 167; XX. Nr. 150. Lewis. Erbzinsgut (Th. I. S. 500), ein vertragsmäßig erblich gegen Zins ver­ liehenes Grundstück — fei eS ein Bauerngut oder eine Baustelle, ein HauS, eine Halle u. dgl. in einer Stadt. Der Zins (canon, census, pensio) hatte die Bedeu­ tung eines BekenngeldeS, also einer Anerkennung der Rechte des ErbzinSherrn, wes­ halb die Säumniß in der Entrichtung für diesen eigenthümliche Rechte begründete: Verdopplung nach Mahnung, außergerichtliche Pfändung, Einziehung des Grund» stückS, sei es sofort oder nach einer gewissen Frist, oder bei wiederholter, z. B. dreijähriger, Nichtzahlung. Doch auch unwirthschaftliche Verwaltung, Verlassen deS Gutes, Verwirkung desselben zur Strafe an den FiSkuS, konnte die Einziehung zur Folge haben, ebenso Entsagung oder Heimfall nach dem Erlöschen der beliehenen Geschlechtsfolgen oder Ablauf der festgesetzten Zeit u. dgl. m. Gewöhnlich lastete auf den E. die Laudemialpflicht — die Pflicht zur Entrichtung von BefitzveränderungSabgaben, von denen nur Erben in absteigender Linie meistens frei blieben, und die unter den verschiedensten, theilweise auf Gerichtshandlungen deutenden Benmnungen vorkamen: Antritts-, Gewinn-Gelder, Lehnwaare, Schreib-, DerreichS-, Konfirmations-Gebühren, Markgroschen u. dgl. Die Schwierigkeiten deS Beweises haben theilweise zu besonderen gesetzlichen Vorschriften geführt, nachdem ange­ nommen worden, daß gemeinrechtlich die Laudemialpflicht überall besonders nach­ gewiesen werden müsse, wo keine Emphytense im Sinne deS Röm. R. begründet worden. Im Ursprung verschieden hatte diese doch viel Aehnlichkeit mit dem Erbzinsverhältniß. Weit greifend waren die Rechte des ErbzinSmannes. Frei von den Beschränkungen des HofrechtS stand ihm die volle Benutzung unbeschadet der Substanz, auch bezüglich außerordentlicher Nutzungen, die Verpfändung, die Veräuße­ rung von Todeswegen, auch unter Lebenden zu, doch hier mit einem Widerspruchs­ recht des ErbzinSherrn gegen einen untüchtigen Nachfolger sowie auch wol mit einem Vorkaufsrecht desselben. In großer Verschiedenheit — auch der Namen wie bei den Zinsgütern mit census reservativus, bei den Laßgütern im ManSfeldischen — hatten fich Verhältnisse dieser Art in Hannover (Th. I. S. 1174), Westfalen, Sachsen, Schlesien, Pommern und anderwärts (Th. I. S. 1134) entwickelt, als Wissenschaft und Gesetzgebung sie gleich den, vorzüglich bei kirchlichen und städti­ schen Beleihungen begründeten Emphyteusen unter einheitliche Rechtsgrundsätze zu bringen suchten, und ihr Wesen in einer Theilung deS Eigenthums fanden: der ErbzinSherr Ober», der ErbzinSmann Nutz-Eigenthümer. DaS Preuß. LR., bei deffrn Redaktion durch die zahlreichen Monita die erheblichen provinziellen und lokalen Unterschiede zu Tage traten, erblickte in jenem Merkmal das wichtigste, den ErbzinS- vom Erbpacht-Verträge sondernde Kennzeichen. Das Oesterr. BGB. dagegen nannte beide Nutzeigenthümer, von denen dieser im Verhältniffe zum GutSertrage, jener aber nur zur Anerkennung deS Gutseigenthums eine Abgabe leiste. Die Gesetzgebung der neuesten Zeit hat je länger, je umfaffender für Klärung der EigenthumSverhältniffe des ErbzinSmannes durch Aushebung des ObereigenthumS auch hier gesorgt, nicht minder für Lösung der dadurch begründeten Abhängigkeitsverhältniffe: Recht des Zinsherm auf Zinserhöhung, Vereinfachung, Ablösung der Laudemien, deS Kanon- unter erleichternden Einrichtungen von verschiedener Art.

ErstndunßSpalente.

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Der üntereigenthümer ist im Fall getheilten Eigenthums für die Ordnung deS GrundbuchwefenS als Eigenthümer anzufehen. Sfgb.: Preuß. LR. II. 18 § 680 ff. nebst Erg., des. Ges. v. 2. März 1850 (®ef.= Sammt 1869 S. 517). — Preuß. Grundbuchgefetz für Hannover (Ges.Samml. 1873 S. 258) 8 7. — Oesterr. BGB. §§ 1122 ffi — B«B. f. Sachsen § 226. — Mit dem Absterben des Instituts hat fich die Bit. von ihm abgewandt, abgesehen von Erörterungen über wesentlich provinziell bedeutende Einzelheiten, insbes. Laudemien (s. diesen ArtSchaper.

Erfi«dmrgSpate«te. In Preußen wurden in früherer Zeit die Bedingungen, der Umfang und die Wirkungen deS Patentschutzes in jedem einzelnen Falle durch die nach Maßgabe de» «. LR. (Th. I. Tit. 6 §§ 5 u. 6; Th. II. Tit. 8 § 225; Th. II. Tit. 18 § 7) ertheilten königlichen Privilegien festgesetzt; ganz ebenso wie damals der Schutz deS sog. geistigen Eigenthum» an Schriftwerken nicht al» Folge eine» objektiven RechtSsatzeS, sondern al» subjektive Rechtszuständigkeit (Privllrg) sich darstellte. Erst die durch eine nicht publizirte KabinetSordre vom 27. Septbr. 1815 (v. Kamptz, Annalen, VII. S. 827) genehmigte, durch die Regierungs­ amtsblätter veröffentlichte Bekanntmachung de» Finanzministerium» vom 14. Oktbr. 1815 schuf im Anschluß an die damalige Praxi» ein System allgemeiner Normen und beseitigte gleichzeitig die in den früher Französischen Landestheilen bestehende besondere Gesetzgebung. Diese Vorschriften haben aber streng genommen ihre Rechts­ kraft erst durch die Bestimmung de» 8 9 der Gewerbeordnung von 1845, wonach die besonderen Borschriften über 6. auch ferner Anwendung finden, erhalten; denn wenn auch allerdings gegenüber dem Antragsteller sehr wohl Alle» durch eine bloße Instruktion geregelt werden konnte, so erhielt doch jrdfS Patent zugleich ein gegen Dritte gerichtetes UnterfagungSrecht, welche» nach § 17 Tit. 13 Th. II. A. LR. nur vom Landesherr« selbst verliehen werden und nach § 10 Einl. A. LR. nur durch die für Gesetze vorgeschriebene Art der Bekanntmachung verbindliche Kraft erlangen konnte. Die Bekanntmachung von 1815 war dann durch eine fünfzig­ jährige Praxi» der Berwaltung auf dem Wege von Ministerialreskripten, die nur zum Theil öffentlich bekannt gemacht worden find, in ziemlich eingreifender Weife modifizirt, fo daß eine völlig adäquate Borstellung de» geltenden Recht» zuletzt nur mit Hülfe von Generalakten möglich war, wie solche in der That von Kloster­ mann in der ersten Auflage seine» Werk» (1869) benutzt worden find. Durch Verordnung vom 24. Juni 1867 ist dann die Bekanntmachung von 1815 in der Provinz Schleswig-Holstein eingeführt, weil e» dort an allgemeinen Vorschriften bis dahin gänzlich gefehlt hatte, während in den übrigen neuen LandeStheilm der auf Gesetzen und Herkommen beruhende Recht-zustand eine genügende und auch mit den altpreußischen Normen im Wesentlichen übereinstimmende Grundlage darbot. Demgemäß wurden die Patente vom Handelsminister (früher Finanz­ minister) ertheilt, auf Grund einer Vorprüfung, welche durch die technische Depu­ tation für Gewerbeangelegenheiten erfolgte, während ursprünglich eine erste Prüfung seitens der Regierungen stattgefunden hatte, bei denen auch damals die Gesuche anzubringen waren, wa» aber schon früh in Wegfall gekommen ist, da eS den Regierungen fowol an sachverständigen Mitgliedern als auch an Hülfsmitteln zur Prüfung fehlte; dem Handelsminister stand auch die Zurücknahme der Patente zu, sofern die Voraussetzung der Neuheit der Erfindung fich später als ungegründet herausstellte, bis durch § 143 deS Kompetenzgesetzes das Oberverwaltungsgericht an seine Stelle trat. Die Patentdauer bewegte fich innerhalb einer Frist von 6 Mo­ naten bis zu 15 Jahren, doch wurden, vorbehaltlich späterer Verlängerung, die Patente in der Regel nur auf höchsten» 5 Jahre ertheilt, und ging daS thatsäch­ liche Maximum selten über 8 Jahre hinaus. Außer dem sehr geringm tarif­ mäßigen Stempel gab e» Patentgebühren nicht. Der Patentschutz endlich erfolgte theils im Wege deS gewöhnlichen EivilprozeffeS, theil» in dem eine» polizeilichen

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Erfindung-Patente.

StrasversahrenS, für welche- in erster Instanz die Regiernng (später da- VerwaltungSgericht), in letzter Instanz der Handelsminister (später daS Oberverwaltungs­ gericht) kompetent war, doch führte der erste Fall einer unbefugten Nachahmung blos zu einer Berwarnung, indem die rechtswidrig» Absicht deshalb -nicht von vorn­

herein vermuthet werden konnte, weil der Erfindungsschutz nicht sowol auf einem allgemeinen Rechtssatze beruhte, den Jeder kennen muß, als vielmehr auf einem Privilegium, welches nur Denjenigen verpflichtet, zu deffen Kenntniß dasselbe gelangt ist; erst die Wiederholung hatte eine polizeiliche Bestrafung zur Folge, die jedoch nur in der Zueignung der konfiSzirten Werkzeuge, Materialim, Fabrikate rc. an

den Patentirten bestand. Diefer Preußische Patentschutz war aber in Folge der engen Beziehungen Preußens zu den übrigen Deutschen Staaten von vornherein unzureichend; und dies steigerte fich noch, als in Folge der Gründung und Ausdehnung des Zoll­ vereins die volle Freiheit deS Handelsverkehrs im größten Theile von Deutschland hergestellt wurde. Es waren zwar in Gemäßheit deS im Art. VII deS Zollvereins­ vertrages vom 22. März 1833 und in dem zugehörigen Separatartikel IV ge­ machten DorbehaltS auf der fünften Zollvereinskonferenz zu Stuttgart am 21. Septbr. 1842 einige allgemeine Grundsätze über E. im Zollverein ausgestellt worden; die indeffen ihren eigentlichen Zweck nicht erfüllten. Denn danach mußte Derjenige, der sich wahrhaft schützen wollte, in sämmtlichen Zollvereinsstaaten Patente er­ werben, die Vereinsstaaten hatten fich nur verpflichtet, daß für die in anderen Staaten patentirten Erfindungen Niemand außer dem Erfinder und deffen Rechts­ nachfolger patentirt werden sollte; der Patentsucher war zwar den eigenen Unter­ thanen der betreffenden Staaten hinfichtlich deS Erfindungsgesetzes vollkommen gleichgestellt, indeffen möglicher Weise fehlte eS an einem Patentschutz« in einzelnen Ländern überhaupt und jedenfalls war für die Art und Weise deS Schutzes ins­ besondere hier die Schutzfrist, die Kosten und die Kontravention die Gesetzgebung der einzelnen Länder allein maßgebend; endlich gab sogar die Ertheilung eines Pa­ tentes niemals ein Recht, die Einfuhr solcher Gegenstände, welche mit dem paten­ tirten übereinstimmten, oder den Verkauf und Absatz oder den Gebrauch und Ver­ brauch derselben (mit Ausnahme von Maschinen) zu verbieten oder zu beschränken, so daß nur die Anfertigung deS patentirten Gegenstandes und der Gebrauch von neuen Maschinen verboten war. Die fernere Beachtung dieser Grundsätze war in dem ZollvereinigungSvertrage vom 8. Juli 1867 ausdrücklich vereinbart worden. ES war unter diesen Umständen ein großer Fortschritt, als der Art. IV Nr. 5 der Verfaffung des Norddeutschen Bundes resp. deS Deutschen Reichs die E. unter den zu der Gesetzgebung und Beaufsichtigung des Reichs gehörigen Gegenständen aufzählte. ES schien jedoch anfangs, als ob diese einheitliche Gestaltung deS Deutschen Patentwesens nicht im positiven, sondern im negativen Sinne erfolgen werde, als ob die Begründung der Reichskompetenz für daS Patentwesen sich nur äußern solle in einer gleichförmigen Beseitigung alles Patentschutzes in Deutsch­ land. Diese Tendenzen hatten fich schon vor der Gründung deS Norddeutschen Bundes einerseits in den Kreisen der sog. Freihandelsschule und deS Großkapitals, andererseits in den Kreisen deS höheren Preußischen BeamtenthumS geltend gemacht. Insbesondere daS Preußische Handelsministerium (Dilbrück) hatte 1863 in einer Eirkularverfügung an die Handelskammern fich dahin ausgesprochen, daß über­ wiegende Gründe für die Aufhebung des Erfindungsschutzes zu sprechen schienen, und die Antworten der Handelskammern, in denen daS technische Element gar nicht vertreten ist, waren in demselben Sinne erfolgt. DaS nächstliegende Jntereff« sowol deS Großhandels al» der Großindustrie liegt in der That in einer möglichsten

Beschränkung der Produktionskosten, welche durch die E. offenbar vertheuert werden; namentlich der Handelsstand, der lediglich bei dem Vertriebe der Fabrikate interesfirt ist, hat naturgemäß zunächst daraus zu sehen, daß dieser Vertrieb möglichst

ErfinduugSpatente.

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umsangreich sei. Der volkSwirthschaftliche Kongreß hat dann auf seiner Versamm­ lung zu Dresden 1863 geradezu erklärt, daß 6. dem Gemeinwohl schädlich feien, indem sie nicht nur daS Zustandekommen von Erfindungen mehr erschwerten alS begünstigten, sondern auch den Erfindern selbst mehr Nachtheil als Vortheil brächten, ein Thema, welches von den Hauptvertretern jener Richtung, insbesondere von Fancher, Princc-Smith, Böhmert und Michaelis, in zahlreichen Abhandlungen während der nächsten Jahre weiter auSgeführt wurde. Auch die vom Präsidenten deS Reichskanzleramts in den Sessionen von 1868 und 1872 abge­ gebenen Erklärungen lauteten wesentlich in demselben, den Patentschutz ablehnenden Sinne. Indessen machte fich doch, insbesondere seit Beendigung deS Franzöfischen Krieges, immer entschiedener die Ueberzeugung geltend, daß wenn auch allerdings der Erfindungsschutz unleugbar eine Beschränkung der unbedingten Gewerbefreiheit, die Begründung eines Monopols, einer exklusiven Gewerbeberechtigung herbeiführt, diese doch schon um deswillen mit den Gewerb^eschränkungen früherer Zeiten nicht auf eine Linie zu stellen sei, weil ohne die Erfindung überhaupt keine Produktion und kein Verkehr in der fraglichen Richtung stattfinden könnte; man erkannte auch immer mehr an, daß die Gewähmng eines solchen Schutzes eine Forderung der Ge­ rechtigkeit sei, da so oft auch die Analogie zwischen ErfindungS- und sonstigem Ur­ heberschutz zurückgewiesen worden ist, dennoch die rechtsphilosophische Grundlage deS Schutzes ganz dieselbe ist, mag eS fich um eine geistige Thätigkeit auf dem Ge­ biete der Technik oder der Literatur oder der Mufik re. handeln; wie denn auch die Freihändler strengster Observanz stets für die Erlaubtheit deS Nachdrucks plaidirt haben; eS stellte fich auch immer klarer heraus, daß Nationalbelohnungen, auf welche man für gewiffe extreme Fälle verwies, nicht im Stande fein würden, eine wirkliche Entschädigung der Erfinder herbeizuführen, ganz abgesehen davon, daß die Selbstkosten der Industrie in möglichst weitem Umfange von den Konsumentm selbst getragen »erben müssen; endlich verhehlte man fich doch auch nicht, daß der verhiltnißmäßig unbefriedigende Stand der Deutschen Produktion wenigstens zum Theil auf dem Mangel an industrieller Initiative beruhe, und daß der notorische Mangel an maßgebenden Erfindungen in Deutschland wiederum zum Theil auf der Mangelhaftigkeit deS Erfindungsschutzes beruhe; daß aber diese Lage b/t Deutschen Industrie fich noch verschlechtern würde, wenn Deutschland hinfort unter allen Kulturstaaten mit Ausnahme der Schweiz daS einzige Land fein würde, in welchem ein Patentschutz gar nicht existirte; konnte man doch daraus verweisen, daß in keinem Lande die Erfindungen zahlreicher und bedeutender find, als in den Vereinigten Staaten, und daß nirgends mehr Patente vertheilt werden als dort, und hatte doch ein hervorragender Deutscher Erfinder seine Ueberfiedlung nach Eng­ land gerade mit den Verhältnissen deS Patentwesens motivirt. Es ist eben kein Naturgesetz, daß mit jedem Bedürfniß auch sofort eine Erfindung fich einstelle, daß die Erfindungen gleichsam in der Luft lägen und wild wüchsen wie die Blumen deS FeldeS; fie find vielmehr überall die Resultate schwerer geistiger Arbeit und ge­ wagter Kapitalsaufwendungen, die beide nur dann zu haben find, wenn wenigstens die Möglichkeit eines materiellen Erfolges nicht ausgeschlossen ist. AuS dien diesen Gründen hatte fich in der öffentlichen Meinung ein voll­ ständiger Umschwung vollzogen, der so stark war, daß er selbst Solche, die sich früher ganz entschieden gegen Erfindungsschutz ausgesprochen hatten, in die Reihe der Beförderer desselben trieb. DaS ReichSpatentgeseh vom 25. Mai 1877, welches nach mannigfachen Vor­ arbeiten und Enquöten, insbesondere auch auf Gmnd eines sehr ausführlichen KommiffionSberichtS, in einer von der BundeSrathSvorlage mehrfach, nur nicht immer zum Vortheil abweichenden Gestalt zu Stande gebracht wurde, und zu dessen Ausführung nach erfolgter Zustimmung des BundeSrathS die kaiserliche Ver»

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SrftndnngSpnleiUe.

otbnung betreffend die Einrichtung, daS Verfahren rc. bei Patentamt- vom 18. Juni 1877 erlaffen ist, hat in der Hauptfach« folgende Grundsätze aufgestellt: 1) Der Schutz bezieht sich nur auf Erfindungen, nicht ans Entdeckungen; ferner nur auf neue Erfindungen, nicht auf solche, die bereit- in öffentlichen Druckschriften so genau beschrieben oder im Jnlande so offenkundig benutzt find, daß danach die Benutzung durch andere Sachverständige möglich erscheint; endlich nur auf solche neue Erfindungen, welche eine gewerbliche Verwerthung, d. h. die Erzielung eine­ fortgesetzten Gelderwerb- zulaffen. Ausgefchloffen find jedoch unter allen Umständen von der Patentirung nicht nur diejenigen Erfindungen, deren Verwerthung den Gesehen und den guten Sitten zuwiderlaufen würden, wie etwa Erfindungen zur Erleichterung der Falschmünzerei, sondern auch die Erfindungen von Nahrung--, Genuß- und Arzneimitteln sür Menschen und Thiere sowie von Stoffen, welche auf chemischem Wege hergestellt werden, d. h. sofern die Erfindung auf die Hervor­ bringung neuer Gegenstände solcher Art sich bezieht, während die Patentirung nicht ausgeschlossen ist, wenn eS sich um ein neues Herstellungsverfahren bereits bekannter derartiger Stoffe handelt; etwa dir Herstellung von SortS auf eine neue Art, die Herstelümg neuer Konfervemethoden u. dgl. 2) Berechtigt zur Patentirung ist prinzipiell nicht der Erfinder, sondern der erste Anmelder; die Frage der Erfinderschaft wird von Amtswegen gar nicht ge­ prüft, vielmehr das Patent dem ersten Anmelder selbst dann ertheilt, wenn zweifellos feststeht, daß die Erfindung von einem Anderen gemacht sei. DaS hat aber doch nur die Bedeutung, daß die Behörde die zwischen dem ersten Anmelder und dem Erfinder bestehenden rechtlichen Beziehungen im Stadium der Patent­ ertheilung unerörtert läßt ; das Patent ist trotzdem eine Belohnung für den Er­ finder als solchen, der nicht blos gegen eine wider seinen SBitten erfolgte Anmel­ dung Einspruch erheben, sondern auch die Nichtigkeit deS wegm versäumten Ein­ spruchs ertheilten Patents beantragen kann. Inländer und Ausländer stehen fich dabei vollkommen gleich, so daß ein Deutscher für eine ausländische, ein Aus­ länder für eine Deutsche Erfindung ein Patent erlangen kann. Dagegen kennt daS Patentgesetz Einführungspatente in dem Sinne, daß ein Inländer berechtigt wäre, für eine ausländische Erfindung fich im Jnlande lediglich aus dem Grunde patentiren zu lasten, weil er zuerst die Erfindung im Jnlande angrwendet hat, nicht. 3) Die Ertheilung der Patente erfolgt durch daS Reichspatentamt, welches aus einem Vorsitzenden, aus ständigen und auS nicht ständigen Mitgliedern besteht. Diese werden sämmtlich vom Kaiser, die ständigen auf Vorschlag deS Bundesraths und aus Lebenszeit, oder wenn sie das Amt als Nebenamt führen, für die Dauer deS Hauptamts ernannt, sie müssen theilweise die Befähigung zum Richteramt oder zum hohen Verwaltungsdienst haben; die Emennung der nichtständigen Mitglieder, die nothwendig Techniker sein müsten, erfolgt dagegen ohne Vorschlag des Bundesraths und nur auf fünf Jahre. Alle diese Miglieder unterliegen, vorbehaltlich einiger zu Gunsten der nichtständigen Mitglieder gemachten Aus­ nahmen, dem Reichsbeamtengesehe vom 31. März 1873. Plenarversammlungen sämmtlicher Mitglieder werden nur zum Zwecke von Berathungen im Jntereffe einer gleichmäßigen Geschäftsbehandlung gehalten. Die eigentliche Geschäftsführung liegt bei den Abtheilungen, die auS 3—5 Mitgliedern (darunter mindestens ein ständiges Mitglied) bestehen, von denen die beiden ersten für mechanische, dir dritte und vierte für chemische, die fünfte und sechste für Gegenstände, welche gleichzeitig daS Gebiet der mechanischen und chemischen Technik berühren, kompetent ist, während die siebente Abtheilung, der nothwendig der Vorsitzende angehört, über die Nichtigkeits­ erklärungen und Zurücknahmen von Patenten zu entscheiden hat. 4) Wie früher in Preußen und in den meisten übrigen Deutschen Ländern, wie in England und in den Vereinigten Staaten, ist das sog. DorprüfungSverfahren maßgebend, welches die Patentertheilung von dem vorherigen Nachweis der Neuheit

Erfindung-patente.

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der Erfindung abhängig macht, durch die Patentertheilung aber die Schutzfrage definitiv mit Ausschluß eines späteren Prozeßverfahrens zum Abschluß bringt» in der Weise, daß die Binnen Frist nicht angemeldeten Ansprüche als prätludirt er­ scheinen. Den Gegensatz bildet das sog. Anmeldeverfahren, welche- in Frankreich, den meisten übrigen romanischen Ländern und neuerdings in Oesterreich gilt und in der Hauptsache darauf beruht, daß einem Jeden lediglich auf Grund seiner An­ meldung ein Patent ertheilt und der nachherigen richterlichen Beurtheilung überlassen wird, ob der Patentirte wirklich ein ausschließliches Nutzungsrecht in An­ spruch nehmen könne; ein System also, welches zwar für die Behörde sehr bequem ist, aber den doppelten Nachtheil hat, daß eine Menge von nutzlosen Patenten ertheilt werden und daß jeder Patentinhaber jederzeit genöthigt werden kann, zu klagen, resp, fich aus eine Klage einzulaffm. Im Gegensatz zu dem bisherig« Preußischen Verfahren ist jedoch an Stelle der Untersuchungsmaxime, wobei die Behöbe gleichzeitig Richter und Opponent war, die VerhandluagSmaxime getreten, welche Parteien konsti» tuirt, die unter Umständen kontradiktorisch mit einander verhandeln. Das Berfahren gestaltet fich danach im Wesentlichen folgendermaßen. ES erfolgt zunächst die schriftliche Anmeldung der Erfindung nebst den dazu gehörigen Anlagen (Mo­ dellen tc.), die Prüfung der formellen Vollständigkeit durch daS Patentamt, nöthigenfalls die Anordnung der Vervollständigung, endlich die materielle Vorprüfung, ob überhaupt eine Erfindung vorliege, diese neu sei rc. ES findet sodann daS sog. AufgebotSversahren statt, d. h. die öffentliche Bekanntmachung der Anmeldung durch den Reichsanzeiger unter Angabe deS Namens deS Patentsuchers und des wesentlichen Inhalts deS Antrags (während das vollständige Gesuch nebst den An­ lagen für Jeden im Patentamt offen liegt, eine Einsichtnahme, welche jedoch nach der Bekanntmachung deS Patentamts vom 13. Novbr. 1877 nur soweit reicht, als sie für die Erhebung und Begründung eines Einspruchs erforderlich ist und welche nicht zur Entnahme vollständiger Kopien der Beschreibungen und Zeichnungen be­ rechtigt, da durch deren Veröffentlichung der Patentsucher mit seiner etwa beabfichtigten Patentirung im Ausland« benachtheiligt werden könnte), mit der Wirkung eines vorläufigen Schutzes und deS Beginns einer achtwöchentlichen Frist zur Er­ hebung von Einsprüchen gegen die definitive Ertheilung deS Patents. Diese letztere erfolgt, nöthigenfallS auf Grund kontradiktorischer Verhandlung, durch Bekannt­ machung im Reichsanzeiger und Ausfertigung der Patenturkunde. Im Falle der Versagung findet gleichfalls eine Bekanntmachung im Reichsanzeiger statt, welche zur Folge hat, daß die Wirkungen deS einstweiligen Schutzes als nicht eingetreten gelten. Gegen den Beschluß ist eine Beschwerde der Parteien zulässig, die von einer anderen Abtheilung, und zwar regelmäßig von derjenigen, welche für das­ selbe Gebiet der Technik zuständig ist, entschieden wird, doch kann der Vorsitzende bestimmen, daß neben der hiernach kompetenten Abtheilung auch noch eine oder mehrere andere Abtheilungen bei der Beschlußsaffung in der Beschwerde-Instanz mitwirken sollen. Diese Entscheidung ist endgültig, eine Beschreitung deS Rechts­ weges findet nicht statt. Dieser Geschäftsgang ist allerdings zeitraubend, und eS ist vorgekommen, daß gleichzeitig von hier aus in Deutschland und in dm Ber­ einigten Staaten nachgesuchte Patente an letzterer Stelle früher ertheilt und in die Hände des Deutschen Patentsuchers gelangt find; eS erklärt fich das aber einfach dadurch, daß die Vereinigten Staaten keine achtwöchentliche, überhaupt keine AuSlegungSfrist kennen, und daß also die Amerikanischen Patente, da die Postverbin­ dung hin und zurück etwa nur vier Wochen erfordert, nothwmdig einen Vorsprung von vier Wochen haben müffen. Zudem ist die Prüfung bet unS eine zweimalige, formelle und materielle, in Amerika eine einmalige. 5) Im Interesse möglichster Oeffentlichkeit wird bei dem Patentamte eine „Patentrolle" geführt, welche dm Gegmstand und die Dauer der ertheilten Patente, den Namen und Wohnort der, Patentinhaber und alles auf die Patente Bezügliche

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Erfiuduag-pateute.

(Zurücknahme, Aenderungen der Person des Inhabers) enthüll. Die Einsicht in dieselbe sowie die Kenntnißnahme der Beschreibungen, Modelle rc. steht Jedem srei. Weitergehende Bedürfuiffe werden noch dadurch befriedigt, daß in einem eigenen „Patentblatte" nicht blos die im Reich-anzeiger bereit- enthaltenen Pateatbekanntmachungen, sondern auch die sonstigen amtlichen Belanntmachungen des Patent­ amt-, die Beschlüsse und Entscheidungen desselben von allgemeinerem Interesse, die Entscheidungen der Gerichte in Pateatangelegenheiten, die wichtigen Vorgänge aus dem Gebiete de- Patentwesen- im In» und AuSlande, insbesondere die ausländi­ schen Patentgesetze, Nachrichten über literarische Erscheinungen, statistische Nach­ weisungen mitgetheilt werden.' Dabei werden die Bekanntmachungen über An­ meldung, Ertheilung, Versagung, Erlöschen, Zurücknahme, Nichtigkeitserklärung von Patenten rc. in einer besonderen „Patentliste" zusammengefaßt. Einen besonderen Theil deS Patentblattes bilden die „Patentschristen", deren sür jedes Patent eine erscheint, die dazu gehörigen Beschreibungen und Zeichnungen enthaltend. 6) In gewissen Fällen könnm Patente sür nichtig erklärt, in gewissen anderen Fällen nach drei Jahren zurückgenommen werden. Die Nichtigkeitserklärung setzt voraus, daß entweder die Erfindung nicht patentfähig war oder daß der Anmelder in Folge der Patentirung daS Recht eines Anderen, insbesondere des Erfinders, verletzt hat; sie erfolgt jedoch nur auf Antrag, bei der ersten Alternative auf den Antrag eines Jeden, auch einer Behörde, bei der zweiten nur auf Antrag deS Ver­ letzten; an eine Frist ist ein solcher Antrag nicht gebunden; auf die bona fides deS Anmelders kommt Nichts an, die Nichtigkeitserklärung hat insofern rückwirkende Kraft, als die Verhältnisse in den Zustand versetzt werden, in welchem fie sich be­ finden würden, wenn ein Patent nicht ertheilt wäre. Die Rücknahme von Patenten nach drei Jahren tritt gleichfalls in zwei Fällen ein, wenn entweder der Patentirte unterlassen hat, die Erfindung in angemessenem Umfange im Jnlande zur Aus­ führung zu bringen (ei könnten sonst ganze Deutsche Industriezweige dadurch ruinirt werden, daß etwa ein Ausländer sich in Deutschland ein Patent ertheilen läßt, die Erfindung aber nur im AuSlande auSbeutet) oder wenn der Patentirte sich wei­ gert, die Erlaubniß zur Benutzung der Erfindung an Andere gegen angemessene Vergütung und genügende Sicherheit zu ertheilen. Diese sog. Lizenzerteilung ist aber nicht sowol im Privatintereffe der Konkurrenten als vielmehr im öffent­ lichen Interesse eingeführt worden, so daß also insoweit, aber auch nur insoweit als die Gefahr einer dem Gemeinwohl nachtheiligen Monopolisirung obwalten würde, ein sog. Lizenzzwang besteht. Die Zurücknahme der Patente hat nur die­ selbe Wirkung, wie daS Erlöschen derselben, so daß derselben keine rückwirkende Kraft beiwohnt und die bis zum Zeitpunkt der Zurücknahme stattgefundenen Patent­ verletzungen auch noch nach der Rücknahme verfolgt werden können. Die Entscheidung über die Nichtigkeitserklärung und Zurücknahme von Pa­ tenten erfolgt durch die siebente, sog. gerichtliche Abtheilung deS Patentamts, welche die eigentliche Entscheidung unter Mitwirkung von fünf Mitgliedern fällt, von denen zwei die Richter- oder Verwaltungsbefähigung besitzen, die übrigen Techniker fein müssen. Da eS hier fich um die Aufhebung von Vermögensrechten handelt, so ist auch das Verfahren strenger geregelt, als bei der Ertheilung der Patente, gestaltet fich aber wieder verschieden, je nachdem der Patentirte dem Anträge widerspricht oder nicht; wenn derselbe nicht widerspricht, so liegt eS in dem Ermessen deS Patent­ amts, ob dasselbe sofort ohne mündliche Verhandlung dem Anträge gemäß erkennen will, oder ob dasselbe seine Entscheidung von vorheriger Ladung und Anhörung der Betheiligten, inSbesontkere von einer Beweiserhebung, abhängig machen will; wmn dagegen der Patentirte widerspricht, so muß die kontradiktorische Verhandlung unter allen Umständen stattfinden, und zwar eine mündliche Verhandlung, bei der jedoch die Oeffentlichkeit stets ausgeschlossen ist.

SrstiSmW-palntte.

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Beschwerden gegen solche Beschlüsse dieser Abtheilung, welche blos daS Der» sahren, die Beweisaufnahme ic. betreffen, gehen an diejenigen beiden Abtheilungen, welche über Patentgesetze auS demselben Gebiete der Technik, wie daS in Rede stehende Patent zu beschließen haben. Gegen Definitiventscheidungen der gerichtlichen Abtheilung deS Patentamts findet die Berufung an das Reichsoberhandelsgericht, jetzt Reichsgericht, statt, wo fie nach der Anorduung deS Präsidiums des Reichsgerichts vom 24. Rovbr- 1879 für daS Jahr 1880 vor dm ersten Eivilsmat gehören, dessen Verfahren sich durch ein Regulativ bestimmt, welches vou dem Gerichtshöfe mtworfen und durch kaiser­ liche Verordnung vom 1. Mai 1878, betreffend daS Berufungsverfahren beim Reichsoberhandelsgerichte in Patmtfachen, unter Zustimmung deS BundeSrathS fest­ gesetzt ist (Patentges. § 32; EinfühmngSges. zur RCPO. § 13). 7) DaS ertheilte Patmt bewirkt daS Verbot der gewerbSmäßigm Herstellung deS patentirten SegmstandeS im Jnlande. Demgemäß erscheint trotz der Patentirung vollständig erlaubt, zunächst die gewerbsmäßige Herstellung deS patmtirtm SegmstandeS im AuSlande, denn so sehr auch die neuerm Handelsverträge in ähn­ licher Weise, wie früher der Zollverein die Bedeutung der 6. beeinträchtigt haben, so fehlt er doch an intemationalm Bestimmungm hinsichtlich deS Patentschutzes fast gänzlich; die nmerm Handelsverträge mthaltm allerdings ziemlich überein­ stimmend den Gmndfatz, daß die Unterthanen der vertragmdm Theile in Bezug auf Handel und Gewerbe aller Vorrechte, Befugnisse und sonstigen Begünstigungen irgend welcher Art sich erfrmen sollen, welche die Inländer jetzt oder künftig ge­ nießen, und eS folgt daraus, daß die betreffmden Ausländer gleich den Inländern von der nationalen Patentgesetzgebung Nutzm ziehen können; dagegen ist die Idee eines gemeinsamen intemationalm Patentrechts (analog dem intemationalm Schutz deS literarisch-artistischen Eigenthums) nur in dem Handelsvertrag« mit Oesterreich vom 11. April 1865 (Art. 18) angedeutet, indem die vertragenden Theile Überein­ kommen, gemeinschaftlich dahin zu wirken, daß durch Annahme gleichförmiger Grundsätze die Gewerbsamkeit befördert und der Befugniß der Unterthanen deS «inen Theils, in dem andem Arbeit und Erwerb zu suchen, möglichst freier Spiel­ raum gewährt werde, was dann in dem Deutsch-österreichischen Handelsverträge vom 18. Dezbr. 1878 (Art. 20) resp, im Schlußprotokoll dahin erweitert ist, daß die Angehörigen der beiden Staatm gegenseitig denselben Schutz wie die Einheimi­ schen genießen sollen (darüber besonders (Jacobi) Bericht Über das kaif. Patent­ amt, Berlin 1879, S. 3 ff.). 68 erscheint ferner trotz der Patentimng vollständig erlaubt, die nicht gewerbsmäßige Herstellung des patentirten Gegenstandes im Jn­ lande, insbesondere die Herstellung von Einzelkopien für den Privatgebrauch. Und eS ist endlich auch die Anwendung und der Gebrauch des patmtirtm GegmstandeS im Allgemeinen statthaft, fosem nicht ein Verfahren, eine Maschine oder sonstige BetrirbSvorrichtung, ein Werkzeug oder ein sonstiges ArbeitSgeräth den Gegenstand der Erfindung bildet. UebrigenS tritt die Wirkung deS Patentschutzes dann überhaupt nicht ein, wenn die Erfindung nach Bestimmung deS Reichskanzlers für das Heer oder für die Flotte oder im Jntereffe der öffentlichen Wohlfahrt benutzt werdm soll, vor­ behaltlich der vollständigen Entschädigung, die im Rechtswege festgesetzt wird. Eine Bezeichnung der patmtirtm Gegenstände als solche ist nicht vorgeschrieben; daS Patentamt hat jedoch durch Bekanntmachung vom 9. Oktbr. 1879 den Patentinhabern die Bezeichnung „Deutsches Reich. Patent." oder „D. R. P.“, unter Beifügung des Datums, mit welchem die Patentdauer begonnen hat, em­ pfohlen, entweder auf den Gegenständen selbst oder auf der Umhüllung. 8) Die Patmtdauer ist gesetzlich eine fünfzehnjährige, deren Lauf bereits mit dem auf die Anmeldung folgenden Tage beginnt, obgleich der Schutz erst mit dem sog. AufgebotSverfahrm beginnt. Die feste Dauer deS Patentschutzes ist aber nur ». H - l tz - n d »r f f, Citc. n. RcchtSIexikon I. 8. A-fl.

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ErsindunGspnteMe.

I eine scheinbare, da für jede» Patent außer der ErtheilungSgebühr von 30 Mark mit Beginn bei zweiten und jeden folgenden Jahrei der Dauer eine Gebühr ent­ richtet werden muß, welche dai erste Jahr 50 Mark beträgt, und weiterhin jedei Jahr um 50 Mark steigt, und da dai Patent erlischt, wenn die Gebühren nicht

spätestens 3 Monate nach der Fälligkeit gezahlt find, so daß ei also jeder Patentirte in der Hand hat, die Dauer bei Schutzei innerhalb der 15 Jahre zu be­ stimmen. Bloße Zufatzpatente zu bereits ertheilten Patenten unterliegen dm jähr­ lichen Gebühren nicht, erreichen aber mit dem Hauptpatente ihr Ende, so daß es vielleicht Vortheilhafter ist, statt des Zusatzpatentes ein selbständiges Patmt mit der fünszehnjährigen Dauer zu nehmm. Im Falle der Bedürftigkeit können die Gebühren für die beiden ersten Jahre gestundet werden, so daß das Patent erlischt, wenn nicht zu Anfang des dritten Jahre- die rückständigen und die fälligen Ge­ bühren zusammen entrichtet werden. 9) Zuwiderhandlungen haben ebenfowol eine Ersatzverbindlichkeit als eine Bestrafung zu Folge; beides aber nur dann, wenn der Thäter wiffentlich wider­ rechtlich gehandelt hat, so daß Jedermann mit der allergrößten Fahrläsfigkeit einen patentirten Gegenstand nachmachen darf, von dem er bei einiger Aufmerksamkeit oder bei bloßer Einficht in die Patentrolle sich hätte überzeugen können, daß er patentirt ist. Die civilrechtliche Haftbarmachung ist außerdem durch die Schwie­ rigkeit hinfichtlich des EntfchädigungSbetragS sehr erschwert. Für solche Prozefie gilt die durch § 12 bei Gesetzes vom 12. Juni 1869 geregelte Zuständigkeit des Reichsoberhandelsgerichts, jetzt des Reichsgerichts, deffen erster Eivilsenat nach der Anordnung des Präfidiums vom 24. Novbr. 1879 kompetent ist. Eine Straf­ verfolgung findet 'nur auf Antrag stgtt, innerhalb ziemlich kurzer Verjährungsfristen, und führt höchstens zu einer Strafe von 5000 Mark oder ein Jahr Ge­

fängniß , daneben kann allerdings noch eine öffentliche Bekanntmachung der Verurtheilung und eine Konfiskation der nachgemachten Gegenstände zu Gunsten des Fiskus stattfinden (StrafGB. § 40), während eine Unbrauchbarmachung oder eine amtliche Verwahrung bis zum Ablauf der Schutzfrist unzulässig sein würde. End­ lich kann in Verbindung mit einer strasgerichtlichen Verurtheilung auf Antrag des Klägers statt der im Civilprozeß geltend zu machenden Entschädigung eine Buße

bis 10 000 Mark aufgelegt werden. Die Simulirung des Patentschutzes

wird

nach

§ 40 des Patentgesehes

als

Uebertretung bestraft. Lit.: De lege ferenda: v. Mohl, Polizeiwissenschaft, 3. Aust. 1866, Bd. II. § 164. — Wagner, Lehrbuch der politischen Oekonomie, 2. Aufl., Bd. l. (1879) S. 562 ff.— Schaffte, Die ausschlietzenden Verhältnisse ic., Tüb. Ztschr. Jahrg. 1867, S. 143 ff., 291 ff., insbes. 4öi ff.; Derselbe, System der menschlichen Wirthschaft, 3. Aufl. 1873, Bd II. S. 79 ff.— tack, Di« Ausgabe des Staats it, Tüb. Ztschr. Jahrg. 1867, S. 87 ff. — Böhmert, Tic ., Berlin 1869. — Michaelis, Zur Selbstkritik des Patentschutzes, Faucher's B.J.Schr., Jahrg. 1870, S. 100. — Siemens-Pieper, Der Erfinderschutz und die Reform der Patent­ gesetze, Dresden 1873. — Klostermann, Landgraf u. A., Die Patentfrage, sechs Preis­ schriften. — Ueber den früheren Zustand: Die Ertheilung von E. nach der Gesetzgebung des Deutschen Reichs und der Deutschen Einzelstaaten, Berlin 1874. — Klostermann, Die Patentgesetzoebung aller Länder, Berlin 1869, 2. Aufl. 1876. — Ueber das neue Reichspatentgefetz: Deffen Entstehung, Gensel in v. Holtzendorff-Brentano's Jahrbuch. I. 503. — Kommentare von Dambach, Grote, Landgraf, Gareis, Klostermann, Rosenthal. — Ueber die praktische Anwendung deffelben die Berichte des Vorfitzenden des Patentamts, Unterstaats­ sekretär Jacobi, an den Reichskanzler für die Jahre 1877 und 1878, Berlin 1878, 1879. — Systematische Darstellungen in Laband, Staatsrecht des Deutschen Reichs, Bd. II. (1878) S. 468 ff. - Thöl, H.R., 6. Aufl. 1879, Bd. I. S. 208. — Gareis, Patentgesetzoebung, Sammlung der wichtigeren Ausführungsvorschristen, 2 Bde., Berlin 1878, 1879. — Ueber die bisherige wiffenschaftliche Bearbeitung: Dahn, Das Reichspatentgesetz und seine Literatur, Krit. B.J.Schr. 91. F. Bd. I. (1878). — Kritik: Lullet, de lägisl. comparöe, 1878 p. 98 88., 187 88., 239 88. — Ueber Frankreich: Block, Dictionnaire de Padministration fran^aise, 2™ Mit. 1877 8. v. Brevet d’Invention. — Laferrifcre, Droit adm., 5">« Mit. 1860, II. p. 235 as. — Ducrocq, Droit adm., 4™« Mit. 1874, II. p. 68 as. — Ueber England: Gneist, Engl. DerwaltungSrecht, 2.Aufl. 1867, IL S. 1254. —

ErMnugSort.

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Königs, Das Patentsystem der Bereinigten Staaten, Berlin 1876. — Pomeroy, Const Law of the ü. St, 3 edit, 1875 p. 266 88. — Rüttiman«, Rordamerikanischr- Bundesstaatsrecht, Bd. II. Abth. 2, 1876 S. 195 ff. — Eine sehr umfassende juristische Monographit besonders im Anschluß an das Franz-fische und Deutsche R.; Kohler, Deutsche? Patentrecht, 1878. Ernst Meier.

ErfMmr-Aort ist bet Ort, wo bet Schuldner dem Gläubiger zu leiste« verpflichtet, bzw. Leistung wirksam anzubieten berechtigt ist. Der E. bestimmt fich bei Rechtsgeschäften regelmäßig durch die Willenserklärung selbst, sei eS, daß et einen Bestandtheil bet Leistung bildet (so z. B. wenn diese ein Grundstück betrifft), sei eS, daß über ihn ausdrücklich oder stillschweigend (1. 47 pr. v. de legat. 1) eine Nebenbestimmung getroffen ist (HGB. Art. 324, Ws. 1). DieS Letztere liegt namentlich auch dann bot, wen» die Absicht bet Parteien durch Bezugnahme aus die BerkehrSsitte zu ergänzen ist, welche je nach de» Umständen bald ein Bringe« (1. 10 § 1D. comm. 13, 6), bald ein ttebetfenben durch den Schuldner oder Hole« durch den Gläubiger vorschreibt (Jheriug, Jahrb., IV. S- 420 ff.). Eine solche Bestim­ mung ist bann für beide Theile bindend, sofern sie nicht ersichtlich blos zu Gunsten des einen oder deS andern Theils getroffen war (R e a tz, S. 15). In Gemäßheit dieser Grundsätze wurde nach Röm. R., welches nur Berurthälungen zur Zahlung am Ort bet Klage kannte, btt an einem andern als dem bestimmten'E. belangte Schuldner bei freien Klagen stets unter Hinzu- oder Abrechnung des OrtSintereffeS verurtheM, je nachdem für den Kläger oder für den Beklagten die Leistung am E. Vortheil» Hafter gewefeu wäre (1. 2 pr. 1. 7 D. de eo quod certo 13, 4). Allerdings konnten actiones stricti iuris auf eine bestimmte Summe oder Sache an einem andern, als an dem festgesetzten E. (bei Vermeidung der plus petitio) überhaupt nicht erhoben werden (1. 1 D. eod.). Indessen gab eS an ©teile solcher eine actio arbitraria de eo quod certo loco dari oportet, mit welcher der Kläger gleichwol die Berurtheilung zur Zahlung am Ort der Klage unter Berückfichtigung deS OrtS­ intereffeS erwirken konnte (1. 2 § 8 D. eod.; M. Cohn, Die sog. actio de eo quod certo loco, Berl. 1877; Brinz, Lehrb., II. § 279). Heutzutage ftnbdiese Sätze des Röm. R. dadurch geändert, daß der Mchter grundsätzlich zur Lei­ stung an dem bestimmten — wenn auch vom Klagort verschiedenen — E. bet» urtheilt. Danach kommt eS zur Berückfichtigung deS OrtSintereffe im Erkenntniß nur noch insofern, als durch Verzug oder aus anderen Gründen neben oder anstatt der ursprünglichen Schuld eine Schadenersatzpflicht entstanden ist (Wächter, Erört., II. S. 123). Mithin ist auch die actio arbitraria veraltet; nur wollen Manche wenigstens bei Geldforderungen dem Gläubiger noch ein Wahlrecht zwischen Zahlung am E. und Zahlung am Klagort mit Berechnung deS OrtSintereffe zu­ billigen (Brinz, a. a. O., A. 31; Arndts, Lehrb., § 221 Anm. e). — Fehlt eS an einer Bestimmung deS E., so ist nach der Regel deS Röm. R. der Schuldner berechtigt, an jedem nicht unpassenden Orte, wo er den Gläubiger trifft, anzubieten (1. 39 D. de sol. 46, 3), und andererseits verpflichtet, da zu leisten, wo er einen Gerichtsstand hat und vom Gläubiger beklagt wird (1. 38, 1. 50 pr. D. de iud. 5, 1; 1. 47 § 1 v. de legat. 1, in welchen Stellen freilich Brinz, § 290, A. 73, die Worte ubi petitur auch von einer blos außergerichtlichen Anforderung verstehen will). Nur bei Obligationen auf individuell bestimmte Sachen ist der E. da, ubi res est, fo lange nicht der Schuldner unredlicher Weise die Sachlage verändert, in welchem Falle er dann wieder nach der Regel, und zwar zugleich auf das OrtSintereffe, haftet (1. 38 D. de iud. 5, 1; 1. 11 § 1 D. ad exh. 10, 4; 1. 12 § 1 D. dep. 16, 3; HGB. Art. 324 a. E.). Nur eine Anwendung dieses Satzes ist eS, daß eine vermachte Sache da zu leisten ist, ubi relicta est (1. 47 pr. § 1 D. de legat. 1), und ein Universalfideikommiß da, ubi major pars hereditatis est (1. 50 pr. D. de iud. 5, 1). Auch ist es keine Abweichung, daß der Gläu­ biger die Sache, statt sie zu holen, auf eigene Gefahr und Kosten sich senden taffen 46*

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SrMnngSzett.

kann (1. 11 § 1 D. eit, 1. 47 pr. D. eit). Andere Sätze und Unterscheidungen entwickelt jedoch neuestens Schulin (s. unten), dawider vgl. Brinz, Kr. VierteljahrSscht, XXII. S. 201. — Für da» heutige Recht wird vielfach die Geltung deS KlageortS als des grundsätzlichen E. angefochten. Man hat dafür andere Regel» aufzustellen versucht auf Grund einer Unterscheidung zwischen Obligationen, welche den Bortheil deS Gläubigers, und solchen, welche de» Bortheil des Schuld­ ners bezwecken u. (so namentlich Reatz, ArndtS u. am.). Allein diese Regeln entbehrm der erforderlichen Bestimmtheit Im Ganzen genügen die Sätze deS Röm. R. bei GeschästSobligationen, sobald man nur die WillenSmeinung der Par­ teien anS Sitte unb Uebung ergänzt, wonach z. B- Schenkungen am Wohnort des Schenkers, Geldschulden aus lästigen Geschäften in der Regel am Wohnort deS Gläubigers zu erfüllen find (vgl. HGB. Art. 325). Für Deliktsschulden bietet einen Anhalt zur Bestimmung des 6. der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (EPO. § 32), für Obligationen ex lege die Interpretation des betreffenden RechtSsatzeS. Inzwischen haben neuere Gesetzgebungen noch andere Borfchriften aufgestellt. DaS HGB. giebt nebm den schon erwähnten Gesehen die allgemeine Regel, daß der Verpflichtete an dem Orte zu erfüllen hat, an welchem er zur Zeit des BertragSabschluffeS seine Handelsniederlassung eventuell seinen Wohnort hatte (Art. 324, Abs. 1). Nach Preuß. LR. § 248 Th. I. Tit. 5 ist E. im Allgemeinen der Wohnort deS Schuldners, und zwar bald derjenige der Zeit des Vertragsschluffes, bald der gegenwärtige, beim Geben aus lästigen Verträgen aber der Wohnort des Gläubigers. Doch werden diese Regeln bei einzelnen Verträgen wieder durchbrochen (vgl. Dernburg, II. § 57). Lit.: Savigny, System, V1U. § 370; OH. R J. § 49. — Reatz, Die Lehre vom f. v. 15. Febr. 1840

über Familieaschlüffe bei F., Familienstlstungen u. Lehen. Pr. «es. v. 5. März 1855, bett, die Kompetenz btt Gerichtsbehörden in Machen. Pr. «rundbuchorbn. v. 5. Mai 1872 88 52, 74. Dernbura, Pr. Priv.R. 88 874 ff. — Oesterr. B«B. §§ 618-645 unb «es v 18. Juni 1868 (Wildner, Das Kibeikommiffrecht nach bem Oesterr. B8B., 1835). — Sächf. BGB.M2527—41(Freiesleben,Die Familienauwartschast nach bem neuesten Sächf. R. 1868). — Bab. ßx. Art. 577 ca—cv. — Bayer, «bitt über F. v. 26. Mai 1818. — Weimar, «es. v 22. April 1883. — Hannov. «es. d. 13. April 1836. — Braunfchw. Gef. v. 28. März 1837. — Ueber dos Angelsichfische F. f. Brunner, Rechtsgeschichte der Römischen unb der Deutsche» Urkunde (1880) I. 190 ff. Heinrich Brunner.

Famüieuruth. Ein Consilium propinquorum, necessariornm, wird im Röm. R. in zwei Beziehungen erwähnt. Dorerst als Consilium des Hausvaters im HauSgerichte, wozu nicht nur Verwandte, sondern auch Freunde zugezogen zu werden pflegten, sowie auch, wmn über die Frau gerichtet wurde, eigene Verwandte derselben. In der zweitm, für das nutete Recht allein bedeutenden Anwendung habm die propinqui, Kognaten und Affinen, bei der Vormundschaft aus verschiedene Weise mitzuwirkm. Sie erbitten, wmn nöthig, die Emmnung eines Vormunds, welcher in der Regel auf ihrm Vorschlag und auS ihrer Mitte gewählt wird. Sv beauffichtigm im Allgemeinen die Verwaltung des Vormunds; ihnm steht das Recht und die Wicht zu, ihn im Nothfall zu mahnm, eventuell dessen Absetzung zu bkantragm. Besonders habm fie mit und sogar vor dem Vormunde über die persön­ lichen Verhältnisse des Pupillm, Aufenthalt, Erziehung, LebmSart, Handwerk, Bemf, zu bestimmm. Jnwiefem fich aber dabei von einem eigentlichen organifirtm F. richtig redm lasse, ist bestritten. Im Franz. R. dagegm steht der F. als besonderes Institut vollständig aus­ gebildet da: eine Versammlung von Verwandtm, Verschwägertm und Frmndm unter dem Vorsitze des Friedmsrichters, welcher die Vormundschaft kontrolirt, den Vormund ernennt und absetzt, bessen Geschäftsführung beaufsichtigt, ihn zu gewiffm Rechtshandlungm ermächtigt und über verschiedme Vormundschaftsgeschäfte ihre Ansicht zu äußern hat. Es ist eine deliberirende Versammlung, keine administrative oder richterliche Behörde, kein permanenter Körper, keine Instanz; der F. wird für jeden speziellen Berufungsfall eigens gebildet. Der Code Nap. art. 409—416 und der C. de proc. art. 882—889 enthalten ausführliche Vorschriften über Zusammmsetzung, Berufung, Versammlungsort, Gutachten und Beschlüsse des F. Wmn auch im Gesetze nichts bestimmt ist, find doch ohne Zweifel die Mitglieder für dolus und culpa lata verantwortlich. — Die Preußische Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875, § 70—80, hat dieses in dm Ländern des Franz. R. für sehr werthvoll gehaltme Institut ausgenommen, jedoch nur fakultativ, wenn es Vater oder Mutter so an­ geordnet, oder wmn drei Verwandte oder Verschwägerte deS Pupillen, oder der Vormund und Gegmvormund es sordem. Vater und Mutter könnm die Bildung deS F. untersagen. Die Zahl der Mitglieder ist höchstens sechs. Den Vorsitz führt der Richter. Die Verpflichtung der Mitglieder geschieht durch Handschlag an Eides­ statt. Der F. hat Rechte und Wichtm deS Vormundschaftsgerichts. Lit.: Schenk, Der F, 1863; Derselbe, Die Magistratur im Franz. Bormunbfchastsrecht, 1864. Rivier.

Familienschluß, d. h. der unter Leitung und Gmehmigung des Gerichts zu Stande gelommene Beschluß über die Verändemng der Stiftungsurkunden bei Familimstiftungm, Familimfideikommiffen und Lehm, über die Veräußemng der die letzterm bildmden Objekte und über die totale Aufhebung der Stiftung oder

des Fideitommiffes seitens der zur berechtigtm Familie gehörigen Mitglieder. Der F. bildet ein Mittel, die erwähntm Verhältnisse, welche ihre Regelung ein sür alle­ mal durch den Stifter empsangen und welche sich nach strengem Recht der Einwirkung der einzelnm Familienglieder mtziehea, dem Wechsel der Zeiten und dem veränderten Interesse der Familie gemäß umzugestaltm und bei Unmöglichkeit der Ersüllung des beabsichtigten Zweckes ganz zu beseitigen. Der Ausdruck F. ist der Preußischen Rechtssprache eigenthümlich. Er kommt in dm die hier in Rede stehendm Institute regelndm Borschristm des Prmß. LR. (Th. II. Tit. 4 Abschnitt 1 u. 3) und dem in Anschluß daran ergangmen „Gesetz vom 15. Febr. 1840 über Familienschlüffe bei Familimfideikommiffm, Familienstiftungen und Lehm" vor, welches auch daVerfahrm bei der Ermittlung der berechtigtm Interessenten, die Aufgebote und Borladungm derselbm und Achnliches näher regelt. Mit der Grundauffaffung des Prmß. R., welches die Familie — allerdings nicht berechtigter Weise — als juristische Person denkt und ihr an dm Familimstistungsgütem das Eigmthum, an dm Familimfideikommiffm das Ober-Eigmchum zuschreibt, stehm diese Bestimnmngm in vollkommmer Harmonie, da sie die Mittel und Wege angeb en, wie das verfügungs­ berechtigte Subjekt im gegebmm Fall feinm Willm erklärt. Die nmerm Gesetze anderer Staatm laffm zwar auch derartige Berfügungm, nammtlich in Betreff der Fideikommiffe, unter Konsms der fämmllichm Anwärter und mitunter der weiter erforderlichm Gmehmigung des Landesherm, resp, des Gerichts zu (Oesterreich, Sachsen, Braunschweig, Großherzogthum Heffm, Baden, s. Lewis, Das Recht des Familienfideikommisses, Berlin 1868, S. 286, 456), aber keines geht davon aus, daß fich in dm diessallfigen Erklärungm der einzelnm Anwärter der Wille der ganzen Familie manifestire und keins kmnt daher ein aus Zusammmberufung Aller zu einem Termin gerichtetes Berfahren mit Prällusion des Widcrspruchsrechtes der AuSbleibmden. P. HinschiuS.

Fmnllierrstimd, Civilstandsregister. „Geburt, Ehe und Tod, in­ dem sie das Einzellebm begründen, ändern oder enden, begründm, ändem Und mdm damit auch die ganze Summe von rechtlichm Berhältniffen, welche da­ rechtliche Lebm der Persönlichkeit bilden." Auf diesem Gesichtspunkt beruht eine Reihe öffenllicher Einrichtungm, welche, mit dm Kirchenbüchern beginnmd, in drei Entwicklungsstufm zu dem Civilstandsregisterwesen geführt habm. Die Eintragung von Taufen, Eheschließungen und Sterbefällm in schriftliche Verzeichnisse der Ortspfarreim muß in den späterm Jahrhunderten des Mittelaltereine ziemlich weit verbreitete Sitte gewesen sein; denn sie wird in dem Zeitalter der Reformation zum Gegenstand allgemeiner Anordnungen, welche sie als bekannt voraussetzen. Es lag zunächst im Geist und Jntereffe der kirchlichen Verwaltung selbst, eine urkundliche Notiz über die wichtigstm Amtsakte der Pfarrgeistlichkeit aufzunehmen. Frühzeitig muß aber auch das Jntereffe der Bevölkerung zu Zweckm des Beweises der Verwandtschaft, des Erbrechts und anderer bürgerlichm Verhältniffe eine solche Einrichtung befördert habm. Die Kirche allein besaß int Mittelalter das nöthige Personal, um Bmrkundungm derart mit einiger Regelmäßigkeit und Gleichmäßigkeit in ihren Ortsämtern durchzuführm. Taufen, Eheschließungen und feierliche Begräbniffe gehörten an fich so ausschließlich zur Kompetenz der kirchlichen Behörden, daß vor den Zeitm der Reformation Einrichtungen dieser Art kein Gegenstand weltlicher Gesetzgebung werdm tonnten. Für die römisch-katholische Kirche erließ später das Tridentiner Konzil sess. XXIV. c. 1. 2 allgemeine Vor­ schriften über die sorgfältige Eintragung bet- Eheschließungen und der Taufen in ein dafür geordnetes Buch. In England erging unter Heinrich VIII. (1588) nicht eine Parlamentsacte, sondem eine königliche Verordnung über die Führung von Kirchenbüchem und im weiterm Verlauf der Englischm Reformation wurden die genaueren Borschristm den Anordnungm des Kirchmregimmts überlassen. Ein Versuch

798 der Englischen Republik zur Einführung polizeilicher Standesregister (anno 1658) blieb ohne Folgen. Auch in Deutschland hat die Reformation die ältere Grund­ austastung der Kirchmbücher als einer rein kirchlichm Einrichtung noch nicht geändert. Eine zweite Entwicklungsstufe kann als die Führung der Kirchen­ bücher unter gefetzlicher Normativbestimmung bezeichnet werden. Sie beginnt verhältnißmäßig stdth in Frankreich mit dm Ordonnances Villers Coteret von 1539 und späteren königlichen Verordnungen, denm freilich eine genügmde Kontrole der Ausführung fehlte, so daß der Ausbruch der Revolution später einm nichts wmiger als musterhastm Zustand vorfand. In England ergingen feit Wilhelm III. und unter Georg III. verschiedene Statuten, welche Taufm, Trauungen und Beerdigungm mit einer Stempelabgabe belegm und nur zu diesem Zweck einer staatlichen Kontrole unterwerfen. Erst im Jahr 1812 wurde durch Sir Rose’s Statute 52. Geo. III. c. 146 eine ausführliche Ordnung für die Führung und Auf­ bewahrung der Kirchmbücher und die Zusammmstellung von Gesammtverzeichnistm bei der bischöflichm Behörde vorgeschriebm. Die Ausführung ist indeffm wegen Mangels staatlicher Kontrole überaus unzuverlässig geblieben. In Deutschland konnte nach Lage der staatlichen Berhältniffe nur eine partikulare Einwirkung der weltlichm Obrigkeit eintretm. Wir finden nach dem Reformationszeitalter zunächst in den Städten das Bestreben, unter Einwirkung des Raths den Geburts- und Todtmregistem eine geregeltere Gestalt zu gebm, unverkennbar in Folge des stärkeren Bedürfnisses beweisender Urkundm für das Gemeindebürgerrecht und für die städti­ schen Erbverhältnisse. Die eigentliche Territorialgesehgebung beginnt aber erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Vom Standpunkt des Wohlfahrts­ staats aus und im Jntereffe der Feststellung der Bevölkerungszahl wird eine Ver­ pflichtung zur regelmäßigm Führung solcher Register für alle Konfeffionm aus­ gesprochen, deren Inhalt näher vorgeschrieben und eine staatliche Oberaufsicht über die Führung derselben eingeführt. Ein Muster dieser Gesetzgebung bietet Oester­ reich in dem Dekret vom 10. Mai 1774 und in dem Patent vom 20. Febr. 1784. Die Register (Matrikm) werden bei Katholiken wie bei anderen Konfesfionm von den Geistlichen geführt, unter Aufsicht geistlicher Behörden. Das Gesetz schreibt aber die Rubriken und die Art und Weise der Eintragung nach gleichen Formularen vor, welche als foliirte und besiegelte Kirchenbücher von der weltlichen Bezirks­ behörde den Geistlichen ausgehändigt werden. Die weltliche Oberbehörde beansprucht ein Recht der Kenntnißnahme und Kontrole über die gesetzmäßige Eintragung. Durch die spätere Gesetzgebung ist auch die Anfertigung von Abschriften und das Formular der Jahrestabellen und Summarien näher bestimmt. Die Preuß. Gesetzgebung giebt nur unvollständige Normativbestimmungen, beschränkt auf die vom Staate ancrfannten Konfessionen, deren Kirchenbücher allein den öffentlichen Glauben zu beanspruchen haben. Für die Dissidenten führt erst das Patent vom 30. März 1847 eine gerichtliche Beglaubigung der Register ein, für die Juden die Verordnung vom 23. Juli 1847 eine gerichtliche Führung der Register. In der Rheinprovinz blieb die Franz. Gesetzgebung über diese Materie in Kraft. Unverkennbar war es das Widerstreben gegen Einführung der Civilehe, welches die Mehrzahl der Deutschen Gesetzgebungen auf diesem halben Wege stehen bleiben ließ. Die dritte Entwicklungsstufe, die Einführung vollständiger, überall gleicher Civilstandsregister unter alleiniger Autorität der Staatsgewalt, beginnt seit 1791 in Frankreich. Es war ein Nothstand, der völlige Umsturz der historischen Kirchenverfaffung, welcher in dem Gesetz vom 20. Septbr. 1791, — später erweitert in dem Gesetz vom 28. Pluviose an VIII., — durchgreifend die Führung der Standesregister den Gemeindevorständen übertrug. Der Maire führt solche im Staatsauftrag als officier de l’ötat civil. Die Eintragung ist obligatorisch unter strengen Strafbestimmungen für unterlaffene Anzeige und unrichtige Eintragung. Sie gilt nicht mehr als Beglaubigung eines kirchlichen Akts, sondern als selbst-

ständiger Rechtsakt mit Urkundszeugen, unter alleiniger Autorität der Staats­ gewalt, dessen Borbedingungm, Formen und Wirkungm einm normalen Bestandcheil des bürgerlichen Gesetzbuchs darstellen. Jedermann hat da- Recht, Auszüge aus dem Register zu verlangen. Die Anfertigung der JahrrStabellen, der 10jährigen Tabellen, sowie daS Verfahren bei Wiederherstellung verloren gegangener Register ist durch die spätere Gesetzgebung näher geordnet. Der Ausdruck „Civilstand" und „Standesregister" ist mit Nachdruck gewählt, um ihre völlige Ablösung von der kirchlichen Autorität und Verwaltung auszusprechen. In Verbindung damit ist gesetzt die Behandlung der Ehe als eine- familienrechllichen Vertrages, welcher aus­ schließlich durch die Mitwirkung der CivilstandSbeamtm und durch die Formm des bürgerlichen Gesetze- seine rechlliche Wirksamkeit erlangt. So gewaltsam der lieber­ gang in dies neue System gemacht war, so hat sich doch die Bevölkemng mit den neuen Einrichtungen bald befreundet. Ohne ernstliche Anfechtung dauerte dasselbe nicht nur in Fraickreich fort, sondem wurde auch in vielm Landescheilm nach Aufhebung der Französischen Fremdherrschaft beibehalten. RmerdingS ist eS in allen wesentlichen Grundsätzm auch in Italien eingeführt durch Gesetz vom 20. März 1865. Von ganz anderer Seite her erhielt die Civilstandsgesetzgebung eine Erweiterung durch ihre Annahme in England. Die Normativbestrmmnngen des Gesetzes von 1812 über die Führung der Kirchmbücher hatten sich so unwirksam erwiesen, daß die Sicherheit des bürgerlichen Rechtsverkehrs gebieterisch eine durchgreifende Aenderung in dem Sinne herbeifühtte, „daß eine Nationalanstalt zur Beurkundung der Geburten, Heirathm und Sterbefälle unabhängig von kirchlichen Einrichtungen und von der Verschiedenheit der Glaubensbekmntnifse zu gründen sei". Dem ent« sprechend ergehen die Gesetze 6 and 7 Will. IV. c. 85. 86 über die Heirathsregister und Eheschließungen, über GeburtS- und Todtenregister, — weiter ausgeführt durch 1 Vict. c. 22, — ergänzt durch 27 and 28 Vict c. 97 über die Begräbnißregister. Dii spätere Gesetzgebung hat die neuen Einrichtungen auch auf Schottland und Ir­ land ausgedehnt. Eigenthümlich ist hier die Bildung eines Centralregisteramts, die Durchführung des Systems im Anschluß an die neuen KreiS-Arrnenverbände und an das Personal der Kommunal-Armmverwaltung, sowie die Beibehaltung einer alternativen Eheschließung vor dem Geistlichen oder vor dem CivilstandSbeamtm, unter übrigms gleicher Registerführung und Konttole für alle Formm der Ehe­ schließung. Die Kirchmbücher dauern danebm fort als Beurknndungm des kirchlichm Akts der Taufe und des Begräbnisses. Der wesentlich gleiche Gang dieser Gesetzgebung unter sehr verschiedmm historifchm und nationalen Verhältnissen enthält einen Fingerzeig auf den AuSgang, zu welchem die Gesetzgebung gelangen muß. Es ist einerseits die Vermehrung, die rasche Bewegung einer freizügigen Bevölkerung und die Mannigfaltigkeit der recht­ lichen Beziehungen der mobemen Erwerbsgesellschaft, welche eine sichere Fest­ stellung der Statusverhältnisse unter öffentlicher Autorität erfordert. Diese Art der Feststellung wird zu einer wesmtlichm Bedingung für Ordnung und Sicherheit des Veickehrslebens. ES ist andererseits die Spaltung der religiösen Bekennt­

nisse, welche nach Anerkmnung einer vollen Freiheit des Kultus die Verbindung dieses RegisterwesmS mit den einzelnen Konfessionen fortschreitmd erschwett, bei einer Zersplitterung in kleinere Gruppen und Sekten praktisch unausführbar macht und nammtlich im Eherecht zu unlösbaren Konflikten zwischen Kirche und Staat führt. Es ist schließlich der unüberwindliche Zug zur bürgerlichen Rechtsgleichheit, welcher die Civilstandsregister durch die ganze europäische Gesellschaft hindurchführm wird. Die Gleichheit der Borbedingungm der Familien- und Statusrechte erfordert auch die Gleichheit der Organe und Formen ihrer Konstatirnng. Einrichtungen der Art können folgeweise nur von der einheitlichen Staatsgewalt auSgehm, nur durch verantwortliche Organe des Staats mit gleichen Rechten und gleichm Verpflichtungen für Alle gehandhabt werden.

Unter Ueberwindung großer Schwierigkeit«, welche sich aus der verschieden« Gestaltung der Verhältnisse in dm einzeln« Deutschen Territorim ergeb«, ist nunmehr auch das nme Deutsche Reich zu einer einheitlich« Gestaltung der Eivilftandsregister gelangt in dem Dmtschm „ReichSgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung" vom 6. Febr. 1875 (f. d. Art. Standesregister). Bit: 8. v. Stein, Die Lehre von der inneren Verwaltung, Stuttg. 1866, 6.229—245.— v. Daniels, Die EivllstaudS-Gsgb. für England und Wale», Bert. 1851. — P. Hinschtu», DaS «eichSgesetz v. S. Febr. 1875, 2. «ufL, Berlin 1876. Gneist.

FamUieirstiftims.d. h. die Mdmung eines bestimmt« Vermögens zum dauernden Vortheile der einzeln«, nach einander zur Existenz kommend« Mitglieder einer gewiss« Familie oder einzelner Angehörig« derselbm, mag blos eine fortwährende Erhaltung des Werths der für dm Stiftungszweck ausgesetzt« Vermögmsstücke oder die Konservirung der Substanz der letzter« (also z. B. eines StiftungsGrundstücks) selbst vorgeschrieb« sein. (Aussetzung bestimmter Hebung« für alle gleichzeitig lebmd« oder nur für arme Familimglieder, gewisser Summ« zur Ausstattung der weiblich« Mitglieder bei ihrer Berheirathung, zu Stipendien für ftudirende Söhne find Fälle der hier in Rede stehenden Stiftung.) Die gemein­ rechtliche Doktrin wmdet auf die F. die für die Stiftung überhaupt mtwickelten, freilich im Einzeln« sehr bestritt«« Grundsätze an und faßt demgemäß die F. bald als eine juristische Person, bald als ein subjektloses sog. Zweckvermögen, indem fie dm Mitgliedem wegen der ihnen nach dem Will« des Stifters zukommenden Ansprüche einen obligatorisch« Anspruch gegen die die Stiftung repräsentirenden Personen beilegt. Von dem Familienfideikommiß unterscheidet sich die F. dadurch, daß hier die Berufenen selbst die successiv« Eigenthümer der ausgesetzt« Güter find, das Recht derselben also ein dingliches, wenngleich ein eigenthümliches und besonders qualifizirtes Recht ist. Da indessen der Stifter bei der Anordnung einer F. gewisse Objekte ebenfalls für unveräußerlich erklär« kann, so weist die Praxis oft Stiftungs­ urkunden auf, welche es weg« mangelnder Präzision in ihrer Fassung zweifelhaft lassen, ob eine F. oder ein Familienfideikommiß gewollt ist. Für die Interpretation solcher Urkunden ist namentlich sestzuhalten, daß das FaMilimfideikommiß da seine naturgemäße Anwendung hat, wo nur bestimmte Familienglieder nach einer festen Ordnung unter all« Umständen bedacht werden sollen, die F. da, wo nur gelegmtlich bei bestimmter Qualifikation (z. B. vorhandmer Armuth) oder beim Eintritt gewisser Ereignisse (z. B. Berheirathung, Wahl der gelehrten Berufsart und Beginn der Universitätsstudien) eine Berechtigung entstehen soll, kurz da, wo von vomherein nach dem beabsichtigten Zweck die Anordnung einer festen Successionsordnung nicht möglich erscheint. Von den modemen Civilgesetzbüchem hat allein das Preuß. LR. die F. in ausführlicher Weise behandelt (Th. II. Tit. 4 §§ 1 ff., §§ 21—46). Daffelbe faßt die Familie, als juristische Person gedacht, als Eigenthümerin des Stiftungsvermögms auf (eine Ansicht, welche fteilich in der Praxis des höchst« Gerichtshofes nicht rezipirt und auch sonst bestritt« ist). Zur Errichtung ist eine schriftliche Urkunde erforderlich, welche der Stifter, resp, bei lehtwilliger Anordnung das von diesem dazu bestimmte Organ, eventuell der Smior der Familie bei Gericht verlautbaren muß. Nach der Prüfung und Bestätigung seitens des Letzteren, wobei lediglich die Legalität des Aktes an und für sich, sowie die Fassung der Ur­ kunde in Betracht zu zieh« ist, kommt die Stiftung zur vollen rechtlichen Existenz in der Weife, daß selbst der Stifter seine eigme Schöpfung nicht mehr einseitig widermsm kann und das Eigmthum der zur Stiftung gehörig« Vermögensstücke ohne Weiteres auf dieselbe übergegangm ist. Die Verwaltung der Stiftung ist nach Maßgabe der in der Stiftungsurkunde enthaltenen Anweisungen des Stiftes zu führ«. Wichtige Maßnahmen und sogar die Abänderung oder auch die Auf-

gtttarätf — Kttftststmb.

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Hebung der Stiftung könnm unter Bechelligung aller FamiliemnitgliÄer auf dem Wege des fog. Familienschluffes (f. diesen Art.) getroffen werdm. Lit.: Pfeifer, Die Lehre von den juristischen Personen, 1847, S. 122 ff. — Roth in Gerber und Iheriug, Zahrbb. L 189 ff. — Gerber, ebenda II. 351. — P. HiuschiuS, Preutz. Anwalts-Ztg., Zahrg. V. (1866), S. 17, 113, 385, 400, 417, 449 ff. P. HiuschiuS.

8arf es bei serv. pr. urb. einer libertatis usucapio, d. h. eines BefitzeS am dimenden Grundstück in servitutstceiem Zustande (L 6, 7, 82 pr. v. de 8. P. U. 8, 2; 1. 18 C. de serv. 8, 84). Da nun diese Verschiedenheit nur dann einen Sinn hat, wenn man fie mit dem In­ halt der Servituten in Verbindung fetzt, so find die serv. pr. urb. hier a pottori zu verstehen, als Servituten des meist bei Gebäuden vorkommenden Inhalts, der in dem R«ht auf einen dauernden Zustand der herrschenden oder dimenden Sache besteht (also hier allerdings = serv. habendi oder prohibendi). Jedoch wird der Nicht» gebrauch der anderm, nur das Recht zu einzelnm Akten enthaltenden Servitutm durch jede gleichviel von wem vorgmommme Ausübung derselbm unterbrochm (1. 5, 6 pr., 20—24 v. quemadm. serv. 8, 6).' Weitere rechlliche Unterschied« zwischm F. und Gebäudeservituten find behauptet, aber nicht erwiesen wordm, z. B. daß jene ver­ pfändbar seien, diese nicht (arg. 1. 11 § 8; 1. 12 D. de pignor. 20, 1). In Wahrheit können beide nur in der Weise verpfändet werdm, daß ein Grundeigmthümer seinem Gläubiger das Recht einräumt, bei auSbleibmder Zahlung die Servi­ tutm an dem Grundstück verkaufsweise neu zu bestellen. Ebensowmig ist eine gninbsätzliche Berschiedmheit der Schutzmittel für F. und Gebäudeservitutm zu behauptm. DaS Recht wird bei beidm durch die a. confessoria vertheidigt, der Besitz bei Wasserund Wegeservituten (s. diesm Artikel) durch besondere Interdikte, bei allm übrigm durch analoge.Ausdehnung der Sachbefitzschutzmittel. Im Ganzm ist hiemach der Begriff der F. als einer besonderm Anwendung der Servitutm überhaupt, für daS heutige Recht von überaus geringer Wichtigkeit. DaS Preuß. und Sächf. Gesetzbuch haben die ganze Unterscheidung gestrichm. Ueber einzelne Servitutm, welche gewöhnlich als rusticae (weil überwiegend an Feldgrundstücke geknüpft) ausgefilhrt werdm, vgl. d. Art. Wasser-, Wege- und Weideservituten. Diesm stehen gleich serv. cretae eximendae, arenae fodiendae, lapidis eximendi, silvae caeduae u. a. m. Quellen: Zit. Dig. de serv. praed. rüst Vm, 3. Sit.: ElverS, Sie Rim. Eervitutenlehre, §§ 42—44. — Böcking, Pand., ll. 8 170. — Keller, Pand., §§ 165—168. — Zachariä v. Linaenthal, Uever die Unterscheidung zwischm Servitutes rusticae und urbanae, Heidelb. 1844. — Kindervater in d. Jahrbuch de, «em. Recht, VI. 6. 116 ff. Eck.

Ktter

812

-«ote.

Aee, Fortunä Barthälemh de, 8 zu Rom 1728, aus einer adeligen in LckbHäen ansässigen Familie, Profesior der mathematischm und Ratur-Mffmschasten zu Mbri und Neapel, wurde, nachdem er einen BischofSstuhl abgelehnt hatte, durch

verschn ^le Abmtmer veranlaßt, Jtalim zu verlasim, begab sich um die Mitte deS vorig-enJuhrh. nach Bern, trat zum Protestantismus über und ließ sich zu Jsiertm mebei 3vo er eine Druckerei errichtete, 1769 daS Bürgerrecht erwarb und 1789 starb.

Ltor seinen zahlreichen Werken und wissenschaftlichen Unternehmen, die er selbst druckte, «hör« perher: Principe» du droit de la nature et de» gen», nach BurlamaqUi, in 8 Bände hieverrürzt in Lecons de droit de la nature et de» gen», 1769, 1770, mehrmals wieder ausgel, ve — Code de rhumamtä, ou la legislation universelle, naturelle, civile et politique, commt. -- par une soctetd de gen» de lettre», et miße en ordre alphabötique par de F., 13 Bde i, 1778. Lde, Marron in der Biographie universelle. — De Montet, Dictionnaire biograplt.: e de» Genevoi» et des Vaudoi». Rivier. ue ; lleuberg, Daniel, 1736—1801, schasft^Ipzu Schenkmberg, Rathsherr.

von Bern, Profeflor daselbst,

Stifts-

^rab heraus: Jurisprudentia antiqua continens opuscula et dissertationes, quibu» lege» amquae, praesertim Mosalcae, Graecae et Romanac, illustrantur, 2 Bde., Gennaro und Buqieman gewidmet, 1760—1761, und 1776 als Philosophie Juris antiquL eer Rivier. stirmD, Maria Sandens, 8 1444 zu Felina (Reggio), Profesior zu ReggjtKtFerrara, Pisa; Auditor Rotae, Bischof von Penna, t 1503 in Lucca.

Geäriften: Comm. in V libr. Decret, Venet 1497; Basil. 1567; Lugd. 1587. — De rerinua Siciliae et Apuliae, Mit 1495; Hanov. 1601. — Consilia, Lugd. 1553. 8it: Eavianh, VT. 486. — Biogr. nouv. gdndr., 1864. vol. 43 p. Ä9. — Schulte, Kirchmrecht (3), 108. — Schulte, Gesth., IL 350. Teichmann, getatie.

Das Äehnsverhältniß beruht auf der zwischm

dem Lehnsherm und

Basallen bestehendm Verpflichtung wechselseitiger Treue. Eine Verletzung der hieraus mtspringendey Verbindlichkeiten wird im Allgemeinen ohne Rücksichtnahme auf die rechtliche Folge als F., LehnSfehler bezeichnet (fei altfranzöfifch so viel wie boshaft, vgl. filou und althochdeutsch fillan). Im mgeren Sinne dagegm qualifizirt sich als F. ein derartiger Bruch der Lehnstreue, welcher auf Seite des Lehnsmannes den Verlust des Lehns, aus Seite des Lehnsherm die Aufhebung der lehnsherrlichen

Rechte zur Folge hat. Dieser F. werdm gewisse Handlungen als Ouafifelonie zur Seite gestellt, welche mit ihr die Mrkung der Lehnsprivation gemeinsam habm, jedoch nicht in einer Verletzung der Lehnstreue bestehen, sondem die persönliche Vertraumswürdigkeit, ohne welche ein Trmverhältniß füglich nicht gedacht werdm kann, in unwiederherstellbarer Weife vemichten. Es find sonach die Fälle der echten F. und der Ouafifelonie zu unterscheiden. In dm Libri feudorum, der Quelle des Langobardischm Lehnrechts find die felonistischm Handlungm des Vasallm nicht in erschüpfmder Weise angeführt; es wird vielmehr ausdrücklich aus das Ermeffen des Mchters hingewiesm, welcher auch in anderm Fällen aus Lehnsverlust erkmnm dürfe. Besonders hervorgehobm werdm 1) LebmSnachstellungm gegm den Herm, 2) thätliche Mißhandlung und schwere

Beleidigung desselben, 3) felonia cucnrbitationis, das ist unerlaubter Umgang mit der Frau oder einer nahen Verwandtm des Lehnsherm, 4) Denunziation, Anklage oder Zmgniß gegm ihn, 5) Nichtanzeige einer dm Lehnsherm bedrohenden Gefahr, 6) Nichtbefreiung aus dem Gefängniß oder aus Gefahren, 7) Verlassen des Herm in der Schlacht und Verrath, 8) Verbreitung seiner Geheimnisse, 9) Verweigerung

der Lehnsdienste oder 10) des LehnseideS, 11) Kontumaz gegm das Lehnsgericht, 12) Vernachlässigung der Lehnsemeuerung, 13) Ableugnung der Lehnsverbindung oder der lehnbaren Eigenschaft eines Gutes, 14) Mißbrauch des Lehns, insbesondere

8*tu«.

818

Deteriorationm, 15) verbotene Deräußemng. Eine Anzahl dieser ausdrü. ch als F. bezeichnetm Handlungen kann für das heutige Recht nicht mehr als sichhe be­

trachtet werden. Die Idee des modernen Staates, der auf der gleichm all­ gemeinen Unterthanenpflicht beruht, hat sich im Gegensatz gegen das Le"dswesm entwickelt und die Bedeutung der LehnStreue wesentlich abgeschwächt. HaMsttngm, durch welche der Basall nur die durch Gesetze vorgeschriebmm bürgerliM»! und llnterthanenpflichtm befolgt, z. B. Anzeige von gewiffm Berbrechen dem Herrn, Zeugniß gegen denselben u. dgl. könnm daher nicht mehr als F. betrachte Htzerdm (Prmß. LR. I. 18 | 149). Partikularrechte stellen u. A. die Annahme ,we«nder Staats- oder Kriegsdienste ohne Erlaubniß des Lehnsherrn als einen stepf der F. auf. all Rur die vollendete, nicht schon die versuchte F. hat dm Verlust deS L iS zur Folge. Rach heutigem Recht hat feinet nur die vorsätzlich begangene W& diese Mtckung, während die libri feudonun in dm sub 5 und 12 angeführtes- ^ällm lata culpa dem dolus gleichsetzen. Ein durch konstante PmxiS auSgebildckrS >8^»ohnheitSrecht, mit welchem hierin die neueren Partikularrechte übereinstimmen, «wr diese AuSnahmm beseitigt, von welchm die erste sich aus dem mittelalterlichmat ^weis­ rechte, die zweite aus dem Umstande erklärm dürfte, daß die Muthung dbrüLehnS alS eine Bedingung der Lehnsernmerung ausgesaßt wurde und beten Versäum. Lß nur uneigmüich unter die Fälle der F. gezählt werdm konnte. Bei Verletzut'ß n der LehnSverbindlichkeitm, die nicht dm Verlust deS Lehns nach sich ziehen, M eine Geldbuße (emenda) ein, beten Höhe in dm Partikularrechtm mitunter durch tmal» anfätze beschränkt ist. Die F. bewirkt den Verlust des Lehms nicht ipso iure,fkl"ndern erst auf ein Urtheil deS Lehnshofes hin, wenn der Lehnsherr eine PrivatiÜlldklage erhebt. Die Entziehung deS Lehns erstreckt fich nur aus dm schuldigm Lehnsmann und dessm Descendenz, nicht aber auf die Agnatm oder andere Pe^onm, die ein selbständiges Recht am Lehn befitzm. Sind also solche vorhanden, so tritt der Lehnsherr in dm Genuß des LehnsobjekteS ,(ut hanc saltem habest suae imuriae ultionem II. send. 24 § 11) auf so lange als der schuldige Vasall und dessen Descmdmtm leben. Nach manchen Partikularrechten trifft der Verlust deS Lehns nur dm schuldigm Lehnsmann, nicht auch deffen Descendenten. Die PrivationSklahe deS LehnSherm geht als actio vindictam spirans weder aktiv noch passiv auf die Erben über. AIS Ouafifelonie betrachtet man dm Verwandtenmord (parricidium), den Ver­ rath an Mitvasallen, ferner jede ehrlos machende Handlung und Deutschen Reichs­ gesetzen gemäß dm Landfriedensbruch. In diesen Fällen findet eine Konsolidation in der Regel nicht statt, fonbetn daS Lehn fällt an die nächstm Lehnsfolger. Ob alS solche auch Descendenten des Verbrechers eintretm dürfen, ist bestritten, doch neigt die Praxis fich der misteten Ansicht zu, welche sie im Fall der Ouafifestnie in daS Lehn succediren läßt. Lit.: Pfeiffer in WeiSke'S RechtSlex. s. v. LehnSfehler, VI. 454. — Mascow, De praecipuig feloniae spedebus, 1697. — Schuler, Dissertatio de vasallorum delictis amissionem feudonun ingerentibus, 1784. — Hommel, Dies, de nobili vasallo in dondnum committente, 1764. — Pätz, Lehrb. des LehnrechtS, § 182. — Mayr, PH. T-, Handb. deS Bem. nnb Bayer. LehnrechtS, 1881, § 108. — Zachariä, Handb. deS Sächf. LehnrechtS, § 224. — Dgl. die Lehrbb. bei Deutschen Privatrechts von Gerber, § 185; Eichhorn 88 241, 242; Befeler G. «88; Etobbe § 128—Roth, Bayer. Eiv.R., ll. 548. —Prenß. LR. L 18 §§ 146 ff. — Bayerisches LehnSedikt §§ 183 ff. Heinrich Brunner.

Fr. de Salignac de Lamothe, 8 6. VIII. 1651 auf dem Schlöffe Fönelon (Dordogne), 1689 Erzieher der Enkel Louis' XIV., 1698 Mitglied der Akademie, 1695 Erzbischof von Cambrah, f 7. I. 1715. Er schrieb: Tddnaque, 1700, 1717 (in fast alle lebenden Sprachen übersetzt). — Exam. de consdence sur les devoirs de la royautd (1784). — Oeuvres, per Bausset 1821— 1824.

814

Ker-ufg« — Feft«ch«e.

Lit.: Mohl, L 206. — Walter, Raturrecht, 426. - Bausset, Hist d. F~ 1808, 1817, deutsch vau Keder, Würzb. 1811. — Gosselin, Hist litt, de F., 1843. — Religidse Schriften von Silvert, 1837—39. — Wunderlich, F., Erzb. v. Cambray, Hamb. 1873. — HunniuS, Leben F.S, Gotha 1873. Terchmann.

dergUfOU, Adam, 8 1724 zu Logierait (Schottland), Profeffor der Physik in Edinburgh, 1767 doctor of laws, später Profeffor, legte 1784 die Professur nieber, t 1816. Schriften: Essay on civil sodety, 1767, (7) 1814, deutsch 1768. — Prinriples of moral and pohtical sdence, Edinb. 1792: deutsch v. Echreiter, Zürich 1795. — Hist of the progress and tennination of the Roman republic, Lond. 1783, 1799 (fr. v. Demeunier 1784, deutsch v. «eck, Leipz. 1784—86). Lit.: «rsch u. Gruber. — Public Charaden, Lond. 1799. — Warukönia, Rechts­ philosophie, 2. »ufl. 1854, 6. 96. Teichmann. Ferrariis, Petrus de, 8 zu Parma, 1389 Profeffor zu Pavia. Er schrieb: Practica judic. aurea (1410), 1473. CoL 1626. Lit. . Saviany, VL 486. — Stintzina, Gesch. d. pop. Liter., 32, 359, 440. — Wal, Beitr., 25. — Schulte, Gesch., H. 294. — Dethmann-Hollweg, VL 255. Teichmann.

Ferretti, Arm., 8 1489 zu Castro Franco, Profeffor zu Rom, Sekretär Leo's X., Profeffor in Valence und Avignon, französischer Gesandter in Venedig und Florenz, f 1552. Schriften: Notae in IV lib. Inst — Praelectiones in praedpnoe Fand, libroa. — Praelectiones in praedpuos Cod. titnloe. — Tract de Mohl 1550, 1599, 1675. — Re* aponaa. — Alles vereinigt in Opera omnia, Francos 1598. — Außerdem noch Adnotationea in Tacitum de Gennanorum moribna, Lngd. 1541. Lit.: Skivier, 510. Teichman«.

Ferrivre, Claude de, 6 1639 zu Paris, seit 1680 erster Professor des von LouiS XIV. errichteten Lehrstuhls des Französischen Rechts, f 1715. Schriften: Inatitutea de Juadnien, Paria 1760, 1787. — Corpa et comp. de toua lea Conun. aor la cont de Paria, Par. 1685, 1692; par Le Camua 1714. — Nouvelle inatitntion coutomiöre, 1692. Lit.: Stein-Warnkönig, Fr. Staats- u. Rechtsgefch., II. 124, 144.— Rivier, 546. Sein Sohn Cl. Jos. de F., f gegen 1748. Er schrieb: Diel de droit et de pratiqne, Par. 1734; öd. Boucher d’Argia, Par. 1762, 1771: Toul. 1779, 1787. Lit.: Nypela, Bibliothäque, 61. — Dupin-Camua, prof. d’avocat. Teichmann. (vorläufige). Der Grundsatz, daß die persönliche Freiheit be­ schuldigter oder angeklagter Personen während des Laufes der strafprozeflualischen Untersuchung nur auf Grund eines richterlichen Haftbefehls (s. diesen Art.) be­ schränkt werden soll, erleidet überall eine nothwendige Ausnahme durch die den Or­ ganen der Sicherheitspolizei oder auch der Staatsanwaltschaft gegebene Befugniß, zur F. verdächtiger Personen zu schreiten. Thatsächlich wird auch die Mehrzahl der Ver­ haftungen ohne förmlichen Haftbefehl vollzogen. Schon in der Bezeichnung des Sachverhältnifles liegt ausgedrückt, daß der durch die Staatsanwaltschaft und Sicher­ heitspolizei bewirktm F. nur ein provisorischer Charakter beigelegt ist, bis zu dem Zeitpunkt nämlich, wo der Richter darüber entscheidet, ob die F. durch Entlastung deS Jnhaftirtm zu beseitigen oder durch Erlaß eines Haftbefehls in Untersuchungshaft zu verwandeln ist. In Gemäßheit der RStrafPO. sind Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei zur vorläufigen F. überall berechtigt, wo die Voraussetzung eines richterlichen Haftbefehls nach ihrer Meinung gegeben ist und Gefahr im Verzüge ob­ waltet, d. h. der mit der Rachsuchung eines richterlichen Haftbefehls verbundene Zeit­ aufwand den Endzweck des Strafprozeßes dem Verdächtigen gegmüber vereiteln würde.

Kann die Persönlichkeit dessen, der auf frischer That betroffen oder verfolgt wird, nicht sofort festgestellt werden, so ist bei vorhandenem Fluchtverdacht Jedermann be-

rechtigt, die Ergreifung vorzunehmen. Ueberzeugen sich die zur vorläufigen F. be­ rechtigten Personen hinterher, daß ein genügender Grund zur Beschränkung der per­

sönlichen Freiheit nicht vorliegt, so find fie in keiner Weise behindert, die sofortige Freilaffung eintreten zu lassen. Entgegengesetzten Falles ist ihnm die gesetzliche Derpflichtung auferlegt, dm Festgmommenm unverzüglich demjenigen Amtsrichter »orzuführm, in dessm Bezirk die F. erfolgte, damit dieser über Entlassung oder Hastbefchl entscheide, oder in Gemäßheit deS § 211 der RSttafPO. sofort zur Abmtheilung in der Hauptverhandlung schreite. Spätestens am folgenden Tage nach geschehener Borführung des Jnhafttrtm muß der Richter zu dessm Vemehmung

schreiten. Bezüglich der weiterm Thätigkeit deS Amtsrichters unterscheidet daS D. StrafPrz.R. zwei Mille: je nachdem die öffentliche Klage gegen dm Verhafteten bereits erhoben war oder nicht. Die Auslegung der auf diesen Punkt bezüglichen §§ 129,180 giebt zu mannigfachen Zweifeln Veranlassung. Unter dm Kommentatoren vertritt Löwe die Meinung, daß der Festgeuommene zunächst der Staatsanwaltschaft vorzuführm ist, wenn dieselbe am Sitz deS Amtsrichter- verttetm ist, obwol dadurch eine weitere Verzögerung in der Borfithrung vor dm Mchter mtstehm könnte. Hat der bereit- mit der Voruntersuchung befaßte Richter denselben Amtssitz, wie der Amtsrichter, so muß der Festgmommme in seinem eigenen Interesse mit Umgehung der amt-richterlichen Stelle dem Untersuchungsrichter vorgeführt werdm. Bei der üeberweifung an dm Untersuchungsrichter oder daS zuständige Gericht gilt dieselbe Vorschrift, die dm Amtsrichter bei der Vorführung bindet: Spätestens am Tage nach der Vorführung ist über Freilaffung oder Verhaftung des Festgmommenm zu ent­ scheiden. Da der Haftbefehl bei vorliegenden Antrag-delikten erlaffen werdm kaun, bevor ein Strafantrag gestellt wordm ist, so muß daS Gleich« auch bezüglich der vorläufigm F. gelten (§ 127 al. 3). Die Vorschriften der RStrafPO. fchließm nicht aus, daß, hinfichllich der Ver­ folgung solcher Sttasthaten, beten Aburteilung und Verfolgung in Gemäßheit der LandeSgefetze geschieht, besondere Anordnungen wegen der amtlichm Verpflichtung zur vorläufigen F. getroffen werden. DieS gilt z. B. bezüglich des Forstschutzes und der von dm Forstfchutzbeamtm zu befolgmden Vorschriften. — Daß den Militärwachm die Befugniß zur vorläufigen F. in solchm Fällen znsteht, in dmm die Interessen der militärischm Sicherheit von Civilpersonm verletzt werden, kann nicht zweifelhaft erscheinen. Die RStrafPO. gedenkt dagegen der Militärwachm nicht besonders, neben der Klaffe der Sicherheitsbeamten. ES wird daher anzunehmm sein, daß daS Recht einer Militärwache hinfichllich der Gründe der vorläufigen F. nur so weit geht, als nach § 127 Jedermann befugt ist, ohne richterlichen Befehl gegen einen auf

frischer That Betroffenen vorzugehen. JedmsallS find nach dieser Richtung die reichs­ rechtlichen Vorschriften unzulänglich, zumal militärische Posten nicht in der Lage

find, die Person deS Mstgenommenm an den Sitz deS nächsten Amtsgerichts überall tranSportirm zu können. Die Ueberweisung an die Polizeibehörde erscheint in solchen Fällm als daS Angemessene. Das Preußische Gesetz vom 12. Februar 1850 hatte den Wachmannschaften ein bestimmtes Recht zur vorläufigen F. gegeben. Dasselbe muß jedoch als aufgehoben gelten gegmüber dm die Materie behandelnden Borschristm der RSttafPO., so daß neben dieser nur noch die besonderen militärrechtlichm Vorschriften in Bettacht kommen können. Da Militärwachen ermächttgt find, von der Schußwaffe gegen solche Gebrauch zu machen, die sich der F. durch Flucht mtziehen, geht, formal genommen, ihr Recht weitaus über die einer Privatperson gegebenen Befugnisse hinaus. (§§ 3, 4 Preuß. Gesetz über den Waffengebrauch deS Militärs vom 20. März 1837.) Quellen: RStrafPO. §§ 127—129. — Oesterr. EtrafPO. von 1873 §§ 177, 181. — Code d’Instr. crim. art 32—47. — Franz. Ges. vom 30. Mai 1863. Bit: Außer den Kommentaren der RSttafPO. s. v. Holtzendorff in seinem Hand­ buch bei Deutschen Sttafprozeßrechti, Band I. S. 859. — Dochow, Der Reichsstrawrozeß, (8. Anst.) § 54. o. Holtzendorff.

816 gMMtelhmgltlage (Anerkennungsklage, Präjudizialklage) ist die Klage, welche ein FeststellungSurtheil verlangt. FeststellungSurtheil ist dasjenige Ur* thell, welches unter Abstraktion von den anS der Entscheidung sich ergebenden An­ sprüchen über da» Begehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses (über die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde) mit der Wirkung entscheidet, daß die ent* schieden» Frage nach dm Regeln über res iudicata weiterem Streite entrückt ist. Da» FeststellungSurtheil mthält daher, auch wmn es da» Bestehen eine» RechtsverhältniffeS (die Echtheit einer Urkunde) konstatirt, keine Berurtheilung des Beklagtm zu einem im Wege der Zwangsvollstreckung erzwingbarrn Seiften, Thun oder Unter­ lasten. Da» (reine) Feststellungsurtheil kann also nicht Vollstreckungstitel sein. DaS Verhältniß de« Feststellungsurtheils zum Urtheil über dm Anspruch ist daS von Minus zu PluS. Jedes kondemnatorische Urtheil enthält ein Feststellen des Bestehens eines RechtsverhältniffeS und ein Auserlegm an dm Beklagtm. Das Fest­ stellungSurtheil, welches daS Bestehm eine» RechtsverhältniffeS seststellt, mthält nur dm ersteren Theil des Inhaltes des kondemnatorischm Urtheiles. DaS (materiell) absolutorische Urtheil enthält ein Feststellm deS Nichtbestehens eines RechtSverhältniffes oder einer Verletzung deffelbm durch dm Beklagten und die Negation eines Anspruchs. Das Feststellungsurtheil, welches daS Nichtbestehen eines RechtSverhältniffes feststellt, enthält (wmigstenS formell) nur den ersteren Theil des Inhaltes deS absolutorischm Urtheils. Während bei dem kondemnatorischm und liberatorischm Urtheile die Feststellung in den Entfcheidungsgründm ihren Platz hat, wird sie UrtheilSformel (Tenor) des Feststellungsurtheils. Der Grund zur Entstehung derartiger Klagen ist in dem Bedürfniffe zu suchm, unter Umständen, unter welchen , ein Anspmch nicht erhoben werden kann oder nicht erhobm werden will, das Bestehen oder Nichtbestehen rechtlicher Berhältniffe oder Beziehungen unter zwei oder mehreren Personen durch Verschaffung der (relativen) Unanfechtbarkeit einer res iudicata streitlos und sicher zu stellen. Die Rechtsbestäpde verschiedener Nationen und Zeiten verhalten sich sehr ungleich in Zulaffung solcher Klagen. Das Sicherungsbedürfniß ist ein verschiedengradiges. Die Art und Weife der Befriedigung ist eine verschiedenartige. Die Befriedigung kann auf anderem als dem prozeffualischen Wege gesucht werden. So spielten im Röm. Recht die Präjudizialklagen eine untergeordnete Rolle. Vielleicht lag das an dem ausgebildetm Formalismus der Rechtsgeschäfte. In der Form liegt Sicherung. Die Entwicklung der F. für ganz andere Rechtsgebiete als die der Römischen Präjudizialklagen und die Entstehung der dem Röm. R. unbekannten negativen F. ist im mittelalterlichen Italien. R. zu suchen. Der Name, unter dem die negative F. ihren Weg machte, ist Provokationsklage. Das Urtheil, welches dem zur Klage Provozirten für den Fall der unterlassenen Klage ewiges Stillschweigen auflegte (perpetuum silentium imponere), ist eine Art von negativem Feststellungsurtheil. Daß das mittelalterliche Italien. R. auf German. R. zurückzusühren sei, wird behauptet, ist aber noch nicht bewiesen. Bor Erlaffung der Prozeßordnung war, wie das mangels gesetzlicher Regelung nicht anders sein konnte, unsicher und bestritten, auf welchen Gebietm des Privat­ rechts und unter welchen Voraussetzungen die F. zulässig seien. Am ausgebildetsten war noch die Theorie des sog. Diffamationsprozeffes (der negativen F.). Die Praxis der Deutschen Gerichte zeigte sich übrigens in neuerer Zeit der Zulaffung der F. mehr und mehr günstig. Die Deutsche CPO. (I. § 231) läßt die F. in ausgedehntem Maße zu. Nach derselben taffen sich unterscheiden: 1) die Klage auf Feststellung des Bestehens eines RechtsverhältniffeS (positive, affirmative F.); 2) die Klage auf Feststellung deS Nichtbestehms eines Rechtsverhältnisses (negative F.); 3) die Klage aus Anerkennung einer Urkunde; 4) die Klage auf Feststellung der Unechtheit einer Urkunde.

Alle vier Unterarten find für alle privatrechtlichen Gebiete zugelaffm, also für dingliche, obligatorische, Familien- und erbrechtliche Verhältnisse. Gemeinsame Vor­

aussetzung ist, daß der Kläger ein rechllicheS Jntereffe daran hat, daß das Rechts­ verhältniß durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Da» rrchlliche Interesse ist hier in dem weiteren Sinne von „daran gelegen sein", nicht in dem Sinne von vermägenSrechtlichem Jntereffe, wie solches Gegenstand eines Anspruch­ sein kann, zu verstehen. ES muß ein Jntereffe an alsbaldiger Feststellung durch richterliche Entscheidung bestehen, also ein Bedürfniß nach Sichemng durch rechts­

kräftige Entscheidung. Die Fassung des Gesetzes ist so allgemein, daß da» richterliche Ermeffen einen (vielleicht ungebührlich) weiten Spielraum hat. JU>enfallS ist da» Sicherungsbedürfniß vorhanden und daher die Klage auf Feststellung des Bestehen»

eine» RechtSverhältniffeS oder auf Anerkennung der Echtheit einer Urkunde begründet, wenn der Beklagte da» Recht-Verhältniß entweder überhaupt oder in der vom Kläger behaupteten Gestalt oder die Echtheit der Urkunde bestritten hat und eine Klage auf Leisten, Thun oder Unterlasten noch nicht möglich ist. Ebenso ist genügende» Jntereffe an der alsbaldigen Feststellung des Richtbestehens eines RechtSverhältniffeS und damit die Beranlaffung zur negativm F. gegeben, wenn der Beklagte da» Be­ stehen eines Rechtsverhältnisse- behauptet hat. Und daS Jntereffe an Feststellung der Unechtheit einer Urkunde liegt vor, wenn der Beklagte die Echtheit einer nach Behauptung deS Klägers unechten Urkunde behauptet hat. Die Klage auf Feststellung des Bestehens eines RechtSverhältniffeS kann nicht auf Gefährdung von Beweismitteln gegründet werden. Zur Sichemng deS Urkunden­ beweises dient die Klage auf Feststellung der Echtheit einer Urkunde; zur Sichemng anderer Beweise bienen die Vorschriften der §§ 447—455 der EPO. Die sachliche Zuständigkeit für die F. richtet fich nach §§ 23, 59, 70, 100 ff. bt» GVG. Insoweit die Zuständigkeit von dem Werth des Streitgegenstandes ab-

htdwt, kommt der Werth des RechtSverhältniffeS, nicht der des FeftstellungSintereffeS, in Betracht. Bei dm Klagm aus Anerkennung oder Feststellung der Unechtheit einer Urkunde ist als Streitgegmstand daS Rechtsverhältniß zu betmchtm, welches durch die Urkunde bewiesen - werden soll. Für alle F. ist, soweit nicht fitr da» RechtSverhältniß ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht, der allgemeine Gerichtsstand de» Beklagten und, toenn daneben ein besonderer Gerichtsstand für das Rechtsverhältniß besteht, auch dieser begründet. Daher ist z. B. für die Klagm aus Feststellung deS BestehmS oder RichtbestehmS eines Vertrag-Verhältnisses der Gerichtsstand de» Er­ füllungsortes (EPO. § 29) möglich. Eine besondere Anwendung findet die F. als sog. Inzidentfeststellungsklage nach § 253 der EPO., um eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über ein im Lause

eines Prozesses streitig gewordmeS Rechtsverhältniß, von deffen Bestehen oder Richtbestehm die Entscheidung des Rechtsstreites abhängt, zu erlangm. Darüber s. Näheres unter d. Art. Rechtskraft. Keine eigentliche F. ist die Klage nach § 140 der KO., weil hier mehr als bloße Feststellung eines RechtSverhältniffeS, nämlich der Anfpmch auf Leistm ic. gegen dm Gemeinschuldner, Gegmstand des Streites und das Ziel deffelbm Be­

friedigung auS der KonkurSmaffe ist.

Lit.: Bähr, Die Anerkennung als BerpflichtunaSarund, 2. Anst. (1868), 6. 314 ff. — Windscheid, Pand., I. § 45. — Degenkolb, EimaffungSzwang und llrtheilsnorm (1877), S. 131—229. — I. Weismann, Die Feststrllungsklage (1879). 8. Eeufsert. Festnuffhhnst.

Unter dm Freiheitsstrafen deS Deutfchm StrafGB.

nimmt

die F. die dritte Stelle ein; fie ist leichter als Zuchthaus und Gefängniß. Von der viertm Freiheitsstrafe, der Haft, unterscheidet fie fich in der Hauptsache nur durch ihre Ausdehnung, dmn während die Haft der Regel nach an ein Maximum von 6 Wochen gebunden ist, kann die F. auf Lebenszeit oder aber auf die Dauer von v. Holtzendorff, Ene. II. NechtSIexikon I. 8. Aufl.

52

818

Festungshaft.

1 Tage bis zu 15 Jahren erkannt werden. Dagegen kommen beide Strafarten darin überein, daß sie in einfacher Freiheitsentziehung bestehen, also, im Gegensatze zu Zuchthaus und Gefängniß, keinen Arbeitszwang irgend einer Art involviren. — Frühere Deutsche Partikulargesetze verwendeten, in Uebereinstimmung mit dem ehe­ maligen Gemeinen Deutschen, R., die F. (auch unter den Namen Staatsgefüngniß, Festungsstrafe, Festungsarrest) vorzugsweise dort, wo eine besondere Rücksichtnahme aus den Verbrecher wegen seiner peyönlichen Verhältnisse (Stand, Bildung, bisherige Ehrenhastigkeit) allein, oder wegen dieser und der besonderen Beschaffenheit der strafbaren Handlung angezeigt erschien, und ließen dieselbe alsdann entweder als Surrogat oder als Vollzugsmodifikation der anderen Freiheitsstrafen (Zuchthaus, Arbeitshaus, Korrektionshaus, Gefängniß), oder endlich auf dem Gnadenwege eintreten (Württem­ berg, Hannover, Hessen, Baden, Bayern, Sachsen und Thüringen). In der Doktrin blieb jedoch die Frage, ob den persönlichen Verhältnissen des Verbrechers ein Einfluß aus die Wahl der Strasart einzuräumen sei, fortdauernd streitig. Viele Schriftsteller sahen in der Bejahung derselben eine Verletzung der Gleichheit Aller vor dem Gesetz, und dieser Ausfassung folgte auch das Preuß. StrafGB., indem es die F. (Ein­ schließung genannt) zwar in einzelnen Verbrechensfällen (z. B. Zweikamps) als aus­ schließliche Strase drohte, dieselbe dagegen niemals als Surrogat oder Vollzugs­ modifikation der Zuchthalls- oder Gefängnißstrafe zuließ. Damit stimmten die Entwürse des Nordd. StrafGB. im Wesentlichen überein. In den Reichstagsverhand­ lungen erlitt jedoch die Vorlage des Bundesrathes eine erhebliche Umgestaltung. Um die politischen Verbrecher mit der nach Auffassung der Majorität unbedingt ent­ ehrenden Zuchthausstrafe zu verschonen, beschloß der Reichstag, bei der Mehrzahl der politischen Verbrechen neben der Zuchthausstrafe F. voll gleicher Dauer zu drohen und verfügte in einer besonderen, später in den allgemeinen Theil (§ 20) gestellten Bestimmung, daß der Richter in allen diesen Füllen lmr dann auf Zuchthausstrafe solle erkennen dürfen, wenn festgestellt ward, daß die konkrete Handlung aus ehrloser Gesinnung entsprungen sei. Bist dieser, das Strasensystenl der Entwürfe völlig durch­ brechenden Bestimmung kehrte der Reichstag zunr Theil zu jeurer Allffassung der Deutschen Partikulargesetze zurück, welche in Rücksicht mir die persönlichen Verhältnisse und die besondere Beschaffenheit der strafbaren Handlung die F. an Stelle der schwereren Freiheitsstrafell treten lassen wollten. Der Fehler bestand nur darin, daß lediglich die politischen Verbrechen berücksichtigt wurden. Denn es kann einem ge­ gründeten Zweifel nicht unterliegen,' daß eine derartige Maßnahme, wenn sie über­ haupt richtig ist, auf alle mit Zuchthaus bedrohten Handlungen ausgedehnt werden muß und nicht auf die politischen Verbrechen, gerade als ob nur diese ohne ehrlose Gesinnung begangen werden könnten, beschränkt werden darf. Die Rücksichtnahme aber auf die aus der konkreten That zu folgernde Gesinnung, und auf diese allein, nicht auf den Stand des Verbrechers (denn darin läge allerdings eine unerträgliche Ungleichheit vor dem Gesetz), rechtfertigt sich aus der Erwägung, daß die Strafe des Zuchthauses in der That ehrenmindernd ist (vgl. § 31). Das D. StrasGB. droht die F. bald als ausschließliche Strafe an, bald alter­ nativ und zwar entweder neben Zuchthaus (hier darf letzteres nur beim Vorhanden­ sein ehrloser Gesinnung verhängt werden, s. o.), bald neben Gefängniß (hier ist in den leichteren Fällen auf F. zu erkennen). Das Mil.StrasGB. für das Deutsche Reich vom 20. Juni 1872 (vgl. §§ 16, 17) hat die F. in derselben Ausdehnung ausgenommen, wie das D. StrafGB., droht dieselbe aber in der Mehrheit der Fälle alternativ neben Gefängniß und läßt sie, wenn ihre Dauer 6 Wochen nicht übersteigt, als Stubenarrest oder gelinden Arrest vollstrecken.

Lit: Sontag, Die Festungshaft, Leipz. 1872. — Bezold in Pözl's V.J.Schr., 1873,

Festungsrayon.

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Festungsrayon. F. ist die nächste Umgebung permanenter Befestigungen. Die Benutzung des Grundeigenthums ist innerhalb des F. dauernden Beschränkungen unterworfen. Für das Deutsche Reich sind die Rayonverhältnisse durch das Reichsgesetz vom 21. Dezbr. 1871 geregelt worden. Folgende Punkte sind hervorzüheben: 1) Die Einteilung des gesummten F. in drei Rayons. Erster Rayon Umkreis mit Durch­ messer von 600 Metern; zweiter Rayon von der Grenze des ersten 375 Meter; dritter Rayon von der Grenze des zweiten 1275 Meter. 2) Die Beschränkungen in der Benutzung des Grundeigenthums. Diese bestehen im Allgemeinen darin, daß be­ stimmte im Gesetze bezeichnete Anlagen innerhalb des F. entweder überhaupt nicht, oder nur mit Bewilligung der Kommandantur gemacht werden dürfen. Das Gesetz bezeichnet in § 13 diejenigen Anlagen, welche in keinem der drei Rayons ohne Ge­ nehmigung der Kommandantur zulässig sind. Abgesehen hiervon sind die Be­ schränkungen des Grundeigenthums bedeutendere für den zweiten Rayon (§ 15) als für den dritten (§ 14) und bedeutendere für den ersten Rayon (§ 17) als für den zweiten (§ 15). Für den ersten, wie auch für den zweiten Rayon wird unterschieden, ob eine Anlage unzulässig, oder ob dieselbe „nicht ohne Genehmigung der Kommandantur zulässig" ist. Zu Anlagen der ersteren Art, darf die Komman­ dantur ihre Genehmigllng nicht ertheilen; Anlagen der letzteren Art dürfen vom Grundbesitzer nicht errichtet werden, ohne daß die Kommandantur die Genehmigung hierzu ertheilt hat. Für den dritten Rayon giebt es keine Anlagen, welche un­ zulässig wären und das Gleiche gilt in Betreff derjenigen Beschränkungen des Grundeigenthums, welche gleichmäßig für alle drei Rayons aufgestellt sind. In Be­ treff derjenigen Anlagen, deren Errichtung von der Genehmigung der Kommandantur abhängig gemacht ist, bestimnlt das Gesetz die Voraussetzungen, bei deren Vorhanden­ sein die Genehmigung nicht versagt werden darf. („Die Genehmigung darr nicht versagt werden, wenn" rc. §§ 13, 15, 17. Die Formel: „Die Genehmigung darf nur vertagt werden, wenn" k. findet sich § 17 a. E.) 3) Die Einsetzung der Ktzichs-Ray onkommissi on. Es ist dieses eine durch den Kaiser zu berufende ständige Militürkommission, in welcher die Staaten, in deren Gebieten Festungen be­ legen, vertreten sind. Die Kompetenz dieser Reichsbehörde umfaßt die Entscheidung über Rekurse, welche von den Grundbesitzern gegen die Entscheidungen der Komman­ dantur erhoben werden. Ueber Projekte größerer Anlagen (Chausseen, Deiche, Eisen­ bahnen 2C.) entscheidet die Reichs-Rayonkommission in Gemeinschaft mit der betreffenden Centralverwaltungsbehörde, nachdem vorher das Projekt selbst durch eine gemischte Kommission erörtert ist (berufen von dem zuständigen Kriegsministerium im Verein mit den betreffenden höheren Verwaltungsbehörden), in welcher auch die von der Anlage betroffenen Gemeinden durch Deputirte vertreten werden (§§ 30, 31). 4) Das Verfahren, betreffend den gegen die Entscheidungen der Kommandantur ein­ zulegenden Rekurs (§ 29). 5) Die Grundsätze, nach welchen das Reich für die Eigenthumsbeschränkung der innerhalb des Rayonbezirkes belegenen Grundstücke Ent­ schädigung gewahrt. Der Regel nach ist die Entschädigungspflicht anerkannt; doch wird keine Entschädigung gewährt: für Beschränkungen jeder Art, welchen das Grund­ eigenthum innerhalb des bisherigen Rayons der bereits bestehenden Festungen nach der seitherigen Gesetzgebung unterworfen war und auch nach dem jetzt geltenden Gesetz unterworfen bleibt; für Beschränkungen der im Eigenthum des Reichs oder eines Bundesstaats befindlichen Grundstücke und für Beschränkungen in Betreff der Anlagen auf Beerdigungsplätzen; für die Verpflichtung zur Duldung der Rayonsteine (d. h. der festen Marken, welche zur Abgrenzung der beiden der Festung zunächst belegenen Rayons dienen); für die auf besonderem Rechtstitel beruhenden Rahonbeschränkungen, wenn nicht durch dieselben eine Entschädigung ausdrücklich zugesichert ist. Die Ent­ schädigung besteht in dem Ersatz derjenigen Verminderung des Werthes, welche durch Hineinziehung des Grundstückes in den Rayonbezirk herbeigesührt wird. Regelmäßig wird die Entschädigung in Form einer Rente — 6 Prozent des verursachten Minder52*

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gtetrtt* — 9aw*Wt*td>er.

werthes für die Dauer von 87 Jahren — gezahlt. Beträgt der Mmdawerth mehr als ein Drittel des GesammtwertheS, so wird nach Wahl des Eigenthümers entweder Amte oder Kapital gezahlt; btträgt die Amte wmiger als 3 Mark, so wird dieselbe mit dem 10V» fachen Betrage kapitalifirt und diese Summ« dem Eigenthümer aus­ gezahlt (§§ 34—88). 6) Die Vorschriften, betreffend das Verfahren zur Feststellung der Entschädigung. Hervorzuheben ist hierbei, daß dem Entschädigungsberechtigten der Rechtsweg nicht verschloffen ist, wmn die Entschädigungspflicht von der Komman­ dantur bestrittm wird. Ist dagegm nur das Vorhandensein oder die Höhe des SchadmS streitig, so muß hierüber vor der Beschreitung deS Rechtsweges ein Beschluß der Verwaltungsbehörde vorausgehen (§§ 39 ff.). 7) Strafbestimmungen für Grundbesitzer, welche innerhalb des Rayons Anlagm ohne Gmehmigung der Kom­ mandantur ausführen (§ 32 — Geldbuße bis 150 Mark, eine Vorschrift, welche auch auf Baumeister und Handwerker ausgedehnt ist). 8) Borfchristm, betreffend die Freilegung des Rayons im Falle einer Armirung der Festung (§§ 43, 44). 9) Vor­ schriften über die Absteckung der Rayonlinie, die Anlegung des RayonplaneS und des RahonkatasterS (§§ 8—12). Gsgb: Ges., bete, die Beschränkungen - deS Gruudeigenthums in der Umgebung von Festungen, vom 21. Dezbr. 1871 (R.S.BI. 1871, 6. 459 ff ). — Bekanntmachung, betr. die Erweiterung von Festung-anlagen (ÄMn, Koblenz, Mainz, Ulm, Spandau, Küstrin, Posm, Thorn, Königsberg, Swiaemünd«, FnedrichSort, Sonderburg, Düppel, au der unteren Gibt, au der unteren Weser und Wilhelmshaven), vom 1. Febr. 1873 (R G Bl. 1873, S. 89); deSgl. (tu Bezug auf Ingolstadt) Bekanntmachung vom 27. März 1873 (RGBl. 1873, 6. 58). — Thilo, Kommentar zum GAG-, S. 23. John.

Fe»ert«h, Paul Joh. Anselm v., s 14. XI. 1775 zu Hainichen bei Jena, wurde in Jena 1799 Dr., 1801 Prof. d. LR., 1804 d. Civ- u. Krim.R. in Landshut, schied wegen Mißhelligkeiten, nammtlich mit Gönner, aus, wurde 1806 Mitgl. d. Justizmin.-Depart., 1808 Geh. Rath, 1814 zweiter Präs, am Appellgerichte in Bamberg, 1817 Präs, in Ansbach, f 29. V. 1833 in Frankfurt. Das StrafWS. von 1813 ist — der Hauptsache nach — sein Werk. Schriften: Ueber di« einzig möglichen Beweisgründe gegen das Dasein u. d. Gültigkeit d. natürl. 9t, Leipzig 1795. — Krit. d. natürl. R., Alt. 1796. — Antihobbes oder über d. Grenzen d. höchsten Gewalt u. d. Zwangsrecht der Bürger gegen d. Oberherrn, Eis. 1798. — Philos^jur. Unters, über d. Derbr. d. Hochverraths, Erf. 1798. — De causis mitigandi ex capite impeditae libertatis, 1799 (in Martin's Select diss., Jen. 1822, p. 480—500). — Revis, d. Grdsihe. u. Grdbegr. d. vos. peial. 9t., 1799, 1800. — Ueber d. Straft als Sicherungs­ mittel, 1800. — Lehrb. b. atm. tn Deutschland gült. peinl. 9t., 1801; 14. Aust. v. Mittermaier, Gießen 1847. — Civ. Vers., Gießen 1803. — Krit. d. Kleinschrod'sche» Eutw. zu e. peinl. G.B. für die kurpfalzbayer. St., Gießen 1804. — Entw. d. StrafGB. für Bayern, 1807, 1810. — Betracht, über b. Geschwornengericht (1812), Landsh. 1813. — Betracht, über d. Oefftntl. «. Mündl. d. Gerechtigkeit-pflege, Gießen 1821, 25. — Merkwürdige Kriminalfälle (2. Aust, als: Aktenmäßige Darst. merkw. Verbrechen, Gießen 1828, 29; v. Mittermaier, 1849). — Kaspar Hauser, Beispiel eines Verbrechen- am Seelenleben des Menschen, Ansb. 1832. — Kleine Schriften vermischten Inhalts, Rürnb. 1833. Lit.: Ludwig Feuerbach, A. Ritter v. F.s Leben u. Wirken, Leipz. 1852. — Glaser, «es. N. Schriften, Men 1868, I. 21-61. — Bluntschli, StaatSWörtB-, NI. 503—13. — Berner, Str.Gsgb. in Deutschland, Leipz. 1867, 80—92. —Nypele, Bibliothäque, 122. — GerichtSsaal, 1856, I. 231, 241 (Abegg). - Augsb. «llg. Ztg. 1875, Rr. 318 (Kinding). Deutsch« Rundschau 1877, S. 465-487 (Geyer). - Krit. V-J Echr. XVm. 255 (Geyer). — Marquardsen in d. Allg. Deutsch. Biogr. VI. 731. Teichmano.

Feuerkaffeustelder — hypothekarische Eintragung. Zur Prüfung der Kredit­ würdigkeit eines mit Baulichkeiten besetzten Grundstücks kann es dimlich erscheinen, neben dem Erwerbspreise, dem Grundsteuer-Reinerträge und anderen Werthmessern die Versicherungssumme der Gebäude mit Angabe des Datums in die Hypotheken-, Grund- und ähnlich geführten öffentlichen Bücher vermerkm zu lassen. Daraus folgt aber noch nicht, daß für die Gläubiger im Fall eines Brandes die BerficherungS-

gelber an die Stelle bet Gebäude treten, ober baß sie als eine Zubehörung beS Grundstücks anzufehen feien, ober etwa als Früchte, als An- ober Anwüchse. Sie stellen vielmehr trotz ihrer regelmäßigen Zweckbestimmung als BauhülfSgelber an stch nur den Gegenstand eines aus dem Versicherungsverträge hervorgehenden ForderungSrechteS bar. Nach dm Bestimmungen der meisten neueren FeuersozietätSreglernent» bietet sich ben Gläubigern darin ein Sicherungsmittel, baß sie sich die F. verpfänden und die Verpfändung in das FeuerfozietätS-Kataster eintragen lassen. Doch ist die neueste Gesetzgebung in Verallgemeinerung provinzieller Vorgänge zur Aufstellung des Grundsatzes vorgegangm, daß für das eingetragene Kapital nebst Zubehör, ins­ besondere Zinsen und Äoften bet Kündigung, bet Klage und Beitreibung, ben Gläubigern auch die, dem Eigenthümer zufallenden BerficherungSgelder für abgebrannte ober burch Brand beschädigte Gebäude hasten sollen, wenn diese Gell»er nicht statuten­ mäßig zur Wiederherstellung der Gebäude verwendet werden müssen, ober verwendet wachen find, sowie die F. für Früchte und bewegliche» Zubehör. Die Abtretung und Verpfändung der Ansprüche auf BerficherungSgelder zum Nachtheil eingetragener Gläubiger ist für wirkungslos erklärt. — In Hannover (1864) und Grvßh. Hessen ist die Zahlung der F. von der Zustimmung der eingetragenen Gläubiger abhängig gemacht und fier im Fall bet Verweigerung ber Einwilligung ein besonderes Ver­ fahren zur Sicherstellung ber Gläubiger, im Fall ber Nichtbefriedigung die gericht­ liche Veräußemug ber Brandstätte sammt dem Anspruch „auf die Entschädigungs­ summe" näher georbnet. Dieser Anspruch erscheint als Annex deS GrundstückSwertheS; das pignas nominis als Pertinenz ber GrundstückShypothek. @fgb. u. Lit.: Preufi SÄ. I. 20 § 443 nebst Erg. u. Sit. bei v. Rönne, bef. Plen. Befchl. o. Preust Ob.Trib. v. S. Dez. 1853, der ein Ä. d. Hyp Gl. auf ff. verneinte; wie die» für da» G.N. geschehen v. Madai un cid. Arch. 8b. XXVI. 6. 201, wogegen Holzschuher u. A. Jetzt Preust Ges. über b. Eigent Hums-Erw erb an Grundstücken v. 5. Mai 1872 §§ 30, 31, auf Hannover ausgedehnt, wo bisher Ges. 6. 14. Dez. 1864 § 18 (v. Bar, Hannov. Hyp.Ä, ®. 97). Grnndb.Ordn. dazu § 10. — 6. auch Malß, Studien überVerfichemngSrecht, Ztschr. s. b. gef. H.N. VW. 369 ff. Schaper.

AeNüPPoüzet. Die große Gefahr, welche dem Mmscheu und seiner Wirth­ schaft von ber entfesselten Gewalt des Feuers droht, macht außer den Normen gegen die absichtliche und fahrlässige Brandstiftung (s. biefen Art.) nach ein umfängliche» System von Polizeivorfchristen zur Verhütung und Bekämpfung ber Feuersgefahr erforderlich. Die Deutsche Reichsgesetzgebung berührt das Gebiet bet F. nur gelegentlich, insbesondere in dem Abschnitte des StrafGB. von ben Uebertretungen und im Gewerberechte; im Uebrigen gilt Partikularrecht, welches jedoch insbesondere in Preußen, größtenteils wieder nur provinzieller und lokaler Natur ist (Preuß. LR. II. 20, 1569 ff.) und zum Theil noch dem vorigen Jahrhundert entstammt. AlTypen zeitgemäßer F.-Borfchriften find zu nennen die königl. Württembergifche Ver­ ordnung, betreffend die F., vom 21. Dezbr. 1876 (Reg.Bl. S. 513), sowie die revidirte F.- und Löschordnung für das platte Land ber Provinz Brandmbutg vom 31. Oktbr. 1878, in Kraft seit 1. April 1879 (Grosser'» Verwalt.Gef.Bl., S. 73). Auch außerhalb des Dmtschm Reiche» ist die F. im Wesmllichm Gegenstand ört* licher Regulirung (police municipale, vgl. Oesterr. SttafGB. § 435 ff., für London 7 u. 8 Vict c. 84). Al» leitende Grundsätze find folgenbe Normen zu bezeichnen: I. Vorbeugung. Jedermann hat die Pflicht, mit Feuer und Licht sorgfältig umzugehen und bei ber Aufbewahrung feuergefährlicher Gegenstände, sowie bei dem Verkehr mit solchen die zur Verhütung von Feuersgefahr erforderliche Sorgfalt anzuwmden; Familienhäupter, Dienstherrschaften, Arbeitgeber find gehalten, ihre Familienglieder, Hausgenoffen, Dimstleute und Arbeiter zur Beobachtung ber frag­ lichen Sorgfalt anzuhalten, Kindern, Geisteskranken und Betrunkenen leicht entzündliche Stoffe nicht anzuverttauen. Die präventtven F.normen beziehen sich hiernach fowol auf die ständigen, zur Heizung von Wohn- und WirthschastSräurnen zur

822 Speisebereitung und zu anderen Haus» und landwirthschaftlicheu Zwecken, zum Be­ triebe von kleinen und großen Gewerbsanlagen dienenden Feuer, als auf die tranSportabeln Feuerherde (Gluth- und.Räucherpsannen, Kohlenbecken u. dergl.), sowie auf die Gebahrung mit dem nicht zur Wärmeerzeugung bestimmten, sondern nur

der Leuchtkraft halber hervorgerufenen Lichte. A. In den Gebäuden darf Feuer regelmäßig blos in vorschriftsmäßigen Feuer­ stätten angezündet werden. Dieselben find stets in baulichem und brandficherem Zu­ stande zu erhalten, auch müssen ihre Schornsteine rechtzeitig gereinigt werden (StrafGB. § 868, 4). Ohne polizeiliche Erlaubniß darf eine neue Feuerstätte nicht errichtet, eine bereits vorhandene nicht an einen anderen Ort verlegt werben (gilt auch für Hamburg, woselbst übrigens daS Bauanzeigesystem besteht, Senatsbek. vom 22. Mai 1871) zufolge § 368, 3 des RStrasGB. Im Uebrigen bestimmen fich die Ersordernifie einer vorschriftmäßigen Feuerstätte nach den Baupolizeiordnungen partikularrechtlich verschieden (s. den Art. Baupolizei). Für die Schornsteinfeger können landesgesetzlich Kehrbezirke eingeführt werden. Doch ist, wo solche bestehen oder eingerichtet werben, die höhere Verwaltungsbehörde, soweit nicht Privatrechte entgegenstehen, befugt, die

Kehrbezirke aufzuheben oder zu verändern, ohne daß deshalb den Bezirksschornfteinsegern ein Widerspruchsrecht oder ein Anspruch auf Entschädigung zusteht; über Stellvertreter und Taxen der Bezirksschornsteinseger trifft die Verwaltungsbehörde Bestimmung (RGew.O. §§ 39, 47, 77). Besondere Vorschriften erheischen diejenigm Feuerungsanlagen, welche zu gewerblichen und verwandten Zwecken dienen, wegen ihrer größeren Ausdehnung und der Nothwendigkeit, höhere Wärmegrade zu erzeugen, als in gewöhnlichen Hauswirthschaften erforderlich find. Aus diesem Gesichtspunkte find eine Anzahl Fabrikanlagen der Reichsgewerbeordnung §§ 16 ff. unterstellt (s. den Art. Gefährliche Anlagen); Gewerbetreibende, welche in Feuer «beiten, Werden nach StrafGB. § 369, 3 bestraft, Wenn fie die Vorschriften nicht befolgen, welche von der Polizeibehörde wegen Anlegung und Verwahrung ihrer Feuerstätten, sowie wegen der Art und der Zeit, fich des Feuers zu bedienen, erlassen find (z. B. Brandenburg § 13). — Aber auch außerhalb der Gebäude dürfen ständige Feuer nicht an gefährlichen Stellen in Wäldern und Haiden (Moorbrennen: Hannov. Polizei­ strafgesetz §§ 153 ff., Braunschw. § 16, 6) oder in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder seuerfangenden Sachen angezündet werden (StrafGB. § 368, 6). Bezüglich der Aufftellung von Lokomobilen find partikularrechtlich Sicherheitsvorschristen gegeben (Bayer, allerh. Verordn, vom 14. März 1874 § 12; Württemb. Min.-Vers, vom 14. Dezbr. 1871 § 15; königl. Sachs. Verordn, vom 6. Juli 1871 § 33; Braunschw. Verordn, vom 11. Juni 1873). B. Licht und bewegliches Feuer (s. oben) dars nicht in unverwahrtem Zustande leicht entzündlichen Objekten (Scheunen, Ställen, Böden, Feimen, Heuschobern u. s. w.) genähert werden (StrafGB. § 368, 5). Dies gilt auch von brennenden Eigarrm, offenen Tabakspfeifen, Verwendung von Reibfeuerzeugen (speziell Bayer. Verordn, vom 27. Juni 1862, § 13 und Württemb. Vers, vom 15. Juni 1877), Streichzündhölzern,

Zündkerzen. Als verwahrt ist Licht überhaupt nur anzusehen, wenn sich daffelbe in einer Laterne mit ganzen Scheiben befindet (F.-Ordn. für Waldeck und Pyrmont vom 15. März 1875, Reg.-Bl. S. 33 § 2). Holzspänc u. dergl. starken Aschenabfall er­ gebende Leuchtmaterialien dürfen regelmäßig gar nicht verwendet werden (Bayern v. 1862 § 11, Württemberg § 6); andererseits sind Polizeiverordnungen, welche über § 368, 6 hinausgehen (z. B. das Tabakrauchen in Ställen überhaupt, also auch aus geschloffenen Pseifen verbieten), insoweit ungültig (Erk. des vorm. Preuß. Ob.Trib. Entw. vom 27. Septbr. 1877). Fackeln, Brandlichter, Pechkränze u. dergl. dürfen nur mit besonderer polizeilicher Bewilligung gebraucht werden. Wer ohne polizeiliche Erlaub­ niß an bewohnten oder von Menschen besuchten Orten (scharf oder nicht) oder in gefähr­ licher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden Sachen mit Feuergewehr oder anderem Schießwerkzeuge schießt (sprengt) oder Feuerwerk abbrennt, ist strafbar nach StrafGB.

Kmerpoltzei.

828

§ 367, 8 und § 368, 7. — Das neuere Verwaltungsrecht fügt ben vorgeschilderten Normen, durch welche verhütet »erben soll, daß Feuer und Licht in gefährlicher Weise Menschen und Objekten ihres Vermögens nahe komme, welche sich also auf die Ge bahrung mit Feuer und Licht im Hinblick auf die Gefährdung anderer Objekte beziehen, eine Reihe weiterer Vorschriften hinzu, welche darauf abzielen, die der FeuerSgefahr zugänglichen Objekte des menschlichen Vermögens thunlichst von der Feuersgefahr fern zu halten, also die Gebahrung mit diesen Objekten in Hinblick auf die Gesähümng durch Feuer und Licht zu regeln. In dieser Beziehung ist nun zu unter­ scheiden, ob den betreffenden VermögenSobjektm eine feuersichere Herstellung gegeben »erben kann, durch welche die FeuerSgefahr, wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen, so doch wesentlich vermindert wird, oder ob dies nicht thunlich ist. DaS Erstere ist der Fall insbesonbere rückfichtlich der Bautm, welche für menschliche WohmmgS- und Wtrchschastszwecke dienen. Hier gipfeln die in Rede stehenden Vorschriften in dem Bestreben, eine feuersichere (massive) Herstellung der Baue mindestens in ihrm Haupt­ bestandtheilen (Umfassungen, Treppen, Dächer) zu erzielen; dienen die Baulichkeiten Zweckm, durch welche die FeuerSgefahr besonders erhöht wirb, z. B. als Fabrikations­ anlagen mit starkem Feuerbetriebe oder als Niederlagm für leicht entzündliche Gegenstände (Brenn» und Leucht-, Schieß- und Sprmg-Materialim, Cerealien), so machen sich besondere SicherheitSvorschristm erforderlich. DaS Nähere gehört in daS Gebiet des Baupolizeirechts (s. d. Art. Baupolizei und meine Abhandlung in Hirth'S Annalen 1879, S. 811, 844 ff. 871 .ff.). Anderen Charakter« find nothwmdiger Weise diejenigen Vorfchristm, welche die Gebahrung mit ihrer Natur nach feuergefährlichen, weil leicht entzündlichen oder schwer zu löschenden Stoffen, also namentlich ihre Verwendung im Gewerbebetriebe, ihre Lagerung, ihrm Transport und Verkauf im Auge habm. Derartige SicherheitSvorschristm erscheinen besonders nothwendig, wmn die betreffendm Stoffe nicht blos einfach entzündlich, sondern zugleich zur Explosion geneigt sind. Nach § 367, 4—6 StrafGB. ver­ fällt in Strafe, wer ohne die vorgeschriebme Erlaubniß Schießpulver oder andere explodirmde Stoffe oder Fmerwerke zubereitet, wer bei der Aufbewahrung oder bei der Befötoerung von Schießpulver oder Fmerwerkm oder bei der Aufbewahrung, Beförderung, Verausgabung oder Berwmdung von Sprmgstoffm oder anderen explodirmdm Stoffen, oder bei Ausübung der Befugniß zur Zubereitung oder Feil­ haltung dieser Gegenstände die deshalb ergangenm Vorfchristm nicht befolgt und wer Waarm, Materialim oder andere Borräthe, welche sich leicht von selbst mtzündm oder leicht Feuer fangen, an Ortm oder in Behältnissen aufbewahrt, wo ihre Entzündung gefährlich werden kann, oder wer Stoffe, die nicht ohne Gefahr einer Entzündung bei einander liegen tonnen, ohne Absonderung aufbewahrt. Rückfichtlich des Verkehrs mit Sprmgmitteln ist in neuester Zeit im Bundesrathe die Auf­ stellung gleichförmiger, in ben einzelnen Bundesstaaten einzuführender Vorfchristm vereinbart toorben (s. königl. Sächs. Verordn, vom 3. Rovbr. 1879, Gesetz- u. VerordnBl. S. 393, betrifft Transport, Handel, Lagerung explosiver Stoffe, daS ist insbesondere Schieß- und Sprmgpulver, Nitroglycerin, Dynamit, Schießbaumwolle, Feuerwerks­ körper, Zündungen, dagegen nicht Zündhütchm, Zündspiegel, Metallpatronm). Feuergefährliche Gegenstände dürfen nicht in den Eisenbahnpersonmwagm mitgenommen werden (Bahnpolizeireglem. für die Eifenbahnm Deutschlands vom 4. Jan. 1875 § 62), auch sind sie vom Haufirhandel ausgefchloffm (RGew.O. § 56, 4). Schieß­ pulverfabriken, Anlagen zur Feuerwerkerei und zur Bereitung von Zündstoffen aller Art, Gasanstalten, Anstalten zur Destillation von Erdöl u. s. w. unterliegen dem gewerbepoltzeilichen Genehmigungsverfahren (s. o.; RGew.O. § 16, Oesterr. Gew O. § 33, Franz. Dekret vom 15. Oktbr. 1810). Im Uebrigm greift partikulare und lokalrechlliche Regulirung Platz (Vorfchristm für Gewerbebetriebe der Schmiede, Böttcher und andere Metall- und Hoharbeiten — f. o., sowie Bayer. Verordn, vom 24. Febr. 1871 und 19. Mai 1874, Bremisches Gesetz vom 3. Mai 1872

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§ 28 —, wegen des Holztrocknens, HansdörrmS, Flachsröstms, Fettauslaffms, Delfixens u. s. w.). IL Bekämpfung. Behufs wirksamerer Bekämpfung entstandener Schadmfeuei sprechen die F.-Dänungen die Verpflichtung theils der Einzelnen, theils der

Gemeinden und zu diesem Zwecke bestehenden Verbände (FmerlöschverbLnde) aus, die erforderlichm Löfchappamte und Rettungseinrichtungen (Eimer, Leitern, Laternen, Wasserfässer, Spritzen, Feuerhaken) in tüchtigem Zustande bereit zu haltm und beim Ausbruche eines Feuers in Thätigkeit zu setzen (Feuerwehrdienst der Gemeinde­ einwohner). Wer Feuer bemerkt, hat dasselbe sogleich zu melben. Im Einzelnen partikularrechtliche Regulirung zum Theil mit Heranziehung der FeuerverficherungSgesellschastm zu Feuerkaffenbeiträgen; meist auch daS Institut der periodischen Feuer­ beschau (Feuervifitation) durch die Drtspolizei. Wer die vorgeschriebenen Feuerlöschgeräthschaften überhaupt nicht oder nicht in brauchbarem Zustande hält oder andere feuecholizstliche Anordnungen nicht befolgt, ist strafbar nach § 368, 8 des StrafGB. — Das F.recht Deutschlands ist ohne Zweifel einer weiteren ein* heitlichen Regelung fähig und bedürftig. Leuthold. Feuerversicherung (Th. I. S. 541—542). Der Versicherungsvertrag, in­ haltlich deffm sich Jemand gegen Entgelt den Ersatz des Schadens, welcher durch Feuer verursacht werden ftmn, für den Fall des wirklichm Eintritts dieses SchadmS von einem Anderen versprechen läßt, unterliegt im Wesentlichen denselben rechtlichen Prinzipien wie die Versicherungsverträge überhaupt. Hierüber f. unten d. Art. Ver­ sicherungsvertrag. (Vgl. auch ferner die Art. Polize, Prämie, Rück­ versicherung, Seeversicherung, Versicherungswesen, polizeiliches, sowie die Art. Feuerkassengelder und Feuerpolizei). Die für die F. maßgebenden Rechtsregeln haben jedoch größtentheils eine im Detail mehr entwickelte Gestalt gewonnen, als die daS Versicherungswesen auf anderen Gebieten norrnirenden, und dieser Umstand hat, abgesehen von volkswirthschaftlichen Einflüffen, seinen Grund darin, daß die Assekuranz gegen Feuersgefahr zu den ältesten Zweigen des Versicherungswesens gehört (wenngleich sie das Alter der See­ versicherungen so wenig wie die Durchbildung des Seeverficherungsrechts erreicht), hauptsächlich aber darin, daß die F. vielfach das staatspolizeiliche Gebiet berührt und daher im Interesse des Gemeinwesens an Schranken und Voraussetzungen gebunden ist, die aus anderen Verfichemngsgebieten fehlen. Hierin herrscht jedoch noch große Rechtsverschiedenheit; zwar stellt die Deutsche RVerf. das Versicherungswesen unter die Aufsicht und Gesetzgebung des Reiches (Art. 4 Ziff. 1), auch find zahlreiche Anträge und Vorschläge aus Erlaß eines Deutschen Versicherungsgesetzes gerichtet (vgl. Bodenheimer a. a. D. S. 73 ff., gemeinnütz. Wochenschr. a. a. D.) und im Reichsamt des Innern, wie man vernimmt, werthvolle Vorarbeiten hierzu vor­ handen, das werthvollste Material wol in den beiden Jacobi'schen Gesetzentwürfen, hervorgegangen aus Preußischen Kommisfionsberathungen 1869; zur Zeit aber ist das für F. geltende Recht noch sehr vielgestaltig, auch innerhalb Preußen selbst. F. ist Versicherung gegen den Schaden, welcher durch Feuer verursacht wird, vorausgesetzt, daß dieser Schaden an Sachen (F. ist Sachenversichemng) und nicht an Personen eingetreten ist (letzterensalls würde die Versicherung unter Unfall* oder Lebensversicherung fallen) und ferner vorausgesetzt, daß der Brandschaden nicht am einem zum Erwerb durch Seefahrt bestimmten Schiffe während einer bestimmten Fahrt desselben zustieß, ein Fall, der der Seeversicherung (HGB. Art. 782, 824; s. auch dm Art. Seeversicherung) anheim fiele. DieF.wird entweder gegenPrämie übemommen oder aufGegenseitigkeit betrieben; s. hierüber d. Art. Versicherungsvertrag, semer Goldschmidt, H.R., § 49, II; Laband in Goldschmidt's Zeitschr. für das gef. H.R., Bd. 24 S. 66 ff. ; Aufchütz und Völderndorff, Komm, zum HGB. III. S. 22 ff.) Mrd die F. gegen Prämie übernommen, so ist dieser Vertrag für den Uebernehrner (d. i. den

Empfänger der Prämie) ein objektives (absolutes) Handelsgeschäft selbst dann, wenn die Versicherung eine Versicherung von Liegenschaften gegen FeuerSgefahr ist (HGB. Art. 271, Zisf. 3; Art. 275); denn der Gegenstand deS Vertrages ist wie bei allen Versicherungen die Sichemng eines bestimmten JnterefleS gegen mögliche Schädigung, eine Sicherung, welche der eine Kontrahent gegen Prämie erhält, der andere giebt; Gegenstand der Jmmobiliar-F. ist nicht die Liegenschaft selbst, sondem das Jntereffe am Nichteintritt ihres Verbrennens u. dergl. (vgl.-hierüber Entsch. d. ROHG. Bd. V. S. S). Die Gesellschaften, welche F. gegen Prämie gewerbemäßig betreiben, find daher als Kauflmte anzusehen und ihre BerfichemngSverträge an die

etwa partikularrechtlich vorgeschriebenm Formalien nach Handelsrecht nicht gebundm. Die Gesahr, welche bei der F. vom BerfichemngSnehmer aus den Versicherer

übertmgen tottb, ist nicht nothwendig die FeuerSgefahr allein; die VerficherungS» verträge dehnen die Haftung der Versicherer häufig weiter auS, auf solche Schäden insbesondere, welche nur mittelbar dem Feuer entspringen; fehlt er an besonderen Fortsetzungen, so ist allerdings nur die eigentliche FeuerSgefahr (Verbrennen, An­

brennen, Verkohlen, Verrußm, EinMrzen u. dergl.), nicht aber die Gefahr, daß auS dem Löschen, Niederreißen, Retten u. dergl. Schäden entstehen, als die im F.-Vertrage übertragene bzw. übernommene Gefahr anzusehen. Der Unfall, d. i. die Verwirklichung der in der Gefahr drohenden Schädigung an einem bestimmten Objekte (oder wie man zu sagm pflegt, an der versicherten Sache), besteht entweder in völligem Untergang (totaler Entwerthung) oder in theilweiser Beschädigung (partielle Entwerthung, Verminderung) der Sache; daS ver­

sicherte Jntereffe geht demnach bei der F. dahin, daß sich der Unfall weder ganz ngch theilweise (direkt oder, je nach Vertrag, indirekt) auS der FeuerSgefahr entwickle; die Versicherungssumme ist daher letzterensalls zu entsprechendem Theile zu bezahlen, insoweit die Sache versichert ist. Die Ansprüche auS dem F.-Vertrage find obligatorischer Natur; Recht und Pflicht deS Versicherungsnehmers find, soweit nicht die Zulässigkeit deS F. überhaupt in Frage kommt, an Besitz oder Eigenthum der verfichertm Sache nicht gebunden ; jedoch ist »bei Veränderung in dm Eigenthum-verhältnissen von Gebäuden, welche gegen Feuer versichert find, nach parttkularm Rechtm, soweit nichts Anderes vereinbart ist, anzunehmm, daß der neue Erwerber stillschweigend in dm lausmdm F.-Bertrag eintritt und vom Versicherer als BerfichemngSnehmer anerkannt toitb. Dgl. Ä6» walzig a. u. a. O. S. 100 ff.; Preuß. Grundbuchgesetz vom 5. Mai 1872 § SU; Entsch. d. ROHG. Bd. V. S. 1, Bd. XIV. S. 414, Bd. XXIII. S. 92). Die Pflicht der Prämienzahlung wird im Zweifel als Holschuld aufgefaßt, s. Entsch. deS ROHG. Bd. IX. S. 375, 386; Kowalzig a. u. a. O. S. 115. Die Pflicht zur Auszahlung der VerfichemngSfumme tritt erst nach völliger Klarstellung deS ein­ getretenen Schadens ein, daher Verzugszinsen erst von da an zu mtrichtm stab, f. Entsch. d. ROHG. Bd. I. S. 119, Band III. S. 353, Bd. VI. S. 414, Bd. X. S. 383; Kowalzig a. u. a. O. S. 139. (In Bezug auf Jmmobiliar-F. s. unten.)

Der Gmnd der Verwirklichung der Gefahr (d. i. der Entstehung deS Unfalls auS der Gefahr) ist für die Verpflichtung des Versicherers, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist, noch auch den BerfichemngSnehmer oder Versicherten ein Verschuldm trifft, gleichgültig (darüber, ob eine nur leichte Verschuldung deS VerfichemngSnehmerS oder Versicherten den Versicherer von der Haftung für Schadenersatz befreit, s. Seuffert'S Arch. Bd. XXI. Nr. 76, Beseler a. u. a. O. § 111, Anm. 14). Daher verpflichtet die F. den Versicherer zum Ersatz deS durch Brand (oder deffm Folgm, s. oben) heMorgemfenen Schadens, gleichviel ob der Brand durch Elektrizität (Blitz, Wasserhose, s. Beseler a. u. a. O. Anm. 13), oder durch Vermittlung eines anbeten Ereignisses entstand und gleichviel ob dieses Ereigniß Zufall oder berechnete mensch­ liche Handlung, wie Brandstiftung durch Fremde, femer Kriegsaktion, Insurrektion oder dergl., war (Gasexplosion, f. Preuß. Ministerialmtsch. im „Berliner Aktionär"

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Feuerversicherung.

1878 Nr. 553 und in Mittheil, der öffentl. F.-Anst. 1878 S. 134). Nur muß bemerkt werden, daß hieran sowol der Vertrag als auch die Gesetzgebung mancherlei ändern können und in der That ändew, z. B. bestimmen, daß, wenn der Brand­ schaden seiner eigenartigen Entstehung wegen von Anderen (z. B. Kriegsentschädigungs­ kassen) ersetzt wird, die dem Versicherer obliegende Entschädigungspflicht entsprechend wegfällt; s. z. B. Bayer. Gesetz vom 3. April 1875 § 37: „Entsteht in Kriegs­ zeiten ein Brand in Folge strategischer Anordnungen oder militärischer Operationen, so gilt die Versicherung nur für den dritten Theil derjenigen Ersatzsumme welche der Beschädigte im Falle eines gewöhnlichen Brandes erhalten haben würde. Wird dem Beschädigten der erlittene Schaden aus anderen Kassen entweder vollständig oder mit mehr als zwei Drittheilen ersetzt, so hat derselbe ersteren Falles die aus der Anstalt empfangene Entschädigungssumme ganz, letzteren Falles nur so viel zurückzubezahlen, als der empfangene Betrag die Gesammtsumme übersteigt". Die Thatsache, daß ein Versicherter Aussicht hat, von anderer Seite für den erlittenen Brandschaden entschädigt zu werden, oder gar Anspruch auf eine Entschädigung gegen Andere erheben kann, befreit den Versicherer von seiner Entschädigungspflicht nicht; dort entspricht es dem Prinzip aller Versicherungsverträge, dem Versicherer im ersteren Falle, wenn der Versicherte wirklich von anderer Seite entschädigt wurde (gemein­ rechtlich) die Rückforderung des Gezahlten (als condictio), im letzteren Falle einen Anspruch auf Klagenzession zuzugestehen; denn über den wirklich erlittenen Schaden hinaus gewährt kein Versicherungsvertrag Entschädigung. Die Sache, an bereit Nichtbeschädigung der Versicherte das versicherte Interesse hat, ist entweder eine bewegliche oder eine unbewegliche; hiernach werden Mobilia r-F. und Jmmobiliar-F. unterschieden. Tie Jmmobiliar-F. wird entweder durch staatliche Versicherungsanstalten oder doch wenigstens unter Mitwirkung staatlicher Behörden (z. B. unter noth­ wendiger polizeilicher Genehmigung der Polize) betrieben ; die hierfür maßgebenden Partikulargefetze statuiren theils einen weitgehenden Versicherungszwang, theils ein Versicherungsmonopol einer staatlichen oder unter Staatsmitwirkung geleiteten An­ statt, theils beides zugleich. Tas königl. Sächs. Gesetz vom 25. Aug. 1876 z. B. unterscheidet zwischen unbedingt beitrittspflichtigen, blos beitrittsfähigen und nicht­ beitrittsfähigen Immobilien; das Bayer. Gesetz vom 3. April 1875 erklärt die Theil­ nahme an der (rechtsrhein.) Brandversicherungsanstalt im Allgemeinen als freigegeben, jedoch mit der Maßnahme, daß jede F. von Gebäuden bei anderen F.-Anstalten unter dem Nachtheile der Vertragsnichtigkeit verboten sei und daß gewisse Kategorien von Gebäuden versichert werden müssen, nämlich die Staats-, Gemeinde-, Kirchen-, Schul-, Stiftungs-, Pfarr-, Benesizial- und Kuratgebäude, die Gebäude der unter Vormundschaft stehenden Personen, die im Miteigenthum oder verbundenen Eigen­ thum befindlichen, sowie die mit Hypotheken belasteten Gebäude, letztere sofern ein Hypothekengläubiger die Versicherung gerichtlich beantragt. In Preußen sind nun­ mehr diejenigen Bestimmungen des Reglements der öffentlichen Feuersozietäten auf­ gehoben, durch welche den bei diesen Sozietäten nicht versicherten Personen Beiträge zu den Kosten der öffentlichen Sozietäten oder Beschränkungen in Bezug auf die Höhe der Versicherungssumme auferlegt werden oder welche die Einrichtung, die Befugnisse und den Geschäftsverkehr anderer Versicherungsgesellschaften betreffen, un­ beschadet des in einzelnen Bezirken bestehenden Gebäudeversicherungszwanges (Preuß. Gesetz vom 31. März 1877, die maßgebenden in den einzelnen Provinzen geltenden Normen weichen von einander ab (s. unten). Die Auszahlung der Versicherungssumme bei Jmmobilien.-F. ist häufig von der Bedingung abhängig gemacht, daß das abgebrannte Gebäude auf der alten Stelle (polizeilich gestattete Ausnahmen Vorbehalten) bauordnungsmäßig wieder auf­ gebaut und die Entschädigungssumme lediglich zu diesem Zwecke verwendet werde, und erfolgt zur Erreichung der Erfüllung jener Bedingung nicht selten in Raten,

Feuerversicherung.

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deren Fälligkeit mit dem Fortschreiten des Wiederaufbaus gleichen Schritt hält. Ueber hypothekarische Eintragung der F.-Summe und das Verhältniß der Gläubiger zu dieser Summe s. unter: Feuerkassengelder; ebenda die Quellen des Preuß. R. , ferner Bayer. Gesetz Art. 46 (hierzu Hauck a. u. a. O. S. 13, 19, 31,94 u. a.); königl. Sächs. Gesetz §§ 113, 117, 144, 148 u. a. (s. v. Bernewitz a. u. a. O. S. 58, 76 ff.) Die öffentlichen, zur Annahme der Versicherung verpflichteten F.Anstatten haben im Konkurs ihrer Schuldner ein Vorzugsrecht (3. Stelle) wegen der nach Gesetz oder Verfassung zu entrichtenden Abgaben und Leistungen aus dem letzten Jahre vor der Eröffnung des Konkursverfahrens (s. KO. vom 10. Febr. 1877, § 54 Ziff. 3). Die Mobiliar-F., auf deren Gebiet allzustarke Konkurrenz, wenn nicht staatliche Aufficht Schranken zieht, leicht schädlich wirkt (s. Bodenheimer a. u. a. O. S. 63, 132 ff.), unterliegt besonderer staatlicher Ueberwachung nicht blos insofern dieselbe wie jedes andere Versicherungsunternebmen durch die Gewerbeordnung nicht freigegeben (vgl. Art 6 der Gewerbeordnung mit StrafGB. § 360 Ziff. 9) und der Agenturbetrieb sowol für Mobiliar- wie für Jmmobiliar-F. anzeigepflichtig ist (RGew.O. § 14 Abf. 2), sondern insbesondere durch das Verbot der Ueberversicherungen und der Toppelversicherungen (z. B. Bayer. Polizei-StrafGB, von 1871, § 100: „Überversicherungen von Mobilien, welche durch wissentlich unrichtige Werths­ angabe in der Art herbeigeführt werden, daß die in demselben Vertrage versicherte Gesammtsumme den wahren Werth der Verfichenmgsgegenstände mindestens um den vierten Theil übersteigt, werden an den Mobiliarbesitzern, sowie an den betheiligten Schätzern und Agenten an Geld bis zu 175 Thalern gestraft. Gleicher Strafe unter­ liegen Doppelversicherungen, mittels deren der bei einer Gesellschaft oder Anstalt bereits versicherte Werth einzelner oder mehrerer Mobilien auch noch bei einer anderen Gesellschaft oder Anstalt versichert wird."). Nicht verboten sind die Rückversicherungen, hierüber vgl. d. Art. Rückversicherung, ferner Entsch. des ROHG. Bd. V. S. 163 und Preuß. LR. II. 8 § 2016 ff. Die Anmeldung zur F. (der Versicherungsantrag) hat mit besonderer Sorgfalt zu geschehen (vgl. Entsch. des ROHG. Bd. VI. S. 423; Bd. IX. S. 65, 286, 350 u. A.), jede wesentliche Aenderung der Sachlage ist anzuzeigen, sofern die Bedingungen (Voraussetzungen) des Versicherungsvertrags dadurch geendet, insbesondere die Gefahr erhöht wird (was wesentlich hierbei ist, s. Kowalzig a. u. a. O. S. 110—111, 117 ff; Entsch. des ROHG. Bd. I. S. 156 (Unterbringung des versicherten Mobiliars in verschiedenen Stockwerken eines Hauses — wesentliche Aen­ derung?), ferner Bd. V. S. 299, Bd. X. S. 207, Bd. XIV. S. 415). Die Uebergabe der Polize ist zur Perfektion des Vertrags nicht erforderlich (ROHG. Bd. III. S. 346, Bd. V. S. 10, Bd. IX. S. 382), der Inhalt der Polize, soweit er zur Zeit des Vertragsabschlusses feststeht, im Zweifel für den Vertrag maßgebend und wenn ungenau redigirt, im Zweifel gegen den Versicherer auszulegen. (ROHG. Bd. III. S. 86, Bd. IV. S. 59; über die Androhung von Rechtsnachtheilen in Polizen s. die Entsch. des ROHG. Bd. I. S. 112, Bd. II. S. 183, Bd. IV. S. 59, Bd. VIII. S. 410, Bd. XL S. 272; Kowalzig a. u. a. O. S. 99 ff., 119 ff.) Zur Durchführung der polizeilichen Kontrole der F.-Anstalten sind mitunter besondere Staatsbeamte (wie die Brandversicherungs-Jnspektoren u. dergl.) bestellt. Der Abschluß eines jeden Mobiliarfeuerversicherungs-Vertrags ist auszugsweise der Polizeibehörde mitzutheilen und letztere kann verlangen, daß jede Versicherungsgesell­ schaft, welcher der Betrieb der Mobiliar-F. im Jnlande — konzessionsweise — gestattet ist, inländische Generalagenten anstelle (— über Prorogation der Gerichte s. Entsch. des ROHG. Bd. XIV. S. 37; CPO. §§ 38—40) und die Vormerkbücher der Agenten vorlege. Ueber die privatrechtliche Stellung der F.-Agenten f. Entsch. des ROHG. Bd. V. S. 41, 114; Bd. VI. 85, 425; Bd. VIII. S. 55 ff.; Bd. IX. S. 382, 377; Bd. X. S. 383; Bd. XVII. S. 23, 319.

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-ichtrv — MMe.

Quelle» u. Lit.: -Werf. Art. 4 Ziff. 1 u. 18. — RStrafGB. Art. 860 Iiff. v. Preuße»: Prenß. 89L JL 8 1034—058. — Preuß. EG. zu« HGB. Art. 60 Nr. 1, Art. 61 Nr. 1. — Preuß. Gesetz über Moblliar-F. v. 8. Mar 1837 (Gesetz-Samml. S. 102) ; Allerh. KabirretS-Ordre hierzu v. 24. Dez. 1837: Mmisterialverfügung (Instruktion zum Gesetz) vom 10. Ami 1887. — Allerh. KabiuetS-Ordre v. 30. Mai 1841; v. 2. Juli 1859 (Ges.-Samml. S. 1131) u. v. 18. Sept. 1861 (Ges.-Damml. S. 790). — Ferner die sauktiouirten Reglements der Feuersozietäten in den einzelnen Neuerung-bezirken u. s. w. Brandkaffen in Hannover, Ges. v. 6. Febr. 1871 mit A. E. v. 3. Juni 1871; Naffau, Ges. v. 1. Dez. 1871; Ostpreußen, Ges. v. 30. Dy. 1837. A. E. v. 29. Aul! 1871; Kur- und Neumark, Ges. v. 19. Juli 1846, A. E. v. 18. Sept. 1871; Schlesien, Regle«, v. 1. Sept. 1852, v. 28. Dez. 1864, v. 20. Sept. 1871; Prvd. Sachse», Reale«, v. 21. Aua. 1863, A. E. v. 23. Okt. 1871: Posen, Regle«, v. 9. Sept. 1863, A. E. v. 25. Okt. 1871; Altpommern, A. E. v. 17. Ja». 1872; Rheinprovinz, v. 1. Sept. 1852; Reg.-Bez. Marienwerder u. Danzig, Reglm. v. 21. Nov. 1853, A. E. v. 21. Jan. 1874; Schleswig-Holstein, A E. v. 8. Mürz 1876 u. A. — Preuß. Ges., betr. die Revision bzw. Abänderung der Reglement- der öffentl. Feuersozietäten, v. 31. März 1877, Gesetz-Samml. S. 1077 (s.auch in Goldschmidt'- Zeitschr. f. H.R. Beilagehest zu Bd. 23 S. 41— 42). — ßöff, Gesetze u. Verordnungen der Preuß. Staaten bez. des F.wesens, 1870. — Schiffmann, Da- F.wesen des Preuß. Staate-. — Bayern: Bayer. Reservatrecht bez. Jmmob.-F., Ziff. IV. n. Schlnßprot. a. Versailler Vertrag, v. 23. Nov. 1870. Ges.-Blatt S. 187. — Bayer. BrandverficherungSge^tz f. d. Königr. Bayern dieff. d. Rh. v. 3. April 1875. (Hierzu anSführl. Kommentar v. Th. Hauck, Nördl., 1875.) — Mn.-E»tschl. KollzugSrnstruktion v. 30. Juni 1875). — Mobikiar-F.: Verordn, v. 11. Sept. 1872; Bayer. PolizeiStrafGB. Art. 2 Ziff. 2; Art. 100; Art. 134. — v. Pechmann, Wirkungskreis d. Bayer. Distr -DerwaltungSbeh., zunächst der Bezirksämter, 4 Anst. 1880, bearb. v. W. Stadelmann, E. 297—304. — KraiS, Handbuch der inneren Verwaltung h» dieSrh. Bayern, Würzburg 1876, S. 211—226. — Königr. Sachfen: Ges. die LandesJmmobiliar-BrandverficherungSaustalt betr., v. 25. Aug. 1876, mit Verordn, v. 18. Nov. 1876. — Ges. da- Mobiliar- und PrivatfeuerverficherungSwesen betr., vom 28. Aug. 1876 mit Verordnung v. 20. Nov. 1876. — v. Bernewitz, Die BrandverficherungS-Gesetzgeb. des Kvnigr. Sachsen, Dresden. — Großherz. Hessen: Ges. v. 10. Sept. 1878, oie LandeSbraudversicherungSanstalt betr. — Brandaffekurauzordu. v. 18. Nov. 1816. — Ges. v. 21. Febr. 1824, oie Vergütung der Brandschäden betr. — Ges. v. 6. Juni 1853, daff. betr. — Ges. v. 30. Ott. 1860, Safi. betr. — Mobiliarfeuervers.-Ges. v. 25. Npv. 1871, Versicherung von Mobiliar- und F.Sanst. betr., mit Verordnung v. 11. Dez. 1871. — Fr. Pfaff, Die Gesetzgebung deS GroßherzogthumS Heffen über Gebäude- u. Mobiliar-F., Darmstadt, 1873. — E. Bezold, Die Deutsche Gesetzged. über da- Versicherungswesen, in v. Holtzendorff'S Athrbuch, 1874. — Malß in Goldschm. Zeitschr. f. H.R., Bd. XIII. u. a. a. O. Th. Send tu er, in Hirth's Annalen deS Deutschen Reichs, Jahrg. 1873. — C. BodenHeimer, Zur Gesetzgebg. über das Versicherungswesen, Bern, 1879. — F Kowalzig, DaS reichSgesetzl. Urheberrecht rc., Berlin 1877, G. 81 ff. — Beseler, D. Priv.R., I. § 111. — Gerber, D. Priv.R., § 202. — Endemann, H.R., 3. Aust. § 175. — Thöl, H.R., 6. Aust. § 297. — Statistisches über F.: Hirth's Annalen des Deutschen Reichs, 1879. — Mever's Deutsches Jahrbuch 1879—80, S. 781 ff. — Gemeinnütz. Wochenschrift, Würzburg 1880, Nr. 7 ff. — „Mittheilungen über die öffentl. F-sanstalten^ und die Literatur über Versicherungswesen. GareiS.

Fich«rd, J oh., s 23. VI. 1512 zu Frankfurt a. M., Adv. am R.K.G., dann Syndikus in Frankfurt, suchte 1536 Alciatus auf und stud. in Padua, 1538 wieder Stadtschreiber in Frankfurt, berühmt als Konsulent, f 7. VI. 1581. Berf. d. Solmser Gerichts- u. Landesordnung v. 1571 und der Frankfurter Reformation von 1578. Schriften: Consilia, Francos. 1590, Darrost. et Gissae 1677. — Joriscons. vitae ab Irnerio usque ad Zäsium ed. Hoffmann, Lips. 1721. Lit.: Stobbe, Recht-quellen, II. 41, 42, 57, 318, 379. - Autobiogr. in J.K.v. Fichard, Franks. Arch. f. ältere Deutsche Literatur u. Geschichte, II. 1812 S. 3—53 u. Biogr. v. PetrejuS vor den Consilia. — v. Stintzing in d. Allg. Deutsch Biogr. VI. 757 (auch über f. Sohn Raymund Pius, 1540—1584 daselbst, S. 760). — Ztschr. f. Deutsches R. XVn: 292. - Ztschr. f. RechtSgesch. VIIL 270. Teichmann.

M»t-, Joh. Gottl., $ 19. V. 1762 zu Rammenau bei Bischofswerda, 1794 Prof, in Jena, 1810 in Berlin, erster Rektor daselbst, t 27. I. 1814.

Kiguetra de Welle — gittteien. Schriften: Grundlage de» Naturrecht», Jena, Jena, Leipz. 1798. — Der geschloffene HandelSstaat, Zeitalter», Berk. 1806. — System d. Recht-lehre in 1820. — Sämmtliche Werke, Berlin 1845, 1846. 3. S. Fichte, Lichtstrahlen. Leip,. 1863.

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Leip,. 1796. — System der Sittmleh«, Täb. 1800. — Brundzüge b. «gnUoärt. Vorlefungen, 1812. — Staat-lehre, Brick. — Nachgelassene Werke, Bonn 1884. —

Bit: I. H. Fichte (Sohn), I. @. F.'» Leben n. lit. Briefwechsel, 2. Aust., Leipzig 1862. — Ähren», Raturrecht, L 150—155. — Ähren», F.'» polit. Lehre, Leim. 1862.— Gey er, Besch, u. Syst. d. Recht-philos., 55—60. — Roack, F nach s. Leben, Lehrm mch Wirken. Leipz. 1862. — St. Fischer in d. Lllgem. Deutsch. Biogr. Vt 761.

Sein Sohn Immanuel Hermann von Fichte, K 18. VH. 1796 z« Jma, t 8. VÜL 1879, Berfafser deS „System d. Ethik", 1850—58, u. anderer

brteutender Schriften.

Vgl. Ztschr. v. Llrici, Bd. 66 S. 152—168. Deichmann.

Figneirn de StcHo, Jeronymo Martiniano, K zu Sobral (Stert) 19. IV, 1809, wurde 1873 Mitglied des höchsten Gerichtshofs in Rio, war Mitglied der Revisionskommission deS Codigo Civil (1865), f 20. Vm. 1878.

Er schrieb: Relatorio Bohre o projecto de Codigo Civil de Bacheiel A. T. de Freitag. Deichmann.

Wktianen nennen wir im Allgemeinen Vorstellungen oder Begriffe, mit welchen wir dergestalt operiren, als wenn ihnen etwas Wirkliches entspräche, — sei es nun Ding, Eigenschaft, Zustand oder Vorgang, sei es in Gegenwart oder Vergangenheit, — während dieses Etwas in Wahrheit, in der vorgestälten Weise wenigstens, nicht existirt. Wie wir zu einer solchen Verwendung von Vorstellungen oder Begriffen gelangen, ob durch Uebertragung einer für einen gewiffen Fall durchaus zutrr^mden

Vorstellung auf einen in Wahrheit anders gearteten, ob durch bewußtes Festhalten an einer gewiffen naiven Anschauung oder einer wiffenschaftlichen Hypothese für einen be­ stimmten Zweck, auch nachdem selbige als unrichtig erkannt find, ist für den Begriff der F. gleichgültig. Wohl aber kann der Grund für eine solche Verwendung von Vorstellungen im Gebiete der Jurisprudenz ein doppelter sein: theils wird damit die leichtere Anknüpfung eines neuen RechtSsatzeS an das bisherige Recht bezweckt» theils nur eint Erleichterung des juristischen Denkens. Der erstere Grund fällt hinweg, sobald der neue RechtSsatz sich eingebürgert hat. Man hat daher mit Recht denjenigen F., welche auf btcfcn Grund allein zurück» zifführen find, eine blos historische Funktion zugeschrieben. Hierher gehören bei­ spielsweise jene bekannten F., deren sich die Römische Prätur bedient hat, um im An­ schluß an die volksrechtlich begründeten Aktionen neue Klagformeln — fonnulae fictidae — zu schaffen: die F. des bonorum possesaor als Erben, des im Usukapionsbefitz Be­ findlichen alS Eigenthümer, des ausländischen Diebes als civis Romanus u. f. w. (Keller, Röm. Civ.-Proz., § 31). Zum Theil find solche F. schon im spätem Röm. R. überwunden Worten und das Streben, fie sür daS Recht der Gegenwart, auch soweit daffelbe nichts anderes sein will, als neu redigirteS Röm. R., vollständig zu beseitigen, ist ein wohlberechtigtes. Anders liegt die Sache in Betreff der F. der zweiten Art. Freilich ist eS durchaus verfehlt, denselben unter dem Titel: „Dogmatische F." zugleich einen selbständigen wiffenschaftlichen Werth beizulegen. Selbständigen wiffenschaft­ lichen Werth haben immer nur Wahrheiten und jede F., sofern fie F. ist, stellt sich gerade in Widerspruch zu irgend einer bereits erkannten oder doch vermutheten Wahrheit. Dies schließt indeffen nicht aus, daß die F. ein wichtiges Hülfsmittel fein kann, bald für die wissenschaftliche Darstellung anderer schon gewonnener Wahrheiten, bald auch sür die Entdeckung neuer. Denn was fie fordert, ist ja nicht die Negation, die Ableugnung der Wahrheit, sondem nur ein bewußtes Abstrahiren davon, oder mit anderen Worten ein zeitweiliges Jgnoriren derselben um eines bestimmten Zweckes willen.

MImmM.

880

Wenn dieser sehr erhebliche Unterschied vollständig verkannt wird von Denen, welche gerade in unfern neueren Jurisprudenz dem Gebrauch von F. als Gegner erstanden find, so hat dies seinen Hauptgrund wol in dem unter Juristen weit verbreiteten Borurtheil«, daß „F. innerhalb der Wissenschaft" bisher nur auf dem Gebiete des Rechts, und etwa noch der Religion, eine Rolle gespielt hätten. Allein das gerade Gegentheil ist wahr: die F. spielt in allen möglichen Wiffenschaften ihre Rolle und zwar nicht zum wenigsten in denjenigen, welche auf den Titel exakter Wiffenschaften in erster Linie Anfpruch haben. ES mag hier nur daran erinnert weiden,

daß die ganze Wissenschaft der sogen, reinen Mechanik auf einer F. beruht, nämlich auf der Forderung, daß zu dem bestimmten Zwecke, dm diese Wissenschaft verfolgt, alle Körper alS absolut feste gedacht werden, obgleich neben dieser Forderung das ebenso klare Bewußtsein einhergeht, daß in Wirklichkeit keinem Körper die Eigenschaft der Festigkeit in absoluter, sondern immer nur relativer Weife, in größerem oder geringerem Grade zukommt. Daher dmn auch die Vertreter der Logik hmtzutage gar nicht daran bentert, die F. den fehlerhaften oder schlechthin müssigen Denkoperationen beizuzählm, vielmehr gelegentlich ausdrücklich zuzugestehen pflegen, daß F. werthvolle logische und didaktische Hülfsmittel sein können (vgl. z. B. Wundt, Logik 1879, I. S. 403). Die Frage kann nach Alledem nur sein, unter welchm Boraussehungm eine F. alS logisches oder didaktisches Hülfsmittel des juristischen Dmkms geltm darf. Zu beantwortm aber ist dieselbe dahin: Erlaubt ist der Gebrauch von F. überall, wo die betreffende F. nicht blos durch rein individuelle Neigungm, sondem durch Bestimmungm des pofitivm Rechts selbst, resp, gewiffe naive, gemeinmmschliche Anschauungen der Rechtsgmoffen gegebm oder doch nahe gelegt ist, sofern sie nur gleichzeitig alS F. erkannt und nöthigmfallS auch ausdrücklich als solche bezeichnet wird. Sind diese Bedingungm erfüllt, so bleibt im Allgemeinen nur die ZweckmäßigkeitSftage Übrig. Der Gebrauch einer F. ist unzweckmäßig, wmn man ohne F. ebmso bequem

beim Dmkm und Darstellen auskommt. Dagegm wird eine F- um so werthvoller, je größer anderenfalls der juristische Apparat sein müßte, der durch dm Gebrauch der F. erspart wird. Unter mehrerm an sich gleichwerthigen F. endlich verdient diejenige den Vorzug, welche bereits den allgemeinen Gebrauch für sich hat. Daher ist jeder

Beseitigungsversuch verwerflich, der zu neuen, und doch nicht zweckmäßigerm F. führt; noch ungleich mehr aber natürlich derjmige, bei welchem die F.bildung dem Urheber gar nicht zum Bewußtsein kommt. So steht z. B. augenblicklich die Sache bei der F. der sogen, juristischen Personen: Alle bisherigen Versuche, diese F. aus der Welt zu schaffen, involviren ihrerseits wieder nme F. Ob hiervon nicht die eine oder andere einen Fortschritt gegen die von Savigny formulirte enthalten möchte, kann hier nicht erörtert werdm. Jedenfalls leiben sie vorläufig sämmtlich an jenem schlimmsten Fehler, an welchem überhaupt eine F. leiden kann: sie werden

von Dmen, so sie aufgestellt oder angenommen, gar nicht als F. erkannt.

Bit: Savigny, Beruf uns. Z., (3. Ausl.) 6. 32. — Kunhe, Oblig. u. Singularsuccesfion, (1856) S. 87 ff., 377 ff. — Demelius, Die Recht-fiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung (1858). — Arndt- in der Krit. B.J.Schr. I. S. 93 ff. — Jhering, Geist d. Röm. R., (2. Ausl.) Hl. E. 298—301. — Bülow, Civilprozefs. F. und Wahrheiten (1879). — Leonhard, Inwieweit giebt e- «ach der Deutschen CPO. Fiktionen 1, 1880. — Bierling, Zur Kritik d. jurift. Grundbegriffe, Thl. ll. § 166 ff. — (In Betreff der einzelnen F. rfi auf die einzelnen Lehre« zu verweisen.) Bierling. MlckNgiert,

Gaetano, 5 18.

VIII.

1752 zu Neapel,

wurde 1774 Adv.,

1777 maggiordomo u. Offizier in der Marine, 1787 Staatsrath am Finanzminift., t 18. VII. 1788.

Schriften: Morale dei prindpi fondata sulla natura e »all' ordine sociale. — Riflesrioni politiche eull’ ultima legge sovrana ehe riguarda l amm, della giustiria, Nap. 1774 — La sdenza della legislanone, Nap. 1780—1785; Genova 1788; Filadelfia 1799, 1812; Milano 1817, 1827; Milano 1856 (col commento di Constant); Firenze 1864—76 (ed. Pasquale Villari): fr. v. Gallois, Par. 1789^-1791; v. Constant 1821; deutsch v.

giBettoeÄtey — Muberrecht.

881

Zink, LnSb. 1788—1791; v. Äustermann, Wien 1784; «gl. b. Llahton, Lorch. 1806; sp. v. Xubio, Wobt. 1787. — Ueber d.Bnklageprozetz u. d. Seschwornengericht, Berl. 1849. — Oeuvres treck, de l’italien, Paris 1822. Lit.: Bluntschli, EtaatSWörtB. m. 520-524.-Bluntschli, Sesch. d.Staat»«.,287 bi» 292.— Mahl, LH 387, 472. — Lommasi'S Sedächtnißschr. auf F., dmtfchv. Müuter, KuSb. 1790. — Carmignani, Scritti inediti, Lucca 1851, IV. p. 212. — Villemain, Cours de litt&r. au 18. siöcle, 8. les. — Constant, Comm. sur rouvrage de F., 1822. — Sclopis, IL 611—616, HL 13. — Bargha, Vertheidigung, 1879 6. 191, 875, 659, 845. Leichmann. Nach Röm. R. kannte die Actio de liberis agnoecendis et alendis vom Kinde gegen dm Vater, evmtuell gegm dm Großvater, angestttlt werdm, auf Anerkennung und Ernährung. Auch die Mutter konnte de partu agnoscendo klagm. Dabei ist natürlich stets nur an eheliche Vaterschaft zu denken. Mr den besonderen Fall eines nach der Scheidung gebotenen Kindes verlangte ein SmatSbeschluß unter Bespasian, daß die Frau dem Manne, evmtuell Demjenigen, unter dessen Gewalt er stand, ihre Schwangerschaft innerhalb dreißig Tagen nach der Scheidung anzeigm sollte, wUmgenfalls ihr, nicht aber dem Kinde, die Klage verweigert wurde. Diese Bestimmungen find aber nie Gem. R. gewordm. Dagegm hat sich ein unrömischeS Gewohnheitsrecht gebildet, wonach auch gegen die Mutter geklagt und auch die uneheliche Vater- oder Mutterschaft ermittelt werdm kann; s. hierüber Paternitätsklage.

Quellen: D. XXV. 3 de agnoecendis et alendis liberis. — Preuß. LR. IL 2 §8 58 ff. — Code Nap. art 312—330. Lit.: Glück, XXVm. 6. 86—106. — Wiudfcheid, § 520. — EiuteuiS, HL 875. «ivter.

Maser, 9tob., 5 in Kmt, Vertheidiger der absoluten Monarchie, f 1647. Er schrieb: Anarchy of a limited and mixed monarchy. — Patriarcha or the natural power of Kings, Lond. 1569, 1665. — Observ. conc. the origin of govemment against Milton, Hobbes, Grotius and Hemton, Lond. 1652. 8Ü.: Mahl, I. 231, 327. — AhrenS, Naturrrcht, 88. - Walter, Raturrecht, 458. Leichmanu.

Fiaßerrecht

(Fundgeld, Finderlohn, Findelgeld). Währmd Ulpian es für unanständig (non probe) erklärte, daß der Finder neben Ersatz seiner Auslagen eine besondere Belohnung (evperpa) von dem Eigmthümer fordere, erkannte daS Recht der Westgothm dm gesetzlichen Anspruch auf eine solche ausdrücklich an. DaS Dmtfche R. des Mittelalters vertrat die verschiedensten GefichtSpuntte. Einige Rechtsquellm, darunter der Schwabmspiegel, nahmen dmselbm Standpunkt wie die Römer ein, andere (z. B. der Sachsenspiegel) gewährtm ein Fundgeld nur in ganz bestimmten Fällen, wieder andere allgemein. Insbesondere bewilligtm das Görlitzer LR. und einige andere auf dem Sachsenspiegel beruhende RechtSquellm sowie die Sächsischen Praktiker, in Erweiterung einer Bestimmung des Sachsenspiegels, dem Finder ein Drittel der gefundenen Sache; dem entspricht noch hmte der Gerichts­ gebrauch in Thüringen, Anhalt und dm Russischen Ostseeprovinzen. Die Romanistische Doktrin zeigt sich schwankend. Einm gesetzlichen Bodm hat erst das Prmß. LR. geschaffen, dem die übrigen Kodifikationm mit Ausnahme der Franzöfischm gefolgt find. Hiernach erhält der ehrliche Finder von dem Werthe der Sache, nach Abrechnung seiner Auslagen und der durch das Aufgebotsversahrm entstandmm Kostm, ein Fundgeld von 10 Prozent, das sich, wenn der Wetth einen gewissen Betrag übersteigt, nach Preuß. und Sächs. R. aus 1 Prozent, nach Oesterr. R. auf 5 Prozent von dem Ueberfchuffe ermäßigt. Das Zürcher und das Bemer R. überlaffen die Höhe des FundgeweS richterlichem Ermessen. Daffelbe gilt überall, wenn die Sache nur einen individuellen Werth für dm Eigmthümer hat. Wer verlaufmes Vieh einfängt, hat nach Preuß. R. ein Fundgeld in der Höhe deS gesetzlichen Pfand-

882 gtlbtd bei Biehpfändungm zu beanspruch«. Wo bai Bernsteinregal besteht, erhält der Finder gegen Ablieferung des gefundenen Bernsteins an de« Berechtigt« dar gesetzliche Fundgeld. Durch Unterlasiung rechtzeitiger Anmeldung eines FundeS wich daS Fundgeld in allen Füllen verwirkt.

Bit.: L 43 § 9 D. de fort* 47, 2. — Lex Wiirig. VUI. 5, 7. — «chwabeufpieael, Lastb. 847. — Sachfeafpieael, EL 37, 2 — GörL LR. 47, 10. — Bremtt Städte. D. 1808, Oed118. — Grimm, WeiSthümer, L 557 ff., V. 21. — Wendifch-Rügian. Laudacbrauch 91, 204. — Peruh. 89L, L 9 §8 62—70. — Oesterr BGB § 391. — Sächf. BSB § 242. — Zür. PGB-, 628. — Eid. GB. f. Bern, 421. — BGB. v. Luzern, 272. — Heimbach, Lcheb. b. partit. Priv.R. der zu den Oberapp.-Serichten Jena u. Zerbst vereinten Länder, 6 182. -» v. Bunge, Kurlünd- Priv.R-, § 129: Derselbe, Liv- u. Esthläad. Priv.R., 2. Lust. I. § 133. — Delbrück i. d. Jahrbb. f. b. Dogm. b. heut. Priv.R., IH. 1 ff. R. Schröber.

Finderrecht (bergrechtlich). I. Nach Gemeinem Deutschen R. setzt die stets für eine bestimmte Lagerstätte (f. d. Art. Grubenfeld) erfolgende Verleihung einer Fundgrube, die seitens deS Muthers geschehene Auszeigung eines Fundes, d. h. den Nach­ weis einer Lagerstätte nach ihrem Streichen und Fall«, voraus. Die Darlegung der Wahrscheinlichkeit eines Gangvorkommens und selbst die Auffindung des Ausgehend« einer Lagerstätte genügt zur Berlechung nicht; doch kann aus letztere die Muthung gestützt wecken und hat dann der Muther binnen 14tägiger Frist (welche nöthigmfalls verlängert wird) den Gang zu entblößen und auszurichten. Nachweis der Bau­ oder Meßwückigkeit ist (abgesehen vom ältesten Rechte) nicht erforderlich. Ohne (neuen) Fundnachweis kann die Verleihung nur erfolgen, wenn es fich um die Muthung von Maßen (s. d. Art. Grub en selb), die Wiederaufnahme eines verlassenen Bergwerks oder die Verleihung eines Stollenrechtes (s. d. Art. Erb st ollen) handelt. Darauf, ob der Fund in Folge auf die Entblößung der Lagerstätte gerichtet gewesenen Schürfarbeit« bez. durch einen mit Schurfschein (s. diesen Art.) verseh« gewesenen Schürfer oder zu­ fällig (z. B. beim Grab« eines Brunnens, Tunnels, Baugrundes) gemacht worden ist, kommt gemeinrechtlich nichts an (dagegm fordert Preuß. LR. II. 16 § 154 Schurs­ schein). Dem Finder, welcher von seinem Funde durch Einlegung von Muthung fristgemäß (gemeinschaftlich arbiträre Frist, partikularrechtlich — z. B. Bayern, Oesterreich — mehrfach 3 Tage, Preuß. .LR. a. a. O. § 155 vier Wochen) Gebrauch macht, muß die Verleihung ertheilt werden, selbst wenn ein Anderer, welcher später fand, vor ihm Muthung eingelegt hatte, er hat das Vorrecht auf die Verleihung der Fundg«be (Finderrecht, Erstfinderrecht, Alter im Felde). Doch hab« Fundgrübner und Mahner, welche neue Lagerstätten mit ihren Grubenbauen überfahr«, bleibend und Erbstöllner im unverliehen« Felde in gleichem Falle, so lange der Stollenort nicht über 14 Lachter über den fraglichen Gang hinaus getrieben ist, ein Vorrecht zum Muth« des letzteren, welches jedoch verloren geht, wenn es binnen 14 Tagen nach bergamtlichem Angebote nicht geübt wurde. Gehen mehrere Muthungen bezüglich der nämlichen Fundgrube auf G«nd gleichzeitiger Funde ein, so erhalten die Muther. dieselbe gemeinsam, liegen aber die mehreren Funde in auSreichmder Entfernung, je eine Fundgrube verliehen. Ein Eigenthum an der ent­ blößten Lagerstätte im Wege der Okkupation wird durch das Finden nicht erlangt; vielmehr giebt erst die Verleihung der Bergbauberechtigung (s. d. Art. Bergwerks­ eigenthum) die Befugniß, die verliehenen Mineralien int Grubenfelde zu okkupirm. II. Die neuerm Deutschen Berggesetze haben zwar sämmtlich das Lagerstätten­ feld fallen last« und an deffen Stelle das Flächenfeld mit der ewigen Teufe gesetzt (s. d. Art. Grubenfeld), find aber bezüglich der Beibehaltung des Erstfinderrechts verschiedene Wege gegangm, obwol sie allerseits ein Recht aus der gültig« Mu­ thung aus die Verleihung anerkennen.

A.

Preußen (§ 24, ebenso Bayern, Württemberg, Elsaß-Lothringen, Hessen

ic.) hat da- Erstfinderrecht grundsätzlich aus Denjenigen eingeschränkt, „welcher in der Absicht, ein Mineralvorkommen zu entdecken, rationelle, den Vorschriften der Gesetzes nicht zuwiderlaufende Schürfarbeiten untemimmt" (Motive), dem zufälligen Finder dagegen nur dann dm gemeimechtlichm Vorzug belaffm, wenn „daS F. bei diesem durch anderweitige besondere Gründe motivirt" wird. Demgemäß verfügt eS: „Wer auf eigmem Grund und Bodm oder in seinem eigmm Grubengebäude oder durch Schürfarbeiten, welche nach Vorschrift der 88 S bis 10 unternommen worden find, ein Mineral (8 1) auf seiner natürlichen Ablagerung mtdeckt, hat als Finder daS Vorrecht vor anderm, nach dem Zeitpunkte seines Fundes eingelegten Muthungen. Der Finder muß jedoch innerhalb einer Woche (Bayern: 8 Tage) nach-Ablauf deS TageS der (dltdeckung Muthung einlegen, widrigenfalls sein Vorrecht «Lischt." Im Allgemeinen gilt hiemach als Fund nicht nur die Auffindung einer bestimmten neuen Lagerstätte, sondern auch jeder weitere Auffchluß auf einer und derselben Lager­ stätte (doch ist Theilung Eines Ausschlusses in Abschnitte unzulässig), unter der Voraussetzung, daß daS gemuthete verleihbare Mineral selbst (nicht etwa bloS kleine Gespüre, Schnürchm, Funken, Restchm u. dergl., beten bergbauliche Nutzung schon physisch unmöglich erscheint) auf seiner natürlichm Ablagerung nachgewiesm wird. Im Einzelnen ist zu bemerkm: a) Ein Schurffchein ist nicht mehr erforderlich; ge­ setzwidrige Schürfarbeit (z. B. ohne Erlaubniß des GrundeigmthümerS oder an absoürt verbotmer Stelle) oder zufälliges Findm eines Verleihbarm Minerals bei auf ein anderes dergleichm gerichteter Schürfarbeit begründet das F. nicht. (Anderer Meinung: Wachler.) b) Der zufällige Fund giebt daS Alter im Felde nur, wmn er durch dm Grund» oder BergwerkSeigmthümer (durch letzterm in feinen Baum, nicht auch anderwärts im (gtubenftfbe) gemacht wurde. Hier „würde die Abficht, in welcher der Eigenthümer die Arbeiten unternommen hat, häufig gar nicht nachzuweifm", also eine Zurück­ weisung deS zufälligen FundeS praktisch undurchführbar sein (Motive), c) „Ans Mineralien, welche mit dem in der Bcrleihungsurkunde bmanntm Mineral innerhalb der Grenzen des Feldes in einem solchm Zusammenhänge vorkommm, daß dieselben nach der Entscheidung des OberbergamtS au« bergtechnffchm oder bergpolizeilichen Gründen gemeinschaftlich gewonnm werdm müffm, hat der Bergweckseigenthümer in seinem Felde vor jedem Dritten" (also auch vor dem Finder jener Mineralien und

selbst, wmn letztere an ihrem Fundpunkte von dem bereits verliehmm Minerale getrennt gewonnm werdm könnten, sowie über die Grenzm des bevorrechtetm G-rubenseldeS hinaus, wenn nur der Fundpunkt der konkurrirendm Muthung in letzteres fällt; Zeitfchr. für Bergwesm XVII. S. 112; XIX. S. 99,133) „ein Borrecht zum Muthm. Legt ein Dritter auf solche Mineralim Muthung ein, so wird dieselbe dem Bergweckseigmchümer mitgetheilt. Letzterer muß alsdann binnm 4 Wochm Muthung einlegen, widrigmfalls sein Vorrecht erlischt." (Prmßen 8 55.) DaS unter I erwähnte Vorrecht der bestehendm Erbstollen gilt fort (8 223). d) Da ein Unterschied zwffchm Fundgrubm und Maßm nicht mehr besteht, neue Erbstollen» rechte nicht mehr verliehm werden, so kann eine Verleihung ohne neuen Fundnach­ weis nur noch rückfichtlich verlaffmer Bergwecke vockommm, beten Minemlvor» kommm noch nicht gänzlich abgebaut ist (Prmßm § 16). B. Das F. des Prmß. Berggesetzes schützt dm stndmdm Schürfer gegenüber zufälligen Fundm, läßt aber (unseres Erachtens unter hmtigm Berhältniffm mit Recht) freie Konkurrenz mehrerer Schürfer rückfichtlich deffelbm MineralvorkommmS zu. DaS Sächsische und Oesterreichische R. (K. Sachsm 1851 8 32 ff., 1868 § 18 ff., Weimar § 25 ff., Oesterreich § 13 ff.) hingegen find unter Fallealaffen deS „hauptsächlich für das Längmfeld berechneten und zeitweise RechtSunficherheitm hervorrufenden F." (Sächs. Motive 1868) zu dem, dem ältestm Bergrechte be» kanntm Freischurfe zurückgekehrt, indem Sachsm jedem mit Schurffchein (s. diesm Art.) versehmm Schürfer ein ausschließliches Schurftecht innerhalb' gewiffer örtlicher

v. Holtzendorff, Enc. ll. RechtSlexikon I. 3. Aast.

53

834

Finestres y Monsalvo.

und zeitlicher Grenzen mit dem Vorrechte zum Muthen im Schurfselde einräumt, Oesterreich hingegen demjenigen Schürfer, welcher der Bergbehörde den zur Aufstel­ lung des Schurfzeichens und zum Beginne des Schurfbaues gewählten Ort anzeigt, das ausschließliche Schurfrecht im Freischurfkreise mit dem Vorrechte zum Muthen je nach Umständen eines oder mehrerer Grubenmaße, doch andererseits auch mit der Ver­ pflichtung zur Bauhafthaltung der Schurfbaue (§§ 170, 178, 241 ff.) gewährt. Die örtlichen und zeitlichen Grenzen des Sächsischrechtlichen Schurfprivilegs können erfah­ rungsmäßig durch Vorschiebung von Strohmännern bequem umgangen werden, was aber, da das Sächsische R. kein Grubenfeldmaximum kennt (s. d. Art. Grub enfeld), sich wenig fühlbar macht; das Oesterreichische System gestattet sogar direkt die gleichzeitige Lagerung beliebig zahlreicher Freischurfkreise seitens desselben Schürfers und erweist sich wegen des geringen Umfangs und der obligatorischen Kreisform des Schurfbezirks sowie wegen der schwierigen Kontrole als unpraktisch. Gleichwol glaubt auch die neuere Oesterreich. Jurisprudenz des modifizirten Schußfeldes nicht entrathen zu können; der Oesterreichische Referenten-Entwurf 1876 gewährt beim Nachweise einer gewissen Arbeitsleistung ein Schutzfeld, um „unfruchtbare Kapitalverluste" und eine aus Furcht vor solchen entstehende „Abschwächung der Unternehmungslust" zu verhüten. III. Nach Französischem R. hängt die Gültigkeit eines Konzessions­ gesuchs nicht davon ab, daß der Fund gerade vor Einlegung desselben gemacht wor­ den sei, wiewol reglementür vorgeschrieben ist, daß letzteres eine genaue Angabe über den Ort des Bergwerks und die Beschaffenheit des zu gewinnenden Minerals ent­ halten soll. Die Konstatirung des Fundes findet erst nach Eintragung und Publi­ kation des Gesuchs statt. Wird die Bergwerkskonzession einem anderen als dem Finder ertheilt, so hat derselbe ein Recht auf Entschädigung seitens des Konzessionärs, welche durch den Konzessionsakt festzusetzen ist und in einem einmaligen Abfindungsquantum oder in einer dauernden Rente von dem Bergwerksertrage bestehen kann. Durch den nach erfolgter Publikation des Konzessionsgesuchs ertheilten Konzessionsakt fallen zu Gunsten des Konzessionärs alle Ansprüche des Finders oder seines Rechts­ nachfolgers, welche in ersterem nicht Berücksichtigung fanden, wegen des Fundes fort (Bergwerksdekret vom 21. April 1810 Art. 16, 17). Außer der Fundentschädigung steht dem nicht mit der Konzession bedachten Schürfer dem Konzessionär gegenüber ein Anspruch auf Ersatz der Schürf- und sonstigen mit den Vorarbeiten zusammen­ hängenden Kosten (ä raison des recherches ou travaux aut^rieurs ä Tacte de concession) zu, welcher nicht im Konzessionsakte sestzustellen, sondern nötigenfalls im Administrativjustizwege zu erstreiten ist (angez. Ges. Art. 46). Ein F. im Deut­ schen Sinne kann in Frankreich nicht in Frage kommen, da das Französische R. hinsichtlich der Ertheilung der Bergwerkskonzessionen freies Ermessen der Regierung walten läßt.

Lit.: a) Gemeines Recht: Karsten, Grundriß, S. 92. — Hake, Kommentar, S. 105. — Achenbach, Gemeines Deutsches BergR., S. 357. — Brassert in Zeitschr. für BergR., Bd. III. S. 209. — b) Preußen: Wachter in Zeitschr. für Bergwesen, Bd. XV. S. 298. — Klostermann, Kommentar, § 24. — c) Kritik der neueren Systeme: v. Hingenau in Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen, Bd. II. S. 15 u. sonst, d. Oefterr. Freischurfsystem in Zeitschrift eit. Bd. IV. S. 417. — G. Schneider, Studien aus dem Oesterr. BergR. (1874), S. 3. — Tuscany, Studien (1875), S. 47. — Brassert und Klostermann in Zeitschr. für BergR., Bd. XVIII. S. 196 u. 374. — X. Schneider, Kritische Umschau (1878), S. 117. — d) Frankreich: Achenbach, Französ. BergR., S. 222. Leuthold.

Finestres y Monsalvo, 5 1688 zu Barcelona, lehrte zu Cervera, f 1777. Schriften: Exercit. acad. XII., Cerv. 1745. — In Hermogeniani Juris epitom. libros VI Comment. 1757. — Sylloge inscript. rom. quae in principatu Catalauniae exstant,* 1760. Lit.: Arch. giurid. XVII. 453. — Ri vier, 550. — Hugo, Civil. Mag. III. Teichmann.

Firma.

835

Firma (Franz.: raison, Engl.: firm, Jtal.: ragione, detta) ist der Handelsname des Kaufmanns, der Name, unter welchem er im Handel dem Publikum gegenüber­ tritt, sein Geschäft betreibt und seine Unterschriften abgiebt. Das Firmenwesen knüpft an die althergebrachte Sitte der Handelsmarken an; für Handelsgesellschaften ist die Annahme besonderer Firmen seit lange üblich und der Verkehr hat sich längst daran gewöhnt, den guten Klang einer bewährten F. als eine der Grundlagen anzu­ sehen, an welchen der Kredit und das Renomnw des Geschäfts haftet. Vorzugsweise von letzterem Standpunkt erscheinen schützende Vorschriften gegen den Mißbrauch un­ befugter Firmenstihrung im Interesse sowol des einzelnen Geschäftsinhabers wie des Publikums erforderlich. Die Gesetzgebung hat in dieser Hinsicht verschiedene Wege ein­ geschlagen. In Deutschland existirten bis zum HGB. nur partikularrechtliche Vor­ schriften über das Firmenwesen und auch diese erstreckten sich blos auf einzelne Punkte, namentlich auf den Schutz und die Bildung der Sozietätsfirmen. Gemeinrechtlich gab es weder einen Firmenschutz, noch Bestimmungen über die Art, wie zu firmiren. Die Wahl der F. stand Jedem ftei; selbst das Bestehen gleichlautender Firnren legte hierin keine Schranke auf. Im Gegensatz hierzu verlangt das System, dem sich namentlich auch der neueste Entwurf des Schweizer. Obligationen- und H.R. angeschlossen hat, daß bei dem Geschäft des Einzelkaufmanns die F. stets in Ueber­ einstimmung mit dem bürgerlichen Xiamen stehen, die Gesellschaftsfinnen jedenfalls den Namen eines oder mehrerer persönlich haftender Gesellfchafter enthalten müssen. Treten statt der in der F. benannten Personen andere Geschäftsinhaber ein, so ist demnach rmmer eine Aenderung der F. geboten. Einen vermittelnden Standpunkt nimmt das Deutsche HGB. ein. Das Prinzip desselben stimmt mit dem zuletzt erwähnten System überein und geht nur insofern weiter, als jedem Kaufmann, mit alleiniger Ausnahme der dem kleinen Gewerbebetrieb angehörigen, ebenso jeder Handels­ gesellschaft die Pflicht obliegt, eine F. zu führen. Oberster Grundsatz für die Form derselben ist, die F. soll möglichst natürlich, d. h. möglichst der Ausdruck des zu Grunde liegenden thatsächlichen Verhältnisses sein, daher soll die F. des Einzel­ kaufmanns seinen Namen enthalten, Zusätze nur, sofern sie zur näheren Be­ zeichnung der Person oder des Geschäfts dienen, die F. der offenen Handels­ gesellschaft soll den Flamen mindestens eines Socius und einen auf das Kompagnieverhältniß hinweisenden Zusatz enthalten. In der F. der Kommanditgesellschaft muß mindestens der Name eures Komplementärs mit einen: solchen Zusatz, da­ gegen dürfen in derselben nicht die Namen von Kommanditisten genannt sein. Die gleiche Bestimmung gilt für die Kommanditgesellschaft auf Aktien, für die­ selbe ist noch speziell vorgeschrieben, daß sie sich nicht als Aktiengesellschaft be­ zeichnen darf. Die F. der letzteren darf nicht die Namen von Aktionären enthalten (sociätö anonyme) und soll in der Regel eine Sachfirma, d. h. vom Gegenstand des Unternehmens hergenommen sein. Eine Sachfirma ist nach dem Reichsgesetz (Nordd. Bundesgesetz) vom 4. Juli 1868 auch erforderlich in Betreff der in den Bereich dieses Gesetzes fallenden Genossenschaften, nur daß dieselben sogleich in der F. durch den Zusatz „eingetragene Genossenschaft" ihre rechtliche Eigenthümlichkeit kundgeben müssen. Die angeführten Bestimmungen erleiden indeß eine erhebliche Modifikation durch die Rücksicht auf den Verkehrswerth, der, wie schon angedeutet, einer bestehenden F. beizumessen ist. Danach ist es dem Erwerber eines Handels­ geschäfts gestattet, die bisherige F. mit oder ohne einen das Nachfolgeverhältniß andeutenden Zusatz fortzuführen, wenn der bisherige Geschäftsinhaber oder die Erben oder Miterben in die Fortführung willigen. Die F. ist mithin veräußerlich, doch nicht für sich, sondern nur in Verbindung mit dem Geschäft, wogegen das Geschäft sehr wohl ohne die F. veräußert werden kann. Sehr streitig ist, was unter dem „Handelsgeschäft", dessen Veräußerung das Gesetz zu einer Bedingung für die Gül­ tigkeit der Firmenübertragung macht, zu verstehen sei, ob mit jener Veräußerung zugleich auch die ausstehenden Forderungen aus den Erwerber übergehen und die 53*

836

Firmenübergang — Firmenzeichnung.

Geschäftsschulden von ihm übernommen werden müssen. Namentlich die letztere Frage hat zu zahlreichen Entscheidungen des ROHG. geführt, in denen konstant ange­ nommen wird, daß den Gläubigern des bisherigen Geschäftsinhabers wegen der Ge­ schäftsschulden eine Klage gegen den Firmenerwerber nicht scholl in Folge der Geschäftsübernahme, sondern nur dann zustehe, wenn ihnen oder dem Publikum bekannt gemacht worden sei, daß dasselbe die Passiva übernommen habe. Zulässig ist ferner die Fortführung der bisherigen F., wenn Jemand in ein bestehendes Handelsgeschäft oder in eine Handelsgesellschaft als Gesellschafter eintritt oder aus einer solchen aus­ scheidet. Im letzteren Falle ist die Einwilligung des Ausscheidenden dann erforderlich, wenn sein Name in der F. enthalten war. Die F. erlischt, abgesehen von dem Fall der Aenderung, wenn der Betrieb des Handelsgewerbes eingestellt oder das Geschäft ohne die F. auf einen Andern übertragen wird. Bei Handelsgesellschaften findet ein Erlöschen von Rechtswegen statt, wenn die Gesellschaft in Liquidation tritt oder wenn Konkurs über das Vermögen derselben eröffnet wird. Im ersteren Fall ist die bisherige F. während der Dauer der Liquidation als Liquidationsfirma fortzuführen. Bei dem Einzelkaufmann hat die Konkurseröffnung, da sie nicht immer die Einstellung des Ge­ schäftsbetriebes nach sich zieht (RKO. § 120), auch nicht nothwendig das Erlöschen der F. zur Folge. Begründung, Aenderung, Erlöschen der F. sind zum Handelsregister anzumelden; ebenso Veränderungen in der Person des Geschäftsinhabers. Der Ein­ zelkaufmann hat zugleich mit der Anmeldung die F. nebst seiner persönlichen Unter­ schrift vor dem Handelsgericht zu zeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form einzureichen. Bei Handelsgesellschaften muß dies durch die Sozien geschehen, die zur Zeichnung der F. berechtigt sind. Die angemeldeten F. genießen ein Exklusiv­ recht. Neue F. müssen sich von allen an demselben Orte oder in derselben Ge­ meinde bereits bestehenden erkennbar unterscheiden. Zum Schuhe dieses Rechts dient das für das Handelsregister adoptirte System der Ordnungsstrafen, außerdem seitens des Benachtheiligten eine Klage auf Untersagung und auf Schadensersatz. Bei letz­ terer entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen über Vorhandensein und Höhe des Schadens. Das Reichsgesetz vom 30. Nov. 1874 über den Markenschutz schützt überdies gegen die unbefugte Verwendung einer F. zur Bezeichnung von Waaren. — Auf einer Begriffsverwirrung beruht es, wenn zuweilen der F. juristische Persön­ lichkeit zugeschrieben wird; nicht hierfür spricht, daß auch der Einzelkaufmann unter seiner F. klagen und beklagt werden kann. — Ein Kaufmann, der verschiedene Handelsniederlassungen besitzt, kann für dieselben verschiedene Firmen führen; da­ gegen ist die gleichzeitige Führung mehrerer Firmen für dieselbe Handelsniederlassung unzulässig. Lit.: HGB. Art. 14—27, dazu die Kommentare von v. Hahn u. V. Völderndorff. — Gans, Beitr. z. Revision d. Preuß. Gsgb., I. Nr. 5 (1830—1832). - Gelpke, Ztschr. f. H.R., Bd. I. H. 3 S. 166 (1853). —Dietzel, Handelszeichen u. Firma in Bekker u. Muther Jahrbb. Bd.IV. S. 227(1860). — Regelsberger in Ztschr. f. H.R. XIV. S. 1. —Simon, ebendas. XXIV. S. 91. — Behrend in Ztschr. f. Gesgb. u. Rechtspfl. in Preußen, IV. S. 429. — Agap. Mommsen in Busch's Archiv XXXII. S. 201. — Ladenburg, ebend. XXXIV. S. 25, XXXVI. S. 81, XL. S. 49. — Außerdem d. Lehrbb. von Thöl, Ende­ mann, Beseler u. A.; die bezügl. Entscheidungen d. ROHG. bzw. des Reichsgerichts, und Thöl, Prax. d. H.- u. W.R., Heft 1. Behrend.

Firmenübergang s. Handelsgeschäft, Firma.

Firmenzeichnung. Das Schreiben der Firma (s. diesen Art.) durch den Kaufmann, bzw. deffen Vertreter führt zur F. Das A. Deutsche HGB. hat die Hinterlegung der F. bei dem Handelsgericht angeordnet (Einzelkaufmann Art. 19, Prokurist 45, Gesellschafter 88, 153, 179, Liquidator 135, Vorstand der Aktien­ gesellschaft 228); für die Mitglieder des Vorstandes einer Genossenschaft ist das Gleiche im § 19 des Genossenschaftsgesetzes vom 4. Juli 1868 bestimmt. Auch bei der Zweigniederlassung muß die F. hinterlegt werden (HGB. Art. 45, 86, 152, 212). Der Registerrichter hat die Hinterlegung der F. durch Ordnungsstrafen zu erzwingen

Firnrenzeichnung.

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und die Uebereinstimmung der eingetragenen Firma mit der hinterlegten zu perlangen. Keineswegs ist jedoch die Hinterlegung der F. nothwendige Voraussetzung der Ein­ tragung der Firma, Handelsgesellschaft oder Prokura; es kann die Abwesenheit des Firmenzeichners die nachträgliche Hinterlegung rechtfertigen. Mißverständlich ist es (tmL die Handelsger. Entsch. in Ztschr. f. d. g. H.R. Bd. VIII. 541; Swoboda, prakt. Rechtsfälle, 408) die Schreibensunkunde oder physische Verhinderung zur F. als ein Hinderniß der sonstigen handelsgerichtlichen Eintragung zu erachten. (Keyßner, Kommentar z. HGB. Art. 19 Nr. 4; Urth. des obersten Oesterr. Gerichtshofes vom 3. Sept. 1878; Wiener jurist. Blätter 1879, S. 49). Der Zweck der Hinter­ legung der F., Prüfung der Echtheit der F. auf anderen Schriftstücken (v. Hahn, Kommentar z. HGB. 3. Abschn. I. 95), hat sich von sehr geringer praktischer Be­ deutung ergeben. Die Buchstabendeutlichkeit der F. hat sich sehr verwischt, Na­ menszüge durch Schleunigkeit veranlaßt, oder behufs Erschwerung der Fälschung sind üblich. Ob durch die Firma gezeichnet sei, wird zur Thatfrage im Einzelnen. Für den Prokuristen (Art. 44), Handlungsbevollmächtigten (Art. 48), Liquidator (Art. 139) hat das A. Deutsche HGB. die Ueblichkeit der F. angegeben, ohne daß von der Befolgung der Ordnungsvorschrift die Rechtsverbindlichkeit der F. abhängig gemacht wäre (Entscheid, des ROHG. Bd. V. 263, 271; Bd. XVII. 402; Bd. XVIII. 100); die Auffassung des Kaufmanns ist eine strengere; er erachtet die Beifügung der Namens­ unterschrift des Vertreters für nothwendig und beim Mangel derselben die F. als unvollständig. (Betreffs der Wechselzeichnungen durch Bevollmächtigte vgl. Oesterreichisches Gesetz vom 19. Juni 1872, R.G.Bl. S. 259; Ztschr. s. d. ges. H.R. XVIII. 169; ferner Borchardt, Sammt, der geltenden Wechselrechte, Ungarn S. 120, Mexiko 320, Rußland 364, St. Gallen 419, Zürich 431, Aarau 437, Basel Stadt 447, Bern 459,Schaffhausen 483, Solothurn 495, Spanien 554, Großbritannien 168.) Für die F. bei Kollektivvertretung der Gesellschafter hat das HGB. eine übliche Form nicht angegeben; die handelsgerichtlich hinterlegte gilt hier als die übliche, ohne daß eine andere Form unverbindlich wäre. Für Aktiengesellschaften und Genossenschaften ist die Beifügung der Namensunterschrift der Vorstandsmit­ glieder verfassungsmäßige Firmenschrift, ohne diese Unterschrift gilt die Firma nicht als gezeichnet (Deutsches Handelsblatt 1876, S. 29). Die Handelsgesellschafter, Prokuristen, Vorstandsmitglieder müssen, sofern es sich um Formalakte handelt, also namentlich bei Wechselzeichnungen durchaus die Firma zeichnen, eigenmächtige Aenderungen beseitigen die F. (Entsch. des ROHG. Bd. XII. 173; Bd. XIV. 174, 211). Es kommt vor bei Handelsgeschäften, daß eine nähere Ge­ schäftsbezeichnung außer der eigentlichen Firma registrirt ist, z. B. „Teplitzer Wollenwaarenfabrik A. B.'s Söhne", während die eigentliche Firma nur A. B?s Söhne ist; in diesem Falle ist trotz der handelsgerichtlichen Registrirung die F. A. B/s Söhne verpflichtend. (Wiener Jur. Blätter 1876, S. 15; 1877, S. 152.) Wo außer der Firma noch die Namensunterschrift üblich (Prokura) oder noth­ wendig (Aktiengesellschaft) ist, kann die Firma auch durch einen Firmenstempel her­ gestellt werden; sonst ist bei Formalakten, namentlich Wechseln, die Firmenstempelung nicht verpflichtend. Wo es sich dagegen nicht um eine schriftliche Erklärung han­ delt, sondern nur um ein Zeugniß, ein Beweisstück für eine Willenserklärung kann die Firmenstempelung als genügend erachtet werden; so z. B. im Fall des Art. 274, § 2 des HGB.; Goldschmidt, Handb. des H.R., 2. Aufl., I. 675. Lit.. Homeyer, Die Haus- und Hofmarken. — Bruns, Die Unterschriften in den Röm. Rechtsurkunden (Abhdlg. der k. Akademie der Wissenschaften, Berlin 1874). —Dietzel, Jahrb. des ges. Deutschen R., IV. 230. — Endemann, H.R., 3. Aufl., § 18 Art. 4. — Stobbe, Ztschr. für das Gem.H.R., VIII. 51. —Gelpke in dessen Ztschr. f. H.R., I. 86.— Volkmar u. Löwy, WO., 36. — Keyßner, Die F., im Deutschen Handelsvl. 1876 Nr. 4 S. 27; Derselbe in Ztschr. f. d. ges. H.R. X. 500, XIV. 442. - Fleischauer in Gruchot's Birg., XIII. 449. — Swoboda, Erörter. Prakt. Rechtsfälle, 399. — Keyßner, Kommentar z. HGB. zu Art. 19, 44, 45, 86, 87, 136, 212, 229, 274. Keyßner.

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Uscher — Fischereigenossenschaften.

Fischer, Friedr. Christ. Jonathan, 6 12. II. 1750 zu Stuttgart, seit 1779 Prof, zu Halle, f 30. IX. 1797, verdient durch seine Werke: Lehrbegriff sämmtlicher Kameral- und Polizeirechte Deutschlands und Preußens, 1785; Gesch. des Deutschen Handels 1785—92. Lit.: Jnama in d. Allg. Deutsch. Biogr. VII. 65. — Stein, Verwaltungslehre, 2. Theil (1866), S. 34. — Warnkönig, Encykl., 329, 333. Teichmann.

Fischer, Lorenz Hannibal (1784—1868), über ihn vgl. K. Wipper­ mann in d. Allg. Deutsch. Biogr. VII. 69. Teichmann. Fischereigenossenschaften. Die Bildung von F. ist für die Fischzucht in den Gewässern von Bedeutung, wo nicht der Staat fischereiberechtigt ist. Letzteres ist nach den meisten Deutschen Partikularrechten der Fall bezüglich der schiff- und flößbaren Binnengewässer. Hinsichtlich der großen Zahl der übrigen Gewässer (Flüsse, Bäche, Seen, Teiche, Kanäle) ist das Fischereirecht sehr verschieden geordnet. In Gewässern, die einem ausschließlichen Eigenthumsrecht unterworfen sind (Teiche, Kanäle), ist der Privateigenthümer, in den Flüssen und Bächen sind die Gemeinden oder die Gemeindebürger (manchmal mit Beschränkung auf Mitglieder der Fischereiinnungen) oder die Uferanlieger fischereiberechtigt. Auch haben sich unter der Herrschaft des partikularrechtlichen 'Fischereiregals und durch mannigfache ding­ liche Verleihungen eine große Zahl von regalen, lehn- und erblehnrechtlichen, servitut­ artigen Fischereiberechtigungen von Einzelnen und Korporationen herausgebildet. Diese Zersplitterung der Fischereirechte ist die Ursache der Raubfischerei und ein wesentliches Hinderniß rationeller Hegung und Bewirtschaftung des für die Volks­ wirthschaft so wichtigen Fischbestandes; eine solche ist nur dann zu erzielen, wenn für ein größeres zusammenhängendes Wassergebiet nach einheitlichen Grundsätzen und unter planmäßiger Leitung geschont, gehegt und gefischt wird. Daher neuerdings in Deutschland das Bestreben, durch die Gesetzgebung die genossenschaftliche Vereinigung der Fischereiberechtigten zu ermöglichen und zu fördern. Solche Vereinigungen be­ stehen zum Theil noch aus der Zeit zunftmäßiger Organisation der Gewerbe, als Fischerzünfte und -Innungen, die ihre korporative Organisation und das ihre Grund­ lage bildende Fischereirecht durch die neue Gewerbegesetzgebung (§ 6 der Gew.O.) an sich nicht eingebüßt haben (vgl. Sächsisches Fischereiges. vom 15. Oktober 1868 § 5 und Nachtrag vom 10. Juli 1874 § 3). Auch steht es den Fischereiberech­ tigten frei, durch Vereinbarung für ein bestimmtes Fischereigebiet Genossenschaften zum Zwecke planmäßigen Schutzes, Hegens und Bewirthschaftens zu gründen; welche freie Genossenschaftsbildung theils durch die ihr zugesagte Förderung der Behörden (Württemb. Verordg. vom 9. Juli 1868 § 8), theils durch staatliche Anerkennung der Vereinigung als Genossenschaft (§§ 9 und 10 des Preußischen Ges. vom 30. Mai 1874) Unterstützung findet. Ferner ist nach manchen Gesetzen der Gemeinde hin­ sichtlich der Ausübung des Fischereirechts für die einzelnen in der Gemarkung Be­ rechtigten die Funktion einer F. übertragen; so im Bad. Ges. vom 29. März 1852, wonach die Gemeinde gegen Entschädigung der seither Berechtigten in der Regel das Fischereirecht in den nicht öffentlichen fließenden Gewässern übernimmt; so auch in den §§ 6 und 7 des Preußischen Ges. von 1874, wodurch die Gemeinden das Fischereirecht in allen den Fällen erhalten haben, wo bisher der Fischfang frei war oder alle Gemeindebürger ihn ausüben durften. Endlich aber sind einige neuere Gesetze noch weiter gegangen, indem sie ermöglichen, daß im Zwangswege gemein­ schaftliche Fischereigebiete mit genossenschaftlicher Organisation der Berechtigten ge­ bildet werden. Am einschneidendsten ist das Bad. Ges. vom 3. März 1870; hier­ nach können auf Grund sachverständiger Erhebungen durch Ministerialverordnung behufs gemeinsamer Bewirthschaftung und Nutzung F. gebildet werden; Voraus­ setzung ist nur, daß die Bildung eines zusammengehörigen Fischereigebietes im In-

Fischereiordnungen.

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teresse der Erhaltung und Vermehrung des Fischbestandes liege und überwiegenden wirthschaftlichen Nutzen darbiete (nicht Zustimmung der Mehrheit); die Genossen­ schaft kann aus Einzelnen oder Gemeinden bestehen und erhalt ihre Organisation durch ein staatlich (Bezirksrath) genehmigtes Statut. Auch das Preuß. Ges. von 1874 ermöglicht (§§ 9 und 10) die zwangsweise Bildung von F., aber in der Regel nur zum Zwecke gemeinschaftlicher Aufsichtsführung und gemeinschaftlicher Maßregeln zum Schutze des Fischbestandes, wobei die Genossenschaft nach Anhörung der Fischereiberechtigten und der Kreisstände auf Grund eines landesherrlich genehmigten Sta­ tuts zu bilden ist. Zum Zwecke gemeinschaftlicher Bewirthschaftung und Benutzung des Fischwassers tarnt irr Preußen eine Genossenschaft regelmäßig nur gebildet werden, wenn sämmtliche Berechtigte zustimmen; nur ausnahmsweise findet auch in diesem Falle Zwang zur Genossenschaftsbildung statt, sofern nämlich die Fischerei des Gebiets ausschließlich den Besitzern der anliegenden Grundstücke zusteht und der selbständige Fischereibetrieb der einzelnen Anlieger mit einer wirthschaftlichen Fischereinutzung un­ vereinbar ist. Die Bildung von F. ist in Baden und Preußen durch Ausarbeitung von Musterstatuten erleichtert worden. Auch in Oesterreich ist die Erlassung eines Fischereigesetzes, welches die Genossenfchaftsbildung unter den Berechtigten fördern soll, in Aussicht genommen. Quellen: Preuß. Fischereigesetz v. 30. Mai 1874, Abschn. II., nebst den im Jahre 1875 dazu getroffenen Ausführungsbestimmunaen der Bezirksregierungen. — Preuß. Normalstatut für Fischereigenossenschaften im Cirkul.-Erlaß d. landwirthsch. Ministers vom 22. Febr. 1876. — Bad. Fischereiges. vom 3. März 1870. — Bad. Vollzugsverordnung vom 11. Januar 1871. Lit.: C. Döhl, Die Fischereigesetzgebung des Preuß. Staates, Berlin 1878, 2. Aust. — Carl Peyrer, Fischereirecht u. Fischereibetrieb in Oesterreich, 1874. — Cirkulare des Deutschen Fischereivereins, Berlin 1870—79. K. Schenkel.

Fischereiordnungen. Die Fischerei auf dem Meere ist nach den Grund­ sätzen des neuen Völkerrechts, abgesehen von den sog. Eigengewässern und Buchten, der Herrschaft keines Einzelstaates unterworfen, sondern für alle Nationen gleich zugänglich (Lammers, Engt. Seefischfang-Gesetzgebung, in Faucher, Vierteljahr­ schrift für Volkswirthschaft XVI. [1866], S. 38 ff.). Die Fischerei in öffentlichen Flüssen war nach altdeutscher Rechtsansicht gleich­ falls frei, und ist es in einzelnen Gegenden noch heute, insbesondere in SchleswigHolstein, Thüringen und in der Provinz Preußen (Preuß. LR. von 1721 Buch III. Tit. 1 Art. 3 und Provinzialrecht für Westpreußen vom 19. April 1874 § 72). Im Ganzen hat sich aber schon früh mit der Regalität der öffent­ lichen Flüsse überhaupt die Regalität der Nutzungen derselben ausgebildet. So insbesondere im A. LR. vom 5. Februar 1794 Th. II. Tit. 15 § 38: „Die Nutzungen solcher Ströme, welche von Natur schiffbar sind, gehören zu den Regalien des Staats." § 73: „Der Fischfang in öffentlichen Strömen gehört zu den Re­ galien." In Privatflüffen dagegen ist die Fischerei regelmäßig ein Ausfluß des Eigentumsrechts der Uferbesitzer, eine Pertinenz der Grundstücke; doch kommt sie ausnahmsweise auch getrennt vom Grundbesitze als selbständige Berechtigung vor. Wem aber auch das Recht auf die Fischerei zustehen möge, jedenfalls ist die Ausübung derselben in allen öffentlichen und Privatflüffen — mit einziger Aus­ nahme von Teichen und eingeschloffenen Privatgewässern — gewissen polizeilichen Beschränkungen unterworfen, die einerseits im Interesse eines nachhaltigen Betriebes die Laichzeit und die zur Fischerei statthaften Werkzeuge betreffen, andererseits im Interesse der öffentlichen Ordnung die konkurrirenden Befugnisse mehrerer zur Aus­ übung Berechtigter reguliren. Solche aus der Fischereihoheit des Staats fließende Normen finden sich insbesondere im A. LR. Th. I. Tit. 9 § 184 ff. (Von Er­ werbung des Eigenthums.) Die sedes materiae sind jedoch die vor und nach dem A. LR. erlassenen provinziellen Fischereipolizeigesetze, die ein schwer darstellbares technisches und 'lokales Detail enthalten. Beispielsweise mag aus die F. für die in

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Fiskus.

der Provinz Pommern belegenen Theile der Oder, des Haff und dessen Ausflüsse vom 2. Juli 1859, die durch das Gesetz vom 30. März 1863 nur in unbedeutender Weise modifizirt ist, hingewiesen werden. Nunmehr ist jedoch die Materie einheitlich geregelt worden durch das Fischerei­ gesetz für den Preußischen Staat vom 30. Mai 1874. Dasselbe läßt das Recht aus die Fischerei im Wesentlichen unberührt und regelt hauptsächlich die Ausübung desselben. Diese ist eine verschiedene, je nachdem es sich um Küsten- oder Binnenfischerei handelt, deren Grenzen für jede Provinz durch königliche Verordnung nach Anhörung des Pro­ vinziallandtags zu bestimmen sind; je nachdem es sich ferner um geschlossene oder nicht geschlossene Gewässer handelt; je nachdem die Berechtigung einem Einzelnen, einer Ge­ nossenschaft oder einer Gemeinde zusteht. Fischereigenossenschaften beschränken sich ent­ weder auf Gemeinsamkeit des Schutzes und der Aufsicht oder erstrecken sich zugleich auf gemeinschaftliche Bewirthschaftung; die Bildung der Genossenschaften kann im ersten Fallzwangsweise erfolgen, nach Anhörung des Kreisausschusses und unter landesherrlicher Genehmigung des Statutes; im letzten Falle kann ein Zwang nur geübt werden, wenn das Recht auf die Fischerei ausschließlich den Adjacenten, sofern diese nicht Korporationen sind, und sofern das Recht der Einzelpersonen nicht auf besondere Titel sich stützt, zusteht, also regelmäßig nur dann, wenn die Fischerei blos einen geringen Werth repräsentirt; auch dann ist jedoch die Zustimmung des Kreisausschusses erforder­ lich. Eines von der Behörde auszustellenden Legitimationsscheines bedari Jeder, der die Fischerei zu eigenem oder aus abgeleitetem Recht in nicht geschlossenen Gewässern aus­ üben will; eines von den Berechtigten auszustellenden, von der Behörde zu beglau­ bigenden Erlaubnißscheines bedarf Derjenige, der die Fischerei in den Revieren anderer Berechtigter ausüben will. Gewisse Strecken der Gewässer können durch den landwirthschaftlichen Minister, eventuell gegen Entschädigung, zu Schonrevieren erklärt werden. Einige Modifikationen enthält das Gesetz vom 30. März 1880 betr. die Ab­ änderung des Fischereigesetzes 2c. z Lit.: Cancrin, Abhandl. aus d. Wasserrechte, Bd. III. (Halle 1800), Abh. XII. Von der Fischereigerechtigkeit, S. 55 ff., bes. 65 ff., 88 ff. — Beseler, System d. Gem. Deutschen Priv.R., 2. Aufl. 1666, S. 822, 828. — v. Gerber, System d. Deutschen Priv.R., 9. Aufl. 1867, S. 235 ff. — v. Rönne, Das Staatsrecht d. Preuß. Monarchie, 2. Aufl. 1865, II. 2 S. 242 ff. — Lette u. v. Rönne, Die Landes-Kultur-Gsgb. d. Preuß. Staates, Bd. II. Abth. 2 (1854), S. 760 ff. - Nasse, Art. Gewässer in Bluntschli's StaatsWört.B., Bd. IV. (1859), S. 309 ff. —Rösler, Lehrb. d. Deutschen Verwaltungsrechts, Bd. I. (1872), S. 490 ff. u. Bd. II. (1873), S. 552 ff. — Dernburg, Lehrb. d. Preuß. Priv.R., Bd. I. (1872), S. 489 ff. — v. Brüneck in Gruchot's Beiträgen, Bd. XVI. (1872), S. 182 ff. — Meißen, Der Boden u. die landwirthschaftl. Verhältnisse d. Preuß. Staates, Bd. II. (1869), S. 564 ff. — Döhl, Die Fischereigesetzgebung des Preuß. Staats, Berlin 1878, 2. Aufl. — Das Fischerei­ gesetz für den Preuß. Staat, 2. Aufl., Berlin 1880. Ernst Meier.

Fiskus. Der Staat in seinen vermögensrechtlichen Beziehungen als Subjekt von Vermögensrechten wird F. genannt. Nach Einigen ist das Staatsvermögen unter diesem Namen personifizirt. Der Staat als F. tritt in den Privatverkehr wie jedes andere Rechtssubjekt, ist aber dabei vielfach zu seinem Vortheil privilegirt. Das vermeintliche privilegium odiosum des Satzes: in dubiis contra fiscum ist neuerlich mit Recht aus die Bedeutung der für Privilegien geltenden Regel strikter Auslegung zurückgeführt. (Böcking.) Verschiedene fiskalische Stationen haben nicht besondere Persönlichkeit, nur das Privileg, daß gegen die Forderungen der einen nicht mit Ansprüchen an eine andere kompensirt werden kann. Das Umgekehrte ist nicht ausgeschlossen. Wer den F. überhaupt und seine einzelnen Stationen zu ver­ treten hat, ist eine staatsrechtlich zu regelnde Frage. — In allen diesen Beziehungen stimmen die modernen Kodifikationen mit dem Römischen R. überein. Dem Franz. R. sind jedoch eigentliche fiskalische Privilegien unbekannt, und jede öffentliche Stelle wird als besondere juristische Person angesehen. Auch im Sächs. BGB. ist die Zahl der Privilegien erheblich gemindert. — Im Einzelnen ist hervorzuheben: Wer vom

FiSkuS.

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F. gekauft hat, kann mit Eigenthums- oder sonstigen Ansprüchen Dritter nicht be­ unruhigt werden: dasselbe gilt im Preuß. R. — Fiskalische Sachen sind der ordent­ lichen Verjährung entzogen. Nur 40jährige Präskription wird gegen den F. zuge­ lassen. Das Preuß. R. erfordert regelmäßig 44 Jahre zur Verjährung gegen den F., jedoch verjähren Steuerrückftände in vier Jahren. — Den fiskalischen Forder­ ungen stand nach Gem. R. eine gesetzliche Hypothek, Steuern und Kontraktsforder­ ungen des F. eine privilegirte Hypothek zur Seite. Das Preuß. R., wie es die gesetzliche Hypothek aufgab, beschränkte auch das Konkursprivileg. Nach der Deut­ schen Konkursordnung haben von den Forderungen der Reichskasse und der Staats­ kasse nur Diejenigen wegen öffentlicher Abgaben ein Vorrecht, und zwar nur sofern sie im letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens fällig geworden sind oder in Folge der Eröffnung als fällig gelten. — Der F. hat für seine Kontraktsverbind­ lichkeiten keine Zinsen zu entrichten, dagegen sind ihm für alle fälligen Ansprüche Zinsen zu zahlen. Die erstere Vorschrift kennt auch das Preuß. R. dahin, daß der F. nur vorbedungene Zinsen zu zahlen hat. — Alle vorstehend erwähnte Privilegien sind dem Sächs. BGB. unbekannt. Dagegen kennt sowol das Röm., als das Preuß. und Sächs. R. — abgesehen von der strastechtlichen Konfiskation — Fälle, in denen der F. an Stelle früher Berechtigter, die einer Sache oder eines Rechts verlustig gehen, als Berechtigter eintritt. Ebenso hat der F. in allen diesen Rechts­ gebieten ein Erbrecht auf herrenlose Güter. Dieses Erbrecht wird auch im 0. civ. anerkannt. — Inwieweit dem Reichsfiskus, soweit dessen Stellung nicht reichsge­ setzlich geordnet ist, im einzelnen Deutschen Staate die Vorrechtsstellung des Landes­ fiskus zukommt, ist streitig. Lit. u. Quellen: Klenze, Ztschr. f. geschichtl. Rechtswissenschaft, Bd. XVIII. S. 379. — Herrnbach, Rechtslex., Bd. IV. S. 297. — Reincke, Betrachtungen über Entstehung und Machtstellung des Deutschen Reichsfiskus in Rassow's und Küntzel's Beitr., Bd. XXIII. S. 481. — Tit. D. 49, 14. C. 10, 1. - Preuß. LR. II. Tit. 14. - Sächs. BGB. § 52. — Deutsche KO. § 54 Nr. 2. Eccius. Fiskus (eivilpr., Th. I. S. 360) sw örtlich = Geldkorb^ heißt im Röm. R. der kaiserliche Staatsschatz, dem übrigens hinsichtlich der Privilegien das Privatgut des Cäsars und seiner Gemahlin gleichgestellt waren; in subjektivem Sinn wird der Staat selbst als Inhaber von Vermögensrechten F. genannt. Außer einer Anzahl privatrechtlicher Vergünstigungen, zu denen des Inhaltes halber auch die Beschränkung der Kompensationseinrede gegen den F. im Civilprozeß gehört, genoß derselbe nach Gem. R. prozessuale Vorzüge, so Konkursprivilegien, Exemtion für causae fiscales, Beschränkung der Editionspflicht, Erweiterung des Rechts auf Begehren der Edition, sofortige Vollstreckbarkeit des Urtheils gegen seine überwiesenen Schuldner; der Satz ,,1n dubio contra fiscum“ hatte nur die Bedeutung, daß diese Privilegien eben als solche strikt auszulegen seien. Das Deutsche R. dehnte die Grundsätze vom Staatsfiskus auch auf das Vermögen der Gemeinden und Stiftungen und auf das fürstliche Hausfideikommiß (Kammerfiskus) aus. Man pflegte häufig den Rechts­ weg gegen den F. auszuschließen, auch zur Wahrung strittiger Vermögensrechte des­ selben eigene Stellen (Fiskälate) zu errichten, die heute noch in manchen Staaten bestehen und welche früher mitunter (neben Kontrollrechten über die Gerichte) auch die Vertretung des Staats in Strafsachen, wofür nun überall die Staatsanwalt­ schaft besteht, ausübten. — Das Oesterr. R. steht z. Th. noch auf dem Boden des Gemeinen Prozesses. Insbesondere gewährt es außer reicheren Konkursprivilegien und dem Verbot des Arrests auf Aerarialgut einen gefreiten Gerichtsstand vor dem Kollegialgericht erster Instanz für alle Klagen gegen den F. des Staats und ge­ wisser Korporationen, insofern sie nicht zum Bagatellprozeß, vor ein Kausal- (Berg-, See- re.) Gericht, vor die Realinstanz (Sachen der Land- oder der Lehentafel) oder vor einen besonderen Gerichtsstand gehören. Nach neuem Deutschen R. darf für bürgerliche Rechtsstreite, die unter Privaten vor die ordentlichen Gerichte gehören, dieser Rechtsweg wegen der Eigenschaft einer

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Fiskusrecht.

Partei als F. nie ausgeschlossen, also auch nie durch ein Administrativversahren ersetzt oder gehemmt werden. Die Regeln über die Fora gelten auch für den F., dessen allgemeiner Gerichtsstand durch den Sitz der. ihn vertretenden Behörde be­ stimmt wird; diese kann jedoch in Sachen mit Anwaltszwang nie selbst auftreten, muß sich vielmehr eines Anwaltes bedienen; Anwälte, die hierzu ständig bestellt sind, heißen.Fiskalanwälte. Ein exemter Gerichtsstand vor den Landgerichten ist nur eröffnet 'für den F. des Reichs und der Bundesstaaten wegen Ansprüchen aus mit der Aemterhoheit zusammenhängenden Verhältnissen; das LR. kann bezüglich der Vollstreckung von Geldforderungen gegen diese und sonstige fisci besondere Vor­ schriften geben. Im Konkurs sind: 1) sämmtliche weltliche fisci, denen öffentliche Abgaben geschuldet werden, Faustpfandgläubiger hinsichtlich der zurückgehaltenen oder in Beschlag genommenen Zoll- und steuerpflichtigen Sachen, auf welche daher ein Absonderungsrecht besteht; 2) der Staat Massegläubiger für die gerichtlichen Kosten des gemeinschaftlichen Verfahrens; 3) die weltlichen und kirchlichen fisci Konkurs­ gläubiger (theils in zweiter, theils in dritter Klasse der Rangordnung) für Abgaben aus dem letzten Jahr; Geldstrafen können im Konkurs nicht geltend gemacht werden. Den regierenden Familien einschließlich des Fürstenhauses Hohenzollern sind die prozessualen Sonderrechte der Hausstätuten oder der Partikulargesetze je für den Be­ reich ihres Landes Vorbehalten, mit der Maßgabe jedoch, daß die Zulassung des Rechtswegs für vermögensrechtliche Ansprüche Dritter nicht von der Einwilligung des Souveräns abhängen darf. Auf diese Weise sind die fiskalischen Prozeßprivilegien in Deutschland, soweit sie nicht in staatsrechtlichen Verhältnissen ihren guten Grund haben, beseitigt. Quellen: 1. 10 pr. D. 2, 14; 1. 34 D. 42, 5; 1. 2, 45, 46 D. 49, 14; tit. C. 3, 26; 1. 1, 7 C. 4, 31. — Für Oesterreich: Allgem. GO. § 283 mit zugehörigen Hofdekreten, Civ.-Jur. Norm (1852) § 14b. — KO. (1868/9) §§ 31, 38, 41, 43, 44. — Ges. über Vers, bei Ersatzansprüchen gegen dichter (1872) § 8. — Für Deutschland: GVG. 8 70. — CPO. §§ 19, 20, 74, 391* und wegen des ausländischen F. § 24; EG. dazu § 4. — KO. §§ 41, 1; 51, 1; 54, 2 u. 3; 56, 3 Lit.: L. Jolly in Bluntschli's StaatsWört.B., s. v. — v. Bayer, Civ.Prz. §§ 35, 72, 292. — Puchelt, Komment, zur CPO. 1. 1. — v. Sarwey, Komment, zur KO. 1. 1. v. Jage mann.

Fiskusrecht. In seiner Eigenschaft als vermögensrechtliches Subjekt heißt der Staat Fiskus. Als solcher genießt er gewisse Privilegien, die insbesondere durch die Röm. Kaiser-Gesetzgebungen sehr weit ausgedehnt waren und sehr erhebliche Vortheile bezüglich der Verjährung, der Vorzugsrechte des Pfandes rc. gewährten. Der Inbegriff aller dieser besonderen Rechte bildet das fiskalische Recht. Unter F. im engeren Sinne versteht aber der Sprachgebrauch eine bestimmte Einnahme- oder Finanzquelle des Staats, nämlich den Anspruch aus gewisse zufällige Ein­ künfte, welche von der erwerbenden Arbeit der Staatsbehörde unabhängig sind und auch nicht unter die Steuern, Zölle und Abgaben der Staatsbürger gerechnet werden können. Daher 1) das Recht aus Geldstrafen und Einziehungen bestimmter Vermögensobjekte nach den im Strafrecht, in den Polizeibußordnungen, dem Zollund Steuerwesen geltenden Regeln, deren Anwendung richterliches Gehör voraussetzh; auch wenn die Verhängung durch Verfügung der Administrativbehörden geschehen sollte, bleibt hier die vom Richter zu prüfende Einrede des in Anspruch Genommenen offen. So lange der Jnquisitionsprozeß allgemeine Regel war, pflegten zur Be­ treibung der staatlichen Finanzinteressen besondere Fiskale bestellt zu werden. Gegen­ wärtig erläßt die Verwaltungsbehörde wegen Zuwiderhandlungen gegen die Vor­ schriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle, sowie bei aller ver­ wirkter Einziehung ihren Strafbescheid in Gemäßheit der RStrafPO. 2) Der Anspruch auf verbotswidrig gegebene Geschenke, z. B. die zum Zwecke der Bestechung einem Beamten gewährten Vortheile. 3) Der Anspruch aus erblose Güter (bona vacantia) und 4) das Recht aus herrenlose Sachen (adespota).

Fitzherbert — Flagge.

843

Quellen: Bezüglich des Verfahrens f. RStrafPO. §§ 459-469; 477-480. Lit.: Zöpfl, Grundsätze d. Staatsrechts, II. S. 659. — Zachariä, Deutsches Staatsu. Bundesrecht, II. S. 394 ff. — v. Rönne, Preuß. Staatsrecht, II. 793. v. Holhendorff.

Fitzherbert,

Anthony, 6 zu Norburg, Richter d. Court of Comnion Pleas,

t 1538.

Schriften: Le graunde Abridgement, Lond. 1514, 1516, 1565, 1577. — L’office et autorite des juges de paix, 1514; engl. 1538; v. Crompton 1587; new ed. 1794. — Boke of husbandrie, 1523. — Boke of Surveying and Improvements, 1523. — New natura Brevium, 1534, (9) 1794. Lit.: Allib one, Dictionary of English Literature, 1859. — Encykl. 260. — Foss, Biogr. jurid., 1870 p. 258. Teich mann.

Flagge. Der Gebrauch von F. im Schiffahrtsverkehr kann den verschieden­ artigsten Zwecken dienen: als Schiffsschmuck bei feierlichen Gelegenheiten, als Mittel der Verständigung zwischen Schiffen unter einander oder mit Küstenpunkten und Hafenstationen, zu Signalen (z. B. Lootsen-F.), zur Kennzeichnung des Ranges eines auf Kriegsfahrzeugen Kommandirenden. Insoweit gehört der Gebrauch der F. entweder dem herkömmlichen Ceremonialrechte jedes einzelnen Staats oder der Ver­ waltungsordnung der Küsten- und Strompolizei an. Für das Völkerrecht gewinnt die F. eine Bedeutung 1) als das stillschweigend vereinbarte oder herkömmlich an­ gewandte Mittel zur Verständigung unter Schiffen auf hoher See; 2) als Parlamentär-F. zu Kriegszeiten, deren Gebrauch die darunter fahrenden Schiffe den Feindseligkeiten entzieht und die Analogie des Gesandtschaftsrechts anwendbar erscheinen läßt. Mißbrauch der Parlamentär-F. braucht indessen nicht geduldet zu werden. Die Instruktion für die Armee der Verein. Staaten vom 24. April 1863 (§ 14) bestimmt, daß Derjenige, welchem nachgewiesen werden kann, daß er sich hinterlistig der Parlamentär-F. bedient hat, um feindliche Stellungen auszukund­ schaften, als Spion behandelt werden soll. 3) Als Legitimationszeichen der Handelsfahrzeuge auf hoher See, um deren nationale Qualität erkennbar zu machen. Von besonderer Wichtigkeit für die Geschichte des F.nrechts ist die Entwicklung des Englischen Seerechts in der Zeit nach der Navigationsakte (1651) bis zum Merchant Shipping Act von 1854 (17 u. 18 Vict. c. 104). Für Deutschland ist das Gesetz vom 25. Okt. 1867, betr. die Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihre Befugniß zur Führung der Bundes-F., ergangen. In Gemäßheit der Art. 54 u. 55 der RVerf. haben alle zum Erwerb durch die Seeschiffahrt bestimmten Schiffe der Deutschen Bundesstaaten ausschließlich die Bundes-F. zu führen; vorausgesetzt, daß sie im ausschließlichen Eigenthum solcher Personen sich befinden, denen das Bundesindigenat zusteht. Nachgewiesen wird Berechtigung und Verpflichtung durch Ein­ tragung in die Schiffsregister, und das darüber nach einem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren ausgestellte Certifikat. Unberechtigter oder ordnungswidriger Gebrauch der Bundes-F. ist strafbar. Den Landesgesetzen ist indessen Vorbehalten, für kleinere Fahrzeuge (Küstenfahrer) Erleichterungen zu gewähren, und die Führung der F. auch ohne Certifikat zu gestatten. Interimistische F.atteste auszustellen, gehört zu den Befugnissen der Deutschen Reichskonsuln (vgl. Cirkular vom 2. Juli 1876). Von dem ordnungsmäßigen Gebrauch der F. hängen wichtige Rechte ab, z. B. der dem neutralen Eigenthum zu Kriegszeiten zukommende Schutz; die Verantwort­ lichkeit der Staaten für die unter ihrer F. auf hoher See begangenen Zuwider­ handlungen gegen das Völkerrecht u. a. m. (s. auch d. Art. Konsular recht und Marine). Lit.: Reynolds, International nautical telegraph for the use of men-of-war and merchant vessels, 2. ed., London 1857. — Cauchy, Le droit mar. intern., I. 47. II. 152. — Das Hauptwerk ist Ortolan, Diplomatie de la mer. — Ferner Romberg in v. Holtzendorff's Jahrb. f. Gsgb. d. D. R., I. S. 346. — König, Handb. d. D. Konsularwesens, 2. Ausg. 1878, S. 232 ff. v. Holhendorff.

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Fleury — Flößerei.

Fleury, Claude, K zu Paris 1640, f 1723. Er war zuerst Advokat, trat dann in den geistlichen Stand und war viele Jahre, als Abb6 Fleury, Erzieher von Prinzen des königlichen Hauses. Hauptschriften: Precis historique du droit frangais, 1674, von Dupin 1789 fort­ gesetzt, 1826. — Institution au droit frangais, herausgegeben üon Laboulaye u. Dareste, 1858. — Institution au droit ecclesiastique, 1677, 1687. — Traite du droit public en France, 1679. — Catechisme historique, 1679, öfters aufgelegt. — Discours sur les libertes de Ptiglise gallicane, 1690 und öfters, zuletzt 1807. — Histoire ecclesiastique in 20 Bänden, seit 1691. In 6 Bänden 1840. — Opuscules, 1780. — Oeuvres, herausgegeben von Aimö Martin, 1837. Lit.: Niceron, VIII. — Aime Martin, Essai sur la vie et les ouvrages de Fleury, am Eingänge der Oeuvres. Rivier.

Flintberg, Jacob Albrekt, 6 1750, Stockholm, 1803 Comercerad, f 1804.

wurde

1790

Advokat-Fiskal in

Schriften: Apothekares, Badares och Chirurgers förmoner och skyldigheter, 1786. — Borgerlige förmoner och skyldigheter, 1786. — Bruksidkares, Städers och Borgerskaps ömse förmoner och skyldigheter, 1788, 1789. — Städernas med handel, sjöfart och bruksrörelse gemenskaps ägande inkomst af Tolag m. m. 1795. — Lagfarenhets Bibliothek, Stk. 1796—1807. Teichmann.

Florent, Frang., $ zu Arnai-le-Duc gegeu 1590, Professor zu Orleans und seit 1644 zu Paris, t 1650. Seine Opera juridica herausg. von Doujat, Par. 1679. Norib. 1756 c. Lorber a Stoerchen. Venet. 1763. Lit.: Jugler, I. 176—183. — Maaßen, Gesch. d. Quellen u. d. Lit. d. Kan. R., 1870, I. p. XLIII. Teichmann.

Flößerei In Preußen gehört nach dem A. LR. das Recht der F. aus öffent­ lichen Strömen im Ganzen zu den im Gemeingebrauch des Publikums liegenden Befugnissen. Eine Ausnahme besteht nur hinsichtlich unverbundenen Holzes, indem das Flößen desselben nach Gem. R., vorbehaltlich partikularer Abweichungen, für­ einen Vorbehalt des Staates gilt, und ohne Vorwissen desselben von Privatpersonen nicht betrieben werden darf. Auf Privatflüssen ist die F.berechtigung prinzipiell ein Ausfluß des Eigenthums, sofern nicht Provinzialgesetze, Lokalstatuten oder besonderes Herkommen die Freiheit des F.betriebes herbeigeführt haben. Der Staat kann zwar in allen Fällen den Eigenthümer eines Privatflusses nöthigen, den Gebrauch desselben zum Holzflößen zu gestatten; er muß dann aber für die vollständige Entschädigung eines solchen Eigenthümers sorgen (§§ 42, 43, 49 Tit. 15 Th. II. A. LR., vgl. auch Gesetz über die Benutzung der Privatflüsse vom 28. Febr. 1843 §§ 8—12). Es fehlt an einer allgemeinen Floßordnung; für die F. auf dem Rhein vgl. Floß-O. vom 29. Dezbr. 1859. Nach den mit den Bestimmungen der Verfassung des Nordd. Bundes wört­ lich übereinstimmenden Normen der jetzigen Reichsverfassung gehört die F. auf den mehreren Staaten gemeinsamen Wasserstraßen zur Kompetenz des Reichs (Art. 4 Nr. 9); wie auch beide Verfassungsurkunden (Art. 54) ferner verordnen, daß auf allen schiffbaren Wasserstraßen Abgaben für F. nur zum Zwecke der Benutzung be­ sonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, erhoben werden, und die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen dürfen. Das Gesetz über die Abgaben von der F. vom 1. Juni 1871 setzt dann weiter fest, daß auf den nur flößbaren Strecken derjenigen natürlichen Wasserstraßen, welche mehreren Bundesstaaten gemeinschaftlich sind, von der F. mit verbundenen Hölzern Abgaben nur für die Benutzung beson­ derer zur Erleichterung des Verkehrs bestimmter Anstalten erhoben werden dürfen; sowie daß das Bundespräsidium für die einzelnen Flüsse Termine bestimmt, an welchen die Erhebung der fraglichen Abgaben aufhört; daß ferner für die Auf-

Fluchtverdacht.

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Hebung dieser nunmehr unzulässigen Abgaben eine Entschädigung im achtzehnfachen Betrage des durchschnittlichen Reinertrags der letzten Jahre aus der Reichskasse in dem Falle geleistet wird, wenn das Recht zur Erhebung der Abgaben auf einem lästigen Privatrechtstitel beruht, und nicht einem Bundesstaate zusteht; daß endlich wegen des Entschädigungsanspruchs gegen die zurückweisende Verfügung des Reichs­ kanzleramts die Beschreitung des Rechtswegs gegen den Bundesfiskus in erster Instanz beim Stadtgerichte zu Berlin, in letzter Instanz beim ROHG., jetzt beim Reichsgericht statthaft ist. In Betreff der Werra und Saale, deren Verhältnisse das Gesetz vom 1. Juni 1870 zunächst veranlaßt haben, ist dann durch Verordnung von demselben Tage die Aufhebung vom 1. Juli desselben Jahres ab ausgesprochen. (Ein interessantes Er­ kenntniß des ROHG. in der Prozeßsache der Stadtgemeinde Kahla wider den Reichsfiskus wegen Entschädigung für die Aufhebung von F.abgaben ist im CentralBlatt ft'lr das Deutsche Reich, Jahrg. I [1873] S. 224 mitgetheilt.) Das Gesetz vom 1. Juni 1870 ist dann weiter durch die Versailler Verträge auf Württemberg, Baden und Südhessen ausgedehnt, und demgemäß in Betreff des Neckar durch Kaiserl. Verordnung vom 19. Febr. 1871 die Abgabe ausgehoben. Endlich ist dasselbe durch das Gesetz vom 22."April 1871, § 8 mit einigen durch die Sachlage gebotenen Abänderungen, auch in Bayern eingeführt worden. (Darüber Hirth, Annalen 1871, S. 380.)

Lit.: Beseler, System d. Gem. Teutschen Priv.R., 5. Aufl. 1873, S. 824. — v. Gerber, System d. Deutschen Priv.R., 9. Aufl. 1867, S. 151. Ernst Meier.

Fluchtverdacht. Abgesehen von anderweitigen, gesetzlich bestimmten Gründen ist es F., wodurch im Strafverfahren die Verhaftung eines der Strafthat Verdäch­ tigen oder Angeschuldigten gerechtfertigt wird. Sowol der Richter, der einen Haft­ befehl erläßt, als auch, wenn Gefahr im Verzüge obwaltet, die Staatsanwaltschaft und die Polizei- oder Sicherheitsbeamten, falls diese zur vorläufigen Festnahme schreiten, sind angewiesen, auf F. zu achten. Jngleichen unterliegt der F. der Be­ urtheilung einer Privatperson, wenn es sich um Ergreifung solcher handelt, die auf frischer That betroffen oder verfolgt werden. Ob F. vorhanden war, als zur Ver­ haftung geschritten wurde, ist im Haftbefehl anzugeben. Auf Grund gesetzlicher Ver­ muthung ist F. stets vorhanden: 1) wenn ein Verbrechen im engeren Sinne den Gegenstand der Untersuchung bildet; 2) wenn der Angeschuldigte ein Heimathloser oder ein Landstreicher oder außer Stande ist, sich über seine Person auszuweisen; 3) wenn der Angeschuldigte ein Ausländer und gegründeter Zweifel besteht, daß er sich auf Ladung vor Gericht stellen und dem wider ihn zu gewärtigenden Strafurtheil Folge leisten werde. Liegen solche Fälle gesetzlicher Präsumtion nicht vor, so muß die Beurtheilung der Sachlage dem subjektiven Ermessen der einschreitenden Beamten und ihrer Verantwortlichkeit überlassen werden. Damit ist aber nicht ge­ sagt, daß es nutzlos wäre, mindestens für die Polizei- und Sicherheitsbeamten, denen Rechtskenntnisse mangeln, leitende Gesichtspunkte im Wege der Verwaltungs­ instruktionen festzustellen, um zu verhüten, daß in ungerechtfertigter Weise die staats­ bürgerliche Freiheit beeinträchtigt werde. Damit ein Verhafteter das ihm zustehende Beschwerderecht wahren kann, erscheint es überdies nothwendig, diejenigen Umstände ihm bekannt zu machen, aus denen F. gegen ihn begründet ist, obschon die RStrasPO. eine ausdrücklich darauf abzielende Bestimmung vermissen läßt. Als Flucht im Sinne des Gesetzes muß jede Veranstaltung angesehen werden, wodurch der einer Strafthat Verdächtige unter Veränderung seines Wohnsitzes oder seines Aufent­ haltes sich der Verfügung des zuständigen Richters entzieht. Daher auch die Besorgniß, daß ein Angeschuldigter sich in der Nähe verstecken oder verbergen könnte, als F. gedeutet werden kann. Andererseits kann der vereitelte Versuch, die Konstatirung der Persönlichkeit durch Davonlaufen zu hindern, nach erfolgter Er­ greifung und nach geschehener Feststellung der Persönlichkeit bei leichteren Vergehen

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Klurzwang.

noch nicht den Schluß rechtfertigen, daß die betreffende Person sich auch der Be­ strafung durch Flucht entziehen werde. Abzuwägen bleiben also immer die Gründe, welche vom Standpunkt des Verdächtigen aus zur Flucht anreizen und die Gegengründe, welche ihm das Verbleiben an Ort und Stelle rathsam erscheinen lassen. So lange der Verdächtige begründete Aussicht auf Freisprechung seinerseits hegen kann, wird die Furcht vor einer geringen Strafe als Motiv zur Flucht meistentheils aufgehoben werden durch die Besorgniß, daß Flucht im Falle des Miß­ lingens als ein belastendes Moment zur Verurteilung in Ermanglung eines sonst ausreichenden Beweises führen könnte. Verlegung des Wohnsitzes an einen anderen Ort im Reichsgebiet kann für sich allein F. nicht begründen, und keinenfalls ent­ spricht es der Intention des Gesetzes, schon bei der Begehung eines bloßen Ver­ gehens die Furcht vor Strafe als einen hinreichenden Verdachtsgrund zu erachten. Dagegen find zu beachten: Vorbereitende Handlungen zum Zwecke einer sonst nicht genügend motivirten Abreise, Versäumniß in der Wahrnehmung regelmäßiger Ge­ schäftsobliegenheiten und Berufspflichten, längere Zeit hindurch fortgesetztes Fern­ bleiben von der eigenen Wohnung und sonst gewohnheitsmäßig aufgesuchter Lokali­ täten, die bereits begonnene Flucht von Mitschuldigen und ähnliche Umstände. Die individuellen Verhältnisse des Verdächtigen in sozialer und ökonomischer Hinsicht, sein Familienstand u. s. w. dürfen nicht übersehen werden. Hat die Flucht des Ver­ dächtigen begonnen, so find die Sicherheitsbeamten ermächtigt, die Verfolgung des Flüchtigen auf das Gebiet anderer Bundesstaaten fortzusetzen und die Ergreifung zu bewirken. (Vgl. außerdem die Art. Haftbefehl u. Festnahme, vorläufige.) Nur ausnahmsweise kommt der F. bei Uebertretungen in Betracht, wenn die­ selben der Art find, daß der Thäter nach § 362 der Landespolizeibehörde überwiesen werden kann, oder unter Polizeiaufsicht steht oder zu denjenigen Kategorien gehört, bei denen nach § 112 der StrafPO. F. auf gesetzliche Präsumtion gestützt wird.

Quellen: GVG. § 168. — RStrafPO. §§ 112—114, 127. Lit.rv. Holtzendorff, Handbuch d. StrafPrz.R., I. S.343. — Dochow, DerRStrafPrz., § 53. v. Holtzendorff.

Flurzwang (vgl. d. Art. Feldgemeinschaft) ist die Beschränkung des Grundbesitzers in der Benutzung seines in der Gemeindefeldmark in Gemenglage be­ findlichen Ackerlandes. Die Beschränkung ist eine dreifache: 1) Unterwerfung unter das Wirthschaftssystem, welches sich aus der Einteilung der gesammten Flur in be­ stimmte Felder (Schläge, Zelgen), meistens (aber nicht überall) nach dem Systeme der Dreifelderwirthschaft, ergiebt; 2) Koppelweide sämmtlicher Grundbesitzer der Ge­ meinde auf dem Brachfelde (Acker- oder Stoppelweide); 3) gegenseitiges Uebersährtsrecht (Samenwege) und Pflugwenderecht (Trepprecht) der Nachbarn zur Bestellzeit. Der F. rührt aus der Umwandlung der ursprünglichen strengen (öffentlichen) Feldgemeinschaft in Privateigentum her und wird von vielen selbst als uneigentliche oder laxere (pri­ vate) Feldgemeinschaft bezeichnet. Geschlossene Höfe waren dem F. nie unterworfen, ebensowenig die Gärten und, wenigstens in Norddeutschland, gewisse in der Nähe des Hofes belegene Grundstücke (Wurten); auch die Rottländereien waren in der Regel frei. In neuester Zeit, zum Theil jedoch schon im 18. Jahrhundert, ist der F. durch die Gemeinheitstheilungen, die gutsherrlich-bäuerlichen Regulirungen und die Verkoppelungsgesetze größtenteils aufgehoben, doch hat er sich hier und da obser­ vanzmäßig bald ganz in der alten Weise mit gemeinsamer Stoppelweide, bald wenigstens in der abgeschwächten Gestalt des gegenseitigen Ueberfahrtsrechts erhalten. Umgekehrt ist der F. in manchen Gegenden, namentlich Süddeutschlands, seit Ein­ führung der Stallfütterung ohne einen gesetzgeberischen Akt im Wege der Observanz verschwunden. Dem F. ähnlich, aber aus ganz anderer historischer Grundlage be­ ruhend, ist die Unterwerfung der Weinbergsbesitzer derselben Gemarkung unter die gemeinsame Laubordnung.

Slukvett.

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Lit.: Haussen, Der Flurzwang (Arch. f. polit. Oekon., VII. 52 ff.). - Zur Geschichte der Feldsysteme in Deutschland (Ztschr. f. d. gef. Staatswissensch. XXI. 54 ff., XXII. 385 ff., XXIV. 496 ff., XXVI. 455 ff., XXXII. 1 ff.). — Knaus, Der Flurzwang, Stuttg. u. Tübing. 1843. — Roscher i. d. Arch. f. polit. Oekon., VIII. 164 ff. — Nationalökonomik des Ackerbaues, 8. Aust., §§ 25, 74, 76, 78, 85 ff.— Wagner, Allg. Volkswirthschaftslehre, 2. Aust., I. §§ 332—335. — Meißen, Der Boden u. d. landwirthsch. Verh. d. Preuß. Staates, 1.355 ff., 364, II. 4ff. — L. v. Maurer, Einl. z. Gesch. d. Markverfassung, 73 ff., 147 ff.— Gesch. d. Dorfverfassung, I. 35 ff., 96 ff., II. 3 ff. — Thudichum, Gau- u. Markverf., 171 ff. - Waitz, Die altdeutsche Hufe, 22 ff., 33. — Gierke, Genoffenschaftsrecht, I. 64 ff., 615. R. Schröder.

Flußbett, Eigenthum und dingliche Rechte an demselben. — Daraus, daß das fließende Wasser seiner Natur nach in Niemands Eigenthum stehen kann, wird von Manchen (so neuerdings von Schenkel, Das Badische Wasserrecht, Karlsruhe 1877) gefolgert, daß auch der von dem fließenden Wasser eingenommene Raum, das F., nicht im Privateigenthum stehen könne; allein der Grund der ersteren Un­ möglichkeit: der beständige Wechsel der Wasserwelle trifft beim F. nicht zu. Durch das positive Recht werden jedoch vielfach Eigenthum und dingliche Rechte am F. ausgeschlossen oder beschränkt. — Röm. R.: Am Bett des flumen publicum (im Gegensatz zu flumina privata: a) rivus, b) torrens, I. 1 §§ 1 u. 3 D. 43, 12) findet kein — auch kein fiskalisches — Eigenthum statt, es untersteht nur der Polizei­ hoheit des Staats. Das verlassene Bett des öffentlichen Flusses wird entweder Gegenstand der Okkupation (beim ager limitatus, heutzutage unpraktisch) oder es wächst den Anliegern zu, jeder Punkt je dem nächstliegenden Ufer; das — sei es vom Fluß selbst oder von Menschenhand — neugeschaffene Bett, hört auf Privat­ eigenthum zu sein. Das Bett des flumen privatum steht ganz einem andern locus privatus gleich. — Das Ufer des flumen publicum ist Privateigenthum (wenigstens beim ager non limitatus), der Eigenthümer muß aber den öffentlichen Gebrauch, soweit er mit dem Gebrauch des Flusses zusammenhängt, gestatten: 1. 30 § 1 D. 41, 1. — Begriff des Ufers: 1. 3 § 1 D. 43, 12. — Heutiges R.: Das Prinzip, daß am Bett eines öffentlichen Flusses kein Privateigenthum möglich sei, wird zwar von der Rechtsprechung festgehalten; vgl. Entscheidungen bei Seuffert, Arch. XIX. 118, XXII. 10, 212, XXX. 114; allein indem vielfach auch solche Gewässer, welche nicht flumen publicum im Sinn des Röm. R. sind, mit Rücksicht darauf, daß sie „der gemeinen Benutzung, insbesondere dem Mühlenbetrieb" dienen (Seuffert XIX. 118, XXVII. 204), als öffentliche in Anspruch genommen werden, läßt sich das Prinzip gerade in der Anwendung auf Wasserwerkbauten nicht streng durchführen; daher Anerkennung des Privateigenthums am Bett und Ufer eines Kanals (Seuffert XIV. 201, XXII. 117, XXXIII. 192— anders: XX. 202, XXL 204), eines eigenthumsähnlichen Ver­ hältnisses an Wasserbauten: Wehren u. dgl. (Seuffert XX. 117). Neueste Gesetz­ gebung : Badisches Gesetz vom 25. Aug. 1876 über die Benützung und Instand­ haltung der Gewässer, wonach Anlagen im Bett eines öffentlichen, d. h. schiff- oder flußbaren Gewässers nur auf Widerruf zulässig, Anlagen in dem Bett von „sonstigen fließenden Gewässern" zwar nicht ausdrücklich als Eigenthum des Erbauers aner­ kannt, aber — wenn auch beschränkten — privatrechtlichen Schutz genießend. Recht am verlassenen F.: im Allgemeinen wird das Recht der Anlieger auf das Eigen­ thum hieran anerkannt; Preuß. LR. Theil I. Tit. 9 §§ 263—274; streitig nach § 270, ob Besitzergreifung nothwendig: A. LR. II. 15 §§ 71, 73; Entsch. des O.Trib. XLX. S. 351; Rönne, Ergänzungen; Abweichungen, wenn der Fluß sich selbst ein neues Bett schafft: Preuß. LR. I. 9 § 271, Oester. BGB. § 409 (Entschädigung der Schaden leidenden Grundbesitzer); C. civ. art. 563, C. civ. Ital. art. 461, Burgerlijk Wetboek a. 647 (Eigenthumserwerb am alten Bett für die seitherigen Eigenthümer des neuen Betts), — wenn durch Korrektion ein neues Bett geschaffen wird: Bad. Wasserrechtsgesetz Art. 84 (Eigenthumserwerb des Unternehmers der Korrektion, jedoch mit einem Vorbehalt zu Gunsten der Anlieger). Abweichend vom Röm. R. ist der

848

Nüsse.

Begriff (auch das Rechtsverhältniß?) des Users bestimmt in dem eben angeführten Gesetz (Art. 4). Pfizer.

Flüffe (Th. I. S. 495). Die zahlreichen Interessen, welche sich an die Benutzung der Gewässer knüpfen, machen es nothwendig, einer Kollision derselben durch genaue Normirung der Wasserrechtsverhältnisse vorzubeugen. Die Grundsätze, welche das Röm. und das Deutsche R. in dieser Beziehung entwickelt haben, Langen heute nicht mehr aus. Von der Rechtswissenschaft wurde gerade dieses Gebiet lange Zeit hindurch mehr als billig vernachlässigt. Und gleich ihr ist auch die Gesetz­ gebung hinter den Anforderungen des praktischen Bedürfnisses zurückgeblieben. Eifft in neuerer Zeit hat man im Hinblick auf die steigende Entwicklung von Landwirth­ schaft, Industrie und Handel den Wasserrechtsstagen größere Aufmerksamkeit zu­ gewendet und seit einigen Jahren ist man vielfach mit einer Reform oder Kodifikation der wasserrechtlichen Bestimmungen beschäftigt. Schon im systematischen Theile dieser Encyklopädie ist die Natur und die Be­ deutung des Gegensatzes zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen (sog. Privat-) F. hervorgehoben worden. Demnach erscheinen als öffentliche F. diejenigen, welche zur Schiffahrt und zur Flößerei mit verbundenem Holze geeignet sind. Als öffentliche gelten auch die Nebenarme öffentlicher F. ohne Rücksicht aus ihre Schiffbarkeit, nicht aber Neben­ flüsse, soweit sie nicht selbst schiffbar und flößbar sind. Bezüglich der öffentlichen F. gipfelt die ältere Deutsche Rechtsentwicklung in der Ausbildung eines Wasser­ oder Flußregals, kraft dessen nur der Staat oder derjenige, dem er sie verlieh, die Nutzungen an öffentlichen F. beanspruchen konnte. Privatflüsse bildeten häufig einen Theil der Allmende oder standen unter der Dispositionsgewalt des Grundherrn: „In beiden Fällen hatten die anstoßenden Gemeinde- oder Hofgenossen den durch die Gesammtheit oder den Herrn beschränkten Genuß des Wassers." (Bluntschli, Deutsches Priv.R., S. 229.) So sehr auch der heutige Rechtszustand hiervon ab­ weicht, läßt er doch den geschichtlichen Zusammenhang deutlich erkennen, indem bei den öffentlichen F. die Wasserrechtshoheit des Staats zum Zweck des Gemein­ gebrauchs derselben als öffentlicher Sachen sich im Interesse der Gesammtheit geltend macht, während die Rechtsverhältnisse an Privatflüssen unter dem Gesichtspunkte geordnet sind, daß die Nutzungen den Anliegern in gleichmäßiger Weise zukommen sollen. Der Begriff des Wasserregals ist heutzutage für die juristische Konstruktion der Wasserrechtsverhältnisse völlig entbehrlich. Der Staat hat vielmehr nicht aus einem privatrechtlichen Titel, sondern aus Gründen des öffentlichen Rechts die Wasserrechtshoheit, die sich freilich bei öffentlichen und bei nicht öffentlichen Ge­ wässern in verschiedener Weise äußert. Die Benutzung öffentlicher F. steht Jedermann frei. Jedoch übt der Staat das Recht der Regelung, Beschränkung und Beauffichtigung des öffentlichen Gebrauchs. Er macht diesen abhängig von der Beobachtung gesetzlicher und polizeilicher Vor­ schriften durch Mühlordnungen, Schiffahrts-Floßordnungen, Bewässerungs-Fischerei­ ordnungen u. dgl. Da er andererseits die Wasserpolizei handhabt und außerdem für Baggerung, Uferkorrektion, Brückendurchlässe, Leinpfade u. dgl. Auslagen macht, setzt er mit Recht die Entrichtung bestimmter Abgaben als die Bedingung gewisser Benutzungsarten. Und ebenso kann der Staat auf Grund seines Aufsichtsrechtes einzelne Benutzungsarten von der Verleihung besonderer Konzession abhängig machen oder vollends verbieten. Allgemein gestattet und unabhängig von staatlicher Konzession sind insbeson­ dere: 1) Schiffahrt und Floßfahrt mit verbundenem Holze. Nach Art. 4 Nr. 9 der Deutschen RVerf. unterliegen der Flößerei- und Schiffahrtsbetrieb auf den mehreren Staaten gemeinsamen Wasserstraßen (sog. konventionelle F.) und der Zu­ stand der letzteren, sowie die Fluß- und sonstigen Wasserzölle der Beaufsichtigung

Nüsse.

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seitens des Reichs und der Gesetzgebung desselben. Des Ferneren dürfen nach Art. 54 der RVerf. Abgaben von allen natürlichen Wasserstraßen nur für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, erhoben werden; diese Abgaben, sowie die Abgaben für die Befahrung der im Staatseigenthum befindlichen künstlichen Wasserstraßen dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Auf die Flößerei finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als dieselbe auf schiff­ baren Wasserstraßen betrieben wird. Was die Flößerei auf den nur flößbaren Strecken konventioneller F. betrifft, so wurde die Erhebung von Abgaben durch ein besonderes Reichsgesetz, das Gesetz vom 1. Juni 1870 über die Abgaben von der Flößerei, unter dem Gesichtspunkt geregelt, daß solche nur als ein Aequivalent für die Benutzung besonderer Anstalten erhoben werden sollen. — 2) Ist frei der Gebrauch des Flußwassers zum Schöpfen, Baden, Tränken u. dgl., und 3) die Befugniß Sand, Steine und Schlamm aus dem Bette der öffentlichen F. zu entnehmen, soweit es nicht aus strompolizeilichen Rücksichten verwehrt wird. Dagegen bedarf es besonderer Konzession: 1) zur Wildflößerei (Flößen mit Stücken unverbundenen Holzes). Doch hat auch unter dieser Voraussetzung der Floßherr den etwaigen Schaden zu ersetzen; die Ufereigenthümer müssen ihm ge­ statten, daß er das Sinkholz und den sog. Schwanz (die am Ufer sich anlegenden Hölzer) auffangen lasse. Siehe im Uebrigen d. Art. Flößerei. 2) Zur Unter­ haltung von Fähren, wenn das Ueberfahren gewerbsmäßig gegen Fährgeld betrieben wird. Die Flußanwohner sind ohne Konzession berechtigt, sich zum eigenen Ge­ brauche Transportmittel zu halten. 3) Zur Errichtung dauernder Anstalten, welche das Wasser als Triebkraft (Fabriken, Mühlen u. s. f.) oder zur Bewässerung be­ nutzen (RGew.O. §§ 16, 23). Die Erlaubniß zur Errichtung von Triebwerken wird auf Grund vorausgehender causae cognitio mit Rücksicht auf die Rechte der übrigen Interessenten und die öffentliche Sicherheit ertheilt. Den älteren Wasserwerksbesitzern soll durch das neus Wasserwerk die nöthige Wasserkraft nicht benommen, die Grund­ stücke der Ufereigenthümer sollen nicht der Gefahr der Überschwemmung ausgesetzt,

es soll ihnen das zur Wiesenbewässerung erforderliche Wasser nicht entzogen werden. Vgl- d. Art. Mühlenrecht. Aus dem Umstande, daß die öffentlichen F. dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind, ergeben sich Legalservituten, durch welche die Ufereigenthümer beschränkt werden. Sie müssen die Benutzung des bestehenden, die Errichtung eines neuen Leinpfades dulden und müssen sich in Nothfällen das Anlanden der Schiffe und das Ausladen (gegen Entschädigung) gefallen lassen. Das sog. Eigenthum des Staates an dem öffentlichen Flusse — ein beliebter Sprachgebrauch der Part.R. — kann juristisch nur als Eigenthum an dem jeweiligen Flußbette aufgefaßt werden. Als Konse­ quenzen desselben erscheinen das Jagdrecht auf dem Flusse und das Recht auf Ge­ winnung des Eises. Was die sog. Privat-F. betrifft, ist dem, was Th. I. S. 495 darüber gesagt worden, innerhalb der diesem Art. gesteckten räumlichen Grenzen wenig beizufügen. Um ein wahres Eigenthum am Gewässer kann es sich auch hier nicht handeln, da an der aqua profluens als solcher keine physische und daher auch keine rechtliche Herrschaft möglich ist. Dagegen übt das Eigenthum am Flußbett und an den Ufern, welches bei öffentlichen F. — mag es nun der Staat beanspruchen oder nicht — für die Nutzungen des Gewässers irrelevant ist, bei Privatflüssen seine natürlichen Wirkungen aus, indem es die Anlieger befähigt, jeden Anderen von der Benutzung des Wassers faktisch auszuschließen. Dieses Verhältniß ist aber nicht als Eigenthum am Wasser zu betrachten. Wo öffentliche Wege oder Plätze das User bilden, hört die Ausschließung anderer auf. Es mag daselbst Jedermann das Wasser des Privatflusses zum Tränken des Viehs, zum Waschen u. dergl. benutzen. Wenn auch die Anlieger im Allgemeinen das Recht haben, das Wasser beliebig zu

v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon I. 3. Aufl.

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FluMiffahrt.

gebrauchen, so macht sich doch die Wasserrechtshoheit des Staats auch hier geltend, indem er die Errichtung von Mühlen und anderen Triebwerken von seiner Kon­ zession abhängig macht, in welchem Falle aber die Erhebung eines Wasserrechts­ zinses nicht gerechtfertigt ist. Andererseits regelt der Staat durch seine Gesetzgebung die Rechtsverhältnisse zwischen den Anliegern in der oben Th. I. S. 495 angegebenen Weise unter dem Gesichtspunkte, daß kein Einzelner über das Gewässer in der Weise verfügen soll, daß dadurch das gemeinschaftliche Interesse der angrenzenden Eigenthümer in empfindlicher Weise beeinträchtigt würde. Ueber das Recht der Fischerei in öffentlichen und nicht öffentlichen F. vgl. d. Art. Fischereiordnungen. Die verschiedenen prinzipiellen Auffassungen der Wasserrechtsverhältnisse lassen bezüglich der öffentlichen F. sich im Wesentlichen auf drei Theorien zurückführen. Die ältere Doktrin sprach von einem Privateigentum des Staates am Flusse. Andere huldigten der Regalitätstheorie. Eine dritte Theorie ist diejenige, welche mit dem Begriff der Wasserrechtshoheit des Staats auszulangen glaubt und den Fluß als res communis omnium betrachtet. Die Wassernutzungen bei Privatflüssen werden entweder als Folge eines Eigenthums am Gewässer oder als natürliche Wirkung des Eigenthums am Flußufer erklärt. Bluntschli operirt mit dem Be­ griff einer Herrschaft über die Gewässer, der zwar die Annahme eines Eigenthums umgehen hilft, aber in seiner Allgemeinheit zu juristischer Konstruktion un­ tauglich ist. Gsgb.: Von d. neueren Ges. sind hervorzuheben: Das Preuß. Ges. über d. Benützung d. Privatflüsse v. 28. Febr. 1843. — Das Hannov. Ges. über Entwässerung, Bewässerung u. Stauanlagen v. 22. Aug. 1847. — Das Bad. Ges. über Bewässerung und Entwässerungs­ anlagen v. 28. Febr. 1851, u. die drei Bayer. Wasserrechtsges. v. 28. Mai 1852, erläutert von Pözl 1862. — Oesterr. Ges. v. 30. Mai 1869 betr. die der Reichsgsgb. vorbehaltenen Bestimmungen d. Wasserrechts. Lit.: Noe Meurer, Wasserrecht, 1570, in Fritschii ins fluviaticum, 1672. — Cancrin, Abhandl. von dem Wasserrechte, 1789—1800. — Elvers, Das R. d. Wasserlaufs rc., in der Themis, N. F. I. H. 3 (1841). — Funke im Arch. f. civ. Prax. XII. 274 u. 432. - Kori, ebenda, XVIII. 37. — Schwab, Die Konflikte der Wasserfahrt auf den F. rc., Beilageheft z. Arch. f. civ. Prax. XXX (1847). — Glaß, Die wasserrechtl. Gsgbb., 1856. — Dufour, Police des eaux etc., Paris 1857. — Hesse, Grundzüge d. Wasserrechts nach Gem. R., Jahrbb. f. Dogmatik, VII. 179. — Scheele, Das Preuß. Wasserrecht, 1860. — Ende mann, Das ländl. Wasserrecht, 1862. —Pözl, Die neuere Gsgb. u. Lit. über Wasserrecht, Krit. V.J.Schr. I. 23. — Wappaeus, Zur Lehre von den dem Rechtsverkehr entzogenen Sachen, 1867. — Kappeler, Der Rechtsbegriff d. öffentl. Wasserlaufs, 1867. — Fischer, De privatis fluminibus diss., 1868. — Baumert, Die Unzulänglichkeit der bestehenden Wassergesetze in Deutschland, 1876.—Brückner, Das Deutsche Wasserrecht in Hirth's Annalen d. Deutschen Reichs, 1877. — Huber, Die Wassergesetze Elsaß-Lothringens, 1877. — Randa, Beiträge z. Oesterr. Wasserrechte in Samitsch' Oesterr. Ztschr. d. Verwaltungsrechtspflege, 1877. — Baron mBernhöft's Zeitschr. f. vergl. RWiss., I. 261, II. 51. — Stobbe, D. Priv.R., § 64. — Dernburg, Preuß. Priv.R., § 251 ff. — Roth, Bayer. Civ.R. § 282 ff. Heinrich Brunner.

Flußschiffahrt (Flußschiffahrtsakte). I. Die Preußische F. Nach A. LR., mit dem das Rheinisch-französische R. in dieser Hinsicht wesentlich überein­ stimmt, find alle Flüsse entweder öffentliche oder Privatflüsse. Oeffentliche Flüsse sind diejenigen, welche von Natur schiffbar find. Und zwar reicht die öffentliche Natur eines solchen Flusses dann nur soweit, als die Schiffbarkeit reicht, so daß also der obere Lauf eines schiffbaren Flusses meist nicht öffentlich ist; dieser von der Praxis der Verwaltung stets anerkannte Grundsatz (Reskr. d. Min. f. Handel u. f. landw. Angel, vom 28. Febr. 1861, Min.Bl. S. 73), dem die Praxis der Gerichte lange Zeit entgegenstand (Erk. d. O.Trib. vom 22. Novbr. 1850, Striethorst, I. 133, Entsch. Bd. XX. S. 538) ist neuerdings auch bei der Justiz zur Geltung gelangt (Plenarbeschl. d. O.Trib. vom 3. Juni 1867, Präjud. Nr. 2748; Entsch. Bd. LVII. S. 464). Die öffentlichen Flüsse stehen im Eigenthum des

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Staates. Der Staat hat daher prinzipiell auch das Nutzungsrecht an den öffent­ lichen Flüssen, insbesondere das ausschließliche Recht zur Anlegung von Fähren, von Brücken, zur Errichtung von Wassertreibwerken, zum Fischfang und zur Jagd, Rechte, welche hinsichtlich der Ausübung staatsseitig weiter übertragen werden können. In­ dessen ist doch das Eigenthumsrecht des Staates an öffentlichen Flüssen ein beson­ ders bestimmtes und vielfach beschränktes, namentlich in Folge des Gemeingebrauchs, der dem Publikum in mehr oder minder ausgedehntem Maße zusteht. Dieser Ge­ meingebrauch zeigt sich besonders in der Benutzung des Flußwassers durch Schöpfen, Baden 2C. und in der Gestaltung der Schiffahrt. Die öffentlichen Flüsse siüd also öffentliche Wege und gerade die Fähigkeit des Flusses, zum Schiffahrtsverkehr be­ nutzt zu werden, giebt demselben die Eigenschaft des öffentlichen Weges. (Vgl. Nie­ der ding, Wasserrecht und Wasserpolizei im Preuß. Staate, Breslau 1866, S. 26 ff. 170 ff.; Dernburg, Lehrb. des Preuß. Privatrechts, Bd. I. [1872] S. 544 ff. — Ueber den Begriff des öffentlichen Flusses bei den Römern s. Börner, Arch. f. civ. Prax., Bd. XXXVIII. S. 147 ff.; Hesse, Jahrb. f. Dogmatik, Bd. VII. S. 181 ff.; Fischer, De privatis fluminibus, Diss. inang., Berol. 1868.) Mit dieser Rechtsnatur der schiffbaren Flüsse würde es an sich keineswegs im Widerspruche stehen, wenn die Schiffahrt auf denselben mit Abgaben und Lasten aller Art belegt wäre. In der That war das der Rechtszustand der früheren Zeiten. Erst die Verordnung wegen Aufhebung der Wasser-, Binnen- und Provinziälzölle, zunächst in den alten Provinzen der Monarchie vom 11. Juni 1816, hat die „in älteren Zeiten gebildete und verwickelte Zoll-, Durchgangs- und HandelsAbgaben-Verfassung" in dieser Hinsicht beseitigt, und alle Staats-, Kommunal- und Privatzölle an der Havel, Spree (z. B. zu Beeskow, Fürstenwalde, Köpenick, Berlin), Oder, Netze, Warthe, Ucker re. vom 16. Juli 1816 ab ausgehoben, auch gleichzeitig die bisherigen Schteusen-Abgaben in ein Schleusen-Aufzugsgeld verwandelt. Das Gesetz vom 26. Mai 1818 betr. den Zoll und die Verbrauchssteuer von ausländischen Waaren, sowie den Verkehr zwischen den Provinzen des Staats, §§ 16 ff. hat dann diese Freiheit des Verkehrs im Innern erweitert, und die Verordnung vom 23. Jan. 1838 , betr. das mit den zollvereinten Staaten vereinbarte Zollgesetz re. (Zollgesetz §§. 18 ff.), diese Freiheit für die privativen Flüsse im Gegensatz zu den konveutionellen lediglich bestätigt. Ausgenommen bleiben nur diejenigen Erhebungen und Leistungen, welche zur Erleichterung des Verkehrs dienen. Das Gesetz vom 24. Dezbr. 1866 hat dann sämmtliche für Preußische, wie für Nassauische Rechnung bisher er­ hobenen Schiffahrts-Abgaben, sowol Schiffsgebühren als Zölle von der Ladung auf Rhein und Main gänzlich aufgehoben. Der Staat hat außerdem die Strompolizei zu handhaben. In dieser Hinsicht fehlt es jedoch an einer allgemeinen Fluß- und Stromordnung. Es sind nur für die wichtigeren Flüsse besondere Strom- ipib Uferordnungen erlassen worden, welche indessen in erster Linie das Interesse der Landeskultur und nur nebenbei das In­ teresse der Schiffahrt im Auge haben (vgl. die Zusammenstellung in v. Rönne und Lette, Landeskulturgesetzgebung, Bd. II.' S. 342 ff.). Die nicht schiffbaren Flüsse sind die sog. Privatflüsse; sie können zwar gegen Entschädigung zu schiffbaren Flüssen gemacht werden, werden jedoch dadurch nicht völlig zu öffentlichen Flüssen, sondern bleiben im Privateigentum, soweit solches

mit der nunmehrigen Bestimmung des Flusses bestehen kann, so daß z. B. das Jagdrecht auf dem Flußgebiete dem Eigenthümer erhalten wird. Auch auf sie findet jedoch eine Einwirkung der Staatshoheit im öffentlichen Interesse statt. Näher sind diese Rechtsverhältnisse der Privatflüsse durch durch das für den damaligen Umfang des Staats ergangene, jedoch auf die im Jahre 1866 erworbenen Landestheile nicht ausgedehnte Gesetz vom 28. Febr. 1843 geregelt worden. II. Die Deutsche F. Für das frühere Reich hatte bereits der Westfälische Friede (Art. 9 §§ 1,2) den Grundsatz der freien und ungehinderten Schiffahrt

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ausgesprochen, und die Wahlkapitulation (Art. 18 §§ 6—8, 17) die Verpflichtungen des Reichsoberhaupts näher bestimmt, ohne daß es jedoch zu einer praktischen Durchsührung dieses Grundsatzes gekommen wäre. Der Art. 19 der Deutschen Bundesakte hatte sodann in Aussicht gestellt, daß bei der ersten Zusammenkunft der Bundes­ versammlung wegen der Schiffahrt zwischen den verschiedenen Bundesstaaten (nach Anleitung der aus dem Wiener Kongresse angenommenen allgemeinen Grundsätze) berathen werden solle; die ganze Thätigkeit des Bundes in dieser Angelegenheit hat sich aber aus den durch die Wiener Ministerialkonferenzen veranlaßten Bundesbeschluß vom 8. Aug. 1820 beschränkt, wonach die schon begonnenen Unterhandlungen aus das Thätigste betrieben und in kürzester Frist beendigt, die noch nicht eingeleiteten Unterhandlungen aber unverzüglich begonnen werden sollten. Nach den mit der Verfassung des früheren Norddeutschen Bundes wörtlich übereinstimmenden Fest­ setzungen der jetzigen RVerf. unterliegen der Gesetzgebung und Beaufsichtigung des Reichs auch die Angelegenheiten des Schiffahrtsbetriebes auf den mehreren Staaten gemeinsamen Wasserstraßen; so daß also ins Künftige keine F.verträge zwischen den Deutschen Bundesstaaten geschlossen, sondern Deutsche F.gefehe erlassen werden (Art. 4 Nr. 9). Außerdem enthält der Art. 54 die Vorschriften, daß aus allen natürlichen und künstlichen Wasserstraßen der einzelnen Bundesstaaten die Kauffahrtei­ schiffe sämmtlicher Bundesstaaten gleichmäßig zugelasfen und behandelt werden sollen; daß aus allen natürlichen Wasserstraßen Abgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, erhoben werden dürfen; daß solche Abgaben, sowie die Abgaben für die Befahrung künstlicher Wasserstraßen, welche Staatseigenthum sind, die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung erforderlichen Kosten nicht übersteigen dürfen; daß endlich keinem Einzelstaate, son­ dern nur dem Reiche das Recht zusteht, andere oder höhere Abgaben von fremden Schiffen oder deren Ladungen zu erheben. In Ausführung des Art. 54 der RVerf. ist demnächst das Gesetz vom 11. Juni 1870 wegen gänzlicher Aufhebung der Elbzölle erlassen worden, wonach Abfindungen an Mecklenburg-Schwerin im Betrage von 3 000 000 Mark und an Anhalt im Betrage von 255 000 Mark gewährt wurden (Hirth, Annalen 1869, S. 430 ff.; 1871, S. 709 ff.). — Ueber die F. innerhalb des früheren Zollvereins vgl. Zollvereins-Vertrag vom 8. Juli 1867, Art. 23—25. III. Die Europäische F. Es unterliegt an sich keinem Zweifel, daß bei denjenigen Flüssen, welche mehreren Staaten gemeinsam sind, die Gesetzgebung und Polizei hinsichtlich der F. der öffentlichen Gewalt jedes Einzelstaates nach Ver­ hältniß der Uferstrecken zusteht. Denn es sind die Flüsse der Gebietshoheit des­ jenigen Landes unterworfen, durch welches sie fließen, sie sind fließende Theile des Landes. Indessen hat doch der natürliche Zusammenhang der schiffbaren Ströme die ausschließliche Gebietshoheit durch die Rücksicht auf die Verkehrsgemeinschaft vielfach ermäßigt; die Souveränetät der Einzelstaaten ist durch internationale Ver­ träge mannigfach eingeschränkt worden. Es war das Verdienst des Wiener Kon­ gresses, auf den Antrieb von Wilhelm v. Humboldt (WienerKongreßakte Art. 108—117) zum ersten Male ganz generell den Grundsatz aufgestellt zu haben, wonach die Schiff­ fahrt auf allen denjenigen Flüssen, welche mehrere Staaten trennen oder durch­ schneiden, im ganzen Laufe von dem Punkte an, wo ein jeder von ihnen schiffbar wird, bis zu deren Mündung gänzlich frei sein und Niemandem in Bezug des Handels untersagt werden soll, nach Maßgabe der für die Schiffahrtspolizei festzu­ setzenden, für alle Nationen gleichmäßig gültigen und das Handelsinteresse möglichst berücksichtigenden Reglements. Die Kongreßakte selbst stellt auch noch die speziellen Gesichtspunkte für solche Anordnungen auf, insbesondere sollen die Abgaben für die Schiffahrt auf eine gleichmäßige, unveränderliche und von der verschiedenen Qualität der Waaren soviel als möglich unabhängige Weise bestimmt werden, damit eine detaillirte Untersuchung der Ladung nicht nöthig sei; bei der Anfertigung des Tarifs

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soll der Rheinschiffahrtsoctroi zur approximativen Norm bienen; keine neuen Stapel-, Fahr- oder Lagerrechte dürfen errichtet werden; jeder der Uferstaaten verpflichtet sich, die Stromwege, die durch sein Gebiet gehen, zu unterhalten. Diese Bestimmungen sollen aber nur die Grundlage bilden für ein gemeinschaftliches Reglement, welches durch Kommissarien der betheiligten Staaten sechs Monate nach Beendigung des Kongresses aufzustellen ist. Endlich die besonderen Reglements in Beziehung auf die Schiffahrt des Rhein, Neckar, Main, der Mosel, Maas und Schelde sollen als integrirmde Theile des Arrangements des Kongresses angesehen werden und dieselbe Kraft und Gültigkeit haben, als wenn sie der Generalakte Wort für Wort hinzu­ gefügt wären. Es herrscht also auf diesen konventionellen Strömen einerseits volle Freiheit der Schiffahrt, nicht blos für die Unterthanen der zunächst betheiligten Staaten,' sondern für die Angehörigen aller Nationen; es ist aber andererseits keineswegs Freiheit von Abgaben für diese F. angeordnet, es ist in dieser Hinsicht nur vor­ geschrieben, daß diese Abgaben den Verkehr selbst möglichst wenig beeinträchtigen sollen. Das Einzelne ist durch eine Reihe von sog. F.akten geregelt worden. Was zunächst den Rhein betrifft, so war diesem bereits in der Zeit vor dem Wiener Kongresse eine Erleichterung zu Theil geworden, und zwar in Folge der Ab­ tretung des linken Rheinufers an Frankreich. Es wurden nämlich durch § 39 des Reichsdeputations-Hauptschlusses die sämmtlichen bisherigen Rheinzölle des rechten und linken Ufers aufgehoben, und dafür unter Vorbehalt der Eingangszölle (douane) ein einheitlicher zwischen Deutschland und Frankreich gemeinschaftlicher Rheinschifffahrtsoctroi eingerichtet, der den Betrag der ausgehobenen Zölle nicht übersteigen, und dessen Einkünfte, nach Abzug der Erhebnngs- und Polizeikosten, in zwei gleiche Theile getheilt werden sollten, deren jeder zunächst zur Unterhaltung der beiden Ufer bestimmt war, wahrend auf den Rest der zum rechten Rheinufer gehörigen Hälfte Dotationen und Renten theils unbedingt (§§ 9, 14, 17, 19, 20), theils bedingt und subsidiarisch (§§ 7, 27) gelegt wurden (vgl. Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815, Art. 15). Zur Ausführung des Art. 39 wurde eine Konvention über den Rheinschiffahrtsoctroi vom 15. Aug. und 1. Oktbr. 1804 abgeschlossen. (Archiv f. öffentl. Recht des Deutschen Bundes, Bd. I. [1854] und Urtheil des O.A.G. zu Celle in der Streitsache der Freien Stadt Frankfurt wider die Rheinufer­ staaten, Hannover 1860.) Weiter bestimmte dann der erste Pariser Friede vom 30. Mai 1814, Art. 5: La navigation sur le Rhin, du point oü 11 devient navigable jusqu’ä la mer, et reciproquement, sera libre de teile Sorte, qu’elle ne puisse £tre interdite ä personne. Schon auf dem Wiener Kongresse kam hin­ sichtlich des Rheins unterm 24. März 1815 eine Vereinbarung zu Stande, welche, wie schon erwähnt, für einen integrirenden Theil der Kongreßakte erklärt wurde. Die in Folge dessen niedergesetzte Centralkommission der Rheinuferstaaten führte endlich eine Vereinigung in Gestalt der Rheinschiffahrtsakte vom 31. März 1831 herbei; sie hat etwa ein Menschenalter die Grundlage des geltenden Rechts gebildet, durch eine Anzahl von Zusatzartikeln demnächst ergänzt und abgeändert. Erst durch die zwischen Preußen, Baden, Bayern, Frankreich, Hessen und den Niederlanden unterm 17. Oktbr. 1868 abgeschlossene Revidirte Rheinschiffahrtsakte (Preuß. Gesetzsamml. Jahrg. 1869, S. 798 ff.) ist eine neue Basis geschaffen worden. Danach soll die Schiffahrt auf dem Rhein und seinen Ausflüssen von Basel bis in das offene Meer, wobei der Leck und die Waal als zum Rhein gehörig betrachtet werden, den Fahr­ zeugen aller Nationen zum Transport von Waaren und Personen gestattet sein, mit der Maßgabe, daß Abgaben, welche sich lediglich auf die Thatsache der Beschiffung gründen, nicht erhoben, auch die Schiffer nicht gezwungen werden dürfen, ihre Ladung ganz oder theilweise zu löschen oder an Bord eines andern Schiffs zu bringen. Die weiteren Festsetzungen beziehen sich vorzugsweise auf die Zollabfertigung, auf die

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zum Betriebe der Rheinschiffahrt nachzuweisende technische Besähigung der Schiffssührer (Schifferpatent), sowie die Tauglichkeit der Schiffsgefäße (Schiffsattest), auf die Flößerei, das Lootsenwesen, die Erhaltung und Verbesserung des Fahrwassers, die Rheinschiffahrtsgerichte, die Bildung und den Geschäftskreis der administrativen Aufsichtsbezirke sowie der Centralkommission. Dieser Vertrag ist mit dem 1. Juli 1869 in Wirksamkeit getreten (vgl. auch das Schlußprotokoll vom 15. Okt. 1868, Gesetzsamml. 1869, S. 828 ff.). Zur Ausführung der Revidirten Rheinschiffahrts­ akte sind sodann die Gesetze betr. die Rheinschiffahrtsgerichte vom 9. März 1870, und das Gesetz betr. die Ausführung der Revidirten Rheinschiffahrtsakte vom 17. März 1870 (über Schifferpatente, Lootsenwesen, Schiffsatteste) erlassen (Gesetzsamml. 1870, S. 177 ff.). Die Regulirung der Elbschiffahrt beruht auf der Elbschiffahrtsakte vom 23. Juni 1821, welche durch die Revisionsakte vom 18. Sept. 1824 ergänzt und durch die Additionalakte vom 13. April 1844 und 4. April 1863 weiter fortgebildet ist. (Die Aufhebung des Stader Zolles beruht auf dem Vertrage vom 22. Juni 1861 zwischen Hannover einerseits und den seefahrenden Europäischen Staaten anderer­ seits, die Aushebung der Elbzölle beruht, abgesehen von dem Rordd. Bundesgesetz vom 11. Juni 1870, auf dem Vertrage zwischen dem Rordd. Bunde und Oester­ reich vom 22. Juni 1870.) — Die Weserschiffahrt ist durch die Weserschiffahrts­ akte vom 10. Sept. 1823 und eine Reihe späterer Additionalakten angeordnet worden. (Durch Verträge vom 26. Jan. 1856 und 14. Dez. 1865 wurde die Erhebung der Weserzölle einstweilen suspendirt.) — Auf die Donau sind die Grund­ sätze des Wiener Kongresses erst durch den Pariser Frieden vom 30. März 1856, Art. 15, 18 angewendet worden; die Durchführung dieser Grundsätze ist erfolgt durch die Donauschiffahrtsakte vom 7./9. Rov. 1857, durch die Schiffahrtsakte für die Donaumündungen vom 2. Rov. 1865 bis 28. März 1866, endlich durch den Ver­ trag vom 13. März 1871 betr. die Revision der auf die Schiffahrt im Schwarzen Meere und auf der Donau bezüglichen Bestimmungen des Pariser Friedens vom 30. März 1856. (Vgl. Die Donauschiffahrtsfrage in ihrer Entwicklung vom Wiener Kongreß bis zum Abschluß der Donauschiffahrtsakte vom 7. Rov. 1857, Stuttg. 1858.) Ein ausführliches Verzeichniß der Vereinbarungen über gemeinsame Schiffahrt auf durchgehenden Flüssen verschiedener Staaten findet sich bei H esst er, Europäisches Völkerrecht, 5. Ausg. 1867, S. 459 ff.

Lit.: v. Mohl, Gesch. u. Lit. d. Staatswissenschaften, Bd. I. (1855), S. 432 ff. — v. Rönne, Staatsrecht d. Preuß. Monarchie, 3. Aufl. 1872, Bd. II. Abth. 2 S. 436 ff., 457 ff. — v. Rönne u. Lette, Landes-Kultur-Gsgb. d. Preuß. Staates, Bd. II. Abth. 2 S. 569 ff. — Meißen, Der Boden u. d. landwirthschaftl. Verhältnisse d. Preuß. Staates, Bd. I. (1868), S. 106 ff., 126 ff.; besonders Bd. III (1871), S. 239—269; Bd. IV. (1869), S. 642 ff. — Zachariä, Deutsches Staats-u. Bundesrecht, 3. Aufl. 1867, Bd. II. S. 353 ff. — Zöpfl, System d. Gem. Deutschen Staatsrechts, 5.Aufl. 1863, Bd. II. S. 655 ff. — Thudich um, Verfassungsrecht d. Rordd. Bundes (1870), S. 352 ff., 656 ff. — v. Rönne, Das Verfassungsrecht d. Deutschen Reichs (1872), S. 121 ff. — Rösler, Lehrb. d. Deutschen Ver­ waltungsrechts, Bd. II. (1873), S. 411 ff. — Heffter, Das Europäische Völkerrecht, 5. Ausg. 1867, S. 146 ff., 459 ff. — Bluntschli, Das moderne Völkerrecht d. civil. Staaten, 2. Aufl. 1872, S.28 ff., 186 ff.— Karatheodory, Du droit international concernant les grands cours d’eaux, Leipz. 1861. — Rolin Jaequemyns, Chronique du droit international (Revue I. [1869], p. 151 ss.). - Ässer, La session parlementaire des Pays Bas 1868— 1869 au point de vue du droit international (Revue I. [1869], p. 622 ss.). — Gode fr oi, Les tribunaux pour la navigation du Rhin (Revue de uroit intern. I. [1869], p. 494). — Pierantoni, I Fiumi e la Convenzione internationale di Mannheim, Firenzi 1870. — Engelhardt, La liberte de la navigation fluviale (Revue de droit intern. XL [1879], S. 363 ff.). — v. Mohl, Polizeiwissenschaft, 3. Aufl. 1866, Bd. II. S. 445 ff. - Meidinger, Die Deutschen Ströme in ihren Verkehrs- und Handelsverhältnissen, Leipz. 1853. — Wurm, Fünf Briefe über die Freiheit der F., Leipz. 1858. — v. Kaltenborn, Art. Schiffsahrtsgesetze und Schiffahrtsverträge in Bluntschli's StaatsWört.B., Bd. IX. (1865), S. 228, 232 ff. Ernst Meier.

Foelix — Forstpolizei.

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Foelix, Johann Jakob Gaspar, z zu Oberstem im Trierschen 1791, t 1853 zu Paris, wo er seit 1826 wohnhaft und als Adv. thätig war. Vorher war er Advokat-Anwalt in Koblenz gewesen. In Paris gründete er 1833 die Revue etrangere de l&gislation et d’economie politique und wirkte bei verschiedenen Publikationen, auch außerhalb Frankreichs, mit. Er gab 1827 mit De Vaulx einen Code forestier annotä heraus, 1828 mit Henrion einen Traitä des rentes foncieres, 1832 einen Commentaire de la loi du 17. Avril 1732 sur la contrainte par corps, aber sein Hauptwerk, welches ihn berühmt gemacht hat, ist der Traitö de droit international privä ou du conflit des lois de differentes nations en matiere de droit privä, 1843. 1847. 1846 (besorgt von Demangeat). Lit.: Valette, Notice sur F., vor bem Catalogue de la Bibliothäque de F., 1854.— Faustin Helie in der Biographie universelle. — Taillandier in der Biographie generale. Rivier.

Fontaines, Pierre de, f gegen 1289, lebte in gerichtlichen Aemtern unter Ludwig IX. Er schrieb: Le conseil que Pierre Des. donna ä son ami (1253, gebt, in Joinville, Hist, de St. Louis, Par. 1665, P. 3 p. 73, 160). Lit.: Sav igny, V. 569, 570; VII. 94, 95. — Camus, Lettr. sur la prof. d’avocat ed. 4 t. I. — Le conseil de P. de Fontaine, par Marnier, Par. 1846. — Encykl. 233. — Gaudry, hist, du barreau de Paris, 1864, I. 106. — Revue hist. 1855 p. 487. Teich mann.

Förstemann, Theodor, 5 28. IX. 1809 zu Nordhausen, stud. in Halle und Berlin, kurze Zeit im Staatsdienst, lebte dann als Privatgelehrter in Berlin, später in Potsdam, f 24. V. 1879. Schriften: Zur Gesch. b. Preuß. Monarchie, Nordh. 1867. — Die direkten und in­ direkten Steuern historisch und kritisch beleuchtet, Nordh. 1867. — Beitr. z. Verst. der in Preußen schwebenden Grundsteuerfrage, besonders v. Standpunkt d. Rechts, Berl. 1860. — Das Preuß. Eisenbahnrecht und die unter dessen Schutz entstandenen Eisenbahnunternehmungen, Berl. 1869. — Prinzipien d. Preuß. Polizeirechts, Berl. 1870. Lit.: Schulze, Preuß. Staatsrecht, II. 518, 600. — v. Rönne, Das Staatsrecht d. Preuß. Monarchie, (3) II. b § 109 Note 1. Teichmann.

Förster, Aug. Alex. Franz, S 7. VII. 1819 zu Breslau, 1850 Kreisrichter in Löwenberg, 1858 Appellationsgerichtsrath in Greifswald, 1868 Geh. Justizrath, 1874 Wirkt. Geh. Ober-Reg.-Rath, Direktor im Kultusminist. für Kirchenangelegen­ heiten, arbeitete die Entwürfe der Grundbuchordn., der Vormundschaftsordn., der Gerichtsverf. aus, f 8. VIII. 1878. Schriften: De cred. pignerat. praestat. e praeceptis jur. germ., VratisL 1843. — Klage und Einrede nach Preuß. Recht, Brest. 1857. — Theorie u. Praxis des heutigen Gem. Preuß. Priv.R., 1860-73 (3), 1873, 1874. — Preuß. Grundbuchrecht, Berl. 1872. Lit.: Kanngießer in den Preuß. Jahrbb., Bd. 42 Heft 4 S. 409—424.

Sein Vater, Prof, zu Breslau, t 27. XL 1826, vgl. Bijdragen II. (1827) 742. — Nadbyl, Chronik u. Statistik d. Kgl. Univ, zu'Breslau, 1861 S. 39. Teich mann.

Forstpolizei.

Man versteht unter F. den Inbegriff derjenigen staatlichen Anordnungen, welche sich auf die Kultur solcher Baumgattungen beziehen, die vor­ zugsweise wegen ihres Holzes als Brenn- oder Baumaterial angebaut werden. Diese Anordnungen haben entweder eine blos negative Tendenz, indem sie auf Abwendung von rechtswidrigen Angriffen auf Sicherheit des Forstbetriebes gerichtet sind, oder eine positive Tendenz, indem sie im Interesse des Gesammtwohls den Zweck verfolgen, für ausgiebiges Holz zu sorgen und den Einfluß zu erhalten, welchen die Waldungen durch Vermittlung der Wärme und Feuchtigkeit in der Temperatur auf die Landes­ kultur überhaupt ausüben. Dem ersteren Zwecke dient in Preußen theils das Forstdiebstahlsgesetz vom 15. April 1878, welches an die Stelle des Holzdiebstahlsgesetzes vom 2. Jan. 1852 getreten ist, theils das Feld- und F.gesetz vom 30. März 1880, welches zahlreiche ältere

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Forstpottzei.

partikulare Normen, insbesondere auch manche Polizeiordnungen beseitigt, diesen letzteren jedoch auch noch ein weites Gebiet belassen hat. Was aber die positive Förderung der Forstwirthschast seitens des Staats betrifft, so kann allerdings eine weitgehende Fürsorge für das Landeskulturinteresse schon durch die Bewirthschaftung derjenigen Forsten, welche im Eigenthum des Fiskus stehen und hinsichtlich deren das volkswirtschaftliche Interesse gegenüber dem finanziellen stets gewahrt werden muß, in erheblichem Maße stattfinden. Die Frage, ob auch Einschränkungen des Privateigenthums zu Gunsten des Gemein­ wesens stattfinden sollen, hat das Preuß. Allg. LR. in Uebereinstimmung mit der älteren und neueren Gesetzgebung der meisten Länder unbedingt bejaht, indem ins­ besondere eine sog. Holzverwüstung, die sich nach den Verhältnissen in den verschiedenen Provinzen verschieden gestaltete, in holzarmen Gegenden aber schon dann vorhanden war, wenn der Waldeigenthümer das fortwährende Bedürfniß seines Guts und der Dorfeinwohner nicht mehr decken konnte, bei Strafe von Geld und Gefängniß und einer Einschränkung in der ferneren Benutzung des Waldes untersagt wurde. (§§ 83—95 Tit. 8 Th. I. Allg. LR.) Das Edikt v. 14. Sept. 1811 wegen Be­ förderung der Landeskultur hat dann aber alle Beschränkungen hinsichtlich der Privatwaldungen aufgehoben und den Eigenthümern gestattet, dieselben nach Gut­ finden zu benutzen, zu parzelliren uub urbar zu machen, wenn ihnen nicht Verträge mit einem Dritten oder Berechtigungen Anderer entgegenstehen (Landeskulturedikt §§ 4—6, vgl. mit den Gesetzen v. 3. Mürz 1850 und 27. Juni 1860). In den Landestheilen, welche erst nach Erlaß des Landeskulturedikts neu oder wieder­ gewonnen wurden, sind dagegen die Privatwaldungen meist forsthoheitlichen Be­ schränkungen unterworfen, insbesondere im Bezirk des Rheinischen Appellations­ gerichtshofes nach dem Franz. Gesetz v. 29. April 1804. Auch die Einwirkung des Staats auf die Gemeinde- und Jnstituten-Waldungen war wenigstens in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen und Schlesien nach Maßgabe der dortigen Kommunal-, Kirchen- und Schulgesetze auf das Aeußerste beschränkt, indem namentlich die Abholzung der städtischen Kommunal­ forsten und, soweit nicht die Stiftungsurkunden etwas Anderes festsetzten, auch die Abholzung der Jnstitutenforsten vollständig freigegeben war und selbst für die Ver­ äußerung städtischer Forstgrundstücke, wie für die Veräußerung städtischer Grundstücke überhaupt nach der Städteordnung von 1808 keine staatliche Genehmigung erfordert wurde, während für ländliche Gemeindeforsten allerdings insbesondere nach der Land­ gemeindenordnungs-Novelle von 1856 auch für außerordentliche Holzschlage eine Ge­ nehmigung erforderlich war. Weitergehend war die Einwirkung des Staats in den 1815 neu oder wiedergewounenen Landestheilen, also in dem größten Theile der Pro­ vinz Sachsen, in der Provinz Westfalen und in der Rheinprovinz, indem die Ver­ ordnung v. 24. Dez. 1816 und die in Folge derselben erlassene Instruktion dem Staate das Recht der Bestätigung der Forstbeamten und der Genehmigung der Wirthschafts­ pläne beilegte. In den später, namentlich 1866 erworbenen Landestheilen findet sich theils, wie in Theilen der Provinz Hannover und in Hohenzollern ein der Verordnung von 1816 im Wesentlichen entsprechendes System, theils wie in Hessen-Nassau und Theilen der Provinz Hannover eine noch weitergehende staatliche Einwirkung, das sog. Beförsterungssystem, wonach der Staat die Verwaltung, insbesondere die Anstellung des Forstbeamten, selbst in die Hand nimmt. In Schleswig-Holstein haben die Land­ gemeinden gar keine, die Städte nur sehr geringen Waldbesitz. Die Anstaltsforsten sind den beschränkenden Bestimmungen der Forstordnung von 1784 unterworfen. Die schädlichen Folgen des Landeskulturedikts haben sich im Laufe der Zeit immer entschiedener herausgestellt. Die zunehmende Entwaldung des Landes kann auch keineswegs durch einen bloßen Schutz des öffentlichen Waldes seitens der staatlichen Finanzverwaltung verhütet werden, auch nicht seitdem das staatliche Forstwesen vom Finanzministerium auf das landwirtschaftliche Ministerium über-

Forstpolizei.

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tragen worden ist, da durch die bloße Erhaltung dieses öffentlichen Waldbestandes Preußen in die Reihe der waldärmsten Länder herabsinken würde, während eine staatliche Aufforstung im großem Maßstab sich wegen der dazu erforderlichen un­ erschwinglichen Geldmittel von vornherein verbietet. Die neuere Gesetzgebung hat demgemäß wenigstens in folgenden Beziehungen Schranken gezogen. 1) Das Gesetz v. 6. Juli 1875 über die Schutzwaldungen und Waldgenossen­ schaften beseitigt zwar keineswegs der Grundsatz der freien Disposition des Wald­ besitzers über den Waldboden, indem vielmehr gerade bei dieser Gelegenheit das Prinzip des Landeskulturedikts auf diejenigen Landestheile ausgedehnt worden ist, auf welche dasselbe bis dahin noch keine Anwendung gefunden hatte. Das Gesetz ist kein eigentliches Waldschutzgesetz in dem Sinne, daß es den Waldeigenthümern Beschränkungen im Interesse des Gesammtwohls auferlegte, sondern blos in dem Sinne, daß die freie Disposition in solchen Fällen eingeschränkt wird, wo sie durch Vermögensverluste anderer Wald- oder sonstiger Grundeigenthümer erkauft werden würde. Nur dann können gewisse Forsten zu Schutzwaldungen (Bannwäldern) in dem Sinne, daß dadurch die Abholzung derselben verhindert wird, erklärt werden, wenn durch die Abholzung die Gefahr einer Versandung, einer Verminderung des Wasserstandes herbeigeführt wird, vorausgesetzt, daß der abzuwendende Schaden den Nachtheil der Eigenthumsbeschränkung erheblich übersteigt, unter diesen Voraussetzungen kann sogar die Neuanlage von Forstkulturen verlangt werden. Außerdem können Waldgenossen­ schaften dann gebildet werden, wenn eine forstmäßige Benutzung, insbesondere ein geregelter Hochwaldbetrieb, namentlich bei überwiegender Parzellenwirthschaft sonst gar nicht möglich wäre. Die zwangsweise Bildung von Schutzwaldungen und Wald­ genossenschaften erfolgt aus Antrag eines Besitzers oder eines Kommunalverbandes oder der Landespolizeibehörde in den sog. Kreisordnungsprovinzen durch die Kreis­ ausschüsse unter dem Namen von Waldschutzgerichten resp, durch die Bezirksverwaltungs­ gerichte, in den übrigen Provinzen durch besondere, nach dem Muster der Kreisausschüsse gebildeten Waldschutzgerichte resp, durch die Deputationen rin das Heimathswesen. 2) Das Gesetz v. 14. August 1876 betr. die Verwaltung der den Gemeinden und öffentlichen Anstalten gehörigen Holzungen Hot für die sechs östlichen Provinzen (mit Einschluß der ganzen Provinz Sachsen) im Hinblick darauf, daß in diesen von jeder wirksamen staatlichen Kontrole in Bezug auf die Waldwirthschaft emanzipirten Landestheilen die Abholzungen, namentlich in der letzteren Zeit eine erschreckende Ausdehnung erreicht hatten, den Kommunen zwar die eigene Verwaltung belassen, auch nicht, wie die Verordnung von 1816, die in den westlichen Provinzen noch fortgilt, eine Bestätigung der Forstbeamten verlangt, wohl aber eine Kontrole darüber herbeigeführt, daß die Waldwirtschaft eine nachhaltige sei, d. h. daß ein Gleichgewicht zwischen Nutzung und Zuwachs bestehe. Diese Kontrole wird durch den Regierungspräsidenten geübt auf Grund von ihm genehmigter Betriebspläne durch Revision und Unter­ suchung, unter Zulassung einer Klage an das Oberverwaltungsgericht. Endlich ist noch in Anschluß an den Art. 26 des übrigens blos auf Landgemeinden bezüglichen Rheinischen Gesetzes v. 15. Mai 1856 den Gemeinden, nicht auch den Instituten, die Verpflichtung auferlegt, diejenigen Grundstücke, welche zu dauernder landwirthschaftlicher oder gewerblicher Nutzung ungeeignet, dagegen mit Nutzen zur Holzzucht zu ver­ wenden sind, aufzuforsten, worüber der Vezirksrath nach Anhörung der Gemeinde­ vertreter und des Kreisausschusses entscheidet, vorbehaltlich der Beschwerde an den Provinzialrath. Denjenigen Gemeinden, welche aus eigenen Mitteln solche Melio­ rationen nicht herzustellen im Stande sind, kann Beihülfe aus der Staatskasse ge­ währt werden, während allen Gemeinden der zwanzigfache Betrag der auf den betr. Grundstücken ruhenden Jahresgrundsteuer zu den Kosten der ersten Anlage zu über­ weisen ist, so daß ihnen nicht, wie beantragt war, eine Grundsteuerfreiheit während 20 Jahre zusteht.

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Forstfchutzperfonal.

Lit.: v. Rönne, Staatsrecht d. Preuß. Monarchie, 3. Aufl. 1872 II. 2 S. 332 ff.; Derselbe, Das Domänen-, Forst- u. Jagdwesen des Preuß. Staats (1854), S. 579 ff., 856 ff. — v. Hagen, Die forstl. Verhältnisse Preußens, Berlin 1867. — Bernhardt, Die Waldwirthschaft u. d. Waldschutz mit bes. Rücksicht auf d. Waldschutzgsgb. in Preußen, Berlin 1869. — Oehlschläaer und Bernhardt, bzw. v. Bülow und Sterneberg, Die Preußischen Forst- und Jagdgesetze, mit Erläuterungen, 3 Bände, Berlin 1880.— v. Scheel, Die Waldschutzfrage (Forsts. Blätter 1876); Derselbe, Die Rechte und Pflichten des ländl. Grundeigenthums (Landwirthsch. Jahrbb. 1874). — v. Mo hl, Polizeiwissenschast, 3. Aufl. (1866), Bd. II. S. 221 ff. — Roscher, System der Volkswirthschaft, Bd. II. (5. Aufl. 1867) S. 552 ff., 580 ff. — v. Stein, Lehrb. d. Finanzwissenschaft, 4. Aufl. 1878, Bd. I. S. 272 ff. — Rau-Wagner, Finanzwissenschaft, 7. Aufl. 1877, Bd. 1. S. 434—472. — Rösler, Lehrb. d. Deutschen Verwaltungsrechts, Bd. II. (1873) S. 544 ff. — v. Ho Itzen­ dorfs, Prinzipien der Politik, (1869) S. 256, 351. — Meitzen, Der Boden und die landwirthschaftl. Verhältnisse des Preuß. Staates, Bd. II. (1869), S. 311-360; Bd. IV. (1870) S. 534 ff. — Beseler, System des Gemeinen Deutschen PrivatR., 3. Aufl. 1873, S. 811 ff. — v. Gerber, System des Deutschen Privatrechts, 9. Aufl. 1867, S. 212 ff. — Cohn, Bundes­ gesetzgeb. der Schweiz, S. 30 ff. — Blumer-Morel, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Bd. II. Abth. 1 (Basel 1880) S. 198 ff. Ernst Meier.

Forstschutzpersonal. Die allgemeine Verpflichtung des staatlichen und kom­ munalen Polizeipersonals erstreckt sich zwar auch daraus, Verletzungen der zum Schutze des Waldes erlassenen Strafgesetze zu verhüten und zur Anzeige zu bringen. Die besonderen Verhältnisse des Waldes machen es aber erforderlich, daß zur Handhabung des Forstschutzes ein besonders damit betrautes Personal angestellt werde. Die An­ stellung und Besoldung dieses F. ist in Deutschland regelmäßig Sache des Waldeigenthümers. Mit Rücksicht aus die öffentlichen Interessen, welche die Erhaltung und den Schutz des Waldes sogar gegen den Willen des Besitzers gebieten, ist den Waldeigenthümern meist eine mehr oder weniger weitgehende Verpflichtung zur Be­ stellung von Forsthütern in einer der Größe und den besonderen Verhältnissen des Waldes entsprechenden Zahl auserlegt. So sind insbesondere in Preußen, Bayern und Württemberg die Gemeinden und öffentlichen Korporationen als verpflichtet erklärt, für den Schutz des Waldes durch gehörig befähigtes Personal zu sorgen (Preuß. Gemeindewaldgesetz v. 1876 § 7, Bayer. Forstgesetz Art. 13, Württemb. Gemeindewaldgesetz v. 1875 Art. 12); wo die Gemeindewaldungen unter Staatsbeförsterung stehen, sorgt in der Regel die Staatsbehörde, wie bei den Staatswaldungen, unmittelbar für Bestellung der Forsthut. Die gleiche Verpflichtung erstreckt sich nach manchen Gesetzen (z. B. Bad. und Oesterr. Forstgesetz) auch auf die Privatwaldbesiher und zwar derart, daß zuweilen der Forsthüter für die Privatwaldungen auf Kosten ihrer Besitzer von der Gemeindebehörde angestellt wird (Bad. Forstgesetz § 184 a). Auch wo die Gemeinde oder der Privatwaldbesitzer das Forstschutzpersonal anstellt, ist die Bestätigung der Staatsforstbehörde oder Verwaltungsbehörde Vorbehalten; auch steht es letzterer zu, die Entlassung untauglicher Forsthüter zu verlangen; nur volljährige, unbescholtene, körperlich und moralisch befähigte und geistig dazu aus­ gerüstete Personen sollen mit dem Forstschutz betraut werden; besondere Anwartschaften haben die mit dem Forstversorgungsschein entlassenen Militärpersonen. Damit sie die rechtliche Stellung öffentlicher Bediensteter genießen (namentlich hinsichtlich des Waffengebrauchs, des besonderen strafrechtlichen Schutzes, der besonderen Glaubwürdig­ keit), wird in der Regel bezüglich der nicht staatlich angestellten Forstschutzbeamten noch weiter verlangt, daß sie durch die Verwaltungsbehörde auf treue Erfüllung der Dienstpflicht oder (z. B. Preuß. Forstdiebstahlgesetz v. 1878 § 24) durch das Amtsgericht auf gewissenhafte Anzeige und Aussage in Hinsicht wahrgenommener Zuwiderhandlungen beeidigt sind. Wenn der Forstschutzbeamte seine schwierige Stel­ lung unparteiisch erfüllen und das volle Vertrauen in seinen Aussagen gesichert sein soll, darf er an dem Erfolg seiner Anzeigen finanziell nicht betheiligt sein; daher ist in den neueren Gesetzen der Bezug von Anzeige oder Anbringgebühren sowie eines Antheils an der beigebrachten Geldstrafe meist ausgeschlossen (Preuß. Forst­ diebstahlgesetz § 23; Bayer. Forstgesetz Art. 118; Bad. Forstgesetz § 181; Württemb.

Forftservituten.

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Forstpolizeigesetz Art. 36). Die Dienstpflicht auch der nicht vom Staat angestellten Forstschutzbeamten wird durch Verordnung und Dienstanweisung geregelt; sie tragen Waffen und äußere Abzeichen ihrer Dienststellung. Sie sind einerseits Hülsspersonal der Staatsanwaltschaft, andererseits in technischer Hinsicht den Staatsforstbehörden unterstellt. Ihre Ausgabe besteht im Schutze des Waldes gegen Entwendungen, Beschädigungen und Forstpolizeiübertretungen; nicht erforderlich (ja häufig für den Forstschutzdienst beeinträchtigend) ist es, daß dem Forsthüter auch eine Mitwirkung bei der Forstwirthschaft übertragen ist. Bei wahrgenommener oder sonst in Erfahrung gebrachter Zuwiderhandlung hat der Forsthüter den Thatbestand vorläufig festzustellen, geeigneten Falls den Thäter vorzuführen und zu verhaften, die gefrevelten Gegenstände, die benutzten Werkzeuge mit Beschlag zu belegen, Wohnungen und andere Räume zu durchsuchen, soweit die StrafPO. dem Hülsspersonal des Staats­ anwalts diese Befugnisse giebt. Die vorgefundenen Zuwiderhandlungen sind vom Forsthüter in ein Tagebuch alsbald einzutragen und es ist auf Grund dieser Auf­ zeichnung periodifch an die Anklagebehörde Anzeige zu erstatten. Das F. ist berechtigt, soweit es zur Abwehr gegenüber thätlichem Widerstände oder schweren Drohungen unerläßlich ist, von der Waffe Gebrauch zu machen (Preuß. Gesetz vom 31. März 1837). Der Widerstand gegen Forstbeamte, die in rechtmäßiger Ausübung ihres Dienstes begriffen sind, wird nach § 117 RStrafGB. mit Gefängniß von 14 Tagen bis 3 Jahren gestraft, welche Strafe bis zu Zuchthaus wächst, wenn durch den Widerstand eine Körperverletzung des Forstschutzbeamten bewirkt wurde (§ 118 b). Quellen: Preuß. Forstdiebstahlges. v. 15. April 1878 §§ 23—26. — Preuß. Ges. v. 31. März 1837 über den Waffengebrauch der Forst- und Jagdbeamten nebst Instruktionen v. 17. April u. 21. Novbr. 1837. — Preuß. Gemeindewaldges. v. 14. Aug. 1876 §§ 7 u. 11. — Bayer. Forftges. Art. 13. — Württemb. Gemeindewaldges. v. 16. August 1875 Art. 12. — Bad. Forstges. §§ 179-184a. - Oesterreich. Forstges. v. 3. Dezbr. 1852 §§ 52-58. Lrt.: S. dre Art. Forstwirthschafts- und Forstsicherheitspolizei. K. Schenkel.

Forstservituten. 1) Begriff und Geschichte. F. sind die einer Person als solcher oder in der Eigenschaft als Eigenthümer eines Grundstücks zustehenden dinglichen Rechte, kraft deren der Berechtigte an einem Walde, d. h. an einem seiner Hauptbestimmung nach der Holzzucht dienenden Grundstücke, gewisse Nutzungen ausüben darf; in der Regel sind sie Grundgerechtigkeiten, doch kommen auch vielfach F. als Personalrechte vor, namentlich als Berechtigungen juristischer Personen: des Staats, der standesherrlichen Familien, der Gemeinden, Stiftungen. Die große Zahl der F. in den Deutfchen Wäldern hat sich mit der geschichtlichen Entwicklung, die das Waldeigenthum der Markgenossen und Grundherren im Mittelalter eingeschlagen hat, allmälig herausgebildet, wobei drei Hauptarten der Entstehung zu unterscheiden sind. Bor Allem wurden den Markgenossen, als die Grundherren allmälig das Eigenthum vieler Markwaldungen gewannen, die ftüher kraft des Eigens geübten Waldnutzungen theilweise als dingliche Forstberechtigungen der Gemeindegenossenschaft oder der bäuerlichen Grundbesitzer am Herrschaftswalde belassen. Sodann wurde, als der genossenschaftliche Waldbesitz der Markangehörigen zum Theil in das Eigen­ thum der politischen Gemeinde überging, den seither als Miteigentümer berechtigten Besitzern bäuerlicher Güter ein ihrem Eigenthumsantheil entsprechendes Servitutenrecht am Gemeindewald eingeräumt. Endlich wurden theils durch freiwillige Einräumung, theils durch Verjährung am landes- und grundherrlichen, wie am Gemeindewald, fowol den Gemeindebürgern und Angesessenen als auch bestimmten öffentlichen Anstalten (wie Kirchen, Stiftungen, Schulpsründen) dingliche Nutzungsrechte bestellt. Mit Einführung des Röm. R. wurden diefe deutsch-rechtlichen Nutzungsbefugnisse an fremden Waldungen in den römisch-rechtlichen Servitutenbegriff eingeordnet, übrigens nicht ohne daß dieser Begriff mit Rücksicht auf die geschichtliche Entwicklung des Eigens am Walde und auf die befonderen Bedürfnisse der Wald- und Feldwirthschaft

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Forstservituten.

mehrfache Modifikationen erfahren hätte. Namentlich können im Unterschiede vom Röm. R. F. für den Besitzer eines Grundstücks (Realservituten) auch über den wirtschaftlichen Bedarf des herrschenden Grundstücks hinaus, ja ohne einen solchen (Harzscharren, Trüffelsuchen) begründet werden; ferner wird der Grundsatz, daß das dienende und das herrschende Grundstück nachbarlich gelegen sein müssen, bei den F. nicht durchgeführt; auch kann bei den F. eine positive Verpflichtung des Waldeigenthümers zu einem Thun (z. B. hinsichtlich der Nachpflanzung bestimmter Holzarten, Instandhaltung der Abfuhrwege) begründet werden. Der Kern des Römischen Servitutbegriffs ist aber auch auf die deutsch-rechtlichen F. übertragen. Es liegt daher kein F., sondern eine Reallast vor, wenn der Waldeigenthümer verpflichtet ist, periodisch bestimmte Quantitäten oder Quoten der Walderträgnisse (Holzdeputate!) an einen Berechtigten abzuliefern. Ebenso fällt es nicht unter den Begriff der F., wenn Einzelne oder bestimmte Bevölkerungsklassen lediglich kraft stillschweigender Duldung (sog. Herkommen) oder ausdrücklicher Vergünstigung (precarium) gewisse Nutzungsrechte im Walde ausüben dürfen (z. B. Sammeln von Streu, Raffholz), oder wenn bestimmte Nutzungen am Wald, wie das Sammeln von Beeren, Pilzen und Kräutern als Jedermann gestatteter Gemeingebrauch anerkannt sind. Auch ist von den privatrechtlichen F. das dem öffentlichen Recht angehörige Rechtsverhältniß zu unterscheiden, wonach den Gemeindebürgern oder bestimmten Klassen derselben wegen dieser öffentlich-rechtlichen Eigenschaft ein nach der Gemeindeveriassung regulirbarer Anfpruch auf Bezüge (Gebholz, Allmend Nutzungen) aus dem Gemeindewald zusteht. Endlich begreift der technische Ausdruck F. nur diejenigen dinglichen Nutzungsrechte, die den Wald als den zur Erziehung von Forsterzeugnissen bestimmten Boden ergreifen; daher die dinglichen Rechte auf Okkupation wilder Thiere und Fische, auf die Wassernutzung, den Steinbruchbetrieb in fremden Waldungen, auf die Durchfahrt durch dieselben nicht als F. im eigentlichen Sinne zu behandeln sind, wie auch das auf den Kops einer physischen Person gestellte Recht des Nieß­ brauchs am Walde nicht zu den F. gerechnet wird. 2) Entstehun g. Für die große Masse der älteren F., bei denen wegen der eben­ gedachten geschichtlichen Entwicklung meist ein besonderer Rechtstitel nicht nachgewiesen werden kann, wird der Nachweis rechtsgültiger Begründung durch die sog. unvordenkliche Verjährung ersetzt. Im Uebrigen entstehen F. durch einen rechtsgültigen Willensakt des Eigenthümers (Vertrag, Testament), durch Urtheil (namentlich bei Theilungen) und durch die gemeinrechtliche Verjährung von 10 bzw. 20 Jahren (ohne Eintragung im Grund­ buch) und es sind seit Einführung des Römischen Rechts zu den aus den deutsch­ rechtlichen Waldeigenthumsverhältnissen herausgewachsenen nicht wenige andere F. hinzugetreten, die jenen Entstehungsgründen ihr Dasein verdanken. Die partikularen Gesetzgebungen verbieten neuerdings vielfach die Begründung neuer F. überhaupt oder doch die fernere Ersitzung derselben. Preuß. Gemeinheitstheilungsordn. v. 1821 §§ 2, 27, 164; Ergänzungsgesetz v. 1850 Art. 2 u. 12.; Bad. Forstgesetz § 104; Bayer. Forstgesetz Art. 34; ähnlich im Königreich Sachsen, Oesterreich. 3) Für Umfang und Art der Ausübung der F. sind in erster Linie die Be­ stimmungen des Rechtstitels und, insofern dieser nichts darauf Bezügliches enthält, die Normen des allgemeinen Civilrechts und der partikularen Forstgesetze maßgebend. Der für Servituten im Allgemeinen geltende Grundsatz, daß sie ohne Verletzung der Substanz der dienenden Sache pfleglich und unter thunlichster Wahrung der Eigenthums­ befugnisse auszuüben seien, erhält durch die besondere wirtschaftliche Zweckbestimmung des Waldes und der Waldnutzungen bei den F. eine eigenartige Bedeutung. Der F.berechtigte darf die ihm zustehende Nutzung an Holz, Streu, Gras, Weide und sonstigen Walderträgniffen nur in dem Umfange ausüben, daß dadurch die nach­ haltige oder doch die forstmäßige Bewirtschaftung des Waldes nicht beeinträchtigt wird; daher muß er sich, auch wo der Rechtstitel auf ein bestimmtes Quan­ tum der Walderträgnisse geht, die Beschränkung der Nutzung auf das Maß

Forftservituten.

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gefallen lassen, das mit den Zielen einer gesunden Waldwirthschaft noch im Einklang steht; daher muß der Forstberechtigte, der auf Walderträgnisse bestimmter Qualität Anspruch hat, es hinnehmen, daß er auf Nutzungen anderer, möglichst gleichwerthiger Art angewiesen werde, wenn der Eigenthümer des Waldes durch das Interesse forstmäßiger Wirthschaft zur Aenderung der Holz- oder Betriebsart veranlaßt ist; daher darf der F.berechtigte die Servitut nicht einseitig von sich aus im fremden Walde ausüben, sondern nur im Einvernehmen mit dem Eigen­ thümer oder dessen Vertreter (Förster) und in den Schlägen und Zeiten, die ihm nach dem Wirthschaftsplane für die Nutzungen angewiesen werden. Ist der Umfang der F.-Nutzungen ein unbestimmter, so darf der Berechtigte nur so viel beziehen, als für seinen persönlichen Bedarf (Personalservituten) oder den Bedarf des herrschen­ den Grundstücks (Realservituten) erforderlich ist; auch darf er in diesem Falle die bezogenen Nutzungen nicht veräußern und muß gestatten, daß der Eigenthümer neben ihm an den der F. unterliegenden Waldprodukten (Holz, Streu u. s. f.) eine gleich­ artige Nutzung ausübe, wobei eine gleichheitliche Beschränkung des Eigenthümers und Servitutenberechtigten eintritt, wenn das Walderträgniß für den Bedarf beider nicht ausreicht. Andererseits muß der Waldeigenthümer gestatten, daß der F.berech­ tigte im Walde die zur Ausübung der F. erforderlichen Handlungen vornehme; er muß sich ferner aller nicht durch das Interesse forstmäßiger Waldwirthschaft gebotenen Maßregeln enthalten, welche die Ausübung der F. erschweren, schmälern oder unmöglich machen; der Waldeigenthümer darf daher den Wald, auf dem eine Holzservitut ruht, nicht in Ackerland umwandeln (roden), nicht den mit Weide­ rechten belasteten Laubwald in einen dem Graswuchs ungünstigen Nadelholzbetrieb überführen; ja er soll positiv die Waldwirtschaft forstmäßig so einrichten, daß die dauernde Ausübung der F. thunlich gemacht wird. — Um die forstmäßige Bewirthfchaftung der mit F. belasteten Waldungen zu sichern, ist partikularrechtlich dem Waldeigenthümer die Möglichkeit geboten, im civilrechtlichen oder Verwaltungs-Ver­ fahren eine Regulirung unbestimmter F. herbeizuführen, derart, daß das Quantum der zu beziehenden Nutzungen dauernd bestimmt wird (Fixation: Preuß. Gemeinheitstheilungsordn. § 166, 169, 170; Bad. Forstgesetz § 107; Bayer. Forst­ gesetz Art. 27), oder daß an Stelle der im Rechtstitel bezeichneten Art der Nutzung eine andere mit der forstmäßigen Waldwirthschaft im besseren Einklang stehende ge­ fetzt wird (Umwandlung; Preuß. Allg. LR. I. 19 § 17. u. 20; Bad. Forstgesetz § 111; Bayer. Forstgesetz Art. 26), oder daß die Ausübung der Nutzung auf be­ stimmte Theile des belasteten Waldes eingeschränkt wird (Freilegung: Preuß. Allg. LR. I. 22 § 29). — Auch unterliegen die F.berechtigten, neben den privat­ rechtlichen Beschränkungen wegen der an nachhaltiger Waldwirthschaft bestehenden öffentlichen Interessen kraft der Forstpolizeigefetze einer Anzahl öffentlich-rechtlicher Bestimmungen, welche die Ausübung ihres Rechts regeln und eingrenzen und deren Einhaltung durch die Forstpolizeibehörden überwacht wird (vgl. d. Art. Forst­ wirthschaftspolizei). 4) Arten der F. Die wichtigste F. ist die Holzberechtigung, welche entweder der Qualität nach unbestimmt ist (alsdann das nach der damaligen Betriebsart gezogene Holz erfassend) oder auf bestimmte Holzarten (Nadel-, Laubholz, Kiefern, Eichen u. s. f.) oder auf bestimmte Theile des Holzes (Ast-, Stock-, Raff-, Lese-, Lagerholz) oder auf das bei bestimmten Anlässen nutzbar werdende Holz (Windfall-, Windbruchholz) oder auf das für bestimmte Verwendungszwecke geeignete Holz (Brenn-, Bau-, Nutz-, Faschinenholz) gerichtet ist. Andere F. beziehen sich auf die Nebennutzungen des Waldes: die Weideservituten (s. diesen Artikel), das Gräsereirecht (welches im Unterschied von dem mit Vieheintrieb verbundenen Weide­ recht nur die Befugniß des Grasschneidens giebt), das Mastrecht, das Recht zum Laub- und Streusammeln, zum Plaggenhauen, Harzscharren, Trüffelsuchen, Schilfund Rohrschneiden.

862 5) Hinsichtlich der Erlöschung gelte» für die F. die allgemeinen Grundsätze des Servitutmrechts; eigenartig ist nur die Lehre von der Erlöschung der F. durch Ablösung (vgl. diesen Artikel). Oeellee: Pmch. LR. L 29 88 170—289. — Bayer. ForstGes. Art. 28—84. — -Sab. Forftzrs. §6 100-136. - Oesterreich. Forsts, v. 1852 88 6-18. Bit: Förster. Preust PrÄA-, Bd. M. (3. Aust. 1874) 6. 291 ff. — F. Ä. Roth, Bayer. ForfiR., 1864 S. 251 st. — 6. auch d. Lit des nachfolgenden Art. Ä. Schenkel.

FvvstserVitnte» (Ablösung der F). Die kraft dinglich« Rechts auf dm Wal­ dung« ruhendm Nutzungsrechte Dritter (Forstberechtigungm, Waldgerechtigkeitm) find in mehrfacher Hinsicht ein Hinderniß rationeller und nachhaltiger Waldkultur. Manche derseldm, wie die Strmnutzung, das Plaggenhaum, Harzscharren, bedingen an sich eine Gefährdung des Waldes, dem durch die Nutzung ein Theil des zur Wieder­ verjüngung erforderlich« Materials entzogm wird. Andere Forstberechtigungm, z. B. Mast» und Weiderechte, Holzberechtigungm auf bestimmte Gattung« und Sortimente, hab« zur Folge, daß der Waldeigmthümer bei feinem Betriebe dem Servitutsberechtigtm die thatsächliche Möglichkeit der Recht-ausübung wahren muß und dadurch im Uebergang zu rationeller Kultur- und Betriebsart nicht fetten gehemmt ist. Ferner erzeugt die zahlreiche Klaffe der quantitativ unbestimmt« Servitut«, der« Umfang nach dein wechselnd« Bedarf des Berechtigtm (bzw. seines Grundstück!) ein schwankender ist, vielfache Unficherheitm, die auf die forstmäßige Bewirthfchaftung des belastet« Waldes nachtheilig einwirk«. Endlich ist überhaupt die Belastung des Waldeigmthums mit dinglichm Nutzungsrecht« erfahrungsgemäß eine nie versiegende Quelle von Streitigkeit« und mannigfache Veranlaffung zu Forstfteveln, Rechtsüberschreitung« und Polizeiübertretungen. Dies« Mißständen kann zwar zum Theil durch civilrechtliche und polizeiliche Regelung der Servitut­ ausübung begegnet werd«, namentlich derart, daß die Möglichkeit eröffnet wird, durch Fixation die unbestimmt« Forstberechtigungm in bestimmte umzuwandeln, daß eine die nachhaltige Bewirthfchaftung des Waldes beeinträchtigende Ausübung der Servitut aus das Maß des Unschädlichen forstpolizeilich eingeschränkt wird, daß dem Waldeigenthümer gesetzlich die Befugniß eingeräumt wird, ungeachtet der, eine bestimmte Holz- oder Betriebsart bedingend«, Servitut zu dm durch das wirthschaftliche Jntereffe gebotenen ander« BmutzungS- und Betriebsarten überzugehm, sofern er nur dem Nutzungsberechtigten an Stelle der thatsächlich hinfällig gewordmen Servitut die Ausübung einer äquivalmten, dm geändert« Kultur- und Betriebsverhältniffm mtsprechmden Nutzung möglich macht (Bayer. Forstgesetz Art. 26; Bad. Forstgesetz § 111). Alle diese Maßnahmen genüg« aber nicht, um die durch die Forstberechtigungen erzeugten Hemmniffe rationeller Waldwirthfchaft gründlich zu heb«; vielmehr läßt sich dieses Ziel nur dadurch erreichen, daß gesetzlich die Mög­ lichkeit eröffnet wick, die F. gegen Entschädigung der Berechtigtm zwangsweise auszuhebm (Ablösung). Fast alle Deutschen Staaten haben Bestimmungen über die Ablösung der F. erlass«, und zwar entweder wie Preußen, Oesterreich, Sachsen, Württemberg u. A., im Zusammmhang mit der Gemeinheitstheilung und Grundentlastung, oder, wie Bayern unb Baden, in Verbindung mit der Kodifikation deS öffentlichen Forstrechts. Die Ablösung der F. ist eine Art der Expropriation; eigenthümlich ist dieser Expro­ priation, daß sie zu Gunsten Einzelner erfolgt und daß das Jntereffe rationeller Wald­ wirthschaft (kein eigmtlich „öffentliches" Jntereffe) zu ihrer Anwendung genügt. Die Voraussetzung« der F.-Ablösung find in den Deutsch« Ablösungsgesetzen sehr verschickmartig geregelt, je nachdem die besonder« wirthschastlichm Verhältnisse die Ablösung für alle oder einzelne Gattung« der F. mehr oder wmiger dringlich machten. Ausgeschlossen von der Ablösung find überall diejmigm Servituten, die nur auf die Lebensdauer einer physisch« Person begründet find (insbesondere der Nießbrauch), semer diejmigm, welche nicht die Nutzung der eigmtlich«

Waldprodukte zum Gegenstand haben, sondern, wie Wege-, Wasseckienstbarkeiten, Nutzungen eine- Steinbruchs, mit dm Ziel« der Forstwirthfchaft nicht im mgerm Zusammenhang stehm. In der Regel find in dm AblösungSgesetzm die K., welche abgelöst werden lSnnm, ausdrücklich bezeichnet, fo in der Prmß. GaneinheitStheilungSordn. von 1821 § 2 und im ErgänzungSgefetz vorn 2. Mürz 1850 Art. 1: die Weide-, Mast-, Holz-, Strm-, Torf-, Grüsereiberechtigung, die Berechtigungm zum Plaggm-, Haide-, Bültenhieb, zur Schilf-, Binsm- und Rohrnutzung (ähnlich, wenn auch zum Theil beschränkter im königl. Sächs. Gesetz vorn 17. März 1882 § 101, im Württcmb. Gesetz v. 26. März 1873, im Bick. Farstgesetz, im Oesterr. Ablösungspatent v. 5. Juli 1858). Und zwar gehen die AblösungSgesetze in der Regel davon aus, daß bei dm gmanntm F. da« die zwangsweise Aufhedtmg rechtfertigende Forstkultnrinterrfse stets vorliegt; sie verlangm also nicht, daß im einzelum Falle noch nachgewicsen werde, eS sei die Ablösung der konkretm F. im Interesse rationeller Waldwirthfchast gedotm. Rur einige Gesetze machm die Zu­ lästigkeit der Ablösung von dem individuellm Nachweise der letztgedachtm Voraus­ setzung abhängig (so die Hannov. GmreinheitStheilungSordn. § 26; Schweizer Forstgstetz v. 1876 Art. 14 Abs. 1) oder erklären die Ablösung bestimmter Servitutm (Bad. Forstgesetz § 185: namentlich der Weide-, Laub-, Strm-, MastservitUtm) für unzulässig, sofern durch derm Aufhebung der Nahrungsstand de« Berechtigen wesentlich gefährdet würde. Selten wird die Ablösung der F. von AmtSwegen durchgeführt; fo nach dem Oesterr. AblöfungSpatmt v. 1858 und, in milderer Form, nach dem königl. Sächf. Ergänzungsgesetz vom 15. Mai 1851, wonach bestimmt ist, daß alle ablösbare Servitutm, auf beten Ablösung bis zum 1. Mai 1854 nicht provozirt wurde, von diesem Zeitpunkte an nur noch als persönliche Berbiudlichkeitm de« Waldeigenthümers und seiner Erbm fortbestehm und auch als solche vom 1. Jan. 1884 gn erlöschen sollen. In der Regel wird die zwangsweise Ablösung der F. von einem Antrag der Betheiligtm (Provokation) abhängig gemacht. Uebemll ist der Waldeigenthümer (bzw. auch der sog. Untereigmchümer), durch dessen wirthschaftliches Interesse zunächst die Aufhebung der Servitutm geboten ist, al« zur Antragstellung berechtigt erklärt; in Preußen, Württemberg, Königr. Sachsm, Sachsm-Weimar, u. A. m. ist das Provokationsrecht auch dem Servitutberechtigtm gegeben, mit Rücksicht darauf, daß hierdurch die im wirthschaftltchm Interesse wünschm«werthe Beseitigung kulturschädlicher F. beschleunigt wird imb daß doch auch beim Servitutberechtigtm ein Landeskulturintereffe an der Umwandlung der dem dermaligm Stande der Landwirthschaft nicht mehr mtfprechmdm F. vorliegm kann (z. B. der Strmservituten, wo künstlicher Dünger verwendet werdm kann, der Weideservitutm, wo fich die Einführung der Stallfütterung empfiehlt). Die Gesetzgebung anderer Staatm, z. B. von Bayern (Art. 30 des Forstgesetzes, wonach überhaupt der zwangSWeism Ablösung der F. sehr mge Grenzm gezogm find), Badm, Großherzogthum Heffm, Oldenburg, Elsaß-Lothringm, erlernten eine Befugniß der Servitutberechtigten, die Ablösung zu verlangm, nicht an. — Da die F.-Ablösung eine Art der Expropriation ist, so gilt auch für sie der Grundsatz, daß dem expropriirtm NutzungSberechtigtm volle ökonomische Entschädigung für daS aufgehobme Recht zu leisten ist; alle F.-Ablösungsgesetze gehm denn auch davon aus, daß dem Berechtigt« in Kapital oder Rmte ein ökonomisches Aequivalmt gegebm werdm soll, daS dem Reinerträge der aufgehobmm F., nach Abzug der mit derselben etwa verbundmm Gegenreichnifie, gleichkommt. Dieses Aquivalmt kann entweder in Geld oder in Land bestehm. Im Jntereffe der Landeskultur wird unter llmständm die Abtretung eines Stücks Land als Ersatz für die aufgehobmm Servitutm am zweckmäßigstm fein, nammtlich bei Aufhebung von Holz-, Weide-, Gräserei-, Torf-, Streuberechtigungm; denn durch die Abtretung von Land (je nach der Gattung der Servitut Wackbodm, Wiese, Feld) Wick der vormals Servitutberechtigte in die Lage gesetzt, fich die Nutzungen nunmehr durch eigene Wirthschaft zu verschaffen, und es wird die bei Hingabe eine«

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8r«NfU6c*tt*NUtt

GüdkapitalS obwaltende Gefahr vermickm, daß das EntfchädigungSkapital in der Wirthschaft verbraucht wecke und daS fortdauernde Bckürfniß nach Forstnutzungen Anlaß zum Forststcvel wecke. Die Abtretung von Land ist aber am dann angemeßen, wenn die dadurch bckingte Abgabe eines EigmthumSstückS vom belasteten Wald für die Bewirthfchaftung deS letzteren keine Schädigung bewirkt und wenn daS abgelüste Stück in der Hand des vormals Nutzungsberechtigten einer selbständigen Bewirtschaftung fähig ist. Nach dm Deutschen AblöfungSgesetzen ist daher meist altemativ die Entschädigung in Geld oder in Land zugelaffen, und zwar derart, daß in Ermanglung einer Vereinbarung unter dm Betheiligtm die zuständige Ab» lüfungSbehöcke mit Rücksicht auf die wirthschaftlichen Jnteressm die Wahl zwischm Mesen beiben EntschädigungSformm bestimmt. So in dm Prmß. AblösungSgesetzm und ähnlich im Königreich Sachsen, in Badm, in Oesterreich, während die Gesetze von Württemberg und dm Sächs. Herzogthümem nur eine Geldabfindung, die großherzogl. Heffische GemeinheitstheilungSockn. nur die Abtretung von Land zulafim. Bei der F.-Ablösung ist, wie bei jeder Expropriation, eine öffentlich-rechtliche und eine civilrechtliche Seite zu unterscheidm. Oeffmtlich-rechtlicher Natur ist die Frage, ob die gesetzlichen DorauSsetzungm der Ablösung vorliegm, sowie die Leitung deS AblöfungSverfahrmS; privatrechtlicher Natur dagegm ist die Frage nach Umfang und Inhalt deS aufzuhebendm Rechts und nach der Höhe der Entschädigung. In manchm Staaten ist auf diesen Unterschied auch eine Verschiedenheit der im AblüsungSverfahrm zuständigm Behöckm gegründet; in Bayem, Württemberg, Badm, Großherzogthum Hessen, Elsaß-Lothringen steht die Leitung der Ablösung in administra­ tiver Hinsicht dm ordentlichen Bemaltungsbehördm, die Entscheidung von Streitigkeitm über daS auszuhebende Recht, Art und Höhe der Entschädigung dm Gerichtm zu, währmd in Prmßm (abgesehen vom linkm Rheinuser) zur administrativen und richterlichen Erledigung der F.-Ablösung wie für die übrigen AuseinandersetzungSsachm besondere Behöckm: die Spezial- und Generalkommisfionm und daS Revifionskollegium für Landeskultursachen, eingesetzt find. Quellen: Prruß. GemeinheitStheilungSordn. v. 7. Juni 1821; ErgzgSaes. v. 2. März 1850. — Rhein. Gememh.TH.O. v. 19 Mai 1851. — Eerv.Ablösungsges. f. Schleswig-Holst. v. 17. Aug. 1876. — Gesetz f- Hannover über b. Abstellung v. Forstberecht. v. 13. Juni 1878. — Gemeinh.Th.O. v 23. Mai 1867 (für Reg Bez Kastel) und v. 5. April 1869 (für Reg.Bez. Wiesbaden). — Bayer. Forstges. v. 1852 Art 23-32. — K. Sächs. «es. v. 17. März 1832 u. 15. Mai 1851. - Württemb. Ges. v. 20. März 1873. — Bad. Forstges. v. 1883 §§ 134— 186. — Gr. Hest. Gemeinh.Th.O. v. 9. Juli 1808 bzw. die Verordn v. 7. Sept. 1814 u. Ges. v. 19. Mai 1827. - Clbenb. Ges. v. 15. Mai 1858. — Eachs.-Weim. Ges. v. 28. April 1869. — Oesterr. Ablösungspatent v. 5. Juli 1853 und Verordn, v. 15. Aug. 1858 und 31. Oktbr. 1857. Neueste Liter.: I. Albert, Lehrb. der F.-Ablösung, Würzb. 1868. — B. Danckelmann. Die Ablösung u. Regelung der Waldgruadgerechtiakeitm, Th. I. Berlin 1880. — Die Lehrbücher de- Forstrechts (s. d. Art ForstwirlhschaftSpolizei).

K. Schenkel.

Farstficherheitspalizei. Nebm dem Schutz, welchen die Maßregeln der Forstwirthschaftspolizei und die Handhabung des Forststraftechts dem Walde gewährm, bedarf es noch einer speziell ficherheitspolizeilichen Thätigkeit, um die Waldungm vor Gefährdungen durch Thiere und elementare Ereigniffe zu schützm und um Handlungm und Zustände zu verhütm, welche zur Verletzung der Rechtsordnung im Walde Anlaß geben tonnen. Die Rechtsnormen der F. bienen danach folgenden Zwecken: 1) Den Wald gegen Feuerschaden zu schützm. Schon § 868 Ziff. 6 des RStrasGB. verbietet, an gefährlichen Stellm im Walde Feuer anzuzünden; nach dm Partikulargesetzm ist es in der Regel überhaupt untersagt, ohne Erlaubniß der Forstpolizeibmmtm im Walde oder in gefährlicher Nähe desselben Fmer anzu­ machen. Nur bestimmte Personen find hierzu kraft Amtsstellung, Berufs oder be­ sonderer Beziehungm zum Wald ohne Weiteres befugt: so namenllich Waldauffeher,

KorstsWüHaMMzei.

865

Holzarbeiter, Steinbrecher, Köhler, die Besitzer von Reut- oder Hackwaldungm (die durch Derbrennm des Gestrüpps und Abraums zur Feldkultur vorbereitet werdm); aber auch diese Personen habm beim Anmachm, Unterhaltm und Auslöschm deS FeuerS dre durch Gesetz und Verordnung oder durch Dersügung des ForstschutzpersonalS vorgeschriebmm Vorsichtsmaßregeln zu beobachtm. Ferner ist das Betret« des Waldes mit Feuer und Licht, das Fallenlaffm brmnmder und glimmender 8egmstinde, ja zuweil« auch das Rauch« im Walde verbotm (letzteres übrigms in der Regel nur kraft besonderer Verfügung sür bestimmte Distrikte und Jahreszeiten). Wenn ein Waldbrand ausgebrochen ist, so besteht eine öffentlich-rechtliche Verpflich­ tung der Einwohner der benachbarten Orte, auf die Aufforderung der Polizei- oder Forstbehörde zur Löschung Hülfe zu leisten, eine Verpflichtung, derm Durchsühruwz nicht feiten durch besondere Waldlöschordnungen näher geregelt ist (z. B. Badische Waldlöschordnung vom 13. Febr. 1865; Württ. Waldfeuerordnung von 1807; Oesterr. Forstgesetz §§ 46 und 47). — 2) Eine zweite Aufgabe der F. besteht in der Abwertung deS Jnsektenfchadens. Mittelbar bienen diesem Zwecke die zum Schutze der Insekten vertilgenden Vögel erlassenen Polizeivorschristm, in welcher Hinsicht, so lange nicht der im Reichstag berathene Entwurf eines Deutschen DogelschuhgesetzeS in Kraft ge­ treten ist, zur Zeit noch vielfach auseinandergehende Landes- und Bezirksveroä»nungm der Deutschen Staaten maßgebmd find. Ist der Schadm durch Jnsckten (nammtlich Kiefernspinner, Nonne, Borkenkäfer, Forleule) eingetretm und eine Schädigung anliegender Waldung« und des öffentlich« Jntereffes zu fürcht«, so liegt dem Waldbefitzer die Verpflichtung zur Anzeige an die Forstbehörde ob (Oesterr. Forstges. Art. 50; Württ. Forstpolizeiges. Art. 12); und es ist die Forstbehörde (oder Verwaltungsbehörde im Benehmen mit ersterer) befugt, unter ZwangSeinschreftm die zur AeWnderung und Bekämpfung deS Jnsektenfchadens erforderlich« Anmtnungm zu treff« , insbesondere auch dem Waldbesitzer die Ausführung derselben (z. B. älSbaldige Abtrennung und Demichtung der Rinde, Fällung und Fortschaffung der angesteckt« Bäume) auf seine Kost« aufzuerlegen (Oesterr. Forstges. Art. 50, 51; Baher. Forstges. Art. 46; Württ. Forftpolizeiordng. Art. 12; Badisches Forstges. §69; königl. Sichs. Jnsektenschutzges. vom 17. Juli 1876). — 3) Endlich ist eS über­ haupt Sache deS Forstschutzpersonals, zu verhüt«, daß fich im Bereiche deS Waldes Zu­ stände und Handlungen ergeb«, welche für dm Bestand des Waldes Gefahr« mit fich bring« oder leicht Anlaß zu widerrechtlichen Beschädigungen und Ent­ wendungen biet«. Es ist daher in der Regel die Errichtung von neu« Allste lungm und Gebäuden in dem Walde und in deffm Nähe besonder« Beschränkung« unterworsm, zum Theil weg« der dadurch vermehrt« Feuersgefahr, nammtlich aber weg« der mit solch« Anfiedelungm verbünd«« Gelegmheit zu Forstfreveln. Die Errichtung von nm« Gebäuden und Anfiedelungm im Walde oder in deffm un­ mittelbarer Nähe (und zwar außerhalb der geschloffenen Ortschaft) bedarf der poli­ zeilichen Genehmigung, welche nur nach Vernehmung der Staatsforstbehörde, evmtuell auch der Nachbam ertheilt wird und jedmfalls dann zu versag« ist, wmn die begründete Annahme vorliegt, daß die Ansiedelung den Schutz der Nutzung« aus der Forstwirthschaft gefährd« würde (Baher. Forstges. Art. 47; Bad. Forstges. § 57 ff.; Prmß. Gesetz über neue Anfiedelungm vom 25. August 1876 § 15). Während nach bestehender Uebung der Zutritt zu dem Walde, auch wo er im Privateigmthume steht, Jedermann gestattet ist, so findet diese Gestattung in dem forstficherheitspolizeilichen Jntereffe der Verhütung schädigender Handlungen doch überall bestimmte Grenz«: es ist verboten, unbefugter Weise dm Wald mit Werkzeugen zu betreten, die zur Verübung eines Forstftevels tauglich find; das Begeh« der Schonung« und der verhängt« oder eingefriedigten Schläge ist untersagt; außerhalb der dazu bestimmten Wege dürfen Nichtberechtigte im Walde weder fahr« noch reit« noch Vieh treiben. Femer ist zur Sicherung des Waldes gegen Entwmdung und Beschädigung den Servitutberechtigten nicht selten die Verpflichtung ». Holtzendrrfs, 6wc. tt «echülqil»» L 3. «uft.

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Forftstrafrecht.

auferlegt, bei Ausübung der ihnen zustehenden Nutzung stets einen amtlichen Aus­ weis über ihr Nutzungsrecht mit sich zu führen, die für die Ausübung der Nutzung forstpolizeilich bestimmten Tage, Tageszeiten, Walddistrikte einzuhalten, und, sofern die Nutzung nur für das Bedürfniß ihres Haushalts und ihrer Landwirthschaft aus­ geübt werden darf, jede Veräußerung der bezogenen Waldprodukte zu Unterlasten (Bayer. Forstges. Art. 90—92; Württ. Forstpolizeiges. Art. 21—25; Bad. Forstges. §§ 32—56, §§ 100—103; Entwurf des Preuß. Forstpolizeiges.). Mit der Durchführung der Bestimmungen der F. sind entweder unmittelbar die Staatsforstbehörden betraut oder im Benehmen mit den letzteren die allgemeinen Polizeibehörden, wobei die unmittelbare lleberwachung dem Forstschutzpersonal (s. diesen Art.) zukommt. Und zwar können die Forstsicherheitspolizeibehörden gegen die Personen, die sich gegen die Bestimmungen und Verfügungen der F. vergehen, mit dem unmittelbaren polizeilichen Zwange vorgehen. Die Zuwiderhandlungen gegen die F. sind übrigens überall als Forstpolizeiübertretungen unter das Strafgesetz ge­ stellt, und es wird in den meisten Fallen zur Herbeiführung des gesetzlichen Zustan­ des die Anwendung des durch strafgerichtliches Einschreiten bewirkten mittelbaren Zwanges genügen.

Lit. u. Quellen: S. unter d. Art. Forstwirthschaftspolizei und Forststraf­ recht. K. Schenkel. Forststrafrecht. Durch § 2 Abs. 2 des EG. zum RStrasGB. ist die Erlassung von Vorschriften über strafbare Verletzungen der Forstpolizeigesetze und über den Holz- (Forst-)diebstahl der partikulären Gesetzgebung Vorbehalten. Dieser Vorbehalt entsprang der Erwägung, daß bei der Verschiedenartigkeit der Waldverhältnisse in Deutschland die Möglichkeit gelassen werden müsse, die Normen über den Rechts­ schutz des Waldes gegenüber Entwendungen, Beschädigungen und forstpolizeiwidrigen Handlungen dem Bedürfnisse der einzelnen Staatsgebiete anzupassen. Es sind daher in den Deutschen Einzelstaaten überall partikuläre Forststrasgesetze erlassen worden. Obwol in den Einzelheiten vielfach auseinandergehend, weisen sie doch im Ganzen die gleichen Grundzüge auf. Nach Erlassung des RStrasGB. und der Reichsjustiz­ gesetze durchgängig revidirt, ruhen sie alle auf der Grundlage des Gemeinen Deut­ schen Strafrechts; und die daran vorgenommenen Modifikationen bieten mannigfach liebereinstimmendes, da die Forststrafrechte der einzelnen Deutschen Staaten unter gegenseitiger Einwirkung, und namentlich oft in Anlehnung an das bewährte Preuß. Gesetz vom 2. Juni 1852 (nunmehr 15. April 1878) erlassen wurden. Auch waren für die Modifikationen des Gemeinen Rechts fast durchgängig ähnliche Gründe maß­ gebend: vor Allem die Rücksicht darauf, daß das Eigenthum am Wald und seinen Produkten nach der geschichtlichen Entwicklung und der bestehenden Volksanschauung nicht die absolute und jeden Eingriff in die rechtliche Herrschaft ausschließende Ge­ stattung hat, wie sonstiges Eigenthum, daß daher die Eingriffe in das Waldeigen­ thum (durch Entwendung und Beschädigung) im Ganzen strafrechtlich milder zu be­ handeln sind; ferner aber auch die Erwägung, daß bei der Unmöglichkeit allseitig wirksamer Aufsichtsführung und bei der Wichtigkeit des Waldes für die Landeskultur manchen Rechtsverletzungen durch schärfere Strafdrohung entgegenzutreten sei; endlich das Bedürfniß, durch die Fassung der Strafdrohung (absolut bestimmte Strafen) und durch besondere Strafarten (Arbeit im Freien), die bei der Massenhaftigkeit der Forstdelikte sich ergebenden Schwierigkeiten für die Aburtheilung und die Strafvoll­ streckung zu vermindern. Es ist daher thunlich, wenigstens in den Grundzügen das partikularrechtliche Forststrafrecht der Deutschen Staaten zusammenzufassen. Das Gebiet der Forststrasdelikte ist int § 2 Abs. 2 obigen Einführungsgesetzes nur ganz allgemein gekennzeichnet und wird im Einzelnen durch das partikuläre Forststrafrecht festgesteckt. Es fallen darunter 1) die Forst di ebstähle. Als Forstdiebstahl wird der in einem Walde begangene Diebstahl bestraft, wenn er statthatte an noch nicht

Forftftraftecht.

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vom Stamm oder vom Boden getrenntem Holze, an zufällig abgebrochenem, aber noch nicht zugerichtetem Holze, an noch nicht gewonnenen oder gesammelten Spähnen, Rinden, Abraum und Forstnebenerzeugnissen (Preuß. Ges. § 1; Württ. Ges. Art. 6, Bad. Gesetz § 1). Als Wald ist der seiner Hauptbestimmung nach zur Holzzucht dienende Boden zu betrachten. Nicht als Forstdiebstahl, sondern als ge­ meiner Diebstahl (§ 242 des RStrafGB.) ist daher zu behandeln: die Entwendung von Holz, das bereits durch menschliche Hand vom Boden oder Stamm getrennt ist, von zufällig umgeworfenem Holz, mit dessen Zurichtung begonnen ist, von gesam­ melten Spähnen, Forstnebenerzeugnissen u. dgl. Übrigens rechnen einige Forststraf­ gesetze auch den Diebstahl an gefälltem, aber noch rächt zum Verkaufe oder Verbrauch zugerichtetem Holze allgemein (Bayer. Forstges. Art. 79) oder doch, wenn es einen bestimmten Werthbetrag nicht überschreitet (königl. Sächs. Forststrafgesetz Art. 1: 9 M.) zum Forstdiebstahl. Ausgefchieden ist ferner aus dem F. die Ent­ wendung von stehendem Holz, das sich nicht im „Walde" befindet (anders übrigens Art. 1 des Sächs. Gesetzes), welches Delikt, wo es nicht als Feldpolizei­ übertretung behandelt wird (Entwurf der Preußischen Forst- und Feldpolizeiordnung) unter den gemeinen Diebstahl fällt. Ausgeschieden aus dem Begriff des Forstdieb­ stahls ist endlich das unbefugte Sanrmeln von Beeren, Kräutern und Pilzen im Walde (in der Regel als Polizeiübertretung behandelt), sowie die unbefugte Aneig­ nung von Bodenbestandtheilen, wie Erde, Steine, im Walde (§ 370 Ziff. 2 des RStrafGB.). — 2) DieFor st b e s ch ä d i g u n g e n, diejenigen vorsätzlichen und rechts­ widrigen Beschädigungen, welche in fremden Waldungen an stehendem und liegendem Holze und sonstigen Forsterzeugnissen verübt wurden, sind partikularrechtlich be­ sonderen, von §§ 303—305 des RStrafGB. mehrfach abweichenden Bestimmungen unterworfen, übrigens meist nur bann, wenn der verursachte (beabsichtigte) Schaden einen gewissen Höchstbetrag nicht überschreitet (Württ. Forststrafgesetz Art. 10: 10 M.; ebenso Preuß. Entwurf; Bad. Forststrasgefetz: 25 M., während das Bayer. Forstgesetz Art. 49 und 95 keine solche Beschränkung kennt). Den Forstbeschä­ digungen wird in der Regel auch das unbefugte Weiden von Vieh in fremden Waldungen beigerechnet. 3) Eine dritte Kategorie forstrechtlich strafbarer Hand­ lungen sind die Forstpolizei übertret un gen. Diese gestalten sich wegen der Verschiedenheiten der Forstpolizeigesetzgebung in den einzelnen Deutschen Staaten partikularrechtlich sehr mannigfaltig; doch lassen sich überall drei Unterarten unter­ scheiden: einmal die forstwirthschaftspolizeilichen Übertretungen, welche die Eigenthümer und sonst am Walde Berechtigten durch Nichteinhaltung der ihnen kraft öffentlichen Rechts obliegenden Verpflichtungen und Beschränkungen begehen (s. d. Art. Forstwirthschaftspolizei), sodann die Forstsicherheitspolizeiübertretungen, die sowol von dem am Walde Berechtigten als von Dritten durch Nichtbeachtung der zur Sicherung des Waldes gegen gefährdende Ereignisse und Handlungen erlassenen Vorschriften begangen werden (s. d. Art. Forstsicher­ heitspolizei), und endlich eine Anzahl widerrechtlicher Schädigungen und Entwendungen am Walde und feinen Produkten, denen wegen ihrer Ge­ ringfügigkeit die Eigenschaft blos polizeilicher Übertretung beigelegt wurde: z. B. unbefugtes Sammeln von Kräutern, Beeren und Pilzen, Ameisen, Bestandtheilen des Waldbodens u. dgl. Für diese forststrafrechtlichen Zuwiderhandlungen (von denen die Forstdiebstähle und Forstbeschädigungen zuweilen unter der Bezeichnung „Forstfrevel" zusammen­ gefaßt werden sBayern, Mecklenburgs gelten nach den partikulären Forststrafgesetzen in mehrfacher Hinsicht Bestimmungen, welche von den Grundsätzen des allgemeinen Theils des RStrafGB., bzw. von den speziellen Normen über Bestrafung des Diebstahls und der Sachbeschädigung abweichen. Am zahlreichsten und intensivsten pflegen die Abweichungen beim Forstdiebstahl zu sein, weniger einschneidend bei der Forst­ beschädigung und den Forstpolizeiübertretungen. Was insbesondere die Straf 55*

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Forststrafrecht.

drohung angeht, so ist im Unterschied von §§ 242 und 303 des RStrafGV. regel­ mäßig blos Geldstrafe angedroht und deren Betrag im Gegensatz zumallgemeinen Theil des RStrasGB. ein absolut bestimmter, derart, daß sie nach dem Werthe des Entwendeten oder Geschädigten bemessen wird (Preußen beim Forstdiebstahl das fünffache, Baden das vierfache, Württemberg das drei- bis fünffache des Werthes, Bayern die Summe des Werthes und des Schadens, welch letzterer sich fest auf ein Drittel des Werthes berechnet; ähnlich bei der Forstschädigung und beim unbefugten Weiden: Württ. Forststrafges. Art. 16, 17; Bad. Forststrafges. §§ 20, 22). Der Strafdrohung des Forststrafrechts sind ferner stets eine größere Anzahl von Schär­ fungsgründen eigenthümlich (in der Regel nur beim Forstdiebstahl); dieselben entspringen namentlich folgenden Rücksichten: auf die Schwierigkeit der Verfolgung und Entdeckung (wenn sich der Thäter unkenntlich gemacht hat, auf Betreten seinen Namen nicht oder, falsch angiebt, sich geräuschloser Werkzeuge, z. B. Säge, bedient), auf die besondere Gefahr für das Forstschuhpersonal (Mitführung von Waffen, Frevel zur Nachtzeit), auf die besonders schädliche Wirkung der That (an Samen­ bäumen, in Schonungen, der große Frevel über 25 M.), endlich auf die besonders intensiv wider-rechtliche Willensrichtung (namentlich Rückfall und die Bestimmung des Entwendeten zur Veräußerung). Die Strafschärfung besteht entweder darin, daß die Geldstrafe vervielfacht wird (Preußen das zehnfache, Baden das achtfache, Württemberg das sechs- bis zehnfache des Werthes) oder daß Gefängnißstrafe zu erkennen ist. Der Rückfall des F. unterscheidet sich vom gemeinrechtlichen Rückfall der §§ 244 und 245 des RStrasGB. dadurch, daß nur die partikularrechtlichen Strafthaten des Forstdiebstahls und nur die im Partikularstaat erfolgten Verurtheilungen in Betracht gezogen werden, daß ferner die Rückfallsfrist abgekürzt (1 oder 2 Jahre) ist und nicht von der Verbüßung der Strafe, sondern von der rechtskrästigen Verurteilung an läuft (Preuß. Forststrafges. § 7; Württ. Art. 12; Bad. § 9). Mit diesen besonderen Straffchärfungsgründen geht es Hand in Hand, daß die für jugendliche Personen von 12—18 Jahren gemeinrechtlich (§ 57 des RStrasGB.) vorgesehene Sträfermäßigung für den Forstdiebstahl außer Anwendung ge­ setzt wird (Preuß. Gesetz § 10; Bad. § 10). Endlich gilt für die Straf Um­ wandlung meist die besondere Bestimmung, daß auch wo der Forstfrevel in die Kategorie der llebertretungen fällt, die unbeibringliche Geldstrafe nicht wie nach § 28 des RStrasGB. in Haft, sondern in Gefängniß umzuwandeln ist (so Preußen, Württemberg, Baden; nur das Bayer. Forstges. Art. 55 hat die Umwandlung in Haft beibehalten). Auch ist uach mehreren Forststrafgesetzen auf Grund des § 6, Abs. 2 des EG. zum RStrasGB. die Möglichkeit eröffnet , daß die umgewandelte Gefängnißstrafe in Form der Gemeinde- oder Forst arbeit erstanden werde. Die mit der Vollstreckung betrauten Behörden sind nach dem Preuß. Ges. § 14 und Bad. Ges. § 16 ermächtigt, den Verurtheilten während der Dauer der Gefängniß­ strafe ohne Einschließung zu Forst- oder Gemeindearbeiten, welche seinen Fähigkeiten und Verhältnissen angemessen sind, anzuhalten. In Württemberg und Bayern ist die „öffentliche Arbeit" als subsidiäre Forststrafe beseitigt; in dem Elsässischen Ent­ wurf eines Forststrafgesetzes nur derart beibehalten, daß es dem Verurtheilten ge­ stattet ist, sich durch Leistung von Forst- oder Gemeindearbeit von der Freiheits­ strafe stei zu machen. Endlich sind im Forststrastecht die gemeinrechtlichen Bestim­ mungen (§ 40 ff. des RStrasGB.) über die Strafe der Einziehung meist dahin verschärft, daß die vom Thäter mitgeführten, zur Verübung eines Forstdiebstahls geeigneten Werkzeuge stets einzuziehen sind, auch wenn sie nicht dem Thäter gehören und nicht nachzuweisen ist, daß sie zur Sbrafthat gebraucht oder bestimmt waren (Preußen § 15; Baden § 19; Sachsen Art. 23). Aus den oben gedachten beson­ deren strafpolitischen Gründen eröffnen ferner die meisten Forststrafgesetze die Mög­ lichkeit, daß stellvertretend gewisse Personen, die nach Gemeinem Strastecht nicht straffällig sind, mittelbar oder unmittelbar mit der Strafklage belangt werden

Forststrafverfahren.

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können. Auch abgesehen von der nach § 361 Ziff. 9 des RStrafGB. strafbaren Ver­ nachlässigung der Aussichtsgewalt werden Diejenigen, deren familienrechtlicher oder Dienstgewalt der Thäter eines Forstfrevels unterworfen ist, für die Geldstrafe im Falle der Unbeibringlichkeit (also mittelbar) haftbar erklärt; ja es werden diese Gewalthaber unmittelbar in die Geldstrafe verurtheilt, wenn der ihrer Gewalt unterworfene Thäter (weil unter 12 Jahren oder Mangels erforderlicher Ein­ sicht sreizusprechen) nicht gestraft werden kann, wobei ihnen übrigens Straflosigkeit für den Fall zugesichert ist, wenn nachgewiesen wird, daß die That nicht mit ihrem Willen verübt wurde oder von ihnen nicht verhindert werden konnte (Preußen §§ 11, 12). Ganz allgemein wird der Versuch des Forstdiebstahls (auch wo die That blos Uebertretung ist) mit Strafe bedroht und zwar abweichend vom RStrafGB. in der Regel mit der absolut bestimmten Strafe der Vollendung. Ebenso wird die Beihülfe, die Begünstigung und Hehlerei in Bezug aus einen Forstdieb­ stahl mit der vollen Strafe des letzteren belegt; besonders schwere Strasen (Gefäng­ niß) treffen die gewerbs- und gewohnheitsmäßige Hehlerei. Hinsichtlich der Verjährung der Strafverfolgung wird nach mehreren Forststrafgesetzen die ge­ meinrechtliche Verjährungsfrist der Uebertretungen auf 6 Monate oder 1 Jahr (Preuß. Ges. § 18; königl. Sächs. Ges. Art. 19; Bayer. Forstges. Art. 72; Württ. Forststrasges. Art. 3) erweitert. Endlich fällt bei Forstbeschädigungen viel­ fach die gemeinrechtliche Voraussetzung des Antrags der Beschädigten weg (Bad. Forststrasges. § 22). Quellen: Preuß. Ges. über den Forstdiebstahl v. 15. April 1878.; Preuß. Feld- und Forstpolizeiges. vom 1. April 1880. — Bayer. Forstges. v. 28. März 1852 in der Fassung der Bekanntmachung v. 26. Sept. 1879; Revid. Forststrasges. für die Bayer. Pfalz nach Be­ kanntmachung v. 2. Oktober 1879. — Kön. Sächs. Forststrasges. v. 30. April 1873. — Württemb. Oorststrafges. v. 2. Septbr. 1879; Württemb. Forstpolizeiges. v. 8. Sept. 1879. — Bad. orststrasges. v. 25. Februar 1879. — Els.-Lothr. Ges. über Forststrafrecht und Forststraf­ verfahren (noch Entwurf). — Braunschweig. Forststrasges. v. 1. April 1879. — Großh. Mecklenb. Verordn, v. 31. Mai 1879 über Bestrafung der Forstfrevel. — Anhalt. Gesetz über Felddiebstahl v. 10. Mai 1879. - Oesterr. Forstges. v. 3. Dez. 1852 Abschn. V. Lit.: Kommentare zum Preuß. Forstdiebstahlsges. v. 1878 von Oehlschläger u. Bern­ hardt (Berlin 1879) und von W. A. Günther (Breslau 1878); zum Bad. Forststrasges. von Neubronn (Mannheim 1879). — Ferner F. K. Roth, Bayer. Forstrecht, München 1864 mit erg. Nachträgen bis 1870. K. Schenkel.

Forststrafverfahren. Die Forststrasfälle stehen quantitativ in jeder Straf­ statistik zuvörderst; qualitativ sind sie in der Regel sehr einfacher Natur, indem der Thatbestand leicht festzustellen und die Strafe gering ist. Wegen dieser Ver­ hältnisse ist von jeher die Gerichtsbarkeit und das Verfahren in Forststrafsachen ab­ weichend von den allgemeinen strafprozessuatischen Bestimmungen geregelt worden, um eine rasche und sachentsprechende Aburtheilung mit thunlichst geringer Belästi­ gung der Angeklagten, des Anzeigepersonals und der im Strafverfahren thätigen Behörden zu ermöglichen. Die hinsichtlich der Aburtheilung der „Forstfrevel" lan­ desgesetzlich früher den Verwaltungs- und Staatsforstbehörden eingeräumten Zu­ ständigkeiten sind nunmehr durch die Reichsjustizgesetzgebung beseitigt; es ist aber mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse nach § 3 des EG. zur RStrafPO. der Landesgesetzgebung die Befugniß Vorbehalten worden, partikuläre Bestimmungen über die Verhandlung und Entscheidung der Forstrügesachen durch die Amtsgerichte ohne Zuziehung von Schöffen zu erlassen. Von dieser Befugniß haben die Deutschen Landes­ gesetzgebungen, meist unter Anschluß an das Preußische Forstdiebstahlgesetz, Gebrauch gemacht. Dabei wurde überall das durch die Deutsche StrafPO. für daK Schöffen­ gericht geordnete Strafverfahren in seinen Hauptzügen als auch bei Forstrügesachen anwendbar erklärt, dasselbe aber im Einzelnen in folgenden Beziehungen vereinfacht. Für die Aburtheilung der Forstrügesachen sind die Amtsgerichte ohne Zuziehung von Schöffen zuständig (um Belastung des Laiengerichts zu vermeiden); ferner ist

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Forststrafverfahren.

meist ein ausschließlicher Gerichtsstand für diese Straffalle begründet: in Preußen und Baden der Gerichtsstand der begangenen That; in Bayern der gleiche für Forstpolizeiübertretungen, wogegen für Forstdiebstähle und Beschädigungen der ausschließliche Gerichtsstand des Wohn- bzw. vom Aufenthaltsorte gilt. Die Funk­ tion der Amtsanwaltschaft ist den Staatsforstbehörden übertragen (Bayern, Württemberg, Baden), oder kann denselben übertragen werden (Preußen), oder fällt überhaupt weg, indem die Anzeigen sofort an das Amtsgericht geleitet werden, welches von Amtswegen einschreitet (Königreich Sachsen). Alle Zustellungen werden daher auch unmittelbar durch das Amtsgericht besorgt. Das Mandatsver­ fahren findet bei den Forstrügesachen die weiteste Anwendung. Die Hauptgrund­ lage des Verfahrens bilden die Forstrügeverzeichnisse des Forstschutzpersonals (s. d. Art. Forstschutzpersonal), welche periodisch den mit der Amtsanwaltschaft be­ trauten Behörden eingereicht und auf Grund deren von letzteren die Strafanträge beim Amtsgericht gestellt werden. Auf Einkommen der öffentlichen Klage (in Sachsen: des Anzeigeverzeichnisses), erläßt das Amtsgericht bedingte Strafbefehle gegen die Angezeigten, welche rechtskräftig werden, sofern nicht innerhalb einer bestimmten Frist (Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden) oder aus einen bestimmten Termin (Preußen) Einspruch erhoben wird. Eine Hauptverhandlung ist durch das Amtsgericht anzuordnen, wenn Einspruch erfolgt oder wenn eine höhere als die im Strafbefehl zulässige Strafe (Preußen und Baden nur Geldstrafe, Bayern Geldstrafe und Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen, Württemberg Geldstrafe und Gefängniß bis zu 3 Monaten), zu erkennen ist oder wenn der Amtsrichter sonst Bedenken gegen sofortige Straffestsetzung hat. Die Hauptverhandlung über die nicht im Wege des Straf­ befehls erledigten Forstrügesachen findet periodisch (in festbestimmten Monatssitzungen) statt. Und zwar wird nach dem Preuß. Forstdiebstahlgesetz, wo ein Strafbefehl er­ lassen wird, gleichzeitig eventuell der Termin der Hauptverhandlung (der auch Ein­ spruchstermin ist) bezeichnet, was zur Folge hat, daß für die Eventualität vorkom­ mender Einsprüche zürn Zwecke alsbaldiger Verhandlung der Sache das gesammte Anzeigepersonal auf diesen Termin zu laden ist. Das vor Einführung der Reichs­ justizgesetze in Preußen und mehreren anderen Staaten übliche Thätigungsverfahren, wonach auf die monatliche Tagfahrt alle Angezeigten zur Hauptverhandlung ge­ laden und im Falle des Nichterscheinens in contumaciam abgeurtheilt wurden, ist dadurch beseitigt. Hinsichtlich der Beeidigung der Zeugen in der Hauptver­ handlung tritt die Erleichterung ein, daß die für mehrere Sachen geladenen Zeugen nur einmal zu beeidigen sind (Bayern Art. 151; Sachsen § 10), daß ferner das vom Amtsgericht ein für alle Mal beeidigte Forstschutzpersonal unter Bezugnahme auf diesen Diensteid aussagen darf (Preußen, Württemberg, Baden), daß endlich, die Zeugen überhaupt nur, wo der Amtsanwalt oder das Gericht es für erforderlich hält, beeidigt werden (Württ. Art. 27). Beim Ausbleib en des Angeklagten in der Hauptverhandlung wird in der Regel gemäß § 231 der StrafPO. in seiner Ab­ wesenheit das Urtheil gesprochen. — Hinsichtlich der Beweisfrage ist manchmal bestimmt, daß die auf eigene Wahrnehmung gegründeten, mit der schriftlichen An­ zeige übereinstimmenden Aussagen verpflichteter Forstschutzbeamten vorbehaltlich des Gegenbeweises volle Beweiskraft haben (Bayer. Forstges. Art. 157) und daß zur Feststellung des Werthes des Entwendeten und des Schadens die eidesstattliche Verficherung des Eigenthümers oder die amtspflichtige Angabe des Forstfchutzbeamten bzw. die obrigkeitlich festgestellte Forsttaxe ausreichend sei (Sachsen § 12; ähnlich Preußen § 9). Nach mehreren Gesetzen findet eine Verbindung des Civilanspruchs auf Werth- und Schadensersatz mit der Strafklage statt, derart, daß das Amtsgericht im Strafbefehl oder Urtheil auch über Ersatz des Werthes (Preußen § 9) und (sofern liquid) des Schadens (Württemberg Art. 20) zu erkennen hat. Auch ist, um dem Beschädigten die Schadensvergütung ausgiebiger zu sichern, in einigen Gesetzen bestimmt, daß die wegen Forstdiebstahls erkannte Geldstrafe ganz (Preußen

ForstwirHschastSpolizer.

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§ 34) oder zur Hälfte (Baden § 12) dem Beschädigten zufalle und daß die an Stelle der Geldstrafe tretende Arbeit auf Verlangen für den Beschädigten zu leisten sei (Preußen, Baden). Der Vollzug der Strafe ist in der Regel den Amts­ gerichten, bei den Geldstrafen wol auch den Steuerbehörden übertragen. Der Umkreis der Straffälle, für welche als „Forstrügesachen" dieses besondere Verfahren in Anwendung kommt, ist in den einzelnen Forststrafgesetzen verschieden abgegrenzt. Das Preußische Gesetz bezieht sich nur auf die Forstdiebstähle (für die Forstbeschädigungen und polizeilichen Uebertretungen gilt nach dem Forst- und Feldpolizeigesetze vom 1. April 1880 im Wesentlichen das gemeinrechtliche Straf­ verfahren); dagegen gelten die Sonderbestimmungen nach dem Bayer. Forstgesetz für sämmtliche Forstdiebstähle, Forstbeschädigungen und Forstpolizeiübertretungen, nach dem Württ. Gesetz für die Forstdiebstähle und Forstbeschädigungen, nach dem Bad. Gesetz für die mit Geldstrafe bedrohten Forstdiebstähle und Forstbeschädigungen und einige Forstpolizeiübertretungen. Quellen: S. unter d. Art. Forststrafrecht. — Außerdem k. Sächs. Ges. v. 10. März 1879 über das Verfahren in Forst- und Feldrügesachen. K. Schenkel.

^orstwirthschaftspolizei. 1) Allgemeines. Bei den klimatischen Ver­ hältnissen Deutschlands ist es im öffentlichen Interesse geboten, daß ein gewisser Theil des Areals forstmäßig und nachhaltig als Wald bewirthschaftet werde, und zwar erfordern nicht blos die allgemeinen Rücksichten aus Ausgleichung der Temperatur, Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit, Abwendung schädlicher Naturereignisse (Versandung, Ueberschwemmung, Stürme, Gewitter), daß für das Vorhandensein eines Gleichgewichtszustandes zwischen Wald und sonstigen Kulturarten gesorgt werde, sondern es ist auch vielfach im Interesse bestimmter Grundstücke, Ortschaften, Anlagen geboten, daß zum Schutze derselben ein konkretes Areal als Wald nach­ haltig bewirthschaftet oder, sofern es entwaldet ist, aufgeforstet werde. Die Summe derjenigen Vorschriften, welche die durch diese öffentlichen und nachbarlichen Interessen bedingten Beschränkungen und Verpflichtungen hinsichtlich der Aufforstung und Bewirthschaftung der Waldflächen regeln, wird als das Recht der F. zusammengefaßt. Diese Normen sind in Deutschland nach den vielfach verschiedenen Bedürfnissen der einzelnen Staatsgebiete partikularrechtlich auseinandergehend gestaltet und zwar verschiedenartig nicht blos nach Staatsgebieten und Landestheilen, sondern auch meist insofern, als die Bewirthschaftung des im Besitze des Staats und der öffent­ lichen Körperschaften befindlichen Areals anderen und strengeren Grundsätzen als der Privatwald unterworfen wird. Bei den forstwirthschaftspolizeilichen Normen, die für die Staats-, Gemeinde- und Korporationswaldungen gelten, wird in der Regel auch jenem allgemeinen Interesse an Erhaltung des Gleichgewichts zwischen Wald- und sonstiger Kultur Rechnung getragen, während die Beschränkungen und Verpflichtungen der Privatwaldbesitzer zumeist in der speziellen Rücksicht auf den Schutz konkreter Grundflächen und Anlagen wurzeln. 2) Staatswaldungen. Hinsichtlich der Staatswaldungen gilt in Deutschland überall der Grundsatz, daß dieselben nachhaltig zu bewirthschaften sind, ein Grundsatz, welcher freilich nur selten ausdrücklich (wie im Bayer. Forstgesetz Art. 2—4) oder in seinen einzelnen forsttechnischen Konsequenzen (wie im Bad. Forstgesetz §§ 9—56) gesetzlich ausgesprochen ist, vielmehr in der Regel schon aus der allgemeinen Verpflichtung der Staatsbehörden zur pfleglichen Bewirthschaftung des ihnen anvertrauten Staatsguts ab­ geleitet und durch Anordnungen oder Dienstanweisungen des Näheren festgestellt wird. Für die Durchführung des Systems nachhaltiger Wirthschaft in den Staatswaldungen ist die Kontrole der Volksvertretung von rechtlicher Bedeutung, indem dieselbe in der Regel sich darauf erstreckt, daß der Grundstock der Domanialwaldungen nicht durch Reutwirthschast oder Arealveräußerung vermindert werde und daß alles zum absoluten Waldboden zu rechnende Staatsgelände mit Forst bestockt sei.

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Aorstwirthschaftspolizei.

3) Gemeinde und Körperschaftswaldungen. Auch hinsichtlich der Ge­ meind ewaldungen sind einschneidende Beschränkungen der Verfügungsgewalt in der Regel schon durch die Gesetze über die Verfassung und Verwaltung der Gemeinden bedingt. Nach der Deutschen Gemeindeverfassung darf die Gemeinde ihr Grund­ vermögen in der Regel nicht ohne staatliche Genehmigung veräußern, dasselbe nur unter bestimmten Voraussetzungen und unter staatlicher Aufsicht an die Gemeinde­ bürger vertheilen (Gemeinheitstheilung), das Grundstockskapital (also auch den durch Ausstockung zu gewinnenden Materialvorrath des Waldes) nicht für die laufenden Ausgaben verwenden. Und es ergeben sich aus diesem Grundsätze wirksame Garan­ tien für die Erhaltung und forstmäßige Benutzung des Gemeindewalds. Meist sind aber in Deutschland außerdem besondere forstwirthschaftspolizeiliche Normen für die Gemeindewaldungen erlassen, und zwar kennt das Verwaltungs­ recht der Deutschen Staaten zwei Systeme der forstwirthschaftspolizeilichen Beauf­ sichtigung der Gemeindewaldungen. Das eine ist das System der staatlichen Be­ forst erung (z. B. in Elsaß-Lothringen, Baden, Großherzogthum Hessen, einigen Preuß. Provinzen, wie Hessen-Nassau); dasselbe sucht das Ziel nachhaltiger Bewirthschaftung der Gemeindewaldungen dadurch zu erreichen, daß die Bewirthschaftung der Gemeindewaldungen (namentlich also die Regelung des Betriebssystems, die Einrichtung der Schläge, die Bestimmung des jährlichen Abgabesatzes an Hauptund Nebennutzungen, die Anstellung und Anweisung des Wirthschaftspersonals) der Staatsforstbehörde übertragen wird. Das andere System ist das der forstwirth­ schaftspolizeilichen Aufsicht über die Gemeindewaldungen (welches dem Preuß. Gesetz v. 14. Aug. 1876 für die 7 Ostprovinzen, dem Bayer. Forstgesetz Art. 6—17, dem Württemb. Gesetz v. 16. August 1875 zu Grunde liegt). Auch nach diesem System ist der Grundsatz nachhaltiger Bewirthschaftung der Gemeindewaldungen vorangestellt, er wird aber nicht durch staatliche Verwaltung, sondern nur durch intensive Staatsaufsicht verwirklicht. Den Gemeinden ist es, wo sie nicht freiwillig die Verwaltung des Gemeindewalds den Staatsforstbehörden übertragen (Württemb. Gesetz Art. 9), überlassen, ihre Waldungen durch gehörig befähigte Forsttechniker zu verwalten, den Betriebsplan zu entwerfen, das Wirthschaftspersonal anzustellen; es findet aber über die Erfüllung dieser Verpflichtungen eine fortlaufende Kontrole der Verwaltungs- und Staatsforstbehörden statt, indem die Anstellung gehörig befähigten Betriebspersonals überwacht wird, der allgemeine Wirthschaftsplan, sowie die jähr­ lichen Betriebspläne nur nach vorausgegangener staatlicher Genehmigung vollziehbar sind, Rodungen und sonstige Abweichungen vom Betriebsplan der staatlichen Er­ laubniß bedürfen und im Falle der Nichterfüllung der Verpflichtungen durch die Verwaltungs- und Staatsforstbehörden gegen die Gemeinde mit Zwang eingeschritten wird. Für die Körperschaftswaldungen (d. h. die im Eigenthum der Kirche, der Stiftungen und sonstigen öffentlichen Korporationen stehenden Waldungen) gelten in der Regel ganz die gleichen forstwirthschaftspolizeilichen Grundsätze wie für die Gemeindewaldungen. 4) Privatwaldungen. Hinsichtlich der Privatwaldungen ist in Deutsch­ land nunmehr (im Gegensatz zu den früher kraft des sog. landesherrlichen Forst­ regals manchmal eingeführten Beförsterungssystemen) im Allgemeinen der Grundsatz anerkannt, daß der Eigenthümer, nicht gebunden durch die Pflicht nachhaltiger Wirthschaft, das Betriebssystem feststellen, die Nutzungen vornehmen und über den Wald und dessen Materialvorrath, sogar in Form von Ausrodung, ver­ fügen dürfe. Aber nur im Allgemeinen, nicht ohne daß dieser Grundsatz kraft Privat- und öffentlichen Rechts weitgehende Einschränkungen erfährt. Schon privat­ rechtlich ist diese Verfügungs- und' Nutzungsbefugniß bezüglich aller der Waldungen beschränkt, welche kraft eines fid eikommissarisch en, lehn- und erblehngerechtlichen Titels besessen werden, welche zu adeligen Stammgütern, Bauernfideikommissen, geschlossenen Hofgütern u. dgl. gehören, auf welchen dingliche Nutzungsrechte, die eine bestimmte Wirthschastsart bedingen, ruhen. Von viel größerer Bedeutung aber

Forstwirthschastspolizei.

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sind die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Verpflichtungen, die für die Privat­ waldungsbesitzer aus forstwirthschaftspolizeilichen Gründen eingeführt sind, nämlich zu dem Zwecke, um Gefahren von benachbarten Grundstücken und Anlagen abzuhalten oder die bcj’tiinnuittg3gcmäfje Kultur anliegenden Areals zu ermöglichen. Die Voraus­ setzungen für solche Beschränkungen und Verpflichtungen liegen namentlich dann vor, wenn es gilt, von benachbarten Orten, Grundstücken oder Wasserläufen die Gefahr der Versandung, Abrutschung, lleberschwemmung, des Uferabbruchs und des Eisgangs, der Verminderung des Wasserstandes oder der Sturmbedrohung abzuwenden. Und zwar sind es zum Theil negative Beschränkungen, kraft deren der Waldbesitzer an Nutzungen und Verfügungen, die für die Nachbarn schädliche Wirkungen erzeugen können, gehindert ist z. B. an Ausrodungen (Ueberführung des Walds in eine andere Kulturart), an Kahlhieben, an devastirender Nutzung des Holzes oder der Neben­ produkte (durch Weide-, Streu- und Harznutzung u. dgl.); zum Theil sind es positive Verpflichtungen, kraft deren der Privatwaldbesitzer im Interesse der Wald­ erhaltung eine bestimmte Betriebsart (z. B. plänterweisen Holzhieb) einzuhalten, öde Flächen auszuforsteu, Schutzvorkehrungen (z. B. Waldstreifen, Horizontalgräben, Dämme, Thalsperren) anzubringen hat. Es sind in Deutschland (sowie in der Schweiz und Oesterreich) zweierlei Wege eingeschlagen worden, um diese Beschränkungen und Verpflichtungen der Privatwaldungsbesitzer zur Durchführung zu bringen. Nach dem einen System (Württemberg, Sachsen, Baden, zum Theil auch Bayern, Oesterreich) wird mit Wirksamkeit für alle Privatwaldungen angeordnet, daß bestimmte Wirthschafts- und Verfügungshandlungen, welche die nachbarlichen Interessen gefährden können (insbesondere Waldausstockungen und Kahlhiebe), nicht ohne vorausgegangene staatliche Genehmigung vorgenommen werden dürfen, daß die Besitzer von Privatwaldungen im öffentlichen Interesse verpflichtet sind, sich wald­ verwüstender Handlungen (Waldabschwendung, Devastation) bei Vornahme der Haupt- (Holz-) und Nebennutzungen zu enthalten und verödetes Waldareal wieder aufzuforsten. Die Staatsforstbehörde (oder die Verwaltungsbehörde im Benehmen mit ersterer) hat alsdann unter Ausübung einer andauernden Aufsicht über alle Privat­ waldungen im einzelnen Falle unter Berücksichtigung der öffentlichen und nachbar­ lichen Kulturinteressen die Beschränkungen und Verpflichtungen des Privatwald­ besitzers festzusetzen, die Genehmigung zu Ausrodungen, Kahlhiebe!: zu versagen, bedingt oder unbedingt zu ertheilen, der Waldverwüstung Einhalt zu gebieten, die Wiederaufforstung anzuordnen. Das andere Sy st en: besteht darin, daß aus dem Kreise der Privatwaldungen durch die Verwaltungsbehörde ein engerer Komplex als Schutzwaldungen, Bannforste ausgeschieden wird; dasjenige Privatwaldareal, dessen dauernde Erhaltung und Sicherung als Wald durch bestimmte öffentliche oder nachbarliche Interessen geboten ist, wird mittels der Erklärung zum Schutzwald einer besonderen staatlichen Aufsicht unterstellt, welche nicht blos zur Folge hat, daß der Eigenthümer an der Ausstockung, Devastirung, an Kahlhieben (vorbehaltlich ausnahmsweiser Erlaubniß) gehindert ist, sondern welche auch dem Besitzer mannig­ fache positive Verpflichtungen (Anbringung von Schutzanlagen, Waldkulturen, Ein­ führung nachhaltiger Betriebssysteme u. s. f.) auferlegen kann. Dieses System liegt dem Preuß. Waldschutzgesetz v. 6. Juli 1876 und dem Schweizer. Gesetz über die Forstpolizei im Hochgebirge vom 24. März 1876 zu Grunde. Manchmal sind auch beide Systeme der Staatsaufsicht über Privatwaldungen mit einander verbunden, derart, daß für einen engeren Kreis ausgeschiedener Schutzwaldungen intensive all­ seitige Beschränkungen und Verpflichtungen der Eigenthümer und eine strenge Staatskontrole angeordnet sind, während hinsichtlich der übrigen Privatwaldungen nur ein ausnahmsweises Eingreifen der Staatsbehörde gegenüber bestimmten, den Waldbestand schädigenden Verfügungshandlungen Vorbehalten wird (so Bayer. Forstgesetz Art. 35 ff. Oesterr. Forstgesetz §§ 2 ff., § 19. Württemb. Forstpolizeigefetz Art. 9). Die Erklärung eines Waldes zum Schutzwald geschieht in der Regel

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Forftwirthfchastspolizei.

von Amtswegen durch die damit betrauten Staatsforst- und Verwaltungsbehörden (in Preußen durch das Waldschutzgericht), wobei übrigens zuweilen auch die Privatbetheiligten als befugt erklärt sind, die Ausscheidung eines Areals als Schutzwald und die Festsetzung der erforderlichen Beschränkungen und Verpflichtungen des Waldeigenthümers zu beantragen (Preuß. Gesetz § 3). Ein Anspruch auf Entschädigung ist dem Privatwaldungsbesitzer wegen der ihm kraft öffentlichen Rechts auferlegten Be­ schränkungen und Verpflichtungen in der Regel nicht zuerkannt, da angenommen wird, daß die dadurch bedingte Erhaltung, nachhaltige Benutzung und Wiederauf­ forstung des Waldes auch. feinem Privatinteresse dienen. Jedoch bestimmt das Preuß. Gesetz (§§ 4 u. 5), daß dem Waldbesitzer für den durch die auserlegten Be­ schränkungen bewirkten Schaden voller Ersatz zu leisten und däß für die Kosten der angeordneten Waldkulturen und Schutzanlagen die Antragsteller, sowie überhaupt die Eigenthümer der gefährdeten Grundstücke, Anlagen re., bis zur Werthshöhe des abzuwendenden Schadens aufzukommen haben, wobei übrigens der Eigenthümer des gefahrbringenden Grundstücks im Verhältnisse der durch die Vorkehrungen für ihn verursachten Werthserhöhung zu dem Aufwande beizutragen hat. Weil die Z e r st ü ck l u n g d e s W a l d e s in kleine Eigenthumstheile ein Hinderniß forstmäßigen Wirthschaftsbetriebs und die Veranlassung zu Rodungen und mancherlei anderen Waldgefährdungen ist, so sind nicht selten auch hinsichtlich des Privatwaldeigenthums forstwirthschaftspolizeiliche Beschränkungen der Theilung eingeführt, entweder derart, daß gemeinschaftliche Wälder uut mit forstpolizeilicher Genehmigung getheilt werden dürfen, die zu versagen ist, sofern die zu bildenden Waldtheile für sich einer forst­ müßigen Wirthschaft nicht mehr fähig wären (Preuß. Gemeinheitstheilungsordn. § 109; Bayer. Forstgesetz Art. 20), oder indem überhaupt die Theilung der Waldgrundstücke unter ein bestimmtes Maß (Bad. Gesetz v. 6. April 1854: 3,G ha) verboten wird. Auch ist in einigen Gesetzen (z. B. Preuß. Arrondirungsgeseh vom 2. April 1872) die rechtliche Möglichkeit gegeben, in dem Arrondirungsv erfahren eine zwangsweise Zusammenlegung zerstückelten Waldeigenthums mit Eigenthums­ austausch zu bewirken (meist ist übrigens der Wald von der Arrondirung ausgeschlossen), oder es ist einer bestimmten Mehrheit der Besitzer parzellirter Waldungen die Befugniß eingeräumt, zum Zwecke der einheitlichen Durchführung der Schuhmaßregeln oder sogar zu gemeinschaftlicher forstmäßiger Bewirtschaftung unter Ausübung eines Zwanges gegen die den Beitritt Weigernden für zusammengehörige Forstgebiete Waldgenossenschaften zu bilden (Preußen, Württemberg u. a., s. hierüber den Art. Waldgenossenschaften). Endlich kann als eine forstwirthschaftspolizeiliche Maß­ regel auch die Expropriation in Anwendung gebracht werden. Wo der Regierung nach dem Expropriationsgesetze zusteht, aus Gründen des öffentlichen Wohls das Grundeigenthum zu expropriiren, da kann von dieser Befugniß auch zu dem Zwecke Gebrauch gemacht werden, um verödeten und entwaldeten Boden (absolutenWaldboden), dessen Aufforstung im öffentlichen Interesse geboten ist, in das Eigenthum des Staats oder der Gemeinden und damit zu einer forstmäßigen Kultur überzuführen (ausdrücklich anerkannt im Art. 22 des Schweiz. Forstgesetzes v. 1876). Den gleichen Beschränkungen wie die Privatwaldeigenthümer müssen auch die­ jenigen unterliegen, welche kraft dinglichen Rechts in fremden Waldungen Nutzungen ausüben. Auch abgesehen von den durch den Rechtstitel der Forstservitut und die Bestimmungen des Civilrechts bedingten Beschränkungen sind in den Deutschen Forst­ polizeigesetzen diese Nutzungsberechtigten hinsichtlich der Art und des Umfangs ihrer Rechtsausübung forstwirthschaftspolizeilichen Beschränkungen unterworfen worden, welche zum Zwecke haben, soweit das öffentliche und nachbarliche Interesse es ver­ langt, den Wald gegen die durch übermäßige Servitutsbelastung bewirkten Gefähr­ dungen zu schützen und deren Einhaltung kraft öffentlichen Rechts von den Forst­ polizeibehörden überwacht wird. Nanrentlich liegt dem Servitutberechtigten in der Regel, wie dem Waldeigenthümer, die Verpflichtung ob, durch die Art und den

Fortescue — Foucher.

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Umfang der ihnen zustehenden Nutzung der Haupt- und Nebenprodukte nicht eine Devastation des Waldes herbeizuführen und er muß sich zu diefem Ende auch eine Einschränkung der Forstservitut unter das nach dem Rechtstitel gestattete Maß ge­ fallen lassen (Preuß. Gemeinheitstheilungsordn. § 174; Allg. LR. Th. I. Tit. 22 §§ 103—106, §§ 226—20; Bayer. Forstgesetz Art. 25; Bad. Forstgesetz §§ 32—56, 100—103; Oesterr. Forstgesetz §§ 9 ff.; Schweiz. Forstgefetz Art. 20). Auch ist nicht selten kraft öffentlichen Rechts verboten, daß der Wald künftighin mit dauernden Nutzungsrechten belastet werde (Bayern, Baden, Schweiz). Für die auf die Waldkultur am nachtheiligsten einwirkenden unbestimmten (alfo nach dem Bedarfe der Berechtigten schwankenden) Forstservituten ist meist die Möglichkeit er­ öffnet, entweder im civilgerichtlichen Verfahren (Bad. Forstgesetz § 107) oder im Verwaltungswege (Bayer. Forstgesetz Art. 27) die Umwandlung in eine nach Art und Maß fest bestimmte Servitut (Firation) herbeizuführen. Endlich ist meist auch ein Verfahren geordnet, kraft dessen unter Entschädigung des Servitutberechtigten der Wald von dem Nutzungsrecht entlastet werden kann (s. hierüber den Art. Forstservituten, Ablösung).

Quellen: Preuß. Gemeindewaldges. v. 14. Aug. 1876; Preuß. Ges. v. 6. Juli 1875 über Schutzwaldungen und Waldgenossenschaften. — Bayer. Forstges. v. 28. März 1852 (neu redigirt nach Bekanntm. v. 26. Sept. 1879). — Württemb. Gemeindewaldges. v. 16. August 1875; Württemb. Forstpolizeiges. v. 8. Septbr. 1879 — Bad. Forstgef. v. 15. Novbr. 1833 mit Ergänzungsges. v. 27. April 1854. — Gr. Hess. Verordnungen v. 16. Januar 1811 und 29. Dezbr. 1823 über die Forstorganisation. — Code forestier v. 31. Juli 1827 (für Elsaß-Lothringen). — Oesterr. Forstges. v. 3. Dezbr. 1852; Oesterr. Verordn, v. 3. Juli 1873. — Schweiz. Bundesges. v. 24. März 1876 betr. die eidgenöff. Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge mit Vollz.-Verordn. v. 8. Sept. 1876. Lit.: E. v. Berg, Die Staatsforstwirthschaftslehre, Leipz. 1850 — A. Bernhardt, Die Waldwirthschaft und der Waldschutz, Berlin 1869. — I. Albert, Lehrb. d. Staats­ forstwissenschaft, Wien 1875. — H. Eding, Die Rechtsverhältnisse des Waldes, Berlin 1874. — L. Heiß, Der Wald und die Gesetzgebung, Berlin 1875. — Kommentar zu den Preuß. Jagd- und Forstgesetzen von Oehlschläger und Bernhardt, 2 Bde., Berl. 1878. — F. K. Roth, Handbuch des Bayer. Forstrechts, München 1864, mit ergänzenden Nachträgen bis 1870. K. Schenkel.

Fortescue, John, 6 zwischen 1394 und 1396, 1442 chief justice of the Kings Bench, verlor in Folge eines Act of attainder seine Besitzungen, kehrte 1471 nach England zurück, f nach 1476. Schrift: De laudibus legum Angliae, 1595, 1616, 1663, 1737; engl. 1775; Noten v. Amos, Cambr. 1825, zuletzt ^ith translation by Francis Gregor, notes by A. Amos and a Life of the author by Thomas (Fortescue) Lord Clermont, Cincinnati 1874. Lit.: Bluntschli, StaatsWört.B., III. 566—570. — Mo hl, II. 32. — Encykl. 259. Teichmann.

Forti, Francesco, 5 10. XI. 1806 zu Pescia, Advokat in Florenz, Mit­ redakteur der Antologia, trat 1832 in die Magistratur, f 17. II. 1838. Schriften: Libri duo di Istituzioni del diritto civile, Fir. 1863. — Opere edite ed inedite, Fir. 1863—65. — Raccolta di conclusioni criminali, Ordinate e annotate dall’ aw. Bald. Paoli, Firenze 1864. Lit.: Revue hist. 1865 p. 429, 1867 p. 169—178 (F. F. par Amedee Roux, Paris 1867). — Mori vor den Istituzioni. — Pessina, Opuscoli, 1874 p. 97. Teichmann.

Foucher, Viktor-Adrien, z 1. VI. 1802 zu Paris, wurde 1829 avocat gänöral in Rennes, 1850 Rath am Kassationshofe, f 2. II. 1866. Schriften: De l’admin. de la justice militaire en France et en Angleterre, 1825.— Comna. des lois des 25 mai et 11 avril 1838 rel. aux justices de paix et aux tribunaux de premiere instance 1839. — Julius, Lenons sur les prisons, trad. de 1’allem., 1831. — Julius, Du Systeme penit. americain en 1836, 1837. — Sur la reforme des prisons, 1838. — Assises du royaume de Jerusalem, textes frangais et Italien, 1839—41. — Comm. sur le code de justice militaire pour l’armee de terre, 1858. — Er übers etzte les Code penal

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Fourier — Frachtbrief.

et civil de Fempire d’Antriebe, 1833—37. — Code criminel du Bresil, 1834. — Lois de proced. crim. et lois penales du royaume des Deux-Siciles, 1836. — Code de commerce de FEspagne, 1838. — Mit To Ihausen: Code de commerce allemand, 1862—64 (in der von ihm geleiteten Collection des lois civiles et criminelles des Etats modernes, 1833— 1864). — Trad. de FActe du Parlement d’Angleterre du 22 juin 1825 rel. aux Statuts du jury, 1827. — Revue de Foelix t. L, III., IV., de Wolowski t. L, II., V., VII. Lit.: Le tribunal et la cour de Cassation, 1879 p. 273, 532. — Discours de rentree de 1866 et 1867. Teich mann.

Fourier, CH., 5 7. IV. 1772 zu Besanc;on, arbeitete in Handelsgeschäften in Rouen, Marseille und Lyon, Stifter einer sozial. Schule, f 10. X. 1837. Er schrieb: Theor. des 4 mouvements, 1808. — Tr. de Fass, dornest, agric., 1822, 2. ed. 1841. — Le nouv. monde indust. et societaire, 1829. — Oeuvres, 1840—1846. Lit.: Ahrens, Naturrecht, 204. — Walter, Naturrecht, 144. — Mohl, I. 79. — Gamond, F. et son systäme, 1838. — Pell ar in, notice biogr., Par. 1849. — Dühring, Krit. Geschichte der Nationalökon., 267—302. — Brockhaus. Teichmann.

Fox, Charles James, 5 24. I. 1749 zu London, wurde 1770 Lord der Adm., 1773 der Schatzkammer, nahm 1774 seine Entlassung, wurde unter Rocking­ ham Staatssekretär, später Kollege v. Rorth, trat nach dem Falle der Jndiabill in die Opposition zurück, schied 1798 aus dem Parlam., kam nach Pitt's Tode ins Ministerium, ft 13. IX. 1806. Debatter par excellence. Schriften: Hist, of the early part of the reign of James II., Lond. 1808 (deutsch v. Soltau, Hamb. 1810). — Speeches in the house of Commons, Lond. 1815. Lit.: Blüntschli, StaatsWört.B. III. 570—575. — Russell, The life and times of J. Fox, Lond. 1856—1859. — Memorials andCorrespondence, 1853—57. —Althaus im Neuen Plutarch, Bd. 3, Leipz. 1876. Teich mann.

Frachtbrief. Der Frachtvertrag (s. den Art. Frachtgeschäft) ist formlos; es kann jedoch nach Art. 391 § 2 des HGB. der Frachtführer vom Absender die Ausstellung eines F. verlangen, dessen üblichen Inhalt Art. 392 dahin angiebt: 1. Bezeichnung des Guts nach Beschaffenheit, Menge und Merkzeichen; 2. den Namen und Wohnort des Frachtführers; 3. den Namen des Abfenders; 4. den Namen dessen, an welchen das Gut abgeliefert werden soll; 5. den Ort der Ab­ lieferung; 6. die Bestimmung in Ansehung der Fracht; 7. den Ort und Tag der Ausstellung; 8. die besonderen Vereinbarungen, welche die Parteien etwa noch über andere Punkte, namentlich über die Zeit, innerhalb welcher der Transport bewirkt werden soll, und über die Entschädigung wegen verspäteter Ablieferung getroffen haben. Die Postordnung v. 8. März 1879 § 3 nennt den F. Begleitadrefse (F.-Formulare s. bei Goldschmidt, Handelsrecht, II. 735, Anlage zum Eisenbahnbetriebsreglement). Der F. macht zunächst vollen Beweis, und zwar gegen den Absender in Folge der Zu­ stellung, gegen den Frachtführer in Folge der Annahme oder sonstigen Anerkennung, gegen den Empfänger in Folge der Uebernahme des Guts mit demselben (Goldschmidt, Handelsrecht, II. 730), jedoch unter Zulässigkeit des Gegenbeweises durch alle Beweismittel (Entsch. des ROHG. VII. 217, VIII. 190, XI. 212). Der Absender ist zur richtigen Bezeichnung des Guts und des Gewichts dem Frachtführer verpflichtet und haftet für den daraus dem Frachtführer enstehenden Schaden, bei Eisenbahnen nach Spezialreglemmts noch für eine Konventionalstrafe (Eifenbahnbetriebsreglement § 50 Nr. 4). Letztere verfällt bei falscher Angabe ohne Rücksicht auf eine Schuld des Absenders; demselben ist eine positive Verpflichtung bezüglich der Richtigkeit der Angabe auferlegt, demnach schützt z. B. den absendenden Spediteur seine Unkenntniß von der Unrichtigkeit der ihn vom Versender gemachten Deklaration nicht (Zeitschr. für das ges. Handels­ recht XIX. 587; Striethorst, Arch. LXXVII. 383; Entsch. des ROHG. XXIII. 307, XXIV 206). Der irrt F. benannte Empfänger hat bis zur Ankunft des Guts am Ort der Ablieferung nur das Recht dem Frachtführer Anweisung behufs Sicher­ stellung des Guts zu ertheilen (Art. 404), sofern solche nicht vom Absender gegeben

Frachtgeschäft.

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ist; das Verfügungsrecht des Absenders bleibt sonach unbeschränkt (Art. 402). Mit vertragsmäßig beendigtem Transport erlischt das Versügungsrecht des Absenders, sofern der Frachtführer den F. übergeben hat (Art. 402 § 1) oder der Em­ pfänger auf Uebergabe des F. und des Guts klagt, wobei das Verfügungsrecht des unbezahlten Verkäufers unbeeinträchtigt bleibt. Seine Legitimation zur Klage führt der Empfänger durch seine Benennung im F. und ist der Antrag aus Aus­ lieferung des F. und des Guts gegen Erfüllung der Verpflichtungen, wie sie der F. angiebt, zu stellen. Durch Annahme des Guts und des F. wird der Empfänger verpflichtet nach Maßgabe des F. Zahlung zu leisten (Art. 408); zu dieser Gegen­ leistung wird der Empfänger persönlich verpflichtet, er hat die aus dem F. sich ergebenden Vorschüsse und Nachnahmen zu zahlen. Dagegen hat der Frachtführer gegen den Empfänger über den Inhalt des F. hinaus keine Ansprüche, dieser Be­ schränkung hat er sich durch Annahme des F. unterworfen (Entsch. des ROHG. XX. 410; Goldschmidt, Handelsrecht, 11.751), wegen Mehrforderungen hat er sich an seine Kontrahenten zu halten.

Lit.: Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts, Bd. I. Abh. 2, § 75 und die dort an­ geführte Lit. — Endemann, Handelsrecht, §§ 155—157. — Gareis, Handelsrecht, S. 347. — Wehrmann, Das Eisenbahnsrachtgeschäft, 57. — Eger, Das Deutsche Fracht­ recht. — Die Kommentare zum Allg. D. HGB. von v. Hahn, Anschütz, v. Bolderndorsf, Puchelt, Keyßner zu Art. 391, 392, 402—406. — Boistel, droit commercial, 355. Keyßner.

Frachtgeschäft (nach HGB.) begreift die Rechtsverhältnisse zwischen Dem­ jenigen, welcher gewerbsmäßig den Transport von Gütern zu Lande, auf Flüssen und Binnengewässern ausführt, zu dem Verfrachter oder Absender der Güter und zu deren Empfänger, Adressaten, Destinatär. Es ist also eine Unterart des Transportgeschüfts, da dieses auch noch die Beförderung von Personen einschließt. Das Röm. R. enthielt nur geringe Vorschriften über den Seetransport, das receptum nautarum, deren analoge Anwendung auf die Beförderung zu Lande wegen ihrer singulären Natur nach richtiger Meinung zu verneinen ist (Goldschmidt, Ztschr. Bd. III. S. 352). Auch im Mittelalter zweigt sich das F. zuerst noch nicht als eine besondere Berufsthätigkeit ab, vielmehr lag gerade in dem Transport, in dem damit verbundenen Risiko und der Thätigkeit des Kaufmannes die kanonisch-recht­ liche Begründung bzw. Rechtfertigung für seinen Gewinn (Goldschmidt, Handb. Bd. I. S. 301; Endemann, Nationalök. Grunds., S. 167). Mit der^ Aus­ bildung des Zwischenhandels in der späteren Zeit geht die Entwicklung des F. als eines selbständigen Gewerbes Hand in Hand. In seiner rechtlichen Natur im Gem. R. streitig, doch in der Regel als loc. cond. operis aufgefaßt (z. B. Sin­ te nis, § 118 Note 135 ff.), erhielt es bald auch in den partikularrechtlichen Ge­ setzbüchern seine eigenthümliche Stellung (z. B. Preuß. LR. Th. II. Tit. 8) und im Deutsch. HGB. Bch. IV. Tit. 5 §§ 390 ff. seine Regelung. Durch die Aus­ führung des Transportes unterscheidet sich der Frachtführer einerseits vom Spe­ diteur, welcher die Güterversendung zu „besorgen" übernimmt (Art. 379), sowie andererseits von den Schiffsmäklern, Güterbestättern, Schiffsprokureuren, welche den Abschluß von Frachtverträgen „vermitteln" (Art. 389). Der Frachtführer hat außer der eigenen Thätigkeit auch noch die Transportmittel zu gewähren, wenn er sich gleich in ersterer vertreten lassen kann und dann für seine Gehülfen und Vertreter haftet (Art. 400, 401). Als Frachtführer gilt also nicht, wer blos sein Geschirr, nicht auch seine Leute hergiebt (Koch, Deutsch. Eisenbahntransportrecht, S. 15 Note5) oder der einzelne Lastträger, wol aber der Inhaber eines Dienstmannsinstituts (Erk. d. Pr. OTrib. vom 29. Juni 1865, Entsch. Bd. LVI. S. 328; vgl. Gold­ schmidt, Handb., Bd. I. S. 466, Meili, Der Dienstmänner Anstalten in der Ztschr. des Berner Jurist. Vereins IX. S. 333—348). Wie in der Regel alle Handels­ geschäfte, so wird auch der Frachtvertrag formlos abgeschlossen (s. d. Art. Fracht-

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Frachtgeschäft.

vertrag), doch kann der Frachtführer die Ausstellung eines Frachtbriefes verlangen, der bis zum Gegentheil (Erk. d. ROHG. vom 19. Sept. 1871, Entsch. III. S. 136) die Kraft einer Beweisurkunde hat (Art. 391) und den (Art. 392) angegebenen Inhalt haben kann(Makower, Komm, zu Art. 392), er wirkt auch für die fpäteren Fracht­ führer (Art. 401). Die Pflichten des Frachtführers beginnen mit dem Empfang der Waaren und endigen mit deren Ablieferung (über diesen Begriff: Plen. Beschl. d. ROHG. vom 4. Mai 1871, Entsch. II. S. 252; Eisenb.-Betr.-Regl. f. d. Deutsche R. vom 11. Mai 1874 §§ 49, 63) bzw. bis zu der auf gerichtliches Urtheil er­ folgten Niederlegung oder Verkauf (Art 407, Eisenb.-Regl. § 16). Sie bestehen in der Aufbewahrung, dem Transport und der Ablieferung der Güter. Hinsichtlich der Verwahrung gelten die Grundsätze der Röm. custodia (Wind scheid, Lehrb., § 384 Anm. 6), dagegen liegt Verpackung und Beschaffung der für Verzollung re. erforderlichen Begleitpapiere dem Verfrachter ob. Die Abreise muß gemäß der im Vertrage bestimmten Zeit, in deren Ermanglung nach Ortsgebrauch bzw. nach den Umständen des Falles angetreten werden. Bei schuldhafter Ver­ zögerung haftet er für den Schaden, dem Absender steht ein Rücktrittsrecht zu (Entsch. des ROHG. III. S. 137; Goldschmidt, Ztschr., X. S. 154 ff., Art. 394). Der Frachtführer haftet für die rechtzeitige Ablieferung der Güter, sofern er nicht die Fruchtlosigkeit der von ihm ungewandten Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers beweist, auf Höhe des Schadens, reip. der Konventionalstrafe nach den gewöhnlichen Regeln (1. 1. 41; 42 D. 17, 2; I. 28 D. 19, 1; HGB. Art. 398). Er muß endlich am Ort der Ablieferung die Güter dem im Frachtbrief (Art. 403) oder durch fpätere Anweisung des Absenders (Art. 402) bezeichneten Empfänger aus­ händigen. Ist das Frachtgut verloren oder beschädigt, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er nicht nachweisen kann, daß jener Erfolg durch die natürliche Beschaffenheit des Guts (innerer Verderb, Schwinden, Leckage, Eisenb.Rgl. § 67) oder durch äußerlich nicht erkennbare Mängel der Verpackung oder durch höhere Gewalt (vis major) eingetreten sei. Letztere ist „ein Ereigniß, welches unter den gegebenen Umständen auch durch die äußerste, diesen Umständen angemessene und vernünftiger Weise zu erwartende Sorgfalt weder abgewehrt, noch in seinen schäd­ lichen Folgen vermieden werden kann" (ROHG. Plen. Beschl. vom 4. Mai 1871, Entsch. II. 358, VIII. S. 30, 160—162; Erk. vom 4. Febr. 1873, Wochenschr. f. D. H. - u. W.R. III. S. 97). Das Abandonsystem wegen beschädigten Fracht­ guts ist dem HGB. ftemd, vielmehr muß Adressat das beschädigte Gut abnehmen, und zwar wird der Schadensberechnung der gemeine Handelswerth (Zeitschr. s. H.R. IX. S. 577, X. S. 155), bzw. der gemeine Sachwerth am Ort der Ablieferung zu Grunde gelegt werden, und es treten die allgemeinen Grundsätze von dem Umfang der Ersatzpflicht ein (Art. 396), wenn den Frachtführer dolus, luxuria, magna culpa trifft (1. 226 D. 50, 16; Prot. S. 5112—5115; Erk. d. Pr. OTrib. vom 2. Febr. 1864; Striethorst, Arch. Bd. LVIII. S. 20; Eifenb.Rgl. §§ 67, 68; Bad. Ann. Bd. XXXVII. S. 302 ff.). Auf Kostbarkeiten, Gelder und Werthpapiere erstreckt sich dieseHaftung selbst bei böslicher Handlungsweise (Entsch. des ROHG. VIII. 271—273) nur im Fall ausdrücklicher Angabe (Art. 395). Die Rechte des Frachtführers beziehen sich auf Ersatz seiner Auslagen, den bedungenen oder üblichen (Erk. d. ROHG. vom 10. Sept. 1871, Entsch. III. S. 136) Frachtlohn, bei Rücktritt des Absenders wegen Naturereignisse oder sonstiger Zufälle, sowie bei Verhinderung, den Transport fortzusetzen, auf Erstattung der Kosten und eine billige Vergütung (Distanzflacht, Art 394, ROHG. Erk. vom 28. Nov. 1871, Entsch. IV. S. 172). Die Abnahme der Waare erfolgt durch den Destinatär (ROHG. Erk. vom 29. Juni 1871, Entsch. II. S. 418), kann aber vom Frachtführer nur dann klage­ weise erzwungen werden, wenn Absender und Destinatär Eine Person sind. Mit derselben entsteht für Letzteren die Pflicht, den Frachtführer nach Maßgabe des Frachtbriefes zu befliedigen (Art. 406). Bezahlung und Aushändigung der Waare

Frachtgeschäft.

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hat Zug um Zug zu erfolgen, da sonst der Frachtführer auf eigene Gefahr kreditirt. Gleichzeitig aber erlischt mit Annahme und Bezahlung jeglicher Anspruch gegen den­ selben , außer wegen nicht erkennbarer Mängel (Art. 408), die noch später geltend gemacht werden können (ROHG. Pl.B. vonO30. Dez. 1870, Entsch. I. S. 181; Eisenb.-Rgl. § 59, Abs. 9; Centr.Org. f.d.H.R. N. F. III. S. 161, 312 ff.). Richter­ liche Entscheidung, welche eventuell auf Deposition oder Verkauf gehen kann, muß erfolgen, wenn Adressat nicht auffindbar ist, Streit über die Annahme oder Ver­ weigerung derfelben entsteht (Art. 407). Für alle diese Ansprüche ist der Fracht­ führer durch ein Pfandrecht an der Waare gesichert, welches sogar noch nach der Abnahme dauert, wenn er es binnen drei Tagen gerichtlich geltend macht und der Empfänger oder dessen Stellvertreter noch im Besitze des Frachtgutes ist (Art. 409—411; Zeitschr. f. H.R., IX. S. 473, X. S. 316 ff.). — Wie gegen den Spediteur, so verjähren auch gegen den Frachtführer Klagen und Einreden, außer im Fall des Betruges und der Veruntreuung, in einem Jahre (Art. 408, 386; RPostGes. § 14, Eisenb.-Rgl. § 64, Entsch. des ROHG. XII. 135). Die rechtlichen Beziehungen des Frachtführers erstrecken sich nicht blos auf seinen ursprünglichen Kontrahenten, den Absender, sondern auch aus den Destinatär. Letzterer gilt nicht als Mandatar des Absenders, sondern kann kraft eigenen Rechtes alle die Erfüllung des Frachtvertrages bezielenden Befugnisse ausüben (Art. 405, ROHG., Erk. v. 9. Juni 1872, Entsch. IV. S. 359), ja der Fracht­ führer muß sogar nach Abgabe des Frachtbriefes nur feinen Anordnungen, nicht denen des Absenders folgen (Art. 402; vgl. Koch in d. Ztg. d. Vereins D. Eisen­ bahnverwaltungen 1865 R. 12, 1866 R. 23). Aus dieser doppelten Richtung seines Inhalts kommt es, daß die juristische Natur des Frachtvertrages noch nicht allgemein erklärt ist, und daß man in neuerer Zeit unter Emanzipirung von den römisch-rechtlichen Konstruktionen denselben als einen Formalvertrag, lediglich von dem Frachtgut und Frachtbrief abhängig auffaßt (Endemann, H.R., § 157). — Neben dem Frachtbrief kann auch noch ein Ladeschein von dem Frachtführer aus­ gestellt werden, worin sich dieser zur unbedingten Aushändigung des -Gutes ver­ pflichtet (Art. 413). Der Ladeschein entspricht dem Konnossement der Seefracht und kann wie dieses auch an Ordre gestellt werden (Art. 417), so daß auch auf ihn die für Ordre-Papiere geltenden Regeln (Art. 302, 303) Anwendung finden (Entsch. des ROHG. VIII. 417). Besondere Bestimmungen gelten von der See­ fracht (Art. 557—665). Die Bestimmungen des HGB. beziehen sich auch auf Posten, insofern nicht durch besondere Gesetze und Verordnungen ein Anderes bestimmt ist (Art. 421). Für den Norddeutschen Bund erging hierfür das Gesetz vom 2. Nov. 1867, welches später mit unwesentlichen Aenderungen Reichsgesetz (28. Okt. 1871) wurde. Danach muß die Post den Transport reglementsmäßiger Sendungen (§ 50) übernehmen, denselben planmäßig ausführen und sie haftet für den Verlust von Werth- und rekommandirten Sendungen, sowie von Palleten (§§ 6 ff.) nach den Regeln des regelmäßigen Frachtvertrages, ausgenommen, daß sie den Verlust auf auswärtigen Gebieten nicht übernimmt. Die Post gilt in Bezug auf Güter- und Geldtransport als Kaufmann (Entsch. des ROHG. XII. S. 311, Pl. Beschl. vom 2. Jan. 1874, XVII. S. 126). Der Anspruch auf Entschädigung verjährt in 6 Monaten (§ 14). Das F. der Eisenbahnen ist bereits vom HGB. in den Art. 422—435 normirt, wozu für den Norddeutschen Bund das Betriebsreglement für Eisenbahnen vom 10. Juni 1870, sowie das Bahnpolizeireglement vom 8. Juni 1870 treten. (In unwesent­ lichen Punkten abgeändert und für Süddeutschland sowie Elsaß-Lothringen durch Bekanntmachung vom 22. Dez. 1871 eingeführt). Jetzt gilt nur das unter dem 11. Mai 1874 eingeführte Betriebsreglement, der vorläufige Entwurf eines Reichs­ eisenbahngesetzes von 1875 will das ganze Tariffystem der Aufsicht des Bundesraths unterstellen. Die vom F. geltenden Grundsätze (bes. Art. 395—397, 400, 401,

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Fragerecht.

408) können von den Eisenbahnen nur in den Schranken des Gesetzes modifizirt werden, welches sie in Bezug auf Umfang, Dauer, Eintritt des Schadensersatzes, sowie auf die Beweislast günstiger als den gewöhnlichen Frachtführer stellt. Dies geschieht namentlich in Rücksicht auf die vereinbarten Transportmittel (unbedeckte Wagen, Art. 424 x) und die Beschaffenheit der Güter. In neuester Zeit sind Schritte angebahnt, um ein internationales Eisenbahnfrachtrecht herzustellen. Auf Einladung des Schweizer Bundesraths trat am 13. Mai 1878 in Bern die internationale Frachtrechtskonferenz zusammen, welche von 9 Staaten (Deutsches Reich, Oesterreich, Frankreich, Rußland, Italien, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Schweiz) beschickt wurde. Man verständigte sich zu einem Entwurf von 56 Artikeln, in welchen man vom HGB. den Transportzwang und die strenge Haftpflicht mit den Ausnahmen entlehnte und auch den gemeinen Schadenswerth beibehielt; die Jnteressendeklaration ist in allen Fällen statthaft, bei nicht ermitteltem Verschulden haften alle Bahnen nach Verhältniß der von ihnen zu beziehenden Fracht. Den Eisenbahnen ist ein Pfandrecht am Frachtgut gegeben und ebenso sind die wichtigsten Fragen des Entschädigungs- und Rückgriffsprozesses trefflich geregelt (Ztg. des Ver. Deutsch. Eisen­ bahnverwaltungen vom 12. Juli 1878). Außerdem verfaßte die Kommission „Aus­ führungsbestimmungen" in 12 Artikeln, wonach eine ständige Kommission eingesetzt ist, welche über die Zweckmäßigkeit der Normen zu wachen und eventuell als freies Schiedsgericht bei Rückgriffsprozessen fungiren soll. Der Berner Entwurf liegt nunmehr den Regierungen zur Genehmigung vor. Auf einer zweiten Konferenz, die noch nicht "bestimmt ist, hofft man auf das Zustandekommen des Unter­ nehmens. Quellen: Deutsches Reich: HGB. Art. 390—431. — Eisenbahnen: Betriebsregl. v. 19. Juni 1870 (B.G.Bl. S. 419); Bahnpolizeiregl. v. 3. Juni 1870 (B.G.Bl. S. 461); Bekanntmachung v. 22. Dez. 1871 (R.G.Bl. S. 473); Betriebsregl. v. 11. Mai 1874(R.G.Bl. S. 84). — Post: Ges. über das Postwesen des Nordd. Bundes v. 2. Nov. 1867 (B.G.Bl. S. 61); Ges. über das Postwesen des Deutschen Reiches v. 28. Okt. 1871 (R.G.Bl. S. 347), sowie die zahlreichen vom Nordd. Bunde u. Deutschen Reiche geschlossenen Verträge. — PreußenGes. v. 3. Nov. 1838; v. 3. Mai 1869. Lit.: Außer den Lehrbüchern und Kommentaren des Handelsrechts noch Goldschmidt in seiner Ztschr., III. S. 199, 217, 222. — Protokolle z. HGB. S. 781—862, 1228—1253, 1443, 4671—5115. — Busch, Ztschr. IV. S. 388 (Ackermann), VI. S. 335 (Kuhn), XIII. S. 433 (Ackermann), XIX. S. 460 (Wolff), sowie der weitere Literaturnachweis bei Vo igtel, Uebersicht der Literatur des D. Handelsrechts, 1876 S. 102—109. Zu vergl. auch wegen der Entsch. d. ROHG. die Register s. v. Frachtgeschäft. — Ueber Posten: des. Busch in seiner Ztschr., Bd. XX. S. 364. — Gad, Die Haftpflicht der Postanstalten, 1863. — Schliemann, Ueber die rechtliche Natur des Postbeförderungsvertrages, 1861 — Dambach, Das Ges. über das Postwesen des D. Reiches, 3. Aufl. 1872. — Ueber Eisenbahnen: W. Koch, Das D. Eisenbahn-Transportrecht. - Busch's Ztschr. Bd. XX. S. 392 (Wolff). — Forstemann, Das Preuß. Eisenbahnrecht. — Hillig, Das Frachtgeschäft der Eisenbahnen, 1864. — Wehrmann, Das Eisenbahnfrachtgeschäft nach Buch IV. Tit. 5 des A. HGB., 1880. — Scheele, Betriebs­ reglement f. d. Eisenbahnen v. 11. Mai 1874 —Kommentar zum Betriebsreglement f. d. Eisen­ bahnen Deutschlands u. Oesterr.-Ungarn von C. Ruckdeschel, Weiden 1880. —Ueber d. inter­ nationale Frachtrecht: Eger, Die Einführung eines internationalen Frachtrechts, 1878. (Dazu Laband, in der Goldschmidt'schen Ztschr., XXII. S. 590 ff.; Sachs, ebenda, XX. S. 660; v. d. Leyen, ebenda, XXIII. S. 612). — De Seigneux, Rapport du projet de Con­ vention internationale etc.; Revue de droit intern. X. 101 ff. (Ässer), IX. 380 ff. (Hovy), VII. 143 ff. (Rivier). — Jurist. Blätter, Mai 1878 (Ebermann). Kayser.

Fragerecht im Civilprozeß, d. h. das Recht des Richters, die Parteien behufs Aufklärung des Streit- und Prozeßmaterials in der mündlichen Verhand­ lung zu beftagen. Bei Kollegialgerichten übt es der Vorsitzende aus. Der Richter hat durch das F. darauf hinzuwirken, daß unklare Anträge erläutert, ungenügende Angaben der geltend gemachten Thatsachen ergänzt, die Beweismittel näher bezeichnet, überhaupt alle für Feststellung des Sachverhältnisses erhebliche Erklärungen abgegeben, ferner auch darauf, daß von Amtswegen zu beachtende Mängel beseitigt, ja im amts­ gerichtlichen Prozeß sogar darauf, daß von den Parteien zweckdienliche Anträge ge-

Fragerecht — Fragestellung.

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stellt werden. Auch jedem Gerichtsmitgliede ist auf Verlangen die Stellung der­ artiger Fragen vom Vorsitzenden zu gestatten. Wenn eine von dem Vorsitzenden oder Gerichtsmitgliede gestellte Frage seitens einer Partei als unzulässig beanstandet wird, so hat das Gericht darüber zu entscheiden. Ein Zwang zur Beantwortung der Fragen gegen die Partei oder ein Präjudiz für die Nichtbeantwortung derselben ist nicht festgesetzt. Daher hat das Gericht lediglich nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu prüfen, welche Folgen aus dem Schweigen der Partei zu ziehen sind. Mit der Verhandlungsmaxime steht das F. nicht in Widerspruch. Es ermäch­ tigt den Richter nur, sich die nöthigen Aufklärungen und Ergänzungen über das durch die Anträge der Parteien begrenzte Streitmaterial zu verschaffen, nicht aber über die Schranken der ihm erforderlichen Information hinaus die Parteien über Verhältnisse zu inquiriren, welche jenseit des Parteivorbringens liegen. Quellen: CPO. §§ 130, 131, 464. Lit.: Wach, Vorträge über den RCP., Bonn 1879 S. 54.

P. Hinschius.

Fragerecht im Strafprozeß. Während der Angeklagte nur durch den Vorsitzenden zu vernehmen ist, können durch verschiedene Personen Fragen unmittelbar an die Zeugen und Sachverständigen gerichtet werden. Die betreffenden Personen können das F. aber erst ausüben, wenn die von dem Vorsitzenden vorgenommene Vernehmung beendigt ist, und es hängt lediglich von dem letzteren ab, schon vor diesem Zeitpunkte Zwischensragen zu gestatten. Das F. steht zu: den beisitzenden Richtern, Schöffen und Geschworenen (auch den Ergänzungspersonen), der Staats­ anwaltschaft, dem Privatkläger, Nebenkläger, Angeklagten und seinem Vertheidiger. Dem Rechte, die Fragen zu stellen, entspricht die Pflicht der Zeugen und Sachver­ ständigen, die gestellten Fragen zu beantworten. Gegen etwaigen Mißbrauch des F. ist jedoch durch gesetzliche Bestimmungen Vorsorge getroffen. Fragen der bei­ sitzenden Richter kann zwar der Vorsitzende unter keiner Bedingung zurückweisen, allein wenn sie von dem Befragten beanstandet werden, so entscheidet das Gericht. Das F. aller übrigen Personen wird dadurch eingeschränkt, daß der Vorsitzende un­ geeignete oder nicht zur Sache gehörige Fragen zurückweisen kann. Ob eine Frage diesen Charakter hat, entscheidet im Zweifelfalle das Gericht. Wegen ihrer Unerheb­ lichkeit dürfen Fragen nicht zurückgewiesen werden. Wird eine nicht von dem Vor­ sitzenden oder den beisitzenden Richtern gestellte Frage von dem befragten Zeugen oder Sachverständigen oder von dem Vorsitzenden beanstandet oder weist dieser eine Frage zurück, so entscheidet das Gericht. Die sonst betheiligten Personen können eine Entscheidung des Gerichts nicht bewirken.- — Vgl. auch d. Art. Verhör. Gsgb.: Deutsche StrafPO. §§ 239, 240 Abs. 2, 241 und hierzu die Komment, von Löwe und v. Schwarze. — Oesterreich. StrafPO. § 249. Dochow.

Fragestellung. Dieser Ausdruck kommt im modernen Strafprozeß in doppelter Richtung m Betracht: 1) bezüglich der an Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu richtenden Fragen, hinsichtlich welcher namentlich die Gewährung des sog. direkten Fragerechtes an die Parteien Gegenstand neuerer legislativer Erörterungen ist; 2) hinsichtlich der Stellung der Fragen an die Geschworenen (position des questions). — In ersterer Hinsicht wird aus die Art. Beweis verfahren, Frage­ recht und Verhör verwiesen; die nachfolgenden Erörterungen beschäftigen sich lediglich mit der F. als dem Mittel zur Herbeiführung des Wahr­ spruches der Geschworenen. I. Daß dasjenige, was durch den Ausspruch Mehrerer oder gar durch den verschiedener zufammenwirkender Faktoren sestgestellt werden soll, in der Gestalt von Fragen und Antworten festgestellt werden muß, liegt in der Natur des Verhält­ nisses. Im Altdeutschen Schöffenprozeß ist daher die Form der Rechtsfindung durch v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon I. 3. Aufl. 56

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Fragestellung.

Fragen des Richters und Antworten der Schöffen die Solennität, welche objektiv zum Ausdruck bringt, daß nach Recht und nicht nach Willkür gerichtet wird. Auch in Richterkollegien, wo die äußere Form der F. oft verabsäumt wird, weil die einfachere Form der spontanen Stimmgebung, d. h. des Ausspruches einer Meinung von Seiten eines Stimmführers und des Beitrittes aller oder der Mehrzahl der anderen, ebenfalls zum Ziele führt, liegt thatsächlich doch eine Abstimmung über unausgesprochene Fragen vor. Manche Gesetze fordern auch hier geradezu die Son­ derung nach Fragen und einige sogar die äußere Form der F. durch den Vor­ sitzenden. So ist z. B. in dem unter Französischer Herrschaft für das Königreich Italien erlassenen StrafPO. vom Jahre 1807 (art. 489 88.), welches sich im Wesentlichen an das Französische R. anschloß, aber das Geschworenengericht nicht aufnahm, für die Berathung des erkennenden Gerichtes vorgeschrieben, daß der Vorsitzende die That- und Rechtsfragen zu stellen habe, und die Antwort mit Ja! und Nein! als die regelmäßige hingestellt. Und das Deutsche GVG. bedient sich (§ 196) auch der Wendung: „Der Vorsitzende leitet die Berathung, stellt die Fragen und sammelt die Stimmen." — Auch das Englische Schwurgerichtsverfahren beruht daher der Sache nach auf Fragen, die das Gericht an die Jury stellt; nur wird die Frage nicht schriftlich und in selbständiger Darstellung des zu Beant­ wortenden gestellt, sondern mündlich und mit Bezug auf die Anklageschrift, die dem Verfahren zu Grunde liegt und deren Inhalt die Geschworenen durch ihr „Schuldig" sich aneignen, — einen Inhalt, Her keineswegs immer ein einfacher ist, sondern eine Mehrzahl von Fragen anregt, welche die Geschworenen nicht immer­ alle gleichmäßig mit Ja! oder Nein! beantworten müssen oder können. Da indeß die Antwort der Geschworenen zunächst mündlich verkündet wird und der Vor­ sitzende sich über deren Verhältniß zu den angeregten Fragen mündlich Auskunft verschaffen und die wahre Meinung der Geschworenen feststellen kann, ehe der Wahr­ spruch protokollirt wird, so kommt man über die technischen Schwierigkeiten, die diese indirekte Art der Stellung der Fragen mit sich bringt, leicht hinaus. — Bei der Einführung der Jury in Frankreich hatte man das Augenmerk mehr am die Trennung als auf das Zusammenwirken der beiden Faktoren, die das Schwurgericht bilden, gerichtet, und glaubte eine erhöhte Garantie für die Einhaltung der den Geschworenen zu ziehenden Schranken darin zu finden, daß man ihnen in ihr Be­ rathungszimmer einen schriftlichen Leitfaden, eine Aufzählung der von ihnen zu lösenden Fragen mitgab und zwar eine solche, welche bezüglich jeder einzelnen straf­ baren Handlung jedes Angeklagten die Schuldfrage in drei Theilfragen aus­ löste: nach dem objektiven Thatbestand, nach der zu dem Delikt erforderlichen Willensrichtung und nach der persönlichen Schuld (Thäterschaft u. s. w.) des An­ geklagten. Es erwuchs hieraus mit Rücksicht auf die unvermeidlichen Nebenftagen ein System der F., welches zahllose Einzelfragen nöthig machte; sie sollen in einzelnen Prozessen bis auf 6000, nach dem Motivenvortrag zum Strafprozeßgefetz für das König­ reich Westfalen selbst bis auf 20 000 und mehr, gestiegen sein. Dazu kam dann noch eine (durch die Mehrheit der Fragen und das Bedürfniß, unlogische Stimm­ kombinationen fernzuhalten, aufgenöthigte und von Sieyös mit raffinirter Künstelei ausgedachte) komplizirte Abstimmungsmethode mit einer Mehrheit von Urnen und mit Kugeln. Das Ergebniß war, daß man bald eine gründliche Aenderung der Methode der Herbeiführung des Ausspruchs der Geschworenen als eine der wichtigsten und nothwendigsten Aufgaben erkannte, welche bei der Ausarbeitung des noch in Frankreich geltenden Strafprozeßgesetzes zu lösen waren. Man schlug den Weg ein, daß man, bezüglich der Einheit der zu stellenden Schuldftage sich dem Englischen Vorbilde wieder näherte, dagegen an dem äußeren Vorgänge festhielt: es soll am Schluß der Verhandlung den Geschworenen in der Form schriftlicher, ohne alle Bezugnahme auf andere Dokumente verständlicher Fragen die von ihnen zu lösende Aufgabe so be­ zeichnet werden, daß in der Regel die Beifügung eines einfachen Ja! oder Nein!

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zu voller gegenseitiger Verständigung genügen kann. Und diese Form der Befragung der Geschworenen ist überall aus dem Kontinente beibehalten worden; sie liegt auch den neuesten Gesehen sür Italien, Oesterreich und Deutschland zu Grunde. Diese Form besteht also darin, daß in der Gestalt von Fragen, welche durch ein einfaches Ja! oder Nein! beantwortet werden können, den Geschworenen am Schluß der Verhandlung der Entwurf ihres Ausspruches vorgelegt wird. Damit sind die Anforderungen bezeichnet, welche vermöge der Natur der Sache, an die Fassung dieser Fragen gestellt werden müssen: die Fragen müssen so gefaßt sein, daß ihre Beantwortung einen korrekten, für das weitere Verfahren unbedenklich zu verwerthenden Wahrspruch der Geschworenen ergiebt; und eben darum kommt in der Feststellung der Fragen Alles zum Ausdruck, was für die im Wahrspruch zu lösende Aufgabe der Geschworenen, für ihre Stellung zum Gericht und zum Gesammtorganismus des Prozesses maßgebend ist. II. Die Geschworenen fällen auf dem Kontinente niemals selbst das Urtheil, wie dies nach Englischem R. im Falle der Freisprechung unzweifelhaft anzunehmen, aber auch im Falle der Verurtheilung als das Richtige anzusehen ist. Sie liefern aber auch nicht, wie dies wol einst der Fall war und wie dies analog bei Aus­ sprüchen der Sachverständigen gilt, blos Materialien, welche für das Urtheil erst zu verarbeiten sind; sie liefern einen Ausspruch, welchen das Gericht als solchen in sein Urtheil aufzunehmen, auf welchen es die dadurch nicht bereits festgestellten Theile desselben zu bauen hat. Sie sind nicht Auskunftspersonen, die außerhalb des Gerichtes stehen, sondern Mitglieder des gesammten als Geschworenengericht be­ zeichneten Körpers, Mitrichter mit selbständigen Aufgaben, aber eben darum auch nur Bestandtheile eines Organismus. Sie sind berufen, innerhalb des Kreises, der ihnen Vorbehalten ist, ihre Aufgabe selbständig zu lösen, aber sie sind, weil sie Mit-Richter sind, nicht Allein-Richter, und weil sie Richter sind, so wenig souverän als irgendwie andere Richter, vielmehr berufen, zur Anwendung der materiellen Straf­ gesetze mitzuwirken und haben dabei die Gesetze, welche die prozessualen Vorgänge regeln, gewissenhaft zu beobachten. Der Ausspruch der Geschworenen darf nur das Ergebniß einer regelrechten Verhandlung sein, und nur auf Anwendung des Gesetzes auf dasselbe abzielen. Der Gerichtshof, das Richterkollegium, das ihnen zur Seite steht, ist nicht blos berufen, das Urtheil durch die Aussprüche zu ergänzen, welche den Geschworenen nicht Vorbehalten sind, sondern er ist Richter für die ganze Ent­ scheidung, zu welcher er, auch soweit sie den Geschworenen zukommt, nicht blos durch passive Entgegennahme, sondern dadurch mitzuwirken hat, daß er die Beobachtung der Gesetze seitens der Geschworenen ermöglicht und sichert. Dies bringt mit sich, daß die Initiative: die Berufung der Geschworenen, die Vorsorge dafür, daß die Sache dem Prozeßrecht entsprechend verhandelt werde und also die Beschaffung des Materials, welches die allein prozeßrechtlich zulässige Grundlage des Wahrspruches zu bilden hat, die Abgrenzung der sachlichen Aufgabe der Geschworenen, die zur Lösung dieser Aufgabe erforderliche rechtskundige Anleitung (Bezeichnung des Straf­ gesetzes, von dessen Gesichtspunkt aus der Fall zu prüfen ist, und Anleitung zu dieser Prüfung) dem Gerichte zukommt; und alles das findet seinen technischen Aus­ druck und großenteils auch seine praktische Verwirklichung darin, daß der Gerichts­ hof, wenn er den Zeitpunkt für gekommen erachtet, den Geschworenen ihren Aus­ spruch redigirt, dessen Entwurf sie annehmen oder ablehnen können, der aber ange­ nommen eben dadurch auch das Werk des Gerichtes ist, und der abgelehnt, aber nicht durch einen Ausspruch ersetzt werden kann, der lediglich der Initiative der Jury entspringt. Daraus folgt in negativer Hinsicht: Die Geschworenen haben nie einen Ausspruch zu thun, zu dem ihnen nicht das Gericht Veranlassung gegeben hat. Sie haben nie eine abstrakte Frage des materiellen Rechtes zu entscheiden. Sie haben niemals einen entscheidenden Einfluß auf den Prozeßgang zu üben, namentlich nicht das Prozeßrecht zu handhaben (Anregungen und Anträge sind da56*

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durch nicht ausgeschloffen). In positiver Hinsicht aber hat das Gericht durch die Fassung der Fragen dafür zu sorgen, daß die Geschworenen in den Fall kommen, die ihnen zukommende Ausgabe vollständig zu lösen. Diese Aufgabe ist, einen Ausspruch zu liefern, welcher, wenn korrekt befunden, einen Theil des Urtheils zu bilden oder zu ersetzen hat. Das Urtheil, welches in dem ohne Beiziehung von Geschworenen verhandelten Strafprozeß gefällt wird, enthält, wenn es ein verurteilendes ist, dreierlei: 1) Den Aus­ spruch über die Schuld, die Bezeichnung der That, welcher der Angeklagte schuldig gefunden wird, mit solchen juristischen Ausdrücken, welche für die Unter­ ordnung unter einen bestimmten Deliktsbegriff und Strafsatz entscheidend sind; 2) die formelle technische Bezeichnung der hierdurch schon festgestellten strafbaren Handlung: die gesetzliche oder usuelle Benennung derselben und die Anführung der für sie maßgebenden Gesetzesstelle; 3) die Ziehung der materiellen Folgerungen in Bezug auf Strafe, Prozeßkosten, Ersatzansprüche. An den unter 2) und 3) erwähnten Aussprüchen haben die Geschworenen keinen Antheil. Streitig war nur lange Zeit (allerdings mehr in der Theorie als in der Praxis), ob der erste Ausspruch vollständig durch den Wahrspruch der Geschworenen ersetzt werde, oder ob hier eine Theilung in der Weise stattfinde, daß auch für diesen Ausspruch die Geschworenen nur die Materialien zu liefern haben, indem sie die „nackten That­ sachen" in einer Fassung feststellen, welche das Urtheil über ihre rechtliche Natur dem Gerichtshof vorbehält. Diese Frage ist bekanntlich erst allmählich auf dem Gebiete der Deutschen Strafprozeßwissenschaft zu klarer und zweifelloser Beantwortung gebracht worden, und ist in der Oesterreichischen und Deutschen StrasPO. ausdrücklich in dem Sinne gelöst, daß der Ausspruch der Geschworenen die g anze Sch uldfrag e umfaßt und in das Urtheil einfach als Ausspruch der Geschworenen und als Grund­ lage der oben unter 2) und 3) bezeichneten Aussprüche des Gerichtes aufzunehmen ist. Vergleicht man in diesem Sinne das so gewonnene Urtheil des Schwurgerichts­ hofes mit einem Urtheil eines einheitlichen Richterkollegiums, so zeigt sich nur fol­ gender Unterschied: Das gewöhnliche Urtheil enthält neben dem Spruche (dem Dispositivum) noch eine Begründung und in letzterer die Feststellung des Sachver­ haltes, auf welchem ersterer beruht — die Darstellung der nackten Thatsachen, losgelöst von der. juristischen Beurtheilung. Im Schwurgerichtsurtheil fehlt diese Darstellung und es tritt also noch deutlicher hervor, daß der von den Geschworenen gelieferte und in jenes aufzunehmende Ausspruch die Entscheidung der ganzen Schuld­ frage enthält. Und eben darum , muß die zur Herbeiführung dieser Entscheidung an die Geschworenen zu richtende Frage so abgefaßt sein, daß sie, bejaht, die voll­ ständige, technisch zweifellose Feststellung alles Dessen enthalte, was gegeben sein muß, wenn darauf ohne weitere Vermittlung die oben unter 2) und 3) bezeich­ neten Aussprüche gebaut werden sollen: den deklarativen Theil des Ur­ theils mit Ausnahme der technischen Benennung der strafbaren Handlung und des Hinweises auf die anzuwendende Gesetzesstelle. Die Geschworenen stellen also die Thatsache nicht in direktem Ausspruche (explicite), sondern mittelbar, eingeschlossen in die Anwendung der gesetzlichen Ausdrücke aus die von ihnen für erwiesen erachteten Thatsachen (implicite) fest, und der Ausspruch über diesen Theil der Rechtsfrage und über die Thatsache ist in denselben Worten untrennbar gegeben. Dieser Ausspruch ist zugleich die unerläßliche Voraussetzung für die Erledigung der Anklage, wie die Anklage wieder unerläßliche Voraussetzung des Wahrspruches ist. Die Frage an die Geschworenen muß so gefaßt fein, daß nur über die Anklage, über diese aber erschöpfend abgesprochen (die Anklage erledigt) wird. Hauptsächlich aus diesen Gesichtspunkten ergeben sich nun die an die Fassung der Fragen zu stellenden Anforderungen.

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III. Der Wahrspruch ist der Entwurf des in das Urtheil aufZunehmenden Ausspruches über die Schuld des Angeklagten. In Folge dessen muß die Frage enthalten: 1) Die Auszahlung aller gesetzlichen Merkmale, d. i. aller Umstände, von deren Vorhandensein das Gesetz die Annahme gerade dieses bestimmten Deliktes (und die Anwendbarkeit eines bestimmten Strafsatzes) abhängig macht. Das Gericht muß darüber beruhigt sein, der Ausspruch darf keinen Zweifel darüber lassen, daß alle Merkmale als vorhanden angenommen wurden, daß das jedem einzelnen der­ selben entsprechende thatsächliche Verhältniß als festgestellt angesehen werden müsse. Volle Beruhigung hierüber gewährt es daher nur, wenn mit den Worten, die das Gesetz gebraucht, gefragt wird: Die gesetzlichen Merkmale sind in der Frage mit den Worten zu bezeichnen, mit welchen sie das anzu­ wendende Strafgesetz bezeichnet. Hat das als Regel zu gelten, so werden Ausnahmen davon allerdings zugelassen werden müssen. Nur dürfen diese nicht die Richtung nehmen, welche einst für die durch die angeblich in der Natur des Ge­ schworenengerichtes liegende Einschränkung der Geschworenen auf Feststellung nackter Thatsachen vorgezeichnete angesehen wurde; der Versuch, die im Gesetz enthaltenen Ausdrücke durch Auflösung in nackte Thatsachen zu ersetzen, ist an sich unausführbar; er nöthigt einerseits das Gericht, der thatsächlichen Feststellung der Geschworenen vorzugreifen, von verschiedenen juristisch gleichwertigen Annahmen, zu denen sie ge­ langen können, alle bis auf eine auszuschließen und dadurch ungerechtfertigte Freisprechungen oder unübersehbare Vervielfältigungen alternativer Aufstellungen an­ zunehmen; er läßt andererseits immer noch einem Zweifel Raum, ob auch nur alles Thatsächliche feststehe, was zur Bejahung des Vorhandenseins des gesetzlichen Merk­ mals nöthig ist, und setzt daher der Gefahr aus, daß man die Theile wol in der Hand habe, dennoch aber das geistige Band fehle, so daß der Gerichtshof, indem er es hinzufügt, nicht blos juristische Folgerungen ziehen, sondern auch die thatsäch­ liche Feststellung unausgesprochen ergänzen würde. Zum System erhoben, enthält er die Ausschließung der Geschworenen von dem Gebiete, welches zwischen der Präzisirung der rechtlichen Begriffe und der nackten Erzählung des Herganges liegt, dem Gebiete, auf welchem sich die Vergleichung des letzteren mit der abstrakten Schilderung des Gesetzes (appröciation des faits) zu vollziehen hat und welches der Konkretirung des individuellen Vorganges wesentlich angehört. Darüber ist indeß jetzt für das Oesterreichische und Deutsche R. nicht mehr eingehend zu sprechen,

da die Frage durch gesetzliche Aussprüche erledigt ist. Vielmehr liegen die zulässigen Ausnahmen in der entgegengesetzten Richtung. In der großen Mehrzahl der Fälle steht nämlich die Unterordnung des konkreten Verhältnisses unter das gesetzliche Merkmal so ganz außer Zweifel, daß es Pedanterie wäre, ersteres nicht statt des letzteren in die Frage auszunehmen, wo andere, bei der Fassung der Frage einzu­ haltende Rücksichten dies angemessen erscheinen lassen. Es ist überflüssig, es als zweiselhaft anzusehen, daß der Getödtete re. ein Mensch war, daß die genothzüchtigte Anna B. ein Frauenzimmer war, daß die Sache, welche in der Frage als einer be­ stimmten, von dem Angeklagten verschiedenen Person gehörig bezeichnet wird, eine fremde sei, daß die gestohlene Taschenuhr eine Sache sei u. dgl. Gerade dann also, wenn über die Unterordnung des konkreten Umstandes unter das gesetzliche Merckmal kein Zweifel, insbesondere also auch kein von Seiten der Parteien an­ geregtes Bedenken, obwaltet, kann der gesetzliche Ausdruck durch die Angabe des kon­ kreten Verhältnisses in der Frage ersetzt werden. 2) Die Frage schließt sich nach Vorgesagtem zunächst der Begriffsbestim­ mung der strafbaren Handlung an, wie sie der sog. besondere Theil des Strafgesetzes enthält; dort sind aber nicht alle Momente des Thatbestandes vollständig beschrieben, es wird die Ergänzung durch allgemeine, für alle Delikte oder doch für ganze Gruppen derfelben aufgestellte Normen erwartet. Soll also der

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Ausspruch der Geschworenen einer Verurtheilung zu Grunde gelegt werden, so muß er auch darüber Beruhigung gewähren, daß jene allgemeinen Normen berücksichtigt sind, daß alle positiven und negativen Bedingungen, von denen die Deliktsqualität des im besonderen Theile beschriebenen Thatbestandes abhängt, erfüllt sind, oder vielmehr, daß von diesem Standpunkte aus sich kein Bedenken gegen die Annahme des fraglichen Deliktes ergeben hat. Dies wird durch die Ausnahme des Wortes: „schuldig" in die Frage ausgedrückt. Das Wort hat also eine spezifisch-juri­ stische, nicht eine blos ethische Bedeutung („schuldig vor dem Gesetz"); sein Mangel läßt zwischen der Feststellung der Geschworenen und dem Ausspruch des Schwur­ gerichtshofes eine Lücke, die nur durch eine lange Reihe von Fragen gefüllt werden könnte, deren Mehrzahl im gegebenen Falle gar nicht wesentlich in Betracht käme. Seine Einfügung macht es entbehrlich, aber nicht unzulässig, daß einzelne dieser Fragepunkte noch besonders hervorgehoben werden. 3) Neben diesem durch die Fassung des Strafgesetzes vorgezeichneten Inhalt muß die Frage aber auch einen solchen erhalten, welcher ausreicht, die Bejahung der Frage als die Feststellung eines individuellen Vorganges erkennen zu lassen. Es ist im Falle der Verurtheilung, wie der Freisprechung nöthig, daß das Urtheil keinen Zweifel darüber lasse, welcher Sachverhalt im gegebenen Prozesse der Beurtheilung unterzogen wurde; es muß möglich sein, aus dem Urtheil selbst Alles zu entnehmen, was zur Abwehr einer neuerlichen Verurtheilung oder Verfolgung wegen derselben That, zur Beurtheilung des etwaigen Widerspruches dieses Urtheiles mit der Entscheidung über andere Anklagen erforderlich ist; es muß, wenn gleich­ zeitig Anklagen wegen mehrerer gleichartiger Delikte erhoben werden, doch mit aller Sicherheit das Schicksal jeder einzelnen zu entnehmen sein; da wo unmittelbar oder mittelbar ein privatrechtlicher Anspruch auf den Ausspruch über die Schuld gebaut wird, muß letzterer auch die hierfür erforderlichen bestimmten Angaben bieten. Und mehr noch, als dies Alles — es würde das Gerechtigkeitsgefühl durch eine allge­ meine, in keiner Weise substantiirte Behauptung, die in ihrer abstrakten Fassung jede Möglichkeit einer Vertheidigung auszuschließen scheint, aufs Tiefste verletzt. Andere Gründe, um deren willen noch Anforderungen bezüglich der Jndividualisirung ge­ stellt werden können, werden weiter unten zu besprechen sein. Für diese Stelle genügt die Hinweisung auf das überall und unbestritten eintretende Bedürfniß der Jndividualisirung; diesem wird in der Regel — abgesehen von der natürlich immer unentbehrlichen Bezeichnung des Angeklagten — durch Angabe des Ortes, der Zeit, des Gegenstandes der That, der Verübungsart nicht nur vollauf entsprochen, sondern es werden bald diese, bald jene di eser Angab en auch fehlen, oder nicht mit voller Bestimmtheit angeführt fein können (beiläufige Angaben des Ortes, der Zeit, der Zahl der Gegenstände des Deliktes u. dgl.). Jeder dieser Umstände kann in einem gegebenen Falle für die Jndividualisirung entscheidend und daher unentbehrlich sein; von keinem läßt sich behaupten, daß er unter allen Verhältnissen angegeben sein müsse. Die ganze Aufgabe, um welche es sich hier handelt, ist daher auf das Treffendste durch die Worte des Deutschen Gesetzes ausgedrückt, daß die Frage „die dem Angeklagten zur Last gelegte That nach ihren gesetzlichen Merkmalen und unter Hervorhebung der zu ihrer Unterscheidung erforderlichen Umstände zu bezeichnen habe" (§ 293). In der Sache stimmt die Oesterr. StrafPO. (§ 318) ganz überein: „Hiebei sind alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die Frage aufzunehmen und die besonderen Umstände der That nach Ort, Zeit, Gegenstand re. so weit beizufügen, als dies zur deutlichen Bezeich­ nung der That oder für die Entscheidung über die Entschädigungsansprüche nothwendig ist." Schon hier muß übrigens bemerkt werden, daß der Ausspruch der Geschworenen berufen ist, einen Theil der richterlichen Entsch ei düng zu bilden, nicht aber die Entscheidungsgründe, also auch nicht die in die Entschei-

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dungsgründe des Urtheils eines Richterkollegiums aufzunehmende Erzählung des Herganges, zu ersetzen. IV. Der Wahrspruch vermittelt in Schwurgerichtsfällen die Erledigung einer bestimmten Anklage und hat sich hierauf zu beschränken. Die Geschworenen sind so wenig als die Richter berufen, ihrer individuellen Anschauung über jede beliebige Anschuldigung, die gegen eine bestimmte Person erhoben werden kann, Ausdruck zu geben; ihr Ausspruch ist ein richterlicher Spruch, der nur auf einer regelrechten Verhandlung beruhen kann und eine regelrechte Verhandlung im Sinne des modernen Strafprozesses setzt eine bestimmte Anklage, deren Umkreis auch den des Verhandlungsstoffes genau umschreibt, voraus. Und umgekehrt: in der Hauptverhandlung muß die ganze Anklage ihre definitive Erledigung finden, und diese kann in Schwurgerichtsfällen der Regel nach (s. V. unter 1) nur durch den Ausspruch der Geschworenen vermittelt werden. Pflicht der Geschworenen ist es, sich den hieraus erwachsenden Anforderungen unterzuordnen und Pflicht des Gerichtes ist es, innerhalb der Grenzen seiner Macht und Befugniß dafür zu sorgen, daß dies geschehe. Aber hier, wie überall, darf man nicht verlangen, daß der Wahrspruch selbst die Beobachtung dieser Seite der prozessualischen Vorschriften verbürge; sie muß durch prozeßgerechten Vorgang verbürgt, muß bei Auslegung des Wahrspruches vorausgesetzt werden, aber auch nach dieser Seite hin kann der Wahrspruch nicht die Entscheidungsgründe in sich aufnehmen. Für das Verhältniß d es Wahrspruch es zur Anklage gelten dieselben Grundsätze, welche für das Verhältniß zwischen letzterer und dem Urtheile in an­ deren Fällen gelten (f. die Art. Anklagebesserung; Urtheil); was wegen Mangels der erforderlichen Uebereinstimmung zwischen Anklage und Urtheil nicht Gegenstand des letzteren sein könnte, kann auch nicht Gegenstand einer an die Ge­ schworenen zu richtenden Frage sein. Die Gesichtspunkte, welche für die Regelung dieser schwierigsten und umfassendsten Frage des modernen Strafprozeßrechtes maß­ gebend sind, können daher hier nur angedeutet, werden. Bei der Forderung der Iden­ tität zwischen Anklage und Urtheil handelt es sich um die Wahrung des Anklage­ grundsatzes, um das prozessualische Recht des Trägers der Anklage und um das der

Vertheidigung. Der Anklagegrundsatz fordert, daß keine Anschuldigung Gegen­ stand des Urtheils werde, welche lediglich der eigenen Initiative des erkennenden

Gerichtes entstammt; wo er konsequent durchgeführt wird, verlangt er weiter, daß in dem Augenblick, wo die Fragen an die Geschworenen gerichtet werden, noch ein Ankläger als Träger dieser Anschuldigung vorhanden sei. Andererseits kann der Vertreter der Anklage jedenfalls verlangen, daß über die Behauptungen, die er aufgestellt hat, richterliche Entscheidung ergehe, und diesem Recht ist zum Mindesten dann nicht entsprochen, wenn ohne seine Zustimmung statt des der Anklage zu Grunde lie­ genden Sachverhaltes ein anderer der Entscheidung der Jury unterstellt wird. Der Angeklagte endlich hat das Recht auf einen Spruch, welcher ihn von der gegen ihn erhobenen Anklage definitiv reinigt; er hat aber auch ein Recht daraus, daß die wesentlich seinen Schutz und die Sicherung seiner Vertheidigung bezweckenden Ein­ richtungen (Voruntersuchung, richterliche Entscheidung über Versetzung in Anklage­ stand, Mittheilung der Anklageschrift) nicht willkürlich zu seinem Nachtheil um­ gangen werden. Allein so gewichtig alle diese Momente sind, so muß man anderer­ seits sich auch davor hüten, daß die prozessualen Formen, welche ja doch nur dem obersten Prozeßzweck zu dienen haben, gegen denselben sich kehren, widersinnige wie ungerechte Entscheidungen herbeiführen. Allzuscharse Betonung des Buchstabens der Anklage und allzustarre Einschränkung der Entscheidung auf eine so aufgesaßte Anklage muß zu Konsequenzen führen, welche die berechtigten Interessen beider Pro­ zeßparteien schädigen. Die Anklage wird hinfällig, weil sie in irgend einem unter­ geordneten Punkt sich nicht als haltbar erweist. Aber wenn diese Abweichung des behaupteten Sachverhalts vom erweisbaren ausreicht, um die Befreiung des Ange-

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klagten von dieser Anklage herbeizuführen, so reicht sie auch aus, um mit dem gleichen Grunde der Nichtidentität vexatorische Erneuerungen der Anklage zu recht­ fertigen. Bon diesen Gesichtspunkten aus werden nun die sich darbietenden Detailfragen zu erörtern sein: 1) Gegenstand der Frage ist dieselbe That, welche Gegenstand der Anklage (des die Hauptverhandlung eröffnenden Beschlusses) war. Die neueren Prozeßgesetze haben allerdings dafür gesorgt, daß die Anklageformel dieselbe knappe Fassung wie die Frage an die Geschworenen enthglte, so daß mancher Anlaß zu Zweifeln über geringfügigere Divergenzen schon dadurch vermieden werden wird. Allein einerseits wird diese gesetzliche Vorsorge sich oft als vergeblich erweisen; sehr häufig werden die Anklageformeln thatsächlich mehr Detail bringen, als das Gesetz vorschreibt. Andererseits enthält die Anklageschrift, welche nach O österreichisch em Recht die Grund­ lage der Verhandlung bildet, in der Begründung einen erzählenden Theil (s. d. Art. Eröffnung des Hauptverfahrens), und wenn der Eröffnungsbeschluß der Deutschen Strafprozeßordnung einen solchen nicht enthält, so stützt er sich doch prozessualisch auf eine in gleicher Weise ausgestattete Anklageschrift. Aber auch abgesehen davon, werden die zum Zweck der nothwendigen Jndividualisirung in die Anklageformel aufgenommenen Angaben in der Hauptverhandlung oft ins Schwanken gerathen, sei es, daß dieselben in einer keinem Zweifel Raum gebenden Weise als irrig erkannt werden, sei es, daß ihre Richtigkeit wenigstens zweifelhaft wird. Wird nun durch diese Variationen (wie sie im Englischen Recht sehr bezeichnend genannt werden) kein juristisch relevantes Moment in Frage gestellt, so kommt es dann weiter darauf an, ob bona fide die Identität des Gegenstandes der Anklage und der nun in Frage stehenden Entscheidung behauptet werden kann. Ist dies der Fall, so kann unmöglich gesagt werden, es habe der Angeklagte ein Recht auf Freisprechung, weil z. B. das entwendete Taschentuch nicht blau war, wie die Anklage behauptete, son­ dern weiß, weil die entwendete Note nicht von der Bank A, sondern von der Bank B ausgestellt war, weil der Räuber nicht, wie es ursprünglich hieß, einen Revolver, sondern eine Pistole oder einen Dolch dem Angegriffenen hingehalten hat. In allen solchen Fällen kann es nur noch darauf ankommen, daß so wie einerseits solche Schwankungen zur Anfechtung der Verläßlichkeit der Beweise, auf welchen die An­ klage ruht, benutzt werden können, ebenso andererseits dieselben den ursprünglichen Vertheidigungsplan durchkreuzen und nach beiden Seiten hin gerechten Anspruch auf Vertagung geben können. Kommt aber dies nicht in Betracht, so ist solchen Schwankungen kein Einfluß einzuräumen; auch wenn es sich um viel wichtigere, aber kein Thatbestandsmoment in Frage stellende Details handelt, wie z. B. die Art der Verübung der strafbaren Handlung, die Individualität des Gegenstandes, die Person der Beschädigten. Auch solche Details können sich durch das Ergebniß der Hauptverhandlung ändern, ohne daß das Wesen der Sache sich ändert. Es kommt bei Anklagen über Tödtungen sehr häufig vor, daß die Hauptverhandlung die Vermuthungen über die Art der Verübung entweder ganz Lügen straft oder zwei Verübungsarten in dem Verhältniß zu einander er­ scheinen läßt, daß es zwar nicht zweifelhaft bleibt, daß eine derselben stattgefunden haben müsse, aber sehr zweifelhaft, welche von beiden für erwiesen anzunehmen sei. Es kann bei Anklagen wegen Betruges oder Fälschung sich als zweifelhaft erweisen, ob der aus der That entstehende Schade die ursprünglich als beschädigt bezeichnete Person oder eine andere trifft u. dgl. m. In solchen Fällen — immer voraus­ gesetzt, daß bona fide dieselbe That Gegenstand der Anklage und F. ist — wird es bei einfacheren Fällen und bei unbestrittenen thatsächlichen Verhältnissen auch unbedenklich sein, die Frage abweichend von der Anklage gemäß dem Ergebniß der Hauptverhandlung einzurichten. Wo dies nicht der Fall ist, ist der nächstbeste Vor­ gang die Wahl eines Ausdruckes, welcher den unsicheren Punkt umgeht oder die

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einander bekämpfenden Versionen in sich vereinigt; dies kann natürlich nur geschehen, wenn dadurch nicht Zweifel über die Existenz eines juristisch relevanten Momentes erregt werden und eben darin liegt auch die entscheidende Probe für die Zulässigkeit des Vorganges: sobald bei Auslassung der Details etwas fehlt, was die Frage enthalten muß, sobald die Wahl eures umfassenderen Ausdruckes die Möglichkeit hervorruft, daß die Geschworenen, indem sie sich ihn aneignen, von zwei in juristischer Hinsicht einander nicht gleichstehenden Umständen ebensowol den einen als den anderen bejahen, — d. h. es zweifelhaft lassen, welchen von beiden sie als vorhanden ansahen, — wird die F. inkorrekt. Manchmal gestattet die Natur der zu lösenden Aufgabe die Betretung dieses Weges nicht, und hier tritt eigentlich die Schwierigkeit hervor, die in dieser Hinsicht dem Schwurgerichtsverfahren eigenthüm­ lich ist. Wenn ein anderes Richterkollegium sich über das von der Anklage ab­ weichende Ergebniß der Hauptverhandlung auszusprechen hat, so thut es dies erst, nachdem es sich über dasselbe eine bestimmte Meinung gebildet hat, und konstatirt nur das, was die Mehrheit als feststehend ansieht; im Schwurgerichtsverfahren müssen aber die verschiedenen möglichen Auffassungen vorhergesehen und muß eine Fassung des Ausspruchs der Geschworenen vorbereitet werden, welche es für jeden der denkbaren Fälle ihnen ermöglicht, ihrer wahren Meinung Ausdruck zu geben. Darum können Fragen, welche alternativ verschiedene juristisch gleichberechtigte Möglichkeiten so nebeneinander stellen, daß die Frage jeder bejahen kann, welcher eine dieser Möglichkeiten annimmt, nicht vermieden werden. Man kann solchen Fragen nicht den Vorwurf machen, daß sie einen unklaren Ausspruch hervorrufen, sobald man nur daran festhält, daß der Wahrspruch nur den Spruch, nicht die Motivirung bieten^ die Frage die Abstimmung über den Spruch, nicht die über Gründe herbeiführen soll. Man kann auch gegen eine solche Fassung nicht einwenden, es könne darauf nicht mit Ja! oder Nein! geantwortet werden; denn die gestellte Alternative als solche ist es ja eben, die bejaht oder verneint wird; ob diese eine ausreichende Grundlage für das Urtheil bildet, ist eine andere Frage, deren Beant­ wortung von der juristischen Natur der beiden Glieder der Alternative abhängt. — Manchmal wird in der Praxis ein anderer Weg eingeschlagen: statt einer alter­ nativ gefaßten Frage werden zwei Alternativsragen gestellt; es ist dies ein Weg, der sehr mißlich ist, weil er dahin führen kann, daß keine der beiden Alter­ nativen die nöthige Majorität erlangt und daß eine Freisprechung erfolgt, obgleich jeder Geschworene seine Stimme für die eine oder die andere abgiebt; z. B. wenn bei einer Frage wegen Beleidigung nach § 186 des Deutschen StrafGB. etwa für jede der Varianten: „welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Mei­ nung herabzusetzen geeignet ist", sechs Geschworene sich aussprechen. Wenn irgend möglich, sollte daher dieser Weg vermieden werden. Immer wird es nicht möglich sein, weil es nöthig sein kann, auf jede der verschiedenen Versionen noch andere Fragen zu stützen. Wenn der Ankläger seine Anklage vertritt und nicht das Organ eines fremden Willens ist, wird er es oft nützlich finden, diese Nothwendigkeit durch Fallenlassen des ursprünglichen Tenors der Anklage zu beseitigen. 2) Abweichungen von d er juristischen Bezeichnung, welche die den Gegenstand der Anklage bildende That in dem der Verhandlung zu Grunde liegenden Schriftstück erhielt, können darauf beruhen, daß die juristische Beurtheilung der nackten Thatsache eine andere wird, oder daß Schwankungen bezüglich des anzunehmenden Sachverhaltes (im Uebrigen von derselben Art, wie sie unter 1 besprochen sind, welche aber eine Aenderung der juristischen Beurtheilung nach sich ziehen) sich bemerkbar machen, oder endlich daß Beides zugleich in Frage steht. Da die Anklageformel der Hauptsache nach nicht konkret gefaßt, sondern in die Worte des Gesetzes gekleidet ist, werden sich die beiden eben unterschiedenen Fälle nicht immer deutlich von einander abheben. Für

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Fälle, wo ein Richterkollegium allein entscheidet, sind daher in der Deutschen und Oesterreichischen Strafprozeßordnung nur prozessualische Vorkehrungen zur Wahrung vollständiger Vertheidigung des Angeklagten getroffen. Dem Gericht, welches ja in einem Zuge die thatsächliche Feststellung und die juristische Beurthei­ lung vollzieht, ist aber nach Leiden Seiten hin, volle Freiheit gewährt, so weit nur die dem Urtheil zu Grunde liegende That dieselbe ist, welche Gegenstand der An­ klage war (Oesterr. StrasPO. § 262; Deutsche StrasPO. §§ 263, 264). Die Abwei­ chung von der Anklage und der neue positive Ausspruch, die Wahl zwischen den verschiedenen möglichen thatsächlichen Annahmen und den verschiedenen möglichen juristischen Beurtheilungen fallen hier in Eins zusammen. Anders im Schwurge­ richtsverfahren. Der Gerichtshof kann nicht vorher wissen, und darf nicht als aus­ gemacht ansehen, welche der als möglich erscheinenden thatsächlichen Annahmen die Geschworenen sich aneignen werden; er kann ferner das Recht der Geschworenen nicht beeinträchtigen, durch ihren Spruch die Unterordnung der von ihnen als wahr an­ genommenen Thatsachen unter die gesetzlichen Ausdrücke, die Würdigung der ersteren von dem durch die gesetzlichen Merkmale vorgezeichneten Standpunkte selbst zu voll­ ziehen. Da hier von einer alternativen Feststellung abgesehen werden muß, weil juristisch ungleichwerthige alternative Annahmen nicht unter eine höhere Einheit zu bringen sind, so muß jede der denkbaren Auffassungen der Geschworenen nach Mög­ lichkeit vorhergesehen, die einer jeden derselben entsprechende Fassung zum Gegenstand einer besonderen Frage gemacht und müssen diese verschiedenen Fassungen in geeig­ neter Weise (wovon unten) den Geschworenen zur Auswahl vorgelegt werden. Indem der Gerichtshof eine solche Formulirung normirt, muß er ein Doppeltes vor Augen haben: einen konkreten Sachverhalt, den aus Grund der vorliegen­ den Anklage die Geschworenen als erwiesen ansehen können und eine juristische Formel, unter welche solcher Sachverhalt ohne Verletzung oder unrichtige Anwen­ dung des Gesetzes gebracht werden kann. In England steht die Frage einfacher; dort kann die Jury ein „Schuldig" nur da aussprechen, wo bezüglich eines unter den Deliktsbegriff fallenden Sachverhaltes ihr ein Beweis vorgeführt wurde, der den allgemeinen Anforderungen so weit entspricht, daß das Gericht ihn nicht von sich aus als unzureichend erklären muß, sondern seine Würdigung der Jury anheimzu­ stellen hat (evidence to be lest to the jury). Auf dem Kontinent steht dagegen der Jury schon die Würdigung der blos angeregten Möglichkeit einer Thatsache frei; aber auch auf dem Kontinent wird derjenige, der eine solche Möglichkeit anregt, dieselbe deutlich genug beschreiben müssen, daß das Gericht zu beurtheilen vermag, ob die als möglich hingestellten oder behaupteten Umstände solche sind, „nach wel­ chen eine von dem Beschlusse über die Eröffnung des Hauptverfahrens abweichende Beurtheilung der dem Angeklagten zur Last gelegten That in Betracht" kommen kann (Deutsche StrasPO. § 294) oder ob die behaupteten Thatsachen solcher Art sind, „vermöge welcher ... die dem Angeklagten zur Last gelegte That unter ein anderes Strafgesetz fiele ... als das in der Anklageschrift angeführte" (Oesterr. StrasPO. § 320). Aus dem Vorstehenden ergiebt sich nach meiner Auffassung (später wird noch auf die abweichenden Ansichten hinzuweisen sein), daß die Fassung einer jeden solchen Frage einen bedingten Ausspruch des Gerichtes enthält, vermöge dessen er den als möglich hingestellten Sachverhalt als unter einen bestimmten Deliktsbegriff fallend anerkennt, und daß er daher nur, wo er letzteres vermag, eine solche Frage zu stellen in der Lage ist, sonst aber sie „aus Rechtsgründen" (§ 296 der Deutschen StrasPO.) verweigern muß. — Die Oesterr. StrasPO. zieht hier noch eine weitere Schranke für den Fall, daß der geänderte Gesichtspunkt die That unter ein strengeres Strafgesetz bringt als die ursprüngliche Anklage (§ 320, Abs. 2). Das D eutsch e Gesetz enthält die gleiche Beschränkung schon in dem für das nicht­ schwurgerichtliche Bewahren geltenden § 264; da nun für das schwurgerichtliche

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Verfahren eine Regel im § 294 aufgestellt ist, welche diese Beschränkung nicht kennt, vielmehr ganz kategorisch lautet, so wäre mit Rücksicht auf § 276 anzunehmen, daß hier in Schwurgerichtssachen „ein Anderes" angeordnet sei; und dafür könnte möglicherweise sprechen, daß die Vereitelung von Schwurgerichtsverhandlungen durch den bloßen Willen des Angeklagten doch noch mißlicher ist, als die einer andern Hauptverhandlung und daß bei jenen dem Angeklagten immer ein Vertheidiger zur Seite steht. Allein andererseits ist der Spezialfall eines schwerere Strafe her­ beiführenden Umstandes im § 294 nicht ausdrücklich behandelt und ist aus den Motiven der Regierungsvorlage vielmehr zu ersehen, daß die allgemeinen Grund­ sätze der §§ 263 und 264 auch hier gelten sollen. Sehr schwierig und wenig erörtert ist die Frage, ob es zulässig sei, statt die blos als möglich ins Auge gefaßte Gestaltung neben der ursprünglich in der An­ klage behaupteten, den Geschworenen zur Auswahl darzubieten, die letztere ganz fallen zu laffen und nur nach ersterer zu fragen. Bei völliger Uebereinstimmung des Ge­ richtes, der Parteien und der Geschworenen (sofern nämlich letztere nicht ausdrücklich eine der ursprünglichen Anklage entsprechende Frage verlangen), scheint mir dies unzweifelhaft, und zwar auch für die Deutsche StrafPO.; denn ist nach dieser der Staatsanwalt allerdings nicht selbständiger Träger der Anklage, so ist er doch zu pflichtmäßiger Vertretung derselben nach bestem Wissen und Gewissen berufen und die Konsequenzen der Erhebung der Anklage durch Gerichtsbeschluß wahrt ja in der Hauptverhandlung das Gericht selbst. Erfolgt eine Einigung nicht, so darf die Stellung einer Frage nach der Anklage allerdings nicht unterbleiben, und seiner von der der letzteren zu Grunde liegenden abweichenden Rechtsansicht wird das Ge­ richt zunächst nur in der durch den Vorsitzenden den Geschworenen zu ertheilenden Rechtsbelehrung Ausdruck geben. Meines Erachtens kann es ihm auch nicht ver­ wehrt werden, für eine solche Fixirung der konkreten Umstände zu sorgen, welche es ihm ermöglicht, auch auf Grund des bejahenden Wahrfpruches, das Vorhandensein des Thatbestandes der strafbaren Handlung, unter welche nach der Anklage die That fallen soll, zu verneinen. Eine dem art. 364 des C. d'Instr. crim. entsprechende Bestim­ mung, welche in den art. 515 der Jtal. StrafPO. und alle Nachbildungen des Französischen Rechtes überging und dahin lautet, daß der Angeklagte vom Gerichts­ hof freizusprechen sei, wenn dieser der Ansicht ist, daß die That, welche der Ange­ klagte nach dem Ausspruche der Geschworenen begangen hat, von dem Gesetze nicht mit Strafe bedroht sei, fehlt allerdings in der Deutschen StrafPO.; allein es kann, zumal bei Zulassung theilweiser Verneinung der Hauptfrage, doch nicht die Absicht gewesen fein, dem Schwurgerichtshof diese Befugniß zu nehmen. (Vgl. übri­ gens H. Meyer in v. Holtzendorfffs Handbuch II. 212, 213). 3) Von dem bisher behandelten Falle, wo der durch die F. herbeizuführende Ausspruch über den Gegenstand der Anklage von der Anklageformel abweicht, unter­ scheidet sich sehr wesentlich der andere Fall, wo den Geschworenen ein weiterer Aus­ spruch über einen anderen Gegenstand abgefordert wird, ein Ausspruch also, der an die Seite jener ersten That, diese mag nun bejaht oder verneint, durch Berurtheilung oder Freisprechung abgethan werden, eine zweite stellt — wo nicht den Geschworenen die Möglichkeit geboten werden soll, auszusprechen, daß die in der Anklageformel erwähnte That sich anders zugetragen habe, eine andere sei, als dort angegeben, sondern wo sie noch eine andere That feststellen sollen. Die Sonderung der beiden Fälle ist nicht immer so leicht, als sie scheint. Es kann z. B. vorkom­ men, daß die ursprüngliche Anklage gespalten wird, indem das ihren Gegenstand bildende zusammengesetzte Delikt in mehrere getheilt wird, — oder es kann ein in den Sachverhalt der ursprünglichen Anklage fallender Thatumstand, mit an­ deren kombinirt, den Stoff zu einer neben der nicht völlig erledigten ersten Anklage stehenden Anschuldigung bieten, — es kann die ursprüngliche Anklage auf ein fort­ gesetztes Verbrechen gerichtet sein und ein neues Element in der Hauptver-

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Handlung hinzutreten und umgekehrt, es kann ein neues Faktum neben das ur­ sprüngliche gestellt, letzteres unter den Gesichtspunkt eines auch jenes umfassenden Kollektivdelikts bringen. Auf diese, übrigens dem Schwurgerichtsverfahren nicht eigenthümlichen Fragen kann hier nicht näher eingegangen werden. Der zu ihrer Lösung festzuhaltende Grundsatz bleibt aber: Alles, was nöthig ist, um den durch die Anklage der richterlichen Entscheidung deferirten Stoff in faktischer und rechtlicher Hinsicht richtig zu beurtheilen, das fällt in den Kreis der ursprünglichen Anklage. Ob aber darüber hin­ weggegangen werden darf, — die Frage nach der Zulässigkeit dieses Vorganges, welcher bewußt einen mit der ursprünglichen Anklage nicht zusammenhängenden Ge­ genstand hereinzieht, — richtet sich nach den für die Ausdehnung der Hauptver­ handlung auf neue Gegenstände auch außer dem Schwurgerichtsverfahren geltenden Normen. Für letzteres kommt nur noch in Betracht einerseits, daß das Schwur­ gericht als Strafgericht höchster Ordnung in der Regel (Ausnahmen bei Kompetenz des Reichsgerichtes nach der Deutschen StrafPO.) nicht aus Gründen sachlicher Nichtzuständigkeit auf die sofortige Aburtheilung zu verzichten braucht, andererseits, daß der Angeklagte ein Recht darauf hat, daß ihm die besonders sorgfältige Vor­ bereitung, welche das Gesetz in Schwurgerichtsfällen für nöthig erachtet, nicht ver­ kümmert werde. Es kommt aber ferner das materielle Recht in Betracht, welches es vielfach als Vortheilhafter erscheinen läßt, alle vorliegenden Delikte desselben An­ geklagten gleichzeitig zur Aburtheilung zu bringen. Diesen verschiedenen Gesichts­ punkten haben der § 265 der Deutschen und der § 263 der O österreichi­ schen StrafPO. bezüglich der nicht-schwurgerichtlichen Verhandlungen Rechnung zu tragen gesucht. Ersterer macht die sofortige Aburtheilung von der Uebereinstimmung des Gerichtes, der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten abhängig, letzterer sucht sachliche Normen aufzustellen (s. darüber die ausführlichen Motive der Regierungs­ vorlage E. I, 8 — bei Kaserer S. 71 ff.). Daran schließen sich die für das Schwurgerichtsverfahren geltenden Bestimmungen des § 321 'der Oesterr. StrafPO.: „Die Stellung solcher Fragen unterbleibt, wenn sich eine bessere Vorbereitung der Anklage oder Vertheidigung als nothwendig darstellt, oder wenn der Angeklagte im Falle der Bejahung derselben unter ein Strafgesetz fiele, welches strenger ist, als das in der Anklageschrift angeführte und er seine Zustimmung zur sofortigen Entscheidung versagt." Maßgebend war hier namentlich, daß vermöge der Regelung der Bestrafung konkurrirender Delikte, welche das Oesterreichische Recht aufstellt, das neuhinzukom­ mende Delikt, wenn es nicht mit schwererer Strafe bedroht ist, als das erste, neben diesem nur die Bedeutung eines Straserhöhungsgrundes hat. Die Deutsche StrafPO. spricht sich über die Zulässigkeit solcher Fragen an die Geschworenen nicht aus; eine Bestimmung wesentlich gleichen Inhaltes, wie die des § 265, war bei der ersten Berathung, allerdings nicht blos für Schwurgerichtssachen, allein gerade bei der Berathung über letztere beantragt und abgelehnt worden; man sah und sieht darin eine Verleugnung des Anklagegrundsatzes, was meines Erachtens unter der Voraussetzung nicht richtig ist, daß man nicht in dem die Eröffnung des Haupt­ verfahrens beschließenden Gericht das alleinige Organ der Anklage sieht; sonst ist der Anklagegrundsatz durch die Forderung eines Antrages der Staatsanwaltschaft wol hinlänglich gewahrt. Als nun später § 265 dennoch Aufnahme fand, hat man offenbar übersehen, die Einfügung einer Spezialbestimmung für die F., wie sie das System der Deutschen StrafPO. zu fordern scheint, in Erwägung zu ziehen. Aus dem bloßen Schweigen der StrafPO. ist daher nicht zu folgern, wie dies Voitus thut, daß hier der Vorgang ausgeschlossen werden sollte; vielmehr ergiebt sich aus § 276, daß § 265, weil über den Gegenstand in dem das Schwurgericht be­ treffenden Abschnitt nichts Anderes angeordnet ist, auch im schwurgerichtlichen Verfahren Anwendung finden soll; eben darum gilt aber das im § 265 enthaltene unbedingte Verbot der Ausdehnung seiner Bestimmung auf den Fall, wo

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die neue That „als ein Verbrechen sich darstellt", auch für Schwurgerichts­ sachen. V. Neben der reinen Schuldfrage, welche bisher allein der Gegenstand der Erörterungen war, können noch mannigfache andere Gegenstände in den Bereich der F. an die Geschworenen zu ziehen sein. 1) Es ist oben dargestellt worden, daß die Frage sich in der Regel an den Wortlaut der Beschreibung des Deliktes im besonderen Theile des Strafgesetzes an­ schließt und daß der Gesammtkomplex der etwa in diesem Falle mit Rücksicht aus die allgemeinen Lehren des Strafrechts und namentlich in Bezug auf das Willens­ moment zu lösenden Fragen seinen Ausdruck in den Worten: „Ist der Angeklagte schuldig? . . ." findet. Es ist nur von großer Wichtigkeit, einerseits festzustellen, wie weit die Grenzen der in dieser Hinsicht den Geschworenen zustehenden Judikatur sich erstrecken und andererseits wie weit bezüglich solcher Fragen, von welchen an­ zunehmen ist, daß sie durch Bejahung oder Verneinung des Wortes „Schuldig" ihre Erledigung finden können, es gefordert oder doch zugelassen werden kann, daß sie den Geschworenen durch ausdrückliche Hervorhebung speziell zur Ent­ scheidung gestellt werden. Viele der Behauptungen oder Möglichkeiten, welche zum Zweck der Entlastung des Angeklagten in Betracht gezogen werden müssen, sind die unmittelbare Verneinung von positiven Voraussetzungen der Verurtheilung; soweit letztere in der Frage ausdrücklich hervorgehoben sind, entspricht die positive Fassung wol auch dem Zweck am besten; aber auch bezüglich solcher Momente, welche zweifellos in der allgemeinen Schuldfrage enthalten sind, also namentlich der Willensrichtung, genügt es in der Regel allen Ansprüchen, daß die Geschworenen über die spezifische Bedeutung des „Schuldig" in diesem Falle nicht in Zweifel gelassen werden. Dies gilt also insbesondere von der Behauptung solcher Zustände, welche es unmöglich machen, daß der Angeklagte bei Verübung der That die 511111 Thatbestand erforder­ liche Willensrichtung hatte; der Umstand, daß die Verneinung der letzteren, statt direkt zum Beweisthema gemacht zu werden, aus der Behauptung eines über die Zeitdauer und den Bereich der That hinausreichenden Zustandes (z. B. Berauschung) abgeleitet wird, hat so wenig einen ändernden Einfluß, als wenn die Verneinung der Thäterschaft auf einen Alibi-Beweis gestützt wird. Prinzipiell ist es daher das Richtige, Umstände dieser Art gar nicht ausdrücklich zur Frage zu stellen; allein das natür­ liche Streben der Vertheidigung, eine sorgfältige Erwägung solcher Umstände bei den Geschworenen zu sichern, wol auch die Annahme, daß in zweifelhaften Fällen die Geschworenen leichter zur speziellen Bejahung eines solchen Zustandes als zur Ver­ neinung der Schuld des Angeklagten überhaupt zu bestimmen sein werden, hat ein fortwährendes Hinarbeiten der Vertheidiger auf solche Hervorhebungen hervorgerufen, wenngleich auch für die Vertheidigung aus denselben manche Nachtheile hervorgehen können. (Wird die Schuldfrage streng einheitlich gehalten, so gehen von der zur Verurtheilung erforderlichen Mehrheit alle Stimmen ab, welche ein Moment des Thatbestandes verneinen; die Sonderung kann dagegen die dem Angeklagten günstigen Stimmen theilen und getheilt in die Minderheit bringen; unter gewissen Verhält­ nissen geht auch der Vortheil einer erforderlichen größeren Majorität verloren.) Die Franz. Praxis wich nun vor dieser Tendenz langsam zurück, welche namentlich dadurch verstärkt wurde, daß den Thatsachen, welche bisher hier besprochen wurden, zum Theil in Folge irriger Auffassung ihrer materiell-rechtlichen Natur, andere gleich­ gestellt wurden, welche in der That einen anderen Charakter haben, welche neben der Bejahung des vollen, zum Delikt erforderten Willens- und Thatmomentes be­ stehen und demnach bewirken, daß die That vom Anbeginn an nicht strafbar war, weil sie einen selbständigen (eigentlichen) Strafausschließungsgrund begründen; man hat so z. B. Zwang, Bewußtlosigkeit, Thatirrthum und ähnliche Zustände, welche den Vorsatz und also die Schuld ausschließen, dem Nothstand oder der Nothwehr gleichgestellt und hat sie mit eigentlichen Strafaufhebungs-

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und selbst mit Strafminderungsgründen zusammen entweder geradezu unter den Gesichtspunkt der faits d’excuse gebracht oder sie diesen doch prozessualisch gleichgestellt. Bezüglich der faits d’excuse aber hat art. 339 des Code d’Instr. durch das Gesetz v. 28. April 1832 eine Fassung erhalten, welche es dem Gericht, bei Nichtigkeit, zur Pflicht macht, einen Ausspruch der Geschworenen herbeizuführen: „lorsque l’accusö aura proposä pour excuse un fait admis commetel par la loi'. Während man ursprünglich von dem richtigen Satz ausging, daß Thatsachen, welche die verbrecherische Absicht ausschließen (faits justificatifs, qui excluent l’imputabilitö pönale et effacent 1’Intention criminelle, wie sich Hölie ausdrückt), nur durch Ver­ neinung der Schuldftage zu erledigen sind, konnte man eben wegen der Ausdehnung dieses Gesichtspunktes auf Verhältnisse ganz anderer Art (Nothwehr), auf welche er gar nicht paßt, den Standpunkt auf die Länge nicht festhalten, und es entsteht daraus für das Franz. R. eine ziemlich verworrene Situation. Man entschloß sich daher diesseit des Rheines bei Uebertragung der Französischen Einrichtungen vielfach dazu, der angedeuteten Strömung auf der ganzen Linie nachzugeben. Namentlich war dies auch bei Anwendung der Oesterr. StrafPO. v. 1850 der Fall, obgleich das Gesetz nur von einem „Zustand oder einer Thatsache" sprach, welche die Strafbarkeit völlig aufheben würden. Die StrafPO. v. 1873 schloß sich diesem Gange der Dinge an, ohne daß unterlassen wurde, in den Motiven und'bei der Berathung auch die Kehrseite hervorzuheben, insbesondere die Modifikation der Abstimmungs­ verhältnisse, welche durch die technische Umwandlung der Negation eines Thatbestands­ momentes in eine selbständige Exception hervorgerufen werden und den mindestens scheinbaren Widerspruch zwischen der Bejahung der Frage nach dem „Schuldig" und der daneben stehenden Verneinung der wesentlichen Voraussetzung der Schuld (Regier.-Mot. E. II. c), bei Kaserer S. 77; Mayer, Handbuch I. S. 852, 853). Das Gesetz (§ 319) lautet jetzt: „Ist behauptet worden, daß ein Zustand vorhanden gewesen oder eine Thatsache eingetreten sei, welche die Strafbarkeit ausfchließen oder ausheben würden, so ist. . . eine dieser Behauptung ent­ sprechende Frage zu stellen." Es ergiebt sich hieraus, daß unter Strafausschließungs­ gründen hier alle Umstände zu verstehen sind, welche verhindern, daß die Straf­ barkeit entstehe, feien es nun solche, welche den subjektiven oder objektiven Thatbestand ausschließen oder welche die alle subjektiven und objektiven Thatbestandsmomente vereinigende Handlung der Unterordnung unter das Strafgesetz entziehen (Nothwehr, Nothstand, Erfüllung einer Pflicht, Immunität u. s. w.). Es wird also auch die mitunter streitige Abgrenzung beider Arten von Fällen für diesen Zweck nicht nöthig sein. Noch weniger Bedeutung hat für diesen Zweck die Sonderung der Gründe, welche die Strafbarkeit „aufheben", von denjenigen, welche sie ausschließen, eine Sonderung, welche bezüglich der Ausschließung der Verfolgung aus prozessualischen Gründen Schwierigkeiten machen würde. Diese letzteren Gründe, also insbesondere Mangel der erforderlichen Anklage und res judicata, sind durch positiven Aus­ spruch des Gesetzes (§ 319 in Verbind, mit § 317) dem Gerichtshof allein Vor­ behalten und das Gleiche gilt von der Verjährung. Es sind die hierauf bezüg­ lichen Anträge vor der Feststellung der Fragen an die Geschworenen vorzubringen, und wenn der Gerichtshof einen solchen Grund als vorhanden erkennt, fällt er ein fteisprechendes Urtheil und die F. an die Geschworenen entfällt; im entgegengesetzten Falle ist diese Frage als endgültig entschieden anzusehen und kann nicht vor die Geschworenen gebracht werden. Bei der Berathung der Deutschen StrafPO. ward im Entwurf nur von Umständen gesprochen, „welche die Straf­ barkeit ausschließen" (nicht auch von Aufhebungsgründen). Nach lebhaftem Kampfe, welcher sich bis in die Plenarberathung fortsetzte, ward die Erwähnung der Ausschließungsgründe beseitigt, dagegen andererseits vorgeschrieben (§ 295 Absatz 2), daß die Frage auch auf solche vom Strafgesetze besonders vorgesehene Umstände gerichtet werden kann, durch welche die Strafbarkeit wieder aufgehob en

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wird. Maßgebend für ersteren Beschluß, bei welchem man beide oben erwähnte Arten von Strafausschließungsgründen (Ausschließung der Schuld und der Strafbarkeit), ganz besonders die Nothwehr, vor Augen hatte, war das Prinzip der Unteilbarkeit der Schuldfrage und die Schwierigkeit und Gefahr gesonderter Abstimmung. Von der Regel ist eine Ausnahme bezüglich der mangelnden Einsicht bei Personen, welche taubstumm sind oder das achtzehnte Lebensjahr noch nicht zurück­ gelegt haben, gemacht (§ 298). Was andererseits die Strafaufhebungsgründe betrifft, so ist im § 262 ausgesprochen: „Die Schuldstage begreift nicht die Voraussetzungen der Verjährung", und daraus wird gefolgert, daß da die Geschworenen nur die Schuldstage zu erledigen haben, die Verjährungsfrage ihnen entzogen sei und zwar wie (unter dieser Voraussetzung mit Recht) hinzugefügt wird, in der Weise, daß auch die Feststellung des rein Thatsächlichen (der Zeitpunkte) ausschließlich Sache des Gerichtes ist. Die Möglichkeit von dabei sich ergebenden Kollisionen zwischen dem Ausspruche der Geschworenen und dem des Gerichtes, welches nach der Deutschen StrafPO. nicht ermächtigt scheint durch seinen Ausspruch über die Verjährung die Verhandlung abzuschneiden und daher denselben erst nach dem Wahrspruch der Geschworenen fällen kann, ist von Löwe (bei § 293 Nr. 2 b) erörtert. — Was von der Verjährung aus § 262 der StrafPO. gefolgert wird, dehnt Keller aus auf die Amnestie und auf die Fragen, welche die rechtliche Zulässigkeit der Verfolgung betreffen (Mangel des erforderlichen Antrages, frühere rechtskräftige Aburtheilung). 2) Ein anderweitiger Stoff, welcher in den Fragen an die Geschworenen zur Erledigung kommen muß, betrifft Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen und vermindern. Die Geschworenen müssen alles feststellen, was für die Anwen­ dung eines bestimmten Straffatzes entscheidend ist. Die Ausschließung dieses Stoffes von der Beurtheilung der Geschworenen ist schon deshalb nicht möglich, weil die Strafgesetzbücher nicht immer so abgefaßt sind, daß zwischen Umständen, welche bewirken, daß eine Handlung unter den Begriff eines schwereren Deliktes fallend, und denen, welche bewirken, daß sie als eine schwerer zu ahndende Abstufung desselben Deliktes erscheint, immer streng unterschieden würde. Doch ist dies eher von Ein­ fluß auf die Vertheilung des Stoffes unter verschiedene Fragen, als auf die Begrenzung dieses Stoffes selbst; hier genügt es also daran fest­ zuhalten, daß jeder Umstand, von welchem das Gesetz wenn auch nicht den Delikts­ begriff, so doch einen bestimmten Strafsatz abhängig macht, sei dies nun ein strengerer oder milderer, Gegenstand der F. an die Geschworenen ist; also „wenn das Vorhanden­ sein eines solchen Umstandes nach dem Gesetze eine Aenderung des Straffatzes oder der Strafart begründet", wie es im § 322 der O esterr. StrafPO. heißt; wie sich § 295 der D euts ch en StrafPO. ausdrückt, sind dies „solche vom Strafgesetze besonders hervor­ gehobenen Umstände, welche die Strafbarkeit vermindern oder erhöhen". Aus § 262 der Deutschen StrafPO., welcher den Rückfall so wie die Verjährung von der Schuldfrage ausschließt, wird gefolgert, daß die Feststellung des Rückfalles den Geschworenen nicht zukomme. Während in Oesterreich die Voraussetzungen der außerordentlichen Straf­ milderung durch die Fassung des § 322 der StrafPO. von der F. an die Geschworenen ausgeschlossen sind, müssen diese nach § 297 der Deutschen StrafPO. nach dem Vor­ handensein sogen, „mildernder Umständen" auf Verlangen gefragt werden. Es ist hier die Analogie mit der Frage nach straf erhöhend en Umständen nur eine schein­ bare, denn durch jene Frage werden die Geschworenen gar nicht aufgefordert, „Umstände" festzustellen, vielmehr ein Urtheil über die relative Schwere des vorliegenden Falles im Vergleich mit dem des Normalfalles, den der Gesetzgeber bei Feststellung der ordentlichen Strafe vor Augen hatte, auszusprechen. — Die Fassung der Fragen be­ züglich solcher Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen oder vermindern, richtet sich ganz nach den für die Schuldfrage aufgestellten Grundsätzen; das gesetzliche Merk­ mal ist das Entscheidende, das Maß der Jndividualisirung richtet sich nach dem Bedürfniß des Falles. Sowie aber schon bei der eigentlichen Schuldfrage das gesetzliche

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Merkmal, wo die Unterordnung der konkreten Falles keinem Zweifel unterliegt, durch die konkreten Thatsachen ersetzt werden kann, so gilt dies auch bezüglich der die Strasbarkeit erhöhenden und vermindernden Umstände. Wenn z. B. das Gesetz die Ueberschreitung oder Nichtüberschreitung gewisser Ziffern als ausschlaggebend bezeichnet, so genügt nicht blos die Angabe der konkreten Ziffer, sondern es braucht auch die Zusammen­ oder Abrechnung nicht gerade von den Geschworenen vollzogen zu werden. Ebenso wenig wird die Wiederholung, die reale Konkurrenz u. dgl. einer aus­ drücklichen Feststellung bedürfen, wenn sie sich aus dem sonstigen Inhalte des Wahr­ spruches von selbst ergiebt und kein Zweifel über die Konkurrenz entstehen kann. 3) Die ideale Konkurrenz muß in der Weise festgestellt sein, daß aus der Antwort der Geschworenen sich deutlich das Vorhandensein der Merkmale beider Delikte und zugleich ihre Verwirklichung durch eine und dieselbe That ergiebt; daß letzteres ausdrücklich ausgesprochen sein müsse, wenn es aus der Antwort der Geschworenen deutlich entnommen werden kann, dafür besteht wol kein ausreichender Grund. Nach dem Deutschen Strafgesetze hat nur die reale Konkurrenz die Natur eines die Strafbarkeit erhöhenden Umstandes; ließe also die Feststellung der Geschworenen darüber einen Zweifel, daß die bejahten Delikte reell konkurriren (und dieser Zweifel ist nur denkbar, wenn ideale Konkurrenz in Frage stehen kann), so könnte eben die strengere Behandlung nach § 73 des StrafGB. nicht eintreten. Die Frage dagegen, ob eine Mehrheit selbständiger Deliktsakte oder ob ein fortgesetztes Delikt vorliege, muß den Geschworenen nötigenfalls in der Weise gestellt werden, daß ihnen zwischen beiden Aussprüchen die Wahl bleibt, am zweckmäßigsten also, indem zunächst um das fortgesetzte Verbrechen und für den Fall der Ablehnung erst um die einzelnen Thatsachen gefragt wird. — Einige Ähnlichkeit mit dem in diesen Fällen hervortretenden prozessualen Bedürfniß hat es, wenn von näherer that­ sächlicher Feststellung die Entscheidung über örtliche und zeitliche Kollisionen der Gesetze abhängt. Die Entscheidung dieser Frage selbst kommt allerdings dem Gerichtshof zu; allein die thatsächlichen Voraussetzungen stehen hier in so un­ mittelbarem Zusammenhänge mit der Grundlage der in der Sache zu fällenden Entscheidung, daß sie nicht den Geschworenen entzogen werden können; dies einmal vorausgeschickt, weiß das Gericht bei Stellung der Fragen selbst noch nicht, welches Gesetz es sei, unter dessen Richtmaß die zu stellende Schuldfrage wird gebracht werden müssen; es muß daher den Geschworenen die Möglichkeit gegeben werden, in Ver­ bindung mit der Schuldfrage auch die näheren Umstände festzustellen, bei deren Vor­ handensein ein bestimmtes Gesetz zur Anwendung kommt und die Schuldfrage selbst ist zugleich so zu beantworten, daß sie diesem Gesetze entspricht. Wenn also z. B. angenommen wird, daß die That auf Französischem Gebiet begangen und darum nach Franz. R. zu beurtheilen sei, so muß die Frage nach Franz. R. gefaßt werden und die Angabe der Oertlichkeit enthalten; kommt aber dann eine zweite Even­ tualität in Betracht, nach welcher der Ort der That in Deutschland liegt, so muß den Geschworenen auch eine Frage vorgelegt werden, welche diesen Umstand enthält und diese Frage ist hinsichtlich der Schuld den Worten des Deutschen Gesetzes an­ zupassen. — In Oesterreich, wo Adhäsionsprozeß besteht, müssen in die Frage an die Geschworenen auch die Feststellungen ausgenommen werden, auf welchen der Aus­ spruch des Gerichtes über die Entschädigung beruht. VI. Die Ab fassung und äußerliche Anordnung der Fragen hat dem Zweck zu dienen, daß durch deren Beantwortung ein Ausspruch zu Stande komme, der die wahre Meinung der Geschworenen dem Gerichte vollkommen verständlich macht und letzterem Alles bietet, dessen es zu der ihm zukommenden Entscheidung bedarf und das es selbst festzustellen nicht in der Lage ist. Man Pflegt zu sagen und anzuordnen, die Fragen müßten so gefaßt sein, daß sie mit Ja! oder Nein! beantwortet werden können; der Ausdruck ist vielfach mißverstanden worden. Es soll damit zunächst nur gesagt sein, daß jede Frage ausgeschlossen ist, welche von

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den Geschworenen etwas anderes als Zustimmung oder Ablehnung, welche eine An­ gabe positiver Natur erwartet; man fragt nicht: Was hat der Angeklagte gethan? In welcher Absicht hat er gehandelt? Was für Folgen hatte seine That? Man legt in der Form der Frage eine sormulirte Feststellung zur Annahme oder Ablehnung vor. Allerdings folgt daraus, daß bei der Abfassung dafür gesorgt werden muß, daß der aufgestellte Satz, einfach bejaht, verständlich und innerlich zusammenstimmend sei. Eine Fassung, welche, bejaht, Zweifel darüber läßt, ob ein Theil der in ihr enthaltenen Umstände bejaht oder verneint sei, verstößt gegen diesen Grundsatz, wenn sie nicht eben darauf berechnet ist, daß sie den Geschworenen nicht die Wahl zwischen zwei alternativen Annahmen, sondern die Ausschließung alles dessen, was nicht in den von beiden zusammen umfaßten Kreis fällt, zumuthet. Man muß sehr genau zwischen einer alternativ gefaßten Frage und zwei alternativ gestellten Fragen unterscheiden: die erstere ist darauf berechnet, mit einem Ja! beantwortet zu werden, bei der letzteren wird erwartet, daß die eine ausdrücklich bejaht, die andere stillschweigend oder ausdrücklich verneint wird. Drängt man nun den Inhalt von zwei Alternativ-Fragen in eine zusammen, so verstößt man allerdings gegen die Regel, welche fordert, daß die Fragen müssen mit Ja! oder Nein! beantwortet werden können. Mitunter kommt es aus Gründen der Kürze und um den Geschworenen die Uebersicht zu erleichtern vor, daß die einander ausschließenden Alternativen in dieselbe Frage ausgenommen, aber als solche deutlich hervorgehoben werden (durch Unterabtheilungen, die mit Buchstaben oder Ziffern bezeichnet sind), — ein Vorgang, wie er andererseits auch vorkommt, wenn man Ilmstände, die neben einander bestehen können, von denen einzelne aber wegfallen können, ohne daß ein konstitutives Moment des Deliktes fehlt, den Geschworenen zur Abstimnumg vorlegen will. Ein solcher Vorgang ist begrifflich nichts anderes als die Stellung so vieler Fragen als Alternativen oder Spezialitäten hervorgehoben sind; wenn den Ge­ schworenen darüber kein Zweifel bleiben kann, so ist er nicht unzulässig; er beseitigt aber keine der Mißlichkeiten, die aus der Häutung von Fragen entstehen können und fetzt doch der Gefahr aus, daß die Geschworenen mit einem einfachen Ja! antworten, welches unter solchen Umständen nicht annehmbar wäre, oder mit Nein! antworten, weil sie die Frage nicht vollständig bejahen können. Es ist daher der Vorgang kaum zu empfehlen. Der Verfasser.der Frage muß sich in die Lage der antwortenden Geschworenen versetzen und daraus bedacht sein, daß der von ihm für alle Eventualitäten vor­ bereitete Ausspruch haltbar sei. Diese Aufgabe wird dadurch erschwert, daß eben nicht immer blos eine Frage gestellt werden kann und noch mehr dadurch, daß die Geschworenen das Recht haben, eine Frage auch theilweise zu bejahen und zu ver­ neinen, ferner dadurch, daß auf die Möglichkeiten der Stimmenzersplitterung, der Stimmengleichheit und auf die von den Gesetzen geforderten künstlichen Majori­ täten Rücksicht genommen werden muß. Alle diese hieraus entspringenden Kom­ binationen sollten bei der Fassung und Anordnung der Fragen vorgesehen werden; es wird dies aber sicher nicht immer gelingen, und wenn der Versuch zu weit getrieben wird, so führt er zu Künsteleien, welche erst recht Verwirrung Hervorrufen. Es wird daher sich empfehlen, daß man nur für die naheliegenden und wahrscheinlichen oder doch leicht zu vermuthenden Eventualitäten vorsorgt, die Geschworenen auf ihr Recht, nach Betretung des Berathungszimmers Modifikationen der F. zu veran­ lassen, aufmerksam macht, und das Berichti gungs verfahren (s. diesen Art.) nicht als eine Maßregelung der Geschworenen, sondern als ein weiteres Mittel, den Geschworenen zu vollem und freiem Ausdruck ihrer Meinung und zur Verstän­ digung mit dem fragenden Gerichte zu verhelfen, behandelt. Im Vorstehenden wurde zwar die F. immer als ein einheitlicher Akt er­ örtert; es mußte aber doch schon vielfach davon ausgegangen werden, daß es nicht immer möglich sei, sich auf eine Frage zu beschränken. Auch im Englischen R., v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon I. 3. Anst. 57

wo dies der Fall zu sein scheint, weil den Geschworenen ja nur mit Bezug auf die An­ klageschrift die eine Frage vorgelegt wird, ob der Angeklagte schuldig sei, ist dies nur scheinbar wahr, weil die Anklageschrift mehrere Abschnitte enthalten kann und die Aufnahme einer Mehrheit von Abschnitten genau demselben Zwecke dient, welchen auf dem Kontinent die Stellung mehrerer Fragen verfolgt. Auf der anderen Seite hatte man in Frankreich bei der ersten Uebertragung der Jury versucht, statt einen Spruch der Geschworenen über den gesummten Inhalt der Anklage, über die Schuld des Angeklagten hinsichtlich des ihm zur Last gelegten Deliktes, die Fest­ stellung der Elemente des Spruches, also eine Art Abstimmung nach Gründen in der Weise herbeizuführen, daß die Geschworenen zuerst den objektiven Thatbestand (Fexistence materielle du fait qui avait constitud le corps du dälit), dann die Be­ ziehung des Angeklagten zu diesem objektiven Sachverhalt, die Thäterschaft (l’application de ce fait ä Findividu accusö), darauf das subjektive Moment des That­ bestandes (la moralitä du fait) und endlich noch die straferhöhenden und straf­ mindernden Umstände (le plus ou meins de gravitö) festzustellen haben; dazu kam dann noch ein in die Verfassung des Jahres III der Republik aufgenommenes Verbot „komplexer" Fragen. Wie schon früher bemerkt, erwies sich dieses System als undurchführbar und das Streben des Code d’Instruction criminelle geht auf eine soviel als nur irgend möglich einheitliche F. Der Motivenvortrag Treilhard’s zum Code d’Instruction spricht sich darüber mit aller Klarheit aus: „Der Präsident stellt die Frage ... Er fragt, ob der Angeklagte schuldig sei, das Verbrechen mit diesem oder jenem Umstand e begangen zu haben. Findet die Jury, daß die Hauptthatsache (fait principal) nicht bewiesen sei, so genügt es, daß sie darüber mit nein antwortet; sie braucht sich über die Nebenumstände gar nicht auszusprechen. Erachtet sie sowol die Hauptthat als alle Nebenumstände für erwiesen, so beant­ wortet sie das Ganze mit einem Ja! Findet sie endlich, daß irgend ein Umstand nicht so bewiesen sei, wie die Hauptthat, so ist ihre Antwort bejahend für einen Theil der Frage und verneinend für das übrige". Aber schon hier wird daraus hingewiesen, daß bezüglich der erst in der Hauptverhandlung hervorgetretenen Umstände eine sie alle umfassende Frage zu stellen sei. Dazu kam ursprünglich die bereits erwähnte Frage wegen der falls d’excuse (art. 339) und eine Frage bezüglich des Unterscheidungsvermögens von Personen unter 16 Jahren. Dabei konnte man aber nicht stehen bleiben. Das Gesetz v. 28. April 1832, welches den art. 339 modifizirte und für die falls d’excuse die Stellung von besonderen Fragen sicherte, ist schon erwähnt worden. Es folgte aber dann das Gesetz v. 13. Mai 1836, welches im Zusammen­ hang mit der Einführung der schriftlichen Abstimmung der Geschworenen im art. 1 vorschrieb, daß über jeden erschwerenden Umstand, gleichviel ob er in der Anklageschrift schon erwähnt ist oder nicht, eine besond ere Frage zu stellen sei. Ganz unabhängig von jeder positiven Anordnung ist es aber, daß in den Fällen, wo den Geschworenen eine Auswahl zwischen zwei verschiedenen Auffassungen anheimgestellt werden muß oder wo sie über verschiedene Delikte sich aussprechen sollen, eine Mehrheit von Fragen gestellt werden muß. Es ist aber schon aus Vorstehendem auch klar, daß diese mehreren Fragen der Art nach verschieden sind. Man unterscheidet: Hauptfragen, Neben- oder Zusatzfragen und Eventual- oder Hülfs frag en (questions subsidiaires, auch alternatives). Die Hauptfrage stellt den Geschworenen die Entscheidung darüber anheim, ob der Angeklagte einer bestimmten strafbaren Handlung schuldig sei? Dieser, ihr Spruch kann seine Einschränkung finden durch die Feststellung von Umständen, welche die Strafbarkeit (ausschließen — s. oben), ausheben oder vermindern und eine Erweiterung erlangen durch Fragen nach Umständen, welche die Strafbarkeit erhöhen. Alle diese F. haben nur eine Bedeutung, wenn die Hauptfrage bejaht ist; die auf sie gerichtete Frage ist daher eine Ergänzung der Hauptfrage, eine Zusatz-

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frage, wie sie die Oesterr., eine Nebenfrage, wie sie die Deutsche StrafPO. nennt. Fragen dagegen, welche die in der Hauptfrage behandelte That in einer alternativen Darstellung zeigen, sei es nun in einer andern Auffassung des Sachverhaltes allein, sei es in der Unterordnung unter einen anderen Deliktsbegriff, müssen so gestellt werden, daß die eine Alternative abgelehnt sein muß, ehe über die andere über­ haupt abgestimmt wird; die später gereihte verhält sich also zu der früher gereihten als Eventualfrage, oder wie sie die Deutsche StrafPO., offenbar tut Hinblick auf den Französischen Ausdruck question subsidiaire, nennt, als Hülssfrage. Die Hülssfrage hat daher selbst die Natur einer Hauptfrage, wenngleich einer nur even­ tuell zur Abstimmung zu bringenden; sie ist nach den für Hauptfragen geltenden Grundsätzen abzufassen und kann daher selbst der Ergänzung durch Nebenfragen be­ dürfen. Bon dieser Hauptart der Eventualfrage unterscheiden sich solche durch die verschiedenen denkbaren Kombinationen gebotene Fragen, welche für den Fall der Bermeinung einer Zusatzflage gestellt werden müssen; sei es daß ein die Strafbarkeit (ausschließender oder) aufhebender Umstand die Voraussetzung der Relevanz eines anderen Umstandes ist, sei es, daß die Strafbarkeit erhöhende oder vermindernde Umstände zu einander in alternativ em Verhältniß stehen. Auch abgesehen hiervon ist die Verneinung der Hauptfrage als Bedingung der Abstimmung über die Hülssfrage nicht blos im buchstäblichen Sinne zu nehmen; sie wird nament­ lich auch dann als verneint angenommen werden müssen, wenn zwar die Hauptfrage bejaht, aber die ihr beigefügte Neben- (Zusatz-) Frage, welche auf einen die Straf­ barkeit aufhebenden (oder ausschließenden) Umstand gerichtet ist, bejaht wird. Die Vertheilung des Stoffes unter diese verschiedenen Arten von Fragen ist zwar im Allgemeinen durch den Zweck und die Natur derselben vorgezeichnet; dennoch ist es außerordentlich schwer, darüber Grundsätze aufzustellen, welche von so unbedingter Geltung sind, daß nicht eine Abweichung unter den Umständen eines besonderen Falles, selbstverständlich eine Abweichung, welche nicht gegen die der F. in ihrer Totalität vorgezeichneten Zwecke verstoßt und welche im Gegentheil geeignet ist, die Erreichung dieser Zwecke zu fördern, zulässig erscheinen könnte. Diesen Sinn hat es, wenn es im § 323 der Oesterr. StrafPO. heißt: „Welche Thatsachen in einer Frage zusammenzufassen oder zum Gegenstände besonderer Fragen zu machen feien, bleibt ebenso wie die Reihenfolge der Fragen der Beurtheilung in jedem einzelnen Falle überlassen." Diese Beurtheilung ist nicht Willkür und es haben die Parteien durch Stellung und Begründung von Anträgen auch darauf Einfluß und dann auch das Mittel der Anfechtung unrichtiger Beurtheilungen. Es ist daher kein Grund von ihrer Handhabung jene Nachtheile zu besorgen, welche H. Meyer (v. Holtzendorfffs Handb. II. 177 Anm. 14) voraussieht, der allerdings die Bestimmung lediglich unter den Gesichtspunkt der Theilung der Hauptfrage bringt, während sie nur als Einschränkung der Stellen dienen soll, wo für bestimmte Umstände das Gesetz eine neben der Hauptfrage zu stellende Frage ausdrücklich anzuordnen scheint. — Zweifel darüber, ob das Gesetz unbedingt eine besondere Frage fordere, sind auch bereits bei Auslegung der Deutschen StrafPO. entstanden, obgleich diese einige Vorschriften darüber ausdrücklich ertheilt: „Bei einer Mehrzahl von Angeklagten und von strafbaren Handlungen müssen die Fragen für jeden Angeklagten und für jede strafbare Handlung besonders gestellt werden" (§ 292, Abs. 3). Die Hülfs­ frage ist der dem Beschluß auf Eröffnung des Hauptverfahrens „entsprechenden Frage voranzustellen, wenn die abweichende Beurtheilung eine erhöhte Strafbarkeit be­ gründet" (§ 294, Abs. 2). Auf die Einheit und Unteilbarkeit der Hauptflage ist solcher Werth gelegt worden, daß, um die Verlegung einzelner dahin gehöriger Momente in eine besondere Frage zu verhüten, überhaupt untersagt wurde, nach diesen Momenten (Gründe, welche die Schuld oder die Strafbarkeit ausschließen), zu fragen. Trotzdem hält v. Schwarze die Stellung einer Nebenfrage für zulässig (§ 294, Nr. 6), „auch bezüglich solcher Thatumstünde", „in welchen eine Negation 57*

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des zum Thatbestand erforderlichen Dolus zu finden ist; z. B. bei Mißhandlungen, welche in Ausübung eines Züchtigungsrechtes begangen werden". (Entgegengesetzter Ansicht: Löwe bei § 293, Nr. 12 c). Andererseits sagt V.Schwarze(§293, Nr. 7): „Es ist zulässig, die Hauptstage zu theilen, wenn das Delikt aus zwei Momenten zu­ sammengesetzt ist, von denen das eine den Thatbestand eines Deliktes vollständig deckt, das andere aber nur als ein erschwerendes Moment sich darstellt: Tödtung — Ueberlegung; Urkundenfälschung — gewinnsüchtige Absicht; Körperverletzung — tödtlicher Er­ folg." Das letzte Beispiel weist namentlich darauf hin, wie wenig hier die innere Natur der Sache für sich allein entscheidet und wie viel aus die Technik der Strafgesetz­ gebung ankommt. Nach Oesterr. R. begründet die vorsätzliche Körperverletzung mit nicht beabsichtigtem tödtlichen Erfolge das Verbrechen des Todtfchlages; hier würde also die Ausscheidung und Verweisung des Erfolges in eine besondere Frage die Schuldstage „theilen". Bei der Anlage des Deutschen Strasgesetzes scheint die Verweisung des tödtlichen Erfolges in eine Nebenstage das eigentlich im Gesetz Vor­ gezeichnete zu sein, denn der tödtliche Erfolg ist kein Element der Körperverletzung als eines selbständigen Deliktes, sondern ein Umstand, welcher die Strafbarkeit erhöht. Von solchen Umständen heißt es, so wie von den die Strafbarkeit vermindernden, es seien darüber „geeignetenfalls den Geschworenen besondere Fragen vorzulegen" (Deutsche StrafPO. § 295, Abs. 1). Wenn man nun mit Keller (§ 295, Nr. 3) die Worte: „geeignetenfalls" nicht blos darauf bezieht, ob überhaupt um den Umstand gestagt werden solle, sondern auch darauf, ob dies in einer besonderen Frage ge­ schehen müsse, so ist dies immerhin eine Auslegung, die mehr die Zweckmäßigkeit, als den Wortlaut des Gesetzes für sich hat (wenngleich letzterer durch Abs. 2 des § 295 abgeschwächt wird, welcher über strafaufhebende Umstände eine besondere Nebenstage nicht vorschreibt, sondern nur gestattet, da doch diese Umstände kaum anders als durch Nebenstagen zu ausdrücklicher Entscheidung gebracht werden können). Allein, abgesehen von der zweifelhaften Auslegung, knüpfen die Kommentatoren daran noch weitere Unterscheidungen. Keller will in die Hauptstage nur Umstände auf­ nehmen, welche schon in dem Beschlusse über die Eröffnung des Hauptverfahrens angeführt sind; in der Hauptverhandlung neu hervortretende verweist er unbedingt in Nebenstagen, so eine in Frankreich aufgegebene Unterscheidung aus dem Code d’Instruction herübernehmend. (Wol mit Unrecht.) Löwe, der eine sachgemäßere Unterscheidung machend, nur bei die Strafbarkeit erhöhenden Umständen, die Ver­ bindung mit der Hauptstage gestattet, nimmt dieses Zugeständnis doch eigentlich

wieder zurück, indem er besondere Hervorhebung des Umstandes in der Frage und abgesonderte Abstimmung über denselben verlangt. Nun fügt er aber hinzu und schließt sich damit den oben angeführten Worten v. Schwarzers der Wirkung nach an: „Im Uebrigen macht es keinen Unterschied, ob der betreffende Umstand nach Inhalt des Strafgesetzes nur einen die Strafe erschwerenden Nebenumstand darstellt, wie z. B. das Einsteigen beim Diebstahl, oder ob durch sein Hinzutreten der strafrechtliche Charakter und der Name des Deliktes eine Veränderung erfährt, und ebensowenig kommt es darauf an, ob der Umstand bereits in den Eröffnungsbeschluß ausge­ nommen war oder ob er erst in der Hauptverhandlung hervorgetreten ist. Hiernach ist es z. B. auch bei einer auf Mord oder auf Raub lautenden Anklage dem Er­ messen des Gerichtes überlassen, ob in Ansehung der Ueberlegung, bzw. der Gewalt gegen die Person, eine Nebenstage zu stellen sei" (§ 293, Nr. 9 b). H. Meyer selbst geht (a. a. O. 176) noch weiter, indem er es nur für zulässig erklärt, z. B. eine Frage wegen Raubes nicht in zwei aufzulösen. Uebersicht man nun alles dieses, so bleibt Weniges, was auf die Länge den Auslegungsversuchen und den Bedürfnissen des Lebens Widerstand leisten dürfte. Selbst das unbedingte Verbot der Vereinigung mehrerer Delikte oder mehrerer Angeklagter in derselben Frage, so gerechtfertigt es sich in der Regel erweisen wird, wird doch nicht immer, wenigstens nicht ohne Nachtheil der Sache, eingehalten werden können.

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Das erstere hat als Grenzwall den keineswegs unbestrittenen Begriff des fortgesetzten Berbrechens, und von da wird die Praxis (namentlich unter der unbedingten Herr­ schaft des sog. Legalitätsprinzips) den Weg finden müssen, eine Anzahl gleichartiger Diebstähle, Unterschlagungen, Sachbeschädigungen u. dgl. in eine Frage zufammenzufassen. Hinsichtlich der idealen Konkurrenz sind die Ansichten ohnehin ge­ theilt, und wird es in der Regel leichter sein, die Merkmale beider Delikte in eine Frage zusammenzufassen und doch den Geschworenen zu ermöglichen (nöthigenfalls durch Hülfsfragen) sie auseinanderzuhalten, als bei nicht alternativer Stellung zweier Hauptfragen einen Wahrspruch zu gewinnen, welcher auch erkennen läßt, daß es sich um ideale und nicht reale Konkurrenz handelt. Wenn es sich um Mit­ thäterschaft handelt, kann es so liegen, daß die Thätigkeiten zweier Angeklagten so ineinandergreifen, daß es erwünscht und gerecht ist, daß entweder beide freigesprochen oder beide verurtheilt werden, und da kann durch die kategorisch vor­ geschriebene Sonderung der Fragen manchmal mehr geschadet als genützt werden. Meines Erachtens sollte der Vorgang des Gerichtes bei Lösung all dieser schwie­ rigen Fragen möglichst wenig nach abstrakten Normen, sondern danach geprüft werden, ob im gegebenen Fall der eingeschlagene Weg derjenige war, von welchem nach Lage der Sache mit Grund zu erwarten war, daß er zu einer der wahren Meinung der Geschworenen entsprechenden Entscheidung am leichtesten und sichersten führe und ob den Parteien zur Wahrnehmung und Darlegung ihrer Interessen ausreichende Gelegenheit und ihren Anträgen billige Berücksichtigung zu Theil wurde. Mit diesem Vorbehalt dürften folgende Regeln als Anhaltspunkte gewährend hinzustellen sein: 1) Wo ohne Schädigung der Deutlichkeit und ohne Zerreißung dessen, was un­ trennbar ist (und dahin ist zu rechnen, daß die bejahte Hauptfrage immer ein selbständiges Delikt darstellen sollte) gesonderte Fragen gestellt werden können, sind diese vorzuziehen; niemals aber sollen Thatsachen, die unabhängig von ein­ ander sind und jede die Basis einer selbständigen Entscheidung bilden können, in derselben Frage vereint werden (Vermeiden komplexer Fragen). 2) Es ist nicht so sehr darauf zu sehen, daß die Geschworenen durch die F. auf einzelne Umstände aufmerksam gemacht werden (denn dies wird auf diesem Wege nie vollständig erreicht werden, ist vielmehr Sache der Rechtsbelehrung), als darauf, daß den Geschworenen kein Zwang angethan und daß die Gefahr von Widersprüchen möglichst vermieden werde. 3) Niemals dürfen in derselben Frage oder in eine Fragenverbindung, welche nicht alternativ gehalten, sondern auf gleichzeitige Bejahung mehrerer Fragen be­ rechnet ist, einander widersprechende Umstände ausgenommen werden; niemals darf umgekehrt die nothwendige Ergänzung einer Frage durch die Aufnahme der be­ treffenden Angabe in eine andere angestrebt werden, wenn letztere ohne Widersinn auch bei Bejahung der ersten verneint werden kann. 4) Niemals soll derselbe Umstand unmittelbar oder mittelbar zweimal in Frage gestellt, beziehungsweise dessen Feststellung in zwei verschiedenen Fragen den Ge­ schworenen zugemuthet werden; da sonst derselbe Umstand in der Beantwortung der einen Frage bejaht, in der der andern verneint werden könnte. 5) Niemals sollten zwei Fragen so gegeneinander gestellt werden, daß das­ jenige, wonach in der zweiten gefragt werden muß, bereits durch Beantwortung der ersten verneint sein kann; aber auch umgekehrt sollte es möglichst vermieden werden, daß die Geschworenen, welche eine Frage bejaht haben, ohne die erforderliche Majorität zu erlangen, dann bei Beantwortung der nächsten Frage nur die Wahl haben, be­ jahen zu müssen, was sie früher verneinten, oder auch das zu verneinen, was als bejaht in ihrer früheren Antwort enthalten war. (Z. B. Erste Frage: Hat A den B vorsätzlich und mi t Ueb erlegung getödtet? Zweite Frage: Hat A den B vor­ sätzlich, jedoch ohne Ueberlegung getödtet?) 6) Bei der Berücksichtigung der Kombinationen, welche sich im Berathungszimmer

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ergeben können, sollte man sich nicht aus Allzuentlegenes einlassen, sondern sich an die durch die Verhandlungsergebnisse nahegelegten Möglichkeiten halten; es ist besser, einiges der Rechtsbelehrung, dem Recht der Geschworenen , Aenderung der Fragen zu begehren, und dem Berichtigungsversahren anheimzustellen, als die Geschworenen durch allzuviele und allzukünstlich kombinirte Fragen in Verwirrung zu setzen, weil man sür jeden schlechthin möglichen Fall, und wäre er noch so unwahrscheinlich, Vorsorgen will. VII. Was nun die prozessuale Gestaltung betrifft, so bestehen die Ab­ weichungen des neueren Rechtes vom Französischen wesentlich darin, daß neben der Berechtigung des Vorsitzenden die des Gerichtes, der Geschworenen und der Parteien deutlicher hervortritt, und daß der Zeitpunkt der Feststellung der Fragen ge­ ändert wurde. Nach dem Code d’Instruction erscheint die Stellung der Fragen als Thätigkeit des Präsidenten und als das letzte Wort seines Resume, und letzteres selbst folgt naturgemäß den Schlußvorträgen der Parteien nach. Nach der Italienischen StrafPO. folgt die Feststellung der Fragen den Parteivor­ trägen nach, geht aber dem Schlußvortrag des Vorsitzenden voran. — Nach der Oesterreichischen (§§ 316, 324) und der Deutschen StrafPO. (§§ 290, 291, 299, 300) folgt der Beweisaufnahme die Feststellung der Fragen, und daran schließen sich erst die Parteivorträge und dann der Schlußvortrag des Vorsitzenden. Darin, daß nach der Oesterr. StrafPO. der Vorsitzende die Fragen „nach vorläufiger Berathung mit dem Gerichtshöfe" aufstellt, während das Deutsche Gesetz bestimmt, daß die Fragen von dem Vorsitzenden entworfen werden, liegt kein sach­ licher Unterschied. Die erste Verlesung der Fragen ist nur eine versuchsweise; beide Gesetze sorgen dafür, daß den Parteien Gelegenheit gegeben werde, sich genau mit denselben vertraut zu machen, und ihr Recht, durch Anträge auf die endgültige Feststellung der Fragen einzuwirken, auszuüben. Finden die verlesenen Fragen nicht allseitige Zustimmung, so entscheidet das Gericht und die endgültig festgestellten Fragen müssen als solche verlesen werden (nach der Deutschen StrafPO. unbedingt, wenigstens dem Wortlaut nach, angeordnet, nach der Oesterreichischen nur für den Fall, daß eine Abänderung beschlossen wird). Nach dem Schlußvortrag des Vor­ sitzenden übergiebt er die von ihm unterzeichneten Fragen den Geschworenen, welche sich damit in ihr Berathungszimmer zurückziehen. Der sie enthaltende Bogen (Fragenbogen) ist so einzurichten, daß neben jeder Frage die Antwort der Ge­ schworenen niedergeschrieben werden kann. Nach allem früher Gesagten ist dieses Stadium des Schwurgerichtsverfahrens von entscheidender Wichtigkeit für den Ausgang des Verfahrens; es ist also auch erklärlich, daß der Widerstreit der Ansichten und Interessen hier sehr oft zum Aus­ druck kommt. Um hierüber in dem Geiste, der für das ganze Strafverfahren maß­ gebend ist, entscheiden zu können, muß man bemüht sein, die Stellung, welche Vor­ sitzender, Gericht und Parteien zu einander im Strafprozeß überhaupt einnehmen, hier soweit festzuhalten, als die Mitwirkung der Geschworenen nicht eine Abweichung nöthig macht. Die Sorge für die Herbeiführung einer gerechten, der Wahrheit und dem Gesetze entsprechenden Entscheidung kommt auch hier dem Gerichte zu. Der Vorsitzende ist an die Mitwirkung des Gerichtes um so "mehr gebunden, weil es sich darum handelt, das Zusammenwirken der Richterbank und der Geschworenen­ bank zu einem Urtheil, welches nicht in jedem Theile, aber in seiner Ganzheit das Werk beider ist, zu regeln. Die Parteien haben das Recht, für die Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen auch selbst zu sorgen und müssen sich nicht darauf ver­ lassen, daß das Gericht das Rechte treffen werde; der Mangel eines Antrages der Parteien entkleidet aber das Gericht nicht des Rechtes und entbindet es nicht der Pflicht, dafür zu sorgen, daß bei der Stellung der Fragen den Anforderungen des Gesetzes und der prozessualischen Nothwendigkeit entsprochen werde. Wenn sich jedoch aus dem früher Gesagten vielfach ergab, daß ein sehr weites Gebiet frei bleibt, welches nicht von solchen unabweislichen Geboten beherrscht ist, sondern dem juristischen

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Takt und der Beurtheilung des dem vorliegenden Falle Entsprechenden einen steten Spielraum läßt, so ist es allerdings für die nachfolgende Beurtheilung der Vor­ gänge auf diesem Gebiete von sehr großer Wichtigkeit, ob die Parteien, ehe der Ausfall bekannt war, sich mit dem Vorgänge des Gerichtes stillschweigend oder ausdrücklich einverstanden erklärt haben; ergeht daher eine Entscheidung gegen den Antrag oder Widerspruch der Partei, so muß auf die Begründung dieser Entscheidung die größte Sorgfalt verwendet werden, weil davon die Abwendung späterer Vernichtung abhängt. Die gesetzlichen Vorschriften regeln eigentlich nur die Minimalanforderungen, welche einerseits vom Standpunkte der nothwendigen Erledigung der Anklage, andererseits von dem der Vertheidigung an das Gericht herantreten, und schließen eine weitergehende Fürsorge der Mitglieder des Gerichtes in der Richtung, daß jede zu vermuthende Meinung der Geschworenen zum Ausdruck gelangen könne, nicht aus. — Eine andere Frage ist es aber, wie weit das Recht der Parteien reicht, die Stellung bestimmter Fragen (von der nach der Anklageschrift oder dem Beschlusse auf Eröffnung des Hauptverfahrens zu stellenden wird hier nicht weiter gesprochen) zu verlangen. Hier muß nun (selbst mit Wiederholung des früher in anderem Zusammenhänge Gesagten) vor Allem betont werden, daß das Gericht im Schwurgerichtsverfahren Thatsachen, welche nicht lediglich prozessuale Inzidenz­ fälle betreffen, weder festzustellen, noch flir ausgeschlossen zu erklären berufen ist; die Entscheidung hierüber kommt lediglich den Geschworenen zu. Aber die Ge­ schworenen haben andererseits nur Thatsachen festzustellen, welche für den Ausgang der Sache von rechtlicher Bedeutung sind. Wenn nun das Gericht aus der Ver­ handlung entnimmt, daß Hindeutungen auf eine solche Thatsache vorhanden sind, welche, wenn als wahr angenommen, in den Bereich des von den Geschworenen aus­ drücklich Festzustellenden fällt, so wird es sich dabei immerhin nicht blos von der Beurtheilung der rechtlichen Natur der zu prüfenden Thatsache, sondern auch von feiner eigenen Ansicht über die größere oder geringere Erheblichkeit des vorliegenden Beweismaterials leiten lassen. Anders aber, wenn eine Partei die Stellung der Frage verlangt; hier kann die Beweisfrage gar nicht in Betracht gezogen werden. Bei dem gänzlichen Mangel an Beweisregeln in unserem Prozeß genügt eine Be­ hauptung der Partei, um die Nothwendigkeit richterlicher Entscheidung, also hier der Entscheidung der Jury, zu begründen. Allein wenn die Partei eine Thatsache behauptet, welche nach der Rechtsüberzeugung des Gerichtes nicht unter den Ge­ sichtspunkt gebracht werden kann, unter welchen sie in der begehrten Frage gebracht werden soll, wenn z. B. der Thatumstand, dessen Existenz behauptet wird, auch als wahr angenommen, dennoch nicht unter den Gesichtspunkt des Gesetzes fiele, welches einen bestimmten, die Strafbarkeit erhöhenden, vermindernden, aufhebenden oder aus­ schließenden Umstand hervorhebt, so würde das Gericht zu einer unrichtigen An­ wendung oder Verletzung des Gesetzes die Hand bieten, wenn es die begehrte Frage stellen würde. Der Umstand, daß die Geschworenen die Frage auch selbst vermeinen können, wenn sie, den gesetzlichen Ausdruck mit dem konkreten Sachverhalt, wie er sich ihnen darstellt, vergleichend, ihn nicht darauf anwendbar finden, ändert nichts daran, daß das Gericht in vielen Fällen schon zu erkennen vermag, es sei diese Anwendung überhaupt ausgeschlossen, und daß es daher die Geschworenen in Bezug auf die Rechtsstage irreführen würde, wenn es ihnen durch Vorlegung der Frage die Unterordnung dieses Sachverhaltes unter diesen Begriff als etwas Frag­ liches, Mögliches hinstellte. Nach meiner (schon oben prinzipiell begründeten, aller­ dings vielfach bestrittenen) Ansicht enthält die Abfassung der Frage durch das Gericht ein hypothetisches Urtheil: Wenn die Thatsache näher geprüft und genau festgestellt ist, so kann sie unter diesen rechtlichen Gesichtspunkt fallen. Diese nähere Prüfung, die ohne Feststellung des Thatsächlichen nicht möglich ist, sich aber auf diese nicht beschränkt, muß den Geschworenen überlassen werden; daraus folgt aber nicht, daß das Gleiche geschehen darf, wenn jenes hypothetische Urtheil vom

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Gericht nicht gefällt werden kann, wenn es erkennt, daß die behauptete Thatsache unter diesen Gesichtspunkt nicht fallen kann. Darauf deuten auch die Worte der Gesetze. Trotz seiner falschen Grundanschauung über die Stellung der Geschworenen zur Rechtsfrage, vermöge deren er als Thatsache (fait) hinstellt, was eine juristische Behauptung ist, spricht der Code d’Instruction im art. 339 von einem fait admis comme excuse par la loi. Die Oesterreichische StrafPO. bedient sich, wie aus den Motiven hervorgeht, mit Bedacht solcher Ausdrücke, welche von der eben dargelegten Auffassung Zeugniß geben: „Ist behauptet worden, daß ein Zustand vorhanden gewesen oder eine Thatsache eingetreten sei, welche die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden, so ist .... eine dieser Behauptung entsprechende Frage zu stellen" (§ 319). „Sind Thatsachen behauptet worden, vermöge welcher, ihre Wahrheit vorausgesetzt .... die dem Angeklagten zur Last gelegte That unter ein anderes Strafgesetz .... fiele . ., so sind entsprechende Fragen an die Geschworenen zu stellen" (§ 320). Und wenn § 296 der Deutschen StrafPO. sagt: „Wird die Vorlegung von Hülfs- oder Nebenfragen beantragt, so kann sie nur aus Rechts­ gründen abgelehnt werden," so scheint mir der natürliche Sinn ganz der gleiche zu sein; die Frage kann nicht deshalb abgelehnt werden, „weil hierzu nach der Ansicht des Gerichtes ein ausreichender Anlaß in den Ergebnissen der Beweisaufnahme nicht vorhanden sei" (v. Schwarze in den Protokollen der Reichstagskommission S. 464; vgl. die daselbst enthaltene zustimmende Bemerkung des Regierungsvertreters, daß in § 294 StrafPO. „nur eine gesetzliche Voraussetzung des Thatsächlichen ge­ meint sei"). Deutlicher noch als dieses Auslegungsmaterial sprechen sich die Motive aus. „Den Stoff für Hülfs- und Nebenfragen bieten zum größeren Theile die Behauptungen des Anklägers und diejenigen des Angeklagten. In der Aufgabe des Gerichtes, durch die F. seinerseits an der Entscheidung mitzuwirken, ist zugleich seine Befugniß enthalten, die Erheblichkeit jener Parteibehauptungen zu prüfen. Diese Prüfung darf aber aus dem Kreise der Rechtsfragen nicht heraustreten, sie darf nur aus dem Gesichtspunkte der Gesetzesanwendung vorgenommen werden. Wollte das Gericht seine Prüfung auch darauf erstrecken, ob die zur F. unter­ breiteten Parteibehauptungen thatsächlich genügend begründet, d. h. durch das Ergebniß der Hauptverhandlung genügend unterstützt seien, so würde es in das Be­ rufsgebiet der Geschworenen hinübergreifen; es würde durch eine Ablehnung der be­ antragten Frage die Entscheidung der Geschworenen ausschließen und durch die Zu­ lassung der Frage ein Präjudiz für die thatsächliche Berechtigung derselben aus­ sprechen." Trotzdem ist die Geltung des oben dargelegten Grundsatzes für das Deutsche R. keineswegs unbestritten. Sie stößt namentlich auf den nachdrücklichsten Widerspruch in dem vortrefflichen Kommentar Löwe33 (dessen Ansicht Keller, so­ wie Bomhard und Koller zwar nicht beistimmen, aber durch die Aufstellung nur solcher Beispiele von „Rechtsgründen", die auch er gelten läßt, indirekt zu be­ stätigen scheinen). Aber Löwe muß die Ausdrucksweise des Gesetzes für unzutreffend erklären und die angeführten Motive mißbilligen, um seine Ansicht zur Geltung zu bringen, die er so ausdrückt: „Nach diesen Worten (der Motive), wie nach der Ausdrucksweise des Gesetzes scheint es, als solle die Prüfung: ob die betreffenden That­ sachen rechtlich geeignet seien, unter das Strafgesetz subsumirt zu werden, dem Ge­ richt zustehen, und als solle, wenn dieses die Subsumtion für ausgeschlossen erachtet, die Stellung der beantragten Frage abgelehnt werden dürfen. Eine derartige Be­ fugniß des Gerichts wäre indeß vollkommen prinzipwidrig, da sie auf die von der StrafPO. aufgegebene Unterscheidung zwischen der That- und der Rechtsfrage hinauslaufen würde; die Subsumtion der Thatsachen unter das Strafgesetz unter­ liegt durchweg der Prüfung der Geschworenen, und die Ablehnung einer beantragten Frage aus einem die Subfumtion betreffenden Rechtsgrunde würde ganz ebenso ein Hinübergreifen in das Berufsgebiet der Geschworenen enthalten, wie die Ablehnung aus einem Grunde rein thatsächlicher Natur. In Wahrheit will das Gesetz sagen,

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daß dem Gericht die Ablehnung einer beantragten Frage nur zustehe, wenn diese sich als rechtlich unzulässig darstellt, wie z. B. wenn die in Antrag gebrachte Hülfsfrage nicht auf eine andere Qualifizirung der in dem Anklagebeschlufse bezeichneten That, sondern auf eine andere That gerichtet ist, oder wenn derjenige Thatumstand, be­ züglich dessen die Stellung einer Nebenfrage beantragt wird, im Strafgesetz nicht be­ sonders vorgesehen ist, sondern nur bei der Strafzumessung in Betracht kommen kann." Die von uns vertretene Auffassung theilen v. Schwarze (bei § 296, Nr. 3) und H. Meyer (v. Holtzendorfsis Handb. II. S. 134, Anm. 3), welcher letztere mit Bezug auf die von Löwe angerufene Protokollstelle sagt: „Auch der Antrag auf Stellung einer Hülfsfrage soll nur dann abgelehnt werden können, wenn das von dem Antrag­ steller behauptete Sachverhältniß nicht dem gesetzlichen Thatbestände eines eventuell in Betracht kommenden Deliktes entspricht." (Meyer läßt übrigens bei seiner Be­ sprechung des Oesterr. R. (a. a. O. S. 135, Anm. 9) den zweiten Absatz des von ihm angeführten § 320 unberücksichtigt.) Eine unabweisliche Konsequenz dieser Auffassung ist aber, daß die Behauptung, auf welche der Antrag sich stützt, deutlich und bestimmt genug sein muß, um dem Gerichte die Vornahme der ihm zukommenden Prüfung möglich zu machen; fehlt es daran, so wird der Vorsitzende darauf aufmerksam zu machen haben, und wenn dies ohne Erfolg bleibt, so ist die Verweigerung der Frage durch den Mangel der „Behauptung" gerechtfertigt. Auch wenn die Geschworenen eine Frage beantragen, wird das Gericht sich davon überzeugen müssen, auf welche Thatsache sie ihr Augenmerk gerichtet haben; eine „Behauptung", d. h. ein bestimmter Ausspruch, daß die Thatsache sich so verhalte, kann natürlich von ihnen in diesem Stadium des Verfahrens nicht verlangt werden. Die einmal festgestellten Fragen sind in dem Sinne unabänderlich, daß durch jede spätere Aenderung, die natürlich von der Anhörung der Parteien und einem Beschluß des Gerichtes abhängt , die Verhandlung in das Stadium zurück­ fällt, in welchem sie sich bei der ersten Feststellung der Fragen befand: es muß den Parteien neuerdings das Wort zur Ergänzung ihrer Vorträge verstattet werden und der Vorsitzende wird in den Fall kommen, die Rechtsbelehrung ergänzen zu müssen.

Lit. u. Gsgb.: Englisches Recht: Mittermaier, Das Englische, Schottische und Amerikanische Strafverfahren, S. 446 ff. — Bien er, Das Englische Geschworenengericht, II. S. 159 ff. — Glaser, Anklage, Wahrspruch u. Rechtsmittel im Engl. Schwurgerichtsverfahren, S. 140 ff., 374 ff., 511 ff. — Schottisches Recht: Alison, Practice of the Cr. L. of Scotland, p. 631 ss. — Macdonald, A practical treatise on the Cr. L. of Scotland, p. 568 ss. — Französisches Recht: Helie, Traite de l’Instr. criminelle, L. IX. Ch. I. II. §§ 659—675. Vol. IX. (Par. 1860) p. 1—153; Derselbe, Pratique criminelle (Par. 1877) Vol. I. p. 437—460,no. 827—856. — Trebutien, Cours de droit criminel, L. II. Titre IV. Sect. Iv. § IV. (Ed. 1854) Vol. II. p. 447—434. — Holland de Villargues, Code d’Instruction criminelle, a. 337—341.— Dalloz, Repertoire de legislation, Tome XXVIII. (Paris 1854), Verbo: Instruction criminelle p. 594 n. 2405 — p. 723 n. 2929. — Morin, Repertoire du droit criminel, Verbo: Cour d’Assises, n. 62—64, Verbo: Questions au jury. Anspach, Procedure devant les Cours d’Assises (Par. 1858) p. 173—209. — Cuba in, Tr. de la proc. devant les Cour d’A. (Par. 1851) p. 359 n. 575 — p. 388 n. 613. — Perräve, Manuel des Cours d’A. (Par. 1861), p. 315—401. — Beudant, De Findication de la loi penale dans la discussion devant le jury (Par. 1861). — (Ruppenthal) Materialien (Köln 1848), S. 254—261. — v. Daniels, Grundsätze des Rhein, und Französ. Strafverf. (Berl. 1849), S. 184 ff. — Italienisches Recht: J. Mel, II Oodice di procedura penale (III. Ed. 1879), A. 494—497. — Casorati, La nuova legge sul Giuri (Prat. 1874) p. 379 ss.; Derselbe, Di alcune principali riforme ecc. (Bologna 1870) p. 136 ss. — Boron Luigi, L’articulo 494 (Milano 1873). — Deutsches und Oesterr. Recht bis zur neuesten Gesetzgebung: W. Brauer, Die Deutschen Schwurgerichtsgefetze (Erlangen 1856), S. 189—195. — Mittermaier, Gesetzgebung und Rechtsübung über Strafverfahren (Erl. 1856), S. 517—548; Derselbe, Erfahrungen über die Wirksamkeit der Schwurgerichte (Erl. 1865). — Planck, System. Darstell. (Göttingen 1857), S. 389 - 426. — Zachariä, Handbuch des D. StrafPrz., II. (1868) S. 483—527. — v. Würth, Oesterr. StrafPO. v. 1850, S. 552—571. — Holzinger, Die Schwurgerichte in Württemberg (1849), S. 230—255. Walther, Lehrbuch des Bayer. StrafPrz.R. (München 1859), S. 336—359. — Dollmann, Repertorium zum Strafprozeßgesetz (Erlangen 1862), S. 123—133. — Rehm, Leitfaden für

906

Francis — Francke.

den Bors, des Schwurgerichtshofes (Erl. 1859). — Oppenhoff u. Liman-Schwarck zu Art. 80—88 des Preuß. Gef. v. 3. Mai 1852; Vollständige Materialien rc. (Berlin 1862), S. 595-627. — Löwe, DerPreuß. StrafPrz. (Breslau 1861), S. 289—309. - v. Schwarze, Die StrafPrz.Gef. im Königr. Sachsen, Bd. II. Heft 2 (Leipz. 1869), S. 37—63. — Rintel, Von der Jury (1844), S. 271—279. — Stemann, Die Jury in Strafsachen (1847), S. 304 bis 323. — Köstlin, Das Geschworenengericht (1849), S. 195 ff. — H. Meyer, That- und Rechtsfrage im Geschworenengericht (1860). — v. Bar, Recht u. Beweis im Geschworenengericht (1865). — Zacke, Fragestellung und Wahrsprüche (1867). — Hasenbalg, Erheb, d. öffentl. Klage (Hannov. 1854). — Glaser, Die Fragestellung an die Geschworenen (1863, 2. Aust.: Schwurgerichtliche Erörterungen, 1875) S. 1—67; Derselbe, Ges. kl. Schriften (1868) II. S. 178—187. — Wahlberg, Ges. Schriften, I. S. 184 ff. — v. Schwarze in Weiske's Rechtslexikon Bd. X. Art. Schwurgericht S. 83 ff. — Stelling, Ueber Anklage-Besserung (Götting. 1866). - Gneist, Vier Fragen (Berlin 1874), S. 129—133, 135-137. — Auf­ sätze und Abhandlungen in Fachblättern. Allgemeinerer Natur: Archiv für Kriminalrecht, 1852 S. 524—538 (Stemann); 1856 S. 479—500 (Brauer). — Gerichts­ saal, 1855 I. S. 189-231 (Arnold); 1867 S. 358 (v. Schwarze), S. 420 ff. (v. Bar); 1868 S. 10 ff., S. 125 ff. (v. Schwarze); II. 1874 S. 350 ff. (v. Stemann). — Goltdammer's Archiv, I. S. 588—611 (Burchardi); II. S. 167—181 (v. Stemann); III. S. 213—223 (v. Kräwel); IV. S. 485—504: V. S. 452-465; VI. S. 212 ff. (v. Kräwel), S. 589 ff., 755 ff. (v. Tippelskirch); VII. S. 494-498; XL S. 96-99, 242—245; XV. S. 14—18. — Zeitschrift f. Rechtspflege in Bayern, V. S. 545—568; X. S. 569. -Schwurgerichtszeitung, 1. 221—225 (Barth). — v. Holtzendorff's Strasrechtsz., XII. S. 367 ff. (Westrum). — Magazin f. Hannöv. Recht, I. 344 ff. (Leonhardts — Württemb. Arch., IX. S. 1 ff. (Geßler). — Zeitschrift für Schweizerisches Recht, XII. S. 42 ff. (Rüttimann). — Erörterungen einzelner Fragen. (Vgl. auch d. Art. Urtheil.) Rechts- u. Thatfrage, Spezialisirung u. s. w.: Archiv für Kriminalrecht, 1854 S. 403—438 (v. Kräwel). — Gerichtssaal, 1865, S. 401—417 (Brauer); 1855 I. S. 125-147 (Arnold). - Goltdammer's Archiv, III. S. 181-197: X. S. 73—82 (Schaper); X. S. 226—237 , 337 — 348. 377—388 (H. Meyer); XIV. S. 153—167 (Dalcke). — v. Holtzendorff's Strafrechtsztg., III. 191 ff. (Barth); 1866 S. 273 ff. (v. Kräwel). — Eventuelle Fragen: Schwurgerichtsztg., V. S. 28 (Hacht mann). — Alternative Fragen: Goltdammer'sArchiv, XIV. S.377—391 (Rubo). — Zurechnungsfähigkeit: Goltdammer's Archiv, II. 219—226. — Nothwehr: Deutsche Strafrechtspflege, III. 25—45. — Erschwerende Umstände: Goltdammer's Archiv, IV. S. 82—97. —Mildernde Umstände: Haimerl's V.J.Schr.XI. 28-50 (Wahlberg).— Goltdammer's Archiv, V. 502—506. — v. Holtzendorff's Strafrechtsztg., 1869 S. 89 ff. (v.Kräwel). — Komplott, Miturheberschaft, Anstiftung: Goltdammer's Archiv, IX. 517—521, 592—599; XL 369—383. (Vgl. v. Schwarze, D. Schwurgericht, S. 18 ff.) — Urkundenfälschung: Gerichtssaal 1854 II. S. 241 ff. (Mittermaier). — Golt­ dammer's Arch., IX. 217—229 (v. Kräwel); XIV. S. 86—91; XVIII. S. 530 ff.; XIX. S. 515 ff. — Meineid: Goltdammer's Archiv, IX. S. 809—810; X. S. 549—554. — Brandstiftung: Zeitschr. f. Bayern, II. S. 115—125 (Barth). — Neuestes Recht: Oesterr. StrasPO. §§ 316—323; Deutsche StrafPO. §§ 290—301 — sammt den nach Para­ graphen gereihten Kommentaren (s. b. Art. Ablehnung der Geschworenen) zu beiden Gesetzen und deren Materialien. — D o ch o w, Der RStrafPrz. (Berlin 1880), S. 245—250. — H. Meyer in v. Holtzendorff's Handbuch, II. S. 127—183. — Rulf, Praxis der Oesterr. StrafPO. (Wien 1878), S. 102—135. — Ullmann, Das Oesterr. StrafPrz.R. (Innsbruck 1879), S. 580—614. — M. Frydmann, System. Handbuch der Vertheidigung (Wien 1878), S. 248—297. — I. Vargha, Die Vertheidigung (Wien 1879), S. 792—815. Glaser.

Francis, Philip, z 1740 zu Dublin, 1773—80 Mitglied des Rathes für Bengalen, Gegner von Hastings, t 1818; Verfasser der Juniusbriefe 1812 (deutsch von Rüge, 3. Aust. 1867). Seine Memoirs by Parkes & Merivale, London 1867. Lit.: Brockhaus, Die Briefe d. Junius, Leipz. 1876.

Teich mann.

Francke, Wilh. Franz Gottfr., tz 26. VII. 1803 zu Lüneburg,

1828 a. o. Professor in Göttingen, 1831 ord. Professor in Jena, 1844 in Göttingen, t 12. IV. 1873. Seit 1837 Mitherausgeber d. Arch. f. civ. Praxis. Schriften: Civilist..Abh., Gött. 1826. — Beitr. z. Erl. einz. Rechtsmaterien, Gott. 1828. — Recht der Notherben u. Pflichttheilsberechtigten, Gött. 1831. — Exeg. dogm. Komm, über d. Pandektentitel de bered, petit., Gött. 1864, 65. — Archiv f. civil. Praxis, Bd. XVI., XVII., XVIII., XIX., XXI., XXII., XXIII., XXVI., XXX., XLVII. Lit.: Archiv f. civil. Praxis, Bd. LVI. S. 155, 156. - Unsere Zeit, 1873, II. 221. — Günther, Lebensskizzen, 93. — Muther in d. Allg. Deutsch. Biogr. VII. 242. Teichmann.

Franklin — Freikirche.

907

Franklin, Benjamin, L 17. I. 1706 zu Boston, gründete zu Philadelphia eine Druckerei, durch die er für Verbreitung nützlicher Kenntnisse in der Volksmasse wirkte, wurde Sekretär, dann Mitglied des Hauses für Pennsylvanien, später Ge­ neralpostmeister, als Unterhändler nach Europa gesandt, nahm lebhaften Antheil an der Unabhängigkeitserklärung, ging nach Frankreich, um Unterstützung zu gewinnen, unterzeichnete den die Unabhängigkeit festsetzenden Friedenstraktat, kehrte 1785 nach Amerika zurück, wo er zum Präsidenten von Pennsylvanien erwählt wurde, zog sich 1788 zurück, f 17. IV. 1790. Schriften: Works of B. F. by Sparks, Bost. 1840 u. 1858. — Memoirs of the life and writings of B. F., 1818, 1819, deutsch von Binzer, Kiel 1829. — 0. de B. F. par Barbeu-Dubourg, 1773. — La Science du Bonhomme Richard, Dijon 1795. — Melanges de morale et d’econ. polit. trad. par Renouard, 1825. — Nachgel. Schriften, Weimar 1815—17. — Mem. et Correspondance par Laboulaye, 1865, 1866. — Essais de morale et d’econ. polit. trad. par Laboulaye, 1869. Lit.: Autobiographie, deutsch, Stuttg. 1875. — Biogr. v. W. Temple, 1818, 1819, Sparks, 1856, Parton, 1864, Bigelow (Philad. 1874). — Mignet, Portraits et notice (4), II. 305-483. — Bluntschli, StaatsWört.B., III. 605-609. — Eloge lu ä l’Acad. par Condorcet. — Laboulaye, Discours populaires, Paris 1869. Teichmann.

Freher, Marquard, z 26. VII. 1565 zu Augsburg, lehrte zu Nürnberg, wurde mit verschiedenen Missionen betraut, f 13. V. 1614. Schriften: Comm. de secretis judiciis olim in Westphalia, Heidelb. 1599. — Germ, rer. scriptores aliquot insignes, Francos. 1600—11. — Rer. moscovitarum script., 1600. — Rer. bohemicarum script., 1602. Lit.: Niceron, XXL — Ersch u. Gruber. — Wegele, in d. Allg. Teutsch. Biogr. VII. 334. Teich mann.

Freiesleben, Christ. Heinr., Sachsen-Gothaischer Kammerherr und Berg­ rath zu Altenburg, t gegen 1733, Herausgeber des Corpus jur. civ. acad. 1721. — Corpus jur. can. acad. 1728. — Zu unterscheiden von Christ. Heinrich Frei­ esleben (1696—1741), Verfasser einer Eint. z. bürgerl. Deutschen Rechtsgelahrt­ heit, 1726, und Decis. et respons. de insignioribus jur. quaestt., 1734. Vgl. Steffenhagen in der Allg. Deutschen Biogr. VII. 388. Teich mann. Freikirche. Das Wort „F." drückt einen dreifachen Gegensatz aus: einmal zu den sog. Landeskirchen, d. h. allen vom Staate privilegirten, darum aber auch mehr oder weniger von ihm abhängigen Kirchen, — sodann zu allen nichtchrist­ lichen Religionsgesellschaften, — endlich zur bloßen Sekte. Es ist daher auch zuerst in Gebrauch gekommen für solche kirchliche Gemeinwesen, welche sich bildeten aus einer verhältnißmäßig erheblichen Zahl von Mitgliedern oder gar Gemeinden, die nicht um neuer Lehranschauungen willen, sondern speziell um der Abhängigkeit vom Staate zu entgehen, aus einer Landeskirche ausgeschieden sind. So in Schottland, wo der Jahrhunderte lang andauernde Kampf um das Patronatsrecht schließlich den hervorragendsten Theil der Geistlichkeit zum Austritt aus der presbyterianischen Na­ tionalkirche und zur Gründung von free-church- associations trieb (1843); so in Waadtland (1845), wo die Inanspruchnahme der Kanzel seitens der Kantonregie­ rung zu politischen Zwecken der Anlaß für die Stiftung der eglise libre wurde. Nachdem indessen der Ausdruck sich einmal eingebürgert hat, ist er zugleich ver­ wendbar geworden für eine Reihe verwandter, genauer gesagt, aller sonstigen Er­ scheinungen, bei denen der bemerkte dreifache Gegensatz sich ebenfalls beobachten läßt. Und zwar in einer zweifachen Bedeutung: je nachdem man nämlich den Nachdruck auf die den Religionsgemeinschaften selbst innewohnende Tendenz oder vielmehr auf die Stellung legt, welche der Staat zu den in sein Territorium fallenden Religi­ onsgemeinschaften einnimmt.

908

Freikux.

Von dem zuerst bezeichneten Standpunkte aus, den man den rein „kirchen­ rechtlichen" nennen könnte, sind zu den F. alle christlichen Religionsgemeinschaften zu zählen, welche dem Staate im Allgemeinen als Privatvereine (erlaubte oder ver­ botene) gegenüberstehen; also auch die christlichen Sekten im staatsrechtlichen Sinne, — falls sie nur frei sind von jener Ausschließlichkeit und moralischen Verschro­ benheit, welche das Sektenwesen im religiösen Sinne charakterisiren. So verstanden war also das gesammte christliche Kirchenwesen während der ersten drei Jahrhun­ derte unserer Zeitrechnung nicht minder ein freikirchliches, wie dasjenige der prote­ stantischen „Kirchen unterm Kreuz" in Frankreich, am Niederrhein rc. Desgleichen sind F. in diesem weiteren Sinn? die Gemeinschaften der Herrnhuter, Altlutheraner, Niederländischen Reformirten, Mennoniten, Quäker u. a. in Preußen und anderen Deutschen Bundesstaaten, gleichviel ob sie Korporationsrechte (auf dem Boden des bürgerlichen Rechts) besitzen oder nicht, staatlich genehmigt oder blos thatsächlich geduldet sind. Von dem zweiten „staatsrechtlichen" Standpunkte aus betrachtet, begreift der fragliche Ausdruck nur diejenigen F.- im kirchenrechtlichen Sinne, welchen von Staats­ wegen der Titel „Kirche" offen zugestanden oder wenigstens nicht vorenthalten wird. Protestantische F. in diesem engern, staatsrechtlichen Sinne kommen gegenwärtig, außer in Schottland und in der Schweiz, auch in Belgien und Frankreich neben protestantischen Landeskirchen vor; in der Schweiz erscheint in gleicher Weise die römisch-katholische Kirche in verschiedenen Kantonen neben einer altkatholischen Staats­ kirche. Die christlichen „Denominationen" der Vereinigten Staaten sind hieran an­ zuschließen, obgleich die völlige Aufhebung alles privilegirten Kirchenthums die Be­ tonung des Gegensatzes wider dasselbe überflüssig gemacht hat. Für die innere Rechtsordnung der F. ist der dargelegte Bedeutungsunter­ schied um so gewisser irrelevant, als selbst durch eine streng ablehnende Haltung des Staates die Existenz einer solchen inneren Rechtsordnung nicht unbedingt ausge­ schlossen wird. Quellen u. Lit.: 1) Ueber die Verhältnisse einzelner gegenwärtig bestehenden Freikirchen: Sydow, Die Schottische Kirchenfrage, 1845. — Gareis u. Zorn, Staat und Kirche in der Schweiz, 1877 ff., bes. II. S. 228-260. — Rüttimann, Kirche und Staat in Nordamerika, 1871. — Thompson, Kirche und Staat in Nordamerika, 1873. — Herzog's theol. RealEncyklopädie (2. Aust.) s. v. Belgien, Frankreich u. s. w. — Friedberg in Dove's Zeitschr. f. Kirchenrecht, III. 364 ff., IV. 381 ff. (betr. die Ertheilung von Korporationsrechten an Dissi­ denten u. religiöse Gemeinschaften in Frankreich, Belgien, Italien, Schweiz, Holland). — Mos er's Allg. Kirchenbl. f. d. evang. Deutsch!., Jahrg. 1853 S. 177 ff. (Zusammenstellung); and. Jahrg. passim. — Jacobson, Ev. Kirchenrecht Preußens und in der Zeitschrift für Kirchenrecht, I. 392. — Porubzsky, ebendas. IX. 434 ff.; ferner XL 432; XIII. 162 (Oesterreich); X. 461 (Sachsen); XL 333, 482 (Württemberg). — Stälin, Die Rechtsverfassung der religiösen Gemeinschaften in Württemberg, Stuttg. 1870. — Vgl. auch die Berichte über das evangel. relia. Leben der verschiedenen Länder in der 7. Hauptversammlung der evangel. Allianz (Basel 1879). — 2) Ueber die juristische Natur freikirchlicher Ordnungen im Allgem.: Mejer, Kirchenrecht, § 4 ff. — Zeitschrift für Kirch enrecht, X. 442 ff. (Bierling); XI. 178 ff. (Sohm), 278—304 (Weser); XII. 52-77 (v. Scheurl); XIII. 256-291 (Bierling). — Richter-Dove, Kirchenrecht, 8. Ausl., § 3 n. 3. Bierling.

Freikux ist ein Kux (s. diesen Art.), dessen Inhaber den Anspruch aus Ge­ währung der antheiligen Ausbeute (nur in Freiberg und Joachimsthal auch schon der Verlagserstattung) eines Bergwerkes ohne die Verpflichtung zur Tragung der antheiligen Grubenlasten (s. d. Art. Mitbaurecht) zusteht. Gesetzliche F. (je einen oder mehrere) genießen nach den Bergordnungen der Eigenthümer des Grund­ stücks, aus welchem die Fundgrube liegt: Grundkux oder Erbkux (s. diesen Art.), sowie partikularrechtlich im Gegensatze zu der Abgabenfreiheit der Bergleute die Bergstädte (resp. Abbauorte) für ihre Kämmerei, Kirche, Armenkasse (Hospital), Schule, ferner die Knappschaftskasse (s. diesen Art.), der Gerichtsherr (Bayern), der Landesherr (zum Theil als Holzkux für freies Grubenholz). Ander-

Freiwillige Gerichtsbarkeit.

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wärts dafür fixe Grubenabgaben für Kirche und Schule (Französ. Edikt Heinrichs IV. vom 14. Mai 1604 fordert V30 zum Unterhalte eines Priesters und Chirurgen). Refervirte Felder des Regalherrn unterliegen dem F. nicht. Die Inhaber der F., welche nicht immer in die regelmäßige Kuxzahl 128 eingerechnet werden, sondern derselben zuweilen (Bayern, Cleve, Preuß. LR.) hinzutreten, haben kein Stimmrecht in Gewerkenangelegenheiten (Preuß. Gesetz vom 12. Mai 1851, § 5); ihr Recht gilt als Reallast (gemeine Last). In Schlesien fließen die Ausbeuten der Kirchenund Schulkuxe in den allgemeinen Freikuxgelderfonds (Kab.O. vom 9. März 1830). Die neueren Berggesetze haben mit dem Wegfalle der Abgabenfreiheit der Bergleute auch die F. rücksichtlich neuverliehener Bergwerke beseitigt, die bestehenden regelmäßig (die Knappschafts- und Armenkuxe sind in Preußen durch Knappschaftsges. vom 10. April 1854, § 9, ohne Aenderung der Gewerkenkuxzahl aufgehoben) für ablösbar im Wege freier Vereinigung erklärt (Königr. Sachsen 1851, § 288 ff.; Preußen und Bayern § 224). Lit.: Köhler, Anleitung, S. 369. — Klostermann, Lehrbuch, S. 330. — Achen­ bach, Gemeines Bergrecht, S. 213, 294. — Für Oesterreich: Schneider, Lehrbuch (1848), S. 243, 394 ff. Leuthold.

Freiwillige Gerichtsbarkeit (Th. I. S. 370, 592), jurisdictio voluntaria, d. h. die Mitwirkung des Gerichtes bei der Entstehung, Veränderung oder Auf­ hebung von Rechtsverhältnissen, welche durch die Partei, resp, die Parteien beab­ sichtigt werden. Sie wird heute der jurisdictio contentiosa, der streitigen Gerichts­ barkeit , also der Thätigkeit der Gerichte in prozessualischen Angelegenheiten gegen­ übergesetzt und umfaßt die Mitwirkung der Gerichte bei der Aufnahme einseitiger oder zweiseitiger Rechtsakte (z. B. der Testamente, Erbschaftsantretungen und Ent­ sagungen, Verträge jeglicher Art), sei es, daß diese blos der urkundlichen Beglau­ bigung wegen oder behufs Herstellung der civilrechtlich vorgeschriebenen Solennitätsform (im letzteren Falle bald mit, bald ohne vorgängige causae cognitio) nachge­ sucht wird; ferner die Thätigkeit der Gerichte bei Versteigerungen von Immobilien, bei Nachlaßregulirungen, bei der Handhabung des Hypotheken- resp. Grundbuchs­ wesens und endlich bei der Leitung der Vormundschaftssachen. Erst mit der Be­ schränkung der Selbstthätigkeit der Parteien im Gemeinen Civilprozeß ist der Ge­ gensatz in der formellen Behandlung eines Theils dieser Geschäfte in der heutigen Schärfe hervorgetreten, während im Römischen und im älteren Deutschen Recht eine Reihe von Akten der heutigen f. ($£. in den Formen des prozessualischen Verfahrens (so die in jure cessio, die Auflassung) vorgenommen wurden. Gemeinrechtlich gilt heute der Grundsatz, daß Derjenige, welcher überhaupt die Gerichtsbarkeit besitzt, auch zur Vornahme der in das Gebiet der jurisdictio voluntaria gehörigen Hand­ lungen befugt ist. Die Grundfätze über die Kompetenz der Gerichte kommen auf dem hier in Rede stehenden Gebiet nicht zur Anwendung, wenn es sich lediglich darum handelt, durch die gerichtliche Aufnahme oder Beglaubigung nur eine mehr Sicher­ heit bietende, urkundliche Form als die Privatschrift zu erlangen oder wenn die erstere zwar als Solennitätsform, aber außer dieser keine causae cognitio verlangt wird, während im letzteren Fall, sowie für das Vormundschaftswesen und den Hypotheken­ verkehr dergleichen Vorschriften ebenfalls bestehen, auch mitunter schon die Kompe­ tenz durch die Natur der Sache (so für die Eintragungen in das Grund- oder Hy­ pothekenbuch durch die Lage des Immobiles) gegeben ist. Dieses gemeinrechtliche System besteht z. B. in Altpreußen, wo für die Aufnahme gewöhnlicher Rechtsakte zur Beglaubigung derselben, theils aber auch zur Herstellung der Solennitätsform, die Notare mit den Gerichten konkurriren. Den absoluten Gegensatz zu dieser Ein­ richtung bilden die Französischen, auf einzelne Theile Deutschlands, z. B. die Rheinprovinz, übertragenen Einrichtungen. Nach diesem Systeme haben die Gerichte, mit Ausnahme der Friedensgerichte, welche mit der Handhabung des Vormund-

910

Freizügigkeit.

schafts-, des Einregistrirungswesens, der Leitung der Subhastation und noch ein­ zelner anderer Angelegenheiten betraut sind, nichts mit der f. G. zu thun. Der größte Theil der Geschäfte der letzteren, nammtlich die Aufnahme und Beglaubi­ gung von Rechtsakten gebührt den Notaren. Außerdem kommen als Organe der f. G. noch die Hypothekenbewahrer, die Personenstandsbeamten — die Funktionen derselben ergeben ihre Namen —, ferner die Gerichtssekretäre für einzelne Geschäfte (z. B. Aufnahme von Verzichten auf Erbschaften und eheliche Gütergemeinschaft, Erbschaftsantritt mit der Rechtswohlthat des Inventars) und endlich die Staats­ behörden (die Staatsprokuratoren oder Staatsanwälte) in Frage, letztere in doppelter Funktion, da sie erstens die vorhin erwähnten Personen bei der Führung der ihnen obliegenden Geschäfte zu überwachen, ferner aber auch einzelne Akte der f. G. (z.B. die Bestellung von Vormündern für unmündige Personen, Kuratoren vakanter Verlassenschaften) selbst zu veranlassen haben. Die neue Reichsjustizgesetzgebung bezieht sich weder auf die f. G. noch auf die Behörden, durch welche die letztere ausgeübt wird. Indirekt hat sie aber insofern einen Einfluß gehabt, als mit dem Wegfall der bisherigen und mit der Errichtung der reichsgesetzlich angeordneten Gerichte die Uebertragung der Geschäfte der f. G. durch die Partikulargesetzgebung auch auf die letzteren, insbesondere für die Regel auf die Amtsgerichte, erfolgt ist. Lit.: F. Oesterley, Versuche aus dem Gebiete der sog. fr. G., Hann. 1830. — W. H. Puchta, Handb. des gerichtl. Verfahrens in Sachen der fr. G., 2 Thle., 2. Aufl. Erl. 1831. P. Hinschius.

Freizügigkeit. I. Das Preuß. Recht. Nach Aufhebung der Erbunterthänigkeit und Einführung der Gewerbefreiheit wurde das Recht der freien Nieder­ lassung in der Praxis der Verwaltung bereits ziemlich vollständig zur Geltung gebracht. Feste Rechtsnormen enthalten dann die beiden eng zusammengehörenden Gesetze vom 31. Dezember 1842 über die Aufnahme neu anziehender Personen und über die Verpflichtung zur Armenpflege. Danach ist das Recht des Aufenthalts nur von dem thatsächlichen Umstande abhängig, daß der Betreffende in dem frag­ lichen Orte sich eine eigene Wohnung oder ein Unterkonnnen selbst zu verschaffen im Stande ist. Die Abweisung eines neu Anziehenden ist jedoch gerechtfertigt, wenn derselbe weder hinreichendes Vermögen noch Kräfte besitzt, sich und seinen nicht arbeitsfähigen Angehörigen den nothdürftigen Lebensunterhalt zu verfchaffen, solchen auch nicht von einem zu seiner Ernährung verpflichteten Verwandten zu erwarten hat, keineswegs aber aus Besorgniß künftiger Verarmung. Die Wegweisung eines neu Angezogenen an die Gemeinde seines früheren Aufenthalts kann außerdem er­ folgen, wenn sich binnen Jahresfrist nach dem Anzuge die Nothwendigkeit einer öffentlichen Unterstützung offenbart, und die Gemeinde nachweist, daß die Verarmung schon vor dem Anzuge vorhanden war. (Gesetz über die Aufnahme neu anziehender Personen, §§ 1, 4, 5.) Ein derartiges Aufenthaltsrecht hat aber auf andere Rechts­ verhältnisse , wie Bürgerrecht, Theilnahme an Gemeindenutzungen re., gar keinen Einfluß, dasselbe begründet an sich nicht einmal einen Anspruch auf Armenpflege. Der Unterstützungswohnsitz (Hülfsdomizil) muß vielmehr neben dem Aufenthaltsrechte besonders erworben werden. Auch für diesen Unterstützungswohnsitz ist nicht etwa die Geburtsheimath, oder die ausdrückliche Aufnahme in den Gemeindeverband maß­ gebend, sondern der Erwerb desselben geschieht gleichfalls durch Zeitablauf. Und zwar in doppelter Weise. Entweder durch eine bei der Polizeiobrigkeit angebrachte und von dieser bescheinigte Meldung; dieser angemeldete Wohnsitz wird nach dem Gesetze von 1842 sofort zum Unterstützungswohnsitz, so daß also in diesem Falle der Erwerb des Aufenthaltsrechts und des Hülfsdomizils ziemlich zusammenfallen. Diese Erwerbsart des Unterstützungswohnsitzes ist aber für Personen, welche als Dienstboten, Haus- und Wirthschaftsbeamte, Handwerksgesellen, Fabrikarbeiter re. im Dienste eines Anderen stehen, nicht zulässig. Oder durch einen einfachen Zeitablauf

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für alle Personen ohne Unterschied, indem der Unterstützungswohnfitz da begründet ist, wo sie während der drei letzten Jahre vor dem Eintritt der Hülfsbedürftigkeit ihren Aufenthalt gehabt haben. Dieser leicht zu erwerbende Unterstützungswohnsitz wird aber ebenso leicht wieder verloren und erlischt, wenn der Verarmte drei Jahr abwesend gewesen ist; der Preußische Unterstützungswohnsitz unterscheidet sich auch dadurch von dem altdeutschen Heimathsbegriff, der stabil und unzerstörbar war, und bis zum Erwerb einer andern Heimath in Wirksamkeit blieb; die natürliche Folge ist die verhältnißmüßig große Anzahl von Heimathlosen nach Preuß. Recht. Die Verpflichtung zur Unterstützung ruht theils aus den Ortsverbänden, worunter die Gemeinden und diejenigen Gutsherrschaften verstanden werden, deren Besitzungen sich nicht im Gemeindeverbande befinden, theils aus den Landarmenverbänden, denen in erster Reihe die Pflicht obliegt, für diejenigen Verarmten zu sorgen, welche keinen Unterstützungswohnsitz haben (Landarme, Heimathlose), die aber auch außerdem un­ vermögenden Ortsarmenverbänden Beihülfe leisten müssen. Wiederum ist auch dieser Unterstützungswohnsitz auf andere Rechtsverhältnisse, insbesondere Bürgerrecht, ohne Einfluß. (Gesetz über die Aufnahme neu anziehender Personen, §§ 8—12; Gesetz über die Verpflichtung zur Armenpflege, §§ 1 ff.) Gegen diese von der absoluten Monarchie gewährte Zugfreiheit machte sich nach Eintritt der konstitutionellen Aera eine Gegenströnnmg geltend, die vom kommunalen Standpunkte aus eine Ueberbürdung hinsichtlich der Armenversorgungspflicht befürch­ tete. Die Regierung trat diesen Tendenzen, die namentlich in der ersten Kammer sich geltend machten, wegen des Zusammenhangs der F. mit der gesammten übrigen Gesetzgebung und wegen der für die Gesammtheit des Staats aus diesem Grundsätze hervorgehenden Vortheile im Ganzen entgegen. Dennoch sind die Normen der 1842er Gesetze in zwei Beziehungen zeitweise verdunkelt worden. Einerseits wurde durch die kommunale Gesetzgebung der Jahre 1853—1856 (vgl. Rheinische Gemeindeordn. vom 23. Juli 1845) den Städten der ganzen Monarchie und den Landge­ meinden Westfalens und der Rheinprovinz, nicht aber den Landgemeinden der östlichen Provinzen, das Recht ertheilt, durch Gemeindeschluß, unter Genehmigung der Be­ zirksregierung, die Erhebung eines Eiuzugsgeldes anzuordnen, und von dessen Ent­ richtung die Gestattung der Niederlassung und des ferneren Aufenthalts abhängig zu machen. Diese Erhebung von Einzugsgeld wurde jedoch durch Gesetz vom 14. Mai 1860 und vom 24. Juni 1861 modifizirt, und durch Gesetz vom 2. März 1867 gänzlich aufgehoben. Andererseits bestimmt das Gesetz vom 21. Mai 1855 zur Ergänzung der Gesetze vom 21. Dezember 1842 über die Verpflichtung zur Armen­ pflege und über die Aufnahme neu anziehender Personen, daß wenn die öffentliche Armenpflege schon im ersten Jahre nach der Ansiedelung nöthig wird, das Zurück­ gehen auf den Verband des früheren Aufenthalts oder der frühern Angehörigkeit immer stattfinden soll, ohne den Nachweis, daß die Verarmung schon vor dem An­ zuge vorhanden war, daß also erst nach Ablauf eines Jahres der sog. Unterstützungs­ wohnsitz begründet wird. Diese altpreußische Gesetzgebung ist nur in der vormals Bayerischen Enklave Kaulsdorf und in dem vormals Hessen-Homburgischen Amte Meisenheim eingeführt worden, dagegen in den übrigen durch die Gesetze vom 20. September und 24. De­ zember 1866 einverleibten Landestheilen ebensowenig wie früher in den Hohenzollernschen Landen und im Jadegebiet. Wie in den meisten übrigen Deutschen Län­ dern, so bestand auch in diesen neuerworbenen Provinzen die F. nur in sehr unvoll­ kommenem Maße. Insbesondere wurde in Hannover nach der Verordnung über die Bestimmungen des Wohnorts der Unterthanen in polizeilicher Hinsicht vom 6. Juli 1827 (sog. Domizilordnung) das Recht zum fernern Aufenthalte an einem Orte davon abhängig gemacht, daß Jemand fünf Jahre hindurch mit der Absicht dauernder Niederlassung in einer Gemeinde sich ununterbrochen aufhält und seinen eigenen Haushalt führt, so daß die Gemeinde eine Kenntniß davon hat erlangen

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können, und seine Absicht, einen bleibenden Wohnort zu nehmen, deutlich geworden ist. (Niemeyer und Strandes, Die Domizilordnung sür das Königreich Hannover, 2. Aust., Hannover 1863, S. 9 ff.) In Kurhessen bestand nach der Gemeindeordn. sür die Städte und Landgemeinden vom 23. Oktober 1834 die Vorschrift, daß keine Gemeinde gezwungen werden konnte, den dauernden Aufenthalt zu gestatten, wenn der Zuziehende nicht vorher das Gemeindebürgerrecht erlangt hatte, zu welchem Zwecke er den gesetzlichen Vermögensnachweis liefern mußte; wo­ gegen vorübergehender Aufenthalt nur auf Zeit und ohne Berechtigung zum selbst­ ständigen Gewerbebetrieb gestattet war. In Nassau war der dauernde Aufenthalt nach der Gemeindeordn. vom 26. Juni 1854 ebenfalls an das Erforderniß der Ge­ meindeangehörigkeit geknüpft, für deren Erwerb jedoch leichtere Bedingungen gestellt waren; die Entscheidung über den vorübergehenden Aufenthalt war im Wesentlichen det diskretionären Gewalt der Behörden überlassen. II. Das Deutsche Reichsrecht. 1) Die Reichsverfassung. Der Art. III der Reichsverfassung hat in wörtlicher Uebereinstimmung mit der des Nordd. Bundes bestimmt, daß für den ganzen Umfang des Bundesgebiets ein gemeinsames Jndigenat bestehen solle mit der Wirkung, daß der Angehörige eines jeden Bundesstaats in jedem andern Bundesstaate als Inländer zu behandeln, und demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetrieb, zu öffentlichen Aemtern, zur Erwerbung von Grund­ stücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechts und zum Genusse aller sonstigen bür­ gerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen, wie der Einheimische zuzulassen, auch in Betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu be­ handeln sei. Es steht nun zweierlei fest. Einerseits handelt es sich hier nicht etwa nur um einen allgemeinen legislatorischen Grundsatz, der zu seiner praktischen Aus­ führung noch eines besonderen Gesetzes bedürfte, vielmehr haben in allen Bundes­ staaten wenigstens die höheren Gerichte anerkannt, daß der Art. III über die Be­ deutung einer gesetzlichen Verheißung hinaus eine Rechtsregel aufftelle, die mit der Einführung der Verfassung sofort praktische Geltung erlangt habe. Andererseits gewährt aber das hier verliehene allgemeine Bundesindigenat lediglich die Befugniß für jeden Deutschen, in jedem Staate nach den dort hinsichtlich der F. gellenden Grundsätzen behandelt zu werden, nicht aber das Recht der F. überhaupt, vielmehr bleibt hierfür zunächst die einzelstaatliche Gesetzgebung maßgebend; es giebt zwar kein Deutsches Ausland mehr, aber auch kein Deutsches Inland mit einem einheitlichen Gebiet für völlig freie Bewegung; und während der Deutsche Kleinstaatler von der Preuß. F. nach Maßgabe der Gesetze von 1842 und 1855 Nutzen zieht, ist der Preuße in den Deutschen Kleinstaaten der dortigen engherzigen Gesetzgebung unter­ worfen. Indem aber Art. IV Nr. 1 der Bundesverfassung festsetzte, daß die Be­ stimmungen über F., Heimaths- und Niederlassungsverhältnisse der Beauffichtigung und Gesetzgebung des Bundes unterliegen sollten, so war dadurch die Möglichkeit gegeben, das Bundesindigenat aus seiner mehr negativen Gestalt zu einem selbstän­ digen, von den Landesgesetzgebungen unabhängigen Rechte Deutscher Bundesangehö­ rigkeit auf dem Wege der Bundesgesetzgebung zu gestalten. Und dieser Erfolg ist auch bereits im Wesentlichen erreicht, sowol hinsichtlich der fteien Niederlassung, als auch hinsichtlich des Unterstützungswohnsitzes. 2) Das Bundesgesetz vom 1. November 1867 über die F. Dasselbe beruht ganz auf den altpreußischen Grundsätzen und hebt in demselben Augenblicke die Verschiedenheiten zwischen den alt- und neupreußischen Gebietstheilen, wie zwischen Preußen und den übrigen Norddeutschen Bundesstaaten auf. Dasselbe gilt gegen­ wärtig für den ganzen Umfang des Deutschen Reichs. Danach ist das Recht des Aufenthalts oder der Niederlassung nur von dem thatsächlichen Umstande abhängig, daß der Betreffende an dem fraglichen Orte eine eigene Wohnung oder ein Unter­ kommen sich zu verschaffen im Stande ist. Die Abweisung ist jedoch gerechtfertigt, wenn die Gemeinde nachweisen kann, daß der neu Anziehende nicht hinreichende

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Kräfte besitzt, um sich und seinen nicht arbeitsfähigen Angehörigen den nothdürftigen Lebensunterhalt zu verschaffen, und wenn er solchen weder aus eigenem Vermögen bestreiten kann, noch von einem dazu verpflichteten Verwandten erhält; doch können selbst diese Befugnisse der Gemeinden landesgesetzlich noch weiter beschränkt werden, wie manche Bundesstaaten schon früher weiter gegangen sind, z. B. das Königreich Sachfen, wo der Mangel an Arbeitskraft oder Vermögen dann keinen Grund zur Abweisung eines neu Anziehenden bildet, wenn derselbe nur über seine Heimath und sein Verhalten in der letzten Zeit sich gehörig ausweist; die Besorgniß vor künftiger Verarmung berechtigt den Gemeindevorstand nicht zur Zurückweisung. Die Fort­ setzung des Aufenthalts kann versagt werden, wenn sich nach dem Anzuge die Noth­ wendigkeit einer öffentlichen Unterstützung offenbart, bevor der Neuanziehende an dem Aufenthaltsorte einen Unterstützungswohnsitz (Heimathsrecht) erworben hat, und wenn die Gemeinde zugleich nachweist, daß die Unterstützung aus anderen Gründen als wegen einer nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit nothwendig geworden ist. Die Gemeinden sind nicht befugt, von Neuanziehenden wegen des Anzugs eine Abgabe zu erheben, oder dieselben vor Ablauf von drei Monaten zu den Gemeindelasten heranzuziehen. Diese bundesmäßige F. gewährt auch das Recht, an jedem Orte Grundeigenthum aller Art zu erwerben, sowie Gewerbe aller Art zu betreiben unter den für Einheimische geltenden gesetzlichen Bestimmungen. Diese Rechte des Aufent­ haltes resp, der Niederlassung, des Gewerbebetriebes und des Erwerbes von Grund­ eigenthum dürfen auch keinen Bundesangehörigen um des Glaubensbekenntnisses willen oder wegen fehlender Landes- oder Gemeindeangehörigkeit verweigert werden. Dagegen hat die F. wiederum auf andere Rechtsverhältnisse, wie Bürgerrecht, Theil­ nahme an den Gemeindenutzungen rc., keinen Einfluß, nur versteht es sich von selbst, daß, wo nach der bestehenden Gesetzgebung oder nach der Lokalverfassung die Befugniß, sich aufzuhalten oder niederzulassen, von der vorgängigen Erwerbung des Bürgerrechts oder der Gemeindeangehörigkeit abhängt, allerdings eine Aenderung eintritt, denn der Aufenthalt oder die Niederlassung ist von einer derartigen Be­ dingung absolut frei; während dagegen in dem andern Falle, wo das Bürgerrecht nicht die Voraussetzung, aber die Folge der Niederlassung war, die bestehenden Be­ stimmungen in Kraft bleiben, und der Territorialgesetzgebung Vorbehalten wird, die durch die neuen Verhältnisse etwa wünschenswerthen Abänderungen zu treffen. Ins" besondere hat das Gesetz über die F. zu keiner gemeinschaftlichen Ordnung der Heimathverhältnisse und der damit zusammenhängenden Armenpflege geführt; der Neu­ anziehende erwirbt keineswegs nach gleichmäßigen bundesrechtlichen Normen einen Unterstützungswohnsitz, vielmehr bleiben die landesgesetzlichen Bestimmungen in Kraft, so daß also die Gemeinden in den älteren Preußischen Landestheilen schon nach einem Jahre den Unterstützungswohnsitz gewähren müssen, während das anderswo erst nach längerer Frist oder gar nicht geschieht. Indessen hatte doch bei dem unverkennbaren engen Zusammenhänge, in welchem diese Verhältnisse mit einander stehen, bei Ge­ legenheit des Freizügigkeitsgesetzes der Reichstag eine auf schleunige Vorlegung eines Bundesheimathgesetzes gerichtete Resolution beschlossen. 3) Das Bundesgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870. Dasselbe enthält eine einheitliche Regelung des Unterstützungswohnsitzes nicht blos für die Fälle des zwischenstaatlichen Verkehrs, wie die Vorlage des Bundesrathes proponirt hatte, wonach also die sämmtlichen Landesgesetzgebungen in Kraft geblieben, in jedem Lande aber besondere Institutionen für Inländer und besondere Institu­ tionen für andere Deutsche dauernd eingerichtet wären, so daß in jedem Einzelstaate nach der Abstammung des Hülssbedürftigen verschiedenartiges Recht gegolten hätte, sondern die Einheitlichkeit ist in Uebereinstimmung mit dem von der Preußischen Regierung dem Bundesrathe vorgelegten Entwurf vom Reichstage als eine absolute sestgestellt worden, vor der die einzelnen Landesgesetzgebungen völlig verschwinden. Das materielle System ist wieder das altpreußische, d. h. dasjenige, welches sich

v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon I. 3. Aufl.

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fast ein Menschenalter im größten Theile des Bundesgebiets bereits bewährt hat. Indem eine Geburtsheimath nur noch in dem Sinne stattfindet, daß die Kinder dem Unterstützungswohnsitze des Vaters — uneheliche dem der Mutter — so lange folgen, bis nach erkannter Großjährigkeit durch ihre eigenen Aufenthaltsverhältnisse eine Aenderung begründet wird und ein Gemeindeheimathsrecht gar nicht mehr be­ steht, so beruht die Unterstützungspflicht im Wesentlichen auf der Grundlage des Aufenthalts in Verbindung mit Zeitablauf. Während aber in Preußen hinsichtlich der Dauer des Aufenthalts ein Dualismus bestand, indem bei polizeilicher Meldung nach dem Gesetz von 1842 ein sofortiger Erwerb eintrat, nach dem Gesetz von 1855 ein einjähriger Aufenthalt genügte, dagegen ohne polizeiliche Meldung und bei ge­ wissen Personenklassen überhaupt ein dreijähriger Aufenthalt gefordert wurde, so wird gegenwärtig in Deutschland ohne Unterschied durch einen zwei Jahre lang ununter­ brochen fortgesetzten Aufenthalt der Unterstützungswohnsitz begründet, was ein that­ sächlicher Gewinn ist, da die Begründung eines Hülfsdomizils auf Grund einjähriger Frist in Preußen faktisch sehr selten gewesen ist. (Der Bundesrathsentwurf hatte übrigens fünf, der Kommissionsbericht drei, die Präsidialvorlage zwei Jahre.) Der Anfangstermin der Fähigkeit zum selbständigen Erwerb des Unterstützungswohnsitzes ist das vollendete 24. Lebensjahr. Dieser Termin fällt also gegenwärtig in dem weitaus größten Theile des Bundesgebiets mit dem Volljährigkeitstermine nicht mehr zusammen. Die Grundsätze über den Verlust dieses Unterstützungswohnsitzes decken sich mit den Grundsätzen über den Erwerb materiell und in der Fassung, insbesondere gilt für den Verlust durch ununterbrochene Abwesenheit nach vollen­ detem 24. Lebensjahre dieselbe zweijährige Frist wie für den Erwerb. Uebrigens soll Niemand einen doppelten Unterstützungswohnsitz haben, so daß also jeder Erwerb Hin­ eines neuen den Verlust des bisherigen schon stillschweigend nach sich zieht. sichtlich der Unterstützungspflicht unterscheidet das Gesetz zwischen der thatsächlichen vorläufigen Hülfeleistung, welche sofort eZolgt, sobald die Hülfsbedürftigkeit eines Deutschen zu Tage tritt, und welche ausnahmslos demjenigen Ortsarmenverbande zufällt, in dessen Bezirk sich der Deutsche bei dem Eintritte der Hülfsbedürftigkeit aufhält, jedoch vorbehältlich des Regresses gegen den endgültig verpflichteten Ver­ band, und der endgültigen Verpflichtung zur Unterstützung eines hülfsbedürftigen Deutschen, welche in erster Linie dem Ortsarmenverbande des Unterstützungswohn­ sitzes, in zweiter Linie, sofern nämlich kein Ortsarmenverband verpflichtet ist, dem­ jenigen Landarmenverbande aufgelegt wird, in dessen Bezirk sich der Deutsche bei dem Eintritt der Hülfsbedürftigkeit aufhält. Ortsarmenverbünde können aus einer oder aus mehreren Gemeinden, aus einem oder mehreren selbständigen Gutsbezirken oder aus Gemeinden und Gutsbezirken zusammengesetzt sein; solche sind überall bis zum 1. Juli 1871 einzurichten. Landarmenverbände umfassen in der Regel eine Mehrzahl von Ortsarmenverbänden, können sich aber ausnahmsweise auf den Bezirk eines einzigen Ortsarm en Verb and es beschränken; solche sind gleichfalls überall bis zum 1. Juli 1871 einzurichten, doch steht es den Einzelstaaten auch frei, unmittel­ bar die Funktionen des Landarmenverbandes zu übernehmen. Die innere Organi­ sation dieser Orts- und Landarmenverbände, sowie die Bestimmungen über die Art und das Maß der zu gewährenden öffentlichen Unterstützung, über die Beschaffung der erforderlichen Mittel, darüber, in welchen Fällen und in welcher Weise den Ortsarmenverbünden von den Landarmenverbänden oder von anderen Stellen eine Beihülfe zu gewähren ist, und endlich darüber, ob und inwiefern sich die Land­ armenverbände der Ortsarmenverbände als ihrer Organe behufs der öffentlichen Unterstützung bedienen können, bleiben der Landesgesetzgebung überlassen. — Was endlich das Verfahren in Streitsachen der Armenverbände betrifft, so ist zu unter­ scheiden, ob die streitenden Theile einem und demselben Bundesstaate angehören oder nicht. Im ersten Falle wird die Streitsache durch die nach Maßgabe der Landes­ gesetzgebung kompetenten Behörden nach dem landesgesetzlichen Verfahren endgültig

Frey — Frische That.

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entschieden, doch kann die Landesgesetzgebung, wie ausdrücklich hervorgehoben ist, be­ stimmen, daß auch für diese Gattung der Streitsachen diejenigen Vorschriften Platz greisen sollen, welche für die Streitsachen zwischen den Armenverbänden verschiedener Bundesstaaten maßgebend sind. In diesen Fallen der interterritorialen Konkurrenz wird zwar zunächst gleichfalls auf dem landesverfassungsmäßigen Wege prozedirt; die Entscheidung hat jedoch im Verwaltungswege durch diejenige Spruchbehörde zu erfolgen, welche dem in Anspruch genommenen Armenverbande vorgesetzt ist; diese Behörden sind befugt, Untersuchungen an Ort und Stelle zu veranlassen, Zeugen und Sachverständige zu laden und eidlich zu vernehmen, überhaupt den angetretenen Beweis in vollem Umfange zu erheben; die Entscheidung erfolgt durch schriftlichen, mit Gründen versehenen Beschluß. Soweit die Organisation oder örtliche Abgren­ zung der einzelnen Armenverbände Gegenstand des Streites ist, bewendet es end­ gültig bei der Entscheidung der höchsten landesherrlichen Instanz. Im Uebrigen findet gegen deren Entscheidung die Berufung an das Bundesamt für Heimathwesen statt. Dasselbe ist eine ständige und kollegiale Behörde mit dem Sitze in Berlin, bestehend aus einem Vorsitzenden und mindestens vier Mitgliedern, welche auf Vor­ schlag des Bundesraths vom Bundespräsidenten auf Lebenszeit ernannt werden, mit der Maßgabe, daß der Vorsitzende und die Hälfte der Mitglieder die Qualifikation zum höheru Richteramte im Staate ihrer Angehörigkeit besitzen muß. Die Ent­ scheidung erfolgt nach stattgehabtem Schriftwechsel, welcher durch die angegriffene Behörde vermittelt wird, gebührenfrei in öffentlicher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung der Parteien (vgl. Reichsgewerbeordn. § 21). Gegen die Entschei­ dung des Bundesamts ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zulässig. Das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz ist auf Bayern nicht ausgedehnt. Lit.: v. Rönne, Das Staatsrecht der Preuß. Monarchie, 3. Ausl. 1869, Bd. I. Abth. 2 S. 48—74. — v. Rönne, Das Staatsrecht des Teutschen Reichs, Bd. I. (1876) S. 110 ff.; Derselbe, Der Unterstützungswohnsitz; des. Abdruck aus der 6. Ausl, der Ergänzungen und Erläuterungen, 1879. — Koller, Archiv d. Nordd. Bundes, Bd. I. (1868) S. 48 ff., 1119 ff. — Hirth, Annalen des Nordd. Bundes, 1868 S. 469 ff, 1871 S. 397, 1877 S. 545, 1042. — Kries, Betrachtungen über Armenpflege und Heimathsrecht mit besonderer Beziehung auf den Preuß. Staat (Ztschr. für die gesummte Staatswissenschaft, Bd. IX. [1853] S. 313 ff). — Döhl, Die Niederlassung innerhalb des Preuß. Staats, Berl. 1865. — Mäscher, Staats­ bürger-, Niederlassungs- und Ausenthaltsrecht in Preußen, Potsdam 1868. — v. Flottwell, Die Grundsätze des ersten Senats des OTrib. über Freizügigkeit rc., Berl. 1861; Derselbe, Was bedeutet das Deutsche Heimathswesen? ein Votum'zu Art. III. und IV. der Nordd. Bnndesverf. und zur Einführung der Preuß. Gesetzgebg. in den neuen Provinzen, Potsdam 1867; Derselbe, Der Gesetzentwurf über die Freizügigkeit im Nordd. Bunde unter Ver­ gleichung des bisherigen Rechtszustandes, Berl. 1867;' Derselbe, Die Freizügigkeitsgesetz­ gebung, ihre wahren Väter und ihre wahren Freunde, Preuß. Jahrbb. Bd. 40 (1877) S. 602 ff. — Böhlau, Die Wandlung des Heimathswesens in Mecklenburg (Hildebrandts Jahrbb. Bd. 19 S. 321). — Wäntig, Unterstützungswohnsitz oder Geburtsheimath? Dresd. 1877. — Emminghaus, Das Armenwesen und die Armenpflege der europäischen Staaten, Berlin 1871. — Glaser, Die Bayerische Sozialgesetzgebung (Behrend's Ztschr. Bd. V. [1871] S. 212 ff, 409 ff.) — Medicus, Art. Niederlassung, Freizügigkeit in Bluntschli's StaatsWört.B. Bd. VII. (1862) S. 298 ff. — Ueber England: Gneist, Gesch. u. heutige Gestalt der Engl. Kommunalverfassung, 2. Aufl. Bd. II. (1863) S. 1033 ff. Ernst Meier.

Frey, Franz Andreas, Kirchenrechtslehrer von großem Einflüsse, tz 1763 zu Bamberg, f daselbst 24. VI. 1820. Ueber seine Schriften vgl. Schulte in der Allg. Deutschen Biographie VII. 357. Teichmann.

Frische That („versche dat", Handhafte That) ist eine strafbare That dann, wenn der Schuldige bei ihrer Verübung von dritten Personen betreten wird, — ein Begriff, der im Röm. und Altdeutschen R. erweitert ist um das Ergreifen am Orte der That, Ergreifen auf der Verfolgung von diesem Orte, Anhaltung mit gestohlenen und geraubten Sachen auf dem Wege von demselben oder nach Deutschem R. Auffinden solcher Sachen in der Gewere des Verdächtigen. Die ältere Franz. 58

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Frist.

Gesetzgebung basirte, woraus Mittermaier schon früher hingewiesen hat, auf dem Begriffe der Handhaften That, der Code d’Instr. hat aber denselben verfehlt: seine Definition des dälit flagrant als dellt, qui se commet actuellement ou qui vient de se commettre, läßt, da jede strafbare That sich in der Zeit vollzieht, ein Kriterium der f. Th. überall vermissen. Dem dellt flagrant sind gleichgestellt Verfolgung par la clameur publique, Betreffen eines Verdächtigen dans un temps voisin du dellt mit Sachen, Waffen rc., welche auf die Thäterschaft oder Mitschuld schließen lassen. Eine rein fiktive Erweiterung des Begriffs bildet im Franz. R. die Verübung eines Vergehens im Innern eines Hauses. Die Deutschen StrafPO. folgen dem Code d’Instr. mehr oder minder in diesen Erweiterungen; indessen ist ihnen, insbesondere der Hannov., Preuß., Oldenb., Sächs., Bad., Württemb., Oesterr. Gesetzgebung, der wahre Begriff der f. Th. nicht fremd geblieben. — Seine Bedeutung hat der Begriff der f. Th. in den Wirkungen, welche die Rechte gegenüber dem Betroffenen an dieselbe knüpfen. Abgesehen von der im Röm. und Deutschen R. beschränkter oder allgemeiner eintretenden Straflosigkeit seiner etwaigen Tödtung, schnitt ihm das Altdeutsche R. die Befugniß zum Eide und Zweikampf ab und berechtigte den Kläger mit seinen Eidhelfern zum sofortigen Schuldigschwören. Die Deutsche StrafPO. erlaubt die Durchsuchung von Wohnungen und Räumlichkeiten bei Verfolgung auf s. Th. auch zur Nachtzeit und gestattet vorläufige Festnahme selbst Privatpersonen, wenn der Beschuldigte auf f. Th. betroffen oder verfolgt wird. An die vorläufige Festnahme kann sich in Schösiengerichtssachen das Vorführungsverfahren anschließen, bei welchem die Anklage nur ins Sitzungsprotokoll eingetragen wird und der Amts­ richter ohne Schöffen zu Hauptverhandlung und Endurtheil schreiten kann, wofern der Beschuldigte nur wegen Uebertretung verfolgt wird und die That eingesteht. In ähnlicher Weise gestattet die Oesterr. StrafPO. bei Betretung oder Verfolgung auf f. Th. die Hausdurchsuchung und die sofortige Abgabe eines Vorführungs- oder Verhaftbefehls, an welche sich dann bei Uebertretungen ein Vorführungsverfahren an­ schließen und der Richter bei sofort liquidirbarer Sachlage zu Hauptverhandlung und Endurtheil schreiten kann. Wo das Standrecht verkündet ist, soll nach derselben StrafPO. gegen den auf f. Th. Ergriffenen das standrechtliche Verfahren eintreten.

Quellen: Gajus 3, 185. - § 3 I. 4, 1. — 1. 4 § 1. I). 9, 2. — 1. 3 § 2; 1. 50 § 30. D. 47, 2. — 1. 23—25. D. 48, 5. — 1. 1 pr. C. 9, 13. — Richst. LR. Kap. 37. — Sachssp. LR. I. 68, 2. III. 36, 2. II. 35. — Schwsp. Kap. 82. - P.G.O. Art. 16, 157 ff. — C. d’Instr. art. 32 88., 49 88., 60 ss., 106. — Loi 20 mai 1863. — Preuß. Ges. v. 12. Febr. 1850 §§ 2—5, 10. Verordn, v. 17. Juli 1846 § 27. Verordn, v. 3. Jan. 1849 § 50. StrafPO. v. 1867 §§ 59, 62 ff., 68, 94, 123 ff. — Hannov. StrafPO. Z 58. — Sächs. StrafPO. Art. 70 ff., 142. - Oldenb. StrafPO. Art. 28 ff., 60 ff., 91 ff. - Bad. StrafPO. 1864 §§ 48 ff., 60, 160. - Württ. StrafPO. v. 1868 Art. 68, 77 ff., 126, 251. Oesterr. StrafPO. v. 1873 §§ 141, 175 ff., 437, 451 ff. — Deutsche StrafPO. §§ 104, 127, 211. Lit.: Planck, Strafverf., S. 279. Ztschr. f. Deutsches R., Bd. X. S. 225 ff. Zachariä, StrafPrz., Bd. II. § 75. — Mittermaier, Strafverf., Bd. II. § 115. — Merkel, Gerichtssaal 1850, Bd. I. S. 396 ff. — Höchster, Franz. Strafverf., §S 55 ff.— Jousse, Comm. s. Fordonn. crim., Tit. VI. art. IV. n. 2. — Oppenhoff, Preuß. Strafverf., § 4 n. 8 ff.; § 13 n. 1. — Kommentare zur Deutschen StrafPO. 1.1. von Löwe, v. Schwarze. — Rudorfs, Röm. Rechtsgesch., §§ 106, 114.—Homeyer, Sachssp. Glossar v. handh. That. Richtst. LR. § 13. — Siegel, Deutsches Gerichtsverf. § 12. — Sohm, Prz. d. L. Sal. § 17. — Donandt, Bremische Jahrbb., Bd. V. S. 12. K- Wieding.

Frist (Th. i. S. 367, 368). Der Ablauf einer gewissen Zeit kann den verschiedenartigsten Einfluß aus die Begründung oder das Erlöschen von Rechten haben. Hierbei unterscheidet sich aber die F. wesentlich von der Verjährung. Es können 1) die Parteien vertragsmäßig von dem Eintritte oder von der Wahrung einer Zeitfrist die Erwerbung, Erlöschung oder Verfolgbarkeit eines Rechts abhängig machen. Dies geschieht, wenn vertragsmäßig Rechtsveründerungen ein-

Frist.

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treten, welche von einem Zeitablanfe abhängen. Soll vertragsmäßig ein Recht erst nach Ablauf einer gewissen Zeit in Kraft treten, so entsteht dies Recht nicht durch Verjährung, sondern der Rechtserwerb ist eine mittelbare Folge des Vertrags. Dasselbe ist der Fall, wenn ein Recht vertragsmäßig auf eine gewisse Zeitfrist beschränkt ist. Gleiches gilt, wenn eine letztwillige Verfügung mit einer Zeitbestimmung verknüpft ist. 2) Der Richter kann auch innerhalb der ihm gesetzlich zustehenden Befugniß F. zur Vornahme gewisser Handlungen mit der Wirkung des Verlustes gewisser Rechte bei der Verabsäumung bestimmen. Dann ist, weil hierbei ein Un­ gehorsam angenommen wird, von keiner Verjährung, sondern von einer Präklusion die Rede. 3) Endlich machen die Gesetze rechtliche Verhältnisse von dem Eintritte einer Zeit abhängig. Sie setzen in manchen Fällen die Verwirkung eines Rechts fest, wenn in einem Zeitraume gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden, während sie in anderen Fällen durch die Erreichung einer gewissen Zeit den Eintritt in eine neue personenrechtliche Stellung, z. B. die Volljährigkeit, bedingen. In allen diesen Fällen liegen F. vor, welche sich wesentlich von der Verjährung unterscheiden, denn letztere besteht in der rechtlichen Anerkennung eines thatsächlichen Zustandes, weil er eine Zeit hindurch unangefochten gedauert hat, sei es, daß sie zum Erwerbe eines Rechts führt, in Folge einer längeren ununterbrochenen thatsächlichen Ausübung desselben, sei es, daß sie den Verlust eines Rechts begründet, in Folge längerer Nichtausübung desselben. Die Verjährung bezieht sich ferner blos auf gewisse gesetzlich bestimmte Rechte und je nach der Verschiedenheit dieser Rechte auch in ver-schiedener Weise. Die Verjährung hat zwar einige Aehnlichkeit mit den zu 1) bis 3) erwähnten Zeitfristen, weil überall die Zeit als Bedingung der Rechtsveränderung vorkommt. Trotzdem dürfen die für die Verjährung gegebenen besonderen gesetzlichen Vorschriften nicht auf die durch Zeitfristen bedingten Rechtsverhältnisse zu 1) bis 3) angewendet werden. Die Prozeßfristen sind entweder 1) vom Gesetze ein für allemal bestimmt (Fatalien, Nothfristen), oder 2) richterliche F., welche vom Richter nach seinem Ermessen festgesetzt werden, oder 3) vertragsmäßige F., welche aus der Uebereinkunft der Betheiligten hervorgehen. Nach den Folgen unterscheidet man 1) peremt orisch e F., deren Verabsäumung einen prozessualischen Nachtheil zur Folge hat. Dahin gehören alle Nothfristen. 2) dilatorische, bei denen dies nicht der Fall ist, und 3) sträfliche (poenales), bei denen für den Fall des Nichthandelns eine Strafe angedroht ist. Die Deutsche CPO. handelt von den F. in den §§ 198—204. Zu den. gesetzlichen F. gehören: a) Die Nothfristen, d. h. diejenigen F., welche als solche im Gesetz bezeichnet sind (§ 201 Abs. 3). Es sind die F. für Erhebung des Ein­ spruchs (§ 304), der Berufung (§ 477), der Revision (§ 514), der Beschwerde (§ 540), der Wiederaufnahmeklage (§ 549), der Anfechtungsklage im Aufgebotsverfahren (§ 835) und der Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruch (§ 870). b) Die F. zur Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung wegen Versäumniß einer Nothfrist ist zwar im Gesetz nicht als Nothfrist bezeichnet, sie darf aber durch Vereinbarung der Parteien nicht verlängert werden, c) Zu den gesetzlichen F., welche verkürzt und verlängert werden können, gehören: Die Einlassungsfristen auf die Klage (W 234, 459, 567), auf die Berufung (§ 481), auf die Revision (§ 517), die Ladungsfrist in bereits an­ hängigen Sachen (§§ 194, 204, 217, 302, 462, 636 CPO). Außerdem schreibt die CPO. für gewisse Handlungen dem Richter, dem Gerichtsschreiber und Gerichts­ vollzieher F. vor (§§ 193, 506, 809 CPO). Die Deutsche StrafPO. handelt nur in den §§ 42 und 43, welche die §§ 199 und 200 der CPO. wiederholen, von den F. Sie kennt keine beson­ deren Nothfristen, weil bei ihr alle F. unabänderlich sind, wenn nicht das Gesetz selbst, wie z. B. im § 126, eine Verlängerung zuläßt. Der Einlassungsfrist der CPO. entspricht die F. von mindestens 1 Woche, welche nach § 216 der StrafPO. zwischen der Zustellung der Ladung und dem Tage der Hauptverhandlung

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Frosterus — Frucht und Fruchterwerb.

liegen muß. Eine F. zur Anbringung der Beschwerde setzen die CPO. und die StrafPO. nicht fest. Nur bei der sofortigen Beschwerde ordnet § 540 der CPO. eine Nothfrist von 2, die StrafPO. aber eine F. von 1 Woche an. Die Berufungs­ und Revisions-F. beträgt nach der CPO. §§ 477, 514 je 1 Mona?. Die StrafPO. bewilligt sowot zur Anmeldung als zur Rechtfertigung dieser beiden Rechtsmittel eine besondere F. von je 1 Woche. Noth-F. laufen eigentlich von Augenblick zu Augenblick (a momento ad momentum). Allein in der Praxis wird, wie bei den übrigen F., der Tag der Behändigung nicht mitgerechnet. Der letzte Tag läuft eigentlich bis Mitternacht. Doch sind in der Praxis und partikularrecht­ lich auch frühere Stunden, besonders der Ablauf der Geschäftszeit bei den Gerichten maßgebend. Alle inmitten liegenden Tage, auch die Sonn- und Feiertage zählen mit. Ist jedoch der letzte Tag ein Feiertag, so endigt die F. mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Ist die F. nach Wochen oder Monaten bestimmt, so endigt sie mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, an welchem die F. begann (§ 200 CPO.). Nach § 201 der CPO. wird der Lauf einer F. durch die Gerichtsferien gehemmt. Der noch übrige Theil der F. beginnt mit dem Ende der Ferien an zu laufen. Fällt der Anfang der F. in die Ferien, so beginnt der Lauf der F. mit dem Ende derselben. Diese Bestimmungen finden auf Noth-F. und F. in Feriensachen keine Anwendung. Nach § 202 können durch Vereinbarung der Par­ teien F., mit Ausnahme der Noth-F., verlängert oder abgekürzt werden. Auf Antrag können vom Gericht auch richterliche und gesetzliche F. abgekürzt oder verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind, gesetzliche F. jedoch nur in den besonders bestimmten Füllen.

Lit.: Unterholzner, Verjährungslehre, § 1. — v. Savign y, System, Bd. IV. §§ 177 ff., V. § 237. — Sin teni s, Civilrecht, Bd. I. § 26. — Förster, Theorie, § 90.— Puchta, Pand., § 225. — Entscheidungen des OTrib., Bd. XL. S. 7. — Endemän n, Deutscher Prozeß, § 117. — Renaud, 2ehrb., 84, 85. — Unger, System, § 106. — Seuffert, v. Sarwey, v. Wilmowsky und die übrigen Kommentatoren zu den §§ 198 bis 202 der CPO. — Puchelt, Dalke, v. Schwarze, Kommentar zu §8 42 und 43 der StrafPO. v. Kräwel.

Frosterus, Henrik, K 1727 jurispr. oecon. et comm., f 1773.

zu Badstena, wurde 1771

in Upsala Prof,

Er schrieb: Inledning till Svenska krigslagfarenheten, 1765—70. Teichmann.

Frucht und Fruchterwerb (Th. I. S. 388, 393). Frucht (fructus) wird zwar in den Quellen nicht definirt, weil diese immer nur im einzelnen entscheiden, ob etwas „in fructu“ sei, d. h. ob sein Bezug mit zum frui gehöre oder nicht; es bedeutet aber im Rechtssinn nach richtiger Auffassung nicht, wie wol angenommen wird, jedes organische Erzeugniß einer Sache, sondern theils weniger, theils mehr. Von jenen Erzeugnissen sind F. nur diejenigen, zu deren Gewinnung die Sache wirthschaftlich bestimmt ist und welche also den Ertrag derselben darstellen, wie bei Thieren deren Junge, Wolle, Milch, Honig u. s. w. (1. 28 D. de usur. 22, 1), bei Grundstücken Getreide, Kartoffeln, Obst u. a. m. Auch die zur Holzgewinnung gezogenen Bäume (arbores caeduae) sind F., dagegen nicht auch die in einem Park stehenden oder Obstbäume (1. 10—12 pr. D. de usufr. 7, 1); ebensowenig das Sklavenkind, weil die Mutter zur Arbeit, nicht zur Menschenzüchterei gehalten werden sollte (1. 27 pr. D. d. H. P. 5, 3 und Göppert, S. 29, Anm. 32). Andererseits rechnet man zur F. auch unorganische Bestandtheile des Landes, wie Steine, Sand, Kalk, Fossilien und Mineralien aller Art, sofern ihre Gewinnung innerhalb der dem Grundstück von seinem Eigenthümer gegebenen Bestimmung liegt

Frucht und Fruchterwerb.

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(1. 9 § 7 D. de usufr. 7, 1). Die Römer unterscheiden zwar bezüglich gewisser Gesteine, ob sie nachwachsen (1. 7 § 12 D. sol. matr. 24, 3). Jedenfalls hängt aber die Fruchteigenschaft einer Sache nicht von diesem irrigen Kriterium, sondern nur davon ab, ob sie zu den wirthschaftlichen Erträgnissen der Sache, von der sie gewonnen wird, gehört oder nicht (1. 9 § 2 D. de usufr. 7, 1). Vgl. übrigens wegen der Auffassung der Mineralien als Frucht einerseits Schröder, Arch. für civ. Prax. Bd. IL. Nr. 6, 10, andererseits Göppert, S. 24 Anm. 16). Gegenstände, deren Fruchtcharakter mit Unrecht bestritten wird, sind Dünger, abgelegte Hirsch­ geweihe, Eis (Göppert, S. 12, 28), Torf (Dernburg, Preuß. Priv.R., § 282 Anm. 19) u. a. m. — Die Früchte werden nach ihrer faktischen und rechtlichen Lage mit technischen Ausdrücken bezeichnet, und zwar als stantes oder pendentes, solange sie mit der Muttersache zusammenhängen; als separat!, wenn ihre Trennung von derselben stattgefunden hat; als percepti, wenn zur Trennung auch die Besitz­ ergreifung hinzugetreten ist. Außerdem werden mit den bisher besprochenen (sog. natür­ lichen) Früchten verglichen die Erträgnisse aus einer Erwerbsthätigkeit, zu welcher die Sache Gelegenheit bietet (quod non natura pervenit, sed iure percipitur, 1. 62 pr. D. de R. V. 6, 1); so namentlich der von einem Grundstück gebotene Gewinn aus Jagd und Fischerei (der mit Unrecht oft zu den natürlichen Früchten gezählt wird, z. B. von Wind scheid, § 203 Anm. 6; 1. 9 § 5, 1. 62 pr. D. de usufr. 7, 1), ferner der Miethsertrag einer Sache, die Zinsen eines Kapitals u. s. w. Man nennt diese Vortheile wol fructus civiles, bürgerliche Früchte. Doch beschränkt sich die den eigentlichen Früchten analoge Behandlung derselben im Wesentlichen auf das Gebiet der Ersatzpflicht; daher sie nach den Quellen auch nur vicem fructuum obtinent oder loco fructuum sunt. Gegen die Zufammenwerfung beider vgl. Göppert, S. 43 Anm. 19, der im Uebrigen zwar von einer Bestimmung des Begriffs Frucht überhaupt Abstand nimmt (S. 31 Anm. 33). aber doch anerkennt, daß fructus im objektiven Sinn (resp, in fructu esse) namentlich alle die Vortheile umfasse, welche von einer Sache „außerhalb ihrer selbst", d. h. ohne Verringerung ihrer Substanz gewährt (S. 23) und durch menschliche Thätigkeit gezogen werden (S. 28). — Die rechtliche Behandlung der (natürlichen) Früchte ist nur vom Röm. Recht in der Art geregelt, daß dieselben während ihrer Verbindung mit der Muttersache durchaus als deren Theile gelten (1. 44 D. d. R. V. 6, 1) und darum eigener Rechtsverhältnisse unfähig, wohl aber dem Eigenthum mit) allen anderen Rechten, welche an der Mutter­ sache haften, mit unterworfen sind (1. 40 D. d. A. E. V. 19, 1). Eine Folge davon ist es, daß Rechtsgeschäfte über sie nur als res futurae geschlossen werden können, wie denn in diesem Sinn, z. B. ein Kauf von Holz auf dem Stamm, trotz Art. 275 des HGB., als Handelsgeschäft gelten kann. Vgl. auch Windscheid, § 144 Anm. 2. Erst mit der Trennung werden die Früchte zu selbständigen Sachen; als solche sind sie eigener Rechtsschicksale fähig, zunächst aber grundsätzlich ein Eigenthum desjenigen, der zur Zeit der Trennung Eigenthümer der Muttersache ist (1. 2, 6 D. d. a. r. d. 41, 1). Es erhebt sich nun die für das gesammte Fruchtrecht präjudizirliche Frage, ob damit nur das bisherige Eigenthum fortgesetzt oder ein neues erworben werde? Diese Frage führt schließlich zurück auf die andere, noch allgemeinere, ob die getrennte Frucht als mit dem gewesenen Substanztheil identisch oder als neu entstandene Sache zu denken sei? Für die erstere Annahme, die früher meistentheils und besonders von Donellus, wenn auch nicht prinzipiell formulirt, so doch still­ schweigend zu Grunde gelegt wurde (Göppert, S. 182), haben sich in neuerer Zeit ausgesprochen Savigny, Besitz, H 22 a S. 276; Göppert, S. 17, 176—226; Eck in Behrendts Zeitschr. für Gesetzgebung und Rechtspflege V. S. 755 ff., VI. S. 373 ff.; Brinz, I. § 145 und Seift, Natur des Eigenthums, S. 153 Anm. 2; für die letztere dagegen die meisten anderen, z. B. Windscheid, § 144 Anm. 4; G. Hartmann, Krit. Vierteljahrsschr. XI. S. 503 ff.; Köpp en, Fruchterwerb des bonae fidei poss. S. 3 u. A. m. In diesem Streite wird man nicht umhin können,

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Frucht und Fruchterwerb.

die natürliche Identität der getrennten und der vorher mit der Muttersache ver­ bundenen Frucht so lange auch auf dem Rechtsgebiete gelten zu lassen, bis eine widersprechende Auffassung des Gesetzgebers klar erwiesen wird. Dieser Beweis kann aber aus den Quellen nicht erbracht werden. Denn die gewöhnlich citirten Stellen (1. 10 § 2 D. de usurp. 41, 3 und 1. 7 § 3 D. de exc. rei Lud. 44, 3) sind mannigfacher Deutung fähig, vgl. über die letztere die Auslegungen von Göppert, S. 192 ff. und Eck, a. a. O. V. S. 764 ff. Außerdem wird von den Gegnern für andere Theile, als eben Früchte, die Fortdauer ihrer Identität und darum ihrer früheren Rechtsverhältnisse auch nach der Separation ausdrücklich zugestanden; daneben aber ist bei der Flüssigkeit der Grenze zwischen Früchten und sonstigen Theilen — man denke nur an Bäume, Fossilien u. s. w.— die prinzipiell entgegengesetzte Behandlung der Früchte kaum denkbar (vgl. auch Windscheid's eigene Konzession § 186 Anm. 4). Endlich weist auf die Theiltheorie auch die Fortdauer des Pfandrechtes an den separirten Früchten hin (1. 3 C. in quib. caus. 8, 15), die freilich von den Gegnern theils bestritten, theils aus andere Rechtsgründe zurück­ geführt wird. Vgl. Göppert, S. 371 ff. und dawider z. B. Johow, Zeitschr. für Gesetzgebung V. S. 313 ff. Uebrigens ist eine Modifikation des Theilverhältnisses der Frucht allerdings insofern anzuerkennen, als die Eigenschaft einer Sache als res furtiva und damit ihre Unersitzbarkeit nicht dauernd auf die Erzeugnisse und Früchte derselben, seien sie auch bei einem redlichen Besitzer entstanden, erstreckt, sondern bei Sklavenkindern auf die apud furem konzipirten, bei Früchten gar auf die daselbst noch separirten beschränkt wird (1. 4 pr. D. pro suo 41, 10; 1. 4 §§ 18, 19 D. de usurp. 41, 3). Von diesen beiden Bestimmungen ist die erstere jedenfalls normal und erst allmählich im Gegensatz zu früherer unbedingter Erstreckung der Furtivität auf die Erzeugnisse (1. 4 § 17 D. de usurp. 41, 3) angenommen worden; ebenso aber wird auch die zweite singuläre Gründen, nämlich der Rücksicht auf das Frucht­ recht des bonae fidei possessor, ihren Ursprung verdanken, und es ist aus dieser Zulassung der Ersitzung an den bei Begehung des furtum noch gar nicht vorhanden gewesenen Früchten kein Argument gegen deren Theilqualität zu entnehmen. Vgl. Göppert, S. 199—218. — Aus besonderen Gründen können nun aber an Stelle des Eigenthümers der Muttersache dritte Personen die getrennten Früchte zu Eigen­ thum erwerben. Man hat sich mannigfach bemüht, diese Fälle auf ein gemeinsames Prinzip zurückzuführen oder doch nach allgemeineren Grundsätzen zu klafsifiziren (vgl. z. B. Savigny, Besitz, S. 176 ff. und andere bei Göppert, S. 278—280 Genannte). Diese Versuche sind jetzt aufgegeben und die einzelnen Fälle als eigen­ artig erkannt. Indessen ist von den gewöhnlich hierher gestellten Fällen vorweg noch derjenige des Pächters und anderer blos obligatorisch Berechtigter, wie z. B. des Prekaristen und des Kontrahenten eines Jnnominatvertrages (1. 16 D. praescr. verb. 19, 5) auszuscheiden. Diese erwerben allerdings durch Perzeption der Früchte Eigenthum, aber doch nur kraft des vom Eigenthümer erklärten Uebereignungswillens (1. 61 § 8 D. de part. 47, 2) quodammodo traditione (1. 6 D. de don. 39, 5), daher nur dann, falls jener Wille des Eigenthümers noch gegenwärtig fortdauert (I. 6 cit.) und in der Art, daß das Eigenthum an der Frucht erst von diesem auf sie übergeht (1. 13 §§ 10, 11 D. de a. c. v. 19, 1). In diesem Sinne sind auch die zahlreichen Fälle des Verkaufs künftiger Früchte (sog. Obst- oder Milchpach­ tungen u. dergl. m.) zu behandeln. Ob der Eigenthümer an den hängenden Früchten auch ein dingliches Recht in der Art einräumen könne, daß dasselbe mit der Separation ohne Weiteres und selbst dann entsteht, wenn das Eigenthum der Muttersache in­ zwischen von einem andern erworben sein sollte, ist eine bestrittene Frage. Dieselbe wird bejaht von Göppert, S 234—242, und Karlowa, Rechtsgeschäft S. 40, aber unfolgerichtig und unter Verletzung des Grundprinzips, daß an räumlich be­ stimmten Theilm einer Sache kein Sonderrecht möglich ist, woraus ebey die verneinende Entscheidung der Frage folgt (vgl. Eck, a. a. O. V. S. 766; Windscheid, § 144

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Amn. 2). — Ein in Wahrheit vom Willen des Eigenthümers der Muttersache unabhängiger Fruchterwerb findet nun aber in folgenden Fällen statt: I. Für den Emphyteuta, und zwar kraft bloßer Separation der Früchte (1. 25 § 1 fin. D. de usur. 22, 1). Dieser Erwerb ohne eigenes Zuthun erscheint zwar als singulär, galt aber nach Röm. Recht wol nicht blos für den Pächter von agri vectigales, sondern auch für den Besitzer von Provinzialgrundstücken (Göppert, S. 313—319). II. Für den Nießbraucher, und zwar kraft Perzeption (1. 13 D. quib. mod. usfr. 7, 4). Dieser Erwerb entspringt aus dem dinglichen Recht des Nießbrauches, ist daher originär und darf eben deswegen nicht mit Puchta, § 150 u. a. m. auf einen Traditionswillen des Eigenthümers gegründet werden. Erfolgt die Perzeption des Nieß­ brauchers zeitlich später, als die Separation, so gehören bis zur ersteren die Früchte dem Eigenthümer der Muttersache, dessen Verfügungen jedoch mit dem Eigenthumserwerb des Nießbrauchers kraftlos werden (1. 12 § 5 D. de usufr. 7, 1). Ein erfrühter Erwerb desselben wird von vielen in Bezug auf Thierjunge angenommen, die schon mit der Separation sein Eigenthum werden sollen (wegen 1. 28 pr. D. de usur. 22, 1); doch setzt diese Stelle wol den regelmäßigen Fall voraus, daß mit der Separation zugleich Besitzerwerb eintritt. Andererseits nehmen manche eine Be­ schränkung dahin an, daß der Fruchterwerb des Nießbrauchers nur in den Grenzen der von ihm zu beobachtenden Diligenz stattfinde. Allein deren Ueberschreitung macht ihn nur obligatorisch haftbar, ohne sein dingliches Aneignungsrecht einzu­ schränken (Göppert, S. 289). Dem Nießbraucher analog sind andere Servitut­ berechtigte zu behandeln, soweit ihnen ein Recht auf Produkte der Sache zusteht; desgleichen der antichretische Pfandgläubiger. (Anderer Meinung jedoch Brinz, § 144 Anm. 8.) — III. Für den bonae fidei possessor der Muttersache entsteht nach der herrschenden Meinung gleichfalls Eigenthum an den Früchten kraft bloßer Separation. Diese Lehre wird gestützt 1) auf die Aussprüche der Quellen, daß mit der Separation fructus eius sunt (§ 35 J. d. R. D. 2, 1; 1. 13 tin. D. quib. mod. ususfr. 7, 4) oder ad eum pertinent (1. 25 § 1 I). de usur. 22, 1) und 2) auf die Sätze, daß der bonae fidei possessor die fructus consumtos suos faciat (1. 40 D. d. a. r. d. 41, 1), d. h. von jeder Ersatzpflicht für dieselben frei ist und nur die fructus exstantes, d. h. die noch bei ihm vorhandenen dem Eigenthümer der Muttersache herausgeben muß, während der malae fidei possessor diesem auch auf die consumti mit einer con­ dictio haftet (§ 2 fin. J. de off. iud. 4, 17). Am ausführlichsten ist diese Lehre entwickelt von Backe, bonae fidei possessor quemadmodum fructus suos faciat, diss. inaug. Berol. 1825, und ihm sind die meisten Neueren gefolgt. Gegen dieselbe sind jedoch in neuerer Zeit aufgetreten: Savigny, a. a. O. S. 278; Winds cheid, § 186; Göppert, S. 320 ff.; Rudorfs zu Puchta, § 166; Eck, a. a. O. u. a. m. Diese stimmen insoweit überein, daß sie dem bonae fidei possessor auch an den Früchten nur wieder bonae fidei possessio, außerdem aber Konsumtionsbefugniß einräumen, welche letztere ihren Grund in der Billigkeit hat, da man Früchte als seine Revenue zu betrachten und mithin durch ihren Verbrauch keine Bereicherung zu erzielen pflegt, so daß ihr Ersatz in baarem Gelde für den bonae fidei possessor eine große Härte enthalten würde. In der That ist dieser zweiten Ansicht beizutreten, welche sich aus der Auffassung der Frucht als eines gewesenen Theils mit nothwendiger Konsequenz ergiebt. Gegen die herrschende Ansicht spricht, daß sie sich nicht aus der Natur der Sache, sondern nur aus einem positiven Gesetze ableiten läßt, an dem es aber fehlt. Denn die Quellen nennen den bonae fidei possessor nie dominus der Früchte und jene Wen­ dungen eius fieri u. s. w. lasfen sich mannigfach deuten, insbesondere auch auf die Konsumtionsbefugniß beziehen, zumal das suos facere geradezu auch an die Konsumtion geknüpft, ja ein Eigenthum des bonae fidei possessor gelegentlich sogar verneint wird (1. 45 D. de usur. 22, 1). Außerdem wird aus diesem angeblichen Eigenthum keinerlei weitere praktische Konsequenz gezogen, wohl aber im Widerspruch damit die Ersitzung der Früchte durch den bonae fidei possessor als möglich anerkannt (1. 48 § 5 D. ' 58*

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de fort. 47, 2).

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Endlich ist die Pflicht zur Herausgabe der fructus exstantes zwar Vom Standpunkt der Savigny^schen Lehre selbstverständlich, dagegen von dem­ jenigen der herrschenden Meinung nicht zu rechtfertigen. Zu dieser Rechtfertigung genügt namentlich auch nicht die Angabe, daß sie unter die mit der Muttersache zu restituirende causa rei fielen; denn diese Angabe ist unrichtig (Göppert, S. 313) und führt zu der sonderbaren Konsequenz, daß die Früchte nur mit jener zusammen, nicht aber allein zu vindiziren seien; vgl. dawider 1. 43 D. de evict. 21, 2. Gleichwol sind für die herrschende Lehre neuestens wieder eingetreten: G. Hartmann a. a. O.; Fitting, Archiv für eiv. Praxis LIL §>. 276 ff.; Jh ering, Jahrb. XII. S. 314 ff. u. a. m. Im einzelnen besteht noch Streit über den Umfang des Begriffs Konsumtion, indem die herrschende Lehre und Göppert darin auch jede Veräußerung einbegreifen, während Windscheid ihren Sinn auf ein Verzehren befchränkt und daher den bonae fidei possessor, der den erhaltenen Preis noch nicht verbraucht hat, haften lassen will. Dritte Personen welche die Früchte vom bonae fidei possessor erworben haben, haften nach der herrschenden Lehre gar nicht, nach der hier vertheidigten nur dann nicht, wenn sie einen Regreß gegen den bonae fidei possessor haben würden (1. 25 § 17 D. d. H. P. 5, 3) und, wie Windscheid hinzufügt, diefer den empfangenen Werth bereits verzehrt hat. Ueber den Einfluß einer mala fides superveniens widersprechen sich 1. 25 § 2 D. de usur. 22, 1 und 1. 48 pr. I). d. a. r. d. 41, 1; mit der letzteren ist anzunehmen, daß dieselbe ein Erlöschen des Fruchtrechts bewirkt. Außer den beiden hier erörterten Hauptansichten giebt es Mittelmeinungen, welche unterscheiden zwischen den Fruchtarten oder zwischen titulirten und intitulirten Besitzern (so neuestens wieder Waldeck, Archiv f. eiv. Praxis LVII. S. 307 ff.). Eine tiefere Begründung der herrschenden Lehre hat Köpp en versucht durch den Gedanken, daß das Röm. Recht dem bonae fidei possessor Eigenthum an den Früchten habe geben müssen, um ihm Konsumtionsbefugniß und Schutz gegen die condietio dec- Eigenthümers der Muttersache zu verschaffen; daneben aber erklärt er jenes Fruchteigenthum, ähnlich wie vor ihm schon andere, für ein blos provisorisches und pendentes, indem es gleichzeitig der Eigenthümer der Muttersache unter der Bedingung erwerbe, daß er vor geschehener Konsumtion die Früchte vindizire. Endlich hat Brinz, § 145, das Fruchteigenthum des bonae fidei possessor in geistvoller Weise mit der ihm eigenen Auffassung des­ selben als eines „Bonitariers" oder „Nutzeigenthümers" in Zusammenhang gebracht. — Charakteristisch ist die Abweichung des älteren Deutschen R., welches die Früchte unter dem Gesichtspunkt des „verdienten Guts" betrachtet und daher dem­ jenigen zuspricht, der die Arbeit und Kosten der Bestellung (im guten Glauben) aufgewendet hat. Als Zeitpunkt seines Erwerbs gilt der, wo die Egge über den Acker gegangen, der Garten besäet und beharkt ist u. s. w. Ob sein Recht von da ab als Eigenthum zu fassen sei, ist bestritten; dawider z. B. Leist, Natur des Eigenthums, S. 148. Jedenfalls ist der Fruchtberechtigte zur Separation auch auf dem fremden Grundstück und bei der Abforderung desselben zum Behalten der Früchte befugt (Ssp. II. Art. 46, 58 §§ 1, 2. Art. 44 § 2). Tiefes sogen. „Arbeitsprinzip" des Deutschen R. wird zutreffend darauf zurückgeführt, daß im Norden, wo Grund und Boden und Vieh eine weit mühsamere Pflege und Behandlung erheischen, auch rechtlich die Thätigkeit des Subjekts stärker gewürdigt wird, als im Süden, wo dem Menschen die Früchte gleichsam in den Schooß fallen und eben darum das „Substantialprinzip" des Röm. Rechts am nächsten liegt (vgl. Leist S. 154). Im Gem. R. ist das zwar minder sinnige, aber praktisch handlichere Prinzip des Köm. Rechts durchgedrungen, doch enthalten die Partikularrechte noch Anklänge an die altdeutsche Auffassung. So giebt namentlich das Preuß. Allg. LR. I. 9 § 221 allen Nutzungsberechtigten, also auch dem redlichen Besitzer, das Eigenthum der Früchte „gleich bei ihrem Entstehen". Von da ab sind jene befugt mit dinglicher Wirkung über die Früchte zu verfügen. Auch eine Pfändung ungetrennter Früchte ist nach

Fry — Führung.

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CPO. § 714 einen Monat vor der gewöhnlichen Zeit der Reife zulässig. Der redliche Besitzer braucht nach Allg. LR. I. 7 §§ 189, 190 auch nicht einmal die vorhandenen Früchte herauszugeben. Endet ein Nutzungsrecht im Laufe eines Wirth­ schaftsjahres, so findet eine Theilung der Nutzungen pro rata temporis statt (§ 197 bis 200 a. a. £).). — Das Oesterr. BGB. erwähnt ein Sondereigenthum an Früchten nicht, sondern spricht die natürlichen Bodenfrüchte und alle Nutzungen, welche aus einem Thier entspringen, als Zuwachs der Sache dem Eigenthümer der Muttersache zu (§ 405). Erst mit der Absonderung fallen die Früchte, wie anderen zur „Fruchtnießung" Berechtigten, so auch dem redlichen Besitzer zu Eigenthum zu (§ 330). — Tas Süchf. BGB. kodifizirt im Allgemeinen die herrschende Lehre des Röm. Rechts. Der Eigenthümer einer Sache bleibt Eigenthümer der Früchte auch nach deren Trennung, sofern nicht ein anderer dieselben erwirbt. Der redliche Be­ sitzer der Sache erwirbt das Eigenthum der Früchte mit der Trennung. Andere dinglich oder obligatorisch Nutzungsberechtigte erwerben die Früchte zu Eigenthum mit Erhebung derselben, nur junge Thiere und Eier schon mit der Trennung (§§ 244, 245). Wer auf Früchte bis zu einer Zeit berechtigt ist, hat bei den lediglich durch die Natur hervorgebrachten Früchten Anspruch nur auf die vor jenem Zeitpunkt getrennten; bei den zugleich durch Verwendung hervorgebrachten hat er auch auf die ungetrennten Anspruch, für welche die Verwendungen in der Zeit seiner Berechtigung erfolgt sind (§ 76). Auch das Franz. R. läßt Eigenthum an den Früchten erst mit der Trennung entstehen, es erklärt aber abweichend vom Röm. R. als possesseur de bonne foi nur den titulirten Besitzer, der den Mangel seines Eigenthums nicht kennt (Code civ. art. 549, 550).

Lit.: Ueber die gejammte Lehre: G. E. Heimbach, Die Lehre von der Frucht, Leipzig 1843. — Göppert, Ueber die organischen Erzeugnisse, Halle 1869; und dazu einerseits G. Hartmann, andererseits Eck a. a. O. — Windscheid, 144, 186. — Brinz, § 145. — Ueber einzelnes die oben angeführten Werke, speziell noch über den Fruchterwerb des redlichen Besitzers: Janke, Das Fruchtrecht u. s. w., Erl. 1862. — Levy, bonae fidei possessori quid iuris in fructibus Romani tribuerint, Bert 1869. — Brinz, Zum Rechte der bon. fid. possessio, München 1875. — In geschichtlicher Beziehung: Pernice, Labeo. II. S. 161. — Ueber Preuß. R.: Gruchot, Beiträge, VII. S. 87 ff. — Dernburg, Leyrb., § 234. — Ueber Oesterr. R.: Unger, System, I. § 56. Eck.

Fry, Elizabeth, verdient um die Verbesserung des Gefängnißwesens, 8 21. V. 1780 zu Cartham-Hall (Norfolk), Stifterin einer Schule für arme, verwaiste Mädchen, einer Schule für die Kinder der Gefangenen in London, des Newgater Vereins, in rastloser Thätigkeit große Reisen unternehmend zur Besserung des Schick­ sals der Gefangenen, f zu Ramsgate 12. X 1845. Lit.: Memoirs of the life of E. F., Lond. 1847, deutsch Hamb. 1848. — Sus an nah Cor der, Life of Mrs. Fry, Lond. 1853. — Beltrani Scalia, il sist. penitenziario dell’ Inghilterra e d’Irlanda (2), Roma 1874 p. 25 u. ö. — A Memoir of M. D. Hill, Lond. 1878 p. 180, 208. Teich mann.

FÜeßlin, Jul. Aug., 8 7. VIII. 1815 zu Freiburg i. Br., verdient um das Gefängnißwesen, einige Jahre Direktor in Bruchsal, t 21. V. 1866. Sch riften: Die Beziehungen der neuen Bad. Strafges. zum Pönitentiarsystem, 1853. — Das neue Männerzuchthaus Bruchsal nach dem System der Einzelhaft, 1854. — Die Einzel­ haft nach fremden und sechsjährigen eigenen Erfahrungen, 1855. — Die neuesten Ver­ unglimpfungen der Einzelhaft, 1861. — Die Grundbedingungen jeder Gefängnißreform im Sinne der Einzelhaft, 1865. Lit.: Allg. Deutsch. Biogr. VIII. 176. Teichmann.

Führung(R echt der seerechtl.) (Th.I. S.544)ist die im älteren Seerecht den Schiffsleuten zustehende Befugniß eine bestimmte Quantität Güter für eigene Rech­ nung und ohne Entrichtung von Fracht auf dem Schiff, auf welchem sie dienen, zu verladen. Noch nach späteren Rechtsquellen, wie nach dem Preuß. LR. (Th. II. Tit. 8 § 1596) dürfen dieselben „so viel unverbotene Waaren oder Sachen mit-

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Fulda — Fungible Sachen.

nehmen, als sie in ihrer Schlafftelle und Kiste bergen können". Das Franz. R. verbietet dem Kapitän und der Schiffsmannschaft, abgesehen von dem Fall ausdrück­ licher Gestattung durch den Heuervertrag, irgend welche Waaren für eigene Rechnung ohne Erlaubniß der Rheder und Zahlung der Fracht im Schiffe zu verladen (Code de comm. art. 251, womit art. 66 des neuen Belg. Code de comm. L. U vom 21. Aug. 1879 übereinstimmt, welcher jedoch im Absatz 2 eine Strafbestimmung für den Fall der Uebertretung enthält). Trotzdem gestand die Franz. Praxis den Schiffsleuten ein gleiches Recht, wie das Preuß. LR. zu. Dagegen verbietet das Deutsche HGB. (Art. 514) dem Kapitän ohne Erlaubniß des Rheders, die Deutsche Seemannsordnung (§ 75), wie dies schon das HGB. (Art. 534) gethan, dem Schiffsmann ohne Erlaubniß des Schiffers, Güter zu verladen. Thun dieselben es dennoch, so müssen sie „die höchsten am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht erstatten", auch den etwaigen höheren Schaden ersetzen, wenn solcher zu erweisen ist. Die vorn Schiffsmann an Bord gebrachten Güter darf der Schiffer auch über Bord werfen, „wenn dieselben Schiff oder Ladung gefährden".

Lit.: Pöhls, Seerecht, I. S. 274 ff. — Kaltenborn, Seerecht, I. S. 205 ff. — Lewis, Das D. Seerecht, I. S. 121, 167 ff. — Pardessus, cours de droit commercial, III. na. 671. Lewis.

Fulda, Friedr. Karl, 6 27. XII. 1774 zu Mühlhausen (Württemberg), t nach 40jähriger Wirksamkeit als Prof, der Kameralwissenschaften (1798—1837) 15. I. 1847. Seine Schriften find verzeichnet in d. Ztschr. f. d. ges. Staatsw., IV. (1847). — Neuer Nekrolog, 1847 II. 877 Nr. 359. — Roscher, Gesch. d. Nationalökon., 498. — Jnama in d. Allg. Deutsch. Biogr. VIII. 192. Teich mann.

Fungible Sachen werden solche Sachen genannt, bei denen es im gewöhn­ lichen Verkehre nicht auf die Individualität der einzelnen ankommt, die vielmehr nur als Quantitäten Gegenstand des Verkehrs zu sein und einen gewissen Werth zu haben pflegen. Es sind dies die im Röm. R. als res, quae numero, pondere, mensura consistunt, constant, continentur, valent etc. bezeichneten Gegenstände, die man auch als Gattungssachen erwähnt im Anschlüsse an den Satz der Quellen res, quae in genere suo functionem recipiunt per solutionem magis, quam specie (1. 2 § 1 D. 12, 1). Es gehören hierher Getreide, Geld, Wein, Nägel, Ziegel, Bau­ steine rc. Während der Ausdruck res fungibiles nach 1. 2 § 1 D. 12, 1 von Ulrich Zasius (Zäsi) zu § 39 J. de actt. Not. 17, 18, dagegen der Ausdruck „vertretbare Sachen" von K. S. Zachariä zuerst gebraucht worden zu sein scheint, nannte Savigny dieselben: Quantitäten, während man jetzt sie meistens vertretbare, auch Gattungssachen oder Quantitätssachen nennt. Der Gegensatz ist species oder corpus. Da der Charakter der Vertretbarkeit ein zwar mit den natürlichen Eigenschaften der Sachen zusammenhängender, aber doch erst in sie hineingetragener, nicht in ihnen selbst liegender ist, so gilt derselbe nur soweit, als bei einem Rechtsverhältnisse nicht etwas Entgegengesetztes festgesetzt wird. So können Sachen, die gewöhnlich als vertretbar gelten, als species behandelt werden, wenn z. B. bestimmte Geld­ stücke, die später zurückgegeben werden sollen, Jemandem zur Aufbewahrung gegeben werden. Andererseits können gewöhnlich nicht vertretbare Sachen, wie z. B. eine Anzahl Schafe aus einer Heerde als vertretbar angesehen werden, in welchem Falle man wol von einer Gattungssache im engeren Sinne und rücksichtlich der Obligation von einer generischen Obligation spricht (legatum generis). Für solche Sachen kommt in den Quellen auch der Ausdruck res incertae vor. Es kann endlich der Vertretbarkeit eine gewisse Grenze gesetzt werden, wenn z. B. Jemand ein Schaf von denen, die er im Stall hat oder vom Hafer, den er aus dem Boden hat, so und soviel Scheffel verspricht. Von Bedeutung ist der Begriff der Vertretbarkeit

Fungible Sachen.

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beim quasiususfructus, den alternativen, generischen Obligationen, dem legatum generis, dem mutuum, depositum und commodatum. Nahe verwandt mit diesem Begriff ist der der verbrauchbaren Sachen: res, quae usu consumuntur, tolluntur vel minuuntur, quae in absumtione sunt, quae in abusu consistunt. Es gehören alle verbrauchbaren Sachen an sich zu den vertretbaren, wahrend die an sich ver­ tretbaren meist verbrauchbar, aber doch nicht immer dies sind, wie z. B. Nägel, Breter, Stecknadeln. Doch können sie juristisch trotzdem als verbrauchbar be­ trachtet werden. Vgl. die Art. Sachen, verbrauchbare u. vertretbare. Quellen: D. HGB. Art. 91, 301, 338. — Das Preußische LR., I. 2 § 120, spricht nur von verbrauchbaren Sachen und versteht darunter offenbar auch diejenigen quae pondere, numero, mensura consistunt (Koch, Preuß. LR., Bd. I. S. 138 Anm. 95; Derselbe, Lehr­ buch d. Preuß. Prz.R., § 87; Daniels, Preuß. Priv.R. § 53 Anmerk. 3; Förster, 1. § 21; Dernburg, I. § 65). Vgl. noch I. 5 § 275, I. 14 § 83 ff., I. 21 § 173. - Aehnlich Oesterr. BGB. §§ 291, 301, 971, 983. — Auch der Code civil enthält keine Bestimmungen über vertretbare Sachen, indem art. 1874 das pret de consommation erklärt als „celui des choses qui se consomment par l’usage qu’on en fait“, das pret ä usage als „celui des choses dont on peut user sans les detruire“, während nur art. 1291 choses fongibles (ver­ brauchbar) erwähnt. — Das Sächsische BGB. kennt dagegen in § 61 vertretbare Sachen als „solche, welche, wenn sie Gegenstand eines Rechtsverhältnisses sind, durch Sachen derselben Gattung geleistet werden können. In der Regel gehören dahin alle Sachen, welche im Ver­ kehre nach Maß, Zahl oder Gewicht bestimmt werden." Vgl. dazu §§ 623, 1067. — Das Bayerische LR. (IV. Kap. II. § 3 N. 2) erwähnt der vertretbaren Sachen als solcher fungibeln, welche Gegenstand eines Darlehns sein können, „womit man nach Zahl, Maß oder Gewicht zu handeln pflegt, z. B. Geld, Getreide, Obst, Wein, Bier, Brot, Fleisch u. s. w., so ist nicht nöthig, daß das natürliche Gut, welches entlehnt worden ist, in eadem specie et individuo restituirt werde". — Das Württemberger LR. II. 1 § 2 erwähnt der vertret­ baren Sachen beim Darlehn, „würdt Gelt, Wein, Eisen und anderes so gewägen, gezählt oder gemessen, und mit einem durchaus gleichen Ding zu bezahlen, geliehen." So auch Codice civile Italiano art. 1819—23. — Das Holländische Wetboek kennt art. 561 verbrauch­ bare und nicht verbrauchbare Sachen, vbd. mit art. 1791 ff. — Vertretbare Sachen werden er­ wähnt Züricher BGB. § 1108; Solothurner Civ.GB. §§ 1236, 1476; dagegen ver­ brauchbare Berner Civ.GB. art. 341, 746; Aargauer BGB. W 424 ff.

Lit.: Bürkel, Beitr. z. Lehre v. Nießbrauchs München 1864, S. 8—19. — Wächter, Handb. des im K. Würtemberg geltenden Priv.R., II. 8 38. — Unger, System des Oesterr. Allg. Priv.R., I. 8 50. — Kierulff, Theorie des Gern. Civ.R., Altona 1839, S. 313— 317. — Bücking, Institutionen, Bonn 1853 (2. Ausl.), Bd. I. § 77. — Jahrbb. f. Dogmatik, IV. S, 400 ff. — Savi gny, System, VI. $ 268; Derselbe, Obligationenrecht, I. 403. — Windscheid, Lehrb..d. Pand.R., I. § 141. — Goldschmidt, Handb. d. Handls.R., Bd. I. 2 S. 538—543. — Zr6 d low ski, Tas Röm. Priv.R., 1880 II. § 51. — Behaghel (2), I. 305. — Puchelt-Zachariä, I. § 172 S. 434. — Kleiner, Komment, zur Deutschen CPO. § 555. — Wallmann's Teutsche Juristenzeitung, III. Jahrg. Nr. 49 S. 897, 898. Teichmann.

Pierer'sche Hofbuchdruckerei.

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